S^'VV
LIBRARY
Oh THE
l
3
m\mm of north (ärolinä.
Call No.
Endowed by the Dialecfu and Philanthropie Societies
ioy
s«^
Wilson Annax
THE LIBRARY OF THE
UNIVERSITY OF
NORTH CAROLINA
AT CHAPEL HILL
ENDOWED BY THE
DIALECTIC AND PHILANTHROPIC
SOCIETIES
Wilson Annex
^%
QL805
.V67
Bd. 2
Digitized by the Internet Archive
in 2012 witii funding from
University of Nortii Carolina at Chapel Hill
http://archive.org/details/lehrbuchderprakt2vogt
LEHRBUCH
DER
PRAKTISCHEN VERGLEICHENDEN
ANATOMIE.
Ol)
ZWEITER BAND.
Wilson Annex
LEHRBUCH 0J.^
PRAKTISCHEN VERGLEICHENDEN
ANATOMIE
VON
CAKL V0(4T ixD EMIL YÜNG
Director Assistent
des Laboraturiums für vergleicbeude Anatomie und ^Mikroskopie
der Universität Genf.
Z WE
MIT 373 EIXGED
'^0 y
B R A U X S C H ^Y E I G ,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1889 - 1894.
Alle Rechte vorbehalten.
V 0 E W 0 R T.
Unter der Leitung meines verehrten Lehrers Gr. Valentin be-
gann ich im Herbst 1835. als Student der Medicin in Bern, meine
vergleichenden anatomischen Arbeiten. Später, im Jahre 1839.
nach Beendigung meiner Universitätsstudien, lud mich L. Agassiz.
der damals in Neuchätel Professor war. ein, zu ihm zu kommen
und ihm bei der Ausarbeitung eines grossen "Werkes über die
Süsswasserfische Mittel - Europas behültlich zu sein. Agassiz
übernahm den zoologischen Theil. ich sollte embryologische und
anatomische ]\Ionographien der wesentlichsten Typen bearbeiten.
Dieses Werk ist unvollendet geblieben. Von dem zoologischen
Theile erschien nur eine Lieferung von Farbentafeln in Folio, die
Salmoniden enthaltend, ohne Text; die Ent-ft-icklungsgeschiclite
der Palee {Coregonus palea) und die Anatomie der Forelle (Salnio
fario)^ die ich für das Werk bearbeitet hatte, mussten sogar
anderwärts erscheinen. Nach der Abreise Agassiz' nach Nord-
amerika im Jahre 1844 konnte von einer Fortsetzung des Werkes
nicht mehr die Rede sein.
Wenn ich diese Daten hier erwähne, so thue ich es. um dar-
zuthun, dass ich schon damals begreifen lernte, Avelche Sch^vierig-
keiten sich der Bearbeitung einer anatomischen Monographie
eines noch so bekannten Thieres in den Weg stellen. Man fand
damals, wie später noch lange, in der ganzen Literatur nur un-
vollständige, auf einzelne Systeme bezügliche NachAveise, welche
in den systematischen Lehrbüchern oder in besonderen Abhand-
lungen zerstreut waren; Monographien, etwa ähnlich den Lehr-
büchern der Anatomie des Menschen, auf welche man sich hätte
stützen können, fehlten fast vollständig.
VI Vorwort.
Ich gestehe, dass mich der Gedanke an diese Lücke während
allen meinen späteren Arbeiten verfolgt hat. Man secirt und
präparirt, sagte ich mir, bestimmte und concrete Typen, aber
man hat keinen Leitfaden für den Typus im Einzelnen. Bei den
]Draktischen Untersuchungen, welche die vergleichende Anatomie
betreffen, ist man in die unangenehme Lage versetzt, die beson-
deren Thatsachen aus den Allgemeinheiten herauszuklauben, statt
dass man den umgekehrten Weg einschlagen sollte.
Zu wiederholten Malen besprach ich mit einzelnen Verlegern
von mir ausgearbeitete Entwürfe zu einem Werke, welches die ver-
schiedenen Typen behandeln sollte, deren man sich gewöhnlich
und fast nothwendiger Weise bedient, um sich in die vergleichende
Anatomie praktisch einzuarbeiten. Es blieb bei den Entwürfen.
Erst sehr 'viel später, als ein hinlänglich ausgerüstetes
Laboratorium mir unterstellt wurde, konnte ich an die Ausführung
meines Planes denken. Aber ich wurde in meinen Anschauungen
nur bestärkt, als ich sah, wie die in meinem Laboratorium arbei-
tenden jungen Leute mühselig in systematischen, illustrirten
Lehrbüchern die Angaben und Figuren zusammensuchten, welche
sich auf das von ihnen zu untersuchende Thier bezogen. Ich
beschloss also, Hand ans Werk zu legen. Das geplante Werk
sollte in erster Linie anatomische Monographien derjenigen
Thiere geben, welche man in den Laboratorien zu benutzen pflegt;
aber diese Monographien sollten durch andere ergänzt werden,
so dass das Werk Beispiele aus allen Classen und somit eine
Gesammtauffassung des ganzen Thierreiches gab. Die Figuren
im Texte sollten nach Originalpräparaten gezeichnet und zahl-
reich genug sein, um besonders dem Anfänger ein vollständiges
Studium des Thieres zu ermöglichen.
Ich sah wohl ein, dass ungeachtet der bedeutenden Menge
von Vorarbeiten, die ich im Laufe der Jahre angesammelt hatte,
die Vollendung der Aufgabe über die Kräfte eines Einzelnen
ging. Herr E. Y u n g , der unterdessen mein Assistent im Labora-
torium geworden, entsprach glücklicher Weise meiner Aufforderung,
mich als Mitarbeiter zu unterstützen.
Ich muss hier ein Geständniss ablegen. Selbst nachdem wir
schon unsere Arbeit begonnen hatten, gaben wir beide, Herr Yung
Vorwort. vil
und ich, uns noch. nicht vollständig Rechenschaft über die zu
überwindenden Schwierigkeiten und über die Grösse der Aufgabe,
die wir uns gestellt hatten. Wir glaubten, naiver Weise, wie
ich zugestehen rauss , dass in Bezug auf viele der von uns zu
bewältigenden Monographien, wir einfach die Arbeiten unserer
Vorgänger benutzen könnten, um sie in einzelnen Punkten zu
ergänzen und zu erweitern. Ein grosser Irrthum! Wir mussten
bald zu der Ueberzeugung kommen, dass hinsichtlich vieler
organischer Systeme Alles herzustellen sei; dass die Präparate,
die Zeichnungen, die Beschreibungen unserem Zwecke anzupassen
seien; dass die Arbeiten unserer Vorgänger häufig nur in be-
schränktem Maasse uns dienen konnten.
Wir haben stets in Gemeinschaft gearbeitet, unsere Beobach-
tungen, Untersuchungen und Resultate discutirt. Ich darf wohl
sagen, dass keine Linie des Textes, keine Zeichnung dem Werke
einverleibt wurde, welche nicht von uns besprochen wäre. Wir
können in Bezug auf manche Theile nicht sagen, welchem von
uns beiden er zugesprochen werden muss.
Wenn aber dieses der exacten Wahrheit entspricht, so muss
ich doch anderseits sagen, dass wir insofern die Arbeit unter
uns getheilt haben, als jeder von uns speciell eine Anzahl der
Monographien bearbeitete, welche den Kern des Werkes bilden.
Ich halte es demnach für zweckmässig, ja gewissen ausgestreuten
Gerüchten gegenüber für nöthig, hier diejenigen Monographien zu
verzeichnen, für welche jeder von uns, als specieller Bearbeiter,
noch die besondere Verantwortlichkeit übernimmt. Erst in den
letzten Jahren ist Herr Dr. M. Jaquet, der einige Zeit lang mein
zweiter Assistent war und mich auch bei der Bearbeitung ein-
zelner Capitel unterstützt hatte (im Texte des Werkes habe ich
diese von Herrn Jaquet bearbeiteten Theile meiner Mono-
graphien genau angegeben); erst in den letzten Jahren, sage ich,
ist Herr Dr. Jaquet so gütig gewesen , die selbständige Bear-
beitung der Monographien des Amphioxus, des Barsches und der
Haustaube zu übernehmen.
Folgendes ist die alphabetisch geordnete Liste der von uns
bearbeiteten Monographien, für welche wir die specielle Ver-
antwortuns; übernehmen.
VIII
Vorwort.
C. Vogt:
Actinosphaerium Eichhorni .
Alcyonium digitatum . . . .
Amoeba terricola
Antedon rosaceus
Astropecten aurantiacus . . ,
Aurelia aurita
Boliua norvegica
Brachionus pala
Cucumaria Planci
Epeira diadema
Hyalea tridentata
Lacerta viridis
Lithobius forficatus
Mesostomum Ehreubergii . .
Peripatus capensis
Petromyzon fluviatilis . . . .
Plumatella repeus
Salpa democratica-mucronata
Sipunculus nudus
Strongylocentrotus lividus . .
Terebratula vitrea
Tetrastemma flavidum . , .
3d.
Seite
66
121
57
519
574
138
174
I 420
I 639
II 195
I 819
II 648
II 88
249
76
869
670
II 271
I 373
I 612
I 690
I 287
E. Yung-:
Acanthometra elastica .
Anodonta anatina . . .
Arenicola piscatorum .
Ascaris lumbricoides
Astacus fluviatilis II
Bd. Seite
I
I
73
726
I 481
I 344
13
Ciona intestinalis II 301
Dicyema typus I 96
Distomum hepaticum .... I 226
Helix pomatia I 767
Hirudo medicinalis I 812
Lepus cuniculus II 830
Leucandra aspera I 106
Lumbricus agricola I 489
Meloloutha vulgaris II 137
Paramecium aurelia ..... I 81
Polystomella strigilata .... I 60
Rana esculenta II 552
Sepia officinalis I 845
Taenia solium I 204
Die den einzelnen Monographien eingefügten Zeichnungen
wurden von jedem der Bearbeiter eigenhändig nach selbst-
gefertigten Präparaten ausgeführt und von Herrn Morien in
Paris, den Originalen treu entsprechend, im Holzschnitt wieder-
gegeben. Wir haben jedesmal sorgfältig angemerkt, welche ein-
zelne Figuren von anderen, von uns namhaft gemachten Autoren
entlehnt wurden.
Unserem Verleger , Herren Fr. Vieweg und Sohn , bin ich
für die Ausstattung des Werkes, sowie für vielfach erwiesene
Gefälligkeiten zu bestem Danke verpflichtet.
Genf, Ende August 1894.
C. Vogt.
Kreis der Arthropode n.
Seitlich symmetrische Thiere mit heteronomer Segmentation und
einer durch Connective mit den Kopfganglien in Verbindung stehenden
Bauchganglienkette ; die Segmente besitzen ventrale , gegliederte und
hohle Seitenanhänge, während das aus Chitin bestehende Tegument
die Ansatzpunkte für die Muskeln bildet. Wimperepithelien fehlen
gänzlich. Der Kreislauf ist stets unvollständig; das Herz dorsal.
Athmung durch die Haut, durch Kiemen oder Tracheen. Der selten
gewundene Darm hat einen gewöhnlich ventral stehenden Mund und
endet mit einem After. Im Allgemeinen sind die Arthropoden ge-
trennten Geschlechts und entwickeln sich von einer Primitivanlage
aus, deren Rückenfläche gegen den Dotter gewendet ist.
Bemerkenswerth ist, dass in diesem, so zahlreiche und verschiedene
Typen umfassenden Kreise sämmtliche Hauptcharaktere Umgestaltungen
unterworfen sind, die bis zu ihrer vollständigen Vernichtung vorgehen
können. Einerseits werden diese rückschreitenden Metamorphosen
in den meisten Fällen durch den sessilen oder parasitären Zustand,
andererseits durch die übermässige Entwicklung gewisser Gruppen
von Organen zum Nachtheile der anderen bedingt.
Die bilaterale Symmetrie, die sich über alle Körpertheile
ohne irgend welche Ausnahme erstreckt, wird immer im embryonalen
und Larvenzustande vorgefunden. Abweichungen davon im erwach-
senen Zustande sind jedoch nicht selten und können zuweilen sogar
bis zu gänzlicher Asymmetrie sich ausbilden , wie es der Fall bei den
Rhizocephalen ist.
Wir bemerken bei den Arthropoden sämmtliche Durchgangsstadien
von einer fast homonomen Segmentation, aus ziemlich gleichen
Metameren, bis zu einer heteronomen Gliederung, wo gewisse
Gruppen von mehr oder weniger ähnlichen und sogar mit einander ver-
schmolzenen Metameren verschiedene Körperregionen bilden. So bieten
z. B. die Onychophoren, die Myriapoden, sowie manche Larven eine
vielen Anneliden entsprechende Segmentation, bei denen man zwischen
einem, meist aus mehreren Ringen zusammengesetzten Kopfe und einem
unterschiedenen Endsegmente eine Serie von identischen Segmenten
•vorfindet. Bei gewissen Crustaceen und Arachniden erscheinen zwei
mehr oder weniger deutlich bezeichnete Regionen : ein vorderer Cephalo-
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. ^
2 Arthropoden.
thorax vind ein hinteres Abdomen; bei den Insecten können Kopf,
Thorax ixnd Bauch unterschieden werden , während bei einer Menge
von Milben und niederen Crustaceen die ursprünglich vielleicht au-
gedeuteten Segmente in eine einzige Masse verschmolzen sind, in der
man durchaus keine Segmentation mehr erkennt.
Mit Ausnahme des Darmes, welcher nur selten eine segmentäre An-
deutung zeigt, sind alle anderen Organsysteme mehr oder minder der
Segmentation unterworfen. Man kann als Regel annehmen , dass die
Zahl der zur Bildung der einzelnen Regionen beitragenden Metameren
sich in den höheren Typen zu fixiren strebt, während sie bei den nie-
deren manchen Schwankungen unterworfen ist.
Im Allgemeinen hängt die Theilung in Regionen von der ver-
schiedenen Ausbildung der (mit Ausnahme der Flügel) auf der Bauch-
fläche des Körpers symmetrisch angelegten, gegliederten Anhänge
ab. Man kann behaupten, dass ursprünglich einem jeden Metamer
ein Paar dieser Anhänge entspricht, die sehr verschiedenen Functionen
vorstehen können, und dass die Regionen, wenn sie vollkommen be-
grenzt sind, Anhänge mit specialisirten Functionen tragen. Es scheint
zweifellos , dass die Arthropodenanhänge sich durch progressive Ent-
wicklung aus den Parapoden der Würmer hervorgebildet haben. Sie
sind hohl, in den meisten Fällen aus mehreren Gliedern gebildet,
welche durch Articulationen von äusserst complicirten Formen in ein-
ander gelenkt sind, und enthalten im Inneren in einzelne Bündel ge-
theilte Muskeln, welche den Bewegungen der Anhänge im Ganzen oder
ihrer einzelnen Artikel dienen. Diese, ursprünglich meist zur Loco-
motion bestimmten Anhänge , können die verschiedenartigsten Func-
tionswechsel erleiden, indem sie als Sinnes-, Mund-, Athmungs- oder
Fortpflanzungswerkzeuge thätig sind. Sie können rückschreitende
Metamorphosen durchmachen und sogar in Folge dieser vollständig
verschwinden , sowie sie zuweilen Uebergangsformen zeigen , welche
sich den Parapoden der Anneliden nähern. In unseren Monographien
werden wir in die endlosen Discussionen über die Homologie dieser
Anhänge nicht näher eintreten , und da wir gezwungen sind, uns so
kurz wie möglich zu fassen, überlassen wir dieses Capitel der Zoologie,
welche sich speciell mit demselben beschäftigen muss.
Die Organisation der Metameren, sowie diejenige der Anhänge
erfordert eine gewisse Erhärtung der Tegumente, auf welchen die
Muskeln ihre Insertionen und Stützpunkte finden , da ein inneres
Skelett, wie es bei den Wirbelthieren ausgebildet ist, fehlt; zwar ent-
sendet ifi einigen Fällen das Tegument Fortsätza nach innen, welche
wenig bedeutende Gerüste bilden; diese scheinbar inneren Skelett-
bildungen sind aber stets Abhängigkeiten des Hautsystems.
Das Tegument besteht immer aus wenigstens zwei Schichten,
einer äusseren festen, wesentlich aus Chitin gebildeten Schicht, die
Arthropoden. • 3
sehr hart werden , sich mit Kalksubstanzen schwängern und so einen
festen Panzer bilden kann , und einer zweiten unterliegenden Schicht,
der Hypodermis, die aus Zellen besteht, welche die über einander
liegenden Lamellen des chitinöseu Teguments erzeugen. Letzteres ist
von Poren durchlöchert, wodurch die Hypodermis sich nach aussen
verlängert, um den zahlreichen, dasTegument oft gänzlich bedeckenden
Cuticularanhängseln (Haare, Borsten, Stacheln, Haken, Schuppen u. s. w.)
als Kern zu dienen.
Die Bildung des chitinösen Teguments durcli über einander ge-
lagerte Schichten, welche in zusammenhängender Weise von den Hypo-
dermiszellen abgesondert werden, sowie die Starrheit, welche diese
Chitindecke im Allgemeinen darbietet, haben wiederholte Haut-
wechsel zur Folge, welche durch das Wachsthum des Körpers,
durch die Entwicklung neuer oder die Umbildung schon vorhandener
Anhänge bedingt werden. Ein neues chitinöses, noch weiches und
ausdehnbares Tegumeut entsteht unter dem alten, welches schliesslich
wie eine todte Hülle abgestossen wird. Bei den höheren Typen be-
schränken sich diese Hautwechsel nach und nach auf bestimmte Epochen
des Lebens, während sie bei den niederen Typen in unbestimmten
Zeiten, in üebereinstimmung mit der Körperzunahme, auftreten.
In mehreren Fällen schlägt sich das Tegument nach innen , um
die Auskleidung verschiedener Organe , z. B. des Darms oder der Tra-
cheen, zu bilden; diese inneren chitinösen Auskleidungen werden beim
Hautwechsel ebenfalls abgestossen.
Ein Hauptcharakter der Arthropoden ist der vollständige Mangel
von Wimperepithelien, welche in allen übrigen Kreisen des Thier-
reiches so reichlich vertreten sind. Man hat nirgends, weder bei Em-
bryonen noch bei erwachsenen Arthropoden, sei es äusserlich oder inner-
lich, jemals ein Wimpergewebe gefunden. Es scheint, dass der
Entwicklungsplan eines Arthropoden mit der Existenz von Wimpern
durchaus unvereinbar sei.
Dasselbe ist mit dem bei den Würmern stets erkennbaren Ilaut-
muskelsystem der Fall. Die Muskeln bilden eigene, derart gruppirte
Bündel, dass sie die verschiedenen Bewegungen der Metameren und
ihrer Anhänge vermitteln können. Die Muskelfasern zeigen fast immer
eine sehr deutliche Querstreifung.
Das Nervensystem der Arthropoden geht aus demjenigen der
Anneliden hervor, weicht aber durch eine bedeutend grössere Ent-
wicklung der Oberschlundganglien (Hirn), sowie durch eine mehr oder
weniger ausgesprochene Concentration der Ganglien der Bauchkette
ab, welche durch die Verschmelzung einzelner Metameren zur Bildung-
gesonderter Körperregionen bedingt wird. Das Hirn, aus welchem die
Nerven der wichtigsten Sinnesorgane entstammen, ist selten durch
rückschreitende Metamorphose zu einer Art Brücke zwischen den seit-
1*
4 Arthropoden.
liehen Commissuren des Schluadringes zurückgebildet. Ursprünglich
enthält jedes Metamer ein vermittelst zweier Medianstränge mit den
benachbarten Ganglien verbundenes Ganglion, welches alle im ent-
sprechenden Segmente vorhandenen Organe mit Nerven versorgt; je-
doch zeigt in Folge der Verschmelzung der Ganglien und der Ver-
bindungsstränge die Bildung des centralen Nervensystems ungemeine
Verschiedenheiten vor, welche durch das Dasein eines zuweilen sehr
umfangreichen, sympathischen oder Darmsystemes noch complicirter
werden.
Augen existiren beinahe überall, sie können aber bei fest-
sitzenden oder schmarotzenden Thieren gänzlich zurückgebildet werden;
häufig haben dann die Larven Augen, die bei den Erwachsenen fehlen.
Gewöhnlich stehen sie am Kopfe ; man hat indessen einige Thiere ge-
funden, welche supplementäre Augen an der Basis der Thorax- oder
Bauchanhänge tragen. Man unterscheidet einfache Augen, welche zu-
weilen einzig und median (Nauplius der Crustaceen), zuweilen in der
Medianlinie verschmolzen oder auch paarig am Kopfe gelagert sind,
und zusammengesetzte Augen, die bald einfach und median, bald
paarig sind; letztere bieten verschiedene Complicationsgrade.
Die Hörorgane sind dagegen spärlich verbreitet und befinden
sich nie im Kopfe, sondern auf Anhängen des Kopfes (Krebs) oder auf
anderen Körpertheilen, sogar auf den Beinen (Heuschrecken),
An verschiedenen Orten stösst man auf Gruppen von Sinnes-
Zellen, welche Stäbchen oder steife Haare , manchmal auch Keulen
tragen , und deren inneres Ende mit Nervenfädchen verbunden ist.
In Folge ihrer Stellung und je nach den Ergebnissen physiologischer
Versuche werden diese Elemente , deren Bildung wesentlich identisch
ist, als Riech-, Geschmacks- oder Tastorgane angesprochen.
Der Darm erscheint meist als ein röhrenförmiges Organ, welches
mit einem Munde beginnt und mit einem After endet; beide Oeffnungen
sind bauchständig. Wenn aber diese Röhre öfters in mehr oder
weniger bestimmte und verschiedene Abschnitte (Schlund, Kropf, Magen,
Dick- und Dünndarm u. s. w.) zerfällt, so kann sie auch durch rück-
schreitende Metamorphose bei gewissen parasitären Formen gänzlich
verschwinden oder in Folge von Mundverschliessung bei einigen
Männchen von kurzer Lebensdauer unthätig bleiben. Mit Ausnahme
dieser Fälle ist der Mund beinahe immer mit mehrfachen Stücken be-
waffnet, welche aus der besonderen Anpassung einer gewissen An-
zahl metamerischer Anhänge hervorgehen , die ursprünglich zur Be-
wegung dienten, wie es viele Crustaceen und namentlich die Limulen
beweisen. Die Zahl dieser Stücke (Kieferfüsse) ist bei den niederen
Typen höchst unbeständig, strebt aber ständig zu werden , so dass sie
bei den höheren (Decapoden , Araneiden , Insecten) unwiderruflich
fixirt bleibt. Die Umwandlungen dieser Mundstücke in Bezug auf die
Arthropoden. 5
Nahrung sind unzählbar; man kann jedoch im Allgemeinen zwei grosse
Kategorien unterscheiden : die primitiven Kauorgane und die offen-
bar in Folge späterer Veränderungen von diesen abgeleiteten Saug-
organe.
Die Absonderungs- und Ausscheidungsorgane sind im
Allgemeinen röhrenförmig und gehören zum Darm, wo man sie je nach
ihrer Stellung und ihren Producten unter den Namen Speicheldrüsen,
Harndrüsen , Leber u. s. w. unterscheidet. Seltener treffen sich ein-
zellige Drüsen im eigentlichen Endothelium des Darmes, oder eigen-
thümliche, specialisirte Drüsen an bestimmten Stellen des Panzers
oder seiner Anhänge. Man hat aber auch noch nicht mit Sicherheit
das Vorhandensein von Ausscheiduugsorganen, die den Segmentar-
canälen der Würmer homolog wären, nachweisen können, mit Ausnahme
der Classe der Onychophoren, wo diese Organe durchaus denjenigen der
Ringelwürmer ähneln.
Die Athmung geschieht in vielen Fällen durch das Tegument
des ganzen Körpers oder auch, bei höheren Wasserbewohnern, durch
Kiemen, welche ursprünglich wohl immer den gegliederten Anhängen
zugehören, die aber auf verschiedenen Körpertheilen als Büschel, La-
mellen, Bläschen u. s. w. entwickelt sind. Endlich wird bei den höhe-
ren Luftthieren die Athmung durch Luftröhren oder Tracheen bewerk-
stelligt ; dieselben öffnen sich auf der Körperoberfläche und dringen in
das Innere ein, wo sie sich oft gefässartig verzweigen, aber stets am
Ende geschlossen bleiben. Die einerseits bei den Kiemen , anderseits
bei den Tracheen vorkommenden Modificationen sind ausserordentlich
zahlreich. Bei einigen Larven findet man eine Art von Mittelbildung
zwischen Kiemen und Tracheen in Folge der Ausbildung von ge-
schlossenen Tracheen auf kiemenförmigen Anhängen.
Der Blutkreislauf ist immer lacunenartig iind meistens nimmt
die allgemeine Körperhöhle einen grossen Antheil daran. Oefters
liefert sie den einzigen Behälter der die Organe badenden Nährflüs-
sigkeit, welche durch die Bewegungen der Locomotionsorgane, des
Darmes u. s. w. hin und her bewegt wird. Ein eigentlicher Kreislauf
entsteht durch die Bildung eines stets rückenständigen Herzens, welches
gewöhnlich spaltförmige Oeffnungen besitzt, durch die das immer un-
gefärbte, aber zellenartige Körperchen von verschiedenen Formen ent-
haltene Blut einfliesst. Man kann annehmen, dass die primäre Form
des Herzens metamerisch in dem Sinne sei, dass einem jeden Segment
ein Paar seitlicher Spalten entsprechen würde; das Organ zeigt sich
aber öfters concentrirter und sogar auf eine einzige Kammer redueirt.
Die aus diesem Herzen entspringenden Arterien verzweigen sich mehr
oder weniger, um sich schliesslich in die Lacunen zu öffnen, aus
welchen bei gewissen höheren Typen ein besonderes Kreislaufsystem
für die Athmungsorgane sich entwickelt. Selten ist dieses System mit
6 Arthropoden.
dem Herzen vermittelst getrennter Gefässe verbunden •, im Allgemeinen
münden die Kiemenveuen in das Lacunensystera, dessen Blut durch
die seitlichen Spalten aufs Neue in das Herz zurückgeführt wird.
Die Bildung der Geschlechtsorgane ist iingemein mannig-
faltig. In der Regel sind sie auf zwei Individuen vertheilt; Zwitter-
bildung trifft sich ausnahmsweise bei einigen festsitzenden Thieren
oder Schmarotzern. Eigentliche asexuelle Fortpflanzung (Knospung,
Fissiparität u. s. w.) kommt nirgends vor, dagegen erscheinen bei
Larven oder Erwachsenen Generationsformen, wo die inneren, ur-
sprünglich weiblichen Organe ohne irgend welche männliche Befruch-
tung Keime erzeugen, welche zur Entwicklung gelangen (Partheno-
genesis u. s. w.), wie man ferner noch auf andere Fälle stösst, wo die
weiblichen Fortpflanzungsorgane steril bleiben (Neutren). Der Unter-
schied zwischen beiden Geschlechtern ist fast immer äusserlich stark
augedeutet und entwickelt sich zuweilen zu einem wirklichen Dimor-
phismus; dabei behalten die Männchen mehr oder weniger larväre
Formen, oder unterscheiden sich von den Weibchen durch die Ent-
wicklung von Bewegungs-, Greif- oder Sinnesorganen, die dem
Weibchen gänzlich fehlen. Die keimbereitenden Organe , Eierstöcke
nnd Hoden, sind beinahe immer röhi'enförmig und paarig, werden aber
auch zuweilen in Folge von Verschmelzung oder einseitiger Entwick-
lung einfach. Die Verschiedenheiten treten besonders bei den Aus-
fühi'ungscanälen und deren Nebenorganen, sowie bei den Begattungs-
organen hervor. Die Männchen besitzen meist Nebendrüsen, deren
Producte sich mit dem Samen mischen, ferner Theile, worin mehr oder
weniger complicirte Spermatophoren gebildet werden, und endlich Be-
gattungsorgane; zuweilen sind diese letzteren von den eigentlichen
Geschlechtsorganen vollständig getrennt und werden vor der Begattung
mit Samen, den sie den weiblichen Organen zuführen, beladen. Oefters
entstehen die Männchen nur für die Copulation; manchmal sind sie
sogar unfähig, irgend welche Nahrung zu sich zu nehmen , und leben
dann nur sehr kurze Zeit.
Ueberall geschieht die Befruchtung innerlich und daher finden
wir in den weiblichen Organen eine Menge Anpassungen zur Aufnahme
und zur Erhaltung des Samens. Die fernere Entwicklung der Eier
erfordert besondere Bildungen, Uterus genannte Erweiterungen u. s. w.,
worin die Jungen manchmal bis zur gänzlichen Vollendung ihrer
Metamorphosen verweilen. Weitere Reihen von Anhangsorganen dienen
zur Vermehrung der Bildungssubstanzen des Eies selbst, zum Aufbau
der Eihüllen und öfters sehr complicirten Schalen, zur Lieferung be-
sonderer Stoffe, welche bestimmt sind, die Eier zu fixiren oder schweben
zu lassen, kurz, ihre Existenz während der Evolutionszeit oder die-
jenige der Larven nach ihrem Austritte zu versichern. Wenn gewisse
männliche Auhangsorgane öfters in Hinsicht auf die Begattung seit-
Arthropoden. 7
saraer Weise modificirt sind, erleiden dagegen die weiblichen nicht
weniger wichtige Veränderungen für das Legen und Fixiren der von der
Mutter, zuweilen auch von dem Vater getragenen Eier auf zu diesem
Zwecke umgebildeten Anhängen.
Die Schilderung der embryonalen und Larvenentwicklung werden
wir übergehen. Wir erwähnen nur, dass die directe Entwicklung, in
Folge deren die Jungen die Eier unter einer, derjenigen der Erwachse-
nen ziemlich gleichen Form verlassen, verhältnissmässig selten statt-
findet, dass dagegen in den meisten Fällen Reihen von Metamorphosen
durchlaufen werden, welche manchmal so weit gehen, dass die Larven-
formen sich nicht ohne anhaltende Beobachtung an die Erwachsenen
anknüpfen lassen. Diese Formveränderungen fallen um so mehr auf,
als sie meistens in scheinbar plötzlicher Weise auftreten, indem das
Tegument und die Anhänge, welche das frühere Stadium besass, ab-
geworfen werden. Im Allgemeinen können die larvären Metamor-
phosen entweder progressiv sein in Folge der weiteren Entwicklung
von bereits im vorhergehenden Stadium existirenden Organen , ja
sogar durch das Erscheinen neuer Organe (zusammengesetzte Augen,
Flügel u. s. w.) , oder regressiv in Folge übermässiger Entwicklung
gewisser Theile (Zeugungsorgane z. B.), durch Verkümmerung und
Verschwinden anderer Systeme, die unter dem Einflüsse festsitzender
oder parasitärer Zustände überflüssig geworden sind.
Mit der Mehrzahl der Autoren nehmen wir folgende Classen an :
1. Crustaceen. — Durch die Haut oder durch Kiemen athmende
Arthropoden, welche im Allgemeinen zwei Fühler, Kieferfüsse in
wechselnder Anzahl und Bauchbeine besitzen.
2. Onych.oph.orerL. — Wurmai'tig gestreckter, weicher Körper
mit gesondertem Kopfe und einem Fühlerpaare, mit gleich gebildeten,
homonomen Segmenten, krallentragenden Fussstummeln und Segmen-
talorganen. Tracheenathmung.
3. Myriapoden. — Tracheaten mit gesondertem Kopfe, der ein
einziges Fühlerpaar trägt, und zahlreichen, homonomen Segmenten mit
je einem oder zwei gegliederten Beinpaaren.
4. Insecten. — Deutliche Körpertheilung in drei Regionen :
Kopf, Thorax und Abdomen. Der Kopf trägt ein Fühlerpaar und
Mundglieder in bestimmter Anzahl; der Thorax ist mit drei geglieder-
ten Gliedpaaren (Hexapoden) auf der Bauchseite und meistentheils mit
zwei rückenständigen Flügelpaaren versehen. Das Abdomen besitzt
keine Anhänge. Tracheenathmung.
5. Aracliniden. — Arthropoden ohne Fühler und Anhänge am
Abdomen. Sie athmen durch die Haut, durch isolirte oder auch durch
zu besonderen Organen (Lungen) verbundene Tracheen und besitzen
8 Arthropoden,
im Ganzen höchstens sechs Paare gegliederter Anhänge , die alle am
Cephalothorax angeheftet sind.
Diese Eintheilung ist jedenfalls eine provisorische, wenigstens was
die Crustaceeu und Arachniden anbetrifft. Fortgesetzte emhryologische
und paläontologische Untersuchungen wei'den , wie mau jetzt bereits
im Voraus behaupten kann, grosse Veränderungen in der Classification
der Crustaceen und der Arachniden herbeiführen , da diese Classen
einerseits in Folge der Vereinigung heterogener Gruppen gebildet
worden sind, und anderseits einzelne dieser Grvippen, die jetzt in
verschiedenen Classen untergebracht sind, in engster Beziehung zu ein-
ander stehen. Was jetzt schon sicher festgestellt scheint, ist, dass die
tiefe, zwischen den Branchiaten (Crustaceeu) und den Tracheaten (die
vier übrigen Classen) aufgestellte Trennung eine durchaus künstliche
ist, welche keineswegs, besonders nach den paläontologischen Angaben
hinsichtlich der zwischen den älteren Arthropoden existirenden Be-
ziehungen, aufrecht erhalten werden kann.
Indem wir diese fünf oben genannten Classen annehmen, sind wir
genöthigt, einige Gruppen davon auszuschliessen, die wohl zum Kreise
der Arthropoden gehören, jedoch so abweichende Charaktere zeigen,
dass man sie nicht ohne eine gewisse Gewältthätigkeit in die eine oder
die andei'e der angenommenen Classen unterbringen kann. Zu diesen
GrujDpen zählen wir mit Balfour: die Linguatuliden, welche
durch Parasitismus so ungemein modificirt worden sind, dass man den
Typus, von dem sie herstammen, nicht mehr mit Sicherheit feststellen
kann; ferner die Tardigraden, die Pantopoden und endlich die
Xiphosuren, einer der ältesten und räthselhaftesten Typen, die es
giebt. Wir kennen die embryologische Entwicklung einer jeden dieser,
zwischen den Crustaceen uud den Arachniden schwankenden Gruppen
genügend, um behaupten zu können, dass das Studium dieser Entwick-
lung die Zweifel über die Verwandtschaft derselben nicht nur nicht weg-
geräumt, sondern im Gegentheile noch verstärkt hat.
Wir werden also diese unbestimmten Gruppen besonders behan-
deln , indem wir die Hauptzüge ihrer Organisation erwähnen , ohne
specieller daraiif einzugehen.
Classe der Crustaceeu.
Die unter diesem Natuen vereinigten Arthropoden sind in sehr
grosser Anzahl in allen Gewässern verbreitet. Beinahe alle besitzen
Kalkablagerungen in ihren chitinösen Tegumenten, jedoch fehlen bei
den mikroskopischen Formen öfters die Mineralsalze.
Die ins Unendliche wechselnde Körperform zwang die Zoologen,
zahlreiche Unterclassen und Or-dnungen zu bilden, welche wir später
Crustaceen, 9
kurz erwähnen werden. Im Allgemeinen verschmelzen die Kopf-
segmente mit einem oder mit mehreren Brustsegmenten , woraus eine
mehr oder weniger feste Vorderregion entsteht, der sogenannte Cephalo-
thorax. Es giebt ebenfalls Beispiele, dass eine gewisse Anzahl von
Thoraxsegmeuteu mit denen des Abdomens vereinigt sind. Die Segnien-
tirung kann zuweilen gänzlich verschwinden, wie bei den Lernäen.
Die gegliederten Anhänge sind zahlreich und werden zu allen mög-
lichen Functionen verwendet , zur Bewegung , zum Kauen , zum Er-
greifen, als Sinnesorgane, zur Athmung, zur Vertheidigung , zur Be-
gattung, zur Brutpflege u. s. w. Die Thoraxglieder sind in der Regel
wenigstens fünfpaarig und werden zur Bewegung benutzt. Der Kopf
besitzt beinahe immer zwei Fühlerpaare. Am Abdomen heften sich
Anhänge an (Bauchfüsse).
Das Nervensystem besteht vorwiegend aus einer in der ventralen
Mittellinie verlaufenden Kette von Ganglien, von denen je ein Paar einem
Körpersegmente angehört. Die Doppelkette wird durch Connective,
welche den Schlund umgeben, mit einer dorsal gelegenen Gangiienmasse
(Gehirn) verbunden. Jedoch wird die Zahl der Ganglien öfters durch
Verschmelzung verringert und zuweilen in solcher Weise, dass nur
noch eine einzige Gangiienmasse zurückbleibt, welche Hirn- und Bauch-
kette darstellt.
Die Sinnesorgane bestehen aus auf verschiedenen Punkten des
Körpers, namentlich auf den Fühlern, verbreiteten Tast- oder Geruchs-
»haaren; aus einfachen oder zusammengesetzten, unpaaren oder paa-
rigen, gestielten oder ungestielten, gewöhnlich am Kopfe stehenden
Augen ; ferner aus entweder an der Basis der Fühler oder auf den
Schwanzplatten befindlichen Hörbläschen.
Der Darm erstreckt sich in gerader Richtung und erweitert sich
in einen Magen und zuweilen in einen Vormagen. Er wird von
Schlauchdrüsen umgeben, welche einen Verdauungssaft absondern.
Das Kreislaufsystem ist sehr verschiedenartig. Höchst vereinfacht
bei den niederen Formen, gelangt es zu grösserer Vollkommenheit bei
den höheren Typen. Man unterscheidet dann ein dorsal gelegenes
Herz und stets durch Hohlräume getrennte Arterien und Venen.
Wenn Athmungsorgane vorhanden sind, so sind es meistentheils
an den Brust- oder Bauchfüssen befestigte Kiemen; bei den niederen
Typen fehlen sie gänzlich.
Der Ausscheidungsapparat ist entweder durch Drüsenschläuche,
welche vielleicht den Segmentalorganen der Würmer vergleichbar
sind , dargestellt oder durch besondere in der Körperhöhle liegende
Drüsen, die an der Basis der hinteren Fühler münden.
Beinahe alle Crustaceen sind getrennten Geschlechts. Zwitter-
bildungen trifft man nur bei Schmarotzern. Parthenogenesis wurde
bei mehreren Gattungen nachgewiesen. Die Männchen sind im All-
10 Arthropoden.
gemeinen kleiner als die Weibchen, und leben zuweilen als Parasiten
auf denselben. Die Anordnung der Geschlechtsorgane wechselt un-
gemein.
Die Entwicklung durchläuft meist mehr oder weniger verwickelte
Metamorphosen. Die Beobachtung der Larven erlaubt uns, die ver-
schiedenen Formen auf eine kleine Anzahl primitiver Bildungen, viel-
leicht auf eine einzige Form, die Naupliusform, zurückzuführen.
Der Parasitismus spielt eine grosse Rolle bei den Krustenthieren,
die dadurch oft bis aufs Aeusserste verkümmern. Bei den Larven
zeigt sich dann eine rückschreitende Metamorphose.
Die Crustaceen werden in Hauptgruppen zusammengestellt, Ento-
mostraken, Leptostraken, Ai^throstraken, Thoracostraken, welche sich in
mehrere Ordnungen theilen, deren Diagnosen wir dem Lehrbuch der
Zoologie von Claus entnehmen. Wir werden auf diese Weise einen
Einblick in die ausserordentliche Mannigfaltigkeit der Formenvarietät
dieser Thiere gewinnen.
A. Entomostraken.
1. Ordnung. — Die Phyllopoden besitzen Blattfüsse. Der ver-
hältnissmässig grosse Körper ist deutlich gegliedert. Sie werden in
zwei Unterordnungen getheilt :
a) Die Branchiopoden besitzen einen Körper, welcher von einer
einfachen und flachen, zuweilen abgeplatteten und schildähnlichen,
manchmal auch zweiklappigen und seitlich comj)rimirten Schale ein-
geschlossen wird. Sie tragen 10 bis 40 gut entwickelte blattförmige
Schwimmfüsse mit Kiemenanhängen. Beispiele: BrancMpus , Apus,
Esfheria.
b) Die Cladoceren, mit einem seitlich comprimirten Körper,
der von einer zweiklappigen Schale umgeben ist, sind mit grossen
Schwimmfühlern und vier bis sechs Ruderpaaren versehen. Beisi^iele :
Daplmia, Bosmina, Leptodora.
2. Ordnung. — Die Ostracoden, deren Körper klein und seitlich
comprimirt ist, besitzen eine zweiklappige, sogar den Kopf bedeckende
Schale. Sie haben ausserdem sieben als Fühler, Kiefer, Kriech- und
Schwimmbeine fungirende Paare von Anhängen. Ihr Abdomen ist kurz.
Beispiele: Cypridina, Cypris, Cyiliere.
3. Ordnung. — Die Copepoden mit gestreckter Köi'perform, ohne
schalenförmige Hautduplicatur , mit zwei Fühlerpaaren , einem Paar
Mandibeln, einem Paar Kiefer, zwei Kieferfusspaaren, vier oder sechs
Paaren zweiästiger Ruderfüsse und einem aus fünf Segmenten be-
stehenden, aber gliedmaassenlosen Abdomen. Man unterscheidet bei
ihnen zwei Unterordnungen :
Crustaceen. 11
a) Die Eucopepodea. Thiere mit Ruderfüssen und zum Kauen,
Stechen oder Saugen angelegten Mundwerkzeugen. Beispiele: Cyclops,
CetucJühls, und unter den zahlreichen Schmarotzerformen: ErgasiJiis,
ChondraccDitJtuSi CaVujus, Lernaeojjoda.
b) Die Branchiuren. Schildförmiger Cephalothorax und zwei-
lappiges Abdomen. Sie besitzen vor dem Munde einen vorstülpbaren
Stachel und vier längliche, an ihrem Ende gespaltene Ruderpaare
Beispiel: Arguhis.
4. Ordnung. — Die Cirrhipeden. Der undeutlich gegliederte Kör-
per ist von einer verkalkten Hautduplicatur umschlossen. Sie besitzen
in der Regel sechs Paare von Rankeufüsseu. Sie sind festsitzend und
beinahe alle Zwitter. Sie werden in vier Unterordnungen getheilt:
a) Pedunculata. Nur auf dem Thorax segmentirt, ein Kalk-
platten enthaltender Mantel. Beispiele: Lepus, Pollicqjes, Baianus,
Coronula.
b) Abdominalia. Schmarotzer mit flaschenförmigem Mantel.
Drei Paare von Rankenfüssen. Beispiele: Alclppe, Cri/ptopMahis,
c) Die Apoden. Parasiten ohne Mantelduplicatur und Ranken-
füsse. Beispiele : ProteoJepas.
d) Die Rhizocephalen. Schmarotzer mit sackförmigem, fuss-
losem Körper ohne Segmentirung. Beispiele: Feitogaster, Sacculina.
B. Leptostraken.
Crustraceen mit dünnhäutiger, zweiklappiger Schalenduplicatur,
unter welcher sämmtliche Brustringe als freie Segmente gesondert
bleiben, mit acht, denjenigen der Phyllopoden ähnlichen Beihpaaren
und achtgliedrigem, mit zwei Gabelfäden endigendem Abdomen. Sie
bilden den üebergang von den Phyllopoden zu den Arthrostraken. Sind
nur noch durch zwei Gattungen vertreten: NebaJia und Faranehalia.
C. Arthrostraken.
1. Ordnung. — Die Amphipoden mit seitlich comprimirtem Leibe,
besitzen sieben, selten sechs freie Brustringe, Kiemen an den Brust-
füssen und ein längliches, selten rudimentäres Abdomen, dessen drei
vordere Segmente ebenso viel Schwimmfusspaare tragen. Die Fuss-
paare der drei hinteren Segmente sind nach hinten gerichtet. Man
theilt sie in drei Unterordnungen ein:
a) Die Laemodipoden, deren Abdomen rudimentär bleibt. Sie
besitzen ein vorderes, unter dem Halse gelegenes Beinpaar. Beispiele ;
Capretla, Cyamus,
12 Arthropoden.
b) Die Crevettineri. Kleiner Kopf, kleine Augen; vielgegliederte,
das Aussehen von Gehfüssen besitzende Kieferfüsse. Beispiele: Talitrics,
Gammarus.
c) Die Hy perinen. Grosser Kopf, grosse Augen. Ein drei-
lappiges Kieferfusspaar , welches als Unterlippe fuugirt, Beispiele:
Hyperia, Phronima.
2. Ordnung. — Isopoden. Breiter, mehr oder weniger gewölbter
Körper mit sieben freien Brustringen. Meistens reducirtes Abdomen
mit kurzen Segmenten, dessen blattförmige Beine meist als Kiemen fun-
giren. Sie theilen sich in zwei Unterordnungen :
a) Die Anisopoden. Der Körper ähnelt mehr oder weniger
demjenigen der Amphipoden. Abdomen mit zweiästigen, nicht als
Kiemen fiingirenden Schwimmfüssen. Beispiele: Tanais, Änceus.
b) Die Euisopoden. Körper mit sieben freien Brustsegmenten
und ebenso viel Beinpaaren. Abdomen verhältnissmässig kurz und
breit, mit Kiemenlamellen an den Abdominalfüssen. Beispiele: CymotJioa,
Idotliea, Äsellus, Oniscus.
D. Thoracostraken.
1. Ordnung. — Cumaceen. Kleines Rückenschild, vier bis fünf
freie Brustsegmente, zwei Paar Kieferfüsse und sechs Fusspaare, von
denen wenigstens die zwei vorderen gespalten sind; langgestrecktes
Abdomen mit sechs Ringen, welches beim Männchen, ausser den
Schwanzanhängeu, noch zwei, drei oder fünf Paare von Schwimmfüssen
trägt. Keine gestielte Augen. Beispiele: Diastylis, Leucor.
2. Ordnung. — Stomatopoden. Langgestreckte Thiere mit
kurzem, die Brustsegmente nicht überdeckendem Kopfbrustschild, mit
fünf Paaren von Mundfüssen und drei spaltästigen Beinpaaren, mit
Kiemenbüscheln an den Schwimmfüssen des mächtig entwickelten
Hinterleibes. Beispiel: Squilla.
3. Ordnung. — Podophtlialmen. Umfangreicher, über den
Thorax ausgedehnter Cephalothorax mit drei oder zwei Paaren von
Kieferfüssen und fünf oder sechs spaltästigen oder einfachen Thoracal-
beinen. Sie theilen sich in zwei Unterordnungen:
a) Die Schizopoden. Spaltfüssige Krebse. Kleine Crustaceen
mit einem grossen, meist häutigen Panzer und acht Paaren gleichartig
gebildeter Spaltfüsse, welche häufig frei vorstehende Kiemen tragen.
Beispiele: Mysis, Eiipliausia.
b) Die Decapoden. Grosses Rückenschild, welches gewöhnlich
mit allen Segmenten des Kopfes und der Brust verwachsen ist, mit
drei oder zwei Kieferfusspaaren und zehn bis zwölf, theilweise mit
Crustaceen. 13
Scheeren bewaflfneten Gehfüssen. Man theilt sie in: Macruren, dessen
sehr entwickeltes Abdomen länger als das Rückenschild ist. Beispiele:
Astacus, PaUnurus, Pagunis, und in Brachyuren, deren kurzes Ab-
domen nach vorn umgeklappt ist. Beispiele: Maja, Cancer, Pinnotheres.
Typus: Astacus fluviafilis. (Rond.) Der Flusskrebs gehört
zu der Gruppe der zehnfüssigen Makriiren und zur Ordnung der
Podophthalmen (das Abdomen wird gewöhnlich unrichtiger Weise
Schwanz genannt).
Der Flusskrebs ist beinahe in allen Gewässern Europas verbreitet.
Seine von einer grossen Zahl von Naturforschern bearbeitete Anatomie
ist auf das Genaueste bekannt. Huxley hat hierüber eine zur Ein-
leitung in die Zoologie dienende Monographie geschrieben, welche als
ausgezeichneter Führer sich bewährt und auf die wir den Leser in
Betreff der in unseren engen Rahmen nicht passenden Einzelheiten
hinweisen werden. Man wird ebenfalls in der Zoologie eUmentaire
von Felix Plateau eine abgekürzte und getreue Schilderung des
Thieres finden.
Präparation. — Der Flusskrebs lebt vortrefflich in einem Aqua-
rium mit laufendem Wasser und kann sogar in einem breit geöffneten
Gefässe unter zehn Centimeter hohem Wasser lange lebendig auf-
bewahrt werden. Man tödtet den Krebs durch Einathmen von Aether
oder Chloroform unter einer Glocke , oder auch in Wasser , das mit
einigen Tropfen von Chloroform versetzt ist; in Alkohol aufbewahrte
Thiere können ebenfalls in vielen Fällen benutzt werden.
Zur Präparation des Skeletts lässt man den Krebs während einiger
Stunden in einer concentrirten Kalilösung kochen, indem man dafür
sorgt, dass das verdunstende W^asser von Zeit zu Zeit erneuert
wii'd. Das Kali löst die organische Materie auf, während die Chitin-
theile unversehrt bleiben. Mit dem Scalpell trennt man die Segmente
an ihren Articulationsflächen und erst dann ihre Anhänge. Auf diese
Weise erhält man eine sehr schöne Präparation des gänzlich desarticu-
lirten Skelf^ttes, dessen verschiedene Theile auf eine Glasscheibe mit
einem Tropfen von dichtem Canadabalsam aufgeklebt werden. Die
Glasplatte wird alsdann mit einer zweiten gleich grossen Platte bedeckt,
welche in einen Holzrahmen gefasst ist. Den Anfängern rathen wir
sehr, sich solche Präparate zu verfertigen, und sich auf diese Weise mit
den äusseren Hauptorganen bekannt zu machen. Um die in dem
Skelett enthaltenen Kalkssalze zu entfernen , digerirt man es in einer
Lösung von Essigsäure zum Drittel, bis es gänzlich weich geworden
ist. Nachher wird mit Alkohol gewaschen, wodurch das Pigment auf-
gelöst wird. Man erhält so die innere und äussere Chitinbedeckung
in voller Reinheit.
Was die Behandlung der inneren Organe anbetrifft, so werdem
wir sie bei jedem einzelnen Organe erwähnen.
14
Arthropoden.
Skelett, — Der Körper des Flusskrehses (Fig 1, 2) ist von eiuer
chitinösen, meistentheils verkalkten Schale bedeckt. Es werden zwei Re-
gionen bei ihm unterschieden, eine vordere, der Cephalothorax, welcher
durch eine aus einem Stücke bestehende und in ein spitziges Ende,
das Rostrura, auslaufende Rückenschale bedeckt wird; ferner eine
hintere Region, das Abdomen oder unrichtiger Weise der Schwanz des
Krebses, die segmentirt ist und mit Schwimmlamellen endet (20),
riß-. 1.
Astaciis ßuviatUis. — Von dei" Riiekenfläche aus gesehen (dem Werke von Huxley
entnommene Figur). A, Männchen; B, Weibchen; hcg^ die Grenze zwischen dem
Herzbeutel und den Kiemenhöhlen bezeichnende Kiemenherzfurche ; cg, Hirnfurche
(diese Buchstaben stehen auf der Schale) ; r, Rostruiii ; t, t\ die zwei Theile des Tel-
sons; 1, Augenstiele; 2, kleine Fühler; 3, grosse Fühler; 20, Seitenlappen der
Schwanzflosse ; XV bis XX, Somiten des Abdomens.
Man bemerkt auf der Schale eine Querfurche (Fig. 1, c g), welche
dieselbe in eine vordere Kopfregion und eine hintere Thoraxregion
theilt. Ausserdem bezeichnen zwei feine Längsrinnen die Lage des
Herzens in der Mitte und die der Kiemen auf beiden Seiten (Fig. \^\)cg).
Crustaceen.
15
Ferner ist zu beachten, dass die Schale sich rechts und links in zwei
breite, convexe Platten krümmt, deren ünterränder frei bleiben.
Diese Verlängerungen wurden Branchiostegiten genannt; sie bilden
Fio;. 2.
Astaciis fluviafdis. — Von der Bauch- oder Sternaltläche aus gesehen (Figur von
Huxley). A, Männchen; B, Weibchen; a, After; gg, OefFnung der grünen Drüse;
Ib, Oberlippe [luhrum); mt, Metastom oder Unterlippe ; od, EileiteröfFnung ; vd, OefFnung
des Samenganges; 1, Augenstiele; 2, Antennula; 3, Fühler; 4, Mandibel ; 8, zweiter
Kaufuss ; 9, dritter oder äusserer Kaufuss; 10, Scheere ; 11, erster Fuss ; 14, vierter
Fuss; 15, 16, 19, 20, erster, zweiter, fünfter und sechster Bauchfuss ; X, XI, XIV,
Sternum des vierten, fünften und achten Thoraxsomiten ; XVI, Sternum des zweiten
Bauchsomiten. Bei dem Männchen hat man die Anhänge 4 bis 9 und 16 bis 19 der
linken Seite weggenommen; beim Weibchen (ihr Basalglied ausgenommen) fehlen die
Fühler und die Anhänge 5 bis 14 der rechten Seite. Man sieht hier die auf der
linken Seite an den Schwimmfüssen ancrehefteten Eier.
16
Arthropoden.
Fiff. 3.
die äussere Wandung einer die Kiemen einschliessenden Kammer,
deren innere Wand durch eine kaum verkalkte Chitinlamelle hei-gestellt
ist, welche die Kiemeukammer von der Körperhöhle vollständig trennt
(Fig. 4, Je, V). Die Kiemenkammer ist weit nach unten geöffnet, das
Athemwasser kann also leicht darin circuliren. Nach vorn und unten
verlängert sich die Kammer in einen Canal, der an dem Punkte, wo
der Kopf an den Thorax eingelenkt ist, ausmündet. In dem Canale
befindet sich eine ovale Platte, das Scaphognathit (Fig. 22, 6),
deren Function wir bei der Athmung erörtern werden.
Die Segmentirung des Cephalothorax ist nur auf der Bauchfläche
ersichtlich (Fig. 2 a. v. S.). Man zählt hier ebenso viel Segmente als
Gliederpaare. Im oben genannten Werke von Hu xley findet sich eine
eingehende Beschreibung der verschiedenen, diese Segmente bildenden
Theile, sowie derjenigen, welche das Eudophragmalsystem, das heisst
das ungemein complicirte innere
Skelett bilden, welches den Ce-
phalothorax stützt, die Einge-
weide beschützt und zahlreiche
Ansatzpunkte für die Muskeln
darbietet.
Das Abdomen ist auf seinem
ganzen Umkreise scharf segmen-
tirt und wird aus sechs beweg-
lichen auf einander folgenden
Ringen oder S o m i t e n und einer
Endlamelle , dem T e 1 s o n (Fig.
1 und 2, t, t') zusammengesetzt.
Auf dem Querschnitte eines So-
miten unterscheiden wir einen
gewölbten Rückentheil, das Ter-
gum (Fig. 3, a), einen Bauchtheil,
das Sternum (?)) , und endlich
zwei seitliche Theile, die Pleuren
(c); Epimer {d) hat man die ster-
nale Region zwischen dem Ver-
bindungspunkte der Anhänge und der Pleuren genannt. Diese Ausdrücke
sind unbedingt nothwendig, um die Homologien der verschiedenen
Somiten des Cephalothorax und der Abdominalregion festzustellen.
Anhänge. — An der Bauchseite der einzelnen Somiten sind
zwanzig Paare gegliederter Anhänge angeheftet, welche die richtige
Zahl der Körpersegmente angeben, mit Ausnahme des Telson, das
keine besitzt. Es sind das von vorn nach hinten (siehe Fig. 2 und 6):
I. Die mit der facettirten Hornhaut des Auges endenden
Augenstiele.
Astacus fluviatUis. — Querschnitt eines So-
miten des Abdomens, welcher die allgemeine
Anordnung der Organe zeigt (schematische
Figur), a, Tergum ; &, Sternum ; c, Pleu-
ron ; d, Epimer; e, Anhang; /, Streck-
muskeln des Abdomens; g, Beugeiiiuskeln ;
h, Darm; i, Nervenganglion; h, obere
Baucharterie ; /, untere Baucharterie.
Crustaceen. 17
II. Die Antennulen oder kleinen Fühler, welche zwei Geissein
und das Hörorgan in ihren Basalgliedern tragen.
III. Die mit eiuev einzigen Geissei endenden grossen F il h 1 e r. Die
ßauchfläche ihres Basalgliedes trägt "die OefFnung der grünen Drüse.
IV. Ein Paar harte und auf dem inneren Rande kräftig gezahnte
Mandibeln.
VundVI. Zwei Paar weichere, blattförmige Kiefer oder Maxillen.
VII, VIII und IX. Drei Kieferfusspaare (Maxillipeden), deren
hinteres Paar das grösste ist. Modificirte, zum Ergreifen der Nahrungs-
mittel dienende Füsse. Die beiden letzten Paare tragen Kiemenfäden
(siehe Athmung).
X. Ein Paar grosser Füsse, welche mit kräftig entwickelten
Scheeren enden (Chelae oder Raubfüsse von Huxley).
XI, XII, XIII und XIV. Vier Paar Gehfüsse, die zur Orts-
veränderung dienen. Die beiden ersten Paare enden mit Scheeren,
welche denjenigen der Raubfüsse ähnlich sehen, aber bedeutend kleiner
bleiben. Die zwei Hinterpaare gehen in eine Kralle aus." Zu bemerken
ist , dass bei den Weibchen die Geschlechtsöffnungen auf dem Basal-
gliede des zweiten Paares der Gehfüsse angelegt sind , während sie
bei den Männchen an der Basis des vierten Paares münden (Fig. 2, J., fc?
und JB, 0 d).
XV, XVI, XVII, XVIII und XIX. Es kommen noch hinzu fünf
Paare von Bauchfüssen oder falschen Füssen, welche dünn und
biegsam sind. Sie dienen dem Weibchen zum Bewahren der Eier
während der Brutzeit. Beim Männchen sind die beiden nach vorn
gerichteten Vorderpaare zur Entleerung des Samens umgestaltet.
(Siehe Geschlechtsorgane, Fig. 28.)
XX. Endlich trägt das letzte Bauchsegment ein Doppelpaar von
Ruderplatten, welche fächerartig auf jeder Seite des Telson angebracht
sind. Das Ganze bildet eine mächtige Schwimmflosse, welche durch
die Abdominalmuskeln in Bewegung gesetzt wird und namentlich die
Bewegung nach rückwärts erzeugt (Fig. 1 und 2, t, t').
Jeder Anhang ist von einer gewissen Anzahl in einander gelenkter,
beweglicher Glieder gebildet, deren Nomenclatur und Homologien man
in dem Werke von Huxley finden wird. Die Beschreibung eines
jeden einzelnen würde uns zu weit führen. Wir begnügen uns deshalb,
auf unsere Figuren zu verweisen, welche die Umwandlungen dieser
Organe je nach ihrer Anpassung zu den Sinnes-, Kau- und BeweguDgs-
functionen u. s. w. darstellen.
Die äussere Oberfläche der Somiten und der Anhänge ist beinahe
glatt; jedoch gestaltet es sich anders mit der inneren Fläche, wo man
Erhöhungen, Wülste und unter dem gemeinsamen Namen Apodemen
bekannte Chitinlamellen bemerkt, die als lusertionsflächen der Muskeln
fungiren.
Vogt u. Yuiig, prakt. vergl. Anatomie. II. 2
18
Arthropoden.
Allgemeine Lagerung der Organe (Fig. 4). — Bevor wir in
die specielle Beschreibung der verschiedenen Organe des Krebses ein-
Fig. 4.
Astacus ßiunutlüs. — Allgemeine Ansicht der Organe. Das Herz ist weggenommen.
Der Darm ist vorn abgeschnitten worden und nach rechts zurückgeschlagen, um die
von ihm bedeckten Organe zu zeigen. Die Nervenkette in der Bauchregion ist nach
Entfernung der Muskeln blossgelegt worden. Fühler und Füsse sind weggeschnitten,
um die Figur zu vereinfachen, a, Hirn ; b, Connective des Schlundringes ; c, Bauch-
gänglien ; d, die Bauchganglien verbindende Connective; ef, Apodemen des Endo-
phragmalsystems, die Nervenkette in ihrem Brusttheile bedeckend; </, Muskelbündel;
h, quer durchschnittene Streckmuskeln des Abdomens; ^, Sternum der Bauchsomiten;
k-i die Körperhöhle von der Kiemenhöhle trennende Scheidewand ; /, Kiemen; m, paarige
Lappen der Hoden ; n, unpaarer Hodenlappen ; o, Samencanäle ; p, grüne Drüsen ;
<7, Mandibelmuskeln ; r, quer diirchschnittener Schlund; s, Magen; t, Darm; m, auf
der unteren Fläche des Telsons v mündender After ; a;, durchscheinendes Magen-
skelett; y, vordere Magenmuskeln; z, hintere Magenmuskeln; 1, Pförtnerregion des
Magens ; 2, Ausführungsgang der Verdauungsdrüse ; 3, Leber oder Verdauungsdrüse.
Crustaceen.
19
Fig. 5.
gehen, wollen wir einen Blick auf dessen Anatomie werfen. Nachdem
man der Länge nach auf beiden Seiten die Schale mit der Scheere
aufgeschnitten hat, trennt man sie sorgfältig von der unterliegenden
Hypodermis ab. Alsdann nehmen wir das ausgeschnittene Stück weg,
um in die Körperhöhle einzudringen. Die Hauptmuskeln, das Herz,
die über den Darm laufenden Aorten treten dann hervor. Der Darm
zeigt nach vorn einen weiten Magen (Fig. 4, s), dessen Skeletttheile
durch seine Wände durchscheinen, und auf dessen beiden Seiten
sich die Verdauungsdrüse erstreckt (3). Nachdem man den Magen von
den Muskelbändchen, die ihn an die Schale anheften, gelöst und den
Schlund durchschnitten hat, erblickt man das Hirn (Fig. 4, a) und die
grünen Drüsen (2)). Dieses gethan, zieht man den Darm auf die
Seite, wodurch zugleich das Herz und die grossen Gefässe ebenfalls
abgezogen werden ; auf diese Weise werden die Geschlechtsorgaue
entblösst (Fig. 4, w). Zuletzt werden die Bauchmuskeln heraus-
geschnitten , welche die auf der Medianlinie der Bauchfläche gelegene
Ganglienkette verbergen (Fig. 4, c, d) ; man legt diese letztere in dem
Thorax bloss, indem man mit einer feinen Scheere die sie bedeckenden
Apodemen (Fig. 4, e,f) wegschneidet.
Tegumente. — Die Haut des Flusskrebses (Fig. 5) besteht
aus einer äusseren Schicht, der Cuticula von chitinöser Natur, welche
an vielen Orten von
Kalksalzen durchdrun-
gen ist und einer tiefen
Schicht, der Hypoder-
mis oder chitinoge-
nen Schicht, welche
die vorige erzeugt. Wir
werden ihre Beziehun-
gen und Bildung mit-
telst Schnitten auf
Fragmenten studiren,
welche in Alkohol ge-
härtet und entweder in
Essigsäure zum Drittel
oder in 1 procentiger
Chromsäure entkalkt,
dann mit Cochenille ge-
färbt und in Paraffin eingeschlossen worden sind. Das Aussehen der
Schnitte wechselt je nach ihrer Dicke und nach den Körperregiouen.
Die chitinöse Cuticula bedeckt nicht nur das äussere Tegument,
sondern kleidet auch die inneren Organe , wie die Kiemen und den
Darm aus. Hier ist sie äusserst fein und das Mikroskop zeigt in ihr
keine Zellenstructur. Unter geringer Vergrösserung erscheint sie
2*
Astaciis fliiviatUls. — Querschnitt der Haut der zuvor
entkalkten grossen Scheere (Leitz, Oc. I, Obj. 7).
a, Periostracum ; ö, abwechselnd helle oder dunkle
Lamellen der von den porösen Canälchen durchsetzten
Chitinschicht; c, chitinogenes Epithelium ; c/, "unter-
liegendes Bindegewebe ; e, Scheide eines Haares.
20 Arthropoden.
homogen. In den Regionen, wo sie eine grössere Dicke erzielt, aber
keine Kalksalze enthält, an den Gelenken der Ringe z. B., besteht die
Cuticula aus schichtenweise gelagerten Lamellen. Man kann auf den
Schnitten einen oberflächlichen gelblichen und durchsichtigen Ueberzug
beobachten, das Epiostracum (Fig. 5, a) , welches eine Serie von ab-
wechselnd dunklen und hellen Lamellen (fe) bedeckt, die von feinen
porösen Canälchen durchzogen werden und in welchen man hier und da
Pigmentablagerungeu findet.
In den harten Theilen der Schale sind die inneren Schichten der
Cuticula mit Kalksalzen (kohlensaurer und phosphorsaurer Kalk)
gesättigt, welche gleichförmig zerstreut oder in kleinen unregelraässigen
Häufchen abgelagert sind. Um sie zu bemerken, muss man selbst-
verständlich die Wirkung der Säuren vermeiden und auf einem feinen
Polirstein bis zur Durchsichtigkeit abgeriebene Fragmente untersuchen.
Die Oberfläche der Cuticula zeigt stellenweise Kanten , Wärzchen
und von Canälen durchsetzte Borsten, ebenfalls von chitinöser Natur.
Querschnitte beweisen, dass die Borstencanälchen sich durch die
Cuticula bis in die unterliegende Schicht fortsetzen (Fig. 5, c)-
Die chitinogene Schicht oder Hypodermis besteht aus cylin-
drischen Zellen (Fig. 5,c), deren eiförmiger Kern sich mit Cochenille
und im Allgemeinen vermittelst Carminlösungen ausgezeichnet färben
lässt. An gewissen Stellen enden diese Zellen mit Verlängerungen
nach innen, welche in das unterliegende Bindegewebe eintreten. Dieses
letztere besteht aus quer gekreuzten Fäserchen, worin man grosse
rundliche Zellen erblickt. Ferner enthält es in den Oberschichten ein
röthliches, in Alkohol lösbares Pigment, das unter dem Mikroskop
in Form körniger Ablagerungen oder sternartiger Zellen erscheint.
Das Bindegewebe wird ausserdem von Nerven und Gefässen durchsetzt.
Die Autoren sind über die Art der Entstehung der Cuticula aus
der Hypodermis nicht einig. Nach Vitzou werden die verschiedenen
Chitinlamellen, von denen wir gesprochen, durch die allmähliche Ver-
dickung des Obertheiles der chitinogenen Zellen gebildet, welcher sich
nach und nach vom Zellenkörper loslöst. Das wechselnde Aussehen
dieser Lamellen soll von der verschiedeneu Dichtigkeit der Stoffe, die
sie bilden, herrühren.
Es ist allgemein bekannt, dass der Krebs während seines Wachs-
thumes öfters seine Schale wechselt. Während der Periode, die der
Mauser vorangeht, erscheint bereits die junge, gänzlich weiche, sich
bildende Schale, welche unter der alten, harten Schale liegt. Während
der Mauser selbst machen sich die thätigen Cylinderzellen der chitino-
genen Schicht durch ihre Grösse bemerklich.
Die Mauser beginnt mit der Zerreissung der nicht verkalkten
Tegumente, welche den Hinterrand des Cephalothorax und das erste
Bauchglied verbinden. Durch diese Spalte zieht sich das Thier aus
Crustaceen. 21
seiner festen , zu eng gewordenen Hülle , wie aus einem Handschuh
heraus, indem es die alte Schale unversehrt und damit auch die
chitinöse Umhüllung der Kiemen imd des Darmes zurücklässt, so dass
man nach der Mauser glauben könnte, der Krebs habe sich verdoppelt.
Nach Chantran wechseltder Flusskrebs seine Schale achtmal wäh-
rend des ersten Lebensjahres und fünfmal im zweiten. Später häutet
sich das Thier nur zweimal im Jahre, zwischen Juni und September.
Kittdrüsen. — Das Weibchen zeigt auf der Ventralfläche seiner
Bauchsegmente (Region der Epimeren), sowie an der Basis des letzten,
in Schwimmplatten umgewandelten Fusspaares , zahlreiche kleine
Oeffnungen, durch welche ein klebriger, weisslicher, im Wasser er-
härtender und zur Fixirung der Eier an die falschen Füsse dienender
Stoff während der Ablage der Eier aussintert. Sie stellen die Oeff-
nungen der Unterhautdrüsen vor, welche birnförmig sind, mit den
Speicheldrüsen (Fig. 17) einige Aehnlichkeit besitzen und aus runden
oder vieleckigen, einen eiförmigen Kern besitzenden Zellen gebildet
werden. Braun, welcher sie zuerst unter dem Namen „Kittdrüsen"
beschrieben hat , fand darin im November alle Elemente der oben
erwähnten Absonderung, eine Beobachtung, die ein Jeder leicht durch
Querschnitte der Tegumente in dieser Körperregion bestätigen kann.
Muskeln. — Die Muskeln des Flusskrebses sind weiss und in Bündel
zertheilt, die aus quergestreiften Fasern bestehen. Man untersucht
sie frisch auf Zupfungspräparaten, die den Muskeln der Scheeren oder
des Abdomens entnommen sind. Man kann die allgemeine Anordnung
der Musculatur sehr gut auf frisch getödteten Exemplaren beobachten.
Die Muskelbündel sind vermittelst ihrer Enden an die Innenfläche der
harten Theile des Skeletts durch ein faseriges, öfters chitiuöses Gewebe,
welches als Sehne fungirt, angeheftet.
Die kräftigen Bauchmuskeln , welche die Somiten der Hinter-
region zu bewegen haben und daher die Hauptrolle beim Schwimmen
spielen, sind ebenfalls bemerkenswerth. Das Rückenpaar (Fig. ß, em
a. f. S.), die Streckmuskeln, ist das schwächste und heftet sich nach
vorn an den Seitenwänden des Thorax an. In jedem Ringe löst sich ein
Bündel davon ab (Fig. 6, XV bis XX), welches sich an die innere
Fläche des Tergums des entsprechenden Ringes anheftet. Durch ihre
Zusammenziehung schieben diese Muskeln die Tergums unter ein-
ander, indem sie die sie verbindende Zwischenhaut falten.
Die Beugemuskeln (Fig. 6, fm) sind bedeutend grösser als die
vorigen; ihre Fasern sind spiralförmig gewunden, wie die Drähte
eines Kabeltaues. Sie setzen sich nach vorn an die Apodemen an,
welche die Nervenkette in der Thoracalregion bedecken, und heften
sich nach hinten an das Sternum eines jeden Ringes, indem sie sich
bis zum Telson erstrecken. Es ist klar, dass ihre Zusammenziehung
eine Krümmung' des Abdomens nach unten bewirkt und sein die
22
Arthropoden.
stösst. Der Gegenstoss
Schwimmflosse tragendes Ende vorwärts
schleudert das Thier nach hinten.
Zwar erzielt die Streckung des Abdomens, welche der Krümmung
sogleich folgt, wenn das Thier schwimmt, eine gerade entgegengesetzte
Wirkung, das heisst, der Krebs wird dadurch nach vorn gestossen.
Da aber die Beugung in Folge der kräftigen Bauchmuskeln weit
gewaltiger ist, so giebt sie dem Wasser einen entschieden mäch-
tigeren Stoss.
Die Muskeln der Glieder können am besten an den Raubfüssen
untersucht werden, wo sie ihren grössten Umfang erreichen (siehe
Fig. fi. ■
e-'^i- add.m
XX
Astacus fluvlatills. — Die Hauptmuskehi und ihre Verbindungen mit dem Exoskelett
zeigender Längsschnitt des Körpers (Figur von Huxley). a, After; add.m. Anzieh-
muskel der Mandibel; cm, Streckmuskel; fm, Beugemuskel des Abdomens; ces,
Schlund; pcj), Stirnstachel; f, l' , die beiden Segmente des Telsons ; ' XV bis XX,
Bauchsomiten ; 1, Augen; 2, Antennulen; 3, Fühler; 4, Mandibeln; 5 und 6, Kiefer;
7, 8 und 9, Kieferfüsse ; 10, Scheeren; 11 bis 14, Gehfüsse ; 15 und 16, Begattungs-
füsse ; 17 bis 19, falsche oder Bauchfüsse ; 20, Schwimmblätter.
die Arbeit von Lemoine). Die Myologie des Magens wurde von
Mocquard beschrieben. Wir verweisen auf diese beiden Arbeiten.
Nervensystem. — Der Flusskrebs besitzt wie alle Arthro-
poden eine Ganglienkette, die auf der Mittellinie der Bauchfläche ver-
läuft. Im Abdomen legt sie sich unmittelbar an die Tegumente an,
so dass man sie bei jungen Thieren durch die Haut durchschimmern
sieht. Die Ganglien befinden sich auf dem Stern um eines jeden Ringes
und werden unter einander durch Längsbündel von Nervenfasern, so-
genannte Connective, in Zusammenhang gebracht. Jedes Ganglion ist
ursprünglich doppelt, jedoch sind die beiden dasselbe bildenden Massen
derart verschmolzen, dass sie nur eine einzige darzustellen scheinen.
Die Doppelbildung der Nervenkette ist besonders auf der Höhe
der Connective der Thoraxi^egion ersichtlich. Wenn man die Kette
hier unter einer schwachen Linse beobachtet, so sieht man, dass sie
Crustaceen.
23
durch zwei in einer gemeinsamen Scheide eingeschlossene Stränge
gebildet wird, ausgenommen am Durchgangspunkt der Brustarterie
jijo-. 7. (Fig. 7,Ä;) und um den Schlund herum
in der Kopfregion, wo die beiden
Sträuge auseinander gehen (Fig. 7,h).
Man entblösst die Ganglienkette,
indem man die Bauchmuskeln entfernt,
worunter sie vmmittelbar auf den Te-
gumenten freiliegt, wie bereits erwähnt
wurde. Diese Operation ist eine leichte;
die Kette wird aber in der Thorax-
region von den harten Apodemen der
Sternalbildungen, welche an dieser
Stelle eine Art Canal, den sogenannten
Brustcanal bilden, umschlossen. Um
die Kette bloss zu legen , muss man
also die Wölbung dieses Canals mit
einer feinen Scheere aufsprengen.
Die Präparation erheischt einige Vor-
sicht, da das Nervensystem leicht ver-
letzt wird. Man wird wohl daran
thun, ein Apodem nach dem anderen
mit der Pincette aufzuheben , bevor
man es zerschneidet. Ferner wird man
sich hüten, die langen Connective, die
den Schlund sehr nahe umfassen, sowie
die hinter ihm liegenden Quercommis-
suren zu verletzen. Dasselbe gilt für
die kleinen, die Wurzeln des Magen-
nerven ausgebenden Ganglien.
Alsdann werden wir ersehen kön-
nen , dass die Gesammtzahl der Gan-
glien dreizehn beträgt , sechs am
Astacus flmiutUls. — Etwas vergrösserte Ner-
venganglienkette ; a, Hirn ; h, Schlundconnec-
tive ; c, Schlundganglion ; </, Quercomraissur ;
e, ünterschlundganglion, die letzte Anschwellung
/ ist deutlicher abgegrenzt als die vorhergehen-
den ; (j, erstes Bauchganglion ; ä, Afterganglion ;
/, Längsconnective der Ganglien ; fc, Durchgang
der Brustarterie; Z, durchschnittener Schlund;
?n, Sehnerv ; w, Oculomotorius ; o, Hautnerv ;
p, Fühlernerv ; 5, zu dem Stamm des Magennerven sich begebender unpaarer Hirnnerv ;
r, Wurzeln des Magennerven s ; t, aus den Connectiven der Bauchregion herkommende
Nerven ; v, unpaarer Nerv des Afterganglions ; v, postero-lateraler Nerv,
24 Arthropoden.
Bauche, sechs im Thorax und eines oberhalb des Schlundes (flirn-
ganglion).
Die Thoraxganglieu sind grösser als die des Abdomen, aber aus
allen entstehen Nerven in wechselnder Zahl , die Entweder in die
Muskeln (motorische Nerven), oder in die Haut und in die Sinnes-
organe (sensitive Nerven) treten. Ganglien und Nerven werden durch
Zellen und Nervenröhren gebildet. Die Zellen können sehr gross
werden; wir haben welche von einem Durchmesser von 0,2 mm gesehen,
die also mit nacktem Auge erkenntlich waren. Was nun die topo-
graphische Verbreitung dieser Elemente in den Ganglien beti^fFt, so
kann sie nur durch die Methode der Schnitte auf zuvor in Osmium-
säure fixirten Ganglien nachgewiesen werden. Da wir hier nicht in
die mehr der Histologie angehörenden Einzelheiten eingehen können,
verweisen wir den Leser auf die ausführliche Arbeit von Krieger
(siehe Literatur).
Das Hirn (Fig. 7, a und Fig. 8) besteht aus einer unregelmässig
trapezoidalen Masse, auf deren unterer Fläche drei Erhöhungen sich
leicht mit der Lupe erkennen lassen. Eine etwas stärkere Ver-
grösserung zeigt in dieser Masse drei mit einander verschmolzene
Ganglienpaare, von denen jedes besondere Nerven ausgiebt.
Der vordere Hügel, das Protocerebrum (Fig. 8, a), um uns
der von Viallanes gegebenen Benennung zu bedienen, entsendet
die Seh nerven (d), welche sich zu den Augenstielen begeben , wo sie
mit einer Anschwellung oder Bulbus, von dem wir bei Gelegenheit der
Augen sprechen werden, enden. Die Fasern vereinigen sich im Innern
des Hirns, wo sie ein wirkliches Chiasma bilden. Nahe am Ursprünge
dieser Nerven erscheint ein kleines Nervenfädchen, das ebenfalls zum Auge
sich begiebt und als OcuJomotorius beschrieben worden ist (Fig. 8, c).
Der mittlere Hügel oder Deutocerebrum (Fig. 8, b) entsendet
beiderseits einen in den benachbarten Tegumenten sich verästelnden
Hautnerven (/) , und von seiner ventralen Fläche entstehen die
Antennular nerven, welche sich zu den inneren Fühlern begeben
(man sieht sie nicht in der Figur). Diese Nerven enthalten ohne Zweifel
Hörfäserchen, denn sie geben einige Aestchen zum Hörorgan.
Endlich entstehen aus dem hinteren Hügel des Hirnes, dem so-
genannten Tritocerebr um (Fig. 8, c), die sich zu den grossen äusseren
Fühlern begebenden Fühlernerven (g). Von seinem hinteren Rande
entspringen die Connective des Schluodringes , welche das Hirn mit
dem ersten Thoraxganglion oder ünterschlundganglion verbinden
(Fig. 7,1)0 und Fig. 8,h).
Letzteres besteht offenbar aus fünf sehr nahe an einander ge-
drängten , aber nicht ganz verschmolzenen Ganglieupaaren , hinter
welchen man noch ein benachbartes, aber von den fünf anderen deutlich
abgesetztes sechstes Paar (Fig. 7, /) antrifft. Das Gesammtganglion
Crustaceen.
25
entsendet zehn Nervenpaare, seclis vom unteren und vier vom oberen
Rande der Masse (Krieger). Diese Nerven begeben sich zu den
Mandibeln, den Kiefern, den Kieferfüssen und zu den Kiemenanhängen
dieser letzteren. Die oberen Nerven sind sehr fein und schwer zu
verfolgen. Die Mandibularnerven legen sich während eines Theils
ihres Verlaufes eng an die Schlundconnective an.
Die fünf auf einander folgenden Brtistganglien stellen jedes nur
ein Paar auf der Mittellinie verschmolzener Ganglien dar; die beiden
letzten sind am meisten genähert, aber alle besitzen beinahe die gleiche
Form und Structur. Jedes Ganglion giebt zwei Nervenpaare ab. Die
vorderen Nerven sind die umfangreichsten, sie verzweigen sich in den
Asiacus fliiviatilia. — Durch Glycerin aufgeklärtes Hirn , von der Rückenfläche aus
gesehen (Gundlach, Oc. I, Obj. 00). a, Protocerehrum ; Z>, DeutocereLrum ; c, Trito-
cerebrum ; d, Augennerv; e, Oculomotorius ; /, Hautnerv; g, Fühlernerv; li, SchluuJ-
connectiv; i, Hirnnerv, der nach hinten zum Magennervensystem geht. Die von der
unteren Fläche des Hirns ausgehenden Antennularnerven sind nicht sichtbar.
Gehfüssen und in den entsprechenden Kiemen. Die hinteren sind
feiner und laufen in die benachbarten Thoraxmuskeln.
Die fünf ersten Bauchganglien bestehen ebenfalls aus zwei
zu einer einzigen Masse vereinigten Gaoglien (Fig. 7, .9). Obgleich sie
bedeutend geringer sind, als die Brustganglien, so entsenden sie doch,
wie diese, ein jedes zwei Nervenpaare, von denen das vordere die
falschen Füsse und das hintere die Musculatur des entsprechenden
Somiten versorgt. Ausser diesen beiden Nervenpaaren entspringt noch
ein besonderes aus den die Ganglien vereinigenden Connectiven (Fig. 7,f).
Die Fasern dieser Paare stammen von demjenigen Ganglion her, welches
vor ihrem Austrittspunkte liegt und gehen in die Bauchmuskeln ein.
26 ' Arthropoden.
Das letzte oder Aftergan gl iou (Fig, 7,/«) entsendet eine grösssere
Anzahl von Nerven. Es ist dicker als die vorigen, fast kugelförmig
und zeigt drei Hügel, einen mittleren und zwei seitliche. Von seiner
Hinterfläche strahlen rückwärts zu den Schwimmplatten fünf Nerven-
paare aus; ferner entspringt 'ein medianer, unpaarer Nerv von dem
hinteren Rande, der sich gabelt und dann an dem Enddarm und in
der Nähe des Afters verzweigt. Letzterer Nerv wurde von Lemoine
als die Hinterportion seines „Nervensystems des organischen Lebens"
angesprochen, von welchem das später von uns zu beschreibende
Mundmagensystem die vordere Abtheilung bilden würde. Die paarigen
Nerven werden von Fasern gebildet, die zum Theil von den After-
ganglien, zum Theil aber auch von den Längsconnectiven der Kette
herrühren. Letztere Fasern haben also ihren Ursprung in dem oder
in den vorhergehenden Ganglien.
Kehren wir zu den Schlundconnectiven zurück, welche das Hirn
mit dem unteren Schlundganglion verbinden, so bemerken wir, dass
sie ungefähr in der Mitte ihres Verlaufes eine kleine Anschwellung,
das sogenannte Schlundganglion (Fig. 7, c), zeigen, das seitlich am
Schlünde liegt (Com m i ssurenganglion Krieger's). Aus diesem
Ganglion entspringen mehrere Nerven, von denen der eine, der so-
genannte postero-lateraleNerv, an der Hinterhälfte der seitlichen
Magenwand sich verzweigt, während ein anderer, der Mandibular-
nerv, dessen Fasern dem Unterschlundganglion entstammen, zu den
Mandibeln läuft; nach diesem Nerven wurde das Ganglion auch das
Mandibularganglion genannt. Wir ziehen mit Mocquard den Namen
Schlundganglion vor, der die Lagerung an der Seite des Schlundes
bezeichnet. Aber die hauptsächlichsten Nervenzweige dieses Ganglions
sind unbedingt die paarigen Wurzeln des stomato-gastrischen
Nerven (Fig. 7, r, s). Diese beiden Wurzeln, eine obere und eine
untere, laufen nach vorn zur Vorderwand des Schlundes und dann bis
zum Magen, auf dessen Mittellinie sie sich mit dem gleichnamigen
Nerven der anderen Seite zur Bildung des genannten unpaaren Stammes
verbinden. Auf ihrem Verlaufe schicken diese Wurzeln mehrere die
Seitenwände des Schlundes und die Lippenmuskeln versorgende Ver-
zweigungen aus. Der stomato-gastrische Nerv begiebt sich zur Ober-
wand des Magens , wo er sich in ein spindelförmiges Ganglion aus-
breitet (stomato-gastrisches Ganglion), und dann weiter nach
hinten läuft , um sich seitlich und gegen die hintere Magenwand
zu verzweigen, indem er Aestchen zur Leber und wahrscheinlich auch
zum Herzen abgiebt (Lemoine).
Die Präparation dieses stomato-gastrischen Systems bietet wegen
der Durchsichtigkeit und der Dünne seiner Nervenfasern grosse
Schwierigkeiten. Für die Einzelheiten verweisen wir auf die ein-
gehende Arbeit von Mocquard über den Magen der Podophthalmen.
Criistaceen.
27
Dieser giebt den Rath, während des Präparirens die Stellen, wo man
unter der Lupe einige Fasern blossgelegt hat, mit einer alkoholischen
Lösung von Sublimat zu betupfen, welche die Nerven verdunkelt.
Auch kann man Thiere benutzen , welche länger (mehrere Monate)
in Müll er 'scher Flüssigkeit gelegen haben. Diese färbt die um-
gebenden Gewebe braun, während die Nerven durch hellere, gelbliche
Färbung sich abheben. Ferner wird die Präparation des ganzen
Systems durch seitliche Lagerung des Thieres sehr erleichtert.
Wir fügen hinzu, dass das Mundmagensystem eine feine Wurzel
vom Hirn empfängt (Fig. 7, q).
Endlich ist noch zu bemerken, dass die Connective durch eine
kurze Quercommissur in kleiner Entfernung hinter den Schluudgauglien
mit einander verbunden sind (Fig. 7, d).
Sinnesorgane. — Die Festigkeit der Tegumente erlaubt es
uns nicht, dem Thiere ein grosses Empfindungsvermögen auf der
Fig. 9.
/
Astacus flmiatUis. — Haare der Cuticula auf verschiedenen Körpertheiien. A und B,
vom Saume der Schwanzplättchen; C, vom Ende des dritten Paares der Kieferfiisse;
/>, Gräte der Kieferfüsse; E, die gleiche unter stärkerer Vergrösserung ; F, Haar au
der Basis der Antenuulen.
Oberfläche des Körpers zuzusprechen. Jedoch reagirt es sofort auf
eine Reizung der zahlreich auf den Fühlern, den Kiefertastern, den
Schwanzlamellen und auf den anderen Anhänsfeu zerstreuten Härchen.
28
Arthropoden.
Diese Borstenhaare durchsetzen die Chitinschicht der Haut und wur-
zeln, wie bereits erwähnt wurde, in der Hypodermis. Ihre Form
und Grösse wechseln je nach den Körperregionen ungemein; die
einen sind fadenförmig (Fig. 9, C, a. v. S.), andere zeigen feine Seiten-
härchen (Fig. 9, A, B, F), oder auch chitinöse Häkchen (Fig. 9, D, E).
Die -meisten zeigen doppelte Contouren und einen inneren Canal,
welcher mit der Hypodermisschicht in Verbindung steht und in
welchen die letzten Verzweigungen der Hautnerven eindringen. Es
ist ausser Zweifel, dass sie als Tastorgane fungiren.
Leydig hat als Riechborsten eigenthümliche Haare be-
schrieben , welche in kleinen Büscheln , vier bis sechs au der Zahl,
Aslacvs ßuviutUis. — A, rechte Antennula von der inneren Seite aus gesehen (fünf-
mal vergrössert) ; i?, Theil der äusseren Geissei ; C, Eiechborsten der äusseren Geissei,
a, von der Oberfläche gesehen ; 6, im Profil (300 mal vergrössert) ; a, Eiechborsten ;
a u, Hörsack, welcher durch die Wand des Basalgliedes der Antennula durchschimmert ;
b, Haare; en, Endopodit; ex, Exopodit ; sp, Stachel des Basalgliedes (dem Werke
von Huxley entnommene Figur).
auf der Unterfläche der äusseren Geissei der kleinen Fühler stehen
(Fig. 10, A, ex). Man unterscheidet sie vortrefflich unter einer Ver-
grösserung von 50 D.; gewöhnlich stehen zwei Büschel auf jedem
Gliede (Fig. 10, B, a,a), mit Ausnahme der Basalglieder und des End-
Criistaceen.
29
gliedes. Um sie unter einer Vergrösserung von 300 bis 400 Durch-
messern zu beobachten , scheidet man sie mit einer feinen Scheere
ab und klärt sie in Glyceriu auf. Sie sind dicker und kürzer als die
auf der oberen Fläche der Antennula eingepflanzten Borsten. Sie be-
stehen aus zwei Theilen (Fig. 10, C, ah) : einem cylindrischen Griff und
einer abgeplatteten Klinge ; letztere ist entweder abgestumpft oder
endet mit einer warzigen Ausbreitung. Jedes Härchen zeigt einen sehr
deutlichen doppelten Umriss; das Innere ist granulös. Da die noth-
wendigen Reagentien kaum durch das Chitin eindringen, so wird die
Beobachtung der Nervenenden in diesen Riechborsten ungemein er-
schwert.
Was den Geschmackssinn anbeti'ifii't, so ist er nach Lemoine
auf der von sehr feinen Härchen bedeckten Oberlippe localisirt.
Hörbläschen. — Die Hörsäckchen liegen im Basalgliede der
kleinen, inneren Fühler oder Antennulen (Fig. 10, A, au). Wenn
Fiff. 11
Astacus flumutUls. — Hörapparat. J, Oberfläche des Basalgliedes der Antennula,
unter der Lupe gesehen, und die von einem Haarbüschel überdeckte Hörspalte h
zeigend ; fi, die gleiche nach Entfernung der Beschützungshärchen ; man sieht den
zu dem Hörsack führenden dreieckigen Trichter; C , Hörsack; a, Chitinwand des
Sackes ; 6, auf der Basis der Antennula mündende Oeffnung ; c, Hörnerv ; d, Ver-
zweigungen des Hörnerven ; e, Hörhaare ; D, ein Beschützungshaar der Sacköffnung
(Gundlach, Oc. I, Obj. 2); E, Hörhaar (Gundlach, Od, Obj.5); F, Spitze eines
Hörhaares mit einem Knötchen (a) des Nerven (Gundlach, Oc. Immersion 7).
30
Arthropoden.
man dieselben unter der Lupe, nach Entfernung der sie bedeckenden
Augenstiele, untersucht, bemerkt man auf der oberen Fläche eine Reihe
feiner kammartiger, in Form einer abgeplatteten Bürste angelegter
Härchen (Fig. 11, A, B, a. v. S.). Diese Haare verbergen eine fast
dreieckige Einsenkung, auf deren äusserer Seite man eine enge Längs-
spalte bemerkt (Fig. 11, J5, o) , die in einen Sack führt, welcher auf
dem Muskel des Fühlers aufliegt und dessen Wände durch einen chiti-
nösen Einschlag der an dieser Stelle eingestülpten Cuticula gestützt
werden.
Es genügt, mit einer feinen Scheere die verkalkte Hautstelle, worin
das Hörsäckchen mündet, abzusprengen, um dasselbe herauszunehmen
und unter der Lupe zu untersuchen. Dasselbe ist eiförmig, mit Wasser
Fig. 12.
■-:!M-.Vj!
m:^.m
I0miik—-ö
..^m
Astacus fluviatilis. — Frisches , unter Wasser beobachtetes Fragment des geöffneten
Hörsackes (Gundlach, Oc. I, Obj. 0). a, den Anschein eines körnigen Streifens zei-
gender Hörnerv; b, seine Verzweigungen; c, Hörhaare; c/, Sandkörnchen, die Rolle
von Otolithen spielend.
und Schleim gefüllt und nach oben weit geöffnet (Fig. 11, C, h). Die
durchscheinenden Wände des Säckchens lassen im Inneren kleine Sand-
körncheu gewahren , deren Zahl sehr verschieden ist. Sie sind der
umgebenden Erde entnommen und fungiren als Otolithen (Fig. 12, c?).
Diese Körnchen sind lose; ein leichter Druck setzt sie sogleich in Be-
wegung, so dass sie mit den Hörborsten (Fig. 12, c) in Berührung
kommen.
Hörborsten hat man äusserst zarte Härchen genannt, welche in
die Höhlung des Sackes vorspringen und einzeln durch die Schall-
Crustaceen, 31
wellen von aussen in Schwingung versetzt werden können (Hensen).
Unter starker Vergrösseruug sieht man, dass sie mit feinen Fiederchen
besetzt sind, welche am Ende gedrängter stehen als an der Basis;
ihr Centralcanal scheint mit einer zusammenhängenden, granulösen,
wahrscheinlich nervösen Substanz gefüllt zu sein, die an ihrem freien
Ende eine kleine, eiförmige Anschwellung bildet (Fig. 11, E).
Die Hörborsten stehen in doppelter Reihe längs einer krummen
Linie auf dem unteren und hinteren Theile des Sackes (Fig. 11, C, c
und Fig. 12, c). Parallel mit ihrer Einsetzungslinie sieht man einen
körnigen Streifen, welcher nichts Anderes ist, als die Verlängerung des
Hörnerven, der in das Hinterende des Sackes dringt (Fig. 11, C, cd
und Fig. 12, a); seine Endzweige verlaufen auf der unteren Sackfläche
in die Borsten, Um diese Nervenverzweigung beobachten zu können,
muss man den Sack in einer 0,5 procentigen Osmiumsäurelösung öffnen
und ihn während ungefähr einer Stunde darin lassen. Das granulöse
Aussehen des Nervens im frischen Zustande ändert sich unter dem Ein-
flüsse der Osmiumsäure; er erscheint dann faserig. Wir müssen aber
erklären, dass diese Umgestaltung, deren Grund wir nicht kennen,
nicht immer eintritt; warum, wissen wir nicht.
Augen. — Die das erste Paar Anhänge bildenden Augenstiele
oder Ophthal miten stehen auf beiden Seiten des Rostrums (Fig. 1
u. 2, 1). Sie sind auf ihrer Basis von oben nach unten und von innen
nach aussen beweglich. Ihre Form ist nahezu cylindrisch ; sie be-
stehen aus zwei an einander gefügten Gliedern ohne Gelenk. Das
Basalglied ist breiter; seine Tegumente sind verkalkt; die unverkalkte,
aber doch harte Chitinhülle des längeren und schmaleren End-
gliedes wird nach vorn dünner und durchsichtig und bildet so
am convexen Vorderende die ovale Hornhaut, die in Facetten ein-
getheilt ist.
Die ursprüngliche Form der Facetten erscheint, von der Fläche
betrachtet, viereckig (Fig. 14, B). In der mittleren Region der Horn-
haut bleiben sie vollkommen regelmässig, während sie auf den Rän-
dern derselben unregelmässig polygonal werden und vier, fünf oder
sechs Seiten zeigen (Fig. 14, A).
Sagittalschnitte durch die Hornhaut beweisen den Parallelismus der
beiden Flächen (Fig. 13, B,c, a. f. S.), obgleich wir manchmal auf der
inneren Fläche eine leichte Wölbung bemerkt haben. Das sie bildende
Chitin hat ein blätterartiges Aussehen, wie in den anderen Körper-
regionen.
Um die innere Bildung der Augen zu untersuchen, schneidet man
das Auge eines lebendigen oder kurz vorher getödteten Krebses an
dessen Basis ab , und nachdem man den Stiel der Länge nach auf-
geschlitzt hat, isolirt man den Inhalt mit einer feinen Nadel und
beobachtet denselben zuerst im Wasser oder noch besser im Blute des
32
Arthropoden.
Thieres. Dann lässt man Osmiumsäure, Chromsäure oder irgend ein
anderes Fixativ einwirken. Der Gebrauch von Glycerin muss ver-
mieden werden, da es die Elemente verunstaltet. Um das undurch-
sichtige Pigment zu entfernen, welches bei manchen Individuen in
solchem Maasse angehäuft ist, dass es die Stäbchen verbirgt, kann
man Aetzkali in concentrirter Lösung anwenden.
Schnitte auf in Paraffin eingeschlossene Augen erlauben die rich-
tigen Beziehungen der Elemente zu einander wahrzunehmen. Leider
ist es schwierig, befriedigende Schnitte zu erhalten ; die Chitinsubstanz
ist sogar nach ihrer Entkalkung noch so hart, dass die Schnitte unter
dem Rasirmesser zerbröckeln und zerreissen. Das die Hornhaut un-
gemein erweichende Javellewasser giebt ebenfalls keine schöne Resul-
Fig. 13.
^li äläUJ
Astacus fluviatUis. — A , Sagittalschnitt des Augenstieles (sechsmal vergrössert) ;
B, ein kleiner Theil desselben , den Sehapparat vergrössert zeigend, a, Hornhaut ;
b, äussere dunkle Zone ; c, äussere weisse Zone ; d, mittlere dunkle Zone ; e, innere
weisse Zone ; /, innere dunkle Zone ; c )• , Krystallkegel ; g, Sehgauglion ; op, Seh-
nerv; Sj9, gestreifte Spindeln (dem Werke von Hnxley entnommene Figur).
täte , da der Inhalt des Stieles dadurch bröcklich wird. Das Beste
ist, junge oder frisch gemauserte Exemplare zu untersuchen. Das
abgeschnittene Auge wird in einprocentige Chromsäure gelegt;
nach zwei oder drei Tagen wird es in Alkohol gehärtet, und dann
kann es nach der gewöhnlichen Methode in Paraffin eingeschlossen
werden.
Die im frischen Zustande vorgenommene Zerlegung, sowie die
Längsschnitte zeigen uns folgende Einzelheiten.
Crustaceen.
33
Das Centrum des Augenstieles wird von der Verlängerung des
Sehnerven eingenommen (Fig. 13, Ä, op). Dieser verdickt sich nach
vorn nnd bildet ein Ganglion, in welchem sich spindel- und stern-
förmige Nervenzellen vorfinden, die mit den Fasern in Verbindung
stehen. Aus dem Sehganglion entspringt ein Bündel prismatischer
Stäbchen, die nach der Hornhaut ausstrahlen und an ihrer inneren
Fläche enden. Die Wurzeln der Stäbchen im Ganglion sind ursprüng-
lich spindelförmig und zeigen eine feine Querstreifung (gestreifte
Spindeln von Hiixley, Fig. 13, i?, sp). An ihrem Ausgange aus
dem Ganglion sind sie prismatisch. Jedes Stäbchen ist mit einer
Scheide von dunkelbraunem oder schwarzem Pigment umgeben, dessen
Menge je nach den Individuen wechselt; das seiner Scheide ent-
nommene Stäbchen zeichnet sich durch eine röthliche Färbunsf aus.
Fio-. 14.
Astacits Jhiriutilis. — A, Facetten der Hornhaut, wie sie sieh auf den Rändern der-
selben zeigen ; 5, viereclrige Facetten der Mitte der Hornhaut ; C, zwei di^rch Zer-
zupfung isolirte Stäbehen ; n, Krystallkegel ; &, eigentliches, von seiner Pigmentseheide
umgebenes Stäbchen; c, faseriger Theil (Gundlach, Oc. I, Obj. T).
Auf einem Längsschnitte zeigen das Ganglion und die Stäbchenschicht
Reihen von abwechselnd hellen und dunklen Querzonen (Fig. 13,
B, fcclch).
Das Oberende der Stäbchen setzt sich in einem lichtbrechenden
Theile fort, welcher beinahe vollständig pigmentlos, krystallhell und von
anderer Bildung als die Substanz der Stäbchen ist. Dieser Theil ist
unter dem Namen Krystallkegel bekannt und erfüllt den Raum
zwischen der inneren Fläche der Hornhaut und dem eigentlichen Stäb-
chen (Fig. 14, C, a).
Es giebt ebenso viel Kegel und Stäbchen als Facetten an der
Hornhaut; die Form der Prismen entspricht derjenigen der Horuhaut-
facetten, an welchen sie enden.
Vogt n. Tung, prakt. vergl. Anatomio. II. 3
34
Arthropoden.
Wir gehen auf die Homologien dieser verschiedenen Theile des
Auges beim Krebs mit den Retinaschichten des Auges bei den Wirbel-
thieren nicht ein. Es herrscht hierüber grosse Verwirrimg in der
Wissenschaft. Wir bemerken nur, dass die Nervenelemente zur Bil-
dung der Sehstäbchen beitragen, die somit als empfindende Elemente
angesehen werden müssen, während die Krystallkegel nur zur Brechung
der Lichtstrahlen zu dienen scheinen. Uebrigens können die Theorien
Fig. 15.
Astacus fluviutUis. — Zergliederung eines von rechts aus gesehenen Mänucliens
(Huxley'sche Figur), o, After; aa , durchschnittene Fühlerarterie; ag, vordere
Magenmuskeln', der rechte ist an seinem Insertionspunkte abgeschnitten ; h d, OefF-
nung des rechten Gallencanals ; cm, Constrictoren des Magens; coe, Blinddarm;
cpm, rechter Cardiapylorusmuskel ; es, Cardiatheil des Magens; cm, Streckmuskeln
des Abdomens; fm, Beugemuskeln des Abdomens; g a, Magenarterie; gn.l, Ober-
schlundganglion; gn.2, Unterschlundganglion; g7i.l3, letztes Bauchganglion; ä, Herz;
h a, Leberarterie ; h g, hinterer Darm ; i a d, untere Baucharterie ; l a, rechte Seiten-
ötTnung des Herzens ; Ir, linke Leber ; mg, Mitteldarm; o «, Augenarterie ; oe, Schlund;
pg, hintere Magenmuskeln, der rechte ist an seinem Lisertionspunkte abgeschnitten;
ps, Pförtnertheil des Magens; s a, Sternalarterie ; saa, obere Baucharterie; t (links),
Telson ; t (in der Nähe des Herzens), Hoden; vd, Samencanal; vd', seine Oeffnung ;
2, rechte Antennula ; 4, linke Mandibel ; 9, linker äusserer Kieferfuss ; 10, linke
Scheere ; 15, erster, 16, zweiter, 20, sechster linker Bauchfuss.
über das Sehvermögen eines so gebildeten Auges nur rein hypothe-
tisch sein.
Der Leser wird eine Menge von histologischen Einzelheiten in
den in der Literatur angegebenen Arbeiten von Leydig, Lemoine
und Chatin finden.
Verdauungscanal. — Der Darm des Krebses beginnt an der
Bauchfläche des Cephalothorax mit einer Längsspalte, dem Munde; der-
selbe wird auf beiden Seiten von den Mandibeln und von den Kiefern
(Fig. 2, 4), nach vorn von einer schildförmigen Platte, der Ober-
lippe (Lahruni) (Fig. 2, Ib) und endlich nach hinten von zwei fleischi-
gen, die Unterlippe oder das Metastom (Fig. 2, mf^ bildenden Lappen
umgeben.
Crustaceen. 35
Der Muud führt in eine verhältnissmässig weite , aber kurze
Röhre, den Schlund (Fig. 17, oes und Fig. 15, oe), der beinahe
senkrecht zur Riickenfläche emporsteigt und den Magen bildet,
indem er sich plötzlich zu einem abgerundeten Sacke erweitert
(Fig. 4, s und Fig. 15, cs,ps). Beim Austritt aas dem Magen, von dem
wir später sprechen werden, nimmt der Darm wiederum ein röhren-
förmiges Aussehen an, und indem er auf der ganzen Strecke beinahe
die gleiche Dicke, ausser am Endtheile, wo er sich etwas erweitert,
beibehält, geht er in gerader Linie nach hinten, um mit einer I>ängs-
spalte, dem After, zu enden, welcher an der Bauchfläche des Telson
gelegen ist (Fig. 2 und 15, a; Fig. 4, t, u).
Wenn mau im Sommer einen Flusskrebs zergliedert, kommt es
zuweilen vor, dass man an seiner Yorderregion, auf den Magenseiten,
rundliche, linsenähnliche , auf ihrer unteren Fläche ausgehöhlte imd
auf der Oberfläche gewölbte Kalkconcre-
tionen (Fig. 16) bemerkt, welche zwischen
der chitinogenen Zellenschicht und der den
Magen innerlich überziehenden Chitin-
lamelle, in der Dicke der Magenwand
gelegen sind. Diese, aus kohlensaurem
ß (63 Proc.) und phosphorsaurem (ISProc.)
Asiacus fluviafdis. — Unter der Kalk gebildeten Steinchen zeigen eine
Lupe gesehene Gastrolithen oder fein gefurchte Oberfläche (Fig. 16). Sie
Krehsaugen. A, convexe Ober- gj^d unter dem Namen Krebsaugen
fläche; B, im Profil gesehen. ^^^^ Gastrolitheu (Huxley) bekannt.
Besonders gross sind sie vor der Mauser; sie verschwinden aber spur-
los, sobald das Thier am Ende des Sommers sich gehäutet hat, wenn
auch die von ihnen besetzte Stelle ihren Eindruck bewahrt. Die Gastro-
lithen sind Kalkreserven, welche zur Bildung der zukünftigen Schale
beitragen sollen. Während der Mauser fallen sie in die Magenhöhle,
wo sie zerrieben, aufgelöst und aufgesaugt werden.
Der Magen (Fig. 15 und 17 a. f. S.) ist innerlich durch eine starke
Querfalte in zwei Kammern eingetheilt, wovon die vordere, in welche
der Schlund mündet, die Cardiakammer genannt werden kann
(Fig. 15, es), während die bedeutend engere hintere Abtheiluug die
sogenannte Pförtnerkammer bildet (Fig. 15, ps). Die ganze innere
Magenfläche ist, wie diejenige des Schlundes, mit einer Chitinlamelle
überzogen, welche die Fortsetzung der nach innen eingestülpten Chitin-
schicht der Tegumente ist. Die Chitinschicht des Magens verdickt
sich stellenweise iTngemeiu , kann sich sogar verkalken, und eine An-
zahl von Skelettstücken hervorbringen, welche zum Kauen und zur
Zerreibung der Nahrungsstoff"e dienen. Es ist so mit den um dem
Mund herum gelegenen Anhängen, die wir bereits erwähnten, ein
wahrer Luxus an Kauinstrumenten hergestellt, jedoch scheint keines
3*
36
Arthropoden.
davon unnützlich zu sein. Unter dem Namen Magenmühle schildert
Huxley ausführlich dieses Magenskelett, von dem wir eine Zeichnung
wiedergeben (Fig. 17).
Wenn man den Vordertheil der Cardiakammer öffnet, sieht man
an der Hinterfläche mehrere Zähne erscheinen, welche in die Höhlung
vorspringen (Fig. 17, It, mt). Sie werden durch gegliederte und auf
einander verschiebbare Chitinlamellen getragen. Auf der äusseren
Fläche dieser Lamellen setzen sich Muskeln an (Fig. 15, cpni), welche
die Aufgabe haben, sie in Bewegung zu setzen, die Zähne von einander
zu entfernen oder zu nähern, so dass der Mageninhalt von ihnen gefasst
Fig. 17.
/ 2CG
Astacus fluvialllis. — A, der Magen, nach Abnahme der äusseren Bedeckung, von
der linken Seite betrachtet; B, derselbe von der Fläche gesehen, nach Entfernung
der vorderen Wand; C, von einander getrennte Knöchelchen der Magenmühle;
7), vorderes Pförtnerknöchelchen und Mittelzahn , von rechts aus gesehen ; E, Quer-
schnitt der Pförtnerregion längs der Linie xy, in A (das Ganze zweimal vergrössert) ;
c, Cardiaknöchelchen; cpv, Klappe zwischen Cardia und Pylorus ; Ip, seitliche
Tasche; It, seitlicher Zahn, in A durch die Magenwand gesehen; ces , Schlund;
p, Pförtnerknöchelchen; pc. Pterocardialknöchelchen ; pp^ Vorderpförtnerknöchelchen ;
MC, Urocardialapophyse ; <, Wölbungen auf der freien Fläche ihres Hinterendes;
0, mittlere Pförtnerklappe; rc, Zygocardialknöchelchen (Huxley entnommene
Figur).
und zerrissen wird. Wir können nicht in die Einzelheiten der Strnc-
tur dieses so verwickelten, von Huxley und namentlich von Moequart
beschriebenen Apparates näher eingehen (siehe Literatur). Moequart
Crustaceen. 37
hat eine umfaDgreiche , sehr vollständige, vergleichende Arbeit über
diesen Gegenstand geliefert.
Der Durchgang von der Cardiakammer zur Pförtnerkammer ist
sehr eng. Ausser der erwähnten Falte beobachtet man an dieser
Stelle ein konisches, mit zahlreichen Härchen bedecktes Zünglein
(Fig. 17, JB, cpv), welches die Oeffnung in die Pförtnerkammer noch
mehr verengert. Uebrigens ist die Höhle der letzteren ebenfalls sehr
eng, ihre nach innen gewölbten Wände sind ausserdem mit Haaren über-
zogen, so dass die Nahrungsstoffe durch diese Chitinborsten so zu sagen
durchgeseiht werden und nur die feinsten Theile in den Dann eintreten
können.
Am Eingänge dieses letzteren besitzt die Pförtnerregion des
Magens einen Klappenapparat. Es sind dies dreieckige, hornige La-
mellen, welche den Eintritt der Nahrungsstoffe in den Darm gestatten,
aber deren Rückkehr in den Magen verhindern (Fig. 17, A^v).
Der Vordertheil des eigentlichen Darmes zeigt gleich hinter den
Pförtnerklappen, auf der Rückenfläche, eine kurze Ausstülpung, einen
Blinddarm (Fig. 15, c o), und auf seinen Seitenflächen sieht man die
verhältnissmässig weiten Oeffnungen der Gallencanäle (Fig. 15, h d).
In diesem Theile sind die Darmwände weich und gleichförmig,
der Chitinüberzug fehlt ihnen, etwas weiter falten sie sich der Länge
nach. Diese tiefen Falten erstrecken sich bis zum After. Die Chitin-
schicht des Telson stülpt sich in den After hinein und erstreckt sich
über die ganze gefaltete Darmregion.
Querschnitte durch die verschiedenen Abtheilungen des in Pikriu-
schwefelsäure oder in Sublimat fixirten und gehärteten Verdauungs-
canaies, lassen dessen histologische Structur erkennen. Man wird durch
dieselben einsehen, dass sich eine Schicht cylindrischer Chitinogenzellen
unterhalb der inneren Chitinlamelle, ganz so wie in der äusseren Haut,
befindet. Diese Zellen bedecken eine häutige Schicht, welche Binde-
und Muskelgewebe enthält und die eigentliche Darmwand bildet (siehe
für diese Elemente die ausführliche Arbeit von J. Frenzel). Diese
Schicht lässt sich um den Magen herum leicht von der Chitinschicht
trennen, die sie wie ein Sack umhüllt.
Speicheldrüsen. — Wenn man die innere Schlundwand, be-
sonders an ihrem vorderen Drittel, unter der Lupe betrachtet, bemerkt
man kleine weisse Pünktchen, welche die Oeffnungen der Absonderungs-
canälchen der Drüsenmassen darstellen, die in der Membranschicht des
Schlundes rund herum gelagert sind (Fig. 18, B, a. f. S.). Wir kennen nur
wenig die Eigenschaften der durchsichtigen, von diesen Drüsen ab-
gesonderten Flüssigkeit; sie wurden unter dem Namen Speicheldrüsen
von Max Braun beschrieben. Besitzen sie Verdauungseigenschaften'?
Wir wissen es nicht. Wie dem auch sein mag, werden wir die Form
38
Arthropoden.
dieser Drüsen auf Querschnitten und auf Zerzupfungen des Schlundes
beobachten.
Die Speicheldrüsen sind birn- oder eiförmig (Fig. 18, J., c), und
unterhalb der Cuticula, in der Dicke des Bindegewebes der eigentlichen
Schlundwand gelagert; sie enden mit einem langen Halse als Aus-
führungsgang. Die Drüsenzellen sind gross , cylindrisch , zuweilen
spitzig an ihrem gegen die Oeifnung des Absonderungscanais gerichte-
ten Ende. Sie enthalten einen eiförmigen Kern ; ihr Protoplasma be-
sitzt feine Granulationen, welche manchmal so massenhaft aufti-eten,
Fig. 18.
A.
Astacus flvviatil'is. — A, Querschnitt des Schlundes, der die Speicheldrüsen zeigt;
«, Hornschicht ; b, Absonderungscanal der Drüse, die Chitinschicht durchsetzend und
in c mündend; d, Hals der Drüse; e, Körper der Drüse; /, chitinogene Zellen
(Vergrösserung : 200 Durchmesser) ; B, Querschnitt des Schlundes, fünfzehnmal ver-
grössert, um die Anordnvmg der Speicheldrüsen zu zeigen; a, innere Chitinschicht;
h, chitinogene Schicht; c, Drüsen. Die anderen Gewebe wurden nicht dargestellt.
(Nach einer Zeichnung von Max Braun.)
dass der Kern durch sie versteckt wird. Diese Zellen stehen in
kleinen Gruppen zusammen, deren jede ein Absonderungscanälchen
besitzt, und die Gesammtheit dieser Canälchen mündet in den grossen
Axialcanal ein, von dem wir bereits gesprochen haben. Derselbe
durchsetzt die Chitinschicht und öffnet sich in der Schlundhöhle.
Crustace'en. 39
Drüsen, welche den eben beschriebenen durchaus ähnlich sind,
wurden von Vitzou in der Wand des hinteren Darmtheiles unter dem
Namen Darmdrüsen beschrieben.
Verdauungsdrüse oder Leber (Fig. 4, 3 und Fig. 15). — Diese
umfangreiche Drüse, welche man in Folge der physiologischen Unter-
suchungen mehrerer, namentlich Krukeuberg's, nicht mehr als Leber
ansprechen kann, da ihr Absonderungsproduct der Galle nicht im Min-
desten gleicht, erscheint in zwei länglichen, gelblichen oder bräun-
lichen Massen, welche auf beiden Seiten des Darmes in der Höhle des
Cephalothorax gelagert sind. Jede dieser Massen ist mehr oder weniger
in zwei Lappen getheilt, welche aus zahlreichen Röhren oder Blind-
säcken bestehen, deren blindes Ende nach aussen gewendet ist, während
das andere sich in ein in der Dicke der Drüse gelegenes Absonderungs-
can älchen öffnet. Die Absonderungscanälchen laufen gegen die Mitte
des inneren Randes einer jeden Masse zusammen, wo sie sich in einem
breiten Sammelcanal vereinigen. Derselbe mündet, wie wir es bereits
gesehen haben , auf den Seiten des Darmes , unmittelbar hinter dem
Pylorus (Fig. 15, h d).
Die histologische Untersuchung der Verdauungsdrüse geschieht
durch Zerzupfung im Blute des frisch getödteten Thieres und durch
Schnitte. Letztere lassen sich nur schwer anfertigen ; die Elemente
werden durch sie fixirende Osmiumsäure so krümlich, dass sie unter
dem Rasirmesser zerstäuben. Wir erhielten bessere Resultate mit einer
von Frenzel angewendeten concentrirten Lösung von Sublimat in
Wasser oder Alkohol; jedoch darf der Aufenthalt der in kleine Stück-
chen zerschnittenen Drüse darin nur ein kurzer sein , höchstens eine
halbe Stunde ; eine längere Einwirkung würde das Gewebe krümlich
machen. Nach der Fixirung härtet man in Alkohol zu 70 und
90 Proc, und zuletzt in absolutem Alkohol und schliesst endlich in
Paraffin ein.
Jede Leberröhre wird durch eine feine Membran gebildet, welche
Muskelfäserchen und grosse durchsichtige, auf solche Weise angelegte
Zellen enthält, dass sie, von der Fläche gesehen, das Aussehen eines
Fadennetzes mit rechtwinkligen Maschen bieten.
Das absondernde Endothelium besteht aus mehr oder weniger
cylindrischen , äusserst zarten Zellen. Sie werden stets bei der Zer-
zupfung zerrissen , so dass man nur die verschiedenen Granulationen
und Kügelchen, die sie enthalten, in dem Präparate sieht.
Man kann zwei Arten von Zellen unterscheiden, welche durch Form,
Inhalt und die Art, wie sie sich der Osmiumsäure gegenüber verhalten,
verschieden sind. Die einen sind in der Regel dunkler und enthalten
unregelmässige Massen einer braunen , undurchsichtigen , in Wasser
löslichen Substanz, es sind dies die Fermentzellen von Max Weber.
Die anderen, Leberzellen genannt, sind heller und enthalten eine
40 Arthropoden.
wechselnde Anzahl von stark lichtbrechenden, etwas gelblichen oder
bräunlichen und unter dem Einflüsse der Osmiumsäure schwarz wer-
denden Fettkörnchen. In den Arbeiten von Max Weber und
Frenzel wird man die histologische Beschreibung dieser Elemente
finden.
Die mit Absonderungsproducten überfüllten Endothelialzellen
platzen und entleeren dieselben in das Lumen der Röhre, von wo sie
durch die Ausscheidungscan äle in den Darm ergossen werden.
Gefässsystem. — Das Blut des Flusskrebses ist farblos oder
etwas bläulich ; wie in dem der Mollusken, wurde Haemocyanin darin
nachgewiesen. Es enthält farblose, durch Osmiumsäure leicht fixir-
bare Kügelchen, die amöboide Bewegungen zeigen. Diese Kügelchen
enthalten einen grossen , sich in Carminlösungen stark färbenden
Kern.
Das Blut circulirt in einem unvollständigen Gefässsysteme; sein
Lauf wird durch die Zusammenziehungen des Herzens iind der Ar-
terien unterhalten. Dieselben leeren es in grosse Hohlräume aus, von
welchen aus es vor der Rückkehr zum Herzen durch die Kiemen
fliesst. Das Herz ist also , wie bei allen Arthropoden , auch hier
arteriell.
Obgleich man schon bei einfacher Präparation die Hauptgefässe
verfolgen kann , so bleibt es doch unerlässlich , Einspritzungen zu
machen, um das gesammte System vor Augen zu bringen. Man steckt
das Röhrchen in die Herzbeutelhöhle eines Thieres , dessen Herz noch
schlägt, nachdem man eine kleine Oeffnung in der Schale oberhalb des
Herzens gemacht hat. Nothwendig ist es, langsam vorzugehen.
Allmählich dringt die eingespritzte Masse in das Herz ein, welches in
Folge seiner Zusammenziehungen dieselbe in alle Gefässe treibt. Ein
rascheres Verfahren besteht darin , dass man das Herz bloss legt und
die Spritzröhre unmittelbar einsticht. Die Injection kann nur mit der
grössten Sorgfalt gemacht werden. Die mit chromsaurem Bleioxyd
oder mit löslichem Blau gefärbte Gelatinemasse dringt besonders gut
ein, unter der Bedingung jedoch, dass man das Thier zuvor bis zu
30" C. erwärmt hat.
Das musculöse und pulsirende Herz ist ungefähr sechseckig
(Fig. 19); es ist in der mit Blut getränkten und von einer peritonealen
Hülle umgebenen Herzbeutelhöhle eingeschlossen (Fig. 20, p),
und wird an den Wänden dieser Höhle durch sechs Stränge von Faser-
gewebe (Fig. 19, ac) befestigt. Die aus ihm entspringenden Arterien
tragen ebenfalls zur Erhaltung seiner Lagerung bei.
Sechs knopflochförmige , mit Klappenvorrichtungen versehene
Hauptöffnungen durchlöchern die Herzwände; die Klappen gestatten
den Eingang des Blutes von der Herzbeutelhöhle aus in das Herz, ver-
sperren aber den Rücktritt desselben; sie sind paarweise auf den
Crustaceen.
41
Rücken-, Baucli- und Seitenflächen angelegt (Fig. 19, A, sa, B, ca;
C, lä). Einige Autoren wollen eine viel grössere Anzahl kleinei'er
Oefi'nungen gesehen haben; nach Bela Dezsö sollen sich sogar fünf
Paare solcher Löchlein einzig auf der Rückenfläche finden. Wir wollen
ihre Existenz nicht läugneu; jedenfalls sind sie aber so winzig klein,
dass es sehr schwierig ist, sie zu sehen. Uebrigens bietet das Herz
keinen grossen Widerstand; die Injectionsmasse kann, wenn der Druck
einigermaassen stark ist, seine Wände durchsetzen.
Das hintere Herzende bildet eine abgestumpfte Spitze, welche sich
in eine Art Bulbus (Fig. 19, b) verlängert, aus dem Bauch- und Sternal-
arterie aussfehen.
Fio-. 19.
h.ct.
Astacus fluviatilis. — Das Herz , viermal vergrössert. A, von oben ; B, von unten
C, von der linken Seite; aa, Fühlerarterien; ac, Herzfliigel oder das Herz mit den
Wandmigen der Herzbeutelhöhle verbindende Faserbündel; h, Bulbuserweiterung am
Ursprünge der Sternalarterie ; Ä « , Magenarterien ; l , seitliche Klappenöflnungen ;
oa, Augenarterie; s o, obere Klappenöffnungen; saa, obere Baucharterie ; s<a, Sternal-
arterie; in B ist sie an ihrem Ursprünge abgeschnitten (nach SLuxley).
Die obere Baucharterie (Fig. 15, 19, 20, saa) verläuft un-
mittelbar nach hinten, auf der Rückenlinie des Darmes. Sie giebt iu
in jedem Segment ein Paar Seitenzweige ab, welche sich in den Muskeln,
in der Haut u. s. w. verästeln.
Die ebenfalls vom Bulbus ausgehende Sternalarterie (Fig. 15
und 20, so) läuft senkrecht, zuweilen links, zuweilen rechts, vom Darm
zur Nervenkette hinab, welche sie durchsetzt (Fig. 7, 7^). An der
Bauchfläche angelangt, gabelt sie sich in einen vorderen und hin-
teren Ast.
42
Arthropoden.
Der Vorderzweig (Fig. 15, so), welcher den Namen Sternalarterie
beibehält und auf der Mittellinie des Thorax verläuft, dringt in den
Brustcanal ein, bis er den Schlund erreicht, um welchen herum er sich
gabelt. An jedem Ringe giebt er seitliche Aeste ab, welche die Brust-
füsse, die Kieferfüsse, die Kiefer und die Mandibeln versehen und
deren Bedeutung allerdings je nach der Grösse der Anhänge, zu denen
sie sich begeben, ändert.
Der Hiuterzweig (Fig. 15 und 20, iaa), die untere Baucharterie,
läuft unterhalb der Nervenkette nach hinten und versorgt ebenfalls mit
Aesten die Anhänge der hinteren Körperregion.
Fig. 20.
/. em. 'f • ?• V- saa.
aTl.l2
Astacits fluviatilis. — Diagramm eines Querschnittes des Thorax auf der Höhe des
zwölften Ringes, um den Brutkreislauf zu zeigen (viermal vergrössert). arh. 12, untere
oder vordere Arthrobranchie ; arbJ 12, obere oder hintere Ai-throbranchie des
zwölften Somiten; ai', zuführendes Kiemengefäss ; hcv, Herzkiemengefäss ; hg., Bran-
chiostegit ; cm , Streckmuskeln des Bauches ; cp, Epimeralwand der Thoraxhöhle ;
ev, ausführendes Kiemengefäss; fm, Beugemuskeln des Abdomens; //;, Boden des
Herzbeutels; ^?i, fünftes Thoraxganglion ; /*, Herz ; hg, Hinterdarm; caa, quer durch-
schnittene untere Baucharterie ;^a, seitliche Klappenöftnungen des Herzens; //•, Leber;
inp, bezeichnet die Stellung des den Brustcanal begrenzenden Mesophragmas; pii Herz-
beutelhöhle; j)db.^2, Podobranchie ; plh.12., Pleurobranchie des zwölften Somiten;
sa, Sternalarterie; saa, obere Baucharterie; sc, Sternalcanal ; t, Hoden; XH, Ster-
num des zwölften Somiten. Die Pfeile bezeichnen die Richtung des Blutstromes
(nach Huxlej').
Von der Vorderfläche des Herzens gehen fünf Gefässstämme aus,
von denen drei am Rückenrande und zwei am Bauchrande entstehen.
Man nennt sie:
Crustaceen.
•43
rio-. 21.
aa
Die Augenarterie (Fig. 15 und 19, oci)^ welche direct nach
vorn über den Magen weg läuft und sich in zwei zu den Augen-
stielen gehende Zweige spaltet. Das Hirn wird ebenfalls durch sie
versorgt.
Die Fühlerarterien (Fig. 15 und 19, acC) gehen schräg vorwärts
über die Leber. Auf der Höhe des Magens liefern sie diesem Organ
einen wichtigen Zweig, die
Magenarterie (Fig. 1 5,
(ja). Zuvor hatten sie au
die Geschlechtsdrüsen und
die benachbarten Tegu-
mente Verästelungen abge-
geben; sie enden in den
grossen und kleinen Füh-
lern.
Die Leberarterien
(Fig. 15 und 19, ha) ent-
stehen aus d«m unteren
und vorderen Theil des Her-
zeus und begeben sich di-
rect zur Verdauuugsdrüse,
wo sie sich verzweigen.
Wie wir bereits bemerkt
haben , entleert die Ge-
sammtzahl der ausgiebig
verästelten arteriellen Ge-
fässe das Blut in Hohl-
räume. Dieselben breiten
sich zwischen den Einge-
weiden.aus, jedoch sammelt
Scheraatische Figur des Kreis-
laufsystems des Hummers (nach
Gegenbaui-). &, Augen; ae,
Fühler ; a i , Antennulen ; h r ,
Kiemen; c, Herz; pc, Herz-
beutel; ao, Fühlei-arterie ; aa,
Leberarterie ; ap, obere Bauch-
ai-terie ; a, Stamm der Sternal-
arterie, welcher senkrecht nach
unten läuft, und sich auf der
Bauchfläche in die eigentliche
nach vorn gehende Sternalarterie [av] und in die nach hinten sich begebende
untere Baucharterie gabelt; f, Blutsinus des Abdomens; & ;•, zutuhrende Gefasse der
Kiemen, welche das Blut in den Bluträumen schöpfen ; ;• h ?•, ausiuhrende Gefässe der
Kiemen oder das Blut in die Herzbeutelhöhle zurücktührende Kiemenvenen.
v.br
44' Arthropoden.
sich das Blut, welches sie erhalten, in drei im Cephalothorax ein-
gegrabene Haiiptsinus, von denen der eine mittlere auf der Bauchlläche
sich erstreckt (Fig. 20, sc), während die mit dem vorigen im Zusammen-
hange stehenden beiden anderen seitlich an der Basis der Gehfüsse und
der Kiemen gelegen sind.
Die gesammte, durch die Systole des Herzens umgetriebene Blut-
masse dringt in jede Kieme mittelst eines Zufuhrgefässes (Fig. 20, av)
ein, welches bis zur Spitze der Kieme läuft und kehrt durch das Aus-
fuhrgefäss CV zurück. Letzteres mündet in die mit dem Herzbeutel
communicirende Kiemenkammer. Wir wissen bereits, dass bei jeder
Diastole das Herz das Blut, welches soeben geathmet hat, aus dieser
Kammer gewissermaassen einsaugt. Dasselbe dringt durch die er-
wähnten knopflochförmigen Spalten in das Herz ein.
Wir geben hier ein Schema des Blutkreislaufes (Fig. 21, a. v. S.)
wieder, welches diese Verhältnisse im grossen Ganzen veranschau-
licht.
Kiemen. — Auf beiden Seiten des Cephalothorax befindet sich
eine längliche Höhle , die Kiemenkammer, worin die Athmungs-
organe angelegt sind. Diese Kammer wird auf ihrer inneren Fläche
durch eine mehr oder weniger verkalkte Chitinlamelle, die eigentliche
Thoraxwand (Fig. 4, k), und auf ihrer äusseren Fläche durch die Seiten-
flügel des Cephalothoraxschildes oder die Branchiostegiten, von denen
wir bereits beim Skelett gesprochen haben, begrenzt. Der untere freie
Rand dieser letzteren senkt sich bis zur Basis der Füsse, so dass nur eine
schmale Spalte bleibt, durch welche das Wasser in die Kiemenkammer
eindringt und, nachdem es die Kiemen umspült hat, durch eine Art
Rinne ausgetrieben wird, welche auf der Mundseite am Vorderende der
Höhle gelegen ist. Der Kreislauf des Athmungswassers wird durch
die eigenthümlichen Bewegungen der Kiemen und besonders durch die
raschen Vibrationen einer Lamelle unterhalten, welche die Form eines
krummen Ruders hat, am zweiten Kiefer angeheftet ist und in die
Rinne der Kammer hervorragt. Dieses Stück ist unter dem Namen
Scaphognathit (6, Fig. 22) bekannt.
Nachdem die Branchiostegiten mit einer starken Scheere ab-
gesprengt worden sind, bemerkt man die Kiemen, welche wie Büschel
von der Basis der Kiefer- und Gehfüsse sich erheben. Sie stehen auf
verschiedener Höhe und unterscheiden sich unter einander sowohl durch
ihre Formen als durch ihre Verbindungen mit den benachbarten
Skelettheilen.
Zuerst bemerken wir sechs Kiemenanhänge, welche an den Basal-
gliedern der beiden letzten Kieferfüsse, der grossen Scheere und der
drei ersten Gehfüsse eingelenkt sind. Huxley hat sie mit dem Namen
Podobranchien bezeichnet (Fig. 22, pdh, 8 bis^JcZö, 13).
Crustäceen.
45
Sie sind mehr oder weniger blattförmig (Fig. 23, A n. B, a. f. S.) und
bestehen aus mehreren Stücken. Auf einem abgeplatteten Basalgliede h,
mit feinen gekämmten Härchen F, erhebt sich ein Stiel, welcher sich
au seiner Spitze in zwei ungleiche Theile spaltet : eine blattartige
Klinge 1, die mit Hakenborsten G versehen ist, während der andere
mehr einer Feder gleicht (pl). Man wird ausserdem an der Basis der
Fio-. 22.
j)dh.\3
•7j.8 arii> ]Äh.\2 arh.\2 p(6.l3
arl.B
am
Astucns fluviutUis. — A, die Kiemen in ihrer natürlichen Stellung, nach Entfernung
des Branchiostegiten; in B sind die Podobranchien entfernt und die äussere Reihe
der Arthrobranehien umgelegt, um die innere Reihe in natürlicher Stellung zu zeigen.
1, Augenstiel; 2, Antennula; 3, Fühler; 4, Mandibel ; 6, Scaphognathit; 7, erster
Kaufuss ; in B ist das Epipodit, worauf die Linie zeigt, theilweise entfernt ; 8, zweiter
Kaufuss; 9, dritter Kaufuss; 10, Scheere ; 14, vierter Gehfuss ; 15, erster Bauch-
'fuss; XV, erster und XVI, zweiter Bauchsomit; arb S, arb 9, arb 13, hintere
Arthrobranehien des zweiten und dritten Kaufusses und des dritten Gehfusses ; arb' 9
und 0 7-6' 13, vordere Ai-throbranchien des dritten Kaufusses und des dritten Geh-
fusses; pdb 8, Podobranchie des zweiten Kaufusses; pcZö 13, diejenige des dritten
Gehfusses; plb 12 und plb 13, die zwei rudimentären Pleurobranchien ; p/b 14,
fungirende Pleurobranchie ; r, Rostrum (nach H u x 1 e y).
46
Arthropoden.
Podobranchien und in dem sie trennenden Räume Bündel von langen
unter sich verfilzten Fadenhaaren bemerken (Fig. 23, A, es), die
coxopoditischen Borsten, welche den Eintritt fremder Körper
in die Kiemenkammer verwehren. Jedoch trifft man nicht selten an
den Kiemen einen kleinen, parasitischen Blutegel, die Branchiobdella
astaci Od.
Fia:. 23.
Astacus ßuviatilis. — A, eine von der Aussenseite gesehene Podobranchie ; B, die-
selbe von der inneren Seite ; C, eine Arthrobranchie ; D, Fragment eines Haares von
einem Coxopoditen; lü, Ende desselben; F, Ende eines Haares von der Basis einer
Podobranchie; G, hakenförmiges Haar der Blattklinge (^A bis C dreimal vergrössert,
D bis G stark vergrössert); b, Basis der Podobranchie; es, Haare des Coxopoditen;
l, Blattklinge; pl, Feder und st Stiel der Podobranchie; t, Warze des Coxopoditen,
worauf die Haare eingesetzt sind (nach Huxley).
Ausser den Podobranchien breiten sich sehr verschieden gestaltete,
aber doch ebenfalls der Athmung dienende Anhänge aus, die Arthro-
branchien (Fig. 22, B, arh). Statt an der Basis der Füsse sind
Crustaceen. 47
sie auf der die Glieder mit dem Cephalothorax verbindenden Zwischen-
membran eingelenkt (Fig. 22, am). Man zäblt deren elf auf jeder
Seite; eine, welche an der Interarticularmembran des zweiten Paares
der Kieferfüsse angeheftet ist, je zwei an derjenigen des dritten Kiefer-
fusspaares, zwei an der grossen Scheere, und endlich zwei an jedem
der drei vorderen Gehfusspaare. Jede Arthrobranchie besteht aus
einem mit zahlreichen winzigen Kiemenfädchen überdeckten Axenstiel
(Fig. 23, C). Die Kiemenfäden sind hohl und gewähren dem darin
fiiessenden Blute einen weiten Spielraum ; das Blut ist vom Wasser
nur durch eine dünne Membran getrennt, durch welche der Austausch
der Gase stattfindet.
Endlich findet sich noch eine achtzehnte hintere Kieme. Sie ist
auf der Eigenwand des Thorax eingelenkt, oberhalb des letzten Geh-
fusspaares, bleibt aber von diesem letzteren, welches keinen Kiemen-
anhang trägt, unabhängig. Huxley nennt sie die Pleurobranchie
(Fig. 22, plh, 14), und sieht zwei ebenfalls an der Brustwand oberhalb
der zwei vorhergehenden Gehfusspaare sitzende Chitinfäden (Fig. 22,
pZ&, 13 und 14) als homologe, aber verkümmerte Bildungen an. Die
Pleurobranchie hat eine gleiche Form wie die Arthrobranchien.
Die Kiemen nebst ihren Verzweigungen sind aus äusserst zarten
Chitinlamellen gebildet, welche, wie überall, auf einer Schicht chiti-
nogener Zellen ruhen. Wimpern trifft man, wie überhaupt bei den
Arthropoden, nirgends an,
Ausscheidungsorgane, grüne Drüsen. — Zwei rundliche,
grüne Massen (Fig. 24, A, ggs, a. f. S.) liegen an der Bauchfläche des
Yorderendes der Cephalothoraxhöhle. Man bemerkt sie sogleich nach
Entfernung des Magens, etwas nach hinten und unterhalb des Hirnes.
Sie stellen Absonderungsorgane vor, welche die Producte der Abnutzung
der Stickstoff'substanzen ausscheiden. Sie enthalten Guanin und sind
unter dem Namen der grünen Drüsen bekannt.
Man wird bei ihnen zwei Theile erkennen, einen oberen, sack-
förmigen Behälter (Fig. 24, C, es) mit feinen und lockeren, kaum
gefärbten Wänden, und einen unteren, kuchenartigen (Fig. 24, C, gg),
je nach den Thieren mehr oder weniger gelbgrünlichen oder grünbläu-
lichen Körper, die Drüse. Dieselbe ergiesst ihr Secretionsproduct in
den Behälter, welcher es nach aussen durch einen kleinen chitinösen
Canal entleert, der vom Vorderende des Behälters ausgeht, und
auf einer zarten, an der Basis des entsprechenden grossen Fühlers
hervorragenden Papille mündet (Fig. 24, JB, x).
Die histologische Untersuchung des Organs wird mittelst Zer-
zupfung im frischen Zustande und auf Schnitten, nach Fixation in
Osmium- oder Pikrinsäure oder ganz einfach in Alkohol vorgenommen.
Die Schnitte zeigen eine gewisse Anzahl von Hohlräumen, welche an
der Peripherie etwas enger an einander gelagert sind, und einen, in der
48 Arthropoden.
Mitte der Rückenfläche der Drüse gelegenen Kern. Die Oeffnungen
der auf sich selbst gewundenen, mit cubischen und cylindrischen Endo-
thelialzellen überzogenen Canälchen geben der Drüse ein maschiges
Ansehen.
Nachdem der Behälter weggenommen und die Drüse isolirt ist,
sieht man, dass dieselbe aus drei verschiedenfarbigen Zonen gebildet
ist, einer äusseren grünen, einer mittleren weissen und einer inneren
gelbbraunen. Wir können nicht in die Beschreibung des Endotheliums
dieser Zonen eingehen, dessen Bildung durch Grobben und Rawitz
genauer beschrieben worden ist (siehe Literatur). Die Absonderungs-
zellen sind namentlich in der grünen Zone angehäuft, während der
Canal der weissen Zone ausschliesslich dazu zu dienen scheint, das
Fio-. 24.
Astaciis fluviatiUs. — A, Vordertheil des Körpers ii;n,h Abnahme eines Theiles der
Eiickenschale, um die Lagerung der grünen Drüse zu zeigen ; ß, Seitenansicht, nach
Entfernung der linken Schale ; C, isolii-te grüne Drüse im Profil (sämmtliche Figuren
zweimal vergrössert) ; agr, linker vorderer Magenmuskel; c, Connective des Schlund-
ringes; c, Cardialtheil des Magens; gg, grüne Drüse, in A ist auf der linken Seite
der Sack entfernt und die isolirte grüne Drüse von oben gesehen; ima, Zwischen-
kiefer- oder Kopfapodem ; ocs, Schlund, quer durchschnitten (in A)\ s, Sack der
grünen Drüse; x, durch die Oeflfuung am Basalgliede des Fühlers in die Höhlung
des Sackes eingeführte Borste (nach Huxley).
Ausscheidungsproduct in den Behälter, in welchen er mündet, über-
zuführen. Die grüne Drüse empfängt viel Blut durch zwei Wege,
durch einen von der Fühlerarterie herkommenden Zweig und durch
einen Ast der Sternalarterie.
Geschlechtsorgane. — Die Geschlechter sind beim Flusskrebs
stets getrennt. Die Männchen lassen sich an ihrem schmaleren
Cnistaceen.
49
Figr. 25.
Körper erkennen; auch sind die Schwimmblätter des Schwanzes nicht
so breit, als beim Weibchen. Sie tragen die Geschlechtsöffnungen an
der Basis des letzten Paares der Gehfüsse (Fig. 2,Ä,od), während die
Eileiteröffnungen des "Weibchens an der Basis des zweiten Paares der-
selben Füsse angebracht sind (Fig. 2, B, o d). Ferner sind bei dem
Männchen die beiden ersten Bauchfusspaare in Begattungsorgane um-
gewandelt (Fig. 2,^, 15 und 16). Das erste Paar der entsprechenden
Füsse bleibt beim Weibchen verkümmert , während das zweite den
folgenden gleicht und wie dieselben dazu dient, die Eier während der
Brütezeit zu tragen (Fig. 2,5, 15 und 16). So die äusseren Geschlechts-
charaktere. Die inneren Organe haben beinahe die gleiche Form, die
Hodenlappen sind nur etwas länger und schmäler als die Eierstöcke,
Man erkennt aber das Männchen sofort nach Entfernung der Schale
an den weisslichen, unterhalb und etwas hinter
demHerzen zusammengeknäuelten Samengängen.
Die Eileiter sind im Gegentheil sehr kurz und
beschreiben keine Windungen.
Hoden. — Die Hoden (Fig. 25) liegen in
der Höhle der Cephalothorax, zwischen dem
Magen und dem Herzen , oberhalb des Darmes ;
sie werden rechts und links von einer langen,
gewundenen Röhre gebildet, welche zahlreiche,
nach allen Richtungen hin ausstrahlende An-
hängsel trägt, deren blindes Ende bläschenartig
erweitert ist. Das Ganze ist von Bindegewebe
umzogen und bildet eine dreilappige Masse.
Zwei Lappen richten sich nach vorn, der dritte
nach hinten ; letzterer schiebt sich unter die
Bauchwand des Herzbeutelsinus ein (Fig. 4, ))i n
und Fig. 26,01)). Jeder Lappen ist streng ab-
gesondert, mehr oder weniger cylin drisch und
rundet sich während der Begattungszeit ab, wenn
die Samenzellen in Menge abfallen und die
Drüsencauäle strotzend anfüllen.
Ein langer, mehrfach auf sich selbst ge-
wundener Samencanal tritt auf der Bauchfläche
hervor, am Verbindungspunkte der beiden Tor-
derlappen mit dem Hinterlappen. Bei Beginn
ist er eng, wird aber bald breiter und kann
bis zu zwei Millimeter im Durchmesser an-
schwellen; die Wände werden dicker und er endet, wie gesagt, auf
dem Basalgliede des vierten Gehfusspaares. Der Inhalt des Samen-
canales ist zuerst flüssig und halb durchsichtig, aber je näher er
der Oeffnung kommt, desto dickflüssiger, weisser und undurchsichtiger
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. _j_
AstacusfluviatUls. — Unter
der Lupe g-ezeichnete Ho-
den und Samencanäle. a,
Vorderlappen; J, Hinter-
lappen ; c , Knäuel der
Samencanäle; d, Aus-
spritzungscanal; e, an der
Basis des vierten Paares
der Gehfüsse ausmündende
Oeffnung (siehe Fig-. 2, vd).
50
Arthropoden.
wird er. Endlich wird der Samen unter der Form von weichen, nach
dem Lumen des Canales abgeformten Cylindern ausgespritzt, welche
bei der Berührung mit Wasser erhärten.
Man untersucht die histologische Structur auf frischen Zerzupfungs-
präparaten, sowie auf Schnitten des in Pikrinschwefelsäure oder in
Chrorasäure fixirten Hodens, Osmiumsäure kann zur Fixirung der
isolirten Elemente benutzt werden , aber sie dringt so wenig ein und
schwärzt die von ihr erreichten Gewebe so sehr, dass man sie kaum
Fig. 26.
Astucns fluviatiUs. — A, Schnitt durch ein Hodenläppchen (Hartnack, Oc. 3, Obj. 8),
das Endbläschen zeigend; a, Samenzellen (Spermatoblasten); h, Keimkerne; c, Endo-
thelium der Ausführangscanälchen , bei c' von der Fläche gesehen ; d, Muskelfasern ;
e, Hüllmembran. JB, Querschnitt der Drüsenportion des Samencanals; a, Endo-
theliumzellen ; &, Längsmuskeln ; c, Kreismuskeln. C, Endothelium des Ausspritzungs-
canais ; a, lange Zellen; 6, Kerne; c, Muskelfasern (nach C. Grobben).
für Stücke von gewisser Grösse benutzen kann. Die Samenbläschen
(«, Fig. 26) besitzen eine Wand von Bindegewebe, das zarte Muskel-
fasern enthält. Sie sind von einem, von Grobben sorgfältig be-
schriebenen Endothelium überzogen, in welchem man zwei Elemente
Crustaceen.
51
unterscheidet: umfangreiche polygonale, einen grossen sphärischen Kern
enthaltende Zellen (Fig. 26,^«), die Samenzellen oder Spermato-
blasten, und zahlreiche, in einer Protoplasmaschicht zerstreute Kerne
(&), in welcher es nicht möglich ist, Zellengrenzen zu unterscheiden.
Diese Elemente sitzen in dem angeschwollenen blinden Ende der
Bläschen; der röhrenförmige, in den Samencanal mündende Theil
derselben wird von einem cylindrischen oder cubischen Endothelium
bekleidet, welches nach Grobben absondernder Natur zu sein scheint-
Grobben und Nussbaum haben in letzter Zeit die Entwicklung der
Spermatozoiden in den Spermatoblasten beschrieben. Zur Begattungs-
Fio-. 27.
Astacus fluriuühs. — A, B, C, Spermatozoiden in verschiedeneu Entwicklung.sstadien;
D, ein vollständig reifes Spermatozoid, 650 mal vergrössert (nach C. Grobben).
zeit vermehren sich diese Elemente ungemein, man trifft sie in jedem
Entwicklungsgrade bis zur vollständigen Reife. In diesem Zustande
(Fig. 27, D) bildet das Spermatozoid einen abgeplatteten, sphärischen
Körper, dessen Peripherie in eine grosse Anzahl von spitzigen Fort-
sätzen ausläuft. Man unterscheidet im Inneren des Körpers einen
excentrischen Kern und ein geringeltes, mit feinen, strahlenden
Streifen versehenes Körperchen. Die Autoren stimmen über die Be-
deutung dieser Elemente nicht überein.
Der Samengang unterscheidet sich, was die histologische Structur
anbetrifft, nicht wesentlich von dem Hodencanal, die Wände sind
4*
52
Artliropoden.
dicker in Folge der grösseren Entwicklung der Muskelscliiclit , in
welcher man innere Längsbündel und äussere Kreisbündel beobachtet.
Das den Canal auskleidende Endothelium kommt in seiner Mitte zu
besonderer Bedeutung, seine Cylinderzellen enthalten einen elliptischen,
in Carminlösungen ausgezeichnet sich färbenden Kern ; das Protoplasma
ist körnig und sondert eine Substanz von kreideartigera Aussehen ab,
die sich mit dem Samen mischt (Fig. 26, B). Im Endtheil des Samen-
ganges (ductiis ejaciüatorius) ist das Endothelium nicht mehr das
gleiche; die an einander gepressten Zellen haben sich verlängert und
ihre Kerne haben sich an ihrem äusseren Ende gegen die Muskelschicht
gelagert (Fig. 26, C).
Begattungsorgane. — Sie sind durch die zwei Paare modi-
ficirter Bauchfüsse hergestellt. Diejenigen des ersten Paares sind auf
ein einziges gerades und schmales, in seiner Mitte lamellöses Glied
-picf. 28. reducirt. Der untere Theil
ist zu einer Rinne ausge-
höhlt; wenn sich diese bei-
den Rinnen gegen einander
legen, bilden sie einen voll-
ständigen Canal (Fig.
28, A).
Die Bauchfüsse des zwei-
ten Paares (Fig. 28, B) be-
stehen aus drei Theilen,
einem Basalgliede (rf), auf
welchem zwei Anhänge
eingelenkt sind , die Bor-
stenpinsel an ihrem Ende
tragen.
Astacus fliwiaüüs. — Begattungsanhänge des Diese Anhänge werden
Männchens. A, das erste Paar mit seiner Rinne; ^^-^^^ -^ ^.^ werbliche Ge-
B, ein Anhang des zweiten Paares ; a, Basalgliecl ; i i i , rp
h, lamellöses Endglied; c, fadenförmiges Seiten- schlechtsöffnung einge-
glied (nach Brocchi). führt, die Befruchtung ge-
schieht höchst wahrschein-
lich äusserlich ; wir haben wenigstens niemals Spermatozoiden im
Eileiter angetroffen. Jedoch paaren sich die Thiere von verschie-
denem Geschlecht. Das Männchen packt das "Weibchen mit den
Scheeren, wirft es auf den Rücken und bringt es plötzlich unter
sein Abdomen. In diesem Momente sollen, nach Gerbe, die Bauch-
füsse sich nähern; das Ende des hinteren Paares wird in die Rinne
des Vorderpaares eingebracht, während der ductus ejacidatorius nach
aussen vorspringt und den an seiner weissen Farbe kenntlichen Samen
an der Basis des Vorderpaares entleert. Der Samen fliesst lang-
sam längs der Furche der vorderen Anhänsce und wird durch sie
..-&
Crustaceen.
53
Fig. 29.
an dem Sternum des Weibchen entladen , wo er während längerer
Zeit bleibende weissliche Streifen zurücklässt.
Eierstock. — Der Eierstock nimmt beim Weibchen dieselbe
Stelle ein, wie die Hoden beim Männchen. Wie dieser, ist das
Ovarium dreilappig , wenn auch die Lappen kürzer und abgerundeter
erscheinen (Fig. 29). Seine äusserst feinen Wandungen aus Binde-
gewebe sind innen mit Endothelialzellen überzogen, welche eine dicke
Schicht bilden, an welcher zahlreiche, in die Eierstockhöhle voi'ragende
Bläschen sich zeigen. Jedes dieser Bläschen wird in der Weise ein
Ei sack oder Follikel, dass eine der Endothelialzellen, welche das
Bläschen umgeben, schneller heranwächst als die anderen und das
Ceutrum des Bläschens behauptet. Das Protoplasma erleidet Ver-
änderungen, je mehr die Zelle sich vergössert; nach und nach ent-
wickelt sich ein Nahrungsdotter, in welchem
viele Fettkügelchen schwimmen.
Der durch Pikrinschwefelsäure fixirte und
mit Alkohol abgehärtete Eierstock kann nach
Einschliessung in Paraffin in feine Schnitte
zerlegt werden. Auf solchen Schnitten kön-
nen die Eier in allen ihren Entwickluugs-
stadien beobachtet werden. Während der
Begattuugszeit ist die Höhle des Eierstockes
mit grossen Eiern gefüllt, welche durch
Gegendruck eine polygonale Form angenom-
men haben. Jedes Ei besitzt ein Keim-
bläschen und mehrere Keimflecke, die sich
in Carmin stark färben.
Der Eileiter entsteht an der Bauchfläche
des Eierstockes, am Verbindungspunkte der
vorderen Lappen mit dem hinteren (Fig.
29, c) ; er bildet einen breiten, direct nach
aussen und nach hinten laufenden Canal,
der nach kurzem Verlaufe an der Basis des zweiten Paares der
ßauchfüsse mündet (Fig. 2, o d). Während der Ablage werden die
Eier von der klebrigen Flüssigkeit, welche aus den Hautdrüsen der
Bauchregion abgesondert wird, eingehüllt und durch diesen Stoff fest
an die Bauchfüsse angeklebt. Da die Legezeit in unseren Gegenden
im November beginnt und die Brütezeit sechs Monate dauert, findet
man wähi'end des ganzen Winters Eiertrauben unter dem Abdomen
des Weibchens.
Der junge Krebs hat beim Auskriechen eine den Eltern ähuliche
Gestalt. Die Metamorphosen des Embryos spielen sich also im Inneren
des Eies ab. Sie wurden von Rathke, Lereboullet und Reicheu-
bach beschrieben (siehe Literatur).
Astacus ßuviatüis. — Unter
der Lupe gezeichneter Eier-
stock, a, Vorderlappen ; 6,
Hinterlappen ; c, Eileiter.
54
Arthropoden.
Die äussere Gestalt der Krusteuthiere wechselt uneudlich und ergiebt
sich aus der relativen Entwicklung und der Vereinigung der verschiedenen,
den Körper bildenden Ringe oder Somiten. Das Hautskelett ist in den
meisten Fällen in eine mehr oder weniger grössere Anzahl von Ringen
getheilt, welche entweder unter einander beweglich, oder zu Gruppen
verschmolzen sind, was erlaubt, besondere Regionen, wie Kopf, Thorax,
Bauch u. s. w., zu unterscheiden, deren ursprüngliche Segmentirung mehr
oder minder verwischt ist.
Selten ist der Kopf abgesondert (Amphipoden) , noch seltener beweglich
(Squilla). In der Regel verschmelzen seine Segmente mit denjenigen des
Thorax zu einem einzigen Cephalothorax (Brachi/tiren), dessen Segmentirung
auf der Bauchfläche oft noch sichtbar ist {Macruren}. Sehr häufig wachsen
Rücken- oder Seitenfalten des Cephalothorax zu einem Schilde (Apiis) oder
einem Panzer aus, der dann entweder die ganze Ko^Df brustregion {Schizopoden,
Decajjoden) , oder nur ihre vorderen Segmente {Stomatopoden , Camaceen)
bedeckt. Die ausserordentliche Entwicklung der Seitenplatten einer solchen
Schale und ihre Ausdehnung nach hinten hat dann die Bildung einer zwei-
klappigen Hülle zur Folge, in
^ig* 30. welche der ganze Körper zurück-
e gezogen werden kann {Eatheria,
Ostracoden).
Etwas Aehnliches kommt bei
den Cirrhipeden vor (Fig. 30).
Zu einer gewissen Zeit ihres
Lebens , wo sich die bis dahin
bewegliche junge Larve mit ihren
Fülllern festsetzt, dehnt sich der
Rückentheil ihrer Tegumente in
einen breiten Sack (d) aus, wel-
cher auf der Bauchfläche offen
bleibt und den ganzen Körper
umgiebt, aber nur an der Kopf-
region ihm angeheftet ist. Uebri-
gens kann diese Region beim
erwachsenen Thiere über den
Sack hinaus in einen langen Stiel
auswachsen, mit welchem das
Thier sich fixirt, wie es bei den
Lepadiden der Fall ist. La der
Dicke des Mantelsackes kommen
fünf (Lejja.b), sechs {Baianus} oder
fünfzehn bis zwanzig {PoUicipes),
dem Thiere eine harte Hülle bildende Kalkstücke vor, welche die früheren
Zoologen derart getäuscht haben, dass Cuvier die Thiere noch zu den
Mollusken stellte.
Diemeist abgesonderte Bauchregion zeigt ebenfalls sehr verschiedenartige
Stadien der Entwicklung; sie kann die Grösse des Cephalothorax besitzen
{Ilacriiren), oder auf eine unter dem Cephalothorax eingeschlagene Lamelle
beschränkt sein {Brachytoreii) oder endlich zu einer kleinen Erhöhung ver-
kümmert sein {Caprella, Cyamus).
Was nun die Zahl der Somiten anbetriff't, so ist sie bei den Entomo-
straken höchst unregelmässig, während sie bei den höheren Krustenthieren
meist auf zwanzig sich beläuft, wovon dreizehn dem Cephalothorax und
sieben dem Abdomen angehören.
Ansicht eines Baianus nach weggebrochener
Schalenhälfte, a, Mund ; b h' , cirrhenförmige
Glieder; c, Kopftheil des Thieres ; d, Haut-
duplicatur, die das Thier wie ein Mantel be-
deckt; ee, zur Verschliessung der Schale die-
nende bewegliche Klappen ; //, äussere Schale ;
m, Mviskeln (nach Darwin, dem Handbuche
von C. Gegenbaur entnommene Fio'ur).
Criistaceen. 55
i)er eine so bedeutende Rolle iu dieser Artliropodeuclasse spieleude
Parasitismus vei-\vischt häufig die ursprüngliclie bilaterale Symmetrie gänzlich,
und verändert den Körper dermaasseu , dass kein einziger Charakter eines
Krusteuthieres mehr übrig bleibt [Lernaea, Sacculina). Darum ist auch die
Kenntniss der Larvenformeu nothwendig, um diesen so verkümmerten Wesen
ihren richtigen Platz in der Serie anzuweisen.
Es bedürfte eines Buches, wollten wir die vielfachen Anpassungen und
die Homologien der Glieder bei den verschiedenen Ordnungen der Classe
nachweisen. Jedes Somit kann ein Paar gegliederter Anhänge tragen.
Im Allgemeinen tragen die Kopfringe zwei Fühlerj^aare, jedoch ist das
hintere Paar zuweilen verkümmert (Aptis). Diese Anhänge fungiren beinahe
immer als Sinnesorgane (Tast- und Riechorgane); bei einigen Branchiopoden
und Ostracoden dienen sie aber auch als Ruder und bei den Männchen der
Copepoden ist es nicht selten, den einen dieser Fühler in ein Greiforgau zur
Erfassung des Weibchens umgewandelt zu sehen.
Nach den Fühlern folgen Mandibeln und Kiefer, v/elche manchmal mit
Palpen zur Betastung der Nahrung versehen sind. Bei den Schmarotzern
(Argulus) und sogar bei einigen frei lebenden Copepoden sind die Kiefer zu
Stechorganen umgestaltet und in eine, durch die verlängerten Vorder- und
Hinterlippen gebildete Scheide eingeschlossen.
Die hinter den Kiefei'n gelegenen Thoraxfüsse werden noch iu der Mehr-
zahl der Fälle zur Mastication verwendet, deshalb der Name Kiefer- oder
Kaufüsse. Anstatt der drei bei Astacus erwähnten Paare, welche regelmässig
bei den Decapoden vorkommen, finden wir deren nur noch zwei Paare bei den
Cumaceen, während sie bei den Stomatopoden bis zu fünf Paaren gelangen.
Letztere besitzen dagegen nur noch drei Gehfusspaare am Thorax. Die
Brustfüsse dienen meist der Ortsbewegung (Gehen oder Schwimmen), doch
können diese Organe auch zur Athmung verwendet werden {Phyllojpoden),
oder, wie es häufig bei den Decapoden der Fall ist, zu Hülfsorganeu der
Geschlechtsfunction umgestaltet werden.
Die Bauchgiieder werden auch zuweilen der Locomotion angepasst, jedoch
sind sie im Allgemeinen zu anderen Functionen bestimmt. Manchmal breiten
sich gewisse von ihren Gliedern als Athmuugsblätter oder zu Platten aus,
die einen Brutraum umgrenzen ; manchmal sind sie bei den Männchen zu
einfachen, durch Rinnen ausgehöhlten Stengeln verkümmert und dienen dann
als Begattungsorgane. Wir wissen bereits, dass bei dem Flusskrebs, wie bei
den langschwänzigen Krebsen überhaupt, die Füsse des letzten Bauchgliedes
in Schwimmplättchen umgewandelt sind.
DieTegumente sind weit davon entfernt, überall die Härte zu besitzen,
welche wir bei unserem Typus antrafen. Bei den meisten Entomostraken
sind sie sehr zart und enthalten nur ausnahmsweise Kalkablageruugen. Die
Chitinschicht ist einfach, biegsam, durchsichtig und zuweilen so fein gestreift,
dass sie das Licht bricht und zu den lebhaftesten Diffractionsfarben Anlass
giebt (Sapphirina). Sie wird übrigens öfters erneuert, in Folge wiederholten,
namentlich während des Wachsens stattfindenden Mauserus. Fast immer
schmücken feine Härchen diese zarte Schale, welche, wie bei den Decapoden,
das Ergebniss einer Ausschwitzung der chitinogenen Oberhautschicht ist,
die aus cylindrischen oder cubischen, den oben von uns beschriebenen ähn-
lichen Zellen gebildet wird.
Das Nervensystem ist stets bauchstäudig und man beobachtet im
Allgemeinen bei ihm eine Verminderung der Ganglienzahl der Kette im
Verhältniss zur Verschmelzung der Somiten. Wenn auch andererseits die
Ganglien ursprünglich in jedem Somit paarig und mit einander durch eine
Quercommissur und ein Längscounectiv verbanden sind, so dass sie, wie bei
56 Arthropoden.
vielen BrancliioiDoden, das Aussehen einer Leiter haben , so muss man doch
zugeben, dass in den meisten Fällen bei den übrigen Ordnungen eine An-
näherung der beiden Ganglien auf der Mittellinie stattfindet, welche bis
zur gänzlichen Verschmelzung führen kann. Die mikroskopische Beob-
achtung, besonders ar;f Schnitten,, erlaubt jedoch fast imnaer, in den scheinbar
einfachen Ganglien die Spur ihrer ursprünglichen Zwiefältigkeit , wie beim
riusskrebs, zu entdecken.
Die grösste Concentration des Nervensystems kommt bei den schma-
rotzenden Copepoden vor. Hier kann von einer Nervenkette keine Rede
mehr sein. Die Nervencentren sind zu einer kleinen , dichten Masse ver-
schmolzen, welche ringförmig den Schlund umgiebt und oberhalb dessen sie
mehr oder weniger angeschwollen ist , um von da aus alle peripherischen
Nerven ausgehen zu lassen. Jedoch fehlt zuweilen auch die Hirnanschwellung,
der Bückentheil des Schlundringes wird dann durch eine einfache Commissur
dargestellt.
Die Hirnentwicklung steht übrigens im directen Verhältniss zu der-
jenigen der Augen und der Tühler. "Wenn dieselben verkümmern, wie es bei
den Schmarotzern geschieht, vermindert sich das Hirn, während es an Grösse
wächst, sobald die Siuuesanhänge des Kopfes sich entwickeln, wie es die
grossäugigen Amphipoden {Phronima) z. B. beweisen.
Die Zahl der Bauch ganglien, geAvöhnlich zwölf bei den Schizopoden und
bei den Macruren, schwankt zwischen sieben bis dreizehn bei den Isopoden
und den Amphipoden; sieben bei geAvisseu Copepoden (Caiajwc^es), fünf bei den
Daphniden u. s. w. Die höchste Summe erlangt sie bei Apus {Phyllopoden),
während sie bei einigen Macruren {Palaemon, Palinurus) in Folge der Ver-
schmelzung der Brustganglien abnimmt. Bei vielen Anomuren [Pagurus)
sind die Bauchgauglien in eine einzige Masse zusammengeflossen, und bilden
in dieser Hinsicht den Uebergang zwischen den Macruren und den Brachyuren
(Krabben), deren Ganglien im Thorax zu einer sternförmigen Masse vereinigt
sind (Fig. 31, Ä).
Ein aus den Connectiven des Schlundringes entstehendes Darmnerven-
system ist bereits bei den Cirrhipeden unter den Entomostraken vorhanden.
Seine Kenntniss in den anderen Gruppen lässt sehr zu wünschen übrig, mit
Ausnahme der Decapoden , wo es in seinen allgemeinen Zügen die dem
Flusskrebse angehörende Bildung besitzt.
Die Tast-, Geschmack- und E. i e c h o r g a n e werden höchst wahrschein-
lich bei sämmtlicheu Krustern durch Härchen dargestellt, welche fast überall auf
dem ganzen Körper, aber besonders auf den Fühlern (Tast- und Riechhärchen),
auf den Kiefertastern i\nd den Lippen in unmittelbarer Nähe des Mundes
(Geschmackshärchen) zerstreut sind. Zu bemerken ist , dass diese Härchen,
in deren Axen Nervenfädchen eindringen , bis zu den Copepoden und den
Ostracoden herab viel zahlreicher auf den Fühlern der männlichen Indivi-
duen als auf denjenigen der Weibchen sich vorfinden. Dieses wurde nament-
lich für die Riechhärchen beobachtet.
Im Basalgliede der kleinen Fühler befindliche und nach dem beim
Flusskrebs beschriebenen Typus gebildete Hörsäckchen finden sich bei den
meisten Decapoden vor, sie scheinen aber bei den Stomatopoden und den
anderen Crustaceen zu fehlen. Neuere Forschungen über diese wichtigen
Apparate sind sehr Avünschenswerth und es dürfte sogar angemessen er-
scheinen, dieselben auf die Gesammtheit der Gruppen auszudehnen.
Bei mehreren Decapoden sind die Hörbläschen geschlossen , ohne ii'gend
welche Verbindung nach aussen , also müssen die Otolithen, welche sie ent-
halten, durch ihr Endothelium abgesondert werden. Bei einigen Gattungen
{Pinnotheres , Platycarcinus) hat man geschlossene Bläschen beobachtet, die
Crustaceen.
57
keine Spur von Otolitlien enthalten. Die Hörsäckclien sind mit sehr feinen,
vei'schiedenartigen Härchen aasgekleidet, welche aber von den Siuneshaaren
der anderen Körperregionen nicht sehr abweichen; bei Crangon , Hifpolyte
sind diese Borsten in sehr geringer Zahl vorhanden. Bei den Mysiden be-
finden sich die vollständig geschlosseneu Hörbläschen in der Dicke der dem
Telson angehefteten Schwanzplatten und eiiipfangen vom Aftergaugiion einen
besonderen Nerven. Hensen hat eine ausführliche Beschreibung derselben
gegeben (s. Literatur).
Ausser den Schmarotzern (Bopyrus), den Höhlenbewohnern {Asellus,
Typliloniscus) , oder den Bewohnerin der grossen Tiefen {Gammarus, Xijphar-
gus) besitzen alle Krusteuthiere
Fig
A^ Kervensystem einer Krabbe [Carcinns mae-
nas); gs, Hirnganglion; o, Sehnerv; a, Fühler-
nerv; c, Sclilundring ; i, Quercommissur des
Ringes; gi, verschmolzene Bauchkette (nach
Milne-Edwar ds) ; B, Xervensystem eines
Cirrhipeden {Coronida dludema), von der Bauch-
seite gesehen ; g s, g i, wie in A ; a, Füliler-
nerven, die sich im Mantel und an der Schale
verzweigen. Zwischen ihnen liegt das mit dem
Hirn verbundene Augenganglion ; m, Mao-en-
nerv ; s, Eingeweidenerv, welcher sich in einem
Plexus s" mit einem zweiten , von dem Vor-
dertheil des Schlundringes herrührenden Vis-
ceralnerven s' vereinigt. Das Bauchgan2;lion
sendet nach vorn den Nerven des ersten Cir-
rhus vmd nach hinten diejenigen der anderen
Rankenfüsse (nach Darwin, dem Handbuche
von Gegenbaur entnommene Fis-ur).
Augen. Zwar zeigen diese Augen
sehr verschiedene Entwicklungs-
stufen. Die einfachsten bestehen
aus einem, in eine Pigmentmasse
eingesenkten Sehstäbchen , wie
es der Fall bei Nauplius ist.
Diese Elementarform verwickelt
sich aber in Folge der Ver-
mehrung der Stäbchen. Die bei-
den seitlichen Sehgruppen nähern
sich auf der Mittellinie des
Kopfes, um an dieser Stelle ein
unpaares, x-förmiges Auge {Cojpe-
poden, Ostracoden, Branchiopoden)
zu bilden, welchem sich noch
gewöhnlich zwei entweder ein-
fache [Pontelliden) oder zusam-
mengesetzte {Daphnia , Branchi-
pus) Augen von späterer Bildung
auschliessen. Wenn sie aber bei
Branchipus gänzlich getrennt
und auf Stielchen gestellt sind,
findet man sie bei Daphnia bei-
nahe zu einem einzigen , fort-
während in Bewegung befind-
lichen Auge verschmolzen. Bei
einer grossen Anzahl von Phyl-
lopoden sind diese zusammen-
gesetzten Augen von einer glat-
ten Hornhaut' überzogen.
Zusammengesetzte Augen mit
Facetten sind die Regel bei den
höheren Crustaceen. Sie sind
festsitzend bei den Edriophthal-
men [Ampliipoden, Isopoden, C'u-
maceen), gestielt und beweglich
bei den Podophthalmen [Deca-
poden), oder können auch in
Augengrübchen zurückgezogen
werden [Brachyuren). Die Zahl
der Stäbchen, die Bedeutung
des Endganglions des Sehnerven,
die Pigmentbildung und die-
58 Arthropoden. <
jenige der unterhalb der Hornhaut sich befindüchen Krystallkegel ändert je
nach den Gattungen. Die Hornhautfacetten sind im Allgemeinen viereckig
{Palaemon, Palinurus) oder sechseckig {Maja, Squilla). Bei Euphausia (Schizo-
poden) bemerkt man noch stark roth pigmentirte, au der Basis des Thorax
oder der Bauchfüsse angelegte Nebenaugen. Ihre Anzahl beläuft sich auf
acht bei Thysanojjoda.
Der stets bauchständige Mund mit einer vorderen und einer hinteren
Lippe, die nur selten in eine, Stechborsten enthaltende Scheide umgewandelt
ist, führt in eine verhältnissmässig einfache Darmröhre. Der Schlund ist
kurz, senkrecht oder nach vorn gebeugt und erweitert sich, indem er sich
nach hinten krümmt, in einen mehr oder weniger umfangreichen Magen,
welcher durch Ausbildung von in der Höhle vorspringenden Chitinstücken
complicirt wird. Sie bilden oft einen demjenigen des Flusskrebses ähnlichen
inneren Kauapparat , welchen man nicht nur bei den Decapoden , sondern
auch bei den Isopoden und bei einigen Amphipoden [Gammarus) vor-
findet.
Hinter dem Magen verengt sich der Darm und läuft ganz gerade bis
zum After. Sein Vordertheil ist bei den Copepoden mit einem Drüsenepi-
thelium überzogen, welches jedenfalls die fehlende Verdauungsdrüse vertritt.
Magenblindsäcke fehlen den Copepoden ebenfalls , während die meisten an-
deren Krustenthiere in der That einen (Sida) , zwei [Daplmiden) (Fig. 32, h)
oder auch eine grössere Anzahl von hinter dem Pförtner stehenden Blind-
säcken besitzen {Apus, Maja). Ihre Länge ist höchst veränderlich; sie ver-
zweigen sich zuweilen [Argulus). Man bemerkt bei einigen Gattungen von
Copepoden und von Cladoceren rhythmische Bewegungen des Kectums, welche
vielleicht eine Eolle in der Athmung und im Kreislauf der Nahrmigsfiüssig-
keit spielen.
Bei den Bhizocephalen [Sacculina) ist der Verdauungsapparat gänzlich
verkümmert; sie ernähren sich durch Osmose von den ihren Wohnthieren
(Krabben) angehörenden Nahrungsflüssigkeiten , vermittelst wurzeiförmiger
Bohren, welche in die Eingeweidehöhle dieser letzteren sich verzweigen.
Einzellige Speicheldrüsen wurden bei den Daphniden sowie bei einigen
Copepoden unterhalb der Vorderlippe beschrieben. Jedoch müssen wir uns,
was die Bedeutung dieser Drüsen anbelangt, mit Vermuthungen begnügen;
im gleichen Falle befinden wir uns hinsichtlich der von Braun bei den
Decapoden und bei Squilla in den Wandungen des Schlundes und der Vorder-
lippe aufgefundenen Drüsen.
Die unter dem Namen Leber bekannten Verdauungsdrüsen existiren
bei den höheren Typen. Sie besitzen die Form von Röhren, deren erweitertes,
blindes Ende allein drüsenartig zu sein scheint, während der cylindrische,
in den Mitteldarm einmündende Böhrentheil als Ausführungscanal fungirt.
Diese Röhren sind zuweilen so weit geöffnet, dass ihre Höhle eine Dependenz
derjenigen des Darmes zu sein scheint. Man hat davon ein einziges Paar
(Ci/amus, Caprella) oder zwei (Ganmiarits), oder drei P-Aare (Idothea, Ligia) ge-
funden. Aber bei allen Decapoden vermehren sich diese Röhren un-
gemein, verzweigen sich und bilden im Cephalothorax, auf beiden Seiten des
Darmes, eine öfters viellappige oder auch traubenartige Masse (C'rangon,
Palaemon). Bei den Stomatopoden sind solche Trauben auf der ganzen
Fläche des mittleren Darmes zerstreut.
Das stets farblose und amöboide Körj^erchen enthaltende Blut ist bei
einigen wenigen Gattungen (Lernanthropus, Clavella) von einer Hämoglobin
enthaltenden rothen Flüssigkeit begleitet. Diese Flüssigkeit circulirt in einem
geschlossenen Gefässsystem , welches Ed. van Beneden Appareil hematique
genannt hat. Dieser Autor vermuthet, dass dieser Apparat dazu dient, dem
Crustaceen,
59
die Körperhöllleu füllenden Blute den aufgeuouinienen Sauerstoff zuzu-
bringeu und die Ausscheidung der Kohlensäure zu erleichtern.
Das Herz fehlt öfters bei deu niederen Gruppen, wie z. B. bei den
meisten Cyclopiden, Corj-caeiden u. s. w., sowie bei den Ostracoden, mit Aus-
nahme der Cypridinen. Gefässe sind dann ebenfalls nicht vorhanden; die
Nahruugsflüssigkeit circulirt in den Hohlräumen in Folge der Zusammen-
ziehungen der Körperwände, äßv Muskeln, der Glieder oder des Verdauungs-
canais.
Die erste Andeutung eines Gefässsystems findet sich wohl bei den Dapli-
niden (Fig. 32, c). Das lebhaft sclilagende, sackförmige Herz liegt oberhalb
des Darmes. Es empfängt das Blut durch ein oder zwei Paar seitlicher
Spaltöffnungen und treibt es bei jeder Systole in eine einzige, sehr kurze
Aorta, die es in die Hohlräume des Körpers ergiesst.
Bei den Phyllopoden verlängert sich das Herz, und erstreckt sich bis
zum Abdomen {Branchiinis). Es trägt auf den Seiten zahlreiche , den Seg-
menten entsprechende Oeffnuugen, so dass das Blut in Fülle zuströmen kann.
Dagegen sind die ausführenden Gefässe noch sehr einfach und nur am vor-
deren Ende ausgebildet.
Organisation einer Daplinia ; die grossen Schwimmfühler sind abgeschnitten, ü, Tast-
f'ühler; c, Hirn; oc, Auge; i, Darm; A, Blinddärme; (/, Schalendrüse; c, Herz;
l, Oberlippe; ov, Eierstock; o, ein Ei in der Bruthöhle o', die zwischen Körper und
Mantel liegt (nach Leydig; dem Handbuch von Gegenbaur entnommen).
Bei den Arthrostraken wird das röhrenförmige Herz noch länger; es
dehnt sich weiter gegen den Kopf hin aus bei den Amphipoden, während es
bei den Isoj)oden gegen den Hinterleib hin zurückgeworfen wird. Bei diesen
letzteren besonders scheint das arterielle System sich zu entwickeln ; das
Herz liefert Gefässe an seinem vorderen und hinteren Ende.
Unter den Thoracostraken treffen wir bei den Stomatopoden noch ein
sehr in die Länge gezogenes Herz, welches sich an seinen beiden Enden in
eine vordere und hintere Arterie fortsetzt, während es bei den Schizopoden
und den Decapoden mehr zusammengedrängt ist , sich im Thorax localisirt
und sowohl nach vorn als nach hinten eine grössere Anzahl von Stämmen
ausgiebt , die sich in dem Hirn , den Fühlern , der Leber, den Geschlechts-
organen u. s. w. verästeln.
Aber bei keinem Krustenthiere besteht ein unmittelbarer Zusammenhang
der Gefässe zwischen den Arterien und dem Athmungsorgan. "Wir haben
beim Flusskrebse den höchsten Grad der Entwicklung des Blutkreislaufes
60
Arthropoden.
angetroffen und wissen, dass das Blut, nachdem es sich bis zu den letzten
Zweigen der Arterien ergossen hat, in Hohlräume (Sinus) strömt, die es zu
den Kiemen führen. Nach der Hämatose kehrt es durch Venen, deren Zahl
nach derjenigen der Kiemenanhänge wechselt, nicht direct zum Herzen zu-
rück, sondern strömt in einen das Herz umgebenden Sinus, aus welchem die
Spaltöffnungen des Herzens es entnehmen.
Localisirte Athmungsorgane fehlen bei vielen niederen Crustaceen, welche
mit der ganzen Körperoberfläche atlimen. Bei den Copepodeu und den
Ostracoden bemerkt man zuAveilen mehr oder weniger gefaltete Hauttheilchen,
welche die Athmungsfläche vergrössern ; auf der inneren Mantelfläche der
Balanideu bilden sich diese Falten zu wirklichen Kiemenblättchen aus.
Jedoch im Allgemeinen entwickeln sich die eigentlichen Kiemen auf den
Brust- oder Bauchfüssen. Das im Ganzen oder nur theilweise der Athmungs-
Fig. 33.
Fig. 34.
Fig. 33. — Querschnitte von Krustenthieren. ^-i, Phyllopodc (Liranetis nach Grube);
B, Squilla (nach M i 1 n e - E d w a r d s) ; c, Herz ; i, Darm ; n, Ganglienkette ; h r, Kiemen ;
d, Duplicatur des Kückenteguments, in ^ eine Schale darstellend (nach Gegenbaur).
Fig. 34. — Kiemen eines Brachyuren. Die Rückentegumente des Cephalothorax sind
entfernt worden. Die Körperhöhle mit dem Kaumagen v und dem Darm, der dai-aus
entspringt, zeigt sich in der Mitte ; die seitlichen Kiemenhöhlen sind geöffnet ; rechts
die Kiemen mit sechs Reihen von Blättchen ; linkerseits sind vier davon , sowie
das Flagellum / weggeschnitten, um den Strudelapparat f, f unterhalb der Kiemen
zu zeigen; o, Auge; d, Fühler; ar, eine isolirte, bei rc abgeschnittene Kieme (nach
Gegenb aur).
function angepasste Glied dient oft ausserdem noch der Ortsbewegung; es
plattet sich au seiner Basis blattförmig ab.
So besitzen bei den Phyllopoden z. B. (Fig. 33, A, br), wie ihr Name es
übrigens andeutet, die Füsse die Form breiter und dünner Lamellen, zwischen
deren Wänden der Austausch der Gase sich vollzieht, da das Wasser stets
Crustaceen. 61
iu Folge ihrei" beständigen Bewegung sicli um sie erneuert. Alle Glieder
können an solcher Umwandlung theil nehmen, sowie es hauptsächlich der
Fall bei den Branchiopoden ist. Bei den Isopoden sind die fünf Paare der
Bauchfüsse auf diese Weise gänzlich zu Athmungslamellen umgewandelt, und
es kommt manchmal vor [Oniscus. Forcellio) , dass ein Paar dieser Glieder
sich als Deckplatten entwickelt und die anderen wie in eine Kammer ein-
schliesst.
Bei den Amphipoden haben die Kiemen die Form von Säcken, welche
an den Basalgliedern der Brustfüsse angeheftet sind ; sie sii:id bei Talitrus,
Gam-marus unter Hautverlängerungen des Thorax versteckt. Sie sind bei den
Caprellen sehr verkümmert ; dieselben besitzen nur zwei kurze röhrenförmige
Kiemensäckchen , welche auf dem zweiten und dritten Thoraxsegmente , die
keine Füsse tragen, befestigt sind.
Bei den Stomatopoden (Squilla) (Fig. 33, B, hr) sehen wir Büschel von
verzweigten, auf dem inneren Rande der fünf Paare der Bauchschwimmfüsse
angeheftete Kiemen fädchen.
Bei allen anderen Thoracostraken, mit Ausnahme der j^Iysiden, die keine
besitzen, localisiren sich die Athmungsorgane auf den Kieferfüssen und auf den
Gehfüssen. Diese Organe stellen sich aber unter sehr verschiedenen Formen
dar ; zuweilen bilden sie Büschel von röhrigen Fädchen , kammartigeu Ver-
längerungen (Macrureu) , zuweilen auch Eeihen von einzelnen sich gegen
das Ende verschmälernden Plättchen (Fig. 34, a r), welche an den Füssen
oder an der inneren \Yand der Kiemenkamraer angeheftet sind.
Die Kiemen sind nun nicht mehr von aussen sichtbar, da sie, wie
wir es bereits bei Astacus bemerkten, durch eine Duphcatur des Kopf-
brustskelettes überdeckt sind. Diese Duplicatur begrenzt äusserlich eine
Kiemenhöhle, welche vermittelst einer zwischen dem freien Bande der Dupli-
catur und der Basis der Füsse gelegenen Spalte sich nach aussen öffnet. Bei
den Brachyuren wird die Spalte vollständiger geschlossen und auf eine ein-
fache Ritze reducirt, welche vor dem ersten Fusspaare gelegen ist und durch
eine äussere Verlängerung der Basis der Kieferfüsse geschlossen werden kann.
Eine derartige Vorrichtung erlaubt den Landkrabben {Gecarcinus), Wasser in
ihrer Kiemenkammer zu behalten. Bei dem die Erde bewohnenden Birgus
latro finden sich noch auf dem Dach der Kiemenhöhle baumförmig ver-
zweigte Verlängerungen , die als eine Art von Lungen angesehen wurden
(Sem per). Bei allen Wasserbewohnern wird der Kreislauf des Wassers in
der Höhle durch die eigenen BeAvegungen der Kiemen, oder gewisser von
der Basis der Kieferfüsse ausgehender ■ und nach hinten auf die Gesammt-
zahl der Kiemen sich ausdehnender , peitschenartiger Anhänge befördert
(Fig. 34, f, f, f").
Endlich müssen wir auch das Vorhandensein von Luft in den vorderen
Kiemenlamellen einiger landbewohnenden Isopoden erwähnen [Poo-ceUio), ohne
dass die Form derselben sich wesentlich von derjenige]\ der gleichen Lamellen
bei den Wasserbewohnern unterschiede.
Bei einigen Copepodenlarven hat man Zellenmassen beschrieben , welche
harte Ablagerungen enthalten, die Harnconcretionen zu sein scheinen. Solche
in Nebensäcken des Darmes gelegene Zellen finden sich bei Ci/clops-ine castor
(Leydig). Bei den Amphipoden wurden kurze, an dem Enddarm angehef-
tete Drüsenröhrclien als den Malpighi'schen Canälen der Insecten homologe
Organe betrachtet. Mit grösserer Wahrscheinlichkeit gehören Drüsenknäiiel,
die sich bei den meisten Ordnungen vorfinden und entweder an der Fühler-
basis (Fühlerdrüsen) oder unter Hautfalten an dem Vordertheil des Körpers
liegen (Schalendrüsen, Kopfdrüsen u. s. w.) (Fig. 32, g), den Absonderungs-
organen an. Grobben' s Forschungen beweisen, das wir es hier mit gleich-
62
Arthropoden.
artigen Bildungen zu tliun haben ; ihre innere Structur ist bei Phyllopoden
und Copepoden wesenthch die nämliche. Man kann immer bei ihnen ein
blindes, sackförmig erweitertes Ende unterscheiden, welches der Drüsen-
theil ist und dem Malpighi'schen Knäuel in der Niere der Wirbelthiere
vergleichbar wäre , und ein mehr oder weniger langes , auf sich selbst ge-
Avundenes Canälchen, welches der Ausführungscanal ist. Diese Bildung findet
sich übrigens in der grünen Drüse beim Fltisskrebs Avieder, welche deshalb
Fig. 35.
als der Fühlerdi'üse homolog be-
trachtet werden muss.
Zwittei'bildung ist eine Aus-
nahme hei den Krustenthieren.
Es giebt einige Beispiele davon
unter den Cirrhipeden und bei
Cymothoe unter den Isopoden.
Bei einigen Gattungen von Cir-
rhipeden [Scalpellum) treten übri-
gens, wie es scheint, nur zu ge-
wissen Zeiten männliche Indivi-
duen als Ergänzungsmännchen
auf.
Die Trennung der Geschlechter
ist also die Regel und in der
grössten Mehrzahl der Fälle sind
die keimbereitenden Organe, Ho-
den und Eierstöcke, nach dem
gleichen Typus entweder ein-
facher oder verzweigter paariger
Röhren gebaut.
Die Männchen sind im All-
gemeinen kleiner als die Weib-
chen, manchmal bleiben sie so-
gar zwergartig klein {Cirrhipe-
den^ schmarotzende Copepoden,
Bopyrus , Entonisciis unter den
Isopoden) und an die Geschlechts-
üfFnung dieser letzteren ange-
heftet (Fig. 35, M). Wir haben
bereits den Dimorphismus der
Männchen von einigen Copepo-
den {Cydops) erwähnt, bei denen
der eine Fühler eingeknickt wer-
den kann iind das Weibchen wäh-
rend der Begattung festhält. Bei
anderen ist es das erste Fusspaar
(Estheria) oder die Kieferfüsse
(Cypris) , welche zu diesem
Zwecke umgebildet sind. Bei
den Cladoceren unterscheiden
sich noch die Männchen von
den Weibchen durch grössere
Augen und längere Fühler. Der
Angriffsapparat des männlichen
Branchipus ist ausserordentlich complicirt; das Hauptstück ist spiralförmig-
gewunden.
Branchiella mulleus (in der Mundliiihle des
Zitterrochens ansässig). Das Weibchen trägt
ein an der Geschlechts'öfTnung angeklammertes
Männchen J\]. i, Füsse des ersten Paares; k,
Füsse des zweiten Paares ; ???, Vordertheil des
Körpers ; n, Hintertheil ; r, Eisack mit reifen
Eiern ; s, Darm ; /, Eierstöcke. —
Crustaceen. 63
Bei den freien Copepoden ist die Geschleclitsdrüse unpaarig; sie liegt
in der Mittellinie des Köi-pers oberhalb des Mitteldarmes ; sie besitzt aber
zwei mehr oder weniger complicirte Ansführungscanäle an ihren Enden.
Die Eileiter zeigen öfters' Erweiterungen , welche als Samenbehälter oder
Bruttaschen dienen können. Die Eier werden indess meistens in Säcke ab-
gelegt, welche beiderseits am hinteren Körperende angeheftet sind.
Die Geschlechtsdrüsen der schmarotzenden Copepoden sind paarig. Bei
den Phjdlopoden liegen sie auf beiden Seiten des Darmes; ihre Ausführungs-
gänge münden an der Grenze zwischen Thorax und Abdomen. Oefters
fungirt ein erweitei-ter Theil des Eileitei-s als Uterus. Bei den Daphniden
bildet sich unterhalb der Schale und am Hinterende des Körpers eine Brut-
kammer (Fig. 32, o'), in welcher die Eier durch chitinöse Erhöhungen des
Bauches festgehalten werden. Bei Estheria entwickeln sich die Eier ebenfalls
zwischen den Klappen, auf besonderen Anhängen der Eüsse.
Die paarigen Drüsen der Arthrostraken sind im Allgemeinen vollständig-
getrennt. Die Eileiter der Amphipoden öffnen sich auf dem fünften Brust-
segment. Bei den Isopoden bildet sich eine Brutkammer, welche durch aus
den Thoraxfüssen stammende, dachziegel förmig über einander gelegte Plätt-
chen begrenzt wird.
Unter den Thoracostraken sind es die Schizopocieu, welche die einfachsten
Geschlechtsorgane aufweisen. Das unpaare Ovarium setzt sich in zwei weite,
als Uterus fungireude Eileiter fort und blätterige Ausbreitungen der beiden
letzten Thoraxfüsse begrenzen eine Brutkammer. Die Ansführungscanäle der
Männchen enden mit besonderen , von einer Umgestaltung der Bauchfüsse
herstammenden Begattungsanhängen.
Bei den Decapoden compliciren sich im Gegentheil die gleichen Organe.
Der Drüsentheil besteht aus einem sehr langen und sehr feinen , mehrfach
auf sich selbst gewundenen Rohr, welches eine mehrlappige, ausnahmsweise
bis in das Abdomen sich erstreckende Masse [Pagurus) bildet, wähi-end sie
manchmal sehr nach vorn im Cephalothorax gelegen ist (Galathea). Die
Ausführungscanäle sind, besonders bei dem Männchen, sehr lang, schlangen-
förmig gewunden und stellenweise drüsenartig. Die Drüsen können sogar
davon getrennt bleiben , unter der Form von Anhängen (Maja). Bei den
Brachj'uren trägt übrigens der Ausführungscanal bei einigen Gattungen eine
als Samenbläschen dienende Erweiterung. Im Allgemeinen muss man den-
selben als die Fortsetzung der Hodenröhre betrachten und in vielen Fällen
giebt es keine streng gesonderte Grenze zwischen beiden (Brocchi). Der
Endtheil der Ausführungscanäle ist musculöser, dicker und kann nach aussen
hervortreten, er ist öfters Ruthe genannt worden.
Die weiblichen Geschlechtsöffnungen finden sich beinahe immer auf dem
Basalgliede des zweiten Paares der Gehfüsse oder auf dem diesen Füssen
entsprechenden Bruststücke {Brachyuren). Die männlichen Oeffnungen stehen
weiter rückwärts , wie beim Krebs , an der Basis des vierten oder letzten
Paares dieser gleichen Füsse.
Mit Ausnahme von einigen Macruren (Sci/llarus, Palaemon) sind das erste
[Homarus] oder die zwei ersten Bauchfusspaare, bei den männlichen Decapoden,
zu Begattungsorganen umgewandelt. Die Metamorphose ist deutlicher und
allgemeiner bei den Brachyuren als bei den Macruren.
Die Spermatozoiden sind unbeweglich (ausser bei den Cirrhipeden) , zeit-
weilig fadenförmig und sehr lang (Isopoden, Amphipoden, Ostracoden) , au
einem Ende hakenförmig gebogen (Mysis) oder zellenartig und mit aus-
strahlenden Anhängen versehen. Im Allgemeinen sind sie bei der Aus-
stossung von einer schleimigen Hülle umgeben, die bei Berührung mit
Wasser erhäi-tet. Auf diese Weise werden Spermatoiohoren gebildet , welche
64
Arthropoden.
das MäDDchen manclimal an den Geschlechtsring des Weibchens anheftet
(Copepoden).
Fälle von Parthenogenesis sind bei den Ci'ustaceen nicht selten {Cladoceren,
Ajpus, Artemia). So bildet z. B. der Eierstock der Daphniden im Frühling
und im Sommer Eier , die direct in die Brutkammer übergehen und sich
darin ohne jegliche Befruchtung entwickeln. Im Herbst erzeugt das gleiche
Ovarium zwei {Daphnia) oder mehrere (Lynceus) sogenannte Wintereier, welche
befriichtet werden und den Winter unter der Schale liegen bleiben, um im
folgenden Frühling sich zu entAvickeln. Die übrigens seltenen Männchen
treten nur im Herbst auf. Bei einigen Cladoceren gehen den Männchen
einige Zwitter voran (Kurz).
Die directe Entwicklung, in Folge welcher das junge Thier aus dem Ei
mit einer beinahe derjenigen der Eltern gleichen Form ausschlüpft, wie es
der Fall beim Flusskrebse ist, kommt nur äusserst selten bei den Krusten-
thieren vor. Man hat sie so zu sagen nur noch bei den Cumaceen und bei
Fig. 36.
Naupliuslarveii. A, von Lernaeodiscus ; B, von Cj'clops ; a, unpaares Auge ; b, Chitin-
schale; c, Oljeriippe; d, Darm; 1, erstes Paar von einfachen Füssen ; 2 und 3, zweites
und drittes Paar zweispaltiger Piudevfüsse.
den Mysiden heobachtet. Bei den Isopoden und den Amphipodeu trifft man
ebenfalls keine freie Larvenformen.
In der Regel machen die Jungen nach dem Austritt aus dem Ei eine
Reihe mehr oder weniger complicirter Metamorphosen durch. So vermochte
z. B. Claus bei den Cypriden neun Larvenformen nachzuweisen. Diese
Umwandlungen sind regressiv bei den Parasiten , wenn sie auch zuweilen
sehr verwickelt sind, wie wir es bei der so gewissenhaft von Delage beob-
achteten Sacculina sehen.
Die bis jetzt hekanuteu Larvenformen sind zahlreich ; die Homologien
ihrer Segmente und ihrer Anhänge sind noch lange nicht für eine jede dieser
Formen festgestellt. Mit Ausnahme einiger Formen scheinen iudess die
meisten von der einfachen Larve NaupUus der Copepoden herzustammen
Crustaceen. 65
(Fig. 36). Der in seiner Form sehr verschiedene Nauplius, dessen Tegumeute
fein und durchsichtig sind, wird theoretisch in vier Segmente getheilt. Die
Abgrenzung dieser Segmente ist selten ersichtUch. Die drei ersten Segmente
tragen Anhänge, das erste Paar dieser Anhänge ist einfach, die zwei letzteren
zweisj)altig. Da diese Glieder später zu den zwei Fühlerpaaren und den Mandibeln
des erwachsenen Thieres sich umwandeln, so kann man die sie tragenden Larven-
segmente als die Kopfregion des zukünftigen Crustaceums betrachten. Die
Durchsichtigkeit der Haut gestattet bereits ein Hirnganglion bei Nauplius zu
entdecken , auf welchem ein einfaches unpaares Auge aufsitzt ; man sieht
ferner einen geraden Darm und zwei an der Basis des zweiten Gliedpaares
gelegene Fühlerdrüsen.
Diese Larvenform wächst nun durch die Entstehung neuer Segmente
zwischen dem Mandibelsegment und dem von Anhängen entblössten letzten
Aftersegment weiter fort. Bei mehreren höheren Tj'pen (meerbewohnende
Decapoden) schlüpft das Junge unter einer anderen Larvenform aus, die Zo'ea
genannt wird. Diese besitzt sieben Gliederpaare , ist durch die Grösse ihrer
Facettenaugen, zwischen denen ein unpaares Mittelauge steht, und durch nadei-
förmige Stacheln ihrer Schale bemerk enswerth.
Ausser Zoea hat man andere Larvenformen beobachtet , wie z. B. die
Form Megalops der Brachyuren, Erichthus bei den Squillen, Phyllosoma der
Langusten u. s. w.
Wir können nicht in die Schilderung dieser verschiedenen Entwicklungs-
stadien eingehen, da das phylogenetische Studium nicht zu unserer Aufgabe
gehört; man wird in der Embryologie von Balfour ihre Beschreibung und
die ausserordentlich ausgedehnte Bibliographie über dieselben finden.
Literatur. — Jurine, Histoire des AJonodes, Geneve, 1820. — H. Rathke,
Untersuchungen über die Bildung und Entwicklung des Flusskrebses, Leipzig, 1829. —
V. Thompson, On the Metamor pliosis of JJecapodoiis Crustacea. ZooL Journ,, Bd. II,
1831, et Isis, 1834, 1836, 1838. — Milne-Ed wards, Histoire naturelle des Crustaces,
Paris, 1834, 1840. — Ders. , Observations sur le Systeme tegumentaire des Cnistaces
Decapodes. Ann. des sc. nat., 3. Serie, Bd. XVI. — Duvernoy, Des organes exte-
rieurs sur le squelette tegumentaire des Crustaces Decapodes. Memoires de VAcad. des sc,
Paris, Bd. XXIII. — Krohn, lieber die Verdauungsnerven des Krebses. Isis, 1834. —
Oesterlen, lieber den Magen des Flusskrebses. Müller's Archiv, 1840. — Lere-
bouUet, Recherches sur le mode de ßxation des oeufs aux fausses pattes abdominales
des Ecrevisses. Ann. des sc. nat., 4. Serie, Bd. XIV, 1860. — Ders., Sur les
Crustaces de la famille des Cloportides. Mem. die Museum de Strassbourg , Bd. IV,
1850. — Ders., Recherches d'embryologie eomparee {Brechet, Perche , Ecrevisse),
Ann. des sc. nat., 1862. — C. Darwin, A. Monograph of the sub-class Cirripedia,
London, 1851 — 1854. — Leydig, lieber Artemia salina und Brauchipus stagnalis.
Zeitschr. f. w. Zool., Bd. III, 1851. — Ders., Monographie der Daphniden, Tübingen,
1860. — Ders., lieber Geruchs- und Gehörorgane der Krebse und Jnsecten. Arch.
für Anat. und Physiol., 1860. — Ders., Das Auge der Gliederthiere, 1864. — Ders.,
lieber Amphipoden und Isopoden. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXX; Supplement, 1878.
— E. Grube, Bemerkungen über die Phyllopoden. Arch. für Naturgesch. , 1853,
1865. — Zenker, Monographie der Ostracoden, ebend., 1854. — Ders., System der
Crustaceen, ebend., 1854. — C. Claus, Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte
der Copepoden, ebend., 1858. — Ders., Zur Morphologie des Copepoden. Würzb.
naturw. Zeitschr., 1860. — Ders., Die frei lebenden Copepoden, Leipzig, 1863. —
Ders., lieber die Organisation der Cypridinen. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XV, 1865,
und Neue Beobachtungen über Cypridinen, ebend., Bd. XVIII, 1868. — Ders.,
Entwicklungsgeschichte von Cypris, Marburg, 1868. — Ders., Zur Kenutniss des
Baues und der Entwicklung von Branchipus und Apus. Abh. der k. Ges. d. Wiss,,
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 5
66 Arthropoden.
Göttingen, 1873. — Ders., Organisation der Arguliden. Zeitschr. f. w. Zool.,
Bd. XXV, 1875. — Ders., Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen
Grundlage des Crystaceensystems, Wien, 1876. — Ders., Der Organismus der
Phronimiden. Arb. aus dem Zool. Instit., Wien, Bd. II, 1879. — Ders., Zur Kennt-
niss der Kreislauforgane der Schizopoden und Decapoden, ebend., Bd. V, 1884. —
Bruzelius, Beitrag zur Kenntniss des inneren Baues der Amphipoden. Arch. f.
Naturgesch., Bd. XXV, 1859. — Van Beneden, Recherches sur la faune littorale
de la Belyique, Bruxelles, 1861. — V. Hensen, Studien über das Gehörorgan der
Decapoden. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XIII, 1863. — G. O. Sars, Histoire naturelle
des Criistaces d^eau douce de Norvege, Christiania, 1867. — Ders., Carcinologislce
Bidrag til Norges Fauna I. Mysider , Christiania, 1870, 1872. — S. Lemoine,
Recherches pour servir ä PMsioire des systemes nerveaiix, mvsculalres et glandulaires
de VEcrevisse. Ann. des sc. nat., 5. Serie, Bd. IX et X, 1868. — Gerstäcker,
Arthropoda in Bronn's Thier- Reich, Leipzig, 1866, 1884. (En cours de j^uhlication.)
— A. Do hm, Zur Naturgeschichte der Caprellen. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XVI,
1866. — Ders., Ueber den Bau und die Entwicklung der Cumaceen. Jen. naturw.
Zool., Bd. V, 1878. — Chantran, Obserimtions sur PJiisioire naturelle de VEcrevisse.
C. R. de PAcad. des sciences, Paris, 1870, 1871, 1872. — Brauer, Beiträge zur
Kenntniss der Ph3fllopoden. Sitzungsber. der K. Akad. d. Wiss., Wien, 1872, 1874,
1877. — Weissmann, Ueber Bau und Lebenserscheinungen von Leptodora hyalina,
Leipzig, 1874. — Ders., Beiträge zur Kenntniss der Daphnoiden, Leipzig, Bd. I und IV,
1876 bis 1877. — Spangenberg, zur Kenntniss von Branch'qnis stagnaUs. Zeitschr.
f. w. Zool., Bd. XXV, 1875. — Max Braun, Ueber die histologischen Vorgänge bei
der Häutung des Flusskrebses. Arb. aus dem Zool. Zoot. Instit., Würzburg, Bd. II,
1875. — Ders., Zur Kenntniss des Vorkommens der Speichel- und Kittdrüsen bei
den Decapoden, ebend., Bd. III, 1876. — Dietl, Die Organisation des Arthropoden-
gehirns. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXVII, 1876. — Richters, Die Phyllosomen,
ebend., Bd. XXIII, 1873. — Brocchi, Recherches sur les organes genitaux rnäles des
Crustaces Decapodes. Ann. des sc. nat., 6. Serie, Bd. II, 1875. — C. Grobben,
Die Geschlechtsorgane von Squilla mant'is. Sitzungsber. d. K. K. Akad., Wien, 1876,
— Ders., Die Antennendrüsen der Crustaceen. Arb. aus dem Zool. Inst., Wien,
Bd. III, 1880. — H. Reichenbach, Die Embryonalanlage und erste Entwicklung des
Flusskrebses. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXIX, 1877. — Paul Mayer, Zur Ent-
wicklungsgeschichte der Decapoden. Jen. naturw. Zeitschr., Bd. XI, 1877. — C. Vogt,
Recherches cütieres (Copepodes ]}arasites ä males microscopiques). Meniolres de Plnstitut
national genevois, 1877. — J. Chatin, Recherches pt>ur servier ä Phistoire du hätonnet
op)tique chez les Crustaces et les Vers. Ann. des sc. nat., 6. Serie, Bd. V, 1877, und
Bd. VII, 1878. — C. Semper, Ueber die Lunge von Birgits latro. Zeitschr. f. w.
Zool., Bd. XXX, 1878. — C. Grobben, Beiträge zur Kenntniss der männlichen
Geschlechtsorgane der Decapoden. Arb. aus d. Zool. Instit., Wien, Bd. I, 1878. —
E. Berger, Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthro-
poden, ebend., Bd. I, 1878. — Dietl, Untersuchungen über die Organisation des
Crustaceengehirns. Sitz. d. K. Akad., Wien, 1878. — Bela Deszö, Ueber das Herz
des Flusskrebses und des Hummers. Zool. Anzeiger, I. Jahrg., 1878. — Wassiliew,
Ueber die Niere des Flusskrebses, ebend., I. Jahrg., 1878. — E. Yung, Recherches
sur la structure intime et les fonctions du Systeme nerveux chez les Decapodes. Arch.
de Zool. exp., Bd. VII, 1879. — A. Grub er, Beiträge zur Kenntniss der Generations-
organe der frei lebenden Copepoden. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXXII, 1879. —
P. Mayer, Ueber den Hermaphroditisraus einiger Isopoden. Mitth. aus d. Zool.
Stat., Neapel, 1879. — Max Weber, Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog.
Leber der Crustaceen. Arch. f. mikrosk. Aaat., Bd. XVII 1880. — Ed. Van
Beneden, De Vexistence d'uns ysteme vasculaire ä sang rouge dans quelques Crustaces.
Zool. Anzeiger, III. Jahrg., 1880. — Krieger, Ueber das Centralnervensystem des
Flusskrebses. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXXIII, 1880. — Huxley, VEcrevisse,
Pantopoden. 67
Paris, 1880. — Y. Belage, Appbreil circidatoire des Crustaces EdriophthaIm.es marins.
Arch. de Zool. exp., Bd. IX, 1881. — Ders., Evolution de la SaccuUne , ebend.,
2. Serie, Bd. II, 1884. • — - Mocquard, Eecherches anatoiniques sur Pestomac des
Crustaces podophthalmaires. Ann. des sc. nat-, Bd. XVI, 6. Serie, 1883. — J. Frenzel,
Ueber die Mitteldarmdrüse der Crustaceen. Mitth. aus d. Zool. Stat., Neapel, Bd. V,
1884. — Ders., lieber den Darmcanal der Crustaceen. Arch. f. mikrosk. Anat.,
Bd. XXV, 1885. — H. Viallanes, Etudes sur les centres nerveux des ardmmix
artictdeSj 1. et 5. Memoires : le Ganglion optique de la Langouste et Comparaison du
cerveau des Insectes et des Crustaces. Ann. des sc. naf., 6. Serie, Bd. XVIII, et
7. Serie, Bd. IV, 1887. — B. Rawitz, Ueber die grüne Drüse des Husskrebses.
Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XXIX, 1887.
Unbestimmte Gruppen.
Wir behandeln hier einige Gruppen, welche zu den Arthropoden
gehören, deren Classification aber noch zweifelhaft bleibt, da die Cha-
raktere , welche die verschiedenen Classen unterscheiden , bei ihnen
mehr oder weniger verwischt sind.
Die Pantopoden oder Pycnogoniden.
Im erwachsenen Zustande besitzen diese kleinen Seethiere in der
Regel sieben Paare verschieden gestalteter, an einem etwas läng-
lichen Körper fixirter Anhänge. Der Körper verlängert sich in eine
Art Schnabel mit endständigem Munde und endigt mit einem kleinen
cylindrischen Abdomen, welches manchmal zu einer einfachen Warze
reducirt ist. Das erste vorn am Munde gelegene Gliederpaar trägt
eine auf zwei kurzen Gliedern stehende Zange; das zweite, ungemein
wechselnde Paar fehlt zuweilen gänzlich und scheint vielmehr Tast-
functionen zu besitzen ; das dritte Paar ist beim Männchen stets
grösser als beim Weibchen und zeigt bei ersterem blätterige Anhängsel,
auf welchen sich die Eier anheften , die das Männchen nach der Be-
frvichtung mit sich trägt; die vier folgenden Paare sind im Allgemeinen
die längsten und mit einer Endkralle versehen , mit welcher diese
Thiere sich an die Pflanzen und Steine, worauf sie langsam umher
kriechen, anklammern. Man kann die Pantopoden nur am Meeresufer
und im lebenden Zustande beobachten, da ihre geringe Grösse keiue
Zergliederung gestattet. Die Tegumente zeigen die zwei gewöhn-
lichen Schichten der Arthropoden : eine mehr oder weniger erhär-
tete Cuticula und eine Hypodermis , zwischen deren Zellen zahl-
reiche einfache Hautdrüsen sich vorfinden. Bei den Männchen trifft
man auch noch am vierten Gliede der vier Hinterbeinpaare Kittdrüsen,
welche zuweilen in einen gemeinschaftlichen Ausführungscanal münden.
68 Arthropoden.
Stacheln oder Haare mit centralem Canal sind ebenfalls vorhanden. —
Das Nervensystem besteht aus einem, die Augen sowie das erste
Gliederpaar innervirenden Oberschlundganglion; ausserdem liefert es
einen bedeutenden Nerven zu dem Obertheile des Schnabels, Dieser
Nerv besitzt secundäre Ganglien. Zwei Commissuren verbinden das
Oberschlundganglion mit der Bauchkette , deren Ganglien durch Ver-
schmelzung eine Reducirung erleiden können. Die vier Augen sind
in einer rückenständigen, warzenartig vortretenden Erhöhung gelegen
und einfach; man findet darin eine Krystalllinse, eine Choroidea und
eine Retina. Zwischen den Augen zeigt sich eine in einen chitinösen
Ring eingeschlossene Zellenanhäufung, deren Function zweifelhaft er-
scheint. Der dreieckige Mund ist von drei weichen, behaarten Lippen
umgeben , welche durch ein sehr verwickeltes , chitinöses Gerüst ge-
tragen werden. Er führt in einen ziemlich weiten Canal, in dessen
Grunde ein Reuse nap parat sich befindet, welcher aus langen,
steifen, feinen und spitzigen Borsten besteht, die mit ihren Spitzen
nach vorn frei hervortreten und mit ihrer etwas verbreiterten Basis, an
welche sich feine Muskelfasern ansetzen , in den Wänden des Canals
fixirt sind. Zuweilen sind einige grössere Zähne in diesen Apparat
eingepflanzt. Von diesem derart vertheidigten Eingange erstreckt sich
die Speiseröhre als ein gerader Schlauch in einen Mitteldarm,
von welchem röhrenförmige Blinddärme symmetrisch ausgehen, um
in allen Fällen wenigstens bis in die vier Hinterbeinpaare, sogar
manchmal bis in das erste Paar und bis zum Schnabel sich zu er-
strecken. Oefters verlaufen diese durch bindegewebige Bänder in
ihrer Stellung festgehaltenen Blindsäcke bis zur Spitze der Bein-
paare. Sie besitzen dieselbe Structur wie der Mitteldarin ; eine
äussere Eigenhaut, eine aus zarten Muskelfasern bestehende mittlere
Haut und ein Zellenendothelium. Der ganze Darmapparat ist mit
durchsichtigen, in der Flüssigkeit schwimmenden und wahrscheinlich
als Verdaiiungselemente fungirenden blasigen Körperchen erfüllt. Der
After befindet sich am Ende des Abdomens. Das aus mehreren
Kammern bestehende Herz zeigt zwei Paare Seitenspalten und zu-
weilen noch eine hintere, mittlere Endspalte. Es bildet nur eine mus-
culöse Rinne, die mit ihren Oberrändern dem Tegumente angeheftet
ist, welches die obere Decke des Canals bildet. Gefässe giebt es nicht.
Das Blut enthält zahlreiche amöboide Körperchen, durchsichtige
Bläschen und scheibenförmige Körperchen. Die Pygnogoniden sind
getrennten Geschlechts. Die Organe sind röhrenförmig und liegen
in dem Winkel zwischen Herz und Darm ; sie erstrecken sich nach
vorn bis zum Schnabel und entsenden Blindsäcke in die vier hin-
teren Beinpaare. Bei den Männchen erreichen die Hodenblindsäcke
nur das dritte Glied des Beines, während die Ovarien sich bis zum
vierten, zuweilen sogar bis zum Eudgliede ausdehnen. Die Eier ent-
Xiphosiiren. 69
stehen vorzugsweise in den Blindsäcken. Die mit Klappen versehenen
Oeffnnngen der Ovarien stehen an der Basis des zweiten Gliedes eines
jeden Beinpaares, mit Ausnahme von Phoxichilidium, wo nur das letzte
Beinpaar eine GeschlechtsöflFnung besitzt. Die im gleichen Gliede ent-
haltenen männlichen Oeffnungen variiren mehr, was ihre Zahl an-
betrifft. Das vierte Beinpaar zeigt nie eine Geschlechtsöffnung. Die
an den blätterigen Anhängseln des dritten Beinpaares angeklebten
Eier werden von den Männchen bis zum gänzlichen Auskriechen
der Larven, die mit dem Nauplius eine gewisse Aehnlichkeit haben,
getragen.
Bei vielen Pantopoden findet sich eine zweite Larvenform vor,
welche in Hydrarpolypen schmarotzt. Sie nähern sich während ihrer
ersten Larvenform den Entomostraken, von denen sie dann im er-
wachsenen Zustande bedeutend abweichen.
Literatur. — A. de Quatrefages, Sur V Organisation des Pycnogonides.
Annales des Sc. naiur. 3. Serie, Bd. IV, 1845. — Cavanna, Studie e richerchi sui
Picnogonidi. Firenze 1877. — A. Dohrn, Fauna und Flora des Golfes von Neapel.
III. Monogr. Die Pantopoden. Leipzig 1881,
Die Xiphosuren oder Po e cilopoden.
Die heutzutage einzig diese Classe bildende Gattung lAmulus
findet man an den Küsten des Indischen Meeres und des Atlantischen
Oceans und in Nordamerika. — Von oben betrachtet, zeigt der Körper
drei Theile: ein grosses gewölbtes, vorn und auf den Seiten abgerunde-
tes Schild , das nach hinten durch zwei dreieckige Flügel ^verlängert
wird, in welche ein zweites kleineres, mit dem ersten durch eine Quer-
linie verbundenes und auf seinen Seitenrändern durch grosse mobile
Stacheln gezacktes Schild eingepasst ist. Diesem Stücke schliesst sich
noch eine lange, harte, einem dreikantigen Dolche ähnelnde Spitze an.
Das vordere Schild trägt zwei seitliche, auf den Rändern eines durch
erhabene Linien umgrenztenRaumes gelegene, zusammengesetzte Augen
und weiter nach vorn zwei kleine, der Mittellinie näher stehende, ein-
fache Augen. Auf der Bauchfläche des Vorderschildes erscheinen sieben
Paare von Anhängen, die den ungefähr im Centrum des Schildes ge-
legenen Mund timgeben. Das erste , unmittelbar vor dem Munde
stehende Paar ist kurz, dünn und endigt mit einer Scheere; die Hüft-
glieder der fünf folgenden Paare sind mit einer aus starken Stacheln
bestehenden Bürste bewaffnet; bei den Weibchen endigen sie alle mit
Scheeren , während bei den Männchen ein oder zwei Vorderpaare mit
Krallen endigen, mittelst welcher sie sich während der Begattung an
den Rücken der Weibchen anklammern. Diese fünf Gliederpaare sind
wirkliche Kieferfüsse; die am letzten Paare durch eine schneidige
70 Arthropoden.
Platte ersetzten Hüftbürsten zerreiben in der That die Nahrungsstoffe,
während das freie Ende zum Gehen dient. Man betrachtet als ein
siebentes Paar zwei abgeplattete und haarige Spitzen, die wohl hinter
dem Munde gelegen sind, sich aber nach vorn zwischen die Hüftglieder
hineinbiegen, um den Mund zu bedecken. Endlich setzen sich noch
an das zwischen den beiden Schilden befindliche Gelenk zwei breite,
dicke, in der Mittellinie zusammenlaufende Lamellen an, die sich über
die Bauchseite des hinteren Schildes hinüberschlagen und so einen
Deckel für fünf Paare lamellärer und dünner Anhänge bilden, welche
als Kiemen fungiren und eine gewisse Aehnlichkeit mit den Kiemen-
beinen der Phyllopoden zeigen. Der bauchständige After tritt an der
Basis des Schwanzstachels hervor.
Die Tegumente zeigen die gleiche Structur wie die der grossen
Crustaceen mit stark entwickeltem Panzer, doch mit dem Unterschiede,
dass bei ihnen die chitinöse Natur der Schichten vorherrschend ist,
und nur sehr wenig Kalksalze darin vorkommen , während knorpel-
artige Bildungen stellenweise sich erblicken lassen. Das Nerven-
system zeigt eine höchst sonderbare Bildung. Die centralen Theile
sowie die Mehrzahl der Nerven liegen in der Axe von arteriellen, sinus-
artigen Gefässen, welche weit abstehende Scheiden bilden, so dass das
Blut im Zwischenraum zwischen der Scheide und dem axialen Nerven
circulirt. Die sensitiven Nerven treten sofort nach ihrer Entstehung
aus dem Centralsinus hervor und werden unabhängig, während die
anderen grösstentheils im Inneren der Arterien verlaufen. Die Präpara-
tion des Nervensystems wird in Folge dieser eigenthümlichen Bildung
ziemlich schwierig, um so mehr, als die Nerven und die Centraltheile
in ihrer Stellung durch Bänder von Bindegewebe festgehalten werden.
Das centrale Nervensystem besteht aus zwei Theilen: aus
einem durch die Verschmelzung aller unter dem Vorderschild ange-
legten primitiven Ganglien geformten Schlundring, und aus einer ab-
gekürzten , aus kaum angeschwollenen Ganglien bestehenden Bauch-
kette, welche durch einen doppelten Strang, dessen Connective sehr
nahe an einander liegen, verbunden sind. Am Schlundring bemerkt
man ein Vorderganglion, welches ein Nervenpaar zu den Ocellen, ein
anderes bedeutenderes zu den zusammengesetzten Augen, und endlich
ein drittes Stirnnervenpaar zu dem Tegumente des Vorderschild-
randes entsendet. Unmittelbar hinter diesem Frontalnerven, aber
bereits auf dem Anfang der seitlichen Commissuren, entspringt ein
längs dem Schlünde laufendes Paar von Magennerven , die auf beiden
Seiten des Pförtners ein kleines Ganglion bilden. Die zweifellos aus
der Verschmelzung von mehreren Ganglien entstandenen Seiten-
commissuren sind vermittelst Querbrücken, deren Zahl wechselt, ver-
bunden. Der Schlund geht zwischen dem vorderen Mittelganglion
und der ersten Brücke durch. Die Commissuren liefern nach und
Xiphosuren. 71
nach Nerven für die sieben an der Bauchfläche des Vorderschildes
fixirteu Beinpaare; die Ganglien der Bauchkette innerviren die corre-
spondirenden Theile des hinteren Schildes und die Kette endet mit
zwei ziemlich starken Nerven, welche durch pinselförmige Bündel bis
zum Schwanzanhange gehen. Die einfachen Oc eilen besitzen eine
glatte, nach aussen wenig, aber innerlich sehr gewölbte Cornea, anstatt
einer Krystalllinse; die zusammengesetzten Augen dagegen haben
Facetten, die nur im Inneren durch Vorsprünge, welche in die Pigment-
schicht eindringen, angedeutet sind.
Der Darmcanal zeigt einen spaltenförmigen Längsmund, der
sich in einen engen Schlund öffnet, welcher zuerst nach vorn läuft,
dann aber sich im Halbkreis umbiegt, um auf der Höhe der Ocellen
einen Sack mit fleischiger Wandung zu erzeugen. Derselbe wird
innerlich von einer dicken chitinösen Schicht ausgekleidet, welche
stumpfe, in Längsreihen geordnete Wärzchen trägt. Dieser Vormagen
ist ohne Zweifel ein Kaumagen ; er öffnet sich in den Darmcanal
mittelst eines engen, gegen die Oeffnung dieses letzteren vorspringen-
den Trichters. Die Darmröhre selbst ist durchaus gerade, jedoch zeigt
ihr Vordertheil, in welchen der Trichter des Vormagens mündet, vor-
springende Querrunzeln. Am Ende dieses Theiles, welchen man als
Magen betrachten könnte, münden in die Röhre zwei Paare von Aus-
führungsgängen einer sehr umfangreichen und lappigen L e b e r , welche
die Seitenräume zwischen den Muskelmassen der Beine und den Vorder-
schildrändern einnimmt. Das Rectum mit hervortretenden Längs-
muskelstreifen ist kurz.
Der Blutkreislauf ist ziemlich vollständig; Lacunen treten
nur an den letzten Enden der beinahe capillären Verzweigungen auf.
Das röhrenförmige, in dem Herzbeiitel durch Querbändchen gehaltene
Herz erstreckt sich vorn von dem Vormagen bis zum letzten Drittel
des Hinterschildes, indem es sich von vorn nach hinten erweitert. Es
besitzt acht Paare knopflochartiger, mit Klappen versehener Seiten-
spalten, durch welche das vom Körper zurückfliessende und im Herz-
beutelsinus angesammelte Blut in das Herz eindringt, um dann aufs
Neue durch elf, an die verschiedenen Organe sich vertheilende und die
Scheiden um das Nervensystem bildende Stämme ausgetrieben zu
werden. Für die Einzelheiten verweisen wir auf die Arbeit von Alph.
Milne-Edwards (siehe Literatur). Das Blut, welches in den Capillar-
netzen und in den Gewebelacunen circulirt hat, sammelt sich zuletzt
in zwei grosse Seitenstämme, durch welche es zu den fünf Paaren der
blattförmigen, unter dem hinteren Schild gelegenen Kiemen, sowie zu
den Opercularlamellen fliesst. Nachdem es sich in den Capillarnetzeu
dieser Kiemenblätter oxygenirt hat, kehrt das Blut wiederum zu dem
Pericardialsinus durch sechs, in diesen Sinus einzeln mündende Gefäss-
stämme zurück.
72 Arthropoden.
Die fünf Kiemenblättclienpaare sind an der Bauchfläche des hin-
teren Schildes angeheftet. Sie bestehen ans zwei chitinösen , sehr
feinen Lamellen , welche am Rande durch einen dickeren Chitinrand
verbunden sind und zwischen sich zahlreiche, nach concentrischen
Linien geordnete Lacunen lassen , in welchen das Blut circulirt. Die
bereits erwähnten, alle diese Lamellen bedeckenden Deckel, sind ohne
Zweifel verdickte Kiemenblätter, die ihre Athmungsfunction verloren
haben.
Die Geschlechter sind getrennt. Die Männchen sind kleiner
als die Weibchen und unterscheiden sich, wie bereits gesagt, durch
die Modification ihrer mit Krallen anstatt Scheeren bewaffneten Vorder-
beine. Die inneren männlichen und weiblichen Organe zeigen ähn-
liche Gestaltung, obgleich die der Weibchen bedeutend grösser sind.
Ovarien und Eileiter stehen in directem Zusammenhang, sind röhren-
förmig und bestehen aus zwei Seitentheilen, die hinten und vorn
mit einander communiciren und je nach ihrem Entwicklungsgrade
laterale Blindsäcke bilden. Die ausführenden Eileiter entstehen vor
der Endvereinigung der Organe, die in der Bauchhöhle über und um
den Darm herum gelagert sind ; sie laufen schräg nach innen und
unten, jim mit zwei spaltförmigen Oeffnungen zu endigen, nachdem sie
durch ihre Erweiterung eine kleine Tasche an der Basis des Deckels,
in der Nähe der Mittellinie zwischen den beiden zurückgebogenen
Lamellen dieses letzteren, gebildet haben.
Die Embryonen durchlaufen im Ei eine Reihe von Stadien, von
denen das eine äusserlich den Trilobiten gleicht (siehe die Arbeiten
von Dohrn und von Packard).
Die Xiphosuren können weder unter den Crustaceen noch unter
den Arachniden untergebracht werden. Sie gehören augenscheinlich
einem besonderen , uralten Phylum an , welches einerseits mit den
ausgestorbenen Merostomen und Trilobiten, andererseits vielleicht auch
mit den Scorpioniden in sehr engem Zusammenhange steht.
Literatur. — J. van der Hoeven, RechercJies sur PMsioire naturelle et
Vanatomie des Limiiles^ Leyde 1838. — C. Gegeubaur, Anatomische Untei'suchung
eines Limulus mit besonderer Berücksichtigung der Gewebe. Abh. naturf. Ges., Halle,
Bd. IV, 1838. — A. I. Packard, On the enibryolocjy of Limulus polypliemus, Pro-
ceed. American Association 1871. — Ders., Memoirs of ihe Boston. Soc. of nat. Mst.,
Bd. II, 1871. — Ders., Further oiservations. American Natural. Bd. VII, 1873. —
Ders., Devel. of the nervous System, ebend., Bd. X, 1875. — A. Dohrn, Embryol.
u. Morpholog. des Limulus polyphemus. Jena'sche Zeitschr., Bd. VI, 1871. — R. Owen,
On the anatomy of the American Kings -crah. Transact. Linnean Soc, Bd. XXVIII,
1872. — Alph. Milne-Edwards, Recherches sur Panat. des Lhnules. Ann. sc.
nat., 5. Serie, Bd. XVII, 1873.
Tardigraden oder Bärthierchen. 73
Die Tardigraden oder Bärthierchen.
Diese kleinen, im Meere, im Süsswasser, im Moose der Dach-
rinnen etc. lebenden Thierchen , deren abwechselnd an feuchten oder
gänzlich austrocknenden Orten sich aufhaltende Arten durch ihre
Fähigkeit, nach einem mehrjährigen Verdorren wieder aufzuleben,
berühmt geworden sind, besitzen einen cylindrischen, undeutlich seg-
mentirten Körper, welcher mit vier kurzen, ungegliederten, stummei-
förmigen Parapodenpaaren versehen ist. Diese Glieder sind mit zurück-
ziehbaren Krallen bewaffnet, die zuweilen zweispaltig sind; meist finden
sich vier solcher Krallen an einem Fussstummel, in einzelnen Fällen
kann die Zahl bis auf neun steigen {Ecliiniscus). Das letzte Fusspaar ist
immer endständig und auf beiden Seiten des Afters gelegen. Der wenig
abgesonderte Kopf trägt vorn den mit Stiletten ausgerüsteten Saug-
mund und manchmal auch ein Paar einfacher Augen , die meist zu
Pigmentarflecken, welche einen lichtbrechenden Körper umgeben, ver-
kümmert sind. Die Haut, obgleich chitinöser Natur, ist biegsam, aber
nach dem allgemeinen Plan der Arthropoden gebaut; sie zeigt eine
äussere Schicht mit Porencanälchen , welche Stacheln und Borsten
trägt und zuweilen so dick wird, dass sie eine Art von Panzer bildet
(Münesium) ; die untere Schicht ist eine zellige Hypodermis. Die
Muskeln sind glatt, aber in besondere Bündel getheilt. Wimper-
epithelien trifft man nirgends, weder äusserlich noch innerlich. Das
Nervensystem besteht aus einer Bauchkette, welche durch vier in der
Mitte verschmolzene Ganglien und durch lange , zuweilen mittelst
Querbrücken verbimdene Seitencommissuren gebildet wird. Das
Unterschlundganglion entsendet nach vorn zwei Paare Nerven , von
denen das eine Paar, das zuweilen eine geringe Anschwellung zeigt,
nach einem Orte der Haut sich wendet, welcher zuweilen warzenförmig
vorspringt und augenscheinlich mit einigen Haarzellen versehen ist
(Tast- oder Riechorgan). Das zweite, ebenfalls zu einem Endganglion
anschwellende Paar, geht zu den Augenflecken. Nach Greeff ist
dieses Ganglienpaar durch eine feine, über den Schlund sich erstreckende
Faserbrücke verbunden; es würde somit den gänzlich auf die Seite
verschobenen Oberschlundgauglien entsprechen. Die drei anderen
Ganglien innerviren die Füsse und die Eingeweide. Der von Papillen
umgebene Mund führt in eine steife Chitinröhre , in deren Oeffnung
zwei lange, feine, spitzige, zuweilen kalkige Stilette sich befinden,
welche in einen kugelförmigen Pharynx eingepflanzt sind, dessen enge,
centrale Höhle "manchmal mit chitinösen Platten ausgekleidet ist.
Zwei grosse birnförmige Seitendrüsen entleeren ihren wahrscheinlich
giftigen Inhalt in die Mundröhre, unmittelbar vor dem Pharynx. Aus
74 Arthropoden.
demselben entspringt die gerade cylindrische Darmröhre. Der end-
ständige After hat die Form einer Längsspalte. Ausscheidungs-,
Circnlations- oder Athmungsorgane sind nicht nachgewiesen. Die
Nahrungsflüssigkeit füllt die umfangreiche Körperhöhle und enthält
sphärische, granulöse, ziemlich grosse Körperchen.
Die Tardigraden sind Zwitter. Das unpaare, sehr bedeutende
Ovarium ist auf der Rückenfläche der Darmröhre in der Mitte des
Körpers gelegen und erzeugt verhältnissmässig sehr grosse Eier mit
einer festen, zuweilen glatten , zuweilen mit Runzeln oder Papillen
bedeckten Schale. Nach hinten und auf der Rückseite des Ovariums
trifft man ein mit zwei röhrenförmigen Hoden zusammenstossendes
Samenbläschen. Alle diese Theile münden mit dem Darmcanal gemein-
schaftlich in eine Art von Cloake, um welche zuweilen kleine accesso-
rische Drüsen gruppirt sind. Einige Autoren haben einen aus dieser
Cloake heraustretenden Penis beobachtet (Greeff). Die Arten mit
glatten Eiern legen dieselben in ihre, bei Gelegenheit einer Häutung
abgestreifte Haut. Diese Eier zeigen eine vollständige Zerklüftung,
aus der schliesslich ein auf die Bauchfläche zurückgebogener, aus
Ectoderm und Entoderm gebildeter Embryo hervorgeht. Der Pharynx
wird zuerst im Inneren des Embryos angelegt.
Die Organisation der Tegumente, sowie das gänzliche Fehlen
aller "Wimperformationen verweisen wohl die Tardigraden unter die
Arthropoden , während hingegen die Stellung ihrer Glieder sie ent-
schieden von den Arachniden entfernt, die keine abdominalen Anhänge
besitzen, Sie bilden ein besonderes Phylum, welches durch seinen
Pharynx sich den Acariden nähert, aber auch ausgesprochene Ver-
wandtschaft mit den Anneliden zeigt.
Literatur. — A. Doyere, Memoire sur les Tardigrades. Ann. sc. tiat.,
2. Serie, Bd. XIV, 1840. — J. Kaufmann, Ueber die Entwicklung und die
systematische Stellung der Tardigraden. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. III,
1854. — R. Greet'f, Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. Archiv f. mikrosk.
Anatomie, Bd. I, 1865. — Ders. , Untersuchungen über den Bau und die Natur-
geschichte der Bärthierchen, ebend., Bd. II. 1866.
Die Linguatuliden oder Pentastomen.
Diese wurmförmigen , mehr oder weniger ventral abgej)latteten
Thiere leben im entwickelten Zustande als Schmarotzer in den
Athmungsorganen verschiedener Erdwirbelthiere. Der Körper zeigt
zahlreiche Segmente mit vorstehenden und zuweilen zahnartig aus-
gezackten Hinterrändern. Man unterscheidet an dem Vordertheile
einige breitere und stärker angedeutete Segmente, welche vorn zwei
Tastwärzchen und auf der Bauchfläche den Mund zeigen, der von
Pentastomen. 75
zwei in einen Halbkreis gestellten Hakenpaareu umgeben ist. Diese
Haken können in Hautvertiefungen zurückgezogen werden ; sie stützen
sich auf ein chitinöses Gerüst, besitzen eigene Muskeln und können
als zweigliedrige, rudimentäre Glieder betrachtet werden, so wie man
die auf dem Stirurand gelegenen Tastwärzchen mit den Fühlern der
übrigen Arthropoden vergleichen kann. Die Tegumente bestehen aus
einer äusseren chitinösen Schicht und einer zelligen Hypodermis.
In der ersteren bemerkt man porenförmige Canälchen und auf den
vorderen Segmenten runde , fälschlich Stigmen genannte Grübchen,
in deren Grunde die Hypodermis angeschwollen erscheint. Diese
Stigmen sind wahrscheinlich zurückgebildete Hautdrüsen, welche während
der Larvenzeit in Function waren. Das Muskelsystem liegt unmittelbar
an der Haut und zeigt von aussen nach innen zuerst eine Schicht von
Querfasern, dann eine mittlere Längsfaserschicht und innen eine Schicht
von schiefen Fasern. Die einzelnen Muskelbündel bestehen aus sehr
feinen und quergestreiften Fasern. Alle Muskelfasern sind mit grossen
Kernzellen umgeben und die schiefen Fasern bilden mit dieser Aus-
kleidung seitliche Divertikel des Cöloms, die in einem canalförmigen
Mittelraume zusammenlaufen. Das centrale Nervensystem beschränkt
sich bei den Erwachsenen auf ein einziges Unterschlundganglion,
welches aus zwei beinahe ihrer ganzen Länge nach verschmolzenen
Hälften besteht und nach vorn einen dünnen, einfach faserigen Ober-
schlundring zeigt. Die Speiseröhre läuft zwischen diesem Ringe und
dem Ganglion. Bei jungen Thieren zeigt das Ganglion Bildungen,
welche sein Verwachsen aus zwei Reihen von seitlichen Ganglien
beweisen. Es bildet also eine verschmolzene Bauchkette. Die
symmetrisch angeordneten Nerven begeben sich direct zu den Organen,
vorzugsweise zu den Tastwärzchen, zu den Gliedern u. s. w. Einige
Naturforscher erwähnen ein von anderen Autoren bezweifeltes sym-
pathisches Nervensystem. Ausser den Tastwärzchen giebt es keine
anderen Sinnesorgane. Der unweit hinter dem Vorderende gelegene
Mund ist von einem chitinösen Ringe umgeben und unbewaffnet. Ein
kurzer Trichter mit chitinösen Wandungen führt zum musculösen
Pharynx, welcher Saugbewegungen machen kann. Die eigentliche,
aus diesem Pharynx austretende Speiseröhre ist ziemlich eng ; sie
durchsetzt den Nervenring und erweitert sich sogleich in einen weiten,
röhrenförmigen, in seiner Vorderhälfte der Länge nach gefurchten
Magen , der ohne äusserliche Abgrenzung mittelst einer musculösen
Einschnürung in das Rectum übergeht, welches sich am Hinterende
des Körpers öffnet und in seiner Stellung durch Bindegewebsfäserchen,
die das Cölom in schiefer Richtung durchsetzen, zurückgehalten wird.
Man findet keine Spur von eigentlichen Circulations- oder Athmungs-
organen ; nirgends sieht man Wimpern. Die in Folge der Zusammen-
ziehungen des Körpers und der Muskeldivertikel des Cöloms in
76 Arthropoden.
Bewegung erhaltene Nahi'ungsflüssigkeit ist sehr dickflüssig, farblos
und enthält keine Körperchen. Gruppen von einzelligen, im vorderen
Theile des Körpers gelegenen Drusen stellen das Ausscheidungssystem
vor. Diese Drüsen sammeln ihre Ausführungsgänge in Canälen , die
sich nach aussen an der Basis der Haken öffnen. Bei einigen Arten
(P. Diesingü) laufen die Absonderungscanäle neben der Speiseröhre
durch den Nervenriug. Die Geschlechter sind getrennt. Die Keim-
organe (Hoden und Ovarien) haben die Form einer medianen, in die
Länge gezogenen, unmittelbar unter der Rückenhaut gelegenen Drüse.
Der Hoden verlängert sich nach vorn in ein Samenbläschen, aus
welchem zwei Ausführungscanäle entspringen , die an ihrer Basis
accessorische Bildungen besitzen, welche als Ejaculationsapparat für
den Samen zu fungiren scheinen. Die Samenleiter richten sich nach
der Bauchfläche, indem sie den Magen umziehen ; ein jeder erweitert
sich zu einer bedeutenden Tasche, welche einen fadenförmigen, un-
gemein laugen und in der Tasche aufgewickelten Cirrhus enthält; sie
münden zuletzt in einer medianen, am dritten Segment, hinter dem
letzten Hakenpaare gelegenen Oeffnung nach aussen. Die weiblichen
Organe sind bedeutend einfacher. Das unpaare Ovarium verlängert
sich in zwei Eileiter, die in eine einfache, sehr lange und geräumige
Scheide münden, welcher awei Samenbläschen angeheftet sind. Die
Scheide öffnet sich nach aussen unmittelbar unter dem After.
Man weiss, dass die Linguatuliden eine Sei'ie von Metamorphosen
durchmachen, bevor sie zur Reifezeit gelangen. Die erste Embryönal-
form besitzt ausser den beiden Gliederpaaren ein räthselhaftes, chiti-
nöses Organ auf der Mitte des Rückens und eine Mundbewaffnung,
welche aus einem grossen, bauchständigen Stilett und ein oder zwei
Paaren von Seitenstacheln besteht. Diese Stücke gehen später gänzlich
verloren.
Diese Thiere sind durch den Parasitismus bis zum höchsten Grade
degenerirte Arthropoden. Wenn wir auch zugeben , dass gewisse
Charaktere sie den Acariden nähern , so stimmen wir dennoch mit
Balfour überein, welcher behauptet, dass man sie nicht ohne Zwang
bei dieser Gruppe unterbringen kann. Fernere Untersuchungen werden
uns vielleicht denjenigen Stamm der Arthropoden nennen, welchem sie
zuzurechnen sind.
Literatur. — P. J. van Beneden, Recherches sur P Organisation et le deve-
loppement des Linguatules, Memoires de PAcad. de Bruxelles, 1849 {Ann. scienc.
natur., 3. Serie, Bd. XI, 1849, Extrait). — Rud. Leuckart, Bau und Entwicklungs-
geschichte der Pentastomen, Leipzig, 1860.
Onychophoreii. 77
C lasse der Onycliop hören.
Monographisch können wir diese, aus der einzigen Gattung
PeripatiiS bestehende Classe, deren zahlreiche Arten in den tropischen
Zonen Amerikas, am Cap und in Xeu- Seeland leben, nicht behandeln.
Da aber der Typus dieser wurmförmigen Landthiere vom morpholo-
gischen Standpunkte aus höchst wichtig ist, werden wir in eingehender
Weise und weitläufiger die bei ihm vorgefundenen Einzelheiten
besprechen, als wenn es sich um andere abweichende oder Uebergänge
vermittelnde Typen handelte.
Der ziemlich deutliche, aber kaum vom Körper getrennte Kopf
trägt vorn zwei einfache, geringelte Fühler, zwei an der Basis derselben
auf der Rückenfläche gelegene einfache Augen und auf der Bauchfläche
einen weiten, mit einer Lippe umgebenen Mund, in dessen Hinter-
grund man ein Paar seitlicher, mit kleinen Häkchen bewaffneter Kiefer
nebst einem Paar tasterartiger Anhängsel trifft, in welchen bedeutende
Schleimdrüsen münden , die offenbar in Hinsicht auf eine specielle
Function umgewandelte Füsse sind. Der Körper ist in eine grosse,
bei den verschiedenen Arten wechselnde Zahl von Metameren getheilt,
welche mit dem Alter bis zu einer bestimmten Grenze zunimmt.
Jedes dieser Segmente besitzt ein Paar geringelter, aber nicht
gegliederter Anhängsel, die ungemein den Parapoden gewisser Anne-
liden gleichen, sich jedoch von diesen durch zwei chitinöse End-
krallen unterscheiden, zu welchen noch zuweilen zwei kleine rudimen-
täre Seitenkrallen hinzukommen. Alle diese Krallen werden durch
besondere Muskelbündel in Bewegung gesetzt, welche sich den Krallen
direct anheften , was immerhin eine von derjenigen der Parapoden
äusserst abweichende Structur bildet, da bei diesen letzteren die Borsten
in einer Tasche eingepflanzt sind, an deren Grund die Muskeln sich
ansetzen. Am Körperende auf der Mittellinie befinden sich der After
und etwas weiter nach vorn die Geschlechtsöffnung.
Die Tegumente werden von aussen nach innen durch eine
chitinöse Oberhautschicht gebildet, die warzenförmige Erhöhungen zeigt
und auf einer Lage von umfangreichen, mit grossen Kernen versehenen
Zellen ruht , unterhalb welcher man ein Netz von Bindegewebsfasern
erblickt, woi'in die einen wellenartig laufen, die anderen rechtwinklig auf
die Aussenfläche gestellt sind. Dieser letzteren Schicht schliesst sich ein
dicker, aus glatten, sagittalen, queren und schrägen Muskelfasern be-
stehender Hautmuskelschlauch an; die Musculatur der Füsse entsteht
aus den schrägen Bündeln, zu welchen sich noch Längsfasern gesellen.
Zuletzt wird dieser Hautmuskelschlauch von einer feinen, auf die im
Cölom aufgehängten Organe sich umschlagenden Peritonealmembran
78
Arthropoden.
ausgekleidet. Tastorgane finden sich vorzugsweise in den auf dem
Rücken hervortretenden Oberhautwärzchen; man triflft ausserdem be-
sondere Hautdrüsen an der Basis der Füsse.
Das centrale Nervensystem (Fig. 37, h) wird von zwei
mächtigen, im Vordertheile des Kopfes vor dem Munde gelegenen und
Fig. 37.
Perljniius capensis. — Die Tegumente sind längs der dorsalen Mittellinie aufgeschlitzt
und die Organe auf beiden Seiten ausgebreitet worden , um die innere Bauchfläche
zu zeigen (nach Moseley). Man sieht das Hirn mit den zwei seitlichen Nerven-
Onyclioplioreii. 79
durch eine unbedeutende Querbrücke verbundenen Ganglienmassen
gebildet, von denen eine jede birnförmig und nach vorn abgerundet
ist. Einige etwas vertiefte Querlinien scheinen auf eine Verschmelzung
aus mehreren auf einander folgenden und hauptsächlich den Tentakeln,
den Augen und den Mundtheilen angehörigen Ganglien hinzuweisen.
Das erste Ganglion entsendet zwei mächtige Stämme (?) zu den Fühlern;
das zweite trägt die sehr kurzen Sehnerven (k), während die folgenden
Theile den Kiefern, den Lippen und den Mundpalpen Nerven zukommen
lassen. Nachdem sie diese Zweige abgegeben haben, biegen sich die
Massen, indem sie dünner werden, gegen die Bauchfläche; sie nähern sich
der Mittellinie und, nachdem sie durch zwei auf einander folgende und
bloss aus Fasern bestehende Querbrücken verbunden worden sind,
gehen sie von Neuem aus einander und setzen sich gegen den Hinter-
theil des Körpers in Form zweier seitlicher Nervenstränge ohne
Ganglienanschwellungen fort (?). Sie entsenden auf ihrem Verlaufe
zahlreiche Nervenfäden zu den Füssen und allen Organen; verbinden
sich hier und da durch unregelmässige faserige Querbrücken iind enden
schliesslich mit einer im letzten Körpersegment befindlichen Schlinge.
Ganglienzellen sind auf dem ganzen Verlauf der Rindensubstanz dieser
Seitenstränge hier und da zerstreut. Man muss anerkennen, dass eine
sehr grosse Aehnlichkeit zwischen dieser Structur und derjenigen der
Nemertiden existirt, während die Verwandtschaft mit den aus einander
weichenden Nervensträngen mehrerer Anneliden, z. B. der Serpiiliden,
weit weniger angedeutet ist.
Einfache Augen von ziemlich entwickelter Bildung liegen am
Rande der Rückenfläche des Kopfes. Sie bestehen aus einer falschen,
durch das verdünnte Tegument gebildeten Hornhaut, ferner aus einer
verhältnissmässig kleinen und sphärischen Krystallliuse, einem grossen
Glaskörper, einer wenig entwickelten Iris, einer Choroidea und einer
Retina in Form eines geöflheten Kelches, dessen Grund sich in einen
sehr kurzen, zum Hirnganglion sich begebenden Sehnerven verlängert.
Ausser den bereits erwähnten Sinnesorganen der Haut sind keine
andere bei Peripatus gefunden worden.
strängcB, den Pharynx, die Seitencanäle (Speicheldrüsen), die mittleren Längsmuskeln,
das Ovarium nebst dem gemeinschaftlichen Eileiter und die auf den Tegumenteu
fisirten Tracheenbüschel. Links wurde die Zone der vom Cölom zu den Beinen füh-
renden Spalten beibehalten, während rechts, nach Gaffron, die Schlingen der den
Füssen entsprechenden Segmentalorgane hinzugefügt wurden, a, Tentakel ; b, aus-
gebreitete Tegumente ; c, c, Hautflächen mit Tracheenbüscheln ; e, Spaltenzone; /, Zone
der Segmentalcanäle ; g, mittlere Bauchmuskeln; h, Hirn; i, Tentakelnerven; k, Seh-
nerven ; /, Bauchstränge ; m, Rückziehmuskel der Fühler ; n, n, Speicheldrüsen : o, o,
Schleimdrüsen ; |j, Pharynx; p', Hebemuskel des Pharynx; p", Speiseröhre; q, Darm;
r, Rectum; s, Ovarium; t, sein Hängeband; u, Haftbündel am Rectum; v, gemein-
schaftlicher Eileiter; ?/■, 2n, seitliche Eileiter; x, x, mit Embryonen gefüllter Uterus;
y, Endcanäle der Uterusse; z, After.
80 Arthropoden.
Der bei einigen Arten vollständig gerade, bei den anderen wellen-
förmige Dar mcanal beginnt mit einem eiförmigen, stark musculösen
Pharynx (p), welcher mit Vor- und Rückziehmuskeln (p') versehen ist
und auf welchem zahlreiche Tracheen sich verästeln. Der Schlundkopf
setzt sich in eine kurze und schmale Speiseröhre (p") fort, die sich in
einen weiten Magendarm mit dicker Wandung ausdehnt, welche durch
ein Endothelium von grossen, kernigen und bräunlichen Zellen bedeckt
ist, zwischen denen einzellige Drüsen eingestreut sind. Der Darm
endet mit einem kurzen, röhrenförmigen, in seiner Stellang durch
zahlreiche Bindegewebsstränge und durch auf seinen Wänden ver-
zweigte Tracheen (to) befestigten Rectum (r). Bei gewissen Arten
finden sich seitliche Afterdrüsen, die bei anderen zu fehlen scheinen.
Man findet keine Spur von weiteren accessorischen Organen, wie Leber,
Malpighi' sehen Canälchen u. s. w.
Dagegen müssen wir hier zwei drüsenartige, mit den Nahrungs-
functionen in Beziehung stehende und im Munde sich öfi"nende Drüsen-
apparate erwähnen. Der erste besteht aus zwei umfangreichen
Schleimdrüsen (o), deinen verzweigte Ausscheidungsröhren bis zum
Ende des Cöloms sich erstrecken und um den Magen eine Art von
Maschennetz bilden. Diese Röhren vereinigen sich beiderseits im
vorderen Drittel des Körpers in einem weiten, gewundenen und äusserst
ausdehnbaren Ausführungscanal mit dicken , durchsichtigen und sehr
musculösen Wänden. Diese Canäle werden um so dünner, je mehr
sie sich dem Munde nähern, und münden durch eine kleine Oeffnung
am Ende der beiden Mundpalpen. Letztere sind nach den meisten
Autoren umgewandelte Fussstummel. Diese Drüsen sondern eine
schleimige und klebrige, an der Luft erstarrende Flüssigkeit ab, welche
die Thiere bis zu einer gewissen Elntfernung herausspritzen können,
was ihnen als Angriffs- oder Vertheidigungsmittel dient; man hat
beobachtet , dass eine Fliege , deren sich der Peripatus bemächtigen
wollte, damit bespritzt wurde.
Man findet noch ausser diesen sehr grossen Schleimdrüsen ein
Paar Drüsenschläuche , die parallel den beiden Nervensträngen auf
den Aussenseiten derselben laufen und welche Seitencanäle oder
Speicheldrüsen (n) genannt worden sind. Diese Schläuche be-
ginnen mit einem blinden Ende am letzten Drittel des Cöloms; sie
sind, wie die Nervenstränge, durch innere Schichten von Quermuskeln
bedeckt und in eine Längsfurche der Muskeln eingesenkt, von welchen
Fasern in die Musculatur ihrer Wandung eintreten, welche im Inneren
durch ein hohes , palissadenförmiges Säulenepithelium bekleidet ist.
Die beiden Schläuche nähern sich, indem sie enger werden, und bilden
dann in der Nähe des Mundes zwei weite, mit einem Cylinderepithelium
ausgekleidete Behälter, die mit einer einzigen, spaltenartigen Oeffnung
im Hintergrunde der Mundhöhle münden.
Onycliophoren. 81
In derselben Rinne, welche den Nervenstrang und den durch eine
feine Bindegewebsmembran davon getrennten Seitencanal enthält,
liegen noch die Segmentalorgane oder Nephridien (/), welche
für die Onychophoren höchst charakteristisch sind. Einem jeden
Metamer entspricht ein Paar von diesen nach einem ziemlich einfachen
Typus gebauten und in allem den gleichartigen Organen der Anne-
liden homologen Nephridien. Die äussere Oeffnung dieser Organe be-
findet sich an der inneren Fläche der Fussbasis. Diese von Muskel-
Fis. 38
Ziemlich vergrössertes Segmentalorgan des Peripafus Edwarsii (nach Gaffron),
a, Tegument mit Muskelbündeln ; b , Blasenhals ; c , Blase mit Muskelfasern und
Kernen; d, Anknüpfungsfädchen der Blase; e, in die Blase sich öffnender heller
Canal ; /, Drüsentheil des Canals ; g, enge Muskelportion ; Ji, Wimpertriehter mit Frau-
zen ; h', der Blase angeheftete Lippe des Trichters ; i, Eingang des Trichters ; k, An-
knüpfungsstränge des Canals.
fasern umgebene Oeffnung (a) führt vermittelst eines kurzen und engen
Halses (h) in eine weite, birnförmige Blase, deren Wände mit einander
anastomosirende Längsmuskelbündel zeigen. Die Blase (c) wird durch
Vogt u. Tung, prakt. vergl. Anatomie. II. Q
82 Arthropoden.
Bindegewebsfasern (d) in ihrer Lage fixirt und ist höchst wahrschein-
lich contractu. Im Inneren findet sich eine körnige, grosse Kerne ent-
haltende Substanz, die unregelmässige Wülste bildet, welche auf
Schnitten wie Zotten hervortreten. Vom Grund der Blase geht ein
enger Canal (c) mit sehr durchsichtiger Wandung aus , welche nur
grosse Kerne erkennen lässt. Dieser Canal beschreibt eine Schlinge,
deren Wölbung nach vorn gerichtet ist und erweitert sich am Ende
derselben, um sich in einen gleichfalls schlingenartig gegen die Höhlung
der ersten Schlinge (/) zurückgebogenen Theil zu verlängern. Diese
Portion ist wahrscheinlich drüsenartiger Natur, da sie ein palissaden-
förmiges Zellenepitheliüm besitzt. Der Canal verschmälert sich un-
gemein an dem Punkte, wo er sich dem Grunde der Blase (g) nähert,
er wird hier musculös und zeigt ein wahrscheinlich wimperndes Epi-
thelium mit kleinen Zellen. Endlich öffnet sich dieser enge Canal durch
einen weiten Wimpertrichter mit gefranzten Rändern (h), von dem ein
Theil an der Blase angeheftet bleibt (^), frei in die Furche, welche nur
eine einfache Fortsetzung des Cöloms bildet. Diese auf jedem Fuss-
paare symmetrisch angebrachten Organe zeigen also alle typischen
Charaktere der einfachen Nephridien: einen im Cölom sich öffnenden
Wimpertrichter, einen theilweise drüsigen Canal und eine äussere
Oeffnung mit einem contractilen Endbläschen. Die Organe der ersten
Segmente sind in Folge einer nicht so charakterisirten Schlingenbildung
des Canals ziemlich verschiedenartig gebaut und Kennel hat uach-
ziiweisen gesucht (siehe Literatur), dass die Schleimdrüsen im Grunde
nur modificirte Segraentalorgane seien.
Wenn das Vorhandensein von typischen Nephridien die Ony-
chophoren den Anneliden nähert, so stellt sie die Organisation der
Athmungsorgane im Gegentheil in die Nähe der Traeheaten und
namentlich der Myriapoden. Sie athmen in der That durch Tracheen (o),
welche aber auf eigenthümliche Art geordnet sind. Die Existenz dieser
Organe, welche den älteren Autoren entgangen waren, konnte nur
durch die Untersuchung lebender Thiere nachgewiesen werden , bei
welchen die mit Luft gefüllten Tracheen sich sogleich unter Wasser
in Folge ihres Perlmutterschimmei's erkennen lassen.
Die Stigmen sind winzige, knopflochförmige Oefifnungen , die
sehr zahlreich und unregelmässig auf der ganzen Körperfläche zer-
streut sind. Gaffron schätzt ihre Zahl für jedes Metamer aiif 75. Sie
entstehen aus einer im Inneren von der Epidermis bekleideten und auf
Schnitten das Aussehen eines Flaschenhalses bietenden Einstülpung
des Tegumentes. Vom Grunde dieses Halses gehen sehr feine Röhr-
chen in Menge aus, welche zuerst bündeiförmig vereinigt sind, sich
aber dann trennen, ohne Verzweigungen zu bilden. Sie bestehen aus
einer chitinösen, der Wirkung einer siedenden Aetzkalilösung wider-
stehenden Membran, ei-reichen eine bedeutende, zwei- oder dreimal
Onychophoren, 83
die Körperlänge übertreffende Ausdehnung und verbreiten sich auf
allen Organen, am Bauchfell, am Pharynx, am Rectum und besonders
am befruchteten Uterus in solcher Weise, dass sie um dieses letztere
Organ eine Art von gefilzter Hülle bilden. Sie zeigen öfters ein quer
gestreiftes Aussehen, welches an die Spiralfaser der Tracheen bei den
Insecten erinnert. Weder die Art ihrer Endigung noch ihre Ent-
wicklung sind bekannt, da keiner der Autoren sie bei den Em-
bryonen im Uterus hat beobachten können , während sie unmittelbar
nach der Geburt in Folge ihrer Füllung mit Luft sehr deutlich und
vollständig ausgebildet erscheinen.
Das Kreislaufsystem zeigt ein centrales Herz, das aus einer
abgeplatteten Röhre mit äusserst feinen Wandungen besteht, die sich
in der Mittellinie des Rückens über die ganze Körperlänge erstreckt.
Dieses in allen Beziehungen dem Rückengefässe der Myriapoden ver-
gleichbare Herz zeigt in jedem Metamer ein Paar knopflochartiger,
seitlicher Spalten, welche von schlingenförmig gebogenen Schliess-
muskelu umsponnen sind. Das von einer besonders seitlich ent-
wickelten Zellenmasse umgebene Herz ist von einer Hülle umschlossen,
die hauptsächlich nach der Bauchfläche hin wie eine horizontale Scheide-
wand das Ganze gegen das Cölom abschliesst. So wird um das Herz
herum ein weiter Pericardialsinus gebildet, der durch zahlreiche Oeff-
nungen mit dem Cölom und dem interstitiellen Lacunarsystem des
Körpers communicirt. Die Herzhülle wird durch ein musculöses
Maschenwerk verstärkt. Die in dem Sinus angehäuften Zellen (Peri-
cardialzellen von Gaffron) sind zweierlei Arten, von denen die eine
das Ende der Tracheen zu bilden scheint. Man hat diese Zellen mit
denjenigen des Fettkörpers der Insecten verglichen, deren Kreislauf-
system übrigens der Structur, wie wir sie soeben nach Gaffron aus
einander gesetzt haben, durchaus entspricht.
Peripatus ist getrennten Geschlechts. Die Männchen, welche viel
seltener als die lebendige Junge gebärenden Weibchen sind (ungefähr
eins auf vier), sind auch kleiner und besitzen einige Segmente weniger.
Ausser dem Vorhandensein von besonderen Drüsen an einigen Hinter-
fusspaaren der Männchen, die aber sehr schwer zu finden sind, giebt
es keine weiteren äusseren Verschiedenheiten zwischen den beiden
Geschlechtern.
Die männlichen Geschlechtstheile sind ziemlich einfach.
Sie beginnen mit zwei darmförmigen, blind endigenden Hoden (Schlauch-
hoden von Gaffron) mit feiner Wandung, die mit hyalinen Sperma-
zellen gefüllt sind, welche die ganze Höhlung des Schlauches ein-
nehmen, ohne ein gesondertes Endothelium zu bilden. Dieser Schlauch
erweitert sich in den sogenannten Blasenhoden von Gaffron, der mit
dickeren Muskelwänden versehen und von einem Pflasterepithelium
mit polygonalen Zellen ausgekleidet ist. Dieser Blasenhoden ist mit
6*
84 Arthropoden,
Zoospermen in allen Stadien der Entwicklung gefüllt. Die ausgebil-
deten Zoospermen sind fadenförmig, zeigen aber stets am zweiten
Drittel ihrer Länge eine kleine, ein sehr lichtbrechendes Körperchen
enthaltende Protoplasmamasse. Dieser Protaplasmaanhang verliert
sich erst in den weiblichen Organen,
Die beiden hinter einander gelegenen Blasenhoden öffnen sich
mittelst äusserst enger Oeffnungen in zwei Samencanäle, welche je nach
den Arten mehr oder weniger in Gestalt einer Epididymis verknäuelt
sind. Dieser mit einem Säulenepithelium ausgekleidete Theil enthält
in seinem engen Lumen nur fadenförmige Zoospermen. Die beiden
Canäle verbinden sich zu einem gemeinschaftlichen Ausführungscanal,
dessen Länge bei den verschiedenen Arten ungemein wechselt. Man
kann in demselben drei Regionen unterscheiden: eine erste, mit zarten
Wänden und mit freien Zoospermen gefüllt; eine zweite, mit muscu-
löser, im Inneren an bestimmten Stellen ein sehr langes Wimperepithe-
lium und in den Zwischenräumen ein Säulenendothelium mit kürzeren
Wimpern tragender Wandung. Diese Zellen verwandeln sich nach
und nach in einzellige Drüsen. Dieser Theil enthält immer ein einziges,
sehr langes Spermatophor, für dessen eingehende Beschreibung wir auf
Gaffron verweisen. Der dritte, gewöhnlich seitlich gelegene Theil
besitzt sehr dicke Wände mit kräftigen Muskelschichten. Der Canal
öffnet sich stets in der Mittellinie, je nach den Arten, zwischen dem
letzten oder vorletzten Fusspaare. Auf kleinen Papillen endigende
Schenkeldrüseu finden sich an der Basis einer wechselnden Zahl von
hinteren Fusspaaren des Männchens , ausgenommen auf den beiden
letzten. Es scheint auch, dass die Männchen allein Afterdrüsen be-
sitzen, die auf beiden Seiten des Afters auf der Bauchfläche sich öffnen.
Weibliche Organe. Die im hinteren Abschnitte des Cöloms
befindlichen Ovarien (Fig. 37, s) liegen unmittelbar an der pericar-
dialen Scheidewand und werden durch einen Einschlag des durch zwei
Muskelbündel verstärkten Peritoneums daran geheftet. Dieses Liga-
ment (t) zieht sich ungemein aus und bildet bei den erwachsenen
Weibchen zwei in die Länge gezogene Bändchen, welche einerseits
sich beim fünften Hintersegment an die pericardiale Scheidewand
heften, und mit dem anderen Ende das Ovarium umgeben und ihm>
eine eigene Muskelhülle bilden. Die zwei sackförmigen oder zu kurzen
Röhren mit Querscheidewänden ausgezogenen Ovarien sind durch eine
Bindegewebehülle vereinigt, so dass sie vorn nur ein einziges spindel-
förmiges, durch eine innere Längswand getrenntes Organ vorstellen.
Die inneren quer gefalteten Wände, welche sie in auf einander folgende
Kammern abtheilen, sind mit einem Keimepithelium bekleidet, dessen
Zellen in zwei verschiedenen Richtungen sich entwickeln: die eiinen
wachsen aus und werden Eier, während die anderen sich in Follikel-
hülleu um diese Eier verwandeln.
Onycliophoren. 85
Die Höhlungen der beiden Ovarialsäcke fliessen am Voi-derende
zusammen und lassen bei den ameinkanischen Arten zwei kurze, quere
Eileiter entstehen, welche zwei spitze, warzenförmige Anhänge tragen,
über deren Organisation Gaffron und Kennel nicht vollständig über-
einstimmen. Beide Autoren erkennen wohl einen stark musculösen
Verbin dungscanal mit dem Eileiter, der sich in einen weiten, zart-
wandigen Trichter fortsetzt; während aber Gaffron diesen Trichter
in das Cölom geöffnet und mit Pericardialzellen gefüllt findet, be-
hauptet Kennel, dass er nur den Hals eines Bläschens mit ungemein
feinen und leicht zerstörbaren "Wändchen darstelle, welches reife, aus
dem Ovarium austretende Eier enthalte, die den Augenblick ihres
Uebertrittes in den Uterus abwarten. Da Kennel Gelegenheit hatte,
die Thiere im frischen Zustande zu beobachten, wird er wahrscheinlich
Recht haben. Jedoch sind die beiden Autoren über die Bedeutung
dieser Anhänge einverstanden , indem sie dieselben als umgestaltete
Nephridien ansehen, eine Ansicht, welche durch die Thatsache gestützt
wird, dass vollkommene Nephridien in den letzten Segmenten nicht
vorhanden sind. Nach Kennel fehlen diese von ihm „Eibehälter"
genannten Anhänge den Arten, bei welchen alle Eier auf einmal in
den Uterus eintreten, während man sie bei denjenigen entwickelt findet,
wo dieser Uebergang allmählich geschieht.
Nachdem sie diese Anhänge gebildet haben, wenden sich die Ei-
leiter plötzlich nach vorn und zeigen zwei ziemlich weite, runde An-
hangsblasen, deren jede mit dem entsprechenden Eileiter durch zwei
kurze, gegen das Lumen des Eileiters hin divergirende Canälchen com-
municirt. Diese Bläschen entstehen, wie die Embryogenie bewiesen
hat, aus einer Schlinge des Eileiters, deren an einander stossende
Wände mit einander verwachsen. Die Function dieser Bläschen kann
nicht zweifelhaft sein ; es sind Samenbehälter, die nach der Begattung
mit lebenden Zoospermen gefüllt erscheinen.
Diese beiden Anhänge, welche als Ei- und Samenbehälter fuugiren,
fehlen bei dem von Moseley beschriebenen Peripatus capensis, bei
welchem man zuerst einen gemeinschaftlichen Eileiter (Fig. 37, v) findet,
der sich später in zwei seitliche Eiergänge {lo) theilt.
Vom Anheftungspunkte des Samenbehälters aus breiten sich die
Eileiter ungemein aus und zeigen bei den Weibchen während der
Tragezeit knotige Auftreibungen, welche den im Inneren enthaltenen
Embryonen entsprechen. Diese Theile wurden Uterus genannt (Fig. 37, x).
Sie setzen ihren Weg nach vorn fort, indem sie den Darm in unregel-
mässiger Weise umschlingen, und wenden sich zuletzt nach hinten, um
unweit von der Geschlechtsöffnung in einer kurzen, gemeinschaftlichen,
stark musculösen Vagina zusammenzutreffen.
Hier treten ebenfalls grosse Verschiedenheiten zwischen den afrika-
nischen und den amerikanischen Arten hervor. Bei den ersteren
86 Arthropoden.
bleiben die Eier und die Embryonen frei und können also nach und
nach in der Höhle des Uterus bis zur Scheide vordringen; deshalb
trifft man bei diesen Arten alle im Organ befindlichen Embryonen etwa
auf dem gleichen Entwicklungsstadium. Bei den amerikanischen Arten
hingegen tritt das befruchtete Ei sogleich in enge Beziehung zu der
Uteruswand, an welcher es durch einen Stiel angeheftet bleibt, der
einer Nabelschnur vergleichbar ist. Später, wenn einmal dieser Zu-
sammenhang geschwunden ist, bleibt der Embryo in eine durch das
Uterusepithelium hergestellte Hülle eingeschlossen. Die Embryonen
versperren gänzlich die innere Höhle des Uterus, welcher durch Wachs-
thum sich in dem Maasse verlängern muss, als andere durch die Zoo-
spermen des Behälters befruchtete Eier sich zwischen dem Behälter
und dem in der Entwicklung begriffenen Embryo fixiren. Daravis
folgt, dass man bei den amerikanischen Gattungen Embryonen in den
verschiedensten Phasen ihrer Entwicklung findet, die älteren in der
Nähe der Vagina, die jüngeren nahe am Behälter und am Ovarium.
Wir werden nicht in die so meisterhaft von Kennel behandelte
Entwicklungsgeschichte des Peripatus, welche übrigens höchst inter-
essant ist, eingehen.
Im Ganzen genommen , bilden die Onychophoren einen sehr be-
lehrenden Uebergangstypus zwischen den Anneliden einerseits und den
Myriapoden andererseits; denn wenn sie die Segmentalorgane der ersteren
besitzen, so zeigen sie auch Tracheen, wie die letzteren. Wir erwähnen
hier nur diese beiden, am meisten hervortretenden Charaktere; man
kann leicht in der Anordnung der verschiedenen Organe zahlreiche
Parallelen mit den in den beiden genannten Kreisen vorkommenden
Bildungen nachweisen.
Literatur. — Ed. Grube, üeber den Bau von Peripatus Edwardsii. Müller's
Archiv, 1853. — H. N. Moselej', On ihe strucfnre and developpment of Peripatus
capensis. Philosoph. TransacL, Bd. CLXIV, 1874. — F. W. Hutton, On Peripatus
Novae-Zelandiae. Annais and Alagaz. Nat. Eist., IV, 18, 1876. — Fr. Balfour, On
certain points in the anatomy of Peripatus capensis. Quarter. Journ. of microscop.
Science, Avril 1883. — J. Kennel, Entwicklungsgeschichte von Peripatus Edwardsii
Bl. und P. torquatus nov. sp. Arbeiten aus dem Zool. Institut von Würzburg, von
Semper, I. Theil, Bd. VII, 1884. II. Theil, Bd. VIU, 1886. — Ed. Gaffron, Bei-
träge zur Anatomie und Histologie von Peripatus. Zoologische Beiträge von
A. Schneider, Bd. I, Heft I, 1883; Heft III, 1885.
Myriapoden. 87
Classe der Myriapoden.
Diese nicht besonders zalilreiche Classe bietet bei scharf umschrie-
benen Charakteren nichtsdestoweniger ziemlich mannigfaltige Varia-
tionen im Einzelnen. Der wurmartige Köiper zeigt zuweilen eine sehr
grosse, in anderen Fällen eine geringere Anzahl von Segmenten; er
ist abgeplattet oder cylindrisch und trägt gegliederte Anhänge an
allen Leibesringen. Der vollständig gesonderte Kopf ist durch Ver-
schmelzung von mehreren Metameren gebildet; er zeigt ein einfaches,
an der Stirn stehendes Fühlerpaar und an der unteren Fläche einen
Mund, welcher von mehreren Paaren gegliederter Anhänge umgeben
ist, deren Zahl und Anordnung je nach den Ordnungen wechselt. Auf
den Seitenrändern des Kopfschildes finden sich die meistentheils ein-
fachen, beinahe immer nahe an einander liegenden , aber in verschie-
dener Weise gruppirten Augen. Bei gewissen Gattungen erscheinen
zusammengesetzte Augen, während solche bei anderen gänzlich fehlen.
Eine Abgrenzung von verschiedenen Regionen, unter anderen von
Thorax und Abdomen, ist bei den folgenden Leibesringen meist nicht
möglich; manchmal unterscheiden sich die ersten und die letzten Seg-
meute etwas von den übrigen durch Form und Anhänge, während es
zuweilen auch abwechselnde, grössere und kleinere giebt, die ebenfalls
gegliederte, mit Krallen bewaffnete Füsse tragen.
Das Nervensystem besteht, wie bei den Ringelwürmern oder
den Insecten, aus einer, die Fühler und Augen versorgenden Ober-
schlundmasse (Hirn) und aus zwei, den Schlund umgebenden und in
ein Unterschlundganglion auslaufenden Verbindungsfäden ; von letzte-
rem treten die für die Mundwerkzeuge bestimmten Nerven aus. Dieses
Ganglion bildet den Anfang der Bauchganglienkette, welche ebenso
viel Anschwellungen aufweist, als es Ringe giebt, und die vermittelst
Längsconnectiven mit einander verbunden sind. Diese Bauchkette
liegt unmittelbar der inneren Fläche der Tegumente in der Mittel-
linie an. Der Schlundring scheint aus mehreren zusammengeschmolze-
nen, im Embryo jedoch getrennten Ganglienpaaren zu bestehen. Bei
gewissen Arten wurde beobachtet, dass die die Fühler versorgenden
Ganglien von der Hirnmasse mehr oder weniger unabhängig sind.
Das Eingeweide- oder sympathische System ist im Allgemeinen ziemlich
gut entwickelt, da es durch paarige Seitennerven und einen unpaaren,
auf dem Magen ein Ganglion bildenden Nerven zusammengesetzt ist.
Gewöhnlich erscheint der Darm als eine gerade, in drei Abschnitte,
Munddarm, Mitteldarm und Rectum, getheilte Röhre; der After liegt
stets am Ende des Körpers. Ferner wurden Speichel-, Leber- und
Harndrüsen entdeckt, welche in den Darm münden und im Allgemeinen
88 Arthropoden.
röhrenförmig sind. Giftdrüsen öffnen sich bei den fleischfressenden
Chilopoden in den Kralleu, und beinahe alle Gattungen sondern durch
Hautdrüsen übelriechende Flüssigkeiten ab. Die Athmung geschieht
meistentheils vermittelst chitinöser Tracheen, welche im ganzen Körper,
sei es in isolirten Gruppen , sei es durch seitliche und Längsstämme
verbi;nden , vertheilt sind. Sie nehmen die Luft durch Oeffnungen
(Stigmen) auf, die, einige Fälle ausgenommen, symmetrisch auf den
Seiten des Thieres im Verhältuiss mit den Metameren angebracht sind.
Der Blutkreislauf ist immer unvollständig; die Körperhöhle und die
zwischen den Organen bestehenden Räume nehmen einen wichtigen
Antheil daran. Das stets rückenständige Herz ist nach dem gleichen
Typus, wie bei den Insecten, gestaltet; es erstreckt sich längs der
Mittellinie fort, indem es sich der ganzen Körperlänge nach unmittel-
bar an die Tegumente anlehnt und in jedem Segment eine leichte, An-
schwellung und ein paar Seitenspalten zeigt, durch welche das von
den Organen zurückfliessende Blut eindringt. Das arterielle System
ist mehr entwickelt als bei den Insecten, ausser seitlichen und segmen-
talen Arterien findet sich auch noch eine verästelte Kopfaorta, die
einen den Nervenstrang umschlingenden Zweig abgiebt, wie dies bei
vielen Anneliden der Fall ist. Seitliche Flügelmuskeln, die das Herz
in seiner Lage erhalten, erinnern dagegen an ähnliche, bei den In-
secten vorkommende Bildungen.
Die Geschlechter sind immer getrennt; die Männchen sind im
Allgemeinen kleiner und seltener als die Weibchen. Parthenogenesis
ist unbekannt. Die inneren Organe sind nach einem und demselben
Plan gebaut; Hoden und Eierstöcke entwickeln sich als eine Mittel-
röhre , von der meistens zwei Ausscheidungscanäle ausgehen. Die
Organisation dieser Canäle, Eileiter und Samenleiter, die Ausbildung
der Nebenorgane, die Stellung der äusserten Oeffnungen und die Struc-
tur der Begattungsorgane wechselt ungemein.
Die Myriapoden legen Eier. Es kann aber sein, dass einige exo-
tische Scolopender lebendige Junge gebären. Der Embryo schlüpft
gewöhnlich aus dem Ei mit einer geringen Anzahl von Segmenten.
Es ist bekannt, dass die Embryonen der Chilognathen nur drei Fuss-
paare besitzen, während bei den jungen Chilopoden noch weitere Füsse
angelegt sind. Die drei ersten , denjenigen der Insecten homologen
Fusspaare sind jedoch auch bei den Chilopoden während längei'er Zeit
mehr entwickelt, als die anderen, welche gleich wie die Metameren
mit dem Wachsthum sich vermehren.
Wir theilen im Einverständniss mit der Mehrzahl der Autoren
die Myriapoden in zwei Ordnungen:
Die Chilopoden besitzen nur ein einziges Fusspaar an jedem
Segmente. Sie sind fleischfressend und haben ein kräftiges Kiefer-
zangenpaar, welches mit einem starken, mit einer giftigen Drüse ver-
Myriapoden. 89
sehenen Haken bewaffnet ist. Die Geschlechtsöffnungen liegen am
Ende des Körpers. Seolopendra, Lifhohiits, Scutigera.
Die pflanzenfressenden Chilognathen zeichnen sich durch ein
Fusspaar an jedem der drei ersten Ringe und durch zwei Paare auf
jedem der folgenden Metameren aus. Die Geschlechtsöffnungen befin-
den sich in der Nähe des Kopfes. Polyzoniuni , Jalus , Pohjdesmus,
Glomeris.
Den Chilognathen sehr nahe, stehende Myriapodenformen zeigen
sich bereits im oberen Silur.
Typus: Lithobiits forficatus (L.). — Dieser Chilopode ist
in ganz Europa verbreitet. Man findet ihn in Menge bereits im ersten
Frühling unter Steinen, Moos und dürren Blättern. Den Winter bringt
er unter der Erde zu. Man kann ihn sehr lange in einem Gefäss,
worin Erde mit feuchtem Moos ist, aufbewahren. Er verbirgt sich
immer in den dunklen Ecken und läuft ziemlich schnell. Man er-
nährt ihn mit Fliegen und wenn dieselben nicht vorhanden sind, mit
kleinen Stückchen von frischem oder gekochtem Fleische.
Wir wurden in unserer Untersuchung vortrefflich von Herrn
Dr. Jacquet unterstützt, welcher sich namentlich mit den mikroskopi-
schen Nachforschungen beschäftigte.
Präparation. — Die Lithoben sind gross genug, um unter der
Lupe zergliedert werden zu können. Man tödtet das Thier in einem
Gläschen , in das man ein mit Chloroform benetztes Papier bringt.
Einige Minuten genügen, um es zu lähmen und dann in vollkommener
Ausdehnung des ganzen Körpers zu tödten. In diesem Zustande kann
die äusserliche Gestaltung leicht beobachtet werden. Zunächst wird
es unterm Wasser geöffnet, indem man die Spitze eines feinen Scalpells
oder einer Staarnadel seitlich unter ein Rückenschild einstösst und
dann die Incision weiter gegen den Kopf hin fort führt. Bei Führung
der Spitze des Instrumentes darf man nicht unterlassen , die innere
Fläche der Schilde abzukratzen, was in Folge der Durchsichtigkeit der
Tegumente, die es erlaubt, diese Operation mit dem Auge zu verfolgen,
nicht besonders schwierig ist. Schlingen des Darmes und der Ge-
schlechtsröhren werden oft nach dem ersten Einschnitte ausgepresst;
es braucht einiger Sorgfalt, um sie nicht zu verletzen. Nachdem die
Rückentegumente umgelegt und mit Stecknadeln befestigt worden sind,
setzt man die Zergliederung mit feinen Staarnadeln weiter fort; unter
stärkerer Vergrösserung, wenn es sich darum handelt, zarte Theile, wie
das Nervensystem oder das Herz z. B., bloss zu legen.
Zur Beobachtung der Chitintheile ist Aetzkali anzurathen, welches
die inneren Organe, sowie die Fettkörper, Muskeln u. s. w. auflöst und
die Chitintheile durchsichtig macht. Wenn es sich um die ungemein
dauerhaften Tegumente handelt, kann eine concentrirte Lösung und
längere Behandlung während 24 Stunden und mehr in einer Tempe-
90 Arthropoden.
ratur von 60° angewandt werden. Um jedoch zartere, innere, chitinöse
Organe, wie die Tracheen z. B., darzustellen, deren Wandungen sich
mit der Zeit auflösen, sind schwächere Lösungen anzuwenden. In
diesen Fällen ist es gerathen, eine oder zwei Oeffnungen an den Seiten
des Thieres anzubringen , um den Eintritt des Kalis in das Innere zu
befördern. Mit leichtem Drucke kann man durch diese Oeffnungen
Fettmassen, sowie den nicht immer durch das Kali aufgeklärten Darm-
inhalt herauspressen. Auf diese Weise haben wir sehr schöne Präpa-
rate erhalten, welche die stärksten Vergrösserungen gestatten und die
Einzelheiten der Bildung mit der grössten Klarheit zeigen. Die An-
wendung der Scbnittmethode hat mit bedeutenden Schwierigkeiten zu
kämpfen. Die fixirenden, erhärtenden und färbenden Flüssigkeiten
dringen nur sehr langsam ein, so dass' die inneren Organe manchmal
vor der vollständigen Durchdringung bereits zersetzt sind. Wenn man
die Thiere in mehrere Stücke zerschneidet oder Oeffnungen ausschnei-
det, so ruft man Veränderungen in der Lagerung der Organe in Folge
von Zusammenziehungen hervor. Endlich, da die Tegumente sehr hart
und die Organe äusserst zart sind, so lassen sich gleichmässige , für
die Topographie unumgängliche Schnitte nur sehr schwer herstellen.
Man kann indessen doch genügende Präparate erhalten , wenn man
die Thiere während einer mehr oder weniger langen Zeit mit den ver-
schiedenen gewöhnlichen Reagentien behandelt. Andere Reagentien,
wie Eau de Javelle u. s. w., gaben uns nur negative Resultate. Subli-
mat , Alkohol in verschiedenen Stärkegraden , und zur Färbung die
Carminlösungen genügen; jedoch erfordert ihre Einwirkung sowie die
EinSchliessung in Paraffin oft eine mehrtägige Dauer.
Allgemeine Beschreibung. — Wenn man den Lithobius
von der Rückenseite aus betrachtet, so kann man folgende äussere
Theile unterscheiden :
1. Ein vorn und seitlich abgerundetes Kopfschild, welches nach
hinten durch ein beinahe gerades Quergelenk endet. Dieses Schild
ti'ägt auf den Seiten der Stirnfläche die Fühler mit zahlreichen cylin-
drischen, von starren Borsten oder Dornen ringsum überdeckten Glie-
dern. Diese Fühlerglieder können sich an ihren Gelenken ein wenig
in einander schieben. Das Basalglied , welches mächtiger ist als die
sieb allmählich verkleinernden übrigen , ist unter dem Rande des
Schildes in eine Vertiefung eingelenkt, auf deren Rückenfläche man
ein Grübchen mit starker, von steifen Haaren überdeckter Chitin-
wandung bemerkt. Unmittelbar hinter der Fühlereinsetzung, und zwar
auf dem Schildrande, befindet sich das Augenfeld, worauf ungefähr
20 einfache, in zwei oder drei über einander liegenden Längslinien
gruppirte Augen stehen.
2. Ein sehr schmales, mit dem Kopfschild eingelenktes Segment,
welches an seiner unteren Fläche die Giftklauen trägt.
Myriapoden. 91
3. Nach diesem Segment folgen 14 je mit einem Fusspaar ver-
sehene Segmente. Dieselben sind von starken viereckigen Platten
bedeckt, deren Breite nach der Mitte des Körpers hin sich kaum ver-
grössert, während sie sich gegen das Schwanzende hin nach und nach
verschmälert. Diese Platten sind nicht von gleicher Länge; die 1., 3.,
5., 7., 8., 10., 12. und 14. sind grösser als die anderen. Alle diese
langen oder kurzen Segmente tragen Füsse, jedoch besitzen nur die-
jenigen mit langen Platten, das erste ausgenommen, Stigmen auf den
Seiten.
4. Endlich kommt noch das letzte fnsslose Segment, welches wir
später beschreiben werden.
Ausser dem Kopfe , dem Klauensegment und dem hinteren End-
ring treffen wir noch auf der Bauchfläche der fusstragenden Segmente
den Rückenplatten ähnliche Platten, welche aber bedeutend feiner und
biegsamer sind. Es ist auch noch zu bemerken, dass die auf der
Rückenseite so deutliche Verschiedenheit zwischen langen und kurzen
Platten hier beinahe vollständig verschwindet; die Leibesringe sind
gleichmässig und verkürzen sich allmählich von der Körpermitte
gegen das Schwanzende hin.
Die Bauch- und Rückenplatten sind auf den Seiten diirch eine
äusserst zarte und dehnbare, vielfach gefaltete Chitinhaut verbunden,
welche sich bedeutend ausdehnt, wenn der Darm gefüllt oder die
Geschlechtsorgane entwickelt sind. In dieser Seitenhaut liegen die
Stigmen.
Die Füsse sind in der ganzen Reihe gleichartig ausgebildet. Sie
werden grösser von vorn nach hinten und nehmen zugleich eine mehr
parallele Stellang zur Körperaxe ein, so dass die zwei oder drei Hinter-
paare entschieden nach hinten gerichtet sind, während die Yorderpaare
rechtwinkelig vom Körper ausgehen. Sie sind auf den Bauchplatten
in unmittelbarer Nähe der Mittellinie eingelenkt, und bestehen jedes
aus sechs Artikeln. Die Gelenke der Glieder sind mehr oder weniger
Ginglymen ; nur in den zwei ersten Gelenken sind seitliche Bewegungen
möglich. Die Füsse sind zusammengedrückt, bogenartig nach der
Erde gekrümmt und das letzte Glied ist mit einer mächtigen, in der-
selben Richtung gebogenen Kralle bewaffnet. An der Basis dieser
Kralle befindet sich eine kleine Nebenkralle. Auf den Füssen er-
scheinen einige spärliche Haare und an den Gliedern ziemlich starke
Dornen.
Die vier letzten Fusspaare zeigen in beiden Geschlechtern eine
besondere Bildung (Fig. 39, a. f. S.). Auf den inneren Rändern ihrer
Hüftglieder befindet sich eine Längsreihe von fünf bis sechs Vertiefun-
gen, welche von dichten, in ziemlich zarte gefranzte Ränder aus-
laufenden Erhöhungen umgeben sind. Diese Vertiefungen sind eiförmig
und ihre grosse Axe steht im rechten Winkel zu derjenigen des
92
Arthropoden,
Gliedes; sie sind gemeinschaftlich durch einen verdickten Wulst oder
durch eine stärkere, in der Richtung des Gliedes verlängerte Chitin-
leiste umzogen. Der Grund dieser Grübchen erscheint glatt und wird
durch eine feine Chitinplatte gebildet , in welcher wir keine Spur von
Oeffnungen entdecken konnten. Innerlich ist diese Lamelle von einer
feinkörnigen Substanz bedeckt, zu welcher sich stets eine kleine,
äusserst dünne Luftröhre begiebt. Wir haben uns die Frage gestellt,
ob diese Grübchen vielleicht nicht Hörorgane seien, ähnlich den-
jenigen der Heuschrecken ; es Hessen sich aber keine dahin laufende
Nervenverzweigungen erblicken. Jedenfalls sind es keine Drüsen, wie
mehrere Autoren behauptet haben.
Unter dem Kopfschilde lassen sich die Anhänge erblicken, welche
den auf der Mitte der Bauchfläche des Schildes gelegenen Mund um-
geben. Wir wollen sie hier behandeln und geben den verschiedenen Thei-
len die Benennungen, welche ihnen Plateau in seiner ausgezeichneten
Fig. 39.
Diese wie alle folgenden Figuren beziehen sich
auf Lithohius foi'ficatus. Kalipräparat der
Hüfte eines Hinterbeines mit der Reihe von
Vertiefungen , von der Seite gesehen (Z e i s s ,
Oc. 1, Obj. 2, Camera htcida). a, Borsten
und kleine Hautdrüsen in Menge auf der La-
melle; ö, Chitinrand eines Loches, von oben
gesehen; c, innerer Grund; d, Chitinstütze;
e, die Spalte umgebender gefranzter Rand.
Monographie der Verdauung
bei Lithobius ertheilt hat
(s. Literatur). Diese meisten-
theils H. Milne-Edwards
entnommenen Namen ent-
scheiden nicht im Geringsten
im Voraus die Frage über die
Parallelisirung dieser Anhänge
mit denjenigen der Crustaceen
oder Insecten ; wir haben die-
sen Gegenstand hier nicht zu
besprechen. Wir werden diese
Bildungen der Reihe nach von
vorn nach hinten, wie sie
unter dem Schilde eingelenkt
sind (Fig. 40), behandeln.
Gleich hinter dem umge-
bogenen Rande der nach vorn
für die Einlenkung der Fühler
etwas eingeschnittenen Kopfplatte zeigt sich eine enge , hufeisen-
förmig gestaltete Chitinlamelle (Fig. 40,/), welche wir die Vormund-
lamelle nennen. Sie trägt auf ihrem gegen die Stirn etwas vor-
gezogenen Mitteltheile (/') einige starre Borsten und ist unbeweglich
fest. Sie dient wohl auf der Bauchfläche zum Schutze des darüber
gelegenen Hirnes.
Hinter diesem Bogen zeigt sich ein zweiter, welcher schmäler
aber dicker ist, die Vorderlippe (Labrum) der Autoren {g). Diese
Vorderlippe ist an ihrem Vorderrande angelöthet, während der Hinter-
rand frei bleibt und eine zugeschärfte Schneide bildet, welche um den
Myriapoden. 93
Mund herum von feinen Auszackungen umrahmt ist, die zu zierlich
sind, um in unserer Zeichnung dargestellt werden zu können. Diese
Zäckchen erscheinen unter einer stärkeren Vergrösserung aus zwei
Fig. 40.
a. y
9 '.
Kalipräparat, von der Bauchfläche aus gesehen (Gundlach, Oc. 1, Obj. 00, Camera
lucida). Man hat die Giftzangen mit ihrer Basis abgetrennt , um sie nach hinten
zurückzuschieben und auf diese Weise die von ihnen bedeckten anderen Mundorgane
hei'vortreten zu lassen, a , Stirnrand des Kopfschildes ; ö, Fühler ; c, Augenfeld ;
d, am Kopfe eingelenktes Segment, die Giftzangen tragend; e, Hinterrand dieses
Segments, Schnittlinie ;/, Vormundlamelle ; /', ihr mit Haaren bedeckter Vordevrand;
f^, ihr hinterer Schenkel ; g, Vorderlippe mit fünf Chitiuzähneu in der mittleren
Ausbuchtung ; g', ihr hinterer Schenkel ; h , Mundkegel ; i, Deutognath , Endtheil ;
i'. Basaltheil des Deutognathes ; Tc, Tritognath ; h', sein BasalgrifF; /, Protognath oder
Mandibel ; /', sein Gelenkhöcker ; m, Taster, Basaltheil ; m' , erster Artikel ; nfi, End-
glied mit Fiederborsten ; n^ bis ?i*, Segmente der Giftzangen; o, innere, zur Insertion der
Muskeln dienende Chitingräte; p, Hüften der Giftzangen; p^, Zähnchen der Hüften;
p2, Articulation ; p^, Mitteluaht ; q, Siebcanal der Giftdrüse ; 2', glatter Theil des
Ausführungsganges.
94 Arthropoden.
Arten von modificirten Härchen gebildet. Auf den Rändern des
Bogens stehen in mehreren gedrängten Reihen gefiederte Borsten , die
einen kurzen, nach der Peripherie hin beinahe vollständig verschwin-
denden Stiel und einen längeren Endtheil zeigen, der spitzige Höcker-
chen trägt, deren freies Ende nach vorn gerichtet ist. Es sind dies
wahrscheinlich Tasthaare, wie wir sie auch auf anderen Stücken des
Mundapparates antreffen werden. Vor diesen Barthärchen erblickt
man eine Reihe von starren Fädchen, welche palissadenförmig an ein-
ander gereiht sind. Im Centrum der Austiefung der Vorderlippe stehen
unmittelbar vor dem Munde fünf mächtige schwarze, an den Spitzen
abgestumpfte Zähne, von denen der eine in der Mitte und die anderen
paarig auf den Seiten des Ausschnittes hervortreten. Gegen diese
Zähne reiben sich diejenigen der Mandibeln (?). Im Grunde des nach
vorn durch die Vorderlippe, seitlich und nach hinten durch die paari-
gen Stücke begrenzten Raumes befindet sich die auf einer Erhöhung {h)
sich öffnende Mundspalte. Wir werden dieselbe bei den Verdauungs-
organen beschreiben.
Was nun die nächstfolgenden Stücke anbetrifft, so stimmen wir
nicht ganz mit Herrn Plateau überein. Im Ceutrum bemerken wir
zwei kleine, höchst feine, auf ihren Flächen mit einigen Härchen und
an ihrer Spitze mit Bartbüscheln versehene Kegel, die Deutognathen
(«), welche auf zwei breite, in der Mittellinie sich berührende Basal-
platten (^') eingelenkt sind.
Ausserhalb dieser Theile lassen sich auch noch zwei Anhänge
in Form von Schabeisen, die Tritognathen {¥), erkennen, welche uns
unabhängig von den vorigen scheinen und die auf einem langen und
dünnen Stiele (Ji') eingelenkt sind. Diese Klingen besitzen einen
dickeren gewölbten Aussenrand und einen mit feinen gefiederten, in
mehrfachen Reihen eingepflanzten Härchen umgebenen Innenrand. An
dieser Stelle erreichen diese Fiederborsten ihre grösste Entwicklung.
Piateaii betrachtet diese Klingen, welche er deutlich gesehen hat, als
integrirende Theile der Deutognathen. Alle diese Theile sind in der
Normalstellung durch die Mandibeln gänzlich überdeckt. Man muss
letztere, um die darunter liegenden Anhänge zu erblicken, auf die
Seite legen, wie dies in unserer Figur geschehen ist.
Die Mandibeln oder Protognathen (J) müssen, wie Plateau
bewiesen hat, als die wichtigsten Kauorgane angesehen werden; sie
zerreissen die Beute in Stücke, welche dann geschluckt wenden können.
Sie bilden zwei spateiförmige Stücke, welche breit und abgerundet
gegen den Mund, nach hinten stielartig verdünnt und im Ruhezustande
derartig gestellt sind, dass ihr Vorderrand der inneren Wandung der
Vorderlippe anliegt und ihre ausgebreiteten Enden sich auf der Mittel-
linie berühren, um auf diese Weise den Mund, die Deutognathen und
die Tritognathen zu bedecken. Eine aus dem sehr verdickten Vorder-
Myriapoden. 95
rande entspringende Warze (?') legt sich im Ruhezustände auf eine
kleine entsprechende Fläche des inneren Randes der Vorderlippe. Das
breite Mundblatt der Mandibeln ist auf seinem inneren und abgerun-
deten Rande mit kräftigen, schwarzen, schneidenden und abgerundeten
Zähnen besetzt, welche von vorn nach hinten an Grösse zunehmen und
im Ruhezustände in diejenigen der entgegengesetzten Mandibel eingreifen.
Eine dichte, aus winzigen Zähnchen gebildete Bürste befindet sich am
Hinterwinkel des Gliedes als Fortsetzung der Reihe der starken Zähne.
Auf dem Hinterraude desselben freien Randes trifft man einen Büschel
oder vielmehr eine Reihe langer, kammartiger, feiner und biegsamer,
eine Bürste darstellender Borsten. Etwa zwanzig eigenthümliche An-
hänge sind im oberen und äusseren Rande dieser Bürste eingepflanzt.
Es sind dies sehr lange, etwas gebogene, gelbliche, vorn abgestumpfte
Stäbchen, welche auf der distalen Hälfte ihres inneren Randes feine,
nach vorn gerichtete Spitzen tragen. Die beiden Mandibeln können
auseinander gehen und sich erheben, wie wir sie dargestellt haben ; sie
schlagen sich wie zwei menschliche Hände ohne Finger über die Mund-
öffnung herüber.
Hinter den Mandibeln, deren Basalglieder sie theilweise verdecken,
sind die Palpen (erste Kieferfüsse J£ iJ) eingelenkt. Sie bestehen aus
einem einzigen engen , bogenartig nach vorn gekrümmten Basal-
theil (m) und zwei freien Zweigen , die an Füsse erinnern , welche
mit einigen starken Borsten bedeckt. Auf jedem freien Zweige articulirt
ein kurzes behaartes, von dem spitzigen Endgliede (^m^) gefolgtes Glied.
Letzteres trägt auf seiner gegen den Mund gedrehten Fläche gefiederte,
denjenigen der Mandibeln ähnelnde Borsten, während die äusseren
Flächen mit steifen Doi-nen besetzt sind. An der Endspitze der Palpen
sind kleine, denjenigen der Füsse ähnliche Krallen angebracht, was für
uns der Beweis ist, dass diese Organe nichts Anderes als modificirte
Gehfüsse darstellen. Nach Plateau dienen diese Organe in der That
dazu, die gepackte Beute zu betasten und die von den Mandibeln
zerrissenen Stücke der Muudöffnung zuzuführen.
Die Kieferzangen oder Gift klauen (Forcipula) ()?) bilden ein
zweites Paar von modificirten Füssen, welches an einem besonderen,
vom Kopfschilde getrennten Segmeute eingelenkt ist. Am Hinter-
rande des Kopfschildes ist der Basaltheil fest angelöthet. Letzterer
(23), auch Unterlippe genannt, wird durch zwei ziemlich grosse,
viereckige, bei den Erwachsenen nach hinten auf der Mittellinie
vereinigte, bei den Jungen getrennte und nach vorn durch einen
grossen Einschnitt ihres freien Theiles eingekerbte Lamellen gebildet.
Die Verbindungsnaht (p^) zeigt sich auch noch bei den erwachsenen
Thieren. Der freie Vorderrand einer jeden Lamelle trägt schwarze,
conische Zähne, deren Zahl mit dem Alter wächst. Wir besitzen in
der That Präparate von jungen Lithoben, wo jede Lamelle nur zwei
96 Arthropoden.
Zähne aufzuweisen hat, also vier im Ganzen, während bei anderen sehr
grossen bis zu sieben Paar Zähne wahrgenommen werden ; ferner
haben wir noch einige getroffen, die eine ungleiche Zahl von Zähnen
auf den beiden Seiten zeigten. Einige kleine Borsten sind auf der
Fläche des freien Theiles zerstreut, welcher über den Mund sich vor-
streckt, so dass er mit seinen Zähnen die gezahnten Ränder der
Vorderlippe berühren kann.
Diese Basallippe ist durch sehr starke Rippen (p^) an der eigent-
lichen, aus vier Gliedern bestehenden Gift klaue eingelenkt. Die
beiden Klauen sind derart gebogen, dass sie den Kopf umgeben und
ihre Haken vor dem Munde zusammenstossen können. Sie bewegen
sich seitlich gegen einander.
Das Basalglied (#) ist ungemein gross. Es enthält im Inneren
einige, in die folgenden Glieder sich fortsetzende Chitinlamellen (o),
auf welche sich fächerförmig die Bündel der mächtigen Muskeln, die
das Organ bewegen, ansetzen. Das zweite und dritte Glied {n^, n^)
sind sehr kurz, breit und scheibenförmig; sie können sich in ihren
Gelenken etwas in einander schieben. Das Endglied (n') ist durch
einen sehr kräftigen, nach innen gebogenen und mit sehr dicken und
schwarzen Wandungen versehenen Haken gebildet. Man bemerkt auf
der äusseren Fläche des Hakens bei stärkerer Vergrösserung unregel-
mässige Längsfurchen mit etwas erhöhten Rändern, welche im All-
gemeinen zu hellen, runden, durchsichtigem Hautgrübchen führen, in
deren Mitte man eine kleine circuläre Oeffnung beobachtet. Das Gift
scheint durch die Furchen zu laufen; ferner stellen die Poren wahr-
scheinlich nicht gänzlich entwickelte Borsten dar. Man bemerkt in
der That zwischen einigen am Anfange des Hakens stehenden Haaren
und den Poren verschiedene Haarstümpfe. Im Inneren dieser drei
Glieder befindet sich die Giftdrüse, welche sich nur theilweise in den
mit Kali behandelten Präparaten erhält. Der chitinöse Ausführungs-
canal , welchen man in solchen Präparaten deutlich sieht, zerfällt in
zwei Theile. Der erste Theil {(/) bildet einen walzenförmigen Canal
mit homogener Wandung, der mit einer feinen Spaltöffnung auf der
Hakenspitze mündet. Dieser glatte Canal nimmt in seiner Fortsetzung
nach hinten, indem er der Krümmung des Hakens bis zu seiner Basis
folgt, unter schwacher Vergrösserung ein körniges Aussehen an. Bei
stärkerer Vergrösserung und besser noch auf Längsschnitten des
Organs lässt sich dieser Theil (q) als die etwas erweiterte Fortsetzung
des Ausführuugscanals erkennen, welche von kleinen Oeffnungen mit
etwas verdicktem Umfange durchlöchert ist. Wir werden ihn den Sieb-
canal nennen. An jedes dieser winzigen Löchlein heftet sich eine
durchsichtige Röhre mit sehr feinen Wänden an, die ohne Zweifel
drüsenartiger Natur ist, da ihr peripherisches Ende bedeutend körnig
ist. Diese Röhren strahlen vom Siebcanale aus und bilden in ihrem
Myriapoden.
97
Ganzen eine grosse Drüse, die Giftdrüse, welche den inneren Eaum
der Hakenbasis und der beiden Zwischenglieder der Kieferzangen fast
vollständig einnimmt, indem sie nur einen sehr engen Platz für die
Muskelsehnen, für einen Zweig der Tracheen und für den Nerven
frei lässt. Es ist leicht, die Beobachtungen von Plateau zu be-
stätigen, welcher auseinandergesetzt hat, dass die Lithoben nach
Durchstechung der Beute mittelst der Haken sie mit der aus diesem
Canal austretenden Flüssigkeit vergiften. Sie halten die getödtete
Beute zwischen den Giftklauen fest, bis die durch die Mandibeln be-
werkstelligte Zerstückelung beendigt ist.
Tegumente. — Wie wir bereits bemerkt haben, wird die Haut-
bedeckimg durch zwei Schichten gebildet, die äussere Chitinschicht und
die innere Hypodermis.
Fio;. 41.
Theil eines Querschnittes eines Fühlers (Verick, Oc. 3, Obj. 7, Camera heida),
a, Cuticula ; &, geschichtete Chitinlage ; c, Hypodermis ; r/, Xervenschicht ; e, Borste ;
e^, ihr Schaft ; e^, mit homogenem Protoplasma gefüllter Canal ; e^. Gelenkwärzchen ;
e^, Verlängerung der körnigen H}-podermis ; /, äusserer Perus ; f, Zickzackeanäle ;
</, Nervenfaden ; /(, helle Kerne, die dem Eintritt der Nerven entsprechen.
Die Chitinschicht besteht ihrerseits aus zwei über einander liegen-
den Lagen. Die äussere, welcher man den Xamen Cuticula (a, Fig. 41)
ertheilen kann, ist wohl die dünnere, scheint jedoch fester als die
andere zu sein; die Präparate zeigen sie gelblich gefärbt. Sie ver-
schwindet auf den Seiten des Thieres zwischen den verschiedenen
Vogt u. Tung, prakt. vergl. Aijatomie. II. 7
98 Arthropoden.
Ringen, um einer weicheren Substanz den Platz einzuräumen, welche
zahlreiche kleine, diirchsichtige Erhöhungen trägt. Die untere Chitin-
lage (h, Fig. 41) ist dicker und weicher als die erstere; sie fehlt
nirgends; auf in Balsam präparirten Schnitten erblickt man zahlreiche
Linien, welche parallel ihrer Oberfläche laufen und etwas dunkler als
der übrige Theil der Masse sind, was auf Bildung durch über einander
liegende Lamellen schliessen lässt. Diese Linien sind sehr fein und in
sehr genäherten Zwischenräumen durch Canäle unterbrochen, welche
sie gänzlich durchsetzen. Diese Canäle (/, Fig. 41) verlaufen im
Zickzack durch die oben genannten Lamellen und münden nach aussen
durch kleine Oeffnungen, aus welchen zuweilen Tröpfchen abgesondert
werden. Die äussere Chitinschicht zeigt, wenn man sie von der Ober-
fläche aus betrachtet und namentlich, wenn sie mit sehr verdünnter
Kalilösung behandelt worden ist, unregelmässige polyedrische Felder,
deren Ränder durch Linien mit doppelten Conturen begrenzt sind.
Häufig trifft man an dem Einsetzungspunkte zweier Linien eine win-
zige, schmale Oeffnung, die nur schwer nachzuweisen ist. Unterhalb
der beiden, das eigentliche Chitin bildenden Schichten zieht sich die
Hypodermisschicht (c, Fig. 41) oder die Mutterschicht des Chitins
hin. Auf Schnitten stellt dieselbe meistens eine körnige Masse dar, in
welcher man viele eiförmige Zellkerne bemerkt. Auf den Fühlern
bildet diese Schicht eine zarte Masse, in welcher vereinzelte Kerne
sich finden. Uebrigens giebt es grosse Verschiedenheiten in der Dicke
der Hypodermisschicht; manchmal besitzt sie eine höchst feine Be-
schaffenheit, während sie zuweilen auch grosse Massen bildet, welche
die innere Chitinfläche überziehen.
■ Der ganze Körper ist von sehr unregelmässigen und ungleichen
Haaren bedeckt. Man bemerkt sie besonders auf den Rändern
der Chitinplatten ; sie sind auf der Rückenfläche zahlreicher vor-
handen als auf der Bauchfläche. Fühler und Füsse besitzen deren
in grosser Anzahl. "Wo die Haut weich bleibt, zwischen den Chitin-
platten , an den Gelenken , sind die Haare seltener und fehlen sogar
zuweilen. Auf den Mundtheilen sind gefiederte Haare angebracht,
von denen wir bereits gesprochen und welche wir beim Verdauungs-
system von Neuem behandeln werden. Die Füsse tragen zwei Arten
von Anhängen: feine Haare, welche denen auf dem ganzen Körper
zerstreuten vollständig gleich sind, und Borsten, welche bedeutend
grösser sind und eine conische Form besitzen. Die ersten findet
man auf allen Fussgliedern ; sie scheinen in den beiden letzten
Segmenten eine regelmässige Stellung in Längsreihen einzunehmen.
Am Ende eines jeden Fussgliedes ragen viel dickere Borsten hervor,
die man sogar als Stacheln bezeichnen könnte. Sie fehlen im ersten
Glieds; auf den anderen sind sie im Kreise gestellt; gewöhnlich be-
schränkt sich ihre Zahl auf fünf; im letzten Segmente erscheinen sie
Myriapoden.
99
in geringerer Anzahl, im Allgemeinen drei im Ganzen, von denen eine
gebogen und zu einer Kralle umgebildet ist. Wie auch Form und Grösse
dieser Anhängsel beschaffen sein mögen, so bleibt doch ihre Structur
die nämliche. Sie stellen eine mehr oder weniger conische und hohle
Verlängerung der Cuticula dar (e, Fig. 41), welche durch ihre Basis
in eine besondere , von einem Randwulst umgebene Vertiefung der
Haut eingebettet ist. Der Canal, welcher das Haar bis zu seinem
freien Ende durchzieht, verlängert sich durch die Chitinschicht nach
innen bis auf die Hypodermis. Letztere entsendet in das Haar feine
Verlängerungen, die während des Durchganges durch das Tegument
noch körnig sind , während die den Haarcanal füllende Protoplasma-
masse gänzlich homogen und ungekörnt erscheint.
In der Hypodermisschicht der Fühler und der beiden langen
Hinteranhänge des Körpers zeigen sich Nervenendigungen, die in einer
Fiff. 42.
Theil eines Querschnittes des Endgliedes eines Hintertusses (Verick, Oc. 3, Obj. 7,
Camera lucida). a, Cuticula ; 6, geschichtetes Chitinlager ; c, äussere Oeftnungen von
Absonderungscanälen ; d, Drüsenwände ; e, Höhle des Drüsensacks.
feinkörnigen Schicht enden, in welcher wir keine eigene Zellenwände
bemerken konnten. Dagegen enthalten sie grosse rundliche, homogene
Körperchen, welche wie Hohlräume oder Vacuolen aussehen, die in der
körnigen und dunkeln Nervensubstanz eingebettet wären. Jedem
Eintritt eines Nervenfädchens entspricht ein derartiges Körperchen.
Unserer Ansicht nach sind diese Körperchen Kerne und eine ein-
gehendere Untersuchung würde vielleicht gewisse Aehnlichkeiten
zwischen diesen Bildungen der inneren Nervenschicht der Fühler mit
den Endplatten von gewissen Nerven aufweisen, wie diese bei anderen
Thiei'gattungen nachgewiesen sind.
An den vier letzten Gliedern der zwei Hinterfusspaare finden sich
auf der inneren Fläche eine ungemeine Anzahl regellos gestellter
7*
100 Arthropoden.
Oeffnungen, welche bereits unter geringer Vergrösserung sichtbar sind;
es sind Ansgangsöffnungen von Hautdrüsen. Um genau ihre
Organisation zu beobachten, ist es nothwendig, Querschnitte dieser
Glieder zumachen. Die Figur 42 (a. v. S.) stellt einen Querschnitt des vor-
letzten Gliedes des letzten Fusses dar. Jede Drüse besteht aus einer
Tasche (e, Fig. 42), welche in der Dicke der Hypodermisschicht ein-
gebettet ist; sie wird innen durch eine feine Membran begrenzt; die
Wandung der Tasche (d) wird durch ein Gewebe gebildet, in welchem
man unter starker Vergrösserung kleine, mit einander vermittelst
höchst feiner Linien verbundene Granulationen bemerkt; das Ganze
bildet ein Netzwerk mit sehr dichten Maschen. Was nun den Inhalt
der Drüse anbetrifft, so stellt er eine körnige Masse vor; zuweilen
erblickt man in ihrem Inneren kleine, stark lichtbrechende Kugeln,
die im Centrum ein undurchsichtiges Körperchen enthalten. Jede
Drüse mündet nach aussen durch einen kurzen Gang (c, Fig. 42),
welcher mehr oder weniger conisch ist und die Chitinschichten
durchsetzt.
Muskelsystem. — Wenn auch die Muskeln des Lithobius in
einzelne getrennte Bündel zerfallen, so bilden sie nichtsdestoweniger
in ihrer Gesammtheit eine Hülle um die Eingeweide, einen Hautmuskel-
schlauch, der unmittelbar unter der Chitinhaut liegt, an deren innerer
Fläche die Bündel sich festsetzen. Man kann die Anordnung der
Muskelbündel, die in jedem Leibessegment regelmässig die gleiche
bleibt, in folgender Weise veranschaulichen. (Besondere Anordnungen
zeigen sich nur in den Segmenten des Kopfes und des Körperendes.)
Nachdem man die Thiere in Chloroformdampf oder einfach in Wasser
getödtet hat, stösst man die Spitze der Röhre einer mit absolutem
Alkohol angefüllten Spritze unter die Haut zwischen zwei Leibesringen
und treibt die Flüssigkeit in den Hohlraum des Cöloms ein. Um
die Füllung zu erleichtern, schneidet man die Fühler an der Basis ab;
eine Flüssigkeit rinnt daraus hervor, welche eine Menge von weissen
Kügelchen enthält und nichts Anderes ist, als das die ganze Körper-
höhle füllende Blut. Am Schluss der Einspritzung läuft der Alhohol
ebenfalls aus diesen Oeffnungen ; man lässt dann das Thier während
ungefähr einer Stunde unberührt. An einem Exemplar wird man
einen Längsschnitt nach der Rückenmittellinie, an einem zweiten längs
der Bauchlinie und zuletzt an einem dritten längs den Seiten machen;
das Individuum wird nun auf dem Kork einer Zergliederungsschale
ausgebreitet und Eingeweide nebst Fettschicht können dann sorgfältig
unter Wasser oder in schwachem Alkohol entfernt werden.
Es giebt zwei lange musculöse Bauchstreifen; sie befinden sich
auf beiden Seiten der Nervenkette und werden durch von einander
getrennte Muskelbündel gebildet, deren Mehrzahl sich zur Fuss-
basis, andere zu den Seiten begeben; ausserdem bleibt zwischen je
Myriapoden. 101
zwei Ganglien eine kleine quere Muskelbrücke, welche die inneren
Ränder der Bauchmuskelstreifen in Verbindung setzt und über die
Nervenkette verläuft. In jedem Segment findet man unter der Haut
der Rückenfläche kräftige, die Segmente unter sich verbindende Längs-
muskelstreifen ; von der Rückenfläche gehen ebenfalls Bündel aus, die
sich an der Basis der Füsse anheften. Die verschiedenen Fussglieder
besitzen eigene, zur Vorwärtsbewegung oder zur Krümmung des Fusses
dienende Längsmuskeln. Die verschiedeneu Mundglieder besitzen
ebenfalls ihre eigenen Muskeln, welche öfters gewaltige Massen bilden,
wie z, B. in den Basalgliedern der Giftzangen.
Alle Muskeln des Thorax, sowie die der verschiedenen Anhängsel
sind quer gestreift, was leicht erkenntlich ist und sich in mit Borax
und Carmin gefärbten Schnitten ausserordentlich gut beobachten lässt;
auch die Kerne färben sich intensiv.
Fettkörper. — Dieses Gewebe bildet, wie bei den Insecten, ge-
waltige Massen, welche entweder unregelmässig sind oder wurstförmige
Bündel darstellen, die sich in allen Richtungen kreuzen. Diese
Massen umziehen innerlich die Muskeln und trennen so diese letzteren
von den verschiedenen, im Cölom aufgehängten Organen. Ihre Bildung
ist überall die gleiche; man unterscheidet eine wahrscheinlich structur-
lose äussere Hülle und einen einerseits von sehr hellen, öligen Zellen,
andererseits von einer Menge kleiner sphärischer Körper, deren Fett-
natur nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden kann , gebildeten
Inhalt. Im Gewebe laufen ungemein viele feine Tracheenröhren,
welche sich immer mehr verzweigen. Oefters zeigt sich das Fettgewebe
blauviolett gefärbt; man trifft es stets in unmittelbarer Nähe der
Nervenkette, unter den Seitenrändern der chitinösen Rückenplatten,
längs der Seiten des Thieres, ebenso wird es auch oft an der Basis der
Füsse angetroffen.
Allgemeine Anordnung der Organe. — Bei Oeffnung des
Thieres vom Rücken aus geht, wie wir bereits bemerkten, nothwendig
das unmittelbar am Tegumente anliegende Herz verloren; dieses Organ
bedarf also einer eigenen Präparation. Nachdem man die Haut ab-
genommen, was immerhin grosse Sorgfalt erfordert, namentlich an den
beiden Körperenden, sieht man alle Organe mehr oder weniger von
Tracheennetzen und den Massen des Fettkörpers umgeben, von denen
man sie sorgfältig ablöst. Ist diese Operation geglückt, so erblickt man
im Vordertheil des Kopfes an der Rückenfläche das Hirn (Fig. 43, /,a. f. S.),
welches seitlich Nerven an die Fühler und zu dem Augenfelde abgiebt
und nach hinten die den Schlund umgebende Connective (Fig. 43, li)
aussendet, die sich unter dem Schlünde auf der Bauchfläche im
Unterschlundganglion vereinigen, von welchem die Connective der
Bauchganglienkette {g) ausstrahlen. Letztere ist während ihres Ver-
laufes längs der Mittellinie tief in die Muskelmassen eingegraben; um
102
Arthropoden.
Vierfach vergrössertes Präparat eines Männchens von Lithobius. Das Individuum ist
auf den Bauch gelegt j^ die Kiickentegumente sammt dem Herzen und den Neben-
theilen sind abgenommen und die Hauptorgane so ausgebreitet worden , dass man
leicht ihre Lagerung in der allgemeinen Körperhöhle errathen kann. Tracheen und
Muskeln wui'den vollständig vernachlässigt, die Segmentation nur durch die Fuss-
wurzeln angedeutet, a, abgeschnittene Fühler ; b, Rand des Kopfschildes ; c, Gift-
zangen ; d, Körperrand mit abgeschnittenen Fusswurzeln ; e , Afterende ; /, Hirn ;
g, Bauchnervenkette ; h, Schlund; i, Mitteldarm; h, Rectum; /, Speicheldrüsen;
TO, Mal pighi' sehe Gefässe; «, unpaarer Hoden ; n', sein Endfilament ; o, paadge Hoden ;
p, grosse Nebendrüsen; q, kleine Nebendrüsen; r, Rückenplatte; s, Geschlechts-
platten; t, äussere Geschlechtsplatten; n, Penis (?) ; /', durchlöcherte Hüften der
Hinterfüsse; w, Perinealplatte.
Myriapoden. 103
sie bloss zu legen, ist man genöthigt, dieselben theilweise zu entfernen.
Im Kopfe befinden sich noch, auf beiden Seiten, die Ausführungs-
canäle und die Vorderlappen der Speicheldrüsen (?), deren Hauptmasse
in den ersten Ringen entwickelt ist. Der Mitteldarm nimmt die Mitte
der allgemeinen Körperhöhle ein; man muss ihn zur Seite biegen,
um die unterhalb liegende Nervenkette bloss zu legen. Der Darm ist
von den zwei nach hinten auf der Grenze zwischen dem erweiterten
Darm und dem etwas mehr verengten Afterdarm (Je) ausmündenden
Malpighi' sehen Röhren (ni) umgeben. Ungefähr in der Gegend des
dritten Fusspaares erscheint beim Männchen das geschlossene Vorder-
ende der unpaaren Hodenröhre (n), welche die Mittellinie unterhalb
des Herzens einnehmen sollte, aber gewöhnlich rechts. oder links vom
Darm gelegen ist. Etwas mehr nach hinten zeigen sich die zwei
paarigen Hodencanäle (ö). Diese drei, je nach der Entwicklung ihrer
Producte unregelmässig angeschwollenen Canäle vereinigen sich in der
Afterregion, wo ebenfalls die zwei Paare von Nebendrüsen münden.
Diese Drüsen sind im Allgemeinen derart an einander geklebt, dass
man sie nur mit Mühe von einander trennen kann. Die grossen
Drüsen Qj) nehmen den Grund des Cöloms auf beiden Seiten der
Nervenkette ein, während die kleineren Drüsen (q) namentlich an den
Darmseiten anliegen. Hinsichtlich der specielleren Angaben über diese
verschiedenen Organe verweisen wir auf den Abschnitt, welcher die
Geschlechtsorgane behandelt.
Die Organe sind beim Weibchen , wenigstens in dem vorderen
Theile des Körpers, ebenso gelagert, wie beim Männchen, Verschieden-
heiten treten nur in den mittleren und hinteren Regionen hervor. Der
Eierstock entspricht der Lage nach dem unpaaren Hoden auf der
Rückenfläche des Darmes; er nimmt jedoch zuweilen, je nach der Ent-
wicklung der Eier, den ganzen mittleren Theil des Cöloms ein, indem
er allseitig den Darm umgiebt. Nach hinten findet man zwei Drüsen-
paare, welche genau die gleiche Stellung einnehmen, wie die Neben-
drüsen der Männchen, aber deutlicher getrennt sind, und auf der
Bauchfläche zwei sackförmige Behälter, welche den zwei paarigen
Hoden homolog zu sein scheinen. Wir verweisen hier ebenfalls auf
das Capitel der weiblichen Geschlechtsorgane.
Verdauungssystem. — Dieses System besteht aus drei Theilen;
es sind dies: der Darmcanal, die Ma Ipighi' sehen Gefässe und die
vorderen oder Speicheldrüsen.
Der Darmcanal (Fig. 43, h, i, Je) verläuft in gerader Linie in
der Mittelaxe des Körpers von einem Ende zum anderen. Man
unterscheidet auf den ersten Blick drei Abschnitte: eine nicht sehr
ansehnliche Vorderregion, den Munddarm; ferner den beinahe die
ganze Länge der Darmröhre bildenden Mitteldarm (^), welcher von
einigen Autoren auch Chylusmagen genannt worden ist und hinter
104
Arthropoden.
der Einmündungsstelle der Malpighi' sehen Gefässe (m) aufhört, und
zuletzt einen Enddarm oder Rectum (Ä;), welches von den Malpighi'-
schen Gefässen bis zum After geht. Letzterer öffnet sich am Hinter-
ende des Körpers.
Der Mund (Fig. 40, h) liegt unter den seitlichen Mundanhäügen
im Centrum der Bauchfläche des Kopfschildes verborgen und erscheint
im Ruhezustande als eine, auf einer conischen, aus höchst feinen und
ausdehnbaren Wänden gebildeten Erhöhung angelegte Längsspalte.
Er kann sich bedeutend axisdehnen und wir besitzen Präparate , wo
sich der Mund zu einem breiten , eiförmigen Trichter mit welligen
Rändern erweitert hat. Die Warze besteht aus einer feinen Chitin-
lamelle, welche dem nicht zu. lange dauernden Einfluss einer ver-
dünnten Kalilösung widerstehen kann. Auf der erweiterten Spitze der
Spalte befindet sich ein dichtes Büschel sehr feiner Borsten. Die Ober-
fläche des Wärzchens ist mit kurzen Fiederhärchen ohne Stiel bedeckt,
welche nach und nach gegen die Peripherie hin in kleine rundliche,
pigmentirte und gegen ein-
ander gepresste Körperchen
übergehen. Auf den beiden
Aussenrändern der Warze ragt
jederseits eine Reihe gelber
Chitinstacheln, deren Spitzen
schräg nach vorn gerichtet
sind und die sich von hinten
nach vorn zu erneuern schei-
nen. Man bemerkt in der
Fig. 44.
i— A
Querschnitt eines Schlundwulstes (G und lach,
Oc. 0, Obj. V, Camera lucida). a, Zähnchen;
b, innere Chitinschicht; c, Zellenschicht; d,
Hohlraum , welcher durch Bindegewebe und
Muskelfasern , die durchschnittene Bündel (/)
der Längsmuskeln enthalten,, durchsetzt wird ;
e, Kreismuskelschicht ; g, in der Kreisschicht
eingebettete Längsbündel; k, äussere Perito-
neallamelle.
That auf den Hinterrändern
der Warze in der Entwick-
lung begriffene, farblose und
kleinere Stacheln. Der ganze
Mundkegel ist, wie bereits
gesagt ,' sehr zart , durchsich-
tig und verschiedenartig in
seiner Ausdehnung, so dass
es einer aufmerksamen Präparation bedarf, um seine Bildung anschau-
lich zu machen.
Der Munddarm oder Schlund (Fig. 43, li) steigt bogenförmig
zur Rückenfläche des Kopfschildes empor. Er bildet eine nach hinten
etwas erweiterte Röhre, welche einige kaum angedeutete Längsstreifen
zeigt. Auf Querschnitten beobachtet man, dass die Wände verhältniss-
mässig dick sind und ziemlich hervorstehende innerere Längswülste
bilden. Innerlich ist die Wand von einer feinen, durchsichtigen und
leicht erkenntlichen Chitinlamelle überzogen (Fig. 44, &). Die Längs-
wülste entstehen aus Erhebungen der angeschwollenen Zellenschicht
Myriapoden, 105
und tragen iu der Mitte des Schlundes kleine, den kurzen Borsten der
Haut ähnelnde Zähne (a). Die Spitze derselben ist gegen die Darm-
hohle gerichtet; sie verhindern wahrscheinlich die Rückkehr der
Nahrungsmittel zum Munde.
Man bemerkt unterhalb der Cuticula eine Schicht von durch-
sichtigen, scharf von einander getrennten Zellen (Fig. 44, c); sie sind
zuweilen ungemein in die Länge gezogen, cylindrisch, in anderen
Fällen aber auch rund; ihr Kern bleibt immer schön ersichtlich und
färbt sich ausgezeichnet. In Folge ihrer Aufwulstung bildet diese
Schicht in den Längswülsten Hohlräiime (Fig. 44 , d) , in welchen
Muskel- und Bindegewebsstreifeu , sowie einige isolirte Bündel der
Längsmuskeln der Darmwand (/) sich erkennen lassen. Aeusserlich
wird der Schlund von einer feinen Peritoneallamelle (Ji) und im Inneren
Fiy-. 45.
Theil eines Querschnittes des Mitteldarmes (Verick, Oc. 1, Oljj. 7, Camera luc'ida).
a, innere Hyalinschioht ; 6, Endotheliumzellen; c, Granulationen ; rf, Bündel von glatten
Längsmuskelfasern; e, Fettgewebe am Darm.
derselben von einer Muskelschicht umgeben , in welcher man in den
Hohlraum ausstrahlende Kreisfasern (e) unterscheidet, welche einzelne
Längsmuskelbündel (g) umgeben.
Den umfangreichsten Theil des Verdauungscanais bildet der
Mitteldarm (Fig. 43, i), welcher sich auf den ersten Anblick von
den beiden anderen Regionen, der vorderen und hinteren, deutlich
imterscheiden lässt. Oefters können an ihm Anschwellungen oder
gewisse unregelmässige und ziifällige Aufblähungen wahrgenommen
werden , welche von der Anfüllung mit Nahrungsstoffen abhängen.
Der Mitteldarm zeigt eine besondere Bildung seines Endotheliums.
Zuerst lässt sich bemerken, dass die innere Wand sehr dick ist und
scheinbar der feinen Chitinlamelle entbehrt, die wir für den Munddarm
beschrieben haben. In der vorderen Hälfte dieses Darmes kommt
106
Arthropoden.
äusserlieh auf Querschnitten eine feine umliüllende , aus musculÖBen
Querfasern bestehende Membran zum Vorschein, in welcher stellenweise
sehr leicht erkenntliche Bündel von Längsmuskeln (Fig. 45,cl, a. v. S.) ein-
gebettet sind. Im Inneren sehen wir eigentliche Endothelialzellen (h);
sie sind länglich, palissadenförmig in mehreren Reihen über einander
aufgestellt; die Membranen der Zellen sind nur schwer erkenntlich,
während der Kern deutlich hervortritt. Dieses Endothelium wird
von einer kaum unterscheidbaren Hyalinschicht (Fig. 45, a) begrenzt,
welche sich leicht ablöst und dabei einige Kerne der Zellen mit sich
fortreisst. Diese Schicht scheint eine modificirte Fortsetzung der
Chitinschicht des Schlundes zu bilden. Mau bemerkt ausserdem, dass
in der Nähe dieser Membran sich zahlreiche Granulationen ansammeln
(Fig. 45, c), welche sehr klein, rund und stark lichtbrechend sind;
Fig. 46.
(i -
StÜL'k eines Querschnittes des Darmes in der Nähe der Einmündung der Malpighi'schen
Getasse (Verick, Oc. l,0bj.-7, Camera luclda). a, Modificirte Hyalinschicht; ö, Zellen-
endothelium ; &', abgelöste und modificirte Endothelialschicht ; c, Granulationen ent-
haltende Kernchen iind Kellen ; d, Muskelschicht mit Querfasern.
diese Körnerballen dringen häufig in die Schicht der Längszellen ein
und stammen vermuthlich aus den Malpighi'schen Gefässen. Solche
Ablagerungen befinden sich ebenfalls in den Substanzen, die das Thier
eingenommen hat. Die Hiuterregion des Darmes zeigt sich öfters ver-
schieden (Fig. 46). Die Zellen sind sehr gross geworden, ordnungslos
aufgestellt und lösen sich mit der grössten Leichtigkeit, sei es einzeln,
sei es gruppenweise, ab, um mit den eingenommenen Substanzen und
mit der schwammig aufgetriebenen Hyalinschicht (Fig. 46, a) ein netz-
artiges Gewebe zu bilden (b'). Nur die in der Nähe der Muskelschicht
sitzenden Zellen zeigen dann eine etwas regelmässigere Anordnung.
Ausser den erwähnten Granulationen trifft man auch noch in dem
schwammigen Netzgewebe häufig von den übrigen gänzlich verschiedene
Myriapoden.
107
Riesenzellen, welche im Allgemeinen eiförmig sind, einen deutlichen
Kern und Kernkörperchen besitzen und mit zahkeichen Granulationen
gefüllt sind; man triift sie sowohl in der Nähe der äusseren Schicht als
in der Nähe der Darmhöhle. Ausserdem scheinen sie sich mit den
eingenommenen Nahrungsmitteln zu vermengen. Es giebt auch noch
andere höchst sonderbare Körper, aus zahlreichen kleinen Scheibchen
gebildet, die in einer gemeinsamen Membran eingeschlossen sind.
Alle diese Elemente rühren ohne Zweifel von den Malpighi'schen
Gefässen her.
Der Enddarm oder das Rectum (k, Fig. 43j erstreckt sich von
den Malpighi'schen Gefässen bis zum After. Er hat eine etwas
conische Gestalt ; der breitere Theil sitzt dem Mitteldarme an. Einige
Autoren haben in der Nähe des Afterendes einen von uns nicht ge-
Fis:. 4-7.
n^-b
Theil eines Eectumwulstes im Querschnitt (Veriek, Oc. 1, Obj. 7, Camera Ivcidu).
«, äussere Qiiermuskelschicht ; h , Endothelium mit einzelligen Drüsen ; c , innere
Chitiiischicht ; d, einzellige Drüse; e, Trachea.
fundenen Blinddarm beschrieben. Oft ist diese Darmregion, sowie der
Munddarm, violett gefärbt; diese Färbung erhält sich sogar noch eine
Zeit lang im Weingeist. Aeusserlich werden Querfalten der Wan-
dungen beobachtet. Die histologische Bildung des Enddarmes nähert
sich derjenigen des Munddarmes. Die Längsmuskeln sind sehr spär-
lich vertreten, während die Kreismuskeln mächtiger entwickelt sind
(a, Fig. 47). Wir finden hier die feine, deutlich abgesetzte Cuticular-
schicht (c, Fig. 47) wieder, die wir im Inneren des Munddarmes an-
trafen. Das Epithelium (b) ist aus Cylinderzellen gebildet, deren
Inhalt sehr durchsichtig ist; der stark hervortretende Kern liegt ge-
wöhnlich am inneren Ende an der deutlich erkennbaren Zellenwand
an. Zwischen diesen Zellen findet man einzellige, birnförmige Drüsen
(cl, Fig. 47), deren Ausführungscanal zuweilen deutlich wahrnehmbar
108 Arthropoden.
ist. Wie beim Munddarme, zeigt die innere Oberfläche des Rectums
Längswülste, welche einzig und allein von den Erhebungen des Endo-
theliums herrühren; letzteres trennt sich von der Muskelschicht, in-
dem es einen durch Muskelfasern durchzogenen Hohlraum hinterlässt
(/, Fig. 47). Auf diesen Wülsten verdickt sich die Chitinschicht be-
deutend und in jedem Hohlräume verläuft an der Spitze ein Tracheen-
zweig (e, Fig. 47). Im Rectum allein treten uns solche in der Dicke
der W^andungen zwischen der Muskelschicht und dem Endothelium
eingebettete Tracheen entgegen. Beim Ende des Rectums erheben
sich die Wülste immer mehr und tragen sogar an ihrer Spitze kleine
Stacheln. Der Hohlraum nimmt an dieser Stelle und in der Nähe des
Afters auf den Schnitten eine sternartige Form an.
Malpighi'sche Gefässe (w, Fig. 43). — Es sind ihrer zwei; sie
entstehen jederseits am Hinterende des Mitteldarmes. Am Anfang
sind sie zuweilen in Form länglicher Taschen erweitert, deren Wände
verhältnissmässig dünn sind, aber in den Canälen werden die Wan-
dungen dicker. Man sieht sie in Gestalt von zwei nach vorn sich
richtenden weisslichen Fäden, die verschiedene Biegungen und Schlingen
zwischen den Eingeweiden beschreiben. Sie sind länger als der Körper
des Thieres und ihr freies, blindes Ende erstreckt sich bis in die Nähe
der Vorderdrüsen. Die Zusammensetzung ihrer Wandungen ist von
derjenigen der Wände des Mitteldarmes verschieden. Nach aussen
unterscheidet man eine ziemlich feine Kreismuskelschicht, auf welcher
das aus Cylinderzellen mit scharf gezeichneten Wänden gebildete Endo-
thelium sich anlegt. Der Inhalt dieser Zellen ist ungemein körnig
und in der Nähe des äusseren Randes befindet sich ein in die Länge
gezogener Kern. Die innere Höhlenöflfnung ist öfters mit zahlreichen
Anhäufungen von sehr kleinen, rundlichen, denen des Mitteldarmes
vollständig ähnlichen Körperchen erfüllt. Nach Plateau enthalten
die Malpighi'schen Gefässe keine Harnsäure.
Vorderdrüsen (?, Fig. 43). — Sie sind im Allgemeinen unter
dem Namen Speicheldrüsen bekannt und besitzen eine Länge von
sieben bis acht Millimetern. Auf beiden Seiten des Schlundes angelegt,
erscheinen die beiden Vorderdrüsen in Form von Trauben, die hinten
etwas dicker sind als vorn. Gewöhnlich sind sie lebhaft violett ge-
färbt. Ueber die Oeffnung ihres Sammelcanales ist mehrfach gestritten
worden. Einige Autoren, mit Unrecht glauben wir, finden ihn in
den Giftzangen, andere in der Mundhöhle oder auf der Bauchfläche, in
unmittelbarer Nähe der Mundöffnung. Wir sind dieser letzteren An-
sicht. Ebenso unklar ist ihre physiologische Bedeutung; sie wurden
bald als Giftdrüsen, bald als Speicheldrüsen betrachtet. Ihre Lage-
rung entspricht derjenigen der Speicheldrüsen, jedoch erfahren wir
durch die Untersuchungen Plateau's, dass ihr Absouderungsstoff von
dem Speichel der Insecten abweicht. Jeder Lappen der Speicheldrüse
Myriapoden.
109
Fig. 48.
ist von einer AnzaU von langen Läppclien gebildet, welche vinter ein-
ander durch Canäle verbunden sind , die in einen gemeinschaftlichen
Sammelcanal einmünden. Jeder
Lappen besitzt in seinem Inne-
ren einen Canal und ist von
einer sehr feinen Membran um-
hüllt. Die Zellen der Drüse
sind strahlenförmig um den
Canal geordnet und enthalten
eine Menge kleiner, durchsichti-
ger, runder Granulationen und
einen leicht erkennbaren Kern.
Die beiden Drüsenlappen wer-
den von zahlreichen Tracheen-
röhren durchzogen.
Nervensystem. — Man wird
sich die Präparation dieses
Systemes bedeutend erleichtern,
wenn man die frisch getödteten
und auf dem Rücken aufgeschlitz-
ten Thiere während wenigstens
zwei Tagen im Wasser liegen lässt.
Das Nervengewebe widersteht
vortreflFlich, während die anderen
Gewebe erweichen und anfangen
sich zu zersetzen. Wenn man
den richtigen Zeitpunkt trifft, so
kann man die ganze Nervenkette
mit dem Hirn und allen Nerven
mittelst eines leisen Zuges mit
der Pincette ohne weitere Prä-
paration ablösen.
Die gleiche Widerstandsfähig-
keit zeigt sich, wenn anstatt
reinen Wassers eine verdünnte
Lösung von Aetzkali angewendet
wird. Die Formelemente werden
durch diese verschiedenen Ver-
fahrungsmethoden kaum ange-
griffen. Die auf diesem Wege er-
haltenen Nervenketten lassen sich
färben, erhärten und schneiden.
Das Nervensystem (Fig. 48) besteht aus einem Schlundring
und aus einer Ganglienkette. Letztere verläuft in der Mittellinie des
Isolirte Nervenkette, ungefähr vierfach ver-
oTÖssert.
110 Arthropoden.
Bauches, unmittelbar über dem Tegument. Sie besitzt sechszehu unter
sich durch zwei Längsconnective und kurze Quercommissuren ver-
einigte Ganglien, welche jedes auf der Höhe der Fiisswurzeln liegen,
und namentlich in der Mitte des Körpers eine bandartig abgeplattete
Form zeigen, die auf Querschnitten erkenntlich ist. Von jedem Ganglion
entspringen seitlich drei zu den Füssen und zu den Muskeln sich be-
gebende Nerven. Das letzte Ganglion verlängert sich nach hinten in
einen kleinen, cylindrischen Anhang, welcher vielleicht ein ver-
kümm,ertes Ganglion darstellt; jedoch scheinen keine Nerven daraus
hervorzutreten. Das erste in dem die Giftzangen tragenden Ringe
gelegene Bauchganglion versorgt dieses Organ mit Verästelungen.
Der Schlundring steht beinahe senkrecht; er besteht aiTS zwei Connec-
tiven, welche um so mehr anschwellen, je näher sie in die Nähe des
Oberschlundganglions treten. Letzteres, das Hirn, ist verhältnissmässig
gross , es steht auf der Höhe der Augen und verlängert sich in die
Quere. Die beiden Hälften werden durch eine ziemlich tiefe Ein-
kerbung des Vorderrandes auf der Mittellinie getrennt. Ein grosser
Sehnerv entspringt jederseits aus dieser Hirnmasse. Von dem Hirn
werden nach vorn zwei an ihrer Basis ziemlich dicke, zu den Fühlern
laufende Zweige abgegeben, es sind dies die Fühlernerven.
In dem Räume zwischen den beiden Längscommissuren und in den
seichten Mittelfurchen der Ganglien kreuzen sich zahlreiche Tracheen-
röhren. Fettablagerungen umhüllen die Kette.
In Bezug auf die Histologie bemerken wir auf Querschnitten
(Fig. 49) zuerst eine feine Umhüllungsmembran (a) , welche sich zu-
weilen, besonders in den Mitteltheilen , merklich von der Ganglion-
masse abhebt. In dem so hergestellten Räume verlaufen die Tracheen-
zweigchen («) , die meist eine Längsrichtung zeigen. Die Hülle
verlängert sich als Scheide über die Nerven.
Die grosse Masse der Ganglien besteht aus äusserst feinen Nerven-
fasern, welche im Allgemeinen Längsrichtung zeigen und im Verein
mit einer besonderen Körnchensubstanz, wie man sie bei den Insecten
genannt hat, auf Querschnitten eine feine Punktirung (d) erzeugen.
In den Nervenwurzeln allein wird eine Querrichtung der Fasern be-
obachtet, welche sich vereinigen, um diese Wurzeln zu bilden (g). In
der oberen Rinne der Vereinigungsstelle der Ganglien werden noch
öfters senkrecht eingebettete Fasern (e) bemerkt, die aus Bindegewebe
zu bestehen scheinen u.nd wahrscheinlich nur zur Ausfüllung dienen.
In der faserigen Punktmasse sind zweierlei Zellen zerstreut.
Die einen (c) sind an der Rückenfläche der Ganglien angehäuft;
sie sind verhältnissmässig sehr gross, eiförmig oder auch in den
abgeplatteten Ganglien quer in die Länge gezogen und zeigen sehr
feine Wände, kleine an der Wand anliegende Kerne und ein so
helles und homogenes Protoplasma, dass diese Zeilen unter schwacher
Myriapoden.
111
Vergrösserung wie Holllrä^^me aussehen. In unseren Präparaten hat
sich dieses Protoplasma nie gefärbt, während im Gegentheil die Kerne
sich intensiv färbten. Die anderen Zellen (/) sind kleiner, rund und
mit sehr grossen, körnigen Kernen versehen; sie häufen sich an den
Bauchflächen der Ganglien an und lassen sich leicht im Ganzen färben.
Wir haben weder an den einen noch an den anderen dieser Zellen
Ausläufer beobachten können.
Wir haben keine eingehende Studie des Hirnes versucht , in
welchem man nur kleine Zellen mit grossen Kernen erblickt, welche
sich auf die Connective und die Seh- und Fühlernerven fortsetzen.
Die grossen, hellen Zellen fehlen im Hirne gänzlich. Uebrigens zeigt
das Hirn mehrere Lappen, worunter besonders ein Sehlappen sich auf
den Querschnitten des Kopfes auszeichnet.
Fio;. 49.
^-.
f
'3'
T
-3
Querschnitt eines der Hinterregion des Köi-pers entnommenen Ganglions (Verick,.
Oc. 3, Obj. 7, Camera lucida). a, Hülle; &, Tracheen; c, grosse, helle Zellen;
d, granulöse Masse mit durchschnittenen Längsnervenfasern; e, Gruppe von Fasern,
wahrscheinlich Bindegewebefasern, in der obei-en Mittelrinne ;/. gewöhnliche Ganglien-
zellen ; cj, Wurzeln der Seitennerven.
Wir haben keine Visceralnerven noch Ganglien in Verbindung
mit dem Hirn deutlich erkennen können. Jedenfalls findet man bei
Lithobius keine Spur des von Newport (siehe Literatur) bei Julus
beschriebenen, so complicirten Visceralnervensystems.
Sinnesorgane. — Wir haben hier nur mit den am Kopfe befind-
lichen Organen zu thun.
Die Augen sind auf beiden Seiten des Kopfes angebracht; sie
stehen auf einem länglichen, nach vorn durch die Einlenkung des
Fühlers und nach hinten durch diejenige des Tasters begrenzten
112
Arthropoden.
Fig. 50.
Räume; wir nennen diese Stelle das Augenfeld (</, Fig. 50). Dieses
Feld bildet den Rand des Kopfschildes, welches gegen die Bauchseite
hin eingebogen ist, so dass ein Theil der Augen sich auf der Bauch-
seite, ein anderer auf dem Rande und ein dritter auf der Rückenfläche
befindet. Man zählt dreissig bis vierzig in bogigen Längsreihen an-
einander gereihte Augen; das letzte am Hinterende des Feldes hervor-
tretende Auge ist immer das grösste.
Man bemerkt auf frischen oder mit Aetzkali behandelten Prä-
paraten, sowie auf Schnitten, dass die gewölbten und durchsichtigen
Augencentren durch die dicke und
wie überall auf dem Rückeuschild
gelb gefärbte Cuticula umgeben und
getrennt werden ; diese Einfassung
bildet eine Einrichtung ähnlich der-
jenigen einer Brille. Bei näherer
üntersu.chung und namentlich auf
Schnitten kann man sich über-
zeugen , dass die Cuticula durch-
sichtig und ungemein zart wird,
während sie sich über die äussere
gewölbte Augenfläche erstreckt und
hier in sehr enger Verbindung mit
einer beinahe sphärischen , jedoch
auf ihrer inneren Fläche gewölb-
teren Krystalllinse steht. Die Linse
ist ohne Zweifel chitinöser Natur,
da sie sich trotz Anwendung von
Aetzkali vortrefflich erhält; sie ent-
spricht wahrscheinlich der inneren
Schicht des Chitintegumentes. Die
Krystalllinse taucht mit den Rän-
dern ihrer inneren Fläche in eine
sehr schwarz pigmentirte Masse
ein , die wie ein länglicher Kelch
aussieht, dessen Grund nach innen
gedreht ist und der eine sehr helle
und durchsichtige Höhle umgiebt.
Bei Behandlung mit Aetzkali wird
dieses Pigment wie alle übrigen
inneren Elemente vernichtet.
Das ist alles, was sich auf Prä-
paraten und auf Schnitten ersehen
lässt, die in der gewöhnlichen Weise
gemacht werden. Um genauere
Kalipräparat. Der umgebogene Rand
des Kopfschildes ist von der Bauch-
fläche gesehen und zeigt das Augenfeld
zwischen der Einlenkung der Fühler
nach vorn und dem Rande des Tasters
nach hinten (Gundlach, Oc. 1, Obj . 4,
Camera luc.ida). a, mit Stacheln ver-
versehener Hinterrand des Basalgliedes
des Fühlers ; b , Chitinstücke , die
einen Raum umgeben, in welchen sich
der Fühler zurücklegen kann und der
nach aussen durch den Rand (c) des
sehr verdünnten Kopfschildes begrenzt
wird; d, innerer Rand der eingebogenen
Lamelle des Kopfschildes ; e, äusserer
Rand ; /, Vorderrand des Tasters ; g, zwei
Hornhautreihen zeigendes Augenfeld, die
übrigen befinden sich auf der Rücken-
fläche des Schildes; /;., Tömösvary'-
sches Organ.
Myriapoden. 113
Kenntnisse über die Structur des Auges zu erhalten , muss man das
Pigment durch Säuren, wie z. B. durch Salzsäure, Salpetersäure oder
noch besser durch Oxalsäure, zerstören. Jedoch greifen alle zu diesem
Zwecke angewandten Reagentien mehr oder minder die inneren Gewebe
an. Um befriedigende Ergebnisse zu erhalten, muss man also die auf
verschiedenen Wegen gewonnenen Resultate combiniren. Deshalb
befinden sich die Autoren in vollständigem Widerspruch; wir folgen
hier der Beschreibung von Gren acher (siehe Literatur), die uns der
Wahrheit am nächsten zu kommen scheint. Die Krystalllinse ruht
auf dem inneren Becher, welcher von einer zarten Cuticularlamelle um-
geben ist, die von den Fasern des Sehnervens durchbohrt wird. Aiif
ihrem Umkreise und im Centrum lassen sich einzelne Kernzellen,
Ueberbleibsel der Hypodermis und des gänzlich fehlenden Glaskörpers,
bemerken. Der Cylinderhals des Bechers ist mit langen Zellen mit
sehr grossen Kernen besetzt, deren Wände kaum ei'sichtlich sind und
die auf ihrem inneren Ende feine, kaum lichtbrechende, gegen die
Axe des Cylinders gerichtete Härchen tragen. Der hintere, halb-
kugelige Theil des Bechers wird von etwa zwanzig Zellen der Netz-
haut eingenommen, die strahlenförmig gestellt sind und so sehr den
Haarzellen gleichen, dass letztere eine einfache Modification der Retina-
zellen zu sein scheinen. Mit ihren Hinterenden stehen diese Retina-
zellen in Verbindung mit den Fasern des Sehnerven, während sie auf
. ihren freien Enden den Hohlraum erfüllende Stäbchen tragen, welche
so zart sind, dass Grenacher wohl ihr Dasein behaupten, jedoch
nichts Näheres über ihre Form oder Structur sagen kann.
Ein seltsames Organ, welches wir nach dem Namen des Entdeckers
das Tömösvary'sche Organ nennen, befindet sich am inneren Vorder-
winkel des Augenfeldes, in unmittelbarer Nähe der Einlenkung des
Fühlers. Kaum kann man es auf Kalipräparaten (h, Fig. 50) in Form
einer sehr dünnen Scheibe erkennen, in deren Mitte eine kleine, von
einem concentrischen Kreiswülstchen umgebene Oeffnung sich zeigt.
Die winzigen Chitinwärzchen, welche sich überall auf dem Kopf-
schilde vorfinden, sind besonders auf der Scheibe des Organs entwickelt.
Schnitte (Fig. 51 und 52, a. f. S.) können uns über seine Organisation
Auskunft geben. Im Centrum der Scheibe befindet sich eine becher-
förmige Vertiefung mit enger OefiFnung, welche jedoch gegen den Grund
hin sich erweitert und mit starken Chitinrändern umgeben ist. Der
Grund dieser becherförmigen Aushöhlung ist nicht ganz eben ; er ist von
einem tieferen Graben umgeben und zeigt in der Mitte eine Oeffnung.
Die Wände des Bechers sind mit sehr aneinander gepressten, undurch-
sichtigen Granulationen bedeckt, welche sogar reihenförmig aufgestellt
scheinen imd vielleicht durch kleine , kurze und dicke Borsten ge-
bildet sind. Aus der centralen Oeffnung ragt ein kleines, körniges
Wärzchen hervor (c, Fig. 52), von welchem körnige und wellige Nerven-
Vogt u. Tuug, prakt. vergl. Anatomie. II. 3
Fio-, 51.
114 Arthropoden.
fasern ausstrahlen, welche man bis in die körnige Masse des Sehlap-
pens der Hirnmasse verfolgen kann. In einem unserer Schnitte
(d, Fig. 51) haben wir noch ein getrenntes, gegen die Peripherie des
Bechers hinlaufendes Bündel dieses Nerven beobachtet.
Wir sind der Meinung,
dass das Organ von Tö-
m ÖS Vary ein Riech-
Organ ist.
Man findet bei Lithobius
keine Hörorgane, es wäre
denn , dass man die auf
Seite 92 beschriebenen
Bildungen der Hüftglieder
der Hinterfüsse als solche
ansehen wollte.
Das Tastgefühl scheint
bei den Myriapoden an den
Fühlerborsten concentrirt;
sie besitzen keine eigene
Form; man findet aber an
ihrer Basis ein vom Fühler-
nerven herrührendes Ner-
vengewebe.
Wir haben gesehen, dass
auf den verschiedenen
Mundgliedern zahlreiche
Fiederborsten stehen, deren
Formen und Grössen ver-
schiedenartig sind; sie
vermitteln wahrscheinlich
Geschmacksempfindungen.
Fio;. 52.
d ü-
<^
Fig. 51. — Sagittalsehnitt, wel-
cher die Nähe des CentTums
des Tömijs Vary 'sehen Organes
streift (Gundlach, Oc. 1, Obj. 5,
Camera lucida). a, Grenzlinie
des Kopfsehildes; i, Grenzlinie
des Organschildes ; c, körniges Wärzchen in der Mitte der Kelchvertiefung ; c', Chitin-
rand des Kelches ; d, isolirtes, von dem Grunde des Kelches ausgehendes Faserhündel ;
e, Hauptbiindel ; _/", körnige Substanz (Nervensubstanz ?) ; </, Linse eines angeschnittenen
Auges ; /; 7;, angeschnittene Choroidea.
Fig. 52. — Das Tömösvary ' sehe Organ. Streifender Sagittalsehnitt (Verick,
Oc. 3, Obj. 7, Camera lucida). a, Chitinrand des Kopfschildes; h, Grenzlinie des
Organschildes; r, Chitinhülle des Bechergrundes; d, Rand der Becheröffnung; e, cen-
trales Nerven (?) Wärzchen; /, gegen das Wärzchen sich erstreckendes Bündel von
Nervenfasern.
Myriapodeu.
115
Doch müssen wir bemerken, dass nach den Versuchen von Plateau
(siehe Literatur) die Fiederhaare der Palpen sich nicht an der Ge-
schmacksempfindung betheiligen.
Athemorgane. — Die überall gleichartigen Tracheenöffnuugeu,
die Stigmen, finden sich auf den Seitenfiächen des Körpers, in der
feinen, biegsamen Verbindungsmembran zwischen den Rücken- und
Bauchplatten; sie stehen unmittelbar an den Hinterrändern der ent-
sprechenden Fiissgelenke. Um sie in ihrer Stellung zu erblicken,
braucht man nur einen chloroformirten und auf die Seile gelegten
Lithobius zu. beobachten. Schon mit blossem Auge bemerkt man die
Stigmen, wie sie sich aiif der weissen Verbindungsmembran als kleine,
glänzende Pünktchen von brauner Farbe abheben.
Um das Respirationssystem des Lithobius in seinem Ganzen zur
Anschauung zu bringen, rathen wir vorsichtige Anwendung von Aetz-
Fio-. 53. kali. Da die Stigmen und
die Tracheen chitinöser Na-
tur sind, so erhalten sie sich
vortrefflich , während die an-
deren inneren Organe durch
das Kali zerstört werden. Die
Tegumente werden durch
diese Behandlung aufgehellt,
so dass man unter dem Mi-
kroskop sämmtliche Tracheen-
verästelungen im Inneren des
Körpers verfolgen kann. Wählt
man kleinere Individuen aus,
deren Tegumente völlig durch-
sichtig werden, so kann man
die feinsten Verästelungen
der Tracheen erspähen , be-
sonders wenn die Präparate
sorgfältig gewaschen und in
Glyceriu eingesetzt worden
sind.
Die Stigmen (Fig. 53)
stehen paarweise auf beiden
Seiten des dritten, fünften,
achten, zehnten, zwölften und
vierzehnten fusstragenden Segmentes. Sie erscheinen als enge, knopf-
lochförmige, etwas schräg von oben und vorn nach unten und hinten
gerichtete Spalten und sind auf einem kleinen, runden Schildchen oder
"Wärzchen angebracht, welches aus einer Verdickung des Chitintegu-
mentes gebildet ist und einige stai-re, wohl zur Vertheidigung dienende
8*
\ «•
Ein abgelöstes, mit Aetzlvali behandeltes Stigma
(Zeiss, Oc. 1, Obj. 2, Camera lucida). a, ver-
dickter Eand der borstigen , das Stigma tra-
genden Chitinlamelle ; &, Lippe der Spalte mit
Reihen von kleinen Häkchen ; c, Spaltöffnung
des Stigmas; cZ, Sack mit emporstehenden
Körnern ; e, Gruppe der aus dem Sack aus-
laufenden , dorsalen Tracheen ; /, Gruppe der
ventralen Tracheen; g,g-i feine, oberflächliche
Tracheen , die beinahe unmittelbar von der
Spaltöffnung ausgehen.
116 Arthropoden.
Borsten trägt. Das Knopfloch selbst bildet, von der Fläche aus ge-
sehen, eine linsenförmige Spalte mit zwei wulstigen Lippen von sehr
dickem, beinahe schwarzem Chitin. An den beiden Ecken des Knopf-
loches verbinden sich die beiden Lippen durch Bogen, auf welchen
man wie auf den Lippen parallelle , schwarze Streifen erblickt. Diese
Streifen gehen auf der Peripherie der Wülste in ein kleines, mit
schwarzen Granulationen bedecktes Feld über.
Die Structur giebt sich deutlicher in der Profilansicht zu erkennen.
Jeder Wulst ist in der Mitte angeschwollen, so dass er einen stumpfen
Winkel bildet. Die parallelen Streifen sind erhabene Rippen, auf
deren freien Rändern abgestumpfte, nur unter sehr starker Vergrösse-
rung erkennbare Zähnchen eingesetzt sind. Diese zahntragenden
Rippen, die in die Knopflochöffnung vorspringen, bilden ohne Zweifel
einen Apparat, welcher die in der Luft schwebenden Unreinlichkeiten
zurückhält.
Die Spalte öff'net sich in eine Art von Sack oder Behälter (d),
welcher sehr kurz ist und die gleichen Dimensionen wie die Spalte
zeigt. Die Zähnchen sind immer noch auf der inneren Fläche dieses
Säckchens, von welchem sogleich die Tracheen ausgehen, entwickelt,
gehen aber nach und nach in eine Art Netzgewebe und schliesslich in den
Spiralfaden der Tracheen über. Ausser einigen grossen Stämmen (e,/),
welche sich bald verzweigen, um in das Innere zu laufen, findet man
an allen Stigmen eine gewisse Anzahl von feinen und oberflächlichen
Tracheen ((/), die ebenfalls aus dem Sacke und zwar unmittelbar hinter
der Stigmenöff'nung entstehen und in der nächsten Nähe desselben sich
verästeln.
Die Tracheen besitzen durchaus die gleiche Structur wie die-
jenige der Insecten. Der Spiralfaden ist leicht darin erkenntlich;
man trifft ihn zuweilen auf Zerreissungen mehr oder weniger aus ein-
ander gerollt und getrennt, während er sonst in der Normalstellung
äusserst enge Windungen bildet. Er ist bekanntlich an eine feine
Chitinhülle angelehnt, welche sich allein in die feinsten Verästelungen
mit der kernreichen Mati'ix fortsetzt , die man aber auf frischen oder
nur durch Glycerin erhellten Individuen beobachten mqss, da das Kali
diese Schicht von verschmolzenen Zellen vernichtet.
Die Vertheilung der Tracheen, die aus den fünf hinteren Stigmen-
paaren entspringen, ist ziemlich einfach. Man findet immer zwei
Hauptgruppen von Stämmen, eine oberflächlichere (e, Fig. 53), deren
Zweige in querer Richtung bis zum entgegengesetzten Rande des
Segmentes verlaufen, und eine tiefere Gruppe (/, Fig. 53), welche
sich gegen die Bauchfläche wendet, indem sie namentlich den Hinter-
theil des Segmentes und das folgende Segment versorgt, wenn sich
in diesem keine Stigmenöffnung vorfindet.
Einen weit verwickeiteren Verlauf besitzen die Tracheen , welche
Myriapoden.
117
vom ersten, an der Basis des dritten Fusspaares gelegenen Stigmeu-
paar ausgehen, da sie nicht nur den Kopf, das Giftzangensegment
lind die drei folgenden fusstragenden Segmente, sondern auch noch das
stigmenlose, vierte fuss-
tragende Segment mit
Luft versorgen müssen.
Ausser den feinen ober-
flächlichen Tracheen, die
auch an den übrigen
Stigmen vorkommen {g,
Fig. 53), finden wir noch
zwei grosse Kopfstämme :
der eine rückenständig
(b, Fig. 54) und der an-
dere bauchstäudig (/<,
Fig. 54). Die beiden
Von der Eiickeufläclie aus
gesehenes Kalipräparat , um
die Anordnung der Haupt-
tracheen im Vorderkörper
vom ersten Stigma an zu
zeigen (Gundlach, Oc. 1,
Obj. 00, Camera lucida). Die
Segmente mit ihren Anhäng-
seln sind nur durch Linien
angedeutet, mit Weglassung
der Borsten, Stacheln u. s. w.
Die oberflächlichen Stämme
und Hauptzweige der Tra-
cheen sind durch Querschraf-
firungen schattirt worden ;
die tieferen Zweige , welche
\ sich nach der Bauchfläche
richten, sind nur mit Strichen
angedeutet. Die feinen Endverästelungen wurden gänzlich vernachlässigt, und um die
Zeichnung nicht allzu sehr zu überladen, wurden öfters die Tracheen nur auf einer
Seite gezeichnet. Da das System durchaus symmetrisch ist, so ist es leicht, das Ganze
zu ergänzen. A, Eand des Kopfschildes; 5, Fühler; C, das Schild überragender Rand
der Palpen; D, Giftzangen; E, Augen; F, Segment der Giftzangen; G, weiches
Tegument der Seiten ; I bis IV, die vier ersten Fusspaare mit ihren entsprechenden
Segmenten ; a, erstes Stigma ; 6, dorsaler Kopftracheenstamm ; c, die Tracheen der
Giftzangen liefernder äusserer Ast ; d, den Fühlerzweig (e) abgebender aufsteigender
Ast, welcher sich ni einen Pinsel (/) auflöst, von dem die Zweige zum Nervensystem
und zu den Mundorganen ausstrahlen ; ij, feine oberflächliche Tracheen, die direct vom
Stigma abgehen ; 7i, tiefer Kopfstamm, welcher sich in i mit demjenigen der anderen
Seite kreuzt und Verzweigungen zu den Mundorganen, dem Darm und einen zweiten
Fühlerzweig (k) abgiebt ; /, das dritte Körpersegmeut nach vorn versorgender Stamm ;
m, zurücklaufender Stamm, der einen Zweig zu dem vierten P'usspaare abgiebt;
71, tiefer, hinterer Stamm des Segmentes.
118 Arthropoden.
dorsalen Stämme nähern sich der Mittellinie, indem sie sich nach vorn
richten und berühren sich beinahe auf der hinteren Grenze des ersten fuss-
tragenden Segmentes. An diesem Punkte trennen sie sich von Neuem und
entsenden einen Zweig zu dem zweiten Fusspaare. Indem sie ihren Lauf
parallel der Mittellinie fortsetzen, verzweigen sie sich bald in zwei Ver-
ästelungen, von denen die äussere (c) sich zu den Giftzangen begiebt,
während die innere (d) sich im Centrum der Kopfplatte in einen sehr
verwickelten Pinsel von Verzweigungen auflöst (d), welche zu den Augen,
zum Oberschlundganglion und zu den benachbarten Theileu laufen.
Einer dieser Zweige setzt seinen welligen Gang zum Fühler (e) fort,
welchen er mit einem anderen, von dem tiefen Stamm (h) gelieferten
Zweige (k) bis zu seinem Ende durchsetzt. Der tiefe Stamm folgt im
Allgemeinen dem dorsalen Stamme, indem er ebenfalls Zweige zum
ersten Fusspaar vmd den Giftzangen sendet und sich schliesslich
pinselartig auflöst. Seltsamerweise kreuzen sich die beiden tiefen
Stämme vor ihrer Kopfverzweigung (?) so , dass durch den rechten
Stamm die Kopftheile, das Nervensystem, die Mundorgane u. s. w. der
linken Seite besorgt werden und umgekehrt.
Die Tracheen vertheilen sich in alle Organe, indem sie zuweilen
ziemlich verwickelte Netze bilden. Es ist uns nicht möglich gewesen,
sie bis zu ihren letzten Verzweigungen zu verfolgen und wir wissen
nicht, wie sie enden. W^ir können nur behaupten, dass wir nirgends
Anastomosen gefunden haben ; die feinsten Verzweigungen bleiben stets
von einander getrennt. Einige innere Organe zeigen ziemlich com-
plicirte und reichlich entwickelte Tracheennetze ; unter diesen wollen
wir den Muuddarm, das Rectum, die Connective der Nervenkette und
die kleinen Endzangen des weiblichen Geschlechtsapparates hervor-
heben. Im Rectum dringen die längs laufenden Zweige zwischen die
Peritonealhülle und die Schleimhaut ein, so dass man auf Querschnitten
die kleinen Tracheen wie Löcher erblickt (e, Fig. 47); auf der Gang-
lienkette verlaufen die Zweige zwischen den Strängen der Connective,
während sie sich auf den Ganglien nicht so zahlreich vorfinden. End-
lich findet man immer zwischen dem Herz und den Tegumenten feine
Längstracheen (g, Fig. 55), welche dem Herzen in seiner allgemeinen
Richtung folgen.
Kreislaufs Organe. — Das Blutgefässsystem bei Lithobius ist
zum grossen Theil lacunär, oder mit anderen Worten, das Blut fliesst
nicht immer durch Canäle mit eigenen Wandungen. Es giebt zwei
Längscanäle, einen dorsalen und einen ventralen; der erste ist längst
unter dem Namen Herz bekannt und leicht aufzufinden. Bei vielen
Exemplaren sieht man das Herz durch die Tegumente der Rücken-
fläche durchschimmern als einen hellen , an verschiedenen Stellen an-
geschwolleneu Streifen. Die Contractionen des Herzens lassen sich
leicht bei einem Thiere beobachten , das gerade hinreichend chloro-
Myriapoden. 119
formirt ist, um keine Bewegungen mehr machen zu können ; das Rücken-
gefäss dehnt sich abwechselnd auf seiner ganzen Länge aus und zieht
sich wieder zusammen ; man zählt ungefähr 80 Pulsationen in der
Minute. Das diesen Canal füllende Blut ist farblos ixnd enthält eine
Menge weisser Kügelchen.
Das Herz erstreckt sich ungefähr von einem Ende des Körpers
zum anderen. Es haftet an der inneren Fläche derTegumente an und
bildet keine einfache Röhre, sondern zeigt 15 Anschwellungen oder
Kammern, welche mit Ausnahme der ersten und der letzten unter sich
gleich sind. In der folgenden Beschreibung der Gefässverzweigungen
folgen wir hinsichtlich einzelner Punkte der Arbeit von Xewport
(siehe Literatur). Hinter dem Kopfsegment befindet sich die erste
Herzkammer; sie theilt sich nach vorn in drei Aeste, einen mittleren
und zwei seitliche. Der erste ist sehr fein und läuft in gerader Linie
zum vorderen Ende des Kopfes; er giebt Zweige an die Mundglieder ab
und steht durch einige Verästelungen mit dem ventralen Blutcanal in
Verbindung. Die beiden vom Herzen ausgehenden Seiteuzweige laufen
zuvor rechtwinkelig von diesem an der Rückenüäche , biegen sich
dann zur Bauchfläche hinab und bilden so einen Ring, indem sie sich
auf der Mittellinie zur Bildung des Bauchgefässes vereinigen,
welches unrichtiger Weise von einigen Autoren Supraspinalarterie
genannt worden ist. Letztere wurde von uns einmal von dem Cölom
aus eingespritzt. Die zu diesen Einspritzungen geeignetste Masse ist
flüssige chinesische Tusche, wie man sie zum Zeichnen gebraucht. Mit
einer kleinen Pravasspitze treibt man die Tusche in das Cölom ein,
ohne einen starken Druck auszuüben. Man hält das Instrument mög-
lichst parallel zum Köi-per des Thieres; dasselbe erstarrt und die
Flüssigkeit dringt in die Fühler, in die Giftzangen und in die Basis
der Füsse ein ; ein einziges Mal wurde auch das Supraspinalgefäss
bei dieser Behandlung gefüllt. Der Canal lässt sich auch ziemlich
leicht auf in Paraffin gemachten Querschnitten erblicken ; er liegt
obei'halb der Xervenkette, gewöhnlich zwischen den beiden Strängen
und ist immer von zahlreichen Tracheenröhren umgeben. Das Blut
wird durch die Contractionen des Rückengefässes in die vorderen Ver-
zweigungen und durch diese in die Supraspinalarterie getrieben und,
indem es dieses Gefäss von vorn nach hinten durchläuft , circulirt es
im ganzen Körper, in den Muskeln und in der Umgebung der Tracheen-
röhren durch kleine, von der Arterie auf ihrem Verlaufe ausgesandte
Verzweigungen. Hinter dem 14ten Ganglion der Nervenkette theilt sich
nach Newport die Arterie in zwei parallele Stämme, welche Zweige
zu den Geschlechtsorganen abgeben. Das Blut ergiesst sich in die
Körperhöhle, umspült die Oi'gane, die Tracheenstämme nebst ihren
Verästelungen und fliesst schliesslich zum Herzen zurück, in welches
es durch kleing, auf den Seiten dieses Organs gelegene Spaltöffnungen
120
Arthropoden.
eindringt. "Was nun die histologische Bildung der Blutcanäle betrifft,
so bemerken wir zuerst, dass die Wände des Herzens (Fig. 55) durch
zwei öfters eng aneinander geheftete Membranen gebildet sind. Die-
selben bestehen aus äusserst zarten Muskelfasern. An dem Punkte,
wo die Seitenwände in die ventrale Wand (/) des Gefässes übergehen,
bemerkt man , dass die beiden Membranen sich von einander trennen
und zu den Seiten des Thieres verlaufen. Nach einem kurzen Ver-
laufe vereinigen sie sich alsdann wieder und setzen sich in die Peri-
tonealmembran fort. Die Fasern bilden auf diese Weise seitliche
Muskelflügel des Rückeng efässes und erzeugen durch die Trennung
der beiden Lamellen einen dreieckigen Raum auf beiden Seiten des
Gefässes, der stets mit Fettgewebe (Ii) angefüllt ist. Einige Fäserchen
verbinden ebenfalls das Rückengefäss mit der unteren Fläche der
Querschnitt des Herzens (Verick, Oc. 1, Obj. 2, Camera lucidu). a, Cuticula der
Rückenfläche ; h, Hypodermis ; c, c, von Muskeln eingenommene Hohlräume ; d^ Herz-
höhle ; e, ihre Seitenwände ; /", Bauch wand des Herzens ; ij, Durchschnitt einer Trachee ;
h h. Massen des Fettgewebes ; i, Darmwand.
Cuticula. Während auf Querschnitten das Rückengefäss stets offen
klafft, zeigt das Supraspinalgefäss im Gegentheil zusammengefallene,
verhältnissmässig dicke Wandaugen, die zahlreiche Fasern enthalten,
welche indessen bindegewebiger Natur zu sein scheinen und durchaus
nicht contractu sind.
Geschlechtsorgane, — Männliche Organe (Fig. 43, 56). Sie
bestehen bei Lithohius aus drei Hodenröhren und zwei Paaren von
Nebendrüsen. Sie zeigen sich besonders im Frühling entwickelt, von
April und Mai bis Juni.
Myriapoden. 121
Die Hodencanäle besitzen das gleiche Aussehen {ii, o, Fig. 43).
Sie erscheinen als ziemlich steife, um den Darm bis zum vierten Fuss-
paare gewundene Röhx'en von kreideweisser Farbe, welche von der
Färbung der übrigen Organe absticht. Ihre Schlingen sind besonders
um das Hinterende des Mitteldarmes entwickelt. Die mittlere Röhre (n)
ist bedeutend länger als die seitlichen (o). Ihr Volumen variirt je
nach dem Füllungsgrade.
Die beiden Seitencanäle (o) enden frei im Cölom mit einem ab-
gerundeten, gewöhnlich etwas gebogenen Ende; sie werden in ihrer
Stellung nur durch die Schlingen der Malpighi'schen Gefässe und
einiger weniger Tracheen erhalten. Der Mittelcanal {)i) dagegen ver-
dünnt sich ungemein, indem er sich auf sich selbst zurückbiegt, und
scheint mit nacktem Auge oder unter der Lupe in ein feines durch-
sichtiges Fädchen (w') zu enden, welches sich gegen die Körperwand
wendet und sich zwischen den Massen der Muskeln und des Fett-
körpers verliert. Man kann aber unterm Mikroskop leicht nachweisen,
dass der etwas schlanker werdende Canal in gleicher Weise wie die
Seitencanäle blind endet, ungefähr auf der Höhe des Vorderendes der
Nebendrüsen, und dass seine scheinbare Fortsetzung nur durch eine
Trachee und ein Ligament des Bindegewebes gebildet wird.
Die beiden Seitencanäle vereinigen sich auf der Rückenfläche des
Rectums in einen Quercanal, in Mitte dessen die unpaare Röhre mündet
(Fig. 43). Von dem Einsetzungspnnkte dieses Quercauals ab setzen
die Seitenröhren ihren Verlauf nach unten fort, indem sie seitlich das
Rectum umschlingen und auf dessen Bauchfläche schlüpfen , wo sie
eine Art gemeinschaftlicher Tasche bilden, in welche auch die Aus-
scheidungscanäle der Nebendrüsen münden. Diese Tasche öffnet sich
sichtlich nach aussen durch eine vor dem After gelegene mediane
Spalte, ist aber so eng an das Rectum angeheftet, dass eine Trennung
nicht möglich ist und wir sogar im Zweifel sind , ob nicht eine Ver-
bindung zwischen ihr und dem Rectum existirt.
Die beiden Paare der Nebendrüsen sind meist beiderseits so eng
an einander angeheftet, dass man leicht glauben könnte, es sei nur
ein einziges Paar vorhanden. Sie bestehen aus Läppchen, die um
einen Centralcanal geordnet sind, und man triff"t Exemplare, bei
welchen eine oder mehrere dieser Drüsen nach vorn in einer blind
geschlossenen Fortsetzung des Canals enden , auf welcher einzelne
Läppchen eingepflanzt sind. Je nach dem AnfüUuugsgrade haben
die Drüsen eine kreideweisse oder, wenn sie nicht sehr thätig sind,
eine violettblaue Farbe. Sie bilden zusammen zwei den Darm auf
beiden Seiten und auf der Bauchfläche umfassende Massen. Die
grossen Drüsen (p, Fig. 43; /, Fig. 56, a. f. S.) nehmen wesentlich
das ganze hintere Drittel des Cöloms in der Nähe der ventralen
122
Arthropoden.
Mittellinie ein, während die kleinen Drüsen (g, Fig. 43; c, Fig. 56)
mehr auf die Seiten rücken. Die Ausscheidungscanäle dieser Drüsen
münden jederseits in die Eudtasche durch eine gemeinschaftliche Oeff-
nung, in der nächsten Nähe der Sammelcauäle.
Um die histologische Structur dieser Theile mit genügender Ge-
nauigkeit zu kennen, müsste man junge oder überwinternde Individuen
untersuchen, die uns nicht zu Gebote standen. Während der lebhaften
Thätigkeit der Organe ist die Structur immer mehr oder weniger durch
die bedeutende Entwicklung der Producte geändert oder sogar ver-
wischt.
Alle drei Hodeucanäle besitzen eine ähnliche Structur. Eine feine
Peritoneallamelle, welche von einer Schicht von Kreismiiskelfasern ge-
Mänuchen von Lithobius. Querschnitt des Körpers (Verick, Oc. 1, Obj. 0, Camera
luclda). a, Rückentegument ; 6, Bauchtegument ; c, unpaarer Hoden; d, seitliche
Hodenröhren ; e, kleine Nebendrüse ; /, grosse Nebendrüse ; g, Fettmassen ; h, Darm ;
i, Absonderungscanal der Geschlechtsnebendrüsen; h , M a 1 pi gh i'sche Gefässe ;
l, Nervensystem; m, Herz ; w, Bauchgefäss; o, die iintere Fläche der Rückenhaut
bedeckende Muskeln ; p, das Bauchchitin überziehende Muskeln ; q, Seitenmuskeln ;
r, durchschnittene Tracheenröhren.
folgt ist, umgiebt sie. Diese Schicht ist dicker in der Nähe der
Cloakenöffuung und in den zusammengeschnürten Theileu, wo nicht
so viel Producte in der Röhre angesammelt sind ; dagegen verdünnt
sie sich ungemein auf den durch innere Anhäufungen ausgedehnten
Theilen. Auf der unpaaren Röhre haben wir ausserdem von einander
Myriapoden.
123
getrennte und auf der äusseren Fläche der Kreisschiebt verlaufende
Längsfasern bemerkt.
Was nun das Endothelium anbetrifft, so wechselt es ungemein
sein Aussehen, je nach den Stellen und je nach der Entwicklung der
Zellen. Auf den der Cloake benachbarten Theilen, welche gewöhnlich
leer sind, erblickt man sehr verlängerte, mit deutlichen Kernen ver-
sehene Zellen , die mehrere Schichten bilden , Körner und zuweilen
Vacuolen auf ihren inneren Enden zeigen. Eine gleiche Bildung des
Eudotheliums ist uns auf Querschnitten der paarigen Röhren (Fig. 57)
aufgefallen, wo die Oeffnung nur noch eine schleimige , in Folge der
Reagentien körnig gewordene Masse mit Bündeln von reifen Zoospermen
enthielt. Im Mittelcanal dagegen , wo die Zellenkuospuug in voller
Thätigkeit vorgeht, ist die Anordnung eine ganz andere. An die
Muskelschicht schliesst sich eine Schicht von Zellen mit grossen Kernen
an, welche successiv in Schichten von anderen Zellen übergeht, die
ungemein anwachsen, sich nach und
nach von den Wänden ablösen und
allmählich in Bündel von Zoospermen
sich umwandeln, welche jedoch nicht
in Scheiden eingeschlossen werden
und keine Spermatophoren bilden,
wie man sie bei anderen Myriapo-
den findet. Wir geben hier zwei
Figuren, wovon die eine (Fig. 58, J.,
a. f. S.) einen Theil eines Quer-
schnittes, die andere einen Theil
eines Längsschnittes (Fig. 58, B)
darstellt, aus welchen der Anfänger
die Mannigfaltigkeit der Anorduun-
Fio-. 57.
Theil eines Querschnittes einer tseitlichen
Hodenröhre (Verick, Oc. 3, Obj. 7. Ca-
mera lucida). a, äussere Schicht von
Kreismuskelfasern ; b, Enclothelialzellen;
c, ihre Kerne.
gen ersehen kann. Immerhin muss
man bedenken , dass alles in eine
schleimige , durch die Reagentien
körnig gewordene Substanz einge-
hüllt ist. Die Entwicklung der
Spermatocyten , auf welche wir hier nicht eingehen können, wurde in
allen ihren Einzelheiten von Gilson und Pernant (s. Literatur) dar-
gelegt. Die reifen Zoospermen des Lithobius und im Allgemeinen der
Chilopoden sind sehr lang und fadenförmig. Man kann an ihnen drei
verschiedene Regionen unterscheiden : einen vorderen spiraligen Theil,
einen mittleren cylindrischen Theil und einen feineu, aber kurzen
Endfaden.
Die grossen Nebendrüsen zeigen innerhalb einer zarten Hülle
nur ein abgeplattetes Pflasterepithelium , dessen Zellen mit den
Kernen deutlich hervorstehen. Sämmtliche Höhluogen sind mit
124
Arthropoden.
feinen, im frischen Zustande bereits vorhandenen Granulationen über-
füllt.
Jedes Läppchen der kleinen Nebendrüsen ist ebenfalls mit einer
feineu Hülle vimzogen , an welcher die Zellen haften , die aber ver-
schiedene Formen zeigen ; die einen sind fast rund mit deutlichem
Nucleus und Kernchen , während die anderen vollständig durchsichtig
sind und einen an der Wand sitzenden Kern besitzen. Das Innere
des Läppchens zeigt eine coagulirte Masse, in welcher man zuweilen
Kerne antrifft. Der Absonderungscanal der Drüse besitzt verhältniss-
mässig dicke Wandungen, welche aus grossen, länglichen, stark kör-
Fig. 58.
Stücke von Durchschnitten der mittleren Hodenröhre (Verick, Oc. 3, Obj. 7, Camera
lucida). A, Querschnitt ; i?, Längsschnitt. «, Schicht von Quermuskelfasern ; 6, dieser
Schicht aufgesetztes Endothelium ; c, Samenbildungszellen in verschiedenen Stadien
der Entwicklung ; cZ, Bündel von Zoospermen ; e, äussere Längsmuskelfiisern.
nigen Zellen bestehen, die alle einen eiförmigen Kern zeigen , welcher
dem freien Ende der Zelle genähert ist.
Sämmtliche histologische Untersuchungen werden durch die Zart-
heit der Zellen und der Menge des klebrigen , von kleinen Körnchen
überfüllten und beinahe immer die Läppchen verstopfenden Secretes
sehr erschwert. Diese Körnchen scheinen bei durchfallendem Licht
schwarz; sie zeigen Brown'sche Bewegungen.
Wir wollen hier das Endglied des Körpers der Männchen (Fig. 43)
besprechen.
Myriapoden. 125
Die verschiedenen erwähnten Canäle münden in eine Art Yon
röhrenförmiger Cloake, welche sich nach aussen mit einer von meh-
reren Chitinbildungen bedeckten Spalte öffnet. Das Cloakenende wird
in der That auf der Bauchseite durch eine nach hinten abgerundete
Platte überdacht, auf deren beiden Seiten sich eng an einander die
Basalglieder des letzten P"'usspaares (r) anlegen , so dass die durch-
löcherten Coxalschilde dieser Griieder die Endtheile umfassen. Man
findet ferner in der Mitte zwei kleine, mit einigen Haaren (s) versehene
Chitinplatten, welche durch einen weichen und durchsichtigen, me-
dianen Streifen vereinigt sind. Sie könnten die Gesclilechtsplatten
genannt werden. An dieser Yereinigungsstelle erhebt sich ein cen-
trales Wärzchen in Form eines abgestumpften Kegels («), auf welchem
einige starre Borsten eingepflanzt sind und dessen Aussenseiten von
zwei starken und gebogenen Chitinlamellen (t), den äusseren Geschlechts-
platten, umgeben sind. Unter der Lupe würde man glauben zwei
Haken zu sehen, deren freie Spitzen gegen die Mittellinie gerichtet
wären. Dieses derbe Wärzchen ist auf der Bauchfläche der Geschlechts-
öffnung gelegen und es würde vielleicht nicht unrichtig sein , es als
ein Reizungsorgan, als einen Penis, zu betrachten.
Die Geschlechtsöffnung wird von der Afteröffnuug durch eine
horizontale, schwax'ze, starke Platte (ic) getrennt, deren Ende beinahe
rechtwinklig abgeschnitten ist. Man könnte sie die Perinealplatte
nennen. Zuletzt wird die Afteröffnung von der Rückseite durch eine
einzige, in der Mitte etwas ausgebreitete Platte (r) überdeckt, die voll-
ständig das Aussehen einer gewöhnlichen Rückenplatte besitzt.
Mit Ausnahme der beschriebenen Warze giebt es also keine Be-
gattungsorgane, die man als solche bezeichnen könnte.
Leon Dufour hat den männlichen Apparat bei Lithobius ziemlich
gut beschrieben und abgebildet: er begeht nur den Irrthum, die Xeben-
drüsen als die eigentlichen Hoden und die Hodenröhren als Samen-
bläschen zu betrachten.
Weibliche Organe (Fig. 59 und 60). — Das Verhalten dieser
Organe wechselt ungemein, je nach dem Zeitpunkt, wo man sie beob-
achtet. \Yir haben sie im Mai untersucht , als die Eier theil weise
reif waren.
Der auf der Rückenfläche des Darmes gelegene Eierstock
(Fig. 59, «, a. f. S.) erstreckt sich in dieser Zeit bis zum Kopfe, und eine
Verletzung desselben ist bei Oeffnung des Thieres schwer zu vermeiden.
Seine Wände sind ausserordentlich zart und bestehen aus einer feinen
Peritonealscheide , in welcher Pikrocarminfärbung zahlreiche körnige
Kerne unterscheiden lässt. Auf der Innenfläche dieser Hülle lagern
Eier in sehr verschiedeneu Entwicklungsstadien. Die kleinsten lassen
sich nicht von runden Epithelialzellen mit durchsichtigem Protoplasma,
Kern und Kernkörperchen, unterscheiden; während des Wachsthums
126
Arthropoden.
wird das Protoplasma körnig, milchweiss und zuletzt werden die
anderen Theile des Eies durch seine Undurchsichticrkeit der Beob-
Fio-. 59.
Dreifach vergrösserte weibliche Organe, von der Rückenfläche aus gesehen. Man hat
die verschiedenen Organe besonders auf der rechten Seite ausgebreitet und den Darm,
der in der Normalstellung die Mittellinie einnimmt, zur Seite geschoben, oj, Eier-
stock; a^, reifes Ei; a^, Ende des Eierstocks im Eileiter; b, Eileiter; c, seine Aus-
breitung; c', das Rectum umschlingende und zur Cloake sich erstreckende Canäle ;
d, Kittdrüsen; d^, Ausführungscanal ; d^, Behälter; e, Schleimdrüsen; e', ihre Aus-
führung'scanäle , welche sich unter dem Rectum vereinigen und in die Cloake
münden ; /, Samenbehälter ; /', Hals dieser Behälter ; g, theilweise mit dunklen Gra-
nulationen gefüllter Mitteldarm; 7i, Malpighi'sche Gefässe ; h', Erweiterungen der-
selben an ihrer Einmündung, -die mit schwarzen Granulationen gefüllt sind (in diesem
Exemplar allein haben wir diese Ausweitungen bemerkt) ; i, Rectum ; Je, Theil des
Endsegmentes des Körpers ; l, letztes Fusspaar ; m, After; ?i, Afterscheide ; o, Perineal-
platte; />, ventrale Geschlechtsplatte; q, Geschlechtszange; r, zweispaltiger Endhaken
der Zansre.
Myriapoden. 127
achtung entzogen. Die reifen Eier bilden sowohl nach innen als nach
aussen vorspringende Erhöhungen. Wenn man unter dem Mikroskop
frische, durch Pikrocarmin gefärbte Eierstöcke beobachtet, sieht man,
dass die ursprünglichen, überall auf der Wand sich vorfindenden Eier
eine höchst feine Dotter membran und ein ziemlich grosses, wasserhelles
Keimbläschen besitzen, welches ungefähr zwanzig zerstreute Kernchen
mit stark lichtbrechenden Wänden enthält. Je mehr die Eier wachsen,
um so dicker scheinen ihre Hüllenmembranen zu werden , die ein
flockiges Ansehen bekommen. Die Ursache dieses Aussehens beruht in
der Anhäufung von Zellenmassen auf der Dotterhaut, welche mit ein-
ander verschmelzen, so dass sich schliesslich nur noch körnige, sich
stark färbende Kerne unterscheiden lassen. Die Epithelialzellen des
Eierstockes, welche nicht grösser werden, bilden demnach durch
ihre Verschmelzung vollkommene, das Ei umgebende Follikel. Letzteres
behält seine homogene Dotterhaut, während das Dotterprotoplasma
immer mehr mit feinen Granulationen sich füllt. Das Keimbläschen
bleibt anfangs hell; jedoch lösen sich die lichtbrechenden Nucleolen
ebenfalls nach und nach in sehr feine , denen des Dotters ähnliche
Körnchen, die sich stark färben, und zuletzt in Granulationen auf,
die das Keimbläschen vollständig erfüllen.
Das histologische Aussehen des Eierstockes verändert sich un-
gemein auf Schnitten, in Folge der Einwirkung der Reagentien, welche
die verschiedenen Elemente zusammenziehen. Die Epithelialzellen wer-
den deutlicher, indem sie sich abplatten und in dem durch ihre Ver-
schmelzung gebildeten Stroma erscheinen gewundene Canäle, die uns
nur durch Contractionen hervorgebrachte Hohlräume zu sein scheinen.
Eier und Eichen nehmen unregelmässige Formen an; die Follicular-
schicht, welche sie umgiebt, löst sich mehr vom Stroma ab; der Inhalt
wird vollständig opak und zeigt in den grossen reifen Eiern kugelige
Massen von verschiedener Grösse, welche durch sehr lichtbrechende
Granulationen gebildet werden, mit einem Fetttröpfchen im Centrum.
Die Eihülle allein bleibt durchsichtig, obgleich sie dicker wird.
Der Eiersack setzt sich in einen engeren Hals fort, worin man
junge, auf unregelmässigen Querwülsten sitzende Eichen findet, und
endet im Eileiter (b) als geschlossener Blindsack. Man kann diese
Thatsache auch auf Serien von Querschnitten feststellen. Von der
Peritoneallamelle des Eierstockes löst sich nach und nach eine feine
Lamelle ab, welche das Eierstockende umgiebt und eine Röhre mit
sehr feiner Wandung bildet. Die reifen Eier finden sich immer dem
Kopfende des Eierstockes genähert, und da letzterer einen geschlossenen
Sack darstellt, so müssen die reifen Eier nach ihrer Ablösung zwischen
den entstehenden Eichen die Sackhöhle durchgehen, um endlich, nach
Zerreissung des Blindsackes, in den Eileiter zu fallen. Die Wände
desselben, zuvor ungemein dünn, werden aber allmählich dicker und sind
128
Arthropoden.
am Ende und bei ihrer Ausbreitung mit Längsmuskelfaeern versehen.
Hier und da erblickt man grosse Drüsenmassen mit einem klebrigen
Inhalt, die in die Höhlung des Eileiters vorspringen. Man kann auf
Schnitten constatiren (Fig. 60), dass in der Mitte seines Verlaufes der
Eileiter den ganzen Raum zwischen dem Herzen nach oben und dem
Rectum nach unten einnimmt; unter letzterem finden sich die End-
ganglien der Nervenkette, während die Nebendrüsen mit den Muskel-
massen und mit den Tracheen die seitlichen Räume des Cöloms ein-
nehmen.
Der Eileiter liegt während des beschriebenen Verlaufes auf der
Rückenfläche des Rectums. Ungefähr in der Mitte der Länge dieses
letzteren aber theilt er sich in zwei Arme (Fig. 59, c'), die das Rectum,
Fig. 60.
Weibchen von Lithohiiis. Senkrechter Querschnitt im vorletzten Körpersegment
(Gundlach, Oc. 1, Obj. 0, Camera fecicZa). Man hat nur den Mitteltheil des Schnittes
gezeichnet und die seitlichen Muskelmassen weggelassen, a, Rückentegument ; &, Bauch-
tegument ; c, Eileiter, mit einigen drüsenartigen Erhöhungen am Darm ; links sieht
man die Mündung (c^) in die Cloakenhöhle ; d, die inneren Falten seiner Endothelial-
schicht zeigendes Rectum , mit durchschnittenen Tracheen in den Faltenräumen ;
e, Kittdrüse; e'-, ihr Ausführungscanal, durchschnitten; /, Schleimdrüse; _/'■'■, ihr
Ausführungscanal , quer durchschnitten ; g^ Peritonealhülle des Samenbehälters , die
Wand der Cloake bildend; ^'^ zurückgebogener Theil dieser Membran; 9^, Cloaken-
höhle, li^, eigene Drüsenwand des Samenbehälters ; ?!, Smegma im Innern des Behälters.;
h, körnige Schicht des Fettkörpers ; /, sehr nahe an den Ganglien durchschnittene Nerven-
stränge ; m, zu den Füssen gehende Nerven ; m, untere Fettschicht ; o, ventraler
Quermuskel.
über dem sie eine Art Brücke bilden, umfassen, zu beiden Seiten des-
selben auf die Bauchfläche hinabgleiten, wo sie in einen weiten Sack
Myriapoden. 129
mit sehr dünner Wandung, in eine Cloake ziisanimenfliessen, in welclie
die Canäle der Nebendrüsen ausmünden. Dieser Sack ist in seinen
Mitteltheilen so zart und durchsichtig und haftet so sehr an den be-
nachbarten Theilen an, dass man eine Verbindung mit dem das Cölom
auskleidenden Peritoneum kaum verneinen dai-f. Auf unseren Schnitten
lassen sich die auf dem Rectum laufenden Seitencanäle erblicken
(Fig. 60, c'); über ihre Fortsetzung bleibt man jedoch im Zweifel, und
die Thatsache, dass man bei den befriTchteten Weibchen, trotz aller
Vorsicht in der Behandlung, Eier im Cölom vorfindet, scheint für eine
Verbindung der Cloake mit der allgemeinen Körperhöhle in- dieser
Region zu sprechen.
Wie dem auch sei, so bleibt der Sack auf seinen Seiten, wo
er die OefFnungen der verschiedenen Anhangsdrüsen erhält, gut be-
grenzt und endigt in der Vulva, die „rechts und links von einem
zweigliedrigen Hakenstücke umgeben ist, welches in eine doppelte, an
der Basis mit zwei kurzen Zähnen bewaffnete Spitze ausläuft" (L. Du-
four). Wir werden später diese Bildung besprechen.
Die histologische Untersuchung des Eileiters bietet zahlreiche
Schwierigkeiten. Die äusserst feinen Wände scheinen, so weit sie das
Eierstockende umfassen, nur aus der Peritoneallamelle und aus einem
sehr abgeplatteten Epithelium zu bestehen. Die ganze Höhlung des
Canals ist mit einem klebrigen Schleim erfüllt, welcher unter dem Ein-
flüsse der Reagentien zu freien Fettkörnchen gerinnt. Die Wände
werden sehr schnell dick und zeigen dann zahlreiche Längsfalten,
welche zuweilen sich dermaassen erhöhen , dass sie die gegenüber
stehende Wand berühren und das Lumen des Canals in mehrere Längs-
rinnen zu theilen scheinen. Auf den Schnitten zeigen sich diese Falten
als Zotten, die sogar, besonders an der Verzweigung des Canals, drüsen-
artiger Natur zu sein scheinen. Ausser diesen Theilen zeigen die Ei-
leiterwände ein Endothelium, welches aus eiförmigen, mehrschichtigen
Zellen gebildet ist, auf welchen eine feine Hyalinschicht sich innerlich
ausbreitet. In dieser Hyalinschicht lässt sich eine feine Kreisstreifung
erblicken.
Die verschiedenen Nebendrüsen liegen auf den Seiten und auf der
Bauchfläche des Rectums.
Die der Mittellinie am meisten genäherte Drüse (Fig. 59, ä;
Fig. 60, c) ist, wie die zweite, bedeutend in die Länge gezogen, und
aus unregelmässigen, abgerundeten Läppchen zusammengesetzt. Im
frischen Zustande beobachtet, erscheint sie durchsichtig, von bläulicher
Farbe (die Farbe des Blutes) und mit einem schleimigen Inhalte gefüllt,
welcher bereits durch den Einfluss des W^assers und noch mehr
durch die Reagentien gerinnt. Wir werden diese Drüse die Kitt-
drüse nennen. Der Ausführungscanal {d') zeigt einen wellenförmigen
Verlauf und in allen Fällen eine gegen die Mittellinie gedrehte Schleife;
Vogt u. Yuug, prakt. vergl. Anatomie. II. 9
130 Arthropoden.
er läuft über die äussere Seite der Cloake. Zunächst aus ziemlich
dicken Wänden mit einem aufgewulsteten Endothelium gebildet, er-
weitert er sich in eine lange Blase (d^), welche sich bald mit der
Cloake vereinigt und mit derjenigen der anderen Seite in einer quer-
spaltigen Oeffnung mündet.
Die zweite Drüse, die Schleimdrüse (Fig. 59, ß; Fig. 60,/),
besitzt beinahe die gleiche Form wie die vorige und besteht wie sie
aus abgerundeten Läppchen. Jedoch zeigt ihr Inhalt bereits im
frischen Zustande das kreidige und körnige Aussehen , welches der-
jenige der anderen Drüse nur durch Reagentien erhält. Der Aus-
scheidungscanal ist steifer, hat einen geraden Verlauf ohne wellen-
artige Biegungen und dickere, weissgelbliche Wände. Der Canal (c')
biegt sich gegen denjenigen der anderen Seite hin und öffnet sich mit
demselben in der Nähe der Mittellinie, in der Rückenwand der Cloake,
unweit vom After.
Zuletzt trifft man ein gänzlich auf der Bauchfläche gelegenes
drittes Paar von Organen (Fig. 59, /; Fig. 60, «'), welche viel umfang-
reicher sind als die eigentlichen Drüsen. Diese durch ihre gelbliche Fär-
bung stark hervortretenden Körper haben die Gestalt von Keulen oder
von Spindeln mit abgerundeten Enden. Ihre Wände sind sehr dick,
elastisch, durchsichtig, ihr Inhalt ein zäher, dicker Brei. Diese beiden
Säcke oder sackförmigen Drüsen, welche wir die Samenbehälter
nennen werden, nähern sich der Mittellinie und öffnen sich in der
Cloake auf ihrer Bauchfläche, vor den Ausscheidungscanälen der
vorigen Drüsen.
Die histologische Structur der Kitt- und Schleimdrüsen ist beinahe
die gleiche. Die Läppchen sind von einer sehr feinen Peritonealhülle
umzogen, auf welcher ein pflasterförmiges, zuweilen in Folge der Ge-
rinnung des Inhalts durch die Reagentien kaum erkennbares Endo-
thelium ruht. Man unterscheidet in dieser, alle Hohlräume der Drüsen
füllenden Masse zahlreiche Vacuolen und zerstreute, manchmal in der
Schleimdrüse von durchsichtigen Ringen umgebene Kerne. Die Ab-
sonderungscanäle sind von einem hohen Endothelium mit conischen
Zellen ausgekleidet, welche auf Schnitten wie Radspeichen erscheinen
und deren Kerne dem inneren Ende der Zelle genähert sind. In der
Erweiterung des Ausscheidungscanales der Kittdrüse zeigen die Endo-
thelialzellen nicht mehr die gleiche regelmässige Anordnung; sie werden
hier bedeutend länger und ihr innerer Rand scheint nicht mehr streng
begrenzt zu sein; er zeigt kurze Franzen, wodurch dieses Ende das
Aussehen eines feinen Spitzengewebes annimmt.
Die dicke und durchsichtige Hülle der Samenbehälter färbt sich
sehr schwer. Ihre Hauptmasse enthält sehr feine, glatte Muskelfasern,
welche sich ziemlich leicht trennen lassen und sowohl Längsschichten
wie Kreisschichten bilden. Diese Muskelwände sind von einer feinen
Myriapoden. 131
Peritoneallamelle umzogen. Der Inhalt besteht aus reifen Zoospermen,
die durch eine klebrige Masse derart unter einander verbunden und
verfilzt sind, dass in Folge eines massigen Druckes die Masse als
Ganzes auf einmal austritt. Vor der Begattung wird im Behälter nur
dieser formlose Klebstoff angetroffen.
Welches sind nun die Functionen dieser Nebenorgane? Wir ge-
stehen, immer noch im Zweifel über diese Frage zu sein, wenigstens
was die eigentlichen Drüsen betrifft. Wir nennen jedoch die ersten
Drüsen Kittdrüsen, obgleich wir mehrfach in ihren Behältern (d-)^ in
P'olge einer vorhergehenden Begattung, Zoospermenbündel angetroffen
haben, während wir weder im Ausführungscanal {d^) noch im Körper
der eigentlichen Drüse jemals welche gefunden haben. Die Drüse
liefert nur eine klebrige und durchsichtige Absonderung, welche viel-
leicht zur Bildung einer eiweissartigen Hülle des Eies während seiner
Ablagerung dient. Man muss hierbei bemerken, dass die Anwesenheit
von Zoospermen eine ganz zufällige ist, da wir sie nur nach vollstän-
diger Füllung der Cloake vind der Samenbehälter darin gesehen haben.
Der körnige Inhalt der zweiten Drüsen (c) kann uns keine Aus-
kunft über ihre Function geben ; wir geben ihnen den indifferenten
Namen Schleimdrüsen.
Leon Dufour nennt die sackförmigen Drüsen die Talgdrüsen (/)
(glandes sebacees), und diese Benennung scheint nach dem Inhalte eine
richtige zu sein , da letzterer vor der Begattung an eine verdickte
Salbe erinnert. Es ist aber von uns, namentlich auch auf Schnitten,
festgestellt worden, dass diese Säcke nach der Begattung immer Haufen
von Bündeln gut entwickelter Zoospermen enthalten, welche denen der
männlichen Organe ähneln und besonders in der Nähe der Cloake
eingebettet liegen. Das Smegma ist dann in das distale Ende des
Sackes zurückgedrängt und diese Thatsache führt uns zu der Ansicht,
dass das Smegma nur vor der Befruchtung gebildet und resorbirt
wird, wenn sich das Organ, in Folge der Begattung, mit Zoospermen
füllt. Die Säcke nehmen übrigens die Stelle ein , wo sich bei den
meisten weiblichen Insecten der oder die Samenbehälter befinden und
scheinen also diesen Bildungen der Insecten homolog zu sein. Wir
werden sie deswegen Samenbehälter nennen, um ihre Füllung mit
Zoospermen nach der Begattung zu constatiren.
Das letzte Segment des weiblichen Körpers hat eine andere Form
als dasjenige des Männchens. Von der Rückenfläche aus, wie es die
Fig. 59 darstellt, findet man eine Schutzplatte (w), deren Ränder sich
nach unten biegen, um so eine wirkliche Scheide um die Afteröffnung (m)
zu bilden. Unterhalb dieser Scheide und unmittelbar an ihre Bauch-
fläche angelegt, findet sich eine kleine horizontale Platte, welche wir
als Perinealplatte bezeichnen, da sie die Geschlechtsöffnung vom After
trennt. Endlich ist das Ganze von der Bauchseite her von einer ober-
9*
132 Arthropoden.
flächlichen Platte (p) bedeckt. Zwischen derselben und der Perineal-
platte zeigt sich die von zwei seitlichen Zangen (q) eingeschlossene
Geschlechtsöffnung. Jede dieser Geschlechtszangen wird von drei
Gliedern gebildet; ein sehr breites und kurzes Basalglied, welches
gegen die innere Ventralfläche vorspringt und auf dem freien Hinter-
rande zwei kleine, abgerundete Zähnchen trägt, die so gestellt sind, dass
der Eingang zur Scheide auf der Bauchseite durch einen Halbkreis
von vier starken Chitinzähneu vertheidigt wird. Das zweite, kürzere
und dünnere Glied ist mit starken Borsten bekleidet und zeichnet sich
durch einen grossen Reichthum von sehr feinen Tracheen aus, welche
in seinem Inneren ein höchst verwickeltes Netz bilden. Endlich bildet
das Endglied (r) einen kräftigen Chitinhaken mit zwei abgestumpften
und sehr nahe an einander gerückten Spitzen. Die beiden Haken sind
mit ihren concaven Flächen nach innen gedreht und bilden so eine
seitliche Zange, mit welcher das Weibchen während der Begattung das
Ende der männlichen Organe ergreifen und halten kann.
Wir kennen weder die Art der Begattung bei Lithobius, noch die
Bildung der gelegten Eier oder die Entwicklung des Embryo im Ei.
Die jüngsten im April und Anfangs Mai gefundenen Thierchen besassen
eine Länge von 3V2 Millimeter und eine helle, durchsichtige, gelbliche
Färbung. Die drei ersten Fusspaare waren allein ausgebildet, die
anderen Füsse waren nur Stummel, welche auf der Bauchfläche in der
Nähe der Mittellinie angeheftet waren.
Wenn auch die Cliilopoden zahlreiche, für die verschiedenen Sj'steme be-
sonders interessante Verschiedenheiten in den Einzelheiten bieten, so kann man
doch behaupten, dass die allgemeinen Züge ihi-er Organisation die nämlichen
bleiben und dass diese Ordnung eine grosse innere und äussere Einförmigkeit
der Structur zeigt. Mag der Körper , wie bei Geophilus , aus einer sehr
grossen Anzahl von Leibessegmenten gebildet oder abgekürzt sein, wie bei
den Scolopendern und Lithobius, so wird man dennoch immer ein Fusspaar
für jeden Ring, die gleichen in ihren Formen mehr oder weniger veränderten
Mundtheile tmd die gleiche Anordnung der inneren Organe vorfinden. Auf-
fallendere Verschiedenheiten kommen nur bei den Augen vor; die Geophiliden
haben keine , die Scolopendriden besitzen nur vier isolirte Augen ; ferner
zeigen die Lithobiden dieselben auf mehreren Reihen verbunden , während
die Sentigeriden Facettenaugen wie die Insecten tragen. Die Verminderung
der Sehganglien auf dem Hirn hält mit der Verkümmening der Augen
gleichen Schritt. Die Familie der Sentigeriden nimmt übrigens eine ganz
eigenthümliche Stelle ein, sowohl in Bezug auf die äussei'e Anordnung als
auch auf die Bildung gewisser innerer Apparate. Die Tarsen sind zwei-
spaltig und sehr lang; auf dem Munde zeigt sich zwischen den Kiefern ein
besonderes Organ (Maxillarorgan) , welches vermuthlich ein Sinnesorgan dar-
stellt und von Haase genau beschrieben worden ist (siehe Literatur), dessen
Function aber noch problematisch erscheint. Das Athmungssystem zeigt die
grössten Verschiedenheiten. Man sollte annehmen, dass jedes Segment, sogar
des Kopfes, ursprünglich sein Stigmenpaar hätte besitzen sollen, jedoch ist
dies nicht der Fall, da Eeductionen in den verschiedenen Körpertheilen , im
Kopf, Thorax und Abdomen vorkommen. Die Gattung Scolopendra allein
Myriapoden. 133
hat nur noch ein Paar von auf eleu Seiten und an dem vorderen Eande des
Kopfes gelegenen Stigmen aufzuweisen; die Mehrzahl der anderen Gattungen
haben ihre Kopfstigmeu verloren; viele zeigen nur noch mehr oder weniger
abwechselnde Stigmen, wie unser Typus, während andere ein Stigmenpaar
auf jedem Leibesringe besitzen. Scutigera zeigt eine ähnliche Anordnung wie
die der Arachniden. Auf der Mittellinie des Eückens stehen sieben Stigmen
in Form länglicher Knopflöcher, die zu einer Höhle führen, von welcher un-
gefähr sechshundert kurze, mehrfach sich theilende Tracheen ausgehen, die
blind enden. Dieselben bilden in ihrem Ganzen ein nierenförmiges Organ,
das im lebenden Thiere einen durch die Ansammlung der Luft iu diesen
Eöhren hervorgebrachten Metallglanz besitzt. (Für die Einzelheiten siehe
die Arbeit von Haase.)
Die Organisation der Chüognathen ist im Allgemeinen mannigfaltiger. Die
dieser Ordnung angehörenden Mj'riapodeu haben immer drei Vordersegmente,
die nur ein einziges Fuss^^aar tragen und so einen Thorax bilden, der vom
Abdomen getrennt ist, wo in den meisten Fällen jeder Leibesring zwei Fuss-
paare trägt. Was letztere anbetrifft, giebt es jedoch Unterschiede. So hat
Polyxenus lagurus nach Bode (sielie Literatur) vier, nur ein Fusspaar tragende
Vordersegmente, vier folgende, jedes mit zwei Füssen, und ein hinteres mit
einem Fusspaare. Die Mundorgane zeigen eine grosse Verschiedenheit. Bei
den kauenden Gattungen, welche sich von allerlei verfaulten thierischen und
pflanzlichen Substanzen ernähren, fehlen die Giftzangen immer, während
die anderen Organe, Oberlippe, Deutognatlien und Tritoguathen, zwar nach
dem gleichen Typus wie bei den Chilognathen angeordnet sind, aber immer-
hin sehr verschiedenartige Formen und Abänderungen vorzeigen. Doch
herrscht der durchgreifende Unterschied, dass die Mandibelu sich durch ihre
sehr erweiterten Basaltheile mit einem Mittelstück, der Unterlippe, verbinden,
um einen grossen, den Mund schützenden Deckel zu bilden, dessen Structur
oft sehr complicirt erscheint. Durch die successive Verminderung der Kiefer
und Mandibelu gestaltet sich zuweilen diese Bildung zu einem röhrenförmigen
Saugapparate um {Polyzoniden),
Die Geschlechtsorgane zeigen die grössten Verschiedenheiten, sogar in den
beiden Ordnungen. Die männlichen Organe der Cliilopoden sind nach dem
gleichen Plan wie bei Lithobius gebildet; überall trifft man den un paaren
Hoden und die beiden Paare der sehr verschiedenartigen Nebendrüsen ; die
paarigen Hodeuröhren dagegen fehlen meistens. Die Oeffnung dieser Organe
steht immer am Hinterende des Körpers, vor dem After. Bei den Chilo-
gnathen dagegen trefl^en wir stets zwei männliche Geschlechtsöffnungen, welche
wie die der Weibchen am Vordertheile des Körpers, zuweilen am Basalgliede
des als Geschlechtsfuss fungirenden zweiten Fusses (Polgdesmus), zuweilen
zwischen dem zweiten und dritten Fusse (Julus) angelegt sind. Die Oeffnungen
beflnden sich ohne Ausnahme auf einer speciellen Erhöhung; die Ausscheidungs-
canäle treffen auf der Mittellinie in einem mehr oder weniger verlängerten
Theile zusammen, welcher sich bis in das hintere Ende des Körpers erstreckt,
bei den einen als ein einfacher Sack, auf -welchem Hodenbläschen {Glomeris}
beiderseits aufgereiht sind. Bei anderen da'gegen theilt sich der Sack in zwei
Eöhren, von denen eine jede nur eine einzige Eeihe von Bläschen trägt, die
aber durch zahlreiche Q.uerstreifen mit einander verbunden sind (Julus). Die
Nebendrüsen fehlen gewöhnlich. Den Palpen der Arachniden hinsichtlich
der Function ähnelnde Begattungsorgane wurden von Fahre bei Polydesmus,
Craspedosoma, Julus auf dem siebenten oder achten, sehr modificirten Fuss-
paare nachgewiesen. Diese Organe werden vor der Begattung mit Samen
angefüllt und dann mit den weiblichen Oefl'nungen in Berührung gebracht.
Die weiblichen Organe der Chiloxooden zeigen immer einen einzigen Eierstock
134 Arthropoden.
der manchmal in einen einzigen Eileiter (Crt/ptops, Geophilus) oder in zwei,
das Rectum umschlingende Zweige {Lithobius, Scolopendra) endet. Die Ei-
leiter münden stets am Hinterende des Körpers in eine Cloake , in welche
mannigfaltig variirte Samenbehälter und wenigstens ein Nebendrüsenpaar sich
öffnen. Zwei Paare von diesen Drüsen finden sich bei Scolopendra wie bei Litho-
bius. Bei den Chilognafhen stehen die weiblichen Oeffuungen wie bei den Männ-
chen am zweiten Fusspaare, zuweilen auf einem Näpfchen, in dessen Inneren
man als Samenbehälter dienende Bildungen sieht {Julus, Pohjclesmus), während
bei anderen {Craspedosoma) getrennte Samenbehälter existiren. In anderen
Fällen sind keine Behälter vorhanden (Glomeris). Die beiden Eileiter ver-
binden sich wie die Samenleiter in einem Mittelcanal, von dem zwei ge-
trennte Ovarialsäcke (Craspedosoma) oder ein einziger Sack (Polyxenus , Glo-
meris , Julus , Polydesmus) ausgehen. Im letzteren Falle bildet aber das
eiertragende Stroma zwei Längswülste, welche auf eine Verschmelzung von
zwei primitiven Ovarien hindeuten. Für die Einzelheiten verweisen wir auf
die ausgezeichnete Arbeit von Fahre (siehe Literatur).
Literatur. — Leon Dufour, Recherches anatomiques sur le Lithobius forßcahis
et la Scutigera lineata. Ann. scienc. natur., Bd. II, 1824. — Georges Newport,
On the Organs of reproductlon and the development of Myrlapoda. Philosoph. Trans-
actions, 1841. — Ders., On the striicture, relations and development of the nervous
and circulatory Systems, ebend., 1843. — Ders., On the reproductlon of tost parts in
Myrlapoda and Insecta, ebend., 1844. — Stein, De Myrlapodum partibus genltalibus.
Müller's Archiv, 1842, — Fabre, Recherches sur Panatomie des organes reproducieurs
et sur le developpement des Myrlapodes. Ann. sc. nat., 4. Serie, Bd. III, 1855. —
E. Metschnikoff, Embryologie der Chilognatha. Zeitschr. wissensch. Zooh, Bd. XXIV,
1874. — Ders., Embryologisches über Geophilus, ebend., Bd. XXV, 1875. —
J. Plateau, Recherches sur les phenomenes de la dlgestlon et sur la struciure de
Vappareil digestlf des Myriapodes. Mem. Acad., Brüssel, Bd. XLIl, 1876. — Ders.,
Recherches experlmentales sur la vislon chez les Arthropodes. Brüssel, 1887 bis 1888. —
E. Voges, Beiträge zur Kenntniss der Juliden. Zeitschr. f. wissensch. Zooh, Bd. XXXI,
1878. — Ders., Das Respirationssystem der Scutigeriden. Zoolog. Anzeiger, 5. Jahrg.,
1882. — J. Bode, Polyxenus lagurus, Beiträge zur Anatomie, Morphologie und Ent-
wicklungsgeschichte der Chilognathen. Halle, 1888. — Grenacher, Ueber die Augen
einiger Mj'riapoden. Archiv f. mikroskopische Anat., Bd. XVIII, 1880. ■— Sograf,
Anatomie des Lithobius forficatus. Arb. Mus. Zool. Univ. Moskau, Bd. I, 1880
(russisch). — Ders., Der Bau der Augen bei den Tausendfüssern. Zoolog. Anzeiger,
4. Jahrg., 1881. — Ders., Ueber das centrale Nervensystem -von Lithobius forßcatus.
Soc. des amis de la nuture de Moscou, 1881 (russisch). — Passerini, Süll organo
ventrale del Geophilus Gahielis. Bollet. Soc. Entomol. Itallana, 14. Jahrg., 1882. —
Alois Humbert, Etudes sur les Myrlapodes. Archiv. Sc. natur., Genf, 1882. —
Chatin, Observations sur les orlgines de V arter e recurrente chez les Myrlapodes. Bidl.
Soc. Philomath. Bd. VII, 1883. — Karlinski, Ueber die Giftdrüsen in den Kiefer-
füssen der Lithobiidae. Kosmos von Lemberg , 1883 (polnisch). — Meinert,
Caput Scolopendrae, Kopenhagen, 1883. — Ders., De formeentlige Aandetratsredskaber
og deres Mundiger (Stomata) hos Slägien Scutigera. Meddel. Nat. For., Kopenhagen,
1883. — Erik Haase, Das Respirationssystem der Symphilen und Chilopoden.
Zoolog. Beiträge von A. Schneider, Bd. I, 1884. — Ders., Schlundgerüst und
Maxillarorgan von Scutigera, ebend. — E. Tömösvary, Eigenthümhche Sinnes-
organe der Myriapoden. Mitth. naturw. Ber. Ungarn, Bd. I, 1882. — Ders., Ueber
den Bau der Spinndrüsen der Geophiliden, ebend., Bd. II, 1884. — G.Gilson, Etüde
comparee de la Spermatogenese chez les Arthropodes. La Cellide. Recueil de Cytologie
et d'' Histologie generale, Bd. I. — A. Pernant, Obs. cytol. sur les elements seminaux
du Scolopendra morsltans et du Lithobius forficatus, ebend., Bd. III.
Insecten. 135
C 1 a s s e der Insecten (Hexapo da).
Die in dieser Classe zusammengefassten Arthropoden unterscheiden
sich äusserlich hauptsächlich durch die Vereinigung der sie bildenden
Ringe in drei leicht erkenntliche Abtheilungen, den Kopf, den Tho-
rax und das Abdomen. Nur die beiden vorderen Abtheilungen tragen
gegliederte Anhänge: ein Paar Fühler und zwei Paare von Kiefern am
Kopfe, drei Paare von Füssen am Thorax. Ausserdem unterscheiden
sie sich von allen übrigen Arthropoden durch die häufige Anwesen-
heit von zwei Paar Flügeln , die auf der Rückenfläche der beiden
letzten Brustringe angebracht sind.
Der Körper besteht höchstens aus 17 Ringen, wovon vier dem
Kopfe, drei dem Thorax und zehn dem Abdomen angehören.
Das centrale Nervensystem wird, wie bei den meisten Arthropoden
und Anneliden, von einer Kette von Ganglien gebildet, deren Zahl
sehr veränderlich ist und die zu den einzelnen Organen, besonders zu
den Gliedern und den Sinneswerkzeugen, Nerven abgeben. Die Augen
sind besonders bei den fliegenden Insecten sehr ausgebildet; die
anderen Sinneswerkzeuge stehen zurück.
Der Verdauungsapparat, der zuweilen sehr entwickelte Neben-
drüsen besitzt, verkümmert nur bei wenigen, sehr kurzlebigen Gat-
tungen. Die Malpighi 'scheu Gefässe, welche nie fehlen, entleeren
in den hinteren Abschnitt des Darmes ihre Absonderungsproducte, die
durch den After ausgestossen werden.
Der Athemapparat besteht aiis einer wechselnden Zahl von mit
Luft gefüllten Canälen , Tracheen , welche sich an alle Organe ver-
zweigen und mit ihren letzten Aesten in dieselben eindringen. Die
Tracheenstämme münden nach aussen durch besondere Oeff'nungen,
Stigmen.
Da in Folge dieses Eindringens von Luft in den ganzen Körper
das Blut nicht zu einem localisirten Athemorgane geleitet zu werden
braucht, so ist das Gefässsystem nur sehr wenig entwickelt. Das Herz
wird von einer rückenständigen, pulsirenden Röhre gebildet, in welche
das Blut durch seitliche Spalten eindringt, die sich in mehreren Bauch-
ringen paarig wiederholen. Nach vorn verlängert sich das Herz in
Form eines einzigen Aortenstammes, der das Blut in die allgemeine
Körperhöhle ergiesst, die somit einen weiten Blutraum darstellt. Nur
ausnahmsweise finden sich nach hinten vom Herzen abgehende Ge-
fässe, die aber stets sehr kurz sind.
Alle Insecten sind getrennten Geschlechts. Parthenogenese kommt
häufig vor. Eierstöcke und Hoden sind röhrenförmig und nach dem-
selben Plane gebaut. Fast allgemein finden sich zahlreiche Neben-
136 Arthropoden.
Organe , Drüsen , Samen- und Eibehälter u. s. w. Die Jungen durch-
laufen verscliiedene , oft zahlreiche Metamorphosen, die nur selten
fehlen.
Wir nehmen mit Claus und den meisten Autoren folgende Ord-
nungen an:
1. Geradflügler (0 rthopter a). — Mit unvollkommener Meta-
morphose (Hemimetabola). Beissende Mundwerkzeuge; zwei Paare
von Flügeln, von welchen die vorderen meist fester als die hinteren
sind und sie bedecken. Freier, beweglicher Prothorax. Blatta, Lo-
custa, Ternies, EpJiemera, Libellula.
2. Netzflügler {Neuroptera). — Mit vollkommener Metamorphose
(Metabola). Beissende, zuweilen zum Saugen rückgebildete Mund-
theile. Vier gleiche, häutige und netzförmig gegitterte Flügel. Freier
Prothorax. Panorpa, Hemerohiiis, Myrmeleon, Phryganea.
3. FäGh.evß.üglev {Strepsij}t er a). — Die Larven parasitisch auf
Ilymenopteren. Die während ihres ganzen Lebens schmarotzenden
Weibchen haben weder gegliederte Anhänge noch Sinnesorgane. Die
Männchen mit stummeiförmigen , aufgerollten Vorderflügeln und der
Länge nach gefalteten Ilinterflügeln. Mundtheile verkümmert. Xeuos,
StyJopis.
4. Schnabelkerfe (Ilemijjtera, Bliynchota). — Mit unvoll-
kommener Metamorphose. Flügellos oder mit vier, bald ungleichen
(Hemiptera) , bald gleichen Flügeln (Homoptera). Ein Stechschnabel.
Prothorax frei. Fedicuhis, Äpliis, Coccus, Gicada, Acanthia.
5. Zweiflügler (Diptera). — Mit vollkommener Metamorphose.
Saugende und stechende Mundwerkzeuge. Hinterflügel verkümmert,
zu Schwingkolben (Halteres) umgebildet. Prothorax festsitzend.
Musca, Culex, Piilex.
6. Schmetterlinge {Lepidoptera). — Mit vollkommener Ver-
wandlung, Mundwerkzeuge zu einem in der Ruhe spiralig aufgerollten
Saugrüssel umgebildet. Vier mit Schuppen bedeckte Flügel. Pro-
thorax festsitzend. Pyrcdis, Geometra, Bomhyx, SpMnx, Vanessa.
7. Käfer [Coleo2)tera). Vollkommene Metamorphose. Beissende
Mundtheile. Vorderflügel zu Flügeldecken (Elytren) umgewandelt,
unter welche die quer gefalteten HinterÜügel in der Ruhe untergeschlagen
werden. Sehr entwickelter freier Prothorax (Halsschild). Ceranibyx,
Geotrupes^ liydrophüus, Carahus.
8. Hautflügler {Mymenoptera). — Vollkommene Verwandlung.
Mundtheile zum Beissen und Lecken eingerichtet. Festsitzender Pro-
thorax. Sirex, Cynips^ Ichneumon, Apis, Formica.
Typus: Melolontha vulgaris, Fahr. — Der Maikäfer. In
ganz Europa gemein, im Frühjahre auf Bäumen, deren Blätter er
Insecten. 137
frisst. Die Gattung gehört zu der Ordnung der Coleopteren , zur
Gruppe der Pentameren mit fünfgliedrigem Tarsus und zur Familie
der Lamellicornier mit geblätterten Fühlhörnern. Strauss-Dürck-
heim hat eine grosse, anatomische Monographie des Insects aus-
gearbeitet und mehrere Jahre seines Lebens auf diese Arbeit ver-
wendet, die den Stempel ihrer Epoche trägt, sich in Einzelheiten über
die Muskeln z. B. verliert, die übrigen Organsysteme aber nur sehr kurz
behandelt und die mikroskopische Anatomie fast ganz bei Seite lässt.
Es bedürfte einer längeren Arbeit, um die Einzelheiten zu bestätigen,
welche das "Werk über das Chitinskelett und die sich daran ansetzenden
Muskeln giebt. Wir haben dasselbe indessen vielfach beniitzt bei
Ausarbeitung der makroskopischen Anatomie.
Die Larve des Maikäfers ist unter dem Namen „Engerling" be-
kannt. Sie lebt drei Jahre lang unter der Erde, nährt sich von Wur-
zeln und verwandelt sich im vierten Jahre in eine unbewegliche Puppe
oder Nymphe. Das vollkommene Insect (Imago) findet sich schon im
Herbste in der Puppe und kriecht in Ausnahmefällen bei warmer Wit-
terung im September oder October aus. Meist aber verharrt es den
Winter hindurch xind erscheint in Mitteleuropa zwischen dem 15. April
und 15. Juni. Man muss seine Untersuchung zu dieser Zeit in
frischem Zustande vornehmen, denn die kräftigsten Fixirungsmittel
der Gewebe dringen nur sehr schwer in das Innere des Körpers ein.
Die inneren Organe von Individuen, die mehrere Wochen lang in
Pikrin- oder Pikrinschwefelsäure gelegen hatten, waren oft gänzlich
zersetzt. Die Reagentien zur Fixirung der Gewebe, von welchen wir
sprechen werden , müssen stets in alkoholischen Lösungen angewandt
werden. Wässerige Lösungen, z.B. von Osmiumsäure, Sublimat u. s. w.,
dringen kaum ein.
Wir haben den Maikäfer als Typus der Insectenclasse sowohl
seiner Häufigkeit als auch seiner Grösse wegen gewählt. Seine Unter-
suchung bietet weniger Schwierigkeiten als z. B. diejenige der Schabe
oder der Biene. Letztere wäre ihrer höheren Organisation wegen
wohl vorzuziehen gewesen, aber hier stösst man auf die Schwierigkeit,
sich Königinnen (fruchtbare Weibchen) zur Untersuchung zu ver-
schaffen.
Aeussere Anatomie. — Der Körper des Maikäfers ist im
Ganzen eiföjmig, vorn abgerundet, hinten in einer Spitze ausgezogen
(Fig. 61, g, a. f. S.). Wie bei den meisten Insecten zerfällt er in drei
Abtheilungen, Kopf, Thorax, Abdomen (Fig. 61, Ä, B, C), jede
aus mehreren Ringen (Somiten) zusammengesetzt, die in dem Kopfe
verschmolzen , im Hinterleibe aber frei beweglich sind. Der erste
Brustring, das Halsschild, ist ebenfalls frei beweglich und von
den beiden folgenden Ringen so verschieden , dass manche Forscher
wie Strauss-Dürckheim, ihn als eine besondere vierte Abtheilung
138
Arthropoden.
beschreiben. Obgleich er keine Flügel trägt, ist er aber doch den
anderen Brustringen homolog und wir werden ihn in unserer Beschrei-
bung nicht davon trennen.
Nachdem man sich mit diesen allgemeinen Punkten vertraut ge-
macht hat, trennt man die drei Körperregionen mittelst eines feinen
Scalpels und untersucht sie einzeln unter der Lupe , um ihre Form
und ihre Beziehungen zu den Organen, besonders auch am Kopfe und
der Brust, zu den gegliederten Anhängen dieser Theile genauer kennen
zu lernen. Man kann zu dieser Untersuchung mit Vortheil Exem-
plare benutzen, die man in einer Lösung von Aetzkali gekocht hat.
Fiff. 61.
Doppelt vergrösserter inämilicher Maikäfer, vom Rücken aus gesehen. Rechterseits
sind die beiden Flügel ausgebreitet worden, um die Abdominalringe 1 bis 8 zu zeigen.
A, der Kopf mit den seitlichen Augen; ß, der Thorax; C, das Abdomen, b, Stirn;
c, Kiefertaster; d, die Fühler mit sieben Lamellen; e, Halsschild oder Prothorax;
/, erstes Fusspaar ; g, Schildchen oder Mesothorax ; h, zweites Fusspaar ; «', linker
Flügeldeckel in der Ruhe; l', rechter Flügeldeckel, zum Fluge gehoben; k, Mittel-
furche des Metathorax; l, Metathorax ; m, drittes Fusspaar; n, der rechte häutige
Flügel ausgebreitet; o, sein Gelenk; p, tei'minale Flügeladern; q, das spitze Ende
des Hinterleibes.
welches die übrigen Organe zerstört, die Chitinbildungen aber nicht
angreift.
Kopf. — Er bildet die kleinste Region des Körpers (Fig. 61, A)
und besteht aus vier, bei dem erwachsenen Thiere zu einem einzigen
Stücke, dem Kopfschilde, verschmolzenen Somiten. Man kann
Insecten,
139
daran den Scheitel unterscheiden (Fig. 62, A, a, h) , der sich auf
jeder Seite mit scharfer Biegung nach unten krümmt und nach vorn
sich in eine Chitinlamelle, die Stirn (c), fortsetzt, die von ihm durch
eine seichte Furche geschieden ist. Von oben gesehen (Fig. 61) zeigt
der Kopf vorn die Kiefertaster (/), die Fühler (d) und auf beiden
Seiten die vorgewulsteten Augen (Fig. 62, d).
Die Unterseite des Kopfes (Fig. 62, £) zeigt mannigfaltigere Bil-
dungen. Ausser den seitlich herabgekrümmten Wangen des Kopf-
schildes, welche die hintere Fläche einnehmen, sieht man vorn ein
unpaares Stück, das Basalschild (h), welches seitlich an das Kopf-
schild und nach vorn an ein zweites, unpaares Stück, das Kinn (Men-
tum) (/), anstösst, an dessen Vorderrand die Unterlippe, Labium
(m), eingelenkt ist. Diese letztere besteht aus einer starken Chitin-
platte, deren vorderer, fx'eier Rand sich gegen die Kiefer anlegt ; sie
Fig. 62.
Der Kopf des Maikäfers, sechsfach vergrös.sert. A, Ansicht von oben ; a, Seitentheil
des Kopfschildes (Wangen) ; h, vorderer Rand des Kopfschildes , c, Stirn ; d, Augen ;
e,e, Kante der Hornhaut;/, Kiefertaster; g, Basalglieder der Antennen. B, der ab-
geschnittene Kopf von unten; a, Unterfläche des Kopfschildes; b, das Basalstück ;
c, Rand der Stirn ; d, Augen ; e, OeflFnung zum Durchtritt des Schlundes, der Nerven-
kette u. s. w. ; /, Präbasilarstück ; fj, die abgeschnittenen Fühler; A, Lappen der
Oberlippe; i, Mandibeln; k, Maxillen ; l, Kiefertaster; m, Unterlippe; n, die Zunge;
o, die Lippentaster (nach Strauss-Dürckheim).
trägt auf jeder Seite einen kurzen, aus drei Gliedern bestehenden, mit
einigen kurzen, steifen Haaren besetzten Anhang, den Lippen-
taster (o), dessen letztes, verlängertes Glied spitz endigt. Die Unter-
lippe (Fig. 63, B, a. f. S.) trägt auf ihrer Innenseite in der Mittellinie
einen kegelförmigen , mit einem Büschel kleiner, stabförmiger Haare
besetzten Anhang, in welchem man, ohne genügende Beweise, ein Ge-
schmacksorgan hat finden wollen. Dieser behaarte Fortsatz, der in
die Mundhöhle vorspringt, ist die Zunge (6), die man unter dem
140
Arthropoden.
Mikroskope uutersuchen muss, nachdem man die Unterlippe mit einer
Staarnadel abgelöst hat. Der Unterlippe gegenüber, vorn an der
Bauchseite des Kopfes, liegt unmittelbar unter der Stirn die Vorder-
lippe, labrum (Fig. 62, B, h). Sie begrenzt die Mundöffnung nach
vorn und zeigt an ihrem Vorderrande eine tiefe Einkerbung, welche
von zwei runden , mit grossen , steifen Haaren besetzten Lappen ein-
geschlossen ist (Fig. 63, A, a). In der Verlängerung der Kerbe trägt
die Oberlippe auf der Innenseite eine lancettförmige Membran
(Fig. 63, A, &), die mit kurzen Haaren besetzt ist.
In dem Räume zwischen den beiden Lippen bewegen sich seitlich
die zwei Paare von Kiefern. Die Oberkiefer oder Mandibeln
Fio-. 63.
Mundtheile des Maikäfers. A, Oberlippe (LaLrum), von unten gesehen, so dass man
die Lappen « und die behaarte Mittelhaut h sieht. B, Unterlippe (Labium) ; o, ihre
Taster; 6, die Zunge. C, der Unterkiefer (Masilla) von oben gesehen; a, Haken;
ö, Zähne; c, Kiefertaster; d, e, /, Stielglieder. Z>, der Oberkiefer (Mandibula) von
unten ; a, der schneidende Inneurand ; &, die Bürste ; c, die Kaufläche.
(Fig. 62, B. i; Fig. 63, D) liegen noch unter der Stirn und sind einer-
seits in einen Ausschnitt der Wangen und anderseits an dem Vorder-
rande des Basalschildes eingelenkt. Sie werden von einem einzigen,
sehr harten Stücke gebildet, das die Gestalt einer dreiseitigen Pyra-
Insecten. 141
mide hat. Die nacli innen gedrehte Kante hat einen schneidenden,
eingekerbten Vorderrand (Fig. 63, 7), a) und trägt auf ihrem Hinter-
rande ein rundes Schild (c), das gegen dasjenige des gegenüber-
stehenden Kiefers reibt. Die Mahlfläche (Mola) ist mit verticalen,
schneidenden Rippen besetzt und von einer Art Bürste umgeben (h),
deren kurze Haare dicht zusammengedrängt sind.
Die Unterkiefer oder Maxillen (Fig. 62, B, Ic- Fig. 63, C),
die sich ebenfalls von der Seite her gegen einander bewegen, bestehen
aus mehreren Gliedern, die Strauss sehr eingehend beschrieben hat.
Das Basalglied, die Angel (d) (Cardo), lenkt an dem Basalschilde ein;
auf ihr sitzt der mit langen Haaren besetzte Stiel (Stipes) (e), von
pyramidaler Form. Dieser ist mit einem ebenfalls dreieckigen Stücke (/)
verbunden, dessen innerer Rand mit einem abgestumpften Haken (n)
endet. Auf dem freien Rande sitzt ein wenig bewegliches Stück , der
Helm (Galea) (b), der scharfe, krumme Reisszähne trägt.
An dem Aussenwinkel des Vorderrandes einer jeden Maxille ist
der viergliedrige , schief nach aussen und vorn gerichtete Kiefer-
taster (Palpus maxillai'is) (Fig. 63, C, c), eingelenkt.
Die verschiedenen Mundwerkzeuge können sehr leicht an mit
Aetzkali präparirten Exemplaren losgelöst 'und einzeln genauer unter-
sucht werden. Um Präparate zum Studium und zur Demonstration
zu erhalten, legt man sie in Canadabalsam ein.
Die Fühler oder Antennen (Fig. 61, d; Fig. 64 a. f. S.) sind
in seitlichen Gruben des Kopfschildes vor den Augen eingelenkt. Diese
Anhänge, welche, wie wir später sehen werden, sehr wichtige Sinnes-
wei'kzeuge sind , bestehen aus zehn Gliedern , deren erstes an seinem
distalen, bedeutend verdickten Ende die Gelenkhöhle für das zweite
Glied trägt. Die drei ersten Glieder bilden zusammen den Stiel der
Antenne. Hierauf folgen bei dem Männchen sieben, bei dem Weibchen
sechs sehr kurze Ringe, welche sich nach vorn hin zu lancettförmigen
Blättchen ausdehnen , die in der Mitte am breitesten , am Ende ab-
gerundet sind (Fig. 64, A, B, h). Diese Lamellen können ausgespreizt
oder mit den Flächen zusammengelegt werden. Sie sind bei den
Männchen weit länger und breiter als bei den Weibchen tind dienen
als hauptsächlichstes Unterscheidungsmerkmal der beiden Geschlechter,
welche im Uebrigen einander ziemlich gleich sehen. Jede Lamelle
zeigt eine Unzahl kleiner, unregelmässig rundlicher Grübchen (Fig. 64, C),
von welchen später noch die Rede sein wird. Haus er (s. Literatur)
schätzt ihre Zahl auf 39 000 bei dem Männchen und 35 000 bei dem
Weibchen für jede Antenne. Wir nehmen diese Schätzung unbesehen
an. Endlich sieht man noch hinter jeder Antenne die vorgewölbten, zu-
sammengesetzten Augen, die wir bei den Sinnesorganen behandeln
werden.
142
Arthropoden.
Thorax. — Das Bruststück besteht aus drei Ringen, Pro-
thorax, Mesothorax und Metathorax. Wir geben nur eine sum-
marische Beschreibung und verweisen für die Einzelheiten auf die
Monographie von Strauss, der sie sehr erschöpfend behandelt hat.
Das erste, auf den folgenden beweglich eingelenkte, längste Glied,
der Prothorax, wird von den Entomologen das Halsschild genannt. Es
hat die Form einer di'eiseitigen , vorn abgestutzten Pyramide, die mit
ihrer Basis auf dem folgenden Gliede aufsitzt; die Rückenfläche (Pro-
notum) ist breit gewölbt und aussen glatt. Das Halsschild krümmt
sich auf den Seiten nach unten und wird hier durch ein unpaares,
schmales und dickes Stück geschlossen, die Vorbrust (Prosternum).
Fig. 64.
Die Antennen, etwa 15 fach vergrössert. A, Antenne des Männchens; a, Stielglieder;
b, die Lamellen der sieben Endglieder. B, Antenne des Weibchens. Die Theile sind
mit denselben Buchstaben bezeichnet. C, die Kiechgrübchen von der Fläche gesehen.
Gundlach, Obj. V, Camera dura.
An der Anschlussstelle des Halsschildes mit der Vorbrust findet sich
jederseits vorn ein Grübchen, in welchem das erste Fusspaar (Fig. 61,/)
eingelenkt ist; an dem hinteren Rande dieser Stelle und in der chiti-
nösen Haut, welche den Prothorax mit dem Mesothorax verbindet,
sieht man jederseits eine von einem verdickten Ringe umgebene,
eiförmige Oeffnung, das erste Paar Stigmen.
Auf den Seiten und an der Unterfläche sind die beiden folgenden
Ringe, Mesothorax und Metathorax, mit einander verschmolzen, aber
Insecten.
143
auf der Riickenfläche unterscheidet man leicht ihre Grenze in einer
mit ihrer Convexität nach hinten gerichteten Bogenlinie. Der Meso-
thorax ist sehr kurz, sein Rückentheil (Mesonotum) hat die Gestalt
eines Dreiecks mit abgerundeter, nach hinten gerichteter Spitze und
etwas ausgeschweifter Basis. Es ist das Schildchen (Fig. 61, g) der
Entomologen. Eine seidhte Querfurche trennt das Schildchen in zwei
Theile; der vordere ist behaart; der hintere, vollkommen glatt, tritt
zwischen den beiden Flügeldecken hervor, die an den Seiten des Schild-
chens eingelenkt sind.
Auf der Bauchseite verschmelzen die umgebogenen Ränder des
Schildchens in ähnlicher Weise wie das Halsschild , mit einem mitt-
leren, flügelförraig nach den Seiten ausgezogenen Stücke, die Mittel-
brust (Mesosternum) (Fig. 65, a, a, l),h). Dieselbe zeigt auf jeder
Seite einen tiefen Ausschnitt (d) , in welchen die Hüfte des zweiten
Beinpaares eingelenkt ist. Wie die anderen Bruststücke, zeigt auch
die Mittelbrust auf der Innen-
^' ■ fläche in die Körperhöhle vor-
springende Fortsätze, an welche
sich die Brustmuskeln festsetzen.
Die Fassungsringe des zwei-
ten Stigmenpaares liegen an dem
hinteren Rande des Mesothorax.
Der M e t a t h 0 r a X ist fast
doppelt so gross als der Meso-
thorax. Er besteht aus acht-
zehn mehr oder minder mit ein-
ander verschmolzenen Stücken ;
sein Metasternum (Fig. 65, c)
ist breit vierseitig; an seinem
hinteren , etwas ausgeschweiften
Rande sind die Hüften des drit-
ten Beinpaares eingelenkt und
auf der Mittellinie seiner Innen-
fläche erhebt sich eine grosse,
senkrechte, dreieckige Platte, die
in drei Fortsätze ausläuft, an welche sich Muskeln ansetzen. Die
Rückenfläche (Metanotum) ist gewölbt, wie das Schildchen behaart und
zeigt eine Mittelfurche ('Fig. 61, 1t). Das Rückenstück ist durch be-
sondere Seitenstücke, Pleuren, auf welchen die dem Metathorax an-
gehörigen, häutigen Flügel eingelenkt sind, mit dem Metasternum ver-
bunden.
Bevor wir uns mit dem Abdomen beschäftigen, wollen wir die
Beine und Flügel besprechen, welche, wie bei allen Insecten, an dem
Thorax eingelenkt sind.
Meso- und Metathorax des Maikäfers, etwa
vierfach yergrössert, von der Unterseite
(nach Strauss-Dürckheim). a, a, b, b,
Mesosternum ; c, c, Metasternum ; d, d, Aus-
schnitte, in welche die Hüften des zweiten
Fusspaares eingefügt sind; e, e, Ausschwei-
fung des Hinterrandes zur Einlenkung des
dritten Fusspaares.
144
Arthropoden.
Fiff. 66.
Beine. — Jedem Brustringe gehört ein Paar von Gangbeinen
an, deren jedes aus neun beweglich mit einander eingelenkten Gliedern
besteht. Sie sind bei dem Männchen verhältnissmässig etwas länger
als bei dem Weibchen. In der Ruhe (Fig. 61) ist das vordere Bein-
paar nach vorn, die beiden anderen, von welchen das Hinterpaar das
längste ist, nach hinten gerichtet. Sonst zeigäii sie keine wesentlichen
Verschiedenheiten , so dass wir uns mit der Beschreibung des ersten
Paares begnügen und dem Beobachter die Constatiruiig der geringen
Modificationen überlassen können , welche die beiden hinteren Paare,
namentlich in der Gestaltung der Tibia zeigen.
Das erste Glied, die Hüfte (Coxa) (Fig. 66, a) ist cylindrisch
und zeigt auf seiner inneren, dem Halsschilde anliegenden Fläche eine
Längsspalte, die seine Höhlung mit derjenigen des Prothorax in Ver-
bindung setzt; seine
Einlenkung in eine
Grube des Prosternums
gestattet nur geringe
Drehbewegungen um
seine Axe.
Das zweite Glied, der
Trochanter (Fig. 66,
a ), ist sehr klein und
derart mit dem distalen
Ende der Hüfte ver-
schmolzen, dass es nur
einen Theil derselben zu
bilden scheint.
Hierauf folgt ein lan-
ges, an seinem inneren
Rande zugeschärftes
Glied, der Schenkel
(Femur) (&), der auf dem
Trochanter frei einge-
lenkt ist und am ande-
ren Ende mit der etwa gleich langen Schiene (Tibia) (c) articulirt.
Die Tibia des ersten Beinpaares ist stark seitlich zusammengedrückt
und trägt am Innenrande ihres distalen Endes drei starke Dornen.
Das Bein endet mit einer Reihe von fünf kleirlen Fingergliedern, Pha-
langen, welche den Fuss (Tarsus) bilden (f?). Das letzte Glied endet
mit zwei starken Doppelkrallen (e) , mit welchen der Maikäfer sich an
den Zweigen festklammert.
Die verschiedenen Beinglieder sind theilweise mit einfachen, innen
hohlen Haaren besetzt, von welchen bei dem Tegumente die Rede
sein wird.
Füsse des Maikäfers, vierfach vergrössert. A, rechter
Vorderfuss; B, rechter Mittelfuss ; a, Hüfte (Coxa);
b, Trochanter ; c, Schenkel (Femur) ; c, Schienbein (Tibia) ;
d, Tarsus, aus fünf Gliedern bestehend; e, Endkrallen.
Insecten. 145
Flügel. — Sie sind, wie bei allen Käfern, sehr verschieden gebaut;
das Vorderpaar ist dick, hornig, zu Flügeldecken (Elytren) um-
gewandelt; sie decken in der That in der Ruhe vollständig die häu-
tigen Hinterflügel, die allein zum Fluge tauglich sind.
Die Flügeldecken (Fig. 61, ?') sind auf dem Mesothorax mit-
telst kleiner, horniger Schaltstücke so eingelenkt, dass sie sich in
schiefer Richtung bewegen können. Sie bestehen aus zwei grossen, harten,
etwas elastischen, nach aussen gewölbten Platten, die sich mit ihren
geraden Innenrändern in der Ruhe so eng an einander legen, dass sie
den Metathorax und sämmtliche Bauchringe mit Ausnahme des letzten
bedecken. Sie krümmen sich mit ihrem äusseren und auch mit ihrem
Hinterrande in der Weise nach unten, dass sie sich vollständig an die
Flächen des Abdomens anschmiegen. Ihre gewölbte Oberfläche zeigt
sechs wenig vorspringende Längsrippen , in welchen Tracheenstämme
verlaufen , die zahlreiche Verästelungen nach allen Richtungen aus-
senden und in den Präparaten leicht erkenntlich sind, da sie mit Luft
gefüllt bleiben.
Die mikroskopische Untersuchung lässt auf der Aussenfläche der
Flügeldecken verschiedene Cuticularbildungen erkennen. An ihrer
Basis finden sich kleine, schuppenartige Rauhigkeiten , zwischen wel-
chen hier und da mehr oder minder lange Haare eingefügt sind, welche
ganz denjenigen gleichen , die wir fast überall auf den Tegumenten
des Maikäfers verstreut finden. Die einen sind dünn, scharf zugespitzt
und zeigen an ihrem Ende feine, nach vorn gerichtete seitliche Zähn-
chen; andere haben die Form von Lancetten. Diese Haare fallen bei
der Behandlung mit Aetzkali leicht ab, so dass man auf solchen Prä-
paraten nur die Oeff'nungen der Poren sieht, auf welchen sie eingepflanzt
sind. Ausserdem sieht man zahlreiche rundliche Körperchen , die un-
regelmässig in der Dicke der Flügeldecken eingebettet sind, eine feine,
concentrische Streifung zeigen und im Centrum eine kleine OefFnung
zu besitzen scheinen. Vielleicht Drüsen ? Wir haben uns dessen nicht
vergewissern können, da Schnitte, senkrecht auf die Fläche der Flügel-
decken geführt, uns keine befriedigenden Resultate gegeben haben.
Die Consistenz der Decken ist so bedeutend, dass sie unter dem Rasir-
messer splittern, und wir wissen aus Erfahrung, dass die Reagentien,
welche das Chitin erweichen , in solchem Maasse zerstörend auf die
Weichtheile einwirken, dass der Histologe sich von ihrer Anwendung
keine Vortheile versprechen kann. Doch konnten wir auf einigen in
Paraffin gemachten Schnitten uns überzeugen , dass das Hornblatt,
welches die Flügeldecke bildet, aus zwei äusseren Chitinlamellen
besteht, zwischen welche eine dünne Hypodermschicht eingeschoben
ist, in welcher die Tracheen und Nerven verlaufen und worin einzelne
Kerne zerstreut sind , welche sich durch alkoholische Cochenillelösung
leicht färben.
Vogt u. Tung, prakt. vergl. Anatomie. II. 10
146
Arthropoden.
Fig. 67.
Die Unterfläcbe der Flügeldecken ist der Oberfläche ähnlich, nur
zeigt sie weit längere und biegsamere gezähnte Haare.
Die häutigen Hinter flu gel (Fig. 61, n ; Fig. 67), die zwischen
dem Metanotum und den Metapleuren eingefügt sind, zeigen sich als
zwei dünne, durchsichtige Lamellen, die während des Fluges hori-
zontal ausgestreckt werden. In der Ruhe werden sie in der Weise
zusammengeschlagen, dass ihr distaler Theil sich schief unter den
Basaltheil schiebt und so der ganze Flügel unter seiner entsprechenden
Decke versteckt ist.
Sie bestehen aus zwei sehr zarten, einander eng anliegenden
Hautlamellen, die man nur an der Basis des Flügels in der Nähe seiner
Einlenkung von einander trennen kann. Sie zeigen zahlreiche Falten,
welche durch die Reibung der Flügel gegen ihre Decken in der Ruhe
entstehen, und werden durch verzweigte Chitinröhren, die Flügel-
adern oder Flügelnerven (Fig. 67, 3 bis 9), gesteift, deren Durch-
messer von der Basis zum Rande allmählich abnimmt. Einige Nerven
entsenden Aeste, die sich mit entsprechenden Aesten der benachbarten
Nerven verbinden und so Räume umgrenzen , welche von den Ento-
mologen Zellen genannt
werden und für die Bestim-
mung der Gattungen und
' (5 Arten Bedeutung haben. Die
-.cL Randader, die stärkste, ver-
"■e- läuft am Vorderrande des
Flügels (/) ; alle übrigen sind
weit schwächer. Die drei
Hauptadern sind etwa am
ersten Drittel des Flügels ge-
knickt (</, li) und mittelst die-
ser Gelenke kann sich das
Ende unter die Basis des
Flügels und der ganze Flügel
unter die Decke einschlagen. Die Nerven sind an ihrem centralen
Eude mittelst beweglicher Stückchen (Achselstückchen nach Strauss)
mit dem Metathorax in Verbindung gebracht (&, fl, e).
In den grossen Längsadern der Flügel verlaufen Tracheenstämme
und Aeste der Flügelnerven, die sich zwischen den beiden Lamellen
verzweigen. Ferner sieht man in den Lückenräumen an der Basis
der Flügel eine körnige Flüssigkeit kreisen , die nichts Anderes als
Blut ist; wir konnten aber auch bei wiederholten Beobachtungen
lebender Thiere ein weiteres Vordringen des Blutes nicht zur An-
schauung bringen.
Die Oberfläche des Flügels trägt zerstreute, kleine Dornen, die
auf den Adern grösser werden.
aus-
nach
Der linke häutige Flügel des Maikäfers
gestreckt und sechsfach vergrössert
Strau ss-Dürckheiin). «, Vorderader; &, cZ, e,
Achselstücke, durch welche der Flügel am
Metathorax befestigt ist; /, Randader; gr, Ä,
mittleres Gelenk des Flügels; 3 bis 9, Mittel-
adern ; l' bis 4', Endadern.
Insecten.
147
Fio;. 68.
Auch bei dieser Gelegenheit müssen wir die Schwierigkeiten, die
sich der Anfertigung guter Querschnitte entgegenstellen, betonen. Das
Chitin der Flügeladern zersplittert sehr leicht vor dem Rasirmesser,
selbst nach Einschluss in Paraffin.
Abdomen. — Diese hinterste und mächtigste Abtheilung des
Körpers, die horizontal nach hinten gerichtet ist und mit ihrer ganzen
Breite dem Metathorax anhängt, hat die Gestalt einer dreiseitigen,
leicht nach der Bauchseite hin gekrümmten Pyramide. Sie besteht
aus acht Ringen, die von vorn nach hinten an Umfang abnehmen und
deren letzter sich mit einer abgestumpften Spitze nach unten biegt
(Fig. 61, C; Fig. 68). Jeder Ring besteht aus einem Rückenstücke,
Notum (Fig. 68, 1 bis 8), und einem Bauchstücke, Sternum (1 bis S').
Diese Halbringe sind auf den Seiten durch eine weiche und dünne
Chitiulamelle verbunden, welche xlusdehnungsbewegungen, namentlich
der ersten sechs Ringe (Respirationsbewegungen) ermöglicht. Xotum
und Sternum der beiden letzten Ringe verbinden sich direct; ihre Te-
gumente sind consisten-
ter als diejenigen der
vorhergehenden Ringe,
und dieser Unterschied
ist namentlich auf der
Ptückenfläche zu erken-
nen, die nicht mehr von
den Elytren bedeckt ist.
Der erste und zweite
Bauchring (Fig. 68, 1
und 2) sind sehr kurz;
ihre Sternalbogen sind
zu einem schmalen Horn-
faden (2 ) verschmol-
zen , so dass das Ab-
domen bei der Ansicht
von unten nur aus sie-
ben Ringen zu bestehen
scheint. Die übrigen
Ringe greifen auf der Unterseite etwas über einander, wie Dachziegel:
die Verbindungshaut ist hier gefaltet.
Der letzte Ring, das Pygidium (Fig. 68, 8). verlängert sich in eine
nach unten gebogene Spitze (b). Bei dem Mäniichen trägt dieser Ring
auf der Innenfläche einen an dem Sternaltheil sitzenden, spatei-
förmigen Fortsatz, der sich nach vorn bis zum viei'ten Ringe erstreckt.
während bei dem Weibchen dieser Fortsatz zu zwei viereckigen
Plättchen verkümmert ist , die in dem unteren Theile der Cloake vor-
springen.
10*
2'J'^'
Der Hinterleib (Abdomen) des Maikäfers, von der
linken Seite gesehen und dreifach vergrössert (nach
Strauss-Dürekheim). 1 bis 8, die Rückenschilder
der Semiten : l' bis 8', die Baufhschilder (die beiden
ersten sind Yerschmolzen) ; u, OefFnung der Cloake ;
6, Stachel des Endschildes (Pvgidium); c, c. die Luft-
löcher (Stigmen).
148 Arthropoden.
Die quere Afterspalte (Fig. 68, a) öffnet sich zwischen dem
in eine Spitze ausgezogenen Rückentheile und dem Sternaltheile des
achten Ringes.
Man kann bei Exemplaren , die mit Aetzkali behandelt wurden,
die einzelnen Abdominalringe leicht mit der Scheere von einander
trennen. Man findet dann im Inneren beim Männchen die verhornte
Penisscheide, von welcher später die Rede sein soll und die durch eine
Einstülpung des achten Ringes gebildet ist.
Tegumente. — In ihren grossen Zügen ist die Haut des Mai-
käfers ebenso gebaut, wie die von Lithobius, die wir eingehend
behandelt haben (S. 97). Wir verweisen also darauf. Je nach den
Körpergegenden wechselt die Dicke der Haut sehr; sie ist dünn auf
den Seiten und besonders auf der Rückenfläche der Bauchringe, soweit
diese von den Elytren bedeckt werden, dicker auf dem Pygidium, dem
Thorax und den Beinen und wird an einzelnen Stellen, wie auf dem
Halsschild und den Flügeldecken, so fest, dass man nur schwer Schnitte
anfertigen kann.
Diese Verschiedenheiten in Dicke und Consistenz werden haupt-
sächlich durch die äussere Schicht, die chitinöse Cuticula, bedingt,
welche aus einer grösseren oder geringeren Zahl homogener, über
einander geschichteter Lamellen gebildet wird, die an der Oberfläche meist
lebhaft braiin oder selbst schwärzlich gefärbt sind, während die unteren
Lager eine schwach gelbliche Färbung zeigen. Diese Lamellen werden
von zahlreichen, senkrecht zur Fläche stehenden Porengängen durch-
setzt, die man auf allen Schnitten sieht und die an der Oberfläche mit
rundlichen, seltener eiförmigen Poren münden, auf welchen Haare von
sehr verschiedener Form stehen, die von der Hypodermis ausgehen.
Die Rückenfläche des Metathorax ist mit einem Pelz von langen, bieg-
samen Fiederhaaren besetzt, deren Endtheil seitliche Zähnchen trägt
(Fig. 69, D). Aehnliche Haare finden sich an mehreren Stellen; sie
sind besonders stark auf dem Vorderrande der Basalglieder der An-
tennen und die seitlichen Fortsätze gleichen hier den Bärtchen einer
Feder. Die auf den Rändern der Fühlerblättchen stehenden Haare
sind im Gegentheil einfach und von einem feinen Canälchen durch-
setzt, welches bei einigen fast bis zur Spitze reicht (Fig. 69, JP). Ausser-
dem finden sich blattförmige , lancettförmige und schuppenähnlich
über einander liegende Anhänge, namentlich auf den weissen Flecken,
die zu beiden Seiten des Bauches unmittelbar unter dem Rande der
Flügeldecken sich finden (Fig. 69, JE). Diese Schuppen sind mit feinen,
ein kreideweisses Licht zurückwerfenden Körnchen bedeckt. Auch auf
den Flügeldecken finden sich etwelche.
Von der Fläche gesehen, erscheint die Chitindecke nicht glatt.
Auf der Rückenseite des Bauches zeigt sie starke, dunkle Linien, welche
vieleckige, etwas erhabene Felderchen begrenzen (Fig. 69, A). Auf
Insecten.
149
den Rändern der Bi'ust- und Bauchringe trägt sie eine Unzahl spitzer
Zähnchen, die nur von der äussersten Chitinlamelle gebildet werden
(Fig. 69, B, C). Anderwärts zeigt die Cuticula parallele, gewellte
Linien, die nur unter starken Vergrösserungen sich zeigen und ohne
Zweifel den besonderen Glanz erzeugen, den man bei vielen Indi-
viduen sieht.
Die Hypodermis lässt sich nur selten auf Schnitten beobachten.
Sie scheint meist aus einer structurlosen Masse körnigen Protoplasmas
zu bestehen, in welcher eiförmige Kerne zerstreut liegen, die sich leb-
haft färben. Ihre Mächtigkeit wechselt und steht im Verhältniss zu
Fi?. 69.
Haut und Anhänge derselben. J, Stück eines Päickenscliildes (Notum) des Bauches
von der Fläche gesehen , um die init dunkelbraunen Linien begrenzten polygonalen
Felder und die Einfügung der Haare zu zeigen (Gundlach, Obj. EI, Camera clara);
B, kleine Dornen auf dem Rande derselben Eückenschilder; C, grössere Dornen eben-
daselbst (Gundlach, Obj. V, Caviera clara); D, Spitze eines Fiederhaares vom
Notum des Metathorax; E, lancettförmige Schuppen auf den Seiten des Abdomens;
F, Spitze eines einfachen, von einem Canal durchsetzten Haares vom Rande einer
Fühlerlamelle (Gundlach, Obj. IV, Camera clara).
der Dicke der von ihr abgeschiedenen Chitinschicht. Wir verweisen
hinsichtlich ihres Aussehens auf die bei Lithobius gegebene Figur -41,
S. 97.
Muskeln. — Das Muskelsystem ist sehr entwickelt. Die aus
gestreiften Muskelfasern zusammengesetzten Bündel zeigen verschiedene
Formen ; sie sind conisch , pyramidal , spindelförmig etc. und setzen
sich , nachdem sie sich in feine Fäserchen getheilt haben , welche die
Hypodermis durchsetzen , an die Chitinlamellen an. Ihre Insertions-
stellen oder Sehnenplatten sind meist umfangreicher als die Muskeln
selbst. Wir gehen in die Beschreibung der einzelnen Muskeln der
Ringe und ihrer Anhänge nicht ein, sondern verweisen in dieser Hin-
150 Arthropoden.
sieht auf die Monographie von Strauss. Ihre Prcäparation ist eine
Geduldsprobe, die aber an frischen Individuen vorgenommen werden
muss , da der Weingeist und überhaupt alle härtenden Reagentien die
Fasern sehr brüchig machen. Die Pikrinschwefelsäure dürfte in erster
Linie zu empfehlen sein.
Makroskopisch lassen sich am leichtesten präpariren : die mäch-
tigen Muskeln , welche den Kopf mit dem Halsschilde verbinden und
ersteren heben und senken können; die nicht minder mächtigen Bündel,
welche das Halsschild mit den folgenden Brustringen und diese mit
den Bauchringen verbinden, und endlich die grossen Längsmuskeln,
welche an der Rückenfläche des Abdomens angebracht sind. In den
gegliederten Anhängen finden wir Beuge- und Streckmuskeln als Anta-
gonisten.
Auf den Schnitten zeigen sich die Muskelbündel als parallele
Cylinder, die durch ein lockeres Bindegewebe von einander geschieden
werden. Querschnitte des Thorax zeigen sehr schön die grossen Rücken-
muskeln . und die schiefen dorsoventralen Bündel, welche sich an die
inneren Apophysen der Brustringe ansetzen.
Allgemeine Lagerung der inneren Organe, — Um diese
zur Anschauung zu bringen, befestigt man den Körper des Maikäfers
nach Ablösung der Deckel und Flügel unter Wasser mittelst feiner
Stecknadeln auf einer Kork- oder W^achstafel und löst dann mit einer
feinen Scheere, von hinten anfangend, die Rückenbogen der einzelnen
Ringe nach einander ab. Das Rückengefäss, welches unmittelbar dem
Tegumente des Bauches anliegt, muss sorgfältig geschont werden.
Zieht man dasselbe zur Seite, so sieht man unmittelbar darunter im
Bauche den auf sich selbst gewundenen Darm , die Tracheenstämme;
im Thorax die grossen Muskeln und im Kopfe das weisse Gehirn und
die davon ausgehenden grossen Augennerven. Wir entrollen den Darm
und fixiren ihn rechts mit Stecknadeln. Nun kommen im Thorax die
auf der Ventralseite liegenden grossen Ganglienmassen und die langen,
von ihnen ausgehenden Nervenstämme zum Vorschein , die in das Ab-
domen ausstrahlen. Im Abdomen sieht man unter dem Darme die
Geschlechtsorgane; die Ruthe mit ihrer voluminösen Chitinscheide fällt
beim Männchen besonders auf. Die verschiedenen Organe sind von
Tracheen, Bindegewebe und dem weisslichen Fettkörper umhüllt,
welcher bei den einzelnen Individuen mehr oder weniger umfangreiche
Massen bildet. Wir gehen zur Beschreibung der einzelnen Organ-
systeme über.
Das Nervensystem verläuft, wie bei allen Arthropoden, in der
Mittellinie der Ventralseite. Es ist verhältnissmässig stark reducirt,
indem alle Abdominalganglien in eine einzige Masse verschmolzen
sind (Fig. 70, r), die noch in dem Metathorax, unmittelbar an dem
hinteren Rande des diesem Ringe entsprechenden Ganglions so fest
Insecten.
151
Fior. 70.
anliegt, dass sie nur durch eine Furche von ihm getrennt ist. In dem
Abdomen finden sich nur die langen Nerven, welche paarweise von
dieser Masse ausstrahlen.
Die Präparation des Nervensystems wird unter der Lupe vor-
genommen; die Verfolgung der einzelnen, oft sehr feinen Nerven
erheischt viele Geduld.
Nach Wegnahme des
Darmes und des Kopf-
schildes treten die weis-
sen Thoraxganglien und
das Gehirn sehr deutlich
hervor. Die Nerven
sind hier auch fester.
Wie bei den Myriapo-
den, kann man sich die
Präparation erleichtern,
indem man die Käfer
einige Tage im Wasser
macerirsn lässt, in Folge
dessen die anderen Or-
gane sich leichter ab-
lösen lassen. Die Prä-
paration der peripheri-
schen Nei'ven lässt sich
an in Weingeist conser-
virten Individuen kaum
durchführen.
Totalansicht des centralen
Xervensystemes und der von
ihm ausgehenden Hauptner-
ven, a, Hirn ; h , Fiihler-
nerven ; c, Sehnerven ; d,
Connective des Schlundringes ;
e , ünterschlundganglion ; /.
Connective von diesem zum
ersten Brustganglion rj \ h,
Nerven des ersten Bein-
paares; i, Connective vom
ersten zum zweiten und drit-
ten Brustganglion ; k , die
nur durch eine seichte Furche
getrennte , verschmolzene
Masse dieser beiden Ganglien ; /, Nerven der Flügeldecken ; ni, Nerven des zweiten Bein-
paares; n, Nerven der häutigen Flügel ; p, Nerven des dritten Beinpaares ; q, erstes Nerven-
paar des Bauches, vom Ganglion des Metathorax entspringend ; r, verschmolzenes Bauch-
ganglion ; s, Nerven des Abdomens, die zu den Segmenten gehen und sich in einen vorderen
(t) und einen hinteren Ast (?() theilen ; v, Nerven der Geschlechtsorgane ; x, Stirnganglion.
152
Arthropoden.
Fiff. 71.
Das Gehirn- oder Oberschlundganglion (Fig. 70 und 72, a)
liegt unmittelbar auf dem Schlünde. Es lässt sich mit blossem Auge
erkennen und nimmt fast die Hälfte des Kopfes ein. Unter der Lupe
sieht man , dass es aus zwei seitlichen Anschwellungen besteht , die
halbkugelig nach oben gewölbt sind. Es setzt sich quer nach beiden
Seiten in die mächtigen Augennerven fort, die nur Verlängerungen von
ihm zu sein scheinen.
Aus ihm entspringen, von vorn nach hinten, drei Paare von Nerven.
Die Fühlernerven, das erste Paar (Fig. 70 und 72, &), ent-
springen an seinem Vorderrande und verlaufen schief über die Anzieh-
muskeln der Mandibeln zur Basis der Antennen. Sie durchsetzen die
verschiedenen Glieder der Fühler und verzweigen sich besonders aus-
giebig in den Lamellen derselben,
die, wie wir sehen werden, sehr
wesentliche Sinnesorgane sind.
Die Augennerven (Fig. 70
und 72, c) bilden das zweite
Paar. Sie sind nur sehr kurz,
da sie sich unmittelbar von dem
Gehirn zu den benachbarten, zu-
sammengesetzten Augen begeben,
aber dafür um so dicker. Wir
besprechen sie bei Gelegenheit
der Sehorgane.
Das dritte Nervenpaar, die
Oberlippennerven, entspringt
vorn auf der Unterfläche des
Gehirns und verzweigt sich in
der Oberlippe. Diese Nerven
sind sehr dünn und schwer zu
präpariren. Zwischen ihnen sieht
man ein, ebenfalls an der Unter-
fläche entspringendes , unpaares
Stämmchen, das zum Stirngan-
glion (Fig. 70, x) sich begiebt.
Zwei kurze Connective (Fig.
70, d) verbinden das Gehirn mit
dem Unterschlundganglion (Fig. 70, e), einem kleinen, eiförmigen
Knoten, von dessen vorderer und unterer Fläche vier Nervenpaare ent-
springen, welche sich in den Mundwerkzeugen verästeln.
Die Unterlippennerven (Fig. 71, g) bilden das erste und
dünnste Paar ; sie verzweigen sich in der Unterlippe und ihren Tastern.
Das zweite Paar, dieMaxillarnerven (/), geht zurMaxille und deren
Tastern; das dritte, die Mandibularnerven (c), zu den Mandibeln
Das Untersclilundganglion mit den von ihm
entspringenden Nerven, a, ünterschlund-
ganglion ; h, abgeschnittene Connective des
Schlundringes zum Hirn ; c, Mandibelnerven ;
cZ, Ast derselben zu den Kaumuskeln ; e,
Nerven zu den Muskeln der beiden Kiefer-
paare ; /, Maxillarnerven ; */, Nerven der
Unterlippe ; ä , i , Connective zum ersten
Brustganglion, abgeschnitten (nach B 1 au-
ch ard).
Insecten. 153
Dieses letztere Paar lässt sich nur schwer in den Kaumuskeln ver-
folgen, in welchen es sich verliert. Vom hinteren Rande des ünter-
schlnndganglions entspringen zwei lange Connective (Fig. 70,/), welche
es mit dem ersten Brustknoten, dem Halsschildganglion (Fig. 70, ^r),
in Verbindung setzen. Dieses hat die Gestalt eines abgestutzten Doppel-
kegels, dessen Spitzen sich nach hinten richten; es lässt sich leicht
biossiegen und von den folgenden Ganglien unterscheiden, welchen es
sehr genähert ist. Von seinen vorderen Ecken entspringt ein Nerven-
paar (Fig. 70, /i), welches sich bald verzweigt. Die nach vorn gerich-
teten Aeste verästeln sich in den Muskeln des Prothorax und senden
auch Zweige zu den Rückziehmuskeln des Kopfes; die stärkeren, hin-
teren Aeste begeben sich in das erste Beinpaar, in dessen Muskeln
sie sich bis zur Spitze hin verbreiten.
Zwei kurze Connective (Fig. 71, i) verbinden das Prothorax-
ganglion mit einem grossen, eiförmigen Knoten, der aus den verschmol-
zenen Ganglien des Meso- und Metathorax gebildet ist. Man sieht
nur noch auf der Oberseite dieser Masse eine sehr seichte Trennungs-
furche (Fig. 70, Je). Die von diesem Knoten ausgehenden Nerven
verbreiten sich in den Anhängen der beiden genannten Ringe, Flügeln
und Beinen.
Das erste Paar verläuft zu den Flügeldecken (Fig. 70, ?). Es
entsteht am vorderen Rande des Ganglions und steigt unmittelbar zur
Einlenkung der Flügeldecken empor. Das zweite Paar (Fig. 70, in)
geht in das zuva Mesothorax gehörende Beinpaar und zu den Seiten-
muskeln, das dritte (n) zu den häutigen Flügeln und das vierte (p) zu
den Hinterbeinen. Diese letzteren Nerven biegen sich stark nach
hinten und geben auf ihrem Verlaufe wichtige Zweige an die Flügel-
muskeln und die Seitenmuskeln des Metathorax.
Endlich legt sich an den hinteren Rand dieser verschmolzenen
Ganglienmasse ein halbkugelförmiger, etwas in die Länge gezogener
Knoten an, welcher allein die ganze Bauchkette repräsentirt (Fig. 70, r).
Bei dem Engerlinge, der Larve des Maikäfers, besteht diese Kette,
nach der von Blanchard gegebenen Abbildung (siehe Literatur), aus
■ sechs von einander getrennten Ganglien. Bei dem Käfer aber sind
dieselben vollständig verschmolzen , so dass man keine Spur mehr von
der früheren Segmentirung entdeckt. Nach dem Ursprünge des ersten
Paares der Bauchnerven (Fig. 70, q) zu schliessen, sollte man sogar
glauben, dass noch ein Theil der Bauchganglien der Larve in die Bil-
dung der Nervenmasse des Metathorax eingegangen wäre , denn diese
Nerven scheinen von dort auszugehen. Genauere histologische Unter-
suchungen von Schnittserien wären nöthig, um diesen Ursprung fest-
zustellen.
Die übrigen sieben Nervenpaare, welche sich an die einzelnen
Abdominalringe begeben, entstehen aber ohne Zweifel aus der verschmol-
154
Arthropoden.
zenen Nervenmasse der Bauchknoten. Diese Nerven (Fig. 70, s,s), die
von Anfang an sehr dünn sind, laufen anfangs parallel mit einander
nach hinten und drängen sich so dicht zusammen, dass sie nur ein
einziges Bündel darzustellen scheinen , von welchem sich nach und
nach die einzelnen Aeste zu den betreffenden Segmenten abzweigen.
Der äusserste, sehr dünne Ast geht zn dem zweiten Bauch- und die
folgenden sofort in die übrigen Segmente, wo sie sich, wie unsere
Figur zeigt (Fig. 70, t, u), regelmässig in zwei Aeste theilen, welche
die Muskeln der Ringe versorgen.
Endlich gehen von den hinteren Zipfeln des Knotens noch zwei
dickere Nervenstämme ab (Fig. 70, v), welche sich zu den Geschlechts-
organen und den Begattungs-
werkzeugen begeben und in
diesen verzweigen.
Zu dem Kopfe zurückkeh-
rend, bemerken wir in der
Nähe des Gehirnes und auf
dem Vorderdarme drei kleine,
uupaare Ganglien, welche das
viscerale oder sympa-
thische Nervensystem dar-
stellen. Das erste dieser
Ganglien, das Stirnganglion
(Fig. 70, ic und Fig. 72, e), hat
eine dreieckige Form und
liegt unmittelbar auf dem
Schlünde vor dem Gehirn.
Von seinen vorderen Ecken
gehen zwei feine Nerven aus,
welche sich im Bogen nach
vorn und aussen wenden,
jeder ein Aestchen an den
Pharynx geben und unter
einer starken Lupe bis auf
die Unterfläche des Gehirnes
verfolgt werden können, in
welche sie einzugehen schei-
nen. Aus der hinteren Ecke des Stirnganglions entspringt ein un-
paarer Nerv (Fig. 62, g), der Nervus recurrens der älteren Autoren,
der direct nach hinten zwischen dem Schlünde und der Unterfläche
des Gehirnes durchläuft und dann ein kleines Schlundganglion bildet,
das auf der Rückenfläche des Schlundes aufliegt. Hinter diesem Knoten
theilt sich der Nerv in zwei dünne Aeste, die auf der Rückenfläche des
Schlundes bis zum Kröpfe verlaufen und hier das Schlundmagen-
Vordertheil des Centralnervensystemes mit den
verschiedenen Visceralganglien. a, Hirn ; h,
Fühlernerven; c, Sehnerven; d, Nerven der
Oberlippe ; e, Stirnganglion ; /, Schlundmageu-
ganglion; g, Aeste des rütklaufenden Nervens
nach seiner Theilung; /<, Herzganglien ; i, davon
ausgehende, längs des Eückengefässes laufende
Nerven ; h, l, Ganglien und Nerven der Tra-
cheenstänime des Kopfes. (Nach Blanchard.)
Insecten. * 155
Ganglion (Fig. 72, f) bilden, welches ebenfalls eine di-eieckige Ge-
stalt hat und an die Darmwände äusserst feine Zweige abgiebt, die
sich nur unter dem Mikroskope verfolgen lassen.
Ausser diesen winzigen Nervenknötchen finden sich noch zwei
Ganglienpaare, welche das Rückengefäss und die Tracheenstämme des
Kopfes innerviren.
Die Herzganglien (Fig. 72, h) liegen unmittelbar hinter dem Ge-
hirne, das sie mit ihrem Vorderrande berühren; sie sind durch eine
dünne Quercommissur mit einander verbunden. Die aus ihnen ent-
springenden Nerven verzweigen sich an der Kopfaorta. Blanchard
zeichnet und beschreibt ausserdem zwei seitlich aus dem Ganglion ent-
springende Aestchen, welche sich mit den Mandibularnerven des Unter-
schlundganglions verbinden sollen; wir haben sie nicht zur Anschauung
bringen können. Dagegen kann man leicht zwei kurze , von ihnen
ausgehende Connective erkennen , welche den Schlund umkreisen und
in zwei etwa gleich grosse Ganglien eingehen, welche auf der Unter-
fläche des Darmes liegen (Fig. 72, Ji, 1) und Zweige zu den Tracheen-
stämmen des Kopfes abgehen lassen.
Das in dem Kopfe des Maikäfers gelegene viscerale Nervensystem
besteht demnach aus drei unpaaren Ganglien, welche zu dem Vorder-
darm in Beziehung stehen, und zwei Ganglienpaaren, welche das
Rückengefäss und die Tracheen versorgen. Wahrscheinlich finden
sich weiter nach hinten noch ähnliche Ganglien, welche mit den
Brustknoten in Verbindung stehen, da man aber zur Zeit keine
frischen Maikäfer haben konnte, war es uns unmöglich, weitere Nach-
forschungen anzustellen. An conservirten Exemplaren ist nichts zu
sehen.
Sinnesorgane. — Ueber die Localisiruug des Geschmackes
und des Gehörs wissen wir nichts Bestimmtes. Man glaubte früher
mit Leon Dufour und besonders mit Lespes den Antennen den
Gehörsinn zusprechen zu dürfen, musste aber dann in Folge genauerer
Untersuchungen diese Ansicht aufgeben. Die Grübchen in den La-
mellen der Antennen, in welchen Lespes Otolithen gefunden zu haben
glaubte, enthalten in der That nichts Aehuliches.
Anderseits ist es wohl möglich, dass die zahlreichen, vonCanälchen
durchsetzten Haare, welche auf den Lippen sich finden, Nervenfädchen
erhalten , welche Geschmacksempfindungen vermitteln , aber Beweise
für diese Möglichkeit sind bis dahin nicht geliefert worden und es ist
demnach gerathen, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.
Ganz anders verhält es sich mit den Geruchsempfindungen,
die in Folge anatomischer und physiologischer Untersuchungen in den
Lamellen der Antennen unzweifelhaft ihren Sitz haben. Ein Maikäfer,
dem man beide Fühler abgeschnitten hat, ist unempfänglich für Ge-
156
Arthropoden.
rüche. Wir müssen deshalb hier auf die feinere Structur dieser La-
mellen der Fühler näher eingehen.
Unter stärkeren Vergrösserungen sieht man auf den beiden Flächen
jeder Lamelle eine grosse Anzahl von kleinen, unregelmässig be-
grenzten Grübchen, auf deren Grunde man zwei concentrische Ringe
erblickt, die nichts Anderes sind, als die Conturen einer Anschwellung
des Bodens des Grübchens und der Basis eines Sinnesstäbchens, welches
darin sitzt.
Um die Structur dieser Riechgrübchen (Fig. 64, (7; Fig. 73)
genauer darzulegen, muss man die Lamellen bei einem lebenden Thiere
abschneiden, in Pikrinschwefelsäure oder Osmiumsäure fixiren, in Pa-
raffin einschliessen und dann Schnitte anfertigen, die senkrecht auf die
Oberfläche der Lamellen geführt sind.
Auf solchen Schnitten (Fig. 73) sieht man, dass die Cuticula frei
nach aussen geöffnete Grübchen (a) trägt, die eine engere Oeffnung
Fig. 73.
Senkrechter Querschnitt einer Fühlerlamelle, 450 fach vergrössert. Von F. Ruland
combinirte Figur. «, Riechgriibchen ; b, Centralwärzchen, das auf seinem Gipfel eine
schüsseiförmige Vertiefung trägt; c, stärker vorragendes Wärzchen; d, Nervenfaser;
e, Axenfaden ; /, Ganglienzellen ; g, Eiechhärchen.
und einen ausgeweiteten Innenraum zeigen ; ihre Tiefe ist nicht überall
die gleiche. Der Boden dieser Grübchen ist stets in der Mitte warzen-
förmig gehoben und öfter sieht man auf der Spitze dieser Warze eine
kleine, becherförmige Vertiefung (b, c). Die Axe des Wärzchens wird
von einem Porencanale durchsetzt, in welchen ein körniges Fädchen
eindringt, wahrscheinlich ein Nervenfädchen (d, e). In der That findet
man in dem unterliegenden Bindegewebe Zellen (/), welche Ganglien-
zellen ähnlich sehen. Wir müssen jedoch gestehen, dass wir auf keinem
unserer Schnitte einen directen Zusammenhang dieser Zellen mit dem
Fädchen nachweisen konnten. Auf dem Gipfel der Wärzchen findet
man öfter ein steifes Härchen , ein spitzes Nervenstäbchen, aufsitzend,
das manche Forscher nicht nachweisen konnten , vermuthlich weil es
Insecten.
157
äusserst zerbrechlich ist. Auf unseren Schnitten fehlt es meistens;
auf einigen aber sehen wir es ganz in der Weise, wie Kräpelin und
Kuland (siehe Literatur) es nachgewiesen haben (Fig. 73, g). Das
körnige Nervenfädchen verlängert sich in dieses Stäbchen.
Diese Organe scheinen also die Geruchsempfindungen zu vermit-
teln. \Yir machen aber darauf aufmerksam, dass auf den Rändern der
Lamellen grosse , von Canälen durchsetzte Haare stehen (Fig. 68, F),
welche wahrscheinlich Tastwerkzeuge sind. Die Tastempfindungen sind
indessen nicht ausschliesslich auf die Antennen localisirt. Wahrschein-
lich erhalten die zahlreichen Haare, welche auf verschiedenen Körper-
theilen zerstreut sind , wenigstens theilweise Aestchen von den Haut-
nerven und vermitteln so Tastempfindungen.
Augen. — Der Maikäfer besitzt zwei zusammengesetzte Augen
mit gut entwickelten Krystallkegeln (Euconer Typus nach Gre-
Fiff. 74.
B
A, 30 fach vergrösserter Längsschnitt des Auges, a, a', Hautfalten, die eine Sclero-
tica bilden; b, Hornhaut; c, von Pigment umgebene Zone der Krystallkegel ; d, Reti-
nula ; e, tiefere Zone derselben, von Pigment umgeben ; /, vom Sehnervenganglion aus-
strahlende Nervenbündel; g, Sehganglion; h, Sehnerv. B, sechseckige Facetten der
Cornea, von der Fläche sjesehen.
nacher), die in seitlichen Gruben des Kopfschildes, unmittelbar hinter
den Antennen liegen und von einer Falte der Cuticula (Fig. 74, a, a)
in Art einer Sclerotica umgeben werden. Jedes Auge wird von einer
158 Arthropoden.
coDvexen Cornea von eiförmigem Umriss überwölbt, die in sechseckige
Facetten geschliffen ist (Fig. 74, B) , deren Zahl nach der Schätzung
von Strauss etwa 8820 beträgt.
Die Untersuchung der Elemente der Augen in frischem Zustande
wird durch das sie umgebende Pigment sehr erschwert; bei der Zer-
gliederung mit feinen Nadeln wird man nur selten isolirte Krystall-
kegel und Retinastäbchen finden, von welchen das Pigment losgeschält
ist. Um die Structur dieser Elemente und ihre Beziehungen klar zu
legen, muss man also zu Schnitten seine Zuflucht nehmen, deren Rich-
tung derjenigen der optischen Axe des Auges entspricht. Diese Be-
dingung lässt sich nicht leicht erfüllen, da man in dem Paraffin nicht
leicht die Lagerung des Aiiges erkennt, das in Folge seiner schwarzen
Farbe sich nicht von den umgebenden Tegumenten unterscheiden lässt.
Folgende Härtungsmethode hat uns für die Untersuchung der Nerven-
elemente die besten Resultate gegeben.
Man trennt mit der Scheere den Kopf eines lebenden Maikäfers
vom Thorax, schneidet die Antenne ab und theilt durch einen Längs-
schnitt mit dem Rasirmesser den Kopf in zwei Hälften, die man in
eine einprocentige Lösung von Chromsäure oder Osmiumsäure fallen
lässt, worin sie drei bis vier Stunden liegen bleiben. Dann härtet man
in Weingeist, schliesst jede Kopfhälfte in Paraffin ein und fertigt so
feine Schnitte als möglich. Das Paraffin dringt nur sehr langsam ein,
weshalb man die Theile lange im geschmolzenen Paraffin halten muss.
Die Cornea springt leicht unter dem Rasirmesser ab; solche Schnitte
sind indessen nicht verloren, da man sie leicht nach anderen Schnitten,
wo sie erhalten blieb, ergänzen kann.
Wir haben (Fig. 74, A) einen Längsschnitt des Auges dargestellt,
der etwa durch die Axe desselben geht. Der Schnitt wird aussen von
der durchsichtigen Hornhaut begrenzt (&), an welche innen die Kry-
stallkegel (f) sich anlegen , die meist von dichtem Pigment umgeben
sind. Nach dieser dunklen Zone folgt eine helle, durchsichtige (d),
welche von den Stäbchen der Retinula gebildet wird, deren Basaltheil
in einer zweiten Pigmentschicht (e) steckt. In diese dringen Bündel
von Nervenfasern (/) ein , welche von dem Sehganglion (g) aus-
strahlen. Wir sehen auf allen unseren Schnitten diese Faserbündel
in Gestalt von Säulchen , die durch leere Zwischenräume von ein-
ander getrennt sind. Mehrere sind gerissen in Folge der Präpara-
tion und der nicht ganz conformen Lage des Schnittes. Je nach der-
selben erscheint auch das Sehganglion mehr oder minder geschwollen
in seiner Mitte; der von ihm ausgehende Nerv ist fast so breit als
das Gehirn.
Wenn man die Beschreibung und den Durchschnitt, die wir von
der Structur des Krebsauges gegeben haben (S. 32, P'ig. 13), ver-
gleichen will, so wird man finden, dass das Auge des Maikäfers nicht
Insecten.
159
3- .-
sehr bedeutend davon abweicht. Die Vertbeilung des Pigmentes, die
übrigens bei einzelnen Individuen beider Arten ziemlich variiren kann,
ist etwa die gleiche.
Gehen wir, wenn auch nur kurz, in die genauere Betrachtung der
Structurelemente eines einfachen Theilauges ein. Man fasst ja gewöhn-
lich das zusammengesetzte Auge als eine Vereinigung von ebenso viel
Theilangen auf, als die Hornhaut Facetten hat, und die alle in einem,
Fig. 75. durch das Sehgauglion dargestellten Mittel-
punkte zusammenlaufen.
So hat man wenigstens bis jetzt allgemein
das zusammengesetzte Auge aufgefasst. Wir
werden weiter unten bei den allgemeinen Be-
trachtungen sehen, weshalb diese Auffassung
nicht mehr den neueren Arbeiten über das Arthro-
podenauge entspricht. Wenn wir sie noch pro-
visorisch hier behalten, so geschieht es, weil sie
die anatomische Beschreibung erleichtert und
auch, weil wir am Maikäferauge nicht die Rich-
tigkeit der Thatsachen controliren können, auf
welche sich die neuere, besonders von Patten
(s. Literatur) lebhaft vertheidigte Anschauungs-
weise stützt.
Geht man von der Peripherie aus nach
innen, so findet man zuerst das sehr durch-
sichtige, sechsflächige Hornhautprisma (a,
Fig. 75), das von einer dem Aetzkali wider-
stehenden Chitinschicht gebildet ist. Die
äussere Fläche ist leicht convex, die innere,
weit gewölbtere Fläche ist parabolisch. Dieser
Theil wird schon von dem Pigment umgeben,
das auch die Krystallkegel umhüllt; auf nicht
sehr feinen Schnitten erscheint es als eine fort-
laufende, dunkle Linie (b, Fig. 75). In der
That bilden die Pigmentzellen eine Scheide um
die unmittelbar hinter den Hornhautprismen
säure, die beiden anderen gelegenen, sehr lichtbrechendeu K ry stall k egel
nach vorgängiger Zerstö- (e, Fig. 75), deren nach innen gerichtete Spitze
leicht abgerundet ist, während ihre Basis sich
an die Wölbung des Hornhautprismas anlegt.
Sie sind von feinen Fädchen umgeben, die sie
aus dem vorderen Ende der Retinulen er-
, ,, „ halten, welche den Stäbchen der Crustaceen-
wurde; d, kleine Pigment- -n • i
Zellen ; fZ', grosse Pigment- ^ugen entsprechen. An den Retinulen unter-
zellen; e, /, g, Retinulen. scheiden wir mit Grenacher drei Abschnitte.
Melolontha vulgaris. —
Längsschnitt dreier ein-
facher Theilaugen (Z e i s s ,
Oc. .II, Obj. E). Das
linke Auge ist vor der
Entfärbung durch Salpeter-
rung des Pigmentes ge-
zeichnet worden, a, Pris-
men der Hoi'nhaut ; &, Pig-
ment um den Krystall-
kegel; c, Krystallkegel,
deren Pi2;ment zerstört
160 Arthropoden,
Der vordere (e, Fig. 75), keulenförmig angeschwollene Abschnitt zeigt
lange, durchsichtige Zellen, jede mit einem Kerne ; der längere , mitt-
lere Abschnitt (/) ist verengert und homogen ; der hintere oder innere
Abschnitt {g) hat die Gestalt eines geriefelten Cylinders mit glänzenden
Rippen, die nach beiden Enden hin convergiren. Man sehe über wei-
tere Einzelheiten Grenacher (s. Literatur).
Während der vordere und mittlere Abschnitt jeder Retinula pig-
mentlos bleiben, taucht der hintere Abschnitt wieder in eine mächtige
Pigmentschicht, deren Färbung aber nicht so dunkel erscheint, wie um
die Krystallkegel. Oft ist die Farbe eher röthlich oder braun, statt
schwarz; sie dehnt sich nach hinten über die vom Sehganglion aus-
strahlenden Nervenfäden aus, die im Ganglion selbst mit zahlreichen
Zellenkernen, kleinen Körnerhaufen und lichtbrechenden Tröpfchen
untermengt sind. Wir haben auf Schnitten im Ganglion keine deut-
lichen, mit den Fasern in Verbindung stehende Nervenzellen sehen
können, jedoch existiren sie wahrscheinlich, da man in Zerzupfungs-
präparaten welche sieht. Der sehr bedeutende Nerv, welcher das
Ganglion mit dem Hirn verbindet, ist fast so breit als das Hirn selbst.
Auf Querschnitten des Kopfes kann man ihn bis zum Mittelpunkte des
Hirnes verfolgen.
Verdauungscanal. — Der Darm bildet ein cylindrisches Rohr,
das sechs- bis siebenmal länger als der Körper ist. Er beginnt an
der Unterfläche des Kopfes mit dem Munde, der nach vorn von der
Oberlippe begrenzt ist, deren Chitinlamelle sich nach innen einschlägt,
die Wölbung der Mundhöhle auskleidet und sich in den Schlund fort-
setzt. Seitlich ist der Mund von den Mandibeln und Maxillen um-
stellt, die wir schon bei Gelegenheit der äusseren Organe (Fig. 63)
behandelt haben. Die Mandibeln zerstückeln und zerreiben die Nah-
rung, welche von den Maxillen während dieser Operation festgehalten
und dann in den Mund geschoben wird. In dieser Function werden
die Maxillen von dem Anhange der Unterlippe, der sogenannten Zunge,
unterstützt, die nach allen Seiten beweglich ist und bis zwischen die
Mandibeln vorgestreckt werden kann.
Vom Munde aus läuft der Darm zuerst geradeaus nach hinten
durch den Thorax und bildet im Abdomen mehrere Schlingen. Der
kurze und enge Schlund (a, Fig. 76) tritt durch den Nervenring
und erweitert sich hinter demselben in eine Art Kropf; der vor dem
Nervenringe gelegene Theil ist ebenfalls etwas erweitert und wurde
von Strauss als Pharynx bezeichnet; er besitzt kleine, eigene Mus-
keln, welche ihn bei der Aufnahme der Nahrung nach vorn ziehen
können.
Von dem Brustschilde an wird der Darm weiter und behält diese
Dimensionen auf einer bedeutenden Erstreckung in dem Bauche, wo
er die erwähnten Schlingen bildet. Wir nennen diesen grössten Darm-
Insecten.
161
abschnitt den Mitteldarm (Fig. 76, h). Er ist der wesentlich ver-
dauende Theil, zeichnet sich durch seine braune Farbe aus und wurde
von Dufour Chylusmagen genannt (Jahot succenttnie von Stvanss).
Seine wenigstens im Anfange längsgefalteten Wände sind innen mit
Zellen ausgekleidet, die braune Körnchen enthalten, über die wir
aber nicht näher berichten können , da wir sie nur an in Weingeist
conservirten Individuen untersuchen konnten. Auf der Aussen-
Fig. 76. fläche ist der Mitteldarm mit
^ feinen, bräunlichen und ge-
fiederten Röhrchen überzogen,
den Aesten der Malpighi'-
schen Gefässe (li , Fig. 76),
von welchen später die Rede
sein soll. Nach hinten setzt
sich der Mitteldarm in einen
dünneren Theil fort, den
Dünndarm (c, Fig. 7 6), wie
ihn L. Dufour genannt hat.
In diesen münden die Mal-
pighi' sehen Röhren ein.
An den Dünndarm schliesst
sich der Enddarm an, in
welchem wir zwei Abschnitte
unterscheiden können. Den
vorderen, bedeutend erweiter-
ten und braunen Abschnitt,
der dicke, fleischige Wände
besitzt, bemerkt man bei Er-
öffnung, des Hinterleibes so-
fort über den Geschlechts-
organen. Er nimmt die vier
letzten Segmente ein und
krümmt sich nach der Wöl-
bung derselben mit der con-
vexen Seite nach rechts und
hinten. Dieser Theil (Colon
nach Dufour, Gesier nach
Strauss) zeigt innen sechs
Längsreihen stark vorsprin-
gender Wülste (d, Fig. 76)
drüsiger Natur, welche ausser-
dem noch die Ausstossung der
Producte und Verdauung zu
verhindern scheinen.
11
Melolontha vulgaris. — Anatomie. Das Herz
ist mit dem Riickentegumente entfernt , der
Darm abgewickelt und nach rechts geschoben
worden. Man hat nur ein M alpighi'sches Ge-
fäss gezeichnet und der grösseren Deutlichkeit
wegen seine Dimensionen im Verhältniss zum
Darme etwas vergrössert. «, Schlund ; &, Mittel-
darm ; c, Dünndarm ; tZ, erweiterter Theil des
Enddarmes ; e , verengerter Theil desselben ;
/, Rectum ; g, Abschnitt , womit die M a 1 -
pighi' sehen Röhren in den Darm münden; /;,
Abschnitt der Federröhren (braune Röhren);
i, Abschnitt der einfachen M a 1 p i gh i 'sehen Röh-
ren (weisse Röhren) ; Ä;, Penis ; /, Samengang ;
m , Hodengänge , die zahlreiche Windungen
neben dem Penis machen; n, Tracheen mit
Luftblasen; o, schiefe Thoraxmuskeln ; p, andere
Thoraxmuskeln ; q, Hirn ; r, s, t, Ganglien der
Brust und des Hinterleibes; u, davon aus-
gehende Nerven.
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II.
162 Arthropoden.
Der hintere Abschnitt des Enddarmes verengert sich wieder und
bildet so das Rectum, welches in die obere Fläche eines runden Muskel-
sackes, in die Cloake (/, Fig. 76), sich öffnet, in welche auch die Aus-
führuugsgänge der Geschlechtsdrüsen einmünden.
Wir haben die histologische Structur des Darmcanales nicht ge-
nauer untersucht. Querschnitte zeigen indessen, dass die beiden End-
portionen, vordere und hintere, innen mit einer dünnen Chitinlamelle
ausgekleidet sind, die eine Endothelialschicht mit undeutlichen Zellen
überzieht, welche auf einer äusseren, aus Längs- und Querfasern be-
stehenden Muskelhaut aufsitzt, die ohne Zweifel durch peristaltische
Bewegungen die Nahrungsballen weiter bewegt. Im Rectum werden
diese Muskelbündel besonders stark.
Der Maikäfer besitzt weder Speicheldrüsen noch andere Neben-
drüsen des Darmes, wie man sie bei vielen Insecten antrifft. Eine
genaue Untersuchung des histologischen Baues der verschiedenen Darm-
regionen würde manches Interesse bieten und gestatten, diesen Elementen
die verschiedenen Functionen zuzuweisen, welche F. Plateau in seiner
Abhandlung über die Verdauung der Insecten kennen gelehrt hat.
Malpighi'sche Röhren. — Man ist jetzt allgemein darüber
einig, dass diese Canäle nur Ausscheidungsorgane sind und mit
der Verdauung, etwa durch Gallenabsonderung, nichts zu thuu
haben. Wir beschreiben sie indessen hier wegen ihrer engen Verbin-
dung mit dem Darmcanale , den sie im grössten Theile seiner Er-
streckung umspinnen. Bei dem Maikäfer bilden sie vier lange, sehr
dünne und gewundene Röhren , die der äusseren Wand des Darmes so
eng anliegen, dass man sie nur mit grösster Schwierigkeit isoliren
kann, ohne sie zu zerreissen. Die Abwicklung gelingt noch am leich-
testen von ihrer Einmündungsstelle in den Dünndarm aiis {g, Fig. 76).
Von dort erstrecken sie sich nach vorn über den ganzen Mitteldarm
und biegen am Vorderrande desselben um, indem sie bis auf den End-
darm sich fortsetzen.
Auf diesem letzten Abschnitte ihres Verlaufes nehmen die Röhren
eine weisse Farbe an , während ihr Vorderabschnitt braun gefärbt ist
und sich aiif dem ebenfalls braunen Darm weniger leicht unterscheiden
lässt. Doch wechselt diese Färbung bei den verschiedenen Individuen;
bei den einen haben sie überall dieselbe Farbe, während bei anderen
auch einzelne Stellen ihrer Erstreckung auf dem Mitteldarme weiss
erscheinen. Wir können deshalb dieser Färbung nicht das Gewicht
beilegen , wie es ältere Beobachter thaten , die zum Theil nicht den
Zusammenhang zwischen den braunen und weissen Röhren erkannt
hatten und die ersteren für Galle absondernde Organe, die letzteren für
Harnorgane ansahen. Leydig ist noch neuerdings in diesen Irrthum
verfallen, der von F.Plateau und Schindler (s. Literatur) endgültig
zurückgewiesen wurde.
Insecten.
163
In anatomischer Hinsicht kann man an den Malpighi'schen
Röhren einen Abschnitt unterscheiden, auf dessen Erstreckung sie eine
Menge kleiner seitlicher Blindröhreu tragen (h, Fig. 76; A, Fig. 77).
Diese Seitenröhrchen sind von ungleicher Länge, zuweilen verzweigt,
und geben dem Gange das Ansehen einer Feder (Federröhrchen von
Leydig). Sie finden sich vorzugsweise auf dem braun gefärbten Theile
der Röhren, wo diese dem Mitteldarm anliegen. Die weissen Röhren
dagegen, welche dem Enddarm anliegen (5», Fig. 76; ^, Fig. 77), zeigen
keine seitlichen Blindröhrchen , sondern nur hier und da knotige Ver-
dickungen, die durch eine bedeutendere Anhäufung der Escretions-
stoffe im Inneren des einfachen Rohres erzeugt werden.
Die Malpighi'schen Röhren zeigen eine äussere Hüllhaut
(C, a, Fig. 77), in welcher man hier uud da Kerne trifft (h). In den
Melolontha vulgaris. — Malpighi'sclie Röhren. A, Fragment* einer verästelten,
braunen Röhre. B, Fragment einer einfachen, ^veissen Röhre (Gundlach, Oc. 1,
Obj. 2, Camera dura). C, Fragment, welches den Uebergang einer braunen, ver-
ästelten zu einer einfachen, weissen Röhre zeigt (nach Schindler); a, Eigeuhülle ;
6, Kern der Hülle ; c, Epithelialzellen der braunen Röhre ; d, dieselben der weissen
Röhre.
gefiederten Röhren ist diese Hülle von einem aus grossen, polyedrischen
Zellen mit grossen Kernen gebildeten Epithelium ausgekleidet, deren
Protoplasma Anhäufungen von braunen Körnchen zeigt, die man in
der klebrigen Flüssigkeit, welche die Röhre füllt, mit stark licht-
brechenden Kügelchen vermengt wiederfindet {C, c, Fig. 77).
11*
164
Arthropoden.
Fie. 78.
Das Epithelium des nicht verästelten Abschnittes der Malpighi-
schen Röhren zeigt kleinere Zellen {C, d, Fig. 77). Der Inhalt der
Röhren ist opak, dick, mit braunen Concretionen und fettartigen
Kügelchen gespickt. Wir haben keine Krystalle gefunden, wie sie bei
anderen Insecten vorkommen und die aus Harnsäure bestehen.
Rückenge fä SS, Herz. — Das Kreislaufsystem ist auf ein ein-
ziges Gefäss beschränkt, welches in der Mittellinie der Rückenfläche
verläuft. Im Hinterleibe
liegt es unmittelbar der
Innenfläche der Tegumente
an und ist durch Muskel-
bänder daran befestigt.
Wir rathen es von der
Bauchseite aus zu präpa-
riren , nachdem man alle
übrigen Organe entfernt
hat.
Von dem ersten Bauch-
ringe an beugt sich das
Rückengefäss leicht nach
unten und setzt sich in
einen Aorten canal fort
(.4, B, a, Fig. 78), der in
dem Thorax gerade nach
vorn verläuft und unmittel-
bar auf dem Darm auf-
liegt. So dringt der Canal
bis in den Kopf vor, wo er
plötzlich mit offener Mün-
dung aufhört, ohne sich zu
verzweigen. Nach hinten,
bei &, schliesst das Herz
mit einer stumpfen Spitze
ab, ohne Seitengefässe ab-
zugeben.
Wir haben also eine
cylindrische Röhre mit
dünnen , und wenigstens
im Abdomen contractilen
Wänden vor ixns, die man
als ein Herz betrachten
kann, da sie die Nähr-
flüssigkeit, das Blut, umtreibt. An jedem Segmente ist diese Röhre
durch eine Einstülpung ihrer Seitenwände verengt, so dass sie aus acht
y^-J
Melolontha vulgaris
A, das Herz von der
Rückenseite. B, sein vorderer Theil mit der Ein-
biegung; der Aorta an ihrem Ursprünge. «, Aorta ;
h, letzte geschlossene Kammer am hinteren Ende ;
c-, die durch Einstülpungen der Wände [d) ge-
trennten Herzkammern ; e, grosse Zellen des Peri-
cardialgewebes ; /, Flügelmuskeln; </, Peritoneal-
lamelle.
Insecten. 165
hinter einander folgenden Kammern besteht (c, c, Fig. 78), die sich
theilweise in einander schieben können, um den Bewegungen des Ab-
domens zu folgen.
Der eingestülpte Theil der Herzwände (d, d, Fig. 78) zeigt die
Gestalt einer halbmondförmigen Doppellamelle, an deren hinterem Ende
eine Oeffnung angebracht ist, durch welche das Blut bei jeder Diastole
aus der Pericardialhöhle in das Herz übertreten kann. Es giebt dem-
nach ebenso viele Paare von Oeffnungen als seitliche Einstülpungen der
Wände, und da diese in die Herzhöhle vorspringen, so bilden sie einen
Klappen apparat, der das Blut in der auf unserer Figur durch einen
Pfeil bezeichneten Richtung bei der Systole vorwärts treibt und seine
Rückstauung während der Diastole verhindert.
Grab er findet, dass die Herzwände aus drei Schichten bestehen:
einer structurlosen Intima, einer Mittelschicht aus musculösen Längs-
und Querfasern und einer äusseren Adventitia aus Bindegewebe. ^N^ir
verweisen auf seine Abhandlung (siehe Literatur) in Bezug auf die
Histologie des Herzens und namentlich auf das dasselbe umgebende
Pericardialgewebe (e, Fig. 78), welches aus grossen Zellen mit zwei
Kernen besteht. Wir fügen nur bei , dass das Rückengefäss auf einer
Peritoneallamelle ruht, die eine Reihe von Muskelbündeln zeigt, welche
einerseits an den Seitenwänden der Herzkammern , anderseits an den
oberen Bogen der Tegumente des xA.bdomens enden. Da diese Bündel
am Herzen sich ausbreiten und an dem Tegument spitz enden, haben
sie eine dreieckige Gestalt, weshalb die älteren Autoren sie dieFlügel-
muskeln des Herzens nannten (/,/, Fig. 78). Die Untersuchungen
von Grab er haben gezeigt, dass diese Flügelmuskeln bei der Diastole
der Herzkammern keine active Rolle spielen, wie Strauss glaubte
und viele Handbücher nach ihm wiederholten.
Aus dem vorderen Ende der Aorta ergiesst sich das Blut in die
allgemeine Leibeshöhle, wie man leicht durch Einspritzungen in das
Herz nachweisen kann, und von da in den ganzen Körper. Wir haben
die Vertheilung des Blutes in diesem weiten Sinus nicht genauer ver-
folgen können, aber aus der Analogie mit durchsichtigen Insectenlarven,
die man unter dem Mikroskope beobachten kann, dai-f man schliessen,
dass der Blutstrom in regelmässiger Weise zwischen den Organen und
um die zahlreichen Tracheenstämme kreist. Das Blut durchsetzt das
von zahlreichen Lacunen durchbohrte Pericardialgewebe um das Herz
und tritt schliesslich in dasselbe durch die erwähnten Oeffnungen
zwischen den Kammern ein. Das Blut selbst ist farblos und führt
amöbenartige Körperchen, von welchen man oft Ansammlungen in den
Herzkammern findet.
Athemorgane. — Der Maikäfer athmet durch Tracheen (Fig. 80
und 81 a. S. 168 u. 170), d. h. durch in allen Organen verzweigte
Luftröhren, die von Luftlöchern oder Stigmen entstehen, welche
166
Arthropoden.
auf den Seiten des Körpers angebracht sind und deren wir schon bei
Beschreibung des äusseren Skelettes gedachten (c, c, P'ig, 68).
Die in der Zahl von acht Paaren vorhandenen Stigmen sind äusser-
lich von einem ovalen Chitinring umsäumt (a, Fig. 79), von welchem
mehr oder minder starke Chitinstäbchen {a) ausgehen, die reusenartig
eine feine Haut stützen, welche eine becherförmige Vertiefung (e)
bildet, auf deren Grunde die Spalte sich öffnet, welche die Luft in die
Trachee einlässt {A^ b, Fig. 79). Diese in der Richtung der grossen
Axe des Stigmas orientirte Spalte ist sehr eng und ihre Lippen sind
mit kurzen, dünnen Härchen besetzt, welche das Eindringen des Staubes
verhüten. Die Wände der Bechergrube zeigen vieleckige, von kleinen
Chitinleisten bedingte Zeichnungen. Man untersucht die Structur der
Stigmen an Kalipräparaten und zieht die an dem Stigma entstehenden
Fiß-. 79.
Melolontha vulgaris. — Stigmen. A, Thoracalstigma. B , letztes Abdominalstigma.
C, das erste Bauchstigma von innen gesehen, um seinen Verschliessuugsapparat zu
zeigen, a, Chitinrahmen; a', Chitinstäbchen; ö, spaltförmige OefFnung des Wurzel-
stammes der Tracheen ; c, Wand des Stigmenbechers ; d, Chitinstücke, an welche sich
Schliessmuskeln inseriren ; e, Schliesslamelle ; /, Tracheenstamm.
Tracheenstämme bei der Ablösung des Luftloches mit heraus. Man
wählt vorzugsweise die Stigmen, welche am Thorax oder an den ersten
Bauchringen gelegen sind, weil sie eine bedeutendere Grösse besitzen.
Die Stigmen der letzten Bauchringe haben eine kleinere, fast runde
Oeffnung (i?, Fig. 79). Jedes Stigma besitzt an seiner inneren Fläche
einen Verschliessungsapparat (C, e, Fig. 79), der wesentlich aus einer
halbmondförmigen Chitinlamelle besteht, welche sich an die "Wurzel
der Trachee anlegt und mit ihren beiden Enden an der Basis zweier
conischer Lamellen {d) eingelenkt ist, die dem Schliessmuskel zur An-
Insecten. 167
heftiing dienen. Letzterer ist so gelagert, dass er durch seine Con-
traction die beiden Lamellen auf die Stigmeuöffnung herabzieht und
deren Lippen einander nähert. Erschlafft der Muskel, so wird das
Luftloch durch die Elasticität des Chitins wieder geöffnet, wodurch die
Theile in ihre normale Lage zurückkehren. Wir verweisen hinsichtlich
der Einzelheiten auf Landois und Thelen (siehe Literatur). Es
versteht sich von selbst, dass man an Kalipräparateu, die beim Oeffnen
und Schliessen der Stigmen mitspielenden Elemente nicht untersuchen
kann, da das Kali die Muskeln zerstört.
Man kann ohne Schwierigkeit den Verlauf der grösseren Tracheen-
stämme unter der Lupe verfolgen, da die Füllung mit Luft ihnen unter
Wasser einen Silberglanz giebt. Wir erwähnen hier nur die wich-
tigeren Stämme und verweisen hinsichtlich der feineren Aeste auf die
Monographie von Strauss, der eine sehr in das Einzelne gehende
Beschreibung des Tracheensystemes gegeben hat.
Man spaltet nach Fixirung des Thieres sorgfältig das Rücken-
tegument über dem ersten Thoracalstigma, das in der weichen Haut
zwischen Prothorax und Mesothorax liegt, entfernt die Rückenbogen
des Mesothorax und des Bauches und legt damit die Längsstämme
bloss, welche zu beiden Seiten des Körpers verlaufen. Es ist übrigens
gleichgültig, von welcher Seite her man operirt, da in der ganzen An-
ordnung die sti-engste Symmetrie herrscht.
Jedes Stigma führt in einen Wurzelstamm (C,/, Fig. 79), der sich
bald in Aeste spaltet.
Der dem ersten Thoracalstigma entsprechende Wurzelstamm
(a, Fig. 80 a. f. S.) ist sehr geräumig und erweitert sich zu einer runden
Blase, von welcher mehrere bedeutende Aeste ausgehen. Zwei der-
selben durchsetzen das Halsschild und dringen in den Kopf ein. Der
obere Stamm (i>, Fig. 80) fliesst sofort nach seinem Eintritte in die
Kopfhöhle mit dem entsprechenden Stamm der anderen Seite zu-
sammen, trennt sich aber bald wieder und läuft in schiefer Richtung
zu dem Auge. Von der Dorsalfläche der Vereinigung der beiden
Stämme entsteht ein unpaarer Ast, der zum Hirne verläuft und zahl-
reiche Seitenzweige abgiebt, welche sich in den Muskeln und den
übrigen an der Oberfläche des Kopfes gelegenen Organen verzweigen.
Der untere Kopfstamm (c), welcher von der Vorderseite des Wurzel-
stammes entspringt, dringt unter dem Schlünde in den Kopf ein, ver-
einigt sich mit dem entsprechenden der anderen Seite mittelst eines
ansehnlichen Querstammes und setzt seinen Weg nach vorn zu der
Antenne fort, die er mit Aesten versorgt. Er giebt auf diesem Wege
zahlreiche Seitenäste an die Mundwerkzeuge und deren Muskeln ab.
Ein dritter Stamm (d), die Schenkeltrachee von Strauss, geht
zum ersten Beinpaare und giebt zahlreiche Zweige auf seinem Ver-
laufe bis in den Tarsus ab. Er entspringt an der ünterfläche des
168
Arthropoden.
Wurzelstammes und ist weniger ansehnlich als die beiden vorher-
gehenden. Acht kleinere Stämmchen, von welchen nur zwei auf unserer
Figur sichtbar sind (e, /, Fig. 80), vertheilen sich noch in den Muskeln
des Beines (/<, i).
Von der oberen Fläche der Tracheenblase entspringt noch ein
Sttarker Stamm (g) , der sich nach oben und hinten richtet , in den
Mesothorax eindringt und, in den Wurzelstamm des zweiten Stigmas
einmündend , eine Verbindung zwischen den beiden vorderen Stigmen
herstellt. Dieser Stamm trägt mehrere Tracheenblasen, welche sich an
die Innenfläche des Halsschildes anlegen; er giebt ausserdem drei Aeste
an die Flügeldecken.
ländlich entspringen noch von der Hinterfläche des ersten Wurzel-
stammes drei Stämme (k 1, m), welche alle mit Blasen besetzt sind und
sich in den Mesothorax begeben, mit dessen Stigmen sie ebenfalls Ver-
Fig. 80.
Melolontha vulgaris. — Die rechte Körperhälfte, mit Ausnahme des Kopfes, von innen
gesehen, um die hauptsächlichsten Tvacheenstämme zu zeigen. Vierfache Vergrösse-
rung. J, Prothorax oder Halsschild. B, Mesothorax und Metathorax. C, Abdomen.
a , Erweiterung des Wurzelstammes des ersten Stigmas ; b , obere Kopftrachee ;
c, untere Kopftrachee ; cl, e, Tracheenstämme zum ersten Beinpaar ; /, in den Beuge-
muskeln der Hüfte sich verzweigende Tracheen ; g , Trachee der Flügeldecken ;
h, i, Beugemuskeln der Hüfte ; k, l, m, Tracheen, die mit denen des zweiten Stigmas
communiciren ; n, o, Communicationstracheen mit zahlreichen Blasen ; p, q, Wurzel-
stämme der Bauchstigmen ; r, r, s, s, die sie verbindenden Stämme ; t, Trachee der
Geschlechtsorgane ; u, mit einer Blasentraube it' endender absteigender Stamm des
unteren Bogens; v, v, verbindende Querstämme, die sich in to vereinigen; x, x, längs
der Rückenbogen aufsteigende Stämme mit zahlreichen Blasen. (Reduetion nach einer
Zeichnung von Strauss-Dür ckheim.)
bindungen herstellen. Einer von ihnen (l) beugt sich zur Bauchseite,
dringt in die Hüfte des zweiten Beinpaares ein und verzweigt sich in
diesem bis zum Tarsus.
Insecten. 169
Wenn wir nun von dem ersten Stigma zu demjenigen zwischen
dem Meso- und Metathorax und den an dem Hinterleibe gelegenen
Stigmen übergehen, so bemerken wir, dass ihre Wurzelstämme von
geringerem Umfange sind und eine kleinere Anzahl von Stämmen aus-
gehen lassen. Es begreift sich dies leicht, da das von ihnen versorgte
Feld weit geringere Ausdehnung besitzt, während die von dem ersten
Stigma ausgehenden Stämme nicht nur das Halsschild, sondern auch
den ganzen stigmenlosen Kopf versehen müssen.
Die von dem zweiten Stigma ausgehenden Tracheen verlaufen
longitudinal, gehen mit den Stämmen der benachbarten Stigmen Ver-
bindungen ein (h, o) und sind mit zahlreichen Bläschen besetzt. Sie
entsenden Seitenzweige zu den Muskeln der beiden letzten Beinpaare,
des Thorax, zu dem Darme und den häutigen Flügeln.
Die von den sechs Paaren der Abdominalstigmen entstehenden
Tracheen zeigen ziemlich gleiche Anordnung. Sie sind an ihrem Ur-
sprünge (q) kaum erweitert und theilen sich fast unmittelbar in zwei
kurze, gebogene Aeste, einen oberen und einen unteren. Jeder dieser
Aeste verbindet sich mit dem entsprechenden, aus dem vorhergehenden
und folgenden Stigma entspringenden Aste. Die hinteren Aeste des
Wurzelstammes vom letzten Stigma verlängern sich nach hinten und
münden in einander. Aus ihrer Vereinigung entspringt ein starker
Mittelstamm (t), welcher sich in den Geschlechtsorganen verzweigt;
er ist in unserer Figur nahe an seinem Ursprünge abgeschnitten.
Es finden sich demnach im Hinterleibe jederseits zwei über ein-
ander liegende Längstracheenstämme, die eine Reihe von Bogen bilden
und an jedem Stigma zusammenmünden. Da nun die von den Brust-
stigmen entstehenden Wurzelstämme sowohl unter sich als auch mit
dem des ersten Stigma communiciren, so folgt daraus, dass die Luft,
welche durch irgend ein beliebiges Stigma eindringt, sich in dem
Tracheensysteme des ganzen Körpers vertheilen kann.
Jeder Tracheenstamm des Hinterleibes lässt acht bis zehn lose
Aeste entspringen, welche sich nach innen wenden und an den Ein-
geweiden sich verzweigen. Der zweite untere Tracheenast liefert einen
langen Zweig (i(), der nahe am ersten Bauchstigma entspringt, längs
dem ventralen Bogen des zweiten Abdominalringes bis gegen die
Mittellinie vordringt und hier einen Strauss von grossen Blasen
trägt (tc).
Die folgenden sechs Längsstämme lassen ähnliche Aeste (v) ent-
stehen, die alle gegen den hinteren Rand des fünften Bauchringes hin
convergiren , und auf der ventralen Mittellinie sowohl unter sich (iv)
als auch mit den entsprechenden Aesten der gegenüberstehenden Seite
anastomosiren. So wird eine Verbindung zwischen den zu beiden
Seiten gelegenen Stigmen hergestellt. Alle diese Aeste tragen Luft-
bläschen.
170
Arthropoden.
Die oberen Längstracheeu (r) erzeugen ihrerseits je einen Ast (a;),
welcher dem dorsalen Bogen eines jeden Segmentes bis zur Mittellinie
entlang läuft. Aber diese Aeste bleiben frei ; sie tragen zahlreiche
lose Blasen, die durch ihren Silberglanz sich sofort bemerklich machen,
sobald man das Abdomen öffnet.
Die Tracheen (0,/, Fig. 79 und 81) bestehen wesentlich aus
einem dui'chsichtigen Chitinrohre, welches von einer umhüllenden chi-
tinogenen Haut gebildet wird, die nur an den Endverzweigungen fehlt.
Die innere Chitinlamelle, die Intima, zeigt anscheinend einen Spiral-
faden, welcher den Tracheen ein charakteristisches Ansehen giebt, aber
nur eine Verdickung ist. Dieser Spiral faden verstärkt die Elasticität
der Trachee und hält ihr Lumen stets offen. Zerzupft man eine
Fig. 81.
Melolonfha vulgaris. — Tracheen. A, Tracheenblase im Banche. a, PeritonealhüUe ;
5, ihre bei b' vorspringenden Kerne ; c, Trachee. B, Trachee , deren Spiralfaden bei
a entrollt ist; a, «', Kerne. C, verästelter Spiralfaden eines grossen Tracheen-
stamines. D, Fragment einer durch Behandlung mit Aetzkali gefalteten Trachee.
Trachee , so rollt sich der Faden in einer gewissen Länge wie eine
Spiralfeder ab, weil die Intima in den Zwischenräumen zwischen den
Verdickungen weit dünner ist und leichter reisst {B, a, Fig. 81). Der
Faden ist indess nicht immer auf seiner ganzen Länge einfach. Hier
und da theilt er sich und die Zweige enden spitz auslaufend. Man
bemei-kt dies besonders auf den grossen Tracheenstämmen (C, Fig. 81).
Aetzkali erweicht die Intima, ohne sie vollständig zu zerstören; die auf
diese Weise behandelten Tracheen verlieren ihre Elasticität und die
Wände fallen leicht zusammen (D, Fig. 80).
Insecten. 171
Die chitinogene oder peritoneale Hülle besteht aus mehreren
Schichten abgeplatteter Zellen, deren eiförmige Kerne sich leicht mit
Carminlösuugen färben lassen (J., B, b, Fig. 81). Die Kerne sind so
dick, dass sie auf der Aussenfläche der Hülle vorspringen, wie man
leicht sehen kann, wenn man den Rand einer Trachee beobachtet
(Ä, JB, l)'). An den Endzweigen der Trachee scheint diese Hülle zu
fehlen; man sieht dort nur die Chintinröhre der lutima, die in ein
homogenes Röhrchen ausläuft und keinen Spiralfaden mehr erkennen
lässt. Um die Peritonealbülle zeigt sich noch eine sehr feine äussere
Grenzmembran (Graber's Basalmembran), die so fein und homogen ist,
dass sie sich nur erkennen lässt, wenn sie sich durch die Einwirkung
von Reagentien abhebt.
Die Tracheenblasen sind nur Erweiterungen der Tracheeu-
röhren , welche meist eiförmige Gestalt, aber genau dieselbe Structur
wie die Tracheen besitzen , nur sind die Wandungen sehr verdünnt
und der Spiralfaden im Inneren fehlt; wenigstens haben wir ihn in
einigen vergeblich gesucht; dagegen treten die Kerne der Peritoneal-
bülle meist deutlich hervor. Diese Erweiterungen sind keine End-
blasen, wie man glauben könnte; sie finden sich auf dem Verlaufe der
Trachee, welche sich darüber hinaus fortsetzt.
F. Plateau hat in seiner schönen Arbeit über die Athem-
bewegungen der Insecten den Mechanismus der Respiration beim Mai-
käfer eingehend behandelt (siehe Literatur).
Geschlechtsorgane. — Wie bei allen Insecten sind die Ge-
schlechter beim Maikäfer getrennt. Wir wissen bereits, dass das im
Uebrigen dem Weibchen ähnliche Männchen sich von diesem durch
die Structur der Fühler unterscheidet, die sieben grosse Lamellen statt
sechs kleiner beim Weibchen tragen.
Männliche Geschlechtsorgane. — Sie liegen im Hinterleibe
und bestehen aus zwei Gruppen sehr kleiner Hoden (a, Fig. 82 a. f. S.)
mit ihren Ausführungsgängen, zwei Nebendrüsen (e, e) und einem sehr
complicirten und voluminösen Begattungsorgan {m).
Jederseits im vierten und fünften Abdominalsegmente liegen sechs
kleine, abgeplattete Hodenkuchen mit unregelniässigen Rändern, die,
wie L. Dufour richtig bemerkt, Samen von Malvaceen ähnlich sehen.
Ihre Oberfläche zeigt strahlige Streifen , die den Grenzen der zahl-
reichen kurzen Hodenröhrchen entsprechen, aus welchen der Hoden
besteht und die gegen einen Centralpunkt convergiren , von welchem
der Hodencanal ausgeht. Das blinde Ende dieser länglichen Bläschen
oder Röhrchen ist gegen die Peripherie gerichtet, das Innere mündet
in den Anfang des Hodencanals. Innen sind die Wände mit dem Epi-
thelium ausgekleidet, welches die Samenzellen liefert.
Das Ansehen der Orgaue wechselt je nach dem Reifezustande. In
voller Thätigkeit, wenn sie viel Samen erzeugen, erscheinen die Röhr-
172
Arthropoden.
eben wie ihre Ausführungsgänge geschwollen, von weisser Farbe und
lassen sich bei Individuen, die einen bedeutenden, ebenfalls weissen
Fettkörper haben, nicht leicht präpariren. Bei in Weingeist conser-
virten Thieren sind die Hoden sehr verschrumpft. Man muss sie also
an frischen Exemplaren untersuchen.
Aus dem Centrum der Unterfiäche jedes Hodens entspringt der
feine und sehr dünnwandige Hodengang, dessen Inhalt weissliche Farbe
hat. Die sechs Hodengänge vereinigen sich jederseits in einen ge-
meinsamen Ausführungsgang, den Samengang (vas deferens). Dieser
(c, Fig. 82) bildet eine sehr lange, enge, vielfach gewundene Röhre,
die sich so zusammenknäuelt, dass sie sich nur mit Mühe entfalten
lässt. Gegen das hintere Ende hin erweitert sich der Samengang zu
Fie 82
Melolontha vulgaris. — Männliche Geschlechtsorgane, vmter der Lupe gezeichnet.
a, Hoden; b, Hodengänge; c, verknäuelte Samengänge; d, ihre erweiterten Enden
(spindelförmige Samenbläschen); e, Nebendriisen ; /, ihr etwas angeschwollener Ank-
lang ; g, ihr erweitertes Ende ; h, Spritzcanal, der bei i die Samengänge und die Aus-
führungscanäle der Nebendriisen aufnimmt; k, Theil der Penisscheide , die gespalten
und bei p, am Ende des Penis, ausgebreitet ist; /, Gipfel des Penis, wo der Spritz-
canal eindringt; m, Peniskapsel; n, ihre in der Rinne o gelegene Endöffnung.
einer spindelförmigen Samen blase (d) mit sehr ausdehnbaren Wänden,
die meist von Samen geschwellt ist. Sodann mündet jeder Samengang
nahe dem der entgegengesetzten Seite in den Anfang des Spritz-
eana 1 e s {h).
Dieser nimmt fast an demselben Punkte die Mündungen zweier
Nebendrüsen auf (e), die in Gestalt dünner Röhren, welche etwa
zehnmal so lang sind als der Körper, sich zwischen dem vierten und
I
Insecten. 173
siebenten Bauchsegmente verknäuelu. Diese Knäuel lassen sich noch
schwieriger entwirren als die der Samengänge. Die Röhren sind an
ihrem distalen, blinden Ende (/) etwas angeschwollen und an dem
anderen (g) bedeutend erweitert. Sie entleeren in den Spritzcanal eine
weissliche Flüssigkeit, die sich mit dem Samen mengt nnä denselben
zu verdünnen scheint.
Die histologische Structur der Samengänge und der Xebendrüsen
scheint ziemlich dieselbe. Ihre dünnfaserige Wand wird von einer
feinen Peritoneallamelle von aussen und von einem zelligen Epithelium
von innen ausgekleidet. Da wir im Augenblicke, wo wir dieses schrei-
ben, keine frischen Exemplare zur Hand haben und conservirte Exem-
plare keine deutliche Resultate geben, können wir über die histologische
Structur keine eingehendere Bemerkungen mittheilen.
Der Spritzcanal {ductus ejaculuiorius) (Ji, Fig. 82), der die
erwähnten vier Ausführungsgänge etwa auf demselben Punkte (/) auf-
nimmt, läuft schief von rechts nach links und vorn, und kreuzt die
Peniskapsel {>) , deren häutige Scheide (k) ihn eiuschliesst. Er dringt
in die Spitze des Penis (/) ein und durchsetzt diesen der Länge nach.
Seine Wände sind dick, sein Durchmesser unregelmässig und im Inneren
des Penis, wo er sich erweitert, mehr oder minder stark, so dass er
den Bewegungen des Begattungsorganes sich anschmiegen kann.
Der Penis (k, Fig. 76; 7, m, Fig. 82) ist ein mächtiges, halb-
cylindrisches und doppelt gekrümmtes Organ, das sich an beiden Enden
verengt. Er füllt den grössten Theil der Bauchhöhle aus und ist von
den Windungen des Darmes und zahlreichen Tracheen umgeben. Eine
häutige Scheide (Je), die das Organ umhüllt, schliesst auf der Unter-
fläche zwei, von dem Sternum des echten Bauchsegmentes ausgehende
Chitinstücke ein, welche den Penis stützen. Xach vorn wird die Scheide
dicker und chitinös.
Die verschiedenen Hüllen des Penis, welche wie die Stücke eines
Fernrohres in einander geschoben werden können, sind übrigens als
Ringe eines einzigen Canales anzusehen, welcher durch die Einstülpung
der Tegumente des letzten Bauchringes gebildet wird. Der äussere,
braune und glatte Chitinring bildet die Kapsel des Penis; die innere,
häutige Einfaltung wird von Strauss Präputium genannt.
Zwischen diesen Einfaltungen sind kleine Muskelbündel, die Spritz-
muskeln, angebracht, deren eingehende Beschreibung bei Strauss
nachzusehen ist.
Im Ruhezustande ist die Peniskapsel gänzlich in den Hinterleib
zurückgezogen, auf dessen Unterfläche sie mit ihrer rechten Seite auf-
lagert, so dass ihre untere Oeffnung nach links gewendet ist (»i, Fig. 82).
Bei der Begattung wird aber der Penis durch seine Ausziehmuskeln,
welche sich an seinem vorderen Ende anheften, aufgerichtet.
174
Arthropoden.
Der Penis mündet vor dem Rectum in die Cloake. Das Ende des
Spritzcanales wird bei der Begattung nach aussen vorgeschoben und
in die Begattungstasche des Weibchens eingeführt.
Die weiblichen Organe bestehen aufe den Eierstöcken, ihren
Ausführungsgängen, einer Begattuugstasche, einer Samenblase und
zwei Nebendrüsen.
Die Ovarien (a, a, Fig. 83) bestehen aus zwei pyramidenförmigen
Bündeln von Eiröhren , welche von einer PeritouealhüUe umschlossen
Fior. 83.
Melolontha vulgaris. — Unter der Lupe gezeichnete weibliche Geschlechtsorgane.
Rechts sieht man den normalen Eierstock, links sind die Eiröhren von einander
getrennt und ausgehreitet worden.,«, Eierstock; a', Keimlager; ö, AulTiängeband des
Eierstockes ; c, Eier in Reihen ; d, netzförmiger Abschnitt der Eiröhren ; e, Eileiter ;
/", Vagina ; g, Schliessmuskel der Vulva ; h, Nebendi'üsen ; *', Begattungstasche ; k, ihr
Ausführungsgang ; /, Samentasche ; m, birnförmiges Bläschen ; n, Rectum ; o, Theil
der Rückenwand der Cloake.
und von zahlreichen Tracheen umsponnen werden , die grösstentheils
dem unpaaren Stamme entsprossen (f, Fig. 81). Häufig findet man
lusecten. 175
auch in ihrer Umgebung Fetthläschen, Ueberreste des Fettkörpers.
Sie ruhen auf der Bauchfläche der Leibeshöhle und erstrecken sich vom
ersten zum sechsten Segmente.
Die zugespitzten Enden der zu Bündeln yereinigten Eiröhren
convergiren in der Spitze der Pyramide, welche durch ein Faserbündel,
das Aufhänge band (b), an der Rückenfläche des ersten Bauch-
segmentes angeheftet ist.
Jedes Ovarium wird von sechs Eiröhren zusammtengesetzt , die
man leicht mit der Nadel trennen kann, wie wir es auf der linken Seite
unserer Figur 83 dargestellt haben und die alle denselben Bau haben.
In dem ausgezogenen spitzen, aber geschlossenen Ende (a), das man
auch die Keirakammer genannt hat, entstehen durch Differen-
zirung im auskleidenden Endothelium die Eikeime, welche sich los-
lösen, in die Höhle der Eiröhren fallen und in dem Maasse, als sie gegen
den Eileiter hin vorrücken, sich mit Nahrungsdotter umgeben, der von
den Wänden derEiröhre abgesondert wird. Durch ihr fortschreitendes
Wachsthum dehnen die Eier die sie umschliessenden Röhren aus. Es
scheint sogar, als ob das Endothelium der Röhren sich um die Eier
herumlege und so einen Zellenfollikel um sie bilde; wir haben indess
diese Phase der Eibildung nicht eingehender verfolgt. Zwischen je
zwei Eiern schnürt sich die Wand der Eiröhre ringförmig ein, so dass
die Eiröhre einer Perlenschnur gleicht, deren Perlen um so kleiner
sind, je näher sie dem geschlossenen Ende liegen. Jede Eiröhre ent-
hält zugleich vier bis fünf Eier (r, e, Fig. 83), um welche Haufen von
Nährzellen angehäuft sind.
Der untere Abschnitt der Eiröhren ist mit einer krümeligen,
grauen Substanz von netzartigem Aussehen erfüllt (d, Fig. 83). Viel-
leicht wird hier schon die Schale des Eies gebildet, wie ältere Beobachter
annehmen?
Die sechs Eiröhren vereinigen sich jederseits, um einen Canal mit
dicken, musculösen Wänden, den Eileiter (e, Fig. 83), zu bilden, der
mit leichter Krümmung nach aussen gegen die Mittellinie sich wendet
und mit dem Eileiter der anderen Seite zu einem gemeinschaftlichen
Gange, der Vagina (/), sich vereinigt, die gerade nach hinten läuft
und vor dem Rectum mit einer Querspalte, der Vulva, in die Cloake
mündet.
Die Oeffnung ist von einem Schliessmuskel (g) umgeben. An ihr
inseriren sich ausserdem vier von Strauss beschriebene Muskeln, die
bei der Eiablage die Vulva nach hinten ziehen und der Cloakenöffnung
näher bringen.
Die untere Lippe der Vulva trägt zwei kleine Chitinstücke, deren
hinteres Ende in die Cloake vorspringt. Jederseits vom Schliessmuskel
liegt eine kleine, eiförmige, in die Bauchhöhle vorragende Drüse, die
mit einem kurzen aber weiten Ausführungsgange in die Vulva mündet.
176 Arthropoden.
Diese Nebendrüsen (h, Fig. 83) sind von einer dünnen, hornigen
Lamelle übezogen. Sie sondern eine ölige Schmiere ab, welche wahr-
scheinlich dazu dient, die Oeffnung der Vulva schlüjji'rig zu erhalten
und so die Ablage der Eier zu befördern. Strauss vermuthete, dass
der Geruch dieser Absonderung zur Anziehung der Männchen dienen
könne.
Die Vagina trägt auf ihrer Rückenfläche vor der Vulva eine grosse,
nierenförmige 'Blase von weisser Farbe, deren Volumen je nach den
Individuen sehr variirt. Dies ist die B egattungstasche (^, Fig. 83),
in welche das Ende des Penis bei der Begattung eingeführt wird, wie
man leicht constatiren kann, wenn man den Hinterleib des Männchens
bei der Begattung rasch mit der Scheere abschneidet.
Die Begattungstasche liegt nach rechts geneigt, zwischen den
Windungen des Darmcanales; ihr dicker Ausführungsgang (k) mündet
mit weiter Oeffnung in die Vagina. Die dicken Wandungen enthalten
eine äussere Ringmuskelschicht und eine innere Längsmuskelschicht; sie
sind mit einer längsgefalteten, dicken Schleimhaut ausgekleidet, die
von einer dünnen Chitinlamelle, einer Fortsetzung der die Cloake aus-
kleidenden Chitinschicht, überzogen ist. Die Höhlung ist mit weiss-
lichem oder grauem Schleime erfüllt.
Vor der Begattungstasche und ebenfalls auf der Rückenfläche der
Vagina mündet ein zweiter Anhang, die Samen tasche (7, Fig. 83),
ein. Es ist eine lange, cylindrische, an ihrem gekrümmten Ende ab-
gerundet geschlossene Röhre , die mit der Vagina durch einen dünnen
Stiel mit engem Canale verbunden ist. Dieser Canal zeigt eine kleine
birnförmige Anhangsblase (m), die ein ausgestülpter Blindsack ist. Die
Wände der Samentasche zeigen wie die der Begattungstasche eine
äussere Muskelschicht und eine innere, längsgefaltete Zellenschicht.
Die Höhlung enthält ausser der Begattungszeit eine weissliche, coagu-
lirte Masse.
Trotz der ausserordentlich grossen Mannigfaltigkeit der äusseren und
innerän Orgaue, die sich bei den so unendlich zahlreichen Repräsentanten
der Classe der Insecten vorfindet, lässt sich doch bei allen, vielleicht mit
Ausnahme einiger stark modificirten Schmarotzer, der allgemeine Grundplau
des Baues wiedei-erkennen , der die Classe selbst mit gi'osser Bestimmtheit
definirt.
Man unterscheidet stets, wie bei dem Maikäfer, die drei Körperregionen :
Kopf, Thorax, Abdomen. Nur wechselt das Verhältuiss dieser Regionen zu
einander ungemein. Meist ist der Kopf der kleinste Abschnitt , doch kann
er zuweilen , wie beim Hirschkäfer [Lucanus cervus) , sogar grösser als der
Thorax werden.
"Wenn wir die Zahl der Anhänge in Anschlag bringen , so erscheint der
Kopf ans vier verschmolzenen Somiten gebildet. Er trägt in der That stets
ein Paar Antennen, ein Paar aus einem Gliede bestehender Mandibeln, ein
Paar Maxillen von complicirterem Bau und ein zweites Kiefei-paar, das in
den meisten Fällen durch Verschmelzung in der Mittellinie zu einem ein-
Insecten. 177
zigen unpaaren Stücke, der Unterlippe, umgebildet ist. Bei den Orthopteren
bleiben aber die beiden Hälften getrennt.
Vor den Mandibeln liegt ausserdem ein stets unpaares Gebilde, die Ober-
lippe (Labrum).
Der Thorax besteht immer aus di-ei Segmenten, dem mit dem Kopfe
durch ein enges Stück zusammenhängenden Prothorax, dem Meso- und Meta-
thoi-ax. Alle drei Brustsegmente tragen je ein Beinpaar (Hexapoden) und
die zwei hinteren je ein Paar Flügel. Diese in die Augen fallenden Charak-
tere unterscheid^en die Insecten sofort von allen anderen Arthropoden.
Zuweilen (Hymenopteren, Dipteren) ist das erste Bauchsegment noch mit
dem Thorax verschmolzen. Anderseits bleibt der Prothorax häutig frei be-
weglich; er wird dann das Brustschild genannt (Ooleoptere)i, Orthopteren,
Nevropteren und ein Theil der Rhi/nchoten).
Das Abdomen ist aus neun bis elf meist sehr deutlichen und unter sich
beweglichen Segmenten gebildet. Seine weicheren und dehnbaren Tegumente
können sich ausdehnen und den Zusammenziehungen der Athemmuskeln zur
Ausführung der rhythmischen, von F. Plateau genau untersuchten Athem-
bewegungen nachgeben. Ebenso dehnen sie sich zur Zeit der Eireife aus,
zuweilen in ausserordentlichem Maasse [Termes).
Nur sehr ausnahmsweise trägt das Abdomen Bewegungsanliänge [Japyx,
PodureUa), auch im vollkommenen Zustande. Bei vielen Larven aber finden
sich normale Baachfüsse oder falsche Füsse (Raupen der Schmetter-
linge, Afterraupen einiger Hymen optereu) , die den Parapoden der Anneliden
einigermaassen ähnlich sind, aber bei der Metamorphose verschwinden.
An dem letzten Bauchringe (Afterring) oder dem vorletzten (Genital-
ring) finden sich oft sehr verschiedenartig gebildete, chitinöse Verlänge-
rungen : Zangen zum Festhalten {Forficula) , Begattungsanhänge bei den
Männchen, Legeröhren, Legebohrer etc. bei den Weibchen zur Ablage der
Eier in der Erde, im Holz u. s. w. Die Homologie dieser Bildungen mit
Gliedern ist sehr problematisch, meist sind es nur Umbildungen des Körper-
tegumentes.
Die gegliederten Anhänge des Kopfes und des Thorax sind durcli An-
passung an die Lebensbedingungen den mannigfaltigsten Umbildungen unter-
worfen .
Die stets nur in der Zahl eines Paares vorhandenen Antennen sind
wenigstens aus drei, oft aber bis dreissig und mehr Gliedern zusammen-
gesetzt, die einander ähnlich oder unähnlich und meist unter sich beweglich
sind. Sie sind fadenförmig , borstenartig , gekrümmt , keulenförmig , ge-
blättert u. s. w. (Fig. 84 a. f. S.) , aber stets an der Vorderseite oder auf der
Oberfläche des Vorderkopfes in der Nähe der Augen eingelenkt.
Die Muudtheile der kauenden Insecten {Orthopteren, Coleopteren, Xevrop-
teren) sind mehr oder minder denjenigen des Maikäfers ähnlich, werden aber
bei den saugenden Insecten (Lepidopteren, Dipteren), den leckenden [Hy-
menopteren) und den stechenden {Rhynchoten) in bedeutender und sehr ver-
schiedenartiger Weise umgebildet. Indessen bleibt der von Savigny zuerst
formulirte Satz zu Eecht bestehen : Welche Gestalt auch der Mund
der Insecten annehmen mag, so ist er unter allen Umständen
doch stets aus denselben Elementen zusammengesetzt. Sa-
vigny hat nachgewiesen, dass die Schmetterlinge zwei liippen besitzen, eine
obere und eine untere, die Taster trägt; ferner zwei sehr kleine Mandibeln
imd zwei Maxillen, deren jede in eine lange, biegsame Halbrinne verlängert
ist, aussen abgerundet, innen ausgekehlt, welche durch die Zusammenlegung
ihrer Ränder eine Röhre, den spiralig aufroUbaren Rüssel, bilden. Diese
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. ]2
178
Arthropoden.
Halbrinnen {A, c, Fig. 85) tragen zwei- oder dreigliedrige Taster, die in der-
selben Weise eingelenkt sind, wie auf den Maxillen der kauenden Insecten.
Fie. 84.
Verschiedene Formen von Antennen. A, Aeschna (Pseudo-Nevropteren) ; B, Volu-
cella (Dipteren); C, Sargus (Dipteren); D, Necrophorus; E, Ctenocerus ; F, Prionus;
G, Ciirculio (Coleopteren).
Fig. 85.
d^"'
Mundwerkzeuge verschiedener Insecten, zur Demonstration ihrer Umwandlungen durch
Anpassung. A, Kopf einer Noctua von unten. Die Lippentaster sind abgeschnitten
(nach Savigny). «, Oberlippe; b, Mandibeln ; c, Maxillarrinnen, den Rüssel bildend;
d, Maxillarpalpen ; e, Insertion der abgeschnittenen Lippentaster. B, Mundtheile eines
Weibchens von Culex nemorosus (nach Becher). a, Oberlippe; b, Mandibeln;
c, Maxillen ; d, Unterlippe, zum Rüssel umgebildet ; e, Lippentaster ; /, Hypopharynx.
C, Mundtheile von Anthophora retusa (nach Newport). a, Antennen; b, Man-
dibeln; c, Maxillen; d, Maxillartaster ; e, Lippentaster; /, Zunge; g, Nebenzungen
(Paraglossen) ; h, einfache Augen (Stemmata).
Insecten. 179
Bei den ßhynclioten sind die Mandibeln und Maxillen in Stilette zum Stechen
und die Unterlippe in eine Saugröhre umgewandelt. Bei deu Hymenopteren
(Anthophora) zeigen die Oberlippe und die Mandibeln etwa dieselbe Bildung
wie bei den Coleopteren ; die Maxillen und die Unterlippe und namentlich
die Zunge sind zu einem Schöpfrüssel umgebildet. (Man sehe die Abhand-
lungen von S avigny und Gerstfeld.) Einige Typen, wie z.B.äie]Phryganiden,
zeigen Uebergänge zwischen kauenden und saugenden Mundtheilen.
Auch die Beine modeln sich nach den ihnen zustehenden Functionen,
namentlich das erste und dritte Paar. Die Zahl ihrer einzelnen Glieder ist
zwar ziemlich constant , aber ihre verhältnissmässige Entwicklung sehr ver-
schieden. So werden z. B. bei den Springern {Locusta, Pulex) , Schenkel
(Femur) und Schiene (Tibia) ausserordentlich laug und stark , während sie
im Gegentheile bei den Grabern {Gryllotalpa , Ateuchiis) kurz und massiv
werden. Bei den Schwimmern {Di/fiscits , Gyrinics , Xotonecfa) platten sich
die Tarsen zu scheibenförmigen Eudern ab, die mit feinen Haaren besetzt
sind. Bei den Fliegen tragen die Tarsen am Ende kleine Spornen und Pol-
ster, die mit mikroskopischen Saugnäpfen besetzt sind, wodurch sie sich an
glatte Flächen anheften können.
Die Flügel fehlen den Thysanuren und Apteren. Meist finden sich zwei
Paare , die sich erst bei dem vollkommenen Insect (Image) entwickeln ; aus-
nahmsweise findet man schon bei einigen Larven, von Orthopteren besonders,
Rudimente davon in Gestalt einfacher Hautfalten {Blatta, Termes). Die vier
Flügel zeigen gleiche Bildung bei den Xevropteren , Lepidopteren; Hymenop-
teren. Bei den Dipteren ist das hintere Flügelpaar zu zwei Sehwingkolben
{Halteres) verkümmert , die sogar bei einigen Gattungen gänzlich zu Grunde
gegangen sind. Dagegen sind hei den männlichen Strepsipteren nur die
Hinterflügel ausgebildet, und wir wissen vom Maikäfer, dass sie auch bei den
Coleopteren meist weitaus grösser sind als die Vorderflügel und allein zum
Fluge dienen, während sie sich in der Ruhe unter die Yorderflügel ein-
schlagen.
Die Yorderflügel sind bald häutig, dünn, durchsichtig, geädert {Hyrnenop-
teren) oder fein genetzt [Xevropteren), bald dicker , pergamentartig, undurch-
sichtig oder Halbdecken (Orthopteren, Ehynchoten], bald endlich harte Flügel-
decken [Coleopteren), wie beim Maikäfer. Bei einigen Coleopteren (Gihhium)
sind die Decken in der Mittellinie verwachsen und die Hinterflügel ver-
kümmert, so dass die Decken nur eine feste Schutzbrücke über den Hinter-
leib bilden. Bei den Lepidopteren und Phryganiden sitzen auf den Flügeln
Chitinblättchen in Form feingestreifter Schüppchen.
Die Flügeladern enthalten die Nerven und Tracheen. Ihre Anordnung
ist bei Arten und Gattungen eine constante , so dass sie den Entomologen
vortreffliche Anhaltspunkte zur Unterscheidung liefern.
Yiele Insecten bringen durch Reibung eines Körpersegmentes gegen das
benachbarte Töne hervor (Coleopteren). Bei den Heuschrecken und Grillen
wird der Ton durch Geigen des Beines an dem Rande der Flügeldecken
erzeugt. Die raschen Schwingungen der Flügel verursachen bei Fliegen
und Hummeln wenigstens zum TheU. das Summen. Aber bei vielen Gat-
tungen steht der tönende Apparat in enger Beziehung zu dem Tracheen-
systeme (siehe unten) imd die Cicaden besitzen einen sehr ausgebildeten , an
den ersten Bauchringen angebrachten musikalischen Apparat, der früher
von Reaumur und neuerdings von Carle t genau beschrieben wurde (siehe
Literatur).
Die Tegumente aller Insecten sind nach demselben Plane gebaut:
Wir flnden stets eine äussere Chitinlage und eine innere, chitinogene Hypo-
dermis. Letztere zeigt aber nicht immer deutliche Zellen , sondern häufig
12*
180
Arthropoden.
nui* eine Protoplasmaschicht mit zerstreuten Kernen. Einzelne Elemente
dieser Schicht differenziren sich niclit selten zu drüsigen Orgauen, die bald
einfache , flas;henförmige Drüsenzellen , deren Hals die Chitinschicht durch-
setzt, bald auch kleine Gruppen bilden. Diese Hautdrüsen sondern bei den
Blattläusen oft einen Wollüberzug von wachsartiger Substanz ab; bei den
Bienen und Hummeln, wo sie auf den zarten und durchsichtigen Hautblättern
zwischen den Bauchringen localisirt sind, erlangen sie durch Absonderung
des Wachses eine besondere Bedeutung (Wachsdrüsen). Die Afterdi'üsen,
von welchen beim Darme die Rede sein wird, gehören derselben Kate-
gorie au.
Die Mächtigkeit der Chitinhaut wechselt ungemein. Während sie bei
vielen wasserbewohnenden Larven äusserst dünn und durchsichtig ist,, setzt
sie sich bei vielen Coleopteren, besonders den Rüsselkäfern, aus vielfachen,
sehr harten Lagen zusammen. Mit Ausnahme der Larven von Stratiomys
Fig. 86.
Verschiedene Nervensysteme. J, Termes (nach Lespes). B, Dytiscus. C, Fliege
(nach Blanchard); g s^ Oberschlundganglion (Hirn); 9«, Unterschlundganglion; (/^,
(/^, (/^, Bauchganglien; 0, Augen (dem Handbuche von Gegenbaur entnommen).
(L e j' d i g)' findet man in der Chitinschicht niemals Kalkconcretioneu, wie bei
Crustaceen und einigen Myriapoden , wohl aber sehr häufig Pigmentiiblage-
rungen, welche zur Eärbtiug der Insecten beitragen.
üebrigens finden sich auf der Oberfläche häufig Streifen und Riefen,
welche das Licht in verschiedener Weise brechen, und fast immer Anhänge
in Gestalt von Schuppen, Borsten, Haaren u. s. w. Bei den Schmetter-
lingen dringen Fortsetzungen der eigentliümlich gestalteten grossen Hypo-
dermiszellen in das Innere der die Flügel bedeckenden Schuppen ein (Sem per,
siehe Literatur). Bei vielen Wasserbewohnern (Notonecta, Hi/dromefra) wird
die Chitinschicht von Poren durchsetzt , die Luft enthalten und so das
Schwimmen fördern.
Insecten. 181
Wir können hinsichtlich des Nervensystemes das bei den Crustaceen
Gesagte wiederholen. Die ursprünglich paarige Gauglienkette variirt von
einer Ordnung und selbst Familie zur anderen je nach dem Grade der Ver-
schmelzung der einzelneu Ganglien. Die Kette ist bald sehr gedehnt und
zählt bis zii zAvölf Ganglieupaaren {Carabus ; die meisten Larven], zuweilen
sind alle Ganglien in eiue im Thorax gelegene Masse vereinigt [Piqjiparen,
Strepsipteren). Fig. 86 stellt einige Fälle dar.
Mau kann fast immer die allmähliche Verschmelzung der ursprünglich
getrennten Ganglien von der Larve zu der Imago verfolgen; die drei Thorax-
gangiien vereinigen sich und ebenso die Bauchganglien ; in extremen Fällen
verschmilzt sogar die Bauchmasse mit dem Thoraxganglion. Doch findet die
Verschmelzung zuweilen schon im Larvenzustande statt, namentlich bei Co-
leoptei'en. So liegen z. B. die elf Ganglien der Larve von C'alandra dicht
gedrängt bei einander im ersten Einge.
Das Hirnganglion zeigt namentlich bei den geselligen Insecten (Bienen)
einen sehr verwickelten Bau. Sein Volumen hängt mit demjenigen der Seh-
nerven zusammen, die ihrerseits wieder von der Grösse der Augen ab-
hängen. Bei den Libellen, Dipteren und Lepidopteren mit grossen Augen
ist es sehr voluminös. Die Untersuchungen von Viallanes haben festgestellt,
dass das Hirn aus drei Abschnitten, Proto-, Deuto- und Tritocerebron besteht,
die den gleichnamigen Abschnitten des Hirnes der Krebse homolog sind,
und jeder eine speeielle Kategorie von Nerven (Sehnerven, Fühlernerven etc.)
entstehen lässt. Die Masse ist durch zwei Connective mit dem Unterschluud-
ganglion verbunden , das die Nerven für die Mundorgane abgiebt und meist
von den folgenden Ganglien streng geschieden ist, mit Ausnahme der Schma-
rotzer {Piqnparen, Strepsipteren).
Bei den Insecten mit beweglichem Prothorax bleiben die Brustganglien
meist getrennt. Bei den Hymenopteren uud einigen Coleopteren [Lamelli-
cornier) finden sich nur zwei Brustganglien. Sie sind um so bedeutender,
je mehr die Flügel und Füsse, deren Nerven sie liefern, entwickelt sind.
In der Regel sind die Bauchganglien um so besser getrennt , je mehr
der Hinterleib in die Länge gezogen ist. Man zählt fünf bis neun Ganglien
bei Orthopteren und Pseudo-Neoropteren und bis zu zwölf bei einigen Th}--
sanuren [Lepisma). Bei Dipteren uud Hj'menopteren trifft man nicht selten
sechs Bauchganglien; bei den Coleopteren variirt die Zahl ungemein, denn
während Carabus und Cerambyx acht Ganglien aufweisen, findet sich bei
Curculioniden iind Blatthörnern nur eines , das unmittelbar den Thorax-
gauglien sich anlegt. Viele Ehynchoten verhalten sich wie die Strepsip-
teren; die Bauchganglien sind durch Verschmelzung mit den Brustganglien
verschwunden. Da jedes Ganglion wenigstens ein Paar Nerven entstehen
lässt, so kann man aus der Zahl der von einer verschmolzenen Masse
ausstrahlenden Nerven auf die Zahl der ursprünglichen Ganglien schliessen,
die in die Masse eingegangen sind — es sei denn , dass die Verschmelzung
so weit gegangen sei, wie bei den erwähnten Schmarotzern.
Das sympathische oder Eiugeweidenerv ensy stem scheint bei den
meisten Insecten doppelt zu sein. Der eine Theil besteht aus zwei Stämmen, die
an der hinteren Fläche des Hirns entstehen , an dem Schlünde nach hinten
laufen uud beiderseits eine Kette kleiner Ganglien bilden {s.s, Fig. 87 a. f. S.).
Der andere , unpaare Theil entsteht aus einem vor dem Hirne gelegenen
Stirngauglion und steht mit dem Hirn durch einige feine Zweige in Ver-
bindung. Der davon ausgehende unpaare Nerv (r, Fig. 87) läuft auf der
Piückenfläche des Schlundes nach hinten bis zum Magen , wo er sich mit
einigen Magenganglieu verbindet, die auch mit den Ganglien des paarigen
Systemes in Beziehung stehen.
182
Arthropoden.
Untersucht man die Bauchnervenkette mit dem Mikroskope, so gewahrt
man auf der Rückenfläche derselben einen sehr feinen , unpaaren Nerven,
der hei jedem Ganglion zwei Zweige abgiebt, die sich zu den Muskeln der
entsprechenden Stigmen und deren Tracheen stammen begeben. Dies sind
die queren accessorischen Nerven oder Athemnerven von Ne wport (cZ, Fig. 88).
Fast alle lusecteu zeigen auf der Haut Haare verschiedener Gestalt,
Stäbchen, in deren Axe ein den Hautnerven entstammendes Fädchen ein-
tritt. Diese Anhänge sind ohne Zweifel sensitiver Natur und vermitteln, je
nach ihrer Stellung, verschiedene Sinneseindrücke. Aber man schliesst weit
mehr aus dieser Lage, als aus den Ergebnissen von methodischen Versuchen,
dass die einen, auf den Anteimen, Tastorgane, die anderen, auf den Mundwerk-
zeugen, Geschmacksorgane seien. Trotz der zahlreichen Arbeiten, die in den
letzten Jahren über diese Sinneshaare gemacht Avurden, sind wir über die
Natur der Eindrücke, welche sie vermitteln, nicht völlig im Reinen. Es ist
Fig. 88.
Fisf. 87.
Ä,.
Fig. 87. — Oberschkindgiingjion und Eingeweideiiervensystem des Seidenschmetter-
lings (Bombyx morio). gs, Oberschlundganglion (Hirn); fl, Antennennerv; o, Seh-
nerv ; r , unpaarer Stamm des Eingeweidenervensystems ; r', seine Hirnwurzeln ;
s, paarige Eingeweidenerven mit ihren Ganglien s' und s" (nach Brandt);
Fig. 88. — Larve der Heuschrecke (Locusta viridissima). Stück der Bauchnervenkette.
a, Längsconnective ; b, Ganglien; c, seitliche Nerven; f/, sympathischer Nerv (nach
Ley di g).
wohl wahrscheinlich, dass die von Wolff beschriebenen haarigen Cuticular-
gebilde auf den Rändern der Mundhöhle der Bienen und die Nervenendigungen
auf dem Hypopharynx der Orthopteren und Coleopteren Geschmacksempfin-
dungen vermitteln ; aber es fehlen noch immer experimentelle Resultate,
welche die Richtigkeit dieser Vermuthung beweisen.
Dagegen thun viele Versuche unwiderleglich dar, dass die Geruchs-
empfindung bei vielen Insecten, namentlich Schmetterlingen, Ameisen u. s. w.,
in den Antennen ihren Sitz hat.
Insecten. 183
Viele Insecten (Ameisen) sind vollständig taub; andere (OrtJiopferen)
hüi'en. Bei letzteren betrachtet man als Hörorgane besondere Apparate , die
entweder hinter dem Metathorax auf dem ersten Bauchringe (Acridiiwi) oder
auf den Schienbeinen des ersten Fusspaares (Locusta, Gryllus) gelegen sind
und wesentlich aus einer Haut, einem Tympan, bestehen, die über einen
Chitinring gespannt ist. Die innere Fläche dieses Paukenfelles ist mit kugel-
förmigen Vorsprüngen besetzt, in welchen Nervenfasern enden. Eine grosse,
an die Haut angelehnte Tracheenblase bildet den Resonanzapparat. Hin-
sichtlich der sehr verwickelten histologischen Structur dieser Apparate ver-
weisen wir auf Grab er (siehe Literatur). Derselbe beschreibt als chor-
dotonale Sinnesorgane eigenthümliche, bei vielen Insecten an der Haut
gelegene Bildungen, die er ebenfalls als Hörorgane anspricht. Endlich scheinen
sich diesen Organen die eigenthünilichen porösen Scheiben anzuschliessen
welche an der Basis der Halteren der Fliegen liegen und die Zweige von
den Nerven der Halteren erhalten. Diese Platten stehen mit Verlängerungen
von Sinneszellen in Verbindung. Bolles Lee, der ihre Histologie sehr ein-
gehend untersucht hat (siehe Literatur) , spricht sich mit Recht nicht end-
gültig über ihre Function aus , sondern stellt sie unter die sehr vage Kate-
gorie der aeroskopischen Organe , welche die Schwingungen der Luftwellen
zur Empfindung zu bringen scheinen, ohne dass man diese Empfindung näher
definiren könnte.
Mit Ausnahme einiger Höhlenbewohner {AnopMhalmus) besitzen alle voll-
kommenen Insecten fest in den Tegumenten des Kopfes eingelassene Augen.
Bei Diopsis freilich stehen die Augen auf zwei seitlichen, stielförmigen Aus-
breitungen des Kopfes, die aber unbeweglich sind.
Wir haben bei dem Maikäfer nur zusammengesetzte Augen vorgefunden.
Es giebt aber bei vielen Insecten ausserdem noch einfache Augen , Ocellen
oder Stemmata, die weit kleiner sind, oben auf dem Kopfe stehen und
eine biconvexe Cuticularlinse besitzen, die nicht facettirt ist. Ihre innere
Structur ist meist verwickelter, als ihr äusseres Ansehen es vermuthen lässt.
Unter der Horuhautlinse finden sich durchsichtige HA'podermiszellen, die man
als Glaskörper bezeichnet hat. Darunter folgen Sinneszellen , Retinazellen
oder Retinophoren genannt. Diese Zellen versammeln sich zu kleinen Grup-
pen, Ommatidien, welche so gestellt sind , dass sie mit ihren Spitzen gegen
die optische Axe des Auges couvergiren. Jede Retinazelle endet mit einem
Stäbchen, in welchem die letzten Fäserchen des Sehnerven zu enden scheinen,
so dass also die Stäbchen die eigentlichen empfindenden Elemente wären.
Ocellen sind bei den mit Füssen versehenen Larven sehr verbreitet. Bei
vollkommenen Insecten {Orthopteren, Nevropteren , Dipteren, Hymenopteren)
finden sie sich meistens , zugleich mit den zusammengesetzten Augen, in der
Dreizahl. Die sinnreichen Versuche von F. Plateau haben bewiesen, dass
die Larven (Raupen) mit ihren Ocellen auf eine kleine Entfernung (1 cm)
Objecte sehen können, dass aber ihr Nutzen bei vollkommenen Insecten nicht
in das Gewicht fällt, da solche, nach Blendung der Ocellen, sich völlig ebenso
betragen wie normale Individuen.
Die zusammengesetzten Facettenaugen sind verhältnissmässig gross und
stehen seitlich am Kopfe. Ihre Hornhaut ist wie bei dem Maikäfer in
Facetten geschliffen , deren Zahl zwanzigtausend übersteigen kann. Die
ältere Ansicht, wonach diese Augen als eine Zusammenstellung von einzelnen
Augen anzusehen seien, scheint nach und nach aufgegeben werden zu sollen.
Das zusammengesetzte Auge entsteht und entwickelt sich in der That genau
in derselben Weise wie das einfache, und Patten (siehe Literatur) hat in
seiner vergleichenden Arbeit gezeigt, dass in beiden sich dieselben Structur-
elemente vorfinden. Demnach unterscheidet sich das zusammengesetzte Auge
184
Arthropoden.
von dem einfachen nar dnrcli die grössere Zahl und strengere Geschieden-
heit seiner Retinaelemente; die Krystallkegel entsprechen den Stäbchen, in
welchen die Fäserchen des Sehnerven enden, und wären ebenso, wie diese
Stäbchen der Ocellen, empfindende Organe für die Lichtwellen und nicht
lichtbrechende Organe, wie man bisher annahm.
"Wie dem auch sei , so ist das zusammengesetzte Auge überall hei den
Insecten nach demselben Plane gebaut. Wir verweisen diejenigen , welche
die secundären Unterschiede, die dieser Bau bei den einzelnen Ordnungen
zeigt, kennen lernen wollen, auf die Monographie von Grenadier (siehe
Literatur) und fügen nur bei, dass diesem Forscher zufolge die Schicht der
Krystallkegel bei einigen Typen (Schrecken, Wanzen) zu fehlen scheint.
Nach den Versuchen von F. Plateau erlauben die zusammengesetzten
Augen keine genaue Auffassung der Form der Gegenstände, in deren Nähe
sie sich befinden , wenn diese unbeweglich sind. Wohl aber werden die I!e-
wegungen der Objecte in der Sehweite mit grosser Schärfe aufgefasst.
Je nach der Nahrung und der Lebensepoche zeigt der Darmcanal
sehr bedeutende Verschiedenheiten. Bei den Fleischfressern ist der Darm
jij,,. gg kürzer als bei den Pflanzenfressern.
Er verkümmert bei einigen Insecten,
die im vollkommenen Zustande nur
eine sehr kurze Lebensdauer haben.
Den Ephemeren und männlichen
Blattläusen fehlt die Mundöffuung und
bei den Larven von Dytiscus , Myr-
meleo, Hemerohius etc. ist sie durch
Canäle ersetzt, welche sich in den
Greifzangen befinden und an deren
Spitze öffnen. Bei den stacheltragen-
den Hj^menopteren und den Pupiparen
endet der Mitteldarm blind und hat
keine Communication mit dem Rec-
tum, das nur zurAusstossung der Pro-
ducte der Malpi ghi'schen Röhren
dient.
In dem vollständig ausgebildeten
Darme kann man stets drei Abschnitte,
Vorderdarm , Mitteldarm und Hinter-
darm, unterscheiden (Fig. 89). Bei den
Pseudo-Nevropteren ist er am ein-
fachsten.
Der meist enge Schlund ist bei den
Hemipteren sehr kurz, bei den Schmet-
terlingen im Gegentheile sehr lang.
Die Speicheldrüsen, wenn sie überhaupt
vorhanden , münden in ihn und häufig zeigt er eine seitliche oder am Ende
gelegene Anschwellung in Gestalt einer Blase, die man den Saugmagen
genannt hat {vs, B, Fig. 89), die zuweilen [Clirysis) doppelt ist und stets
sehr dünne Wände hat. Ein Theil der Nahrungsstofife wird in dieser Blase
länger zurückgehalten und der Einwirkung des Speichels ausgesetzt. Bei
Musca , Hemerohius und einigen Schmetterlingen ist der Saugmagen gestielt
und bildet einen besonderen Anhang des Darmes. Wenn die Speicheldrüsen
fehlen , werden sie durch ein besonderes drüsiges Epithel des Schlundes
ersetzt, das eine verdauende Flüssigkeit absondert.
In manchen Fällen dehnt sich der Schlund aus und erweitert sich zu
Verdauuiigsoi'gane : A^ einer Grille; />,
einer Fliege. oe, Schlund; i, Kropf;
(', Magen ; c, Blinddärme ; r, Rectum ;
«' m, M a 1 p i g h i ' sehe Röhren ; v s, Saug-
magen (von Gegenbaur entnommen).
Insecten. 185
einem Kröpfe , wie man ihn bei vielen Orthopteren (^4, i, Fig. 89) und
Coleopteren antrifft. Bei Grt/llotalpa ist der Kropf durch eine deutliche
Einschnürung von dem Schlünde getrennt und hei manchen Hymenop-
teren, wie Bienen und Wespen, wird er musculös und scheint zum Saugen zu
dienen.
Bei Fleischfressern folgt auf den Kropf eine Erweiterung, deren Innen-
fläche mit chitinöseu Wülsten oder Leisten versehen ist , die zum Zerreiben
der Nahrung dienen. Coleopteren (Caraius, Dijtiscus) , Nevropteren, Orthop-
teren und einige Hymeuopteren [Cynips, Formica) haben einen solchen Kau-
oder Yormagen.
Der Mitteldarm oder Chylusmagen setzt die im Kröpfe begonnene Ver-
dauung fort. Die innere Chitinlamelle fehlt in diesem Theile, der mit einem
Drüsenepithelium ausgekleidet ist, dessen verdauende Wirkung nicht überall
dieselbe ist (Plateau). Bei vielen Coleopteren liegen diese Drüsen in zahl-
reichen kleinen Blindsäcken. Bei den Orthopteren sind sie in Ausweitungen
localisirt, die am Anfange des Mitteldarmes liegen und in die Bauchhöhle
vorspringen. Bei einigen {Gryllofaljpa, Loeusta) finden sich zwei solcher Aus-
buchtungen, bei Acridium sechs, noch mehr bei Mantis und Blatta. Zu-
weilen ist der Mitteldarm so lang, dass er mehrere Windungen macht {Di]}-
teren, Hemipteren).
Der Enddarm beginnt in der Regel an der Einmündungssteile der Mal-
pighi' sehen Röhren. Man hat oft mehrere Abschnitte an ihm unter-
schieden: Dünndarm, Dickdarm, Rectum. Er ist meist am Ende erweitert
und zeigt zuweilen {Di/tiscus, Nepa, Ranatra) einen ziemlich grossen Blind-
darmanhang, in welchem sich das Secret der BI al p ighi' sehen Röhren an-
häuft. Zuweilen finden sich darin ganz ansehnliche Harnsteine (Plateau).
Der Endtheil des Darmes enthält oft drüsige Wülste oder Warzen, soge-
nannte Rectaldrüsen, die mit cj^lindrischen Zellen besetzt sind, welche ander-
wärts im Darme fehlen. Die E.xistenz starker Tracheenbündel im Inneren
dieser Wülste bietet eine gewisse Analogie mit an demselben Orte gelegenen
Tracheenkiemen, von welchen später die Rede sein soll. Bei den im Wasser
lebenden Libellenlarven finden sich in der That im Rectum längsgefaltete
Blätter, welche zur Athmung dienen.
Die am Vorderdarme gelegenen Speicheldrüsen fehlen beim Maikäfer,
wie bei E])hemera, Libellula, Aphis etc., sind nur sehr wenig entwickelt bei
Sialis, Myrmeleo, dagegen bedeutend bei Blattei, Apis; bald röhrig [Coleop-
teren, Dipteren), bald traubeuförmig [Orthopteren, Hemipteren). Bei den Wan-
zen und den Hymeuopteren findet man oft mehrere Paare. Ihre immer in
den Schlund mündenden Ausführungsgänge zeigen öfter mehr oder minder
bedeutende Erweiterungen, in welchen sich das Secret sammelt [Mantis,
Blatta), welches, wie der Speichel der höheren Thiere, auf stärkemehlige
Substanzen wirkt. Wie wir später sehen werden, wandeln sich die Speichel-
drüsen oft in Gift- oder Spinndrüsen um.
Wie schon bemerkt, haben die Malpighi' sehen Röhren nichts mit
der Verdauung zu thun. Ihre rein absondernde Natur scheint uns endgültig
nachgewiesen. Die mannigfaltigen Versuche von F. Plateau und die über
alle Insectenordnungen ausgedehnten Beobachtungen von Schindler haben
wohl den Discussionen über die mehrfache Function dieser Organe ein Ziel
gesetzt. Ihre constante Einmündung am hinteren Abschnitt des Darmes, wo
die Verdaiumg längst beendet ist, ihr drüsiger Bau und die chemische Zu-
sammensetzung ihres Secretes beweisen, dass die Malpighi'schen Röhren
Harnröhren sind.
Sie treten stets unter der Gestalt von mehr oder minder laugen , gelben
oder weissen, einfachen oder verästelten Röhren auf und münden meist, wie
186 Arthropoden.
bei dem Maikäfer, am hinteren Ende des Mitteldarmes. Bei einigen Hemiit-
teren münden sie unmittelbar vor dem After in das Eectum.
Bei den Poduriden sind sie noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen ;
meist steht ihre Länge in umgekehrtem Verhältuiss zu ihrer Zahl. Oft zählt
man zwei Paare (Dipteren, Hemipteren) oder drei Paare (Scbmetterliuge,
einige Käfer) ; zuweilen sind sie sehr zahlreich, mebr als hundert [Hymenop-
teren, Orthopteren) (A, vm, Fig. 89). Im letzteren Falle vereinigen sie sich
oft in einen einzigen Canal, einen Harnleiter, der jederseits in den Afterdarm
mündet {Gryllotalpa).
Ihre Structur ist im Grunde überall die gleiche; ihr Epithelium variirt
nur hinsichtlich der Gestalt und Grösse der Zellen, sowie hinsichthch der
Structur und Farbe der in ihrem Protoplasma enthaltenen Concretionen.
Die absondernden Zellen platzen und entleeren ihren Inhalt in die Röhre,
woraus er in das Rectum übergeführt und durch den After ausgestossen
wird. Im Puppenzustande, während der Bildungsperiode vieler Organe, sind
sie in vollster Thätigkeit. Hinsichtlich des Mechanismus der Ausstossung
vergleiche man die Abhandlung von Schindler über die Grillen (siehe
Literatur).
Den Ausscheidungsorganen stellen sich besondere Drüsen zur Seite, die
zur Vertheidigung dienen. Dahin gehören die Stinkdrüsen der Ameisen,
einiger Schmetterlinge (besonders Männchen) und Käfer, die Brustdrüsen
der Wanzen, deren stinkendes und ätzendes Secret zwischen den Beinen des
dritten Fusspaares hervorquillt u. s. w.
Viele Larven besitzen meist röhrige Spinndrüsen, die meist in der Nähe
des Mundes liegen und umgewandelte Speicheldrüsen sind. Sie treten be-
sonders zur Zeit der Verwandlung in die Puppe in Thätigkeit und liefern
die Seide, womit die Larve ihren Cocon spinnt. Bei den Larven von Heme-
robius und Myrmeleon finden sich solche Spinndrüsen im Rectum. Wir
wissen schon, dass die weisse Wachswolle, welche oft den Körper gewisser
Blattläuse (Schizoneura lanigera) einhüllt, das Product besonderer Haut-
drüsen ist , die bei den Bienen die Wachsplättchen zum Bau der Zellen
liefern.
Die Giftdrüsen verschiedener Hymenopteren finden sich nur bei den
Weibchen; sie liegen im Hinterleibe und münden in den Stachel.
In der Umgebung des Darmes und der Eingeweide schliesst, besonders
im Larvenzustande, das Bindegewebe grosse Zellen mit Pettbläschen im Proto-
plasma ein. Mau nennt dieses Gewebe , das ohne Zweifel eine bedeutende
Rolle in der Ernährung spielt, den Fettkörper. Es ist eine Aufspeicherung
von Nahrungsmaterial zur Bildung der Organe des vollkommenen Insects
und deshalb auch posteiübryonaler Dotter genannt worden (Künckel d'Her-
culais). Bei den vollkommenen Insecten finden sich meist noch Reste davon;
bei den Larven aber ist der Fettkörper oft in solcher Masse angehäuft, dass
er die Präparation der Organe sehr erschwert.
Die oft so lebhafte Phosphorescenz mancher Insecten (Lampyris, Elater,
Fulgord) beruht auf der Erzeugung besonderer Leuchtstoffe im Protoplasma
absondernder Zellen, die an verschiedenen Stellen angehäuft sind, am Thorax
(Pyrophorus) oder am Bauche auf besonderen Paaren von Blättchen, die
sehr reichliche Netze von Tracheen- und Nervenästchen erhalten (Lain-
pyris). Die bei dem Leuchten selbst sich abspielenden chemischen Vorgänge
sind neuerdings von Raphael Dubois sehr eingehend untersucht worden
(siehe Literatur).
Das Blut der Insecten ist wie das der übrigen Arthropoden farblos und
enthält amöboide Körperchen. Die Reduction des Gefässsystemes ist weiter
fortgeschritten als in den anderen Classen. Das Herz bildet überall, wie
Insecten. 187
bei dem Maikäfer, ein contractiles Rohr, das stellenweise, den Segmenten
entsprechend , durch Einstülpungen seiner Wände eingeschnürt ist und so
eine Reihe von Kammern bildet (acht im höchsten Falle), die durch Klappen-
falten getrennt sind , welche dem Elutstrome die Richtung von hinten nach
vorn geben. Jede Kammer zeigt ein Paar seitlicher, ebenfalls mit Klappen
versehener Spaltöffnungen , durch welcbe das vom Körper kommende Blut
bei der Diastole in das Herz eintritt.
Das Rückengefäss ist mit kurzen Muskelbäudern an die Rückenbogen
der Segmente angeheftet und von einem eigenthümlichen Gewebe (Peri-
cardialgewebe nach Grab er) umgeben, in welchem die Flügelmuskeln ein-
gebettet sind, die nach Gräber eine Art von Diaphragma, eine Scheide-
wand zwischen der Eingeweidehöhle und der Herzhöhle bilden. Diese Mus-
keln sollen durch ihre Zusammenziehung auf die unterliegenden Organe
einen Druck ausüben und so das Blut in die Pericardialhöhle treiben, wäh-
rend sie bei ihrer Erschlaffung den Pericardialsinus verengen und den Ein-
tritt des Blutes in das Herz erleichtern sollen. Man kann bei G r a b e r die
Beobachtungen nachlesen , auf welche sich diese Ansicht stützt (siehe Lite-
ratur).
Die vorderste Herzkammer verlängert sich in ein meist enges Rohr, die
Aorta , welches dieselbe Structur wie das Herz, aber keine Einschnürungen
noch Seitenspalten besitzt. Die Aorta erstreckt sich bis zum Hirn , wo sie
bei einigen Insecten sich zu theilen scheint. Ausnahmsweise finden sich
auch bei einigen Larven {PtycJioptera, Ephemera) kurze Gefässe im hinteren
Theile des Körpers.
Das Blut strömt aus der Aorta in den vorderen Abschnitt des Cöloms,
das im Ganzen einen weiten Blutsinus darstellt. Das Blut scheint darin
in bestimmten Bahnen zu circuliren , wie die directe Beobachtung bei
durchsichtigen Larven zeigt. Ein Strona läuft dorsal , ein anderer ventral,
zwei parallele Ströme folgen dem Darme, secundäre Bahnen führen in die
Beine u. s. w.
Man begreift den Grund der Einfachheit eines solchen Kreislaufsystemes,
wenn man die Anordnung der Athemorgane kennt, die bei allen Insecten
von Tracheen oder Luftröhren gebildet werden, welche bald ganz geschlossen
sind (wasserbewohnende Larven) oder, wie beim Maikäfer und in den meisten
Fällen durch besondere Luftlöcher, Stigmen, mit der Aussenluft in Verbin-
bindung stehen.
Die Tracheenstämme sind meist in der Nähe der Stigmen ziemlich
weit, werden aber enger in dem Maasse , als sie sich verästeln. Sie ver-
zweigen sich in alle Organe und bis in das Innere der Gewebe und bringen
Luft in den ganzen Körper, so dass das Blut nicht durch Gefässe in ein
specielles Athemorgan gebracht zu werden braucht , um mit dem Sauerstoif
der Luft in "Wechselwirkung zu treten. Cuvier hatte schon gesagt, dass
bei den Insecten das Blut nicht die Luft aufsucht , sondern dass die Luft
dem Blute zu begegnen sucht.
Die Vertheilung der Tracheen variirt natürlich ungemein je nach den
Lebensbedingungen und besonders je nach der Flugfähigkeit. Bei den
guten Fliegern, die lange aushalten oder einen gewichtigen Körper besitzen,
sind die Tracheen mehr oder minder mit Ausweitungen, mit Tracheenblasen,
besetzt, welche hinsichtlich ihrer Function den Luftsäcken der Vögel ver-
glichen werden können. Diese Tracheenblasen, die um so zahlreicher, je
kleiner sie sind , finden sich in Menge bei grossen Coleopteren (LanielU-
cornier) , während man bei vielen Dipteren nur zwei antrifft, welche aber
den grössten Theil der Bauchhöhle einnehmen.
Bei den tauchenden Insecten {Hydrophihis) bilden die Tracheenblasen
188
Arthropoden.
eiu hydrostatisches Element iu ähnlicher Weise , wie die geschlossenen Tra-
cheen bei manchen Avasserbe wohnenden Larven, bei welchen, nach Gegen-
baur, die hydrostatische Function ursprünglich die bedeutendste gewesen
wäre und sich erst allmählich aus dieser, in ähnliclier Weise wie bei
der Schwimmblase mancher Fische, die Beziehung zur Athmung entwickelt
hätte.
Wie dem auch sei , so finden sich die Tracheen der Wasserlarven bald
unmittelbar ausgebreitet unter der Haut {Tipolülen) , bald mehr concentrirt
auf beiden Seiten des Körpers in blätterigen (Ephemera, A, c, Fig. 90) oder
fadenförmigen Anhängen (Sialis). Solche Ausstülpungen der Haut, in welchen
sich Tracheenbündel verzweigen und durch deren dünne Haut der Austausch
der Gase leicht vor sich gehen kann, werden Tracheenkiemen genannt. Bei
den Larven der Ephemeriden zählt man ein Paar Tracheenkiemen auf jedem
A, Hintertheil des Körpers einer Larve von Ephemera vulgata. u, Längstraclieeii-
stamm; 6, Darmcanal ; c, Tracheenkienien ; d, t'ederartige Schwanzanhänge. B, Larve
von Aeschna grandis nach Wegnahme der Rückentegumente. «, obere Längstracheen-
stämme; i, ihr vorderes Ende; c, ihr hinteres, auf dem Eertum verzweigtes Ende;
o, Augen. Die Figur C in der Glitte stellt denselben Darmabschnitt im Profil dar;
a, /;, c, wie in B; d, unterer seitlicher Tracheenstamm; e, Verbindungstracheen zum
oberen Stamm. (Von Gegenbaur entnomiuen.)
der sieben Bauchringe, während bei den Perliden nur drei oder vier Kiemen-
büschel auf dem Thorax und dem Ende des Bauches ansitzen.
Bei einigen im Wasser lebenden Larven [Lihellula, Aeachna) ist das Eec-
tum bedeutend erweitert i;nd innen mit blätterigen Falten besetzt , in deren
Innerem sich zahlreiche Tracheeubündel verzweigen. Die musculöseu Wände
Insecten, 189
des Mastdarmes machen rliytlimische Bewegungen, um Wasser ein- und aus-
zupumpen, so dass der Mastdarm als Athemorgan fungirt, wie Reaumur
dies sclion beobachtet hatte (c, Fig. 90).
Mit Ausnahme einiger Schmetterliugsraupeu , welche Rudimente von
Stigmen am Kopfe tragen, fehlen solche Luftlöcher gemeinhin am Kopfe und
dem ersten Brustringe. Bei den Holopueusten zählt man gewöhnlich zwei
Stigmenpaare auf den hinteren Brustringen und acht auf den Bauchringen ;
der letzte trägt keine Stigmen. Die Insecten, welche nur auf den Brust-
ringen Stigmen tragen, werden Hemipueusten, die, welche nur auf den Bauch-
ringen welche besitzen, Peripneusten genannt (Larven der Käfer und Schmetter-
linge). Bei manchen wasserbewohnenden Rhynchoten {Nepa, Ranatra) sind
die Stigmen auf zwei, an den hinteren Bauchriugen angebrachte Paare redu-
cirt, welchen die Luft durch eine aus zwei Halbrinnen bestehende, chitinöse
Röhre zugeführt wird , die das Insect meist an der Oberfläche des Wassers
hält. Für Einzelheiten verweisen wir auf Palmen (siehe Literatur).
Der Schlussapparat der Stigmen variirt sehr. Bei den Fliegen ist die
Oeffnung mit vibrirenden Lamellen besetzt, welche beim Summen mitwirken;
bei den Orthopteren und Nevropteren dienen diese Lamellen auch zum Ver-
schliessen der Oeffnung , die sie von aussen bedecken. Bei den Käfei-n liegt
der Schliessapparat hinter der Oeffnung , die oft durch Büschel von Haaren
und Borsten geschützt wird. Einzelheiten bei Landois (siehe Literatur).
Die Structur der Tracheen ist überall etwa gleich. Ihre Wände zeigen
meist drei Schichten, von denen die innere functionell die Avichtigere ist.
Sie besteht aus einem von der mittleren chitinogenen Schicht abgesonderten
Chitiurohr , das nur in den feinen Verzweigungen homogen ist. Auf ihrer
sonstigen Erstreckung, mit Ausnahme der Tracheenblasen, verdickt sich die
Chitiühaut zu einem festeren Spiralfaden, der zuweilen schwarz pigmentirt
ist (Dytiscus) , übrigens sonst in Beziehung auf Länge , Dicke und Gestalt
sehr variirt, indem er bald rund, bald bandartig abgeplattet, verzweigt u. s. w.
ist. Bei vielen Insecten [Lcunpijris, Ceramhyx) trägt der Faden feine Haare
oder Borsten , welche in die Höhle der Trachee vorspringen. Die äussere
Schicht (Basalmembran, äussere Cuticula von Graber) ist stets sehr dünn
und homogen.
Die drei Schichten erhalten sich in den Tracheenblasen , nur wird hier
die Intima sehr fein und glatt und bildet keinen Spiralfadeu.
Die Tracheen enden spitz verschlossen in den Geweben. An den Enden
erhält sich nur die glatte Innenhaut ohue Spiral faden.
Alle Insecten sind getrennten Geschlechtes. Die von S i e b o 1 d und
Westwood bei Lepidox^teren und Hj'menopteren beobachteten Fälle von
Hermaphroditismus können als zufällige Anomalien betrachtet werden. Die
Geschlechter sind häufig dimorph; bei einigen Schmetterlingen giebt es sogar
mehrere Formen von Weibchen, also Polymorphismus. Die Männchen unter-
scheiden sich meist durch lebhaftere Farben und stärkere Ausbildung der
Sinnes- und Bewegungsorgane. Die Weibchen von Lampyris, Coccu^ , den
Strepsipteren zeigen im vollkommenen Zustande noch Larvenformen und
bleiben ungeflügelt.
Mit Ausnahme einiger Blattläuse, Staphilinen (Käfei') und der Strepsip-
teren, die lebendige Junge gebären, legen alle Insecten Eier. Parthenogenese
kommt hüufig vor; normal bei Psyche, Solenobia, den Cocciden, Aphiden,
Bienen, Wespen, Gallwespen etc., ausnahmsweise bei einigen Schmetterlingen
(Bomhyx inorio). Bei den geselligen Hymenopteren entstehen aus den un-
befruchteten Eiern nur Männchen. Bei den Blättläusen findet man abwech-
selnde parthogenetische Generationen (im Sommer) und geschlechtliche Gene-
rationen (im Herbst) und innerhalb dieser oft noch polymorphe Reihen von
1 90 Arthropoden.
ludividuen {Ohermes). Vou vielen Gattungen sind die Männchen ausser-
ordentlich selten oder selbst ganz unbekannt.
Die Geschlechtsorgane sind bei beiden Geschlechtern nach demselben
Plane gebaut. In der Kegel sind nur die vollkommenen Insecten fort-
pflanzungsfähig; doch kennt man Fälle, wo Larven wiederum junge Larven
erzeugen [Gecidomyia, Miastor) oder wo Nymphen Junge hervorbringen {Chi-
ronoinus). Die Arbeiterinnen der Bienen und Ameisen sind Weibchen mit
verkümmerten Fortpflanzungsorganen.
Die Hoden bestehen aus langen, geschlossenen, vielfach verwickelten
Röhren von sehr wechselnder Zahl. Meist bilden sie jederseits in der Bauch-
höhle compacte Massen, die zuweilen mit einander verschmelzen (Schmetter-
linge). Die Röhren setzen sich in gewundene Samengäuge fort, deren Ende
oft zu einer Samenblase erweitert ist. Meist vereinigen sich die beiden
Samengänge in einen unpaaren Spritzcanal, wie beim Maikäfer, dessen Ende
in eine hornige Rinne ausläuft, welche den Samen in die Geschlechtsöffnung
des Weibchens bringt. Der Spritzcanal stülpt sich bei der Begattung nach
aussen vor; er passt sich an Chitinstücke an, die ihn stützen und zur inni-
geren Vereinigung der Individuen dienen und die dem letzten Bauchringe
angehören.
Bei den Libellen liegen die Begattungsorgaue weit von der Geschlechts-
öffnung entfernt auf der Ventralseite des zweiten Bauchringes.
Bei vielen Insecten werden kleine, compacte Spermatophoren durch die
Einhüllung des Samens in die schleimige Absonderung der Nebendrüsen
gebildet, welche in den Anfang des Spritzeanales münden.
Die Eierstücke sind ebenfalls röhrenförmig. Die Zahl und Anordnung
dieser Eiröhren wechselt ungemein ; am einfachsten sind sie bei Lepidopteren
und Rhynchoten. Die Eiröhren münden stets in Eileiter zusammen, die sich
meist au ihrem Ende zu einer Vagina erweitern, in welche die Nebendrüsen
ihre zur Umhüllung der Eier dienenden Seerete ergiessen.
Fast immer finden sich zweierlei Anhangsgebilde an dem weiblichen Be-
gattungsappai'ate : eine Begattungstasche, in welche der Penis des Männchens
eindringt, und eine einfache oder doppelte Samentasche, in welcher der
Samen sich oft lange Zeit, sogar mehrere Jahre (Bienenkönigin) befruchtungs-
fähig erhält.
Ausnahmsweise liegt (bei den Strepsipteren) die weibliche Geschlechts-
öffnung vorn auf der Rückenfläche , sonst am Ende des Hinterleibes und
wird hier von paarigen und unpaaren Verlängerungen der letzten Bauch-
segmente umgeben, die mancherlei Formen annehmen (Legeröhre, Lege-
stachel, Stachel etc.) , aber stets nach demselben Grundplane gebaut sind
(Lacaze-Duthiers).
Die meist von einer harten Hülle (Chorion) umgebenen Eier zeigen
eine oder mehrere Micropylen , durch welche die Zoospermeu eindringen
können.
Die Entwicklung der Insecten variirt ungemein. Selten verlassen die
Jungen das Ei in einer den Eltern ähnlichen Gestalt, wie bei den Apteren,
wo keine Metamorphose Platz greift (Ametabolen). Meist durchgeht das
Insect mehrere Metamoi'phosen als Larve und Nymphe, bevor es vollkommen,
Imago , wird. Indessen bieten diese Stadien mancherlei Verschiedenheiten.
Bei den Hemimetabolen ist das Nymphenstadium weggefallen (Orthopteren,
Rhynchoten); der Uebergaug von der Larve zur Imago wird durch mehrere
Häutungen bewerkstelligt, durch welche die Bewegungs- und Fortpflanzungs-
orgaue nach und nach vervollkommnet werden. ■
Bei den Metabolen mit vollkommener Verwandlung geht die meist durch
homonome Gliederung des Körpers ausgezeichnete Larvenform in eine zweite
Insecten. 191
Mittelform (Nymphe, Puppe) über, welche meist unbeweglich ist, keine
Nahrung aufnimmt und die inneren Organe auf Kosten des im Larven-
zustande angesammelten Materials ausbildet. Indessen sind bei Tipida, Phry-
ganea und einigen anderen Gattungen die Nymphen während der ganzen oder
während einiger Zeit dieses Zustandes beweglich.
Einige wenige Insecten (Meloiden, Pteromaliden) zeigen eine Uebermeta-
morphose, indem die Larven nach und nach mehrere Formen annehmen.
Literatur. — Savigny, Memoires sur les Auimaux sans Vertebres, Paris
1816. — Audouin, Recherches imaiomlques sur le thorax des Insectes, Ann. des sc.
oiat., I.Serie, Bd. I, 1824. — Leon Dufour, Recherches anatomiques sur les Cara-
biques, ebend., Bd. III, 1824; Recherches svr les Hemiptires, les Orthopteres, les Hy-
menopteres , les Nevropteres et les Dipteres , Memoires de l'Acad. des sc. de Paris,
Bd. IV, 1833; Bd. VII, 1841; Bd. XI, 1851. — Ders. , Zahlreiche Monographien
in den Annales des Sciences naturelles. — Strauss-Dürckheim, Considerutions gtine-
rales sur t Anatomie comparee des animaux articules; Anatomie descriptive du Melo-
lontha vulgaris, Paris, in 4"., avec atlas, 1828. — Westwood, Hermaphrodite Tn-
sects, London Magaz. Nut. Bist., Bd. IV, 1831. • — R. Wagner, lieber den Kreislauf
des Blutes und den Bau des Rückengefässes bei den Insecten, Isis, 1832. — Mac
Leay, Exposition de l'anatomie comparee du thorax dans les Insectes alles, accom-
pagnee de notes par Audouin, Ann. des sc. nat. , 1. Serie, Bd. XXV, 1832. —
F. J. P i c t e t , Recherches pour servir ä Phistoire et ä Panaiomie des Phryganides,
Geneve, 1 834. — V. S i e b o 1 d , Ueber das Stimm- und Gehörorgan der Orthopteren,
Arch. f. Naturgesch., 1844. — Blanchard, Du Systeme nerveux des Insectes, Ann.
des sc.» nat. , 3. Serie, Bd. V, 1846, und „Les Insectes^'' im „Regne Animal^ yon
Cuvier. — Lacaze-Duthiers, Recherches suv Parmure genitale des Insectes, Ann.
des sc. nat., 3. Serie, Bd. XII, XIV et XIX, 1849—1854. — Stein, Die weiWichen
Geschlechtsorgane der Käfer, Berlin, 1847. — Dujardin, Memoires sur le Systeme
nerveux des Insectes, Ann. sc. nat., 1850. - — - Gerstfeld, Ueber die Mundtheile der
saugenden Insecten, Leipzig, 1853. — Leuckart, Ueber die Mikropyle und den feineren
Bau der Schalenhaut bei den Insecten, Müller's Archiv, 1855. — Ders., Die Fort-
pflanzung und Entwicklung der Pupiparen, Halle, 1858. — Brülle, Recherches sur
les transformutions des Appendices dans les Articules, Ann. des sc. nat.. 3. Serie,
Bd. XIX, 1854. — J. Lubbock, On the ova and pseudova of Insects, Philos.
Transact., 1857. — Ders., On the Distribution of the tracheae in Insects, Trans.
Linn. Soc, Bd. XXIII. — Semper, Ueber die Bildung der Flügel, Schuppen und
Haare bei den Lepidopteren, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. VJII, 1857. — Leydig, Zur
Anatomie der Insecten, Müller's Archiv, 1851. — Ders., Zum feineren Bau der
Arthropoden, ebend., 1855. — Ders., Anatomisches und Histologisches über die
Larve von Corethra plumicornls, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. III. — Ders., Der Eierstock
und die Samentasche der Insecten, Dresden, 1866. — D ers., Bemerkungen über Farben
der Hautdecken und Nerven der Drüsen bei Insecten, Arch. f. mikroskopische Anat.,
Bd. XII, 1876. — Kölliker, Zur feineren Anatomie der Insecten, Verhandlungen d.
medicin. Gesellsch. in Würzburg, Bd. III, 1857. — Ed. Claparede, Sur les pre-
tendus organes auditifs des Coleopteres lamellicornes et d'autres Insectes, Ann. des sc.
nat., 4. Serie, Bd. X, 1858. — H. Rathke, Anatomisch -physiologische Unter-
suchungen über den Athmungsprocess der Insecten , Schriften der Phys. Gesellschaft
Königsberg, 1. annee, 1861. — Weissmann, Die Entwicklung der Dipteren, Leipzig,
1864. — Ders., Die Metamorphose der Corethra plumicornis, ebend., 1866. — Lan-
dois, Die Ton- und Stimmapparate der Insecten, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XVII,
1867. — Ders., Thierstimmen, Freiburg, 1874. — Landois und Thelen, Der
Tracheenverschluss bei den Insecten, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XVII, 1867. —
Hensen, Ueber das Gehörorgan von Locusta, ebend., Bd. XVI, 1866. — Ch.Lespes,
Recherches anatomiques sur quelques Coleopteres aveugles , Ann. des sc. nat., Bd. IX,
192 Arthropoden.
1868. — Bütschli, Ueber Bau und Entwicklung der Samenfäden bei Insecten und
Krebsen, Zeitschr. f. \v. Zool., Bd. XXI, 1871. — V. Graber, Ueber den propul-
satorischen Apparat der Insecten, Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. IX, 1873. — Ders.,
Ueber eine Art fibrinoiden Bindegewebes der Insectenhaut und seine locale Bedeutung
als Tracheensuspensorium, ebend., Bd. X, 1874. — Ders., Ueber den pulsirenden
Bauchsinus der Insecten, Bd. XII, 1876. — Ders., Ueber neue otocystenartige Sinnes-
organe der Insecten, ebend., Bd. XYI, 1878. — Ders., Das unicorneale Tracheaten-
auge, ebend., Bd. XVII, 1879. — Ders., Die chordotonalen Sinnesorgane und das
Gehör der Insecten, ebend., Bd. XX, 1882. — Ders., Die tympanalen Sinnesorgane
der Orthopteren, Denkschr. d. k. Akad. Wien, 1875. — Ders., Die Insecten, München,
1877. — Gerstäcker, Ueber das Vorkommen von Kiementraeheen bei ausgebildeten
Insecten, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXIV, 1874. — De la Valette St. -Georges,
Ueber die Genese der Samenkörper, Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. X, 1874. — Eabl-
Rückhard, Studien über Insectengehirne, Müller's Archiv, 1875. — Wolff, Das
Riechorgan der Biene, Nova Acta Acad. Leop. CaroL, Bd. XXXVIII, 1875. — C. Chun,
Ueber den Bau der Rectaldrüsen bei den Insecten, luaug.-Dissert., Frankfüi't, 1875. —
C. Gr ebben, Ueber bläschenförmige Sinnesorgane von Ptychoptera, Sitzb. d. k. k.
Akad. Wien, 1875. — F. Plateau, Recherches sur /es pkenomenes de la digestion
cJiez les Insectes, Mem. de l'Academie des Sciences de Belgique, Bd. XLI, 1875. —
Der s., Recherches expirimentales sur les mouvements respirutoires des Insectes, ebend.,
Bd. XLV, 1884. — Ders., Palpes des Insectes broyeurs, Bulletin de la Soc. zoologlgtie
de France, Bd. X, 1S85. — Ders., Recherches sur la vision chez les Arthropodes
(3. et 4. parties), Bulletins de V Acadiimie royale de Belgique, S.Serie, Bd. XV, 1888. —
J.-A. Palmen, Zur Morphologie des Tracheensystems, Helsingfors, 1877. — Carlet,
Memoire sur Pappareü musical de la cigale, Ann. des sc, nat., 6. Serie, Bd. V, 1877. —
J. D i e 1 1 , Organisation des Arthropodengehirns, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXVII, 1877. —
E.Schindler, Beiträge zur Kenntniss der Malpighi'schen Gefässe der Insecten, ebend.,
Bd. XXX, 1878. — A. Forel, Der Giftapparat und die Analdrüsen der Ameisen,
ebend., Bd. XXX, Suppl., 1878. — Flögel, Ueber den einheitlichen Bau des Ge-
hirns in den verschiedenen Insectenordnungen , ebend., Bd. XXX, Suppl., 1878. —
E. B e r g e r , Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthro-
poden, Arb. a. d. Zool. Inst. Wien, Bd. I, 1878. — H. Grenadier, Untersuchungen
über das Sehorgan der Arthropoden, Göttingen, 1879. — Ed. Brandt, Mehrere Ab-
handlungen über das Nervensystem der Insecten , Horae Soc. Entom. rossic, Peters-
burg, 1879. — G.-E. Adolph, Ueber Insectenflügel, Noim Acta Acad. Leop. CaroL,
Bd. XLI, 1880. — J. Mac-Leod, La striicture des trachces, Brüssel, 1880. — G. Hauser,
Physiologische und histologische Untersuchungen über das Geruchsorgan der Insecten,
Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXXIV, 1880. — G. Dimmock, The Anatomy of tke Mouth-Parts
and of the Sucklny Apparatus of some Dlpters, Inaug.-Dissert., Boston, 1881. —
0. Kraucher, Der Bau der Stigmen bei den Insecten, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXXV,
1881. — H. Viallannes, Recherches sur Phlslologle des Insectes, Ann. des sc. nat., 6. Serie,
Bd. XIV, 1882, und Mehrere Abhandlungen über das Hirn der Insecten (Libelle, Wespe,
Heuschrecke), ebend., 1887. — Bolles-Lee, Bemerkungen über den feineren Bau der
Chordotonalorgane, Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXIII, 1883. — Ders., Les hulanciers
des Dipteres, Recueil zoologique suisse , Bd. II, 1885. — K. Kräpelin, Ueber die
Geruchsorgane der Gliederthiere, Hamburg, 1883. — Will, Das Geschmacksorgan der
Insecten, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XLII, 1885. — Ritter v. Wielowiej ski, Ueber das
Blutgewebe der Insecten, ebend., Bd. XLIII, 1886. — J. Frenzel, Einiges über den
Mitteldarm der Insecten, Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXVI, 1886. — Faussek, Beiträge
zur Histologie des Darmcanals der Insecten, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XLV, 1887. —
Knüppel, Ueber Speicheldrüsen von Insecten, Inaug.-Dissert., Berlin, 1887. — Ruland,
Beiträge zur Kenntniss der antennalen Sinnesorgane der Insecten, Zeitcchr. f. w. Zool.,
Bd. XLVI, 1888. — 0. vom Rath, Ueber die Hautsinnesorgane der Insecten, ebend., 1886.
Arachniden. 193
Classe der Arachniden.
Die dieser Classe zugetheilten Arthropoden lassen sich leicht auf
den ersten Blick durch den Mangel eigentlicher, auf der Stirn ein-
gelenkter Antennen von den Gliedern der übrigen vier Classen unter-
scheiden. Der Mangel von gegliederten Anhängen am Bauche unter-
scheidet sie von den Crustaceen, Onychophoren und Myriapoden und
nähert sie den Insecten, von welchen sie sich durch zahlreiche Cha-
raktere absondern, unter welchen der auffallendste die Verschmelzung
des Kopfes mit der nachfolgenden Region, dem Thorax, ist.
Mit Ausnahme der Acariden , bei welchen der ganze Körper zu
einer einzigen, ungegliederten Masse verschmolzen ist, unterscheidet
man bei allen anderen Arachniden zwei Hauptregionen des Körpers,
den Cephalothorax, welcher die rückenständigen Augen und auf der
Bauchfläche den Mund und sämmtliche gegliederte Anhänge trägt, und
ein Abdomen, an welchem der meist endständige After, ^owie die Oeff-
nungen der Athem- und Geschlechtsorgane angebracht sind.
Es giebt im Ganzen sechs Paare von gegliederten Anhängen. Die
drei hinteren Paare sind, mit Ausnahme einiger Milben, meist sehr
gleichartig gebaut, bestehen aus einer Reihe von einzelnen Gliedern
(bis zu sieben), sind Bewegungsorgane, Beine, und am Ende meist mit
Krallen bewaffnet. Das diesen Beinen vorstehende Gliederpaar vaiüirt
schon mehr; es kann die Gestalt von Antennen, Palpen oder Greif-
organen haben und keine Klauen tragen ; meist aber ist es den drei
hinteren Paaren ähnlich als Bewegungsorgan gebildet, so dass man
mit Recht sagen kann, dass die meisten Arachniden vier Paare von
Gangfüssen besitzen.
Die zwei vorderen Gliederpaare variiren in grösserem Maasse.
Das vorderste Paar ist an dem Vorderrande des Cephalothorax,
aber noch auf der Bauchfläche eingelenkt. Da es seine Nerven direct
von dem Gehirne erhält, entspricht es, seiner Innervation nach, den
Antennen der übrigen Arthropoden; aber seiner Function nach gehört
es zu den Mundwerkzeugen und seiner Lagerung nach lässt es sich
mit den Mandibeln der Insecten vergleichen. Wir nennen diese vor-
deren Anhänge, mit den meisten Autoren, die Cheliceren; sie stellen
mächtige Klauen, horizontale oder verticale Scheeren dar und sind zu-
weilen in Stechborsten umgewandelt.
Das zweite Paar, welches immer, wenigstens mit seinem proxi-
malen Segmente, in inniger Beziehung zu dem Munde steht, ist nicht
minder variabel. Die proximale Basis spielt meistens die Rolle eines-
Kiefers oder einer Maxille; das distale Ende kann mehr oder minder
unabhängig werden und als Taster (Palpus) bezeichnet werden. Es
Vogt u. Yung, prakt. veigl. Anatomie. II. 23
194 Arthropoden.
kann die Gestalt einer einfachen Antenne, eines Tastwerkzeuges hahen
oder auch in Klauen oder Scheeren umgewandelt sein. Bei den Männ-
chen der Spinnen übernimmt es die Rolle eines Befruchtungswerk-
zeuges.
Endlich findet man auch noch in manchen Fällen am Hinterrande
des Mundes eine mittlere Unterlippe, welche den Mund wie ein Klapp-
deckel schliessen kann und zuweilen von zwei seitlichen, nicht mit ein-
ander verschmolzenen Stücken gebildet wird.
Die inneren Organe sind sehr verschieden ausgebildet. Wir be-
trachten sie später, nachdem wir uns mit der Anatomie der typischen,
ausgewählten Art beschäftigt haben werden.
Die Geschlechter sind stets getrennt und häufig sehr verschieden
in Form und Grösse.
Wir nehmen folgende, grossentheils auf den äusseren Bau gestützte
Classifikation an.
1. Ordnung. Spinnen (Aranehla). — Cephalothorax und Ab-
domen ungegliedert. Cheliceren in Form gewaltiger Giftklauen. Mit
Bürsten versehene Maxillen und geisselförraige, unabhängige Palpen,
die beim Männchen Begattungswerkzeuge darstellen. Tracheenlungen
und ausserdem noch meist Tracheen. Spinnwarzen am hinteren Theile
des Abdomens.
Unterordnung der Vierlunger (Tefrapneicmones). Vier Lungen-
säcke und. vier, selten sechs Spinnwarzen. MygaJe^ Ctenisa.
Unterordnung der Zweilunger {Dipneumones). Zwei Lungen-
säcke, sechs Spinn Warzen. Salticus, Lycosa^ Tegenaria, Epeira, Se-
gestria.
2. Ordnung. G-liederbäuehe (Arthrogasfra). — Gegliedertes
Abdomen. Keine Spinnwarzen, mit Ausnahme der Afterskorpione.
Unterordnung der Pedipalpen. Ungegliederter Cephalothorax;
Cheliceren mit Klauen ; Palpen in Gestalt von Klauen oder Zangen ;
das dritte Gliederpaar antennenförmig, eine lange Geissei darstellend;
drei Paar Gangbeine. Vier Lungensäcke. Thelyplionus, Phrynus.
Unterordnung der Weberspinnen (Phalangida). Cephalothorax
ungegliedert; Cheliceren zangenförmig; lange Palpen mit kleinen
Klauen; vier Paare sehr langer Gangbeine. Tracheen, die in zwei Stig-
men münden. PhäJangium, Gonylepies.
Unterordnung der Afterskorpione (Pseudoscotpiones) . Cephalo-
thorax ungegliedert; horizontale, zangenförmige Cheliceren; grosse,
scheerenförmige Palpen; vier Paar Gangbeine. Athmung durch Tra-
cheen. Kein Giftstachel. Chelifer, Ohishmi.
Unterordnimg der Skorpione {Scorpiones). Gliederanhänge
wie bei den vorigen; Cephalothorax ungegliedei't; das Abdomen in
zwei Regionen getheilt, ein vorderes, dickeres Abdomen und ein hin-
Arachniden. 195
teres, cylindrlsches Postaldomen, das mit einem Giftstachel endet. Acht
Lungen sacke. Seorpio, Builms.
Unterordnung der Skorpiousspinnen (Solifiiga). Cephalo-
thorax gegliedert; scheerenförmige, verticale Cheliceren; gangbein-
artige, sehr lange Palpen, die aber, wie das folgende, kurze Beinpaar,
keine Klauen tragen; drei Paare klauentragender Gangbeine. Tracheen.
Solpuga {G-aleodes).
3. Ordnung. Milben {Acarida) — Ungegliederter Körper in
einer Masse. Cheliceren und Palpen sehr variabel. Athmung durch
Tracheen oder durch die Haut. Demodex, Sarcoptes, G-amasus, Trom-
hidium, Uydrachna, Oribates.
Typus: Die Kreuzspinne {Epeira diadema L.). — Wir haben
diese grosse, zu der Unterordnung der Zweilunger und der Familie
der Radspinnen (Orbitelae) gehörige Spinne deshalb gewählt, weil sie
in ganz Centraleuropa im Sommer und Herbste sehr gemein ist. Man
findet überall in Gärten und Weinbergen die senkrecht gestellten, rad-
förmigen Netze dieser Spinnen , die mit dicken Fäden befestigt und
aus kreisförmigen Ringfäden gebildet sind , welche durch speichen-
artige Strahlen zusammengehalten werden. Die weibliche Spinne,
deren Hinterleib die Grösse einer Haselnuss erreicht, hält sich im
Mittelpunkte des Netzes. Die Männchen sind weit kleiner, haben einen
mageren, länglichen Hinterleib, viel längere Beine als die Weibchen
und knopfförmig angeschwollene Palpen. Sie sind seltener anzutreffen
als die Weibchen, weil sie meist nicht in dem Netze, sondern in der
Nähe desselben auf der Unterseite der Blätter von Gesträuchen sitzen,
wo man sie bei einigem Suchen finden kann. Unsere Arbeit ist durch
ausgiebige Unterstützung von Dr. M. Jaquet wesentlich gefördert
worden.
Aeussere Bildung. — Die Untersuchung der äusseren Theile
wird sehr durch die Behandlung mit Aetzkali erleichtert, wovon später
die Rede sein wird.
Auf allen Körpertheilen finden sich Haare , die indessen auf dem
Rückenschilde des Cephalothorax und dem Abdomen zerstreut und
weniger entwickelt sind , als auf dem Brustschilde , den Palpen und
namentlich auf den Kiefern.
Der eiförmige Cephalothorax ist nach vorn etwas verengert,
und wesentlich aus zwei Stücken zusammengesetzt, dem härteren
Rücken Schilde (a, Fig. 91 a. f. S.) und dem etwas kleineren und
weniger festen Brust Schilde {g)\ zwischen diesen Schildern sind
die verschiedenen Anhänge eingelenkt. Das Rückenschild krümmt
sich auf allen Seiten nach unten und bildet so die abgerundeten Seiten-
kanten , die auf Querschnitten flügelartig vorstehen. Es trägt auf
der vorderen Stirnfläche die acht Augen, von welchen vier nahe an
13*
196
Arthropoden.
der Mittellinie in den Ecken eines Quadrates stehen, die beiden vor-
deren an dem umgebogenen Stirnrande, die hinteren auf der Höhe der
Stirn (Ji, Je, Fig. 91). Die seitlichen Augenpaare (?') stehen am Rande
des Rückenschildes; jedes Paar ist nach oben und hinten von einer
erhöhten, bogenförmig gekrümmten Chitinleiste eingefasst.
Auf der Bauchfläche des Cephalothorax treten nach vorn die Che-
liceren vor (c, Fig. 91 und 92), zwei mächtige, bei dem Männchen
etwas schmälere und yerhältnissmässig längere Anhänge, deren ver-
dicktes Basalglied bei der Ansicht von oben den Stirnrand des Rücken-
schildes überragt. Diese Basalglieder krümmen sich leicht nach unten
und auf ihrem freien Ende ist eine scharfe, säbelförmig gekrümmte,
fein zugespitzte Klaue eingelenkt , die sich in der Ruhe gegen das
Fiof. 91.
TJ Ul
II ci I
Epeira diadema. — Junges Männchen im Profil. Pas Afterfeld mit den Spinnwarzen
ist etwas in Dreiviertelansicht gedreht. Kalipräparat. Gundlach, Oc. 1, Obj. 00.
Camera Jucida. I bis IV, die vier Beinpaare, abgeschnitten. a, Cephalothorax,
Piückenschild; a', sein unterer Piand ; ?>, Hinterleib; c\ Chelicere ; d, Kiefer; e, Taster;
/, Unterlippe; «7, Brustschild des Cephalothorax; h, oberes oder hinteres Mittelauge;
i, vereinigte Seitenaugen; Ic, vorderes Mittelauge ; /, Lunge; m, Genitalspalte; ?«, n,
vordere Spinnwarzen, zwischen welchen man das Wärzchen des rudimentären Cri-
bellum sieht; 0, o, hintere Spinnwarzen; in dem Räume zwischen vorderen und
hinteren Spinnwarzen sieht man die mittleren; p, Afterdeckel.
Basalglied wie die Klinge eines Messers gegen den Stiel einschlägt
und sich von aussen nach innen bewegt. Die Basis der Klaue ist in
eine Rinne des Basalgliedes eingelenkt, in welche sie sich einschlägt.
xVuf dem Aussenrande dieser verdickten Chitinrinne steht eine Reihe
von vier grösseren, auf dem Innenraude eine von fünf kleineren, ab-
gestumpften Chitin Zähnen.
Die weit weniger mächtigen Kiefer {d) bestehen ebenfalls aus
zwei Gliedern und sind mit ihrem freien Ende gegen den Mund hin
Arachniclen.
197
Fiff. 92.
eingekrümmt, den sie gänzlich bedecken. Das bei der Ansicht von
unten dreieckig erscheinende Endglied ist auf seinem Rande mit einer
Menge dicker und etwas krummer Haare besetzt, wie eine Bürste.
Die äusseren Haare dieser Bürste sind einfach, die hinteren, welche
sich unmittelbar auf
den Mund legen, sehen
wie lange Federchen
aus, die kurze, spitze
Bärteichen tragen. Auf
der unteren Fläche des
Endgliedes bemerkt
mau ein ziemlich an-
sehnliches , von Haaren
entblösstes Feld, wel-
ches ein fein getüpfeltes
Ansehen hat. Der Vor-
derrand dieses Feldes
ist scharf schneidend
und mit einer dicht ge-
drängten Reihe höchst
feiner Chitinzähnchen
besetzt, die ihrer Win-
zigkeit wegen auf un-
serer Zeichnung (Fig.
92) nicht dargestellt
werden konnten.
Hinter dem Basal-
gliede der Kiefer, aber
durchaus unabhängig
von demselben , treten
die Taster (e) hervor,
welche bei beiden Ge-
schlechtern sehr ver-
schieden gestaltet sind.
Die Taster des Weib-
chens (Fig. 92) sind
cylindrisch, lang, aus
sechs Gliedern zusam-
mengesetzt. Ihr ver-
längertes, gleichförmig
zulaufendes und mit
dicken Haaren besetztes
Endglied trägt an der
Spitze eine kleine Kralle,
Kpiflra diudenia. — Junges Weilxhen, von der Bauch-
fläche aus gesehen. Kalipräparat. Gundlach, Oc. 1,
Obj. 00. Camera dura. I bis IV, die vier Beinpaare,
abgeschnitten ; a, Rand des Cephalothorax ; J, Hinter-
leib ; c, Basalglied des Chelicers ; c', der Gifthaken ;
d, Kiefer; e, Taster;/, Unterlippe; (/, Brustschild des
Cephalothorax ; /?, Vorderlippe oder Schnabel ; /, Seiten-
augen; h, Mundkegel; /, Lunge; «i , äussere Ge-
schlechtstheile ; w, vordere Spinn^varzen ; o, hintere
Spinnwarzen ; p, Afterwai'ze ; 5, Schlundrinne ; r, Saug-
magen ; s, Stachel des Afterfeldes ; <, rudimentäres
Cribellum ; h, mittlere Spinnwavzen.
198 Arthropoden.
welche durch ihre Besetzung mit Nebenzinken den an den Enden der
Füsse befindlichen Kämmen sehr ähnlich ist. Die Zahl und relative
Grösse der einzelnen Glieder, sowie der Kamm an der Spitze dürften
wohl darauf hinweisen , dass der Taster der weiblichen Kreuzspinnen
nur ein sehr wenig modificirtes Gangbein und kein secundärer Anhang
der Kiefer ist. Die Weibchen tragen den Taster wagerecht nach vorn
gerichtet. — Der Taster des Männchens ist sehr verschieden gestaltet.
Sein stark behaartes und meist sehr dunkel gefärbtes Endglied ist
kolbenartig verdickt. Bei den jungen Männchen (Eig. 91) sieht man
nur einen einfachen Endkopf von ziemlicher Dicke, aber bei den ge-
schlechtsreifen Männchen zeigt dieser Knopf eine sehr verwickelte
Organisation, von welcher wir bei Gelegenheit der Geschlechtsorgane
handeln werden. Die Männchen tragen die Taster meist nach unten,
gegen den Mund hin, eingeschlagen.
Man muss die Kiefer stark zur Seite biegen , um ein zwischen
ihnen verborgenes Mittelstück, die Vorderlippe oder den Schnabel
(i, Eig. 92) zur Anschauung zu bringen, das den Mund von vorn her
deckt. Es ist eine fleischige, vorspringende Stummelwarze, die bei der
Ansicht von unten die Gestalt eines Dreiecks zeigt. Die hintere Fläche
des Schnabels, welche den aufsteigenden Schlundkopf begrenzt, ist mit
einer starken Chitinlamelle belegt ; die anderen Flächen zeigen ein
dünnes, weiches Tegument. Der Schnabel schliesst Muskeln und eine
besondere Drüse ein.
Die quere Mundspalte wird von unten her durch eine dünne, drei-
eckige Chitinlaraelle geschlossen , deren nach vorn gerichtete Spitze
fester ist und deren Basis auf dem Brustschilde eingelenkt ist. Diese
Unterlippe (/') erfüllt den leeren Baum zwischen den Enden der
Kiefer; sie trägt auf ihrer Vorderfläche, welche die Hinterwand des
Pharynx bildet, besondere Chitinbildungen, auf die wir bei Gelegenheit
der Verdauungswerkzeuge zurückkommen werden.
Das stark behaarte B r u s t s c h i 1 d (g) hat etwa die Form eines
Wappenschildes, es bedeckt die Bauchfläche des Cephalothorax
zwischen der Unterlippe, den Hüften der Beine und dem Bauchstiele.
Es zeigt seitliche, den Basalgliedern der Beine entsprechende Aus-
schnitte, und da diese von vorn nach hinten der Mittellinie näher
treten, ist es vorn breiter und läuft nach hinten in eine mit einigen
Zähnchen besetzte Spitze aus, welche das Gelenk des Hinterleibes
trägt.
Die vier symmetrischen Beinpaare (Ibis IV) zeigen eine durch-
weg übereinstimmende Bildung und unterscheiden sich nur durch ihre
relative Länge und Dicke. Das dritte Paar ist kürzer und dünner als
alle übrigen. Jedes Bein trägt an seinem distalen Ende zwei kamm-
förmige Seitenklauen , die auf ihrem schneidenden , eingeschweiften
Rande eine Reihe von Zinken zeigen , deren Länge von aussen nach
Arachniden. 199
innen abnimmt. Zwischen den Wurzeln dieser seitlichen Kämme erhebt
sich eine etwas weiter nach hinten eingelenkte, hakenförmige Klaue,
welche nur eine Zinke an ihrer Basis trägt. Diese Endklauen sind von
einem Büschel starker Stachelhaare umgeben, unter welchen sich be-
sonders zwei S-förmig gekrümmte, mit feinen Zähnchen besetzte Dornen
bemerklich machen, welche man als Hülfskämme bezeichnet hat.
Der kugel- oder eiförmige Hinterleib ist mittelst eines dünnen
Stieles mit dem Cephalothorax verbunden, zeigt ein sehr weiches, aus-
dehnbares , einförmiges Tegument , das indessen der Einwirkung von
Aetzkali widersteht. Auf seiner Bauchfläche sieht man, nahe an dem
Verbindungsstiele in der Mittellinie die Geschlechtsöffn ung (w), die
bei beiden Geschlechtern verschieden gestaltet ist und in dem betreffen-
den Capitel behandelt werden soll.
In der Verlängerung der queren Geschlechtsspalte sieht man zu
beiden Seiten einen grossen , etwas schief gerichteten Schlitz , welcher
in den betreffenden Lungensack (/) führt.
Endlich gewahrt man, am hinteren Ende etwas ventral gelegen,
eine bedeutende Bildung, das Afterfeld, welches von den Spinn-
warzen (n,o,ii) und dem A f ter deckel (j:>) eingenommen wird. Die
sechs Spinnwarzen stellen verlängerte, mit den abgerundeten Spitzen
nach innen gebogene Hügel dar, hinter welchen sich die Afteröffnung
befindet, die von einer complicirt gebauten, mit dichten, kurzen Haaren
besetzten Warze überragt wird, welche sich wie ein Klappdeckel dar-
über schlagen kann.
Präparation. — Um die makroskopische Untersuchung vor-
zunehmen, öffnet man den Hinterleib der frisch getödteten Spinnen unter
Wasser mittelst eines seitlichen Eiuschnittes und löst allmählich mit einer
feinen Scheere das Tegument der Rückenfläche ab, indem man Sorge
trägt, das einigermaassen in die Lebermasse eingesenkte, in der Mittel-
linie gelegene Herz nicht zu verletzen. Man schlägt die Haut zurück
und geht gegen den Cephalothorax vor, dessen Rückenschild man am
besten mit einem scharfen Rasirmesser so abträgt, dass die Augen
erhalten bleiben. Nachdem man so das ganze Tegument des Rückens
entfernt hat, sucht man mittelst feiner Nadeln und Pinsel unter der
Lupe die Organe zu entwirren; was besonders im Hinterleibe äusserst
schwierig ist. In Weingeist aufbewahrte Exemplare eignen sich durch-
aus nicht zu solchen Untersuchungen; man muss sie während etwa
24 Stunden in Wasser erweichen , dem man einige Tropfen Salmiak-
geist zugefügt hat. Ohne diese vorgängige Behandlung ist es unmög-
lich, die durch den Weingeist zusammengeklebten und brüchig gewor-
denen Organe zu entfalten. Für das Studium der chitinösen Bildungen
können wir nicht genug die Behandlung mittelst einer concentrir-
ten Lösung von Aetzkali in der Wärme empfehlen. Immerhin muss
man bei Behandlung ganzer Thiere einen oder mehrere seitliche Ein-
200 Arthropoden.
schnitte am Hinterleibe machen, um das Eindringen des Aetzkalis und
das Austreten der in einen Brei zersetzten organischen Stoffe zu erleich-
tern. Man setzt diese Behandlung unter Erneuerung des Lösungsmittels
so lange fort, bis sich die Flüssigkeit nicht mehr braun färbt. Dann
wäscht man sorgfältig mit destillirtem Wasser aus und bewahrt die
Präparate in Glycerin. — Die Schnittmethode mit vorgängiger oder
nachträglicher Färbung stöt^st hier auf dieselben Hindernisse wie bei
den übrigen Arthropoden; jede Operation bedarf langer Zeit. Färbung
mit Boraxcarmin lieferte uns die besten Kesultate. Bei Gelegenheit der
Kreislaufsorgane werden wir die Injectionsmethoden besprechen.
Allgemeine Lagerung der Organe. — Nach Wegnahme des
Teguments sieht man in dem Cephalothorax nur ein Gewirre von
Muskelbündeln , die sich zum Theil an innere Sehnenplatten ansetzen
und sich nach allen Richtungen hin kreuzen. In den Zwischenräumen
der Muskeln sieht man die Enden der Giftdrüsen, Bliudsäcke des
Darmes, begleitet von Blutgefässen. Die Muskelbündel, welche sich
zu den verschiedenen gegliederten Anhängen, zum Vorderdarme u. s. w.
begeben , müssen sorgfältig getrennt und entfernt werden , um das
Centralnervensystem zur Anschauung zu bringen, das aber so mit den
Nebendärmen des Magens und den Gefässen verfilzt ist, dass man
keines dieser Systeme isoliren kann, ohne die anderen Organe zu ver-
letzen oder zu zerstören. Gleiche Schwierigkeiten findet man bei der
Untersuchung der Abdominalorgane. Die Leber bedeckt die ganze
Rückenfläche und ihre äusserst zarten Läppchen dringen in alle
Zwischenräume der anderen Organe ein. Nachdem man die stets
braune Leber so gut als möglich entfernt hat, sieht man auf dem
Grunde der Bauchhöhle die Geschlechtsorgane, den darüber verlaufenden
Darm mit dem Rectum , die Spinndrüseu mehr nach hinten und ganz
in der Tiefe, unmittelbar an der Haut anliegend, die Lungensäcke.
Das Studium der Circulationsapparate erheischt eine besondere Prä-
paration.
Um zu einem besseren Verständniss der Lagerung und des Inein-
andergreifens der Organe zu gelangen, wird man sich mit Vortheil an
Sagittal- und Querschnitte wenden, deren Resultate mau combiniren
kann. So sieht man auf einem sagittalen, der Medianlinie sehr ge-
näherten Schnitte des Cephalothorax (Fig. 93) die fast in dem Mittel-
jaunkte gelegene MundöfFnung (d), die vorn von dem Schnabel (/;),
hinten von der Unterlipjje (/) begrenzt wird und in einen vertical
stehenden Schluudkopf führt, welcher sich plötzlich in rechtem Winkel
nach hinten umbiegt und in den Schlund (<:?'), den Saugmagen (r/) und
den Vorderdarm ([/) fortsetzt, die fast horizontal nach hinten verlaufen.
Einer der grossen Rückeublinddärme des Magens (/) ist angeschnitten
und an der Unterseite sieht man die Durchschnitte der in die Beine
sich erstreckenden Blinddärme (w) , welche von den zu den Beinen
Arachniden.
201
gehenden Nerven (h') und Gefässen (r) begleitet werden, lieber diesen
Blinddärmen breitet sich die unter dem Schlünde gelegene Masse des
Centralnervensystemes (b) aus, welche sich nach hinten in den von
seiner Arterie (s) begleiteten xlbdominalnerven (&-) fortsetzt. Die
Arterie entspringt von einem schlingenförmig zurückgebogenen Aste
der Aorta (o) und von dem Gipfel desselben Bogenastes entspringt die
Kopfaorta (|j) , welche zu allen weiter nach vorn gelegenen Organen
und Gliedern Zweige entsendet. Zwischen dem grossen Rückenblindsack
Fig. 93.
Epeira cUudeina. — Sagittalschtiitt des Cephalothorax , fast genau in der MrttelHnie.
Gundlach, Oc. 1, Obj. 00. Camera dura. «, das Hirn (Oberschlundmasse), an der
Basis vom Schlünde durchbohrt; b, Uuterschlundmasse, mit den seitlich abgehenden
Beinnerven b^ und den Bauchnerven b^ nach hinten ; c, Chelicer der Länge nach
durchschnitten, so dass man die inneren Muskeln und das Chitinblatt sieht, au welches
sie sich ansetzen ; c^^ die von spiraligen Muskelfasern umsponnene Giftdrüse ; c, die
Knickung des Giftcanales beim Eintritt in das Chelicer ; c^, Fortsetzung des Giftcanales ;
rf, der Mund; rZ\ der Schlund; d^, Saugmagen; e, an den Schnabel li angelehnte vor-
dere Chitinlamelle des Pharynx;/, Unterlippe; jr, Fortsetzung des Darmes vom Saug-
magen nach hinten; //, Schnabel; /<■'■, Muskeln; A^, Drüse des Schnabels; /, vorderes
Mittelauge ; k. hinteres Mittelauge mit ihren Nerven, die sich bis zum Hirne verfolgen
lassen; l, grosser rückenständiger Blinddarm; w, untere, in die Beine gehende Blind-
därme ; m, Kopfaorta ; o, Aortenbogen ; p, vordere Kopfaorta , die das Hirn und alle
vorliegenden Theile versorgt; q, rückläufiger Ast des Aortenbogens, welcher Zweige
an die Unterschlundmasse und r, an die Beine giebt; s, rückläufige Arterie ; t, oberer
Schlundrauskel.
und dem Schlünde sieht man die Oberschlundmasse des Centralnerven-
systemes, das Gehirn (a) , von welchem die beiden getroffenen Nerven
entspringen , die sich zu den mittleren Augen (?, li) begeben. Im
202
Arthropoden.
Schnabel sieht man, ausser den durchschnittenen Quermuskeln (h^) die
Schnabeldrüse (/i^) und in dem weiter vorn gelegenen Chelicer (c) den
Ausführungsgang (c^) der Giftdrüse, welche sich in der vorderen
Rückengegend des Cephalothorax ausbreitet.
Ein durch die Hüften des zweiten Beinpaares gelegter Querschnitt
(Fig. 94) zeigt zwischen den verschiedenen Muskelbündeln die Lumina
der Giftdrüsen (w), zweier Paare rückenständiger Magenblindsäcke
(l, l^), auf der Bauchseite diejenigen eines seitlichen Paares (ni) und
eines mittleren unpaaren Blindsackes (»»'), sowie der in die Beine sich
erstreckenden Blindsäcke (m^, m^). Im Mittelpunkte des Schnittes,
etwas mehr nach der Ventralseite, sieht man die centrale Nervenmasse,
welche der durch seine dicken Chitinwände ausgezeichnete Schlund
Fig. 94.
^ jp l
0' a- m'd' cL'm. b t t
Epeh-a diadema. — Durch die Unterschlundmasse gelegter Querschnitt des Cephalo-
thorax. Vergrösserung wie die vorherige Figur , deren Bezeichnungen man so
viel als möglich beibehalten hat. a, Hirn ; a^, seine obere Zellenschicht ; b, Unter-
schlundmasse , mit ihren Ausdehnungen nach beiden Seiten gegen die Beine hin ;
b^, ihre untere Belegschicht von Ganglienzellen : d^, Durchschnitt des die Nerven-
masse durchbohrenden Schlundes ; /, Durchschnitt der grossen dorsalen Blindsäcke ;
l'^, dorso-laterale Blindsäcke ; m, ventrale seitliche Blindsäcke ; m^, mittlerer ventraler
Blindsack ; m^, Blindsäcke in den Beinen ; m^, zurückgebogenes Ende eines Bein-
Blindsackes ; t , Muskeln ; i(, , Tegument des Rückens ; v , Tegument der Beine ;
IV, Durchschnitte der Giftsäcke.
durchsetzt ((U). Man unterscheidet sehr gut die von Ganglienzellen
gebildete Rindenschicht der Oberschlundmasse (a^) , sowie diejenige,
welche die Unterfläche (h^) der Unterschlundmasse überzieht und sich
seitlich auf die Wurzeln der Fussnerven (b) fortsetzt.
Arachniden.
203
■Fio-. 95.
Der sehr kurze und enge Bauchstiel, welcher Cephalothorax
und Abdomen verbindet, enthält die Fortsetzung der Aorta zu dem
im Bauche gelegenen Herzen, die Darmröhre, die beiden Bauchnerven
und Muskeln mit einer Sehnenplatte, wovon bei dem Muskelsysteme
die Rede sein wird.
Wie schon bemerkt, wird die Untersuchung der Ab dorn inal-
organe sehr durch die Leber erschwert, deren Läppchen alle anderen
Organe umhüllen und selbst in die Lücken zwischen denselben auf der
Bauchfläche sich eindrängen. Nach Entfernung des Tegumentes sieht
man nur die braunen Leberläppchen, die an den Stellen, welche den
äusseren Zeichnungen entsprechen, mit einer weissen , aus stark licht-
brechenden, glänzenden Körperchen zusammengesetzten Substanz be-
deckt sind. Nachdem man mit-
telst des Pinsels und behutsam
geleiteter Bespritzungen mit
einer Kautschukpipette die obe-
ren Leberläppclien entfernt hat,
sieht man in der Mittellinie das
der Wölbung des Abdomens ent-
sprechend gekrümmte Herz mit
den seitlich und nach hinten
davon abgehenden Gefässen. Man
schneidet das Herz an dem
Bauchstiele ab und entfernt es
durch leichten Zug mit der Pin-
cette, wobei meistens die Leber-
läppchen zwischen ihm und dem
Darme mitgehen. Man reinigt
in der angegebenen Weise die
Umgebung des ebenfalls bogen-
förmig gekrümmten Darmes und
sieht dann die Organe in der
Lage, wie sie unsere Figur 95
wiedergiebt. In der Mittellinie
verläuft der gelbliche Darm e und
endet mit einer oft durch spin-
delförmige , braune Kothballen
sehr ausgedehnten Cloake (/).
Zu beiden Seiten zeigen sich
die Malpighi'schen Gefässe, deren inneres, längeres Paar (c) fast
bis zum Bauchstiele reicht. Diese Theile ruhen auf dem Eier-
stocke (/) , der zur Fortpflanzungszeit eine enorme Grösse erreicht.
Man muss den Darm mit dem Eierstocke oder den Hoden weg-
nehmen, um die Lagerung der Spinndrüsen und der unteren Bauch-
Epeiru dlademu. — Rückenansicht der Unter-
leibsorgane. Das Herz mit den es einhül-
lenden Leberläppchen ist weggenommen, um
den Dai-m und die umgebenden Theile bloss
zu legen. Zeichnung unter der Lupe mit
Camera clara. a, Tegument; b, ä, Leber,
die anderen Organe umhüllend; c, inneres
Paar der M a 1 p i g h i ' sehen Röhren ; g,
äusseres Paar ; d, cylindische Spinndrüsen ;
e, Darm ; /, Eierstock ; /, Cloake.
204
Arthropoden.
muskeln zu untersuchen. Zuweilen sieht man einige Schlingen der
grossen cylindrischen Spinndrüsen (ä) unter dem Eierstocke hervor-
ragen. Um die Anschauung der Lagerung der Bauchorgane zu
vervollständigen, gehen wir einen medianen Sagittalschnitt des Baxiches
(Fig. 96), auf dem man alle erwähnten Theile und ausserdem noch
unter einem von den Längsmuskeln gehildeten Dache die verschiedenen
Arten von Spinndrüsen sieht, welche zwischen Leberläppchen ein-
gebettet sind, die sich auf die Bauchseite erstrecken. Man sieht auch
vorn an diesem Durchschnitte den vor der Geschlechtsspalte an-
./:-
/'^'
Epeira diadema. — Medianer Sagittalschnitt des Hinterleibes. Lupe und Camera clara.
u, AfteröfFnuDg ; h, Spinnwarzen; c, birntormige Spinndrüsen; d, Muskelbündel zu
den Spinnwarzen; e, Durchschnitte cylindrischer Spinndrüsen;/, untere Leberlappen;
f^, obere ; /^, mittlere Lebcrlappen zwischen Herz und Eierstock; g, unterer Längs-
muskel des Bauches ; h, Genitalspalte ; i, Samenbeliälter ; h, Spitze des Bauchstieles ;
/, Darm ; /^, Cloake ; in, in den Bauchstiel eintretende Aorta ; m^, Vordertheil des
Herzens, den der Schnitt nur gestreift und die Kreismuskeln blossgelegt hat; m^j
Seitenspalten des Herzens ; iir^, hintere Aorta ; w, Pericardialhöhle ; o, Eierstock.
gebrachten Samenbehälter (/). Zu beiden Seiten dieser Spalte befinden
sich die abgeplatteten Lungensäcke, die mit grossen Querspalten nach
aussen münden.
Tegument. — Die Haut der Kreuzspinnen besteht, wie bei
allen übrigen Arthropoden, aus drei Schichten : einer äusseren Chitin-
schicht oder Cuticula, einer tieferen Chitinschicht und einer Hypo-
dermis. Die Cuticula ist gelblich , färbt sich nicht und besteht an
einzelnen Orten aus zwei Lagern, deren sehr dünnes und äusserstes
Erhöhungen auf der Oberfläche bildet. Auf den Kiefern, den Palpen,
Aracliiiiden. 205
den Beinen, der Rückfläche des Cephalothorax und des Abdomens
bilden diese Erhöhungen ziemlich regelmässige Rhomben; auf dem
Brustschilde parallele, geschwungene Linien. Die Cuticula ist auf der
Rückenfläche des Cephalothorax, den Cheliceren und den Beinen sehr
verdickt, dagegen äusserst zart an den Gelenken. An der Basis der
Haare bildet sie hohle Schüsselchen , in welchen die etwas verdickte
Basis eingelenkt ist. Die untere Hälfte eines solchen Schüsselchens
ruht auf einem Ringe, durch dessen Oeffnung die feinkörnige Substanz,
welche den Centralcanal des Haares oder Stachels erfüllt, mit der Hypo-
dermis communicirt. Zuweilen haben wir ein feines Fädchen gesehen,
welches sich weiter nach unten fortsetzt und das wir für ein Nerven-
fädchen halten, obgleich wir seinen weiteren Verlauf nicht verfolgen
konnten.
Die innere Chitinschicht färbt sich, freilich nur wenig, durch
Boraxcarmin oder Cochenille. Auf Schnitten sieht man in ihrer Masse
feine Parallelstreifen, die auf eine Zusammensetzung aus dünnen La-
mellen hinweisen. Unter dem Einsätze eines Haares wird die Schicht
von einem senkrechten Canale durchbohrt; man sieht auch, wenn auch
selten, unabhängige Canälchen im Zickzack.
Die chitinogene Hypodermisschicht lässt sich bei Epeira leicht
nachweisen, zeigt aber sehr verschiedenen Aufbau. An manchen Stellen
sieht man nur Züge von zerstreuten Kernen; an anderen Orten werden
die Zellen deutlicher, verlängern sich und stehen wie Palissaden neben
einander; in anderen Fällen endlich erreichen sie, wie wir sehen werden,
eine bedeutende Grösse und nehmen drüsenartige Formen an. An
den Ansatzstellen der Muskeln gehen von der Hypodermis feine Mem-
branen ab, die zwischen die Muskelfasern eindringen und sie scheiden-
artig umgeben.
Die Haare und Stacheln, welche dem Teguuiente aufsitzen, unter-
scheiden sich wesentlich nur durch ihre Grösse. Haare finden sich
besonders am Bauche, dem Cephalothorax und den Beinen; Stacheln
mit streifigem Ansehen an den Beingelenken. Auf den verschiedenen
Mundanhängen trifft man gefiederte Haare und auf dem Brustschilde,
sowie namentlich auf den Palpen welche mit sehr feinen, rauhen Vor-
sprüngen, die ohne Ordnung vertheilt sind.
Die Haare, ganz besonders aber die steifen Stacheln, brechen oder
reissen leicht von ihren Einlenkungen ab. Man sieht dann, namentlich
auf den Beinen , die erwähnten Schüsselchen und Ringe der Cuticula
leer stehen. oder zuweilen auch ein feines, kurzes, sich regenerirendes
Haar in der Gelenkgrube, aber gewöhnlich in excentrischer Lage.
Dahl (siehe Literatur) hat diese Bildungen als Hörorgane an-
gesprochen.
Wenn man hier Dahl widersprechen muss, so kann man dagegen
sich leicht von der Richtigkeit eines anderen Fundes desselben For-
206 Arthropoden.
Sehers überzeugen, nämlich von der Existenz feiner Spalten, die sich
in der Nähe aller Beiugelenke und auch auf den Cheliceren, nicht aber
auf den Palpen finden. Diese etwas S-förmig geschwungenen Spalten,
die zuweilen in der Mitte eine punktförmige Erweiterung zeigen,
stehen in Gruppen bis zu einem Dutzend etwa vereinigt auf der
Rückenfläche der Beine auf kleinen schildförmigen, schwach begrenzten
Feldchen und zeigen sehr verschiedene Richtungen, schiefe, quere,
meist aber der Axe der Beine parallele Längsrichtung. Sie durchsetzen
die Chitinschichten, wie man sich auf Schnitten überzeugen kann und
sind von dem Blutgefässe der Beine nur durch die in der Gegend der
Gelenke äusserst dünne Hypodermis getrennt. Sind sie vielleicht
Hülfsorgane der Athmung, durch welche hindurch ein Austausch der
in dem Blutgefässe enthaltenen Gase mit der Luft stattfinden kann?
Muskelsystem. — Die Präparation der stets quer gestreiften
Muskeln der Kreuzspinne lässt sich unter der Lupe durchführen. Man
lässt ein grosses Exemplar einige Zeit in absolutem Weingeist und
entfernt dann mit einem feinen Scalpel das Tegument des Rückens,
indem man die Schneide hart an der Innenfläche des Tegumentes hin-
führt und so die Muskelansätze durchschneidet. Führt man die Ope-
ration gut durch , so zeigen sich die durch den Weingeist etwas
erhärteten Muskeln in unveränderter Lage. Man gewahrt dann sofort,
dass viele unter ihnen sich an eine breite, horizontal unter dem Saug-
magen und dem Darme gelegene Sehnenplatte anheften {g, Fig. 93),
die bei der Ansicht von oben die Gestalt eines Schildes mit rückwärts
gerichteter Spitze hat. Von den seitlichen und vorderen Rändern der
Platte strahlen Sehnenbündel aus, welche sich in die Sehnen der Muskel-
bündel fortsetzen. Die Platte selbst ist nur durch die Verschmelzung
dieser Sehnenbündel gebildet und hat durchaus keine Beziehung zu dem
Tegumente, kann also auch nicht dem inneren Skelette des Krebses z. B.
verglichen werden. Nur im hintersten Theile des Cephalothorax findet
sich eine Umkrempung des Randes der Tegumente, an welche sich die
Längsmuskeln festsetzen und welche einen Theil der Aorta überdeckt.
Dagegen steht die grosse Platte des Cephalothorax durch einige kurze
und steife Fasern mit einer kleinen Sehnenplatte in Verbindung, die
auf der Rückenseite des Bauchstieles liegt und hier die Aorta über-
dacht. Dl dem Zwischenräume zwischen ihr und dem Tegumente setzen
sich Längsmuskeln fest.
Die Hauptmuskeln des Cephalothorax und seiner Anhänge sind
die folgenden:
Die Muskeln der Cheliceren (f, Fig. 93) bilden eine dicke, das
Basalglied fast gänzlich erfüllende Masse; man unterscheidet darin
sechs mehr oder minder deutlich getrennte Bündel, die am Tegumente
entspringen und sich an einer im Inneren des Gliedes angebrachten
Sehnenplatte schief ansetzen. — Die Muskeln des Schnabels sind nur
Arachniden. 207
klein; die einen laufen horizontal, die anderen in schiefer Richtung; die
einen sollen, nach Einiger Meinung, die Drüse zusammenpressen, um
ihren Inhalt zu entleeren, während die anderen ihre OefFnung schliessen
sollen. — Die Kiefermuskeln, die auf Schnitten sehr gut sich sehen
lassen, entfernen oder nähern die Kiefer; die letzteren setzen sich an
die grosse Sehnenplatte an.
Pharynxmuskeln. — Auf Sagittalschnitten (Fig. 93) tritt eine
grosse, dreieckige Muskelraasse stark hervor, die sich an den oberen Theil
des Pharynx inserirt und den Pharynx erweitert. Die Bündel heften
sich sowohl an der vorderen, als an der hinteren Chitinplatte des Pha-
rynx an. Hinter dieser Platte sieht man auf Längsschnitten einen
langen Muskelstreifen, den Rückzieher der Unterlippe (h , Fig. 93),
der sich vom Vorderende des Schlundes bis zur Spitze der Lippe er-
streckt.
Wir werden die den besonderen inneren Organen eigenen Mus-
keln bei diesen erwähnen. Einige derselben , wie z. B. die des Saug-
magens, sind sehr bedeutend.
Das Muskelsystem des Bauches beginnt im Bauchstiele , wo wir
parallel mit dem Darme zwei bedeutende Längsbündel finden, welche
sich vorn an die grosse Sehnenplatte des Cephalothorax heften und
nach hinten mit dem vorderen Rückenmuskel des Abdomens ver-
schmelzen. Dünnere Bündel vexdaufen auf der Bauchseite und ver-
schmelzen dort mit den ventralen Längsmuskeln des Hinterleibes
(g, Fig. 96).
Ln Hinterleibe finden sich drei Muskelsehnen , die aus der Ver-
schmelzung der vorderen Enden der verschiedenen Muskeln hervorgehen.
Sie liegen hinter einander in der Mittellinie, die beiden vorderen in der
Nähe des Bauchstieles, die hinteren in der Gegend der Spinnwarzen.
Sie spielen den Muskeln gegenüber etwa die gleiche Rolle, wie die
Sehnenlamelle im Cephalothorax , zeigen aber eine verschiedene Struc-
tur. Folgende Hauptmuskeln setzen sich an diese Sehnenbänder an.
Ein Muskel an der Vorderwand , der sich über den Bauchstiel
hinüberschlägt. Er hat eine schiefe Richtung, ist kurz und dick und
hebt wohl den Bauch im Ganzen in die Höhe. — Ein sehr langer,
dünner Muskel mit welligem Verlaufe erstreckt sich von seinem vor-
deren Ansatzpunkte an der dorsalen Wand des Bauchstieles schief
nach hinten und heftet sich etwa am Ende des ersten Drittels des
Bauches an das dorsale Tegument desselben an. — Ein anderer Muskel,
sehr breit aber dünn, umgiebt das Ende des Bauchstieles; er heftet
sich ventral- und dorsal wärts in der Mittellinie an die Tegumente. —
Ein kurzer, schiefer Muskel geht vom Bauchstiele zu der vorderen
Lippe der Geschlechtsspalte. — Der vom Cephalothoi'ax her den
Bauchstiel durchsetzende Längsmuskel inserirt sich an der vorderen
Sehne, von welcher noch drei Muskelstreifen ausgehen, die schief
208 Arthropoden.
gegen die Bauchfläcbe verlaufen ; der vordere dickere verläuft gegen
die Lungen, die beiden anderen zu der Genitalspalte,
Mit der mittleren Sehne steht die vordere durch verhältnissmässig
kleine und kurze Muskeln in Verbindung, die häufig verschmelzen.
Sodann entstehen von ihr dorsale, longitudinale und ventrale Muskeln.
Die ersteren sind sehr dick, cylindrisch, haben ein sehniges Aussehen
und inseriren sich unmittelbar an das dorsale Tegument. An den In-
sertionsstellen erscheint die Chitinhaut verändert; sie bilden haarlose
Flecken , die aus sehr kleinen Maschen gebildet scheinen und ein ge-
körntes Aussehen haben. Frühere Beobachter hielten diese Flecken
für Stigmen. Man sieht zwei solcher Stellen symmetrisch zu beiden
Seiten der dorsalen Mittellinie.
Die von der mittleren Sehne ausgehenden Längsmuskeln treten
bei der Präparation des Bauches sofort hervor; sie verlaufen als dicke
Längsbündel längs der ventralen Mittellinie bis zu den Spinnwarzen,
in welche sie ausstrahlen. — Die ventralen Muskeln , fünf bis sechs
an der Zahl , verlaufen schief von vorn nach hinten und setzen sich
direct an die Tegumente an; sie heben die Bauchspitze und üben so
einen Druck auf die Spinnwarzen aus , der wohl die Austreibung der
Seide befördert.
Die hintere Sehne liegt im Bereiche der Längsmuskeln ; zwei dorso-
ventrale Muskeln' setzen sich an sie an , welche ähnliche Ansatzstellen
an der Chitinhaut zeigen, wie die vorderen Muskeln.
Beinmuskeln. — In das Hüftglied eines jeden Beines treten
sehnige P]nden von Muskeln ein, die entweder an dem Rückentegumente
des Cephalothorax oder an der inneren Sehnenplatte desselben ihren
Ursprung nehmen. Die ersteren sind sehr mächtig und treten be-
sonders auf Querschnitten hervor. Sie haben die Form von Dreiecken,
deren verlängerte Spitzen sich an der Basis des ersten Fussgliedes
festsetzen. Jedes Bein hat zwei solcher Muskeln. Ebenso viel, aber
weit schmächtigere Muskeln gehen von der Sehnenplatte aus. Diese
Muskeln sind jedenfalls Heber und Senker der Beine. Ausserdem be-
sitzt jedes Glied der Füsse seine Beuge- und Streckmuskeln in Gestalt
langer und feiner Bündel, die von dem distalen Ende des vorher-
gehenden Segmentes auslaufen.
Die Musculatur der Taster des Weibchens verhält sich ganz wie
diejenige der Füsse. Die zu Begattungsorganen umgewandelten männ-
lichen Taster zeigen aber bedeutende Abweichungen. In der That
findet man in dem terminalen Apparat dieser Taster eine bedeutende
Anzahl kleiner Muskeln, welche den Apparat im Gange heben und
senken , die Löffel bew^egen oder als breites Band den Samenbehälter
umgeben und dessen Entleerung befördern. Wir können dieselben
nicht im Einzelnen behandeln.
Die histologische Structur der Muskeln lässt sich verhältnissmässig ^
Arachniden. 209
leicht auf Schnitten untersuchen, da sich diese gut färben. Die
Bündel bestehen aus einzelnen Fasern, welche durch sehr feine und
durchsichtige Scheiden von einander getrennt sind. Die in diesem Sar-
colemma regellos zerstreuten Kerne findet man vorzugsweise da, wo
sich die Scheiden berühren. Die Querstreifen der Fäserchen selbst
treten stets deutlich hervor; die dunklen Zonen sind etwas breiter als
die hellen , in deren Innerem man noch eine unter starken Vergrösse-
rungen erkennbare Schattenlinie sieht. Auf Querschnitten sieht man
im Inneren der durch das Sarcolemma getrennten Fasern einen mit
feinkörniger Substanz erfüllten Raum , von welchem aus sehr feine
und dicht gedrängte Streifen gegen die Peripherie der Faser hin aus-
strahlen.
Nervensystem (Fig. 93, 94, 97, 98). — Das Centralnerven-
system ist vollständig im hinteren Theile des Cephalothorax und wesent-
lich auf der ventralen Seite desselben concentrirt (Fig. 93, a, h). Es
besteht eigentlich nur aus einer ziemlich abgeplatteten Masse; da diese
aber von dem Schlünde in der Richtung von vorn nach hinten durch-
bohrt wird, so kann man daran einen kleinen dorsalen Theil, das Ober-
schlundganglion oder Hirn, unterscheiden, welches sich mit zwei
Schenkeln um den Schlund herum krümmt und so mit der weit
grösseren ünterschlundmasse verbindet.
Die Oberschlund masse (a, Fig. 93, 94, 98) hat die Gestalt eines
Würfels mit horizontaler Oberfläche und etwas nach innen geneigten
Seitenflächen. Oben grenzt sie an die grossen dorsalen Magenblind-
säcke (1, Fig. 93, 94), vorn an den oberen Schlundmuskel (f, Fig. 93),
unten an den Schlund (d^, Fig. 93, 94) und hinten an den Saugmagen
(d'^, Fig. 93). Vorn zeigt sie eine schwache Einkerbung, die zwei
birnförmige Vorsprünge trennt, aus welchen oben die Augennerven und
weiter unten die Nerven der Cheliceren entspringen.
Die den Schlund auf beiden Seiten umfassenden Schenkel ent-
sprechen den Connectiven der übrigen Arthropoden; sie sind nur ver-
dickte Fortsetzungen des Hirnes nach unten und lassen keine Nerven
entspringen.
Die Unterschlundmasse (Fig. 97 a. f. S.; h, Fig. 93 und 94) hat
die Gestalt eines zwischen den aus ihr hervortretenden Nerven eingeschnit-
tenen Kuchens. Sie wird nach oben von dem Schlünde und dem Saug-
magen, nach vorn von dem Pharynx begrenzt und ruht mit ihrer
Unterfläche grossentheils auf den ventralen Magenblindsäcken, welche
sich in die Beine erstrecken. Von ihren Seitenrändern entspringen
fünf Nervenpaare; das erste, etwas dünnere Paar (n, Fig. 97) ver-
zweigt sich vorzugsweise an die Taster, aber auch an die Kiefer und
Lippen; die vier folgenden, an ihrer Wurzel zwiebelartig verdickten
Paare (1 bis 4, Fig. 97) verlaufen längs den Blindsäcken zu den Beinen.
Nach hinten verlängert sich die Masse in zwei Nerven (b, Fig. 97),
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie, II. J^.
210 Arthropoden.
welche durch den Baiichstiel hindurch in das Abdomen treten. Im
Bauchstiele legen sich diese beiden Nerven so eng an einander, dass
man nur einen Nerven zu sehen glaubt.
Das ganze System ist von einem sehr feinen, hier und. da ab-
geplattete Kerne zeigenden Nevrilemma überkleidet, das sich über die
Nervenwurzeln hinzieht und ausserdem noch Fortsätze in das Innere
der Nei'venraasse entsendet, die auf manchen Horizontalschnitten der
Masse ein Ansehen gebeo, als sei sie durch Scheidewände, welche von
den Zwischenräumen der Nervenwurzeln ausgehen , abgetheilt. Das
Nevrilemma begleitet auch die Gefässe, welche von oben nach unten
die Unterschlundmasse in der Mittellinie durchsetzen (e, Fig. 97) und in
den hinteren Theilen dieser Masse dringt es auch zwischen den Faser-
kern derselben und die aus Ganglienzellen bestehende Belegungsschicht
ein , so dass auf senkrechten,
Fig. 97. i-,
durch den Saugmagen gelegten
f, a- Querschnitten (Fig. 102) diese
Belegschichten sowohl an der
Centralmasse, wie an den von ihr
abgehenden Nervenwurzeln gänz-
lich von den Faserkernen ge-
2 trennt scheinen Qj und p^, q
und g^).
Wir finden in der Central-
— 5 nervenmasse, wie gewöhnlich,
zwei verschiedene Elemente,
Ganglienzellen und Fasern,
^-^4. welche in die peripherischen Ner-
\ l ven ausstrahlen.
\l Man kann grosse und kleine
i Ganglienzellen unterscheiden.
r. ■ T 1 TT ■ , , . , I^ie ersteren (/ Fig. 98) finden
Apetra diudema. — Honzontalschiiitt der . , i i-> • i
unteren Nervenmas.e des Cephalothorax. ^^^'^ ^^'^ ^^^ ^er BasiS der Unter-
Gundlach, ObJ. 1, Oc. 0. Camera dar a. Schlundmasse und der von ihr
a, Tasternerven; 1 bis 4, Nerven der vier ausgehenden Nervenwurzeln. Sie
Beinpaare; J, Bauchnerven ;c, äussere Beleg- Jjaben nicht überall genau die-
schieht von Gancrlienzellen , die sich auch n <-■ •■ ■ i i i
p ,. T,T 1 i- ••, . ,. , ,. selbe (jrosse, sind rund oder
aut die Nervenwurzeln huiuberzient ; c?, fase-
rige Centralmasse, die Nervenwurzeln bil- eiförmig und besitzen einen deut-
dend; e, Durchschnitte von Blutgefässen, liehen Centralen Kern. Ihr sehr
welche in der Mittellinie die Nervenmasse feinkörniger Inhalt färbt sich
senkrecht durchsetzen. j^^^,^ ^^^.^^ Boraxcarmin und
verlängert sich in Form eines
Fadens in das Innere der Nervenmasse. Wir haben stets nur einen
solchen Faden gefunden, nie mehr. — Die kleinen Zellen (e, Fig. 98)
sind sehr zahlreich, dicht zusammengedrängt und bilden eine continuir-
Arachniden.
211
liehe Belegungsschicht um die ganze Centralmasse. Sie färben sich
lebhaft durch Boraxcarmin und sind besonders mächtig an der oberen
und den Seitenflächen des Hirnes angehäuft, während sie auf der
Vorder- und Hinterfläche, sowie auf den vom Hirn ausstrahlenden
Nerven nur wenig entwickelt sind. Auf der Unterfläche der Unter-
schlundmasse und den von ihr ausstrahlenden Nervenwurzeln sind sie
wieder ungemein stark angehäuft und schliessen hier die grossen
Ganglienzellen ein, während sie auf der Dorsalfläche derselben nur
schwach entwickelt sind. Mit sehr starken Vergrösserun gen kann man
eine feine Hüllmembran unterscheiden , die ein stark gekörntes Proto-
plasma einschliesst , das sich lebhaft färbt, aber keine Fortsätze ent-
stehen lässt. Der Kern liegt central und wird oft im Yerhältuiss zur
Zelle ungemein gross.
Die Nervenfasern, welche die Kerne der beiden Massen und der
von ihnen ausgehenden Wurzeln bilden (r/, Fig. 98), sind ungemein
Fio-. 98.
cL
y
Epeira diademu. — ■ Medianer Sagittalschnitt durth die centrale Xervenmasse. Verick,
Oc. 1, Obj. 0, mit ausgezogenem Tubus, Camera dura, a, Oberschlundmasse; 5, Unter-
schlundmasse ; c, Abdominalnerv ; d, d, häutige Hülle ; e, Belegschicht von kleinen
Ganglienzellen auf den Flächen des Hirnes; e^, id. auf der ünterschlundmasse ; e^, id.
auf den Bauchnerven ; f, grosse Ganglienzellen ; 7, Züge von Längsfasern; fi, Schlund;
i, Gefäss, den Schlund begleitend.
zart und fein. Ihre Bündel, deren Verlauf wir nicht eingehender ver-
folgt haben, kreuzen sich in verschiedenen Richtungen.
Das peripherische Nervensystem lässt sich wegen der
Feinheit der Nerven nur schwer verfolgen. Meist folgen diese in
ihrem Verlaufe den Arterien.
Das erste Paar, die Sehnerven, entspringt an der Ober.
Schlundmasse aus zwei birnförmigen Anschwellungen. Die aus dem
Ganglion hervortretende Wurzel ist seitlich abgeplattet, bandartig;
14*
212 Arthropoden.
sie theilt sieb fast unmittelbar in vier Nerven, von welcbeu die zu den
seitlicben Augen gehenden bedeutend kleiner sind als die zu den Mittel-
augen. Diese letzteren nähern sich so sehr der Mittellinie, dass wir
sie auf dem Sagittalschnitt Fig. 93 darstellen konnten. Die beiden
Nerven schlüpfen zwischen den Bündeln der Hebemuskeln des Pharynx
und der Cheliceren hindurch unter der Giftdrüse weg nach vorn und
kreuzen sich einigermaassen auf ihrem Verlaufe, indem der für das
hintere Mittelauge bestimmte Nerv anfangs tiefer liegt als der andere,
welcher das vordere Mittelauge versorgt. Ills schien uns, als trenne
sich von dem letzteren ein feiner Zweig für den Rollmuskel des Auges
ab, doch konnten wir seinen Lauf nicht genauer bis zum Ende ver-
folgen. Beim Eintritte in das Auge breiten sich die Sehnerven etwas
aus, ohne indess Sehganglien zu bilden.
Unmittelbar unter den Sehnerven geht von denselben Vorder-
anschwellungen der Oberschlnndmasse ein zweites Nervenpaar aus, das
dem Sehnerven, etwas mehr nach innen gelegen, bis zur Basis der
Cheliceren folgt, dann aber in diese einbiegt und in die Muskeln der
Gifthaken und an die Giftdrüse selbst feine Zweige abgehen lässt. Dieser
Ursprung der Chelicerennerven stimmt mit demjenigen der Fühler-
nerven bei den Insecten überein.
Wir erwähnten schon die fünf Nervenpaare, die nach vorn und
den Seiten von der Unterschlundmasse abgehen und die Anhänge des
Cephalothorax , sowie den Magen und die übrigen Eingeweide be-
sorgen.
Die nach hinten von der Unterschlundmasse abgehenden Bauch-
nerven sind zwei ziemlich ansehnliche Stämme, die unmittelbar in
den Bauchstiel eintreten und auf ihrem Verlaufe durch denselben so
nahe an einander gedrängt sind, dass man nur einen medianen Nerven
zu sehen glaubt. Dieselben wenden sich gerade nach hinten , geben
zuerst zwei bedeutendere Aeste zu den Lungen , mehrere sehr feine
Aeste zu den übrigen Organen und lassen sich endlich mit zwei feinen,
vielfach verästelten Zweigen bis in die Nähe der Spiunwarzen ver-
folgen. Ein an dem Eintritte in den Bauch gelegenes Ganglion, wie
es Treviranus bei den Hausspinnen beobachtet hat, haben wir bei
der Kreuzspinne nicht sehen können. Die beiden Nerven nehmen
allmählich, nach Maassgabe der Verzweigung, an Mächtigkeit gegen
das Ende hin ab und liegen auf den ventralen Längsmuskeln des
Hinterleibes.
Sinnesorgane.. — Mit Bestimmtheit kennen wir bei Epeira,
wie bei allen anderen Spinnen, nur Augen und Tastorgane. Gehör-,
Geschmacks- und Geruchsorgane, deren Existenz bald behauptet, bald
bestritten wurde, sind noch immer sehr problematisch. Wir haben
S. 205 bemerkt, dass wir die Hörorgane, die Da hl beschrieb, nicht als
solche anerkennen können. Anderseits kann man nicht wohl leugnen.
Araclmiden.
213
dass die verschiedenen Fiederhaare, welche sich in so grosser Zahl
auf den die Mundöffnuug umgebenden Gebilden finden, zu Empfin-
dungen von Geruchs- und Geschmackseindrücken in Beziehung stehen.
Aber nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse ist es unmöglich,
diese Empfindungen auf bestimmte Bildungen zu localisiren. Das Tast-
gefühl wird ohne Zweifel durch die auf den Tegumenten und nament-
lich auf den Beinen und Tastern zerstreuten Haare vermittelt, zu
welchen, wie bei den Myriapoden, ein Nervenfäserchen tritt.
Die Augen (Fig. 99) stehen, wie schon bemerkt, auf dem vor-
deren Theile des Cephalothorax und können mit blossem Auge leicht
Fig. 99.
ha, c
,««'
Ljj -
--
_ h
> v,^
"--
-e
B^?
--'
-/
^,
V
/
^'^^
S , ' ■;,
'j "■
•^ ■ ;,
-.i
Epeira diadema. — Sagittalschnitt eines vorderen Jlittelaug-es. Verick, Or. 3,
Obj. 2. Camera clara. Wir haben es vorgezogen, liier einen auf gewöhnliche Weise
gemachten Schnitt darzustellen , ohne vorgängige Zerstörung des Pigmentes, welches
die Basen der Retinalen umhüllt und dadurch die Kerne derselben y sowie ihre Fort-
setzungen in die Nervenfasern unsichtbar macht, a, gewölbter, äusserer Tlieil der
Hornhaut (chitinöses Tegument); a^, Fortsetzung in das Körpertegument ; b, innerer,
blätteriger Theil der Hornhaut ; c, Hypodermisschicht (Glaskörper) ; c^, Fortsetzung
der Schicht unter das Körpertegument; c'^, Kernzone der Schicht; d, Stäbchenschicht;
e, Becher der Retinulen ; ./', Pigment; (/, Sehnerv; h, Rollmuskel des Auges; /, Binde-
gewebszellen, welche den Sehnerven und den Hintergrund des Bulbus umgelien.
erkannt werden. Der Mittellinie genähert stehen vier grössere Augen
im Quadrat und jederseits zwei kleinere näher dem Rande , die durch
214 Arthropoden.
eine Chitinleiste mit einander verbunden werden. Die histologische
Structur der Augen ist ziemlich mannigfaltig.
Das Tegument setzt sich über die Augen fort, indem es sich be-
deutend verdickt und eine ansehnliche Masse bildet, die nach aussen
sich weit weniger vorwölbt als nach innen gegen den Grund des
Bulbus hin. Auf dem ganzen Umkreise des Auges geht diese fast
birnförmige Masse ohne deutliche Grenze in das Tegument über (a^).
Sie widersteht, wie alle Chitinbildungen, der Einwirkung von Aetz-
kali, färbt sich nicht und bildet, in functioneller Hinsicht, zugleich eine
Hornhaut und eine Linse. Im hinteren Theile dieser Masse sieht
man auf Schnitten (&) concentrische Streifen als Ausdruck einer lamel-
lösen Structur, die man auch an anderen Stellen in den Verdickungen
der Chitinschieht wiederfindet.
DieHypodermisschicht (c) lässt sich leicht erkennen. Sie über-
zieht die innere Fläche der Hornhautlinse und setzt sich deutlich im
Umkreise des Bulbus in die Hypodermis des umgebenden Tegumentes
fort. Man hat diese Grenzschicht zwischen den Netzhautbildungen
und der Hornhautlinse auch den Glaskörper genannt. Die Zellen,
welche sie zusammensetzen , haben ganz dieselbe Bildung wie an
anderen Theilen des Körpers; sie sind durchsichtig, etwas gestreckt
und besitzen einen deutlichen Kern, der sich lebhaft färbt.
Da nach der Entdeckung von Grenacher die Spinnenaugen in-
sofern dimorph sind , als ihre Netzhantelemente sehr verschieden ge-
staltet sind, so müssen wir dieselben für die einzelnen Augen besonders
behandeln. Das vordere Mittelauge, dessen Durchschnitt wir in
Fig. 99 geben, zeigt dieselbe Structur wie die Seitenaugen; das hin-
tere Mittelauge ist abweichend gebaut.
Man sieht auf unserem Durchschnitte (Fig. 99) unmittelbar unter
dem Glaskörper eine äusserst fein gestreifte Schicht, die in der Mitte
des Retinabechers mächtiger als an den Rändern ist. Dies ist die
Stäbchensch i cht (f^). Nach Grenacher sind die Stäbchen der
Länge nach in der Mitte in zwei Hälften getheilt und von Verlänge-
rungen der Retinulen scheidenartig umgeben. Demnach würden einem
Stäbchen fünf, wenn nicht sechs feine Striche entsprechen. "Wir haben
die Behauptung von Grenacher nicht mit völliger Gewissheit be-
stätigen können, aber so viel ist sicher, dass der Dicke eines jeden
Netzhautelementes eine grössere Anzahl feiner Linien in der Stäbchen-
schicht entspricht.
Die Retinasch i cht (e) ist aus langen Cylinderzellen gebildet,
die von der Mitte des Bechers nach den Rändern hin bedeutend an
Länge abnehmen und fast vollständig in dunklen Pigmentscheiden
stecken, die sich nach hinten zu noch zwischen die Faserbündel des
Sehnerven erstrecken. In diesem hinteren, von Pigment völlig um-
sponnenen Theile der Zellen liegt, von einer leichten Anschwellung der
Ärachniflen. 215
Zellen umgeben, der grosse, ovale Kern. Je nach den Umständen ist
der den Stäbchen zugewendete Theil der Retinulen oft gänzlich von
Pigment entblösst.
Das vordere, mittlere Auge besitzt allein einen Rollmuskel
(/;), der aus einigen deutlich quer gestreiften Faserbündeln besteht,
die in dem Zwischenräume zwischen den beiden Mittelaugen sich am
Tegumente iuseriren und, sehr fein werdend, den Bulbus umgreifen.
Nach der Richtung des Muskels zu schliessen, rauss er das Auge um
seine Axe rollen.
Das hintere Mittelauge unterscheidet sich von dem vorderen
durch das Fehlen des Muskels und die Strnctur der empfindenden
Elemente der Retina, die im Allgemeinen dicker und kürzer sind. Die
der fein gestreiften Stäbchenschicht der anderen Augen entsprechende
Zone besteht aus den kaum etwas verschmälerten freien Enden der
Retinulen und enthält die Kerne derselben. Eine zweite der vorigen
concentrische Zone enthält die breiten und kurzen Stäbchen. Die
Grundzone der Retinulen, welche allein von Pigment umsponnen ist,
zeigt ebenfalls kurze und deutlich getrennte Elemente. Man hat die
Augen, welche diese Structur besitzen und die, wie es scheint, bei den
meisten Spinnen vorkommen, postbaciUäre, dagegen diejenigen
Augen, wo die Kerne in der Basis der Retinulen liegen, pr ab a ciliare
Augen genannt.
In ihrem hinteren Umfange sind die Augen von grossen Binde-
gewebszellen umgeben (/, Fig. 99), die bald kurze und dicke, bald lange
und sehr dünne B'ortsätze nach allen Richtungen hin aussenden, deren
Enden sich oft mit einander verbinden und eine Art Netzwerk dar-
stellen. Der Inhalt dieser Zellen ist feinkörnig.
Verdauungsapparat. — Im Ganzen besteht dieser Apparat
in erster Linie aus einer Anzahl gegliederter Anhänge, den Cheliceren
und den Kiefern , deren Gestalt und äussere Organisation wir schon
beschrieben haben, deren innere Structur und Beziehungen zur Er-
nährung aber noch zu erörtern sind. Der eigentliche Darmcanal be-
ginnt mit dem vorn durch den Schnabel, hinten durch die Unterlippe
begrenzten Munde und setzt sich durch zwei Hauptabschnitte fort, von
welchen der vordere im Cephalothorax, der hintere im Abdomen ge-
legen ist.
Die Cheliceren (Fig. 91 bis 93 j enthalten die Ausführungs-
gänge der Giftdrüsen (c^, Fig. 93). Der von einem Blutgefässe
begleitete Ausführungsgang öffnet sich an der Spitze des Hakens mit
einem engen, rundlichen Pörus, steigt durch den Haken und das Basal-
glied des Organes bis zu dessen Einlenkung empor, bildet hier einen
knieförmigen Bogen (c", Fig. 93) und erweitert sich allmählich in den
Drüsensack (c'^), der an der Rückenfläche des Cephalothorax nahe der
Mittellinie sich nach hinten ausdehnt. Die hintere Spitze des spindel-
216 Arthropoden.
förmigen Sackes liegt dem Tegumente unmittelbar an. Er ist aussen
von einer feinen Bindegewebsmembrau mit zerstreuten Zellen um-
geben, die nach innen dünne Blättchen sendet, welche die Muskel-
fasern von einander trennen und sich auf deren innerer Fläche zu
einer Stützmembrau für das Drüsenendothelium ausbreiten. Die Muskel-
schicht besteht aus Spiralfasern mit zahlreichen Kernen, die ausser der
Querstreifung noch feine Läugsstreifen zeigen und sich mit ihren
spitzen Enden so an einander legen, dass nur eine einzige Spiralfaser
den ganzen Drüsensack zu umspinnen scheint, mit Ausnahme einer
kleinen Stelle an der Kuiebiegung in den Ausführungsgang, auf welchem
man übrigens ebenfalls einige spiralige Muskelfasern findet. Die
inneren Drüsenzellen zeigen grosse Unregelmässigkeiten in Form und
Gruppirung. Meist sind sie cylindrisch, sehr lang, mit Granulationen
an ihrem Grunde, wo der Kern liegt, und hellem Inhalt gegen ihr
freies Ende. Sie stellen sich zu warzenförmigen Gruppen zusammen,
welche in das Lumen des Drüsensackes vorragen, der als Behälter für
das flüssige Gift iüngirt. Auf Durchschnitten zeigen diese Gruppen
die Form von Dreiecken, in deren Mitte oft zwei grosse und lange
Zellen stehen, an welche sich kleinere Zellen mit abnehmender Grösse
anlehnen; in anderen Fällen sieht man eine Axialzelle von kleineren
Zellen umgeben. Das Endothelium des x'^usführüngsgauges zeigt ähn-
lichen Bau.
Auf der hinteren Fläche des Basalgliedes der Chelicereu sieht man
im Tegumente zahlreiche feine Poren, welche die Chitinschicht durch-
setzen und unter welchen die Hypodermis aus homogenen Cylinder-
zellen besteht, die drüsiger Natur zu sein scheinen. Die Kiefer zeigen
ein ähnliches Porenfeld.
Kiefer {d, Fig. 91 und 92). — Wir haben gelegentlich dgr
äusseren Beschreibung (S. 196) die Gestalt dieser Anhänge, ihren Besatz
mit langen , gefiederten Haaren und auf ihrem Vorderrande einen
schmalen Kamm feiner, dicht an einander gedrängter Chitinzähnchen
beschrieben, die diesem Rande ein ähnliches Aussehen geben, wie die
Zahnsäge auf den Kiefern der Blutegel es zeigt. Die Spinnen schnei-
den wohl mit diesen Sägen die Haut der durch die Giftklauen ge-
tödteten Opfer an, um sie dann auszusaugen.
In der Umgebung dieses Zahnrandes ist der Kiefer von Haaren
entblösst und das nackte Feld erstreckt sich noch ziemlich weit nach
hinten. Es zeigt dieselbe Structur wie das nackte Feld der Cheli-
cereu; eine Unzahl von Porencanälen durchsetzt die Chitinschicht,
unterhalb welcher die Hypodermis aus langen, palissadenförmig an
einander gereihten Cylinderzellen besteht, welche nach innen in ein
feines Fädchen , wahrscheinlich ein Nervenfädchen , auslaufen. Eine
Cylinderzelle entspricht stets mehreren Porencanälen. Im Widerspruche
gegen Dahl, der diese Bildung für ein Geruchsorgan erklärt.
Arachniden.
217
sehen wir sie als eine Drüse an, die vielleicht einen klebrigen, nicht
flüssigen Stoff absondert. Die Zellen , welche diese Hautdrüse bilden,
gleichen nicht im Geringsten Sinueszellen, namentlich fehlen ihnen
durchaus die charakteristischen Sinnesstäbchen auf dem freien Ende.
Auf Längsschnitten der Kiefer sieht man in ihi'em Inneren Drüseu-
säckchen , deren inneres Ende etwas angeschwollen ist und die sich
nach aussen öffnen. Man zählt vier oder fünf solcher mit ihren Enden
verschlungener Drüsenkörnchen. Das Endothelium der sie bildenden
Röhrchen besteht aus Cylinderzellen. Die Drüse ist unter dem Namen
der Kieferdrüse bekannt.
Der Schnabel {h, Fig. 92, 93) zeigt auf seinem Vordt rrande
eine sehr bedeutende Drüse, die Schnabeldrüse (/t-, Fig. 93), die
auf einem Längsschnitte die Gestalt eines C zeigt (Fig. 100). Die sehr
Fig. 100.
c f
Epeira diadema. — Sagittalj^cbnitt der Sclmabeldrüse. Verick, Oc. 3, Obj. 2.
Camera clara. w, mit Stacheln besetztes Tegument des Sehnabels ; h, Fortsetzung des
Tegumentes unter der Drüse; c, innere Höhle der Drüse; d, oberes Blatt des in die
Drüse eingebogenen Tegumentes, vorn fein gezähnelt; e, unteres, bei e^ mit Stacheln
besetztes Blatt; /", untere Schicht des Endotheliums ; f^, Umschlag des Endotheliums ;
f^, obere Schicht desselben; <7, körniges, zusammengezogenes Bindegewebe; /;, Binde-
gewebe mit grossen Zellen.
regelmässigen, langen und cylindrischen Zellen, welche die Drüsen-
wand auskleiden, sind offenbar nur modificirte Hypodermiszelleu ;
sie zeigen ein körniges Protoplasma und eiförmige Kerne, die sich
leicht färben. Lti Hintergrunde der Drüsenhöhle sind sie am längsten
und nehmen gegen die Ränder derselben allmählich an Länge ab.
Der vordere, in dem Cephalothorax gelegene x4bschnitt des Darm-
tractus lässt sich leicht im Ganzen in folgender Weise isoliren. Mau
schneidet den Hinterleib am Stiele ab, entfernt das dorsale Tegument
mit einem scharfen, horizontal geführten Rasirmesser und erwärmt
218 Arthropoden.
den Cephalothorax während einer Stunde in einer sehr verdünnten
wässerigen Lösung von Aetzkali. Nach vorsichtiger Auswaschung,
welche die gelösten und erweichten Muskeln entfernt, liegt der ganze
vordere Darmabschnitt vollständig isolirt vor den Augen.
Der bauchständige Mund (d, Fig. 93) bildet in geschlossenem
Zustande eine Querspalte, die vorn vom Schnabel, seitlich von den
Kiefern, hinten von der UnterlijDpe begrenzt wird. Er führt in einen
ebenfalls quer gespaltenen Pharynx, dessen vordere und hintere Wand
von starken Chitinlamellen gebildet werden , die in den Ecken der
Spalte durch eine dünne, durchsichtige Chitinhaut verbunden sind.
Der geräumige Pharynx steigt seilkrecht empor (Fig. 93) und ver-
bindet sich in rechtem Winkel mit dem horizontal verlaufenden, eben-
falls chitinösen Schlünde (cP), der auf Kalipräparaten eine enge, auf
der Ventralseite der Länge nach offene Rinne darstellt, welche das
Hirn durchbohrt (Fig. 95) und sich hinter demselben in den Saug-
magen (rf^, Fig. 93) erweitert. Wir beschreiben später die ziemlich
verwickelte Structur des ebenfalls chitinösen Saugmagens, der sich in
den verhältnissmässig sehr kleinen Magen fortsetzt, von welchem
zahlreiche Blindsäcke (?) ausgehen, unter welchen besonders zwei
grosse dorsale Blindsäcke (I, Fig. 94) auffallen, die sich unter dem
Rückentegument nach vorn krümmen und, stets enger werdend , unter
den Giftdrüsen enden. Die ventralen Blindsäcke (m) gehen seitlich
vom Magen aus, biegen sich nach unten, treten in die Hüftglieder
der Beine, welchen sie an Zahl entsprechen, krümmen sich mit scharfer
Wendung zurück und lagern sich mit ihren geschlossenen Enden
zwischen die Unterschlundmasse des Nervensystemes und das Tegument
des Brustschildes. Der Magen setzt sich nach hinten in einen cylin-
drischen Darm fort (g, Fig. 93), der in den Bauchstiel eintritt, den-
selben der Länge nach durchsetzt und im Hinterleibe einen, der Wöl-
bung desselben entsprechenden, nach oben convexeu Bogen beschreibt
(1, Fig. 96). Auf seinem Wege durch den Hinterleib zeigt der Darm
einige in die Leber dringende Aeste, die man als erweiterte Gallen-
gäuge betrachten kann, und mündet schliesslich in eine weite
Cloake (?', Fig. 96), die sich durch den an der Spitze des Hinter-
leibes zwischen den Spinnwarzen gelegenen After nach aussen
öffnet.
Gehen wir nun in eine genauere Untersuchung des Baues der
soeben erwähnten Abschnitte des Verdauungscanales ein, wofür wir,
hinsichtlich der chitinösen Theile, zu der Behandlung mit Aetzkali,
sowie zu Schnitten in den drei Richtungen, besonders aber in sagit-
taler Richtung, unsere Zuflucht nehmen. Um gute Schnitte der im
Cephalothorax gelegenen Theile zu erhalten, wird man gut thun , vor
der Erhärtung das Rückenschild mit einem scharfen. Rasirmesser ab-
zulösen.
Arachniden.
219
Fiff. 101.
Die beiden, den Pharynx einschliessenden Chitiulamellen haben
zwar gleiche Grösse, aber sehr verschiedene Structur. Die vordere,
dem Schnabel anliegende Lamelle (Fig. 101) zeigt eine mittlere Längs-
rinne (/), die sich um so mehr vertieft, je näher sie dem Schlünde (/)
kommt, in welchen sie sich direct fortsetzt. Auf ihrem breitesten
Theile tragen die Ränder dieser Rinne kleine Chitinstacheln (g). Die
Oberfläche der Lamelle ist mit zahlreichen Rauhigkeiten besetzt,
welche sich zu rhombischen Figuren ordnen (c). Auf Querschnitten
sieht man , dass diese Rauhigkeiten von kleinen Häkchen gebildet
werden, die auf einer Chitinlamelle aufsitzen, unter welcher sich eine
stark pigmentirte, ziemlich dicke Schicht ausbreitet (d), welche aus
langen , drüsigen Zellen mit deut-
lichen Kernen besteht, die offenbar
nur modificirte Hypodermiszellen
sind.
Die hintere, der Uuterlipppe an-
liegende Lamelle des Pharynx hat
einen weit einfacheren Bau; sie ist
sehr dünn, durchscheinend; ihre
Oberfläche ist leicht gewölbt, ohne
Längsrinne, und zeigt zahlreiche,
an einander gedi'ängte, etwas dunk-
lere Querlinien. Diese Lamelle ruht
ebenfalls auf einer Schicht von drü-
sigen Hypodermiszellen, welche ge-
wöhnlich noch mehr Pigmentkörner
enthalten , als die der vorderen La-
melle.
Der Schlund (d\ Fig. 93) bil-
det, wie gesagt, eine enge Chitin-
rinne, die ventral der Länge nach
geöftnet scheint. Auf Querschnitten
(d^, Fig. 94) sieht mau aber, dass
die nach unten genäherten Wände
der Rinne durch eine sehr fein ge-
faltete Haut, die nicht chitinöser
Natur ist, zu einem Rohre geschlos-
sen werden. Man bemerkt ferner,
dass die dorsale Wölbung des
Schlundes der Länge nach gespal-
ten ist, dass aber die verdickten
Chitiulippen des Spaltes sich berüh-
ren. Die Wände des Schlundes sind
der Länge nach gestreift und von
Epelra diademu. — Das vordere Pha-
ryngealblatt, von seiner inneren Fläche
gesehen. Veri ck, Oc. 3, Obj. 0. Camera
c/aru. u, Fiederhaare, die auf dem Ende
des Blattes b stehen ; c, rauhe Fläche mit
Rhomben ; d, durch unterliegende, pig-
mentirte Hypodermiszellen verdunkeltes
Feld ; e, chitinöse Ränder der Rinne /;
g, kleine, hintere Stacheln; h, glattes
Feld ohne Rhombenzeichnung ; /, Schlund.
220 Arthropoden.
einer dünnen Zellenlage bedeckt, deren Kerne sehr deutlich sind. In Folge
dieser Structnr ist der Schlund gewiss sehr ausdehnbar, besonders in
seinem vorderen Theile, wo nur die obere Wölbung chitinös, die seitlichen
und unteren Wände aber häutig sind. Hier an diesem vorderen Theile
tiuden sich auch zahlreiche grosse Zellen von drüsigem Aussehen. Ihr
Protoplasma ist stark körnig, der runde Kern sehr deutlich; sie färben
sich stärker als die benachbarten Zellen und stellen sich oft in Gruppen
von drei oder vier zusammen.
Der dem Schlünde unmittelbar nach seinem Austritte aus dem
Hirne folgende Saugmagen (d-, Fig. 93) hat eine diesem ähnliche,
aber weit verwickeitere Structnr. Seine sehr festen Chitinwände sind,
wie man auf Querschnitten (Fig. 102) sehen kann, aus vier getrennten
Stücken, einem oberen und unteren medianen und zwei seitlichen zu-
sammengesetzt. Das Oberstück (a, Fig. 102) zeigt eine mittlere Ein-
senkung und zwei seitliche Längswölbungen , die sich plötzlich an
ihren Räudern hakenförmig nach unten krümmen. Auf diesen Um-
krempungen können die einen engen Isthmus begrenzenden Seiten-
stücke (&) gleiten. Diese Seitenstücke enden mit scharfem Rande an
den aufsteigenden Schenkeln des schmalen Ünterstückes (c), das in der
Mitte gekielt erscheint. Alle diese unter einander beweglichen Wand-
stücke werden auf ihrer Aussenfläche von einer chitinogenen Schiebt
mit hohen Zellen übeizogeu (k) und dienen mächtigen Muskelmassen
zum Ansatz, deren Bündel aus sehr deutlich quer gestreiften Fasern
bestehen. An das Oberstück heften sich bedeutende, anderseits am
Tegumente des Rückens (;W,F\g.93) inserirte Ilebemuskeln (e, Fig. 102),
die durch Anziehen der Decke gegen das Tegument die Höhluug des
Saugmagens erweitern. In gleicher Weise wirken erweiternd schiefe
Muskeln (/, Fig. 102), welche sich einerseits an die Seitenstücke, ander-
seits an die innere Sehnenplatte des Cephalothorax ansetzen. Endlich
findet man noch tiefere Queiinuskeln (h), die von einer Wölbung des
Oberstückes zur anderen gehen, und schwache, schiefe Muskeln (f),
welche sich an dem Haken des Oberstückes befestigen. Alle diese
Muskeln dienen ohne Zweifel zur Erweiterung des Saugmagens nach
verschiedenen Richtungen hin; die mit der Erschlaffung der Muskeln
statthabende Vei'engerung wird durch die Elasticität der Chitinwände
bedingt, welche ihre normale Stellung einzunehmen suchen.
In einem kleineren, zwischen den Seitenmuskeln (/, Fig. 102), den
dorsalen Magenblindsäcken (m) und der Umkrempung des Oberstückes
gelegenen Räume sieht man kleine, einzellige Drüsen (?) , welche der
chitinogenen Schicht angehören und deren Secret dazu bestimmt
scheint, die Gleitflächen zwischen den Stücken schlüpfrig zu erhalten.
Die Wände des eigentlichen Magens, sowie der von ihm aus-
gehenden Blindsäcke (?, Fig. 93, 94; w, Fig. 102) sind weisslich und
weich; sie enthalten keine Chitinschicht, zerreissen sehr leicht und
Arachniden.
221
zeigen innerliallj einer Hülle von platten , polyedrischen Zellen ein
Endotheliura ans sehr grossen, unregelmässigen Zellen mit feinen
Wänden, durchsichtigem Protoplasma und' am Grunde gelegenen Kernen.
Zwischen den Wurzeln der Blindsäcke einerseits und dem Hirne ander-
seits finden sich grosse, runde oder ovale, mit reichlichen Granulationen
erfüllte Zellen, die drüsiger Natur scheinen und vielleicht bei der Ver-
dauung eine Rolle spielen.
Der unmittelbar auf den Magen folgende, geradlinige Darmtheil,
der den Bauchstiel durchsetzt, zeigt eine dünne, äussere Muskelschicht
Fig. 102.
k
Eptira dladema. — Theil eines verticaleu , durch den Siiugmagen gelegten Quer-
schnittes. Gundlach, Oc. 1, Obj. 4. Camera dura, a, obere, auf den Seiten
hakenartig herabgekrümmte Chitinlamelle des Saugmagens ; b, Seitenlamellen ; c, untere
Lamelle; d, Höhle des Saugmagens; e, obere Erweitevungsmuskeln , die sich an das
dorsale Tegument ansetzen;/, seitliche Erweiterungsmuskeln, die sich an die grosse
innere Sehnenplatte o ansetzen; g, an derselben Platte angeheftete Muskeln der
Beine; h, obere Quermuskeln des Saugmagens; t, schiefe Seitenmuskeln desselben;
k, chitinogeue Zellenschicht, welche die Chitinlamellen des Saugmagens von aussen
umgiebt; /, kleine Wmkeldrüsen; vi, obere Magenblinddärme ; m\ untere Blinddärme;
o, grosse, horizontale, innere Sehnenplatte ; p, mittlere Ganglien der üuterschlund-
masse ; /A, Rindensehicht von grossen Ganglienzellen, die durch eine Lamelle der Um-
hüllungshaut von dem Kerne getrennt ist; q, Seitentheile der Masse, in die Bein-
nerven übergehend: q'^, getrennte Rindensehicht der Seitenmassen ; r, Kerne führende
Bindegewebshülle der Nervenmasse, in der Mitte angeschwollen und in die Trennungs-
rinne der Ganglien eingeschoben; r^, untere Lamelle dieser Hülle, bei r- verdickt.
222 Arthropoden.
und ein aus bohen , körnigen Zellen gebildetes Endotbelium , deren
ovaler Kern an der Basis der Zellen liegt.
Im Baucbe bildet der Darm ein gleicbmässiges Robr mit weiss-
licben Wänden, das unter dem Herzen liegt, von diesem nur durch
eine dünne Schiebt von Leberläppcben getrennt ist und einen der Wöl-
bung des Hinterleibes entsprechenden Bogen in der Mittellinie be-
schreibt bis zur Nähe der Cloake, unter welche der Darm mit einem
nach vorn gerichteten Bogen schlüpft, um auf der Unterfläche der
Cloake zu münden. Seine Wände sind hier und da von Kothballen
ausgedehnt. Mit der Leber steht das Darmrohr durch wenigstens
vier jederseits abgehende, weite Ausstülpimgen in Verbindung, die
in die Lebermasse eindringen und sich in derselben verzweigen.
Die Cloake oder Kothkammer (?', Fig. 96) ist eine weite,
birnförmige Tasche, die etwa den sechsten Theil der Bauchhöhle ein-
nimmt, mit ihrem dicken, abgerundeten Ende nach vorn schaut und
nach hinten schmäler wird. Der Darm mündet nicht in das vordere,
blind geschlossene Ende ein, wie manche Forscher behauptet haben,
sondern nahe dem hinteren Ende auf der Bauchseite; er läuft längs
dieser Fläche nach hinten, ist aber so eng mit der unteren Cloakenwand
verbunden, dass man ihn nicht leicht trennen kann. In der Cloake
finden sich fast immer grosse, schwarze, spindelförmige Kothballen.
Der die Cloake endende Mastdarm (a, Fig. 96) ist sehr kurz
und eng, er mündet mit dem in dem Spinnfelde gelegenen, von einer
Klappenwarze bedeckten After. Die histologische Structur der erwähn-
ten Theile ist nicht überall dieselbe. Die Darmwand zeigt ein Endo-
tbelium von hohen, gleich langen Cylinderzellen, deren Wände be-
sonders an ihrem freien Ende deutlich sind; ihr Protoplasma ist mit
schwärzlichen Granulationen überfüllt, die besonders an ihrer Basis
so überhand nehmen, dass sie den Kern, der nach Schminkewitsch
mehrere Nucleolen enthalten soll, meist gänzlich verdecken.
Die Cylinderzellen der Cloake sind weit niedriger, als diejenigen
des Darmes ; sie ruhen auf einer wahrscheinlich musculösen Faser-
schicht.
Im Rectum sind die Zellen des Endotheliums ausserordentlich
lang, in mehreren Schichten geordnet; sie besitzen eiförmige, sehr
deutliche Kerne und ruhen auf einer ansehnlichen Muskelschicht.
Mit gewöhnlichen Vergrösserungen sieht man keine chitinöse Intima.
Die Leber, auch Verdauungsdrüse oder Bauchdrüse genannt, ist
eine grosse braune Masse, welche alle Organe des Hinterleibes um-
hüllt, mit Ausnahme der Lungensäcke, welche sie nur theilweise be-
deckt. Wenn man den Hinterleib eines frisch getödteten Thieres an-
schneidet, so tritt meist Lebermasse hervor, die sich ausbreitet und
deiunacb unter einem bedeutenden Drucke zu stehen scheint, der zur
Zeit der Reife der Eier recht gi-oss sein muss. Unter geringer Ver-
Arachniden. 223
grösserung zeigt sich die Leber aus Läppchen zusammengesetzt. Auf
den Läppchen der dorsalen Seite liegt, der kreuzförmigen Zeichnung
des Hinterleibes entsprechend, eine kreideweisse Pigmentmasse, die aus
einer grossen Menge ausserordentlich feiner Körnchen besteht, welche
das Licht lebhaft brechen und im Wasser Brown'sche Bewegungen
zeigen.
Die Leberläppchen sind hohl; ihre Höhlungen communiciren mit
einander und münden schliesslich in der oben angegebenen Weise in
den Darm. Ihre Umrisse sind wellig; zwischen ihnen verästeln sich
die Endzweige der Malpighi' sehen Röhren; ein maschiges Binde-
gewebe trennt die einzelnen Läppchen.
Man findet in den Leberläppchen folgende Formelemente: 1) eine
feinkörnige Substanz, deren Körnchen denen des erwähnten Pigmentes
ähneln; 2) lebhaft braun gefärbte, meist runde Zellen, die einen sehr
dunklen Kern enthalten; 3) gelbe, runde Körper von sehr wechselnder
Grösse, mit homogenem Inhalte, welche Oeltröpfchen zu sein scheinen.
Schminkewitsch schliesst aus der Vergleichung dieser Elemente mit
den in der Leber des Krebses vorkommenden, dass die Leber der
Spinnen als eine hepato-pankreatisclie Drüse anzusehen sei.
Es giebt zwei Paare Malpi ghi's ch er Röhr en (c, 9, Fig. 95), die
sich als feine , weisse Fäden darstellen , welche sich an der Einmün-
dungsstelle des Darmes in die Cloake öffnen. Sie vei-laufen zu beiden
Seiten des Darmes zwischen den Leberläppchen und verästeln sich
hier. Diese Verästelungen sind zu fein, als dass wir sie in unserer
Zeichnung hätten darstellen können, die nur den Verlauf der Stämme
zeigt; man kann sie aber leicht bei der Präparation einer Kreuzspinne
unter Wasser zur Anschauung bringen. Hat man das Thier eine Zeit
lang geöffnet im Wasser gelassen , so treten überall aus der Leber-
masse feine, weisse Fädchen hervor, die nichts Anderes sind, als die
blind geschlossenen Endzweige der Malpighi' sehen Röhren, deren
Wände mit -einem Pflasterepithelium ausgekleidet sind, dessen Zellen
ovale Kerne haben. Das Lumen der Röhren ist mit braunrothen
Körnchen in Menge erfüllt, welche das Licht stark brechen.
Athemorgane. — Die Kreuzspinne hat, wie wohl alle anderen
Spinnen, zwei Arten von Athemorganen, Lungen und Tracheen, die
beide im Hinterleibe liegen. Der Cephalothorax nimmt keinen Antheil
daran.
Die beiden Lungen (?, Fig. 92) liegen symmetrisch vorn auf
der ventralen Fläche des Abdomens in der Nähe des Bauchstieles und
zu beiden Seiten der Genitalorgane, welche die Mittellinie einnehmen.
Es sind zwei etwas abgeplattete Hohlsäcke, welche etwa die Gestalt
eines quer durchschnittenen Eies haben , dessen stumpfes Ende nach
vorn gerichtet ist, während die Schnittfläche der etwas schief gerich-
teten Eingangsspalte zur Höhle, dem Stigma, entsprechen würde. Die
224
Arthropoden.
beiden Stigmen sind in der Mittellinie durch das Genitalschild unter-
brochen, hinter welchem sie sich durch einen dorsal vom Schilde ge-
legeneu Quercanal verbinden, dessen Lippen in einander greifende
Fältelungen zeigen. Mit Ausnahme der Ränder der Eintrittsspalte ist
die Lungenhöhle auf allen Seiten von einer besonderen Chitinlamelle
umzogen, die sich von dem Teguraente her einschlägt und in Folge
der Abplattung eine Decke (/, Fig. 103) herstellt, welche die Lungen-
höhle von den Eingeweiden abtrennt und einen Boden (g), welcher
mit dem Tegumente parallel sich erstreckt, und einen mit Blut erfüllten
Sinus von der Höhle abgrenzt.
Auf der ganzen Ausdehnung des Lungensackes zeigt das Tegu-
ment eigenthümliche Bildungen, die, von der Fläche aus gesehen,
gekrümmten Wülsten mit welligen Conturen ähnlich sehen , welche
Fig. 103.
.--p
Epeira dladema. — Stück eines durch das Abdomen geführten Sagittalschnittes, der
die Lunge getrotFen hat. Gundlach, Oc. 1, Obj. II. Camera Incida. a, ventrales
Tegument des Vordertheiles des Bauches; ö, chitinöse Stützverdickungen, die in den
Blutsinus vorspringen ; c , Vereinigungspunkt der die Lungenkammer umgebenden
Chitinlamellen mit dem Tegumente in der Nähe des Bauchstieles ; d, hintere Lippe
des Stigmas, mit Stacheln besetzt; e, die Hinterwand der Lungenhöhle, durch einen
Einschlag des Tegum^nts gebildet und mit baumförmigen Borsten besetzt; /, Fort-
setzung des Einschlages , die Decke der Lungenhöhle bildend ; g, Chitinfalte , eine
Scheidewand zwischen dem Blutsinus und der Lungenhöhle bildend; h, geronnene
Blutmassen im Sinus ; i, Stigma, Eingang der Lungenhöhle ; k, vordere Kammer dieser
Höhle ; l, Kammer ; in, quer durchschnittene und durch den Druck des Messers etwas
auseinander gelegte Lungenlamellen: ra, oberer Theil der Lungenlamellen, durch ge-
ronnenes Blut verdeckt; o, o, Durchschnitte cylindrischer Spinndrüsen; />, zwischen
die Organe eindringende Leberläppchen ; q, durchschnittener Quermuskel ; »•, Bündel
des Läng-smuskels des Bauches.
Arachniden.
225
sich bisweilen gabeln und den Rändern parallele Linien zeigen, wo-
durch das Gebilde das Ausehen gewundener Spalten erhält, die von
verdickten Chitinlippen umzogen sind. Einige Forscher haben sich
auch durch dieses Ansehen täuschen lassen; auf Schnitten (Fig. 103)
kann man sich indessen überzeugen, dass diese Bildungen nach innen
in den Blutsinus vorspringenden Chitinwülsten entsprechen, die ohne
Zweifel dazu dienen, dessen Wände zu spreizen und den Sinus gegen
Druck offen zu erhalten.
Die von der Oeffnung des Stigmas aus nach innen eingefaltete
Chitinlamelle, welche die hintere Wand der Lungenhöhle bildet
(e, Fig. 103), zeigt unter geringen Vergrösserungen ein rauhes An-
sehen, als wäre sie mit feinen Zähuchen besetzt. Unter starken Ver-
grösserungen (Ä, Fig. 104) sehen diese Zähnchen wie Zwergbäumchen
aus, welche auf einem einfachen Stamme zahlreiche, nach allen Rich-
tungen sich ausdehnende Aeste tragen , die zuweilen mit ihren Enden
verschmelzen. Aehnliche Bildungen finden sich , wenn auch weit
weniger entwickelt, auf der Vorderlippe des Stigmas. Auf dem ganzen
Fi^. 104.
A B
Epeira diadema. — Einzelheiten des Athemapparates. Yerick, Oc. 3, Obj. 7. Camera
lucida. A , baumartige Besetzungen der Hinterwand der Lungenhölile. B, Längs-
schnitte der freien Enden zweier Lungeublättchen. a, dorsale , mit verzweigten
Haaren besetzte Lamelle ; b, glatte, ventrale Lamelle ; c, Vereinigung beider Lamellen
am freien Ende ; fZ, Blutsinus im Inneren des Blättchens ; e, quere Verbindungsbrücke
der beiden Lamellen.
übrigen Umfange der Lungenhöhle sind die einfassenden Chitin -
lamellen einfach , nur an der Decke sieht man einige unbedeutende
Hervorragungen (/, Fig. 103), welche zwischen die umgebenden Ein-
geweide eingreifen.
Etwa zwei Drittel des Raumes der Lungenhöhle werden von etwa
fünfzig horizontal über einander gelagerten Lungenblättern ein-
genommen, welche mit ihren vorderen und seitlichen Rändern an den
Wandungen der Höhle befestigt und nur an ihrem hinteren, quer ab-
geschnittenen Rande frei sind und hier in die Lungenhöhle hinein-
ragen. Diese ist nur in ihrem hinteren Drittel leer, mit Ausnahme
einer Art Vorkammer auf der Unterfläche, wo die Lungenblätter den
Boden nicht berühren (A;, Fig. 103). Schnitte, welche diese Vorkammer
getroffen haben, zeigen häufig die Lungenblätter durch den Druck des
Vogt u. Yung, prakt. versfl. Anritomie. II. 25
226 Arthropoden.
Messers etwas aus einander gezerrt, wie dies auf unserem Schnitte ge-
schehen ist.
Die histologische Structur der Lungenblätter ist nicht ganz ein-
fach. Jedes Blättchen besteht aus zwei sehr feinen, parallelen Lamellen
chitinöser Natur, in welchen man keine Zellenstructur erkennen kann.
Am hinteren freien Ende des Blattes gehen diese beiden Lamellen in
einander über. Die dorsale Lamelle trägt auf ihrer fi'eien Oberfläche
eine Unzahl kleiner, verästelter Härchen, deren Zweige sich berühren
und mit einander verfilzen. Die ventrale Lamelle dagegen ist voll-
kommen glatt. Diese nur auf der Decklamelle entwickelten Härchen
verhindern ohne Zweifel das Ankleben der über einander geschichteten
Lungenblätter und sichern so die Circulation der Luft zwischen den-
selben. Die beiden Lamellen werden durch Pfeiler gestützt, die hier
und da ohne Regel entwickelt und bei der Anlage an die Lamellen etwas
verdickt sind. So wird zwischen den beiden Lamellen ein stets often
gehaltener, sehr platter Blutraum hergestellt, der die ganze Aus-
dehnung des Lungenblattes einnimmt und in dem man auf allen Prä-
paraten und Schnitten Häufchen geronnenen Blutes sieht.
Die Musculatur der Lungen ist äusserst einfach. Li der Hinter-
lippe des Stigmas sieht man einen kurzen Rückzieher, der dem Tegu-
mente unmittelbar aufliegt und sich weiter hinten an dasselbe ansetzt.
An die dorsale "Wand der Lungenhöhle setzt sich ein anderer, von der
Sehne des abdominalen Längsmuskels ausgehender, kleiner Muskel an.
Endlich findet sich noch ein über die Rückenwand gespannter Quer-,
muskel, der mit derselben Sehne in Beziehung steht.
Die Tracheen der Kreuzspinne (a, &, Fig. 109) bestehen aus vier
geraden, sehr feinen und zarten Röhi-en, welche aus einem centralen
Sacke entspringen, der unmittelbar vor den vorderen Spinnwarzen und
dem Chitindorne liegt, welcher vorn in der Mittellinie das Spinnfeld
stützt. Das Stigma, welches in diesen Sack führt, ist ein enger, ziem-
lich langer Querspalt, den man nur mit Mühe zwischen den Runzeln
des Chitinwalles auffinden kann, welcher das Spinnfeld umgiebt. Man
kann an dem Sacke einen Mitteltheil in Gestalt einer zweispitzigen
Pyramide unterscheiden , deren Spitzen sich in die beiden mittleren
Tracheen fortsetzen (rt, Fig. 109) und zwei Seitenflügel, von welchen die
seitlichen Tracheen (&) ausgehen, die an ihrer Basis die Form einer etwas
bauchigen Posaune haben und deren Oeffnungen in den Sack von zwei
ziemlich starken, an ihren Enden knopfartig verdickten Chitinstützen
umgeben sind, die mit einander eingelenkt zu sein scheinen. Der
Sack mit seinen Seitenflügeln ist stark von oben nach unten ab-
geplattet, während die Tracheen selbst einen runden Durchschnitt
zeigen.
Die vier unmittelbar dem Tegumente anliegenden Röhren ver-
laufen in gerader Richtung, etwas divergirend, nach vorn und lassen
Aracliniden. 227
sich bis in die Nälie der Lungen verfolgen , wo sie blind zu enden
scheinen. Wir haben auf ihrem ganzen Verlaufe keine Verästelungen
oder Nebenzweige entdecken können ; sie sind überall dieselben ein-
förmigen Röhren.
Die Tracheen bestehen grösstentheils aus chitinösen Elementen.
Nach Mac Leod, dessen Arbeit (siehe Literatur) wir nicht genug zu
genauerem Studium empfehlen können , besteht die Wand der Tra-
cheen aus einer inneren und einer äusseren Chitinschicht, zwischen
welchen eine chitinogene Zellenschicht sich befindet. Die innere Chitin-
schicht, die nur eine Fortsetzung der äusseren sein soll , zeigt auf der
Innenfläche der Röhren wie des Sackes eine Menge feiner, rauher Vor-
sprünge, die in den äusseren Tracheen stärker entwickelt sind und an
deren Enden fast stachelartig werden. — Au die Chitiustützen der
Seitenöffuungeu, von welchen oben die Rede war, heften sich einige
feine Muskelbündel, die sich mit ihrem anderen Ende an das Tegu-
ment ansetzen.
Kreislaufsorgane. — Das Herz ()u, Fig. 9(3) ist ein im Ab-
domen gelegenes conisches Rohr, das von dem Darme, über welchem
es verläuft, nur durch eine unbedeutende Schicht von Leberläppchen
getrennt ist. Es wird durchaus , auch auf seiner oberen Fläche,
von der Leber umhüllt und liegt dem Tegumeute nicht unmittelbar
an , wie dies bei den meisten Arthropoden der Fall ist. Seine vor-
dere Hälfte erscheint bauchig erweitert; nach hinten verschmälert
es sich allmählich und endet spitz , indem es in einige feine Gefässe
ausläuft. In der Gegend der dorso- ventralen Muskeln biegt es in
einem scharfen, nach vorn convexen Bogen nach unten, um in den
Bauchstiel einzutreten und ist auf dieser verticalen Krümmung von
den beiden genannten Muskeln eingefasst. In dem Bauchstiele selbst
verminderet sich der Durchmesser bedeutend zu einem Gefässe , der
Kopfbrust - Aorta , deren Verzweigung uns später beschäftigen wird.
Auch von den im Hiuterleibe abgehenden Gefässen wird dann die
Rede sein.
Betrachtet man das Herz in seiner normalen Lage von oben nach
Wegnahme der es bedeckenden Lebermassen, so sieht man auf der
Höhe der Seitenflächen drei Paare warzenartiger Hervorragungen, von
welchen das erste Paar auf dem Gipfel der Bogenkrümmung, die beiden
anderen in dem hinteren Drittel des Herzens angebracht sind. Jedes
dieser Wärzchen zeigt auf dem Gipfel eine, innen von winzigen, halb-
mondförmigen Klappen eingefasste Spaltöffnung, durch welche diis Blut
aus dem Pericardialsinus in das Herz übertritt, um dann durch die
Pulsationen in die Gefässe getrieben zu werden.
In der That liegt das Herz in einem , von einem Herzbeutel
(e, Fig. 105 a. f. S.) gebildeten Hohlräume (/) iind das Pericardium selbst
ist seinerseits von einem Lacunenraume (d) umgeben, der von den
15*
228
Arthropoden.
Fie;. 105.
Lebermassen umhüllt wird. Namentlich auf Längsschnitten zeigen sich
diese Verhältnisse in der Art, wie wir sie in Fig. 105 dargestellt
haben. Zuweilen ist dieser meist weite Lacunenraura durch die
Lebermassen sehr eingeengt, so dass diese das Pericardium fast un-
mittelbar berühren.
Die Membran, welche den Herzbeiitel bildet, ist äusserst fein,
zeigt aber hier und da einige längliche Kerne. Auch sieht man an
einzelnen Stellen feine, zuweilen in Bündel vereinigte Fäserchen (i),
welche von der Muskelhaut des Herzens ausgehen, die Pcricardialhöhle
durchsetzen und theils sich an dem Tegumente inseriren, theils zwischen
den Leberläppchen verlieren. Einzelne Fasern vom Pericardium selbst
gesellen sich oft zu ihnen.
Auf in verschiedenen Richtungen gelegten Schnitten kann man
sich überzeugen , dass die Wand des Herzens aus vier verschiedenen
Schichten besteht, einer
äusseren Hüllhaut, einer
Längsmuskelschicht,
einer Schicht von Kreis-
muskelfasern und einer
inneren Auskleide-
schicht.
Die äussere Hüllhaut
besteht aus Bindege-
websfasern mit zerstreu-
ten, länglichen Kernen.
Die Längsmuskelschicht
ist sehr dünn, aber con-
tinuirlich; sie sendet
einige Fasern nach
innen. Die Kreismus-
keln dagegen bilden
eine mächtige Schicht,
die sich bei grossen
Exemplaren sogar mit
blossen Augen erkennen
lässt. Die Muskelfasern
sind quergestreift und
zu Bündeln vereinigt,
die wie Reifen um das
Herz sich in kleinen
Abständen schmiegen.
An den drei Paaren von Wärzchen, die oben erwähnt wurden, weichen
diese Querbündel aus einander und bilden so die knopflochartigen
Oeffnungen, durch welche das Blut einströmt. Streifende Längsschnitte
A.
Epeira diadema. — Stück eines Längsschnittes des Her-
zens. Verick, Oc. 0, Obj. 3. Camera liicida. Auf
der linken Seite der Figur hat der Schnitt die Quer-
muskeln in ihrer ganzen Erstreckung blossgelegt, wäh-
rend er auf der rechten Seite sie tiefer getroffen
und so das mascheuartige Aussehen einiger Stellen be-
wirkt hat. a, Rückentegument ; b, Pigment; c, Leber;
d, Lacuneuraum ; e, Herzbeutelwand ; /, Pericardial-
sinus, mit geronnenem Blute gefüllt; g, Längsmuskel-
schicht des Herzens ; h. Kreismuskeln ; h^, Stellen mit
maschigem Ansehen ; l, vom Herzen ausgehende Muskel-
fasern, die sich bei k an das Tegument anheften.
Arachnideii. 229
des Herzens lassen weite Zwischenräume zwischen einzelnen Quer-
bündeln gewahren, die ein maschiges iiusehen haben, deren Xetzgewebe
mit den Längsmuskelfasern zusammenhtängt. In den Maschen selbst
findet sich geronnenes Blut. Dieses Ansehen, welches Anfänger täuschen
könnte, ist offenbar durch Runzelungen der Herzwand bedingt, wo-
durch die verschiedenen Schichten der Muskeln nicht in gleicher Höhe
getroffen werden. Die innere Auskleidungsschicht ist äusserst fein
und kaum zu erkennen.
Das Herz wird in seiner Lage durch Flügelrauskeln erhalten, die
man leicht auf Querschnitten des Abdomens zur Anschauung bringen
kann. Sie sind von dreieckiger Form und inseriren sich einerseits
an die oberen Seitenränder des Herzens, anderseits an das Tegu-
ment.
Die Untersuchung des peripherischen Gefässsystemes wird
besonders im Hinterleibe sehr durch den Umstand erschwert,,.|dass hier
die Gefässe sehr zarte Wandungen besitzen , sich in den weichen
Organen, besonders der Leber, vei'lieren oder bald in Lacunenräume
mit unbestimmten Grenzen übergehen. Die Arterien im Cepbalothorax
lassen sich dagegen weit leichter auf Schnitten verfolgen. Wenn das
arterielle System in Folge der Localisirung der Athemorgane weit
ausgebildeter ist, als bei den Insecten, so lässt sich anderseits nicht
leugnen, dass das Venensystem sowohl durch die allgemeine Körper-
höhle wie durch Lückenräume zwischen den Organen und Geweben
ersetzt ist.
Bei sehr jungen, noch durchsichtigen Spinnen kann man, wenn
auch nicht ganz vollständig, die Richtungen der Blutströme unter dem
Mikroskope verfolgen. Das Blut selbst ist farblos; es enthält grössere,
helle und runde Zellen in geringer Menge i;nd viele amöboide Körper-
chen, deren Protoplasma mit zahlreichen dunklen Granulationen erfüllt
ist, die sich lebhaft färben.
Die Kopfbrustaorta (n, Fig. 93) ist nur die Fortsetzung des
Herziohres nach vorn; sie hat anfangs dieselbe^histologische Structur,
aber keine Seitenöffnungeu. Der Oberfläche des Darmrohres eng an-
liegend, durchsetzt sie den Bauchstiel, theilweise von der Sehnenplatte
bedeckt und giebt auf diesem Verlaufe einige feine Zweige ab, die sich
in den hinteren'^Muskeln des Cepbalothorax verästeln. So gelangt sie,
stets dem Darme folgend, bis zum Saiigmagen , wo sie sich in zwei
einander sehr genäherte Stämme (o, Fig. 93) theilt, die hinter der Ober-
schlundmasse einen Bogen nach hinten und unten schlagen und auf der
Unterschlundmasse weiter nach hinten laufen. Von der Spitze des
Bogens gehen mehrfache Zweige, die Kopfarterien (p), aus, die zwischen
den Giftsäcken nach vorn in den Cephalothorax dringen und die
sämmtlichen dort gelegenen Theile, Augen, Schnabel, Kiefer und Cheli-
ceren, mit ihren Muskeln versorgen.
230 Artliropoclen.
Die beiden Aortenbogen laufen, sobald sie auf der Unterschlund-
masse angelangt sind, parallel zur Mittellinie nach hinten (q) und folgen,
stets dünner werdend, den beiden von der Masse nach hinten ab-
gehenden Bauchnerven bis zum Bauchstiele. Auf diesem Verlaufe
geben sie von ihrem Aussenrande die Fussarterien (r) ab, die sich eng
an die Nerven der Beine anschmiegen und mit diesen in die Beine
etwa bis zur Hälfte des dritten Gliedes vordringen.
Die Unterschlundmasse erhält keine Zweige von den Aortenbogen,
sondern besitzt eine eigene, unpaare, rücklaufende Arterie (s) , welche
genau in der Mittellinie auf der Masse nach hinten läuft und senk-
rechte Zweige abgiebt, welche die Nervenmasse durchbohren (e, Fig. 97)
und in den Scheidewänden derselben sich verzweigen. Diese unpaare
Arterie sendet zugleich einen Stamm nach vorn , der unter dem
Schlünde verläuft und zu der Unterlippe und den ventralen Darm-
blindsäcken Zweige abgiebt.
Nach Claparede, dessen an jungen durchsichtigen Lycosen an-
gestellte Beobachtungen (s. Literatur) auch für Epeira gelten können,
haben alle genannten Arterien eigene Wände, ergiessen aber schliess-
lich das Blut in Lückenräume zwischen den Organen, wo es in be-
stimmten Bahnen kreist und schliesslich sich in zwei Hauptlacunen,
eine ventrale und eine dorsale, sammelt, die in den Bauchstiel ein-
gehen und dann sich in einen grossen, an der Basis des Hinterleibes
angebrachten Sinus ergiessen. In den Beinen behält die im Centrum
verlaufende Arterie ihre eigenen Wandungen etwa bis zur Hälfte des
dritten Gliedes und ist soweit überall vom venösen Strome umgeben.
Von dem angegebenen Punkte an verschwinden aber die Wandungen
und der arterielle Strom verläuft auf der Beugeseite, der venöse auf
der Streckseite des Beines , wo auch die bei den Tegumenten (S. 206)
erwähnten Spalten angebracht sind. Beide Ströme sind durch eine
sehr feine , structurlose Membran getrennt , die an bestimmten Orten
kleine Oeffnungen vom Durchmesser eines Blutkörperchens hat, wo-
durch diese schlüpfen- (Für Einzelheiten verweisen wir auf Cla-
p a ]■ e d e.)
Das Kreislaufsystem des Abdomens ist von demjenigen
des Cephalothorax durch den Bauchstiel getrennt und unterscheidet
sich durch den Umstand, dass alle Arterien, mit Ausnahme der
Lungengefässe , direct vom Herzen ausgeben und paarweise sich in
den Organen verzweigen. Sie lassen sich nur schwer verfolgen,
weil sie äusserst dünnwandig sind, iinmittelbar in die braunen und
weichen Leberlappen eintauchen und sich wahrscheinlich nach sehr
kurzem Verlaufe in Lückenräume ergiessen. Man zählt drei bis vier
Paare solcher seitlich abgehender Gefässe. Das Hinterende des Her-
zens löst sich gewissermaassen in einen Pinsel feiner Gefässe auf, die
unter spitzen Winkeln von verschiedenen Niveaus abgehen und zu den
Arachniden. 231
Spinn Warzen und der Cloake ausstrahlen. Zwischen diesen End-
gefässen zeigt die Herzspitze eine Oeffnung, durch welche das Blut
sich direct in eine Lacune ergiesst, die dorsal an der Basis der After-
warze liegt.
Der Lungenkreislauf gestaltet sich in eigenthümlicher "Weise.
Unter der Lupe wie auf Schnitten kann man die Existenz zweier ziem-
lich ansehnlicher Gefässe nachweisen , die nahe an der Krümmung der
Aorta entspringen und der Wölbung der Tegumente folgend sich in
einen weiten Sinus ergiessen, der die Lungen überall an den Ansätzen
der Lungenblätter umgiebt. Wir haben bei Behandlung der Lungen
den oberen und unteren Theil dieses Sinus beschrieben und abgebildet
(Fig. 103) und gezeigt, dass der letztere durch eigenthümliche Pfeiler
vom Tegumente aus stets oflPen gehalten wird. Nun setzt sich, nach
Claparede, der Endsinus, in welchen die hintere Herzspitze sich
öffnet, in zwei Längssiuus fort, die unmittelbar auf den Längsmuskeln
des Bauches liegen und in welchen das Blut von hinten nach vorn
strömt. Am hinteren und inneren Winkel der Lungen trifft dieser
Strom auf einen anderen, der in entgegengesetzter Richtung von vorn
nach hinten läuft. Beide Ströme vereinigen sich in einem queren
Sinus, der den hinteren Lungenrand umgiebt und mit dem den äusseren
Lungenrand umgebenden Sinus sich vereinigt. Dieser laterale Sinus
biegt im Winkel nach oben um und öffnet sich in den Pericardialsinus
in der Nähe des ersten Paares der seitlichen Herzöffuungen. Die
Lunge taucht mithin auf dem ganzen Umfange der Anheftungen ihrer
Blätter in diese Hohlräume, die ein zusammenhängendes Ganzes bilden
und fast alles im Körper circulirende Blut kreist durch diese Hohl-
räume und die Lungenblätter, die nur hohle Anhänge derselben dar-
stellen.
Der Spinnapparat. A. Aeussere Theile. — Um die Be-
schaffenheit der äusseren Theile des Spinnapparates zu untersuchen,
wird man sich mit Vortheil der Behandlung mit Aetzkali bedienen
und jüngere Thiere wählen , bei welchen die Haare und Spinnröhren
weniger zahlreich sind und das Pigment weniger dunkel ist, als bei
den erwachsenen Individuen.
Wir sagten schon (S. 199), dass das Afterfeld (Fig. 106,
a. f. S.) die sechs Spinnwarzen und die Afterwarze einschliesst. Man
muss aber den Schüler auf den Umstand aufmerksam machen , dass
er in den meisten Fällen im Ruhezustande und ohne vorgängige
Behandlung, sowohl bei der Profil- wie bei der Flächenansicht nur
vier Spinnwarzen, die vorderen und die hinteren, sowie die After-
warze sehen wird. Diese fünf Theile krümmen sich in der That
so gegen die Mitte des Feldes zusammen , dass sie die tiefer und
der Mittellinie näher gelagerten mittleren Spinnwarzen gänzlich ver-
decken.
232 Arthropoden.
Das Afterfeld ist in seinem ganzen Umfange von einem etwas
verdickten Cliitinringe des Tegumentes umgeben (J?, Fig. 106). In
diesem Ringe sieht man vorn in der Mittellinie zwei besondere Bil-
dungen: einen starken inneren Stachel (A) , der mit seiner kurzen
Spitze in die Leibeshöhle vorspringt und in dem Raiime zwischen den
Basen der vorderen Spinnwarzen , ein scheinbar in der Mitte durch-
löchertes rundliches Schildchen (C). In der Flächenansicht erscheint
es wie eine von der Leibeshöhle her eingetiefte Untertasse mit starken
Chitinrändern, die in der Mitte einen hellen herzförmigen Fleck zeigt,
in dessen beiden Elcken zwei starke Stachelhaare stehen. In der
Profilansicht sieht man, dass es eine vorspringende, kurze und etwas
spitzige Warze ist, die einige Haare trägt. Da diese Warze genau
Fig. 106.
Epelra diadema. — Das Afterfeld eines Weibchens, von der Bauchfläche aus gesehen.
Gundlach, Oc. 1, Obj. 2. Camera clara. Kalipräparat. A, Stützstachel; B, Rand-
wall des Feldes; C, rudimentäres Cribellum ; D, vordere, E, mittlere, F, hintere
Spinnwarzen; G', Afterwarze, o, Basis der vorderen Spinnwarze; 6, unterer heller Ring
ders.elben ; c, chitinöser Halbring in diesem Ringe; d, oberer heller Ring; e, oberer
Chitinring;/, Gipfel mit dem Spinnfelde ; g, Basis der mittleren Spinnwarze ; ä, heller
Ring; i, Spiunfeld desselben; k, Basis der hinteren Spinnwarze; l, heller Ring;
m, oberer Chitinring; ?i, Spinnfeld desselben; o, äusserer unterer Chitinring der
Basis der Afterwarze; p, innerer Ring; q, unterer heller Ring; r, oberer Chitinring;
s, oberer heller Ring ; t, Endwärzchen der Afterwarze.
denselben Platz einnimmt, wo sich bei anderen Spinnen eine sieb-
förmige Platte, das sogenannte Cribellum, befindet, welches durch
Tausende von feinen Löchlein einen feinen Seidenfilz, wohl zum Schutze
Arachiiiden. 233.
der Eier, absondert, so stehen wir nicht an, in dieser Warze eine dem
Cribellum homologe Biklung, eine verkümmerte Spinnwarze zu er-
blicken, die aber freilich weder Splnnrölirchen noch Spinnporen ge-
wahren lässt.
Die vorderen (D, Fig. 106) und hinteren (F) Spinnwarzen sind
nach demselben Grundplane gebaut. Es sind kurze, an der Spitze ab-
gerundete schiefe Kegel, welche von abwechselnden Chitinringen gebildet
sind, die einen hart, mit dicken geriefelten Wänden und zahlreichen
Haaren, die zwischen diesen liegenden Ringe weich, dünn und haarlos.
Der Grundring der vorderen Warze (a) ist, wie die ganze Warze, höher
und breiter als derjenige der hinteren Warze (/j) ; dagegen ist der
Endring der hinteren Warze (l) nach aussen hin breiter als derjenige
der vorderen Warze (e) , da die hintere Warze schiefer abgestutzt ist.
Der untere helle Ring der vorderen Warze (b) ist sehr breit und in
seinem äusseren Umfange von einer sehr starken , aber schmalen
Chitinspange (c) gestützt, die eine Reihe meist hakenförmig gekrümmter
Borsten trägt; diese Spange fehlt in dem unteren hellen Ringe der
hinteren Spinnwarze (Z). Der obei'e , dunkle Chitinring der beiden
Warzen ist von dem Spinnfelde durch einen zweiten hellen Ring ge-
trennt, der bei der vorderen Spiunwarze ziemlich breit (d) , bei der
hinteren aber nur wenig ausgebildet ist.
Bemerkenswerth ist, dass die Afterwarze (G-, Fig. 106) genau
nach demselben Plane gebaut ist. Wir finden an ihr die beiden harten,
geriefelten, mit Haaren besetzten, dunklen Ringe (o, jJ, r) und die
beiden hellen Zwischenringe (q, s); jedoch ist der Basalring in zwei
concentrische Ringe (o, ])) gespalten und statt des terminalen Spinn-
feldes findet sich ein harter, mit starken Haaren besetzter, chitinöser
Endhügel (t).
Die mittleren Spiunwarzen (E, Fig. 106) sind anders ge-
staltet. Im turgescirenden Zustande bilden sie zwei dünne Kegel mit
chitinöser Basis, aber ohne weitere Chitinringe. Man sieht sie aber
selten in diesem Zustande; meist liegen sie in dem von den anderen
Bildungen frei gelassenen Räume platt auf der Haut mit ihren Spitzen
nach hinten, so dass sie bei der Flächenansicht wie zwei Dreiecke sich
darstellen , deren innere Seiten sich berühren. In dieser von uns ge-
zeichneten Lage ist das Spinnfeld fast ganz auf die untere Bauch-
fläche gedreht, während es im Turgor gegen die Mittellinie ge-
richtet ist.
Die Spinnfelder zeigen sehr verschiedene Anordnungen, welche
von Buchholz und Landois genau beschi'ieben worden sind (siehe
Literatur).
Das Spinnfeld der vorderen Warzen (/, Fig. 106) ist beinahe
kreisförmig, in der Mitte etwas gewölbt und so auf die Spitze der
Warze gestellt, dass es bei der Flächenansicht fast vollständig zur
234
Arthropoden.
Anschauung kommt. Sehr kurze Spinnröhrchen , 60 bis 70 an der
Zahl, stehen auf diesem Felde in regelmässiger Anordnung nach
Linien, die radienartig vom Mittelpunkte ausgehen. Auf der Innen-
seite zeigt das Feld einen kleinen Ausschnitt, der in den oberen dunklen
Ring eingekerbt ist und in dieser Kerbe steht ein mächtiger Spinn-
kegel mit chitinöser, verdickter Basis, neben welchem wir stets einen
gleich gestalteten, aber weit kleineren Ersatzkegel sehen. Auf Prä-
paraten, die nicht zu lange in Aetzkali gelegen haben, kann man
leicht den Ausführungsgang einer cylindvischen Drüse verfolgen,
Fig. 107.
Epeira diadema. — Linke mittlere Spinnwarze , von
der ventralen Fläche gesehen. Kalipräparat. Gund-
lach, Oc. 1, Obj. IV. Camera dura. A, vorderer
Rand der angehefteten Basis ; B, äusserer Rand ; C,
innerer Rand , der sich an den entsprechenden der
gegenüberstehenden Warze anlegt ; D, Gipfel der Warze,
a, Fiederhaare auf demselben ; h, Ersatzkegel ; c, hin-
terer Spinnkegel '; d, grosser mittlerer Spinnkegel;
e, kurze und dicke Spinnröhren , in Papillen über-
gehend; /, Mittelfeld mit dünnen, aber kurzen Spinn-
röhrchen; f/, Spitzen der langen Spinnröhrchen; h,
geschlossene Reihen sehr langer Spinnröhrchen.
welche in diesem Spinn-
kegel endet. Der Gang
läuft längs der band-
artigen Sehne eines
grossen, in der Basis
der Spinnwarze gelege-
nen Muskels, der durch
seine Zusamraenziehung
die Warze nach hinten
und innen beugt, so
dass sie diejenige der
anderen Seite berührt.
Die ganze ventrale
Fläche der mittleren
Spinnwarzen (Fig.
107) bildet nur ein fast
dreieckiges Feld, das
mit einer grossen An-
zahl von Spinnröhrchen,
etwa 150 nach Buch-
h 0 1 z und L a n d o i s ,
bedeckt ist, zwischen
welchen wir nur zwei iso-
lirte Spinnkegel unter-
scheiden konnten. Die
auf dem Umkreise des
Feldes sitzenden Röhr-
chen sind sehr lang,
dünn und mit ihren lan-
gen und spitzen Enden
gegen die Mitte des
Feldes gerichtet, wo die
Röhren kürzer werden
und nicht so gedrängt stehen. Die nach hinten gerichtete Spitze der
Warze trägt keine Spinnröhrchen, wohl aber einige gefiederte Haare.
Arachniden.
235
Etwas rückwärts vom Ende steht, noch von einzelnen Röhrchen um-
geben, ein grosser Spinnkegel (d) mit stark chitinöser Basis und nach
unten gerichteter Spitze, in welchen der Ausführungsgang einer baum-
förmigen Drüse mündet, dessen Verlauf man selbst auf Kalipräparaten
leicht verfolgen kann. Am inneren Rande der Warzenspitze sieht man
einen kleineren Kegel (c) mit einem winzigen Ersatzkegel an der
Basis (b). Wir haben hier nicht, wie Buch holz und Landois,
zwei gleich grosse Spinnkegel sehen können , wohl aber finden wir,
vor dem grossen Kegel, zwei grössere Spinni'öhren , die kurz und dick
sind (e), eine Uebergangsform zwischen Kegeln und Röhren darstellen
und in welche cylindrische Drüsen münden.
Um das Spinnfeld der hinter en War ze (Fig. 108) ganz über-
schauen zu können , muss man sie in Dreiviertelstellung beobachten,
Fig. 108.
e e-^ e-' A-
Epeira diudema. — Rechte hintere Spinnwarze , von der Innenfläche gesehen. Kali-
präparat. G und lach, Obj. 1, Oc. V. Camera dara. A, YorJerrand; B, Hinter-
rand ; C, Gipfel mit einem Ersatzkegel, a, b, c, drei am Vorderrand stehende Spinn-
kegel mit abgestumpfter Spitze; c^ Ausführungsgang, der in einem der Kegel endet;
d, Spinnkegel am Rande mit lans^r Spitze; e, grosser Spinnkegel nahe am hinteren
Rande ; e^, seine Spitze ; e^, Basalstiel ; e^, Einsetzungsring der Basis ; e*, in den
Kegel mündender Ausführungsgang ; /, Spinnpapillen ; g, bei den Erwachsenen mit
langen Spinnröhren besetzter Raum ; //, punktirte Linie , welche die Grenze dieses
Raumes gegen die Basis der Spinnwarze hin ungefähr umschreibt.
wie unsere Zeichnung sie giebt. Man sieht dann freilich nur das
Spinnfeld der einen Warze und von der gegenüberstehenden nur die
chitinöse, stark behaarte Ausseufläche. Das Spinnfeld selbst ist keil-
förmig zugeschnitten und nur auf der Innenfläche entwickelt, die im
236 Arthropoden.
Ruhezustande unmittelhar auf der mittleren Spinnwarze aufliegt. Man
sieht auf diesem Felde Kegel, kurze und lange Spinnröhren. Letztere
aber scheinen sich nur bei der letzten Häutung zu entwickeln. Wir
haben wenigstens Kreuzspinnen gesehen , wo sie vollkommen fehlten,
so dass man mit grosser Leichtigkeit die Anordnung der beiden anderen
Elemente untersuchen konnte. Unsere Zeichnung (Fig. 108) stellt ein
solches Feld dar. Wir haben den Raum , den die langen Spinn-
röhrchen bei älteren Exemplaren einnehmen, mit einer punktirten
Linie umgrenzt.
Auf der Mitte des Feldes sieht man 19 kurze Spinnpapillen (/)
mit breiter Basis, kurzer Spitze, die kaum so hoch ist als die Basis
und dieser mit einem verdickten Ringe aufsitzt. Sie stehen etwas un-
regelmässig in drei, der Axe des Spinnfeldes parallelen Reihen. Am
vorderen Rande des Feldes stehen vier grosse Spinukegel, von welchen
drei (a, b, c) eine kurze, etwas nach innen eingestülpte Spitze haben,
während der dritte in der Reihe (d) eine sehr lange, feine Spitze zeigt.
Nach Buch holz und Landois münden in diesen Kegel eine baum-
förmige, in die anderen cylindrische Drüsen, deren Ausführungsgänge (c^)
sich leicht verfolgen lassen.
Hinter den Spinnpapillen, nahe am Rande der Warze, findet sich
ein enorm grosser Spinnkegel (e) mit umfassender Kegelbasis (e^) und
stumpfer Spitze (e^) , in welchen der weite Ausführungsgang (e^) einer
cylindrischen Drüse mündet.
In dieser Weise stellt sich das Spinufeld bei Exemplaren dar,
welche noch nicht die letzte Mauser überstanden haben. Aber bei
den alten Kreuzspinnen findet sich noch ein wahrer Wald von langen
Spiunröhren, denjenigen der mittleren Spiunwarzen ähnlich, welche
nicht nur den auf der Figur umschriebenen Raum (]i) , sondern auch
den Platz zwischen den Papillen und dem Rande der Warze {g) so
dicht besetzen , dass man den grossen hinteren Spinnkegel e kaum
herausfinden kann. Wir machen ganz besonders auf diesen Unter-
schied zwischen jüngeren und älteren Individuen aufmerksam, den wir
auf zahlreichen Exemplaren , die alle in derselben Weise behandelt
waren, constatiren konnten.
Buchholz und Landois unterscheiden drei Arten äusserer
Spinnwerkzeuge, die langen Spinniöhrcheu, die kurzen, die wir Spinn-
papillen genannt haben, und die Spinnkegel oder Spinnzapfen. Man
kann diese Eintheilung wohl annehmen , aber immerhin mit der Ein-
schränkung, dass Uebergänge zwischen diesen verschiedenen Bildungen
vorkommen.
Die Spinn röhren, die man, wie gesagt, auf den mittleren und
hinteren Warzen antrifft, sind wie alle anderen aus zwei Theilen, einer
Basis und einer Spitze zusammengesetzt. Der Basaltheil gleicht einem
Glasröhrchen mit dicken Wänden; man sieht in ihm die Fortsetzung
Aracliniden. 237
eines Ausführungsganges einer birnförmigen Drüse. Das Röhrchen
endet plötzlich ringförmig abgeschnitten und trägt auf dem etwas ein-
geschlagenen Ringe die feine Endspitze, deren Höhlung die Fort-
setzung des.Drüsenganges ist, der mit einem kaum erkenntlichen Löch-
lein auf der Spitze endet. Das Basalröhrchen kann sich aber be-
deutend verkürzen und in der Mitte des Spinnfeldes der mittleren
Warze findet man solche Röhrchen , die zu einem Ringe geschwunden
sind.
Wenn dieser Ring sich etwas verbreitert und einen abgestumpften
Kegel bildet, so haben wir die Spinnpapillen, wie sie sich auf der
vorderen und im Centrum des Spinnfeldes der hinteren Warze finden.
Die abgestumpfte Kegelbasis ist am distalen Ende etwas nach innen
eingebogen und auf diesem Riugkragen sitzt die oft leicht gekrümmte
Spitze, die auf den Röhrchen stets gerade ist. Man sieht auf dem
Ende der mittleren Spinnwarze hier und da Bildungen, welche eine
Mittelform zwischen Röhren und Papillen darstellen.
Die Kegel zeigen eine den Papillen ähnliche, aber weiter ent-
wickelte Strtictur. Ein abgestumpfter, sehr dicker Kegel bildet die
Basis; der distale Ringkragen ist nach innen eingestülpt und bildet
so einen beutelartigen Fang für die massive Basis der Spitze, welche
meist distal abgestutzt scheint. Mit Immersionslinsen glauben wir
gesehen zu haben, dass die Spitze sich nach innen einstülpt. Wir
glauben deshalb , dass die einzelnen Theile des Spinnkegels, etwa wie
die Theile eines Fernrohres, in einander geschoben werden können,
wenigstens bis zu einem gewissen Grade, die Spitze in ihren Hohlraum
und der ganze Endtheil in den basalen Kegel,
Wir zählen auf jeder vorderen Spinnwarze einen Kegel, je zwei
auf jeder mittleren, je vier auf jeder hinteren Spinnwarze, also 14 im
Ganzen, in welche sich die Ausführungsgänge der baumartigen und
cylindrischen Drüsen vertheilen. Die anderen Bildungen, Röhrchen
und Papillen, nehmen die Gänge der birnförmigen Drüsen auf. Wir
haben an den Ersatzkegeln auf den vorderen und mittleren Spinn-
warzen keine sich zu ihnen begebende Ausführungsgänge entdecken
können.
B. Innere Theile (Fig. 109 a. f. S.). — Die Spinndrüsen
bilden einen bedeutenden Theil der Eingeweide des Bauches. Sie füllen
fast gänzlich den Raum zwischen dem Tegumente der Unterfläche und
den grossen Längsmuskeln, erstrecken sich bis in die Nähe des Bauch-
stieles und verknäueln sich in fast unentwirrbarer Weise. Buchholz
und Landois haben sie sehr genau untersucht (1. c). Wir unter-
scheiden mit ihnen drei Arten von Spinndrüsen.
Die birnförmigen Drüsen (Glandulae aciniforuies, H.Meckel)
(k, 7, m, Fig. 109) bilden jederseits drei Packete, eines für jede Spinn-
warze. Sie sind in der That biruförmig, am distalen Ende abgerundet
238
Arthropoden.
Fm. 109.
E]jeira diadema. — Gesammtpräparat der Spinndrüsen und der Tracheen. G u n d -
lach, Oc. 1, Obj. 00. Combinirte Figur, welche die Organe von der ventralen Seite
her zeigt. Man hat nur das Tegument des Aft^rfeldes belassen und die inneren
Organe ausgebreitet. Um den Ueberblick zu erleichtern, hat man auf der rechten
Seite nur die cylindrischen und birnförmigen Drüsen gezeichnet, die Packete der letz-
teren nur angedeutet und die Spinnwarzen dieser Seite ausgeführt. Linkerseits sind
nur drei baumförmige Drüsen vollständig und von zweien nur die Ansführungsgänge
dargestellt und die Spinnwarzen nur durch Conturen angedeutet. a , mittleres
Tracheenpaar ; 6, seitliches Tracheenpaar ; c, Tracheenvorhof mit seinen seitlichen
Chitinstützen und der Oeffnung in Form einer Quersjialte ; cZ, Chitiudorn ; e, Warze
(rudimentäres Cribellum); /, vordere Spinnwarzen; g, mittlere; ä, hintere; z, After-
warze ; Ä-, vorderes Packet von birnförmigen Drüsen ; /, mittleres Packet ; m, hinteres
Packet (alle diese Gruppen sind weit zahlreicher, aber um Verwirrung zu verhüten,
hat man nur wenige Drüsen gezeichnet) ; n , der vorderen Spinnwarze angehörige
Cylindei'drüse ; o, p, q, zu der mittleren und hinteren Spinnwarze gehörige Cylinder-
drüsen ; r, baumförmige Drüsen ; r', Ausführungsgänge von zwei nicht dargestellten
« baumförmicjen Di'üsen.
Arachniden. 239
und gehen, sich zuspitzend, in einen sehr feinen Ausführungsgang über,
der sich nach kurzem, meist geradem Verlaufe zu einer Spinnröhre
oder Papille hegiebt. Die zu je einer Spinnwarze gehörenden Canäle,
die eine feine Hülle haben, bilden zusammen ein Bündel. Der Drüsen-
körper zeigt sich, je nach seiner Füllung, mehr oder minder ge-
schwollen ; das relativ sehr mächtige Epithelium bildet eine Art Kappe
um ihn, die mit scharfer Grenze an dem Ausführungsgange aufhört.
Die Seide, welche die Höhle des Drüsenkörpers und den Gang ausfüllt,
erscheint unter dem Mikroskope als ein homogener, stark lichtbrechen-
der Stoff, Wir müssen hier den Anfänger vor einer Täuschung
warnen, welcher er leicht verfallen kann. Das Epithelium löst sich
sehr leicht von dem Drüsenkörper ab, von dem dann nur die Aus-
füllung mit erhärteter Seide zurückbleibt. Ein solcher Abguss zeigt
eine Menge kleiner, warziger Erhöhungen, welche beweisen, dass das
Ei^ithelium auf seiner Innenseite entsprechende hohle Eindrücke zeigt.
Diese Abgüsse haben oft eine verlängerte, cylindrische Form (einige
solcher Abgüsse sind in dem hinteren Packete [m, Fig. 109] dar-
gestellt) , wenn die Drüse nicht sehr voll war. Jedes Packet enthält
bis zu hundert Drüsenkörper.
Die cylindrischen Drüsen (», 0, }), q, Fig. 109) sind jeder-
seits vier an der Zahl, je eine für die vordere und mittlere und
zwei für die hintere Spinnwarze. Diese sehr langen und in ihrer
distalen Hälfte weiten Röhren haben einen sehr gewundenen und unter
sich verschlungenen Verlauf. Man kann keinen Schnitt durch den
Hinterleib legen, ohne einige Schlingen derselben zu treffen. Sie be-
ginnen mit einem abgerundeten blinden Ende, bleiben auf der grössten
Strecke ihres Verlaufes cylindrisch und erweitern sich unmittelbar vor
dem Uebergange in den Ausführungscan al zu einer meist spindel-
förmigen Sammelblase , die je nach dem Grade der Füllung mit Seide
mehr oder minder bauchig erscheint und zuweilen (n, Fig. 109) auf
sich selbst gewunden erscheint. Wir haben diese Erweiterung stets
vorgefunden, zuweilen aber so wenig entwickelt, dass die Röhre fast
überall die gleiche Weite besass. Auch bei diesen Drüsen hört das
Epithelium mit scharfer Grenze am Beginne des Ausführungsganges
auf. Der Gang selbst zeigt eine auffallende Bildung. Er wird rasch
sehr eng, zeigt sich nur von einer feinen Haut umgeben und
steigt, oft Schlingen bildend, zu der ihm zugetheilten Spinnwarze
herab. In der Nähe derselben angelangt, bildet er immer in der-
selben Hülle eine scharfe Schlinge, steigt wieder bis zum Drüsen-
körper empor, schlägt sich aber dort von Neuem nach unten, um nun
direct zur Spinuwarze zu gehen. Man sieht also auf dem grössten
Theile der Erstreckung des unter geringen Vergrösserungen schein-
bar einfachen x^usführungsganges drei Canäle in der gemeinschaft-
lichen Hülle.
240
Arthropoden.
Die bäum form igen oder lappigen Drüsen (r, r , Fig. 109)
sind ziemlich voluminös und scheinen auf den ersten Blick sehr ab-
weichend von den anderen gestaltet. Es finden sich fünf auf jeder
Seite, eine für die mittlere, die vier anderen für die hintere Spinn-
warze. Es sind gehäufte Drüsen mit hohlen Läppchen und secundären
Ausbuchtungen, die sich um einen weiten Innenraum gruppiren, in
welchem der Ausführungsgang plötzlich mit etwas trichterförmig
erweitertem Eingange beginnt. Dieser ziemlich weite und geschlän-
gelte Ausführungsgang ist auf seinem ganzen Verlaufe von einer Fort-
setzung des Drüsenepitheliums umgeben, das einzelne Buckel und war-
zige Erhöhungen bildet, die eine gelblichbraune Färbung zeigen.
Durch diesen Ueberzug lassen sich die Ausführungsgänge der baum-
förmigen Drüsen leicht unterscheiden.
Wenn auch die Spinndrüsen hinsichtlich ihrer äusseren Gestaltung
sehr verschieden sind, so zeigen sie doch viel Uebereinstimmung in
Fig. 110.
A B
Epeira dladema. — Querschnitte der Wand einer cylindrischen Drüse. Leitz, Oc. 1,
Obj. 7. Camera lucida. A, Füllungszustand; B, leerer Zustand, a, äussere Hüll-
haut ; b, Zellenschicht ; c, Kerne ; d, innere Grenzmembran ; e, Tröpfchen, die Zellen
füllend ; /, feinere Granulationen.
ihrem inneren Bau. Man unterscheidet in ihren Wänden drei Schich-
ten: eine sehr dünne, äussere Hülle (a, Fig. 110), in welcher man hier
und da abgeplattete Kerne antrifft und dann eine mittlere Zellen-
schicht von sehr wechselndem Ansehen und Dicke. Auf den distalen
Enden der cylindrischen Drüsen ist die Schicht besonders mächtig,
ebenso auf den birnförmigen, wenn ihre Form noch cylindrisch und
ihre Innenhöhle noch nicht durch die Absonderung bauchig aufgetrieben
ist. Meist ist diese Schicht mit kleinen , tropfenartigen Körperchen
oder Bläschen von etwa gleichem Durchmesser, die sich lebhaft färben,
so sehr überfüllt (J, Fig. 110), dass von einer weiteren Structur nichts
zu erkennen ist. Doch stehen diese Tröpfchen meist in radienförmiger
Arachniden.
241
Fig. 111.
Anordnung von dem Centrum nach aussen, wo sie feiner werden.
Wenn aber die Tröpfchen fehlen, so sieht man, dass die Mittelschicht
(B, Fig. 110) aus sehr langen Zellen besteht, deren Grenzen sich sehr
deutlich erkennen lassen; ihr Protoplasma ist dann feinkörnig und an
dem inneren, der Drüsenhöhlung zugewendeten Ende liegt ein ovaler
Kern, dessen grosse Axe derjenigen der Zelle parallel läuft. Die innere
Auskleidung der Zellenhöhle (d, Fig. 110) ist chitinöser Natur und
lässt keine weiteren Structurelemente erkennen. Man sieht oft in ihr
die erwähnten Grübchen , welche durch den Absonderungsstoff aus-
gegossen werden. In den birnförmigen Drüsen hört diese Chitinschicht
in geringer Entfernung von dem Beginne des Ausführungsganges her
auf. Man kann dies V^erhältniss leicht durch Behandlung mit einer
schwachen Lösung von Aetzkali darthun, wodurch die äussere und
mittlere Schicht aufgelöst wird und die innere in Gestalt eines Trich-
ters übrig bleibt, der sich in den Ausführungs-
canal fortsetzt. Solche Präparate ähneln einiger-
niaassen einem nicht mit Aetzkali behandelten
Ausführungsgange der baumförmigen Drüsen,
wenn man von dessen Belag absieht, der aus
Epithelialdrüsenzellen besteht, welche kleiner
und runder sind, als die der eigentlichen Drüse
und sich mit bräunlichen Körnchen gefüllt
zeigen.
H. Meckel (siehe Literatur) hatte noch
knotige Drüsen erwähnt, die jederseits aus
einem dicken , verästelten und hier und da
knotig aufgetriebenen Stamme bestehen sollten.
Buchholz und Landois leugnen die Exi-
stenz dieses Drüsenpaares. Wir haben bei etwa
fünfzig untersuchten Exemplaren eines gefun-
den, wo ein Paar dicker, knotiger Röhren ohne
Verästelungen sofort durch ihre Grösse und ihre
schmutzig gelbbraune Farbe auffielen. Wir
halten dieselben für pathologische Veränderun-
gen cylindrischer Drüsen.
Männliche Geschlechtsorgane. A. Innere Organe. —
Die Hoden bilden zwei längliche, im vorderen Theile des Ab-
domens zwischen dem Teguraente und den unteren Längsmuskeln des
Bauches gelegene Säcke. Ihr hinteres blindes Ende hat die Form
einer Keule und erstreckt sich etwa bis in das Drittel der Länge des
Bauches. Die beiden, im Durchschnitte runden Säcke sind vollständig
von einander getrennt, verlaufen parallel mit der Mittellinie nach
vorn, indem sie sich allmählich verengern und gehen ohne bestimmte
Grenze in die Samenleiter über, die bis in die Nähe der beiden Lungen-
Vogt 11. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. IQ
Epeira diudema. — Skizze
der inneren männlichen Or-
gane, achtfach vergrössert.
a, Hoden; h-, Samenleiter;
c, Sammeltasche ; d, deren
Oeflfüunc!;.
242 Arthropoden.
spalten sich erstrecken. Hier angekommen , biegen die beiden Canäle
plötzlich in scharfem Bogen gegen die Mittellinie ein und vereinigen
sich in einer flascheuförmigen, gemeinsamen Tasche, deren mit stark
chitiuösen Lippen ausgestattete Oeffnung nach hinten gerichtet ist,
während die Samengänge in den nach vorn gerichteten Boden der
Sammeltasche münden. Ein querer Chitinwulst zieht sich von einer
Lungenöffnung zur anderen über die Oeffnung hin.
Man unterscheidet in der Wand des Hodens drei Schichten, von
welchen zwei, die äussere und innere, stets sehr deutlich sind, während
die mittlere, eine structurlose Lamelle, sich an vielen Stellen nicht
erkennen lässt. Die äussere ist eine aus platten, schwach granulirten
Zellen bestehende PeritonealhüUe; die innere Epithellalschicht zeigt
grössere Zellen, die stellenweise mit Granulationen überfüllt sind.
Nach Bertkau (siehe Literatur) kann man darin zwei Arten von
Zellen unterscheiden: grosse helle Samenzellen mit einem Kerne, die
vorzugsweise im blinden Ende des Sackes augehäuft sind und nach
Schminkewitsch (siehe Literatur) zu gigantischen Zellen mit
mehreren Kernen stellenweise anwachsen, und Körnchenzellen, die sich
besonders in der Nähe des Ausganges des Sackes finden xind allein das
Epithelium des Samenganges bilden.
Nach Bertkau sind die Zoospermen stecknadelförmig mit kurzem
Schwanzanhang.
Der Muskelapparat der Sammeltasche lässt sich leicht auf Schnitten
untersuchen; die Muskeln sind sehr klein und bestehen oft nur aus
wenigen Fasern. Auf der Seite der Tasche befindet sich ein kurzer
Muskel, der sich vor der Genitalsjjalte an das Tegument" ansetzt.
An die beiden Lippen der Spalte setzen sich feine Bündel an ; die der
oberen Lippe gehen vom Tegumente aus , die der hinteren Lippe
verschmelzen mit den Bündeln des grossen Längsmuskels des Bauches.
B. Begattungsorgane. Taster des Männchens (Fig. 112). —
Wir brauchen auf die Taster des Weibchens nicht zurückzukommen,
da sie bei der Begattung keine Rolle spielen. Wohl aber sind die
Taster des Männchens zur Ueberführung des Samens in die weib-
lichen Organe sehr bedeutend modificirt und verlangen demnach eine
eingehendere Betrachtung.
Man kann im Zweifel sein, ob diese Taster aus fünf oder sechs
Gliedern bestehen. Bei den jungen Männchen , welche die letzte
Mauser noch nicht bestanden haben, sind sie ebenso wie die weiblichen
Taster deutlich aus sechs Gliedern gebildet (Fig. 91), deren letztes eine
birnförmige Gestalt hat, an seiner Basis stark verdickt ist und an seiner
Spitze plötzlich mit einem etwas gekrümmten Wärzchen endet, das
keine Kralle trägt. Dieses Endglied ist rundum mit kurzen , ziemlich
dicken Haaren besetzt und zeigt keine Spur jener complicirten Bil-
dungen, welche, wie Bertkau (siehe Literatur) sehr klar auseinander-
Arachniden.
243
gesetzt hat, erst mit der letzten Häutung auftreten. Diese Bildungen
überwuchern aber die beiden letzten Glieder des Tasters in solcher
Weise, dass man diese als ein Ganzes ansehen kann, das wir den Be-
gattungsapparät nennen.
Das Basalsegment des Tasters, welches am Thorax zwischen dem
Kiefer und dem ersten Beinpaare eingelenkt (I, Fig. 112) ist, hat eine
fast kugelförmige Gestalt. Das zweite Glied (II) dagegen ist sehr
lang, cylindrisch und trägt einige wenige steife Haare am Aussenrande.
Im Innern zeigt es eine chitinöse Längslamelle zum iVnsatz der Mus-
Fig. 112.
V»
Epeira diadema. — Linker Taster des Männchens, von der ventvaleu Fläche gesehen.
Kalipräparat. Gundlach, Oc. 1, Obj. 2. Camera clara. I — IV, die vier Stiel-
glieder, vom Cephalothorax aus numerirt ; V, Basalsegment des Begattungsapparates
(fünftes Glied) ; Y', Einlenkung mit dem folgenden Gliede ; V", Lamelle ; V'", be-
haarter Stachel; a, äusserer Löffel, Nagelglied; ö, Zünglein; c, Gelenk; d, innerer
Löffel; d' , sein zum Gelenke von a laufender Rand ; e, Haken ; _/", äussere Mündung des
mit g bezeichneten Canals ; Ä, Haarwald auf dem Behälter ; i, äussere Hälfte ; h, innere
Hälfte des Behälters ; /, angeiförmiger Canal zwischen beiden ; »i, seine OefFnung ;
n, obere, von einem körnigen Wulste umgebene Oeffnung.
16*
244 Arthropoden.
kein. Das dritte Glied (IIT) ist wieder kurz, gekrümmt mit der con-
vexen Seite nach hinten, das vierte (IV) etwas länger, ist in entgegen-
gesetzter Richtung gekrümmt.
Auf diesem vierten Gliede sitzt mit schmaler Basis der Begat-
tun g sapparat (V) auf, der, in seinem Ganzen betrachtet, die Gestalt
einer dicken, mit ihrem Stiele auf dem vierten Gliede eingelenkten
Birne hat und an dem wir drei Theile unterscheiden, die Basis, den
mittleren Behälter und die distalen Löffel.
Wir beschreiben zuerst die Organisation, wie sie sich auf Kali-
präparaten darstellt. Es bedarf einer langen Behandlung in der
Wärme, um die Menge gesättigt braunen Pigmentes, die eine genauere
Untersuchung erschwert, wegzuschaffen. Nachdem man solche Prä-
parate studirt hat, untersucht man in verschiedenen Richtungen gelegte
Schnitte. Die Untersuchung lebender Thiere kann wegen des Pig-
mentes keine genauere Aufschlüsse geben; doch kann man bei ihnen
die Gegenwart von Spermatozoen, von Muskeln und die Ausstülpung
der Theile bei der Begattung nachweisen.
Der distale Löffeltheil besteht in der That aus zwei Chitin-
bildungen, die -unter einander und mit dem Behälter eingelenkt sind
und die Gestalt von zwei Löffeln oder gegenüberstehenden Backen
einer Kornzange zeigen. Der äussere Löffel {a, Fig. 112), auch
teguhim genannt, ist weitaus der giösste; er hat die Gestalt eines
krummen , innen hohlen Nagels und wird von einer dicken Chitin-
lamelle gebildet, die auf der Oberfläche schwarze Längsstreifen zeigt,
welche unter starken Vergrösserungen als erhabene, mit kleinen Körn-
chen besetzte Rippen sich darstellen. An seiner hohlen Lmenfläche
erhebt sich ein rundliches Kissen, mit starken aber durchsichtigen Chitin-
wänden, welches wir das Zünglein (5) nennen wollen. Der Löffel nebst
dem mit seiner Basis verwachsenen Zünglein ist an der äusseren Fläche
des Behälters (c) so eingelenkt, dass er sich in die Aushöhlung des
inneren Löffels (d) einlegen kann. Dieser letztere ist dünn, häutig,
aber weit und setzt sich mit seiner Basis zu beiden Seiten (d') um
den äusseren Löffel nach hinten bis zur Einlenkungsstelle desselben
fort. Er umschreibt auf diese Weise eine weite Höhlung, die mit dem
äusseren Löffel, wie mit einem Deckel, geschlossen werden kann.
Der äussere Löffel wird noch durch einen grossen Haken (e)
verstärkt, den Embolus der Autoren, dessen feste Wände aus schwarzer
Chitinmasse gebildet sind und der so gebogen ist, dass er bei der
Niederlegung sich genau in die Ausbuchtung des inneren Löffels ein-
legt. Die Basis dieses Hakens hängt mit derjenigen des Züngleins
zusammen. Er wird in seiner ganzen Länge von einem Canale (g)
durchsetzt, der in seinem erweiterten Theile den Samen enthält, al#o
Samenbehälter {Heceptacuhmi semims) ist. Es scheint uns, als ob
dieser Canal unterhalb des Löffelgelenkes mit einer Oeffnung (/) nach
Arachniden. 245
aussen münde, die von einem etwas aufgewulsteten Chitinringe um-
geben ist. Nacti Wagner (siehe Literatur) ist dieser Behälter nach
hinten geschlossen und nur durch den feinen Porus an der Spitze des
Hakens nach aussen geöffnet. Durch diese Oeffnung soll der Samen
durch Capillarität aus der Sammeltasche des Genitalapparates auf-
gepumpt werden. Es will uns scheinen, als ob die erwähnte Oeffnung
zu diesem Zwecke diene, dass sie aber mechanisch geschlossen werde,
sobald bei der Ausstülpung während der Copulation der Nagel sich hebt.'
Die Organisation der Behälterregion lässt sich nur schwer
entwirren, da sie , namentlich auf ihrer Innenfläche, mit einem Walde
steifer, langer Haare bedeckt ist (/*), während die Löffel durchaus
haarlos sind. Sie hat die Gestalt eines Kegels, auf dessen Basis die
Löffel eingelenkt sind. Die distale Hälfte des Kegels zeigt auf der
Innenseite Verdickungen in Gestalt spiralförmiger Chitinfäden (/),
welche an die Spiralfäden der Tracheen bei den Insecten erinnern,
aber in der That chitinisirte Muskelfasern sind. Zwischen den Bün-
deln dieser Fäden sieht man an der Basis des inneren Löffels eine
körnige, gelappte Masse, welche eine Oeffnung (n) umgiebt. Am
proximalen Ende der äusseren Bündel tritt ein Caual (?) hervor, welcher
sich wie eine Angel nach vorn krümmt und mit einer von einem Wulste
umgebenen Oeffnung (m) in die von den inneren Faserbündeln um-
gebene Höhlung mündet.
Nach diesen an Kalipräparaten gemachten Beobachtungen besteht
der Behälter aus zwei Theilen: einem grösseren dorsalen, welcher eine
weite Oeffnung auf dem Grunde der zwischen den beiden Löffeln aus-
geweiteten Höhlung besitzt und durch einen gekrümmten Canal mit
dem kleineren, ventralen Sacke coramunicirt. Nach Wagner ist der
ganze Behälter eine weite Blutlacune, die durch chitinöse Scheide-
wände in mehrere Abtheilungen getrennt ist und bei der Begattung
durch den Druck des in ihr enthaltenen Blutes den Haken und die be-
nachbarten Theile nach aussen vorstülpen soll.
Mit seinem verengten Stiele ruht der Behälter aiif dem Basal-
stücke (V), welches zugleich die Rolle einer Deckschuppe spielt. Nach
vorn verbreitert sich dieses Stück in eine dünne , durchsichtige und
ausgehöhlte Lamelle (V") und sendet nach vorn einen starken, eben-
falls gekrümmten Dorn aus (V"), der mit langen, starren Haaren be-
setzt ist. Wenn die vorderen Theile des Tasters etwas zurückgezogen
sind, legt sich dieser Deckapparat dicht auf ihre äussere Fläche an und
vervollständigt so mit den auf der inneren Fläche und dem Gelenke
des Behälters entwickelten Haaren den Borstenbesatz des Tasters.
Weibliche Geschlechtsorgane. A. Innere Organe. —
Der Eierstock hat die Gestalt eines von oben nach unten etwas ab-
geplatteten Sackes, der unter dem Darme auf den ventralen Längs-
muskeln liegt; seitlich ist er von Spinndrüsen und Leberlappeu um-
246 Arthropoden.
geben. Sein blindes Ende verschmälert sich allmählich nach hinten.
Auf der Rückenfläche zeigt sich eine seichte Längsrinne, die sich
nach vorn hin mehr und mehr vertieft, während die unmittelbar
auf den Längsmuskeln ruhende Unterfläche etwas gewölbt erscheint.
Durch die Vertiefung der Längsrinne wird der Sack in zwei vor-
dere Zipfel getheilt, die sich ganz trennen und in die Eileiter fort-
setzen.
Das Volumen des Eierstockes wechselt ausserordentlich, je nach
der Jahreszeit; zur Zeit der Reife der Eier erfüllt er grossentheils die
Leibeshöhle und drückt die übrigen Organe in der Weise zusammen,
dass die Leber bedeutend schwindet. Da sein Gewebe durch die här-
tenden Reagentien sehr spröde und krümlich wird, ist es nur schwer,
gute Schnitte zu erhalten.
Die Wände des Ovariums zeigen oft nach innen vorspringende
Falten, welche die innere Höhle in einzelne Kammern theilen, die in-
dessen niemals vollständig abgeschieden sind. Man sieht aufschnitten
innerhalb einer feinen Peritonealhülle eine Schicht cylindrischer Zellen
von fast gleicher Höhe, die eine körnige Masse bedecken, welche aus
kleinen, runden, braunen Körnchen besteht. Die Zellenschicht bildet
die Falten, welche sich nach innen einschlagen; sie ist von einer feinen
Grenzmembran bedeckt und häufig durch dieselben braunen Körnchen
gefärbt. Die Eichen individualisiren sich nach und nach in der Zellen-
schicht an der Wand, mit der sie noch lange Zeit durch einen breiten
Stiel zusammenhängen. Man unterscheidet deutlich in ihnen eine
äussere Eigenwand und einen centralen Kern mit einem Kernkörperchen
im Inneren, das meist mit dunklen Körnchen erfüllt ist; zuweilen
erblickt man aiTch einen oder zwei helle runde Kerne ohne Kern-
körperchen. Das Protoplasma ist höchst fein granulirt. Ein Dotter-
kern, wie er sich bei anderen Spinnen findet, entwickelt sich niemals
in den Eiern der Kreuzspinne.
Das Ausführungssystem ist ziemlich complicirt.
Die Eileiter sind verengerte Fortsetzungen der Wand des Eier-
stockes, die unten an der Vorderfläche desselben sich loslösen und nach
kurzem Verlaufe in einen queren Uterus (a, Fig. 113) eintreten, in dessen
Höhle sie an der Hinterfläche der seitlichen Zipfel einmünden. Von
der Unterfläche dieser dickwandigen Sammelhöhle geht ein Canal ab,
der Scheidengang (?)), der sich nach unten gegen die Ventralfläche
des Abdomens wendet, nachdem er vorher noch eine kleine ventrale
Ausbuchtung gebildet hat, die drüsiger Natur scheint und sich dann in
zweiCanäle theilt, von welchen der eine, der Scheid enc anal (c), die
Richtung nach unten beibehält, hart an dem Strahlenpolster des I^e-
gattungsapparates, von dem wir später sprechen werden, vorbeistreicht
und sich in einem stai-k chitinisirten Wärzchen nach aussen öffnet.
Nach Schimkewitsch soll dieser Gansf seitlich sich in das Strahlen-
Arachniden.
247
polster öfiFnen. Wir haben uns von dieser Yerbindnng nicht über-
zeugen können.
Der zweite, sehr kurze Ast des Scheidenganges öffnet sich in die
Scheide (/) selbst, etwa in der Hälfte ihrer Erstreckung. Denn diese
spaltförmige Höhle, die nach unten in der medianen, queren Genital-
spalte nach aussen mündet, setzt sich nach oben tief in die Gewebe
des Abdomens in Form einer Spalte fort, die anfangs sehr eng und
von stark gefalteten Chitinwänden eiugefasst ist, dann sich aber
erweitert und schliesslich eng endet. Die Wände dieser Scheiden-
d. o
Fig.
113.
a
a
n.
^55>^
Sagittalschuitt der weibliclieu Oi'gane. Leitz, Oc. 1, Obj. 0. Cameva lucida.
a, Uterus ; «', braunrothe Körner in seiner Höhle ; b , Scheidengang ; c, mittlere
Drüsenausstülpung, gestreift ; d, Scheidenbucht ; e, Scheidencanal ; e', seine äussere
OefFnung; _/", Genitalspalte (Scheide); g. Chitin warze ; 7^, Samenbehäller , gestreift;
i, Strahlenpolster; Ä-, /, m, Muskeln; «, n, Leberlappen; o, crlindrische Spinndrüsen,
durchschnitten ; p, Tegument der hinteren Abtheilung des Abdomens ; q, der vorderen
Abtheilung; r, äussere Schicht des Tegumentes, durch den Druck des Messers etwas
abcjelöst.
bucht ((?) zeigen sehr eigenthümliche Chitinbildungen, von welchen
weiter unten die Rede sein wird.
Die Wand des Uterus wird von einer Schicht sehr hoher und
gleichförmiger Zellen gebildet, welche dicht zusammengedrängt eine
dicke Schleimhaut erzeugen. Die Wände dieser Zellen sind sehr
248'
Arthropoden.
deutlich, das Protoplasma schwach körnig, der in der Mitte gelegene
Kern oval mit seiner Längsaxe derjenigen der Zelle parallel. In den
Höhlen des Eileiters wie des Uterus findet sich stets eine krümliche,
aus braunrothen runden Körnern von gleicher Grösse gebildeten Masse.
Der Uterus ist von einer Muskelhaut umgeben, deren Bündel in fast
gleichen Abständen von einander gelagert sind.
Die Wände der verschiedenen Canäle des Scheidensysteras haben
nicht überall den gleichen Bau. Die Vorderwand des Scheidenganges
zeigt sich auf einem Längsschnitte (jB, Fig. 114) stark gefaltet und ein-
Fio-. 114.
a. b c
Eipdra diadema. ■ — Einzelheiten der weiblichen Organe. Leitz, Oc. 3, Obj. 7.
Camera lucida. A, Wand des Uterus, Querschnitt. u, äussere Hülle ; 6, innere
Grenzmembran ; c, Zellen ; d, Kerne. B, Scheidengang, Längsschnitt, a, chitinogene
Schicht; b, innere Falten. C, Scheidenbucht, Querschnitt, a, chitinogene Schicht;
&, lamellöse Chitinschicht ; c, innere baumartige Chitinbildungen.
gebuchtet; vielleicht halten sich die Zoospermen in diesen Buchten
zwischen den Chitinblättern auf, welche aiif einer lamellösen Chitin-
schicht aufsitzen. Die chitinogene Schicht darunter zeigt sehr lange
Zellen , die zuweilen fächerförmig gestellt sind. Die Hinterwand des
Arachniden. 249
Ganges ist ebenfalls chitinös , aber vollkommen glatt und oliue Aus-
buchtungen , während die chitinogene Schicht hohe Zellen von gleicher
Länge zeigt, die einen leicht erkenntlichen, in der Mitte gelegenen,
dorsalen Kern besitzen, dessen grosse Axe horizontal gerichtet ist.
Die Scheidenbucht ist auf ihrer ganzen Erstreckung mit einer
dicken Chitinhaut ausgekleidet, die verästelte Bäurachen trägt, deren
Zweige oft mit denen der benachbarten Bäumchen verschmelzen. Die
ganze Bildung gleicht vollkommen derjenigen, welche man auf den
Wänden der Lungenhöhle findet. Die chitinogene Schicht zeigt hohe
Cylinderzellen.
Die Muskeln des Genitalapparates sind wenig zahlreich. Einige
Forscher haben zarte Muskelfasern in der Wand des Eierstockes selbst zu
sehen geglaubt. Jedenfalls steckt der Uterus gewissermaassen in einem
musculösen Sacke. Ein langes Muskelband zieht sich von der Scheiden-
bucht zur Bauchwand hin längs der Hinterwand der Genitalspalte. In
der Vorderwand dieser Spalte unterscheidet man einen Quermuskel
und einen senkrechten Muskel , der sich nach oben an den Scheiden-
canal, nahe am Austritte desselben aus dem Uterus und nach uuteu
an die Genitalplatte festsetzt.
B. Die äusseren Geschlechtsorgane des Weibchens
(Fig. 115 a. f. S.) liegen auf der ventralen Fläche des Hinterleibes in ge-
ringer Entfernung von dem Stiele und den Hüften des letzten Bein-
paares, zwischen dessen Hüften der Samenbehälter sich mit seiner
Spitze im höchsten Grade der Erection einlegt. Dieser geht von einem
kegelförmigen, in der Mittellinie gelegenen, stark vorspringenden Hügel
aus, an dessen Rand die beiden, zu den Lungeusäcken führenden
Querspalten reichen.
Zur Untersuchung dieser Theile muss man reife Weibchen aus-
wählen, welche die letzte Mauser überstanden haben. Bei jüngeren
Thieren sind die Organe noch rudimentär. Aetzkali dient zur Auf-
hellung der stark pigmentirten Theile.
Der Genitalhügel ist von einem starken Chitinwalle (D, Fig. 115)
rings umgeben, mit Ausnahme des hinteren Schlusses, wo der Wall
sich in zwei Schlingen (g) krümmt, die einen dreieckigen Raum (?j frei
lassen, der in den Samenbehälter führt. Die Eintrittsstelle wird von
einer abgerundeten, sehr dicken Chitinlippe (h) überdeckt, deren Ecken
sich flügeiförmig erweitern und nach innen gegen die Mitte der
Strahlenpolster (/) sich fortsetzen. Diese Polster bilden in der That
dicke Massen, die von radienartig gestellten Porencanälen durchbohrt
sind und auf der Mitte des Polsters, wo man sie von oben sieht, als
Punkte sich darstellen, während man im Umkreise die strahlige An-
ordnung der Canäle sieht. Indessen ist diese Peripherie nicht voll-
ständig, da der entsprechende Schenkel des Lippenwulstes sich in eine
Kerbe einsenkt. In der Profilansicht sieht man, dass das beschriebene
250
Arthropoden.
Polster nach innen und etwas nach hinten von dem Apparate gelegen
ist, welcher die beiden Oeffnungen der Scheidencanäle urngiebt. Die
beschriebene Lippe mit den beiden Polstern scheinen einen elastischen,
federnden Apparat zu bilden, welcher im Ruhezustande die in den
Samenbehälter führende Oeflfuung schliesst. — Dieser Behälter
(C, Fig. 115) bildet einen langen, an der Basis etwas weiteren, aus-
dehnbaren Schlauch mit dicken Wänden, der sich gegen sein blind
Fig. 115.
i--«^
Epeira dladema. — Aeussere weibliche Geschlechtstheile von der Bauchfläche. Kali-
präparat. Gundlach, Oc. 1, Obj. 2. Camera clara. Auf der linken Seite des Ge-
schlechtsschildes hat man die Theile so gezeichnet, wie sie sich bei niedrig gestelltem
Fociis zeigen, während ^uf der rechten Seite die Theile bei oberflächlich gestelltem
Focus gezeichnet sind. A, ümriss der Körperwand; B, weit geöffnete Athemspalte
mit Andeutung der Lunge; C, Samenbehälter; X*, Geschlechtsschild, von einem Chitin-
wulste umgeben, a, Oeffiiung des Scheidencanales ; b, chitinöse Deckplatte desselben
mit einem Innenflügel d und einem nach innen umgekrempten Rande, der einen zahn-
förmigen Vorsprung c trägt; e, halbmondförmiges Porenpolster; /, inneres Strahlen-
polster ; g , krumme Handhabe des das Genitalscliild umgebenden Chitinwulstes ;
h, starke Chitinlippe, die nach vorn die Eingangsöffnung deckt und mit zwei seit-
lichen Handhaben sich mit dem Strahlenpolster verbindet; k, Basis des Samen-
behälters ; i, seine etwas gebogene Spitze.
Arachniden. 251
geschlossenes Ende, das meist etwas gegen den Baacli gekrümmt ist,
allmählich verengert. Die ^Yände zeigen starke Querfalten , die wie
vorspringende, um den Schlauch gelegte Reifen aussehen. Auf der
dem Bauche zugewendeten Fläche und an der Spitze des Organes
stehen einige steife Haare. Das Volumen und die Ausdehnung des
Schlauches wechseln ungemein; wir haben ihn bei einzelnen Individuen
in Form eines sehr kurzen und dicken Kegels , eines Kerzenlöschers,
bei anderen wieder in der gezeichneten Gestalt gesehen. Meist ist die
Spitze des Schlauches nach vorn gerichtet und reicht zuweilen fast bis
auf die Mitte des Brustschildes; in anderen Fällen ist er nach hinten
übergeschlagen. In einem Präparate, welches wir besitzen, ist das
Gebilde so zusammengefaltet, dass man zwei au ihrer Basis zusammen-
hängende Schläuche sieht, welche der Figur, die Bertkau (siehe
Literatur) von dem angeblich doppelten Samenbehälter von Lini/phia
macrognatha gegeben hat (Taf. 7, Fig. 16 von Bertkau), so ähnlich
sehen, dass man glauben könnte, diese Figur sei unserem Präparate
entnommen.
Die beiden runden Scheidencanalöffnungen (fl) liegen seitlich
vor der Eingangsspalte des Samenbehälters, mit dessen Stützgebilden sie
durch ein sehr complicirtes Chitingerüst verbunden sind. Der vor-
tretende Ring, der eine jede dieser Oeffnungen umgiebt, erweitert sich
zu einer durchsichtigen Platte (5), welche die Oeff'uung grossentheils
deckt und krümmt sich nach innen ein, um eine Art Tasche zu bilden,
deren Rand ein scharfes, spitzes Zähnchen zeigt (c). Der Ring erweitert
sich noch gegen die Mittellinie hin in eine dünne, runde Platte (f?)
und stützt sich, nach hinten und aussen, auf eine halbkreisförmige,
punktirte Platte (e), deren Umwallung mit ihm in directer Verbindung
steht. Ausserdem verbindet sich noch der Ring an seinem hinteren
Innenrande mit der Schlinge des Umfassungswalles {g) , die wir oben
beschrieben haben, durch einen starken, gekrümmten Chitinstab, den
man bei der Seitenansicht sehr gut verfolgen kann.
Die verschiedenen Hautwechsel sind von mannigfaltigen Modifica-
tionen dieses Apparates begleitet. Bei sehr jungen Weibchen haben
wir nur eine Querspalte gesehen, die mit ihren Ecken fast mit den
Athemsj^alten zusammenfiel; dann fanden wir bei anderen Exem-
plaren chitinöse Bogenspangen am Rande dieser Spalte, von welchen
die mittlere einen Raum umschrieb, welcher der Eingangsöffnung des
Samenbehälters entsprach, während zwei seitliche Kreisbildungen den
Polstern und den Scheidencanalöffnungen entsprachen ; bei noch anderen
sahen wir diese Bildungen von einem noch sehr kleinen, zarten, aber doch
schon quergefalteten Behälter in Form eines Kegels überragt. In allen
diesen Fällen ist der Behälter leer, während er in dem entwickelten
Zustande, den unsere Figur darstellt, kurze, stecknadelförmige Sperma-
tozoen enthält.
252 Arthropoden.
Die Araneiden, zu welchen unsere typische Kreuzspinne geliört, zeigen
im Allgemeinen keine sehr bedeutende anatomische Verschiedenheiten. Wenn
die Haken der Cheliceren sich bei der Kreuzspinne , wie bei allen Dipneio-
monen, von aussen nach innen, oder wie bei Mygale, von oben nach unten
einschlagen , so bedingt dies ebenso wenig bedeutende Unterschiede in der
Organisation, als die grössere oder geringere Entwicklung der Giftdrüsen.
Die Kiefer, Taster und Beine zeigen überall denselben Grundplan des Baues
mit durch die verschiedene Lebensart bedingten Abweichungen. So haben
alle Orhitelen , die regelmässige Netze spinnen, zwei Ersatzkämme an den
Füssen, wie Epeira, wälirend diejenigen, welche filzige Netze machen, statt
dessen eine Bürste von steifen Haaren besitzen. Grössere Verschiedenheiten
zeigen sich im Spinn apparate selbst. Die Mygaliden haben meist nur zwei
grosse und ein Paar kleinere Spinnwarzen. Bei vielen Dipneumonen {Filis-
tata, Aynaurohius, Eresus etc.) findet man vorn zwischen dem ersten Spinn-
warzenpaare eine von zahlreichen , sehr feinen Poren durchsetzte Doppel-
platte, die ohne Zweifel ein äusserst feines Eilzgewebe absondert und be-
sonders bei den "Weibclien entwickelt ist. Jeder Porus stellt auf einem
dünnen, sehr kurzen Spinnröhrchen, in welches der Ausführungsgaug einer
winzigen , im Bau den birnförmigen Drüsen ähnlichen Drüse niündet. Das
Cribellum, Avie man diese Bildung genannt hat, besteht demnach aus zwei
abgeplatteten, von einem Chitinring umschlossenen Spinnwarzen und da die
unpaare , nur mit Haaren besetzte Warze , welche wir bei Epeira nach-
gewiesen haben, genau denselben Platz einnimmt, betracliten wir diese Warze
als eine dem Cribellum homologe aber verkümmerte Bildung. Bei denjenigen
Spinnen, welche ein Cribellum besitzen, findet sich noch eine eigenthüniliche
Bildung des vorletzten Gliedes des hintersten Fusses , der auf seiner oberen
Fläche eine Art Rinne zeigt, auf deren Rändern starke, krumme, abgeplattete
und gefiederte Haare in zwei Reilien stehen. Zuweilen (Dictyna, Dioti?na)
wird die Rinne durch eine vorspringende Kante ersetzt , die nur eine Reihe
solcher Fiederhaare trägt. Man hat diese Bildung das Calamistrum genannt ;
seine Entwicklung steht immer in genauem Verhältniss zu derjenigen des
Cribellum.
Das Nervensystem zeigt stets dieselbe Anordnung : eine ohne Zweifel
aus der Verschmelzung mehrerer primitiver Ganglienpaare hervorgegangene
Centralmasse, welche vom Schlünde durchbohrt wird, zu allen am und im
Cephalothorax gelegenen Organen Aeste und auch an den Magen einige
feine Zweige sendet und eine Verlängerung in den Hinterleib treibt, die sich
in zwei parallele Zweige spaltet, welche die Abdominalorgane versorgen und
bis zu den Spinnwarzeu sich verfolgen lassen. — Die Augen zeigen grössere
Variationen. Ausser den bei Epeira erwähnten Verschiedenheiten zwischen
den mittleren und den seitlichen Augen findet sich noch bei den Springern
[Salticus , Lycosa) ein metallisch glänzendes Tapetum , ähnlich demjenigen
vieler Säugethiere.
Der Verdauungsapparat mit seinen Anhängen (Saugmagen, Blinddärme,
Leber, Malpighi'sche Gefässe etc.) zeigt nur unbedeutende Variationen.
Um so bedeutender treten diese bei den Athemorganen hervor. Bei den
Tetrapneumonen {Mygale, Cteniza) finden wir zwei Paare von Lungen statt
eines, die hinter einander liegen, übrigens aber in gleicher Weise gebaut
sind, wie bei Epeira und jedes seine eigenen, unabhängigen Spaltöfthungeu
besitzt. Dagegen besitzen diese Vierlunger keine Tracheen oder Atheni-
röhren, wie alle anderen Spinnen sie besitzen. Nach Bertkau (siehe Lite-
ratur) zeigen diese Tracheen sehr verschiedene Entwicklungsstufen. Bei
den meisten sind sie, wie bei der Kreuzspinne, einfache, mit Körnchen ge-
füllte Röhrchen , welche in einem gemeinsamen , sehr engen, queren Stigma
Äracliniden. 255
unmittelbar vor den Spinnwarzen ausmünden. Meist finden sich zwei solclier
Eöhrchen jederseits, welche sich im Abdomen verzweigen (?) ; zuweilen ver-
schmelzen die mittleren mit einander und werden nach vorn hin weiter.
Dieses sehr einfache Traclieensystem complicirt sich bei den Thomisiden, wo
die Tracheen sich baumartig verästeln und bei den Aftisiden, wo sie seitliche
Pinsel bilden, die sich in zahlreiche feine Zweige auflösen. Endlich findet
mau hei den Dysderiden und bei Argyronda zwei getrennte Stigmen, die
weiter nach vorn hinter den Spaltöffnungen der Lungensäcke angebracht
sind und von welchen vordere und hintere Aeste abgehen, die sich in Pinsel
von sehr zahlreichen, feinen Zweiglein endigen. Bei diesen Gattungen
ersti'ecken sich die vorderen Tracheenäste bis in die Vordergegend des Ce-
phalothorax. — Der Kreislauf ist bei den verschiedenen Familien noch nicht
in vergleichender Hinsicht untersucht worden — unsere Kenntniss von dem-
selben ist fast ganz auf dasjenige beschränkt, was Claparede von Lyrosa
gezeigt hat, deren Bau in dieser Hinsicht dem von Epeira im Wesentlichen
gleicht (siehe Literatur).
Die inneren Geschlechtsorgane zeigen geringe Verschiedenheiten. Die
Endschläuche der Hoden gehen , allmählich dünner werdend . in die Samen-
gänge über, wie bei unserer Kreuzspinne , oder die Schläuche schnüren sich,
wie in den meisten Fällen, plötzlich gegen die Samengänge ab. Die Zoo-
spermen haben meist die Form kurzer, dicker Stecknadeln mit gekrümmten
Schwänzen; bei Pholcus , ■ Oleterus , Tefragnathiis sind sie kugelförmig. Bei
Segestria allein hat man auch kugelförmige Spermatophoren gefunden. —
Die Ovarien zeigen im Wesentlichen überall denselben Bau : die Eier tragenden
Theile sind bei Segestria und Oleferus zu einem Ringe verschmolzen. — Die
äusseren Begattung'sorgane dagegen , die Taster des Männchens und die
Samenbehälter zeigen die auffallendsten Verscliiedeiiheiten , über deren Ein-
zelheiten wir auf die Schriften von Menge, Bertkau und Her man ver-
weisen (siehe Literatur).
Die Entwicklung der Eier und der Embryonen ist von Herold, Clapa-
rede, Balbiani, Barrois und Balfour untersucht worden (siehe Lite-
ratur).
Die grosse, vielgestaltige Gruppe der Arihrogastra zeigt zahlreiche Varia-
tionen , welche sich im Allgemeinen auf die Gestaltung des deutlich ge-
gliederten Hintei'leibes beziehen , der mit breiter Basis dem Cephalotliorax
ansitzt. Die inneren Organe , Nervensystem , Herz , Darm etc. verlängern
sich in der That um so mehr, je mehr der Hinterleib sich auszieht; bei den
Phalangiden. und Solifugen, die in dieser Beziehung mehr den Spinnen gleichen,
bleiben die Organe kurz und gedrängt, während sie bei den anderen sich
ausdehnen und bei den Scorpionen Gestaltungen annehmen, die an diejenigen
der langgeschwänzten Krebse erinnern. Die Pedipalpen besitzen noch Cbeli-
ceren mit Klauen, ähnlich denjenigen der Araneiden, und es ist wahrschein-
lich, dass dieselben mit Giftdrüsen in Verbindung stehen, da der Biss dieser
Thiere in ihrer Heimath sehr gefürchtet ist ; bei den anderen sind die Cheli-
ceren in Scheeren umgewandelt, die bei den Solifugen vertical , bei den
übrigen aber horizontal gestellt sind. Wir überlassen der Zoologie die Be-
schreibung der äusseren Theile und erwähnen hier nur, dass die Arthro-
gastern meist keine Spinnwarzen besitzen und dass die Palpen der Männchen
niemals bei ihnen zu Begattungswerkzeugen umgewandelt sind.
Die innere Organisation der Pedipalpen ist nur dürftig bekannt und ver-
diente eine genauere Specialuntersuchung. Der Darm ist gerade gestreckt,
ohne Blinddärme ; das Nervensystem dagegen schliesst sich durch seine Con-
centration an dasjenige der Araneiden an. Bei der Gattung Thelyphonus
setzt sich das Bectum durch das dreigliedrige, röhrenförmige Postabdomen
254 Arthropoden.
fort. Man fiudet bei ihnen Mal p i gli i' sehe Röhren, wie bei allen ArthrO'
gastern. Sie haben, wie die tetrapnenmonen Spinnen, zwei Paare von Lungen-
säcken ; die Stigmen liegen auf dem zweiten und dritten Segmente des
Hinterleibes und die Lungen selbst bestehen aus einer sehr grossen Anzahl
von abgeplatteten Tracheenröhren. Man weiss nichts Genaues über die
Kreislaufs- und Geschlechtsorgane. Die Gattung Phrynus bringt lebendige
Junge zur Welt.
Die Phalangiden, die in den gemässigten Klimaten weit verbreitet und
zahlreich sind , wurden häufig und genau untersucht. Die Cheliceren bilden
zweiflngerige Scheeren; die überaus laugen und dünnen Beine lösen sich
leicht ab. Die Palpen sind lang , birnförmig und oft mit Klauen bewaffnet.
Man bemerkt in den Tegumenten zweierlei Arten von Drüsen. Ein grosses,
braunes Drüsenpaar, das seitlich am Cephalothorax liegt, wurde von einigen
Autoren für ein supplementäres Augenpaar gehalten. Diese Drüsen sondern
einen übelriechenden Stoif ab und wurden deshalb auch als Stinkdrüsen
bezeichnet. Die anderen als Hautdrüsen betrachteten Bildungen finden sich
auf der Basis des letzten Beinjjaares ; man konnte aber keine Ausführungs-
gänge nachweisen. Das Nervensystem ist wie bei den Spinnen concentrirt;
es besteht aus einem auf dem Schlünde gelegenen verschmolzenen Ganglien-
paare , das mit der Unterschlundmasse durch dicke , kurze Connective ver-
bunden ist, so dass der Durchtritt für den Schlund sehr eng ist. Das obere
Ganglion entsendet einen dicken Sehnerven, der sich bald theilt, um zu
den beiden Augen zu gehen und zwei Seitennerven zu den erwähnten Stink-
drüsen. Die Unterschlundmasse ist gross , abgerundet ; von ihrem voi-deren
Rande gehen die Nerven für die Mundtheile , von den Seitenrändern die für
die Beine und nach hinten drei Nerven, ein unpaarer und zwei seitliche, für
den Darm und die übrigen Organe des Bauches ab. Letztere verästeln sich
bald und bilden ein netzartiges Geflecht , in welchem kleine Ganglien mit
unregelmässigen Umrissen zerstreut liegen. — Die geräumige Mundhöhle ist
mit feinen Haaren besetzt; sie führt nach Plateau (siehe Literatur) in einen
senkrechten engen Schlund, der eine Muskelhaut, Eigenhaut, eine Epithelial-
schicht und eine innere Cuticula zeigt, die sechs verdickte LängsriiDpen besitzt,
an welche sich strahlenförmige Erweiterungsmuskeln ansetzen. Der Pharynx
ist von einer dicken Kreismuskelschicht umgeben, deren Zusammenziehung
ihn verengt. Diese Schicht verdünnt sich auf dem ziemlich langen Oeso-
phagus und endet am Eintritte desselben in das Nervensystem. Die anderen
Schichten , sowie die Längsrippen setzen sich über den engen Schlund fort,
der mit einer geringeren Erweiterung in den Mitteldarm übergeht, welcher
einen weiten birnförmigen Sack bildet, von dessen oberen und Seitenflächen
zahlreiche Bliudsäcke ausgehen, die mit sechs Paaren von Oeffnungeu in den
Sack münden. Die Blindsäcke besitzen keine Muskelschicht, wohl aber ein
mehrschichtiges, cylindrisches Endothelium, dessen Zellen sich mit Granula-
tionen füllen, schliesslich aber sich ablösen und in die Höhlung des Blindsackes
fallen. Das Endothelium des Mitteldarmes ist ähnlich , aber weniger hoch ;
seine Zellen platzen und ihr Inhalt bildet Kothballen in dem hinteren Theile des
Darmes; das Rectum bildet ebenfalls einen weiten Sack mit dünner Muskel-
schicht und in Büscheln gestellten Endothelialzellen. Es hängt mit dem
Mitteldarm durch einen engen Darm zusammen, der zuerst schief und dann
senkrecht nach der Bauchfläche hin verläuft ; der After mündet in einer
chitinösen Einstülpung des Tegumentes. — Die M alpighi' sehen Röhren
liegen zwischen den vorderen Blindsäcken des Mitteldarmes auf der Rücken-
seite neben dem Herzen und münden nach zahlreichen Windungen in zwei
ventral gelegene häutige Säcke, aus denen zwei engere Canäle entspringen,
welche sich bis in die Nähe der Stinkdrüsen verfolgen lassen. Ihr Ende
Araclmiden. 255
konnte noch nicht gefunden werden ; sowohl L o m a n wie R ö s s 1 e r (siehe
Literatur) gelang es nicht, es zu entdecken. — Der Athemapparat entspricht
demjenigen der Insecten. Es existirt nur ein einziges Stigmenpaar, das
zwischen den Hüften des letzten Beinpaares liegt. Jedes Stigma kann mit
einem Deckel geschlosseii werden ; sie führen in zwei Tracheenstämme, die
längs der Mittellinie verlaufen, vielfach mit einander anastomosiren und sich
zu allen Organen, hesonders aber den Geschlechtstheilen, verzweigen, auf
welchen sie engmaschige Netze bilden. — Das ziemlich lange Herz hat drei
Kammern mit Seitenspalten; es öffnet sich nach vorn in die Hohlräume
zwischen den Organen, in welchen das Blut wie bei den Insecten circulirt. —
Die Geschlechtsorgane zeichnen sich durch sehr grosse, äussere, chitinöse.
Gebilde aus , die in der Mittellinie zwischen den Hüften des letzten Bein-
paares hervortreten ; ein Penis bei den Männchen , eine Legeröhre bei den
Weibchen. Die iuneren Organe sind nach demselben Grundplaue wie bei
den Spinnen gebaut. Der unpaare , halbmondförmige Hoden liegt quer in
der Bauchhöhle und geht mit seinen Enden in zwei sehr feine Samengänge
über , die sich in der Mittellinie in einem Knäuel vereinigen , der einem
-Nebenhoden gleicht. Aus diesem Knäuel geht ein gewundener, anfangs enger,
dann aber sich allmählich durch Anlage von Muskelschichten verdickender
Samenleiter hervor , dessen Ende so einen Spritzcanal bildet. Dieser Canal
tritt, sehr eng werdend, in den chitinösen Penis über, in welchem vorn auch
baumförmige Nebendrüsen münden. Wir verweisen hinsichtlich der Einzel-
heiten auf die Arbeit von Bö ssler (siehe Literatur). Die Zoospermen sind
kugelig und fast bewegungslos. — Der Eierstock bildet, wie bei vielen
Spinnen, einen mit Träubchen besetzten Ring; der Eileiter erweitert sich
zuerst zu einer Art Uterus, mündet aber als enger Canal in die Legeröhre,
die ähnlich wie der Penis gebaut ist (Rössler). Man hat häufig Eier-
träubchen auf den Hoden der Männchen gefunden.
Trotz ihrer äusseren , besonders durch die Bildung ihrer Cheliceren und
ihrer scheerenförmigen Taster bedingten Aehnlichkeit mit den Scorpionen
nähern sich doch die Afterscorpionen durch ihre Anatomie weit mehr
den Spinnen und Phalaugiden. Der gegliederte Hinterleib ist kurz und trägt
keinen Giftstachel, wohl aber zwei nacli vorn an dem zweiten Hinterleibsringe
gelegene Spinuwarzen. Das Nervensystem ist nach dem T3'pus der Spinnen
gebaut; einfache Augen in geringer Zahl, in einem, höchstens zwei Paaren
vorhanden. Der Verdauungscanal ähnelt dem der Scorpionen; Blinddärme
fehlen , dagegen findet sich eine gelappte Leber , die den Darm einhüllt,
welcher vor seinem Eintritte in die erweiterte Cloake eine Schlinge bildet.
Diese kleinen Raubthiere, die sich hauptsächlich von Milben nähren, athmen
durch wenig verzweigte Tracheen, die von zwei, auf den beiden vordersten
Bauchringen angebrachten Stigmen ausgehen. Der Kreislauf ist nach v. Da-
da y (siehe Literatur) sehr unvollständig. Das nach vorn lang gestreckte Herz
ti'ägt hier vier Paare seitlicher Spaltöffnungen und endet im fünften Bauch-
ringe mit einer Art Rosette von vier paarigen Erweiterungen, die ebensoviel
Paare von Spalten zeigen, welche den vier letzten Hinterleibsringen entsprechen.
Im Cephalothorax endet das Herz mit einer kurzen Aorta , welche das Blut
in die Hohlräume des Körpers ergiesst. Der Eierstock ist einfach, aber mit
zwei Eileitern ausgestattet, welche auf der Mittellinie des zweiten Bauch-
ringes zwischen den Spinnwarzen münden. Die Hoden ähneln denen der
Araneiden. Die Weibchen tragen die Eier bis zur vollständigen Entwicklung
der Jungen unter dem Bauche. Die Eier durchgehen eine vollständige
Furchung.
Die Scorpionen fallen durch ihre äussere Bildung und die Härte ihrer
Tegumente a\\f, die den Krebsen nahe kommt. Der verhältnissmässig kleine
256 Arthropoden.
Cephalothovax hat die Form eines nacli vorn verschmälerten Trapezes und
trägt auf seiner ßückenfläche zwei fast in der Mitte stehende grosse Augen
und eine wechsehide Anzahl kleiner, paarig vereinigter seitlicher Nebenaugen.
Unter dem Stirnraude stehen zwei kurze, starke, scheerenförmige Cheliceren,
deren Backen gezähnelt sind und die zum Zerkleinern der lebenden Thiere
dienen , von • welchen die Scorpione sich nähren. Hinter diesen Cheliceren
stehen am Rande fünf Paare gegliederter Anhänge, deren erstes Paar grosse
Scheereu bildet, während die vier folgenden Paare mit doppelten Endkrallen
versehene Gangbeine sind. Zwischen den Schenkeln des letzten Paares findet
sich die von zwei chitinösen Plättchen bedeckte Geschlechtsöffnung, neben
.welcher ein Paar kammförmiger Anhänge befestigt ist, deren Function nicht
sicher gestellt ist. Diese Kämme finden sich bei beiden Geschlechtern imd
sind mit einer verschiedenen Zahl von Zähnen oder vielmehr Blättchen aus-
gestattet. Das aiis sieben kurzen, aber breiten Ringen zusammengesetzte
Abdomen sitzt mit breiter Basis der Kopfbrust an und trägt auf dem dritten
bis sechsten Ringe vier Paare schräg gestellter Spalten, welche in ebensoviel
Lungensäcke führen. Der siebente Ring verschmälei't sich bedeutend. An
ihn setzt sich ein sechsgliedriges, fast cylindrisches Postabdomen, dessen End-
ring blasenartig angeschAvoUen ist und in dieser Blase zwei Giftdrüsen birgt,
die auf einem scharfen, gekrümmten Stachel nach aussen münden. Am Ende
des fünften Ringes , vor der Giftblase , mündet der After. Die Scorpione
tragen beim Laufen das Postabdomen über den Vorderleib herüber ge-
krümmt und schleudern beim Angriffe den Stachel nach vorn über den
Kopf weg.
Trotz ihrer Dicke und Starrheit unterscheiden sich die Tegumente durch
ihre Structur nicht von denjenigen der übrigen Arachniden. Wohl aber
finden sich zahlreiche innere Fortsätze und Apodemen , die in die Leibes-
höhle vorspringen, sehr regelmässige Anordnung zeigen und den mächtigen
Muskeln, welche die Leibesringe und die gegliederten Anhänge bewegen, als
Stützpunkte dienen.
In Uebereinstimmung mit der langgestreckten Körpergestalt zeigt auch
das Nervensystem eine weit geringere Concentration als bei den Araneiden.
Der im Ceijhalothorax gelegene Theil besteht aus zwei kleinen Hirnganglien
über dem Schlünde, welche die Nerven für die Augen und die Cheliceren
entsenden und durch zwei kurze Connective mit der Unterschlundmasse ver-
bunden sind, die wenigstens aus zwei verschmolzenen Ganglienpaaren besteht
und den Thorax und dessen Anhänge innervirt. Von den Hirnganglien
gehen noch einige sehr feine Nerven zu dem , auf seinem Durchtritte sehr
verengerten Schlünde und bilden auf demselben ein kleines Ganglion. Die
Unterschlundmasse entsendet nach hinten zwei einander sehr genäherte Con-
nective , welche durch sieben oder acht Ganglien zu einer longitudinalen
Bauchkette verbunden werden. Vier dieser Ganglien liegen im Vorderbauche
und liefern Zweige für die dort befindlichen Organe und namentlich für die
Lungensäcke. Die folgenden Ganglien liegen in den vordersten Ringen des
Postabdomens; in den hinteren Ringen desselben verlaufen nur die Fort-
setzungen der Connective , deren Eiadzweige sich bis zu den Giftdrüsen im
Stachel verfolgen lassen. — Die Augen sind wie bei den Spinnen gebaut;
andere Sinnesorgane kennt mau nicht mit Bestimmtheit. — Der sehr enge
Schlund steigt von dem ventral gelegenen Munde senkrecht nach oben, durch-
bohrt die Nervenmasse und erweitert sich dann zu einem Phai-ynx , der
rundum von Speicheldrüsen umgeben ist, welche die freien Räume des Ce-
phalothorax erfüllen, nach hinten musculöse Sammelbläschen zeigen und mit
mehreren seitlichen Ausführungsgängen in den Pharynx münden. Nach dem
Pharynx verengert sich die Darmröhre wieder, verläuft auf der Rücken-
Arachniden. 257
fläche des Vorderbauches unmittelbar unter dem Herzen und nimmt auf
dieser Strecke zahlreiche Ausführungsgänge der Leber oder Verdauungs-
drüse auf, die einen gelappten Bau zeigt und alle leeren Räume des Vorder-
bauches zwischen den anderen Organen ausfüllt. Nach hinten münden in
diesen Theil zwei geringe M a 1 p i g h i ' sehe Röhren. Der im Postabdomen
gelegene Darmtheil ist weiter, den Segmenten entsprechend etwas aufgeblasen
und endet in dem vor der Giftblase gelegenen After auf der Bauchseite. —
Die vier Paare von Lungen unterscheiden sich von denen der Spinnen durch
die geringe Anzahl abgeplatteter Röhrchen, woraus sie gebildet sind. — Das
Kreislaufsystem ist sehr entwickelt; nach der BehauiJtuug von Newport ist
es sogar vollkommen geschlossen. Wenn dies richtig wäre, so könnte man
die Existenz von Seitenspalten, die das aus dem Cölom kommende Blut auf-
nehmen , nicht wohl begreifen. Wie sich aber auch die Gefässendigungen
verhalten mögen, so findet sich doch ein rückenständiges Herz, welches die
ganze Länge des Vorderbauches einnimmt und acht erweitei'te Kammern
zeigt, welche durch horizontale Flügelmuskeln in ihrer Lage gehalten werden.
Das Herz ist von einem Pericardium umschlossen und zeigt ebensoviel seit-
liche, mit Klappen versehene Spaltöffnungen, als Kammern vorhanden sind.
Die Klappen sind so gestellt, dass sie den Eintritt des Blutes in das Herz
erlauben , aber sich gegen einen Rückfluss desselben bei den Zusammen-
ziehungen stemmen. Kleine Gefässe verzweigen sich, direct aus dem Herzen
kommend, in die Leber und die benachbarten Organe. Das Herz setzt sich
an beiden Enden in eine vordere und eine hintere Aorta fort. Die hintere ver-
läuft dorsal längs der Mittellinie nach hinten bis zum Schwanzstachel und
versorgt auf diesem Wege die Organe des Postabdomens mit Zweigen. Die
vordere Aorta hat einen complicirteren Verlauf. An dem Nervensysteme
angelaugt, theilt sich der Stamm in zwei Aeste, die einen Ring um den
Schlund bilden, von welchem die bedeutendere!! Zweige für die Organe und
Anhänge des Cephalothorax entspringen. Ausser diesen entsendet sie einen
rückläufigen Ast, die Supraspinalarterie der Autoren, die sich eng an die
ventrale Gauglienkette anlegt, derselben bis zur Spitze des Hinterleibes folgt
und auf diesem Wege die Luugenarterien abgiebt. Das Blut läuft durch
mediane Venen vom Kopfe und Bauche her zu den Lungensäcken , circulirt
in den Blättchen derselben i!nd kehrt durch sieben Paare von Gefässstämmen,
die längs den Zwischengelenken der Vorderbauchringe verlaufen, zum Herzen
zurück. Ueber die Einzelheiten vergleiche man die Arbeiten von Newport
und B 1 a n c h a r d (s. Literatur). — Die männlichen und weiblichen Geschlechts-
organe sind nach demselben Grundplane gebaut und aus zwei seitlichen Röhren
gebildet, die im Vorderbauche von den Leberlappen umhüllt werden und nach
der zwischen den Hüften des letzten Beinpaares gelegenen Geschlechtsöffnung
convergireu. Diese seitlichen Röhren lassen Queräste abgehen, die sich beim
Männchen mit zwei der Mittellinie genäherten Längsröhren verbinden, wäh-
rend sie beim Weibchen in eine einzige Mittelröhre münden. Die Samen-
gänge sind an ihrem convergirenden Theile mit röhrenförmigen Nebendrüsen
besetzt. Unmittelbar vor der Mündung zeigen sie eine spindelförmige, mit
einem eigenthümlichen Chitingerüst ausgestattete Erweiterung , die von
Blanchard für einen Penis, von Anderen für eine ausstülpbare Samenblase
erklärt wurde. Alle Ovarialröhren , seitliche, quere und mittlere, sind mit
vorspringenden Eifollikeln besetzt. Die Eileiter sind an den, den spindel-
förmigen Samengangerweiterungen entsprechenden Stellen ebenfalls an-
geschwollen und münden in einen km-zen , trichterförmigen Vagiualcanal.
Die Scorpione bringen lebendige Junge zur Welt ; der Vorderbauch ist zur
Zeit der Trächtigkeit übermässig ausgedehnt. Die Eier durchlaufen alle
Stadien der Entwicklung bis zur vollständigen Ausbildung der den Eltern
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. J^J
258 Artliropoden.
älinlieben Jungen entweder in den ursprünglichen Follikeln oder in den
Ovarialröhren.
Die SoUfugen (Solpuyiden oder Galeodiden) unterscheiden sich von allen
übrigen Arachniden durch die Segnientirung ihres durch ein Quergelenk
deutlich in zwei Tlieile getrennten Cephalothorax. Die Vorderhälfte trägt
auf der Stirn zwei grosse, einfache Augen, vorn die an ihrer Basis sehr an-
geschwollenen Cheliceren, die mit einer stark bezähnten, senkrecht gestellten
Scheere bewaffnet sind und dahinter zwei Paare beinartiger Anhänge, die
keine Klauen am Ende tragen. Das erste Paar dieser Anhänge , das man
auch Taster genannt hat, trägt an seinem Ende eine kleine, birnförmige
Anschwellung, in welcher ein Chitingerüst entwickelt ist. Da diese An-
schwellung bei beiden Geschlechtern sich findet, kann sie nicht mit der Aus-
bildung der Taster der Spinnenmännchen in Parallele gestellt werden. Die
Hinterhälfte , die dem Thorax der ungeflügelten Insecten verglichen werden
kann, besteht aus drei, durch Querlinien deutlich gezeichneten Segmeuten,
die aber unbeweglich mit einander verbunden sind. Jeder dieser Einge
trägt ein Paar sehr langer, mit Klauen bewaffneter Gehfüsse. Die Hüften
des letzten Beinpaares sind mit schlagnetzförmigen Blättchen versehen,
deren Stiel besonders reich mit Muskeln und Tracheen ausgestattet ist, wäh-
rend die Lamellen selbst sehr dünn und zart sind. Diese Hüftlamellen sind
wahrscheinlich den Kämmen der Scorpione homolog. Der Hinterleib zeigt
keine Spinnwarzen und besteht aus zehn Segmenten. Körper und Beine
sind mit langen, steifen Haaren dicht besetzt. Das Nervensystem ähnelt
dem der Spinnen. Die in der Vorderhälfte des Cephalothorax gelegene
Hauptmasse wird von dem sehr engen Schlünde durchbohrt. Die Ober-
schluudmasse ist verhältuissmässig klein und giebt Zweige zu den Augen,
den Cheliceren und vielleicht auch Wurzeln zu dem sympathischen Systeme
ab. Die kurzen und dicken Connective leiten zu einer mächtigen Unter-
schlundmasse , welche die Nerven für die übrigen Anhänge und die Organe
des Hinterleibes entsendet und mit einem dünnen Mittelfaden endet, auf dem
eine kleine , spindelförmige Anschwellung als Eudiment eines Abdominal-
ganglions sich findet. Der Mund liegt auf der Bauchseite zwischen den
Basen der Cheliceren ; er hat die Gestalt eines seitlich zusammengedrückten
Kegels und wird von einigen kleinen Anhängen umgeben , über deren Be-
deutung man nicht einig ist. Der Schlund ist äusserst eng , wie ein Haar-
röhrchen; er erweitert sich nach seinem Durchtritte durch die Nervenmasse
und nimmt hier von unten her die Ausführungsgänge zweier seltsamer,
schlauchförmiger Drüsen auf, deren, eines Paar sich bis zur Haut ersti-eckt
und blind auf einer kleinen Warze zwischen der Basis der Cheliceren und der
Palpen endet. Dieser erweiterte Darmtheil (Magen) entsendet ausserdem
drei Paare langer , seitlicher Blindsäcke. Hierauf wird der Darm röhren-
förmig, ist auf dieser Strecke von einer wenig entwickelten Leber umgeben
und endet mit einem kurzen Rectum, das vor der Ausmündung in den
After sich zu einer Cloake erweitert. Die weissen Maljaighi'schen Röhren
bilden zwei Gruppen sehr vei'zweigter, die ganze Bauchhöhle durchziehender
Gefässe, Avelche schliesslich sich jederseits in zwei in den Darm mündende
Ausfülirungsgänge sammeln. — Die Solifugen athmen durch Tracheen,
welche sich im ganzen Körper verzweigen. Ein grosses Stigmenpaar unter
dem Thorax, zwei weit kleinere Stigmenpaare unter dem Hinterleibe und
ein unpaares Stigma , das einen dorsalen Tracheenstamm entstehen lässt,
führen die Luft in das Tracheensj^stem , dessen hohe Ausbildung eine Ver-
kümmerung des Ki'eislaufsystemes , ähnlich wie bei den Insecten , nach sich
zieht. In der That fiiKlet sich nur ein dorsales , in Kammern mit seitlichen
Spalten getheiltes Herz, welches das Blut darch eine kurze, vordere Aorta
Arachniden, 259
in die Hohlräume ergiesst. — Die äussere Geschleclitsöffnung ist bei beiden
Geschlechtern gleich gebaut und von einem fleischigen Wulste umgeben. Die
weiblichen Organe bestehen aus zwei weiten Ovarialsäcken, auf deren äusseren
Rändern einzelne Follikel mit breiter Basis aufsitzen, deren jeder ein Ei ent-
hält. Die Solifugen gebären, Avie die Skorpione , lebendige Junge , die sich
im Follikel entwickeln, dann in den Ovarialsack fallen und durch zwei kurze
Canäle ausgestossen werden, die in der äusseren Oeffnung zusammeumünden.
Die männlichen Organe bestehen, nach Leon Dufouv, aus vier sehr laugen
Hodenröhren, die in der Bauchhöhle zahlreiche Schlingen bilden und sich in
ebensoviel Samengänge fortsetzen, deren jeder ein Sameubläschen trägt und
schliesslich in einen Spritzcanal enden, der vielleicht nach aussen hervor-
gestülpt werden kann. Die Solifugen gelten überall in den heissen Sand-
gegenden , die sie bewohnen , für ausserordentlich giftig. Indessen giebt es
ganz gewiss keine Giftdrüsen in den Cheliceren ; vielleicht finden sich welche
in den angeschwollenen Endkuöpfen der Palpen, die ein complicirtes Chitin-
gerüste im Inneren bergen. Weitere Untersuchungen über diesen Punkt
sind sehr wünschenswerth.
Der Körper der.Müben oder Acariden ist zwar meist kugel- oder
eiförmig, kann sich aber doch in einzelnen Fällen so verlängern , dass man
einen wirklichen Cephalothorax, an dem die Muudtheile und die vier Bein-
paare angebracht sind , und einen Hinterleib ohne Anhänge unterscheiden
kann [Demodex). Meist sind indessen alle Köi'perregionen in ein Ganzes
verschmolzen'und das letzte Beinpaar Aveit nach hinten gestellt, so dass man
kein Abdomen unterscheiden kann. Zuweilen freilich gewahrt man eine
Querfurche, die den Kopf vom Thorax oder den Cephalothorax vom Hinter-
leibe abgrenzt. — Die erwachsenen Weibchen haben stets vier Beinpaare,
die in sehr verschiedener Weise ausgebildet sind, indem sie bei den laufenden
oder schwimmenden Gattungen Krallen oder Borsten , bei den Schmarotzern
dagegen oft Klebscheiben oder gestielte Saugnäpfe tragen. Die stets chiti-
nösen Tegumente zeigen alle Grade von Härte, zwischen sehr weichen und
zarten Bedeckungen bei vielen Schmarotzern , bis zur Bildung von harten
und spröden Panzern, die aus mehreren Schildern zusammengesetzt und bei
einigen so angeordnet sind, dass sich die Thiere zusammenrollen und alle
Körperanhänge unter diesen Schildern bergen können [Hoplophora). Zu-
weilen sind diese Schilder auf den Seiten flügelartig verbreitert (Oribates).
Die Tegumente sind meist mit Haaren bedeckt, von welchen die einen nur
Schutzorgane sind, während andere Tastempfindungen vermitteln. Die nach
dem allgemeinen Plane der Arthropoden angeordneten Muskeln zeigen deut-
liche Querstreifung. — Das Nervensystem besteht aus einer einzigen , zu-
weilen ziemlich bedeutenden Ganglienmasse (Atax) , die in der Vorderregion
des Körpers auf der Hückenseite liegt. Man hat die davon ausstrahlenden
Nerven nicht mit wünschenswerther Genauigkeit verfolgen können , aber
doch so viel festgestellt, dass keine Spur von einer Uuterschlundmasse oder
einer Bauchkette existirt. — Bei frei lebenden Larven und ausgebildeten
Thieren finden sich häufig bis zu drei Paaren am Rande des Kopfes stehender
einfacher Augen, die bei den höhereu Arten eine gewölbte Hornhaut, eine Krj'-
stalllinse und einen häufig roth gefärbten Pigmentkörper erkennen lassen. Bei
den Parasiten und vielen an dm:iklen Orten lebenden Arten fehlen die Augen.
Ein Gehörorgan, welches Haller in dem Endgliede des ersten Beinpaares
der Zecken {Ricinus) gefunden haben wollte, ist sehr iDroblematisch. — Nach
demselben (siehe Literatur) sind die Mundorgane bei allen Milben nach dem-
selben Plane gebaut. Ein Epistom, welches nur der eingekrempte Rand des
Kopfschildes ist, deckt die beweglichen Theile von oben. Ihm entspricht
eine aus zwei Hälften zusammengeschmolzene , Taster tragende Unterlippe,
17*
260 Arthropoden.
welche die Theile von unten und den Seiten her einschliesst. Man hat den
so gebildeten Eüssel Camerostom genannt. In ihm befinden sich drei Paare
beweglicher Anhänge. Das erste Paar, vor welchem man oft noch eine
rudimentäre Oberlip^ae ei'kennen kann , ist meist kräftiger als die anderen ;
man homologisirt es mit den Cheliceren der übrigen Arachniden. Das zweite
Paar trägt die Kiefertaster auf sehr verschiedenartig gestalteten Basal-
stücken; das dritte ist meist rudimentär. Man muss indessen zugestehen,
dass dieser Grundplan, wenn er überhaupt existirt, die auffallendsten Varia-
tionen hinsichtlich der Bildung und Entwicklung der einzelnen Theile zu-
lässt. Die Nahrung der Milben ist äusserst mannichfaltig. Einige benagen
harte Stoffe, selbst Holz (Oribatiden) und in diesem Falle bilden die Cheli-
ceren kurze, kräftige Zangen; andere fangen lebendige Beute, mit klauen-
förmigen Cheliceren; wieder andere saugen Blut, nachdem sie mit rückzieh-
baren Stiletten gestochen haben. Bei den Saugern bilden in den meisten
Fällen die Grundstücke der Kiefertaster, indem sie sich umkrempeln, eine
Scheide um die Stilette. Vordere Drüsen , die in die Chelicei'en münden,
sind wahrscheinlich Giftdrüsen, während andere, Avelche sich in die Mund-
höhle öffnen, als Speicheldrüsen betrachtet werden können. In noch anderen
Fällen {Tetranychus) münden solche Vorderdrüsen in den Palpen und sind
wahrscheinlich Spinndrüsen. Der häufig mit besonderen Saugvorrichtungen
ausgestattete , kurze und enge Schlund erweitert sich bald zu einem ge-
räumigen Magen , der häufig durch eine Querfalte in zwei Hälften getheilt
ist. Der Magen entsendet in den meisten Fällen seitliche, geräumige und
drüsige Blindsäcke (Ixodes); in anderen Fällen zeigt er nur unbedeutende
Ausbuchtungen (Proctojjht/Uodes) oder bleibt auch ein einfacher Sack (Atax).
Die Ausbildung einer Verdauungsdrüse oder Leber scheint in umgekehrtem
Verhältniss zu derjenigen der Blindsäcke zu stehen; sie ist sehr bedeutend
bei Atax und fehlt gänzlich bei Ixodes. Der Mitteldarm ist gerade und
mündet durch ein Eectum in eine ventral am Kör^^erende gelegene After-
spalte, die häufig durch besondere chitinöse Bildungen gedeckt wird. Bei
Tromhidium scheint der Mitteldarm nicht in Continuität mit dem Rectum ;
er mündet in dasselbe durch zwei sehr feine, seitliche Spaltöffnungen. Häufig
findet man einen Fettkörper oder Hautdrüsen mit fettiger Secretion. Ab-
sonderungsorgane sind weit verbreitet, bald in Form zweier Malpighi' scher
Röhren, die in das Rectum münden (C?«)?iasM?en) oder in Gestalt eines weiten,
Y-förmigen, dorsalen Sackes, der in eine cloakenartige Erweiterung des Rec-
tums einmündet, und dessen Absonderuugsköi'uer von kreideweisser Farbe
die Zeichnung der Milbe bedingen [Atax). Oberflächliche, mit heller Flüssigkeit
gefüllte Canäle , die Claparede (siehe Literatur) bei Atax gesehen hat,
stehen vielleicht auch mit der Absonderungsfunction in Verbindving. — Bei
den meisten Milben hat man weder Herz noch Gefässe gefunden ; das amö-
boide Körperchen führende Blut erfüllt die Hohlräume des Körpers. In der
letzten Zeit wurde indessen von Win kl er (siehe Literatur) bei einigen
Gamasiden und Ixodiden ein rückenständiges, einkammeriges Herz mit zwei
seitlichen Spaltöffnungen nachgewiesen, das in eine Aorta ausläuft. — Athem-
organe fehlen meist bei den Schmarotzern; wenn vorhanden, werden sie von
kurzen, zuweilen blasigen Tracheen hergestellt, die keinen Spiralfaden zeigen
und meist in einem einzigen Stigmenpaare ausmünden , das gewöhnlich in
der Vorderhälfte des Körpers vor oder hinter den Hüften des letzten Bein-
paares, zuweilen aber auch an den Vorderbeinen oder selbst an der Basis
der Cheliceren angebracht ist. Ausnahmsweise findet sich hei Tetranychus
nur ein einziges, nahe dem Vorderrande des Körpers auf dem Rücken
gelegenes, unpaares Stigma. Bei den wasserbewohnenden Hydrachniden, die
keine Tracheen besitzen, dienen vielleicht grosse, unmittelbar unter der Haut
Aracliniden. 261
gelegeue Blasen, au deueu man aber keine Oeffuungen uacliweisen konnte,
zur Athmung. — Die Gesclilechter sind getrennt. Die stets kleineren Männ-
eben belialten in vielen Fällen gewisse Larvencliaraktere (Abwesenheit von
Tracheen etc.) durch das ganze Leben. Sie zeigen uaeist auf der Bauchfläche
cliitinöse Saugnäpfe , die zur Anklammerung bei der Begattung dienen. In
manchen Fällen sind aber auch die Weibchen mit solchen Saugnäpfen aus-
gestattet. Meist findet sich ein Paar Hoden (drei Paare bei Afax) , deren
Drüseutheil in gewundene Samengänge ausläuft , welche zuweilen Erweite-
rungen zeigen und in der Nähe der Geschlechtsöfifuung in einen weiteren
Sack oder Canal münden, an welchen oft sehr bedeutende Kebendrüsen ent-
wickelt sind (Argas). Die Geschlechtsöffuung ist stets auf der Bauchseite
weit nach vorn gerückt, fern von dem After und zuweilen zwischen den
Hüften der Füsse gelegen. Oft kann ein Penis aus der Oeffnung vorgestülpt
werden. Die Zoospermen sind kugelförmig und unbeweglich. — Die beiden
Eierstöcke sind zuweilen in eine Masse verschmolzen, aus welcher aber immer
zwei Eileiter hervorgehen, die in einen gemeinsamen Sack oder Canal münden,
der sich oft zu einem Uterus erweitert , in Avelchem die Eier längere Zeit
verweilen. In solchen Fällen finden sich oft an dem Uterus Nebendrüsen
oder auch Samenbehälter. Zuweilen (Sarcopfes) ist der Samenbehälter gänz-
lich von den anderen Organen getrennt und besitzt eine besondere Oeffnung
hinter der Yulva, welche übrigens in ihrer Lagerung ebenso grosse Ver-
schiedenheiten zeigt, wie die männliclie Oeffnung. Ausnahmsweise findet
sich sogar, nach Claparede, bei Myolia die weibliche Oeffnung auf der
Dorsalfläche des Hinterleibsendes. Nach demselben Beobachter fehlen die
ausleitenden Canäle vollständig bei beiden Geschlechtern der Gattung Aiax,
wo die äusseren Oeffnungen einfach in das Cölom münden sollen, in welchem
die von den keimbereitenden Orgauen losgelösten Eier und Zoospermen sich
wie in einem Behälter ansammeln. Die Milben legen Eier und zwar ver-
einzelt. Während aber die Jungen der Oribatiden, die sich in dem Uterus
der Mutter entwickelten, fast unmittelbar nach der Ablage die Eischale ver-
lassen , bedürfeu andere Arten weit längerer Zeit zur Entwicklung im Ei.
Auch unterscheiden sich die Milben von den übrigen Arachuiden durch den
Umstand, dass die meisten von ihnen nach dem Ausschlüpfen noch mehrefe
Larvenstadien durchlaufen , in welchen sie den Eltern mehr oder weniger
unähnlicli sind. Gewöhnlich hängen diese Formen von den veränderten
Lebensbedingungen ab, in welchen die Larven leben. Es kommen manchmal
drei oder vier verschiedene Larvenstadien vor, und fast regelmässig findet
sich darunter eine Form mit nur sechs Beinen. Wir können auf diese Ent-
wicklungen, die von vielen Forschern beobachtet und untersucht wurden,
hier nicht näher eingehen.
Literatur. — Treviranus, Ueber den hmeren Bau der Arachuiden, Zeitschr.
f. Physiol., 1812. — Ders., Vermischte Schriften anatomischen und physiologischen
hihalts, Göttingen, 1816. — Ders., Ueber das Nervensystem des Scorpions und
der Spinne, Treviranus' und Tiedemann's Zeitschr., Bd. IV, 1831. — A. Duges,
Recherches sur l^ordre des Acariens, Ann. sc. nat., 2. Serie, Vol. I, 1834. — J. van
der Hoeven, Bijärarjen tot de Kennis van het geslacht Phr't/nus, Tijdshrift v. nutur.
Geschied. 1 Bd. 9, 1842. — Newport, On the structure etc. of the nervoiis and cir~
culatory Systems in Mt/riapoda and macrums Arachnida, Philos. Transact., 1843. — •
Dujardin, J\lem. svr les Acariens, Ann. sc. natiir., 3. Serie, Vol. III, XII u. XV,
1843 — 1855. — H. Meckel, Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen Thiere.
Müller's Archiv, 1846. — E. Blanchard, Orgnnisation du Regne animal, Aruchnides.
Paris, 18Ö3 — 1860. — L. Dufour, Anatomie, physioIogie et hist. nat. des Galeodes,
Comptes rendus Vol. XLVI, 1858. — C. Heller, Zur Anatomie \ot\ Argas persicus,
262 Arthropoden,
Wiener Sitzungsberichte, Bd. XXX, 1858. — L e y d i g , Ueber HaarfsackmilLeii vind
Krätzmilben, Arch. f. Katurgescliichte, 1859. — Ders., Ueber das Nervensystem
der Afterspinne {Phalangium) , Arch. f. Anatom., 1862. — Ch. Robin, Memolrts
sur la farnille des SarcojJtides , Bullet, soc- imp., Moskau, 1860. — Ders. u. Fu-
mouse, Sur les Acariens des genres Cheyletus , Glyzijjhacjiis et Tyroylyphus , Journ.
Anat. Physiol., Vol. IV, 1867. — Ders. u. Megnin, Mem. sur les Sarcoptldes
plumicoles, ebend., Vol. XIV, 1877. — Pagenstecher, Beiträge zur Anatomie der
Milben, Leipzig 1860 u. 1861. — Fürstenberg, Die Krätzmilben der Menschen und
der Thiere, Leipzig, 1861. — J. Lubbock, Notes on the generative Organs of Annu-
losa, rhilos. Trunsaci., 1861. — Cl aparede, Etudes sur la circulatlon du sang chez
les Aranees du genre Lycose, Genf, 1862. — Ders., Reclierches sur Devolution des
Araignees, Genf, 1862. — Ders., Studien an Acariden, Zeitschr. wissensch. Zoologie,
Bd. XVIII, 1868. — Gudden, Beitrag zur Lehre von der Scabies, Würzburg,
1863. — Krohn, Zur näheren Kenntniss der männlichen Zeugungsorgane von Pha-
laiiplum, Arch. f. Naturgesch., 1865. — Ders., üeber die Anwesenheit zweier Drüsen-
säcke im Cephalothoras der Phalangiden, ebend., 1867. — Büchholz und Landois,
Ueber den Spinnapparat Yon Epeira diadema, Müller's Archiv, 1868. — Donnadieu,
Recherch. anat. et physiol. sur le genre Trichodectes, Ann. sc. nat., 3. Ser., Vol. X,
1868. — Ph. Bertkau, Ueber die Eespirationsorgane der Araneen, Arch. f. Natur-
geschichte, 38. Jahrg., 1872. — Ders., Ueber den Generationsapparat der Spinnen,
ebend., 41. Jahrg., 1875. — Ders., Ueber das Cribellum und Culamistruin, ebend.,
48. Jahrg., 1882. — Ders., Ueber den Bau und die Function der sogenannten Leber
bei den Spinnen, Arch. Mikrosk. Anat., Bd. XXIII, 1882. — Ders., Ueber den Ver-
dauungsapparat der Spinnen, ebend., Bd. XXIV, 1883. — Ders., Entomologische
Miscellen, Verhandl. d. naturw. Vereins der Kheinlande , Bonn, 41. Jahrg., 1885. —
P. Megnin, iJhn. sur les metumorphoses des Acariens etc., Ann. sc. not., 6. Serie,
Vol. IV, 1876. — Ders., Sur le Demodex folliculorum , Journ. de PAnat. et d. la
Physiologie, 1877. — F. Plateau, Sur les phenomenes de la digestion et sur la
structure de Vappareil digestif chez les Phalangides, Brüssel, 1876. — 0. Hermann,
Ungarns Spinnenfauna, Budapest, 1876 — 1879. — • Croneberg, Ueber den Bau von
Trorahidiuin, Bull. soc. imp. 31oscou, l8Tä. — Ders., Ueber die Mundtheile der Arach-
niden, Arch. f. Naturgesch., 46. Jahrg., 1882. — Csokor, Ueber Haarsackmilben etc.,
Verhandl. zool. botan. Gesellsch., Wien, Bd. XXIX, 1879. — Grenacher, Untersuch,
über das Sehorgan der Arthropoden, Göttingen, 1879. — Grab er, Ueber das uni-
corneale Tracheatenauge etc., Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XVII, 1879. — E. von
Daday, Ueber den Circulationsapparat der Pseudoscorpione, Naturhist. Hefte, 4 Bde.,
Budapest, 1880. — Blanc, Anat. et Physiol. de PajJpareil sexuel male des Phalan-
gides, Bull. soc. Vuttdoise, Vol. XVII, 1880. — G. Haller, Zur Kenntniss der Tyro-
glyphen, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXXIV, 1880. — Ders., Acarinologisches, Arch.
f. Naturgesch., 46. Jahrg., 1880. — Ders., Vorläufige Bemerkungen über das Gehör-
organ der Ixodiden , Zoolog. Anzeiger, 4. Jahrg., 1881. — Ders., Die Mundtheile
und systematische Stellung der Milben, ebend. — Ders., Ueber den Bau der vögel-
bevvohnenden Sarcoptiden , Zeitschr. f. Wissenschaft. Zool., Bd. XXXVI, 1881. —
E. R ay-L an k e s t er , Limulus an Arachnid, Quarterly Journ. Microsc. soc, Nr. 83
u. 84, 1881. — J.-C. Loman, Bijdrage tot de Auatumie der Phalangiden, Amster-
dam, 1881. — H. -W. de Graaf, Sur la construction des organes genitau\K chez les
Phalangides, Leyden, 1882. — Richard Rössler, Beiträge zur Anatomie der Phalan-
giden, Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. XXXVI, 1882. — Schimkevitsch, Sur Pana-
tomie de PEpeire, Zool. Anzeiger, 4. Jahrg., 1881. — Ders., Dass. , Ann. sc. nat.,
5. Serie, Vol. XVII, 1884. — Ders., Sur un organe des sens des Araignees, Zool.
Anz., 8. Jahrg., 1885. — H. Henking, Beiträge zur Anatomie etc. von Troinbidium,
Zeitschr. f. wissensch. Zool., XXXVII. Bd., 1882. — Mac-Leod, Notice sur Pappareil
venimeux des Araneides, Arch. de Biol., Vol. I, 1880. — Ders., Plusietirs memoires
dans le Bulletin de PAcud. de Bekjiques, Vol. III, VII u. Vlli, 1884—1885. — Ders.,
Tunicaten. 263
Recherches sur la structure et la slgnification de Pappareil respiratoire des Aracltnides,
Arch. de Biologie, Vol. V, 1884. — Trouessart et Megnin, Sur le pohjmorphisme
sexuel et larvuire des Sarcopiides, Coinptes reiidus, Vol. XCVII, 1883. — Michael,
Observat. on tlie Anatomie of Oribafidae, Journ. microsc. soc. , Vol. III, 1883. —
Kräpelin, Ueber die Geruchsorgane der Gliederthiere , Hamburg, 1883. — Ray-
Lankester und G. Bourne, The minute structure of tlie central and lateral eyes of
Scorpio and Linndus, Quarterl. Journ. microsc. soc, Vol. XXIII, 1883. — Dahl, Das
Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen, Arch. mikrosk. Anatomie, Bd. XXIV, 1884. —
Ders. , Zur Anatomie der Araneen, Zool. Anz., 8. Jahrg., 1885. — ' Natepa, Die
Anatomie des TjTCOglyphen , Sitzungsber. Akad. Wien, Bd. XC , 1884 u. 1885. —
Kramer, Ueber Halarachne Halichoeri , Zeitschr. f. Naturwiss., Halle, Bd. LVHI,
1885. — W. Wink 1er, Das Herz der Acarinen , 'Arbeiten a. d. Zool. Institut von
Wien und Triest, Bd. VII, 1888. — Wol. Wagner, La mue des Araignees , Ann.
sc. nat., 7. Serie, Vol. VI, 1888.
Kreis der Mantelthiere (Tunicata).
Wir sind mit der Mehrzahl der neueren Forscher darüber ein-
verstanden , dass die Mantelthiere einen besonderen Kreis bilden , der
mit den Wirbelthieren in engerer Beziehung steht, aber nur wenig
Aehnlichkeiten mit den Bryozoen und Brachiopoden gemein hat, mit
welchen man früher die Mantelthiere unter dem Xamen der Mollus-
coiden vereinigte.
Der sehr verschiedenartig gestaltete , meist symmetrische Körper
wird von einer äusseren, bald weichen und fast zerfliessendeu, bald
knorpelartig harten Hülle umgeben, deren Grundsubstauz eine der
Cellulose der Pflanzen ähnliche chemische Zusammensetzung zeigt und
ursprünglich wohl von Zellen gebildet wird, welche aber meistens so
mit einander verschmelzen, dass eine structurlose Masse entsteht, in
welcher sich zuweilen noch Kerne , Fädchen und verschiedene andere
Zellenreste nachweisen lassen. Dieser sogenannte äussere Mantel
zeigt zwei Oeffuungen , eine zum Eintritt, eine zum Austritt des
Wassers, die bald einander genähert sind (Ascidieii) , bald gegenüber
stehen (Thaliaden). Im Umkreise dieser, häufig von Läppchen um-
stellten Oeffnungeu geht der äussere in den inneren Mantel, die
eigentliche Körperwand, über, in deren Dicke das Centralnerven-
system eingebettet ist, welches bei den erwachsenen Thieren aus
einem einzigen Ganglion besteht, von dem die Nerven ausstrahlen und
dem bei den frei schwimmenden Formen ein oder mehrere Augen auf-
sitzen. In der Körperwand sind ausserdem die Muskeln eingebettet,
welche entweder eine zusammenhängende Schicht (Ascidioi) oder ein-
zelne Bänder (Thaliaden) bilden. Die grössere Hälfte des Körpers
wird von einer weiten Höhle eingenommen, in welcher sich das Athem-
264 Tunicaten.
Organ findet, dessen Bildung sehr bedeutende Verschiedenheiten zeigt,
auf die wir später näher eingehen werden. Im Hintergrunde dieser
Körperhöhle öffnet sich der Mund, welcher in einen stets henkeiförmig
umgebogenen Darm führt, der meist durch seine Verknäuelung einen
sogenannten Nucleus bildet und mit einem After endet, welcher in einer
mehr oder minder von der Körperhöhle getrennten , aber stets mit
dieser in Communication bleibenden Cloakenhöhle nach aussen mündet.
Auf der ventralen Mittellinie der Körperhöhle verläuft eine drüsige
Flimmerrinne, der Endostyl, der sich von der Eintrittsöffnuug gegen
den Mund hin erstreckt. Das Kreislaufsystem ist stets in eigenthüm-
licher Weise ausgebildet. Ein schlauchförmiges, musculöses Herz fehlt
nie; es besitzt aber die nur in diesem Kreise und sonst nirgends in
der Thierwelt vorkommende Eigenthümlichkeit, dass die Richtung
seiner Zusammenziehungen und somit auch die des Blutstroraes ge-
wöhnlich wechselt. Nachdem das Herz eine Zeit lang das Blut von
vorn nach hinten getrieben hat, steht es still und treibt dann das Blut
in entgegengesetzter Richtung von hinten nach vorn. Das Blut
selbst ist vollkommen farblos und enthält kleine Blutkörperchen von
wechselnder Form. Wenn man bei einigen Mantelthieren noch von
Gefässen reden kann, so giebt es dagegen andere, bei welchen das
Blut nur in Lacunen circulirt.
Alle Mantelthiere sind Hermaphroditen , besitzen aber nur die
inneren, keimbereitenden Organe, Ovarien und Hoden, die meist die
Schlinge des Darmes umgeben und mit ihm den Nucleus bilden. Meist
reifen die Producte dieser Organe, Eier und Zoospermen, nicht zu
gleicher Zeit. Die Beziehungen der Eier wechseln ungemein; während
die Ascidien meist Eier in grosser Anzahl erzeugen, bringen die meisten
Thaliaden nnv ein einziges zur Reife. Bei den letzteren bleibt auch
das Ei bis zur vollständigen Entwicklung des Embryos mit dem
mütterlichen Organismus durch ein besonderes Organ (Placenta) in
Verbindung, während bei den anderen das noch von seinen Hüllen
vimgebene Ei oder eine Larve ausgestossen wird , welche meist mit-
telst eines Ruderschwanzes umher schwimmen kann.
Ausser der geschlechtlichen Fortpflanzung kommt auch noch Kno-
spung in verschiedenen Formen vor. Bei den einen hat die Knospung,
mag sie nun auf dem Körper oder auf besonderen Wurzel gebilden
(Stolonen) stattfinden, die Erzeugung von Jungen zur Folge, die dem
Mutterthiere ähnlich sind und entweder frei bleiben oder durch einen
gemeinsamen Mantel eingehüllt werden (Synascidien, Pyrosomen) und
so Colonien verschiedener Art bilden. In allen diesen Fällen sind die
Knospen aiich geschlechtlich. Bei anderen dagegen sind Knospung
und geschlechtliche Fortpflanzung verschiedenen Individuen zugewiesen,
indem die knospenden Thiere Geschlechtsthiere und diese wieder kno-
spende Thiere erzeugen. Endlich können in einzelnen Fällen diese
Thaliaden. 265
Verhältnisse durch das Auftreten mehrerer knospender Generationen
und die Ausbildung von heteromorphen Individuen noch mehr ver-
wickelt werden.
Alle Mantelthiere leben im Meere ; die Ascidien sitzen meist fest,
während die Thaliaden frei umher schwimmen. Sie nähren sich von
kleinen, im Wasser aufgeschwemmten Organismen.
Wir nehmen mit den meisten Autoren zwei Classen an , die wir
indessen etwas anders als gewöhnlich umgrenzen, indem wir die Pyro-
somen, welche man meist wegen der Bildung ihrer Kiemen zu den
Ascidien stellt , den Thaliaden zugesellen , bei welchen sie gewisser-
maassen den Synascidien entsprechen.
Erste Classe. ^ Thaliaden. Durchsichtige, pelagische Mantel-
thiere, die einzeln, in Gesellschaften oder in Colonien leben und die
beiden Oeffuungen an den einander entgegengesetzten Körperenden
tragen. Körpermuskeln in einzelne Bänder getheilt. Relativ hoch
entwickeltes Nervenganglion mit aufgesetzten Augen. Sinnesorgane
(Riechorgane V) vor dem Nervensystem gelegen. Athemorgane sehr
verschieden gestaltet. Knospang auf einem urspiünglich inneren
Stolon. Meist nur ein Ei.
1. Ordnung. — Salpen. Cylinderförmige Kieme, welche die
Körperhöhle schief durchsetzt, indem sie vorn an der Rückenwand
hinter dem Nervensysteme, hinten an der Bauchwand in der Nähe des
Mundes angeheftet ist. Augen bei den beiden Erscheinungsformen der
Art, der knospenbildenden und geschlechtlichen Form, verschieden ge-
staltet. Die geschlechtliche Form knospt in Doppelreihen auf einem
bauchständigen, in der Nähe des Herzens beginnenden Stolo und bleibt
während des ganzen Lebens in Ketten vereinigt. Die ungeschlechtige,
knospenbildende Form bleibt isolirt. Reifenförmige Muskelbänder um
den Körper , die häufig auf der Bauchseite sich nicht schliessen , da-
gegen auf der Rückenseite oft in einem Punkte zusammenlaufen. Meist
findet sich ein Nucleus; nur selten {S. pinnatd) ist der Darm abgerollt
und gestreckt. Der Embryo bleibt bis zur Reife in engster Verbin-
dung mit der Mutter. Die in Doppelreihen oder ringförmig geord-
neten Ketten bestehen aus vollkommen isolirten, nur an einander
haftenden Individuen. Beispiele: Salpa dcmocratka-tiuicronüta, ofri-
cana-maxii)ia, innnaia.
2. Ordnung. — Tönnchen (Doliolida). Die häutige und mit
Spalten versehene Kieme ist nur in einem Theile der Körperhöhle ent-
wickelt. Der Körper ist von vollständigen isolirten Muskelreifen oder
auch nur von einer Muskelschleife umgeben. Bei einer Form der Gat-
tung Doliolum seitliche Otocysteu. Eingeweide knieförmig gebogen,
nicht zu einem Nucleus geballt; Eierstock mit mehreren Eiern. Com-
plicirte Wechselgeneration. Beider allein in dieser Beziehung bekannten
206 Tunicaten.
Gattung Doliolum finden sich bei den freien geschlechtlichen Individuen
Eier, die zu geschwänzten Larven sich ausbilden, deren tonnenförmiger
Körper nach und nach verschiedene Arten von heteromorphen Indi-
viduen erzeugt, wovon später die Rede sein vrird. Beispiele: Doliohim,
Ancliinia.
3. Ordnung. — Feuerwalzen {Pyr osomida). Schwimmende
Colonien in Form eines hohlen Tannenzapfens. Die in einem ge-
meinschaftlichen Mantel eingeschlossenen Individuen stehen im Kreise,
die Eintrittsöffnung nach aussen, die Auswurfsöffnung in die Höh-
lung des Zapfens mündend. Der mit Spalten versehene Kiemensack
nimmt fast die ganze Körperhöhle ein. Sehr schwach entwickelte
Muskelbänder auf der Rückenseite. Eingeweide einen Nucleus bil-
dend. Die Geschlechtsthiere besitzen einen ventralen Keimstock und
erzeugen ein Ei, aus welchem ein Individuum (Cyathozoid) sich
bildet, welches nach Bildung von vier Knospen -Individuen (Ascidio-
zoiden) abstirbt. Letztere bilden die neue Colonie, die sich durch
Knospen vermehrt, welche auf einem ventralen Keimstock sprossen.
Ex. Pyrosoma.
Typus: SaJpa democratica-mitcronata, Forsk. — "Wir haben
diese kleine, etwa einen Centimeter lang werdende Salpe deshalb
gewählt, weil sie nicht nur im Mittelmeere , sondern auch in den nor-
dischen Meeren häufig vorkommt, während die anderen grösseren Arten
meist nur beschränkte Verbreitungsbezirke zeigen. Man fischt sie mit
dem feinen Netze und unterscheidet sie leicht durch die schöne blaue
Farbe ihres Nucleus. Sie erhält sich ziemlich lange lebend in grossen
Glasgefässen , deren Wasser man häufig erneuert. Da die beiden
Formen der Art sehr verschiedene Gestalt zeigen, so müssen wir sie
besonders beschreiben.
Die ungeschlechtliche, knospenbildende und solitäre
Form {SaJpa democratica) (Fig. 116) hat einen fast cylindrischen,
länglichen Körper, der indessen von oben nach unten etwas abgeplattet
ist, so dass man zwei breitere, Rücken- und Bauchfläche, und zwei
schmälere Seitenflächen unterscheiden kann. Das abgestutzte Vorderende
wird von der sehr breiten Eingangs Öffnung (Ji) eingenommen, die
von zwei Lippen mit mächtigen Schliessmuskeln, einer ventralen und
einer dorsalen, eingeschlossen wird. Nach hinten verschmälert sich der
Körper und endet mit einer breiten ventralen Kegelspitze, in deren
Basis der längliche, strohgelb gefärbte Nucleus (s) eingeschlossen ist.
Der ventralen Spitze entspricht auf der dorsalen Seite eine kleinere,
warzenförmige. An den Seiten des Hinterendes entspringen zwei
Paar dui-chsichtiger, schmiegsamer Anhänge; die vorderen (e) sind
kürzer, die hinteren (e') erreichen oft die Hälfte der Körperlänge.
Diese Anhänge werden von dem äusseren Mantel (rt) gebildet, der
Thaliaden.
267
ziemlicli fest, aber vei'liältnissmässig wenig mächtig ist. Man sieht
an der Innenfläche des äusseren Mantels in der Körperwand sechs von
einander unabhängige, abgeplattete Muskelbänder (g), welche reifartig
pio-. 116. von der Rückenfläche
^ über die Seitenflächen
\ \ auf die Bauchfläche sich
krümmen, wo sie enden
und ein mittleres Feld,
das keine Muskelbildun-
gen zeigt, gänzlich frei
lassen. Zwei Längsfal-
ten ((?) , welche dieses
Feld begrenzen, treten
besonders bei der Zu-
sammenziehung deut-
lich hervor. Der vor-
derste Muskelreif zieht
an dem Centralner-
vensystem vorbei, das
aus einem einzigen, fast
kugelförmigen Ganglion
(/) besteht und an
seinem Vorderrande
einen dunkelrothen, huf-
eisenförmigen Augen-
Salpa democrutlca, nach dem
Leben und von der Endo-
stylseite aus in sechsfacher
Grösse mit der Camera hi-
cida gezeichnet. «, äusserer
Mantel; h, Zwischenmantel-
raum ; c, innerer Mantel ; c?,
Längsfalte, das von Muskeln
entblösste Feld begrenzend ;
e, vordere Seitenanhänge; e',
hintere Anhänge , in welche
eine Ausstülpung e^ des inne-
ren Mantels eindringt ; J\
mittlerer Hinterstachel ; </, </,
Muskelreifen (die dorsalen
Fortsetzungen dieser Reifen,
welche man durchscheinen
sieht , sind nur durch Con-
turen angegeben); /;, Eintrittsöflfnung ; i, Austrittsöftnung ; Ä:, Sinnesorgan ; /, centrales
Nervenganglion; m, Flimmerlinie, von der Kieme zum Endostyl verlaufend; n, Kieme;
o, drüsiger Endostyl; o^, seine Fortsetzung -zum Darmmunde p; q, Darm; ?•, Anfang
des Stolo ; r'^, dessen Ende; s, Nucleus ; <, Herz.
268 Tuuicaten.
fleck trägt. Vor diesem Nervenknoten liegt ein Sinnesorgan (k),
das bei dem lebenden Thiere durch seine mächtigen Wimpercilien sich
bemerkbar macht und von einem zipfelförmigen Anhange überragt
wird. Die cylindrische Kieme (w) nimmt fast unmittelbar hinter dem
Ganglion aus der Vereinigung zweier Flimmerlinien (m) ihren Ur-
sprung, welche die EiutrittsöfFnung umsäximen. Die Kieme ist sehr
lang; sie heftet sich unmittelbar vor dem Nucleus an die Bauchfläche
an. Der bauchständige Endostyl (o) erstreckt sich von der Eintritts-
öffnung bis zu dem vierten Muskelreifen. Die halbmondförmige Aus-
tr i ttsöffn un g (/), deren Convexität nach hinten schaut, findet sich
fast am Ende des Körpers , aber noch auf der Rückenfläche. Der
schwach gefärbte Nucleus (s) hat eine längliche Gestalt; von ihm
geht der Stolo (r) aus, der bei den reifen Individuen sehr beträchtlich
ist, zwei Reihen von Knospen trägt, die in mehreren Entwicklungs-
stadien aufeinander folgen, und den Nucleus mit einem zierlichen
Doppelkranze umgiebt. Das Thier schwimmt vereinzelt im Meere,
indem es, wie alle Salpen, Wasser in Menge einschluckt und durch
die Austrittsöffnung ausstösst. Es schwimmt sehr lebhaft.
Die geschlechtliche Kettenform (Salpa mucronata)
(Fig. 117) zeigt im Ganzen einen eiförmigen Körper, der nach hinten
in eine stumpfe Spitze ausgezogen ist, in welcher der schön himmel-
blau gefärbte Nucleus geborgen ist. Die blaue Farbe erstreckt sich
häufig noch auf die Kieme, den Endostyl und die Flimmerlinie. Der
äussere Mantel (a) ist sehr dick, aber weich und klebrig an seiner
Oberfläche. Zungenförmige Vorsprünge (d) finden sich am Vorder-
rande und an der rechten oder linken Seite, je nach der Stellung des
Thieres in der Kette. Sie dienen zur Verbindung mit den im Uebrigen
freien Individuen, welche die Kette bilden. Die quere Eintritts-
öffuung (/*) liegt hinter dem Vorderende auf der Rückenfläche; der
Endostyl (o) erstreckt sich bei horizontaler Lage über sie hinaus nach
vorn. Das wie bei der vorhergehenden P^orm gelagerte Central-
gangliou (?) trägt auf seiner Vorderfläche drei vollkommen von ein-
ander getrennte Augenflecke. Die Form besitzt nur vierMuskel-
reifen((/), von welchen drei sich in einem auf der Rückenfläche hinter
dem Anheftungspunkte der Kieme gelegenen Punkte vereinigen, wäh-
rend der hinterste Reifen isolirt bleibt. Von dem Vereinigungspunkte
erstreckt sich der vordere' Muskelreif schief nach vorn, der zweite
quer, der dritte schief nach hinten gegen die Bauchfläche. Der unab-
hängige hinterste Muskelreif biegt sich stark nach vorn; seine Enden
schliessen sich nicht auf der Bauchfläche. Der Endostyl (o^) ist ver-
hältnissmässig weit kürzer als bei der Einzelform ; er erstreckt sich
nach hinten nur bis zu dem Vereinigiingspunkte der Mnskelreifen.
Auch die Kieme (j)) ist weit kürzer, der Nucleus (s) dagegen weit
voluminöser als bei der Einzelform. Rechts von ihm , in der Ver-
Thaliaden.
2G9
Fig. 117.
Salpa niucyonata, in derselben Lage wie die vorhergehende Form, neunfach ver-
grössert. Die Buchstaben haben meist dieselbe Bedeutung. a , äusserer Mantel ;
a^, seine Innengrenze ; b, Zwischenmantelraum ; c, innerer Mantel ; d, Haftfortsätze ;
e, seitlicher Anhang; f, Hinterstachel; g, Muskelreifen; /(, EintrittsötFnung ; i, Aus-
trittsöffiiung ; k, Sinnesorgan; k^, dessen Haube; l, Nervenknoten; m, Flimmerlinie;
n, Kieme ; n^, Punkt, wo die beiden Flimmerlinien zur Bildung der Kieme zusammen-
treffen; 0, Endostyl; o^, Fortsetzung desselben zum Darmmunde; o'^, vor dem Munde
gelegene Kieme ; /;, Darmmund ; q, Enddarm ; r, Hoden ; s, Nucleus ; s^, Blutlacune
desselben ; t. Herz : ^^ Ei.
270 Tunicaten.
längerung des Darmmundes, sieht man bei jüngeren Individuen den
nur aus einem einzigen Ei gebildeten Eierstock (u). Bei älteren Indivi-
duen sieht man an dieser Stelle mehr oder minder ausgebildete Em-
bryonen, die im Zustande der Reife fast gänzlich die Leibeshöhle der
Mutter ausfüllen.
Diese geschlechtliche Form findet sich immer in Ketten, welche
stossweise schwimmen; die einzelnen Individuen lösen sich oft selbst
in Weingeist nicht von einander; sie sind schief zur Axe der Kette
gelagert, die Eintrittsöflfnuugen alle nach vorn vind zur Seite gei'ichtet.
Man fischt sie mit dem feinen Netze.
Beide Formen sind phosphorescirend; das bläuliche Licht geht
nur von dem Nucleus aus.
Präparation. — Salpen von der Grösse unserer typischen Art
lassen sich am besten lebend unter der Lupe oder dem Mikroskop
untersuchen. Unter letzterem kann man sie stundenlang bei durch-
fallendem Lichte beobachten, wenn man sich Glaszellen von genügender
Weite und Höhe herstellt. Die Athem- und Herzbewegungen dauern
ungestört fort und die Durchsichtigkeit der Gewebe ist so gross, dass
man z. B. die Blutströme bis in die geringsten Verzweigungen auf
diese Weise verfolgen kann. Gewisse Einzelheiten der Structur lassen
sich durch Zerzupfung oder durch Schnitte feststellen, zu welchen fast
alle Fixationsmittel sich eignen. Die grösseren Arten (S. pinnata,
maxima etc.) können makroskopisch zergliedert und auch injicirt
werden. Zu letzterem Zwecke sticht man eine feine Canüle in das
Herz ein und treibt die Masse sehr langsam voran. Das fortschlagende
Herz übernimmt die Einspritzung in die feineren Blutbahnen.
Dr. M. Jacquet hat uns auf diese Weise sehr schöne Injectionen
gefertigt. Die Thiere leben noch mehrere Tage fort, auch wenn
das ganze Gefässsystem mit Masse, z. B. Chromgelb, dicht gefüllt ist.
Die von Einem von uns im Jahre 1851 in Villefranche begonnene
Arbeit wurde daselbst im Frühjahre 1889 weiter geführt und durch
Untersuchung von Schnitten vervollständigt, zu welchen die Zoo-
logische Station in Neapel ausgezeichnet conservirtes Material lieferte.
Der äussere Mantel (a, Fig. 116 und 117), der bei der Einzel-
form dünner und fester, bei der Kettenform, wo vielfache Unreinheiten
daran ankleben, dicker und weicher ist, erscheint vollkommen durch-
sichtig und structurlos. Weder bei lebenden , aioch bei mit verschie-
denen Fixativen behandelten Exemplaren haben wir das mindeste
Anzeichen einer Structur entdecken können. Er hängt mit der Körper-
wand, welche man gewöhnlich den in neren Man tel (c) nennt, nur
im Umkreise der beiden Oeffnungen zusammen, ist aber sonst von ihr
durch einen Zwischenraum (b) getrennt, der namentlich bei den Con-
tractionen der Muskeln deutlich hervortritt. Dieser Raum enthält
w^ahrscheinlich nur durch Osmose eingedrungenes Meerwasser; meist
Thaliaden. 271
liegen sogar die beiden einander zugekehrten Flächen eng aneinander.
Blut circulirt sicher nicht in diesem Räume. Bei der Kettenform sieht
man vorn an der Eintrittsöffuung zwei zungenförmige Fortsätze des
äusseren Mantels (d, Fig. 117) und drei audei'e auf der einen oder
anderen Körperseite, je nach der Stellung des Individuums in der
Kette. Sie erscheinen wie zei'rissen an dem Ende, mit welchem sie
an die beiden benachbarten Individuen in der Reihe verbunden sind.
Der innere Mantel (c) ist ziemlich dünn und fest, sehr elastisch,
denn er bildet den Antagonisten der Ringmuskeln in der Körperwand.
Er ist structurlos , wie der äussere Mantel; seine Inneufläche, welche
die grosse Körperhöhle begrenzt, ist mit einer düunen Epithelialschicht
von abgeplatteten Pflasterzellen bekleidet. Seine Dicke lässt sich be-
sonders leicht an der Einzelform erkennen , wo durch die Contraction
der Muskeln eine Längsfalte (d, Fig. 116) entsteht.
Die Muskeln liegen an der Aussenfläche des inneren Mantels; sie
haben die Form von sehr abgeplatteten Bändern oder Reifen, in welchen
die ebenfalls platten Fasern parallel neben einander gelagert sind. Die
Fasern sind sehr fein quer gestreift und schon bei dem lebenden
Thiere sieht man in ihrer Längsaxe eine Reihe feiner Körnchen.
Wir haben schon oben bei Darlegung der unterscheidenden Cha-
raktere der beiden Formen die Verschiedenheit in der Anordnung der
Muskelreifen erwähnt, welche indessen den gemeinsamen Charakter
zeigt, dass die Reifen auf der Bauchseite, längs des Endostyles sich
nicht vereinigen, sondern einen freien Raum lassen. In der Substanz
des Mantels selbst, aber an seiner inneren Fläche, sind die zahlreichen
verzweigten Lacunencanäle für den Blutlauf augebracht , die einem
capillaren Gefässsysteme gleichen und von dem bei Gelegenheit des
Kreislaufes die Rede sein soll.
Bei der Beobachtung lebender Salpen kann man sich sehr gut
von dem Wechselspiel zwischen den Muskelreifen und dem inneren
Mantel Rechenschaft geben, welches zugleich zur Athmung, Ernährung
und Bewegung dient. Die Muskelreifen verengern durch ihre Zu-
sammenziehung die grosse Körperhöhle, deren Füllwasser durch die
AustrittsöfPnung gewaltsam ausgestossen wird , während die Eintritts-
öffnung geschlossen wird. Das Thier wird durch den Rückstoss des
Wassers nach vorn getrieben. Bei der Erschlaffung der Muskeln strebt
der innere Mantel durch seine Elasticität sein früheres normales Vo-
lumen wieder zu gewinnen und durch Aufsperren der Eintrittsöffnung
füllt sich die Körperhöhle aufs Neue mit Wasser, das Sauerstoff und
aufgeschwemmte Nahrungstheile mit sich führt.
Der innere Mantel ist offenbar die eigentliche Körperwand, denn
ausser den Muskeln und den Gefässen umschliesst er auch in seiner Sub-
stanz alle übrigen Eingeweide, mit Ausnahme der Kieme, die indessen
an ihren beiden Enden mit ihm verwachsen ist. Er bildet so die
272 Tunicaten.
grosse allgemeine Körperhöhle und durch besondere Umwachsungen
umschliesst er das Herz und die in dem Nucleus gelagerten Ein-
geweide.
Die beiden Oeffnungen für den Ein- und Austritt des Wassers
sind bei den beiden Formen etwas verschieden gestaltet. Beide sind
von mächtigen Schliessmuskeln umgeben , welche wie Sphincteren an-
geordnet sind, und zeigen ausserdem Längsbündel, welche die Lippen
öffnen. Die Eintrittsöffnung der Einzelform (//, Fig. 116) bildet eine
breite, fast am Körperende gelegene Querspalte und ihre beiden Lippen
biegen sich nach innen ein, indem sie so eine Art Klappe bilden.
Die Eintrittsöffnung der Kettenform (Ji, Fig. 117) ist weiter geöffnet,
queroval und gänzlich auf der Riickenfläche gelegen. Die Austritts-
öffnungen, ganz besonders die der Kettenform, können bei heftiger
Ausstossung des Wassers wie eine Röhre vorgestülpt werden ; in ihren
Wänden wiegen die Eingfasern vor.
Nervensystem. — Wie schon oben (S. 263) bemerkt wurde, be-
sitzen die Salpen nur einen einzigen centralen Nervenknoten , der in
der Substanz des inneren Alantels in geringer P^ntfernung vor der
vorderen Anheftungsstelle der Kieme eingebettet liegt (?, Fig. 116
und 117). Man kann an jedem Centralganglion zwei eng verbundene
Theile unterscheiden, den mehr nach vorn und oben gewendeten Seh-
theil und das eigentliche, mehr nach unten land hinten gelegene
Ganglion , welches fast kugelförmige Gestalt hat. Nur dieser letztere
Theil sendet die Nerven aus; beide Theile sind aber so innig mit
einander verschmolzen, dass man sie nicht von einander trennen kann.
Centraler Nervenknoten der Einzel form (Fig. 116 und
118). — Derselbe liegt in der Mitte eines Dreieckes {Ä, Fig. 118),
dessen Basis von dem vordersten Muskelreifen , die beiden Seiten von
den beiden Flimmerlinien (?) gebildet werden, welche sich in der
Mittellinie vereinigen, um den Anfang der Kieme (?) zu bilden. Das
eigentliche Ganglion ist rund, etwas abgejolattet von oben nach unten
und auf seiner Mitte ruht der Sehtheil. Man sieht nur schwer, sei
es beim Lebenden oder auf Schnitten [B, Fig. 118), die einzelnen
Formelemente. Mit starken Vergrösserungen sehen wir sehr feine
Fasern in querer Richtung zur Oberfläche verlaufend, während im
Inneren, in einer feinen Punktsubstanz, etwas hellere, runde Räume
mit verwaschenen Conturen sich zeigen, die wohl von Ganglienzellen
herrühren mögen. Auf mehr oberflächlichen Schnitten sieht man eine
von kleinen Zellen mit verhältnissmässig grossen Kernen gebildete
Rindenschicht, die bis in die Nervenwurzeln selbst sich erstreckt. Von
dem Ganglion strahlen zwölf Nervenpaare aus. Das der Mittellinie
zunächst gelegene innerste Nervenpaar lässt sich bis zu dem Sinnes-
organe (g, Fig. 118, A) und über dasselbe hinaus verfolgen. Allei
Thaliaden.
273
diese Xei'ven sind ausserordentlich fein und zart und wir müssen ein-
gestehen , dass wir weder bei den Lebenden noch auf mit Osmium-
oder Chromsäure behandelten Präparaten sie weit über das angegebene
Dreieck hinaus haben verfolgen können.
Der Sehtheil (Fig. 118) ist von dem Ganglion deutlich durch eine
gewölbte, durchsichtige Hülle abgehoben (a, Fig. 118,5), die man mit
einer Hornhaut vergleichen kann. Ein kleiner Vorsprung der Xerven-
masse schlägt sich etwas über
den hinteren Rand dieser
Hornhaut hinüber , an deren
Innenfläche sich unmittelbar
die dunkelbraunroth gefärbte
Pigmentmasse anlegt, welche
die Gestalt eines nach vorn
geöffneten Hufeisens hat. Nach
Fig.
A.
118.
Sulpa democratica. — J, das Centralganglion mit seiner Umgebung , von oben ge-
sehen. Gundlach, Oc. 1, Obj. 2. Camera dura. a. Spitze der Haube des Sinnes-
organes; h, die Seitenflügel; c, basale Erweiterung; d, Flimmerrand des Bechers;
e, seine mit Haaren besetzte Höhle ; /, seine Wand ; g, erstes Xervenpaar, das unter
dem Sinnesorgane durch zum Munde verläuft; h, Muskelreif; {, Flimmerlinie; i-, Ver-
einigungspunkt der beiden Flimmerlinien; /, Anfang der Kieme; ?h, pigmentirter Seh-
theil des centralen Nervenknotens ; n, eigentliches Xervenganglion. B, Horizontal-
schnitt des Nervenknotens. Gundlach, Oc. 1, Obj. V. Camera heida, a, Hornhaut;
h, Schenkel der hufförmigen Pigmentmasse ; b', der dickere Mitteltheil des Hufeisens ;
c, c, innere Warzenhiigel ; d, Innenhöhle ; e, Nervensubstanz des Ganglions ; /, Hülle
desselben ; g, ausstrahlende Nerven.
Vogt 11. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. ig
274
Tunicaten,
hinten ist diese Masse dicker; die nach vorn gerichteten krummen
Schenkel des Hufeisens sind dünner. An Organen, die durch einen
raschen Schnitt der Scheere am Lebenden abgetrennt waren , sehen
wir die Pigmentmasse aus einzelnen rundlichen Ballen zusammen-
gesetzt; wohl Zellen, deren Bildung sich aber nicht weiter erkennen
Hess. Auf Schnitten zeigt sich die körnige Pigmentmasse zusammen-
hängend, wohl in Folge der Contraction durch die Eeagentien. Im
Ganzen bildet die Pigmentmasse einen nach vorn offenen Becher, der
sich eng an die Innenwand der Hornhav^t anlegt. Im Inneren dieses
Bechers springen fein gekörnte, übrigens durchsichtige Warzenhügel
vor (c, Fig. 118, i?) , welche sich nach einer inneren Höhlung ein-
biegen (d). Wir haben zuweilen in diesen Warzenhügeln eine feine,
ihrer Krümmung parallele Streifung zu sehen geglaubt, was auf ihre
Zusammensetzung aus verlängerten, den Retinuleu anderer Thiere ana-
logen Zellen hindeuten würde; aber
in anderen Schnitten haben wir ver-
gebens uns von dieser Structur zu
vergewissern gesucht. Wenn sie
sich bestätigte , so würde das Auge
der Einzelform ein einfaches Auge
darstellen, bestehend aus einer Horn-
haut, einer Pigmentschicht (Choroi-
dea) und einer massiven, becher-
förmigen Retina,
Das Centralnervensystem
der Ketten form (Fig. 119) hat
genau dieselbe relative Lagerung,
wie dasjenige der Einzelform; es
zeigt dieselbe Anzahl ausstrahlen-
der Nerven und die gleiche innere
Structur. Die Gestalt des eigent-
lichen Ganglions scheint je nach
der Lage, in welcher man es sieht,
etwas verschieden, weniger abge-
plattet und an dem Uebergauge
zum Sehtheile etwas eingeschnürt.
Der Sehapparat ist durchaus ver-
schieden und aus drei getrennten
Pigmentmassen aufgebaut, die man schon unter der Lupe unterscheiden
kann und von denen die eine nach vorn, die andere nach hinten, die
dritte nach der rechten Seite gewendet ist. Jede dieser Massen wird
von einer Hornhaut überwölbt, in welcher wir auf einigen Schnitten
gleich weit von einander abstehende, senkrechte Streifen bemerkt
haben {cl, Fig. 119), die vermuthlich eine Zellenstructur andeuten.
Su/pa nmcronula. — Horizoiitalsclinitt
des Ganglions. G u n d 1 a c li , Oc. 1 ,
Obj. V. Camera luc'ida. I, vorderes
Auge ; n, hinteres ; III, seitliches Auge.
a, aus clem Ganglion ausstrahlende Ner-
ven ; i, Hülle des Ganglions ; c, Nerven-
masse ; f/, Hornhaut- , e, Pigment-, /,
Zellenschicht des vorderen Auges ; </, Pig-
ment-, /i , Zellenschicht des hinteren
Auges; /, Pigment-, k, Zellenschicht
des Seitenauo;es.
Thaliaden. 275
Von der Fläche gesehen, zeigen die Pigmentmassen deutliche, kugelige
Elemente (/) , runde Pigmentzellen. Jeder dieser Zellen scheint im
Inneren eine sehr durchsichtige, stark in die Länge gezogene Zelle zu
entsprechen, die deutlich von ihren Nachbarn getrennt ist (/, /;,
Fig. 119). In ihrer Gesammtheit sehen diese gegen die Pigmeutballen
convergirenden Zellen wie Stützen derselben aus. An ihrer Basis be-
merkt man eine scharf accentuirte Grenzlinie. Die Kettenform hat
demnach drei von einander unabhängige Augen , die unmittelbar auf
der Nervenmasse aufsitzen und verschiedene Sehaxen haben.
Sinnesorgan. — Vor dem Ganglion liegt in der Mittellinie der
Rückenwand ein eigenthümliches Organ (Ä-, Fig. 116 und 117), das aus
zwei Theilen besteht: einem hinteren in Gestalt eines engen Bechers
oder Trichters mit aufgewulsteten Zellenwänden, dessen ausgeweitete
Oeifnung nach vorn schaut und einem vorderen mit häutigen Wänden
in Form einer Zipfelmütze oder Kapuze, deren spitzes Ende gegen die
Eintrittsöffnung gerichtet ist und frei in der Körperhöhle schwimmt.
Der einzige Unterschied, welchen dieses Organ bei den beiden Formen
zeigt, besteht darin, dass die Zipfelmütze bei der Kettenform (Fig. 117)
weit länger ausgezogen ist, als bei der Einzelform (Fig. 116); ab-
gesehen von dieser geringfügigen Verschiedenheit ist das Organ bei
beiden Formen vollständig gleich gebaut.
Der Becher oder Trichter (e, Fig. 118, A) besteht, wie gesagt,
aus einer aufgewulsteten Verdickung des inneren Mantels. Die nach
aussen weit auseinander weichenden Wände schliessen sich nach hinten
zusammen und umschreiben so eine enge, innere Höhlung, in welcher
man Längsstreifen als optischen Ausdruck von starren Haaren erblickt,
die gegen die Mitte der Höhlung convergiren. Zwischen diesen
Haaren sieht man sehr kleine, aber scharf begrenzte Granulationen,
die vielleicht noch unentwickelte Härchen sind. Die Haare sind starr
und zeigen keine Bewegung; dagegen zeigt sich auf der ausgeweiteten
Mündung des Bechers ein zwar feiner, aber sehr lebhafter Flimmer- •
besatz (d). Ueber dieser Oeffnung erhebt sich der häutige Sack (a),
an dessen Basis zw^ei seitliche, flügelartige Ausweitungen angebracht
sind {l>, Fig, 118, Ä), die sich in die Körperhöhle öffnen. Die Wände
dieses Sackes sind häutig, zart, sehr durchsichtig, aber ziemlich steif
und elastisch. Mau sieht an ihnen Zeichnungen, die durch Faltungen
oder unregelmässige Rauhigkeiten hervorgebracht scheinen.
Welche Function hat dieses Organ? Eine bestimmte Antwort
auf diese Frage lässt sich nicht geben. Man kann das erste mitt-
lere Nervenpaar, welches aus dem Centralnervenknoten hervortritt
(g, Fig. 118, A) , leicht bis zum Grunde des Bechers verfolgen, sich
aber ebenfalls, wenn auch mit etwas mehr Mühe, überzeugen, dass
die Nerven unter dem Becher durch nach vorn gegen den Mund hin
276 Tunicaten.
verlaufen und nicht in das Organ selbst eintreten. Auch einen Seiten-
zweig zu dem Organe sucht man vergebens. Die starren Haare im
Inneren des Bechers, die Flimmerorgane auf seiner Mündung sprechen
für eine Sinnesfunction. Wir haben während mehrerer Stunden Salpen
in Wasser mit aufgeschwemmtem Carmin gehalten ; die Farbstoff-
theilchen sammelten sich in der wdmpernden Mündung des Bechers
wohl in noch grösserer Menge als am Endostyl; wir haben aber nie-
mals, weder in dem Becher, noch in dem Zipfelsacke des Organes,
Farbtheilchen gefunden. Man kann vermuthen , dass das Organ
ein Geruchsorgan sei, aber bewiesen ist diese Function noch gar
nicht.
Verdauungssystem. — Man kann an diesem Systeme zwei.
Abschnitte unterscheiden, den zuführenden und den verdauenden.
Die Eintrittsöffnung lässt in der That bei jeder Oeffnung einen
Wasserstrom eintreten, der die ganze Körperhöhle erfüllt und eine
Menge aufgeschwemmter Theile, Thierchen xxnd einzellige Pflanzen,
mit sich führt, die in der Körperhöhle umherwirbeln imd sich all-
mählich gegen ein besonderes Organ hin versammeln, welches mit
blossem Auge in der Medianlinie der Bauchfläche leicht erkannt werden
kann und allgemein der Endostyl (o, Fig. 116, 117) genannt wird.
Dieses, bei der Einzelform mehr in die Länge gezogene Organ erstreckt
sich bei beiden Formen über die Eintrittsöflfnung hinaus bis zur Unter-
lippe derselben. Es ist eine tiefe, auf der Kante einer in die Körper-
höhle vorspringenden Längsleiste ausgehöhlte Rinne. Die Kante
selbst ist durch seitliche Bänder (o'-, Fig. 116) mit dem inneren Mantel
verbunden. Diese Bänder, in welchen zahlreiche Blutströme verlaufen,
vereinigen sich hinter dem Drüsentheile des Endostyls in der Mit^iel-
linie und setzen seinen Verlauf bis zur Kieme hin fort.
„Man kann in diesem Organe", sagte Einer von uns vor Jahren
(Vogt, s. Literatur), „mehrere, gewissermaassen von einander unab-
hängige Formationen unterscheiden: die Wimperauskleidung, die Bil-
dungen des Gefässsystemes und die innere Rinne, die sich durch ihre
weissliche Farbe auszeichnet." Beobachtungen am Lebenden wie an
Schnitten zeigen , dass diese Unterscheidung aufrecht erhalten werden
muss. „Die Lippen der Rinne sind mit sehr lebhaft wimpernden, langen
Flimmerhaaren besetzt. Wenn die beiden Lippen sich aneinander
legen, so kleiden die Wimpern den Grund aus und trennen denselben
von dem Innenraume der Rinne. Dieser ist von drüsiger Natur, mit
grossen hellen Zellen ausgekleidet, welche in der Tiefe einige Längs-
wülste bilden, die gegen die Auskehlung der Rinne vorspringen. Diese
Zellen sondern einen durchsichtigen, klebrigen Schleim ab. An ihren
beiden Enden erweitert sich die Rinne und erscheint hier zugeschnitten
wie die Spitze einer Schreibfeder; in diesen Erweiterungen ist die
Flimmerbewegung am lebhaftesten."
Thaliaden. 277
Die beiden durchsichtigen Seitenbänder, welche den Drüsentheil
auf seiner ganzen Länge einfassen , entstehen aus der Vereinigung
zweier Flimmerlinien (m, Fig. 116, 117), die an der vorderen Au-
heftungsstelle der Kieme ihren Anfang nehmen, allmählich auseinander
weichen, die Eintrittsöffnung umkreisen und sich etwas von der aus-
gekehlten Spitze des Endostyls wieder in der Mittellinie vereinigen.
Die Wimperbeweguug verläuft auf diesen Linien in der Richtung von
der Kieme zum Endostyl und setzt sich auf dessen Kinne selbst von
vorn nach hinten fort. Die in dem Wasser der Körperhöhle auf-
geschwemmten Theilchen werden ziemlich schnell in dieser Richtung
fortbewegt, und während ihres Fortgleitens mit dem in Menge von
den Drüsen Wülsten der Rinne abgesonderten Schleime umhüllt, wobei
sie die Gestalt von gedrehten Fäden oder Tauen annehmen. Die
neueren Untersuchungen h^ben demnach einfach bestätigt, was der
Eine von uns schon im Jahre 1854 festgestellt hatte, nämlich, dass
dieser beständig von vorn nach hinten gehende Wimperstrom die
Nahrungsmittel dem Darmmunde zuführe.
Indessen findet sich bei unserer tj'pischen Art ein ziemlich be-
deutender Zwischenraum zwischen dem hinteren Ende des drüsigen
Endostyls und dem Darmmunde und dieser Zwischenraum ist relativ
sehr gross bei der Kettenform (o^, Fig. 11(3). Auf diesem setzen sich
nur die beiden bewimperten Lippen der Rinne fort, eng verschmolzen
und bedeutend abgeplattet. Man kann also mit Recht sagen, dass der
Endostyl eine mediane Wimperrinne darstellt, welche auf einem Theile
ihrer Erstreckung eine drüsige Beschaffenheit hat.
Am hinteren Ende dieses Flimmerstreifens, auf welchem die zur
Nahrung bestimmten Schleimknöllchen dahingleiten, liegt auf dem
Halse des zugespitzten Nucleus der Darmmund (j), Fig. 116, 119),
der die Gestalt einer abgeplatteten und etwas gewundenen Trichter-
öffnung hat. Die etwas verdickten Wülste, welche die Lippen dieses
Mundes bilden, erstrecken sich bei der Kettenform (Fig. 117) etwas
weiter nach vorn auf die Flimmerrinne. Dieser, auf seiner ganzen
Fläche flimmernde Mund führt in einen kurzen, trichterförmigen und
abgeplatteten Schlund (c, Fig. 123), dessen Innenfläche ebenfalls ein
Wimperepithelium trägt. Die Einzelform eignet sich zum Studium
des Darmcanales , der allein den Nucleus füllt, besser als die Ketten-
form, bei welcher der Darm von den Blindsäcken des Hodens umgeben
ist. Der aus festen , von cylindrischen Zellen gebildeten Wänden
(c, Fig. 123) bestehende Schlund mündet in einen ziemlich weiten,
blind nach hinten geschlossenen Magensack, der einer spitz endenden
Flasche gleicht, aiif deren nach vorn gerichteter Basis zwei Hälse auf-
gesetzt sind, einerseits der Schlund, anderseits das kurze Rectum.
Die ganze Bildung gleicht sehr derjenigen der Bryozoen. Im Inneren
seiner dünnen Eigenhülle zeigt der Magen eine dicke Endothelschicht,
278 Tunicateii.
die aus langen, palissadenartig neben einander stehenden Cylinder-
zellen gebildet ist, welche runde, grosskernige Drüsenzellen (cf, Fig. 123)
umgeben. Die Wände des Magens setzen sich in das Rectum fort,
wo sie wenig nach innen vorspringende Längswülste bilden, aber eine
abweichende Structur zeigen. Sie bestehen aus feinen Cylinderzellen,
die aufschnitten einen inneren Ueberzug gewahren lassen (/, Fig. 123),
welcher verklebten Wimperzellen ähnlich sieht. Das Rectum öffnet
sich nicht in einen Cloakenraum , sondern direct in die Körperhöhle
am Anfange der meist etwas röhrenförmig ausgezogenen Austritts-
öffnung. Bei lebenden, namentlich bei mit Carmin gefütterten Salpen
kann man leicht den Austritt der Excremente in Form kleiner Würst-
chen beobachten. Anhangsorgane des Darmes fehlen durchaus.
Athemorgane. — Man kann auch hier zwei Abtheilungen an-
nehmen: die schon erwähnten Flimmerlinien (;«, Fig. 116, 117)
und die Kieme (») , welche schief durch die allgemeine Köi'perhöhle
gespannt ist und vorn an der Rückenseite in geringer Entfernung
hinter dem Centralgauglion, hinten dagegen an der Bauchseite im Be-
ginne des Nucleus angeheftet ist.
Die Flimmerlinien zeigen bei beiden Formen dieselbe An-
ordnung. Wie schon bemerkt, beginnen sie am Vorderende des Endo-
styls, weichen auseinander, um die Ecken der Eintrittsöffnung zu um-
kreisen und Tereinigen sich auf der Mittellinie der Rückenseite am
Anheftungspunkte der Kieme. Da diese letztere bei der Einzelform
(Fig. 116) länger ist, so bildet die Flimmerlinie bei ihr fast einen
Kreis, während bei der Kettenform (Fig. -117) ihr Verlauf gestreckter
ist. Auf dem grössten Theile ihrer Erstreckung sind die Wimpern
auf einem von sehr feinen Fasern zusammengesetzten Bande au-
gebracht. Aber an den beiden Enden, sowohl gegen den Endostyl
wie gegen die Kieme hin, erhebt sich diese bandförmige Grundlage
allmählicli und bildet schliesslich eine nach innen vorspringende Falte,
so dass wir z. B. am Anfange der Kieme (Fig. 118, A, IS) zwei starke,
etwas umgekrempelte Falten sehen, welche durch ihre Vereinigung
eine Art dreieckiger Höhle bilden , in welcher die Wimperbewegung
äusserst lebhaft ist. Die Bewegung geht von der Kieme zum Endo-
style und ist nur die Fortsetzung des an der Oberfläche der Kieme
aufsteigenden Wimperstronies. Hiernach stellt sich die Kieme ge-
wissermaassen als ein aus der Verschmelzung der beiden Flimmer-
linien hervorgegangenes Organ dar und die Spur dieser Verschmelzung
lässt sich noch längs der ganzen Kieme in Gestalt einer Linie er-
kennen, in welcher die queren Wimperwülste der Kieme unter-
brochen sind.
Die Kieme selbst besteht aus zwei wesentlichen Theilen, einem
festen Cylinder, der längs seiner dorsalen Mittellinie in der Art aus-
Thaliaden. 279
gekehlt ist, dass er auf Querschuitten einem dicken, wie ein Circumflex
gebogenen Bande gleicht, und einem AnheftungsLaude, welches sich
an den Ansatzstellen der Kieme bedeutend erweitert. Der Cylinder
wird von einer Substanz gebildet, die ebenso fest und homogen ist,
als diejenige des Mantels; aber auf seiner gegen die Körperhöhle ge-
wendeten Aussenfläche gewahrt man besondere Bildungen, rippenartig
erhabene, mit Wimpern besetzte Querwülste, die mit leicht aus-
gekehlten, etwas breiteren Zwischenräumen abwechseln. Die Wimper-
wülste bilden etwas schief gegen die Kiemenaxe mit der Convexität
nach hinten gerichtete Bogen ; sie verflachen sich etwas gegen die ven-
trale Mittellinie hin, die sie nicht ganz erreichen, so dass hier die
oben erwähnte Längslinie frei bleibt, welche auf Querschnitten sich
als eine erhabene Kante darstellt. Bei der Profilansicht (Fig. 120
a. f. S.) stehen die Flimmerlinien wulstartig vor. Die sie bildenden
Wimperzellen sind cylindrisch und schwach begrenzt; sie tragen an
ihrem freien Ende ein Büschel kurzer, ziemlich dicker Wimpern. Die
Thäler zwischen den Flimmerwülsten (?) sind mit einem Pflasterepithe-
lium ausgekleidet, dessen unregelmässige Kerne sich leicht fäi-ben.
Die specielle Stromrichtung auf den Wimperwülsten läuft ihrer Länge
nach gegen die Mittellinie; die Gesammtrichtung verläuft längs der
Kieme vom Nucleus gegen die vordere Anheftungsstelle, also in einer
der Bewegung auf dem Endostjd entgegengesetzten Richtung.
Das Haltband besteht aus zwei sehr dünnen, häutigen Blättern,
die eng aufeinander liegen, sich bei der Annäherung an den Cylinder
etwas verdicken und mit den Seitenrändern desselben zusammen-
fliessen. Wir haben diese Bildung mit grösster Deutlichkeit sowohl
auf Schnitten als auch bei mit Tusche injicirten Salpen bestätigen
können und aus den Injectioneu die Ueberzeugung geschöpft, dass
das Haltband das eigentliche Respirationsorgan ist , wo der Austausch
der Gase zwischen dem Blute und dem umgebenden Wasser stattfindet,
während der Wimpercylinder nur ein zur Herstellung eines beständigen
Stromes dienendes Hülfsorgan ist. Um dieses Verhältniss zu veran-
schaulichen, müssen wir in einige Einzelheiten über Kiemen, die mit
Tusche injicirt wurden, eingehen. W^ir haben in Fig. 120 ein Stück
einer so injicirten Kieme der grossen Kettenform S. maxima gegeben,
deren Einzelform als S. africana bekannt ist. Die Injection ist leichter
bei solchen grossen Arten, aber die Organisation der Kieme ist genau
wie bei unserer typischen Art.
Man sieht auf diesem Präparate, dass der mit Wiraperwülsten
besetzte Cylinder nur einige wenige Nährgefässe (?') besitzt, welche
aus einem engen Maschennetze (g) entspringen, das an dem Cylinder
sich hinzieht uud in einen dünnen Sammelcanal (Ji) mündet, der längs
den Enden der Wimperwülste verläuft. Das Gefässnetz zeigt weitere
Maschen in der Nähe des grossen, mittleren Sammelcanales (e), auf
280
Tunicaten.
riß-. 120.
ab c
welchem die zahlreichen Stämme entspringen, die in dem Maschen-
netze sich verzweigen und mit einander anastomosiren. Dieser grosse
mediane Längscanal verläuft auf der Trennungslinie der beiden Blätter
des Haltbandes. In jedem dieser Blätter ist wieder ein Maschennetz
entwickelt, ähnlich dem der vorderen Seite. Um die Figur nicht zu
verwirren, haben wir nur das eine dieser Blätter gezeichnet, aber durch
abwechselndes Erhöhen und Niederlassen des Focus kann man sich
leicht überzeugen, dass in der Substanz eines jeden der beiden über
einander liegenden Blätter ein Gefässnetz entwickelt ist. Diese ana-
stomosirenden Gefässe fliessen endlich in einem fast randständigen
Samraelcanale (c) zu-
sammen, der längs des
Bandes verläuft und
dessen Existenz auch
beweist, dass hier die
beiden Blätter mit ein-
ander verschmolzen
sind. Die auf Quer-
schnitten deutlich sicht-
baren freien Ränder
unterscheiden sich auch
hier durch zwei Längs-
linien (a, h).
Beobachtet man eine
lebende Salpe, so sieht
man leicht die Blut-
körperchen in dem gros-
sen mittleren Sammel-
caual sich vorwärts be-
wegen; es ist uns aber
niemals gelungen, Blut-
körperchen in dem Ma-
schennetze oder in den
kleinen Sammelcanälen
sich bewegen zu sehen.
Es scheint, als Hessen
die Maschennetze ebenso
wenig die relativ gros-
sen Blutkörperchen, als
etwas grobkörnige In-
jectionsmassen passiren,
Stück einer mit Tusche injicirten Kieme von Salpa
maxima [afrlcana). Verick, Oc. 1, Obj. 0. Camera
dura. A, häutiger dorsaler Rand ; B, ventraler Rand
des Cylinders. a, b, Nahtlinien der beiden das Halt-
band bildenden Blätter; c, kleiner dorsaler Sammel-
canal ; d, Capillarnetz auf den Blättern; e, grosser
mittlerer Sammelcanal ; /, Gefässnetz mit weiten
Maschen; g, engniaschiges Gefässnetz; h, kleiner,
längs dem Cylinder verlaufender Sammelcanal ; i, Nähr-
gefässe des Cylinders; Ä, Flimmerwülste ; /, Zwischen-
■thäler mit Pflasterepithelium.
wie z. B. Chromgelb,
während Tusche leicht eindringt. Demnach würde nur das Blutplasma
in diesen Netzen circuliren und sich oxydiren.
Thaliaden. 281
Kreislauf. — Man kann den Kreislauf auf zweierlei Weise unter-
suchen: unmittelbar durch Transparenz unter dem Mikroskope bei
kleinen Arten , wie unsere typische , oder bei grösseren Arten mittelst
Injection. Die erste Methode bietet Schwierigkeiten durch die un-
gemeine Durchsichtigkeit und Fai'blosigkeit des Plasmas, wie der ver-
hältnissmässig seltenen Blutkörperchen. Diese sind ziemlich gross,
von unregelmässiger, aber doch meist rundlicher Form und legen sich
hcäufig in Form kleiner AVürstchen zusammen. Man kann dann leicht
die Strömung solcher Würstchen verfolgen ; da die Blutkörperchen
aber ihrer Grösse wegen nicht in die feineren Verzweigungen und die
Capillareu eindringen, so kann mau auf diese Weise sich nur über die
grösseren Blutbahnen Rechenschaft geben.
Die Injection lebender Individuen der grösseren Arten ist ziemlich
leicht. Man stösst die Spitze einer feinen, in ein Kautschukrohr ein-
gelassenen Glascanüle in das Herz und treibt durch langsames und
bemessenes Einblasen die Masse in das Organ. Das Herz treibt selbst
die Masse weiter ; es fährt fort zu schlagen , und wir haben Thiere
drei oder vier Tage mit beständig pulsirendem Herzen lebend erhalten,
bei denen nicht nur sämmtliche grosse Gefässe, sondern theilweise
auch die Capillaren mit Injectionsmasse gefüllt waren. Die Massen
zeigen hinsichtlich des Eindringens Verschiedenheiten. Frisch ge-
fälltes Chromgelb füllt sehr leicht das ganze System des Endostyls,
dringt aber nicht so leicht in die von der Kieme abhängenden Bahnen
ein. Man empfindet eine Art Widerstand, als existire an der Herz-
mündung der Kiemengefässe ein Klappenapparat, dessen Existenz wir
indessen nicht auf andere Weise nachweisen konnten. Dagegen dringt
chinesische Tusche leicht in das Kiemensystem ein. Die feinen
schwarzen Theilchen kleben an den Wänden der Blutbahnen an und
bringen so die feinen Capillaren zur Anschauung. Man kann so-
gar, zu flüchtiger Anschauung, Luft einblasen, die indessen bald durch
Osmose wieder aus den Gefässen verschwindet.
Wir halten unbedingt die von Einem von uns (s. Literatur) vor
Jahren aufgestellte Behauptung aufrecht, dass der gesammte Kreis-
lauf in Lacnnen vor sich geht, welche in der Substanz des inneren
Mantels ausgehöhlt sind, und dass man trotz der grossen Regelmässig-
keit der Stämme, Aeste und Capillaren keine besonderen Wände der-
selben nachweisen kann. Man kann diese Ansicht leicht an der
grossen Lacune erhärten, welche den Nucleus einnimmt und in welche
Darm und Hoden eingetaucht sind. Man sieht hier (h, Fig. 123)
Bindegewebsstränge, welche unregelmässige Räume umgrenzen, in
welchen die Blutkörperchen um diese Brücken und Stränge kreisen.
Das Herz (f, Fig. 116, 117, 121; jj, Fig. 122) liegt auf der
Rückenfläche in einer Höhle, die in einer Fortsetzung der fast knor-
peligen Substanz des Nucleus ausgegraben ist, die als Herzbeutel
18*
282 Tunicaten.
fiingirt. Es bildet einen kurzen, ziemlicli breiten Schlauch, der nur
an beiden Enden an dem Pericardium angeheftet ist , und scheint
wesentlich musculöser Natur. Doch müssen wir bemerken, dass wir
niemals wirkliche Muskelfasern zur Anschauung bringen konnten ;
man sieht nur, wenn man die Wände des sich zusammenziehenden
Herzens scharf im Profil beobachtet. Kerbungen, die durch Fasern
bedingt scheinen. Die Zusammenziehungen sind wurmförmig und
gehen bald von hinten nach vorn, bald in umgekehrter Richtung, und
diese Aenderungen der Richtung, die von einer kleinen Ruhepause
unterbrochen werden, scheinen in ganz regelmässigen Intervallen sich
zu folgen. Es kann also von Arterien und Venen keine Rede sein;
in jeder Blutbahn, die man unter dem Mikroskope fixirt, kann man die
Blutkörperchen sehen, wie sie während einiger Zeit in einer gegebenen
Richtung strömen, mit einigen Schwankungen innehalten und dann in
entgegengesetzter Richtung sich bewegen. Um aber unsere Beschrei-
bung zu erleichtern, fixiren wir den Augenblick, wo das aus dem
Herzen getriebene Blut in die Kieme eindringt, um dann durch das
System des Endostyls wieder in das Herz zurückzukehren; das Blut
stj-ömt in diesen beiden Organen thatsächlich stets in entgegengesetzter
Richtung.
Der Kiemen ström geht aus dem vorderen Ende des Herzens
hervor (Fig. 121, 122) und tritt an das hintere Ende der Kieme
heran, indem er der Falte folgt, welche die Kieme an dem Nucleus
befestigt. Bei lebenden Thieren kann man nur den grossen Mittel-
canal der Kieme sehen {x, Fig. 122), in welchem zahlreiche Blut-
körperchen dicht gedrängt strömen ; die seitlichen Sammelcanäle und
die Capillarnetze, welche wir oben bei Gelegenheit der Kieme be-
schrieben und in Fig. 120 abgebildet haben, entziehen sich am Lebenden
der Beobachtung. Wir verweisen also bezüglich ihrer auf die dort
gegebene Beschreibung (S. 280).
Am vorderen Ende der Kieme vereinigen sich die seitlichen Canäle
mit dem mittleren Hauptstrom, der allein seinen Weg zu dem Central-
ganglion des Nervensystemes fortsetzt (Fig. 121), das ebenso wohl,
wie die Flimmergrube, allseitig von einem weiten Blutsinus umgeben
ist, in welchem die Blutkörperchen nach allen Richtungen hin herum-
wirbeln. Der Stamm sendet, bevor er sich zur Bildung des Sinus
erweitert, Aeste in das Haftband der Kieme («', Fig. 122), welche gegen
den dort gelegenen Vereinigungspunkt der Muskelbänder verlaufen
und in diesen ihren Weg fortsetzen. Von dem die Flimmergrube um-
gebenden Sinus aus gabelt sich der Strom in zwei Aeste (w^, Fig. 121), fl
die zu den Ecken der Eintrittsöffnung emporsteigen und einen ge-
schlossenen Kreis um dieselbe bilden. Aber am Austrittspuukte aus
der Kieme entsendet der Mittelcanal noch zwei andere Seitenäste,
welche einen weiteren Kreis beschreiben und den Flimmerlinien
Thaliaclen.
Fig. 121.
283
Salpa mucroHuta. — Nach Beobachtungen am Lebenden combinirtes Schema des
Kreislaufes. Man hat zur Anhige der Zeichnung die Pause der Fig. 117 und die-
selben Buchstaben zur Bezeichnung der Organe benutzt. Nur die Hauptströmungen
sind gezeichnet , dagegen die Seitenäste and Capillarnetze ganz weggelassen v^'orden.
a, äusserer Mantel; c, innerer Mantel; g, Muskelreifen; h, Eintrittsöffnung; i, Aus-
trittsöffnung ; k, Sinnesorgan ; /, Centralganglion ; m, Flimmerstreifen ; n, Kieme ;
n^, ihr Aufhängeband; 7i^, centraler Kiemenstrom zum Nervenknoten; 7i^, Gabelung
dieses Stromes zur Qmspannung der Eintrittsöffnung; o, drüsiger Endostyl ; o^, Fort-
setzung desselben zum Munde ; p, Darmmund; q, Nucleus; s, Blutlacune im Nucleus ;
f, Herz ; n, Ei : ?.<i, Blutgefäss zum Ei.
284 Tunicaten.
(m, Fig. 121) bis zum Vorderende des Endostyls folgen, wo sie sich
unter einander zur Bildung des Endostylstromes vereinigen und mit
diesem zum Herzen zurückkehren.
Man kann auf dem Drüsentheile des Endostyls zwei seitliche und
einen Mittelstrom unterscheiden; jedoch ist der letztere nur stellen-
weise entwickelt. Die Seitencanäle gehen auf ihrem Verlaufe nach
dem Herzen hin Seitenäste an die Verhindungszungen (d, Fig. 122)
und an die Muskelhänder. Am hinteren Ende des Drüsentheiles
(m\ Fig. 122) setzen die Ströme ihren "Weg in dem häutigen Theile
in Gestalt eines Wundernetzes fort, indem sie sich vielfach theilen ■
lind mit einander anastomosiren. Man kann vielleicht zwei parallele
Hauptströme (o, Fig. 122) in diesem Wundernetze unterscheiden, aber
sie heben sich nicht scharf hervor und Injectionen zeigen Capillaren
mit ebenso engen Maschen , wie in den Lungen eines Wirbelthieres.
Schliesslich vereinigen sich alle diese Ströme und münden , neben der
Einmündung des Kiemenstromes, in das vordere Ende des Herz-
schlauches. Wir haben häufig Blutkörperchen gesehen , die aus dem
Endostylstrome fast unmittelbar in den Kiemenstrom hinüber schlüpf-
ten, indem sie nur die äusserste Spitze des Herzens durchsetzten. Auf
dem ganzen Verlaufe des Wundernetzes, das wir auf unserer Fig. 122
nur durch einige Linien andeuteten, gehen Seitenzweige ab, die im
Allgemeinen den Muskelbändern folgen und auf der ganzen Innen-
fläche des Mantels ein weitmaschiges Capillarnetz versorgen , dessen
Vertheilung ziemlich unregelmässig ist, das aher durch zahlreiche
Anastomosen mit den von der Kiemenströmung abgehenden Zweigen
verbunden ist.
"Wir müssen hier einer das Ei betreffenden Eigenthümlichkeit Ei'-
wähnung thun. Das Ei ist stets auf der rechten Bauchseite der Leibes-
höhle angeheftet und kann deshalb als leitendes Merkmal für die Lage
einer Salpe benutzt werden , indem es auf der linken Seite erscheint,
wenn man diese, wie in unseren Figuren 117 u. 121, von der Bauch-
fläche her betrachtet. Beobachtet man nun eine lebende Salpe in dieser
Lage, so sieht man sofort einen Strom («fi, Fig. 121), der sich von dem
längs des letzten Muskelbandes verlaufenden Gefässe abzweigt, in den
Hals des Ovariums (u) eindringt, dort eine scharfe Biegung macht und
damit in die Eikammer selbst eindringt , aus der er durch die ab-
gerundete, dem Herzen zugewendete Spitze austritt, um dann in das
hintere Ende desselben einzumünden. Diese Eierstocksströmung ver-
bindet demnach den Kreislauf in der vorderen Körperhälfte mit dem-
jenigen im Nucleus.
Man kann in der That den Nucleolar- Kreislauf von dem eben
beschriebenen Körperkreislauf trennen, weil er fast gänzlich auf den
Nucleus beschränkt ist und aus dem hinteren Ende des Herzens ent-
springt, aus welchem mehrere grosse Ströme austreten, die sich
i
Thaliaden.
285
unmittelbar in die weite Laciine ergiesseu , in welche die Eingeweide
eingetaucht sind. Mag nun der Körperstrom von der Kieme oder von
dem Endostyl aus in das Herz übergehen, stets sieht man den grössten
Fig. 122.
Salpa miicronata, im Profil. Verick, Oc. 1, Obj. 0. Camera clara. Man hat uur
den inneren Mantel in Conturen und die Hauptblutströme gezeiclmet, dagegen die
Verästelungen und Capillaren weggelassen. Nach dem Leben, a, Einlrittsöffnung;
i, AustrittsöfFnung ; c, innerer Mantel; rf, Anheftungszunge ; /, /, Muskelreifen;
(j, Flimmerbecher (Sinnesorgan) mit seiner in der Körperhöhle schwimmenden Haube ;
Ä, Centralnervensystem ; z, Anheftungspunkt der Kieme; i , Wimpercylinder der
Kieme; /, Rand des Anheftungsbandes der Kieme; m, Vorderende, m^, Hinterende
des drüsigen Endostyls ; n, Haltband des Endostyls ; h^, seine Fortsetzung zum^Munde;
0, Hauptgefässe dieses Bandes ; ;j, Herz ; q, Ei ; r, Darmmund ; s, Piectum ; <, Hoden ;
?(, Hülle des Nucleus ; r, Blutlacune desselben; w, die EintrittsöfFnung umschlingender
Gefässbogen, der den Kiemenkreislauf mit demjenigen des Endostyls verbindet.
286 Tunicaten.
Theil der zugeführten Blutmasse das Herz durchströmen und in die
Lacune eintreten , wo sich die Strömungen durchkreuzen und durch
einen Theil der Hohlräume"[in das Herz zurückkehren. Wir haben
zwar nicht mit völliger Sicherheit feststellen können, ob zwischen den
Lacunenräumen der dorsalen und ventralen Seite des Nucleus eine
constante Opposition besteht, doch schien uns die erstere vorzugsweise
mit der Kieme, die letztere mit dem Endostyle in Beziehung zu stehen.
Wenn sich dies so verhalten sollte, so könnte man bei den Salpen
einen kleinen Nucleolar- Kreislauf und einen grossen Körperkreislauf
unterscheiden.
Doch sind_^ diese beiden Abtheilungen nicht vollständig getrennt.
In der That liefert die Lacune des Nucleus Zweige, welche die Aus-
trittsöifnung umgeben und mit den Aesten der Kreismuskelgefässe
anastomosiren, und eine ähnliche Verbindung, wie an dem Eierstocke
der Kettenform, findet an dem Gefässe statt, welche bei der Einzelform
den Stolo versorgt.
Mit Ausnahme dieses letzteren zeigt der Kreislauf bei der Einzel-
form genau denselben allgemeinen Plan , wie der beschriebene bei der
Kettenform. In Folge der verschiedenen Proportionen der Kieme iind
des Endostyles, sowie der abweichenden Anordnung der Muskelbänder
zeigen sich freilich einige secundäre Verschiedenheiten ohne grössere
Bedeutung.
Fortpflanzungsorgane. — Wie wir in der allgemeinen Be-
schreibung sagten, zeigt sich unsere typische Art, gleich allen anderen
Salpen, unter zwei verschiedenen Formen. Die Einzelform ist un-
geschlechtig und erzeugt Knospen , die Kettenform ist geschlechtig
und erzeugt Zwitter. Beide Formen sind demnach auseinander zu halten.
Einzel form. — Der Stolo, auf welchem die geschlechtlichen
Ketteuthiere knospen, zeigt sich bei dem lebenden Thiere in Gestalt
einer vollständig durchsichtigen, am distalen Ende geschlossenen Röhre
mit dicken Wänden, die an ihrem proximalen Ende mit der Kieme, dem
Nucleus und dem Herzen in Verbindung steht. Der Stolo erscheint schon
früh bei dem Embryo, wo ernach Seeliger (s. Literatur) durch eine
Ausstülpung der Körperwand gebildet ist, deren Innenhöhle von einer
Fortsetzung des hinteren Kiemendarraes ausgekleidet wird. Zwischen
diesen beiden, dem Ectoderm und Entoderm entsprechenden Schichten
finden sich indifferente, eingewanderte Zellen, die dasMesoderm reprä-
sentiren sollen. Wie sich^dies auch verhalten mag, so viel steht fest,
dass di3 Wände des Stolo zur Zeit, wojer in Function tritt, vollkommen
solide sind, dass er im Inneren hohl ist und von einem mächtigen
Blutstrome durchlaufen wird, der bei vielen Salpen direct aus dem
hinteren Herzende, bei anderen dagegen in unmittelbarer Nähe des
Herzens sich von der Lacune des Nucleus auf der ventralen Seite
abzweigt.
Thaliaden. 287
Die Entwicklung der Knospen auf dem Stolo gehört nicht in den
Rahmen unseres Werkes; wir verweisen hinsichtlich dieses, noch sehr
umstrittenen Gegenstandes auf die zahlreichen, in dem Literatur-
verzeichnisse aufgeführten Abhandlungen. Wir bemerken nur, dass
die Knospen sich bei unserer typischen Art in zwei abwechselnden
Zeilen längs dem Stolo und in drei Abtheilungeu entwickeln, die drei
besondere Ketten bilden, und dass in dem Maasse, als die Knospen
wachsen , der anfänglich gerade Stolo bei seiner Verlängerung eine
zierliche Curve bildet, welche sich um den Nucleus heruraschlingt
(r, Fig. 116). Ein so entwickelter Stolo zeigt vier Abschnitte: einen
ersten , sehr kurzen , der unmittelbar an das Herz stösst, durchaus
glatt ist, wie der Stolo des Embryo (>•'), und aus drei Doppelreihen von
Knospen, die um so grösser sind, je weiter von dem Stiele sie sich
befinden. Die distale Reihe (r") löst sich nach vollständiger Aus-
bildung ab und tritt als Kette durch einen Schlitz an der Rückenfläche
hervor. In der im Meere schwimmenden , losgelösten Kette hängen
die einzelnen Individuen nur durch die erwähnten zungenförmigen
Fortsätze zusammen.
Kettenform. — Das Ei (Fig. 117. ^l) liegt auf der rechten
Körperseite, nahe an dem Mundtrichter, eingeschlossen in der inneren
Schicht der Körperwand, wo es einen kleinen Yorsprung gegen die
Körperhöhle bildet. Es tritt schon sehr früh bei den Knospen in die
Erscheinung, bleibt aber nahezu unverändert, bis die Kette sich vom
Stolo ablöst. In diesem Zeitpunkte besteht der weibliche Geschlechts-
apparat bei unserer Art in einer Art Kapsel oder Follikel, der gegen
die Mittellinie hin geschlossen , seitlich in einen anfangs engen , dann
erweiterten Hals sich fortsetzt, der eine kreisförmige Oeffnung um-
giebt, in welche der oben erwähnte Blutstrom eindringt. Mit Aus-
nahme dieses Blutcanales, der eine knieförmige Biegung macht, um
aus dem Hals in die Kap)sel einzutreten, ist das ganze flaschenförmige
Gebilde ringsum geschlossen durch ziemlich dicke Wände, die aus
Cylinderzellen bestehen. Es liegt in einer von zwei wulstigen Lippen
knopflochartig umgebenen Vertiefung, deren bildende Zellen höher
sind als die Pflasterzellen , welche in der Umgebung die Körperhöhle
auskleiden. Im Inneren des in der Kapsel eingeschlossenen Eies unter-
scheidet man ein rundes, helles Keimbläschen mit einigen, wenig deut-
lichen Keimflecken.
Wir gehen in die Beschreibung der einzelnen Phasen, welche das
Ei bis zur Entwicklung des reifen Embryos durchläiift, Klüftung, Bil-
dung der Keimblätter und der einzelnen Organe, nicht ein; man wird
darüber die zahlreichen Schriften von Todaro, Salensky, Barrois etc.
zu Rathe ziehen , die im Literaturverzeichnisse angeführt sind. Wir
bemerken nur, dass der Embryo zur Reifezeit eine verhältnissmässig
enorme Grösse erreicht, die Leibeshöhle der Mutter fast gänzlich aus-
288 Tunicaten.
füllt und ausser den dem erwachsenen Zustande zukommenden Organen
noch zwei provisorische Organe besitzt, die beide auf der Endostylseite
des Embryos liegen und die Verbindung mit der Mutter vermitteln,
während die entgegengesetzte Seite mit dem Nervensystem und den
beiden Körperöffnungeu vollkommen frei ist. Das eine dieser Organe,
die Placenta, ist unmittelbar an der Körperwand der Mutter an-
geheftet ; es sieht einem hohlen Kuchen ähnlich, in welchen zwei mäch-
tige Blutströme von der mütterlichen Seite her eindringen, die aus
der Theilung des ursprünglich in die Eikapsel eintretenden einfachen
Stromes herrühren. Sie vertheilen sich in dem ganzen mit Spindel-
zellen erfüllten Organe, das ausserdem vom Embryo her einen be-
deutenden, aus dem System des Endostyls abgezweigten Blutstrom
erhält. Die beiden Strömungen vertheilen sich in weitmaschige Räume,
ohne direct mit einander zu communiciren, da sie durch Scheidewände
und Brücken getrennt werden, die von den erwähnten Spindelzellen
gebildet sind.
Hinter der Placenta und wie diese von einer Verdickung des inneren
Mantels des Embryos umhüllt, die hier mit der Körperwand der Mutter
verschmilzt, liegt der Eläoblast, ein birnförmigcr, grossentheils aus
Fettzellen zusammengesetzter Körper. Dieses Organ , welches sich
weit später als die Placenta entwickelt, steht in keiner directen Ver-
bindung mit dem Körper der Mutter; es ist wahrscheinlich zur Auf-
speicherung von Ernährungsmaterial bestimmt. Ursprünglich ist der
Embryo fast mit seiner ganzen Bauchfläche und besonders durch die
Umgebung der beiden genannten Organe an die Körperwaud der
Mutter befestigt, aber während seines Wachsthumes verringert sich
diese Anheftungsfläche mehr und mehr und zwar hauptsächlich von
dem Eläoblast her, dessen Umgebung sich nach und nach abrundet
und sich gänzlich loslöst. Schliesslich haftet der Embryo nur noch
durch die Placenta an der Mutter und seine Anheftungsstelle zieht
sich so zusammen, dass sie um den mütterlichen Blutstrora einen
hohlen Stiel bildet, auf welchem der Embryo balancirt und sich sogar
so weit drehen kann, dass seine Eintrittsöffnung gegen die Austritts-
öffuung der Mutter gewendet ist, während die umgekehrte Lage die
normale ist. Endlich reisst dieser hohle Stiel ab und der Embryo
wird als Salpa demoer atica ausgestossen. Aber auch im freien Zu-
stande trägt er noch lange die beiden provisorischen Organe hinter
dem Endostyle mit sich herum, die nach und nach und zwar, wie es
scheint, im Verhältniss zum Anwachsen des Stolo und seiner Knospen
resorbirt werden.
Der Hoden (r,Fig. 117) ist gänzlich auf den Nucleus beschränkt,
dessen Lacune er gemeinschaftlich mit dem Darmcanale ausfüllt. Er
besteht aus einem breiteren , den Mund- und Afterdarm umgebenden
Theile und öffnet sich durch einen, von sehr dünnhäutigen Wänden |
Thaliaden.
289
gebildeten Samenleiter (^r, Fig. 123) mit etwas erweiterter Mündung
neben dem Rectum in die Röhre der Austrittsöffnung. Es ist uns
geglückt, in dem Fig. 123 abgebildeten Querschnitte den Samenleiter
seiner ganzen Länge nach bloss zu legen. Die in einer Enderweite-
rung (g^, Fig. 123) und vor der Mündung angehäuften Zoospermen
lassen keinen Zweifel über die Deutung dieses Canales, der eine schlitz-
artige Gestalt hat, horizontal verläuft und am vorderen Theile der
verbreiterten Hodenmasse entspringt (/). Von dieser Masse gehen
nun Blindschläuche aus, die etwas spitz enden und gegen das Ende
Fig. 123.
..fv
Salpa viacronata. — Stück eines Querschnittes durch den Nucleus unmittelbar hinter
dem Darmmunde. Gundlach, Oc. 1, Obj. IT. Camera clara. a. Innenwand der
Körperhöhle ; h, Substanz des Nucleus ; c, Schlundwand ; c^, Xahrungsstofife in seiner
Höhle; f7, Magenwand; d^, Magenhöhle; e, Rectum; e^. Höhle desselben; /, mit
Zoospermen gefüllter Hodenschlauch, quer durchschnitten; /^, ein solcher, ange-
schnitten; 7, Samenleiter; g^, Zoospermen in seiner Erweiterung; g-, ausgestossene
Zoospermen vor der Mündung; Ä, ä, Bindegewebebrücken, welche die Lacunen des
Nucleus durchziehen.
des Nucleus gerichtet sind. Diese Hodenschläuche, deren Zahl je nach
der Entwicklung des Organes wechselt (wir haben auf einzelnen Quer-
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 19
290 Tunicaten.
schnitten bis zu einem Dutzend gezählt), umgeben den Verdauungs-
apparat von allen Seiten und ihre Enden ragen noch nach unten über
den Darm hinaus in die Lacune vor, deren Blut sie allseitig umspült.
Die Blindschläuche wie der gemeinsame Theil zeigen sich beim Leben-
den wie auf Schnitten anfangs aus ziemlich dicken, steifen Wänden
gebildet, welche von einer continuirlichen Schicht runder Zellen
ausgekleidet sind. Etwas später sind die Innenräume mit solchen
runden, durchsichtigen Zellen erfüllt, die in einer schleimigen Flüssig-
keit schwimmen, während eine Schicht derselben noch an der Wand
haftet. Schliesslich sind alle Räume mit ausgebildeten Zoospermen
erfüllt, während die Wände, wie auf unserer Figur, äusserst dünn und
zart erscheinen.
Der Hode tritt erst in Thätigkeit, wenn der Embryo vollständig
ausgebildet ist. Nur bei Individuen mit reifem Embryo oder noch
besser bei solchen, wo er schon ausgestossen war, sahen wir aus der
Mündung des Samenleiters eine wolkige, weisse Substanz austreten,
die wie ein dünner Faden sich längs der Röhre der Austrittsöffnung
hinzog und nach dem Austreten sich bald auflöste. Unter stärkerer
Vergrösserung zeigte sich die Substanz aus einer Unzahl von Zoo-
spermen zusammengesetzt, die schwankende Bewegungen zeigten. Man
kann an den übrigens sehr kleinen Zoospermen einen vorderen cylin-
drischen , einem verdickten Stäbchen ähnlichen Theil und ein langes,
sehr feines Schwänzchen unterscheiden , das etwa die dreifache Länge
des Stäbchens hat und nur unter sehr starken Vergrösserungen oder
Immersionslinsen deutlich erkennbar wird.
Unsere an lebenden, frei im Meere schwimmenden Thieren ge-
machten Beobachtungen , die uns durch die weisslichen Flecken auf-
gefallen waren, welche an der Aussenfläche ihres Mantels klebten,
bestätigen somit die von Anderen gemachten Erfahrungen, wonach dies
Hoden erst in Function treten, wenn die Bildung des Embryos schon
weit vorgeschritten ist. Selbstbefruchtung ist demnach bei den Salpen
vollkommen ausgeschlossen ; die Befruchtung muss durch Zoospermen
bewerkstelligt werden, welche von anderen Individuen herrühren und mit
dem Athemwasser eingeschluckt wurden. Vielleicht ist dies der Fall mit
Individuen, die ihi-en Embryo ausgestossen, sich aber auch zugleich
von ihrer Kette losgelöst haben und von welchen man fast immer
eine gewisse Anzahl frei schwimmend zwischen den jüngeren Ketten
findet, deren Glieder nur noch unentwickelte Eier besitzen.
Die Salpen zeigen eine grosse Einförmigkeit in ilirer Organisation.
Wenn aucli zalilreiche Variationen im Einzelnen vorkommen, so trifft man
doch die Organe stets in denselben Beziehungen zu einander. Etwas be-
deutendere AbAveichuugen sind in der Anordnung der Muskeln, der Gestalt
und dem Baue des Sinnesorganes (Flimmergrube) und der Augen , ganz
besonders aber in der Bildung des Darmcanales zu finden, der bei Salpa
Thaliaden. ■ 291
pinnata, keinen Nucleus bildet. Hier zeigt sicli nahe beim Munde ein mit
zwei abgeplatteten Blindsäckeu versehener Magen , von Avelchem aus der
an der Körperwand anliegende Darm gerade in die Höhe steigt , um in
der Nähe der Eiugangsöffnuug mit einem schlitzförmigen After zu enden.
Bei der Einzelform ist der Darm der Eückenwand angeschmiegt und der
After liegt in der Nähe des Anheftungspuuktes der Kieme, v^ährend er bei
der Kettenform an dem Endostj'l verläuft und der After ebenfalls auf der
Bauchseite liegt. Eine einigermaassen ähnliche Bildung zeigt sich bei Salpa
virgida; nur erstreckt sich der ebenfalls mit einem Blindsacke versehene
Darm nicht so weit nach vorn. Die beiden genannten Arten unterscheiden
sich auch durch die Anordnung ihres Stolo's, dessen erwachsene Knospen
sich nicht wie bei den anderen Arten in Gestalt einer doppelreihigen,
schiefen Kette ablösen, sondern einen Kranz bilden, dessen Circumfereuz von
den Thieren gebildet wird, die im Mittelpunkte des Kranzes mittelst eines
einzigen Fortsatzes zusammenhängen. Wir erwähnen noch als wesentliche
Verschiedenheiten die Bildung des Hodens bei Salpa virgula , der einen
grossen , keulenförmigen Körper mit zahlreichen Blindsäckchen und einem
lang ausgezogenen Samengange darstellt und die Entwicklung von mehreren
Eiern bei Salpa zonaria, deren jedes unabhängig vom anderen in einem be-
sonderen Follikel eingeschlossen ist.
Doliolmn, die typische Gattung der zweiten Ordnung, ist durcli die
neueren Untersuchungen von Grobben und Uljanin (s. Literatur) ziemlich
genau bekannt. Die Geschlechtsform hat einen sehr dünnen , äusseren und
einen etwas faserigen, inneren Mantel mit acht schmalen Muskelreifen , von
welchen die beiden endständigen zugleich die Schliessmuskeln für die mit
Läppchen umgebenen Körperöffmingen bilden. Das centrale Nervenganghon
setzt sich nach vorn in einen Zapfen fort, der zu einem Canale wird, welcher
sich bis zur Flimmergrube hinzieht, aber nicht nervöser Natur scheint. In
der Haut finden sich an verschiedenen Stellen, namentlich aber an der Basis
der die Oeffnungen umgebenden Läppchen, Gruppen von Sinneszellen, die
einen Kern, eine Vacuole und ein zartes, steifes Sinneshärchen besitzen. Die
Flimmerlinien rollen sich , bevor sie die Eiutrittsöffnung umgeben , spiral-
förmig in einander und vereinigen sich dann am Anfange des Endostyls,
dessen Drüsentheil sehr kurz ist und sich in eine Wimperrinne fortsetzt, welche
in schiefer Richtung zum Darmmunde vei'läuft. Dieser ist im Grunde einer
trichterförmigen , von der Kieme gebildeten QuerscheideAvand der Körper-
höhle gelegen, Avelche so den vorderen Theil (Pharj^ngealhöhle) von dem
hinteren Theile , der Cloakenhöhle , abschliesst. Die asymmetrische , knie-
förmig eingeknickte , häutige Kieme erstreckt sich mit ihrer einen Seiten-
hälfte bis in die Nähe der Eintrittsöffnung, während die andere Hälfte weit
zurückbleibt. Im erwachsenen Zustande zählt man etwa 45 knopflochförmige
Kiemenspalten, welche in die Cloakenhöhle führen und auf ihren Rändern
vorspringende Wimperbüschel tragen. Die vom Endostyl herkommende
Flimmerriune setzt sich, nach einer schlingenförmigen Windung , durch den
Mund und den Schlund in den Magen und den Darm fort. Der Darm
■'krümmt sich hakenförmig um und zeigt an seinem Ursprünge eine Anhangs-
drüse. Das Herz ist ein länglicher, mit einfachen Muskelfasern ausgestatteter
Sack, der mit dem Herzbeutel an seinen beiden Endöffuungen verwachsen
ist, durch welche das Blut in Lacunenräume getrieben wii-d, die zAvischen
dem inneren Mantel einerseits und den die Pharyngeal- und Cloacalhöhlen
auskleidenden Membranen andererseits offen geblieben sind. Hode und Eier-
stock sind getrennt ; ersterer zeigt die Gestalt einer länglichen Keule , letz-
terer ZellenfoUikel um die Eier, die nach G robben gleichzeitig mit dem
Hodeuinhalte reifen sollen, während Uljanin im Gegentheil behauptet,
19*
292 Tunicaten.
dass uugleichzeitige Reifung der Producte wie bei den Salpen Platz
greife.
Die Eier entwickeln sicli zu geschwänzten Larven, welche denjenigen
der Ascidien ähneln; der Vorderkörper zeigt die Gestalt eines Tönnchens,
an dessen Ventralseite ein an seiner Basis blasenförmig aufgetriebener Schwanz
sitzt, in dessen dünnerem Hiuterende sich ein fester Zellenstrang (Chorda),
aber keine Nervenröhre bemerken lässt. Die Larve ist von einer dünnen
Haut (Dotterhaut nach Uljanin) gänzlich umhüllt und liegt am Boden.
Nach Aufsaugung des Schwanzes und Durchbrechung der Dotterhaut schwimmt
dasTönuchen frei im Wasser. Es wird von Grobben Amme der ersten
Generation, von Uljanin einfach Amme genannt.
Die Amme ist länglicher als das Geschlechtsthier , hat neun breite
Muskelreifen, einen' dickereu, äusseren Mantel, zahlreiche Gruppen von
HautsinneszeUeu und zeigt auf der linken Seite ein aus Otocyste und Otolith
bestehendes Gehörorgan, das durch einen langen Nerven mit dem wie bei
dem Geschlechtsthiere gebildeten Gauglion in Verbindung steht. Der Endo-
styl, die Ehmmerlinien , die Elimmergrube und die Mundrinne zeigen keine
bem'erkenswerthen Unterschiede. Dagegen ist die Kieme weit unvollstän-
diger, das Herz kürzer, der Darm reducirt, die Anhangsdrüse länger.
Die Geschlechtsorgane fehlen durchaus, sind aber durch zwei Anhänge er-
setzt. Der ventrale, unmittelbar am Herzen gelegene Anhang erzeugt End-
knospen , die sich nach und nach ablösen und mit Pseudopodien versehen
sind. Es ist also ein ventraler Keimstock, ein echter, aus sieben Zellen-
sträugen zusammengesetzter Stolo, an dessen Bildung nach Uljanin Aus-
stülpungen des Pharyngeal- und Cloacalsackes, das Mesoderm und Ectoderm
Antheil nehmen, so dass die sich von ihm abschnürenden Ur knospen aus
allen diesen Elementen zusammengesetzt sind. Die älteren Forscher nannten
diesen Keimstock das rosettenf ö r m ige Organ.
Die losgelösten Urknospen kriechen mittelst ihrer Pseudopodien auf der
Aussenfläche der Amme zu dem dorsalen Anhang, der ausserordentlich lang
auswachsen kann xmä nach Uljanin nur aus der Haut und einem inneren,
durch eine Längsscheidewand in zwei Canäle getrennten Blutraume besteht,
in welchem das Blut lebhaft kreist. Die Urknospen setzen sich mittelst
ihrer Pseudopodien auf der Eückenfläche des Anhanges fest, wo die Zellen
des die Körperhöhlen auskleidenden Pflasterepitheliums sehr hoch und cylin-
drisch werden und einen Nährboden für die Urknospen bilden, die sich zwar
festsetzen, aber nicht mit dem Gewebe verwachsen. Die Urknospen vermehren
sich durch Theiluug; sie werden nur durch Osmose genährt. Nach Uljanin
waren die Forscher, welche diesen Eückenanhang für einen Stolo hielten,
im Irrthume.
Während der Anhang sich verlängert und mit Urknospen besetzt wird,
die sich durch Theiluug vermehren, erleidet die Amme wesentliche Um-
bildungen. Das Nervensystem mit seinen Anhangsorganen bleibt unverändert;
die Muskelreifen verbreitern sich aber in der Art, dass ihre Ränder zu-
sammenstossen und die vegetativen Organe , Kieme , Endostyl , Flimmerlinie
und Verdauungsapparat, verkümmern entweder gänzlich oder bis auf un-
bedeutende Reste. Schliesslich ist die Amme nur ein beweghches, mit einem
Herzen versehenes Sinnenthier, welches einen ventralen Keimstock und einen
dorsalen, röhrenförmigen Nährboden für die von ersterem gelieferten Ur-
knospen herumschleppt, sich aber nicht selbst ernähren kann.
Die ersten auf dem Rückenanhang anlangenden Urknospen setzen sich
auf beiden Seiten desselben fest und Avachsen zu besonders gestalteten Indi-
viduen aus, die Uljanin Nährthiere, Grobben Lateralknospen
nennt. Später setzen sich Urknospen auch auf der Mittellinie fest und bildeu
Thaliaden. 293
hier die Pflegetliiere (Uljanin), Medianknospeu oder Ammen der
zweiten Generation (Grobben).
Die ausgebildeten Nälirthiere oder Seitenknospen besitzen die Gestalt
eines abgeplatteten LöiTels mit langer , ■ schmaler Eingangsötfnung und einem
verdickten Kiel gegenüber. Sie sitzen auf dem Fortsatze mit einem dicken,
kurzen Stiele und haben weder Ausgangsöffuung noch Cloacalhöhle; der
After mündet unmittelbar nach aussen hinter dem Eückenkiele. Ganglion,
Wimperbogen und Sinneszellen iind vorhanden, dagegen fehlt jede Spur
eines Gehörorgaues. Die achtzehn sehr grossen, knopflochförmigen Spalten
der den ganzen Hintergrund der Körperhöhle einnehmenden Kieme durch-
brechen, nach Grobben, die Körperwand und münden direct nach aussen.
Der hakenförmig gekrümmte Darm und das Herz sind ausgiebig entwickelt.
Diese festsitzenden Knospeuthiere , welche weder Geschlechtsorgane noch
Stoloneu besitzen , werden wohl mit Recht als Ernährungs- und Athmungs-
thiere betrachtet, deren Thätigkeit nicht nur für die Existenz der ganzen
Knospencolonie , sondern auch der Amme nöthig ist , welche dieselbe auf
ihrem Fortsätze herumschleppt.
Die auf der Mittellinie des Fortsatzes festgesetzten Urknospen werden
nach Vermehi'ung durch Theilung und weitere Ausbildung schliesslich Pf leg e-
thiere oder Ammen der zweiten Generation, welche in ihrer Form und
Organisation durchaus den Geschlechtsthiereu ähnlich sind mit dem einzigen
Unterschiede, dass sie keine Geschlechtswerkzeuge besitzen. Dagegen sind
sie, wie die Nährthiere , mittelst eines Stieles befestigt, der nach. Uljanin
genau dieselbe Organisation wie der Eückenanhaug der Amme besitzen, also
ein Blutcanal sein soll. Wie dort , setzt sich eine wandernde Urknospe an
dem Stiele fest, vermehrt sich durch Theilung und so gewinnt der Stiel
nach und nach das Ansehen eines knospenerzeugenden Stolos, wofür er von
allen Forschern, Grobben einbegriffen, gehalten wurde. Die auf dem An-
heftungsstiele der Pflegethiere angesiedelten Urknospen Avachsen nun , nach
Uljanin, zu Geschlechtsthieren aus, wodurch der Entwicklungsmodus der
Art geschlossen wird.
Wir können nicht in Einzelheiten über die Gattung Anchinia eingehen.
Man kennt bis jetzt zwei Hauptformen : eine Geschlechtsform, welche an
jeder Körperöfifnung einen langen, rothen Anhangsfaden trägt, seitliche, rothe
Pigmentflecken zeigt und wenige grosse Eier erzeugt (meist drei von ver-
schiedener Grösse). Diese Form wurde von Kowalevsky und Barroi s in
Villefranche gefischt (s. Literatur). Sie scheint in gewissen Fällen, durch
frühzeitige Verödung der in der Knospe angelegten Geschlechtsorgane, steril
zu werden (Korotneff). Die zAveite, mehr kugelrunde Form ist durchaus
steril, zeigt viel rothes Pigment im Grunde der Körperhöhle und keinen An-
hangsfaden und wurde von G. Vogt in Villefranche und N. Wagner in
Neapel gefunden (s. Literatur). Man hat auch hier wandernde Urknospen
gefunden, aber die Verbindung zwischen den einzelnen Formen ist noch
nicht nachgewiesen , sondern nur aus den sehr lückenhaften Thatsachen er-
schlossen. Die Organisation der Anchinien gleicht sehr derjenigen von Do-
liolum, unterscheidet sich aber durch die enorme EntAvicklung des sehr
weichen , klebrigen Aussenmantels und die Eeduction des Muskelsystemes
auf zwei seitliche , S-förmig gekrümmte Bänder und einige Faserzüge um
die Oefifnungen des Körpers.
Die Bildung von Colonien in der vollen Bedeutung des Wortes unter-
scheidet die Pyrosomen von den übrigen Familien der Classe. Diese Colonien
haben die Gestalt eines hohlen, an dem breiten Ende geöffneten Tannen-
zapfens, in welchem die Einzelthiere in der Weise sitzen , dass ihre runde,
mit einem in Läppchen getheilten Diaphragma versehene Eiutrittsöffuung
294 Tunicaten.
au der Aussenfläclie mündet, während die gegeuüber^teliende Austrittsöffnung
in der Höhle des Zapfens endet. Die ziemUch harte, vollkommen durch-
sichtige Substanz, in welche die Einzelthiere eingesenkt sind, besteht aus
einer homogenen Grandmasse , in welcher zahlreiche , glänzende Sternzellen
und feine, wahrscheinlich musculöse Fäserchen eingeAvebt sind, die sich in
verschiedenen Eichtungen kreuzen. Ausserdem sieht man darin gewundene
Canäle und Höhlungen, die von einzelnen Individuen ausgehen, und unserer
Ansicht nach zur Aufnahme von hineinwachsenden Knospen vorgebildet sind.
Die halbwüchsigen Knospen, deren Kiemen noch nicht vollständig entwickelt
sind, gleichen sehr den Anchinien ; bei den erwachsenen Thieren, deren Ein-
gangstheil halsförmig ausgezogen ist, überwuchert die Kieme die ganze
Körperhöhle. Diese erwachsenen Einzelthiere sind seithch etwas zusammen-
gedrückt. Das Centralganglion , der Endostyl, das Herz und der Darm be-
haupten die gewöhnliche Lagerung. Auf der Hinterfiäche des Ganglions
ruht ein rother Pigmentfleck in Gestalt eines dicken Hufeisens, dessen Con-
vexität nach hinten gerichtet ist, wahrscheinlich ein Auge; auf der Unter-
fläche des Ganglions, unmittelbar der Nervensubstanz angelagert, zeigt sich
die nach hinten geöffnete Flimmergrube, von welcher sehr kurze Wimper-
streifen zu der benachbarten Kieme gehen. Letztere überkleidet, wie schon
bemerkt, die ganze Körperhöhle mit Ausnahme des röhrenförmigen Eingangs-
theiles ; sie besteht aus zwei, von sehr zahlreichen, gegitterten Spalten durch-
brochenen Hälften, welche an dem Ganglion auseinander weichen und hier,
sowie längs des Endostyles an der Körperwaud angeheftet sind. So werden
durch die Kiemenhaut zwei seitliche Peribranchialräume gebildet, in welche
durch die Kiemenspalten das Athemwasser einströmt, um dann durch die
Cloacalöffnung ausgestossen zu werden. Der Darmcanal lässt einen ge-
krümmten Schlund, einen Aveiten , drüsigen Magen und einen ebenfalls ge-
bogenen Afterdarm unterscheiden. Als besondere Organe müssen zwei vor
der Kieme im Niveau des Ganglions gelegene, seitliche Zellenhaufen er-
wähnt werden, von welchen das stark phosphorescirende Licht des Thieres
ausgeht.
Die Einzelthiere pflanzen sich zugleich auf geschlechtlichem Wege und
durch^ Knospung fort. Unter dem Darme und unmittelbar vor der Aus-
trittsöffnuug hegt der Eierstock, welcher ZAvar mehrfache Eier erzeugt,
von welchen aber immer nur eines den anderen vorauseilt und eine im Ver-
hältnisse enorme Grösse erreicht. Auf diesem umfangreichen Nahrungs-
dotter ^bildet sich zuerst ein mittleres Individuum, ein Cyathozoid (na'ch
Huxley>nd Kowalevsky), welches sich niemals vollständig entwickelt,
aber sofort vier Knospen, die Ascidiozoiden, erzeugt, welche auf Kosten des
Nahrungsdotters weiter wachsen und sich zu voUstäudigen Individuen aus-
bilden, während das Cyathozoid nach und nach verkümmert und zuletzt
gänzlich verschwindet. Die vier, in eine gemeinsame Hülle eingeschlossenen
Ascidiozoiden werden dann ausgestossen und bilden die Grundlage einer
neuen, 'jdurch Knospung sich vermehrenden und wachsenden Colonie. Vor
dem Eierstocke liegt der umfangreiche, aus grossen, dicken Blindsäcken zu-
sammengesetzte Hode, der während der fortdauernden Eibildung in Thätig-
keit zu sein scheint. Vor diesem und unmittelbar an dem hinteren Ende
des;*HerzensJtritt ein kurzer, ventraler Stolo hervor, der ganz Avie derjenige
der Salpen gebildet ist und wie dieser Knospen erzeugt, die sich in die
gemeinsame Mantelhülle einbetten und nach und nach von dem Mutterthiere
abschnüren. Ueber die weiteren Einzelheiten, Bildung und EntAvicklung
der Knospen ziehe man die Arbeiten von KoAvalevsky und Joliet und
Seeliger (s. Literatur) zu Rathe.
Thaliaden. 295
Literatur. — A. Je Cliamisso, Z>e animalibiis quibusduni e classe Vermium,
Berlin, 1819. — H. Milne-Edwards, iSitr la circidatwn du sang cliez les Pyrosomes,
Ann. scienc, nat., 2. Serie, Vol. XJI, 1839. — D e r s., Regne animal de Ciivier, Hol-
lusques. — Eschricht, Anut. phijsiol. Undersügelser over Salperne, Acad. danoise,
Kopenhagen, Vol. VIII, 1841. — Krolin, Ohs. sur la generation et de developpe-
ment des Blphores (Salpa) , Ann. scienc. nut. , 3. Serie, Vol. VI, 1841. — Ders.,
Ueber die Gattung Doiioliim und ihre Arten. Arch. f. Naturgesch., 1852. — Huxley,
Observ. lipon the anatomy and physiol. of Salpa and Pyrosoma, Philosoph. Transact.,
1851. — H. Müller, Ueber die anatomische Verschiedenheit der zwei Formen bei
den Salpen, Verhandl. Würzburger med.-zool. Gesellseh., Bd. III, 1853. — Ders.,
Dass., Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. IV, 1853. — C. Vogt, Les Tuniciers
nageants de la mer de Nice, Mem. de P Institut genevois, 1854. — E. Leuckart,
Zoologische Untersuchungen, Giessen, 1854. — C. Gegenbaur, tJeber den Ent-
wicklungscyclus von DoHolum, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. VII, 1855. —
Huxley, Anatomy and develop. of Pyrosoma , Transact. Linnean Soc, Vol. XXIII,
1859. — Keferstein u. Ehlers, Zoologische Beiträge (/Jo/io/Mm), Leipzig, 1861. —
A. Hancock, Anatomy and jjhyslol. of Tunicata , Journ. Linnean Soc, Vol. IX,
1867. — Kowalevsky, Entwicklungsgeschichte der Tunicaten, Abhandl. d. Gesell-
schaft der Wissenschaften, Göttingen, 1868. — Ders., Ueber die Entwicklungs-
geschichte der Pyrosomen, Arch. f. mikroskop. Anatomie, Bd. XI, 1875. — Ders. ii.
J. Barrois, Materiaux poiir servir u Phistoire de PAnchinie , Journ. de P Anatom.,
19. annee, 1883. — Pavesi, Tutor no ulla circolazione nel Pyrosoma, Rendiconii,
Accad. NapoUt, 1872. — Todaro, Sopra lo sviluppo e Panatomia d'elle Salpe-, Eom,
1875. — Ders., Dass., Ricerche fatte nel laboratorio dl notomia normale, Eom,
Vol. II, 1878. — Ders., Sui prhnl fenomeni dello sviluppo delle Salpe, Accad. del
Lincei, ser. 3a, Vol. IV, 1880. — Ders., Dass., ebend., Vol. VI, 1882 u. Vol. VII,
1883. — Ders., Sopra i canuli e le fessure branchiali delle Salpe, ebend., Vol. VIII,
1884. — Ders., Studi xdteriori sullo sviluppo delle Salpe, Atti Accad. Lincei Memor.,
Vol. I, 1886. — Ders., SidP omologia della Branchia delle Salpe, Rendiconti
Accad. Lincei, Vol. IV, 1888. — W. Salensky, Neue Untersuchungen über die
embryonale Entwicklung der Salpen. Zoolog. Anzeiger, 4. Jahrg., 1881. — Ders.,
Dass., Mittheilungen, Zoolog. Station Neapel, Bd. IV, 1883. — Ders., Folliculäre
Knospuug der Salpen, Biolog. Centralblatt, Bd. V, 1885. — B. Uljanin, Ueber die
embryonale Entwicklung des Doliolum , Zool. Anzeiger, 4. Jahrg., 1881. — Ders.,
Zur Naturgeschichte des Doliolum, ebend., 5. Jahrg., 1882. — Ders., Die Arten der
Gattung Doliolum, Fauna und Flora des Golfes von Neapel, 10. Monogr., 1884. —
J. Barrois, Mem. sur les membranes embryonnaires des Salpes, Journ. de V Ana-
tomie, Vol. XVII, 1881. — Ders., Recherches sur le cycle genetique et le bourgeonne-
ment de PAnchinie, ebend., 21. annee, 1885. — W.-K. Brooks, The origin of the
eggs of Salpa, Stud. biol. Labor. John Hopkins^ Univ. Baltimore, Vol. II, 1882. —
Ders., The anatomy and development of the Salpa-Chain, ebend., Bd. III, 1886. —
C. Grobben, Do/iolum und sein Generationswechsel, Arbeit. Zool. Instit. Wien,
Bd. IV, 1883. — E. Joliot, Sur le Pyrosome, Comptes rendus, 1881, 1882 u. 1883. —
Ders., Müdes aiiaiom. et embryogen. sur le Pyrosoma giganteum, Paris, 1888. —
A. Korotneff, Die Knospung der Anchinia, Zeitschr. wissenschaftl. Zool., Bd. XL
1884. — 0. Seeliger, Die Knospung der Salpen. Jenaische Zeitschr., Bd. XIX, 1885. —
Ders., Die Entstehung des Generationswechsels der Salpen, ebend.. Vol. XXII, 1888. —
Ders., Zur Entwicklungsgeschichte der Pyrosomen, Jenaische Zeitschr. für Naturw.,
Bd. XXIII, 1889. — N. Wagner, Sur quelques points de Porganisation de PAnchinie,
Arch. Zool. experim., 2. Ser., Vol. III, 1885. — Dolley, On the histology of Salpa,
Proc. Acad. Nat. Scienc, Philadelphia, 1887.
296 Tunicaten.
Classe der Seescheiden {AscicUacea, Tethyodea).
Die Mantelthiere, welche diese Classe bilden, unterscheiden sich
im Allgemeinen durch ihren sackförmigen Körper, dessen eines Ende
sich an den Meeresboden oder darin untergetauchte Körper anheftet.
Der Körper zeigt zwei Oeffnungen: eine vordere Eintrittsöffnung,
durch welche das "Wasser in eine weite Kiemenhöhle eindringt, und
eine rückenständige Austrittsöffnung, durch welche das Athemwasser,
die Excremente und Geschlechtsproducte entleert werden und die man
die Cloakenöffnung nennen kann.
Zwischen diesen beiden Oeffnungen liegt auf der dorsalen Mittel-
linie das meist nur aus einem einzigen Ganglion bestehende Central-
nervensystem, von welchem die peripherischen Nerven ausstrahlen.
Der Körper wird von einem zweischichtigen Mantel umhüllt.
Der meist feste und durchscheinende äussere Mantel kann eine sehr
bedeutende Dicke erreichen; der ihm anliegende innere Mantel, die
Körperwand, wird von zahlreichen verfilzten Muskelfasern durch-
zogen. Die dem Darme stets vorliegende Kieme nimmt den grössten
Theil der Körperhöhle ein. Die übrigen Eingeweide, Darm, Herz und
Geschlechtstheile liegen hinter oder neben dem Kiemensacke. Der
Darm ist fast immer auf sich selbst zurückgebogen, so dass der After-
darm nach vorn gerichtet ist. Uebrigens variirt die allgemeine An-
ordnung der Organe einigerraaassen, je nachdem die Individuen isolirt
bleiben (einfache Ascidien) oder sich zu Colonien vereinigen
(Synascidien). Der zu einem Kiemensacke umgewandelte vordere Ab-
schnitt des Darmes wird bei allen, mit Ausnahme der Appendicularien,
von einer Peribranchialhöhle umgeben.
Das im Hintertheile des Körpers an der Urabiegungsstelle des
Darmes gelegene Herz ist ein einfacher Schlauch, der das Blut ab-
wechselnd bald nach vorn, bald nach hinten treibt. Ein vollständiges
Gefässsystem existirt nicht. Das farblose, amöbenartige Körperchen
enthaltende Blut circulirt in engen und oft sehr genäherten Lacunen-
canälen , die in dem überall vorkommenden Bindegewebe ausgehöhlt
sind.
Die Seescheiden sind Zwitter, Die Ausführungsgänge der Hoden
und der Eierstöcke münden in die Cloake, in welcher meist die Be-
fruchtung stattfindet.
Sie durchgehen ein Larvenstadium , während welchem das junge
Thier mit einem Euderschwanze ausgerüstet ist und frei umher-
schwimmt. Die Axe dieses Larvenschwanzes wird von einem Zellen-
stabe gebildet, in welchem man ein der Chorda der Wirbelthiere ho-
mologes Gebilde gefunden hat, zumal da auf seiner Rückenfläche sich
Ascidien. 297
das Centralnervensystem verlängert. Die Larve besitzt allein Sinnes-
organe, namentlich Seh- und Hörorgane.
Die Classe theilt sich naturgemäss in drei Ordnungen.
1. Ajipendicularien (Ascidiae copelidue). Meist kleine Thiere,
deren Larvenschwanz , Nervenstrang und Sinnesorgane das ganze
Leben hindurch fortbestehen. Ihr Kiemensack öffnet sich durch nur
zwei Spalten direct nach aussen. Ihre Gesammtorganisation nähert
sie den Larven der übrigen Seescheiden. Ex. Appendkularia, Fri-
Üllaria.
2. Einfache A sc idie n. Begreift alle Seescheiden, welche ent-
weder vereinzelt bleiben oder gesellschaftlich leben , indem sie in
beschränkter Anzahl auf einem Stolo knospen. Ex. Äscidia, Molgiüa,
Clavellina.
3. Zusammengesetzte Seescheiden, Synascidien. Aus
einer mehr oder minder grossen Zahl von Individuen gebildete Colo-
nien, die in einen gemeinschaftlichen Mantel eingehüllt sind. Elx. Bo-
tryllus, Didemniim, Amaroeeium.
Typus: Cioua intestinalis , L. Die einfache Ascidie , die
wir ausgewählt haben , gehört zur Familie der Phallusiden. Sie ist
vor einigen Jahren von Roule (s. Literatur) in einer vortrefflichen
Monographie behandelt worden, der wir einige gute Figuren ent-
nehmen und auf die wir häufig, besonders hinsichtlich mikroskopischer
Einzelheiten verweisen werden, auf welche wir nicht näher eingehen
können.
Ciona intestinalis ist in allen ruhigen Buchten des Mittelmeeres
einheimisch. Ihre überall umherschwimmenden Larven dringen gern
in die Aquarien der Stationen ein und vermehren sich oft dort in
solcher Menge, dass sie die Entwicklung anderer Organismen ver-
hindern und man Mühe hat, sich ihrer zu entledigen. Dies ist z. B.
in Neapel der Fall, woher wir vortrefflich conservirte Exemplare
erhalten haben. Unsere Präparate sind meist von grossen Individuen
aus der Bucht von ViHefranche hergestellt, welche Dr. M. Jaquet an
Ort und Stelle mittelst Sublimat fixirt hat.
Die Existenz einer hinteren Körperhöhle, welche unsere typische
Art den Synascidien näher stellt, die verhältnissmässig nicht schwie-
rige Präparation, die weite Verbreitung der Art, welche einen leichten
Bezug von Material ermöglicht und die Durchsichtigkeit der jüngeren
Individuen sind die Gründe, welche uns in unserer Wahl der typischen
Art bestimmt haben.
Allgemeine Beschreibung. — Der Körper der Cione (Fig. 124
und 125 a. f. S.) bildet einen von dem durchsichtigen äusseren Mantel
umgebenen Cylinder, der mit dem unteren Ende festsitzt und nach
298
Tiinicaten.
oben in zwei Röhren oder Siphonen sich endet. Der grössere Sipho
liegt etwa in der Axe des Cylinders, der kleinere auf der Rückenseite.
Die grössere Röhre, der Mundsipho (a), ist mit acht rundlichen
liäppchen eingefasst, zwischen welchen man kleine, lebhaft rothe
Fig. 124. Fig. 125.
d-
.A
Fig. 124. — C'ioiia intestinalis. Junges Tliicr, nach einem in Canadabalsara auf-
gehellten Präparate unter der Lnpe gezeiihnet. Die Organe schimmern durch.
a, Mundsipho ; b, Randlappen desselben ; c, rothe Augenflecken ; d, Aftersipho, eben-
falls mit Augenflecken ; e , f, Centralganglion und Untergangliendrüse ; g, durch-
sichtiger Cellulosemantel ; h, Körperwand ; i, Tentakelkranz ; Je, Kranzrinne ; /, Kiemen-
sack ; m, Bauchraphe (Endostyl) ; n, Riickenraphe ; o, Peritoneallamelle ; p, Längsmuskeln ;
p', Quermuskeln ; q, Darmcanal (Magen- und Darmschlinge) ; r, Eierstock ; s, Rectum ;
i, After; u, GeschlechtsöfFnungen ; v, Wurzehiusläufer zur Befestigung des Thieres.
Fig. 125. — Ciona intcstlnuUs. Schematiseher Durchschnitt (nacliRoule). «, Mund-
sipho; &, Tentakelkranz; c, Kiemensack; d, Endostyl; e, Riickenraphe;/, Peritoneal-
lamelle, eine verticale Scheidewand zwischen der vorderen Peribranchialhöhle Ic und
der hinteren p]inge-weidehöhle l herstellend; g, Darm mit den in seinen Wänden ein-
geschlossenen Hodenläppchen ; Ä, Magen ; z, Rectum ; m, Eierstock ; n, Gesehlechts-
gänge ; o, Centralganglion; jh Herz; q, Cellulosemantel, r, innerer Mantel.
Ascidieii. 299
Pigmentfleckchen siebt. Er dient zum Eiulass des Wassers und der
darin aufgeschwemmten Xahrungstheilchen. Wenn man ihn der Länge
nach spaltet, so sieht mau an der Ansatzstelle der Kieme eine Kreis-
falte, die Kranzrinne (c, Fig. 129), vor welcher ein mit Fäden be-
setzter ringförmiger Vorsprang, der Fühl er kränz {b, Fig. 129), au-
gebracht ist. Die andere kürzere Röhre, der Cloakensipho
(d, Fig. 124; Je, Fig. 125), ist ebenfalls von Läppchen mit rothen
Pigmentflecken dazwischen eingefasst; dieselben haben aber eine läng-
liche Form uud sind nur in der Sechszahl vorhanden. Der Cloaken-
sipho dient zur Ausfuhr des Athemwassers und sämmtlicher Körper-
producte.
Zwischen beiden Siphonen bemerkt man sofort das centrale
Ganglion (/, Fig. 124; o, Fig. 125) und unter demselben eine drü-
sige Masse, die U nt e r gan glien dr üs e. Etwas davor liegt das
Wim per Organ, das man besonders bei jungen, lebenden Individuen
direct unter dem Compressoriun:^ beobachten kann. Die ganze ^'order-
region des Körpers wird von einem weiten Kiemen sacke ein-
genommen (/, Fig. 124), dessen Wände eine Unzahl von Spalten zeigen,
durch welche das Wasser aus dem Sacke in die Peribranchialhöhle
(//, Fig. 125) überströmt.
In dem hinteren , weit geringeren Körperabschuitte sind der auf
sich selbst zurückgekrümmte Darm, das Herz und die Fortpflauzungs-
Organe eingelagert, und zwar in der eigentlichen Körperhöhle, die von
der Peribranchialhöhle durch einen durchsichtigen Einschlag der Haut,
die Peritoneallamelle (o, Fig. 124 und 125), geschieden wird. Auf
der Seite dieses Einschlages liegt der Darmmund, der aus dem
Kiemensacke in den Darm führt. Wir bemerken ausserdem noch
an den Wänden des Kiemensackes zwei Längsrinnen -oder Nähte ;
die untere, die weit deutlicher ausgebildet ist, heisst der Endost yl
(n, n, Fig. 124; r/, e. Fig. 125).
Mit den meisten Autoren orientiren wir die Cione in der Art,
dass wir den Mundsipho nach vorn, die Ansatzstelle des Körpers mit
dem Darme nach hinten, den Cloacalsipho uach oben richten, so dass
die beiden Nähte des Kiemenkorbes in der Mittellinie verlaufen; der
Endostyl ist ventral , die andere Naht dorsal. Das Centralganglion
liegt dann ebenfalls dorsal in der senkrechten Mittelebene, welche den
Körper in zwei symmetrische Hälften, eine rechte und eine linke,
trennt.
Präparation. — Man fixii-t die Gewebe durch Eintauchen des
ganzen Thieres in Sublimat, Chromsäure, Pikrinschwefelsäure ; diese
gewöhnlichen Fixationsmittel geben gleich gute Resultate. Die Cione
zieht sich zwar meist etwas zusammen, doch nicht so weit, dass dadurch
die Zergliederung der erwachsenen Thiere gehindert würde. Man prä-
parirt sie unter Wasser, indem man sie, wie in Fig. 124 und 125, auf
I
300
Tunicaten.
Fig. 126.
die rechte Seite legt. Man trägt zuerst den äusseren Mantel, dann
die Haut ab, um den Kiemensack, den Darm u. s, w. bloss zu legen.
Bei Gelegenheit der einzelnen Organe, zu deren Untersuchung oft
Schnitte nöthig sind, werden wir die speciellen Behandlungsweisen
derselben erörtern. Die zum Schneiden bestimmten Exemplare wurden
in Sublimat oder Pikrinschwefelsäure fixirt, mit Boraxcarmin gefärbt
und in Paraffin geschnitten. Mit Pikrocarmin gefärbte und zwischen
zwei Glasplatten comprimirte junge Exemplare können in Canada-
balsam eingeschlossen werden. Man erhält so schöne Präparate, die
durchsichtig genug sind, um die Untersuchung der wesentlichsten
Organe unter der Lupe zu gestatten.
Tegumente. — Wie schon bemerkt, wird der Körper der Cione
allseitig von einer Muskelhavit umhüllt, die man auch den inneren
Mantel genannt hat xind
die aus zwei Schichten,
einer Oberhaut (Epider-
mis) und der L e d e r h a u t ,
gebildet ist, die man nach
Fixirung in Osmium- oder
Pikrinsäure auf Schnitten
untersucht. Ueber dieser
Haut breitet sich der
äussere Cellulosem an-
tel aus, welchen mau wohl
als ein Absonderungspro-
duct, ähnlich der Chitin-
hülle der Arthropoden be-
trachten kann; nur ist
dieser Mantel weich, etwa
von der Consistenz einer
Gelatine oder coagulirten
Eiweisses.
Die tiefere Hautschicht
oder Lederhaut (B, Fig.
126) wird wesentlich von
einem laxen Bindegewebe
gebildet, in welchem, wie
überhaupt im Bindegewebe
des ganzen Körpers, zahlreiche Lückenräume ausgehöhlt sind. Man
findet darin ausserdem eine Menge verschiedener, meist amöbenartiger
Körperchen und eine intercelluläre Fasersubstanz. Ausserdem sind
in dieser Schicht besonders auffällige , aus glatten Fasern gebildete
Muskelbündel entwickelt, die sich in allen Richtungen kreuzen und
mit einander anastomosiren. Die äusseren Bündel (d) verlaufen mehr
Ciona intestinuHs. — Senkrechter Querschnitt der
Tegumente. Gundlach, Oc. 1, Obj. 5. a, durcli-
sichtiger CeUulosemantel, hier und da vereinzelte
Kerne und Zelltrümmer b einschliessend ; c, zellige,
den CeUulosemantel absondernde Epidermis ; d,
Längsmuskeln der Haut, durchschnitten; e, Quer-
niuskeln ; y, peritoneales Ejtithelium , die Körper-
höhle auskleidend ; </, Lacunen.
Ascidien. 301
der Länge nach, parallel der Körperaxe, die innersten (e) haben quere
Richtung; erstere sind dicker und lassen sich leichter zerzupfen; ihre
bedeutende Entwicklung erklärt die ausserordentliche Contractilität
-der Thiere und zeigt den Grund , weshalb die Muskelschicht sich von
dem äusseren, nicht contractilen Cellulosemantel ablöst, wenn man die
Thiere plötzlich in Weingeist z. B. wirft. Wir verweisen hinsichtlich
der Vertheilung der Muskelbündel im Einzelnen auf Roule (s. Lite-
ratur), der sie genau verfolgt hat; wir erwähnen hier nur, dass die
Längsmuskeln besonders um die Siphonen , die Quermuskeln an dem
Tentakelkranze entwickelt sind , wo sie eine Art Sphincter bilden,
welcher die Oeffnung schliessen kann. Diese Schliessung wird noch
vervollständigt durch die fingerförmigen Tentakeln, welche der Muskel
auf seinem ganzen inneren Rande trägt. Dieselben bestehen aus
Bindegewebe, sind quer zur Axe des Sipho nach innen gerichtet und
lang genug, um gegenseitig in einander zu greifen.
Die Epidermis (c, Fig. 126), welche die Aussenfläche der Haut
überzieht, besteht aus einer einfachen Schicht von würfelförmigen oder
Pflasterzellen , deren runde Kerne sich ausgiebig mit Carmin färben.
Das Protoplasma dieser einförmigen Zellen ist fein gekörnt und zeigt
stellenweise am Rande der Siphonen die erwähnten rothen Augeuflecke,
auf die wir zurückkommen werden.
Der äussere Mantel (Ä, Fig. 126), ein Absonderungsproduct
der erwähnten Epidermiszellen , ist verhältnissmässig dick und bieg-
sam. Er kann also durch Faltung den Zusammenziehungen des
inneren Mantels folgen , wenn diese nicht , wie schon bemerkt , allzu
plötzlich geschehen. Bei jungen Individuen ist er so durchsichtig,
dass man alle inneren Organe sehen kann; bei zunehmender Ver-
dickung im Alter dagegen wird er trübe durch Ankleben fremder
Körper, Saudkörnchen , Eindringen von Algen u. s. w., und färbt sich
gelblich oder grünlich. Meist ist er in der hinteren Körperrinne weit
dicker als in der vorderen ; man wird also , um seine Structur oder
vielmehr seine Structurlosigkeit zu uniersuchen. Schnitte der hinteren
Körperregion wählen.
Der äussere Mantel besteht in der That aus einer homogenen
Substanz, in welcher sich nur hier und da feine Fäserchen erkennen
lassen. Geformte Elemente, wie Kerne, zerfallende Sternzellen, die
mau da und dort findet, sind nur Trümmer der Epidermis, die in die
Ablagerung gerathen sind. Mau erkennt sie leicht durch Färbung
der Schnitte, denn sie färben sich leicht, während die homogene Giuud-
substanz sich gar nicht oder doch nur sehr wenig färbt. Auf ungefärbten
Schnitten sieht man ausserdem noch gelbliche Körperchen (ö, Fig. 126),
welche vielleicht parasitische Algen oder abgestorbene Blutkörperchen
sind , die aus den in den äusseren Mantel verlängerten Lacunen der
Haut ausgetreten sind.
302
Tunicaten.
In den äusseren Mantel dringen in der That von der Haut aus
hohle, röhreuartige Verlängerungen ein, wodurch Ijeide Schichten zu-
sammengehalten werden und die man durchschneiden muss, um sie von
einander zu trennen. Sie sind besonders in der hinteren Körperregion
zahlreich, leisten aber nur geringen Widerstand.
Wenn eine junge Cione sich festsetzt, so treibt der Mantel un-
regelmässige Zotten, welche sich den Unebenheiten des Bodens an-
schmiegen. Dieselben gehen von der hinteren Körperregion aus und
sind, wie der übrige Mantel, ein Secretionsproduct der Epidermis.
Nervensystem. — Der dem Ectoderm angehörige, auf der
Rückenlinie der Larve verlaufende Nervenstrang verkümmert allmählich
in der Weise, dass bei dem erwachsenen Thiere nur ein einziges
Ganglion übrig bleibt, welches unter der Epidermis in dem Binde-
gewebe des kleinen Zwischenraumes zwischen den beiden Siphonen
Fis;. 127.
Ciona iatestinulis. — Centralganglion und Untergangliendrüse. A, von oben ; B, von
der rechten Seite, o, Ganglion ; 6, Drüse. C, Isolirte Nervenzellen, a, der Peri-
pherie; h, Sternzellen aus der Mitte des Ganglions (Gundlach, Oc. 1, Obj. 5).
liegt. Dieses Ganglion mit den von ihm ausstrahlenden Nerven bildet
das ganze System. Bei Betrachtung mit blossem Auge bildet es mit
der unmittelbar darunter Hegenden Drüse, die man nicht davon unter-
scheiden kann, eine kleine, undurchsichtige, weissliche Masse (Fig. 124).
Unter dem Mikroskope zeigt es eine ovale Form, deren Längsaxe mit
derjenigen des Körpers zusammenfällt (Fig. 127). Es entsendet vier
Nervenstämme, zwei nach vorn, zwei nach hinten {A, Fig. 127), die
sich bald theilen. Jeder vordere Nervenstamm bildet drei Zweige,
von welchen einer nach vorn in dem Mundsipho sich verzweigt; der
zweite geht zur Basis des Mundsipho und der dritte verästelt sich in
Ascidien. 303
der Wand der Peribranchialhöhle seiner Seite. Das hintere Nerven-
paar theilt sich ebenfalls in je drei Zweige, die sich dem Cloacalsipho
gegenüber in ähnlicher Weise verhalten.
üebrigens scheint der Verlauf der Nerven im Bindegewebe und
ihre Verzweigung zu den einzelnen Organen bei den einzelnen Indi-
viduen etwas zu variiren. Man erhält kaum zwei völlig gleiche Prä-
parate und die Aeste zerfallen so schnell in äusserst feine Fäserchen,
dass man sie nicht weit von ihrem Ursprünge verfolgen kann. Be-
handlung mit Osmiumsäure leistet gute Dienste und erlaubt diese
Fäserchen bis zu ihren Enden an den Muskelfasern zu verfolgen.
Auch die in der Nähe des Ganglions in den Siphonen z. B. sich ver-
zweigenden Aeste lassen sich leichter durch Osmiumsäure nachweisen.
Schnitte durch das mit Chromsäure gehärtete Ganglion , die auch
nothwendig die ihm anliegende Untergangliendrüse mit begreifen
(Fig. 128), dienen zur histologischen Untersuchung, die auch durch
Zerzupfung gefördert wird. Die Nervenzellen sind verhältnissmässig
gross , oval oder rund , mit körnigem Protoplasma und einem stark
lichtbrechenden Kerne (C, Fig. 127); sie zeigen häufig eine proto-
plasmatische Verlängerung. Wir haben keine multipolaren Zellen ge-
funden; diejenigen, welche keinen Fortsatz zu haben scheinen, mögen
ihn bei der Zerzupfung eingebüsst haben; doch möchten wir in Be-
tracht der Rundung der Conturen , die keinerlei Verletzung zeigen,
glauben, dass auch apolare Zellen vorkommen, wie bei vielen anderen
Wirbellosen. Die Zellen liegen stets an der Peripherie des Ganglions,
dessen Centrum von einer Unzahl einander kreuzender Fäserchen ge-
bildet wird, zwischen welchen man sternförmige Zellen zerstreut findet,
die weit kleiner als die pei-ipherischen und in der Form sehr verschieden-
artig sind (b, C, Fig. 127).
Die Nerven bestehen aus elementaren Remak'schen Fasern, wie
sie sich bei den Embryonen der Wirbelthiere vorfinden. Da die aus
Bündeln dieser Fasern zusammengesetzten Nervenstärame nur sehr
kurz sind , so findet man in sehr geringer Entfernung von dem Gan-
glion nur noch feine, durch das Bindegewebe sich schlängelnde Fasern,
welche sich nur sehr schwer verfolgen lassen.
Sinnesorgane. — Ciona besitzt keine differenzirten Sinnes-
organe. Die dreieckigen, rothen Pigmentflecke, welche in den Zwischen-
räumen der Randläppchen der beiden Siphonen liegen (c, e, Fig. 124),
sind wegen ihrer Lage am Vorderende des Körpers in einer sehr
nervenreichen Gegend als Augen flecken betrachtet worden. Sie
sind ausserdem sehr constant und finden sich bei vielen Seescheiden.
Das rothe Pigment ist indessen nicht vollständig darin concentrirt;
man findet es ausserdem bei vielen Individuen in der Umgegend der
Hauptflecken in Gestalt mikroskopischer Tröpfchen. W"enn dieses Pig-
ment also mit Gesichtseindrücken in Beziehung stehen sollte, so muss
k
304
Tunicaten.
man zugestehen , dass diese nur sehr unbestimmter Natur sein
können.
Das vor der Unterganglien drüse liegende Wimperorgan ist häufig
als Riechorgan angesehen worden, scheint aber, wie wir sogleich sehen
werden, andere Functionen zu besitzen. Die aus Bindegewebe be-
stehenden Kranztentakel des Mundsiphos scheinen eher als Sieb zur
Abhaltung grösserer, in den Kiemensack eindringender Fremdkörper,
denn als Sinnesapparat zu dienen. Roule hat sie mit der Spitze einer
feinen, durch den weit geöffneten Sipho eingeführten Nadel berührt
und sich überzeugt, dass sie weit weniger Empfindlichkeit zeigen, als
die benachbarten Theile, wie z. B. die Mundwärzchen. Von dem
Gehörorgan der Larve findet sich beim erwachsenen Thiere keine Spur
mehr vor.
Unterganglien drüse und Wimperorgan. — Wir sprechen
hier von diesen Organen , weil sie dem Centralganglion unmittelbar
Fis:. 12
Cioiia iidestinalis. — Läiigsdurchschnitt des Ganglions und der Di-üse , 50 fach
vergrössert (nach Roule). «, Cellulosemantel ; b, Epidermis; c, Muskelfasern; d, La-
eunen in der Körperwand ; e, zellige Rindenschicht des Ganglions ; /, centrale Faser-
masse desselben; g, Untergangliondrüse; Ji, Ausführungsgang derselben, dessen auf- J
gewulstete und umgekrempte Wände das Wimperorgan i bilden ; k , Franse der ^
Dorsalraphe; l, Kiemenepithel. .
anliegen und weil die von Hancock entdeckte Drüse durch die
neueren Ai-beiten von Julin (s. Literatur) in phylogenetischer Hin-j
Ascidien. 305
sieht und in Beziehung auf die Verwandtschaft zwischen Mantelthiereu
und Wirbelthieren eine gewisse Bedeutung gewonnen hat, wovon später
im allgemeinen Abschnitte noch die Rede sein soll.
Die Untergangliendrüse {b, Fig. 127, A und Jj) bildet einen
rundlichen, auf der Oberfläche warzigen Körper, der zwischen dem
Ganglion und der Kiemenwaud an der Stelle liegt, wo die Rücken-
raphe in der Kranzrinne endet. Wir wissen schon, dass sie dem Gan-
glion so enge anliegt, dass man beide nicht ohne Verletzung von ein-
ander trennen kann. Längs- und Querschnitte, welche beide Organe
einbegreifen, sind zur genaueren Untersuchung unerlässlich. Zer-
zupfuugen führen zu keinem Resultate und Präparate der Drüse im
Ganzen geben . wenn sie auch durchsichtig sind , doch kein klares,
vollständiges Bild. Um gute Schnitte zu erhalten, trennt man mit
einem raschen Scheerenschuitt die ganze , zwischen den Siphonen ge-
legene Gegend bei einem lebenden Individuum ab und lässt das Stück
in Pikrinschwefelsäure fallen, um es nach Fixirung mit Boraxcarmin
zu färben und nach Erhärtung in Paralfin zu schneiden.
Die Drüse besteht aus mehreren verzweigten Röhrchen, die in
eine bindegewebige Grundmasse eingebettet und innerlich mit einem
Epithelium von kleinen, cubischen Zellen ausgekleidet sind, welche
sich loslösen und in die Höhle der Röhre fallen. Meist ist diese mit
solchen, in allen Stadien des Zerfalles befindlichen Zellen derart aus-
gefüllt, dass deren mit Carmin stark gefärbten Kerne der Untersuchiing
des Drüsenepithels selbst hinderlich sind.
Die Drüsenröhren vereinigen sich in einem Sammelcanal
(h, Fig. 128), der an der oberen, dem Ganglion zugekehrten Fläche
der Drüse in der Mittellinie verläuft und anfänglich mit einem Epi-
thelium ausgekleidet ist, das demjenigen der Drüse gleicht. Aber der
von oben nach unten abgeplattete Canal verlängert sich nach vorn
über die Drüse hinaus und hier trägt er kleine Cylinderzellen mit
langen Wimperhaaren, deren Bewegung von innen nach aussen, also
in der Richtung der Ausführung der Producte thätig ist.
Dieser bewimperte Ausführungscanal öffnet sick nicht weit von
der Drüse nach kurzem Verlauf auf der Rückenseite des Mundsiphos
in der Mittellinie vor einer kleinen, hier angebrachten Erweiterung
der Kranzrinne in einer kegelförmigen Papille (/, Fig. 128), deren
Spitze der Drüse zugewendet ist. Ihre nach vorn gerichtete Basis
trägt eine halbmondförmige Spaltenöflfnung, deren Form übrigens je
nach den Concentrationszustäuden etwas wechselt. Diese Spalte wird
von in die Höhle des Siphos vorspringenden Lippen eingefasst, welche
mit sehr lebhaft schlagenden Wimpern besetzt sind. Man hat diese
Papille das Wimperorgau genannt und häufig als ein Geruchsorgan
angesprochen, obgleich die auskleidenden Zellen keine Aehnlichkeit
mit Sinneszellen haben. Die bindegewebigen Wände sind sehr dick,
Vogt u. Yung, prakt. veigl. Anatomie. II. 9Q
306 . Tunicateil.
von Lacunen durchzogen (d, Fig. 128) und nach aussen hin mit dem-
selben Epithelium überzogen, welches den Caual des Siphos innen aus-
kleidet. Schliesslich scheint diese Warze nur das bedeutend erweiterte
Endstück des x\usführungsganges der Untergangliendru.se zu sein ;
eine weitere Bedeutung lässt sich ihr, dem heutigen Stande unserer
Kenntnisse nach, nicht beimessen.
Das Gesamratorgan verhält sich in der beschriebenen Weise.
Welches ist aber seine Function ? Man hat vielfach darüber gestritten,
ohne zu einem positiven Resultate zu kommen. Ed. van Beneden
spricht die Drüse als Harnorgan an; Roule hält sie für eine Schleim-
drüse. In Anbetracht der engen Beziehungen des Organes mit der
benachbarten Kranzrinne und durch diese mit den Raphen nimmt
Roule an, dass die Drüse wenigstens einen Theil, wenn nicht allen
Schleim absondere, der längs der Raphen fortgeführt wird, die Nah-
rungstheile umhüllt und dem Darmmunde zuleitet.
Kiemensack und Darm. — Wir wissen, dass der Mundsipho in
den Kiemensack führt, welcher nichts Anderes als der sehr erweiterte
Vorderdarm ist und wesentlich mit der Athemfunction betraut ist.
Indessen durchlaufen ihn die im Wasser aufgeschwemmten Nahrungs-
theilchen und während diese dem Darm munde zugeleitet werden,
strömt das Atherawasser durch zahlreiche Spalten in den Raum
zwischen der Aussenfläche des Kiemensackes und der Innenfläche der
Körperwand, den wir Peribranchialhöble genannt haben.
Der Kiemensack ist an der Basis des Mundsiphos längs einer
Kreislinie befestigt, welche durch die auf ihrem ganzen Verlaufe flim-
mernde und an beiden Enden an den Raphen erweiterte Kranzrinne
als Grenze zwischen Sipho und Kieme bezeichnet wird (c, Fig. 129).
Ausserdem heftet er sich längs der ventralen Mittellinie an die Körper-
wand an. An dieser Auheftung zeigt sich ein verdickter Längswulst
von Bindegewebe, der von einem bedeutenden Blutcanal, dem Brauchio-
cardialsiuus, durchsetzt wird, von welchem später die Rede sein
wird. Diese Naht sieht wie ein hyalines Stäbchen aus und wird als
Endostyl bezeichnet (m, Fig. 124). Ausserdem steht der Kiemen-
sack durch eine Menge von Bindegewebsbrücken , in welchen Blut-
canäle verlaufen und die man die Kiera e n hautcan äle (r, Fig. 132)
genannt hat, mit der Körperwand in Beziehung. Um den Kieniensack
los zii präpariren , muss man diese Brücken trennen. Wir spalten
hierauf den Kiemensack der Länge nach, um seine Innenfläche zu
untersuchen. Der Endostyl oder die Bauchraphe (in, Fig. 124;
/, Fig. 129) fällt sofort in die Augen; das Gebilde erstreckt sich nach
vorn bis zur Kranzrinue und bildet hier einen kleinen Blindsack
(e, Fig. 129). Die in die Höhle des Kiemensackes vorspringenden
Lippen der Raphe sind mit einem, kurze Wimpern tragenden Epithe-
lium ausgekleidet, während im Grunde der Rinne ausserordentlich
Ascidien.
307
lange Cilien sich finden. Alle diese ^Yimperu schlagen in der Rich-
tung von vorn nach hinten und befördern so die schleimigen Massen
weiter, welche die Rinne ausfüllen und über deren Herkunft man noch
nicht ganz einig ist, indem die Einen sie von der Rinne selbst ab-
sondern lassen, während die Anderen sie von der Untergaugliendrüse
herleiten.
Dem Eudostyl gegenüber verläuft auf der dorsalen Mittellinie
des Kiemensackes ebenfalls ein dünner Längswulst, die Rückenraphe
()i, Fig. 124; //, Fig. 129), die eine Reihe kleiner, in die Kiemenhöhle
vorspringender Zotten trägt.
Durch die beiden genannten Nähte wird die Kieme in eine rechte
und linke Hälfte getheilt. Die Rückenraphe verkümmert gegen die
Kranzrinne hin; die Zotten werden sehr kurz und verschwinden sogar
Fig. 129.
Ciona iräestuialis. — Innenfläche des ^lundsiplios und des Kiemensackes, unter der Lupe
gezeichnet. «, Mundsipho ; i, Tentakelkranz ; c, Kranzrinne ; rZ, deren Erweiterung am
Uebergange in die Rückenraphe ; e, Verlängerung derselben in die Bauchraphe /
(Endostyl); </, Kiemenspalten; h. mit Fransen besetzte Rückenraphe : i. Unterganglien-
drüse, durch die Kiemenwand durchschimmernd; /', Wimperorgan; Ic^ Bündel von
Läncfsmuskeltasern.
ganz. Nach hinten geht sie in die Rinne des Darmmundes über, der
in den eigentlichen Darm mündet. Der Eudostyl dagegen endet nach
hinten in einen ziemlich bedeutenden Blindsack, der sogar in Gestalt
eines coutractilen, zungenförmigen Foitsatzes in die hintere Körper-
höhle vorspringt (f/, Fig. 1.30 a. f, S.). Im Grunde des Kiemeusackes
werden die beiden Raphen durch eine kurze Rinne, die Hinterraphe,
mit einander verbunden, die parallel mit der Peritoueallamelle, welche
das erwähnte Blindsäckchen befestigt, bis zum Darmmunde sich er-
streckt (c, Fig. 130). Die Krauzrinne, die beiden Längsraphen und
die Hinterraphe bilden also um den Kiemensack herum einen Kreis-
20*
Tiinicaten.
Fio-. 130.
-3
weg, welcher im Gri^iide des Kieraensackes au dem Darmmunde
endet.
Die Wand des Kiemensackes besteht aus einer Lamelle von Binde-
gewebe, welche aiif ihren beiden Flächen mit einer epithelialen Zellen-
schicht bekleidet ist. Diese Lamelle wird von einer grossen Anzahl
von Blutcanälen durchsetzt, die sich in rechten Winkeln kreuzen, da
die einen quer, die anderen längs verlaufen und deren aus Bindegewebe
gebildeten Wände gegen die Kiemenhöhle vorspringen. Die grösseren
Quercanäle sind sogar mächtig genug, um auch gegen die Peri-
branchialhöhle vorzuspringen. So geben denn diese Canäle im Ganzen
das Bild eines Netzes von Stäbchen, welche auf der dünnen Grund-
lamelle der Kieme Reihen von viereckigen Maschen abgrenzen, deren
Boden von knopflochförmigen
Spalten (/, Fig. 131) durch-
bohrt wird, dui'ch welche das
Wasser aus der Kiemenhöhle
in die Peribranchialhöhle ab-
fliesst.
Die Längscanäle (rt, Fig.
131) erstrecken sich ohne
Unterbrechung von der Kranz-
riune bis zum hinteren Ende
des Kiemensackes. Die mehr
nach aussen vordrängenden
Quercanäle (?>, c, Fig. 131)
laufen auf jeder Seite des
ßo/.« mte^;««&. - Hintere Plälfte des Kiemen- ' Sackes von einer Raphe zur
sackes und vordeve Hälfte der Eingeweideliöhle. anderen. Sie sind nicht alle
Die Körperwand ist linkerseits abgetragen Avor- gleich weit. Nur die Quer-
canäle erster Ordnung
(Roule) springen gegen die
Peribranchialhöhle vor (b, Fig.
131). Sie wechseln mit den
engeren Qiiercanälen
zweiter Ordnung ab (c,
Fig. 131). Ausser diesen
Hauptcanälen sieht man noch
weit feinere Quercanälchen (c, Fig. 131), welche nur in der Dicke der
Kiemenlamelle ausgehöhlt sind, nicht vorspringen, aber auf gefärbten
Präparaten sich leicht erkennen lassen und so das Bild des Mascheu-
netzes, das einem Damenbrette gleicht, etwas verwirren.
An jedem Kreuzungspunkte der Längs- und Quercanäle erhebt
sich ein dem Läugscanal zugehöriger, warzen- oder zungenförmiger
Vorsprung, der frei in die Kieraenhölde hineinragt (f/, Fig. 131).
den, ebenso die Mittelportion der Darmschlinge
mit dem Eierstock, um das Herz bloss zu legen,
a, Kieme; i, Körperwand; c, Bauchraphe ;
rf, ihr hinterer Blindsack, der zungentormig in
die Eingeweidehöhle vorspringt; c, hintere
Raphe; /, dorsale Raphe; (/, Darmmund; A,
Schlund ; »", Magen, quer durchschnitten; /i, Herz-
beutel; /, Herz; ?« , in der Pericardialhöhle
schwimmender Körper.
J
Ascidien.
309
Diese Vorsprünge sind hohl und ihre Höhle steht mit dem Längscanale
in Verbindung, so dass sie also die ohnehin schon bedeutende Athem-
fläche der Kieme noch vergrössern.
Wie schon bemerkt, hängt die Aussenfläche des Kiemensackes mit
der Innenfläche der Körperwand durch eine IMeuge von Hautkieraen-
canälen (r, Fig. 133) zusammen, die von den Qnercanälen der Kieme
ausgehen, die Peribranchialhöhle durchsetzen und so eine Gefäss-
verbindung zwischen Kieme und Körperwand herstellen. Diese Ver-
bindungscanäle sind meist einfach, eng und kurz.
Die Kiemenspalten sind kleine, ovale Längsspalten, die sich
von einem Quercanal erster Ordnung zum anderen oder auch nur
von einem solchen bis zu einem Quercanal zweiter Ordnung erstrecken
Fig. 131.
A
--f
Ciuna inttstliiulis. — Structur der Xienieiiwandung. A, Ansicht von innen, B. von
aussen. Giindlaeh, Olij. 0. . Camera dura, a, Längseanäle ; b, Quercanäle erster
Ordnung; c, Quercanäle zweiter Ordnung; c7, warzenförmige Vorsprünge in die
Kiemenhühle ; e, Quercanäle dritter Ordnung;/, Kiemenspalten.
(/, Fig. 131, i?); sie sind ausserordentlich zahlreich (30000 bis -40000
bei einer erwachsenen Ciona nach Roule) und derart gegen einander
gedrängt, dass die Lheile der Wände des Kiemensackes, durch welche
sie getrenut werden, dünneu Längsstäbchen gleichen (g, Fig. 131).
Kiemenwand und Canäle sind mit Epithelien von zweierlei Art aus-
gekleidet: mit kleinen, cubischen oder Pflasterzellen, die keine Wim-
pern tragen, und mit grösseren, cylindrischen Wimperzellen. Letztere
sitzen namentlich auf den Seiten der Canäle und an den Ptänderu der
Spalten. Sie unterhalten einen beständigen Strom des Wassers von
innen nach aussen. Die (iesammtstructur der Kieme verwirklicht so
in hohem Grade der Athmung günstige Bedingungen. Das Blut ist
auf einer relativ sehr grossen Fläche ausgebreitet, überall vou Wasser
310
Tunicaten.
umspült und die Wände der Canäle sind dünn genug, um den aus-
giebigsten Austausch der Gase durch sie hindurch zu gestatten.
Der ganze beschriebene Theil der Kieme ist wesentlich respira-
torisch, was nicht hindert, dass die in dem eigentlichen Darme zu
Fig. 132.
Cloaa i?ile.stinulis. — Ansicht von
der Rücken fläche nach Wegnahme
des Cellulosemantels. Die Kör-
penvandung ist von Leiden Seiten
her über die Kieme umgeschlagen
und üljer den in der Körper-
hölile eingeschlossenen Eingewei-
den weggenommen (nachRoule).
a, Kiemensack ; i, Peribranchial-
liöhle; c, Schlund; cl, Magen;
e, Darmschlinge ; f, Rectum ; rj,
Afterkegel; h, Eierstock; i, Sa-
menleiter; fc, Eileiter; l, End-
papille der Geschlechtsgänge; m,
Kiemendarmsinus ; n, Herzbeutel;
o, Aftersipho ; p, Basis des Mund-
siphos ; q , Körperwandung ; r,
Hautkiemencanäle.
verdauenden Nahrungstheilchen ihren Weg
durch den Kiemensack nehmen. Die-
selben werden durch den Schleim um-
hüllt, welcher wahrscheinlich von dem
Endostyl abgesondert wird und in Ge-
stalt hyaliner Fäden auf der ganzen In-
nenfläche der Kieme, besonders im vor-
deren Theile, anzutreffen ist. Man findet
häufig im Kiemensacke grössere, gelb
oder braun gefärbte Schleimbündel, diei
au dem Rande der Rückenraphe gegen
den Darmmund hin fortbewegt wei'den.
Die mikroskopische Untersuchung zeigt,
dass sie zahlreiche Infusorien, Diatomeen
und von Schleim umhüllte Zelltrümmer
enthalten. Alle diese Nahrungstheile
werden durch das Spiel der Wimperhaare
aiif zwei Wegen, von dem Endostyl und
von der Rückenraphe aus, gegen den
Darmmuud hin fortbewegt.
Der Ver dauun gscan al (Fig. 132)
liegt grösstentheils in der hinteren oder
Eingeweidehöhle des Körpers hinter der
Peritoneallamelle. Er beginnt mit einer
kreisförmigen, contractilen Oeffnimg, dein
Darmmunde (g, Fig. 130), der auf der
dorsalen Mittellinie der Peritoneallamelle
liegt. An den Rändern dieser Oeffnung
enden die Wimperrinuen der beiden
Raphen, welche in der oben besprochenen
AVeise die Schleimballen init Nahrungs-
stoffeu dem Munde zuleiten. Die Wand
des Kiemensackes setzt sich über die Oeff-
nung hinaus direct in^ die Schlundwand
fort. Der Schlund selbst (c, Fig. 132)
ist eine kurze, enge und durclisichtige
Röhre , die sich leicht im Bogen krümmt
und ausserdem um ihre Längsaxe ge-
wunden ist, wie die spiraligen Streuen
beweisen, welche sich an ihr bemerklich;
Ascidien. 311
machen (I, Fig. 132). Nach hinten erweitert sich der Schlund plötz-
lich in einen eiförmigen, gekrümmten und weiten Sack, den Magen
(ä, Fig. 132), von dem er durch eine innere, wenig vorspringende
Cardialfiilte geschieden ist. x'^usser an seiner Form erkennt man den
Magen auch an seiner gelblichen Färbung; sein hinterer Theil erscheint
weiss getüpfelt durch die Hodenkörner, die sich an seine Oberfläche
fest anlegen und sogar in die Peritonealhülle des auf den Magen fol-
genden Darmes eindringen. Zur Zeit der Reife sind diese Hoden-
läppchen so zahlreich und derart angeschwollen, dass sie sogar in die
Darmhöhle vorspringen und der Darm selbst weisse Farbe zeigt. Un-
mittelbar hinter dem Magen krümmt sich der Darm von links nach
rechts auf sich selbst zurück, bildet innerhalb der Körperhöhle die
Darmschlinge (e) , durchsetzt hierauf die Peritoneallamelle und ver-
läuft in der Peribrauchialhöhle direct in gerader Linie nach vorn.
Dieser letzte Darmabschnitt, das Rectum (/), verläuft an der
Rückenfläche der Kiemenwand längs dein Blutsinus. Die Ausführuugs-
gänge der Zeugungsorgane laufen dem Rectum parallel, verlängern
sich aber über den After hinaus (i, k. ?, Fig. 132). Wenn zur Reife-
zeit die Geschlechtsgänge prall mit Producten gefüllt sind, drücken
sie die Wände des Rectunis so zusammen, dass dieses auf (,)uerschnitten
die Form eines Halbmondes zeigt. Die Wände des Rectums sind so
dünn und durchsichtig, dass man die braun gefärbten Kothballen in
der Röhre sieht. In der Nähe seines Endes ti'ennt sich das Rectum
von den Geschlechtsgängen und erhebt sich in Gestalt einer kegel-
förmigen Afterwarze (g, Fig. 132), die in die Cioakenhöble vor-
springt und auf der Spitze die Afteröffnurg trägt, welche von
einigen muscalösen Riugfasern umgeben wird, die einen Schliess-
muskel bilden.
Querschnitte geben Aufschlüsse über die histologische Structur
des Darmes; die Epithelialzellen werden im Einzelnen in Zerzupfangs-
präparaten untersucht, die man vorher in Osmiumsäure fixirt hat. Die
Grundraembran besteht aus einer Bindeaewebslamelle , welche auf
beiden Flächen mit Epithelialzellen ausgekleidet ist; aussen mit
Pflasterzellen, denjenigen ähnlich, welche die Peritonealhöhle überhaupt
auskleiden, und innen mit Wimperzellen von Cylinder- oder Becher-
form in wechselnder Grösse. Die Bindegewebslamelle ist von zahl-
reichen Blutcanälen durchzogen, deren Weite nach den Regionen
wechselt; iti der Nähe des Schlundes sind sie weit beträchtlicher als
weiter hinten, wo sie enger werden und Netze bilden. ]Man wiid in
der Monographie von Roule alle nur wünschbaren Nachweise über die
histologische Structur der vier Darmabschnitte, Schlund, Magen, Darm-
schlinge und Rectum, linden. Wir erwähnen hier nur, dass Muskel-
fasern in den vorderen Abschnitten gänzlich fehlen , die mithin nicht
contractu sind und in welchen die Fortschaft\ing der NahrungsstoITe
312 Tunicaten.
nur durch die Thätigkeit der Wimpern bewerkstelligt wird. Dagegen
finden sich Muskelfasern längs des Rectums und am After. Der Ver-
dauungssaft wird wahrscheinlich durch das innere Darmepithel ab-
gesondert, denn es findet sich keine Nebendrüse, welcher diese Function
zugeschrieben werden köcnte.
Kreislauf und Lacunensystem. — Das Blut der Ciona ist
weisslich; es enthält zahlreiche, sehr kleine, amöbeuartige Körperchen
und. ausserdem bräunliche oder gelbe Gebilde, welche in Rückbildung
begriffene Blutkörperchen zu sein scheinen.
Wie bei den übrigen Mantelthieren, circulirt das Blut grössten-
theils in Lacunen, welche ein in dem Bindegewebe des ganzen Körpers
verbreitetes System von Hohlräumen bilden, das von dem Cölom durch-
aus unabhängig ist. Das von dem Herzen getriebene Blut circulirt in
diesen Räumen in abwechselnd entgegengesetzter Richtung. Die La-
cunen besitzen keine eigenen Wandungen; an einigen Orten, wie in
der Haut und der Kieme, sind sie zwar so regelmässig angeoidnet, dass
man glauben könnte, wirkliebe Gefässe vor Augen zu haben; aber an
den meisten übrigen Stellen ändern sie sich von einem Augenblick zum
anderen während des Lebens und zeigen sich auch verschieden je nach der
Art der Injection , so dass man keine genaue Beschreibung von ihnen
geben kann. Auf Durchschnitten sieht man sie meist klaff'end offen
in Folge der Elasticität des Bindegewebes, worin sie ausgehöhlt sind.
Das Herz (l, Fig. 130) bildet einen Schlauch in Form eines
Halbmondes, dessen Hörner nach vorn gerichtet sind. Bei erwachsenen
Thieren ist es stärker gekrümmt als bei jungen. Es liegt im Hinter-
grunde der Eingeweidehöhle zwischen der Darmschlinge und dem
Eierstocke rechterseits vom Magen und wird von einem feinen, durch-
sichtigen Herzbeutel (Je) umschlossen, der mit einer klaren Flüssig-
keit angefüllt ist. Ausser zahlreichen, mikroskopischen Körperchen
schwimmt in dieser Flüssigkeit des Herzbeutels ein opaker, weiss-
licher Körper von etwa einem Millimeter Durchmesser, der bei den
Contractionen des Herzens die Stelle wechselt und nach dem Tode meist
an irgend einer Stelle des Herzbeutels angeklebt bleibt (m, Fig. 130).
Die beiden nach vorn gerichteten Herzhörner durchsetzen den Herz-
beutel und verlängern sich nach vorn auf die Seiten des Kiemen-
sackes. Nur an diesen beiden Punkten steht die Herzwand mit dem
Herzbeutel in Verbindung; im Uebrigen ist der Herzschlauch voll-
kommen frei und schwimmt gewissermaassen in der Herzbeutel-
üüssigkeit.
Die auf beiden Flächen mit einem Zellenepithelium bekleideten
Herzwände sind sehr contractil; sie zeigen nach aussen eine Schicht
von quergestreiften Längsmuskelfasern. Dies sind die einzigen ge-
streiften Muskeln im Körper der Ciona. Die innere Schicht wird von
einem elastischen Gewebe gebildet, welches in der Diastole seine pri-
Ascidien. 313
mitive Gestalt annimmt und so als Antagonist der einzig die Systole
erzeugenden Längsmuskeln auftritt.
Wie bei den übrigen Mantelthieren, wechselt das Herz der Ciona
periodisch die Richtung seiner Contractionen, was man bei jungen,
durchsichtigen Individuen leicht constatiren kann. Die Dauer dieser
Wechselströmungen ist nicht ganz gleich; die Contractionen folgen
sich schneller, wenn das Blut in der Richtung von der Kieme durch
das Herz zu den Eingeweiden , als wenn es in umgekehrter Richtung
von den Eingeweiden durch das Herz zu der Kieme geht (Roule).
Indessen ist der Unterschied bei den erwachsenen Thieren geringer
als bei den jungen.
Daraus folgen grosse Unregelmässigkeiten im Blutlaufe, die durch
den Mangel von zu- und abführenden Gefässen noch vermehrt wird.
Wie bei den Salpen, lassen sich weder Arterien noch Venen unter-
scheiden , und da mit Ausnahme der Hauptcanäle die Richtung des
Blutstromes in den Lacunen sich mit jedem Augenblicke ändern kann,
so hält es sehr schwer, sich eine Gesammtanschauung des Kreislaufes
zu bilden. Die von dem Herzen aus gemachten Injectionen gefärbter
Massen liefern nicht zweimal identische Resultate und schliesslich ist
es am vortheilhaftesten , den Kreislauf an der Bewegung der im Blute
aufgeschwemmten Köi-perchen beim lebenden Thiere zu untersxichen.
Auf diese Weise erkennt man wenigstens eine gewisse Anzahl von
Hauptströmen in den grossen Canälen, welche vom Herzen zur Kieme,
zu den Eingeweiden und von diesen zur Kieme oder umgekehrt sich
begeben.
So erkennt man leicht einen grossen Bauchcanal (p, Fig. 133
a. f. S.), der unter der Bauchraphe längs der ganzen Kieme sich
erstreckt; er sieht wie ein compacter Glasstab aus und ist deshalb
auch als ein Stützgebilde der Bauchrinne angesehen und als Endostyl
bezeichnet worden. Dieser Canal ist in einem bindegewebigen Wulste
ausgehöhlt, der in der ventralen Mittellinie die Kiemenwand mit der
Körperwand verbindet. Er steht mit den Lacunen des Mundsiphos,
der benachbarten Theile der Körperwaiid und mit den Quercanälen
der Kiemen in directer Verbindung und nimmt deren Blut auf. Nach
hinten durchsetzt er die Peritoneallamelle, den Herzbeutel und mündet
in das Herz, nachdem er noch das in den Lacunen der Peritoneal-
lamelle und der Wurzelausläufer, die das Thier befestigen, circulirende
Blut aufgenommen hat. Das Blut läuft in ihm meist in centripetaler
Richtung zu dem Herzen hin, weshalb man ihn auch Kiemenherz-
canal genannt hat; er enthält meist frisch geathmetes Blut, aber in
Folge der Umdrehung der Herzcontractionen tritt auch periodisch die
entgegengesetzte Richtung auf.
Ein zweiter, weit hellerer Canal kann der He r z einge wei de-
canal (r, Fig. 133) genannt werden. Er verläuft durch die Peritoneal-
314
Tunicaten.
Fio-. 133.
-dy
lamelle vom Herzen zu den Eingeweiden und steht mit den Lacunen
des Magens, des Darmes, der Geschlechtsorgane u. s. w. in directer
Verbindung. Er kann als eine Fortsetzung des vorigen Canals über
das Flerz hinaus betrachtet werden; der Blutstrom verläuft in ihm in
centrifugaler Richtung, weshalb er auch von Lacaze-Duthiers die
Eingeweide-Aorta genannt
wurde. Bei Umdrehung
der Herzcontractionen er-
hält er freilich nur venöses
Blut von den Eingeweiden,
welches er durch das Herz
zu der Kieme leitet.
Der dritte Hauptcanal ist
derEingeweidekiemen-
canal oder Dorsalcanal
((/,Fig. 133). Er führt das
Blut, welches in den Ein-
geweiden circulirt hat, zur
Kieme, verläuft also in einer
den beiden vorigen ent-
gegengesetzten Richtung
unmittelbar unter der dor-
salen Raphe und steht in
seiner ganzen Erstreckung
in unmittelbarer Vei-bin-
dung mit den Kiemencanä-
len. Er nimmt das von den
Geschlechtsorganen , dem
Darm und den benachbar-
ten • Körpertheileu kom-
mende Blut durch kleine
Seitencanäle auf.
Das in den Kiemencanä-
len angesammelte Blut ver-
7t-
versdiolien , wäliveiul sie in Wirklichkeit li
sipho ; <:, Teiitakelkranz ; d, Aftersiplio ; .
(], EingevveidelKible ; A, Peritoneallamelle;
«, Kieme; ??!, Mao-en ; w, Eierstock; o, Herz
Clona intcstluuUs. — Schema
des Kreislaufes nach Roule.
Der Darm und die Geschlechts-
gänge sind nicht gezeichnet, das
Herz und der Herzeingeweide-
canal nach rechts vom Magen
nks liegen. «, Kintrittsüti'nung; 6, Mund-
', Cellulosemantel ; /', Peribranchialhöhle ;
/', Centralganglion ; k, Wurzelausläufer;
/), Ventralcanal ; 5, Dorsalcanal ; r, Herz-
eingeweidecanal (Aorta) ; s, Herzmantelcanal ; t, Magenmantclcanal.
Ascidien. 315
bleibt dort mebr oder minder lange, bis es durcb den Baucbcanal zum
Herzen zurückkehrt.
Die drei soeben beschriebenen Canäle bilden die wesentlichsten
Wege des Kreislaufes, an welche sich die in den übrigen Organen aus-
gebildeten Laeunen anschliessen. Wir können diese letzteren nicht in
ihrem weiteren Verlaufe verfolgen, sondern verweisen hinsichtlich der
Einzelheiten auf die Arbeit von Roule. Wir begnügen uns, noch
einmal auf die zahlreichen Unregelmässigkeiten des Kreislaufes in
diesen Laeunen hinzuweisen, die durch die Wandlungen der Cou-
tractiouen des Herzens bedingt werden. Namentlich in der Körper-
wand ist die Unbestimmtheit in der Richtung der Blutströmungen
ausserordentlich, da sie von einer Unzahl kleiner, zwischen den Muskel-
fasern bestehender Laeunen wie ein Sieb durchlöchert ist, welche ihr
Blut aus dem Darme, der Kieme u. s. w. durch die erwähnten, das
Cölom und die Peribranchialhöhle durchsetzenden Brücken erhalten.
Das Blut läuft hier stossweise bald in dieser, bald in jener Pachtung.
Absonderungsorgane; Nieren. — Man findet bei den Asci-
dien keine differeuzirte Niere. Die mit Auswurfsstoff'eu erfüllten Zellen
sind an verschiedenen Stellen des Bindegewebes und in einzelnen La-
cujien in Gestalt kleiner, brauner oder gelber Massen abgelagert. Bei
Ciona finden sich solche Zellen fast überall ; sie häufen sich aber vor-
zugsweise unter dem Epithelium des angeschwollenen Endtheiles des
Samenganges und noch mehr in den Wänden der cylindrischen Pa-
pillen (l, Fig. 132) am Ende dieses Ganges an, die wir später be-
schreiben werden. Diese Papillen fallen bei Oeflfnung der Cloakenhöhle
sofort durch ihre lebhaft rothe Farbe auf; wir werden später sehen,
dass sie von kleineu Oeffnungen durchbohrt sind, durch welche der
Samen austritt, und dass die orangerothen Auswurfszellen sich in meh-
reren Schichten unter ihrem Epithelium anhäufen. Man kann diese
Zellen durch Zerzupfung isoliren; sie hal)en meist rundliche Gestalt
und ilir Protoplasma ist mit gefärbten Körnchen angefüllt. Man hat
durch mikrochemische Analyse darin Harnsäure, harnsaure, oxalsaure
und phosphorsaure Scilze nachgewiesen; sie scheinen also die Function
einer Niere zu besitzen. Aber sie besitzen keinen Ausführungsgang
im Ganzen; wahrscheinlich werden die Auswurfsstoffe, die sie ent-
halten, mittelst Diffusion durch das Epithelium in die Poren der erwähn-
ten Papillen des Samengauges gebracht und so in die Cloake entleert.
Sie sind von einem reich entwickelten Lacunennetze umgeben, so dass
also das Blut stets neue Zersetzungsproducte ihnen zuführen kann.
Aehnliche gefärbte Massen von geringer Bedeutung finden sich stellen-
weise in dem Lacunensysteme; wir haben die von Roule in dem
Wimperorgane angezeigte Ansammlung nicht wiederfinden können.
Dagegen ist die beschriebene Anhäufung im Samengange durchaus
constant und verdient deshalb besondere Beachtuns'.
316
Tiinicaten.
Fortpflanz iiugsorgan e. — Ciona ist Hermaphrodit; Hoden
und Eierstock liegen nahe bei einander. Das an der Darmschlinge
angelagerte ei- oder birnförmige, stets deutlich begrenzte Organ ist
der Eierstock {li, Fig. 132). Die Hoden dagegen sind diffus und in
der Darmwand ausgegraben; mit blossem Auge oder unter der Lupe
sieht man nur ihre Ausführungscanälchen und auch diese nur bei Indi-
viduen, wo sie mit weisseui Samen gefüllt sind. Man kann die Ge-
schlechtsorgaue als im Bindegewebe ausgehöhlte Lacunen, ähnlich den
Blutlacunen, betrachten, die aber mit einem Epithelium ausgekleidet
sind, welches sich zu Samenzellen oder Eiern differeuzirt.
Die Hoden (^4, Fig. 134) muss man auf durchsichtigen Stücken
der Darmwand oder auf Schnitten der Darraschlinge untersuchen. Sie
Tis-. 184.
Ciona hitesüiudh. — ^4, Stück der Darm\v:iiiJung mit den darin eingeschlossenen,
durchschimmernden Hodenröhrchen (Gundlach, Oc. 1, Obj. O). a, Hodenläppchen;
h, Samencanälchen ; c, Bindegewebe der Darmwandung.. i>', Samenelemente (Gund-
lach, Oc. 1, Oljj. 6, Immersion), a, in Theilung begriffene Samenzellen; h, u. c, Sper-
matozoen, mit Sublimat fixirt.
bilden zahlreiche, meist durch ihren Inhalt prall ausgedehnte Canälchen
von wechselnder Form; ihr blindes Ehide ist meist augeschwolleo. Sie
liegen in der Dicke der Bindegewebeschicht des Darmes zwischen dem
Pylorus und dem Anfange des Rectums; zerstreut findet man zuweilen •
noch einige auf dem Rectum selbst, während sie an der Darmschlinge
oft in mehreren Schichten dicht gedrängt anzutreffen sind. Von der
Fläche gesehen , unterscheiden sie sich durch ihren dunklen, körnigen
Inhalt von den zahh-eichen Blutlacunen, die zwischen ihnen ver-
Ascidien.
317
Fio-. 135.
^-
laufen. Die Bläschen stehen unter einander in Verbindung; die Zeu-
gungsstofFe entstehen in den angeschwollenen, blinden Enden, häufen
sich an und gelangen dann in das spitze Ende, das sich in ein feines
Samencanälchen (Ä, Fig. 134; d, Fig. 136) auszieht. Die Samen-
canälchen haben nicht überall denselben Durchmesser; sie erweitern
sich stellenweise, verlaufen in den oberflächlichen Schichten der Binde-
gewebslamelle des Darmes unmittelbar unter dem inneren und äusseren
Epithelium und vereinigen sich mit einander, indem sie an Weite zu-
nehmen. In prall gefülltem Zustande springen sie sogar gegen die
Darmhöhle vor.
Schliesslich vereinigen sich alle diese Samencanälchen zu einem
gemeinsamen Sammelcauale , der aus der Darmwand hervortritt, sich
dem Gipfel des Eierstockes nähert und von diesem Punkte an gemein-
sam mit dem Eileiter, dem er sich sehr eng anschliesst, nach vorn ver-
läuft.
Dieser Sameugang (/, Fig. 132 ; c, Fig. 13li) folgt nun dem Rectum
und dem dorsalen Blutcaual, mit welchen zusammen er einen die Peri-
toneallamelle durchsetzenden und in die Peri-
branchialhöhle vorragenden Längswulst, den
Afterwulst, bildet. Aber die Geschlechts-
canäle verlängern sich über den After hin-
aus und der Samengang erweitert sich ziem-
lich an seinem Ende und trägt hier ein
Büschel von einem Dutzend cylindrischer
Wärzchen (c, Fig. 135), in deren Wänden
die oben besprochenen rothen Xierenzellen
abgelagert sind. Jedes Wärzchen trägt an
seiner Spitze eine enge Oeffuung (d), diirch
welche der Samen entleert wird. Zuweilen
ist diese Euderweiterung durch die darin
angehäufte Samenmasse so aufgeschwollen,
dass sie die Wände des Eileiters zusammen-
drückt.
Die Samencanälchen sind von einem Epi-
thelium ausgekleidet, dessen cubische Zellen
unmittelbar dem Bindegewebe ansitzen, in
welchem die Canäle ausgegraben sind. Zur
Zeit der Geschlechtsreife sind die Hoden-
bläschen mit durchsichtigen Zellen angefüllt,
die grosse Kerne haben und sehr an Grösse variiren. Sie sind in
mehreren concentiiscben Schichten abgelagert und stark in Vermeh-
rung begriffen (B, Fig. 134), meist warzig oder im Begriffe, sich zu
theilen. Nach manchen verwickelten Ausbildungsstadieu erzeugen
diese Zellen Zoospermen mit sehr langem Faden und einem Kopfe,
Cionu lutestiiudh. — l)ie Eiul-
papille der (Jcsfhlechtsgänge,
vergrössert. «, Eileiter; h.
Samenleiter ; c , rotlic EnJ-
wärzclien desselben ; (/, deren
OetYnungen ; e, Mündung des
Eileiters in die Cloake, durch
welche die Eier austreten.
318
Tunicatcn.
der durch die Fixationsmittel eiförmig wird, während er im Leben
einem cylindrischen Stäbchen gleichen soll (B, Fig. 134).
Der Eierstock (/;, Fig. 132; a, Fig. 136) ist stets, mit Aus-
nahme der Jageudzustände, ein gesondertes Organ, eine rundliche
Masse aus Bindegewebe von gelblicher Farbe, in welcher Laciiuen aus-
gehöhlt sind, die mit Eiern in allen Entwicklungsstadien sich anfüllen.
Seine warzige Oberfläche ist von dem Epithelhrm des Peritoneums
überzogen, während die Lacunen mit einem Endothelium ausgekleidet
sind, das sehr demjenigen der Hodenbläschen ähnelt, aber sich zu
Eiern ausbildet.
Bei der Zerzupfung eines reifen Eierstockes findet man eine Unzahl
Eier in allen Grössen; um aber eine Anschauung des Organes zu
gewinnen, muss mau zu Schnitten seine Zuflucht nehmen, Roule
empfiehlt, den Eierstock in Osmiumsäure zu fixiren, mit Chromsäure zu
härten, in Paraffin zu schneiden und die Schnitte mit Grenacher's
Fig. 136. Fig. 137.
b
Fig. 136. — C'ioiui inlef^tiiia/is. Darmschlinge und Eierstock, a, Eierstock; b, Ei-
leiter; c, Samenleiter; d, weisse Samencanälchen, auf der Darmwandung verlaufend;
e, Magen ; /, Darmschliuge ; g, Darm.
Fig. 137. — dona intestinnlis. a und h, Eier in der Entwicklang; c, reifes Ei;
u, dessen Follikel; &, Testazellenschicht; c, Keimbläschen; (/, Nucleolus ; e, Dotter
(Gundlach, Oc. 1, Obj. 4).
Boraxcarmin zu färben. Wir haben nicht minder gute Resultate durch
Fixirung in Sublimat und Färbung des Organs im Ganzen erhalten.
Die Durchschnitte zeigen, dass die Lacunen, worin die Eier enthalten
sind, durch dünne, bindegewebige und mit Endothelium ausgekleidete
Wände von einander geschieden werden.
Die Eier der Ascidien zeigen eine eigenthümliche Structur, welche
auch bei unserer Ciona sehr deutlich hervortritt. Sie besitzen nämlich
eine doppelte Zellenhülle. Die äussere Schicht (a, Fig. 137) ist als
F ollikelhülle, die innere (h) als Testazellenschicht bekannt. Die
Zellen der Testa sind körnig und kleiner als diejenigen des Follikels;
sie entstammen, wie die neueren Untersuchungen nachgewiesen haben,
Ascidien. 319
der inneren Dottermasse, woher sie an die Oberfläche wandern. ^Vir
können auf die verwickelten Fragen , die sich bei der Untersuchung
der Entstehung des Eies der Seescheiden aufwerfen, hier um so weniger
eingehen, als die Forscher nicht ganz einig darüber sind, und ver-
weisen in dieser Beziehung auf die im Capitel Literatur aufgeführten
Arbeiten von Sabatier, Semper, Roule, Fol, Davidoff.
Die reifen Eier lösen sich ab , fallen in die Höhle des Eierstockes
und werden durch einen relativ weiten Caual, den Eileiter (&, Fig. 136),
ausgeführt, der vom vorderen Ende des Eierstockes abgeht und neben
dem Sainengange längs des Rectums nach vorn verläuft, Yon dem
Samenleiter unterscheidet sich der Eüeiter durch seinen weitereu Durch-
messer und durch die Eier, die man durch seine Wände durchschimmern
sieht. Seine Wände bestehen, wie die des Samenleiters, aus einer
Bindegewebslamelle ohne Muskelfasern; nur nahe seiner Oeffnung zeigen
sich einige Muskelbündel zur xiustreibung der Eier. Innen ist der
Canal mit einem Pflasterepithelium ausgekleidet, dessen Zellen Wim-
pern tragen, welche im Samenleiter nicht vorkommen.
Der Eileiter mündet vor der Afterwarze an der Wurzel des
Cloakensiphos, unmittelbar neben dem Samenleiter: seine einfache
Mündung (e, Fig. 135) liegt etwas hinter den oben erwähnten rothen
Papillen. Die Befruchtung kann demnach in der Cloake selbst statt-
finden. Die Entwicklung der Eier beginnt sofort; doch müssen wir
bemerken, dass wir in der Cloake der Ciona niemals weit vor-
geschrittene Larven gefunden haben , wie dies häufig bei anderen
Ascidien der Fall ist.
Im Ganzen zeigen die Ascidien einen gemeinscliaftlichen Organisations-
plan, der bei den einfachen Seesclieid.en nur geringe und untergeordnete
Modificationen zeigt, so dass eine typische Art, wie die Ciona, wohl als Bild
der ganzen Gruppe gelten kann. Grössere Verschiedenheiten treten bei den
Sj'uascidien und noch bedeutendere bei den Appendicularien auf.
Der Körfier hat stets mehr oder minder die Form eines Sackes mit
zwei Oeft\iungen, einer Eintritts- oder Mundöffnung, durcli welche das Wasser
mit den Nährstoffen eindringt, und eine Austritts- oder Cloakenöffnung, durch
welche es mit den Auswurtsstoffen abfliesst. Indessen vaiiirt die allgemeine
Körperform sehr bedeutend, namentlicli in Folge der Entwicklung des äusseren
Cellulosemantels , der sehr dick werden , unregelmässig auswachsen, Warzen
treiben und sogar sich auf sich selbst zurückbiegen kann , so dass er den
Körper wie mit zwei Schalenklappen umhüllt. Auch wird die äussere Form
durch die wechselnde Lage der beiden Siphonen, die Ausbildung des Kiemen-
sackes, die Verlängerung der hinteren Körperregion u. s. w. beeinflusst.
So ist der Körper bald ein einfacher Sack , fast ebenso breit als lang
(PhaUusia), bald cylindrisch oder keulenförmig, vorn breit und nach, hinten
fadenföi'mig ausgezogen, so dass man, wie bei Clavellina und noch mehr bei
vielen Synascidien [Dideniniini, Amaroecitim), eine Kiemenregion, eine Darm-
region und eine mehr oder minder verlängerte Fuss- oder ^^'urzelreg■ion
unterscheiden kann.
üebrigens setzen sich alle Seescheiden fest, nachdem sie eine Zeit lang
320 Tunicateri.
als Larven frei umherschwammen, mit Ausnahme der Appendicularien, die
während ihres ganzen Lebens mit Hülfe des permanenten Larvenschwanzes
schwimmen. Die Gruppe der Appendicularien zeigt überhaupt mehrere, wäh-
rend des ganzen Lebens sich erhaltende Larvencharaktere und wir werden
ihnen oft eine Ausnahmestellung anweisen müssen , namentlich wegen des
Mangels einer Cloake und einer Peribranchialhöhle. Das Athemwasser strömt
aus dem Kiemensacke durch zwei unmittelbar die Körperwandung durch-
setzende Spaltöffnungen ; der After mündet ebenfalls direct an der Bauch-
fläche.
Den grössten Einfluss auf die äussere Gestaltung übt indessen die Bil-
dung von Colonien durch Knospung. Die Neigung dazu zeigt sich schon
bei der kleinen Gruppe der socialen Ascidien {Clavellina), wo die Einzei-
thiere in geringer Zahl auf wurzelförmigen Ausläufern oder Stolonen sitzen.
Ihre höchste Ausbildung erreicht die Knospung bei den zusammengesetzten
Ascidien oder Sj'nascidien, wo eine grössere oder geringere Anzahl von Lidi-
viduen unter einem gemeinsamen Mantel sitzen oder vielmehr in eine ge-
meinschaftliche Mantelmasse eingebettet sind , die bald schildförmig {Botryl-
lus), kugelförmig yPolydinum) ist oder selbst einem Blumenkorbe oder einer
Himbeere ähnlich sieht (Fragariwn).
Die Structur der Tegumente ist überall dieselbe. Eine zellige Epidermis
erzeugt den äusseren Cellulosemantel, der meist glasartig hell, aber von sehr
wechselnder Consistenz und Dicke ist. Er ist oft warzig, mehr oder minder
mit Rauhigkeiten bedeckt; bald hart wie Knorpel [Synoecum) , bald weich
und fast gallertartig [Molgula, Botryllu^). Dieser Cellulosemantel ist oft in
Folge von Piginentablagerungen sehr lebhaft gefärbt; auch parasitische Algen,
die sich manchmal in grosser Menge einfinden , tragen zur Färbung bei.
Man findet ferner darin, wie bei unserer tj'pischen Art, degenerirte Zellen,
die oft mehr oder minder grosse Vacuolen bilden (Phalhisia), sowie amöben-
artige Zellen. Letztere sollen nach den neueren Beobachtungen von Cli. Mau-
rice namentlich bei den Sj'nascidien eine bedeutende Bolle als Zellenfresser
(Phagocj'ten) spielen. Diesem Forscher zufolge zeigen diese Zellen intra-
celluläre Verdauungserscheinungen und sollen die Aufgabe haben, die Körper
der todten Einzelthiere , Avelche durch ihre Zersetzung die Colonie schädigen
würden, durch ihi-e Verdauung wegzuschaffen. Zuweilen findet man auch
bei den Synascidien im äusseren Mantel Kalkconcretionen, die bei Didemnum,
Leptoclinum sehr häufig werden und bei einzelnen Arten eine so constante
Form annehmen, dass man sie als Speciescharaktere benutzen kann
(Giard).
Die Körperwand oder Haut wird immer von einer Bindegewebslamelle
hergestellt, die von zahlreichen Lacunen durchzogen wird und Muskelbündel
von Längs- und Querfasern enthält.
Das Centralganglion findet sich immer dorsal zwischen den beiden
Siplionen imd die vorderen und hinteren Nerven, welche von ihm ausgehen,
verlaufen in ähnlicher Weise wie bei Ciona. Sie verästeln sich grossentheils
in den Siphonen und ihre Länge hängt von der Grösse des Zwischenraumes
zwischen den beiden Bohren ab. Sie sind übrigens allgemein sehr fein und
lassen sich nur schwer in den Geweben verfolgen.
Kowalevsky hat bei Didemnum styliferum und einigen anderen Synas-
cidien ein Eingeweidenervens3'stem nachgewiesen, welches von Ed. van Be-
neden und Julin auch bei Molgtda ampulloides, Clavellina Brissoana u. s.w.
wiedergefunden wurde. Es besteht aus einer Ganglienkette (Eingeweide-
strang) , die von dem Hinterrande des Centralganglions abgeht, längs der
Eückenraphe verläuft, dann nach rechts abbiegt und plötzlich in der Ein-
geweidemasse endet. Wir haben es bei Ciona nicht zur Anschauung bringen
Ascidien. 321
können; es scheint aber ziemlich allgemein verbi'eitet, wenn es auch in
vielen Fällen (Perophora, ClaveUina) auf einige wenige Zellen reducirt ist.
Wahrscheinlich ist es ein Rest des bei der Larve vorkommenden Nerven-
stranges und zwar des mittleren Theiles , der sich während des Lebens
erhält, während nur der Schwanztheil des Nervenstranges der Larve abstirbt
und spurlos verschwindet.
Bei den Appeudicularien , die einen sehr beweglichen Schwirnmschwanz
besitzen, finden sich wenigstens zwei Ganglien ; das eine liegt, wie dasjenige
der Ascidien, auf der Rückenseite in der Nähe des Mundes, das andere da-
gegen auf der linken Seite der Chorda an der Basis des Schwanzes. Dieses
letztere Ganglion entsendet nach hinten einen dicken Schwanznerven, der
eine veränderliche Zahl kleiner Ganglienknötchen zeigt. Die beiden Haupt-
gauglien werden durch einen Nerven verbunden, der mehrere Zweige aus-
sendet und wie die Ganglien selbst im Inneren einen feinen Caual zeigt,
der sie der Länge nach durchsetzt (Fol).
Sinnesorgane fehlen den erwachsenen Ascidien, finden sich aber bei
den Larven und den Appeudicularien. Zu den Tastorganen werden wohl
grosse, an dem Muudrande der Appeudicularien entwickelte Zellen zu rechnen
sein, die eine abgeplattete, steife Wimper tragen, denen sehr ähnlicli, welche
man bei den Embryonen der Ctenophoren in den Ruderkämmen antrifft: in
diesen Zellen enden feine, von dem Yorderrande des Mundganglions aus-
gehende Nervenfädchen (Fol).
Bei den Appeudicularien wie bei den Larven der anderen Ascidien findet
sich auch ein Gehörorgan , eine runde Otocyste, innerlich mit steifen Haaren
ausgekleidet, die einen grossen kugeligen Otolitlien schwebend erhalten. Das
Organ liegt auf der linken Seite des Mundganglions.
Bis in die Neuzeit betrachtete man als Riechorgan die in der Pliaryngeal-
wand vor dem Ganglion gelegene Wimpergrube. Jetzt weiss man, dass sie
als die etwas modificirte Endverlängerung des Ausführungsganges der Unter-
ganglieudrüse angesehen werden muss. Die Gestalt dieser Wimpergrube
Avechselt sehr, sogar bei Individuen derselben Species; sie hat also nicht die
Bedeutung für die Classification, welche ihr einige Zoologen beimessen wollten.
Als Sehorgan dürfte wohl ein mit einer Art Linse ausgestatteter Pigment-
fleck anzusprechen sein, welcher auf dem Mundganglion der Larven auf-
sitzt. Hinsichtlich der Pigmentflecken zwischen den Läppchen der Siphonen,
welche bei vielen erwachsenen Thieren vorkommen , darf man deshalb im
Zweifel sein, weil Nervenfädchen, die sich zu ihnen begeben müssten,
kaum nachzuweisen sind. Einige Forscher wollen indess solche Fädchen
gesehen haben und aus diesem Grunde betrachtet man sie ziemlich allgemein
als Augenflecken.
Bei allen Ascidien, einfachen wie zusammengesetzten, findet sich die
Unterganglien drüse, über deren Bedeutung, wie über die der Wimper-
grube zahlreiche Discussionen gepflogen worden sind. Julin (s. Literatur)
betrachtet sie als der Hypophysis der cranioten Wirbelthiere homolog. Ihre
Lage, die stets dieselbe ist (ausgenommen bei Molgida ampulloides), unmittel-
bar unter dem Centralganglion, ihre Beziehungen zur Mundhöhle, welche den-
jenigen gleichen, die man bei den Embryonen der Wirbelthiere zwischen der
primitiven Mundhöhle und der Tasche der Hypophysis nacliweisen kann, und
ihre Schlauchform sprechen für diese Annahme, welcher freilich der Umstand
entgegensteht, dass der Ursprung aus dem Ectoderm für die Drüse der
Ascidien nicht so sicher nachgewiesen ist, als für den Blindsack der Hypophysis
bei den Wirbelthieren. Hier sind noch weitere Untersuchungen nöthig.
Wir können hier auf die theoretischen Betrachtungen nicht eingehen,
welche die meisten Autoren veranlassten, Julin' s Anschauungen nach der
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. U. 21
322 ' Tunicaten.
einen oder anderen Seite bin zu kritisiren. Wir machen liier nur auf den
Umstand aufmerksam , dass die embryologischen Untersuchungen , welche
Ed. van Benedeu und Julin an ClavelUna lepadiformis und Ch. Mau-
rice an Fragaroides aurantiacum , einer Synascidie , angestellt haben, den
gemeinsamen Ursprung der Untergangliondrüse und des Wimperorganes un-
widerleglich festgestellt haben. Beide entstehen als eine gemeinsame Anlage
aus einer Ausstülpuag der Kiemenwand in ähnlicher Weise , wie die Hypn-
phj'sis der VN'irbelthiere aus einer Ausstülpung der primitiven Mundhöhle
entsteht. Diese Ausstülpung durchsetzt deu häutigen Primordialschädel, in
welchen die Tasche, die sich von der Wand des Phar3'nx abgeschnürt hat,
schliesslich eingeschlossen wird.
Die Unterganglioudrüse hat meist die Gestalt einer Birne und erreicht
etwa die Grösse des Ceutralganglions. Meist besteht sie aus verzweigten
Eöhrcheu ; bei einigen Syuascidien {Fragaroides) verkümmert sie zu einem
Häufchen körniger Zellen. Ihr Ausführungsgang verläuft stets an ihrer
oberen Fläche, parallel mit der Axe des Ceutralganglions, dem er unmittelbar
anliegt. Er beginnt mit einer Art Rinne, die in einiger Entfernung vor
dem Ganglion sich zu einer Röhre schliesst, welche in das Wimperorgan
mündet. Dieses trägt seinen Namen wegen der langen Wimpern, die auf
dem seine Höhle auskleidenden Zellenepithelium aufsitzen.
Der Kiemen sack zeigt manche bemerkenswerthe Eigenthümlich-
keiten. Er beginnt stets an der Basis des Mundsiphos und ist, mit Ausnahme
der Appendicularien , von der Körperwaud durch eine mehr oder minder
geräumige Peribranchialhöhle getrennt. Nur bei den Appendicularien fehlt,
wie gesagt, diese Höhle, und die beiden einzigen Kiemenspalten münden
direct nacli aussen. Diese Spalten bestehen aus je zwei, in ihrer Mitte durch
einen Wimperkranz eingeschnürten Canälen, welche durch eine Ausstülpung
der Pharynxwand und eine Einstülpung des Teguraentes gebildet werden, die
einander begegnen und an der Begegnunj);sstelle zasainmenmünden.
Bei allen anderen Ascidien bildet die Kieme einen gesonderten Sack, der
bald die ganze Länge des Körpers {Phallusia), bald nur einen Theil desselben
einnimmt (ClavelUna). Der Kiemensack steht mit der Körperwand durch
die erwähnten Hoblbrücken aus Bindegewebe, die Hautkiemencanäle, in
Verbindung, in welchen das Blut kreist; ausserdem finden sich noch die
beiden Verbindungsuähte der Längsi-aphen , welche dorsal und ventral in
einer senkrechten Ebene liegen, die den Sack in zwei Hälften, eine linke und
eine rechte, theilen würde. Die Wände des Kiemensackes sind von einer
meist nur dünnen Bindegewebslamelle hergestellt, wie bei Ciona, die von
Lacnnencanälen durchzogen wird , welche sich sowohl bei den socialen See-
scheideu wie bei den Syuascidien unter rechte. i Winkeln treffen. Bei den
einfachen Ascidien vermehren sich diese Canäle und bilden complicirte Metze,
in welchen man geräumigere und engere Canäle unterscheiden kann (Cyn-
thia, Phallusia). Sie nehmen dann ganz das Aussehen von Gefässeu an und
erreichen ihre höchste Ausbildung bei den MolgiiUden, wo Lac.aze-Duthiers
sie im Einzelnen beschrieben hat (s. Literatur).
Die Wand des Kiemeusackes ist übrigens oft gewellt oder sogar tief
gefallet, aber stets von einer Menge von Spalten durchbrochen, die zwar
meist knopflochartige Form haben , aber nach Gestalt und Grösse vielfach
variiren, so dass die Zoologen ihre Anordnung als Charaktere benutzen
konnten.
Die ventrale Raphe, Bauchrinne oder Endostyl, bildet stets eine an beiden
Enden blindsackartig geschlossene, in der Wand des Kiemensackes aus-
gegrabene, mediane Riune. Doh rn (s. Literatur) hat ihre verschiedenen Gestal-
tungen beschrieben. Bei den Appendicularien sind ihre beiden Lippen, ohne sich
Ascidien, 323
zu vereinigen, docli so nahe geschlossen, dass sie eine nur au beiden Enden
geöffnete, im Inneren wimpernde Eöhre bildet. Die Wimpern finden sich
überall hei den Ascidien ausgebildet, sie befördern die Schleimmassen, welche
die Raphe füllen. Dieser Schleim wird gewiss bei vielen Arten von eigenen
Driisenzellen abgesondert, die zwischen den Flimmerzellen im Epitlielium
der Rinne sich finden. Wie wir schon wissen, umhüllen diese Schleiramassen
die Nahrungsstoffe, welche durch die Wimpern dem Darmmunde zugetrieben
werden.
Die dorsale Raphe oder Epibranchialrinne findet sich ebenfalls coustant
vor, aber während sie bei den einen, wie bei Ciona, einen mit zungen förmigen
Anhängseln besetzten Längswulst darstellt, bildet sie bei den meisten anderen
{Cynthia, Molgula) eine der ventralen ähnliche Rinne. Bei den Synascidien
hinwieder ist die Eildung der dorsalen Raphe ähnlich derjenigen bei Ciona,
nur mit dem Unterschiede, dass die Anhänge weniger lang sind und kaum
in die Kiemenhöhle vorspringen. Die Rolle dieser Rinne ist uns durch Fol
bekannt geworden , dessen Resultate meist von den Nachfolgern bestätigt
wurden ; die Rinne leitet den von dem Endostj'l ausgehenden Schleimfaden
mit den Nahrungsstoften dem Darmmunde zu.
Auch die hintere Raphe oder Ret r ©pharyngeal rinne, die auf dem
Grunde des Kiemensackes von dem blimlen Ende der ventralen Raphe zu
dem Darmmunde läuft, ist überall ausgebildet.
Der Darmcanal hegt nicht immer, wie bei Ciona, in der directen Ver-
längerung des seinen Vorhof bildenden Kiemensackes. Diese bei den socialen
Ascidien und den Synascidien ziemlich allgemein herrschende Bildung ist
nicht mehr möglich bei den einfachen Ascidien, deren Kiemensack sich über
die ganze Länge des Körpers erstreckt. Hier schiebt sich der Darm bald
auf die linke (Ascidia, Phalliisia), bald auf die rechte {Corella) Seite des
Kiemeusackes. Welches aber auch seine Lage im Verhältniss zur Kieme
sein mag, stets bildet er eine mehr oder minder gewundene Schlinge.
Bei den Ascidien mit langgestrecktem Körper [Clavdlina, Amoroecium)
kann man bis zu fünf Abschnitten des Darmes unterscheiden: Schlund,
Magen, Duodenum, Chylusmagen und Afterdarm (Milne-Edwards). Mit
Ausnahme des Chylusmagens haben wir diese Abtheilungeir bei Ciona wieder-
gefunden, denn das sogenannte Duodenum der Clavellina entspricht dem
Theile, den wir bei Ciona die Darmschlinge genannt haben.
Bei den Appendicularien ist der sehr kurze Schlund weit in den Kiemen-
sack geöffnet , von dem er sich nicht deutlich sondert ; er mündet in einen
mit sehr grossen Zellen ausgekleideten Magen; der Darm und das birn-
förmige Rectum zeigen ein inneres Flimmerepithelium und der After öffnet
sich direct auf der Mittellinie der Bauchfläche.
Bei den übrigen Ascidien beginnt der Oesophagus mit dem in dem Grunde
des Kiemensackes in der senkrechten Mittelebene gelegenen Darmmunde.
Dieser bald runde, bald ovale Darmmund steht meist weit offen. Der darauf
folgende Schlund ist eng und mit Wimpern ausgekleidet; er erweitert
sich zu einem bald cj'liudrischen, bald kugeligen Magen, der häufig durch
die seine Wände auskleidenden Zellen gelb oder braun gefärbt ist. Selten
ist die Magen wand glatt (Phallusia) ; meist zeigt sie Längsfalten. Diese
Falten erheben sich bei vielen Sjmascidien so sehr, dass sie förmliche Rinnen
bilden (cannelirte Mägen nach Giard). Zuweilen verschmelzen die Lippen
dieser Rinnen stellenweise , so dass förmliche Röhren gebildet werden , die
nur durch ein Loch in ihrer Mitte mit der Magenhöhle communiciren {Fra-
garoides). Es ist dies offenbar eine Anbahnung zur Bildung getrennter, ab-
sondernder Magenblindsäcke, die Ausstülpungen der Magenwand bilden und
mit farbigen Zellen ausgekleidet sind. Solche Blindsäcke wurden bei Cya-
21*
324 Tunicaten,
thiadeeii rnad Molgididen als Lebei- beschrieben. Die Bildimg von differen-
zirten, specialisirten Verdanungsdi-iisen wird auf diese Weise eingeleitet. Wie
wir gesehen haben, ist dies bei Ciona nicht der Fall ; die absondernden Ele-
mente sind hier zwischen den Epithelialzellen des Magens zerstreut.
Der bei Ciona ebenfalls fehlende Chylusmagen bestellt nur in einer
Erweiterung der Darmschlinge nach ihrer Umbiegung; seine von Milne-
Edwards behauptete drüsige Natur wurde neuerdings von Ch. Maurice
bestritten. Er findet sich gewöhnlich bei den socialen und zusammengesetzten
Ascidien.
Das Rectum ist meistentheils geräumig, sein Durchmesser bedeutender
als derjenige des Mitteldarmes. . Es läuft nach vorn und mündet durch den
After in eine besondere Abtheilung der Peribrauchialhöhle, die Cloakenhöhle,
an der Basis des Aftersiphos. Der After bildet gewöhnlich eine runde, dem
Darmniuude ähnliche Oeflfnung, liegt aber auf einer in die Cloake mehr oder
minder vorspringenden Afterwarze und zeigt im Umkreise der Oeffnung zu-
weilen feine, zungenförmige Zotten {Phalliisiden) oder ist auch wie eine
Schreibfeder schief abgeschnitten [Molgula). In anderen Fällen hat er die
Form eines Trichters {Fragaroides).
Wir müssen hier noch besonderer, drüsiger Auhangsgebilde des Darmes
erwähnen , die sich in oder an den Darmwänden entwickeln und bei einigen
Gattungen sehr bedeutend werden. Es ist ein aus einfachen oder verzweigten
Eöhren gebildetes Organ, das bei den Synascidien und den socialen Seescheiden
sehr verbreitet ist und unter den Namen Darmdrüse, Lebei'pankreas-
drüse , lichtbrechendes Organ beschrieben wurde. Die Röhren münden ent-
weder in den Magen oder in den unmittelbar auf den Pylorus folgenden
Darmtheil; ihre absondernde Natur kann nicht zweifelhaft sein.
Ausserdem müssen wir der Nieren Organe erwähnen, die sich bei vielen
Ascidien in enger Beziehung zu dem Darme finden. Es sind mit Concre-
tionen vollgepfropfte Zellen , die sich haufenweise in den Darmwänden, den
Schlund und Afterdarm ausgenommen, ablagern. Bei den Phallusiden erkennt
mau sie leicht an ihrer grüngelben Farbe. Sie besitzen keine besonderen
Ausführungsgänge; ihr Inhalt vermehrt sich mit dem zunehmenden. Alter
und scheint sich in den Darmwänden anzuhäufen und dort zu bleiben, wes-
halb man sie auch Samnielnieren genannt hat.
Man darf sie nicht mit demjenigen Organe verwechseln, A\elches Lacaze-
Duthiers bei den Molguliden als Bojanus'sches Organ beschrieben hat,
das aber noch unvollständig bekannt ist. Dieses sogenannte Bojanus'sche
Organ ist vom Darme durchaus unabhängig und besteht aus einem grün-
lichen, cylindrischen, an beiden Enden abgerundeten Hohlkörper, der auf der
linken Seite über dem Eierstocke in der unmittelbaren Nähe des Herzens
liegt. Seine innere Höhle besitzt keine Ausfuhrötifnungen und ist mit Flüssig-
keit und krystallinischen Concretionen angefüllt, die Harnsäure enthalten.
Der Sack mag demnach wohl als Niere functioniren.
Der Kreislauf complicirt sich im Verhältuiss zum Bau der Kieme. Bei
Kowalevskaja soll das Herz fehlen; bei den übrigen Appendicularien ist es
ein quer gelegener Schlauch an der Schwanzbasis mit zAvei Oeffnungen, durch
welche das Blut direct in das Lacuneusj'stem überströmt, in welchem das
Cölom mit einbegriffen ist. Nichtsdestoweniger sieht man bei ihnen eine
gewisse Stetigkeit in den Blutbahnen , die man bei der Durchsichtigkeit der
Thiere beobachten kann ; eine auf der ventralen Mittellinie dem Endostyl
entlang, von dem zwei Ströme ausgehen, welche den Anfang des Schlundes
umfassen und sich auf der dorsalen Mittellinie vereinigen ; einen Strom,
welcher den Darm und die Geschlechtsorgane versorgt, und endlich einen
Strom im Schwänze , welcher längs der Chorda unter der Haut verläuft.
Ascidien. 325
Die Richtung der Strömung in diesen Canälen Avechselt natürlich mit den
Pulsationeu des Herzens , das wie bei den übrigen Mantelthieren zeit-
weise die Eichtang ändert. Bei den Sj-nascidien hegt der stark im Bugen
gekrümmte Herzsclilauch tief im Hintergrunde des Postabdomens; es wird
von einem ebeufahs röhrenförmigen Pericardium eingeschlossen und ver-
längert sich mit seinen Höi'nern in der ventralen und dorsalen Hälfte des
Hinterleibes , wo zahlreiche, im Bindegewebe ausgehöhlte Lacunen das Blut
aufnehmen.
Bei den PhaUusideu verhält sich der Kreislauf etwa wie bei Ciona, nur
mit dem Unterschiede , dass in Folge der seitlichen Verwerfung der Ein-
geweide die relative Länge der einzelnen Hauptcanäle modificirt wird. Bei
den MolgulicUn zeigt der Kreislauf die höchste Stufe der Ausbildung. Der
cylindrische Herzschlauch liegt auf der linken Seite eingebettet in den Mantel
und in unmittelbarer Nähe des sogenannten Bojanus' sehen Örganes. Seine
Wände sind wie die des umgebenden Herzbeutels dünn und durchsichtig.
Nach der sehr in das Einzelne gehenden Beschreibung, die Lacaze -Duthiers
(s. Literatur) gegeben hat, soll das Blut in eiuera geschlossenen Gefässsjteme
kreisen. Wir haben gesehen, dass bei Ciona die Lacunen stellenweise das
Ansehen von Gefässen annehmen. Bei Molgula findet dies merkwürdiger-
weise überall statt. Indessen sind die Beobachter nicht einig über die Frage,
ob diese gefässartigen Lacunen auch wirklich den Blutgefässen der Wirbel-
thiere gleichzustellen seien? Was wir über die histologische Structur wissen,
spricht keinenfalls für diese Annahme.
Mit Ausnahme der Appendicularien führt das Blut mehr oder minder
zahlreiche Körperchen von sehr variabler Gestalt, die zuweilen sehr lebhaft
gefärbt sind {Botryllus).
Die Ascidien sind Zwitter, aber die Anordnung der männlichen und weib-
lichen Zeugungsorgane bietet sehr mannigfaltige Modificationen. Sehr
häufig reifen die Hoden lange vor den Ovarien , so dass dann Selbstbefruch-
tung ausgeschlossen ist.
Bei den Appendicularien kann man bald paarige Hoden und Ovarien,
die aus getrennten, symmetrischen Hälften bestehen, bald nur unpaare Organe
unterscheiden; es kommt sogar vor, dass der Eierstock unpaar, der Hode
dagegen paarig ist (Fol). Die Organe liegen immer hinter den Eingeweiden
und der Einlenkung des Schwanzes in einem übergewölbten Theile des
Hintevkörpers. Bei den Sj'nascidien finden sich die Organe ebenfalls in der
hinteren Körperregion; sie sind meist getrennt und jede Hälfte besitzt einen
Ausl'ühruugsgang , der sich innig an den anderen anschmiegt und mit ihm
in die Cloakalhöhle mündet. Ei- und Samenleiter verlaufen längs der dor-
salen Mittellinie; sie sind sehr dünn, besonders der letztere. Der Hode be-
steht meist aus mehreren mit Samenzellen gefüllten Röhrcheu. Der Eierstock
ist kugelig und erscheint anfangs als eine hintere, blasenförmige Erweite-
rung des Eileiters; er erhält seine definitive Form erst während der Aus-
reifung der Eier ; bei Botryllus ist der Eierstock doppelt.
Bei den PhaUusideu verhalten sich die Geschlechtsorgane etwa wie bei
Ciona. Die Hoden bestehen aus zahlreichen, in die Darmwand eingeschlossenen
Röhreben; sie wandern sogar zuweilen in die benachbarte Körperwand hin-
über. Der Eierstock ist ein viellappiger, zwischen den beiden Schenkeln
der Darmschlinge gelegener Körper. Die Ausführungsgänge laufen dem
Rectum parallel und münden mit ihm in die Cloake.
Bei den Molguliden wie den anderen höheren Ascidien sind die Geschlechts-
organe symmetrisch doppelt und bilden zwei eiförmige Massen; die rechte
Masse liegt hinter der Darmschlinge , die linke etwas weiter hinten unter
dem Boj anus'schen Organ. In jeder dieser Massen umgreift der Hode den
326 Tunicaten.
Eierstock, den man durcli seine dunklere, gellae oder brännliclie Farbe unter-
scheiden kann. Der Hode besteht aus mehreren, den Eierstock umspannen-
den Läppchen, deren Acini zur Zeit der ßeife bedeutend anschwellen. Jedes
Läppchen besitzt einen kurzen Ausführuugsgang , der auf dem Eierstocke
mit einer kurzen , cylindrischen Warze mündet. Es besteht also keinerlei
Verbindung zwischen Samengängen und Eileitern; beide sind vollständig un-
abhängig. Das in den Hodenlappen eingeschlossene Ovarium entleert seine
Eier durch einen verhältnissmässig langen Eileiter, welcher der inneren
Fläche des Mantels anklebt und neben dem Cloakalsipho mündet. Seine
Mündung ist von einem Wulste umgeben , dessen Gestaltung einen guten
Speciescharakter liefert.
Bei den jungen Ascidien sind die Zeugungsorgane schwer zu unter-
scheiden; in manchen Fällen erscheinen sie nur zur Fortpflanzungszeit.
Meist sammeln sich die Eier in der Cloake an , werden dort befruchtet
und beginnen ihre Entwicklung bis zur Ausbildung der Larvenform.
Da die Embryogenie nicht in den Rahmen unseres Werkes passt , so
begnügen wir uns, auf die ungemeine Wichtigkeit der Entwicklung der
Ascidien aufmerksam zu machen, welche dieselbe durch die Arbeiten von
Kowalevsky gewonnen hat. Mit Ausnahme der Molgulen, deren Larven
schwanzlos sind, haben alle Ascidienlarven einen Schwimmschwanz, in dessen
Axe sich ein Zelleustab befindet, welchen man der Chorda der Wirbelthiere
um so mehr gleichwerthig erklärt hat, als auf seiner Rückenseite das Nerven-
rohr verläuft. Dieser Schwanzanhang, der sich auf die ventrale Seite biegen
kann und durch seine Bewegungen das Schwimmen erzeugt, verkümmert
später (mit Ausnahme der Appendicularien), sobald die Larve sich festsetzt,
bei welcher Gelegenheit auch andere Organe (Nervensystem, Sinnesorgane)
zurückgebildet werden.
Die ungeschlechtige Vermehrung durch Knospung findet sich bei den
socialen Ascidien und den Synascidien. Zuweilen beginnt die Knospung
schon während des Larvenlebens [Didemnum). Bei den socialen Ascidien
treiben die Thiere Stolonen, auf welchen sich die Knospen entwickeln {Cla-
vellina, Pero.phora) ; bei den Synascidien bleiben die Knospen in einer ge-
meinsamen Mantelhülle eingeschlossen und bilden Colonien von bestimmter
Form.
Literatur. — G. Cuvier, Memoire sur les Ascidies, Mim. du Museum, Paris,
Vol. II, 1815. — Savigny, Memoires sur /es Animaux sans vertebres, Vol. II, 1816,
et Tableau systematique des Ascidies, Paris, 1830. — H. Milne-Ed wards, Obser-
vutions sur les Ascidies composees des cöies de la 'Manche , Mem. Acad, des sclences
de Paris, Vol. XVIII, 1841. — C. Löwig et A. Kolli cker. De la composltlon et
de la structure des enveloppes des Tunlclers, Ann. sc. nat., 3. Serie, Vol. V, 1845. —
Van Beiieden, Recherches sur Vembrijogenle, Panutomie et la physiologie des Ascidies
simples, Mem. Acad. de Belgique, Vol. XX, 1846. — A. Krohn, Ueber die Ent^
Wicklung von Phallusla mummillata , Müller's Archiv, 1852. — Ders., Ueber die
Fortpflanzungsverhältnisse bei den Botrylliden und über die früheste Bildung der
Botryllusstöeke, Bd. XXXV, 1869. — Leuckart, Zoologische Untersuchungen,
dessen, 1854. • — Gegenbaur, Bemerkungen über die Organisation der Appendicu-
larien, Zeitschr. f. w. ZooL, Bd. VI, 1855. — Ders., Ueber Didemnum (/elatlnosum,
Müller's Archiv, 1862. — F. E. Schulze, Ueber die Structur des Tunicatenraantels,
Zeitschr. f. wiss. ZooL, Bd. XII, 1863. - — Lacaze-D uthiers, Sur un novvel Asci-
dien (ChevreuUus), Ann. des sc. nat., 5. Serie, Vol. IV, 1865. — Ders., Les Ascidies
simples des cutes de France, Arch. de ZooL experim.. Vol. III, 1874, u. VI, 1877. —
Kowalevsky, Entwicklungsgeschichte der einfachen Ascidien, Mem. Acad. Petersburg,
Bd. VII, 1866. — Ders., Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Asci-
1
Ascidien. 327
dien, Arch. niikr. Anat., Bd. VII, 1871. — Ders., Ueber die Knospung der Ascidien,
ebend., Bd. X, 1874. — HanLOck, Anatonty und Pliysiology of Tvnlcata, Journ.
Linn. Soc. , Vol. IX, 1867. — Kupt't'er, Die Stammesverwandtschaft zwischen
Ascidien und Wirbelthieren, Arch. f. niikrosk. Anat., Bd. VI, 1870. — Ders., Zur
Entwicklung der einfachen Ascidien, ebend., Bd. VIII, 1872, u. Arch. de Zool. exp.,
1874. — H. Fol, Ltiides tur /es Appendirukiires du Detroit de Messin'', Mem. Soc.
de phys. et dliist. nut. de Genere, Vol. XXI, 1872. — Ders., ^ote sur un notiveau
c/enre d'A/ipend'Cu/aires , Arch. Zool. exp., Vol. 111, 1874. • — Ders., Ueber die
Schleimdrüse der Tunicaten, Morphol. Jahrb., Bd. 1., 1875, u. Arch. de Zool. exp.,
Vol. 111, 1874. — Ders., Sur la formutton des otufs des Ascidies, Journ. de Micro-
ffraphie, Vol. I, 1877. — Ders., Sin- l'oeuf et ses enveloppes chez /es Tiiniciers,
Recueil zoo/. Siiisse, Vol. I, 1884. — Giard, Etüde critique des truvaux. d''embryo-
genie re/atifs ä /a purente des Vtrtehrcs et des Ttinicitrs , Arch. de Zoo/, e.rp..
Vol. I, 1872. — Ders., Rec/ierches sur /es Synascidits , ebend., Vol. 1, 1872 u. II,
1873. — R. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss des Baues der einfachen Ascidien,
.Jen. naturw. Zeitschr., Bd. VII, 187.;3. - — 0. Hertwig, Untersuchungen über Bau
und Entwicklung des Cellulosemantels der Ascidien, ebend., 1873. — C. Heller,
Untersuchungen über die Tunicaten des Adriatischen ^Meeres , Denkschr. d. k. k.
Akad., Wien, 1874, 187.T u. 1877. — Chandelon, Rec/ierclies sur vne unnexe du
tube diyei,tif des Tunicurs , Bv//etin Acad. de Be/(jique , Vol. XXXIX, 1875. —
C. Semper, Ueber die Entstehung der geschichteten Celluloseepidermis der Ascidien,
Arb. aus dem Inst. Würzburg, Bd. II, 1875. — Ch. Julin, Recherches sur les Asci-
dies siwp/es, Arch. de Bio/ogie, Vol. II, 1881. — Ra y-Lanke st er, 1 he Vtrtebra-
tion of t/ie tau of Appendiculariae, Quart. Journ. niicrosc. Soc, Vol. XXll, 1882. —
W. A. Herdmann, On individuu/ rariations in tlie branrhia/ sac of simp/e Asci-
diaiis, linn. Soc. Journ., Vol. XV, 1882, et Arch. de Zoo/, exp., Vol. X, 1882. —
Sabatier, Rec/ierches sur Voevf des Ascidiens , Rer. des sc. nut., Montpellier, 1883,
et Recueil zool. Suisse, Vol. I, 1884. — Della Valle, Recherches sur /'Anatomie
des Ascidies composees, Arch. italitnnes de bio/oyie. Vol. II, 1883. — E. van Be-
neden et Julin, Rec/ierches sur /a Morpho/oyle des Tuniciers , Arch. de Bio/ogie,
^ ol. ^ I, 1884. — Ders., Le Systeme nerveux des .iscidies udu/tes et ses rapports
urec ce/ui des /arres urode/ts, ebend.. Vol. V, 1884. — B olles Lee, Recherches sur
/'orogenese et /a Spermatogenese c/tez /es Appendiciduires , Recui:i/ zoo/. Suisse,
1884. — L. Roule, Recherches sur les Ascidies simp/es des cvies de Provence [P/ud-
lusiadees), Ann. du mus. d^hist. nat. de Mursei/le, Vol. II, 1884. — A. Do hm, Die
Thyro'idea bei Petromyzon , Amphioxus und Tunicaten, Jlitth. aus d. zoolog. Stat.
J<eapel, Bd. ^ I, 1886. — Ch. Maurice, Etüde monojraphique d'une .4scidie composee
{Fragaroides aurantiacum), Arch. de Bio/ogie, Vol. VIII, 1888. — M. v. David off,
Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Disfap/ia magnilarva , Mitth. aus
d. zool. Stat. Neapel, Bd. IX, 1889.
328 Wirbelthiere.
Kreis der Wirbelthiere (Vertehrata).
Vom rein anatomischen Standpunkte aus unterscheiden sich die
Wirbelthiere durch einige höchst wichtige Eigenthüralichkeiten , die
allen gemeinsam zukommen , obgleich einzelne Ausnahmen bemerkbar
sind, welche wahrscheinlich mehr oder minder bedeutenden Rück-
bildungen zugeschrieben werden müssen. Wir rechnen zu diesen
wesentlichen, unterscheidenden Charakteren die Individualisation, die
gegenseitige Lagerung der Hauptorgane, die Bildung der Bewegungs-
und Kauwerkzeuge, die Rolle der Tegumente und die Segmentation.
Bei den Wirbelthieren kann überhaupt von der Bildung yon Co-
lonien keine Rede sein. Die Knospung, sowie säramtliche Formen der
ungeschlechtlichen Vermehrung sind somit vollständig ausgeschlossen;
die geschlechtliche Fortpflanzung allein herrscht unumschränkt und
dieselbe bringt stets durchaus in sich abgeschlossene Individuen her-
vor. Die seltenen Fälle von Hermaphroditismus gehören in das
Bereich der Ausnahmen. Wir sehen ferner bei den Wirbelthieren
weder festsitzende Typen , noch wahre Parasiten ; nur selten findet
man Commensalen oder zeitweilige Aufenthalter {Myxino'iden, Fie-
rasfer). Die in anderen Kreisen so häufigen Rückbildungen in Folge
von Fixation oder Parasitismus kommen also bei Wirbelthieren nicht
vor; die Modificationen in der Bildung der Organe, wie des Gesammt-
körpers, die man beobachtet, können demnach niir Ursachen zuge-
schrieben werden, welche auf ein individuell freies Leben einwirken.
Die gegenseitigen Beziehungen in der Lagerung der Hauptorgane
sind überall dieselben. Ueberall findet sich ein an der Rückenseite
des Thieres gelagertes Centralnervensystem, das in den meisten Fällen
aus zwei mit einander zusammenhängenden Abschnitten besteht, einem
vorderen, mehr aufgewulsteten , dem Gehirne, und einem hinteren, in
die Länge gezogenen , dem Rückenmarke. Dieses vom Ectoderm aus
gebildete Centralnervensystem ist stets von allen anderen Organen un-
abhängig und tritt mit denselben nur durch peripherische Nerven in
Beziehung; es wird niemals von dem Darmcanale durchbohrt, wie dies
bei vielen Wirbellosen, namentlich den Arthropoden und Anneliden
der Fall ist, wo die beiden Hauptabschnitte des Centralnervensystemes
auf entgegengesetzten Körperseiten liegen und durch die den Darm
umfassenden Connective des Schlundringes mit einander verbunden
werden. Die wesentlichsten Sinnesorgane, des Geruches, Gesichts und
Gehörs, stehen immer in unmittelbarer Beziehung zu dem Central-
nervensysteme; sie finden sich nur paarweise, eines jeder Art auf
jeder Seite des Kopfes. Verkümmerungen dieser Sinnesorgane sind
äusserst selten und betrefi"en meist nur das Sehorgan.
Wirbelthiere. 329
Unterhalb des Centralnervensystemes findet sich, unmittelbar an
dessen Bauchfläche angelagert, die Axe des inneren Skelettes, die
Rückensaite oder Chorda, welche zugleich die mittlere Axe des Körpers
bildet und sich von einem Ende desselben bis zum anderen erstreckt,
mit Ausnahme eines bestimmten, vorderen Kopfabschnittes bei den
Cranioten. Diese ursprüngliche Grundlage des Skelettes bildet sich
bei allen Embryonen , erhält sich aber als Ganzes und während des
ganzen Lebens nur bei den Acraniern, Cyclostomen und einigen Fischen;
bei den übrigen wird sie nach und nach durch segmentale Wirbel-
bildungen ersetzt, die sich stufenweise zu einer vollständigen, knöchernen
Wirbelsäule mit ihren verschiedenen Ausstrahlungen ausbilden, welche
dazu bestimmt sind, Hebel für die Bewegungen oder Schutzbildungen
für einzelne Organe herzustellen.
Auf der Bauchseite der Skelettaxe zieht sich in der Mittellinie
die Hauptarterie des Körpers, die Aorta, hin, welche das Blut zu den
verschiedenen Organen leitet und meist von rückführenden Canälen,
Venen, begleitet wird, deren Anordnung indessen nicht unbedeutende
Abweichungen bieten kann. An der Aorta oder vielmehr an ihrem
Peritonealüberzuge hängen an der Decke der weiten Eingeweidehöhle,
welche den Darmcanal und seine Anhangsorgane einschliesst, die Harn-
und Geschlechtsorgane. Der Darmcanal mündet bei den erwachsenen
Wirbelthieren an dem Vorderende des Körpers, aber immerhin auf
der Bauchfläche und zeigt in seinem vorderen Abschnitte bei allen
Embryonen Kiemenbildnngen , welche von einem besonderen Skelette
gestützt wei'den. Eigentliche Kiemen, welche mit der Athemfunction
betraut sind, entwickeln sich niemals bei den Sauropsiden und den
Säugethieren auf den Kieraenbogen, während diese bei allen übrigen
wirklich athmende Kiemen tragen , die entweder zeitlebens oder nur
in der Jugend functioniren. Das Herz liegt immer auf der Ventral-
seite in der Mittellinie unmittelbar hinter dem Kiemenkorbe. Die
Athemfunction wandert von den Kiemen, mögen diese nun wirklich
thätig gewesen sein oder nur virtuell existirt haben, auf andere An-
hangsgebilde des Darmes über , welche Lungen genannt werden. Der
After findet sich nur selten am Körperende; die Tegumente, die Mus-
keln, das Rückenmark, die Wirbelsäule und die Aorta veidängern sich
über den After und die Eingeweidehöhle hinaus in den Schwanz.
Die nicht seltenen Fälle ausgenommen, wo die Harn- und Ge-
schlechtsorgane aus ihrer ursprünglichen Lagerung ausgewandert sind,
wird man also auf einem senkrechten, etwa durch die Körpermitte
eines Wirbelthieres geführten Querschnitte die Organe stets in fol-
gender Ordnung von oben nach unten gelagert finden: der Rücken-
fläche zunächst das Centralnervensystem, darunter die Axe des inneren
Skelettes, dann das arterielle Hau^tgefäss mit den Harn- und Ge-
schlechtsorganen zur Seite, dann den in eigenthümlicher Weise in der
330 Wirbel thiere.
Eingeweidetiöhle aufgehängten Darm mit seinen Anhangsorganen und
schliesslich der Bauchseite zunächst das nur einen verhältnissmässig
geringen Raum einnehmende Herz.
Die Bildung der Bewegungsorgane weist mehrere wichtige Unter-
schiede den Wirbellosen gegenüber auf. Vorerst treten bei den AVirbel-
thieren nie mehr als zwei Paare von Gliedern in die Erscheinung, ein
vorderes und ein hinteres F'aar, und man kann mit guten Gründen
die Ansicht vertheidigen , dass diese Gliederzahl durchaus normal sei
und dass in denjenigen Fällen, wo nur ein oder gar kein Gliedpaar
entwickelt ist, eine Rückbildung Platz gegriffen habe. Es ist freilich
wahr, dass in vielen Fällen (Amphioxus, Cyclostomen, den meisten
Schlangen) man zu keiner Zeit des Lebens, weder im erwachsenen, noch
im embryonalen Zustande Spuren von Gliedmassen hat nachweisen
können ; aber in anderen Fällen (Cetaceen, einige Schlangen) können
solche Rudimente nachgewiesen werden, als letzte Reste einer früh-
zeitigen, schon im embryonalen Zustande begonnenen Verkümmerung.
Die beiden Gliedpaare scheinen sich aus einer seitlichen Hautfalte des
Körpers zu entwickeln und sind nach demselben Grundplane gebaut,
aber ihre distalen Abschnitte zeigen wesentliche Verschiedenheiten.
Bei den einen, den Fischen, können diese Endtheile in eine iin-
bestimmte Vielzahl von Fingern oder Zehen ausstrahlen; bei den
übrigen ist die Grundzahl der Endfiuger fünf. Es ist noch nicht ge-
lungen, eine durchgreifende Homologie zwischen den polydactylen
Gliedern der Fische und den pentadactylen Gliedern der übrigen Wirbel-
thiere nachzuweisen; welcher Art aber auch das Ergebniss weiterer
P^orschungen auf diesem Gebiete sein möge, so steht soviel fest, dass
ein Wirbelthier nicht mehr als vier Gliedmaassen haben kann und dass
bei den pentadactylen Gliedern die B'ünfzahl in normaler Weise nicht
überschritten wird.
Ein weiteres, noch allgemeineres Verhältniss, das mit der Rolle
der Tegiimente in nächster Beziehung steht, zeigt sich in der Thatsache,
dass die activen Elemente der Locomotion , nämlich die willkürlichen
Muskeln, die stets in einzelne Bündel getheilt und deren Fasern quer
gestreift sind, sich an Hebel festsetzen, welche von dem inneren Ske-
lette hergestellt werden. Diese physiologische Function fällt bei den
Wirbellosen dem Tegumente zu, das häufig verhärtet, um den ein-
zelnen Gruppen des allgemeinen Muskelschlauches, welche sich bei
verschiedenen Wirbellosen ausbilden, zu Stützpunkten zu dienen. Bei
den Wirbelthieren finden wir im Gegentheil nur Rudimente dieses
Hautmuskelschlauches in den Hautmuskeln, und uian kann hier sogar
die Frage aufwerfen, ob diese Hautmuskeln wirklich solche Rudimente
oder nicht vielmehr neu erworbene Bildungen seien, und zwar des-
halb, weil sie kaum bei niederen, wohl aber bei höheren Wirbelthierenj
sich finden. Wie dem auch sein mag, so steht soviel fest, dass das]
Wirbelthiere. 331
aus Bindegewebe oder seinen Derivaten, Knorpel- oder Knochengewebe
gebildete innere Skelett den Bewegungsniuskeln zum Ansätze dient, die
demnach von aussen her sich um ihre meist soliden Hebel gruppiren,
während bei den Wirbellosen mit festen Tegumenten die Hebel hohl
sind und mehr oder irinder vollständig die bewegenden Muskeln in
sich einschliessen.
Wenn auch der bei Weitem grössere Theil der tegumentären
Schutzgebilde bei den Wirbelthieren den Oberhantschichten angehört
(Schuppen der Reptilien, Federn, Haare u. s. w.) , so ist damit nicht
ausgeschlossen, dass andere dieser Schutzgebilde in der Lederhaut ent-
stehen und so ein eigentliches Hautskelett darstellen , welches in
manchen Fällen zwar unabhängig bleiben, in anderen dagegen mit
dem inneren Skelette in so innige Verbindung treten kann, dass beide
Bildungen vollständig, namentlich in der Kopfregion, mit einander
verschmelzen. Die Schuppen der Fische, die Hautknochen einiger
Amphibien, vieler Reptilien und mancher Säugethiere, sowie eine ge-
wisse Anzahl von Kopfknochen liefern Beispiele dieses bald unab-
hängigen, bald mehr oder minder mit dem inneren Skelette verschmol-
zenen Hautskelettes.
Die bilaterale Symmetrie ist in den ersten embryonalen Anlagen
der Organe fast durchgängig in der Weise vorhanden, dass die ein-
fachen Organe in der Mittellinie, die anderen paarweise zu beiden
Seiten sich entwickeln. Wenn diese Symmetrie bei einzelnen Organ-
systemen, wie z. B. dem Nervensysteme und seinen Anhängen, dem
Skelette iind dem Muskelsysterae, sich meist während des ganzen Lebens
erhält, so erleidet sie freilich in anderen Organen oft sehr bedeutenrle
Störungen in Folge einseitigen Wachsthumes.
Die Bildung von auf einander folgenden Segmenten oder Somiten
tritt niemals deutlich in dem vorderen Abschnitte des Kopfes in die
Erscheinung, weder im erwachsenen, noch im embryonalen Zustande.
Ebensowenig zeigt sie sich am Ceutralnervensysteme, am Centram der
Circulation, an der Rückensaite oder dem Darmcanale, tritt aber an
dem Urskelette in Gestalt iutcrmusculärer Scheidewände und später in
der Entwicklung des knorpeligen und knöchernen Skelettes, in der
Anordnung der Muskelmassen des Körpers und Schwanzes, in dem
überwiegenden Theile des peripherischen Nerven- und Gefässsystemes,
sowie in der ursprünglichen Anlage der Ausscheidungsorgane auf, wo
sie indessen fast immer durch die spätere Ausbildung der definitiven
Nieren verwischt wird. Diese ursprüngliche Anlage von Segmental-
organen, welche denjenigen der Anneliden ähnlich sind, gewinnt für
die phylogenetischen Untersuchungen über die Herltitung der Wirbel-
thiere eine besonders hohe Bedeutung. Man darf übrigens nicht ver-
gessen , dass die segmentale Anordnung des Kiemen- oder Yisceral-
systemes, welche so deutlich in die Augen springt, einem besonderen
332 Wirbelthiere.
Gesetze folgt und dass die diesem Systeme angehörigen Segmente in
keiner Weise denjenigen des Körpers und namentlich des inneren
Skelettes entsprechen.
Wir sehen bei den Wirbelthieren eine Ausbildung der Segmen-r
tation , welche der bei den Arthropoden beobachteten analog ist und
sich in der Tendenz ausspricht, durch Herstellung gleichwerthiger Seg-
mente einzelne Körperregionen abzugrenzen. Die wohl am allge-
meinsten ausgebildete Region ist der Schwanz , die Fortsetzung des
Körpers nach hinten über die Eingeweidehöhle hinaus, welche bei den
schwimmenden Wirbelthieren das wesentlichste Bewegungsorgan bildet.
Dieser folgt die Abgrenzung des Kopfes, als einer Kapsel für das Ge-
hirn und die wesentlichsten Sinnesorgane , welche auf der Bauchfläche
den Mund und die diese Oeffnung umgebenden Theile trägt. Aber man
muss wohl bedenken, dass diese Abgrenzung, welche zugleich diejenige
des Stammes als P]inschluss für die übrigen Eingeweide bedingt, sich
zwar immerhin in den inneren Organen geltend macht, dagegen oft
von aussen vollständig verwischt ist. Wer könnte nach nur äusserer
Untersuchung die Grenzlinie zwischen dem Kopfe und Stamme eines
Cyclostomen oder eines Rochen feststellen? Bei den höheren Wirbel-
thieren ist dagegen der Kopf nicht nur deutlich abgegrenzt, sondern
auch in den meisten Fällen von dem Stamme durch eine besondere
Region, den Hals, geschieden, in welchen die allgemeine Körperhöhle,
das Cölom, sich nicht fortsetzt. Diese allgemeine Körper- oder Ein-
geweidehöhle, welche von einer besonderen Membran, dem Peritoneum
oder Bauchfelle, ausgekleidet und von den Rippen und anderen Skelett-
bildungen umfasst wird, bildet das wesentlichste Unterscheidungs-
merkmal derjenigen Region, welche wir den Stamm nennen können;
sie enthält die wesentlichsten Organe des vegetativen Lebens. Nament-
lich bei den Säugethieren zeigt sie eine, übrigens schon bei Vögeln
und Reptilien angedeutete, aber hier erst durchgeführte Theilung in
zwei Unterregionen , die Brust (Thorax) und den Bauch (Abdomen),
welche innerlich durch das Zwergfell getrennt werden, so dass die
Brust die Lungen und das Herz, der Bauch die übrigen Organe ent-
hält. In der einen oder anderen Classe scheint die Zahl der Somiten,
welche eine Region bildet, ziemlich fixirt, wie dies ja auch bei ge-
wissen Classen der Arthropoden, den lusecten z, B., der Fall ist.
Ein letzter unterscheidender Charakter der grossen Mehrzahl der
Wirbelthiere beruht auf der Bildung des Mundes. Bei allen Gnatho-
stomen, also bei den Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säuge-
thieren, wird die Mundöffnung auf der unteren oder Bauchseite von
einem einzigen beweglichen Bogen, dem Untei'kiefer, umgrenzt, der
aus zwei seitlichen Hälften besteht. Nur selten bleiben, wie z. B.
bei den Schlangen, die beiden Hälften getrennt; in den meisten Fällenl
verbinden sie sich in der Mittellinie oder verschmelzen hier sogar und
Wirbelthiere. 333
die Bewegung dieses Organes geht von oben nach unten. Das gnatho-
stome Wirbelthier senkt den Unterkiefer, um den Mund zu öffnen;
es hebt ihn, um ihn zu schbessen. Die auf den Unterkiefer folgenden
Visceralbogen , die Zungen- und Kiemenbogen dienen nur bei den
niederen Gnathostomen zur Vervollständigung des Abschlusses der
Mundhöhle auf den Seiten und von unten; der Unterkiefer allein bildet
den äusseren Verschlussring, indem er an den Oberkiefer angedrückt
wird. Bei den mit festen Mundwerkzeugen versehenen Wirbellosen
sind diese Weikzeuge dagegen meist in der Mehrzahl vorhanden,
hinter einander gelagert und sie werden seitlich von einander entfernt,
um den Mund zu öffnen, und der Mittellinie genähert, um ihn zu
schliessen. Selbst in solchen Fällen, wo das letzte Paar dieser An-
hänge in der Mittellinie verwächst, um eine Unterlippe zu bilden, die
sich nur von unten nach oben bewegen kann, bleiben die paarweise
davor gestellten Hauptwerkzeuge getrennt und bewegen sich nur seit-
lich in der Horizontalebene. Die senkrechte Bewegung des Unter-
kiefers bildet demnach einen wesentlichen Charakter des gnathostomeu
Wirbelthieres. Die Acranier und Cyclostomen zeigen freilich eine
wesentliche Verschiedenheit in der Mundbildung, aber es fehlen ihnen
auch Organe, welche man als dem Unterkiefer homolog ansehen
könnte.
Wir gehen hier nicht näher auf die Aufzählung mancher anderer,
mehr oder minder beschränkter Charaktere ein, die bei den einzelnen
Classen ihre Berücksichtigung finden werden.
Wir nehmen für die zoologische Sichtung der Wirbelthiere fol-
gende sieben Classen an, deren Charaktere und Unterabtheilungen wir
bei den Classen selbst aufführen werden: Acranier, Cyclostomen,
Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugethiere.
Aber nach den oben auseinandergesetzten Charakteren können
diese Classen noch in grösseren Hauptgruppen zusammengefasst
werden.
Durch den Mangel eines Schädels, eines Gehirnes, eines Herzens,
der Gehörorgane, der Segmentationsorgane und eines rothen Blutes
treten die Acranier fast vollständig aus dem Rahmen der übrigen
Wirbelthiere heraus, die man ihnen als Cranioten gegenüber
stellen kann.
Den mit Kiefern versehenen Gnathostomen stellen sich die
Acranier und Cyclostomen als kieferlose Agnathen gegenüber.
Bei den vier unteren Classen trägen die Visceralbogen entweder
zeitlebens oder doch wenigstens während einer gewissen Periode An-
hänge, welche mit der Athraungsfunction betraut sind ; sie stehen also
als Kiementräger, Branchiaten, den Reptilien, Vögeln und Säuge-
thieren, den A branchiaten gegenüber, bei welchen die Visceralbogen
niemals mit der Athemfunction betraut werden und diese so wichtige
334
Wirbelthiere.
Function während des Embryonallebens durch eine Ausstülpung des
Hinterdarnies, die Allantois, ausgeübt wird.
Die Branchiaten können wieder in zwei Untergruppen zerfällt
werden, von welchen die eine die kief'erlosen Acranier und Cyclo-
stomen , die andere die mit Kiefern versehenen Fische und Amphibien
umfasst, welche man nach Huxley's Vorgang mit dem Namen der
Ichthyopsiden bezeichnen kann. Die Reptilien und Vögel zeigen
so viel gemeinsame Charaktere, die auf eine euge Stammesverwandt-
schaft, ja auf gegenseitige Abstammung schliesseu lassen, dass man
sie als Sauropsiden mit Huxley den Säugethieren gegenüber
stellen kann.
Eine letzte, auch für die Paläontologie sehr wichtige Gruppirung
der Gnathostoraen beruht auf der Bildung der Extremitäten. Wenn
diese Anhänge überhaupt vollständig entwickelt sind, so erscheinen sie
bei den Fischen als polydactyle Endglieder, während diese bei den
übrigen Classen pentadactyl sind, und diese verschiedene Bildung
schafft eine scharfe und willkommene Grenzlinie in der Gruppe der
Ichthyopsiden zwischen den Fischen und Amphibien.
Zur Uebersicht dieser verschiedenen Gruppirungen möge nach-
folgende Tabelle dienen.
Anal-
lanto-
idier
Allan-
toidier
( Acranier
Poly- 1
dact5'len J
Ichtyop-
siden
Gnatho-
stomen
Cranioten
Saurop-
siden Pentadac-
l tylen
leptocardier Amplüoxiden.
^ 1 , f Mvxinoiden.
Cvclostomen \ -r,\ i.
•^ t Petromyzonten.
f Teleostier.
Holoceplialen.
Fische ; Selacliier.
I Ganoiden.
l Dipnoiden.
A / n 1 i^ f Urodelen.
Am- J Pedaten- •
pliibien | . ,
^ y Apoden- •
Plioli-
-D ,.,. fdoten
Keptilien
l Coricaten
l Anuren.
• Gymnophionen.
f Saurier.
l Ophidier.
f Crocodile.
Vö^rel
Säuge-
tliiere
t Chelonier.
f Ratiten.
L Carinaten.
Apla- f Monotremen.
centarier t Beutelthiere.
Ungulaten.
Sirenen.
Hyr^ciden.
Rüsselthiere.
Nager.
Edeutaten.
Cetaceen.
Carnivoren.
Insectivoren.
Fledermäuse.
Halbaffen.
l Affen.
Phiffen-
tarier
Ainphioxus.
335
Literatur. — Um öftere Wiederholungen zu vermeiden, geben wir liier eine
kleine Liste derjenigen neueren Werke, welche die vergleichende Anatomie der Wirbel-
thiere in ihrer Gesammtheit behandeln. E. Owen, O71 the Aaulomy of Vtrttbrates
Vol, III, London, 18ti6 — 68. — H. G. Bronn, Classen und Ordnungen des Thier-
reiches, Leipzig, 1873 — 89. • — Huxley, A Manuel of the Anatomy of vertebrated
unimuU, London, 1879. Deutsch von Spen^el. — A. Wiedersheim, Lehrbuch
der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, Jena, 1886. • — Ders. , Grundriss,
zweite Aufl. 1890. — G. Pouchet et H. Beauregard, Trulti: d^ Ot>teolo/jie com-
puree, Paris, 1889.
Classe deT Acranier oder Leptocardier.
Kleine Seetbierchen mit uusegnientirter, lebeusbeständiger Chorda
und ohne paarige Flossen. Ein gesonderter, ein Hirn umscliliessender
Schädel, Seh- und Hörorgane, Kiefer und überhaupt alle knorpeligen
oder knöchernen Skelettbildunsen fehlen durchaus. Pulsirende Gefäss-
Amphioxvs laaceolaius , etwa dreifach vergrössert. Haut und Muskeln der linken
Seite sind weggenommen; der Blinddarm schimmert durch den Kiemensack durch.
u, obere Flossenstrahlen ; b, untere Flossenstrahlen ; c, Geschlechtsorgane ; (/, Kiemen-
korb ; e, After;/. Chorda; g, Rückenmark; h, Leb.erblinddarm ; i, Darm; k, Mund;
Z, Körpermuskeln; ?», vordere Endflosse; ?;, hintere Endflosse; o, Abdominalporus.
stamme ersetzen das Hei'z; das Blut ist farblos, die Geschlechter ge-
trennt. Man kennt genügend nur eine einzige Gattung und nur eine
Art, die in nördlichen Meeren, dem Mittelmeere und einigen südlichen
Küstenstrichen vorkommt. Die uns zunächst gelegenen Küsten, wo
der Amphioxus in grosser Anzahl vorkommt, sind die Buchten von
Neapel und Messina, woher wir auch unsere Exemplare bezogen haben.
Das Fischchen wühlt sich in den Sand ein, so dass nur das Ende her-
vorschaut. Aufgeregt macht es lebhafte Sprünge und schwimmt in
der Weise der Aale. Wir verdanken den grössten Theil unserer
Arbeit Herrn Dr. M. Jaquet.'
Typus: Amphioxus lanceolatus, YarreW (Branchiostoma liibri-
cuni, Costa). Das Lancettfischchen , wie es auch genannt wird,
erreicht vier bis fünf Centimeter Länge. Der Körper ist von den
Seiten her abgeplattet, aber breiter am Bauche als am Rücken iiud
336
Wirbelthiere.
au beiden Enden
niedrigen, höchst
Fig. 139.
i
i
\....(l
.b
.fv
3
Baufhansicht in
derselben Vevgrös-
serung. a, Mund;
&, Abdominalpovus ;
c, After ; rf, Bamh-
muskel; e, Genitiil-
massen, durchschei-
nend ; y, Seiten-
falten ; g , untere
Flossenstrahlen ; /,■,
Seitenniuskeln des
Körpers.
die Linke des B
Seite des Tbiei'es
zugespitzt. Kopf- und Schwanzende sind von einer
dünnen Hautflosse umzogen (»w, w, Fig. 138 a. v. S.).
Die Haut ist glatt, schuppenlos, die Farbe ein gelb-
liches Weiss.
Betrachtet man das Thierchen von der Bauchseite
(Fig. 139), so gewahrt man drei Oeffnungen. Die
vordere, grösste, welche nicht ganz am Ende des
Körpers liegt, ist der Mund (a), von trichterförmiger
Gestalt; seine etwas wulstigen Umwallungen sind
mit einem Kranze starrer Fäden besetzt , den wir
den Tentakel kränz nennen. Etwa am Ende des
zweiten Drittels der Körperlänge zeigt sich eine
weite, rundliche Oeffnung, durch welche das Athem-
wasser von den Kiemen her ausströmt; es ist der
Bauchporus (&). Endlich in der Nähe des Hinter-
endes des Körpers zeigt sich eine dritte, kleine Oeff-
nung, der After (c); er hat das Eigenthümliche, dass
er nie in der Mittellinie, sondern stets auf der rechten
oder linken Seite des unteren Lappens der Endflosse
liegt; in Beziehung auf die Seite zeigt sich keine
Regelmässigkeit.
Präparation. — Lebende Exemplare lassen sich
leicht mehrere Tage in Gefässen mit etwas Sand am
Boden aufbewahren, deren Wasser man öfter wech-
selt. Ihre Untersuchung ist unerlässlich für das
Studium des Kreislaufes, sowie der letzten Nerven-
endigungen in den durchsichtigen Flossen an beiden
Körperenden. Zur Tödtung und Fixirung benutzt
man Sublimat, Osmiumsäure oder Pikrinschwefelsäure.
Nach der Fixirung bewahrt man die Exemplare in
Weingeist von 70 Procent. Will man Exemplare,
die einige Zeit in Weingeist gelegen haben, zur Prä-
paration der Organe in situ benutzen , so thut man
wohl, sie einige Zeit in Wasser zu tauchen, das mit
einigen Tropfen Ammoniak versetzt ist. Die Ge-
webe erweichen und lassen sich präparlren, ohne
brüchig zu werden. Man präparirt selbstverständlich
im Wasser und unter der Lupe.
Man fixirt zum Zwecke dieser makroskopischen
Untersuchung das Thierchen in einem Schälcheu,
das auf den Tisch einer Präparirlupe gestellt wird.
Es liegt auf der rechten Seite, das Kopfende gegen
eschauers gerichtet, so dass dieser die ganze linke
übersieht. Man befestigt es an beiden Enden mit
Amphioxus. "337
kreuzweis über einander eingesteckten Nadeln, die es festhalten, ohne
es zu verletzen. Ehe man die Haut abpräparirt, beachtet man zwei von
dem Munde bis zum Bauchporus auf der Unterseite sich hinziehende
Längs Wülste, die nach innen eingekrämpt sind. Diese Seitenwülste
(/, Fig. 139) sind hohl und schliessen die Seitencanäle ein. Mit einer
feinen Pincette entfernt man die Haut, die sich meist sehr leicht und oft
in grossen Fetzen ab2lehen lässt. Man legt so die Seitenmuskeln
(m, Fig. 138) bloss, die in 62 Abtheilungen oder Myomeren getheilt
sind, welche die Gestalt eines V mit weit gespreizten Schenkeln haben,
dessen Spitze nach vorn gegen eine Linie gerichtet ist, welche etwas
über der Mitte der Körperbreite verlaufen würde. Auf der ganzen
Länge der Rückenlinie finden sich eine grosse Anzahl wie Palissaden
neben einander gestellter, mehr oder minder cylindrischer, gelblicher
Körperchen; man nennt sie die Flos senstr ahlen (a, Fig. 138). Sie
finden sich auch auf der unteren Seite zwischen Bauchporus und
After (b). Zwischen Bauchporus und Mund sieht man an der unteren
Grenze der Myomeren die Geschlechtsorgane (r, Fig. 138) in Ge-
stalt kleiner, deutlich von einander getrennter, rundlicher Ballen, deren
man etwa 25 zählen kann.
Um die topographische Untersuchung der einzelnen Organe weiter
fortzuführen, muss man die Seitenmuskeln mittelst feiner Xadeln ent-
fernen, was nicht schwierig ist. Man wird bei dieser Gelegenheit die
der Axe des Körpers parallel laufende Richtung der Muskelfasern, so-
wie den Umstand erkennen, dass die einzelnen Myomeren durch häu-
tige, von der Chordascheide bis zur Haut sich ausdehnende Scheide-
wände, die Myocommen, von einander getrennt und vollständig
umschlossen sind. Unter den Muskeln erstreckt sich in dem Abstände
zwischen dem Tentakelkranze und dem Bauchporus der Kiemenkorb
(d, Fig. 138). Seine Wand ist von einer grossen Zahl feiner Stäbchen
von knorpeliger Consistenz gebildet, die schief von vorn und oben
nach hinten und unten gerichtet sind. Ihre Vorderenden stossen
an die Wirbelsaite, ihre hinteren an die ventrale Mittellinie. Der
Darm (/, Fig. 138) setzt den Kiemeukorb nach hinten fort; er ist
gerade, cylindrisch, liegt der Chorda fast unmittelbar an und nimmt
nur sehr allmählich an Weite gegen den After (c, Fig. 138) hin ab,
der auf einer beliebigen Seite des Unterlappens der Endüosse mündet.
Etwa in der Hohe des Bauchporus entsendet der Darm einen nach
vorn gerichteten, im Kiemenkorbe liegenden Blindsack.
Dieser Leberblindsack (/«, Fig. 138) liegt meist auf der rechten
Seite des Kiemenkorbes, den man wegnehmen muss, um ihn bloss zu
legen, was nur schwer gelingt, da er meist fest an dem Kiemenkorbe
sich anheftet. Es ist ein weisslicher, abgeplatteter Schlauch, welcher
etwas vor dem Bauchporus vom Darme sich abzweigt und sich nach vorn
etwa bis in die Nähe der dritten Genitalmasse erstreckt, wo er blind
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 22
sag Wirbeltliierö.
endet. Seine Höhle steht in unmittelbarer Verbindung mit derjenigeü
des Darmes.
Die Rückensaite oder Chorda (/, Fig. 138) ist ein weicher,
cylindrischer Stab, der etwas über der mittleren Höhe des Körpers
sich hinzieht. Die beiden zugespitzten Enden der Chorda reichen bis
in die Eiidflossen. üeber der Chorda vei-läuft das centrale Nerven-
system {g^ Fig. 138), das Rückenmark, in Gestalt eines langen
Hohlstabes, der von einer Scheide umgeben ist, welche von der Scheide
der Chorda ausstrahlt. Es reicht ebenfalls bis in die Endflossen. An
seinem vordersten Ende zeigt sich ein schwarzer Pigmentfleck, viel-
leicht das Rudiment eines Auges (fZ, Fig. 153); über ihm sitzt ein
becherförmiges Wimpergrübchen, das als Geruchsorgan (a, Fig. 153)
angesehen wird. Unter der Chorda sieht man bei lebenden Thieren
die Aorta.
Gegenseitige Lagerung der Organe. — Die bilaterale Sym-
metrie ist bei Amphioxus fast vollständig dvirchgeführt. Denkt man
sich denselben durch einen verticalen Längsschnitt in der Mittellinie
getheilt, so findet sich jederseits eine Hälfte der Chorda, des Rücken-
markes, der Aorta, der Flossenstrahlen, des Darmcanales, des Kiemen-
korbes, der Muskeln, der Seitenfalten mit ihrem Canale und der
Geschlechtsorgane; einzig das Riechgrübchen, der Blinddarm, die seit-
lichen Ursprünge der Nerven und der After entsprechen nicht dieser
Symmetrie.
Man wird die Organisation des Amphioxus am besten an in den
drei normalen Richtungen gefühlten Schnitten studiren, deren Fär-
bung mit Boraxcarmin nichts zu wünschen übiig lässt. Man schneidet
die erhärteten Exemplare in Paraffin und kann so von einem Exem-
plare mehr als 2000 Querschnitte anfertigen, die man mit Collodion,
das mit etwas Nelkenöl versetzt ist, reihenweise auf den Objectträger
aufklebt.
Um die gegenseitigen Beziehungen der Organe vor Augen zu
führen, geben wir hier eine Reihe von Querschnitten, die alle einem
einzigen erwachsenen Weibchen entnommen, unter derselben Vergrösse-
i*ung mit der Camera lucida gezeichnet sind und wo die einzelnen
Organe stets mit denselben Buchstaben bezeichnet wurden. Die Ver-
gleichung dieser Schnitte giebt den besten Aufschluss über die Ver-
schiedenheit der Körperdimensionen in den einzelnen Regionen, sowie
über die Beziehungen der Organe zu einander. Der erste Schnitt
(Fig. 140) trifft den Hintei-grund der Mundhöhle; der zweite (Fig. 141)
den Anfang des Kiemenkorbes; der dritte (F"'ig. 142) etwa die Mitte
desselben; der vierte (Fig. 143) ist unmittelbar hinter dem Ende des
Kiemenkorbes geführt, wo der Blinddarm sich abzweigt; der fünfte
(Fig. 144) trifft den Abdominalporus, der sechste (Fig. 145) den
Amphioxus. 339
After und der letzte (Fig. 146) ist etwa durch die Mitte des Scliwauzes
gelegt.
Jeder dieser Schnitte zeigt besondere Vei'hältnisse ; alle aber
lassen zugleich die Modificationen erkennen, welche die allgemeinen
Fio-. 140. Organsysteme in den ver-
schiedenen Regionen auf-
' q zeigen. Man sieht überall
_ --,/'• Fio-. 140. — Senkrec-hter Quer-
•■ schnitt eines Weibchens, durch
' den Boden der Mundhöhle ge-
f'------iß^^^'^^^^'^'^'^%f^ \^\ _..fi legt. Gundlach, Oc. 2, OJjj.O.
k i'/cvT ^iÄ'^ Ky"^^^" "^ i t Camera claru. (iSIB. Alle fol-
genden Figuren, bis zu Fig. 146
I Ji> \ v\ r' -- r. \\j y^:^r-'' eino-eschlossen , sind demselben
J^->^^/;^j^ ^^,, /A'i]»,-- ■ Individuum ■entnommen , in der-
TT, rj-^-'i _i-^-A .<— «s.^ - ^.^.r^^ selben Vergrösserung gezeichnet
rfS^iÄ;>5ST^^_ . . - -^Vil - - und die einzelnen Organe mit
l&S^i.so. V\f -^ , '. — -'ot '^M denselben Buchstaben bezeichnet.
\V\— ai=!e?sl Auf den folgenden Figuren wer-
>^N\ -^^ yyrM den die Bezeichnungen dieser
schon benutzten Buchstaben nicht
wiederholt werden, sondern nur
die neu hinzugekommenen erklärt
^. werden.) a, Epidermis ; u^, be-
Fio-. 141. ^ ! 1 ' '
" franste Epidermis der Bauch-
fläche.; h, Haut; 6^, Unterhaut-
gewebe; c, Myomeren; d, Kern
'ii 'MX '^ "^ler Chorda; d^, ihre Scheide;
"-^^ ^ e, Scheide des Rückenmarkes;
'^ fi obere senkrechte Stützlamelle;
e /^, ihr Knopf; jr, Flossenstrahl;
d'. -/^^^^^^^^—^^^^^^yyl^^^ '^ /(, Mj'ocommen ; fc, Costallamelle ;
d- "}!^§?^'^^~-^^ -:>-^^^^W — '^ 1 ^' Rückenmark; m, Seitenfalte;
A-, V,^^^^^^-f— - \ ,-'x^^^-'--~ a, "' Seitencanal ; n} ^ querer Isth-
''i 'iw:--^^^*^^^^^^rr '"^^^^% /j mus desselben; w^, Communica-
f^- '-'4t\yy'':ff^^^^^^'''^ ^^\^iMt'~^^^^^Vi"" tionsöflFnung zwischen dem Sei-
"-" ''^^ -y'J^. ^^^*^^^^~^*^V '^'f tencanal und dem Isthmus; p,
.llkJ^\^ ^^^^^^y^ST^^^" -^' Muskeljiissen des Tentakelkran-
^''— iE^--vv^^ ""^^^^^^^fM-'' '^ zes; z^, Skelettäste des Teutakel-
_'^-,',s!*A_rfir>T_ 'fV""^^/s "^ kranzes, durchschnitten ; 7", Mund-
il* höhle; r^ , ihr Epithelium ; s,
(f^-'.' ----- --^-' ::3-:iS=^ A-,X-. ;;^ innere Wucheraugen des rech-
ten Seitenraumes; s-', durch-
V a//-.'jf schnittene Fransen des Mund-
epithels; /, linker Seitenraum,
entsprechend s.
Fig. 141. — Querschnitt durch den Anfang des Kiemenkorbes. Buchstaben wie auf
der vorigen Figur und ausserdem: o, Bauchmuskel; t. Peritoneum; fi, peritoneale
Scheidewand zwischen dem Epibranchialraume fl und dem Peribranchialraume t^ ;
!/, Kiemenkorb; u^, dessen spaltenloser Abschnitt; »'^, innere Kiemenhöhle; ifi. Peri-
branchialhöhle ; s, Rückenflosse.
Q-2*
Sib Wirbeltliiere.
die Oberhaut (n) , die Haut (b) , die Anordnung der Myomeren
(c) , die Skelettbildungen , welche in den Zeichnungen etwas dunkler
gehalten wurden, als sie in Wirklichkeit sich darstellen. Auf allen
Schnitten sieht man den blätterigen Chordakern (d) mit seiner
Scheide (d^), von welcher die zum grossen Theile häutigen Skelett-
bildungen ausstrahlen, die. Scheide des Rückenmarkes (e), die sich in
der Rückenliuie schliesst, um ein dorsales System verticaler Stütz-
gebilde (/) zu tragen, das in den Flosseustrahlen (g) gipfelt und dem
in der Schwanzgegend (Fig. 146) ein ähnliches System ventraler
Stützgebilde (i) entspricht. Ebenso sieht man überall die von den
Scheiden der Chorda, des Rückenmarkes (?) und den verticalen Stütz-
systemen ausstrahlenden Scheidewände der Myomeren, die Myocom-
men (/<) , unter welchen sich besonders längs der Bauchhöhle innere
Verstärkungen (A") bemerklich machen, welche in gewisser Weise die
Rippen vorzeichnen. Man kann sich also mit Hülfe dieser Quer-
schnitte die Gesammtanordnung des Skelettes sowohl, als auch des
Rückenmarkes (?) anschaulich machen , das in allen Schnitten sich
zeigt, da es sich über die ganze Körperlänge ausdehnt. Endlich
zeigen die Schnitte Fig. 140 bis 144 die allmähliche Ausbildung
der Seitenfalten (m) mit ihren Canälen (n) und des Bauchschliess-
muskels (o).
Der Schnitt Fig. 140 (a. v. S.) zeigt den Grund der weit ge-
öffneten Mundhöhle (r) mit ihrem Epithelium (r^) und den von
ihm gebildeten Fransen (s), die theil weise durchschnitten sind. Ein
dickes Muskelkissen (p), in welchem die Durchschnitte einiger
Stäbchen des Tentakelkrauzes ((/) sich zeigen, schliesst dieselbe
nach unten ab. Auf beiden Seiten dieses Muskelkissens zeigen sich
die Seiteufalten (»*), deren Canäle (ii) durch einen Querschlitz (n'^)
zwischen Haut und Kissen mit einander coramuniciren. Der Com-
municationsspalt ist nur auf der rechten Seite von dem Schnitte ge-
troffen worden.
Der zweite Schnitt (Fig. 141 a. v. S.) geht durch den Anfang der
Bauchhöhle. Er zeigt das Bauchfell (f), wie es, von seiner Anheftung
an der Chorda ausgehend, den Anfang des Kiemenkorbes (u) umzieht,
dessen Bogen an der Ventralfläche sich zu zeigen beginnen und in
der ventralen Mittellinie durch einige Brücken sieb auf die Innen-
fläche der Körperwaud hinüberschlägt, die es in ihrer ganzen Aus-
dehnung auskleidet. Die Seitenfalten mit ihren von einander ge-
trennten Canälen und der Schliessmuskel des Bauches sind vollständig
ausgebildet.
Der etwa durch die Mitte der Bauchhöhle geführte Schnitt
(Fig. 142) zeigt die Baucheingeweide in voller Entwicklung. Der voll-
ständig ausgebildete Kiemenkorb mit seinen beiden Mittelrinneu, der
Amphioxus.
341
Epibranchial-(r)- und Hypobrarichial-(?c)-Piinne , ist durcli den Blind-
darm (x) und die seitlich gelegenen Eierstöcke (y) stark zusammen-
gedrückt. Die Peritonealhüllen der letzteren heften sich an die,
die Bauchwand auskleidende Lamelle an.
Der Schnitt (Fig. 143 a. f. S.) geht zwischen dem Ende des Kiemeu-
korbes und der Abgangsstelle des Blinddarmes (./;) durch, der in stark
gefaltetem Zustande den Grund der Bauchhöhle zwischen den beiden
Eierstöcken (</) einnimmt, während der eigentliche Darmcanal (^). der
• Fio-. 142.
Querschnitt durch die Mitte der Bauchhöhle. Buchstaben wie in den zwei vorher-
gehenden Figuren uffd ausserdem: d-, Müller'scher Raum und Gewelie am Chorda-
kerne; k^, Anheftungen der Costallamelle an die Chordascheide; v, Epibranchialrinne
iv, Hypobranchiah'inne ; x, Leberblinddarm ; t/, Eierstöcke.
aus der Abschliessung der Epibranchialrinne hervorgegangen ist, den
oberen Raum der Bauchhöhle einnimmt.
Die Eierstöcke enden etwas vor dem Schnitte (Fig. 144 a. S. 343),
der den Abdomiualporus getroffen hat. Der mit Sandkörnern und
342
Wirbelthiere.
Verdauungsx'esten angefüllte Darm nimmt allein die Bauchhöhle ein;
in den Seitentaschen des Peritoneums zeigen sich einige durchschnittene
Schmarotzer; die Seitenfalten mit ihren Canälen enden zu beiden
Seiten der Warze, welche den Poruscanal enthält.
Der After ist von dem folgenden Schnitte (Fig. 145 a. S. 344)
getroffen worden. Man sieht neben der senkrechten Endflosse eine
tiefe Rinne, auf deren rechter Seite die letzten Falten des Enddarmes
Fio;. 143.
f^-*.-
Querschnitt hinter dem Kiemenkorbe. Buchstaben wie in den drei vorhergehenden
Figuren und ausserdem: s, Darm.
vorspringen, unter welchen der Schliessmuskel des Afters (y) an-
geschnitten ist. Das untere Stützsystem des Skelettes ist kräftig ent-
wickelt und umschliesst den Aortencanal (ö). In dem letzten, durch
den Schwanz geführten Schnitte (Fig. 146 a. S. 344) erreicht dieses
Stützsystem seine höchste Entwicklung und zeigt unter der Aorta
noch einen zweiten Canal für die Hohlvene (f).
Amphioxus.
343
Die Tegumente des xVmphioxus bestehen, wie gewöhnlich,
aus drei verschiedenen Lagen: der Oberhaut, Lederbaut und dem
Unterhautgewebe.
Die Oberhaut oder Epidermis (a, Fig. 14:7 a. f. S.) besteht aus
einer einfachen Schicht von Cylinderzellen, die sich leicht färben und
in ihrer der Lederhaut zugewandten Hälfte viele feine Granulationen
enthalten. Ihre freie Fläche ist oft verdickt und gleicht einem Deckel
oder einer zusammenhängenden Deckschicht. Auf der Rückenfläche
werden sie am höchsten; auf der Bauchfläche, zwischen den Seiten-
Ficr. 144. .
Querschnitt durch den Alxlorainalporus. Buchstaben wie in den vier vorhergehenden
Figuren und ausserdem: z^, Sandkörnchen im Darme; a, Warze des Abdominalporus ;
ß, in der unteren Peritonealtasche liegende Parasiten, durchschnitten; ff, Aorta;
A, verdicktes Epithelium des Peritoneums ; /li, am Darme verlaufendes Blutgefäss.
falten, werden sie niedriger und würfelförmig. Von der Fläche ge-
sehen, bilden die Zellenwände sechsseitige Figuren. Nach Langer-
hans finden sich überall, besonders aber an dem Vorderende des
Körpers, zei-streute Oberhautzellen von cylindrischer Form, die lang
344
Wirbeltlnere.
ausgezogen sind , an ihrem inneren Ende sich in ein dünnes Fädchen
fortsetzen und auf ihrer Aussenfläche ein starres Härchen tragen.
Wir hahen diese Sinnes- oder Tastzellen, die wohl mit den Nerven-
Fig. 145. Fio-. 146.
t'
Fig. 145. — Querschnitt durch den After. Buchstaben wie in den fünf vorhergehenden
Figuren und ausserdem: i, untere senkrechte Stützlamelle; <^, anale Pei-itonealtasche;
y, After ; y^, sein Schliessmuskel ; i^, untere häutige Flosse.
Fig. 146. — Querschnitt durch den Schwanz. Buchstaben wie in den sechs vorher-
gehenden Figuren und ausserdem : /^, Endstück der unteren senkrechten Stützlamelle ;
£,- Canal der Hohlvene.
Fig. 147.
f^nnn"'^ "'^^^^^nnnnnnn'-'innn^nnnnnn^
Querschnitt der Haut. Verick, Oc. 3, Obj. 6. a, Epidermiszellen ; i, Haut, c, ünter-
hautgewebe mit Kernen.
AmpliioxLis. 345
endigungen zusammenhängen, bei unseren, längere Zeit in Alkohol
aufbewahrten Exemplaren nicht nachweisen können. Stellenweise
finden sich in der Oberhaut kleine gelbliche Pigraentablagerungen, die
aus kleinen, stark lichtbrechenden Körnchen bestehen, welche dui'ch
Aetzkali sofort sich schwärzen. Bei sehr jungen Individuen finden
sich noch hier und da Wimpern auf der Oberhaut, die aber bei älteren
Exemplaren vollständig verschwunden sind.
Die Lederhaut (&, Fig. 147) ist stets fest mit der Oberhaut ver-
bunden. Es ist eine auf der ganzen Körpererstreckung gleichförmige
Schicht, in der man keine Kerne, wohl aber eine feine, horizontale
Streifung erblicken kann, die auf eine blätterige Structur hinweist.
Sie färbt sich stark durch Boraxcarmin.
Das Un te r haut ge w ebe (c, Fig. 147) zeigt je nach den ein-
zelnen Körperstellen mancherlei Abweichungen. Es ist besonders
stark in den Seitenfalten, auf der Bauchfläche, am Kopfende und in
den Flossen entwickelt. Meist ist es mächtiger als die Lederhaut und
erscheint auf Schnitten wie eine erhärtete Gallerte, in welchrr man
ohne Ordnung verlaufende Fäserchen sieht, die wohl eher dem Ein-
flüsse der Reagentien , als einer wirklichen Bildung von Zellen oder
Fasern zugeschrieben werden müssen. Bei jungen Individuen sieht
man namentlich an solchen Orten, wo das Gewebe stark entwickelt
ist, wie z. B. in den Seitenfalten, zerstreute Kerne von ovaler Form
{d, Fig. 147), die aber bei erwachsenen Individuen verschwunden sind.
In der Schicht verzweigen sich zahlreiche Nervenfasern, die leicht
durch Färbung mit Boraxcarmin nachgewiesen werden können.
Die Tegumente der Bauchfläche zwischen dem Munde iind dem
Abdominalporus zeigen tiefe und sehr genäherte Längsfalten (c/, Fig. 139),
die zwar auf den Schliessmuskeln des Bauches aufliegen, aber nicht
enger mit ihnen verbunden sind. Die Unterhautschicht zeigt in diesen
Falten eine Menge von Verlängerungen oder Zotten, welche direct
zu dem Schliessmuskel aufsteigen , sich an dessen ventrale Fläche an-
legen (o, Fig. 143) und so Längscanäle zwischen sich frei lassen, deren
Wände mit deutlichen, kernhaltigen Membranen ausgekleidet sind.
In der Unterhautschicht findet sich ausserdem ein System von
verzweigten Lacunen, deren physiologische Bedeutung' noch unklar
ist. Dieses Lacuuensystem lässt sich am besten in den beiden End-
flossen beobachten (Fig. 148), nachdem man ein Exemplar während
einiger Zeit in einer sehr verdünnten Lösung von Aetzkali gehalten,
sorgfältig ausgewaschen und dann die Flossen abgetrennt hat, um sie
unter schwacher Vergrösserung zu betrachten. Das Lacuuensystem
liegt in der senkrechten Mittelebene der Flossen und erstreckt sich
von da aus in Form sehr feiner und enger, gewundener Canäle über
die Rücken- und Seitenflächen des Thieres. In der Vorderregion
346
Wirbelthiere.
(Fig. 148) sind die Räume in die Länge schief von hinten nach vorn
ausgezogen; auf dem Rücken und den Seiten werden die Canäle
feiner, treten mehr auseinander und bilden unregelmässige Schlingen
Fig. 148,
h
f
a
c-
"l^I^»
!
.^'-3
Vorderende eines Amphioxus zur Verauschaulichung des Lacunensystemes. a, Augen-
fleck; 6, Flossenstrahlen; c, Laeunenräume ; cZ, Chorda ; p, Myomeren ; y, Rückenmark;
(/, vordere Endflosse.
und Anastomosen mit sehr dünnen Wänden, in welchen hier und da
längliche Kerne sich zeigen.
Seitenfalten (;», Fig. 140 bis 144). — Wir sahen schon bei der
übersichtlichen Beschreibung des Körpers, dass unten an den Seiten
vom Munde bis zum Abdominalporus zwei durchsichtige, vorsjiringende
Längsfalten sich hinziehen. Dieselben {m) sind von einer Verdickung
der Unterhautschicht gebildet, in welcher man deutlich Fasern, be-
sonders von querer Richtung, und Kerne erkennen kann. Im Inneren
dieser Verdickung verläuft ein Längtcanal, der Seitencanal (»), über
dessen Bedeutung die verschiedensten Ansichten geäussert worden
sincL Querschnitte geben über diese Bildung den besten Aufschluss.
Jeder der beiden Seitencanäle läuft vom Munde bis zum Perus, indem
er sich an beiden Enden nach und nach verengert. Der Durchschnitt
zeigt eine dreieckige Form ; die Basis des Dreiecks ist dem Ende der
Bauchmuskeln zugewendet, die Seiten werden von den gespaltenen
Schichten des Unterhautgewebes gebildet, die in dem freien Ende der
Seitenfalte zusammenstossen und so die Spitze des Dreiecks bilden.
Die äussere Wand des Canales ist weit dicker als die innere. Die
innere Ecke der Basis des Dreiecks verschmilzt mit der Wand an
dem Punkte, wo die Bauchdecke wellenförmig sich faltet; der äussere
Verbindungsj)unkt findet sich da, wo die Costallamelle des Skelettes
sich um das letzte Myomer herumbiegt, um sich mit der äusseren
Haut zu verbinden.
Amphioxus. 347
Wir bemerkten schon , dass die Seitencanäle (») sich gegeu die
beiden Körpeieiiden hin allmcählicb verengern. Hier aber entsteht die
Frage, wie sie enden? Ob blind oder mit Oeffiiungen nach aussen V
Beide Ansichten haben ihre Vertreter gefunden. Wir geben hier die
Resultate unserer, au vielen nach allen drei Richtungen geführten
Schnitten angestellten Untersuchungen. Nach hinten zu sind die
Canäle blind geschlossen (Fig. 144) und weder nach aussen noch nach
innen geöffnet. Am vorderen Ende verbinden sie sich durch einen
engen Quergang (n^, Fig. 140), der zwisclien dem Muskelkissen des
Tentakelkranzes, welches die Mundhöhle schliesst, und dem ventralen
Tegumente verläuft. Von hier strahlen Zweige in den Tentakelkranz
selbst aus, die wir bei Gelegenheit der Mundwerkzeuge näher be-
schreiben werden. Aber alle diese Zweige sind an ihren Enden blind
geschlossen i;nd wir haben durchaus keine Oeffnungen entdecken
können, welche entweder nach aussen oder in die Mundhöhle münden
könnten. Wir haben es also mit einem vollkommen geschlossenen
Lacunensysteme zu thun, das von einer Seite zur anderen durch einen
am Grunde der Mundhöhle gelegenen Quergang communicirt.
S ke 1 ett sy st e m. — Vor Beginn des Studiums dieses Systeraes
muss sich der Anfänger stets vor Augen halten, dass es aus Binde-
gewebe von sehr verschiedenen Festigkeitsgraden hergestellt ist und
dass die herkömmlichen Unterscheidungen zwischen einzelnen Knochen,
Knorpeln u. s. w., an welche man sich bei der Untersuchung der höheren
Wirbelthiere halten kann, hier durchaus nicht Platz gi-eifen. Wir
können beim Amphioxus nur Systeme von Stützgebilden unterscheiden
und zwar von zweierlei Art: die Stützgebilde des Körpers, welche von
der Wirbelsaite oder Chorda mit ihren Ausstrahlungen gebildet sind,
und die speciellen Stützsysteme einzelner Organcomplexe, wie z.B. des
Kiemenkorbes, des Tentakelkranzes und des Fransenringes. Letztere
werden wir bei der Behandlung der einzelnen Organe selbst in das
Auge fassen; hier soll nur von der Chorda und ihren Ausstrahlungen
die Rede sein.
Die Rücke nsaite, Chorda dorsalis, ist ein etwas über der
Mitte der Körperhöhe in der Mittelaxe von einem Ende zum anderen
sich erstreckender cylindrischer Strang (/', Fig. 1.38). Seitlich wird
die Chorda von den Muskelmassen des Körpers, den Myomereu, um-
geben; an ihrer Bauchfläche dehnt sich das Athemdarmsystem aus und
längs der Rückenfläche erstreckt sich das centrale Nervensystem. Die
zugespitzten Enden des Stranges erstrecken sich bis in die beiden
Fjudflossen hinein, das vordere weit über den Mund hinaus. Letzteres
nimmt sehr schnell an Dicke ab und zeigt zuweilen einen kleinen End-
knopf (/^,Fig. 138); das Hinterende dagegen nimmt nur sehr allmählich
ab. Die von uns gegebenen Querschnitte (Fig. 140 bis 146) zeigen
348 Wirbelthiere.
die wenig wechselnden Formen des Chordacylinders in den verschie-
denen Körpcrregionen ; in der Vorderflosse, vor dem Munde, ist der
Durchschnitt senki-echt oval; in der Region der Mundhöhle springt die
Bauchfläche vor; in der Körpermitte wird der Cylinder ganz rund und
aufs Neue seitlich zusammengedrückt in der Schwanzflosse. Unter der
Einwirkung der Härtungsmittel zieht sich die Chorda oft sehr ungleich
zusammen und bieten die Durchschnitte bizarre Formen, die mau nach
unbeschädigten Stellen ergänzen muss; im Ganzen aber kann man
sagen, dass die Durchschnitte der Chorda im Körper runde, in den
Flossen senkrecht ovale Gestalt zeigen.
Wir unterscheiden zwei Hauptbildungseleraente der Choi'da: den
ziemlich weichen Inhalt oder Kern (f?, Fig. 140 bis 146) iind die
festere, elastische Scheide (d^) , von welcher die Ausstrahlungen aus-
gehen und die sich leicht und lebhaft färbt.
Der Chordakern ((l, Fig. 140 bis 146) setzt sich aus einer Un-
zahl dünner , senkrecht und quer zur Axe des Cylinders gestellten
Scheibchen zusammen, welche auf ihrem ganzen Umfange der Scheide
anhängen, weich wie Gelatine sind und durch kleine Querbrücken mit
einander in Verbindung stehen. Betrachtet man ein in Balsam auf-
gehelltes Endstück eines Amphioxus (d, Fig. 147), so sieht man auf
der Chorda eine Menge mehr oder minder regelmässiger , senkrechter
Linien, die auch auf Längsschnitten sich sehr deutlich in Gestalt
feiner Fäden erkennen lassen, welche ein Netz von länglichen Maschen
bilden, die in der Mitte weiter sind als an den Rändern. Jeder Faden
zeigt parallele Längsstreifen und theilt sich in dünne Fäserchen , die
sich mit denen der benachbarten Fäden begegnen. Gegen die Scheide
hin zerfasern sich diese Fädchen und werden dadurch auch feiner
und zahlreicher. Auf Querschnitten sieht man, dass die gelatinösen
Scheibchen mit ihren feinen und scharf umrissenen Querstreifeu nicht
den ganzen Innenraum der Chordascheide ausfüllen, sondern in der
Mediauebene sowohl oben wie unten kleine Räume frei lassen, von
welchen der obere (/, Fig. 148) grösser und beständiger als der
untere ist. Diese in ihrer Form sehr wechselnden Räume zeigen ein
laxes Gewebe, welches man das Müller'sche Gewebe genannt hat
(Fig. 149).
Auf Querschnitten sieht man bei hinlänglich starker Vergrösse-
rung, dass die Innenfläche der Rückenwaud der Chordascheide mit
sehr kleinen, schwer erkennbaren Zellen (c) ausgekleidet ist, von
welchen lange Fäden (/) ausgehen , die gerade nach innen verlaufen,
mit einander anastomosiren und so eine Art Netzwerk bilden; man
sieht au ihnen sehr deutlich hier und da längliche Kerne. Die inneren
Fortsetzungen dieser Fäden scheinen mit dunklen Massen {a, Fig. 149)
in Verbindung zu stehen, die in dem weichen Chordakerne liegen und
zusammengesetzten Drüsen ähnlich sehen, sich weit lebhafter als das
ÄmphioxuS. 349
Chordagewebe färben, ohne Ordnung zerstreut sind, hier und da fehlen
und in Gestalt und Grösse sehr variiren. In ihrem Inneren sieht man
feine Granulationen und zuweilen einen lebhafter gefärbten Fleck, der
einem Nucleus ähnlich sieht. Einige dieser Massen senden Yerlänge-
rungen <ab, die durch Löcher der Chordascheide nach aussen treten.
In dem kleinen und unbeständigen unteren Räume zeigt sich eben-
falls Müller'sches Gewebe, das sich ähnlich verhält, wie das im
oberen Räume.
Man hat vielfach über die Frage gestritten, ob die Cborda-
scheibchen Kerne enthalten oder nicht. Auf Querschnitten des Hinter-
endes eines erwachsenen Exemplars haben wir zahlreiche Kerne ge-
sehen, welche in der Nähe der Scheide seitlich lagen, sich deutlich
erkennen Hessen und in der Richtung der Querstreifen sich ausdehnten.
Ausserdem sehen wir im Chordakern eines jungen ximphioxus überall
schwach gefärbte, feinkörnige, grosse Kerne mit einem Nucleus im
Fig. 149.
Stück eines Querschnittes durch die Chorda, dem dorsalen Theile entnommen.
Verick, Oc. 3, Obj. 6. a, Umriss des Rückenmarkes; i, Chordascheide; c, Streifen
des Chordakernes; d^ grosse Zellen in der !Xähe des Müller' sehen GeweLes ;
e, Schicht von kleinen Zellen, welche die Decke des Müller'schen Raumes be-
kleiden; f, Müller'sches Gewebe; gr, Gewebe, welches durch den Canal geht, der
die Chordaseheide durchbricht.
Inneren, die in einer Reihe der dorso-ventralen Mittellinie entlang ge-
lagert sind.
Bevor wir den Chordakern verlassen, müssen wir noch einer
eigenthümlichen Structur erwähnen, welche derselbe auf Querschnitten
des Hinterendes zeigt und die wir in Fig. 145 und 146 wiedergegeben
haben. Man sieht hier nämlich concentrische, der Chordascheide parallele
Zonen, die sich stärker färben, als das übrige Gewebe. Häufig sind
diese Zonen durch Querstreifen mit einander verbunden, so dass rhom-
bische Figuren entstehen. Wahrscheinlich sind diese Zonen der Aus-
druck der Verbindungen, welche die einzelnen Scheibchen mit einander
einffehen.
SöO Wirbelthiere.
Die Scheide der Chorda, die man auch die skelettbildende
Schicht genannt hat (d\ Fig. 140 bis 146; h, Fig. 149), umhüllt
allseitig den weichen Kern und besteht aus zwei Lagen, einer dünneren
äusseren, die sich leicht färbt, und einer dickeren inneren, die überall
mit dem Kerne zusammenhängt, die beiden Räume mit Müller'schem
Gewebe ausgenommen. Die innere Schicht zeigt concentrische, un-
regelmässige Streifen, die auf eine lamelläre Structur hindeuten. Die
äussere Schicht ist weit laxer; sie zeigt häufig Laciinen, und feine
Granulationen auf den Querschnitten deuten wohl auf einen faserigen
Bau hin. Diese äussere Schicht ist es, welche die Ausstrahlungen
bildet; ihre äussere Fläche lässt Kerne erkennen, welche einer Epi-
thelialmembran angehören, mit der die Ausstrahlungen ausgekleidet sind.
Eine sehr bemerkenswerthe Eigentkünilichkeit der Chordascheide,
auf welche die neueren Autoren besonders hingewiesen haben, besteht
in der Allsbildung von Löchern, welche in einer longitudinalen Doppel-
reihe an dem oberen Dache derselben, also an dem Boden des Nerven-
rohres, angebracht sind. Von der Fläche gesehen, haben diese Durch-
bohrungen die Gestalt von Knopflöchern, welche symmetrisch einander
gegenüber liegen. Sie sind mit der Substanz des Choi'dakernes an-
gefüllt. Sagittale und quere Schnitte geben Aufschluss über ihre
Bildung. Wir haben in Fig. 149 ein Stück eines Qiierschnittes ab-
gebildet, welches der dorsalen Hälfte der Chorda entnommen ist. Oben
sieht man den Umriss des Bodens des Rückenmarkes (a) , darunter
folgt die skelettbildende Schicht der Chordascheide (b), welche auf der
linken Seite (g) durchlöchert ist; der Schnitt ist etwas schief geführt,
so dass das Loch auf der rechten Seite nicht getroffen ist und man
nur eine Oeffnung sieht, durch welche zahlreiche, von dem Chorda-
kerne ausgehende Fasern hindurch nach aussen treten. Diese lassen
sich nur schwer weiter vei'folgen; man kann nur mit Sicherheit fest-
stellen, dass sie keine directe Verbindungen mit dem Nervensysteme
eingehen. Auf Längsschnitten übersieht man ganze Reihen dieser
Oeffnungen, die alle dieselbe Gi'össe haben, aber nicht in i'egelmässigen
Abständen sich folgen. Sie sind von einer feinen Membran aus-
gekleidet, die eine Fortsetzung der Ilüllhaut der Chorda ist. Die Be-
deutung dieser Oeffnungen ist nicht klar; Einige sehen darin Oeff-
nungen, durch welche die Nährflüssigkeit zu dem Chordakerne gelangen
kann; Andere wollen in ihnen directe Beziehungen zwischen dem
Centralnervensysteme einerseits und den Skelettbildungen anderseits
finden.
Man kann unter den Ausstralilungen der skelettbildenden Schicht
zwei mehr oder minder getrennte Systeme unterscheiden, die verti-
calen Stützen und die seitlichen Ausbreitungen. An den ersteren
nehmen beide Schichten der Chordascheide Antheil, während die seit-
lichen Ausstrahlungen fast nur von der äusseren Faserschicht gebildet
Ampliioxus. 351
werden. Reden wir zuerst vou dem senkrechten Stützsysteme,
das zwei Abtheilungen zeigt, eine dorsale und eine ventrale. Die dor-
salen Stützen sind in der ganzen Länge des Körpers entwickelt; die
ventralen nur in der Schwanzgegend. Die Durchschnitte Fig. 140
bis 146 werden das Verstäuduiss erleichtern.
Das Dach der Chordascheide bihlet zugleich den Boden des
Nerven can al s, welcher das Rückenmark enthält. Die Wände der
Chordascheide erheben sich an den oberen Rändern, um sich über dem
Rückenmark zusammenzawölben und so einen Längscanal zu bilden.
Die Winkel an der Erhebung sind mit skelettbildendem Fasergewebe
ausgefüllt, das jederseits in mächtige Muskelscheidewände gegen die
Haut ausstrahlt. Den oberen Schluss des Gewölbes bildet meist eine
Verdickung, die besonders auf den Querschnitten der Körpermitte wie
ein runder Knopf aussieht (/, Fig. 140 bis 14()). lieber dieser Ver-
dickung erhebt sich eine mediane Scheidewand, die in der Körper-
niitte besonders hoch und mächtig ist (Fig. 142, 143), auf Durchschnitten
wie ein senkrechter Dorn aussieht und von welcher ebenfalls, je nach
der Lage des Schnittes, ein oder zwei Myocommen seitlich ausstrahlen.
In der Nähe des Rückentegumentes sendet diese Scheidewand rechts
und links die letzten Myocommen aus, welche unmittelbar an das
Tegument herantreten, und endet dann mit einer Läugsreihe von Ver-
dickungen, welche man die Flossenstrahlen (g) genannt hat und die
unmittelbar unter einem seichten Längswulste der Haut liegen, der
sich über den Rücken hinzieht.
Dieses verticale Stützsystem, welches man den Neurapophysen des
Skelettes der Knochenthiere gleichstellen kann , das aber eine zu-
sammenhängende, von einem Ende des Körpers zum anderen laufende
Scheidewand bildet, wird von einem Gewebe gebildet, das von einigen
Autoren elastisches Gewebe genannt wird. Bei dem lebenden
Thiere erscheint es durchaus homogen und durchsichtig; bei conser-
virten Thieren sieht man darin schiefe und gerade, in verschiedenen
Richtungen sich kreuzende Streifen oder feine Granulationen, die
auf Längsfäserchen deuten. Wahrscheinlich sind diese Bildungen
künstlich durch die Wirkung der Reagentien erzeugt.
Wir sagten eben , dass das verticale Stützsystem mit den soge-
nannten Flos sen strahlen abschliesst. Diese Bildungen verdienen
eine besondere Beachtung.
Wenn man einen auf der Seite liegenden Amphioxus untersucht,
so sieht man schon mit blossem Auge in dem erwähnten Rückensaurae
der Haut eine ununterbrochene Reihe kleiner, undurchsichtiger Bäll-
chen, die auf den Rumpfmuskeln zu ruhen scheinen und mittelst durch-
sichtiger Scheidewände von einander getrennt sind (a, Fig. 138). Die
Bällchen werden gegen die Körperenden hin kleiner; die Reihe be-
ginnt und endet beiderseits mit den Rumpfmuskeln. Man findet eine
352 Wirbelthiere.
ähnliche , doch kleinere Reihe zwischen Bauchporus und After. Die
ei'steu Bällchen dieser Reihe sind doppelt neben einander gestellt.
Quere und sagittale Schnitte zeigen die Beziehungen dieser Bildungen
zu dem Skelette. Auf Querschnitten sieht man, dass die skelettbildende
Schicht der Chorda nach Bildung des verticalen Stützsystemes und Abgabe
der letzten Myocommen sich spaltet und dann wieder an der Innenfläche
der Haut zusammenfliesst, um so eine Art Kapsel oder Kästchen mit
gewölbter Decke und flachem Boden zu bilden. In diesen , durch eine
besondere, deutliche Kerne enthaltende Membran ausgekleideten Käst-
chen ist nun ein eigenthümliches Gewebe abgelagert, das von dem-
jenigen des Chordakerues verschieden , gallertartig und homogen ist,
sich fast nicht färbt und häufig im Inneren Kerne und Hohlräume zeigt,
die wohl durch Zerreissungen in Folge der Einwirkung der Reagentien
hervorgebracht sind. Die Scheidewände, welche die Kästchen trennen,
zeigen dicht an einander gedrängte, senkrecht verlaufende Streifen und
stark gefärbte, längliche Kerne. Bei jungen Individuen sieht man nur
die Kästchen, die innere Ausfüllung fehlt. Bei den erwachsenen
Thieren füllt die Innenmasse selten den ganzen Hohlraum des Käst-
chens; fast immer zeigen sich mehr oder minder beträchtliche Lücken
oben und an den Seiten.
Ein dem dorsalen Stützsysteme ähnliches System entwickelt sich
auch auf der ventralen Seite, aber hier nur in der hinteren Region des
Körpers. Man sieht in der That auf Querschnitten , die vor den
Bauchporus gelegt sind (Fig. 140 bis 143), dass die Bauchfläche der
Chordascheide unmittelbar das Dach der Körperhöhle bildet und dass
diese Fläche nur von dem Epithelium der Mundhöhle (Fig. 140) oder
dem Peritoneum (Fig. 141 bis 143) überzogen wird. Erst im Niveau
des Bauchjjorus (Fig. 144) beginnen sich an den Rippenausstrahlungen,
von welchen später die Rede sein wird, innere Vorsprünge auszubilden,
die einen medianen Raum ((5) abgrenzen, der nach innen durch das
Bauchfell abgeschlossen wird und in welchem die Aorta verläuft.
Nach lind nach schliessen sich diese Vorsprünge um die Aorta zu-
sammen, lieber dem After (Fig. 145) ist die Schliessung vollendet
und unmittelbar hinter demselben (Fig. 146) sehen wir ein vollstän-
diges verticales Stützsystem (V, Fig. 146) , das Canäle für die Gefässe
enthält und an der Basis der Hautflosse mit einem im Durchschnitt
dreieckigen Räume abschliesst, der den Flossenstrahlen des dorsalen
Systemes entspricht. Wenn das dorsale Stützsystem den Neurapo-
physen der Wirbel entspricht, so ist dieses ventrale System den Ilämapo-
physen homolog und in der That zeigt ein Querschnitt des Schwanzes
eines Fisches durchaus dieselben Verhältnisse, wenn man von den Unter-
schieden absieht, welche die Gewebe der betreffenden Stützsysteme zeigen.
Die seitlichen Ausstrahlungen der äusseren skelettbildenden Faser-
schicht bilden die Scheidewände der Körpermuskeln, die Myocommen.
Amphioxus. 353
Wir werden ihre allgemeine Anordnung bei Gelegenheit der Musculatur
besprechen, müssen aber hier sagen, dass es faserige Sehnenhäute sind,
welche die einzelnen Muskelmassen oder Myomeren von einander
trennen und die sich von der Chordascheide und den verticalen Stütz-
systemen aus gegen das Tegument hin wenden, wo sie mit einander
und mit dem Unterhautgewebe verschmelzen. Man kann diese Myo-
commen leicht auf Querschnitten verfolgen (/i, Fig. 140 bis 146) und
wird dann eine gewisse Regelmässigkeit ihrer Ausgangspunkte be-
merken, die freilich zuweilen aus dem Grunde gestört erscheint, weil
die Schnitte nicht ganz im rechten Winkel zur Körperaxe stehen. Im
Allgemeinen sieht man ein Endpaar, welches von der Basis der dor-
salen Flossenstrahlen abgeht, ein zweites, das in der Mitte der Stütze,
und ein drittes, welches von der Basis des Knopfes abgeht, der die
Rückenmarksscheide krönt. Ein viertes Myocommenpaar geht von
dem Winkel zwischen der Seheide des Markes und derjenigen der
Chorda und ein fünftes von dem unteren Rande der Chordascheide ab.
Dieses letztere, sehr mächtige Paar von Sehnenlamellen verdient
eine besondere Beachtung. Wir nennen sie die Rippenlamellen
(k, Fig. 140 bis 144), weil sie durchaus dieselben Beziehungen zeigen,
wie die Rippen mit ihren sehnigen Zwischenhäuten bei den Wirbel-
thieren mit Knochenskelett. Man sieht in der That von den ventralen
Ecken der Chordascheide starke Erhebungen ausgehen (Z;\ Fig. 144), die
auf Querschnitten eine dreieckige Gestalt zeigen und, nach unten sich
fortsetzend, die Körperhöhle umfassen. Sie weichen in dem Maasse
auseinander, als sie sich ventralwärts fortsetzen und grenzen so mit
den ihnen auflagernden Muskelmassen die weite Höhle ab, in welcher
die Eingeweide gelagert sind. Von diesen Rippenlamellen gehen drei
oder vier Myocommen ab , welche die seitlichen Muskelraassen des
Bauches durchsetzen und wie die anderen sich zur Haut begeben.
Hinter dem After schliessen sich die Rippenlamellen zusammen und
verschmelzen mit dem ventralen, senkrechten Stützsysteme. So wird
die Bauchhöhle abgeschlossen.
Muskelsystem. — Die grössten Massen dieses, aus wohl ge-
trennten Bündeln bestehenden Sj'stemes werden von den Rumpfmuskeln
und dem Bauchmuskel gebildet. Wir beschreiben hier einstweilen nur
diese; die übrigen, einzelnen Organen zugehörenden Muskeln sollen bei
den betreffenden Theilen behandelt werden; es sind dies: der Ring-
muskel der Mundhöhle, die Muskeln der Tentakel, der Kiemen, der
Schliessmuskel des Afters und der Muskel der Vorderlippe des Bauchporus.
Die seitlichen Rumpfmuskeln sind die bedeutendsten. Sie be-
decken den Rücken und die Seiten des Thieres von einem Ende des
Körpers zum anderen (l, Fig. 138) und erreichen ihre grösste Mäch-
tigkeit in der Mitte des Körpers , während sie nach den Enden hin
schmächtiger werden. Sie bilden so zwei Längsmassen, die unmittelbar
Vogt u. Yuug, px-akt. vergl. Anatomie. II. 23
354 Wirbelthiere.
unter der Haut liegen und alle anderen Organe bedecken, mit Aus-
nahme der beiden Enden der Chorda, welche über sie hinaus sich bis
zum Rande der Havitflossen erstrecken.
Präparirt man sorgfältig die Haut ab , was nicht sehr schwierig
ist, so hat man die Rumpfmuskeln in ihrer ganzen Erstreckung vor
sich und sieht auf den ersten Blick, dass sie aus einer Folge gleich
gestellter Segmente bestehen, die aber nach den beiden Enden hin an
Grösse abnehmen. Man zählt bei einem erwachsenen Individuum
62 solcher Segmente oder Myomeren (c, Fig. 140 bis 146). Jedes
Myomer hat die Form einer abgeplatteten Düte , deren schief nach
vorn gegen die Kopfregion gewendete Spitze der Mitte der Chorda
entspricht. Jedes Myomer zeigt mithin zwei Hälften, eine dorsale und
eine ventrale, welch letztere die längere ist; die der Haut anliegenden
Enden dieser Hälften sind breiter als die der Chorda zugewendete
Spitze. Die Myomeren sind eng aneinander gedrängt, aber durch seh-
nige Zwischenwände, die Myocommen (/i), getrennt, welche, wie schon
bemerkt, von der Chordascheide ausstrahlen iind dem Skelettsysteme
angehören. Diese JMyocommen bilden mithin eine Reihe von Kam-
mern, in welchen die Myoraeren stecken. Querschnitte zeigen, dass
die Richtung der Muskelfasern, welche sich an die Myocomraen an-
setzen, nicht überall die gleiche, sondern in den oberflächlichen und
tiefen Schichten etwas verschieden ist. Man sieht auf den Schnitten
eine innere Grenzlinie, die, von der Chorda ausgehend, etwa parallel
mit der Rippenlamelle läuft und in welcher die Fasern in einem
spitzen Winkel zusammentreffen.
Abgesehen von dieser auf Querschnitten hervortretenden Ver-
schiedenheit findet man bei Untersiichung eines abgehäuteten Exem-
plars, dass jedes Myomer aus einer grossen Anzahl dicht gedrängter
Bündel besteht, welche der Längsaxe des Thieres parallel laufen und
mit ihren Enden sich an die Myocommen festsetzen. Jedes Bündel
besteht aus einer ziemlich grossen Anzahl von Muskelfasern , die sich
leicht mit Nadeln trennen lassen. Die Fasern haben etwas wellige
Conturen •, sie sind nicht einfach, sondern bestehen aus mehreren Plätt-
ohen , die quadratische Form haben, horizontal mit einander vereinigt
und gestreift sind. Man sieht die Querstreifen schon mit einer
scharfen Lupe. Die meisten Forscher haben kein Sarcolemma gefunden,
wohl aber zeigen sich hier und da schwer nachweisbare Kerne.
Der Bauchmuskel (o, Fig. 140 bis 14.3) erstreckt sich von dem
Anfange des Kiemenkorbes bis zum Abdominalporus , zwischen den
inneren Rändern der Seitenfalten. Er schliesst so die Bauchhöhle nach
unten ab. Das seine ventrale Fläche bedeckende Tegument bildet
zahlreiche Längsfalten, welche auf Schnitten wie Fransen aussehen (o').
Nach vorn heftet sich der Muskel an den hinteren Rand des Muskels
des Tentakelkranzes; nach hinten verdickt er sich und bildet so die
Amphioxus. 355
Vorderlippe des Abdominalporus. Unter einer schwachen Vergrösse-
rung zeigt sieh der bandartige Muskel aus zwei parallelen Längs-
streifen gebildet , welche in der Mittellinie in einer Art Naht oder
Raphe zusarameustossen. Jeder Längsstreifen wird nämlich von
einer ununterbrochenen Reihe von Querfasern zusammengesetzt, die in
der Raphe zusammenstossen und sich nach aussen an dem Innenrande
der Wurzel der Seitenfalten anheften. Die Raphe ist zuweilen auf
Querschnitten kaum erkenntlich und der Muskel erscheint dann als ein
einfacher Querbogen, auf dem die Eingeweide ruhen; in anderen Fällen
ist aber die Naht so weit gedehnt, dass der Muskel aus zwei voll-
ständig getrennten Längshälften zu bestehen scheint, zwischen welchen
der Darm gewissermaassen eingeklemmt ist und bruchartig gegen die
Haut vorspringt, deren Falten denn auch grösstentheils verwischt sind.
Jeder Längsstreif besteht also aus einer Unzahl von Querfasern , die
kein Sarcolemma besitzen, aber einigen Forschern zufolge quer gestreift
sind. Marcusen (s. Literatur) behauptet, dass diese Querstreifung
nur bei wenigen Individuen nachweisbar sei , jedenfalls lässt sie sich
nicht leicht beobachten. Ebenso streitet man noch über das Vorkommen
von Längsfasern in den Bauchmuskeln. Diejenigen, welche dasselbe
leugnen, behaupten, dass die Anhänger der entgegengesetzten Meinung
die Falten des Tegumentes für Längsfasern des Muskels angesehen
haben. Indessen ist soviel richtig, dass man nach Ablösung der Haut
bei Betrachtung der Oberfläche des ausgebreiteten Muskels eine sehr
feine Längsstreifung desselben sieht, wenn man den Focus der Linse
etwas über den Sehplau der Qiierfasern einstellt; nur lässt sich die
miisculöse Natur dieser feinen Längsfasern nichts feststellen.
Der Eudtheil des Bauchmuskels schwillt bedeutend an und bildet
die Bauchwarze (m, Fig. 144), welche die Gestalt einer Halbkugel
zeigt und deren Wände gänzlich aus verfilzten Muskelfasern bestehen,
die sich in allen Richtungen kreuzen. Die Warze wird nach innen von
dem Epitheliura der Peribrancbialhöhle ausgekleidet, das sich hier
stark verdickt und aus Cylinderzellen besteht. Der Bauchmuskel
erneuert durch rhythmische, von mehreren Forschern beobachtete Be-
wegungen das Wasser in der Peribrancbialhöhle; er ist der wesent-
lichste Athemmuskel. Ausserdem kann er durch seine Zusammen -
Ziehungen die Geschlechtsproducte nach aussen befördern.
Nervensystem. — Wir unterscheiden das centrale Nervensystem
und die peiüpherischen Nerven.
Mau kann das Nervensystem der in Weingeist conservirten Thiere
in verschiedener Weise untersuchen. Will man die Nervenverzwei-
gungen in den Endflossen beobachten, so taucht man die Exemplare
während einiger Zeit in eine schwache Lösung von Aetzkali, wäscht
sie aus und schliesst sie in Glycerin ein; man wird dann unter dem
Mikroskope die Nerven bis in ihre letzten Endverzweigungen ver-
356
Wirbelthiere.
folgen können. Um die Topographie des Rückenmarkes znr An-
schauung zu bringen, lässt man das Thier zwei Tage lang in Salpeter-
säure liegen. Nach sehr sorgfältiger vmd vollständiger Auswaschung
kann man mittelst Nadeln das Rückenmark mit den sensiblen Nerven-
wurzeln in seiner ganzen Länge isoliren. Die histologische Structur,
Fig. 150.
Vordertheil des Nervensystems isolirt , ausgebreitet und von der Rückenfläclie aus
betrachtet, a, vordere Ausbreitung mit ihrer Aushöhlung ; 6, erstes Nervenpaar ;
c, zweites Nervenpaar ; cZ, Augenfleck ; e, sensible Nerven ; /, Rückenmark.
sowie die Wurzeln der motorischen Muskeln untersucht mau auf
Schnitten.
Das Centralnervensy stem oder Rückenmark (?, Fig. 140
bis 146) liegt über der Chorda in einem, wie gesagt, von der Chorda-
scheide gebildeten Canale, den es gänzlich ausfüllt. Es erreicht seine
grösste Dicke etwa in der Körpermitte, spitzt sich allmählich nach
Amphioxiis.
357
beiden Enden hin zu und endet nach vorn mit einer kleinen Erweite-
rung, nach hinten mit einem meist hohlen und etwas nach oben gerich-
teten Knöpfchen.
Wir sahen, dass die Anfangserweiterung des -Rückenmarkes etwas
hinter der Chordaspitze in der vorderen Flosse liegt. Sie hat die
Gestalt eines Ohrlöffelchens , dessen Stiel von dem Rückenmarke ge-
bildet wird (a, Fig. 150); ihre Aushöhlung setzt sich nach hinten in
den Rückenmarkscanal fort, der hier nur geöffnet und ausgebreitet
erscheint. Die Wände der Erweiterung sind mit deutlichen, runden
Zellen ausgekleidet; der Augeufleck liegt auf der Mitte des Vorder-
randes (b, Fig. 150). Die Wände sind aus mehreren Zellenschichten
gebildet; sie schliessen sich allmählich nach hinten zu einer engen
Fig. 151.
d.--'-
Querschnitt des Rückenmarkes im vorderen Drittel seiner Länge, a, Chordascheide ;
b, Centralcanal ; c, sensible Nervenwurzel; d, motorische Nervenwurzel; e, mittel-
grosse Zellen ; /, Verlängerungen derselben durch den Canal hindurch ; </, Fiiesen-
zellen; h, Längsf'asern, durchschnitten; i, Pigment.
Spalte zusammen, die ebenfalls mit zahlreichen Zellen ausgekleidet ist.
An der Stelle, wo sich die Wandungen der Erweiterung zum Rücken-
marke zusammenschliessen, findet man auf der Rückenseite einen Haufen
grosser, multipolarer Zellen mit grossen, stets sehr gefärbten Kernen,
die etwa ein Drittel des Schnittfeldes des Markes einnehmen.
Das Rückenmark besteht aus Fasern und aus Zellen. Letz-
tere finden sich in der Mitte, in der unmittelbaren Umgebung des
Centralcanales, dessen Wände sie bilden. Auf einem Querschnitte
(Fig. 151) sieht man schon bei schwacher Vergrösseruug die Zellen
zu beiden Seiten des Centralcanales und die Fasermassen rechts und
358 Wirbeltlnere.
links. Das Mark ist von einer sehr feineu Hüllmembran umgeben,
von welcher aus gegen den Canal convergirende Scheidewände die
Nervenmasse durchsetzen. Der Canal selbst ist mit einer Fortsetzung
dieser dünnen Haut ausgekleidet, in welcher man längliche Kerne
sieht. Nach Beobachtungen am Lebenden trägt dieses Epithelium
feine Wimpern. Nach Form und Lage kann man mehrere Arten von
Nervenzellen unterscheiden, kleine, mittlere und Riesenzellen. Erstere
liegen an den Wänden des Centralcanals ; sie haben meist einen Fort-
satz und lassen sich nicht leicht von den Epithelialzellen unter-
scheiden. Die mittleren Zellen (e, Fig. 151) sind grösser und oft
zwischen die kleineren eingelagert; sie haben grosse, runde, excentrisch
gelagerte Kerne. Diese Zellen sind multipolar; ihre Fortsätze dringen
theils in die Nervenmasse ein, theils durchsetzen sie den oberen Theil
des Centralcanales (/, Fig. 151) und stellen brückenartige Verbin-
dungen her; der untere Theil des Centralcanales ist rund und zeigt
keine solche Querbrücken (h). Die Riesenzellen liegen in der Masse
zerstreut; wir sehen schon, dass sie au der Enderweiterung einen an-
sehnlichen Haufen bilden, der über dem Canale liegt. Ein wenig
mächtiger Haufen liegt unter dem Canale, so dass hier die RiesenzelJen
eine Art Ring um den Canal bilden. Sie sind multipolar und ihre in
die Fasermasse eindringenden Fortsätze bilden die sogenannten Riesen-
fasern ig, Fig. 151).
Die Markfasern sind meist sehr fein und erscheinen die Läugs-
fasern auf Querschnitten als ein feines, in einer maschigen Grund-
substanz aus Bindegewebe eingebettetes Getüpfel. Die Querfasern,
welche aus den Fortsetzungen der den Centralcanal umgebenden Zellen
(c, Fig, 151) hervorgehen, sind ebenfalls sehr fein; sie strahlen nach
der Peripherie aus und bilden die Wurzeln der Nerven. Die Riesen-
fasern erscheinen auf Durchschnitten wie helle, in der Masse zerstreute
Räume (g, Fig. 151); meist liegen mehrere derselben in einer Gruppe
zusammen. Ihre AVandung ist sehr dünn; der Inhalt färbt sich stark.
Ausserdem sieht man noch auf jeder Seite des Markes wenig zahl-
reiche Längsfasern (/i, Fig. 151), die scharf begrenzt sind. Ihre Be-
deutung kennt man nicht.
Fast auf der ganzen Länge des Mai'kes sieht man zu beiden
Seiten des Bodens des Centralcanales unregelmässig zerstreute Pigment-
massen in wechselnden Entfernungen , die aber an den beiden Enden
des Markes fehlen (i, Fig. 151). Sie bestehen aus sehr dunklen,
schwarzen Pigmeutkörnern. NachRohon, der sie bei lebenden Thieren
genauer untersucht hat, liegen diese Körner im Protoplasma von Stern-
zellen, die einen Kern haben. Besonders bemerkenswerth ist, dass
dieses Pigment im Vordertheile des Markes fehlt, während dort, hart
am Ende des Ganzen, ein grosser, medianer Pigmentfleck sitzt, den
man als Augenfleck angesprochen hat.
Ampliioxus.
359
Peripherisclies Nervensystem. — Man kann hier zuerst zwei
Abtheiluugeu unterscheiden: die paarigen Nerven am Vorderende,
welche auf gleicher Höhe im Marke entspringen, und die eigentlichen
Rückenmarksuerven, deren Wurzeln in abwechselnder Höhe angebracht
sind. Letztere scheiden sich in sensible und motorische Nerven. Die
Wurzeln der sensiblen Nerven, deren man 62 zählt, entspringen am
oberen Kande der Seitenmassen des Markes (r, Fig. 151) und wechseln
von rechts nach links bei jedem Myomer ab. Hire Wurzeln sind
schmal. Abwechselnd mit ihnen entspringen die motorischen Nerven
mit sehr breiten Wurzeln vom Unterrande der seitlichen ^larkraasseu
{cl, Fig. 151), die erste motorische Wurzel unmittelbar hinter der vor-
deren Enderweiterung.
Sensible Nerven. — Sie lassen sich leicht aufLiings- und Quer-
schnitten , sowie an jungen Exemplaren untersuchen , die man einige
Zeit in sehr verdünnter Kalilauge macerirt hat. Nach einigen Minuten
Fig. 152.
Hintere En<lrioj>se. u, Rückenmark; a' , seine Eudigung in einem aufgestülpten
Knöpt'ehen ; b, Chorda; c, sensitive Nerven, obere Zweige; d, untere Zweige der-
selben ; e, letztes JMyocomma, die Grenze der weggelassenen Seitenmuskelu andeutend.
schon wird das Thierchen so durchsichtig, dass man unter geringer
Vergrösserung den Verlauf der Nerven bis in ihre letzten Endzweige
verfolgen kann. x\uf Querschnitten sieht man, dass abwechselnd links
und rechts in der Höhe der Myomeren ein sensibler Nerv von dem
oberen Rande des Markes abgeht, der im Allgemeinen dem Myoconima
sich anschmiegt und sich sofort nach dem Austritte in zwei ungleiche
Aeste theilt, einen oberen, welcher direct nach der Rückenfläche auf-
steigt und sich besonders in der Haut und den Flossenstrahlen ver-
360 Wirbelthiere.
zweigt, und einen unteren, der an der Bauchseite hinabsteigt, tief in
den Unterschichten des Tegumentes eingesenkt ist, und zwei Haupt-
zweige abgiebt, einen zu der Haut und einen anderen, welcher in die
Aussenwand der Seitencanäle eindringt und leicht auf Querschnitten
verfolgt werden kann. Diese Anordnung lässt sich besonders leicht
in der hinteren Flosse verfolgen (c, d, Fig. 1.52). Die vorderen sen-
siblen Nerven sind nur wenig wechselständig und gehen fast auf dem-
selben Querschnitte ab; die seitliche Wechselständigkeit tritt erst im
vorderen Drittel des Markes stark hervor.
Motorische Nerven. — In jedem, einem Myomer entsprechenden
Segmente entspringt abwechselnd von links nach rechts von dem
unteren Winkel des Markes nahe an der Basis ein motorischer Nerv.
Die Wurzeln wechseln mit den sensitiven Wurzeln in der Art ab, dass
man auf jedem Querschnitte, welcher Nervenwurzeln getroffen hat,
auf der einen Seite, sei es rechts oder links, eine sensible und auf der
entgegengesetzten Seite eine motorische Wurzel erblicken wird. Die
motorischen Nerven lassen sich nur sehr schwer in ihrem Gesammt-
verlaufe verfolgen ; sie lösen sich leicht an ihrem Ursprünge ab , so
dass man an einem isolirten Rückenmarke nur kleine Vorsprünge oder
Zöttchen an ihren Austxittsstellen sieht. Man muss also Längs- und
Querschnitte zu Hülfe nehmen. Jeder motorische Nerv zeigt eine in
die Länge gezogene Wurzel (d, Fig. 151), die aus einer Menge von
Fäserchen besteht, welche isolirt durch kleine Löchelchen aus der
Chordascheide nach aussen treten. Diese Fäserchen breiten sich nach
ihrem Austritte pinselförmig aus und treten mit den Fasern der
Körj)ermuskeln in Verbindung. Zwischen den Fäserchen sieht man
zahlreiche , ohne Ordnung zerstreute ovale Kerne. Die hinteren
Fäserchen des Nervens steigen am inneren Rande der Myomeren
gegen die Bauchfläche herab , wo sie sich in den Muskeln ver-
zweigen.
Vordere Nerven. — Aus der vorderen Spitze der Hirn-
erweiterung entspringen mit einer gemeinsamen Wurzel zwei Nerven
(b, Fig. 150 und 153 a. f. S.), welche anfangs parallel mit einander
in der Vorderflosse verlaufen, und erst nach einiger Zeit Zweige ab-
geben, die sich bis zum freien Rande der Flosse verästeln. Diese
Nerven bilden das erste Paar; etwas hinter ihnen sieht man die
dicken Wurzeln des zweiten Paares (c, Fig. 150 und 153), die schon
zum Theil von den Muskeln verdeckt werden. Diese Nerven ver-
ästeln sich bald und versorgen die Seiten der Flosse und die Um-
gebung der Mundöflfnung. Ihrer Gesammtanordnung nach rcpräsen-
tiren diese beiden Nervenpaare einen einzigen sensiblen Nerven, dessen
dorsaler Ast von dem ersten , der ventrale von dem zweiten Paare
dargestellt würde.
Amphioxiis.
361
Roh OD (s. Literatur) hat noch ein drittes Nervenpaar beschrieben
und abgebildet, welches unmittelbar hinter dem zweiten entspringen
soll. Wir haben dasselbe nicht zur Anschauung bringen können.
Fio-. 153.
—r
Vorderende zur Vevanschaulichung der Nerven, a, Eiechgrübchen ; ^, erstes Nerven-
paar; c, zweites Nervenpaar; f/, Augenfleck; e, Ganglienzellen an den Nerven-
endigungen; /, Chorda; (/ , Rückenmark; A , Flossenstrahlen ; i, Ausatzlinien der
Mvocommen.
Sinnesorgane. — Sie sind höchst einfach. I\Ian kann Tastzellen
in der Kopfregion, Geschmackszellen auf den Papillen des Muskel-
ringes unterscheiden, der die Mundhöhle von dem Kiemenkorbe trennt;
man findet ferner einen Augenfleck und ein uupaares Wimperbecher-
chen, vielleicht Riechorgan. Ein Gehörorgan fehlt gänzlich.
Ta st Zellen. — Wir sagten schon bei Gelegenheit der Tegu*
mente, dass gewisse Zellen in der Epidermis der Vorderflosse steife
Härchen tragen und mit dem Ende eines Xervenfäserchens in Verbindung
stehen. Aehnliche Zellen findet man auch, aber in geringerer Menge,
auf der Hinterflosse. Es sind wohl Tastzelleu. Die Nervenendigungen
in- der Vorderflosse bieten ausserdem besondere Bildungen, die man
durch Behandlung mit sehr verdünnter Kalilauge, welche die Gewebe
sehr durchsichtig macht, leicht zur Anschauung bringen kann. Man
sieht dann am Rande der Flosse schon bei geringer Vergrösserung,
und zwar meist in der Gabelung zweier aus einander weichender
Nervenfasern kleine, runde oder ovale, durchsichtige Ganglienzellen
(e, Fig. 153), in welchen man meist einen ovalen Kern unterscheiden
kann. Häufig sieht mau auch, aber nur unter starken Vergrösserungen,
nahe an dem Ende eines Nervenfäserchens eine von kurzen und sehr
feinen Linien gebildete Figur in Form eines Winkels oder eines Kreuzes.
362 Wirbeltliiere.
Ge seil m ackszellen. — Sie finden sich vorzugsweise auf den
Fransen, welche auf dem hinteren Rande des Muskelringes sitzen, der
die Mundhöhle von dem Kiemenkorbe trennt ((7, Fig. 154). Auch auf
den Cirrhen des Tentakelkranzes finden sich solche Zellen , die auf
dem freien Ende ein steifes Härchen tragen und deren Basis sich in
einen laugen Faden fortsetzt, welcher schliesslich zu einem der zahl-
reichen Endzweige der Nerven geht, die in der dicken Unterhaut-
schicht verlaufen, welche den Tentakelkranz umgiebt. Auf den Fransen,
des Muskelringes stehen diese Geschmackszellen kranzförmig auf kleinen
Erhöhungen der Haut.
Sehorgan. — Man spricht gewöhnlich als das Rudiment eines
solchen einen unmittelbar auf dem Ende der Markerweiterung sitzen-
den Pigmentfleck an (/, Fig. 148; d, Fig. 153), dessen Umrisse sehr
unregelmässig sind. Meist ist dieser Fleck einfach in der Mittellinie
gelegen ; man hat aber auch zuweilen zwei Flecke gesehen. Das Pig-
ment besteht aus kleinen , dicht au einander gedrängten schwarzen
Körnchen, de Quatrefages (s. Literatur) hat einen Sehnerven und
eine Krj^stalllinse beschrieben und abgebildet. Gegenwärtig hat man
diese Ansicht verlassen und betrachtet sogar den Fleck als eine Fort-
setzung der oben beschriebenen Pigmentflecke im Inneren des Rücken-
markes. Auf Querschnitten sieht man den Fleck unmittelbar auf der
Nervensubstanz aufsitzen ; bei einem jungen Individuum fanden wir
ihn sogar ganz von Nervensubstanz umgeben und nahe am Grunde
der Erweitening eingebettet.
Wir müssen hier eines Organes erwähnen, das Hasse (s. Litera-
tur) als ein Sehorgan anspricht. Er fand bei einem Amphioxus aus
der Südsee auf beiden Seiten des Körperendes Pigmentflecke, die unter
der Lupe wie kleine Becherchen aussahen. Wir haben bei unseren
Exemplaren nichts der Art finden können. Wohl aber sieht man
häufig im Tegumente der Seiten und Enden Ablagerungen eines gelb-
lichen Pigmentes, die aber mit Sehorganen nichts gemein haben.
Riechorgan. — Dieses vonKöllicker entdeckte Organ besteht
in einem kleinen, meist auf der linken Seite über dem Augenflecke
liegenden Becherchen (a, Fig. 153), das mit ziemlich langen Wimpern
besetzt ist und durch einen Nerven mit der Hirnerweiterung zu-
sammenhängt. Auf Querschnitten sieht man , dass das Grübchen eine
tiefe Einstülpung des Tegumentes ist, deren Boden fast neben der
Hirnerweiteruug liegt und mit dieser durch einige Fädchen verbunden
ist. Die Function als Geruchsorgan ist ziemlich zweifelhaft. Einige
Forscher betrachten, wahrscheinlich mit mehr Recht, das Grübchen
als den letzten Rest des embryonalen Rückenporus, das in den primi-
tiven Nervencanal führt.
Verdauungs- und Respirationssystem. — Durchaus unter-
halb der Chorda gelegen , erstreckt sich dieses System als ein langer
Aniphioxiis.
363
Schlauch, der vorn durch eiue Längsspalte, den Mund, geöffnet ist,
bis zum asymmetrisch, meist auf der linken, zuweilen auch auf
der rechten Seite der Mittellinie am Anfange der Endflosse gelegeneu
After. Man kann folgende Abschnitte unterscheiden: die Mundhöhle
mit ihrem Tentakelkranze und dem sie abschliessenden , mit Fransen
besetzten Muskelring; den fast über die Hälfte der Körperlänge sich
erstreckenden Kiemenkorb; den Blinddarm, welcher am Ende des
Kiemenkorbes sich abzweigt und auf der linken Seite desselben fast
bis zum Muskelringe der Mundhöhle sich ausdehnt, und endlich den
Darm, der in gerader Linie sich zum After erstreckt. Da ein be-
deutender Theil des ganzen Tractus von dem Athemorgane ein-
genommen ist, müssen wir dieses mit dem eigentlichen Darmcauale zu-
sammen behandeln.
Die Mundhöhle bildet eine weite, auf der Bauchfläche durch
eine Längsspalte geöffnete Tasche (a, Fig. 139). Der Mund ist von
Fio-. 15-i
Vordertheil eines Exemplars, Jessen linke Seitenmuskelu weggenommen sind, etwa
30 fach vei-grössert. u, Tentakelkranz ; b, Ringmuskel; c, fingerförmige Flimmer-
wülsto ; d, auf dem Rande der Oeffnung des Ringmuskels sitzende Fäden ; e, Kiemen-
korb; /, spaltenloser Aljsidinitt des Kiemenkorbes; </, Chorda; Ji, Seitennuiskeln ;
•/, Flossenstrahlen ; l-, Rückenmark ; l, Augentleck.
einer Anzahl von Stäbchen umgeben, welche auf einem unvollständigen
Knorpelringe (a, Fig. 154) aufsitzen. Dieser Tentakelkranz liegt hori-
zontal; er ist nach vorn geöffnet, nach hinten geschlossen, verdickt
sich hier bedeutend und vereinigt sich mit dem Fransenmuskel
(&, Fig. 154). Die Decke der Mundhöhle wird theilweise von der
Unterfläche der Chorda, theilweise von den letzten Enden der Myo-
meren hergestellt; ihre sehr dünnen Seitenwände werden nur von
den Tegumenten gebildet. Die Mundhöhle ist innerlich von einem
Schleimhautepithel überzogen.
364
Wirbelthiere.
Der Tentakelkranz hat also die Form eines nach vorn ge-
öffneten Hufeisens, das scheidenartig von den Tegumenteu umhüllt
ist. Die den Kranz zusammensetzenden festen Theile hahen alle die-
selbe Form , werden aber nach vorn zu kleiner. Jedes Glied besteht
aus einem halb knorpeligen Cylinder (a, Fig. 155), dessen convexes
Hiuterende in das concave Vorderende des nächsten Stückes eingelenkt
ist. Vom Vorderrande eines jeden Gliedes geht auf der Innenseite ein
langes, cylindrisches Stäbchen aus Q), Fig. 155), das sich an seinem
freien Ende zuspitzt. Bei einem erwachsenen Exemplare zählt man
34 solcher Stäbchen; ihre Zahl scheint mit dem Alter zuzunehmen.
Alle diese Stücke werden am Grunde durch einen Muskelring ver-
bunden, der hinten am mächtigsten ist.
Fig. 155.
Stück des Teiitakelkranzes. Verick, Oc. 1, Obj. 2. a, Skelettstück der Basis;
b, seine Verlängerung ; c, Muskel, der sämmlliclie Stücke vertjindet ; d, kegelförmige
" Erhebungen des Epitheliums e.
Untersucht man mit stärkeren Vcrgrösserungen die Sti'uctur dieser
Skeletttheile, so findet man eine grosse Aehnlichkeit mit der Structur
der Chorda. Man sieht in der That eine Innensubstanz mit Quer-
streifen und eine sich wenig färbende Hülle, die mit der Chorda-
scheide Aehnlichkeit hat. Das Ganze ist mit einer Fortsetzung des
äusseren Körpertegumentes überkleidet, worin man aber Cylinderzellen
findet, die auf den Seiten der Stäbchen Wärzchen oder Kegel bilden,
in welchen die Zellen eine bedeutende Länge erreichen und mit ihren
Spitzen gegen den Gipfel der Wärzchen convergiren (c/, Fig. 155). An
lebenden Exemplaren sieht man Wimpern und steife Endhärchen, die
Amphioxiis. 365
Langerhans (s. Literatur) beschrieben und abgebildet hat; die Zellen
laufen in ein Nervenfädchen aus; es sind die obenerwähnten Geschmacks-
zellen. Man zählt etwa 35 solcher Geschmackskegel auf einem Stäbchen.
Untersucht man einen Querschnitt der Basis des Tentakelkranzes,
so sieht man auf der äusseren Seite das Tegument, auf der inneren
das Mundepithel. Der dicke Kern des Schnittes wird von der Muskel-
masse und dem durchschnittenen Skelettgliede eingenommen , aber
zwischen diesem Kern und den Wandungen sieht man einen leeren
Raum, welcher allseitig mit einer feinen Membran ausgekleidet ist, die
sehr abgeplattete Kerne enthält. Diese Bildung erinnert an die Seiten-
canäle, und in der That sind diese Hohlräume directe Fortsetzungen
der Seitencanäle. Verfolgt man unter dem Mikroskope die Einlenkung
der Stäbchen auf den Basalgliedern des Tentakelkranzes, so sieht man,
dass diese Räume sich an dem Stäbchen in die Höhe ziehen bis zu
dem spitzen Ende, und auf Querschnitten sieht man den Canal als
einen dreieckigen Raum, der unmittelbar dem Knorpelstäbchen anliegt.
Die Wände der Mundhöhle zeigen je nach den Gegenden
mancherlei Verschiedenheiten der constituirenden Elemente. Am Ein-
gange sind die auskleidenden Zellen cubisch und einschichtig, denen
des Tegumentes ähnlich. Weiter nach hinten findet man au den
Wänden des Grundes ziemlich bedeutende Anhäufungen eines roth-
braunen Pigmentes. Die Zellen des Daches verlängern sich ungemein
und werden fadenförmig. Sie werden mehrschichtig und bilden an
den Seiten des Grundes fingerförmige Streifen (c, Fig. 154), die man
schon mit der Lupe sieht. Nach Beobachtungen an lebenden Thieren
tragen diese Zellen lange Wimpern, deren Bewegungen besonders den
Strom des eintretenden Wassers in den Schlund befördern sollen.
Uebrigens flimmert das Endothelium des gesammten Darmtractus.
Wir müssen hier noch einer eigentlichen Bildung gedenken , die
man auf der Aussenseite der rechten Mundwandung an der Chorda
bemerkt (s, Fig. 140). Man sieht hier einen ziemlich langen Hohl-
raum, der sich zwischen der Costallamelle der Chordascheide und der
Muudwandung hinzieht und mit einer feinen Haut ausgekleidet ist,
die abgeplattete Kerne enthält. Auf der Innenwand dieser Höhle
finden sich knospenartige, zuweilen verästelte Wucherungen, die in
den Hohlraum vorspringen. Das unterliegende Mundepithel zeigt
ebenfalls aussergewöhnliche Wucherungen. Der diese Bildungen ein-
schliessende Hohlraum ist nach vorn blind geschlossen, setzt sich aber
nach hinten in den Seitencanal an dem Punkte fort, wo der Fransen-
muskel die Mundhöhle gegen den Kiemenkorb abschliesst. Die Be-
deutung dieser Bildung ist noch dunkel. Langerhans betrachtet
sie als ein Diverticulum der Aorta, Rolph (s. Literatur) als eine Drüse.
Vielleicht ist es der degenerirte Rest der Kopfniere, des Pronephros
der übrigen Wirbelthiere. Dem äusseren Ansehen nach ist die Bil-
366
Wirbelthiere.
düng drüsiger Natur und in der Nähe verläuft ein grosses Blutgefäss,
das wobl ein Ast der Aorta sein mag. Auf der linken Seite der Chorda
sieht man au dem entsprechenden Orte nur einen engen Raum ohne
innere Wucherungen (f, Fig. 140).
Der Rin gm uskel der Mundhöhle scheidet dieselbe gegen den
Kiemenkorb ab. Es ist eine dicke, fleischige Masse (b, Fig. 154), die
sich oben an die Chorda, seitlich an die Myomeren und unten an den
Bauchmuskel anlehnt, mit dem sie verschmilzt (d, Fig. 154). Die
Vorderfläche des Muskelringes ist mit braun pigmentirten Zellen aus-
gekleidet. Auf den Lippen der centralen Oefi'nung dieses Muskelringes
sitzen lauge, zungenförmige Fäden, die meist in den Kiemenkorb
hineinspielen {d, Fig. 154). Der Rand der Oeffnung wird durch einen
Knorpelriug gestützt, von welchem Knorpelfäden in die kleinen hin-
teren Tentakeln ausstrahlen. Letztere sind von verschiedener Länge ;
ihr inneres Knorpelfädchen ist mit einem Cylinderepithelium über-
zogen. Mit starken Vergrösserungen glaubt man auch Muskelfasern
an den grösseren Tentakeln zu erkennen. Off'enbar vermitteln auch
diese Bildungen Geschmacksempfindungen, denn man findet auch hier
Härchenzellen, den beschriebenen Geschmackszellen ähnlich. Die Ten-
takeln spielen oft auch in die Mundhöhle.
Der Kiemenkorb (c/, Fig. 138; e, Fig. 154) erstreckt sich vom
Ringmuskel bis zur Abgangsstelle des Blinddarmes durch die Mitte
der Leibeshöhle in Gestalt eines
von beiden Seiten her stark
durch den Blinddarm und die
Geschlechtsorgane zusammenge-
drückten Rohres, das oben an
der Ventralfläche der Chorda
aufgehängt ist. Der ganzen
Länge nach verlaufen zwei Rin-
nen, eine obere , die E p i b r a n -
c h i a 1 r i n n e , und eine untere,
die II y p 0 b r a n c h i a 1 r i n n e (?', u\
Fig. 142). Schon mit blossem
Auge sieht man schiefe, von
oben und vorn nach hinten und
unten gerichtete Linien als Aus-
druck kleiner, mit Epithelien
ausgekleideter Knorpelstäbe, die
durch kleine Querleisten mit
einander verbunden sind (Fig.
Q," 1. 1 ci 1 ^i 1 !-■ ,1 . 156). Sie bilden das Gerüst
btuck des Skelettes des Jvicmenkorlies. a, ein- ^
fache Stäbchen; &. zweispaltige Stäbchen, tles Korbes und lassen zwischen
(Der Kopf ist nach rechts gerichtet zu denken.) sich eine bestimmte Anzahl von
Fio-. 156.
Ampliioxus. 367
Spalten, durcli welche das vom Munde her eingedrungene Wasser in
die Peribranchialhöhle abläuft, um sodann durch den Abdominalporus
entleert zu werden. Der vorderste Abschnitt des Korbes zeigt keine
Kiemenspalten (/, Fig. 154), sondern eine lückenlose Wand, welche die
Stäbchen umhüllt. Wir werden auf diese Bildung zurückkommen.
Um das Kieraengerüst für sich zu untersuchen, breitet man ein
ausgeschnittenes Stück auf dem Objectträger aus und giesst sehr ver-
dünnte Kalilauge darüber. Nach einiger Zeit sind die übrigen Gewebe
gelöst und das Gerüst allein übrig. Es besteht aus etwa 240 langen,
durch Querleisten verbundenen Stäbchen, deren mau zwei Arten unter-
scheiden kann, die mit einander abwechseln, einfache (a, Fig. 15(3)
und zweispaltige (&). Das obere Ende eines jeden Stäbchens spaltet
sich in zwei Fäden , die im Bogen sich krümmen , um sich mit den
benachbarten Stäbchen zu verbinden. Die zweispaltigen Stäbchen
sind länger als die anderen ; sie spalten sich auch am unteren Ende in
zwei auseinander liegende Fäden, während die einfachen spitz ohne
Gabelung enden. Der Bau ist derselbe auf der ganzen Länge des
Kiemenkox'bes, nur werden die Stäbchen kürzer an beiden 'Enden.
Die Theile des Gerüstes sind unter sich beweglich , der Muskel-
apparat complicirt. Man unterscheidet leicht bei der Profilansicht
einen musculösen Längsstreifen auf der ganzen Bauchfläche des Korbes.
Langerhans beschreibt Muskelfäserchen, die von den spitzen Enden
der einfachen Stäbchen ausgehen und sich an den Gabelenden der
zweispaltigen ansetzen. Längs der dorsalen Mittellinie verläuft eben-
falls ein Muskelstreifen, wie auf der ventralen Linie. Eohou (s. Lite-
ratur) erwähnt Muskelfäserchen, die der Länge nach an den Stäbchen
verlaufen, andere zwischen den Stäbchen und endlich noch Fasern, welche
in der dorsalen Region des Korbes in den Zwischenräumen zwischen den
Stäbchen sich finden sollen. Wir haben letztere nicht constatiren können.
Zur genaueren Untersuchung der Structur im Ganzen muss man
Schnitte zu Hülfe nehmen. Wir sahen schon , dass der Kiemenkorb
in einem kleinen, vordersten Abschnitte (Fig. 141) keine Spalten zeigt.
Das Epithelium, welches die Wandung auskleidet, die der Ventralseite
der Chorda angeheftet ist, besteht aus kleinen Cylinderzellen mit
grossen, der Basis der Zelle genäherten Kernen, die sich stark färben.
Diese Schicht kleidet nur den medianen Theil der Chordascheide aus
und löst sich bald im Bogen ab, um die Innenfläche des Kiemenkorbes
zu überziehen. Dabei werden die Zellen sehr hoch und dickwandig;
sie ruhen dann auf einer Schicht, in welcher man von oben nach
unten verlaufende Fasern unterscheiden kann, und diese Schicht ist
wieder gegen die Peribranchialhöhle hin mit einer dünnen Haut über-
zogen, die sehr abgeplattete Kerne enthält. Die Faserschicht erstreckt
sich über die ganze Länge des Kiemenkorbes und bildet seine Grund-
lage. Die sie auskleidenden Cylinderzellen sind nicht überall gleich
368
Wirbelthiere.
hocli, so dass sie wellige Erhöhungen und Thäler bilden. Gegen die
Bauchfläche hin verlässt die äussere Hülle den Kiemenkorb und schlägt
sich nach der Bauchwand hinüber, wo sie sich mit der Costallamelle
verbindet; sie bildet so jederseits eine horizontale Scheidewand
(f-, Fig. 141), die eine Kammer abschliesst, in welche das Athemwasser
nicht eindringen kann. Da das Peritoneum in der Mittelebene dorsal
an der Chorda, ventral an dem Schliessmuskel des Bauches befestigt
ist, so entstehen durch diese horizontalen Scheidewände vier Kammern
oder Taschen, zwei obere mit geschlossenen Wandungen , zwei untere,
in welche das durch die Kiemenspalten fliessende Wasser eindringen
kann. In der That umgreifen die unteren Taschen den ventralen Theil
des Kiemenkorbes mit seiner Hypobranchialrinne und den durch die
Spalten von einander getrennten Stäbchen des Korbes, Wie derselbe
Schnitt zeigt, ist die Epibranchialrinne noch nicht ausgebildet, während
die Hypobranchialrinne schon entwickelt ist. Man könnte demnach mit
vollem Rechte die oberen Kammern als Epibranchialtaschen (^•^) be-
zeichnen und den Namen der Peribranchialtaschen (t^) den unteren
Kammern lassen, um so mehr, als die Epibranchialtaschen von vorn nach
hinten an Grösse abnehmen und allmählich fast ganz verschwinden.
In einem weiter nach hinten gelegten Schnitte (Fig. 142) sehen
wir bedeutende Aenderungen. Die beiden Mittelrinnen, Epi- und Hypo-
branchialrinne {v, tu), sind vollständig ausge-
bildet; die ganzen Wandungen des Kiemen-
korbes sind von den Knorpelstäbchen mit den
dazwischen liegenden Spalten gebildet. Die
horizontalen Scheidewände, welche die oberen
und unteren Kammern trennen, gehen fast am
unteren Rande der Epibranchialrinne (ü) ab; die
senkrechten, ventralen Scheidewände sind ver-
schwunden , so dass die beiden Peribranchial-
taschen (^■*) in einen einzigen Raum zusammen-
geflossen sind, der nur hier und da durch un-
beständige Falten getrennt wird, welche die
peritonealen Ueberzüge der Ovarien und des
Darmes mit der Costallamelle der Bauch wand
verbinden.
Betrachtet man ein in Canadabalsam auf-
gehelltes Präparat des Kiemenkorbes von der
Seite , so sieht man auf jedem Knorpelstäbchen
eine Längslinie , als wenn es in zwei Hälften
gespalten wäre. Auf Querschnitten (Fig. 157)
zeigt sich aber, dass diese Linie nur der optische
Ausdruck eines Hohlraumes ist, welcher das
Stäbchen durchzieht (e). Der Querschnitt eines
Querschnitt eines Kiemcn-
bogens. Verick, Oc. 1,
Obj. 6. «, Skelett; i, Blut-
canal ; c, Epitbelium dov
Seiten; (/, äusseres Epi-
tbelium; e, innerer Spalt;
/, Fortsetzung des 151ut-
canales b.
Amphioxus.
569
Stäbchens zeigt die Form eines Dreieckes, dessen Basis nach aussen
schaut, während die gegenüberliegende stumpfe Spitze etwas erweitert
ist. Die mittlere Höhle (e) wiederholt die Form des Stäbchens; an
dieses legt sich das Blutgefäss (b) an. Die Epithelialbekleidung eines
jeden Bogens lässt sich in zwei Abtheilungen scheiden: eine äussere (d),
aus durchsichtigen, cubischen Zellen bestehend, deren Kerne regellos
vertheilt sind, und eine innere (e), welche die Seiten und die Innen-
fläche des Stäbchens überzieht ; die Zellen der letzteren sind sehr lang,
tragen Wimpern , und zeigen an ihrer Basis mehrere Reihen runder
Kerne. Die Anordnung dieser Zellenbekleidung erleidet einige Modi-
ficationen im oberen Theile des vorderen Abschnittes des Kiemen-
korbes. Sie tritt, wie Fig. 142 zeigt, mit dem Peritonealepithelium
in Verbindung, welches auf den Kiemenkorb übergeht und sich an
jeden zweiten Bogen inserirt, indem sie die dazwischen liegenden
frei lässt; sie bildet auf diese Weise eine Reihe von Spitzbogen (c),
Fia;. 158.
Querschnitt durch den Rückentheil des Kiemenkorbes. Yerick, Oc. 3, Obj. 2.
a, Riiekenwand der Epibranchialrinne ; b, c, Seitenwände derselben ; d, Gewebe zwischen
Einne und Chordascheide ; e, Schutzlamelle der Rinne ; J", Chordascheide ; g, dorsaler
Theil des KiemenTiOrbes ; h, Costallamelle ; i, Epibranchialtasche.
welche die Körperhöhle verengen; weiter nach unten hin legt sich
die Membran an die Bauchwand an und bildet so die obere Decke der
Peribranchialhöhle.
Die Epibranchialrinne (r, Fig. 142) erstreckt sich über die
ganze Länge des Kiemenkorbes und liegt der Chorda fast unmittelbar
an. Ihre dicken Wände fallen auf Querschnitten sofort auf. In voller
Entwicklung (Fig. 158) bildet sie einen tiefen, nach unten gegen die
Kiemenhöhle geöffneten Canal, der von einer dorsalen Mittelrinne (a)
und zwei Seitenwänden (b. c) gebildet wird, die in rechten Winkeln
zusammenstossen. Die Rückenwand lehnt sich an die Chordascheide
zwar an , ist aber von ihr durch ein eigenthümliches Gewebe ge-
trennt {(l) , welches von dem der Chordascheide sehr verschieden ist.
Vogt u. Yuiig, prakt. vergl. Anatomie. II. 24
370 Wirbeltliiere.
Man sieht darin zahlreiche Pünktchen, die wohl von durchschnittenen
Fäserchen herrühren mögen. Die Rückenwand der Rinne ist mit langen,
cylindrischen Wiraperzellen ausgekleidet, die in der Mitte am kürzesten
sind. In den Seitenwänden werden diese Zellen ausserordentlich dick
und lang. Von aussen sind die Seitenwände mit einer structurlosen
Lamelle (e) überzogen , in der man nur hier und da rundliche oder
ovale Lücken sieht. Die ganze Aussenseite der Rinne ist von einer
dünnen Membran mit deutlichen Kernen überzogen, die nach unten
hin plötzlich endet, indem sie sich mit der Oberwand des Kiemen-
korbes verbindet. Nach oben hin legt sich die Membran an die
Chordascheide an und verschmilzt mit der Costallamelle derselben.
Die unteren Ränder der Rinnenwände krümmen sich etwas nach oben
zurück, die Zellen nehmen hier nach und nach an Grösse ab und
gehen in diejenigen des Kiemenkorbes über.
Man findet fast immer in der Epibranchialrinne eine ziemliche
Menge von Nahrungsstoffen und kleinen Sandkörnchen zum Beweise,
dass sie der Hauptweg für die Nahrung und schliesslich nichts Anderes
ist, als der ventralwärts durch einen Schlitz geöffnete Oesophagus,
dessen Lippen sich vielleicht gegen die Kiemenhöhle durch Aneinander-
legen abschliessen können in ähnlicher Weise, wie die Cardialrinne
des Magens der Wiederkäuer. Diese Annahme wird auch durch den
Umstand bestärkt, dass die Rinne, wie wir später sehen werden, sich
direct in den Darm fortsetzt.
Mit Ausnahme der beiden Enden bleibt sich die Rinne in ihrer
ganzen Erstreckung gleich. Aber im Beginne, so lange man noch an
dem Kiemenkorbe zwei Abtheilungen unterscheiden kann, eine obere
ohne Spalten und eine untere mit Kiemenspalten , ist die Rinne noch
nicht ausgebildet und das Epithelium der Mundhöhle setzt sich ohne
bemerkliche Aenderung in das Epithelium des undurchbohrten Ab-
schnittes fort. Ob es Wimpern trägt, kann man an Alkoholexemplaren
nicht feststellen. Weiter nach hinten ändert sich der Anblick; die
Seitenwände treten hervor, nähern sich, verengern den Raum der
Rinne und tragen lange Wimpern. Li diesen Zellen sieht man
am äusseren Grunde mehrere Reihen von Kernen und die kernlosen,
inneren freien Enden der Zellen erscheinen wie eine durchsichtige
Zone.
Auch am hinteren Ende des Kiemenkorbes ändert die Rinne ihre
Structur. Während die sie bildenden Zellen sich verkürzen, weichen
die Lippen mehr und mehr auseinander und umspannen etwa das.
Drittel des Kiemenkorbes, der allmählich enger wird, aber auf seiner
unteren Hälfte noch Kiemenspalten trägt. Je mehr dieser Theil
schwindet, desto mehr umgreifen die Ränder der Rinne denselben und
so schliesst sich endlich das Darm röhr ab, indem die histologische
Structur dieselbe bleibt.
Amphioxus. 371
Die Hypobranchialrinne (lo , Fig. 142) erstfeckt sich als
weit geöffnetes Halbrohr über die ganze Länge des Kiemeukorbes in
der unteren Mittellinie , wo sie durch die gekrümmten Enden der
Kiemenbogen gestützt wird. Querschnitte lassen ihren Bau erkennen
(Fig. 159). Die unteren Eänder der Seitenwände des Kiemenkorbes
krempen sich etwas nach oben ein , so dass die Rinne meist auf einer
erhabenen Leiste verläuft. Diese Erhebung erreicht ihre grösste Höhe
im vorderen Abschnitte des Kiemenkorbes, wo die Einne fast nach
oben gewölbt erscheint. Ausser den unteren Enden der knorpeligen
Kiemenbogen, welche die Rinne stützen, besitzt diese noch ihr beson-
deres Skelett in einer knorpeligen, auf den unteren Enden der Kiemen-
bogen aufliegenden Hohlkehle (a) , deren Grund weit dicker ist als
ihre Ränder, auf deren beiden Flächen sich eine spärliche Reihe platter
Fio-. 159.
«?
^^ v\
Querschnitt durch den Bauchtheil des Kiemenkorbes. Verick, Oc. 3, Obj. 2. a, Skelett
der Hypobranchialrinne ; b, Zonen langer Zellen; c, Zonen von Wimperzellen ;
d, Kiemenbogen ; e, Wimpern der Zellenzone c ; /, Blutgefäss ; g, Kerv ; h, Hüll-
membran des Skelettstückes der Rinne; i, "Wand des Kiemenkorbes; Je, Peribranchial-
raum.
Kerne bemerken lässt. Auf der Hohlkehle sitzt ein Epithelium , das
aus zweierlei Arten von Zellen gebildet ist. Man findet nämlich vier
Längsstreifen unter sich gleicher Zellen, welche durch fünf anders ge-
bildete Streifen getrennt werden, von welchen die beiden äussersten in das
allgemeine Epithelium des Kiemenkorbes übergehen. Die vier Längs-
streifen (b) sind der Medianlinie der Rinne genähert; auf Querschnitten
erscheinen sie wie runde Massen. Die sie zusammensetzenden, mehr-
kernigen Cyliuderzellen sind sehr lang; ihre freien Enden ragen von
einander gesondert in den Raum der Rinne hinein. Die Zellen der
dazwischen verlaufenden Streifen (c) sind sehr verschieden und gleichen
durchaus den Epithelialzellen der Epibranchialrinne; sie sind in der
24*
372 Wirbelthiere.
Mitte der Streifen länger als an den Rändern, besitzen ebenfalls meh-
rere Reihen von Kernen am Grunde, tragen aber auf ihrem freien
Ende lange Wimpern.
Die Hypobranchialrinne zeigt an ihren beiden Enden einige Mo-
dificationen. Lange vor dem Auftreten der Epibranchialrinne sehen
wir schon in dem undurchbrochenen Theile des Kiemenkorbes auf dessen
Boden xlenderungen des Epitheliums, welche die Rinne einleiten. Die
Zellen werden hier länger, ihre Zwischenwände deutlicher und aus
dem noch überall flimmernden Epithelium treten allmählich die oben
beschriebenen vier Längsstreifen hervor, während die Rinne sich diffe-
renzirt. Nach hinten hört die Rinne mit dem Kiemengerüste über-
haupt auf; die Zellen, welche sie auskleiden, verlieren ihren speciellen
Charakter und die knorpelige Hohlkehle verschwindet.
Wie schon bemerkt, zweigt sich der Leberblinddarm (a?, Fig. 142
und 143) unmittelbar hinter dem Kiemenkorbe von dem kaum ge-
schlossenen Darme ab und erstreckt sich nach vorn, indem er sich von
der Unterfläche des Kiemenkorbes auf die rechte Seite desselben
zwischen ihm und der Bauchwand einschiebt. Die Lagerung ist nicht
ganz beständig; man hat den Blindsack auch zuweilen auf der linken
Seite gesehen. Es ist ein vorn blind geschlossener, in den Darm sich
öffnender, abgeplatteter Schlauch, der rundum von einer feinen Peri-
tonealhülle aus platten Zellen umgeben ist. Seine Wände sind sehr
dick , der innere Hohlraum nur eng. Die Structur ist durchaus die-
selbe, wie die der Epibranchialrinne und des Darmes selbst. Die
Wände der langen Epithelialzellen sind wenig deutlich ; das Proto-
plasma feinkörnig; die Kerne liegen alle in demselben Niveau, und da
sie sich stark färben, bilden sie auf einem Querschnitte eine dunkle
Zone; zuweilen sieht man noch eine dünne, innere Zone, die aus einer
einfachen Zellenschicht gebildet ist. Man sieht in ihm keine Spur
von Elementen , welche auf eine absondernde Thätigkeit schliessen
lassen könnten; da er ganz dieselbe Structur wie der Darm besitzt,
scheint er nur dessen Oberfläche zu vergrössern und den fehlenden
Magen zu ersetzen ; aber anderseits findet man in ihm auch keine
Nahrungsstoffe oder Reste derselben.
Der geradlinig verlaufende Enddarm (v, Fig. 138) erstreckt
sich vom Ursprünge des Blinddarmes zum After und zeigt überall
dieselbe Structur. Man findet fast stets Nahrungsreste in seiner Höhle.
Die Wände sind häufig stark gefaltet (0 , Fig. 144) oder gewellt.
Wahrscheinlich ist die Einwirkung der Härtungsmittel der Grund
dieser Faltung, denn die Nahrungsreste, welche dieser Einwirkung
widerstehen, bilden cylindrische Massen mit regelmässigen Conturen.
Das Endothelium trägt Wimpern, die man noch auf den Querschnitten
erkennen kann. Abwäi-ts vom Abdominalporus nimmt der Darm rasch
an Durchmesser ab; zugleich löst er sich von der Chorda, welcher er
Amphioxus. 373
bis dahin angeheftet war, und nähert sich den unteren Bauchdecken.
Wie ohen bemerkt, befindet sich der After seitlich von der Mittellinie
am Anfange des Bauchlappens der Schwanzflosse. Der Enddarm ist
vollständig von einer Peritonealhülle (£-, Fig. 143 und 144) umschlossen,
untei" welcher zahlreiche Blutgefässe verlaufen. Die Peritonealmembran
setzt sich auf der Rückenfläche aus mehreren Zellenschichten zu-
sammen und bildet unter der Chorda deutliche Falten. Auf dem
Darme wird sie nach und nach dünner und zeigt nur noch zwei oder
drei Zellenschichten. An mehreren Stellen setzt sie zur Costallamelle
über und erhält so den Darm in seiner Lage. Die Structur des Darmes
ist überall dieselbe. Das Endothelium besteht aus unmässig langen
Wimperzellen, die auf einer sehr dünnen Basalmembran aufsitzen.
Etwas vor der Afteröffnung plattet sich der Darm seitlich ab, zeigt
stärkere Faltungen, gleitet auf die Seite der Mittelebene und lässt so
einen leeren Raum zwischen sich und den seitlichen Körpermuskeln.
In diesen Raum, der nach aussen weit geöffnet ist (y, Fig. 145), mündet
von der Seite her der After. Vor diesem bemerkt man in dem Räume
zwischen dem Darmende und den Körpermuskeln einen Quermuskel
{'y\ Fig. 145), der die hintere Lippe der Afteröffuung bildet. Diesen
Muskel hat man den Afterschliesser (Sphincter ani) genannt. Er kann,
wie leicht ersichtlich, nicht die ganze Afteröffnung, sondern nur einen
Theil und zwar den hinteren schliessen.
Kreislauf. — Die Untersiichung bietet aussergewöhnliche
Schwierigkeiten. Injectionen sind kaum ausführbar; um den Kreis-
lauf im Ganzen zu übersehen, muss man junge, lebende Exemplare
zur Disposition haben, bei welchen man direct unter dem Mikroskope
das Blut in Gefässen kreisen sehen kann, deren Hauptstämme con-
tractil sind und wellenartige Contractionen wie bei den Anneliden
zeigen. Das Blut ist aber vollkommen farblos und enthält nur wenig
Körperchen aufgeschwemmt. Da wir nur conservirte Thiere zu unserer
Verfügung hatten , müssen wir uns hier auf die Analyse der Beobach-
tungen unserer Vorgänger beschränken. Schnitte zeigen nur die klaf-
fenden, grossen Gefässstämme und lassen keine Verfolgung der Ver-
theilung der Gefässe zu. Präparate des Kiemenkorbes zeigen das
Bauchgefäss und die Bulbillen der Kiemengefässe. Mehr lässt sich
nicht sehen. Job. Müller und A. Schneider (s. Literatur) haben
die meisten Aufklärungen über das Gefässsystem gegeben.
Wir müssen vor allen Dingen bemerken, dass ein lympha-
tisches System existirt. Es ist indessen in dem Sinne diffus, dass
es keine Gefässe mit eigenen Wandungen besitzt, sondern ein La-
cunensystem ist. Ueberall, wo sich das Peritoneum von den übrigen
Organen ablöst, um eine Höhlung zu bilden, ist diese mit wasser-
heller Lymphe gefüllt, die sich übrigens kaum vom Blute unter-
scheiden lässt.
374 Wirbelthiere.
Nach Schneider soll ein Herz existiren, welches aus einem sehr
engen Lymphgange entstehen soll, der von einem breiteren Kiemen-
bogen abgeht, welcher dem vordersten Ende des Blinddarmes am
nächsten liegt. Von hier verlaufe das Herz nach hinten auf der dem
Schlünde zugewendeten Fläche des Blinddarmes. Dieses Herz soll
eine eigene, mit queren Muskelfasern ausgestattete Wandung besitzen, ^
die aber unlösbar mit der Basalmembran des Darmepithels ver-
schmolzen sei. Auf seinem Verlaufe längs des Blinddarmes empfinge
das Herz von jedem Kiemenbogen ein feines Lymphcanälchen; ausser-
dem zeige es seitliche, sackartige Erweiterungen. An der Abgangsstelle
des Blinddarmes vor dem Darme krümme sich das Herz in einem
Bogen nach vorn und folge nun der ventralen Mittellinie des Kiemen-
korbes, indem es sich in die Kiemenarterie fortsetze. Dieses seit
J. Müller wohlbekannte Hauptgefäss besitzt einen welligen Verlauf,
ist contractu und giebt nach links und rechts an jeden Bogen einen
Zweig ab, welcher an seinem Ursprünge eine zwiebelartige, contrac-
tile, mit queren Muskelfäserchen ausgestattete Erweiterung zeigt. Von
diesen Bulbillen aus steigen die Aortenbogen längs den Knorpel-
stäbchen des Kiemenkorbes nach oben, senden Verbindungszweige über
die Querbrücken, welche die Stäbchen verbinden, und krümmen sich,
an dem oberen Ende derselben angekommen, etwas nach hinten, um
in die an der Ventralfläche der Chorda verlaufende Aorta einzumünden.
Nach Schneider sollen sich auf der ganzen Länge des Kiemenkorbes
zwei hart an der Ventralfläche der Chordascheide angelagerte, parallele
Aorten vorfinden, eine rechte und eine linke, beide ohne Muskelfasern
und demnach nicht contractu. Nach J. Müller soll sich die Aorta
nicht nur aus den einzelnen Kiemenbogen, sondern auch noch aus zwei
vorderen, contractilen Bogen zusammensetzen, welche fast so mächtig
wären, als die Kiemenarterie selbst, und an der hinteren Fläche des
Muskelringes in die Höhe steigen , welcher die Mundhöhle von dem
Kiemenkorbe trennt. Die so gebildeten Aorten verlaufen an der oberen
Fläche des Kiemeukorbes nach hinten, vereinigen sich aber jedenfalls,
wie Querschnitte beweisen, am Ende desselben zu einem einzigen
Stamme, der sogar in der Schwanzregion in dem Skelette selbst ein-
geschlossen ist. Von dem Aortensysteme gehen dreierlei Zweige ab:
für die Körpermuskeln , für die Innenfläche der Eingeweidehöhle und
Capillargefässe für den Darm. Diese letzteren bilden auf dem ver-
dauenden Theile des Darmes Netze , welche dem in dem Gefässhofe
des Hühnerembryos entwickelten Gefässnetze ähnlich sehen.
Die Capillaren sammeln sich in ein Venen System, welches am
unteren Rande des Darmes von dem After an nach vorn verläuft. Es
fängt hinten mit fünf Parallelgefässen an, die unter einander ana-
stomosiren ; nach und nach reduciren sich diese Gefässe auf drei, zwei
und schliesslich eine einzige Vene, welche nach Müller in die Kiemen-
Amplnoxus. 375
arterie übergehen sollte. Nach Schneider aber bildet diese Vene au
ihrem vorderen Ende Zweige, die kein Blut mehr führen und schliess-
• lieh in Lymphcanäle übergehen, welche sich auf den Darmwandungen
ausbreiten. Das Ende befindet sich, nach Schneider, an der Abgangs-
stelle des Blinddarmes. Auch über die vorderen Bogen ist mau nicht
einig. Der oben gegebenen Ansicht von J. Müller entgegen be-
hauptet Schneider, dass die Kiemenarterie zwar einen vorderen, an
dem Muskelringe aufsteigenden Bogen bilde , der sich aber in den
Fäden und den "Wänden der Mundhöhle verzweige. Das Herz aber
setze sich auf der rechten Seite in einen grossen Aortencanal fort,
während auf der linken Seite kein solcher entwickelt sei. Der erwähnte
Bogen steige an der Hinterfläche des Muskelringes empor und bilde
die rechte Aorta ; die linke Aorta setze sich nach vorn in ein Gefäss
fort, das man noch bis in die Mitte der Mundhöhle verfolgen könne.
Wie man sieht, sind weitere Untersuchungen, gestützt auf directe
Beobachtung und auf , bisher noch nicht versuchte Injectionen, nöthig, um
die noch obwaltenden Widersprüche zu lösen. Wir gestehen offen,
dass das so seltsam aus Lymphgefässen gespeiste Herz Schneid er 's
uns um so grössere Zweifel lässt, als wir auf Schnitten niemals eine
Spur davon haben entdecken können.
Specielles Stützsystem. — Betrachtet man einen Amphioxus
von der Bauchseite, so findet man häufig, aber nicht immer, in der
Nähe des Abdominalporus und weiter vor demselben in der Bauch-
höhle weissliche , unter dem Tegumente in Längsrichtung gelagerte
Schläuche von verschiedener Grösse und Form mit welligen Conturen.
Wir halten diese Bildungen für parasitische Schläuche, die durch den
Abdominalporus eingedrungen sind und sich auf dem Bauchmuskel
festgesetzt haben. Einige dieser Parasiten, welche der Querschnitt traf,
sind von uns gezeichnet worden (ß, Fig. 144j.
Betrachtet man unter starker Vergrösserung einen Querschnitt
des Bauchmuskels eines Weibchens , so sieht man auf der oberen
Fläche dieses Muskels eine helle Schicht, d-eren Oberfläche mit zahl-
reichen, in einer Fieihe geordneten Zellkernen besetzt ist, während man
darunter die quer gestellten Zellwände sieht (A, Fig. 144). Dieses
Gewebe erstreckt sich in gleichförmiger Weise über den vorderen Theil
des Muskels, In der Höhe der ersten Geschlechtsmassen verlängern
sich die Zellen und werden zweischichtig; sie bilden dann eine Art
Palissade, in der man zwei Zonen von Kernen wahrnimmt, eine obere
und eine untere; die Kerne liegen an der Basis der Zellen. Stellen-
weise erheben sich diese Schichten und bilden Längszüge, in welchen
man lange Zellen sieht, die an ihrem freien Piande einen runden Kern
tragen; mit ihrer Basis ruht die Zelle auf dem Bauchmuskel. Man
kann nicht unterscheiden , ob diese Längszüge Wimpern tragen. Die
Züge verbreitern sich, nehmen die ganze Oberfläche des Bauchmuskels
176
Wirbelthiere.
rio-. 160.
ein und stützen die Ovarien. In der Nähe des Porus verbreitern sich
die Züge so , dass sie Falten werfen. Man sieht dann deutlich einen
Wulst, auf welchem der Eierstock ruht und der seitlich in die Falten-
binde übergeht, welche mit dem Bauchmuskel in Verbindung steht.
Hinter den letzten Genitalmassen nimmt dieses Gewebe noch an Mäch-
tigkeit zu; die Falten werden höher, legen sich an die Darmwand an
und bilden so zwischen dieser und dem Bauchmuskel ein lockeres,
von zahlreichen Lückenräumen durchzogenes Gewebe. Auf derPorus-
papille schwindet das Gewebe zu einer einfachen Schicht von Cylinder-
zellen zusammen.
Querschnitte eines männlichen Exemplares zeigen ein ganz anderes
Bild. Die Epithelialbekleidung des Bauchmuskels ist zwar derselben
Art wie beim Weibchen, aber weit weniger entwickelt, und man sieht
ausserdem einzelne kleine Hügel, welche bis zum Porus dasselbe Aus-
sehen haben , nicht an Grösse zunehmen , mit den Genitalmassen nicht
in Beziehung treten, aber in der Nähe der Poruswarze breiter werden
und mit einander verschmelzen. Auf Durchschnitten (Fig. 160) zeigen
diese Wülste dieselbe Struc-
tur wie bei den AVeibchen
und erstrecken sich bis in
die vordere Körperregion.
Aus der obigen Beschrei-
bung geht hervor, dass
dieses von einigen Autoreu
als Niere angesehene Or-
gan bei den beiden Ge-
schlechtern im erwachsenen
Alter verschieden ist. Da-
mit ist der Schluss ge-
rechtfertigt, dass wir es
nicht mit Nieren , sondern
mit Hülfs- oder Stützbil-
dungen der Geschlechts-
organe zu thun haben. Uebrigens liegen in der ganzen Reihe der Wirbel-
thiere die primitiven Harnorgane unmittelbar unter der Wirbelsäule
an der Decke und nicht am Grunde der Bauchhöhle. Vom Gesichts-
punkte der Lagerung aus entsprechen einzig die oben (S. 365) be-
schriebenen Bildungen dem Typus der Excretionsorgane. Was die
amöbenartigen Bewegungen betrifft, die einige Beobachter hier ge-
sehen haben wollen, so darf man sie wohl den parasitischen Schläuchen
zuschreiben.
Geschlechtsorgane. — Amphioxus ist getrennten Geschlechts,
Männchen und Weibchen lassen sich aber äusserlich nicht unter-
scheiden. Die Organe liegen auf der Ventralseite der Bauchhöhle und
.<l
Querschnitt durch einen sogenannten Nierenwulst
eines Männchens. Vericlc, Oc. 3, Obj. 7. er, Bauch-
muskel; i, äussere Zellkerne; c, innere; cZ, obere
Epithelialdecke des Bauchmuskels.
Ampliioxus.
377
Fi?. 161.
sind beinahe würfelförmig (c, Fig. 138). Mau kann sie am besten
überschauen , wenn man das Thier auf den Rücken legt. Nach vor-
sichtiger Wegnahme der Haut und des Bauchmuskels sind die beiden
Parallelreihen von Eierstöcken oder Hoden blossgelegt, welche sich
vom Anfange des Kiemenkorbes bis zum Abdominalporus erstrecken.
Das Volumen der einzelnen Massen nimmt nach beiden Enden der
Reihen hin ab. Bei einem fünf Centimeter langen Exemplare zählen
wir in jeder Reihe 26 einzelne Organe, die von einer Seite zur anderen
in ihrer Lagerung abwechseln. Betrachtet man diese Massen von der
inneren Fläche, womit sie an dem Kiemenkorbe anliegen, so sieht man,
dass sie in der Mitte der Reihe etwas höher als lang und in der Mitte
ihrer Höhe ein wenig eingeschnürt sind; die Endniassen sind würfel-
förmig. Sie werden durch einen engen, weisslichen Längscanal mit
einander verbunden , der das sie ernährende Blutgefäss ist. Mehr
kann man bei makroskopi-
scher Untersuchung nicht
sehen. Die feinere Structur
muss auf Durchschnitten
untersucht werden.
Jeder Eierstock hat
eine doppelte Wandung.
Die äussere Peritonealhülle
ist ziemlich dick und zeigt
ausser zahlreichen, läng-
lichen Kernen auch Längs-
fasern. Diese Hülle erhält
den Eierstock in seiner
Lage, indem sie ihn einer-
seits an die Bauchwandim-
gen , anderseits an den
Bauchmuskel befestigt. Sie
umgieht den Eierstock voll-
ständig wie ein Sack , so
dass die reifen Eier nur
durch Dehiscenz in die
Bauchhöhle gelangen kön-
nen. Die innere Eigenhaut des Eierstocks ist weit dünner und zeigt
keine Fasern ; sie bildet stellenweise Einschläge nach innen und theilt
so den Eierstock in strahlenförmig gestellte Kammern. Im Ovarium
finden sich Eier aller Grössen; die reifen, welche man schon mit
blossem Auge erkennen kann, drängen sich an der Peripherie zu-
sammen, die kleinsten finden sich in den Zwischenräumen und ganz
besonders im Centrum angehäuft. Sie sind rund wie die grossen, die
aber durch gegenseitigen Druck polyedrisch werden. Sie besitzen
Querschnitt durch einen Hoden. Verick, Oc. 3,
Obj. 0. a, Kindenschicht ; 6, Centralmasse mit
canahirtigen Lücken; c, innere Höhlung.
378 Wirbelthiere.
eine feine Dotterhaut und einen stark körnigen Dotter, in dessen
Mittelpunkt ein grosses , helles , rundes oder eiförmiges Keimbläschen
liegt, das einen excentrischen Nucleolus mit dicken Wänden enthält,
der oft schwärzliche Granulationen zeigt.
Die histologische Structur der H o den (Fig. 161 a. v. S.) ist schwie-
riger zu entziffei-n. Man findet hier ebenfalls zwei Hüllen ; eine äussere
Peritonealschicht, die das Organ am Platze hält, und eine innere Eigen-
haut, welche ebenfalls Einschläge bildet. Auf Schnitten sieht man,
dass derHode aus zwei Theilen besteht, einer äusseren Rindenschicht (a),
die eine ungemein grosse Menge von Granulationen enthält, welche
Zellkernen ähneln, und einer inneren, weit bedeutenderen Masse, welche
ausser zahlreichen Granulationen, die in unregelmässigen Zügen
schlauchartig geordnet sind, leere, strahlig verlaufende Zwischenräume
aufzeigt. Zwischen diesen Räumen liegen vollständig entwickelte Sper-
matozoen, deren Kopf nach Langerhans (s. Literatur) die Gestalt
eines Kartenherzens hat, in dessen Ausschnitt der fadenförmige Schwanz
eingesetzt ist. Häufig findet man an der Schwanzbasis ein kleines
Protoplasmakügelchen als Rest der Mutterzelle des Samenthierchens.
So wenig als bei den Eierstöcken findet sich an den Hoden ein Aus-
führungsgang für die Producte, die nur durch Dehiscenz in die Peri-
branchialhöhle gelangen können, von wo sie durch den Porus aus-
gestossen werden.
Die Entwicklung des Eies und der Larven ist besonders von
Kowalevsky iind Hatschek (siehe Literatur) genauer untersucht
worden. Das Ei zeigt totale Furchung, aus der sich durch Einstülpung
eineGastrula entwickelt. Die Larve trägt einen üeberzug von Flimmer-
zellen, der später schwindet.
Literatur. — Yarrel, Eistort/ of British Jishes, London 1836. — Couch,
Observations on the Lancelet, Charksivorth''s Magazine. Vol. II, 1838. — Costa,
Notice sur le Branchiostome, Comptes rendus, Vol. XIII, 1841. — Rathke, Bemei--
kungen über den Bau der Amphioxvs lanceolatiis, Königsberg 1841. — Goodsir, On
the anatomy of Amph. lunceoL, Transact. Roy. Soc. of Edinburgh, Vol XV, 1841. —
Sundewall, Ueber Amph. lanceoL, Isis 1843. — Kölliker, Ueber das Geruchs-
organ des Amph. Müller's Archiv 1843. — J. Müller, Ueber den Bau und Lebens-
erscheinungen des Branchiost. lubric. Berlin 1844. — A. de Quatrefages, Mem.
sur le Systeme nerveiix et Vhistologie du Branchiost. oit Amphioxus, Ann. Sc, natur.
1845. — Martine, Sidl' anatomia del Branchiost. lubr., Giornale deV Istituto Lom-
bardo, Vol. VII, 1846. — Huxley, Examination of the corpuscles of the blood of
Amph. Transact. Brit. Association 1847. — Max Schultze, Beob. junger Exem-
plare von Amph., Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. III, 1851. — Leuckart und
Pagenstecher, Untersuchungen über niedere Seethiere, Müller's Arch. 1858. —
■Marcusen, Sur Vanatomie et histol. du Branchiost., Comptes rendus, 1864. —
Owen, Comparative anatomy and physiology of Vertebrates, 1866. — P.Bert, Comptes
rendus. Vol. LXV, 1867. — Kowalevsky, Entwicklungsgesch. des Amjjh. lanceoL,
Mem. Acad. St. Petersburg, 7. Serie, Bd. XI, 1867. — Ders., Zur Entwicklungs-
geschichte Aes Amph., Schriften der Naturforschergesellschaft in Kiew, Bd. I, 1870. —
Owsjannikow, Ueber das Centralneiwensystem des Amph. lunceol. , Bullet. Acad.
Cyclostomen. 379
Petersburg, Bd. VI, 1867. — Grenachei", Musculatur der Cyclostomen und Lepto-
cardier. Zeitsclir. f. wissensch. Zoologie, Bd. XVII, 1867. — Eeichert, Zur Ana-
tomie des Brauch, lubr. Reichert's Archiv, 1870. — W. Müller, Ueber den Bau
der Chorda dorsaüs. Jenaische Zeitschr., Bd. V, 1871. — Ders., Die Hypobranchial-
rinne des Amph. und der Cyclostomen, abend., Bd. VII, 1873. — Ders., Das Uro-
genitalsystem des Amph. und der Cyclostomen, ebend. , Bd. IX, 1876. — Stieda,
Studien über Amph. lanceol. Mem. Acad. St. Petersburg, 7. Serie, Bd. XIX, 1873. —
Langerhans, Zur Anatomie des Amph. lanc. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XII, 1876. —
Rolph, Untersuchungen über den Bau des Amph. lanceol. Morph. Jahrb., Bd. I,
1876. — Hasse, Zur Anatomie des Amph. lanc. Morph. Jahrb., Bd. I, 1876. —
Nusslin, Zur Kritik des Auges des Amph. laue. 1877. — A. Schneider, Beiträge
zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Berlin 1879. — Bal-
four, On the spinal nerves of Amph. Quarterhj Journ. Microsc. Science 1880. —
Rice, Observations of the habits, structure and development of Amph. lanc. American
Naturalist, 1880. — Hatschek, Studien über Entwicklung des Amph. Arbeiten
Zool. Institut Wien und Triest 1882. — Rohon, Untersuchungen über Amph. lanc.
Denkschr. Akad. Wien 1882. — Rohde, Histol. Untersuchungen über das Nerven-
system vom Amph. lanceol. Schneider's Zoologische Beiträge, 1888.
Classe der Rundmäuler (Cyclostomata).
Kieferlose Cranioten mit persistirender Chorda ohne Wirbel, aber
mit Schädel und anderen , knorpeligen oder selbst häutigen inneren
Skelettbildungen, ohne paarige Gliedmaassen, und mit einer, den hin-
teren Theil des Körpers umsäumenden und in verschiedener Weise ab-
getheilten senkrechten Strahlenflosse. Kieferloser, durch Lippenknorpel
gestützter Saugmund ; eine einfache mediane , in einen Gaumengang
sich fortsetzende Nasenhöhle , der bei den einen blind nach hinten ge-
schlossen ist, bei den anderen sich in den Gaumen öffnet; innere, wohl
entwickelte Gehörwerkzeuge ; Sehorgane zuweilen unausgebildet. Ge-
trennte Kiementaschen, mit verschieden gebildeten äusseren und inneren
Oeffnungen. Nackte, schuppenlose Haut. Muskelherz mit einfacher
Vor- und Herzkammer; rothes Blut. Gerade gestreckter Darm, ziem-
lich grosse Drüsenleber. Nieren in verschiedener Weise ausgebildet.
Geschlechtsorgane ohne Ausführungsgänge. Freies Larvenstadium bei
einer Ordnung, der einzig bekannten in dieser Hinsicht.
In der Organisation der Cyclostomen sind besonders die bedeu-
tenden Verschiedenheiten dem Amphioxus gegenüber wichtig. Wenn
wir auch in den Cyclostomen einen rückgebildeten Zustand erkennen,
der sich vielleicht, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit, an die Fische
und besonders die Selachier, wahrscheinlicher selbst an die Amphibien
anschliessen lässt, so müssen wir doch anerkennen, dass die Rückbildung
bedeutend weniger vorgeschritten ist, als beim Amphioxus. Bei
380 Wirbelthiere.
genauerer Betrachtung finden sich nur einige wesentliche Charaktere,
die Persistenz der Chorda, die Organisation der Myomeren und das
Fehlen von paarigen Gliedmaassen, welche beide gemeinsam haben —
alles Andere ist durchweg verschieden.
Die Ausbildung kleiner Knorpelstücke in der Chordascheide zeigt
eine Anbahnung zur Wirbelbildung. Das bandartig abgeplattete
Rückenmark entwickelt sich nach vorn zu einem wahren Gehirne , das
von einem theils knorpeligen, theils häutigen Schädel umschlossen ist,
welcher auch die drei hauptsächlichsten Sinnesorgane , Nase , Augen
und Ohren trägt. Das Nasenrohr ist stets einfach , in der Mittellinie
gelegen, zeigt aber doch in seiner inneren Organisation auf eine Bil-
dung aus zwei, symmetrischen Hälften hin. Die Augen bleiben rudi-
mentär und unter der Haut in den Muskeln verborgen bei den Myxi-
noideu ; sie sind ebenfalls bei den Larven der Neunaugen, den Querdern
(Ammocoetes) unter der Haut verborgen und treten erst bei dem aus-
gebildeten Thiere hervor. Die Hörorgane sind vollständig in Knorpel-
kapseln eingeschlossen , die dem Schädel angehören und dem allge-
meinen Plane der Wirbelthiere entsprechend gebaut, wenn sie auch,
besonders in Bezug auf die Bogencanäle, bedeutende Verschiedenheiten
zeigen. Im peripherischen Nervensystem kann man Hirn-, Rücken-
marks- und viscerale Nerven unterscheiden. Was ausserdem die Cyclo-
stomen vom Amphioxus entfernt und den übrigen Wirbelthieren an-
schliesst, ist die Existenz eines concentrirten Muskelherzens, das aus
einer Vorkammer, einer Kammer und einem mit zwei Klappen ver-
sehenen Bulbus besteht, am hinteren Ende des Kiemenkorbes liegt und
ein rothes Blut umtreibt, in welchem gefärbte Blutkörperchen schwim-
men, wie bei den übrigen Wirbelthieren.
Der Verdauungscanal ist in seinem Bauchtheile gerade gestreckt
und zeigt hier nur innere Klappenbildungen , während er in seinem
vorderen Abschnitte mannigfaltige Verschiedenheiten aufweist. Der
als Saugnapf fungirende Mund ist von Knorpelstücken umgeben, welche
mit dem Kieferapparat der übrigen Wirbelthiere nicht homologisirt
werden können und der Zungencomplex, der zu einem Saugstempel
umgewandelt ist, zeigt ebenfalls ganz besondere Bildungen. Die ver-
schiedenen Theile, welche zur Bildung des Mundes beitragen, sind mit
Hornzähnen in sehr wechselnder Anordnung bewaffnet. Der an dem
Schlünde entwickelte Kiemenapparat zeigt zahlreiche Modificationen,
die nur in dem einen Punkte übereinstimmen, dass einzelne getrennte,
fast immer zu beiden Seiten symmetrisch angeordnete Kiemensäcke
vorhanden sind, welche die Zahl sieben nicht überschreiten, die ausser-
ordentlich beschränkt erscheint, wenn wir sie mit der grossen Anzahl
von Kiemenspalten beim Amphioxus vergleichen. Dagegen nähert so-
wohl die Zahl als auch die Bildung der Kiemensäcke die Cyclostomen
gewissen Haien. Die Organisation der inneren und äusseren Oeffnungen
Cyclostomen. 381
dieser Kiemensäcke und das Verhalten derselben zum Oesophagus
variiren dagegen ungemein; wir werden sie bei den einzelnen Gruppen
behandeln.
"Wenn man beim Amphioxus mit Sicherheit keine Harnorgane hat
nachweisen können, so finden wir diese dagegen ausgebildet bei den
Cyclostomen , wenn auch in verschiedener Weise bei den beiden Ord-
nungen. Immerhin sind sie nach dem allgemeinen Plane der Wirbel-
thiere gebaut, der bekanntlich mit den Segmeutalorganen der Anne-
liden in Beziehung steht. Doch müssen wir darauf aufmerksam machen,
dass man bei den Cyclostomen keine Spur jener mannigfaltigen Com-
binationen findet, welche bei den übrigen Wirbelthieren zwischen den
Ausführungsgängen der Harn- und Geschlechtsorgane Platz greifen;
die Harnorgaue bleiben von Anfang an und während des ganzen Lebens
durchaus selbständig.
Die Geschlechter sind getrennt. Doch muss in dieser Hinsicht
bemerkt werden, dass nach neueren Beobachtungen die Myxinen an-
fangs männlich und später, nach der Verödung der Hoden, weiblichen
Geschlechtes zu sein scheinen. Weitere Untersuchungen scheinen hier
noch nothwendig. — Wie sich dies auch verhalten mag, so ist so viel
sicher, dass die Geschlechtsorgane stets unpaarig und an einer beson-
deren Falte des Mesenteriums aufgehängt sind und keine Ausführungs-
gänge besitzen. Eier und Zoospermen werden durch Dehiscenz frei
und aus der Bauchhöhle, in welche sie fallen, durch Peritonealcanäle
nach aussen entleert.
Wir besitzen keine Kenntnisse über die Entwicklung der marinen
Myxinoiden. Von den meist im Süsswasser lebenden wissen wir, dass
sie einen Larvenzustand durchmachen , während dessen sie blind sind.
Die Larven sind unter dem Xamen Quer der (Ammocoetes) bekannt.
Die Zeit der Metamorphose ist nur kurz.
Wir unterscheiden zwei, hauptsächlich durch die Organisation der
Nase getrennte Ordnungen:
1. Ordnung. Myxinoiden (Hyperotrefa). — Leben im Meere.
Der Nasengang verlängert sich nach hinten unter dem Schädel und
öffnet sich in der Gaumenwölbuug. Er dient durch diese Communica-
tion zur Athmung. Keine Rückenflossen. Myxine, Bdellostoma.
2. Ordnung. Neunaugen {Hyperoariia). — Der Nasengaug
ist hinten geschlossen. Von der Schwanzflosse getrennte Rückenflossen.
Man kennt in Europa nur zwei Ai-teu der Gattung Petromyzon, eine
grosse, die Seelamperte (P. marlnus) und eine kleinere, meist im Süss-
wasser lebende (P. fluviafüis), deren jüngere Individuen, die auch eine
eigene Rasse bilden, bisher als P. iJiJaneri unterschieden wurden.
Typus: Das Fluss-Neunauge, die 'Pvicke (P. fluviatUis). —
Stellenweise in allen Flussgebieten Europas. Unsere Exemplare
382 Wirbeltiere.
stammen theilweise (die grösseren) aus dem Frischen und Kurischen
Ilaff, wo die Pricken besonders im Herbst in Mengen gefangen
werden, theilweise (die kleineren und Larven) aus einem todten Arme
der Rhone bei Seyssel im Jura. Die Thiere leben im Schlamme und
Sande des Bodens eingegraben, den sie nur bei ihren Wanderungen
verlassen. Sie nähren sich von Insectenlarven, kleinen Würmern und
Crustaceen , sowie von verwesenden Thieren , die sie aussaugen. Ihr
Darm enthält oft Schlamm und Sand, weshalb man die zum Schneiden
bestimmten einige Zeit in Aquarien mit reinem , fliessendem Wasser
halten muss, bis der Darm entleert ist.
Präparation. — Da die Pricke das erste Wirbelthier ist,
welches sich durch seine Grösse zu makroskopischer Zergliederung
eignet, so geben wir hier ein- für allemal die allgemeinen Regeln für
diese Operation , um später nur bei Gelegenheit die zur Untersuchung
einzelner Organe einzuschlagenden Methoden anzuführen.
Vor allen Dingen muss man stets bei Zergliederung eines Wirbel-
thieres ein präparirtes Skelett desselben zur Hand haben. Welches
auch das Organsystem sei, das man untersucht, man muss stets auf
das feste Gerüst des Körpers zurückkommen. Die Skelette werden in
gewöhnlicher Weise durch Maceration etc. hergestellt; wir gehen auf
die zur Herstellung trockener Skelette gebräuchlichen Verfahrungs-
weisen nicht ein. Wenn es sich aber um die Erhaltung wichtiger,
knorpeliger Skelettstücke handelt, darf die Maceration nicht zu weit
getrieben werden und zur Herstellung von Skeletten, die grösstentheils
aus Knorpel oder selbst häutigen Theilen bestehen, bedarf es anderer
Mittel. Dies ist bei den Cyclostomen der Fall ; die früher gebräuch-
liche Methode der Skelettirung mittelst des Scalpells ist schwierig
und mühsam; man kommt aber leicht zum Ziele, wenn man das ganze
Thier in eine mehr oder minder starke Lösung von Salpetersäure
taucht. Haut und Muskeln zerfallen und lassen sich abpinseln ; die
häutigen und sehnigen Ausbreitungen leisten längeren Widerstand;
die Knorpel und das Nervengewebe dagegen härten sich untür dieser
Behandlung und erhalten sich vollkommen. Eine lOprocentige Lösung
rauchender Salpetersäure in Wasser leistet für die Präparation erwach-
sener Thiere die besten Dienste; für jüngere Thiere genügen schwächere
Lösungen. Dasselbe Verfahren kann bei Wirbelthieren mit knöchernem
Skelett angewendet werden, wenn es sich darum handelt, Nerven in
ihrem Verlaufe durch die Knochen bloss zu legen oder Schnitte durch
Theile zu machen, wo Knochen und Nerven zugleich getroffen werden.
Knorpelskelette werden in Weingeist conservirt; Knochenskelette
dagegen trocken aufgestellt.
Die makroskopische Zergliederung wird bei Thieren von einer
gewissen Grösse an freier Luft in der Weise durchgeführt, wie dies in
den Amphitheatern für menschliche Anatomie üblich ist; man präparirt
Cyclostomen. 383
unter Wasser, wenn es sich um kleinere Thiere, isolirte Organe oder
Darstellung zarter, häutiger Ausbreitungen handelt. Wir brauchen
hierauf nicht näher einzugehen. Um den Verlauf der Gefässe zu ver-
folgen, müssen Injectionen gemacht werden ; bei Thieren mit gut ent-
wickeltem Schwänze kann man sie, nach Abscheidung eines Stückes,
von diesem aus machen, da sowohl die Aorta wie die Hauptvene hier
hart an der Unterfläche der Wirbelsäule liegen ; bei den übrigen wählt
man am besten die grösseren Gefässe des Halses oder der Extremitäten
und öffnet die Höhlen, in welchen die Eingeweide liegen, erst nach der
Consolidirung der Infectionsmasse.
Die Schuittmethode kann vollständig nur bei den Cyclostomen
durchgeführt werden, die sich übrigens vorzüglich dazu eignen, nach-
dem man sie mit den gewöhnlichen Mitteln gehärtet und gefärbt hat.
Man schneidet nach Einschluss in Paraffin. Wirbelthiere mit knöcher-
nem Skelett lassen sich nur nach vorgängiger Entkalkung "mittelst
Salpetersäure schneiden. Man wird indessen stets soviel wie möglich
junge Thiere zu dieser Behandlung verwenden und meist kann man
die Methode nur für einzelne Organe und besonders zu histologischen
Untersuchungen benutzen. Wir können nicht auf die histologischen
Einzelheiten eingehen und müssen uns auf Mittheilung der wesent-
lichsten Resultate beschränken.
Allgemeine Lagerung der Organe. — Nach Abnahme der
Haut zeigt sich der ganze Körper bis gegen die Augen hin von den
Massen des grossen Seitenmuskels eingehüllt, auf welchem man eine
Menge weisser, aus Sehnengewebe gebildeter Linien bemerkt, die ein-
ander mit grosser Rcgelmässigkeit folgen (Fig. 162 a. f. S.). Diese
Muskelmasse weicht nur an den sieben seitlichen Kiemeulöchern {spira-
cula) im vorderen Theile und im Hinter] eibe an dem in der Mittellinie
des Bauches gelegenen After von einander. Um die Lagerung der
wesentlichsten Organe zu veranschaulichen , spaltet man die Masse
längs einer leicht angedeuteten, vom Auge zum After verlaufenden
Linie und hebt sie ab, was an der Bauchgegend sehr leicht geschieht,
während man an dem Kiemenkorbe vorsichtig zu Werke gehen muss.
Auf diese Weise erhält man ein Präparat, wie wir es in Fig. 162 dar-
gestellt haben. Man sieht den von lockerem Bindegewebe umgebenen
Mundrand und hinter demselben den von Knorpeln gestützten Vorder-
kopf mit der medianen Nasenöffnung (e) und dem seitlichen Auge (/).
Knorpel, Muskeln, Gefässe und Nerven sind noch von demselben Binde-
gewebe eingehüllt imd können nur unter der Lupe präparirt werden.
Der Kiemenkorb (7.;) beginnt in der Nähe des Auges ; er zeigt die sieben
Kiemenlöcher (/;),die in kaum geschwungener Horizontallinie aufeinander
folgen und die oberflächlichen Scheidewände der Kiemensäcke (i), deren
genauere Untersuchung ebenfalls nur unter der Lupe vorgenommen
werden kann. Der Kiemenkorb enthält in seinem hintersten Theile
584
Wirbelthiere.
Fie-. 162.
das von einem knorpeligen Pericardium , das mit dem Kiemenskelett
verschmolzen ist, umgebene Herz, das man nicht sehen kaun, weil es
ausserdem seitlich von der letzten
Kiementasche bedeckt ist. Der Kie-
menkorb scheint demnach nach hin-
ten mit einer rundlich geschweiften
Fläche zu enden , an welche sich un-
mittelbar die Vorderfläehe der Leber (?)
anlegt , die wie alle übrigen Einge-
weide, von einem sehr dünnen und
durchsichtigen Mesenterium umhüllt
ist, das sich an die Innenfläche der
Seitenmuskeln anlegt und das man
entfernen muss, um die Organe deut-
lich zu sehen. In dem vorderen Theile
der Bauchhöhle sieht man nur einen
kleinen Theil der Leber, den unteren
Lappen , da bei den geschlechtsreifen
Individuen , wie dem unserigen , die
Geschlechtstheile, Eierstöcke (m) oder
Hoden, den grössten Raum in der vor-
deren Hälfte der Bauchhöhle einneh-
men. Untersucht man die "Geschlechts-
organe genauer, so sieht man, dass sie
ihrer ganzen Länge nach mittelst einer
Falte des Bauchfelles an der ventralen
Mittellinie der Chorda angeheftet sind,
dass aber ihre vielfach gewundenen
Lappen bauchwärts aus einander wei-
chen, um eine Rinne mit zwei seit-
lichen Massen zu bilden , in welcher
der Darmcanal {n) verläuft, der in ge-
Petromyzon fluviatilis in natih'lichei- Grösse.
Die Haut ist von der ganzen linken Seitenfläche
abgezogen ; der Seiteiimuskel über dem Kiemen-
korbe und der Bauchhöhle, sowie hinten über
der Chorda und dem Nervensystem entfernt.
a, Rücken'haut ; b, Bauchwand; c, Fransen-
rand des Saugmundes ; e, NasenöfFnung ;/, Auge;
g, Seitenmuskel mit seinen Myocommen und
Myomeren ; 7t, Kiemenlöcher ; i, Kiemensäcke,
von Bindegewebe und Muskeln umhüllt; Tc, Ende
des Kiemenkorbes, welches das Herz einschliesst ;
/, Leber ; w, Eierstock ; n, Darm ; o, Niere ;
2), Aorta; q., Chorda; r, Rückenmark; s, gefässhaltige Gewebsbrücken zwischen Darm
und Niere; t, Afterpfropf; m, After; v, erste Rückenflosse.
Cyclostomen. 385
rader Linie, unmittelbar der Baucliwand angescbmiegt, zum After (u)
verläuft. In der hinteren Hälfte der Bauchhöhle nehmen die Ge-
schlechtsorgane nach und nach ab und hier schieben sich zwischen
sie und die Bauchwand die Nieren (o) in Gestalt zweier platter Bänder
mit freiem, unterem Rande, die ebenfalls mit ihrem oberen Rande an
einer Peritonealfalte hängen. Das Bauchfell selbst bildet in der Nähe des
Afters einen verdickten, trichterförmigen Pfropfen (t), in welchem die
verschiedenen Ausführungscanäle verborgen sind. Um die Beziehungen
zu dem Skelette zu veranschaulichen , haben wir auf einem Theile
unseres Präparates die Muskelmassen entfernt iind so die Rückenseite
oder Chorda (q) mit ihrer Scheide und den Rückencanal (r) bloss-
gelegt , auf dessen Boden das bandförmige , nur mit seinem Rande als
Linie sichtliche Rückenmark gelagert ist.
Ein Präparat, wie das eben besprochene, kann nur eine sehr un-
vollständige Anschauung der gegenseitigen Lagerung der inneren
Organe geben, namentlich in dem Vordertheile des Körpers. Deshalb
bringen wir hier noch eine um das Doppelte vergrösserte Darstellung
eines durch die Mittelebene der Kopf- und Kiemenregion bis zum Be-
ginne der Bauchhöhle gelegten Sagittalschnittes. Schnitte dieser Art
lassen sich leicht an in Weingeist conservirten Exemplaren mittelst
eines langen und schai'fen Rasirmessers machen; nur hält es ziemlich
schwer, sie genau in der senkrechten Mittelebene zu führen. Geringe
Abweichungen lassen sich wegen des ungleichen Widerstandes der
Knorpel, Muskeln und der mehr weichen Organe nur schwer vermeiden.
Man sieht auf diesem Schnitte (Fig. 163 a. f. S.) das Tegument (rt)
gleichmässig über die ganze Rückenfläche, sowie über die Bauchfläche
bis zu dem Saugmunde hin' ausgebreitet, wo es eine tiefe Einfalzung
zeigt (/), die den Mundtricbter von dem Körper scheidet. Der Rand
des Trichters ist mit tentakelförmigen Fransen eiugefasst (b), die in
der Nähe des erwähnten Falzes sehr lang werden. Unter dem Tegu-
mente erstreckt sich die von schiefen Myocommen durchsetzte Masse
der Seitenmuskelu , die auf dem Rücken (i/')> w^ ^i^ ^^^^ ^i^ über
den hinteren Theil des Schädels erstreckt, sehr mächtig ist, während
sie auf der Bauchseite (g^) nur eine dünne Schicht bildet, die an dem
erwähnten Falze aufhört. Die Myocommen fliessen innen mit der
oberen Wand des Rückencanales (i-) zusammen, die sich in das Schädel-
dach fortsetzt, während die untere Wand desselben Canales zugleich
die Scheide der Chorda (m) bildet, deren untere Fläche (m'^) im Kopfe
mit der Schädelbasis (Je) sich vereinigt. Der Rückencanal schliesst das
bandförmige Rückenmark (?) ein, das nach vorn sich allmählich ver-
verdickt und schliesslich in der Schädelhöhle selbst zum Gehirn (i^)
entfaltet. Vor dem Hirn und mit ihm durch den Riechnerven ver-
bunden, findet sich der weite, von einer besonderen, dünnen Knoi-pel-
kapsel umgebene Nasensack (/i^), der nach aussen durch den einfachen
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 2.5
386
Wirbelthiere.
Nasengang mündet (h), nach hinten und unten aber den Nasengamnen-
gang (/i-) entsendet, welcher die mittlere untere Lücke der Schädelbasis
durchsetzt uud auf dem Schlünde blind geschlossen endet. Die dicke,
cylindrische und anscheinend homogene Chorda (w) spitzt sich nach
und endet in
Fig. 163.
vorn zu
der Schädelbasis an der
erwähnten Lücke. Unter
der Chorda sieht man in
dem mittleren Theile des
Präparates einen horizon-
talen Canal mit vielen
Löchern. Es ist die Aorta
(r) und die Löcher führen
entweder in die Kiemen-
venen , aus welchen sich
die Aorta zusammensetzt,
Doppelt vergrösserter, sagittaler
und medianer Durchschnitt der
Vorderregion eines Petromyzon,
unter der Lupe gezeichnet, a, Te-
gument des Rückens; «', des
Bauches ; b , Fransenrand des
Saugtrichters; b^, grössere Fran-
sen am Hinterende der Muiid-
spalte ; c, Lymphräume ; '/, ohere
Hälfte des Ringmuskels der Saug-
schoihe, durchschnitten; e, Zähne
au der Innenwand derselben;
/, Trcuuuugsfalte zwischen Saug-
scheihe und Körper ; //, Rücken-
theil des Seitenuiuskels ; y^,
P.auchthcil dcsscllieii; h, Nasen-
ötVuung mit dem ('anale , der
zum Nasensack /;' führt; h-,
Nasengaumengang ; /. Rücken-
mark; «■', Gehirn; /"-, Sciieide
des Rückencnnaies i''; /,', Hinter-
lKuiiits|da11c iUt Schädelbasis;
lc\ Vordcridatte derselben; l,
Zungenstiel , dessen bewalfnetes
X Vorderende; Z^, sein Knorpel-
sticl ; fi, /3, Muskeln des Zungen-
sticles; m, Kern der Chorda; m', ihr vorderes Knde ; n, gemeinsamer Schlundcanal ;
o, Schlund; o', Khijii.c an Äff Einmündung des Schlundes und des Wasserganges;
;>, Wassergang mit seinen Knoptlochöllhungen in die Kiciucnlaschcii ; ;)', I'.indegcwebe
am blinden Ende des Wasserganges ; </, Ringknm pd ; r, Aorla; .s, Kiemenarterie;
/, Vorkamuicr des Herzens; ii, Herzl<.unMiiT ; ?', Isintritt ilcr llohlveiie; ir, knoriieligcr
Herzbeutel; w'\ Fortsetzung dessellien in Ai-u (irundsticl des Kiemenkorbes ; v. l'.imch-
fcil;^, Lober; r, Darm; 1, i'.auchhöhle ; 'J, Eierstock.
h
p--"
M
L-^-v-'
M
7/^
\
Uy
>
k
Cyclostomen. 387
oder in die zahlreichen Aeste und Zweige, die sie an die benachbarten
Organe abgiebt. Nach hinten ist die Fortsetzung der Aorta in der Nähe des
Herzens durch dichtes Fasergewebe verdeckt, welches die vordere Fläche
des Herzbeutels umhüllt. Nach vorn unter dem Schädel verschwindet
die Aorta aus der Ebene des Schnittes in Folge ihrer Gabelung. Unter
der Aorta verläuft horizontal der gleichmässige , aber sehr enge
Schlund (o). Ueber dem Herzen weicht er etwas nach links ab und
senkt sich in die Leber ein (g), an deren oberem Rande er dann als
Darm (z) wieder erscheint. Nach vorn scheint der Schlund, gerade
unter der vorderen Spitze der Chorda, auf unserem Schnitte durch eine
Querklappe (o^) geschlossen. Der Schnitt hat nicht ganz die Mitte
dieser Klappe getroffen , die in der That eine centrale Oefifuung zeigt.
Von hier an setzt sich der Schlund gegen eine zweite Verengerung
fort (w), die an dem Vorderraude des Zungenstempels (/) sich befindet,
um hier unmittelbar in dem Grunde des Saugmundes sich zu öffnen.
Unter dem Schlünde zeigt sich ein bedeutend weiterer Canal mit sieben
knopflochartigen Oeffnungen, der gegen das Herz hin blind geschlossen
ist. Dies ist der Wassercanal (broMc/^^ts) (p) und die sieben Knopflöcher
führen in die entsprechenden Kiemensäcke der linken Seite. Nach
vorn zu verengert sich der Wassercanal und mündet an dem erwähnten
Isthmus mit einer engen Oeffnung, an welcher sich fingerförmige Fort-
sätze befinden, in den Schlund. Endlich sieht man immer in derselben
Mittelregion des Schnittes, aber etwas weiter nach hinten, die Kiemen-
arterie (s), die nur in der Nähe des Herzens durch den Schnitt ge-
öffnet, weiter nach vorn aber nur gestreift ist, so dass man die Aus-
trittsstellen der drei hintersten Gefässbogen der rechts gelegenen
Kiemen sieht. Zwischen der vierten und fünften Kiementasche gabelt
sich die Kiemenarterie in zwei Aeste; der rechte ist abgeschnitten, der
linke schlüpft zwischen den Wassercanal und die Muskeln des Zungen-
stieles und verlässt so die Mittelebene. Endlich ist zwischen die
Schlundverengerung vorn, den Wassercanal in der Mitte und die Kiemen-
arterie nach hinten einerseits und die Haut mit der Muskelschicht
anderseits der mächtige Apparat des Zungenstieles eingeschoben. Nach
hinten wird diese Masse von den Rückziehern des Stieles (I-, ?•') ge-
bildet, welche sich vorn an die Scheide des knorpeligen Mittelstückes (P)
ansetzen, das seiner ganzen Länge nach gespalten ist. Im Grunde des
Saugtrichters endet der Zungenstiel mit einer vorspringenden Be-
waffnung von Hornspitzen (/). An den Wänden des Saugtrichters
sieht man ebenfalls vorspringende Hornzähne (e) und an dem Boden
des Grundes den Durchschnitt einer mit Hornzähnen besetzten Knorpel-
leiste , die von den Zoologen fälschlich Unterkiefer genannt wird (i)>).
In dem Dache des durchschnittenen Saugmundes sieht man noch die
Durchschnitte des sogenannten Oberkiefers, des vorderen Ringniuskels (cZ)
und die grossen Lymphräume (c) zwischen den Lippenknorpeln (q)
25*
388 Wirbelthiere.
und der Haut. Endlich gewahrt man in dem hintersten Theile des
Präparates die Vorkammer (t) und die grosse Kammer (u) des Her-
zens , beide eingeschlossen in einen knorpeligen Herzbeutel (w) , der
sich nach vorn iu einen medianen, zwischen die Rückziehmuskeln des
Zungenstieles und die Bauchmuskelmasse eingeschobenen Knorpel-
stab (w^) fortsetzt, der zugleich den Stamm des Knorpelgerüstes des
Kiemenkorbes bildet. Nach oben zeigt der Herzbeutel eine Lücke (v),
durch welche die grosse Hohlvene des Körpers sich zur Vorkammer
begiebt. An der hinteren Fläche des Herzbeutels sieht man an der
Bauchseite den Umschlag des Peritoneums (x) , welcher die Vorder-
fläche der Leber (y) überzieht, sich aber weiter nach oben so innig an
den Herzbeutel anschmiegt, dass man ihn nur mit stärkeren Ver-
grösserungen erkennen kann, üeber der Leber sieht man das Vorder-
ende des Ovariums (r) und darunter den aus der Umhüllung der Leber
hervortretenden Darm (g).
Wir werden zur Ergänzung dieser topographischen Darstellungen
in gleicher Weise, wie für den Amphioxus, einige Querschnitte geben,
ziehen es aber vor, sie an geeigneten Orten einzuschalten.
T e g u m e n t. — Die ziemlich feste, aber an ihrer Oberfläche sehr
schlüpfrige Haut der Pricke ist aus mehreren Schichten von wech-
selnder Mächtigkeit zusammengesetzt. Die obere Schicht, die Epi-
dermis, besteht nur aus Zellen verschiedener Art. Unter ihr breitet
sich die faserige Lederhaut aus, an deren Grunde sich eine Pig-
mentschicht findet, welche fast überall die aus Bindegewebe be-
stehende Hypodermis deckt. Ein Hautskelett fehlt durchaus. Be-
trachten wir die einzelnen Schichten.
Epidermis (Fig. 164, 165). — Das allgemeine Substrat dieser
Schicht besteht aus feinkörnigen Zellen mit deutlichen Kernen und
stark lichtbrechenden Kernkörperchen (a, e, /, Fig. 164; i?, Fig. 165).
Zellen und Kerne färben sich leicht durch Carrainlösungen; die Wände
sind deutlich abgegrenzt und schon mit schwachen Vergrösserungen
sieht man deutlich enge Intercellularräume , welche die Zellen ein-
schliessen. Sie bilden mehrfache Schichten und zeigen einige Form-
verschiedenheiten, je nach ihrer Lagernng.
In der That sieht man an der Basis der Oberhaut und in un-
mittelbarem Contact mit der Lederhaut eine Schicht länglicher, pris-
matischer Zellen (/, Fig. 164), die wie Palissaden an einander
gereiht und offenbar in lebhafter Vermehrung begriffen sind, da
man welche mit eingeschnürtem oder doppeltem Kern and andere
selbst quer eingeschnürt sieht. Diese Palissadenzellen gehen in den
Mittelschichten in polyedrische Zellen (e) über, an welchen man
zuweilen einen feinen Faden sieht, der nach unten sich verbreitert
(Stielzellen nach Föttinger, s. Lit.). Gegen die Oberfläche hin
platten sich die Zellen nach und nach ab und die äusserste Oberhaut-
Cyclostomen.
389
Schicht wird von platten Zellen gebildet, deren Protoplasma weniger
körnig, die Kerne verschwommener sind und deren äusserste Fläche
eine fein gezähnelte Decke bildet («). Nach Fötterle soll dieses
Ansehen auf feinen Porencanälen, nach F. E. Schultze auf Fältelungen
(sogenannte Riffzelleu), nach Pogojeff auf senkrechten Streifungen
beruhen (s. Lit.). Wie dem auch sei, so steht soviel fest, dass man
au mit Müll er 'scher Flüssigkeit dissociirten Zellen diese Platte zu-
weilen in grobe Fasern gespalten sieht. Von der Fläche gesehen,
erscheinen diese Zellen oft regelmässig sechseckig und ihre ßauhig-
keiten wie dunkle Punkte.
Die beschriebenen Zellen bilden fast allein die Oberhaut des
Saugmundes und der Hornhaut des Auges; an den übrigen Körper-
Fio-. 164. '
Petroin. fnivlut. — Senkrechter Uurchschiiitt der Kopfhaut zwischen den Augen.
Gundl., <Jc. 1, Übj. 6, Camera dura, a, oberflächliche Phittenzellen der Epidermis;
b, Kelchzelleu ; b^ , deren Mündung; c, Körnchenzellen; c^ , Ausläufer derselben;
d, Keulenzelle ; ifl, losgelöste Keulenzelle ; e, Mittelzellen ; /, prismatische Basalzellen
der Oberhaut; g, faserige Lederhaut; h, Pigmentschicht; /, Unterhautgewebe.
stellen finden sich andere Elemente eingemischt. Ueber Einzelheiten
ziehe man die treffliche Arbeit von Föttinger zu Käthe.
Hier und da, namentlich an den Lippen, gehen diese Zellen in
Drüsenzellen über, die man Kelchzelleu genannt hat (b, Fig. 164).
Das körnige Protoplasma mit dem Kern lagert sich am Grunde, der
390
Wirbelthiere.
übrige Zellenraum füllt sich mit durchsichtiger, klebriger Flüssigkeit.
Schliesslich bildet sich eine Ausfuhröffnung, "die bei jungen Thieren
(einem solchen ist unsere Figur entnommen) halsartig ausgezogen ist,
während bei alten Thieren der Hals sehr kurz ist.
Ein durchaus verschiedenes Element sind die Kolben- oder
Keulenzellen {ä, Fig. 164; C,Fig. 1G5). Sie sind vollkommen durch-
sichtig und schon mit geringen Vergrösserungen sieht man sie wie
Petroin. ßuviat. — Elemente der Oberhaut. A, senkrechter Querschnitt eines Sinnen-
grübchens ; a, Plattenzellen; &, Mittelzellen; b^, Basalzellen; c, faserige Lederhaut;
d, mittlerer Nervenhügel; e, die Lederhaut durchsetzende Nervenfäserchen ; y, Nerven-
stämmchen zum Centralhügel. B, Horizontalschnitt; «, Mittelzellen, die Keulenzelle h
umgebend, deren Kern getroffen ist; c, Intercellularsubstauz. C, Keulenzellen.
C\, unverändert isolirt; a, Keule; h, Kern mit Protoplasma, welches sich mit dem
Faden c in den Hals der Zelle fortsetzt. C'.j, ausgetretene und verunstaltete Keulen-
zelle ; a, Plattenzellen; &, Keulenzelle. /), Körnchenzelle. E, Sinneszellen; a, mit
zwei feinen Endfäden ; h, mit gröberen Endfäden ; c, mit verletztem Endstäbchen.
(5, C'2 und 7?o nach Föttinger; die übrigen, mit Ausnahme von E^, nach
Pogojeff.)
Cyclostomen. 391
helle Hohlräume oder auf gefärbten Präparaten schwach gelblich tin-
girt. Meist haben sie die Gestalt einer Keule, deren Handhabe der
Lederhaut aufsitzt , während das stumpfe Ende gegen die Oberfläche
gerichtet ist (fZ, Fig. 164; C^, Fig. 165). Indessen wechselt ihre Ge-
stalt sehr und scheint auch durch die Reagentien beeinflusst zu werden.
Ihr Inhalt ist dickschleimig und man sieht häufig Doppelconturen der
Wandung, welche uns durch die ungleiche Härtung des Inhaltes be-
dingt scheinen. Fast immer findet man darin zwei an einander liegende
Kerne mit Kernkörperchen ((U, Fig. 164); oft sind die Kerne von
einer stark gefärbten Protoplasmamasse umgeben , die sich zuweilen
in einen bis in den Stiel verfolgbaren Faden fortsetzt (Cj, Fig. 165).
Die Kerne liegen stets im erweiterten Theile nahe dem runden Ende.
In allen sieht man feine, viel besprochene Linien, concentrisch im
breiten Theile, quer im Halse, welche uns ebenfalls durch die Ein-
wirkung der Reagentien hervorgebracht scheinen , da wir sie in frisch
dissociirten Zellen nicht wahrnehmen konnten.
P'öttinger, dessen Resultate wir bestätigen können, hat die Ge-
schichte dieser Keulenzellen verfolgt. Sie entstehen unmittelbar auf
der Lederhaut als kleine Bläschen und nehmen bei fortschreitendem
Wachsthum die Keulengestalt an, welche sie lange behalten. Xach
und nach heben sie sich mehr gegen die Oberfläche, ihr Stiel zieht
sich in einen Faden aus, der zuweilen ganz verschwindet (d^), und
schliesslich drängen sie sich durch die umgebenden Zellen, deren Druck
sie vielfach verunstaltet, auf die Oberfläche, wo man sie noch in Ge-
stalt gewundener Würste liegen sieht, bis sie endlich verschwinden
(C2, Fig. 165).
Die Function dieser Keulenzellen ist nicht genau festgestellt.
Pogojeff (s. Lit.) hält sie für nervöser Natur und glaubt sie den
Paciui 'sehen Körperchen der höheren Wirbelthiere anreihen zu
können. Uns scheint es, dass sie eher defensiver Natur und den
Nesselzellen analog seien , von welchen sie freilich in ihrer Structur
ebenfalls sehr abweichen.
Die sehr eigenthümlichen Körnchenzellen (c, Fig. 164;
D, Fig. 165) finden sich besonders in den Mittelschichten der Epidermis
als grosse, runde oder eiförmige Zellen mit sehr dünner Wand und
dunklem Protoplasma, in welchem dicke Granulationen angehäuft sind.
Der einfache körnige Kern ist undeutlich abgegrenzt und enthält ein
stark lichtbrechendes Kernkörperchen. Von der Peripherie dieser
Zellen gehen ein oder mehrere zarte Fäden aus, welche meist gegen
die Lederhaut sich wenden, wo sie sich mit einer kleinen Erweiterung
anzusetzen scheinen. Auf Durchschnitten lassen sich diese Ausläufer
schwer verfolgen, doch haben wir welche gesehen , die nach der Ober-
fläche hin verliefen und zuweilen sich gabelten (c^ Fig. 164). Ihre
Function ist unbekannt; iu Müller'scher Flüssigkeit dissociirt, sehen
392 Wirbelthiere.
sie gewissen Ganglieuzelleu zum Verwechseln ähnlich (D, Fig. 165),
wenn auch Pogojeff diese Aehnlichkeit leugnet und sie für einzellige
Drüsen ansieht.
Endlich findet man noch in der Oberhaut Sinn es zellen (£^, Fig. 165)
(von Föttinger Geschmackszellen benannt), welche besonders in
eigenthümlichen Bildungen , die wir sogleich besprechen werden , sich
zusammenhauten, aber auch sonst überall einzeln zerstreut vorkommen.
Es sind lange, an der Lederhaut haftende Fadenzellen, deren feiner
Stiel sich wahrscheinlich in die Lederhaut fortsetzt, die in einer mitt-
leren Anschwellung feinkörniges Protoplasma um einen runden, hellen
Kern mit Kernkörperchen zeigen und nach der Oberfläche einen feinen
Ausläufer senden, der ziemlich spröde zu sein scheint, denn in vielen
Fällen sieht man die Zelle mit einem unregelmässig gelappten Ende
(E, 3). Wir gestehen , dass wir selbst in sehr feinen Schnitten diese
Sinneszellen nicht deutlich in dem Gewirre anderer Zellen unter-
scheiden konnten ; man findet sie aber stets in Zerzupfungspräparaten.
Die Sinneszellen häufen sich in Hügeln an, welche in kleinen
Grübchen liegen. Langerhans (s. Lit.) hat die Vertheilung dieser
Grübchen auf dem Körper genau beschrieben. Man kann sie beson-
ders auf den weissen und silberglänzenden Flächen der Haut sehr
deutlich mit der Lupe sehen. Sie beginnen auf der Oberlippe mit
einer einfachen Reihe, die auf den Seiten der Nase unterbrochen
ist, sich aber dann in zwei Aeste theilt, von welchen der eine zum
Auge läuft, sich unter der Hornhaut in einem nach vorn convexen
Bogen herumbiegt und sodann längs des Kiemenkorbes in geringer
Entfernung unter den Kiemenlöchern als unregelmässige Seitenlinie
sich bis ziim Anfange der zweiten Rückenflosse verfolgen lässt. Mit
dieser Seitenlinie stehen zwei andere in Connex: eine untere, die nur
von wenigen (sechs bis acht) unmittelbar auf den Kiemenlöchern
liegenden Grübchen gebildet wird, und eine obere, weit bedeutendere,
welche mit zwei Querlinien beginnt, von welchen die vordere etwa in
7,5 mm Entfernung hinter der Nase verläuft und sich längs der Mittel-
linie des Rückens bis zur Schwanzflosse verfolgen lässt. Meist ent-
spricht ein Grübchen je zwei Myocommen; die Linie im Ganzen ist
gewellt. Endlich finden sich noch Reihen, welche die Unterlippe um-
kreisen.
Auf Schnitten {A, Fig. 165) sieht man, dass das gewöhnliche Epi-
thelium ohne Kolben- und Körnchenzellen sich wallförmig um eine
Grube erhebt, in deren Mitte ein Hügel, von eng zusammengedi^ängten
Sinneszellen gebildet, vorspringt. Pogojeff (s. Lit.) hat Nerven-
fädchen gesehen, die sich durch die Lederhaut hindurch bis an die
Basis dieses Sinneshügels verfolgen Hessen; er hat aber die unmittel-
bare Verbindung der Nervenfädchen mit den Sinneshügeln nicht zur
Anschauung bringen können.
Cyclostomen. 393
Keiu Zweifel, dass die beschi'iebenen Bildungen die einfachste
Form jener oft sehr complicirteu llaiitsinnesorgane darstellen, die wir
bei anderen wasserbewohuenden Wirbelthieren kennen.
In unmittelbarer Berührung mit den Basalzellen der Epidermis
steht die in ihrer Dicke sehr wechselnde Leder haut {g, Fig. 164).
Sie ist am dicksten auf dem Rücken, verdünnt sich aber gegen die
Seiten und den Bauch hin und namentlich auf der Hornhaut. Sie
besteht wesentlich aus gewellten Bindegewebsfasern, in deren Schichten
die Richtungen sich kreuzen, ohne sich zu verfilzen, und man sieht in
ihnen häufig kleine , eiförmige und abgeplattete Kerne , die oft am
Grunde eine fest zusammenhängende Schicht bilden. Ausserdem sieht
man Lacunen und Hohlräume, welche gegen die beiden Flächen der
Schicht hin häufiger werden und worin Xerven und Gefässe ver-
laufen.
Die Lacunen werden an der Basis der Lederhaut oft so bedeu-
tend, dass diese sich leicht von der Pigmentschicht (/(, Fig. 164) ab-
löst, welche aiif dem Rücken weit mächtiger, als auf den Seiten und
am Bauche ist. Auf den Schnitten sieht man diese Schicht meist als
eine zusammenhängende, unregelmässige Ausbreitung, die besonders
nach unten in das Unterhautgewebe Ausläufer entsendet. Von der
Fläche gesehen , zeigt sich die Schicht aus mit schwarzen Körnchen
gefüllten Sternzellen gebildet, die einen hellen Kern haben und zahl-
reiche vei'zweigte Ausläufer entsenden, welche mit denen der benach-
barten Zellen Netze bilden. Sie sind durchaus den Pigmentzellen
ähnlich, die man bei vielen anderen Wirbelthieren, z. B. den Fröschen,
findet. An den silberglänzenden Flächen der Haut des Bauches und
der Seiten sieht man hier kleine, dünne Plättchen angehäuft, welche
das Licht brechen.
Endlich besteht das Unterhautgewebe (/, Fig. 164) aiis einem
laxen Netze von Bindegewebsfasern, dessen Maschen meist mit Fett-
ablagerungen erfüllt sind und in welchen zahlreiche Nerven und Ge-
fässe sich verzweigen. Ebenso finden sich darin Lymphräume, die be-
sonders am Saugtrichter sehr geräumig werden.
Skelett. — Wir finden bei den Cyclostomen nur ein inneres
Skelett, das aber, je nach den Standpunkten, von welchen aus man es
betrachtet, in verschiedene Kategorien zerlegt werden kann.
Vom histologischen Standpunkte aus finden wir drei verschiedene
Gewebe, welche an seiner Bildung Antheil nehmen; das zellige Ge-
webe des Chordakernes , das Bindegewebe , welches bald faserig , bald
blätterig ist, und endlich das Knorpelgewebe. Letztere beiden Gewebe
treten meist zur Bildung der einzelnen Theile zusammen.
Vom morphologischen Standpunkte aus kann man unterscheiden :
das Chordalsystem {A, Fig. 166 a. f. S.) mit der Chorda und ihren
Ausstrahlungen, dem Schädel und den Flossenstrahleu ; das System der
394
Wirbelthiere,
Fii?. 166.
Lippenknorpel (^), des Zungenstieles (C) und des Kiemenapparates (D),
welche drei letzteren dem sogenannten Visceralskelette angehören.
Die Chorda nebst Zubehör. — Der Kern der Chorda
(>;?, Fig. 163) besteht aus einem in der Axe des Körpers sich hin-
ziehenden, an beiden Enden
zugespitzten Cylinder, der in
der Mitte des Rückens seine
grösste Dicke erreicht. Das
vordere zugespitzte und etwas
nach oben gekrümmte Ende
beginnt in dem Hinterrande
der in der Mitte des Schädel-
grundes befindlichen Lücke.
Durch den Hinterrand des
Auges gelegte Querschnitte
treffen diese Kopfspitze, welche
die ganze hintere Schädel-
platte der Mittellinie noch
Petrom. fluvlatiUs. — Das Kopf-
und Kiemenskelett , doppelt ver-
grössert. Salpetersäurepräparat.
Durch eine punktirte Linie sind die
Conturen des Körpers angedeutet.
Man hat den Nasensack und den
Augapfel in ihrer normalen Lage
belassen , ebenso die verschiedenen,
unter einander beweglichen Knorpel,
ohne dieselben aus ihren Verbin-
dungen zu lösen. A , chordales
System vind Schädel ; B , Lippen-
knorpel; C, Zungenknorpel; Z>, Kie-
menkorh. a, ümriss des Körpers ;
(fi , Umi-iss des Saugmundes; 6,
oberer Faserkern desselben ; c, Nasen-
sack ; c^, seine äussere Oeffnung ;
e, Ohrkapsel ; /, Chorda; /i, Wirbel-
stücke ; /^, vorderes Doppelstück;
ly, seitliche Schädelwand ; (/^, Henkel
des Schädels; (ß , vordere Spitze
desselben; (/•', Zungenliein und Qua-
dratbein ; (j^ 1 Ansatz des Kiemen-
korbes ; Ä, Auge ; i, sogenannte Eth-
moidalplatte ; k,. Halbringknorpel;
Ä:^, sein Fortsatz; /, Ringknorpel; vi, Dornfortsatz; m, rautenförmiger Knorpel;
o, Plättchenknorpel; jh Zungenstiel; r, Trennungsfalz des Saugmundes; *, Kiemen-
löcher; t, Rückenlinie des Kiemenkorbes; u, obere Kiemenlinie; v, untere Kiemen-
linie; IV, Bauchlinie; ,x, senkrechte Knorpelstäbe; y, Herzbeutel; j, Gelasslöcher in
demselben.
Cyclostümeu. 395
zwischen den Ohrkapselu durchsetzt und bei dem Austritt aus der
Platte bedeutend verdickt sich über den Kiemenkorb hinzieht. Von
hier aus setzt sich die stets als Boden für das auflagernde Rücken-
mark dienende Chorda bis in die Schwanzflosse fort, an deren Spitze
sie etwas aufgebogen endet.
Während des Lebens zeigt der Chordakern ein etwas festes Gallert-
gewebe, das durchsichtig farblos, oder leicht bläulich gefärbt erscheint
und aus lutracellularmasse gebildet ist, in welcher meist runde Zellen
ohne vortretende Kerne abgelagert sind. Das Gewebe wird durch alle
härtenden oder färbenden Reageutien sehr bedeutend verändert. Auf
Schnitten sieht man es meist in Gestalt von Hohlräumen, die sich im
Allgemeinen nach von dem Mittelpunkte ausstrahlenden Linien ordnen
und von starren, dünnen Wänden begrenzt sind, so dass das Ganze
einem Durchschnitte von Pflanzengewebe, z.B. von einem Markcylinder,
ähnlich sieht. Die Zellen sind grösser und länglicher gegen die Mitte,
als gegen die Peripherie hin, avo ihre Wände oft mit der Scheide der
Chorda zusammeuzufliessen scheinen, in deren unmittelbarer Nähe
sich eine Protoplasmaschicht mit zahlreichen kleinen Kernen vorfindet.
Diese Schicht scheint zuweilen beinahe unabhängig, denn sie trennt
sich oft von der Scheide oder dem Kerne. Sie scheint von einigen
Autoren als eine besondere innere Grenzschicht der Chordascheide an-
gesehen worden zu sein. Man sieht häufig, besonders in den dickeren
Regionen der Chorda, im Centrum der Zellenmasse entweder eine Höh-
lung oder im Gegentheil eine Annäherung der Zellen, die ein festes
Band herzustellen scheinen. Dieses verschiedenartige Ansehen , das
von Manchen für normal angesehen wurde, scheint uns nur künstlich
durch verschiedene Einwirkung der Reagentien bedingt; bei der Unter-
suchung von lebenden Thieren haben wir keine Spur davon entdecken
können, ebenso wenig als von feinen Porencanälen in den Wänden
der Zellen, die einige Autoren gesehen haben.
Die Chordascheide verdient besondere Beachtung. Abgesehen
von dem faserigen Bindegewebe, welches sie einhüllt und mit den be-
nachbarten Theilen verbindet, besteht sie aus zwei wohlgetrennten
Schichten, einer dicken, inneren Faserschicht und einer dünneren,
äusseren, elastischen Schicht. Erstere färbt sich nur wenig; die sie
zusammensetzenden Fasern sind verfilzt, sehr gedrängt und wellig in
ihrem queren, longitudinalen oder schiefen Verlaufe. In dem Filze
sieht man hier und da zerstreut kleine Kerne. Die im Leben gelblich
gefärbte, elastische Schicht scheint homogen; sie färbt sich leicht und
zeigt unter starken Vergrösserungen feine , durchgehende Poren , die
im Grunde von Vertiefungen liegen, um welche herum quere Grübchen
eine Art Sculptur bilden.
Die beiden genannten Schichten setzen sich über die ganze Länge
der Chorda fort, werden aber gegen die Enden derselben hin dünner-
396 Wirbelthiere.
NameDtlich am Kopfende innerhalb der Schädelplatte scheinen beide
zu einer einzigen dünnen, vorzugsweise von der elastischen Schicht
gebildeten Haut zu verschmelzen.
Das Bindegewebe, welches sich an die Oberfläche der elastischen
Schicht ansetzt, strahlt etwa in ähnlicher Weise wie beim Amphioxus
aus. Es bildet vorzugsweise die Röhre für das Rückenmark, die
Zwischenmuskelbänder, die Myocommen, welche in Gestalt doppelt ge-
falteter, mit der Spitze nach vorn gerichteter Tüten angeordnet sind;
es liefert ferner die innere Costalschicht der Bauch wand, sowie die
verticalen Längswände in der Mittellinie, welche die seitlichen Muskel-
massen scheiden und stützen , und endlich entwickeln sich auch in
diesem Gewebe die Knorpelgebilde, welche man als erste Andeutungen
der oberen Wirbelbogen, der Neurapophyseu, betrachten kann.
Man findet in der That auf beiden Seiten der Chorda, in ihrem
oberen und vorderen Theile, kleine, dreieckige Knorpelstückchen
(/, Fig. 166) mit sehr unregelmässigen Umrissen, deren nach oben
gerichtete Spitzen über die Chorda hinaus in die Wände des Rücken-
canales vorragen. Sie entsprechen im Allgemeinen den Myocommen,
entwickeln sich erst während des Wachsthumes der vollkommenen
Lamprete und sind bei solchen Exemplaren, welche erst die Verwand-
lung aus der Larve, dem Quer der {Awi)iococtes), überstanden haben,
kaum angelegt. Sie liegen in der. Nähe der Austrittsöffnungen der
Nerven aus dem Rückencanal , sind aber bei jungen Thieren gänzlich
davon getrennt, während sie bei älteren Exemplaren diese Oeffnungen
derart umwachsen , dass sie mit ihrer Basis die motorische und mit
ihrer Spitze die sensitive Wurzel der Nerven umgeben. Die beiden
ersten Stücke (/^), unmittelbar hinter dem Schädel, verwachsen stets
zu einem zweispitzigen Stücke. Sie nehmen nach dem zwölften Stücke
über dem Kiemenkorbe an Grösse ab und verschwinden in der Nähe
der Rückenflosse. Hinsichtlich der Einzelheiten verweisen wir auf die
Abhandlung von Schneider (s. Lit.).
Um mit dem Chordalsysteme abzuschliessen , erwähnen wir hier
noch die Flossenstrahlen, freilich mit dem Vorbehalte, dass wir
diese von Schneider Dornfortsätze {proccssus spinosi) genannten
Strahlen nur für Hautbildungen ansehen. Man sieht in der That schon
bei den zur Verwandlung sich anschickenden Querdern, sowie bei jungen
Neunaugen kleine Knorpelinseln auftreten, welche in dem Bindegewebe
der Flossen zwischen den beiden Hautlamellen zerstreut liegen. Diese
Inseln wachsen schnell in die Länge und bilden Knorpelstrahlen, die
sich gegen den Rand der Flosse hin gabeln und schliesslich mit ihren
proximalen, dem Körper zugewendeten Enden zu einem einzigen hori-
zontalen Knorpelstabe zusammenwachsen. Die Strahlen entwickeln
sich in der ganzen Ei'streckung der Flossen, oben wie unten, und die
beiden Knorpelstäbe, von welchen der eine auf dem Rückencanale, der
Cjclostomeii. 397
untere auf dem Cauale der IIoLlveue aufrnht, verscliraelzen an dem
Körpereude. Das Knorpelgewebe, welches diese Fiossenstrahlen bildet, ist
identisch mit demjenigen der übrigen KnorjDelbildungen. Bei wachsen-
den Neunaugen sieht man oft zwischen schon ausgebildeten Strahlen
noch solche Knorpelinseln, welche später zu Strahlen auswachsen. Wir
sehen durchaus keinen Grund, um sie mit Wirbelfortsätzen zu homo-
logisiren; wie die Fiossenstrahlen der übrigen Fische, sind sie in dem
Fi£. 167.
,-< r T, r S
Pctrom. flin-ioi. ■ — Salpetersäurepräparat des Schädels, etwa dreimal vergrössert. Jlau
hat den Xasensack und diejenigeu Theile des Centrainer vensvstem es, welche der Säure
widerstehen , in ihrer Lage belassen , die Xervenwurzeln aber nicht gezeichnet , um
die Figur nicht zu verwirren. A, Schädel im Profil; B, von oben; C, von unten.
u, Nasensack; a^, Eintrittsgang desselben; &, Ohrkapseln; i^, Diirchgangsspalte für
den Trigeminus ; c , Rückenmark ; d , Eautensinus ; e , jMittelhirn ; f, Vorderhirn ;
g, Boden für die Hypophj-sis ; h, Chorda ; i, Wirheistücke ; i^, die vereinigten beiden
vorderen Stücke ; h, Occipitalplatte ; fc^, ihre seitlichen Yorsprünge ; Ic^, obere Hinter-
hauptsbrücke ; ?, seitliche Schädelbalken ; m, Vorderplatte : », Grube derselben ; o, vor-
derer ebener Theil; ^, Seitenhenkel des Schädels; ?^\ sein vorderer Fortsatz ; g, Seiten-
wand des Schädels; 5^, Seitenlüeke; q^^, Vorderspitze; ?>, untere Leiste der Wand;
s, Quadratbein ; <, hinterer Schädeldorn ; u, Ansatz des Kiemenkorbes ; r. Ethmoidalplatte.
398
Wirbelthiere.
Fig. 168.
Unterhautgewebe gebildete Haiitknorpel oder Knochen. Sie entsprechen
übrigens durchaus nicht den Myocommen, sondern haben, wenigstens
auf der dorsalen Seite, ihre eigenen Muskeln.
Der Schädel (Fig. 167 a. v. S. und 168). — Wir können zu-
vörderst den eigentlichen Knorpelschädel von den ihn ergänzenden,
übrigens ziemlich festen, faserhäutigen Theilen unterscheiden.
An und für sich betrachtet, bildet der Knorpelschädel eine zu-
sammenhängende, aber sehr unvollständige Kapsel. Seine Basis be-
ginnt hinten mit zwei der Chorda angelagerten Verlängerungen
(Ic^, Fig. 167, C), die sich nach vorn zu einer Querplatte (k) fortsetzen,
welche den Raum zwischen den Ohrkapseln (ö) ausfüllt. Diese scheinen
innig mit der Platte verwachsen ; sie haben eine tiefer gelbe Farbe,
eine eiförmige Gestalt und sind ringsum vollständig geschlossen bis
auf eine kleine Spaltenöffnung, welche in den Hirnraum führt und
durch welche der Hörnerv und die
Gefässe in das innere Ohr ein-
dringen. Nach vorn ist die Ohr-
kapsel theilweise durch eine Spalte
(?>\ A), welche den Nervus trige-
minus durchlässt, von der Seiten-
wand des Schädels getrennt.
Die erwähnte Platte, welche wir
die Occipitalplatte nennen kön-
nen, erhebt sich nach vorn zu bei-
den Seiten und krümmt sich noch
zwischen den Ohrkapseln so zu-
sammen, dass sie eine schmale Brücke
über dem Nachhirn bildet (Jc'^, Fig.
167, jB und Fig. 168). Bei jungen
Thieren besteht diese Brücke noch
aus zwei seitlichen, durch Haut ver-
bundenen Verdickungen; bei älte-
ren sieht man noch eine seichte
Rinne als Andeutung der Ver-
schmelzung.
Auf der Unterfläche setzt sich die Occipitalplatte nach vorn durch
zwei seitliche Leisten fort, welche eine ziemlich weite, ovale Lücke (n)
umschreiben, durch welche der Nasengaumengang nach unten tritt und
auf deren Verschluss durch eine Faserhaut die Hypophysis des Gehirns
aufruht (g, Fig. 167, C). Diese beiden Verdickungen sind die seit-
lichen Schädelbalken (7, Fig. 167, C), wie Bathke sie genannt hat,
die sich bei allen Embryonen und auch beim Querder wiederfinden.
Die seitlichen Schädelbalken vereinigen sich vorn in einer grossen
und breiten Vorderplatte (»»), welche verschiedene Gestaltungen zeigt.
Pttrom. ßuviat. — Der vollständig ge-
reinigte Schädel von oben gesehen und
vierfach vergrössert. Dieselbe Buch-
stabenbezeichnung wie in der vorigen
Figur, nur q^, q^, Nervenlöcher und r',
Naht der Ethmoidalplatte.
Cyclostomen. 399
Auf der Unterfläclie (Fig. 167, C) fliessen die Schädelbalken darcli
eine Querleiste zusammen und weichen dann wieder aus einander, um
in den Ansatz der seitlichen Handhaben des Schädels überzugehen , so
dass sich hier eine Mittelgrube (n) und eine flache Ausbreitung (o)
zeigt, an welche sich die fälschlich sogenannte Ethmoidalplatte (r) mit
einer fibrösen Naht ansetzt. Im Beginn der Platte zeigen sich zwei
kleine Löcher (m^, Fig. 168), durch welche Gefässe treten.
Auf der Vorderplatte ruhen der Nasensack («) und ein Theil des
Vorderhirns (/) und mit ihr vereinigen sich die oberen Seiteuwände (g)
des Schädels, welche das Gehirn einfassen und von den unteren Seiten-
balken durch eine weite Lücke getrennt sind (q^), durch welche die
Nerven des Auges, Sehnerv, oculomotorins, trocldeariä und abdticeiis,
sowie die Gefässe des Auges hindurchgehen. Bei älteren Exemplaren
wird die fibröse Haut, welche die Lücke schliesst, theilweise knorpelig
und wir haben darin zwei Oeffnungen (q- und y-', Fig. 168) gesehen
für die Nerven. Nach vorn erheben sich die Seitenplatten zu einer
kurzen Spitze (q^) , welche sich zwischen Nasensack und Vorderhirn
etwas einschiebt.
Die so gebildete Schädelkapsel ist demnach sehr unvollständig.
Nach oben zeigt sie eine weite Lücke zwischen dem Nasensack und
der erwähnten Hinterbrücke, welche das ganze Gehirn, mit Ausnahme
des kleinen Gehirns, bloss lassen würde, wenn sie nicht durch häutige
Ausbreitungen gedeckt wäre; auf der LTnterseite existirt eine ent-
sprechende Lücke, welche die Basis des Mittelhirns frei lassen würde;
ausserdem zeigt sie, abgesehen von dem grossen Hinterhauptsloch,
durch welches das verlängerte Mark sich fortsetzt, die erwähnten
Seitenspalten und Löcher zum Durchtritte der Nerven und Gefässe.
An diese eigentliche Scliädelkapsel , wie wir sie eben beschrieben
haben, schliessen sich andere Theile an, die mehr oder minder mit ihr
verschmolzen sind.
In erster Linie legt sich nach vorn eine grosse Lamelle in Gestalt
eines nach oben gewölbten, unten hohlen Löffels oder Spatels mit einem
engeren Stiele an die Vordeiplatte des Schädels an , mit der sie durch
eine feste Fasermasse vei'bunden ist. Sie zeigt vorn einen tiefen Aus-
schnitt und tiägt auf ihrer hinteren Fläche einen Theil des Naseu-
sackes. Dies ist die erste Lippenknorpelplatte (i', Fig. 167), welche
sehr unzweckmässiger Weise von manchen Autoren Ethmoidalplatte
genannt wurde. An ihre hohle Unterfläche legt sich das System der
übrigen Lippeuknorpel beweglich an.
Jederseits heftet sich mit seinem Vorderende an die Spitze der
Vorderplatte, mit seinem Hiuterende unmittelbar vor den Ohrkapseln
ein weit geschwungener Knorpelbogen an (ß, Fig. 166; p, Fig. 167),
der eine weite Lücke umschreibt, sich nach unten ausweitet und auf
seiner oberen Fläche den Augapfel stützt (//, Fig. 166). Dieser Augen-
400 Wirbelthiere,
höhlenring zeigt eine nach vorn gerichtete Spitze. Man hat ihn dem
Pterygo-palatinbogen der höheren Wirbelthiere homolog erklärt. Ohne
seiner Bedeutung vorgreifen zu wollen , nennen wir diesen Bogen den
seitlichen Schädelbogen.
Unmittelbar neben seinem hinteren Ansatzpunkte zeigt sich ein
gerade nach unten gerichteter Knorpelstiel, welcher mit einer in zwei
Spitzen auslaufenden, horizontalen Längsapophyse endet (f/^, Fig. 166;
s, Fig. 167). Mau hat den senkrechten Stiel mit dem Quadratbein
verglichen , während man in dem horizontalen Theile ein Stück eines
rudimentär gebliebenen Zungenbeinbogens sehen wollte, ohne indess
zwingende Gründe für diese Ansichten beibringen zu können.
Endlich gehen ganz nach hinten eine feine Spitze und ein kleiner
horizontaler Kuorpelstab aus (t-, Fig. 167), der sich in den vordersten
Knorpelbogen des Kiemenkorbes (ii) fortsetzt.
Alle diese erwähnten Theile sind mit der Schädelkapsel innig ver-
bunden und trennen sich auch nicht nach längerer Einwirkung von
20procentiger Salpetersäure. Die Schädelkapsel ist demnach eines-
theils mit den Lippenknorpeln, anderentheils mit dem Kiemenkorbe
in directem Zusammenhange, während die Skelettbildungen des Zungen-
apparates durchaus selbstständig sind. Man muss indessen zugestehen,
dass nicht nur die erwähnten Theile, sondern auch Stücke der eigent-
lichen Schädelkapsei auf Durchschnitten von jungen, kurz verwandelten
Neunaugen Trennungslinien zeigen , wie denn z. B. die seitlichen
Schädelbalken sich deutlich von den sie später ohne Trennungsliuie
einschliessenden Seitentheilen abgrenzen.
Der erwähnten Verbindungen wegen schliessen wir hier unmittel-
bar die übrigen Skelettbildungen an.
Das Mundskelett (B, Fig. 166) setzt sich von vorn nach hinten
aus folgenden Stücken zusammen, welche der sogenannten Ethmoidal-
platte mehr oder minder untergeordnet sind.
1) Der Ringknorpel (7, Fig. 166) ist ein fester Knorpelring von
tiefgelber Farbe, welcher tief in das Bindegewebe des Saugnapfes in
einiger Entfernung vom Lippenrande eingelassen ist, den Hintergrund
der Mundhöhle vollständig umkreist und mit seinem Hinterrande an
den Hautfalz anstösst, welcher den Saugnapf von dem übrigen Körper
abgi-enzt. Der Ring ist in der Weise abgeplattet, dass sein sagittaler
Durchmesser den Querdurchmesser weit übertrifi't. Sein vorderer,
schneidender Rand trägt unten sieben kegelförmige Zähne, von welchen
die beiden äussersten die stärksten sind. Die fünf mittleren sind
kleiner. Bei jungen Neunaugen sind die Zähne weniger spitz. Der
Ring schiebt sich nach oben mit seinem hinteren Rande unter das fol-
gende Stück ein und ist mit ihm durch Faser raasse verbunden. An
seinen hinteren und oberen Rand ist jederseits ein horizontaler Dorn
befestigt, der nach aussen weicht und dessen Spitze zugleich nach
Cyclostomen. 401
hinten gerichtet ist. Fürbringer nennt dies Stück den Dornfort-
s a t z («?).
2) Zwischen dem Ringknorjiel nach vorn und der Ethmoidalplatte
nach hinten wird die Wölbung des Saugtrichters durch einen mehi'
breiten als langen Knorpelbogen geschlossen , dessen Hinterrand unter
die ausgehöhlte Unterfläche der Ethmoidalplatte sich einschiebt und
mit ihr durch Bandmasse vereinigt ist. Nach hinten bildet der Knorpel
einen vom unteren Winkel ausgehenden kurzen Fortsatz. Fürbringer
nennt dies Stück den Halbringknorpel (/.").
Das gewölbte Dach des Saugmuudes besteht demnach aus drei
unter einander geschobenen Stücken, der Ethmoidalplatte hinten, dem
weiter auf die Seiten übergreifenden Halbringknorpel in der Mitte
und dem ganz geschlossenen Ringknorpel vorn. Die Seiten werden
aber noch durch andere kleinere paarige Stücke vervollständigt, die
Rhomb oidalknorpel (n) und die Plättchenknorpel (o) Für-
bringer's. Erstere liegen unter der Ethmoidalplatte hinter dem
Halbringknorpel, sind länglich, platt, gebogen und verengern durch
ihre Ersti-cckung gegen den Zungenstiel hin den Eingang des gemein-
schaftlichen Schlundes. Letztere vervollständigen eine Lücke hinter
dem Halbringknorpel ; sie sind platt und etwas gewunden.
Der auf der Bauchseite der Mundhöhle gelegene, mächtige
Zungenstempel wird von zwei medianen und unpaaren Knorpeln
und einejii Paar von fest in der Mittellinie verbundenen Knorpeln
gestützt.
Weitaus der grösste ist der Zungenstielknorpel (jp) ; ein
langes, säbelförmiges Gebilde , das sich nach hinten bis in die Gegend
der dritten Kiemenspalte erstreckt, und ringsum von einer Scheide
umgeben ist, an welche sich die mächtigen Muskeln des Stempels an-
setzen. An seinem Vorderende sitzen unmittelbar unter der Horn-
bewaffnung des Endes des Stempels zwei kleine, auf unserer Figur
kaum sichtbare Vorzungenknorpel.
Auf der ventralen Seite des Zungenstieles erstreckt sich ein weit
kleinerer Knorpel von ähnlicher Gestalt, dieCopula (^r, Fig. 166) Für -
bringer's. Das vordere Ende dieses Knorpels erweitert sich seitlich
mit zwei kleinen Flügeln in Gestalt eines Herzens.
Dieses Zungenknorpelsystem (C, Fig. 166) stützt im Ganzen nicht
nur die zahlreichen Muskeln des Stempels , sondern verengert auch
den Eintritt der gegen die Decke des Saugmundes angedrückten
SchlundöfFnung so sehr, dass nur eine feine Sonde durchgeführt werden
kann.
Der Kiemen korb (D, Fig. 166) ist im Ganzen ein zierliches
Gitterwerk aus einem Stücke, das sich von den Ohrkapseln bis zum
Herzen erstreckt, in dem man aber einzelne Längs- und Querrichtungen
unterscheiden kann , die ohne Zweifel in einzelne Stücke bei der Ver-
Vogt n. Yiing, prakt. vergl. Anatomie. II. Oß
402 Wirbelthiere.
knochernng zerfallen würden, welclie nirgends eingetreten ist. So wie
er besteht , liegt der Kiemenkorb niemals an der Oberfläche ; er wird
nicht nur vom Tegumeute, sondern auch von einer zusammenhängenden
Schicht des Seitenmuskels überzogen, dessen Längsfasern nur an den
Kiemenlöchern knopfiochartig aus einander weichen, und man muss
diese Schicht abpräpariren , um das platte, dünne und hin und her
gebogene Gitterwerk zur Anschauung zu bringen. Nach hinten schliesst
sich der Korb ganz zusamjueu, um den beuteiförmigen Herzbeutel zu
bilden.
Man kann vier horizontale Längsbalken unterscheiden , die durch
senki'echte, zwischen den Kiemenlöchern verlaufende Stäbe mit ein-
ander verbunden werden und alle im Herzbeutel zusammenfliessen.
Die Rücken linie (f, Fig. 166) ist unvollständig. Sie besteht aus
horizontalen Bälkchen, welche wie Gabelungen eines senkrechten Stabes
nach vorn und hinten sich verlängern und unmittelbar an die Chorda
anlegen. Diese Gabelungen sind deutlich getrennt. Der vorderste
Ast verschmilzt mit dem Fortsatz des Hinterhauptes (u, Fig. 167),
von welchem S. 400 die Rede war.
Die senkrechten Stiele dieser Gabeln verschmelzen mit der
oberen Kiemenlinie (u, Fig. 166) in den Intervallen zwischen
den Kiemenlöchern. Diese Linie endet zwischen dem ersten und
zweiten Kiemenloche.
Die untere Kiemenlinie (v) läuft in Zickzacken unter den
Kiemenlöchern durch und setzt sich bis vor das erste Loch fort, wo
sie durch ihre Vereinigung mit den senkrechten Stäben einen voll-
ständigen Ring um das Loch bildet.
Die Bauchlinie (tv) erstreckt sich genau in der Mittellinie des
Bauches bis zur Höhe des ersten Kiemenloches. Sie ist breiter und
platter als die vorhergehenden und zeigt bei der Betrachtung von der
Bauchfläche aus eine seichte Längsrinne mit unregelmässigen, ovalen
Durchlöcherungen, welche auf eine Verschmelzung der Linie aus zwei
seitlichen Hälften hinweisen.
Die senkrechten Stäbe (x) verlaufen in den Zwischenräumen
der Kiemenlöcher ohne Untci'brcchung von der oberen Kiemenlinie
bis zur Baiichlinie.
Der Herzbeutel (?/), in welchem sich alle Horizontallinien vei"-
einigen, umgiebt das Herz von allen Seiten. In seinem hinteren Theile
bildet er einen vollständigen Sack, der bcutelförmig nach hinten gegen
die Bauchhöhle vorspringt; an dem vorderen Theile sieht man ver-
schiedene Löcher (z) zum Durchtritte der mit dem Herzen in Ver-
bindung stehenden Bildungen.
Muskel System. — ■ Das Muskelsystem des Körpers ist, wie bei
dem Amphioxus und sogar noch vollständiger als bei diesem, aus zwei
Cyclostomen. 403
grossen seitlicheu Masseu gebildet, die sich vom Kopfe bis zum
Schwanzende erstrecken (^, Fig. 162). Diese Massen fangen vorn mit
zwei abgerundeten Lappen an , die durch eine weite Lücke getrennt
sind, in welcher das Auge liegt, und die oben über den Schädel und
unten über den Zungenapparat hinaus sich erstrecken, um in der ven-
tralen wie dorsalen Mittellinie zusammenzustossen. Die Massen stossen
auch in der seitlichen Mittellinie hinter dem Auge wieder zusammen,
lassen aber bei ihrer weiteren Erstreckung nach hinten knopflochförmige
Lücken für die äusseren Kiemenöffuiingen (/«, Fig. 1G2; s, Fig. 166).
Die Muskelmasse (g^, Fig. 163) ist auf der ganzen Unterseite längs
des Kiemenkorbes und der Bauchhöhle weit dünner, als auf der Rücken-
seite über dem Niveau der Chorda (g, Fig. 163); aber in der Schwanz-
gegend hinter dem After gleicht sich die Verschiedenheit aus und
überall, wo sie unmittelbar an die senkrechte Stützlamelle sich an-
schliesst, ist die Masse unten so mächtig als oben. Ein besonderer
Schliessmuskel des Bauches, wie wir ihn bei Amphioxus fanden , fehlt
durchaus ; die Massen stossen überall , oben wie unten , unmittelbar an
die mittlere Verticalebene an und sind hier nur durch eine faserige
Längsscheidewand getrennt.
Wie beim Amphioxus, sind diese Massen in Myomeren durch
zahlreiche Myocommen faseriger Natur getheilt , die sich einerseits
innen an die Chorda und die von ihr ausgehenden Längsscheidewände,
anderseits aussen an die faserige Unterhaut ansetzen. In den erwähn-
ten Kopflappen zeigen die Myocommen eine sehr unregelmässige An-
ordnung; wir haben nicht zwei Exemplare getroffen, wo sie genau
in derselben "Weise aasgebildet gewesen wären. Sie werden in ge-
ringer Entfernung auf dem Kiemenkorbe regelmässig und zeigen hier,
wenn man den enthäuteten Körper im Profil betrachtet, einen ein-
fachen, nach hinten convexen Bogen. Hinter dem Kiemenkorbe zeigt
dieser Bogen eine Einknickung, so dass zwei Spitzbogen entstehen,
deren Neigung nach hinten zu immer bedeutender wird, so dass auf
dem Schwanzende (Fig. 169) sich zwei stark geneigte Spitzbogen
zeigen , die in der Mitte durch eine Auftreibung getrennt scheinen.
Ausser dieser äusseren Einknickung erscheinen die Myocommen noch
dachziegelartig über einander gelagert, indem ihre inneren Ansätze
weit mehr nach vorn liegen als die Hautansätze. In Folge dieser
Lagerung zeigen sie auf einander folgende Tüten und deshalb sieht
man auf Querschnitten zwei oder drei concenti'ische , der Körperlinie
parallel laufende Kreislinien , während man auf Horizontalschnitten im
Niveau der Chorda regelmässige, gerade Parallellinien sieht, die mit
ihrer Spitze nach vorn einen Winkel von 25 bis 30" mit der Chorda
bilden. Innerhalb der Myocommen befinden sich sehr dünne, faserige
Scheidewände, die in Längsrichtung geordnet sind und sich an je zwei
Myocommen anheften. Der Zwischenraum zwischen je zwei Myocommen
26*
404
Wirbclthiere.
ist somit iu eiue Menge platter, über einander liegender Kästchen ge-
theilt, in welchen die ebenfalls abgeplatteten und in der Längsrichtung
des Körpers verlaufenden Muskelfasern eingeschlossen sind. Wir ver-
weisen hinsichtlich der histologischen Vei'hältnisse auf die Arbeiten von
Langerhans, Grenadier und Schneider (s. Lit.). In Folge der
geschilderten Anordnung der Muskelbänder sieht man sie quer oder
schief durchschnitten auf Querschnitten, während sagittale oder horizon-
tale Schnitte sie in ihrer Längserstreckung zeigen. «*'
Ein besonderes Muskelsystem zeigt sich im Bereiche der Rücken-
flossen von ihrem Anfange an bis zum Schwanzende; es fehlt durchaus
an der Ansetzung der ventralen Flosse, Bei der Ansicht im Profil
(Fig. Iß 9) sieht man nach Wegnahme der Haut einen schmalen
Streifen (d), der allmählich nach hinten an Mächtigkeit abnimmt und
Fig. 169.
( CO
r
Veirom. fluviat. — Vierfach vei-grössertes Schwanzende eines grossen Exemplars nach
Wegnahme der Haut, a, Rückenflosse; h, dorsaler Theil der Schwanzflosse; c, ven-
traler Theil derselben Flosse; alle diese Flossen haben gegabelte Strahlen; d, be-
sondere Muskeln der dorsalen Flossen, der Rückenflosse und oberen Hälfte der
Schwanzflosse; e, dorsaler Theil des Seitenmnskels ; /, mittlerer Theil; ^, ventraler
Theil.
Myocommen zeigt, die weit enger zusammengedrängt sind, als die-
jenigen der seitlichen Körpermuskeln. Die Myocommen sind ausser-
dem in entgegengesetzter Richtung geneigt, parallel den Flossen-
strahlen, an deren Basis sich die Muskeln ansetzen. Meist ist dieser
Theil derart von schwarzem Pigment übersättigt, dass man nichts
weiter sehen kann. Auf Querschnitten sieht man so eng an einander
gepresste Muskelkästchen , dass die ganze , zwischen die Oberränder
der Leibesmuskeln eingekeilte Masse aus quadratischen Maschen zu be-
stehen scheint, die in Längsrichtung geordnet sind und jede ein Muskel-
bändchen enthält. Wir machen noch besonders auf die wichtige That-
Cyclostoraen. 405
Sache aufmerksam, dass diese Muskeln im Bereiche der unteren Ab-
theilung der Flossen gänzlich fehlen, obgleich dieselbe nur eine un-
mittelbare Fortsetzung des Hautsaumes ist, welcher die Rückenflossen
bildet und auch wie diese mit Knorpelstrahlen ausgerüstet ist.
Endlich müssen wir hier noch besonderer, in der Aftergegend ent-
wickelter Muskeln Firwähnuug thun , welche Schneider und Dohrn
(Neunte Studie, s. Lit.) als Homologe oder Rudimeute der bei den
Fischen entwickelten Muskeln des Beckens und der Afterflosse anziehen.
Beide Autoren sind hinsichtlich ihrer Structur einig, die Schneider
folgendermaassen beschreibt: „Hie Afterflossenmuskelu sind ziemlich
dünn. Sie werden aus drei bis vier primären Kästchen gebildet, deren
Ligamente längs verlaufen. Hie Fasern stehen schief von oben nach
unten und hinten. Hurch secundäre Scheidewände werden secundäre
Kästchen gebildet, welche von parietalen und centralen Fasern erfüllt
sind. Weder die parietalen noch centralen Bündel besitzen ein Sarco-
lenima. Hiese Muskeln kommen nur Petroniyzon, nicht Ammocoetes
zu." Hiese Muskeln liegen im Inneren der Bauchhöhle und sind von
den Enden der Leibesmuskeln durch einen weiten, von Hohru als
Lymphraum angesehenen Raum getrennt, an dessen Wände sie sich
anhßfteu , während ihr anderes Ende sich au der Fasermasse inserirt,
welche den Aftertheil des Mastdarms, sowie die Ausführungsgänge der
Harn- und Geschlechtswerkzeuge umhüllt. Sie sind quergestreift und,
wie Hohrn richtig angiebt, ist die Zahl ihrer Kästchen bedeutender,
als Schneider sagte. Wir sehen in diesen Muskeln, welche wir Uro-
genitahnuskeln nennen, nur Erweiterer der verschiedenen Ausfüh-
rungsgänge, und wenn Hohrn sie deshalb nicht als Eingeweidemuskeln
ansehen will , weil sie quergestreift und also willkürliche Muskeln
seien, so müssen wir dagegen bemerken, dass wir fast immer, bei allen
Wirbelthieren, willkürliche Muskeln in der Umgegend des Afters finden
und dass sogar in einzelnen Fiülen (Cohitis) quergestreifte, willkürliche
Muskeln in der Harmwand selbst angetroffen werden. Hier scheinen
diese Muskeln ihrer Lage nach mehr den Ausführungsgängen der
Harn- und Geschlechtswerkzeuge, als dem Rectum anzugehören, und
man darf sich daher nicht wundern, dass sie sich in dem Maasse ent-
wickeln, als die Lampreten ilirer Geschlechtsreife entgegen gehen.
Wir können in Einzelheiten über das ungemein complicirte Muskel-
system, welches die einzelnen Stücke des Saugapparates, des Zungen-
stempels und des Schlundes bewegt, nicht eingehen. Ha die wesentliche
Function dieser Theile, das Saugen und Schlingen, nur in Folge sehr
verschiedenartiger, mechanischer Combinationen möglich ist, so müssen
auch die Muskelbildungen sich dieser Mannigfaltigkeit anpassen. Ha
die Thiere verhältnissmässig klein sind, so ist die Präparation dieser
Theile nicht leicht und man muss die mit dem Scalpell unter der
Lupe gemachten Präx^arate mittelst Hxirchschnitten nach den drei Rieh-
406 Wirbelthiere.
tiingen controliren. Wir verdanken Fiirbringer (s. Lit.) eine aus-
gezeichnete, sehr in das Einzehie gehende und genaue Monographie
des Gegenstandes; wir verweisen auf diese Arbeit hinsichtHch des
Details und erleichtern das Nachstudium, indem wir die von Für-
bringer gebrauchten Namen und Ziffern den einzelneu Muskeln be-
lassen. Wir werden auf den meisten unserer Durchschnitte die Für-
bringer' sehen Beziehungen anwenden. Wir beschränken uns hier
darauf, die Muskeln nach ihren Functionen zusammenzustellen.
Verengerungsmuskeln. — Die Wirkung dieser ziemlich zahl-
reichen Muskeln besteht in der Verengerung der Durchmesser des
Mundapparates. Sie setzen sich theils an der Haut, theils an den
Mundknorpeln fest und finden in den meisten Fällen ihren Antagonis-
mus in der Elasticität der mehr oder minder festen Theile, an welche
sie sich ansetzen. Hinsichtlich der Knoi-pel kann man nicht zweifeln;
aber auch die betreffenden Theile der Tegumente, wie z.B. der Umfang
des Saugtrichters, sind durch Faserbildungen derart verstärkt, dass
man ihnen eine ähnliche Elasticität zuschreiben muss. Wir finden in
dieser Gruppe von vorn nach hinten: den Ringmuskel (m, anmi-
laris, Nr. 7), der den ganzen Umfang des Saugmuskels längs des
Ringknorpels umkreist und aus drei Schichten besteht, einer äusseren,
aus Längsfasern, einer mittleren, aus senkrechten Fasern, und einer
inneren, aus Kreisfasern gebildet; den Ilalbringmuskel (m. semi-
annularis, Nr. 12), der sich an dem gleichnamigen Knorpel ansetzt und
den entsprechenden Theil der Mundhöhle verengert; den ni. liyomandi-
hularis-semi-annularis, Nr, 13, der den Halbringkuorpel nach
hinten zieht; den Zungenmuskel (nt. Jiitgualis proptHtcs, Nr. 23),
der die Schleimhaut am Eingänge des Schlundkopfes zusammenzieht,
und den m. tcndinoglossus, Nr. 24, der die Seitenflügel des Zungen-
kuorpels einander nähert.
Als Erweiterer wirkt nach Fürbringer nur der ni. hasilaris,
Nr. 14, von äusserst verwickelter Structur. Er erstreckt sich zwischen
dem Ringknorpel und dem Ethmoideum, und scheint zugleich in seinem
hinteren Theile als Zusammendrücker der Speicheldrüse zu wirken, die
er scheidenartig umgiebt.
Gruppe der Vor zi eh mu skeln , welche den Zungenstempel
nach vorn ziehen. Man kann hierher rechnen: den in. annulo-glosSits,
Nr. 8, der sich vorn an den Riugknorpel , hinten an den Zungenstiel
ansetzt; den ni. hyo- glossus, Nr. 18, der am Hyoidknorpel des
Schädels entspringt; zwei ni. coptilo-glossi, Nr. 20 und 21, einen vor-
deren und einen hinteren, welche von der Copula zum Zungenstempel
gehen, und zwei m. liyo-hyoidiei, Nr. 13 und IG.
Die Gruppe der Rückzieh m u skeln, welche den Zungen-
stempel nach hinten ziehen, besteht aus zwei Muskeln: dem m. hyo-
mandihalar i-glossus , Nr. 19, der an dem Hyomandibular - Fortsatz
Cyclostouien. 407
des Schädels entspringt iiud nach vorn zum Ziingenstempel gelit, und
der enorme Längsmuskel der Zunge (>». Jongitiidinalis lin-
guae, Nr. 22), der den Zungenknorpel in seiner ganzen Länge auf der
ventralen Mittellinie des Kiemenkorbes einhüllt, sich hinten an den
knorpeligen Herzbeutel ansetzt und nach vorn mit zwei Sehnen an
den Seitenflügeln des Zungenkuorpels endet.
Schi uudk opfver en ger er. — Es giebt deren zwei, einen
grösseren, den Schlundkopfni uskel (ni. pliaryngens, Nr. 28),
welcher die ganze Eistreckuug des Schlundkopfes zwischen dem Halb-
ring- und dem Hyomandibular- Knorpel umfasst, und einen kleineren,
m. pliaryngeus posterior^ Nr. 29, welcher vom hinteren Rande des
vorigen bis zum Schlundsegel reicht.
Das Schluudsegel (Vclniii) hat selbst mehrere besondere kleine
Muskelchen: zwei Er weiterer, vi. velo-phargngeus , Nr. 25, und
in. rclo-hgo-niaudihiüaris cxiernus, Nr. 27, und einen Vereugerer,
Antagonisten des vorigen, m. vdo-hijo-mandibularis internus, Nr. 26.
N ervensj'ste 111. — Wir finden zuerst bei den Cyclostomcn ein
wahres Gehirn als vordere Erweiterung des Rückenmarkes, mit welchem
es das Centralnervensystem bildet. Auch sehen wir in dem periphe-
rischen Nervensysteme zwei Hauptabschnitte sich kenntlich machen,
einestheils das cerebrospiuale System, dessen Wurzeln unmittelbar aus
dem centralen Nervensysteme entspringen, und das sympathische System,
welches nur mittell:»ar mit dem Centralnervensysteme zusammenhängt.
Endlich sehen wir noch mehr oder minder deutlich in den cerebro-
spinalen Nerven zwei Gruppen sich abgrenzen: die Rückenmarks- oder
Spinalnei'veu , die eine ziemlich einförmige Bildung, namentlich hin-
sichtlich ihres Ursprunges im Rückenmarke bilden, und die Ilirnuerven,
die meistens nur mit Schwierigkeiten auf den Typus der Spinaluerven
zurückgeführt werden können.
Centralnervensystem. — Das Rückenmark {e, Fig. 170
a. f. S.) der Lampreten und der Cyclostomeu überhaupt zeigt liinsicht-
lich seiner Form einen eigenthümlichen Charakter, den wir kaum bei
den übrigen Wirbelthieren wiedei'findeu : es ist in seiner grössten Länge
bandartig abgeplattet {A, Fig. 170). Die beiden Flächen des Bandes
sind indessen nicht eben ; die obere Rückeuflächc ist leicht gewölbt
und die ventrale Unterfläche, mit welcher das Rückenmark auf der
Chorda aufliegt , leicht ausgehöhlt. Auf Querschnitten zeigt demnach
das Rückenmark die Gestalt eines flachen Halbmondes mit abgerun-
deten Enden, der mit der Hohlfläche nach unten horizontal liegt. Diese
Form zeigt sich besonders längs des Rückens; nach vorn hin {B, Fig. 170)
rundet sich das Organ mehr ab und zeigt am verlängerten Marke einen fast
kreisförmigen Querschnitt. Gegen das Körperende hin, von der After-
408
Wirbelthiere.
gegend an, runden sich die Ecken ebenfalls ab, die Rücken fläche wölbt
sich etwas mehr und die Bauchfläche wird platt.
Mau untersucht die Structur des Rückenmarkes vorzugsweise
auf Querschnitten, welche mit Osmiumsäure behandelt werden müssen,
wenn es sich um histologische Einzelheiten handelt, die wir hier nicht
berücksichtigen können.
In der Mitte wird das Rückenmark von einem engen Medullar-
canale (/) der Länge nach durchbohrt, dessen Durchmesser sogar
geringer ist als derjenige der Riesenzellen, von welchen später die
Rede sein wird. Man würde den Canal leicht übersehen können, wenn
er nicht mit strahlig gestellten Epithelialzellen ausgekleidet wäre,
Fig. 170
Pttrvm. ßtivial. — Diese wie alle t'olgcinlen Figuren liis zu Fig. 180 und mit Aus-
nahme der Figuren 171 und 172 sind einer Serie von Qucrsclmitteu eines Jugendlieben
Exemplars entnommen , d;\s äusserlich sehon alle Charaktere der geschleehtsreifen
Lamprete zeigte , dessen innere Organe aber theilweise noch üebergangsbildungen
zeigten. Alle Figuren sind mit der Camera lucida gezeichnet. Fig. 170. Quer-
schnitte im vorderen Rückenmark. Verick, Oc. 1, Obj. 1. A, Querschnitt in der
Höhe der zweiten Kieme ; B, im hinteren Theile der ersten Kieme. Gleiche Bezeich-
luingen. o, häutige Hülle des Kückencanales ; b, obere Zellent'üllung des Canales ;
c, Höhle desselben ; d, Knorpelstützen (Neurapophysen) ; e, Eückenraark ; f, Central-
canal desselben ; g, Scheide der Chorda ; h, Zellenkern derselben ; i, Aorta ; k, offener
Oesophagus; k^ (in jB), derselbe noch fest geschlossen; /, Wassergang; m (in A),.
Eestc der Thymusdrüse ; n (in B), Ende des Nasengaumenganges ; o, Muskelhülle des
Kiemensackes; p, dessen innere Höhle; q, Kiemenfransen; r, Venen; s, Seitennerv;
/, Kiemennerven; ?(, motorische Wurzel eines Spinalnerven.
deren kleine Kerne sich stark färben. Diese Zellen gehen schichtweise
allmählich in die Zellen der grauen Nervensubstanz über, ohne dass man
Cyclostomen. 409
eine bestimmte Grenzlinie nachweisen könnte. Der Canal scheint
ausserdem noch im Inneren durch eine feine Greuzmembran aus-
gekleidet, auf welcher vielleicht Wimperhärchen sitzen.
Auf beiden Seiten des Cauales erstreckt sich die graue Substanz,
die als innerer Kern etwa die Form des Rückenmarkes zeigt und
überall von weisser Substanz umgeben ist, deren Mächtigkeit indessen
auf der Rückenfläche etwas bedeutender ist.
Ausser einer allgemeinen, beiden Substanzen gemeinsamen, un-
bestimmte Netze bildenden Bindesubstauz besteht der graue Kern aus
zwei Arten von Ganglienzellen, welche alle Charaktere der bekannten
Nervenzellen tragen. Die grösste Masse wird von multipularen, kleinen
Zellen mit körnigem Kerne gebildet, deren Furtsätze ohne Zweifel in
die dorsalen, sensitiven Nervenwurzelu und vielleicht auch in die ven-
tralen, motorischen Wurzeln übergehen. Ausserdem finden sich soge-
nannte Riesenzellen; sie sind sehr gross, multipolar, mit sehr kör-
nigen oder selbst himbeerähnlichen Kernen ausgestattet, von welchen
die einen, die dorsalen oder inneren, beiderseits au der Mittellinie
über dem grauen Kerne liegen, während die äusseren Riesenzeilen
sich in den beiden Hörnern des grauen Kernes an dessen Enden finden.
Die Fortsätze dieser Zellen sind sehr deutlich , aber in verschiedener
Weise gewunden, so dass man ihren unmittelbaren Zusammenhang mit
den Nervenwurzeln noch nicht hat nachweisen können. Auf jedem
Querschnitte sieht man nur je ein oder zwei Paare dieser inneren und
äusseren Riesen zellen.
Die weisse Substanz wird in der senkrechten Mittelebene durch
besondere, vom Centralcanal ausgehende Bildungen in zwei seitliche
Hälften geschieden. Auf der dorsalen Seite sieht man nur ein Aus-
einanderweichen der netzförmigen Ijindesubstauz , die sich auf Quer-
schnitten als eine hellere Linie zu erkennen giebt; auf der ventralen
Seite sieht man ein Bündel höchst feiner und dicht gedrängter, senk-
recht gestellter Fäserchen. Weniger in die Augen fallende Theilungen
werden durch die Faserbündel der Nervenwurzeln angedeutet, die von
dem grauen Kerne ausgehen, die weisse Substanz in schiefer Richtung
durchsetzen und oben wie unten etwa in der Mitte des Raumes aus-
treten, der die senkrechte Mittelebene von den Enden des Bandes
trennt. Man hat sehr unnöthiger Weise die zwischen den Wurzeln
gelegenen Theile der weissen Substanz als Bauch stränge und
Rückenstränge unterschieden. Um consequent zu sein, müsste man
je zwei seitliche, durch die senkrechte Mittelebene geschiedene Bauch-
stränge und Rückenstränge unterscheiden. Die weissen Theile, welche
die Seiten umhüllen, sind die Seitenstränge genannt worden.
Wie dem auch sein mag, so steht fest, dass die weisse Substanz
ausser den Längsfaseru, welche auf den Schnitten sich in verschiedener
Weise darstellen, eine Menge feiner, meist senkrecht gestellter Fäserchen
410
Wirbeltbiere.
Pelrom. fluviul. — Conibiniiic Figur, neunfach vcrgrüsscrt. Die dorsale Oberfläche
des Gehirns ist gezeichnet. , wie sie sich nach Wegnahme der Hüllen darstellt. Um
die Beziehungen zu den Sinnesorganen zu zeigen, hat mau dieselben so dargestellt,
wie sie sich auf Horizontalschnitten zeigen , die in verschiedenen Höhen gelegt sind.
Aul' der rechten Seite hat man eine etwas schematische Darstellung der Hirnnerven
beigefügt, wie dieselbe aus den Arbeiten von Ahlborn und Julin hervorgeht.
Cyclostomen. 411
X
aufzeigt, die besonders in den Rückensträngen ein sehr enges Netz
bilden. Zwischen den gewöhnlichen Lüngsfasern sieht mau einige
Riesenfaseru (Müller'sche Fasern), die vorzugsweise in den Baucb-
sträugen, aber auch seltener in den Seitensträngeu vorkommen. Die
Durchschnitte dieser Fasern erscheinen als eiförmige, von der Biude-
substanz umgebene Hohlräume, in welchen man hier und da au der
Innenwand körnige Substanzansammluugen sieht, so dass der Durch-
schnitt einer Zelle mit wandständigem Kerne ähnlich sieht. Dieses
Ansehen wird oliue Zweifel von der durch die Reagentien bewirkten
Gerinnung der den Raum erfüllenden Substanz bedingt und was man für
einen Kern ansehen könnte, ist dieser geronnene Inhalt selbst. Man sieht
iu jedem Eauchstrauge sechs bis acht dieser Riesenfasern in der Nähe
der senkrechten Mittelebene und zwei bis drei in jedem Seitenstrange.
Die gewöhnlichen Längsfasern bilden auf Querschnitten eine feine
Puuktirung. Doch muss bemerkt werden, dass man hier und da dickere
Fasern findet, welclie sich den Riesenfasern nähern.
Wir werden bei Gelegenheit der Spinaluerven von den Wurzel-
fasern derselben im Marke sprechen und machen hier nur darauf auf-
merksam, dass mau niemals auf einem und demselben Querschnitte die
beiden Wurzeln, dorsale und ventrale, beobachten kann , aus dem ein-
fachen Grunde, weil diese Wurzeln nicht in derselben Verticalebene liegen.
Das Gehirn ist die vordei'e Ausbreitung des Rückenmarkes. Es
zeigt bei den Neunaugen fünf auf einander folgende Abtheilungen, die
sich bei der Ansicht von obeu leicht erkennen lassen, während auf der
der Schädelbasis aufliegenden Ventraltläche die Grenzen mehr oder
minder durch den Hirn stamm verwischt sind, der die einzelnen
AbtheiluDgen mit einander verbindet. Wenn bei den Embryonen der
«, Tegument ; u^, Epidermis; a'-*, LeJerLaut ; b, ISIasengaus;; 6*, seine Hülle; 6-, ein-
gestülpte Oberhaut (Schleimhaut); b^, innere Höhle; c, Nasensack ; c^, häutige Hülle ;
c'-^, Kuorpelkapsel ; c^, Blutgefässe; c*, innere Schleinihautfalten ; c^, feste Central-
masse; c^, Nasengaumengang ; d, hinterer gerader Augenmuskel; e, Ange; e^, Eth-
moidknorpel ; e", Orhitalhülle ; e^, Choroidea ; c*, ihre die Iris liildeude Fortsetzung;
e^, Krystallliuse ; e", Glaskörper; e', Retina im Ganzen; t^, äussere Siliidit der-
selben; e^, mittlere Schiclit ; e^", innere Schiebt ; /', Ohr ; /l, Knorpelkapsel ;/'', halli-
krcisförmige Canäle ; Pr, Vorderhirn; Pr^, Riechlappen; Pr^, Hemisjdiären ; EjJ, Epi-
physc ; Th, Zwiscbenbirn; 77*1, Chiasma iler Sehnerven; 71/^, Hubeuiilarganglion ;
Ms, Mittclhirn; JAs-i , Mitteltheil; Ms^ , Schlappen; .!/&'% Vierhügel; .Vs*, obere
Spalte; M/, Hinterhirn; M\ Seitenstränge; JUt"^, Eautengrube ; jW^, Klcinhirnbrücke;
Mfj, Nachbirn ; Md, Rückenmark. Die Hirnnerven und ihre Zweige sind mit den
gebräuchlichen Ziffern bezeichnet. //, Opticus; ///, Oculomotorius ; 71', Trochlearis ;
V, Trigeminus; Vo, Oi)hthaImicus ; VGop, dessen Ganglion; VG, Ganglion Gasscri ;
Vi-, Wurzeln; VI, Abducens ; Vif, Facialis; Vlhj, sein Ganglion; VII e, rückläufiger
Ast; T'//Z», Kiemenast desselben; T'///, Acusticus ; VIII Gac, sein Ganglion ; IX, Glosso-
pluiryngeus; IX G/jl, sein Ganglion; Ä', Vagus; XGv, sein Hauptganglion; AT, Sciten-
nerv; XII, Hypoglossus; Sp^, erster Spinalnerv; n, sensible Wurzel mit Ganglion;
b, motorische Wurzel; Sp^, des zweiten Spinalnerven.
412
Wirbelthiere.
Wirbelthiere sich eine ursprüngliche Trennung in drei xVbtheilungen,
Vorderhirn , Mittelhirn und llinterhiru, nachweisen lässt, die sich aber
Fio-. 172.
fk'
J/j-
Jft^
U^m
Petrom. ßurlul. — Diis im Schädel eingeschlossene Gehirn im Pioiil, neunfach ver-
grössert. Man hat die Hüllen so viel als möglich erhallen. Dieselben Bezeichnungen
wie in der vorigen Figur. Ausserdem: //?/, Hypophysis ; ((, Obertheil »des Schädels;
a^, Schädelbasis; 6, oberer Hüllensack ; f, zellige Ausfüllung des Rückencanales.
später mehr oder minder in Unter
diese primitive Theilung bei den
^ Fig. 173.
b
Querschnitt durch den ersten Kiemeu-
sack. Verick, Oc. 1, Obj. 0. Camera
clara. Dieselben Bezeichnungen. Ausser-
dem : e^, Seitenflügel des erweiterten
Medullarcanales ; i^. Carotis.
o,btheilungen zerlegen , so lässt sich
erwachsenen Cyclostomen in Folge
eingetretener Modificationen nicht
erkennen. Wir unterscheiden dem-
nach , von dem Rückenmai-ke aus-
gehend, ein Nachhirn (Myeleucepha-
lon) (ill//, Fig. 171 und Fig. 172), ein
llinterhiru (Mctencephalon) {Mt)^
ein Mittelhirn (Meseucephalon) {Ms),
ein Zwischeuhirn (Thalaineucepha-
lon) {Th) und ein Vorderhirn (Pro-
seucephalon) {Fr). In allen diesen
Abtheilungen kann man den un-
mittell)ar auf der oberen Fläche der
Schädelbasis gelegenen Ilirnstamm
und die Gewölbebildungen unter-
scheiden, welche längs der Innen-
wände des Schädels emporsteigen,
sich mehr oder minder auf der
Rückenseite zusammenschliessen
und so ein zusammenhängendes
System von Höhlungen herstellen,
in welche die Ilüllmembrauen mit
ihren Gefässnetzen sich hinab-
senken.
Cyclostomen.
413
Bei seiner Fortsetzung in den Schädel, wo sich das Nachhirn
(Fig. 172) ausbildet, ändert das Rückenmark seine Gestalt; es verdickt
sich und rundet sich ab, so dass sein Durchschnitt eine eiförmige Ge-
stalt mit leicht abgeplatteter Unterfläche annimmt. Der Central-
canal (/) weitet sich aus, nimmt die Form einer senkrechten Spalte
au und ei'hebt sich zusehends gegen die Oberfläche. Die Zellen seiner
Epithelialbekleidung werden länger und tragen deutliche Wimpercilien.
Die Ausweitung und Hebung gegen die Oberfläche nehmen mehr und
mehr zu (Fig. 173) und so wird der Canal zu einer nach oben geöffneten
Spalte, die sich bedeutend ausweitet und eineOeffnung in Gestalt eines
Kartenherzens zeigt, auf deren Grunde die Stränge des Rückenmarkes
Fie. 174.
Querschnitt des ganzen Kopfes, so gelegt, dass er das hintere Ende der Ohrkapseln
streift und das Vorderende der ersten Kieme trifft. Dieselbe Vergrösserung. «, &, c,
e^, fi h, i, i^, Jc^, l, n, o, p, q, r, haben dieselbe Bedeutung wie in den vorigen
Figuren. Ausserdem: e^, Grundstamm des Gehirns; m, Seitenmuskel, dorsaler Theil ;
m^, Seitenmuskel, ventraler Theil ; p^, Communication zwischen dem Wassergange und
der inneren Kiemeuhöhle ; q^ , äussere Kiemenfranscnlamelle ; q^ , innere Lamelle ;
w, Tegument; x, Pigmentschieht ; y, das hintere Ende der Gehörkapsel umgebendes
Bindegewebe; s, Lückenräume (Bauchhöhle); 1, Zungenmuskel (2); 2, Sehluudkopf-
muskel (28); 3, seitliche Zungenknorpel; 4, Zungenknorpel; IXGgl, Ganglion des
Glossopharyngeus; X Gv, Ganglion des Vagus.
414
Wirbeltliiere.
wie Längsleisten hervortreten. Die so gebildete Höhle ist die Rauten-
grube, fossa rhomhoidaUs (Mt^, Fig. 171), auch nach Analogie mit
dem Gehirn der Säugethiere der vierte Ventrikel genannt. Auf
Querschnitten dieser Gegend (Fig. 174 a. v. S.) sieht man die Lippen
der Höhlung wie die Seitenpfeiler eines offenen Gewölbes in die Höhe
steigen. In den Umgebungen der Rautengrube, welche das eigentliche
Hinterhirn bilden, entstehen die wesentlichsten hinteren Hirnnerven,
Facialis, Acusticus, Glossopharyngeus imd Vagus. Aiif der Ventral-
fläche zeigt dieser Theil eine seichte Längsfurche.
Pio-. 175.
Mittelstüfk eines durch die Mitte der Olirlcapscl und der Rautengrube gelegten Quer-
schnittes, ffl, b, c, e^, //, i^, h^, l, 11, z, 1, 2, .", 4 wie in den vorigen Figuren.
Ausserdem: b^, oberer Sack der Gehirnhülle; b'^, unterer Theil der Zellenfüllung der
Schädelhöhle; e^, Riesenzellen in den Wülsten; e*, in der Rautengrube ; lV/(/, Ganglion
des Facialis; VFITGac, Ganglion des Acusticus; y, knorpelige Olirkapsel ; y^, halb-
kreisförmiger Canal ; y^, innere Höhle des Labyrinthes ; 5, Flügel derCopula; 6, musc.
hijo(jlossus ; 7, rij'oidfortsatz.
Vom Grunde der Rautengrube erheben sich zwei seitliche Wülste
(e*, Fig. 175), die durch eine enge Spalte getrennt sind und zwei
Riesenzellen (C'') zeigen, während seitlich die Wurzeln des Facialis (F7i)
Cyclostoraen. 415
und Acusticns (F/JJ) hervortreten, deren Fasern sich bis in die dünnen
Lippen der Grube verfolgen lassen (e^). Nach vorn schliesst sich die
Grube durch eine schmale Querbrücke (d, Fig. 176), die auf ihrer
Dorsalfläche eingekerbt ist und das Rudiment des Kleinhirns (Cere-
hcUum) darstellt. Es ist bemerkenswerth , dass das Kleinhirn in allen
Wirbelthierclassen, mit Ausnahme der Amphibien, eine bedeutendere
Entwicklung erreicht, so dass also auch in dieser Hinsicht, wie in
vielen anderen, die Cyclostomen sich eher den Amphibien als den
Fischen anschliessen.
Die Rautengrube ist iititer der Kleinhirnbrücke (/, Fig. 176) zu
einem engen Canale in Form einer Längsspalte zusammengeschrumpft,
der sich nach vorn in das Mittelhirn fortsetzt und die Sylvius'sche
Fi„-_ 170. Wasserleitung der
alten Anatomen bildet.
a.
^' i\ \ Dieser Uebergangstheil
'"^ \ > ist an seiner Basis etwas
^^'X^I^ — *^^^^ seitlich zusammeuge-
\ ~\y^/( /S*^^^^ ^^vNv drückt, er erweitert sich
<^^ yy^/V \ ^.ffoTY^ /^^^b. aber sofort zum Mittel-
^-^. 7?; Xf l Y ^^^^ ^'^^"^ (^^^' Fig. 171 und
■-./^— rTTTv^ Vy^^ '^ ^ J ^X^\ Dieser Hirntheil hat
■^ -V\ y ] f " V ij die Gestalt einer Kugel,
\\//ii n\%-^^ \ 11 die bei der Ansicht von
~'~~—~-\\J/^ \ le ^^ji oben einen ringiormigen
^--.----^TA'XV" yߧS^ Aufsatz zeigt (ilis-2), wel-
X _ ^^^^rrrrrr::::^^-^^ #i|\\ ^-■^^ eher eine fast kreisför-
^ ^^ — 'v==T-~-~^ • r\ A-
o -^ — Vf~\\ ^^-L mige Ueiinunff um-
•^ r— ^^^__^^^=5^,^^ schliesst, die sich nach
^^' vorn und hinten in
o 1 ■•,,,•• 1 1 11 1-1 ■ 1 • 1 . /, Längsrinnen fortsetzt.
ßL-liadelstuck fini-'s durcli aas Kleinlurii gelegten Cjuer- _ *
sclmittes. «, hUutiger Schädel ;&, zcUiges AusfüUungs- Die Seitenflächen des
gewebe ; h^^ oberer Sack; }fl^ Ausfüllungsgewebe der Mittelhirnes sind stark
Basis; /r", oberes Kürnergewebe; ?/, Blutgefäss; c, gewölbt; auf der Unter-
Scbädelhöhle; ä. Kleinhirnbrücke; e, Schädelknorpel; a- ^ • l. • ^
n .. , TT u n 1 \ 1 Tj- flache zeigt sich eine
7, hintere Hirnspalte ; </, urundstamm des Hirnes ;
Ä, Chorda; 'i^, Carotiden; o, Hinterhauptsplatte des seichte , mittlere LängS-
Schädels; /, Wurzeln des Trigeminus; ij, Hürkapscln. furche, die VOn wenig
vorspringenden Wülsten
begrenzt ist. Unter diese Basis schiebt sich aber der blindsackförmige
Anhang der Ilypophysis ein, von welchem bald die Rede sein soll.
Ein durch den hinteren Theil des Mittelhirnes gelegter Querschnitt
(Fig. 177 a. f. S.) zeigt dieses höher als breit mit der auf die untere
Hälfte beschränkten Centralspalte, während die obere Hälfte zwei
abgernnJete Seitenlappen als Ausdruck der durchschnittenen , ring-
416
Wirbelthiere.
förmigen Aufwalstuug zeigt. Die Lappen werden dünner, die Höhle
erweitert sich, öffnet sich nach oben und so gelangt man zu der
Fig. 178, A gezeichneten Durchschnittsfigur, wo die Spalte eine weite,
rhombenförraig ausgeweitete Höhle ist, die sich mit der erwähnten,
ringsum von den dünnen Lippen umgebenen Oeffnung nach oben in
die Schädelhöhle öffnet. Auch hier sieht man noch in den Wänden
der Centralspalte lliesenzellen, die im Vorderhirn fehlen. Aber eine
Neubildung erscheint zugleich auf der Unterfläche des Mittelhirnes, von
dieser durch eine dünne Schicht von Hüllgewebe getrennt, der Sack
der Hypophyse (/?, Fig. 178), dessen innere, beinahe kreisförmige
Höhlung mit Epithelialzellen ausgekleidet ist. Der Sack verschmilzt
Fis:. 177.
n. h
Sdiädelstück eines durch das Vorderende der Hörkapsel, das Hinterende des Auges
und den hinteren Abschnitt des Mittclhirnes geführten Querschnittes, rt, häutiger
Schädel ; a^, ohere Fortsetzung desselben zur Haut ; a^, zur Orbita ; &, zelliges Aus-
füllungsgewebe; &^, oberer Sack; ifl^ oberes Körnergewebc; i*, Blutgefäss; c, Schädel-
höhle; c, geschlossene Hirnspalte; A, Chorda; 2, Carotiden ; w, Nusengaumengang ;
o, Schädelbasis; ip^^ (7, Vene; ir'^ Choroidea ; ?/, Ohrkapsel; tß, innere Höhle ; iß^ häu-
tiges Labyrinth; Ms^^ Basis des Mittelhirnes; V Goj^, Ganglion des Ophthalniicus;
TT/', Ganglion Gasseri.
nach und nach mit der Basis des Mittelhirnes, die Höhlung erweitert
sich allmählich durch den Schwund der deckenden Lippen und so ge-
langt man zu dem folgenden Querschnitte (B , Fig. 178), wo das
Mittelhirn aus zwei seitlichen, oben weit klaffenden Hälften besteht,
Cyclostomeii.
417
die Bur am Grunde durch zwei Brücken vereinigt sind, die Decke und
den Boden der noch von der Centralspalte unabhängigen Höhlung der
Hypophyse.
Aber in dem vorderen Theile des Mittelhirnes bricht die Central-
spalte in den Sack der Hypophyse mittelst des Hirntrichters {I)i-
fundihnhwi) durch. Dieser Trichter ist bei Petromyzon nur wenig
ausgebildet. Der Boden des Sackes der Hypophyse verschwindet all-
mählich, indem er mit dem das Gehirn umgebenden Zellengewebe ver-
schmilzt und schliesslich zeigt sich nur eine untere Längsrinne, die
sich nach vorn hin nach und nach verflacht. Durch diese Auflösung
der Brücke, welche den Sack der Hypophyse von der Spalte trennt,
Fio-. 178.
Den vovi2;en ähiiliche Querschnitte. A, durch den hinteren Abschnitt des Mittel-
hirnes und der Hypophyse ; B, durch das hintere Ende der Habenulargauglicn. «, b,
c, f, i^, n, 0, p, q, V Oop^ wie in den vorigen Figuren. Ausserdem : /; , Hypo-
physis; Ms^ , Corpora quadrigemina ; jVs* , untere Commissur des Mittelhirnes;
7-, Mundschleimhaut.
wären die beiden Vorderhälften des Mittelhirnes gänzlich von ein-
ander getrennt, wenn die Lippen sich nicht oben über der Central-
spalte zusammenschlössen und so zugleich den Uebergang in das
Zwischenhirn vermittelten {A, Fig. 179 a. f. S.). Die dicken, aber ein-
ander sehr genäherten Seitenwände setzen sich nach vorn fort und
umschliessen nun eine senkrecht gestellte, eiförmige Centralhöhle
(ß, Fig. 179).
Vogt u. Ynng, pmkt. vergl. Anatomie. II.
27
418
Wirbelthiere.
An und für sich betrachtet ist das Zwischenhirn (Th, Fig. 171
und 172) eine kurze, seitlich etwas zusammengedrückte Verbindungs-
röhre zwischen dem Mittelhirn und dem Vorderhirn; aber die Bildung
wird etwas complicirt durch die erwähnte Längsrinne, die nach hinten
in die Hyjpophyse führt, welche in Gestalt eines abgeplatteten Blind-
sackes {Hy, Fig. 172) auf dem faserigen Boden aufliegt, der die untere
Schädellücke unmittelbar vor dem spitzen Ende der Chorda ausfüllt.
Diese Complication wird noch auf der Ventralfläche durch die Wurzeln
der Sehnerven, welche an der Grenze gegen das Vorderhirn austreten,
und auf der Dorsalfläche durch die bedeutende Ausbildung der Epi-
physe vermehrt (Th.2, Fig. 171, 172, 1791? und 180). Wir werden
Fig. 179.
7,2 ,b^
Den vorigen ähnliche Quci'schnitte. yi, durch die vordere Commissur der Corpora
quadrigemina\ B, durch das vordere Ende der Ilabenularganglien. n, b, r, f, i^, n,
*^) Pi 1j ''; wie in den vorigen Figuren. Ausserdem: Th, Zwischenhirn; T/i^, seine
vordere Commissur; Th^j Habenularganglion ; Pr'^, Hemisphäre des Vorderhirnes;
//, Sehnerv; y^, äussere Schicht der Retina; ?/^, Mittelschicht derselben; ?/^, innere
Schicht; h^, Canal der Hypophyse, in A mit der Hirnspalte zusammenfliessend, in B
getrennt; z, Riesenzelle (in A).
auf diesen oberen Anhang zurückkommen und wenden uns zuvörderst
zum Vorderhirn.
Dieser bedeutendste Hirnabschnitt (Pr, Fig. 170 und 171), der
länger und breiter als alle übrigen Abschnitte ist, besteht aus zwei
Seitenmassen, die durch eine Querfurche in je zwei Lappen ge-
trennt sind, die Hemisphären (Pr^) und die Riechlappen (Pr'^).
Cyclostomen.
419
Erstere sind fast kugelförmig, letztere von mehr iinregelmässiger Form
mit stumpfer, seitlicher Erweiterung. Untersucht man das Vorderhirn
auf Querschnitten, so sieht man, dass seine beiden Hälften durch eine
weite Spalte getrennt sind, die in ihrem hinteren Theile (/, Fig. 180)
nach oben in die Schädelhöhle geöffnet ist, aber hier von den Habe-
nulargauglien der Epiphyse gedeckt wird, die sich über die OefPnung
legen (T/<-, Fig. 172). In diesem hinteren Theile vereinigen sich die
beiden Hälften nur am Grunde durch eine Masse, in welcher das
Chiasma der Sehnerven liegt. Nach vorn schliesst sich die Oeffnung
durch das Zusammenwachsen der Hemisphärenwandungen , die sehr
dick sind. Die so nach oben geschlossene Centralspalte öffnet sich
seitlich in zwei Höhlungen, die im Inneren des Yorderhirnes ange-
Fisj. 180.
Durch das Chin/imu ncrvorum opücontm und die Hemisphären gelegter Durtdischnitt.
a, häutiger Schädel ; b, zellige Füllsuhstanz ; ö^, körniges Füllgewehe ; c, Schädel-
höhle ; Th- , Ende der Hahenularganglien ; f, Eirnspalte ; Pr^, Anfang des Riech-
lappcns ; Pr^, Hemisphäre ; Pr^, ihr seitlicher Sinus ; w, knorpelige Seitenwand des
Schädels; 77, Sehnerv; 7/-'^, Chiasma; p^, Choroidea; i^, Carotis; n, Nasenganmen-
canal ; o, Gesichtsplatte der Schädelbasis; q^ Vene; ?•, Dach der Mundhöhle.
bracht sind und deren Beginn man schon in Querschnitten der hin-
teren Hälften wahrnimmt (Pr^, Fig. 180). Legt man den Schnitt
weiter nach vorn, so sieht, man diese Seitenventrikel (Fig. 182)
durch weite Oeffnungen mit der Centralspalte zusammenmünden, so
dass dieses mit Epithelium ausgekleidete Höhlensystem im Durch-
schnitte die Gestalt eines Kleeblattes aufzeigt. Beim Vordringen in
27*
420
Wirbeltliiere.
die Riechlappen, die in ihrem Vordertheile durchaus massiv sind, ver-
engert sich dieses Höhlensystem mehr und mehr und die Riechlappen
gehen so iiumittelbar in die Riechnerven (/, Fig. 181) über, die sofort
an den Nasensack herantreten.
Das Gebilde der Epiphyse (Glandula pinealis) (TJi,'^. Fig. 171
und 172) verdient eine ganz besondere Beachtung. Es besteht an
seiner Basis aus zwei asymmetrischen Ganglien , die von dem Dache
des Zwischenhirnes ausgehen. Die Anschwellung der rechten Seite ist
stets weit bedeutender als die linke, die oft ganz rudimentär scheint.
Wir nennen diese Hirntheile die Habenul argan glien (Ganglia
habenulae) und bemerken sofort, dass die Reduction des linken Gan-
glions in verschiedenem Grade entwickelt ist; es wollte uns scheinen,
als vergrössere sich der Schwund mit dem Alter. An ihrem mit der
Pio-, 181. Decke des Zwischen-
ci, hirnes zusammenhän-
genden Gi'unde sind die
beiden Ganglien zu einer
Masse verschmolzen , in
der man übrigens durch
die Lagerung der Zellen
der grauen Rinden-
schicht die beiden Gang-
lien unterscheiden kann.
Das linke Ganglion ist
fast durch die Entwick-
lung des rechten untei^-
drückt, das sich über
die Mittellinie nach links
hinüberschlägt {Th^,
Fig. 179 B). Die bald
von einander getrennten,
birnförmigen Ganglien
richten ihre Spitzen
schief nach vorn und
oben und setzen sich
fort, das rechte mit
einem dünnen Strange,
das linke mit einem feinen Fädchen , welche sich zu den Seiten der
eigentlichen Epiphyse begeben und mit den Wänden der mittleren An-
schwellung dieses Organes verschmelzen (Fig. 182).
Die Epiphyse selbst {Ep, Fig. 171 und 172) liegt in geringer
Entfernung hinter dem Nasensacke unmittelbar an der inneren Fläche
des Schädeldaches an. Bei makroskopischen Präparationen findet man
leicht ihre Stelle, die durch einen kleinen weisslichen Fleck auf der
Durch die Basis des Nasensackes gelegter Schnitt.
Das Präparat ist derselben Serie entnommen, welcher
die Figuren 172 bis 180 angehören. Verick, Oc. 1,
Ohj. 1. Camera clarn. a, Epidermis; &, Lederhaut
mit Pigmentschicht ; c, Gewehe der Hypoderniis ; d,
Muskel; e, Schädelhöhle;/, Riechnerv; r;, senkrechte
Nasenscheidewand ; 7i, »Seitenflügel derselben ; l, Lücken
in der Basis; k, Nasengaumengang ; l, Schädelbasis;
/i, seitliche Verdickung derselben ; m, Dach der Mund-
höhle ; 91, Choroidea ; o, Blutgefässe.
Cyclostomeii.
421
Haut angedeutet ist. Hiei' setzt sich nämlich an die Haut ein sehniger
Strang an (d, Fig. 182), dessen schiefe Richtung nach unten und
innen genau die Richtung des Epiphysealgebildes im Inneren fortsetzt.
Dieser Strang steht indessen durchaus in keiner directen Verbindung
mit dem Epiphysealgebilde, das sich leicht von der Innenfläche der
Schädelwand loslösen lässt, während der Sehnenstrang sich an der
Aussenfläche festsetzt. Da die Anlage der Epiphyse bei den Embryonen
unmittelbar der äusseren Haiit anliegt, und die Schädelkapsel sich erst
in späterer Zeit durch Differenzirung zwischen sie und die Haut ein-
schiebt, so scheint dieser Sehnenstx'ang eiu Theil dieser Anlage zu
Fifr. 182.
Durch die Epiphyse gelegter, senkrechter Querschnitt. Das Präparat ist einer anderen
Schnittserie von einem ganz erwachsenen Pttvom.jlnv. entnommen. Verick, Oc. 1, Ohj. 2.
Camera dura, u, Epidermis; i, Lederhaut; c, Pigraeutschicht ; d, die Richtung der
Epi})hyse gegen die Haut hin fortsetzendes Sehnenhündel'; e, Bündel des Seitenmuskels
des Körpers ; /, scheinbare Augenhiihle der Epiphyse : g, in dieselbe vorspringende
Epithelialzellen; Ii, Pigmentschicht; i, zellige FülLsubstanz der Schädelhöhle; k, mitt-
lerer Kuchen der Epiphyse ; /, basaler Kuchen ; m, Eiechlappen ; n, Mittelsinus mit
seitlichen Ausweitungen; o, häutiger Schädel; p, Lacune , mit gelatinösem Binde-
gewebe erfüllt; <y, Nasengaumengang; r, faserige Verdickung der Schädelbasis : s, knor-
pelige Schädelwand; t, Blutgefäss; m, Mundhöhle.
sein, der durch die Einschiebung der Schädelkapsel gewissermaasseu
abfifezwackt und vollstäudicf umgewandelt wurde.
422 Wirbelthiere. ■
Die in der Schädelhöhle gelegene Epiphyse besteht aus drei
kuchenförmigen Gebilden , die von aussen nacli innen an Grösse ab-
nehmen. Der kleinste proximale Kuchen (l, Fig. 187) liegt in der
medianen Theilungsrinne des Vorderhirnes wie eingekeilt. Der mitt-
lere Kuchen (Jx) hebt sich über diese Rinne empor; an seine Wände
setzen sich die Fortsetzungen der Habenularganglien an ; der distale
Kuchen (^f), der grösste, legt sich unmittelbar an das Schädeldach an.
Alle diese Theile scheinen auf Durchschnitten hohl; sie bestehen aber
in der That aus verschieden gebildeten Zellenwänden und einem durch
die Reagentien coagulirten, gelatinösen Kern, in dem man feine, faserig
aussehende Züge in Netzform sehen kann , wie in dem Glaskörper des
Auges,
Der proximale (h) und der mittlere (k) Kuchen sind in derselben
Weise gebildet. Sie haben eine feine Faserhülle, die innen mit eiför-
migen Zellen ausgekleidet ist, welche grosse, körnige Kerne enthalten.
Da aber diese Kerne in verschiedenen Höhen liegen, so erhält das
Epithelium das Ansehen eines mehrschichtigen. Die feinen Netzzüge
im Inneren des gelatinösen Kernes scheinen Fortsetzungen der Zellen-
wände zu sein.
Die Decke des distalen Kuchens (g) scheint aus ähnlichen Zellen
gebildet, nur bilden sie mehrere Schichten, von welchen die innerste
unregelmässige Vorsprünge gegen den Gallertkern vortreibt. Aber
der Boden des Kuchens zeigt eine sehr verschiedene Structur; auf ihm
sitzen lange, prismatische oder spindelförmige Zellen, deren körnige
Kerne in verschiedenen Niveaiis angeordnet sind; die inneren Enden
dieser Zellen setzen sich unzweifelhaft in den Gallertkern fort. Diese
Zellen scheinen ausserdem prismatische Seitenflächen zu besitzen, so
dass sie den Netzhautstäbchen der Wirbelthiere oder den Retinulen
der Wirbellosen ähnlich sehen. Diese Aehnlichkeit wird noch ver-
mehrt durch eine aus deutlichen, sehr kleinen Körnern zusammen-
gehäufte Pigmentschicht, welche die äusseren Enden der Zellen um-
hüllt. Bei allen von uns untersuchten Individuen ist dieses Pigment
vollkommen schwarz, aber mehr oder minder mächtig, bald den
Zellenenden mehr genähert, bald mehr an ihrem Grunde angehäuft,
was vielleicht von der Wirkung des Lichtes während des Lebens der
Thiere abhängt. Dieses Pigment fehlte nirgends. Ahlborn (s. Lit.)
erwähnt noch ein aus weissen Körnei-n gebildetes Pigment, welches
wir nicht angetroffen haben.
Da die Concavität des in der angegebenen Weise gebildeten
Bodens des distalen Kuchens nach oben gewendet ist, so geben Durch-
schnitte des Theiles genau das Bild eines unvollkommenen Auges,
bestehend aus einer pigmentirteu , becherförmigen Retina, einem
Glaskörper und einer zelligen Hornhaut. Bekanntlich laufen die
Untersuchungen der Neuzeit daraufhin, nachzuweisen, dass die Epi-
Cyclostomen. 423
physe in der That ein unpaares, rückenständiges Auge ist, welches
aber in den meisten Fällen rudimentär bleibt und nur selten ent-
wickelt ist.
Bei Gelegenheit des Rückenmarkes (S. 409) haben wir schon die
verschiedenen Elemente besprochen, welche das Centralnervensystem
zusammensetzen, nämlich: die grossen und kleinen Nervenzellen,
welche mit einer wenig definirten, schwammigen Zwischensubstanz die
grauen Massen bilden, die feinen Fasern und die Müller'schen Riesen-
fasern, aus welchen die weisse Substanz zusammengesetzt ist, die wim-
pernden Epithelialzellen , welche den Centralcanal auskleiden und im
Rückenmarke allmählich in die Zellen der grauen Substanz übergehen.
Alle diese Bildungselemente finden sich auch im Gehirn , nur mit dem
Unterschiede, dass Müller'sche Fasern nur in dem Hinter- und Nach-
hirn angetroffen werden, wo ein Theil dieser Fasern, die ein geson-
dertes Bündel bilden, sich mit dem der anderen Seite kreuzt. In den
genannten Hirutheilen sind auch noch die Riesenzellen häufig, aber
nur in der Nähe der Centralspalte angehäuft; man findet auch noch
welche, aber nur in geringer Zahl (ein oder zwei Paare) in dem Mittel-
hirn und selbst auf der Grenze des Zwischenhirnes (g, Fig. 179 Ä);
weiter nach vorn hin aber fehlen sie durchaus. Die kleinen Zellen,
welche unbestimmt begrenzte Massen bilden, die man auch ungeeigneter
Weise Ganglien genannt hat und aus welchen die einzelnen Hirnnerven
entspringen, zeigen zahlreiche Bildangsverschiedenheiten hinsichtlich
deren, wie überhaupt hinsichtlich der feineren Structur und Anordnung
der Hirnmassen, wir auf die Arbeit von Ahlborn (s. Lit.) verweisen.
Die weissen Faserbündel zeigen im Allgemeinen eine Längsx'ichtung.
Das Epithelium der Hirnhöhlen ist nur die Fortsetzung desjenigen,
welches den Medullarcanal auskleidet; aber die Zellen werden höher,
cylindrisch und das Epithelium selbst ist deutlich von der Nerven-
substanz getrennt und zeigt keine Uebergänge zur grauen Sub-
stanz.
Gelegentlich der Hüllen des Centralnervensystemes kann man
die für die höheren Wirbelthiere angenommenen Unterscheidungen
einer dura mater, araclino'iäea \\n^ pia mater nicht festhalten.
In dem Rückencanal finden wir eine Masse von Bindegewebe,
die bei jungen Individuen aus feinen Fasern und Sternzellen besteht.
Aber nach und nach füllen sich die Zellen mit Fett und schon bei
mittelgrossen Individuen ist das Gewebe ganz dem in anderen Körper-
theilen angehäuften Fettgewebe ähnlich geworden. Es besteht dann
aus hellen Blasenzellen , die Fett und einen körnigen Kern enthalten.
Die Sternzellen und Fasern sind reducirt; letztere befinden sich be-
sonders in der Grenzschicht des Gewebes. Im mittleren Körpertheile
findet mau sogar eine Faserschicht, durch welche ein oberer, mehr
fetthaltiger Theil des Gewebes von dem unteren getrennt wird.
424 Wirbelthiere.
Das in dieser Weise ausgebildete Gewebe füllt die ganze obere
Wölbung des Rückencanales in seiner ganzen Länge über dem Marke
mit einer ansehnlichen Masse (h, Fig. 170), erstreckt sich aber auch,
obzwar in geringerer Mächtigkeit, über die Seiten und den Boden des-
selben. Es wird nur von den austretenden Nervenwurzeln durch-
brochen. In dem Maasse, als man sich der Rautengrube nähert, ver-
mindert sich die obere Masse (Fig. 173, 174) und auf der Grube selbst
wird sie sogar geringer als die seitlichen Anhäufungen (Fig. 175).
Die seitlichen Ausbreitungen heften sich durch feine Fädchen an die
Ränder der Rautengrube und dehnen sich nach vorn über die Seiten
des Gehirnes aus, indem sie mehr oder minder vollständig die Zwischen-
räume zwischen dem Gehirn und den Seitenwänden des Schädels aus-
füllen (Fig. 176 bis 179). Ueberall au den Rändern der oberen Hirn-
öffnungen, des Mittel- und Zwischenhirnes setzen sich Fäserchen an,
die, wie an der Rautengrube, das Gewebe mit dem Hirnepithel in Ver-
bindung bringen, und ähnliche Fasern senken sich auch in die Ein-
kerbungen , welche die einzelnen Hirnabschnitte trennen. Nur in der
Umgebung des Hirntrichters geht das Gewebe directe Verbindungen
mit der Hirnsubstanz ein. Wir haben wenigstens keine scharfe Grenze
zwischen der dünnen Gewebeschicht, welche den Schädelboden aus-
kleidet und den unteren Rändern der Wände des Trichters sehen
können (B, Fig. 178).
Wenn aber dieses Gewebe in der beschriebenen Ausbildung sich
auf den Wänden und dem Boden der Schädelhöhle erhält, so erleidet
es eine bedeutende Umbildung unter dem Dache derselben. Bei sorg-
fältiger Präparation des Gehirnes im Ganzen kann man das Gewebe
leicht auf den Seiten entfernen, findet sich dann aber einer oberen
Masse gegenüber, welche die Gestalt eines mannigfach gefalteten Sackes
mit ziemlich festen Wänden hat, der eine tiefe, mediane Längsfalte
und eine seichtere Querfalte an der Grenze zwischen Mittel- und
Zwischenhirn zeigt. Dieser Sack (b, Fig. 172) beginnt etwa im Niveau
des Austrittes des zehnten Nervenpaares , des Vagus , er wird sehr
mächtig über dem Hiuterhirn, nimmt oberhalb des Mittelhirnes ab und
erstreckt sich , stets dünner werdend , bis zur Epiphyse. Längs der
oberen Mittelfurche findet man fast immer schwarzes Pigment, das
sich manchmal bedeutend anhäuft, in welchem Falle sich dann auch
Sternzellen in dem Zellgewebe der Seiten finden. Auch verlaufen
Blutgefässe in dem Gewebe, deren Durchschnitte sich zeigen (h'^,Fig. 176,
177).
Die Wände des Sackes sind wesentlich fibröser Natur. Grund-
lage ist ein Maschengewebe, das wegen der Dicke seiner Faserbündel
sehr fest ist; zwischen den Hauptbalken finden sich feine und weichere
Fasern und überall auf den Wänden der Maschen kleine körnige
Kerne in grosser Anzahl zerstreut. Auf Querschnitten (b^, Fig. 175
Cyclostomen. 425
bis 179) sieht man bei geringer Vergrösserung nur die dicken Faser-
balken, die sehr mannigfaltige Gestaltung zeigen, welche sich besser
durch die Zeichnungen, als durch lange Beschreibung darstellen lässt.
In der Mittellinie sieht man bald mehr oben (Fig. 175), bald mehr
unten (Fig. 176) den Durchschnitt eines längs verlaufenden Blut-
gefässes. Der Sack selbst heftet sich vorzugsweise in der Umgegend
des Zwischenhirnes an das zellige Hüllgewebe an und hier tritt auch
in seinen dem Schädeldache anliegenden Theilen ein besonderes, aus
gelben Körnchen bestehendes Gewebe auf (h-', Fig. 176 bis 180).
Peripherisches Nervensystem, — Wie bei allen höheren
Wirbelthieren, wird dieses System von zwei Structurelementen gebildet;
Nervenfasern und Ganglienzellen. Diese Elemente vereinigen sich, um
Nerven oder Ganglien zu bilden; erst in den Endverzweigungen findet
man vereinzelte Fasern oder Ganglienzellen. Mit Ausnahme dieser
Eudbildungen zeigen die Elemente eine weit robustere Structur als in
den Centralorganen ; die Nervenfasern haben meistens Scheiden , die
Zellen feste Hüllen. Besonders in den von den Hirnnerven abhängigen
Ganglien findet man meist bipolare Zellen, die durch ihre Grösse, ihre
feste Hülle, ihr helles Protoplasma, ihre scharf begrenzten körnigen
Kerne und die Entwicklung der von ihnen ausgehenden Nervenfasern
wahre Muster für histologische Demonstrationen abgeben. In dem
Plexus des sympathischen Systemes findet man dagegen Zellen, die
durch den Mangel an Hüllen und durch die scheidenlosen, von ihnen
nach allen Richtungen ausgehenden Nervenfasern an die Bildungs-
eleniente des Centralorganes erinnern. Wir können hier nicht in Einzel-
heiten eingehen.
Man kann das cerebro-spinale System, dessen Wurzeln un-
mittelbar von dem Centralorgau ausgehen, und das sympathische
System unterscheiden, das nur mittelbar mit dem Centralorgane ver-
bunden ist. Dieses letztere System besitzt indessen noch nicht die
relative Unabhängigkeit, die es bei den übrigen Wirbelthieren durch
die Ausbildung eines verbindenden Längsstranges gewinnt; wir be-
handeln es demnach nur als Anhangsbildung des cerebro - sj^inalen
Systemes und besonders der Spinalnerven. In der That hat man bei
den Cyclostomen noch keine solche Verbindungen des sympathischen
Systemes mit den Ilirnnerveu beobachtet, wie sie bei den höheren
Wirbelthieren ausgebildet sind.
Die Spinalnerven (Fig. 171, 172) entstehen, wie bei allen übrigen
Wirbelthieren, aus zwei Wurzeln, einer dorsalen, sensiblen und einer
ventralen, motorischen. Erstere zeigt ein kleines Ganglion auf. Die
Cyclostomen unterscheiden sich von den übrigen Wirbelthieren durch
den Umstand, dass die beiden Wurzeln in jeder Hinsicht und in der
Weise von einander getrennt sind, dass man auf keinem Schnitte, mag
420 Wirbelthiere.
er nun quer, sagittal oder horizontal gelegt sein, die beiden Wurzeln
einer Seite zur Anschauung bringen kann. Die dorsalen Wurzeln
liegen nämlich nicht nur in einem höheren Niveau, sondern auch weit
vor den ventralen Wurzeln und ausserdem alterniren die Wurzeln von
einer Seite zur anderen in ähnlicher, wenn auch nicht in so aus-
gesprochener Weise als beim Amphioxus. „Die motorischen (ven-
tralen) Wurzeln", sagt Götte (s. Lit,), „entspringen an der Unterseite
des Rückenmarkes, besitzen kein Ganglion, entsenden aber einen Eanms
dorsalis. Die sensiblen (dorsalen) Wurzeln entspringen in der Mitte
zwischen zwei motorischen Wurzeln aus der Oberseite des Rücken-
markes, durchsetzen ausserhalb der Dura matcr ein grosszelliges
Ganglion und vereinigen sich mit der nächsthinteren, motorischen
Wurzel au der Seite der Chorda." Die getrennten Austrittslöcher der
beiden Wurzeln liegen fast in derselben Höhe, weil die dorsalen Fasern
innerhalb des Rückencanales sich nach unten krümmen. Wenn auch
die sensiblen und motorischen Fasern hinter dem sensiblen Ganglion
ein gemeinsames Stammbündel bilden, so vermischen sie sich doch
nicht; die sensiblen Fasern strahlen den Myocommen entlang direct in
die Haut aus , während die motorischen Fasern sich in zwei Aeste
theilen: einen ventralen Ast, der dem entsprechenden Myocomraa ent-
lang auf der äusseren Fläche des Bauchfelles verläuft und einen weit
dünneren, dorsalen Ast, der im Myocomma nach der Rückenseite ver-
läuft. Beide Aeste geben auf ihrem Verlaufe Zweige zu den Mus-
keln ab.
Das sympathische System besteht nach Julin (s. Lit.) aus
kleinen, eiförmigen Ganglien, deren grosse Axe vertical gerichtet ist
und die sich aus kleinen, hüllenlosen Zellen zusammensetzen. Nach
oben imd unten setzt sich das Ganglion in einen Nervenfaden fort.
Auf der ganzen Länge des Bauches, zwischen Herz und After, finden
sich diese Ganglien auf beiden Seiten der Aoi'ta im Winkel zwischen
dieser und den Hauptveuen, und zwar findet sich je ein Paar von
Ganglien für jeden ventralen und dorsalen Spinalnerven, die durch
feine Fäden mit den Ganglien verbunden sind. Julin bezeichnet
diese Ganglien als oberflächliche und beschreibt ausserdc^m noch tiefe
Ganglien am Herzen, der Leber, dem Darme, hinsichtlich deren wir
auf seine Arbeit verweisen.
Die Hirnnerven (Fig. 171, 172) lassen nach der xVnordnung
ihrer Wurzeln und ihrer Anastomosen mehrere Gruppen unterscheiden,
die übrigens unter einander in mehr oder minder enger Beziehung
stehen. Abgesehen von den beiden, nur ihren speciellen Sinnesorganen,
dem Auge und der Nase zugehörigen Nerven, dem Seh- und Riech-
nerven , lassen sich von hinten nach vorn je nach ihrer Lage drei
Gruppen unterscheiden. Zuerst die Hin terohrgr uppe, die am hin-
teren Winkel der Ohrenkapsel liegt und aus drei Nervenpaaren besteht:
Cyclostomen. 427
dem Hypoglossus (XII), dem Vagus oder Pneumogastricus (X) und
dem Glossopharyngeus (IX). Der bei den höheren Wirbelthieren von
den Reptilien an getrennt vorhandene Accessorius (XI) ist bei den
Cyclostomen, Fischen und Amphibien nicht differenzirt. Man kann
ferner eine aus dem Acusticus (VIII) und Facialis (VII) gebildete
Ohrgruppe und endlich eine Vorohrgruppe unterscheiden, welche
vom Trigeminus (V) und den drei Augenmuskelnerven, dem Ab-
ducens (VI), Trochlearis (IV) und Oculomotorius (III) zusammen-
gesetzt wird.
Diese Gruppirung ist rein anatomisch. In die endlosen Dis-
cussionen über die physiologischen Eigenschaften der verschiedenen
Nervenwurzeln , ob sensitiv oder motorisch , über die Aehnlichkeit mit
Spinalnerven , sowie über die Verhältnisse der Nerven zu den mehr
oder minder theoretisch angenommenen Metameren des Kopfes und des
Schädels gehen wir hier nicht ein und verweisen auf die bezüglichen
Arbeiten von van Wijhe, Dohrn, Julin, Born, Beard, Froriep,
Wiedersheim und Anderen. Keine der auf die betreffenden Gegen-
stände bezüglichen Fragen ist definitiv erledigt und man kann wohl
sagen: Qiood capita, tot sensus.
Hinter -Ohrgruppe. — Fasst man nur die Wurzeln in das
Auge, wie sie aus dem Hirn austreten , so gehört diese ganze Gruppe
nur dem Nachhirn au (Fig. 171).
Der Hypoglossus (XII) hat zwei Wurzeln, deren eine weit
nach hinten gegen den ersten Spinalnerven gerichtet ist , während die
zweite weiter nach vorn, aber wie die hintere von einem sehr tiefen
Niveau auf der Ventralseite des Hirnes entspringt, wie die motorischen
Wurzeln des Rückenmarkes. Jede Wurzel spaltet sich in zwei Aeste,
die sich bald vereinigen und feine Verbindun^szweige vom Vagus
empfangen oder demselben geben. Nach Abgabe dieser Zweige ver-
läuft der Stamm des Hypoglossus gegen den ersten Kiemensack, giebt
Zweige an dessen Muskeln und namentlich an den Schliessmuskel des
Kiemensackes und verästelt sich schliesslich in den Muskeln des dar-
unter liegenden Zungenstieles.
Vor dem Hypoglossus treten drei Bündel von Wurzelfasern aus,
die sich in der Hirnsubstanz bis zu den hinteren Rändern der Rauten-
grube verfolgen lassen. Das hinterste dieser Wurzelbündel wird von
Julin für die Wurzel des Vagus angesprochen; von den beiden
anderen Bändeln, welche als Wurzeln des Glossopharyngeus gelten,
tritt das hintere auf demselben ventralen Niveau aus , während das
vordere mehr auf der Rückenseite nach vorn entstellt und schief
nach unten und hinten zur Begegnung der anderen Wurzel läuft.
Alle diese Wurzeln breiten sich, wie diejenige des Hypoglossus,
pinselförmig in der Hirnsubstanz aus, so dass sie in dieser so-
428 Wirbelthiere.
sowohl, wie nach ihrem Austritte meist schwer von einander zu
trennen sind.
Wie dem auch sei, so bilden diese drei Wurzeln unmittelbar nach
ihrem Austritte eine Gruppe von drei Ganglien, die durch Verbindungs-
zweige mit einander communiciren und ausserdem noch Zweige vom
Hypoglossus und Facialis erhalten. Man findet die Gangliengruppe
auf allen Schnitten, welche den Winkel zwischen dem Hinterende der
Ohrkapsel und der Schädelbasis treffen; die Ganglien selbst bestehen
aus grossen, uni- oder bij)olaren , scharf begrenzten Zellen mit dicken
Kernen, deren Fortsetzungen in Nervenfasern sich leicht veranschau-
lichen lassen.
Die Wurzel des Vagus oder Pneumogastricus (X, Fig. 171,
172) entsendet nach Julin, dessen Resultate wir bestätigen können,
unmittelbar nach ihrem Austritte aus dem Schädel einen Verbindungs-
zweig zu dem unter ihr liegenden Ganglion des Glossopharyngeus und
nach Abgang dieses Zweigleins schickt sie einen starken Ast zu dem
zweiten Ganglion, dem Seitenganglion oder Vagusganglion
(XGv). Der Stamm erhält dann einen Verbindungszweig vom rück-
laufenden Nerven des Facialis und bildet hierauf bei seinem Verlaufe
nach hinten ein drittes kleines Ganglion, das wir wegen seiner ge-
ringen Grösse und verborgenen Lage auf unserer Figur nicht dar-
stellen konnten. Julin nennt es das vordere Ganglion des
Pneumogastricus.
Das Seite nganglion (XGv) scheint ziemlich unabhängig. Es
liegt auf der Rückenseite, ist spindelförmig, der Axe des Körpers ent-
sprechend ausgezogen und besteht aus nur wenigen grossen Zellen.
Es nimmt die angeführten Verbindungszweige des Facialis und Vagus
auf und entsendet den Seitennerven (XI), der unmittelbar nach
seinem Austritte noch feine Zweige vom Hypoglossus erhält. Der
Seitennerv ist ein dicker, tief in den Muskeln verlaufender Nerv,
welcher der Aussenwand des Rückencanales anliegt und sich bis zum
Schwanzende verfolgen lässt. Er zeigt besondere Eigenthümlichkeiten.
Auf seinem ganzen Verlaufe bis zum Schwanzende erhält er feine
Verbindungsfäden von den dorsalen Zweigen aller Spinalnerven, sowohl
der ventralen wie der dorsalen, und stellt so einen Längsverbindungs-
strang zwischen diesen Nerven und den drei Gruppen der Hirnnerven
her. Obgleich der Nerv von vorn nach hinten an Dicke zusehends
abnimmt, lassen sich doch keine Zweige desselben mit Evidenz nach-
weisen; wenn er, wie wahrscheinlich, Zweige an die Haut abgiebt, so
bestehen diese wohl nur aus einzelnen Nervenfasern. Der Nerv ent-
spricht ohne Zweifel dem Seitennerven der Fische, ist aber nicht so
innig mit dem Vagus verbunden wie bei diesen , wo er nur einen Ast
des Vagus ohne besonderes Ganprlion darstellt.
Cyclostomen. 420
Der eigentliche Vagus oder Pneuraogastricus (X, Fig. 171)
unterscheidet sich von den übrigen Nerven der Hinterohrgruppe durch
Ganglienzellen, die zwischen seinen Fasern eingestreut und namentlich,
wie Julin mit Recht hervorhebt, an den Punkten angehäuft sind, wo
die verschiedenen Kiemenäste von dem Nerven abgehen. Da es fünf
solcher Kiemennerven giebt, so finden sich auch fünf solcher kleiner
Kiemenganglien, von welchen das erste das eben erwähnte voi*-
dere Ganglion des Pneuniogastricus ist. Ausserdem finden sich aber
noch im Verlaufe des Nerven hinter dem Kiemenkorbe winzige Gan-
glien. Nach seinem Austritte aus dem Ganglienhaufen hinter dem
Ohr verläuft der Nerv nach hinten auf dem Kiemeukorbe, wo er sich
auswärts von der Jugularveue zwischen den dorsalen Massen des
Seitenmuskels und der Rückenfläche der eigentlichen Kiemenrauskeln
findet. Ausser dem erwähnten Zweiglein vom Hypoglossus erhält er
noch während dieses Verlaufes auf dem Kiemenkorbe und im Niveau
der erwähnten Kiemenganglien Verbindungszweige von den elf ersten
ventralen Spinalnerven, während er zugleich an jeden der fünf letzten
Kiemeusäcke einen Zweig abgiebt. Jeder dieser Kie nie n n er ve n
theilt sich in zwei Aeste, einen inneren und einen äusseren, welche
sich ihrerseits wieder gabeln , das Kiemenloch umgeben und in den
Muskeln sich verzweigen. Der Vagus versorgt demnach durch diese
Kiemennerven nur die fünf letzten Kiemensäcke, während die beiden
vorderen von dem Facialis und Glossopharyngeus versorgt werden.
Nach Abgabe der Kiemeunerven dringt der sehr verdünnte Vagus in
die Bauchhöhle ein und bildet auf dem Herzen imd dem Darme cora-
plicirte Netze mit Ganglienzellen, für deren nähere Beschreibung wir
auf Langerhans (s. Lit.) verweisen.
Die beiden Wurzeln des Glossopharyngeus bilden, wie wir
gesehen haben, das Ganglion gleichen Namens {IXGf/J, Fig. 171),
das grösste der Hinterohrgruppe , das auf allen Schnitten durch seine
Grösse und scharf begrenzten Zellen sich bemerklich macht. Bei
seinem Austritt aus dem Ganglion theilt sich der Nerv in zwei Aeste,
einen sehr dünnen voi'dereu, der die jMuskeln des Velum und der Um-
gebung besorgt {Bamus pharyngeus)^ und einen bedeutenderen hin-
teren (jR. lyranchkdis) , der, nach hinten laufend, an den zweiten
Kiemensack und die hintere Lamelle des ersten Kiemensackes sich
verzweigt.
Ohrgruppe. — Sie besteht, wie schon bemerkt, nur aus zwei
Nerven, dem Hörnerven (N. acusticiis VIII) und dem N. facialis {VII) ,
die beide an ihrem Ursprünge so eng verbunden sind, dass man kaum
ihre Wurzeln unterscheiden kann. Diese nehmen die Wände des vierten
Ventrikels ein und bilden bei ihrem Austritte aus dem Gehirn zwei eng
verbundene Ganglien, deren jedes am Grunde eine Zelle trägt, die ein
weit grösseres Volumen besitzt als die übrigen Zellen (Fig. 175).
430 Wirbelthiere.
Der Hör nerv (VIII) entsteht mit zwei wenig gescliiedenen
Bündeln in dem Mitteltheile der Wand des vierten Ventrikels. Er be-
steht aus zwei Arten von Nervenfasern , sehr feinen Fibrillen , welche
die obere und vordere Gegend der Wand einnehmen, und breiteren
Fasern, die aus Riesenzellen entstehen, welche in dem Grunde der
Rautengrube gelagert sind. Die fächerförmig ausgebreiteten Fasern
vereinigen sich, um durch die innere Lücke der Ohrkapsel in diese
selbst einzutreten , und bilden im Grunde dieser Kapsel , aber ausser-
halb des häutigen Labyrinthes, das Ganglion acusiicnm (VIIIGac,
Fig. 171, 175), das aus spindelförmigen Zellen besteht, von welchen
die Nervenbündel ausstrahlen , die sich zu den vei'schiedenen Theilen
des Labyrinthes begeben (Rohon, s. Lit.) und von denen wir bei
Gelegenheit des Gehörganges sprechen werden.
Die Wurzelfasern des Facialis (VII) nehmen die Lippe der
Rautengrube über und vor denjenigen des Hörnerven ein und bilden
wie diese ein Ganglion {VII G, Fig. 175), das in der inneren Lücke
der Hörkapsel liegt. Der Nerv tritt durch ein im vorderen und inneren
Winkel der Kapsel befindliches Loch aus und bildet ein Ganglion
(VII Ga, Fig. 171), das der Vorderwand der Kapsel anliegt. Beim
Austritte aus diesem Ganglion verläuft der Nerv in fast querer Rich-
tung nach aussen und theilt sich vor der Hörkapsel in zwei Aeste,
den eigentlichen Facialis und den rücklaufenden Ast. Dieser letz-
tere (Vlle, Fig. 171) läiift nach hinten um die Aussenfläche der Hör-
kapsel hei'um und theilt sich im Niveau des Seitengauglions in zwei
Aeste , deren Gabelung das genannte Ganglion umfasst. Der über
dem Ganglion herlaufende Zweig verbindet sich mit dem Seitennerven,
der unter dem Ganglion verlaufende mit dem Vagus (Julin). So
wird eine Doppelverbindung des Facialis mit den beiden Hauptästen
des Vagus hergestellt.
Etwas vor der Gabelung entsendet der Stamm des Facialis einen
Zweig, der zwischen der dorsalen und ventralen Abtheilung des Seiten-
muskels gegen die Haut läuft, an welcher er, nach Fürbringer,
zwischen dem Auge und dem ersten Kiemenloche feine Aestchen ab-
giebt und dann, nach Julin, den ersten Kie.m en nerven bildet
(Vllh, Fig. 171). Er liegt hier der Lmenfläche der oberflächlichen
Jugulai'vene an, gelangt so an das erste Kiemenloch und theilt sich hier
in zwei Endäste, die in derselben Weise wie die übrigen Kiemen-
nerven vom Vagus, die beiden Lamellen des Kiemensackes ver-
sorgen.
Nach Abgabe des Kiemenastes kreuzt der eigentliche Facialis am
Rande der Orbita den äusseren Ast des Trigeminus und zeigt hier
eine spindelförmige, abgeplattete und wenig auffallende Verdickung,
die durch die Gegenwart von Zellen sich als Ganglion charakterisirt.
Nach seinem Abgange von der Auerenhöhle verzweigt er sich in dem
Cyclostomen. 431
Tegiimeiite und sein vorderster Eudast verbindet sich mit einem Zweige
des Ophtlialmlciis vom Trigeminus.
Vor- Ohrgruppe. — Der Trigeminus einerseits und die drei
Augenmuskeluerven anderseits bilden zwei Untergruppen.
Der Trigeminus (F) entsteht im vorderen Theile des Hinter-
hirnes , hart an der Grenze des Mittelhirnes aus drei Wurzeln , die so
über einander liegen , dass ein in diese Gegend gelegter Querschnitt
(Fig. 176) die drei Wurzeln (f) vollständig zur Anschauung bringt.
Die obere Wurzel verläuft nach Durchsetzting des Schädels schief nach
vorn und oben und bildet ein grosses, spindelförmiges Ganglion (F6rOp,
Fig. 171), das an dem hinteren Winkel der Orbita anliegt und den
Nervus oplitlialmicus {Vo, Fig. 171) entsendet. Ausser diesem
dicken Nerven giebt das Ganglion noch einen feinen Verbindungs-
zweig zum Ganglion der zweiten Wurzel. Der Ophthalmicus läuft
nach vorn in dem engen Zwischenräume zwischen Auge und Hiru-
schädel zu dem Seitenrande des Ethmoidknorpels und nachdem er
hier einige feine Aeste an den Nasensack gegeben hat, gelangt er auf
seinem horizontalen Verlaufe zum äusseren Rande des Mundtrichters,
wo er sich in den Tegumenten und den Fühlwärzchen des Randes ver-
zweigt. Einer dieser Endzweige verbindet sich, wie schon gesagt, mit
einem Zweige der Facialis.
Die zweite Wurzel bildet ebenfalls nach ihrem Austritt aus dem
Schädel ein Ganglion, das man den Gasser'schen Knoten nennen
kann {V G, Fig. 171). Aber au der Bildung dieses Ganglions nimmt
auch die dritte , ventrale Wurzel Theil , die wahrscheinlich motorisch
ist. Das Ganglion Gasseri wäre demnach gemischter Art, während
das Ganglion des Ophthalmicus rein sensibel wäre. Der Gasser'sche
Knoten entsendet einen bedeutenden Nerven, den Maxillar nerven,
der sich sofort in zwei Aeste, einen inneren und äusseren, theilt. Der
äussere M axillarnerv verzweigt sich in den unteren Theilen und
Barteln des Saugmundes in derselben Weise, wie der Ophthalmicus in
den oberen: er sendet ausserdem feine Zweige zum Gaumen und den
Muskeln. Der innere Maxillarnerv ist wesentlich motorisch; er
versorgt die Muskeln des Schlundkopfes, des Zungenstieles, den Ring-
rauskel und Halbringmuskel, aber auch die Muskelschleimhaut. Hin-
sichtlich der Details s. Fürbringer.
Die in ihrer seltsamen Vertheilung so constanten drei Augen-
muskelnerven sind auch in ihrem Ursprung unterschieden.. Die feinen
Wurzelfasern des Abducens {VII) vermischen sich fast mit denen
der ventralen Trigeminuswurzel. Der Nerv tritt mit den übrigen
Augennerven in die innere Lücke der Orbita und theilt sich in zwei
Aeste, einen kurzen, oberen für den hinteren, geraden Augenmuskel
und einen längeren, unteren, der den unteren, geraden Augenmuskel
432 Wirbelthiere.
besorgt, welcher bei allen übrigen Wirbeltbieren von dem Ociilomoto-
rius innervirt wird.
Der Nervus trochlearis oder patheticus {IV) entspringt als
ein sebr dünner Nerv an dem oberen Rande des Kleinhirnes und ver-
zweigt sich in dem oberen (hinteren) schiefen Augenmuskel sofort nach
seinem Eintritt in die Orbita.
Der Nervus oculomotorius (III) entspringt von dem unter das
Mittelhirn vorgeschobenen Stamm des Hinterhirnes. Seine Wurzel-
fasern bilden hier in der Hirnsubstanz selbst ein queres Chiasma. Nach
seinem Eintritte in die Orbita theilt sich der ziemlich ansehnliche Nerv
in zwei Aeste , einen vorderen , von dem ein Bündel sich in dem vor-
deren, schiefen Augenmuskel verzweigt, während ein anderes Bündel
diesen Muskel durchsetzt und sich zum vorderen , geraden Augen-
muskel begiebt. Der weit kürzere, hintere Ast geht direct zum oberen,
geraden Augenmuskel.
Die Sehnerven (11) gehören der Basis des Zwischenhirnes an,
wo man auf Querschnitten (Fig. 180) ein starkes, in die Hirnsubstanz
selbst eingeschlossenes Faserbündel bemerkt, das eine ansehnliche
Quercommissur bildet. Dies ist das Chiasma nervorum opticorum;
die Wurzelfasern des Bündels entstehen aus Zellenhaufen , die an den
Rändern der Centralspalte liegen. Wir gestehen , dass wir in diesem
Chiasma keinen vollständigen Austausch der Fasern sehen konnten;
eine gewisse Anzahl von Fasern geht sicher von rechts nach links und
umgekehrt und bilden so ein Quei'bündel, dessen -Zusammenhang mit
den Ganglienzellen in der Hirnmasse wir nicht deutlich zur Anschauung
bringen konnten. Jederseits vereinigen sich die Fasern zu einem
mächtigen Stamme , der durch die seitliche Schädellücke in die Orbita
tritt und sich in der Retina ausbreitet. Der Nerv ist hohl und ent-
liält einen centralen Cylinder von dichter Bindesubstanz mit zahl-
reichen, kleinen Kernen. Beim Eintritt in die Retina verdickt sich
dei" centrale Cylinder und täuscht so ein Ganglion vor, auf welchem
die Nervenfasern sich kreuzen, wie wenn man eine Spindel in einem
Haufen von erstarrenden Fäden um ihre Axe gedreht hätte. In diesem
scheinbaren Ganglion finden sich keine Nervenzellen; die Nervenfasern
strahlen unmittelbar von ihm in die Retina aus.
Die Riechnerven (J) bilden die unmittelbare Fortsetzung des
Riechlappens nach vorn. In ihrem Inneren sieht man Knoten
(Fig. 180), aus einer festen, feinmaschigen Substanz gebildet, die
schwärzliche Körnchen enthält. Aus diesen, von einem hellen, Ganglien-
zellen enthaltenden Hofe umgebenen Knötchen gehen die Riechfasern
hervor, die sich unmittelbar zum Nasensacke begeben.
Sinnesorgane. — Da wir von den Tastzellen schon bei Ge"
legenheit der Haut gehandelt haben, bleiben nur die drei Sinnesorgane
Cyclostomen. 433
des Kopfes übrig. Es wurde schon bemerkt, dass besondere Geschmacks-
organe nicht vorhanden sind, da die in dem Ej^ithelium der Mund-
höhle zerstreuten Sinneszellen , die wohl die Geschmacksempfindung
vermitteln, von denjenigen der Epidermis sich in keiner Weise unter-
scheiden.
Riechorgan. — Wie schon gelegentlich der allgemeinen zoolo-
gischen Charaktere der Cyclostomen bemerkt wurde, ist dieses in der
Mittellinie gelegene Organ stets einfach. Bei den Neunaugen findet
sich die äussere Nasenöffnung in ziemlicher Entfernung von dem
Lippenrande in Gestalt eines Knopfloches mit aufgewulsteten Rändern,
die auf diese Weise ein sehr kurzes Eingangsrohr bilden.
Wir unterscheiden am Riechorgane vier Theile: das Eingangs-
rohr, den einzig der Geruchsempfindung dienenden Xasensack, den
Nasengaumengang und die Xebendrüse.
Als Ganzes betrachtet, stellt das Riechorgau eine Röhre dar, welche
schief nach unten und hinten in den Kopf eindringt (Eingangsrohr),
dann sich horizontal nach hinten erstreckt (Xasengaumengang) und
auf der hinteren Fläche einen grossen, von einem besonderen Knorpel
eingehüllten Beutel trägt, welcher den Xasensack und die Xebendrüse
enthält. Auf medianen Sagittalschnitten (Fig. 185) sieht man diese
Anordnung sehr deutlich. Wir gehen auf die Organisation der ein-
zelnen Theile ein.
Das Eingangsrohr (c, Fig. 184) wird von einer Einstülpung
des Tegumentes gebildet. Man kann auf Sagittalschnitten sehr wohl
die einzelnen Schichten der Epidermis (a) und der Lederhaut (h) ver-
folgen, wie sie sich nach innen einschlagen, um die Wände des Rohres
zu bilden, in dessen Umgebung die Hypodermis (c) sehr dichtfaserig
wird und zahlreiche Pigmentzellen zeigt. Im Inneren der Röhre findet
sich an der Stelle, wo sie in den Xasensack mündet, ein bemerkens-
werther Klappenapparat (a, Fig. 183 A und J5). Er wird durch
eine Falte der Innenwand gebildet, der auf der hinteren, dorsalen
Fläche der Röhre beginnt, mehr und mehr sich erhebend auf die ven-
trale Fläche sich fortsetzt und so eine halbmondförmige Taschenklappe
darstellt, welche ihrer Stellung nach den Einfluss des Wassers in
den Xasengaumengang verhindert, während sie den von innen kom-
menden Strömungen den Durchzug gestattet. Der Apparat ähnelt
den Taschenklappen , welche sich an der Wurzel der grossen Gefässe
befinden; seine Wirkung scheint durchaus passiv zu sein, denn er ist
nur von einer Hautfalte gebildet, in welcher wir keine Muskelfasern
nachweisen konnten.
In der Höhe dieser Klappe führt eine Oeffnung in den umfang-
reichen Xasensack, der in eine dünne Knorpelkapsel (f?, Fig. 183)
eingeschlossen ist, welche vorzugsweise die obere Fläche deckt, vorn
Vogt u. Yuug, prakt. vergl. Anatomie. II. oft
434
Wirbelthiere.
und unten aber eine durch Bindegewebe (e) geschlossene Lücke und
hinten zwei brillenförmige Oeffnuugen zeigt, durch welche die Riech-
nerven eintreten (/, Fig. 184).
Der Raum zwischen der sehr dicken und stark gefalteten Schleim-
haut des Sackes und der Knorpelkapsel ist von Bindegewebe er-
füllt, das meist von Pigment gänzlich geschwärzt ist. Diese Pigment-
zellen dringen auch in die Innenräume der Falten ein, deren Bildung
sie dann gänzlich verdecken. Nur selten findet man Individuen, wie
dasjenige, von welchem der in Fig. 184 dargestellte Sagittalschnitt
entnommen ist und bei welchem das Pigment sich auf eine einfache,
die Kapsel auskleidende Schicht beschränkt.
Petrom. ßitv. — Eine von vorn nach hinten gelegte Reihe von sechs senkrechten
Querschnitten durch das Riechorgan. Verick, Oc. 1, Obj. 0. Camera lucida.
a, Klappenapparat der Nasenröhre; h^, Centralhöhle des Sackes; c, röhrenförmig ge-
schlossene Schleimhautfalten ; c*, letzte Endigungen der Röhren ; d, Ethmoidknorpel ;
e, freie Schleinihautfalten ; f, Bucht der Centralhöhle , die in f^ sich zum Nasen-
gaumengange schliesst ; g, obere Mittelfalte, die in g^ zur senkrechten Scheidewand
wird ; A, Centi-alplatte ; /', Mittelfeld derselben ; k, Seiteufelder.
Querschnitte zeigen , dass die Falten der Schleimhaut radiär und
der Längsaxe des Körpers nach geordnet sind. Aber nur in der Mitte
des Sackes (C, Fig. 183) zeigen sie freie Innenränder, die eine weite
Centralhöhle (Jb^) zwischen sich lassen. Au beiden Enden, nach vorn
wie nach hinten, verwachsen ihre lunenränder in der Weise, dass die
Cyclostomen.
435
Zwischenräume, welche rlie Falten trennen, zu kurzen Röhren um-
gewandelt werden, welche auf Querschnitten f-B, E, Fig. 183) wie
Knopflöcher aussehen. Die Röhren an der Hinterfläche haben runde
Form und zeigen am Boden kleine Vertiefungen (c\ F).
Unter diesen Falten zeigt eine obere Medianfalte (^r, Fig. 183 C,IJ)
ein besonderes Verhalten. Sie verlängert sich allmählich nach unten
und bildet schliesslich , durch Anwachsen an den Boden des vSackes,
eine Längsscheidewand, welche den Sack in zwei symmetrische Hälften
theilt. Indem die freien Ränder der übrigen Falten unter einander
und mit dieser Scheidewand verwachsen, bildet sich ein Mittelfeld (E),
das anfangs noch von den Endröhren der Falten umgeben ist, aber
Yicr. 184.
Peirom. ßnv. — Theil eines seitlichen Sagittalschnittes des Kopfes, um den Eintritt
des Pdechnerven zu zeigen. Zeiss, Oc. 1, Obj. C. Camera liicida. a, E))idermis;
b, Lederhaut; lA, innere Faserbalken der Schnauze; c, Hvpodermis ; c^, vom Schnitt
gestreifter Eingang des Nasenrohres; d, Nasenknorpel ; e, gemeinsame Faserhülle des
Sackes und der Nebendrüse ; /, Höhle des Nasensackes ; g, Schleirahautfalten , oflen
oder geschlossen; Ä, oberer Nerveuzug ; i, unterer Nervenzug ; t, Chiasma: ?, Austritt
des Riechnerven aus dem Gehirn ; m, häutiger Schädel ; n, innere Hirnhülle ; o, Sub-
stanz des Riechlappens; p, Riechganglien dieses Hirntheiles; q, Seitensinus des Prosen-
cephalou, durch den Schnitt geöffnet; r, Röhren der Nebendrüse ; s, Eigenhülle derselben.
bald durch deren Verwachsung die Hinterwand des Sackes bildet (F).
dessen Mittelfeld stark pigmentirt ist.
Der senkrechten Mittelfalte gegenüber zeigt sich anfangs am
Boden des Sackes eine Rinne (/, B, e), von zwei niederen Seiten-
falten begrenzt. Durch Verwachsung der Mittelfalte mit den Rändern
28*
436 Wirbelthiere.
der Rinne wird dieselbe zu einem Canal (/^) umgewandelt, welcher
den Anfang des Nasengaumenganges bildet.
Auf Sagittalschnitten von pigraentarmen Exemplaren kann man
den Veidaaf der Riechnerven verfolgen. Beim Austritte aus dem Ge-
hirn bilden die Fasern eine Art Chiasma (7, Fig. 184 a. v. S.) , in
welchem die Fasern zickzackförmig geknickt sind, und theilen sich
dann in zwei Aeste, von welchen der eine (7c) der dorsalen Wölbung
des Sackes folgt, während der andere (?) auf der Bauchseite des
Sackes verläuft. Beide Nervenstämme strahlen in das Zwischengewebe
der Falten aus, wo man ihre Verzweigungen bis zum Ende verfolgen
kann.
Die Nebendrüse (r, Fig. 184) liegt unter dem hinteren Theile
des Nasensackes, unter dessen Falten und der Eintrittsstelle der Riech-
nerven. Sie hat etwa die Gestalt eines Hanteis und zeigt zwei fast
kugelförmige Seitenmassen , die durch einen kurzen Quertheil ver-
bunden sind. Sie hat eine faserige Eigenhülle (s, Fig. 184), wodurch
sie scharf von dem Sacke abgegrenzt wird, und besteht aus Bündeln
kurzer, gewundener Röhren mit engem Lumen, deren Wände mit
einem Cylinderepithelium ausgekleidet sind, so dass sie Ausführungs-
gängen von Drüsen gleichen. Diese Zellen lassen sich leicht von den
weit höheren Wimperzellen unterscheiden, welche das Epithelium der
Falten bilden. Wir haben ebenso wenig als Scott (s. Lit.) Communi-
cationsöffnungen dieser Röhren entdecken können, weder unter sich
noch mit den Zwischenräumen der Nasenfalten, weder mit der darunter
liegenden Mundhöhle, noch mit der dahinter liegenden Hypophysis;
sie scheinen an beiden Enden blind geschlossen. Man hat diese An-
hangsdrüse mit dem Jacobs on' sehen Organe der höheren Wirbel-
thiere homologisirt, ohne triftige Gründe für diese Anschauung bei-
bringen zu können.
Der Naseugaumengaug (f, Fig. 183 E und F; Np, Fig. 185)
beginnt, wie oben gesagt, durch Schliessung der Bodenrinne des
Nasensackes zu einem abgeplatteten Canale, der in der Mittellinie unter
den Falten des Sackes nach hinten verläuft. In seiner Fortsetzung
dringt der Canal in die Schädelhöhle, wo er in der unteren Einfaltung
des Vorderhirnes liegt. In der Nähe des Hirntrichters durchsetzt er
den häutigen Boden der Schädellücke, auf welchem die Hypophj^sis
aufliegt, und legt sich nun an die Unterfläche der Hinterhauptsplatte
und der Chorda so an, dass er zwischen diesen und dem Oesophagus
verläuft. Auf dieser Erstreckung wird er jederseits von den Carotiden
und Jugiilarvenen begleitet (Nj), Fig. 185). So erstreckt er sich bis
in die Gegend des vordersten Kiemensackes, wo er spitz endet. Ver-
folgt man seinen Verlauf auf Querschnitten, so findet man zwei Er-
weiterungen, zwischen welchen er eng und abgeplattet ist; die erste
findet sich unter der Hypophysis, die zweite, weit bedeutendere, in
Cyclostomen.
437
der Gegend des Velum. Hier zeigt der Querschnitt eine seltsame
Form; sein Lumen bildet ein Doppelkreuz mit einem senkrechten
Mittelstücke; die beiden oberen Seitenäste des Kreuzes umfassen die
Chorda und die sie begleitenden Gefässe, während die beiden unteren,
ausgezackten Aeste sich so um die Seiten des Oesophagus herumlegen,
dass nur dessen Unterfläche frei bleibt. You dieser Erweiteruno- an
verschwindet allmählich das Mittelstück, so dass Querschnitte nur ein
liegendes Andreaskreuz zeigen. Die Aeste dieses Kreuzes verkümmern
allmählich und das Ende ist sehr eng und abgeplattet.
Fig. 185.
^P G7i
Pttrom. fluv. — Nahezu medianer Sagittalschnitt des Kopfes eines Exemplares, dessen
Metamorphose noch nicht vollendet war. Verick, Oc. 1, Obj. 0. Camera lucida.
Aq, AYassercanal ; Co, Chorda; Cr, Schädel, grossentheils häutig; Cro, Hinterhaupts-
platte des Schädels; Ep, Epiphysis ; 6'ä, Habenularganglion ; Ily, Hypophysis ; Ms,
Mesencephalon ; Mt, Metencephalon ; Mfi, Kautengrube ; Mfi, Cerebellum ; ilt^, Stamm
des Hinterhirnes ; Mu, Seitenmuskel; My, Myelencephalon; Nc, Xasenknoi-pel ; ^Vo, Xasen-
öftnung; A'p, Nasengaumengang ; As, Nasensack ; Oe, in der Aushöhlung begriffener Theil
des Oesophagus; Oe^, noch solider Theil desselben; T", Gaumensegel, a, Tegument ;
«1, Mundfi-ansen ; b, Lymphraum der Schnauze ;" c, obere Hälfte des Eingknorpels ;
c^, untere Hälfte desselben; d, Halbringknorpel; e, Ethmoidknorpel ; /, Kopf des
Zungenknorpels; g, seitlicher Zungenknorpel; /*, Copula ; i, Kiemenknorpel; k, Mund-
höhle; /, Vorsprung, auf welchem sich Zähne ausbilden werden; m, Gaumeugang ;
rt, üeberreste der Thyroidea ; o, Lymphräume; p, Hypodermis; ^j Scheide des m.hyo-
mandlbidarls (13, Fürbr.). Die übrigen Muskeln wurden mit den im Teste ge-
gebenen Zahlen von F ü r b r i n g e r bezeichnet : 7, obere Hälfte des Fiingmuskels ;
7 a, untere Hälfte; 14, m. hasUaris ; 16, ni. hyo-liyoidens posterior', 22, m. UnyiiaUs]
28, VI. pharyngtus ; br, Kiemenmuskeln.
438 Wirbelthiere.
Das Epithelium der Schleimhautfalten des Nasensackes ist sehr
genau von Retzius (s. Lit.) beschrieben worden. Es besteht aus
Büscheln hoher Cylinderzellen , die sehr lebhafte Wiraperbewegung
erkennen lassen. Isolirt man sie nach Fixation mit Osmiumsäure, so
zeigen sich diese Cylinder an beiden Enden quer abgestutzt ; am freien
Ende stehen die Wimpern auf einem schmalen, durchsichtigen Plateau,
während das in die Schleimhaut gesenkte Ende sich etwas erweitert
und Fasern aussendet, welche sich mit den Fasern des Bindegewebes
der Schleimhaut vermischen. Das untere Drittel einer solchen Cylinder-
zelle ist stielartig verengt und trägt in einer Aufwulstung den von
stark lichtbrechenden Körnchen umgebenen Kern. Zwischen diesen
in Palissaden geordneten Wimperzellen stehen andere, deren freies
Ende einem Fläschchen mit langem Halse gleicht; der Kern ruht im
Boden des Fläschchens, das sich in einen dünnen Faden auszieht,
welcher sich zwischen den Fasern der Basalhaut verliert. Wahrschein-
lich hängen diese oft varicösen Endfäden mit Nervenfäserchen zu-
sammen und stellen so die eigentlichen Riechzellen dar. Das freie
Ende ist abgerundet und trägt keine Wimpern, sondern einige steife
Borsten, die meist verloren gehen, von Retzius aber doch zuweilen
gesehen worden sind.
Ganz anders verhält sich das Epithelium des Nasengaumenganges.
Sobald sich dieser Gang von dem Sacke loslöst und noch auf der
Wölbung der nach innen vorspringenden Schleimhaut treten rundliche,
abgeplattete oder würfelförmige Zellen mit hellem Protoplasma und
kleinem, rundlichem Kern auf. Zwischen diesen Zellen und denen des
Nasensackes giebt es keine Uebergänge; sie treten plötzlich drei-
oder vierschichtig in den Thälern zwischen den Falten auf, wo sie
eine dicke Haut bilden, und erhalten sich in dieser Weise bis zu der
Stelle, wo der Canal auf die Unterfläche der Chorda .hinabschlüpft und
wo jene beträchtliche Verengerung sich findet, die man zuweilen
irrthümlicher Weise für sein Ende gehalten hat. In der Fortsetzung
des Cauales, von dieser Stelle an, wo das Lumen dann die Gestalt
eines Andreaskreuzes annimmt, nehmen die Schichten des Epitheliums
schnell ab, so dass nur eine einzige Pilasterschicht überbleibt, welche
die Wände des Canales auskleidet.
Sehorgan. — Das Auge der Lamprete (Fig. 171) ist verhältniss-
mässig gross; es nimmt einen bedeutenden Raum jederseits an dem
Kopfe ein und zeigt einen kreisförmigen Umfang, der nur durch die
Dui'chsiclitigkeit der Haut angedeutet ist, die ohne Falz sich über die
goldglänzende Iris wegzieht, in deren Mittelpunkt man die runde Pa-
pille sieht. Das Auge der Cyclostomen überhaupt zeichnet sich sowohl
durch eine besondere Structur der Retina, als auch durch den Mangel
einer eigenen , vorn von der Hornhaut und hinten von der Sclerotica
gebildeten Hülle axia. Der an der Vorderiläche leicht abgeplattete,
Cyclostoraen. 439
sphärische Augapfel wird nur durch eine dünne Schicht faserigen Binde-
gewebes abgegrenzt. Mit Ausnahme der Muskeln fehlen alle Neben-
organe, wie Lider, Drüsen u. s. w., durchaus.
Das die Hornhaut bildende Tegument wird, wie auf dem Körper,
von der Epidermis und einer ziemlich dicken Schicht der Lederhaut
gebildet. Beide Schichten gehen auf dem Umfange des Augapfels un-
mittelbar in die entsprechenden des Tegumentes über; die Körnchen-
und Keulenzellen fehlen in der Epidermis und die Pigmentschicht
in der Lederhaut. An die innere Fläche dieser falschen Hornhaut legt
sich, durch weitmaschiges Bindegewebe daran befestigt, ein feines
Faserhäutchen , dessen innere Fläche von einem dünnen Pflaster-
epithelium bedeckt ist. Dieses Häutchen schlägt sich nach innen
auf die Aussenfläche der Choroidea und lässt sich auf dieser bis gegen
die P^intrittsstelle des Sehnerven hin verfolgen. Langerh ans (s. Lit.J
nennt es die Descemet'sche Haut (e^, Fig. 171). Sie begrenzt
in der That nach vorn die vordere Augenkammer, spielt aber auch
dem Augapfel und den daran sich anheftenden Muskeln gegenüber
die Rolle einer undifferenzirten Sclerotica.
Nach innen von dieser Haut findet sich die ziemlich dicke Cho-
roidea (e^) , die sich, und zwar besonders leicht an ihrem vorderen
Umfange, in zwei concentrische Schichten spalten lässt. Sie biegt
sich vorn nach innen ein, um den durchlöcherten Schirm der Iris (e^)
zu bilden, der auf allen horizontalen oder sagittalen Schnitten sich aus
zwei Blättern gebildet zeigt, welche am Papillarrande mit einander ver-
wachsen. Dieser Rand berührt rundum die Vorderfläche der Krystall-
linse und scheint hier mit der Kapsel derselben durch sehr feine und
nur bei starken Vergrösserungen sichtbare Fädcheu verbunden.
Die kugelige Krystalllinse besteht aus langen, platten und
dünnen Bandzellen mit glatten Rändern, die in complicirter Weise an-
geordnet sind , worauf wir nicht näher eingehen können. Die Kapsel
der Linse ist auf der Vorderfläche weit dicker als auf der Hinterseite
und besteht vorn aus einer Doppelschicht platter Pflasterzellen. Der
Hintergrund des Auges zwischen der Linse und der Retina wird von
dem Gl askörper ausgefüllt, einer schleimigen, dem Eiweiss ähnlichen
Substanz, in der die geeigneten Reagentien ein feines Netzwerk er-
kennen lassen.
Die Retina (e') zeigt , wie bei allen "Wirbelthieren , die Form
eines offenen Bechers, dessen Stiel durch den Sehnerven gebildet wird.
Sie ist verhältnissmässig weit dicker als bei anderen Wirbelthieren,
verdünnt sich aber gegen ihren vorderen Rand hin. Sie liegt eng
an der Innenwand der Choroidea an und erstreckt sich bis zu der
Kreislinie, in welcher diese sich gegen die Linse einbiegt, um die Iris
zu bilden. In diesem "Winkel sieht man sie auf Durchschnitten mit
einem Rande enden, der etwa die Form des Eisens einer Axt hat.
440 Wirbelthiere.
Betrachtet man Durchschnitte der Retina unter schwachen Ver-
grösserungen, so scheint sie aus drei Schichten zusammengesetzt; einer
mittleren, welche sich durch Carmin stark färht, während die innere
und äussere Schicht blasser gefärbt bleiben. Untersucht man in der
Nähe der Eintrittsstelle den Sehnerven (S. 432), so überzeugt man sich
leicht, dass dessen Fasern in die mittlere Schicht ausstrahlen. Auf
eigens vorbereiteten Schnitten kann man unter starken Vergrösse-
rungen diese Schichten und ganz besonders die mittlere, weiter zer-
legen. Die innere (e^^j Schicht fehlt bei allen übrigen Wirbelthieren,
wo die Ausbreitung der Nervenfasern unmittelbar den Glaskörper be-
rührt; sie besteht aus langen, in einfachen oder doppelten Reihen auf-
gepflanzten Zellen , die deutliche Kerne und etwas verdickte Plättchen
am freien Rande zeigen , welche eine Art Grenzraerabran herzustellen
scheinen. Die Aussenschicht, welche unmittelbar die Choroidea be-
rührt, besteht wie bei den übrigen Wirbelthieren aus Stäbchen, zwischen
welchen man auch Kegel hat unterscheiden wollen. Wir haben so
viele Uebergangsformeu gesehen, angesichts deren wir nicht entscheiden
konnten, ob sie als Stäbchen oder Kegel anzusehen seien , dass wir zu
der üeberzeugung gekommen sind, dass man es hier nur mit einem
einzigen, in gewissen Grenzen variirenden Formeleraente zu thun
habe. Laugerhans, auf dessen^ Arbeit wir hinsichtlich der weiteren
histologischen Verhältnisse verweisen, unterscheidet in der Mittelschicht
sechs verschiedene Zonen, unter welchen die wichtigste die innerste,
aus den Nervenfasern gebildete Zone ist; ausserdem finden sich noch
zwei Zonen von Ganglienzellen, umgeben von zwei Körnerzonen und
einer Körnchenschicht. Die angegebenen Zonen entsprechen etwa den
von Merkel angenommenen Retinaschichten, deren Abbildung in
allen Handbüchern zu finden ist. Die Retina der Lampreten unter-
scheidet sich weder durch diese Zonen, noch durch die äussere Stäbchen-
schicht, wohl aber durch die augeführte dicke, innere Zellenschicht,
welche die Nervenenden vom Glaskörper fernhält und einem Cylinder-
epithelium ähnlich sieht.
Wir haben schon die Structur des Sehnerven an seiner Eintritts-
stelle beschrieben; die feinen Fäserchen , die von ihm ausstrahlen,
bilden sehr comjilicirte Plexus in ihrer betreffenden Schicht.
Es sind sechs Augenmuskeln voi'handen, vier gerade und zwei
schiefe. Es sind kurze, platte Bänder, die an dem Schädel in der Nähe
des Eintrittes der Sehnerven entstehen und zur Circumferenz des Aug-
apfels auseinander gehen. Die Fasern dieser Muskeln haben eine
besondere, derjenigen der Kiemenmuskeln ähnliche Structur, über deren
Besonderheiten wir auf die Arbeiten von Langerhans und Schneider
verweisen (s. Lit.). Die vier geraden Muskeln umfassen mit ihren
Ursprüngen den Sehnerven und setzen sich am vorderen Rande des
Augapfels in der Weise au, dass sie, mit Ausnahme einer Lücke an
Cyclostomen. 441
der Vorderseite, mit ihren verbreiterten Enden die ganze Circuniferenz
umspannen. Der vordere schiefe Augenmuskel, der grösste von allen,
entsteht etwas vor der Eintrittsspalte des Nerven , schlägt sich unten
und aussen um den vorderen geraden Muskel herum, den er ganz be-
deckt und setzt sich mit einer breiten , aber sehr dünnen Aponeurose
an den vorderen und unteren Rand des Augapfels, den er nach vorn
und unten dreht. Der hintere schiefe Muskel, sein Antagonist, ist
sehr klein und besitzt nichtsdestoweniger einen besonderen Nerven
(Nervus trocJilcaris); der Nervus abducens geht zum hinteren geraden
Muskel und ausnahmsweise auch zum unteren geraden AUiskel, so dass
von dem N. oculomotorius nur drei Muskeln versoi-gt werden, der
obere und vordere gerade und der vordere schiefe, dessen Zweig den
vorderen geraden Muskel durchbohrt. Für Einzelheiten verweisen
wir auf Für bringer (s. Lit.).
liörorgau. — Das Ohr (/, Fig. 171; g, Fig. 175j ist durchaus
auf das innere Ohr beschränkt und in einer eiförmigen Knorpel-
kapsel eingeschlossen, die mit der Occipitalplatte des Schädels so ver-
wachsen ist, dass nur eioe innere, zuweilen in zwei Löcher getheilte
Längsspalte am Boden der Schädelhöhle für den Eintritt der Nerven
und Gefässe offen bleibt. Die Kapsel erscheint schon sehr früh beim
Embryo, ist bei der Larve vollständig ausgebildet und nimmt mit ihrer
durchaus glatten Innenfläche keinen Theil an den Bildungen des in
ihr eingeschlossenen Labyrinthes, wie dies bei den übrigen Wirbel-
thieren der Fall ist, wo sie zwischen die einzelnen Theile eindringt.
Man kann also die Kapsel leicht von dem eingeschlossenen, häutigen
Labyrinthe abpräpariren. Die sehr beschränkten Räume zwischen
Labyrinth und Kapsel sind mit lockeren Bindegewebsfasern durchsetzt
und mit einer schleimigen Flüssigkeit, der Perilymphe, erfüllt.
Nebenorgane oder Communicationen nach aussen fehlen vollständig;
die bis auf den erwähnten Schlitz hermetisch geschlossene Kapsel ist
von den Massen des Seitenmuskels vollständig bedeckt.
Die Untersuchung des Labyrinthes bietet wegen der Kleinheit des
Objectes und der complicirten Structur desselben viele Schwierigkeiten.
Normalschnitte der Gegend nach den drei Richtungen lassen sich
schwer deuten, weil die Axen des Organes schief zu denjenigen des
Körpers stehen. Die Homologisirung der einzelnen Theile mit den-
jenigen des Ohres der Fische konnte nur theilweise hergestellt werden;
für diejenige anderer Theile dürfte wohl das Ohr der Amphibien maass-
gebend sein.
Das häutige Labyrinth wird grösstentheils von einem unregel-
mässig eiförmigen Vestibül um gebildet, dessen grosse Axe nicht
ganz derjenigen des Körpers parallel läuft. Der Sack ist innen
durch eine vorspringende, sichelförmige Querfalte , die Stirnleiste,
in zwei symmetrische Kammern, eine hintere und eine vordere, getheilt.
442 Wirbelthiere.
Oben und unten endet diese Leiste mit einer knopfartigen Verdickung
und theilt sich ausserdem auf der dem Hirn zugewendeten Seite oben
in zwei wenig vorspringende Seitenfalten, die sich zusammenschliessen
und so eine wenig geräumige obere Kammer bilden, die rundliche
Form hat, wie ein hohler Knopf dem Vestibulum aufsitzt und die
Commissur genannt wird. In dieser Höhle, in deren Mitte der End-
knopf der Stii'nleiste hängt, enden die beiden halbzirkelförmigen
Canäle. Der ventrale Endknopf der Stirnfalte springt in einer nacb
hinten gelegenen, engen Oefinung vor, welche in den sackförmigen
Anhang führt, ein eiförmiges Bläschen, an dessen Innenwand sich
ein mit Hörzelleu besetztes Plättchen findet. Ein ähnliches Flättchen
findet sich im Vestibulum nahe an der erwähnten Oeffnung. Zwei
h albzirk eiförmige Canäle, ein vorderer und ein hinterer, ent-
springen aus den äusseren Ecken des Vestibulum; sie sind anfänglich
nur durch nacb innen vorspringende Falten angedeutet, die eine weite
Communication mit dem Vestibulum lassen, und schliessen sich erst im
vorderen und hinteren Umfange zu weiten , selbständigen Röhren ab,
die gegen die Hirnseite hin schief nach oben sich krümmen und in
der erwähnten Commissur enden , welche ihrerseits durch eine weite
Oeffnung mit dem Vestibulum communicirt. Die beiden weiten Canäle,
die anfangs zwischen dem Vestibulum und dem sackförmigen Anhang
liegen , sind also nur auf einem kleinen Tlieile ihres Verlaufes selb-
ständig; ihre Enden springen auf Schnitten als Falten gegen die Höhle
des Vestibulum vor.
Dieses ist auf seiner ganzen Innenfläche von einem eigenthüm-
lichen, aus sehr schmalen Cylinderzellen gebildeten Epithelium aus-
gekleidet. Jede dieser Zellen gleicht einem kurzen Stocke mit einem
kleinen , glänzenden Kerne und trägt auf ihrem freien Ende eine sehr
lange und dünne Wimpergeisel. Meist sind diese Geiseln gewellt und
am vorderen Ende schlingenartig gebogen, was Shipley (s. Lit.) be-
wog, ihnen ein geknöpftes Ende zuzuschreiben. Sie setzen wahr-
scheinlich kleine, kugelförmige, aus concentrischen Schichten gebildete
Otolithen in Bewegung, deren Zahl und Grösse mit dem Alter
zuzunehmen scheint und die in der schleimigen Flüssigkeit, der
Endolymphe, schwimmen.
Dieses charakteristische Epithelium lässt auf Schnitten sehr leicht
die Flächen erkennen , welche dem Vestibulum angehören. Es findet
sich nur auf der Innenfläche dieses Sackes und fehlt durchaus auf den
nur mit einem dünnen Pflasterepithelium ausgekleideten Flächen der
Canäle und des sackförmigen Anhanges. Der Unterschied geht so
weit, dass die Falten , womit die Canäle beginnen , auf der dem Vesti-
bulum zugekehrten Fläche Geiselzelleu tragen , während die den
Cauälen zugewendete Fläche das Pflasterej)ithelium zeigt.
An ihrem Beginne sind die beiden halbzirkelförmigen Canäle zu
Cyclostomen. 443
weit gegen das Vestibuluin hin geöffneten Ampullen erweitert, deren
jede durch wenig vorspringende Falten in drei Kammern getheilt ist.
Die untere, den sackförmigen Anhang von der Ampulle trennende
Falte ist verdickt und trägt auf ihrem vorspringenden liande eine
horizontal, parallel der Körperaxe verlaufende G e hörleiste. Sagittal-
schnitte geben den besten Aufschluss über den Bau dieser beiden
Leisten , welche in Gestalt zweier horizontaler Plattformen gegen die
Communicationsötfnung zwischen Vestibulum und sackförmigem An-
hange vorspringen. Sagittalschnitte treffen die Leisten der Länge
nach , während Quer- und Horizontalschnitte sie als Anschwellungen
der Falten zeigen. Auf diesen Leisten stehen zwischen einfachen,
spindelförmigen Stützzellen andere palissadenartig gestellte Spindel-
zellen, welche auf dem abgestutzten, freien Enile eine kurze, steife
Borste tragen. Dies sind ohne Zweifel die eigentlichen Hörzellen,
was um so wahrscheinlicher ist, als in dem Füllgewebe zwischen den
Leisten und der äusseren Kapsel zahlreiche Nervenplexus sich finden,
welche schliesslich zu den Hörleisten sich begeben.
Wir müssen hier noch zweier, schwer zu deutender Bildungen
erwähnen. In dem dreieckigen Baume, welcher zwischen der Com-
missur oben und den beiden Kammern des Vestibulum bleibt, findet
sich eine kleine, in einen kurzen Canal führende Oeffnung, der in die
Coramissur nahe an der Communication mit dem Vestibulum mündet.
Unter diesem Canale, der vielleicht der Ueberrest eines nach aussen
mündenden, embryonalen Ganges ist, liegt an der Wandung des Vesti-
bulum ein keulenförmiges Säckcben, welches durch eine eiförmige Spalte
in die Höhle des Vestibulum mündet. Man hat es den Saccus endo-
Jymj}haticus genannt.
Wir haben schon (S. 430) den Hör nerven besprochen, der sich
vom Hirn aus in die Ohrkapsel begiebt und dort ein Ganglion mit
deutlich umschriebenen, meist bij^olaren Zellen bildet. Das Ganglion
ist gleichsam zwischen das Labyrinth und die häutige Scheidewand,
welche es hier vom Gehirn trennt, eingeklemmt; setzt man in Ge-
danken die Knorpelkapsel fort, so befindet es sich innerhalb derselben.
Das Ganglion sendet drei pinselartige Bündel von Fasern aus; zwei
gehen zu den Hörleisten, das dritte zu dem Vestibulum, das in der
Nähe der Communicationsöffnung mit dem sackartigen Anhange liegt.
Dieses letztere dünne Bündel sendet Fasern zu den nur wenige Hör-
zellen enthaltenden Platten, die über der Oeffnung und in der Wan-
dung des sackförmigen Anhanges liegen.
Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf das classische Werk
von A. Retzius: Das Gehörorgan der Wii'belthiere, Bd. 1.
Verdauungsapparat. — Wir unterscheiden den eigentlichen
Darmcanal und die Nebenorgane. Erstei'er besteht, von vorn nach
hinten, aus der Muudliöhle, dem Pharynx, dem Schlünde, dem Darm
444 - Wirbelthiere.
uud dem Afterdarui ; zu den Nebenorganen zählen wir die Speichel-
drüsen, die Leber und die Anlage der Milz.
Die makroskopische Präparation ist leicht. Ein die Bauchhöhle
öffnender Längsschnitt legt den grössten Theil des Darmes unmittel-
bar bloss; nur die Mastdarmgegend bietet einige Schwierigkeiten wegen
der Vereinigung der Harnleiter und der Peritonealcanäle. Auch der
längs des Kiemenkorbes verlaufende Theil verlangt Vorsicht, besonders
in der Nähe des Pharynx und des Herzens. Ueber alle diese schwie-
rigen Theile geben sagittale und quere Schnitte genügenden Aufschluss.
Der durchaus auf der Bauchseite des Kopfes gelegene Mund
(Fig. 162, 163) zeigt, wenn die Lamprete angesaugt ist, einen kreis-
runden ümriss. Schwimmt das Thier aber, so bildet er eine eiförmige
Längsspalte. Er ist von mehreren Reihen von Barteln eingefasst,
die vorn ziemlich kurz sind, sich aber am Hinterende der Spalte ver-
längern, und führt in einen weiten Trichter, dessen Basis von dem
Munde gebildet wird, während die Spitze nach oben und hinten gegen
die Schädelbasis gerichtet ist. Der enge Pharynx, in welchen die
Mundhöhle sich fortsetzt, liegt in der That hart der Schädelbasis an
und der Grund des Trichters wird von dem Zun gen Stempel ein-
genommen , der bis über den Mundrand vorgestossen werden kann.
Betrachtet man die geöffnete Mundhöhle von vorn her, so sieht man
auf ihrer glatten Wölbung unregelmässig zerstreute Zähnchen und im
Grunde einen hornigen Halbring mit zwei seitlichen Hornspitzen, den
Oberkiefer der Zoologen, welchem von der ventralen Seite her
ein anderer Halbring, der Unterkiefer, entspricht, der mit sieben
Zähnen besetzt ist. Diese beiden Hornbildungen sind fest und un-
beweglich in die Schleimhaut eingelassen und umfassen von oben und
unten einen kreisförmigen Raum, in welchem der ebenfalls mit spitzen
Hornzähnchen bewaffnete Zungenstempel sich vorwärts und rückwärts
bewegen kann.
Die Mundhöhle ist von einer Schleimhaut ausgekleidet, welche
dieselben Elemente wie die äussere Haut besitzt. Die Bärtel sind nur
Hautverlängerungen mit einein Kern von Bindegewebe, und man unter-
scheidet an ihnen, wie an der Mundhaut, eine Epidermis und eine
Lederhautschicht. Die Pigmentschicht fehlt, ebenso die Körnchen- und
Keulenzellen; man findet in der Epidermis Sinneszellen, vielleicht
häufiger als auf der äusseren Haut. Die Kiefer uud Zähne sind genau
so wie diejenigen der Kaulquappen der Frösche gebildet; sie entstehen
durch Umbildung der Epithelialzellen , die verhornen und sich in
Schichten übereinander lagern. Wir verweisen hinsichtlich der Einzel-
heiten auf eine Abhandlung von Kieffen über die Ilornzähne der
Larven von AJijtes obstetricans (Arch. de Biologie, Vol. IX, 1889).
Die dunkelgelb gefärbten Zähne erscheineii auf Durchschnitten wie aus
übereinander geschichteten Düten gebildet.
Cyclostomen. 445
Wir haben schon (S. 401) die Knorpel und (S. 406) die Muskeln
des Zungenstempels besprochen. Im Ganzen betrachtet, erscheint
das Organ in Form eines langen Cylinders (?, Fig. 163), der stets sich
verjüngend auf der ventralen Mittellinie des Kiemenkorbes vom
Grunde der Mundhöhle bis zum Herzbeutel sich erstreckt und durch
Sehnenbündel sich an dem Knorpel des Herzbeutels festsetzt. Die
Muskeln des Zungenknorpels setzen sich aber nicht direct an ihn an,
sondern an eine feste Faserscheide , die ihn von allen Seiten wie ein
Futteral umgiebt. Auf Querschnitten (1 bis 4, Fig. 174 ; 1 bis 6, Fig. 175)
zeigt sich das Organ als ein mächtiger Muskelkreis, in dessen Mitte
der Zungenknorpel steckt und über welchem sich das Lumen des
Wasserganges zeigt, der das Wasser den Kiemensäcken zuführt. Das
angeschwollene Vorderende des Stempels (Fig. 16.3) ist mit Zähnchen
besetzt und fest auf seinem ganzen Umfange durch Muskelfasern au
die Wände der Mundhöhle angeheftet. Diese Muskeln lassen nur
Raum für den engen Pharynx, der unter der Schädelbasis sich erstreckt.
Der Stempel kann, wie gesagt, bis über die Mundräuder vorgestossen
werden und seine spitzen Zähnchen können sogar die menschliche Haut
verletzen.
Hinter der Mundhöhle, zwischen dem Vorderende des Stempels
und den Ohi-bläschen erstreckt sich der Pharynx. Mau kann ihn
leicht auf Sagittalschnitten verfolgen (m, Fig. 163 und 185). Es ist
ein enger Canal , dessen Ober wand unmittelbar der Schädelbasis an-
liegt, während die untere Wand an den Zungenstempel angeheftet ist.
Der Canal zeigt nichts Besonderes; er ist innen von einem zwei-
schichtigen Pflasterepithelium mit spärlichen Sinneszellen überkeidet.
An seinem Hinterende mündet der Pharynx in zwei Hohlgäuge,
den dorsal liegenden Oesophagus und den darunter verlaufenden
Wassergang. In dieser Gegend zeigt sich eine kreisförmige Ver-
dickung, welche die Einmündung in den Schlund durchaus umgiebt
und mit zwei seitlichen Schenkeln den Eingang des Wassergauges so
umfasst, dass die ventrale Wand des Pharynx unmittelbar auf den Wasser-
gang übergeht. Die Schenkel der Verdickung schliessen sich dann in
der Mittellinie zusammen, bilden so die ventrale Wand des Schlundes
imd trennen diesen von dem darunter liegenden Wassergange, dessen
Mündung einen eigenthümlichen, später zu besprechenden Reusen-
apparat trägt. Die Vereinigungslinie bildet im Lumen des Oesophagus
einen seichten Vorsprung, aus welchem sich die im Darm ausgebildete
Spiralklappe zu entwickeln scheint.
Wie man weiss, bildet sich der Schlund der Lamprete während
des üebergangsstadiums aus einem bei der Larve unter der Chorda
verlaufenden soliden Strange. Bei dem ausgebildeten Thiere bildet
der Schlund einen engen, über die ganze Länge des Kiemenkorbes in
der angegebenen Lage verlaufenden Canal (o, Fig. 163), der dem
446
Wirbelthiere.
blossen Auge auf der Innenfläche längsgestreift erscheint. Querschnitte
(Ic, Fig. 170; l, Fig. 186) zeigen, dass diese Streifung durch vor-
springende Falten der Schleimhaut bedingt ist, welche mit hohen
Cylinderzellen ausgekleidet ist, die keine Wimperu tragen.
An dem Herzbeutel (Fig. 186) angelangt, schlägt sich der Oeso-
phagus nach links um das Herz herum und gelangt unmittelbar in
einen Falz der Lebei% in welchem er sich allmählich nach unten senkt,
um auf die ventrale Innenfläche der Bauchhöhle zu gelangen, in
Fig. 186.
Petrom. ßiir. — Durch das Herz und den letzten Kiemensack gelegter Quer-
schnitt. Verick, Oc. 1, Obj. 0. Camera ludda. a, Tegument ; b, Seitenmuskel,
dorsale Hälfte ; ä^, ventrale Hälfte ; c, Fettfüllung des Riickencanales ; d, Seitennerv ;
e, Rückenmark; cj, Chordascheide; h, Chordakern; ?', Aorta; /j, Kopfvenen ; /, Schlund;
ni, Ueberrest der Vorniere; n, Lympliräume ; o, Herzbeutel; p, Kiemonvene ; q, Ven-
trikel des Herzenä ; r, äusseres Kiemenloch ; s, Arterienbulbus ; t, Innenfläche des
letzten Kiemensackes; ?', Vorkammer des Herzens; v, Lebervene; u' , Kiemenarterie.
welcher der Darm in gerader Richtung bis zum After verläuft
(m, Fig. 162). Im Anfange seines Verlaufes ist er gänzlich von der
Leber eingehüllt, mit der er längs einer Liuie zusammenhängt, die
Cyclostomen.
447
Yxg. 187
dem Verlaufe der Spiralklappe in seinem Inneren entspricht. Sobald
der Darm die Leber verlassen hat, erweitert er sich allmählich und
wird dann von den Genitalorganen umgeben, die zwischen ihren Falten
eine weite Rinne für ihn offen lassen. I\Ian kann in dem Darme der
Lamprete keinen eigentlichen Magen unterscheiden, d. h. eine Erwei-
terung mit eigenthümlichem, von demjenigen des Darmes verschiedenem
p]pithel. Der Oesophagus setzt sich unmittelbar in das mit einer
vorspringenden Spiralklappe versehene Darmrohr fort.
Der Uebergang vom Schlünde
zum Darme zeigt eine dem Ueber-
gange vom Pharynx zum Schlünde
ähnliche Bildung. Die Spiralfalte
springt von einem zwischen dem
Vorderende des Herzbeutels und
der Chorda gelegenen Punkte deut-
lich vor und breitet sich hier, wie
Schneider sagt, zu zwei Schenkeln
aus, welche den Darm nach vorn
gänzlich abschliessen würden, wenn
das Lumen des Schlundes sich nicht
zwischen diesen Schenkeln in die
Falte fortsetzen würde, um in Form
einer Spalte in die Höhle des Darmes
einzumünden.
In dieser Gegend zeigen sich in
den Wänden des Schlundes selbst
einige körnige Follikel , welche
Schneider als Anlage einer Milz
ansieht.
Die Darmwände zeigen zwei
Muskelschichten, eine äussere mehr
longitudinale und eine innere quere,
die aber aus so dünnen und in
dichtes, zelliges Bindegewebe ge-
hüllten Fasern bestehen, dass sie
sich auf Schnitten nicht unterschei-
den lassen.
Die Spiral falte setzt sich über
die ganze Länge des Darmes bis
etwa in die Gegend fort, wo die
Genitalorgane enden (bei 3, Fig. 162).
Sie besteht aus einer longitudinalen Einstülpung (s, Fig. 187) der
Schleimhallt, die mit Bindegewebe erfüllt ist, in welchem zwei Gefäss-
stämme verlaufen, die Darmarterie und eine Vene, welche sich als
Petrotn. JJur. — Centi'altheil eines durch
die Mitte der Bauchhöhle i;eleöten Quer-
schnittes. Verick, Oc. 1, Ohj. 0.
Camera lucida. c, e, 7, /', /, /.', wie in
der vorhergehenden Figur. Ausserdem :
/, Scheide des Rückeucanales ; in, Fett-
körper der Nierenleisten ; ?;, Xiere ; o,
Eierstock ; ;;, Bauchwand ; «7, Peritoneal-
höhle ; /•, Darm; s, Spiralfalte.
448
Wirbelthiere.
Pfortader in der Leber verzweigt. Durch das Bindegewebe und die
Zweige dieser Gefässe ist die Falte in den Leberfalz eingeheftet und
zeigt sich auf diesem Verlaufe ziemlich einfach mit nur schwachen
Zotten auf ihrem Umfange. Sobald aber der Darm die Leber verlassen
hat, schwillt die nun auf der Bauchseite gelegene Falte bedeutend an •,
die Auskerbungen werden lange, zottenartige Falten, wie sich die-
selben auch auf der übrigen Darraschleimhnut zeigen, und nach und
Fiff. 188.
Pelroin. fnr. — Davch das Ende der Bauchhöhle gelegter Querschnitt. Verick,
Oc. 1, Obj. 0. Camera Inc'ula. «, 6, o, e, 9, h, i, Je wie in Fig. 186. Ausserdem:
/, durchschnittene Strahlen der Rückenflosse; m, Flossenmuskeln; ?i, Bindegewehe um
die Nierenvene; o, Fettkörper der Niere; ;), Harnleiter ; (7, Peritonealhöhle ; r, Rectum.
nach wird die Spiralfalte so mächtig, dass sie fast die Höhle des Darmes
ausfüllt (Fig. 187). Alle diese Zottenfalten sind, wie diejenigen des
Darmes, mit einem hohen Cylinderepithelium ausgekleidet, dessen ab-
gestutzte Zellen sehr kurze und feine Wimpern tragen. Im Binde-
Cyclostnmen. 449
gewebe der Zottenfalten zeigen sich, ausser den Gefässen, zahlreiche
Lacunen, die wahrscheinlich dem Lymphsysteme angehören.
Die Spiralfalte sinkt bei der Annäherung an das Rectum allmäh-
lich zurück und in seinem x\nfauge zeigt dieser Darmtheil einen kreis-
förmigen Durchschnitt mit niedrigen, radartig gestellten Falten im
Umkreise, die ebenfalls nach und nach sich ausgleichen (/•, Fig. 188).
Wir besprechen das Ende des Rectums , das man auch Cloake
nennen könnte, zusammen mit den Ausfübrungsgängen für die Harn-
und Geschlechtsproducte.
Nebenorgane. — Ausser den angegebenen Follikeln, die als
Milz angesprochen werden, finden sich noch zwei dem Davmsysteme
angehörige Drüsen, die Speicheldrüsen und die Leber. Bei jungen
oder in der Verwandlung begriffenen Thieren findet man noch auf der
ventralen Seite des Kiemenkorbes in Rückbildung begriffene Follikel
('», Fig. 185), Reste der grossen Schilddrüse (Glandula ilujreoklea) des
Querders; aber diese Follikel verschwinden gänzlich bei fernerem
Wachsthum.
Die Speicheldrüse liegt an dem unteren Rande der Augen-
höhle und ist hier gänzlich von dem musc. hasilaris (Xr. 14 Für-
bringer's) umhüllt. Man findet sie leicht auf Schnitten. ,,Es ist",
sagt Fürbringer, „ein im Ganzen eiförmiger Drüsenkörper mit lap-
piger Oberfläche, dessen Centraltheil oben und unten nur von der
Fascie des Basilai-is umhüllt wird. Der Ausführungsgang der Drüse
läuft direct nach vorn und durchbohrt endlich die Fascie , um seinen
Weg auf der Aussenfläche des vorderen Theiles des Basilaris fortzu-
setzen. Er mündet in die Mundhöhle auf einem kleinen Wärzchen,
das ausserhalb und ventralwärts vom unteren Zungenlappen an dem
vorderen unteren Rande des Ringknorpels sich findet."
Die LebeT (/, Fig. 162; y, Fig. 163) ist eine voluminöse Drüse,
welche fast gänzlich den vorderen Abschnitt der Bauchhöhle einnimmt.
Man kann ihre Gestalt derjenigen einer sehr dickwandigen Düte ver-
gleichen , deren seitliche und ventrale Flächen der Bauchwand an-
gepasst sind, während die Rückenfläche sich um den Darm herumschlägt,
den sie anfangs gänzlich einhüllt. Das Vorderende zeigt einen tiefen,
rundlichen Eindruck, da es sich dicht an die Hinterspitze des Herz-
beutels anlegt, an welchem der Rand des Eindruckes durch eine Pei'i-
tonealfalte angeheftet ist. Das Peritoneum, das die Leber einhüllt, ist
äusserst fein, verdickt sich aber bedeutend im ersten Drittel der Bauch-
fläche, wo es in Form eines Längsbandes auf das Blatt übergeht, welches
die Bauchwände überzieht. Auf der Rückenfläche ist die Leber eben-
falls im Grunde der den Darm umgebenden Rinne an den Darm durch
einen dem Laufe der Spiralfalte verlaufenden Falz des Bauchfelles an-
geheftet, durch welchen die Gefässe übergeleitet werden.
Vogt u. Yung, prakt. rergl. Anatomie. II. oq
450 Wirbelthiere.
Die innere Structur der Leber ist nicht völlig aufgeklärt. Sie
zeigt ein compactes Gewebe, das aus grossen , gelbröthlichen , mit Fett
gefüllten Zellen besteht. Diese Zellen sind deutlich gegen einander
abgegrenzt; in der von ihnen gebildeten Masse sieht man Lacunen
und verzweigte Räume, die Blutgefässen angehören. Gallengänge, die
gänzlich fehlen , lassen sich in diesen Lacunen nicht erkennen. So
wenig als die übrigen Forscher und zuletzt noch Schneider (s. Lit.)
haben wir Gallengänge oder eine Gallenblase entdecken können , die
doch beim Querder leicht zu sehen sind. Man sieht an ihrer Statt nur
Züge von Bindegewebe. Die Hohlräume convergiren theils gegen die
Lebervene, theils gegen die Spiralfalte des Darmes, in deren Gefässe
sie deutlich übertreten. Schneider hat nachgewiesen, dass die Falten
der Darmschleimhaut häufig gelb gefärbt sind; wir haben diese Farbe
constant in den Zellen der Spiralfalte gesehen. Es scheint also, dass
der Inhalt der Leberzellen mittelst doppelter Transfusion durch die Blut-
gefässe in den Darm übergeleitet wird und dass man demnach bei
der erwachsenen Lamprete nicht von einer wahren Gallensecretion reden
kann. Nichtsdestoweniger ist die Drüse voluminös und zeigt keine
sonstigen Spuren von Rückbildung. Oeffnungen von Gallencanälen
in den Darm haben wir, wie Schneider, vergeblich unter dem
Mikroskope gesucht.
Athemorgane. — Dieselben nehmen einen bedeutenden Theil
des Körpers ein, vom hinteren Augenhöhlenrande bis zum Anfange der
Bauchhöhle. Sie verdecken von den Seiten her vorn die Ohrkapsel
und hinten den Herzbeutel und bestehen aus zwei integrirenden
Theilen, den sieben Paaren von Kiemensäckeu mit ihren fest auf einer
horizontalen Linie gelegenen, äusseren Kiemenlöchern {Spiracida) und
dem inneren, medianen Wassergange mit sieben Paaren knopfloch-
förmiger Wasserlöcher (Oscula), durch welche die Kiemensäcke in den
Wassergang münden. Das Thier athmet meist und besonders dann,
wenn es angesaugt ist, in der Weise, dass es abwechselnd das Wasser
durch die Kiemenlöcher einzieht und austreibt. Der Austausch der
Gase findet in den Kiemensäcken statt.
Der Wassergang (p, Fig. 163; l, Fig. 174) ist ein gerader,
geräumiger Canal, der mitten im Halse zwischen dem Schlünde oben
und der Kiemenarterie unten nach hinten verläuft. Sein S. 445 be-
schriebener Eingang trägt einen eigenthümlichen Reusenapparat, der
mit einem fast vollständigen Knorpelringe umgeben ist, von welchem
fünf lange, dünne Spitzen ausgehen, eine ventrale, mittlere und ein
Paar Gabelspitzen jederseits. Mit ihren convergirenden Enden sind
diese Zinken nach vorn gerichtet und bilden so eine Reuse, die sich
dem Eindringen von Körpern aus dem Schlünde her widersetzt. Die
Zinken haben einen dünnen Knorpelfaden als Kern, der von Binde-
Cjclostomen, 451
gewebe umgeben ist, welchem sich an der Basis gegen den Ring hin
Muskelfasern zugesellen. Das zweischichtige Pflasterepithelium des
Wasserganges setzt sich über diese beweglichen Reusenzinken fort;
wir haben keine Wimpern darauf sehen können. Die von uns zu
Rathe gezogenen Autoren sagen nichts über die charakteristischen
Eigeuthümlichkeiten dieser Reuse, von der wir wegen der Kleinheit
unserer Zeichnung nur eine Zinke abbilden konnten (Fig. 163).
Hinter diesem Apparate zieht der Wassergang als gerader Canal
bis zum Herzbeutel fort, wo er mit einem abgeplatteten Ende blind
abschliesst. Auf Sagittalschnitten (Fig. 163) sieht man auf einer Seite
die sieben knopflochartigen Wasserlöcher, deren grosse Axe senkrecht
steht und die ebenso viel Löchern der anderen Seite entsprechen. Sie
sind von etwas verdickten Lippen umgeben, in welchen wir aber nur
Bindegewebe und keine Muskelfasern sehen konnten und führen un-
mittelbar in die Höhle der Kiemensäcke, Auf Querschnitten (Fig. 174)
kann man die Oeffnungen (p^) sehen, welche aus dem Räume des
Wasserganges (?) seitlich in die Höhle der Kiemensäcke führen.
Die Kiemensäcke (Fig. 189 a. f. S.) zeigen eine ziemlich coni-
plicirte Bildung. Sie werden vollständig durch Scheidewände von ein-
ander getrennt, mit welchen sie an ihrem inneren Boden und im Um-
kreise der beiden Oeffnungen, der äusseren Kiemenlöcher und der inneren
Wasserlöcher, zusammenhängen. Die Scheidewände bilden so jederseits
eine Reihe von sieben hermetisch geschlossenen Säcken um die eigent-
lichen Kiemensäcke. In dem Räume zwischen den Scheidewänden und
den Säcken findet sich eine schleimige Flüssigkeit , wahrscheinlich
Lymphe, die durch Weingeist zu einer körnig gelblichen Masse gerinnt.
Die Athemsäcke sind bedeutend abgeplattet und im Ganzen von
innen und vorn nach hinten und aussen gerichtet. Man sieht sie wie
dicke Doppelziegel über einander geschichtet, sobald man die Tegu-
mente abgenommen und die Scheidewände geöffnet hat; die Kiemen-
löcher finden sich auf dem Gipfel der Säcke , deren Aussenrand nach
Maassgabe der sie einhüllenden Körperwände gewölbt ist. Auf Sagittal-
schnitten (Fig. 189) im Niveau der Kiemenarterie sieht man dieselbe
Dachziegelstellung der Säcke. Die inneren Wasserlöcher finden sich
zu beiden Seiten des Wasserganges, und wenn man diesen auf den
Sagittalschnitten entfernt, so sieht man sie in einer Linie dorsal-
wärts über der Kiemenarterie auf dem Gipfel der Spitzbögen, welche
den Innenrand der Säcke bilden.
Oeffnet man einen Kiemensack an seinem inneren Rande und biegt
man eine der Wände zurück, so sieht man etwa zwanzig innere,
gegen die Höhle vorspringende Falten (?", Fig. 189), welche einestheils
gegen das innere Wasserloch, sowie anderentheils gegen das Kiemen-
loch hin convergiren , sich aber an letzterem grösstentheils an eine
erhabene, senkrechte Leiste ansetzen, an deren Ende das Kiemenloch
29*
452
Wirbeltiiiere.
steht. Diese Hauptfalten sind beiderseits an die Wände des Sackes
angeheftet; ihr freier Rand springt in die Höhle des Sackes vor (k).
Dem freien Auge, wie unter schwachen Lupen erscheint die Oberfläche
Fig. 189. : der Hauptfalten glatt; bei
stärkeren Vergrösserungen
sieht man aber kleine,
parallele, senkrecht zur Axe
der Hauptfalte stehende
Nebenfalten , so dass auf
Pefrom. ßvv. — Fortsetzung des
in Fig. 163 abgebildeten Präpa-
rates, um den Kiemenapparat zu
zeigen. Man hat auf dem Sa-
gittalschnitte den Oesophagus,
den Wassergang und den Zun-
genstempel weggenommen , um
die Kiemenarterie und die Kie-
mensäcke bloss zu legen, und von
dem Herzen so viel weggenom-
men, als n'öthig, um den Arterien-
buH)us und die Communication
zwischen Ventrikel und Vorkam-
mer zu zeigen. Man sieht die
Innenseite der linken Kiemen-
sackreihe. An den vier ersten
Kiemensäcken wurde die Faser-
hülle der ventralen Wand be-
lassen ; der fünfte Sack wurde
der Länge nach geöffnet , der
sechste quer abgenommen. Der
siebente Sack ist fast gänzlich
vom Herzbeutel bedeckt, a, Mund-
höhle ; /;, Vorderende des Zungen-
stempels; c, von dem weggenom-
menen Zungenstempel besetzte
Kinne ; (/, erste Kiemenscheide-
wand ; e, Wasserloch des Kiemen-
sackes, in den Wassergang füh-
rend ; e^ , von der Hülle des
Zungenstempels bedeckter Theil der Kiemensäcke ; /, Ende des linken Gabelzweiges
der Kiemenarterie ; f^, rechter Gabelzweig, abgeschnitten; f^, gemeinschaftlicher Stamm
der Kieraenarterie; 9, Bauchscheidewand des Kiemenapparates ; h, Tegument; i, fünfter
Kiemensack, geöffnet ; h, sechster Sack, angeschnitten ; /, siebenter Sack, grösstentheils
durch den Herzbeutel m bedeckt; n, Bulbus; o, Herztheil des Bulbus; p, Vorkammer;
q, Vorderende der Leber; q^, den Schlund umfassender Leberlappen; r, Nasensack;
s, Hirn ; s^, Rückenmark ; t, Seitenmuskel ; 11, Scheidewände zwischen den Kiemen-
säc.ken ; v, Aorta ; 20, Chorda ; x, Wasserloch des vierten Sackes ; «/, abgeschnittener
Oesophagus ; 1/^, aus der Leber hervortretender Darm , abgeschnitten ; 2, dorsaler
Theil der Vorkammer; 1, Eintritt der Hohlvene in den Herzbeutel; 2, unpaare
Jugularvene.
Cyclostomen. 453
Quersclinitten (Fig. 170 ^; Fig. 174) das Ganze sich wie eine Feder
mit kurzen Barteln ausnimmt.
Jede Haupt- und Nebenfalte zeigt im Inneren einen mit Binde-
gewebe erfüllten Raum , in welchem die Gefässe und in den Neben-
falten die Capillaren verlaufen. Man kann demnach jeden Sack für
eine doppelt gefaltete Schleimhaut ansehen, die zwei Oeffnuugen zeigt,
das äussere Kiemenloch hinten, das innere Wasserloch vorn.
Die die Kiemensäcke trennenden Scheidewände (u. Fig. 189) sind
aussen an die Haut und innen an eine verticale Sehnenhaut befestigt,
welche die beiden Reihen trennt. Die Scheidewände sind doppelt; sie
sind fest an die beiden Oeffnungen angeheftet und zeigen noch eine
innere Duplicatur, welche von der ventralen Anheftungslinie ausgeht
und sich an den Sack etwa in der Mitte seiner Hinterfläche ansetzt.
In den Zwischenräumen der Scheidewände verlaufen die Gefässstämme,
die von der Kiemenarterie kommen und zu der Aorta gehen. Die
Aeste dieser Gefässe gehen in die Hauptfalten, wie dies in dem Ab-
schnitte über den Kreislauf näher beschrieben werden soll.
Das Epithelium der Kiemensäcke zeigt zwei Formen. Auf den
Haupt- und Nebeufalten finden sich zuweilen mehrschichtige Pflaster-
zellen, deren unterste Schicht abgerundete Bläschenform zeigt. Zwischen
den Falten und auf den nicht gefalteten Oberflächen ist ein mehx'-
schichtiges Epithelium ausgebildet, dessen basale Schicht aus runden
Zellen mit grossen Kernen besteht; die Mittelschicht zeigt Cylinder-
zellen mit basalen Kernen, deren gegen die Höhlung des Sackes gerich-
tete spitze Enden sich oft so zusammenstellen, dass man eine Drüse
zu sehen glaubt. Diese Cylinderzellen sind mit durchsichtigem
Schleime gefüllt. Kleine Körnchenzellen bedecken stellenweise diese
Cylinderzellen.
Die Muskeln des Kiemenapparates bestehen, wie die der Augen,
grösstentheils aus Hohlfasern. Schreitet man von aussen nach innen
vor, so findet man zuerst einen Schliessmuskel des Kiemenloches, der
dieses kreisförmig umgiebt und sich theils an das Unterhautgewebe,
theils an die benachbarten Knorpel ansetzt. Er schliesst das Kiemen-
loch, das wohl durch den umgebenden Knorpelring in Folge seiner
Elasticität geöff'net wird. Auf den Säcken verläuft ein äusserer, aus
zwei Schichten bestehender Zusammenzieher, unter welchem noch wenig
differenzirte , contractile Fasern liegen; in der Haut des Sackes selbst
liegt ein besonderer, sehr dünner Zusammenzieher, und endlich findet
man eine Schicht verticaler Fasern, die man den Adductor genannt
hat. Alle diese Muskeln setzen sich entweder an die Knorpelleisten
des Kiemenkorbes oder au die Scheidewände der Kiemensäcke; die
Muskeln des ersten Kiemensackes setzen sich an den Hyomandibular-
fortsatz des Schädels, die des letzten an den knorpeligen Herz-
beutel.
454 Wirbelthiere.
Nieren (o, Fig. 162; m, n, Fig. 187). — Das Harnsystem der
Cyclostomen steht nicht, wie bei den übrigen Wirbelthieren, in Verbin-
dung mit den Geschlechtsorganen; es ist durchaus selbständig.
Bei der erwachsenen Lamprete findet man in der ganzen Länge
der Bauchhöhle zwei den Wänden dieser Hülle anliegende weisse
Längsleisten, welche mit ihrem oberen Rande an die Bauchseite der
Chordascheide angeheftet sind. In ihrem vorderen Theile sind diese
Leisten sehr gering, fast fadenartig; sie werden aber in der hinteren
Hälfte der Bauchhöhle breiter und umfassen hier (o, Fig. 162) das
Geschlechtsorgan. Ganz nach vorn sind sie oft auf einen kaum
erhabenen, aus grossmaschigem Bindegewebe bestehenden Faden redu-
cirt. Dieser Faden setzt sich bis zu dem Hinterende des Herzbeutels
fort, wo sich noch eine kleine Höhle mit einigen der Chorda anhän-
genden Flocken zeigt {m, Fig. 186), die letzten Reste der Vorniere,
die bei dem Querder noch vorhanden ist, aber nach der Metamorphose
allmählich eingeht. Der freie Bauchrand der Nierenleiste ist etwas
verdickt und aus dem vorn geschlossenen Wolf f sehen Gange ge-
bildet, welcher sich als offener Ureter in der einzig entwickelten
Urniere erhält, welche die hintere Hälfte der Nierenleiste einnimmt.
Hier zeigen sich , am freien Bauchrande der Leiste , die vielfach
gewundenen Nierenc anale, auf deren Durchschnitten man leicht
die inneren Höhlungen sieht, die mit einem cylindrischen Wimperendo-
thelium ausgekleidet sind. Diese Nierencanälchen münden in den
Harnleiter, der den Rand der Leiste einnimmt und in der Anal-
gegend, wo die Nierencanälchen verschwinden, allein überbleibt. . Der
Ureter ist hier ziemlich geräumig und zeigt auf Querschnitten
(p, Fig. 188) ein mächtiges, hohes Cylinderepithelium.
Der Harnleiter mit den ihn umgebenden Nierencanälchen nimmt
nur einen kleinen Theil der an die Chorda angehefteten Nierenleiste
ein, die aus grossen Fettzellen besteht. Auf Schnitten (Fig. 186)
zeigt dieses Gewebe ein grossmaschiges Netzwerk. Der Canälchen
führende Theil entspricht der Primordial- oder Urniere, die bei den
höheren Wirbelthieren nur während des Embryonallebens vorhanden
ist und später der definitiven Niere Platz macht, während sie bei
Fischen z. B. zeitlebens in Function bleibt.
Im hinteren Theile der Bauchhöhle nähern sich die Harnleiter
und dringen in den Afterpfropf ein , wo sie mit dem Darmende und
den Peritonealcanälen später zu beschreibende Verbindungen eingehen.
Bis zu diesem Eintritte in den Afterpfropf sind die Leisten mit dem
Harnleiter und den Nierencanälchen von einer dünnen Peritonealhülle
umgeben, die sich nach innen auf die Genitalorgane, so weit sich diese
erstrecken (Fig. 187), nach aussen auf die Bauchwand fortsetzt
(Fig. 188) und so die Bauchhöhle abgrenzt (q, Fig. 189). In der hin-
teren Erstreckung der Leisten , wo die Geschlechtsorgane aufgehört
Cyclostomen. 455
haben, sielit man einige Fadeubrücken des Peritoneums (r, Fig. 162),
welche zum Darme hioüberleiten und Gefässe enthalten.
Geschlechtsorgane (n, Fig. 162; o, Fig. 187). — Die Ge-
schlechter sind getrennt; man hat niemals einen normalen Hermaphro-
ditismus ähnlich wie bei den Myxinen gefunden. Aber die Organe sind
bei beiden Geschlechtern genau in derselben Form ausgebildet, und so
lange die Producte nicht vollständig entwickelt sind, kann man Männ-
chen und Weibchen nur durch mikroskopische Untersuchung unter-
scheiden. Gegen die Reifezeit hin zeichnen sich die Hoden durch ihre
gleichraässig weisse Farbe und die Eierstöcke durch die in ihrem Pa-
renchym liegenden Eier aus. Zur Laichzeit findet man die Producte
frei in der Bauchhöhle.
Das Geschlechtsorgan ist einfach und sieht einem vielfach gewun-
denen, groben Tuche ähnlich, das längs der Bauchhöhle an der Unter-
fläche der Aorta durch grossmaschiges Bindegewebe befestigt ist. Das
Organ beginnt in der Nähe des Herzens und dringt sogar mit seiner
vorderen Spitze über dasselbe in einen Raum zwischen der Chorda und
dem Herzbeutel vor (r, Fig. 163). Es entwickelt sich besonders massig
in der vorderen Hälfte der Bauchhöhle, wo es den Darm vollständig
umhüllt und nur das Ende der Leber frei lässt. Der Darm tritt nur
in der letzten Hälfte der Bauchhöhle hervor, wo das Organ allmählich
schmächtiger wird und mit einer abgestumpften Spitze in der Nähe
des Afterpfropfes endet (Fig. 1.62).
Das Organ, mag es nun Hoden oder Eierstock sein, wird von einer
Peritonealfalte umhüllt , von welcher aus ziemlich feste Faserbündel
sich in das Innere begeben. Das Organ selbst bildet eine Menge
grober, unregelmässiger Falten, die von rechts nach links und um-
gekehrt über die Mittellinie hinübergehen. Auf manchen Durch-
schnitten (Fig. 187) erscheint es fast symmetrisch in zwei Hälften
getheilt; auf anderen sieht man quere Massen, welche die seitlichen
Falten vereinigen , deren freier Rand zur Umfassung des Darmes aus-
einander weicht. Das Stroma, in welches die Samen- und Eifollikel ein-
gebettet sind, scheint durchaus faseriger Natur zu sein.
Es existirt keine Spur von Ausführungsgängen. Die Producte
werden in ähnlicher Weise, wie bei den Salmonen unter den Irischen,
durch Erweichung der sie einschliessenden Follikel in die Bauchhöhle
entleert.
Der Afterpfropf. — Wir nennen so die Endportion der Bauch-
höhle, in welcher sich der Enddarm und die Canäle befinden, welche
den Urin und die Geschlechtsproducte nach aussen leiten.
Oeffnet man die Bauchhöhle von der Seite her (Fig. 162), so
findet man an ihrem hinteren Ende eine Verdickung, vor welcher die
Bauchhöhle zu enden scheint. Das Bauchfell scheint in dieser Bildung,
456
Wirbelthiere.
die einem Pfropfen gleicht, verdickt (t, Fig. 162). Statt eines ein-
fachen Pflasterepithels, wie es das Bauchfell sonst zeigt, finden sich
hier dicht gedrängte Cylinderzellen , welche sich noch auf das Hinter-
Fig. 190.
c
$m}--' ^- -
'WWW/""'"' ^'
C D
Petrom. ßnv. — • Vier Querschnitte der Aftergegend von vorn nach hinten , nus der-
selben Serie. In A hat man die Anhei'tungen des Seitenmuskels gezeichnet , die in
den drei anderen Figuren weggelassen wurden. Gundlach, Oc. 1, Obj. 1. Cumera
lucida. a, Insertionen des Seitenmuskels ; b, Sehnenhaut , an welche sich dieselben
festsetzen (äusseres Blatt des Peritoneums) ; c, Kaserband des Afterpfropfens ; d, gross-
maschiges Bindegewebe; e, Fettgewebe; /, Peritonealcanäle ; g, Filzpfropf; h, Harn-
leiter ; h^, Harnröhre ; A^, ürogenitalcanal ; i, Faserbündel ; k, Lymphraum ; l, Lacunen
um die Aftermasse; m, Rectum; m^, After; n, ventrales Tegument; o, Urogenital-
muskeln; p, faserige Hypodermis ; y, Afterspalte; 7^, deren Lippen; 7^, deren Homer;
r, Urogenitalwarze.
Cyclostomen. 457
ende des Geschlechtsorganes und der Nieren erstrecken und auf ihrem
freien Ende sehr kurze und feine Wimpern tragen.
Der Pfropf selbst besteht aus einem dichten Faserfilze, in welchem
man die einzelnen Canäle kaum mit dem Scalpell verfolgen kann.
Reihen von Querschnitten geben den besten Aufschluss.
Der Afterpfropf (g, Fig. 190) zeigt auf Schnitten eine feine Tüpfe-
lung als Ausdruck der durchschnittenen , verfilzten Fasern. Auf der
Rückenseite ist er durch ein senkrechtes Längsband befestigt, das sich
auf Durchschnitten als ein senkrechtes Bündel (c) starker Bindegewebs-
fasern darstellt, in welchem man oft mit Fettzellen ausgefüllte Lücken-
räume (t) sieht. Ein Bündel (/) dieser Fasern steigt jederseits an den
Seiten des Pfropfens herab und begrenzt auf diese Weise zwei seitliche,
anfangs sehr abgeplattete Canäle (/), welche Ausstülpungen des Bauch-
felles sind. Diese P eriton eal c an äle liegen anfangs auf beiden
Seiten des Pfropfens. Das Blatt des Peritoneums, welches die Wände
der Bauchhöhle auskeidet (b) vind an welches die Sehnenfasern des
grossen seitlichen Körpermuskels (e) sich anheften, weicht seitlich von
dem Pfropfen ab und bildet so einen Lückenraum, der anfangs mit
grossmaschigem Bindegewebe erfüllt ist (d) , weiter nach hinten aber
vollkommen leer wird (Je). Dieser Raum mag wohl ein Lj^mphraum
sein, der nach einigen Forschern mit dem Venensysteme in Zusammen-
hang stehen soll. Wir haben indessen niemals Blutkörperchen darin
gesehen. In der Mitte des Pfropfens befinden sich die beiden Harn-
leiter in Form seitlich zusammengedrückter Canäle. An die Ventral-
seite des Pfropfens ist das im Durchschnitt runde Rectum angeheftet,
welches innen ein gleichmässiges Cylinderepithelium zeigt und von
einem starken Kreismuskel umgeben ist.
So ist der Pfropf in seinem vorderen Theile gestaltet. Aber bei
dem weiteren Verlaufe der Canäle und Räume nach hinten treten
Aenderungen ein. Die beiden Harnleiter fliessen zu einer einzigen,
medianen Harnröhre (h^, B) zusammen, deren Durchschnitt eine selt-
same Gestalt zeigt; die beiden Peritonealcanäle (/) werden von dem
Pfropfen umfasst; gegen das Rectum hin zieht sich eine tiefe Falte des
Tegumentes, die After spalte (q) und um den Pfropfen herum ent-
wickeln sich die Urogenitalmuskeln (o) , die einerseits sich an
die Seiten des Pfropfens, anderseits an ein Faserblatt anheften, welches
sie gegen den bedeutend vei'grösserten Lj^raphraum (li) abschliesst.
Bei weiterer Fortsetzung nach hinten nähern sich die in dem
Pfropfen eingeschlossenen Canäle und schliesslich fliessen (C, Fig. 190)
die beiden Peritonealcanäle, welche die Geschlechtsproducte ausführen,
mit der Urethra zu einem einzigen Gange, dem Urogenitalcanale (/<-),
zusammen, der anfangs (C) eine sehr sonderbare Form zeigt, später
aber (Z>) eine einfache Spalte darstellt, welche auf der Rückenseite
des Afters in einem verlängerten Wärzchen (r) verläuft. Dieses, von
458 Wirbelthiere.
einigen Autoren sehr unzweckraässiger Weise, da es bei beiden Ge-
schlechtern entwickelt ist, „Penis" genannte Wärzchen ist von den
Lippen der Afterspalte (q^) eingeschlossen, die zwei, auf Durchschnitten
hörnerartig sich darstellende Falten (q-) bildet und dann auf der
Mittellinie des Bauches als eine zunehmend seichter werdende Furche
bis zum Anfange der unteren Flosse verläuft. In dieser Gegend (i>)
ist das Filzgewebe des Pfropfens gänzlich geschwunden. Die Lippen
der Afterspalte sind mit einer an einzelligen Drüsen sehr reichen Epi-
dermis ausgekleidet.
Wir machen hier noch einmal auf die Bedeutung der Urogenital-
muskeln aufmerksam. Ihre Fasern sind auf allen unseren Schnitten
zwischen den beiden Membranen, die ihnen zur Anheftung dienen,
wellig zusammengebogen. Wir können sie in keiner Weise als den
Muskeln der Bauchflosse, des hinteren Gliedmaassenrudimeutes der
Fische homolog ansehen. Sie dienen ohne Zweifel zur Erweiterung
und Verengerung der in dem Afterpfropfen verlaufenden Canäle und
der grosse Lymphraum, der sie umgiebt, gestattet ihnen ein weites
Spiel.
Kreislauf. — Die Untersuchung dieses Systemes bietet weit
mehr Schwierigkeiten, als bei den meisten anderen Wirbelthieren.
Das Blut, welches zahlreiche, runde und abgeplattete Körperchen führt,
gerinnt ausserordentlich leicht und verstopft die Gefässe. Wenn man
den Schwanz einer Lamprete und damit die doch ziemlich geräumigen
Hauptgefässe , Aorta und Hohlvene, durchschneidet, in die man eine
ziemlich weite Canüle einführen kann , so treten kaum einige Tropfen
Blut aus. Die Injectionsmasse dringt wegen der Verstopfung durch
die Blutgerinnsel nicht ein. Dasselbe geschieht, wenn man durch das
Herz oder den Bulbus injiciren will. In den meisten Fällen muss man
demnach die Gefässe aus in den normalen Richtungen gelegten Schnitten
reconstruiren.
Das Herz (Fig. 191) ist eng von dem knorpeligen Herzbeutel
umschlossen, der nur Oeffnungen für die Gefässe besitzt und die Ge-
stalt eines Sackes mit nach hinten gerichteter stumpfer Spitze hat.
Die Durchmesser nach den drei Normalrichtungen sind fast gleich und
der Herzbeutel wird so vollständig ausgefüllt, dass die Grenzen der
drei Haupttheile des Herzens, Vorkammer, Herzkammer und Arterien-
bulbus, ohne weitere Präparation nur undeutlich wahrzunehmen sind.
Die das Blut aus dem Körper zum Herzen führenden Venen ver-
einigen sich in einem gemeinsamen Venensinus (ö,Fig. 192), der sich
so zwischen Vorkammer und Kammer einschiebt, dass er nur dann sicht-
bar wird, wenn man nach Wegnahme des Herzbeutels die Kammer auf-
hebt oder noch besser sie bis zum Ursprünge des Bulbus abträgt. Bei
Weingeistexemplaren sieht man den Sinus in Gestalt einer sichel-
förmigen Haut, da er stets blutleer und seine sehr dünnen Wände
Cyclostomen.
459
an einander gepresst sind. Es erhält durch zwei grosse Cuvier'sche
Gänge rechts die Cardinal- und Jugularvene dieser Seite, links
ebenfalls zwei Stämme, von welchen aber der vordere von der un-
paaren unteren Jugularvene und der hintere durch den Zu-
sammenfluss der Jugular- und Cardiualvene gebildet wird. In
letztere mündet kurz vor der Vereinigung die Lebervene. Der Sinus
mündet durch eine dorsale Ceutralöffnung, die von zwei horizontalen,
häutigen Klappen begrenzt wird, in die Vorkammer. Muskelfasern
haben wir in diesen Klappen nicht sehen können.
Die Vorkammer {g, Fig. 191) legt sich an die Innenwand des
Herzbeutels in der Weise an, dass sie mit Ausnahme der Oberfläche
rechterseits alle übrigen Flächen der Herzkammer bedeckt. Weder
Ficr, 191.
>— fe^
Petrom. ßin\ — Das Herz, dreifach vergrössert. A, im Profil von der rechten Seite;
/?, von der Bauchseite, a, vom letzten Kiemensack eingenommener Raum ; a^, der
letzte Kiemensack, angeschnitten ; J, unpaare Jugularvene ; c, mittlerer Knorpelstreit"
des Kiemenkorbes; d, Herzbeutel; e, Arterienbulbus ; 6e, die Jugularvene h und die
Kiemenarterie e einhüllende, stielartige Bindegewebsmasse ; he^, Fortsetzung derselben
in den Raum zwischen der Vorkammer f und der Herzkammer g ; /^, Flügel der
Vorkammer; //, Eintritt der Cardinal- und Hohlvene; i, Darm; h, Leber.
bei ihr noch bei der Kammer kann von einer genau begrenzten Inuen-
höhle die Rede sein ; beide Kammern sind von einem wirren Netze von
Muskelbündeln durchzogen, welche auf Durchschnitten das Bild eines
von zahlreichen, verzweigten Canälea durchsetzten Schwammes geben.
Die Voi'kammer schlägt sich mit einem beträchtlicher ausgehöhlten
Zipfel von der linken Seite her auf den dorsalen Theil der Kammer
und durch diesen Zipfel geht das Blut in die Kammer ein. An der
Anheftungsstelle findet sich die Atrioventricularklappe. Wir ge-
stehen, dass wir an dieser Klappe keine Abtheilung in begrenzte
460 Wirbelthiere.
Lappen liabeu wahrnehmen können ; die Oeffnung der häutigen Klappe
zeigt vielfache Fransen, an welche sich, namentlich von der Herz-
kammer her, zahlreiche feine Sehuenfäden der Miiskelbündel im Inneren
anheften.
Die Herzkammer {g, Fig. 191) hat die Gestalt einer dreiseitigen
Pyramide mit abgerundeten Kanten, deren Basis nach vorn gewendet
ist. Nur mit der rechten Seite liegt sie dem Herzbeutel an , alle
übrigen Flächen werden, wie gesagt, von der Vorkammer umfasst.
Ihre Masse ist noch fleischiger als diejenige der Vorkammer; die
Muskefbündel gedrängter, die sie durchziehenden Canäle verwickelter.
Doch bemerkt man, dass in der Nähe des tief in die Herzkammer ein-
gelassenen Arterienbulbus die Muskelbündel sich in der Weise zu-
sammenstellen, dass bedeutendere Längsräume entstehen, welche gegen
die Basis des Bulbus convergiren. Man sieht diese Convergenz be-
sonders deutlich, wenn man durch einen horizontalen oder sagittalen
Schnitt die Kammer bis zur Wurzel des Bulbus abträgt.
Der Arterienbulbus (e, Fig. 191; h, Fig. 192) tritt in der Nähe
der vorderen ventralen Ecke der Kammer aus deren Basis hervor; seine
fleischige Wurzel ist tief in die Kammer eingelassen. Er hat die Ge-
stalt einer Tulpenzwiebel, deren hinterer Theil noch von dem Ventrikel
umfasst wird. Er unterscheidet sich sofort durch die weissliche Farbe
seiner dicken Wände, die aussen aus sehr dicht gefilzten Bindegewebs-
fasern, innen aus gelblichen, gewellten, elastischen Fasern gebildet
sind. An die fleischige Wurzel des Bulbus setzen sich von allen Seiten
die Muskelbündel in oben beregter Weise an. Die Innenseite ist glatt,
aber an der Basis und zwar an der Grenze gegen den fleischigen Theil
finden sich zwei häutige Taschenventile , welche gegen die Wand an-
gedrückt werden , wenn das Blut aus der Kammer ausgetrieben wird,
sich aber gegen den Rückfluss stauen. Bei ihrer höchsten Ausdehnung
lassen die freien Ränder dieser Klappen nur eine feine, verticale Spalte
zwischen sich, wie man auf Querschnitten sehen kann.
Das Herz der Lamprete ist demnach nur venös, eine in den vom
Körper kommenden Blutstrom eingesetzte Muskelpumpe, welche nur
ein einziges Ausgangsrohr, die Kiemenarterie, als Fortsetzung des
Bulbus, besitzt.
Kiemenkreislauf. — Die Ki em en arteri e (r, Fig. 163;
/, Fig. 189; l, Fig. 192), die nur eine Fortsetzung des Bulbus mit ver-
dünnten Wandungen ist, läuft in der Mittellinie des Kiemenkorbes nach
vorn , zwischen dem dorsal liegendön Wassergange und dem Zungen-
stempel. In der Nähe des vierten inneren Wasserloches gabelt sich
der einfache Stamm in zwei Aeste , die an den oberen Seitenrändern
des Zungeustempels, allmählich von einander weichend, bis zu der Höhe
des ersten Wasserloches sich verfolgen lassen. An diesem Punkte an-
gelangt, endigen die beiden , durch Abgabe der Kiemenzweige stets
Cyclostomen. 4ßl
dünner gewordenen Aeste in der Scheidewand, welche den ersten Sack
umgiebt, Ihre horizontale Fortsetzung wird durch ein dünnes Faser-
bündel angedeutet, welches sich an die Schädelbasis ansetzt, aber keine
innere Höhlung besitzt.
Der gemeinsame Stamm giebt im iSiiveau eines jeden der drei
letzten Kiemensäcke je ein Paar Kiemen zweige ab, welche sich
zu den Scheidewänden dieser Säcke begeben. Auf einem genau die
Mittelebene einhaltenden Sagittalschnitte (Fig. 163) sieht man die
Oeffnungen dieser Zweige. Die Gabeläste liefern nur je einen Zweig
an die Säcke ihrer Seite ; die erste dieser Arterien entspringt hart
an der Gabelung und begiebt sich zur hinteren Hälfte der Scheidewand
des vierten Sackes.
Alle diese Zweige, mögen sie nun von dem gemeinsamen Stamme
oder den Gabelästen entspringen, verhalten sich genau in derselben
Weise. An den Scheidewänden imterhalb der Wasserlöcher angelangt,
laufen sie zu den unteren Rändern der Kiemenblätter, geben einen
kleinen Zweig in die oben (S. 452) beschriebene Falte zu den letzten
Blättern ab und setzen ihren Lauf als einfaches Gefäss längs jedes
Blattes fort, umgeben von einem schwammigen Gewebe mit Pigment-
körnern. Aus diesem Schwammgewebe entsteht für jede Falte eine
kleine Arterie, die längs der Basis der Falte verläuft und sich in die
Höhlungen der Secundärfältchen öffnet, welche durch häutige Brücken
Räume bilden, die gerade weit genug sind, um ein Blutkörperchen
durch zu lassen. Das schwammige Höhlengewebe der Scheidewand ist
also zwischen die zuführenden Arterien des Sackes und das Capillar-
system der Kiemenfalten eingeschaltet, so dass diese mit ihren An-
heftungen gewissermaasseu im Blute schwimmen.
Aus dem Capillarsysteme der Kiemenfalten sammeln sich kurze
Gefässzweige, welche fast unmittelbar in die Venen der Kiemen falten
münden , die , auf den freien Rändern der Falten stets geräumiger
werdend, von aussen nach innen laufen. Diese Venen sammeln sich in
gemeinsame Stämme, welche in der Scheidewand der Säcke verlaufen
und so die Venen von je zwei benachbarten Säcken in sich aufnehmen.
Die so hergestellten Kieme nvenen münden fast unmittelbar in die
ventrale Wand der unter der Chorda verlaufenden Aorta.
Die vorderste Kiemenvene, welche nur von der vorderen Scheide-
wand des ersten Kiemensackes Blut aufnimmt, commuuicirt direct mit
der Carotis ihrer Seite ; bei den erwachsenen Lampreten bleibt nur
diese Communication von mehreren, aus den nächsten Kiemensäcken
kommenden Venen über, die nach und nach schwinden.
Man findet unter den senkrechten Querschnitten, die zwischen
zwei Kiemensäcke fallen, häufig welche, auf denen sowohl die aus der
Kiemenarterie entstehenden Zweige als die zur Aorta laufenden Venen
getroffen sind. Beide Gefässe umfassen seitlich ein Mittelfeld , in
462 Wirbelthiere.
welchem oben der Oesophagus , unten der Wassergang ihre Durch-
schnitte zeigen. Das nach oben in die Aorta mündende Gabelgefäss,
das zahlreiche Knopflöcher zeigt, welche in die Venen der Kienien-
falten führen , liegt unmittelbar dem Rande des Mittelfeldes an ; das
aus der Kiemenarterie entstehende Gefäss umfasst das Mittelfeld gabel-
förmig von unten her und liegt nach aussen von dem anderen, zwischen
ihm und den Kiemenbehältern. Es bildet einen weiten Sinus mit
sehr feinen Wänden, während die Wände des Aortengefässes dick und
fest sind.
Arterieller Kreislauf. — Wie schon gesagt, setzt sich die
Aorta aus allen Kiemenvenen zusammen, die so nahe an der Mittellinie
in sie einmünden, dass durch diese Mündungen gelegte Schnitte etwa
das Bild einer Wäschgabel haben.
Von dem hinteren Ende der Occipitalplatte des Schädels bis zum
Schwanzende zieht sich die Aorta als eine gerade, unmittelbar unter
der Chorda gelegene, von einer dicken Scheide umgebene Röhre fort.
Wenn wir topographisch eine vom Herzen bis zum Schädel sich
erstreckende Kopfaorta und eine im Körper hinter dem Kiemenkorbe
verlaufende Rückenaorta unterscheiden können, so müssen wir doch
zugestehen, dass wir in diesem gleichförmigen Rohre nicht mit Sicher-
heit den Punkt anzugeben vermögen , von welchem aus der nach vorn
gerichtete Strom sich von dem nach hinten gehenden scheidet. Wahr-
scheinlich befindet sich dieser Punkt weit nach vorn im vorderen Drittel
des Kiemenkorbes , da der Kopftheil weit geringer ist als der übrige
Körper, der mehr Blut beansprucht.
Wie dem auch sei, so liefert die Aorta auf ihrem ganzen Verlaufe
von ihrer vorderen Gabelung bis zum Schwanzende jederseits dünne
Zweige, welche in den Myocoramen um die Chorda und das Nerven-
rohr herum aufsteigen, dem Rückenmarke und dem Füllgewebe des
Rückencanales dünne Aestchen zuschicken und schliesslich in den
Muskeln und der Haut sich verzweigen. Der arterielle Körperkreis-
lauf ist demnach wesentlich metamerisch.
Der Kopfkreislauf ist nicht so einfach. Dem Vorderende
der ersten Kieme und dem Drittel der Ohrkapsel entsprechend , theilt
sich die der Ventralfläche des Skelettes fest anliegende Aorta (a, Fig. 192)
in zwei Aeste, welche zwischen dem spitzen Ende der Chorda und
den äusseren Ecken des Nasengaumenganges verlaufen und an dem
Chordaende durch einen Quercanal (d) sich so verbinden, dass hier ein
vollständiger Ring geschlossen wird. Am Gabelungspunkte treten die
vordersten Kiemen venen ein; aus dem Ca rotiden ringe selbst ent-
springen jederseits drei Gefässe. Am weitesten nach hinten, nahe der
Gabelung , tritt ein starker Ast (c) aus , welcher sich nach unten be-
giebt und in dem Zungenstempel und dessen Umgebungen verzweigt.
Fiff. 192.
Cyclostomen. 463
Wir neunen diesen Ast die ventrale Carotis. Mehr nach vorn ent-
springt von dem seitlichen Bogen zuerst die äussere Carotis (/) und
weiter nach vorn die innere Ca-
rotis (e) jederseits. Die innere
Carotis verfolgt ihren Weg zwischen
der Chordaspitze und der Basilar-
platte des Schädels, dringt an deren
Vorderende in die Schädellücke und
die Schädelhöhle ein, sendet einen
unbedeutenden Zweig in die Ohr-
kapsel und theilt sich dann in zwei
Aeste, einen für das Auge und einen
für das Gehirn und seine Umge-
bungen. An der vorderen Ecke der
Ohrkapsel nähert sich die äussere
Petrom. fluv. — Etwas vergrösserte, sche-
matisirte Figur zur Veranschaulichung des
Kreislaufes. Das Thier ist von der Bauch-
seite her etwas in Dreiviertelstellung ge-
sehen, so dass man zu gleicher Zeit die
etwas nach rechts gezogenen , unpaaren,
oberflächlichen Gefässe , unpaare Jugularis
und Kiemenarterie, als die medianen , dor-
salen Gefässe, Aorta und Hohlvenen, in
der Tiefe sieht. Mehrere Organe, wie z. B.
Zungenstempel,Wassergang, Oesophagus etc.,
sind weggenommen; andere, wie Auge,
Ohr, Kiemensäcke, Herz, Leber, Darm, nur
mit Umrissen bezeichnet , wie wenn sie
durchsichtig wären. Am dritten und vier-
ten Kiemensacke hat man die Aorten-
wurzeln, am fünften und sechsten die Ver-
zweigungen der Kiemenarterie angedeutet.
Das Aortensystem ist roth , das Venen-
s3-stem quer schraftirt ; das System der
Kiemenarterie und der Pfortader nur mit
Conturen angegeben. A, Auge ; 0, Ohr ;
/>, Darm ; F., Leber. 1 bis 7 , die sieben
Kiemensäcke; 1^ bis 6^, die ihnen ent-
sprechenden Kiemenlöcher in der zurück-
geschlagenen Haut, a, Kopfaorta; «1, Rückenaorta; b, Kiemenwurzeln der Aorta;
c, ventrale Carotis , durchschnitten ; (Z, Carotidenring ; e, innere Carotis ; /, äussere
Carotis ; g, Eingeweidearterie ; h, Vorkammer ; i, Herzkammer ; k, Arterienbulbus ;
/, Stamm der Kiemenarterie ; m, rechter Ast der Kiemenarterie ; w}^ linker Ast ;
m, Kiemenäste der Arterie ; o, gemeinschaftlicher Venensinus ; p, unpaare Jugular-
vene ; p'-, rechter Gabelast derselben ; p^, abgeschnittener linker Gabelast ; q, linke
Cardinalvene ; q^, rechte Cardinalvene, deren weiteren Verlauf, sowie alle Veräste-
lungen der Vene man der Deutlichkeit wegen bei Seite gelassen hat ; r, linke
Hohlvene; r'^, rechte Hohlvene; s, Lebervene; t, Pfortader.
464 VVirbelthiere.
Carotis (/) derart der inneren , dass beide Gelasse nur durch eine
dünne Scheidewand getrennt scheinen; aber die äussere Carotis dringt
nicht in die Schädelhöhle ein, sondern theilt sich am hinteren Augen-
winkel in mehrere Aeste, von welchen zwei, einer oben, einer unten,
sich um das Auge herumbiegen, um in die oberen und seitlichen Theile
des Saugmundes auszustrahlen , während zwei andere sich nach unten
wenden, um die auf der ventralen Seite des Saugmuudes gelegenen
Theile und den Anfang des Zungenstempels zu versorgen.
Der Bauchabschnitt der Aorta (a^) versorgt die Eingeweide.
Auf der Rückenseite des Herzens, im Niveau des gemeinsamen Venen-
sinus entspringt aus der Aorta ein dicker Stamm, die Eingeweide-
arterie (g), welche fast unmittelbar in den von dem Darme ein-
genommenen Leberfalz eintritt und sich bald in zwei Aeste theilt, von
welchen der eine, die Leberarterie, sich in der Leber verzweigt,
während der andere, die Darmarterie, in die Spiralfalte des Darmes
eintritt. Auf allen Durchschnitten dieser Gegend (Fig. 187) sieht man
das Lumen dieser Arterie, welche dem Darme in seiner ganzen Er-
streckung folgt und im hinteren Drittel desselben einige Zweige ab-
giebt, die sich zur Nierenleiste begeben und so das hier fehlende Auf-
hängeband des Peritoneums ersetzen (3, Fig. 162).
Die Arterien der Geschlechts- und Harnorgane entstehen stellen-
weise aus der Aorta, entsprechen aber nicht den Myocommen und
treten unmittelbar in die Peritonealfalten ein, an welchen diese Organe
hängen.
Venöser Kreislauf. — Man kann sagen, dass die Venen im
Allgemeinen die Arterien auf ihrem Verlaufe begleiten. So findet
man überall metamerische Venen in Begleitung der Körjaerarterien
und im Kopfe ventrale, äussere und innere Jugularen in Begleitung
der gleichnamigen Carotiden und deren Verzweigungen. Aber in der
Hinterhauptsgegend stellen sich Unterschiede ein. Wir haben in der
That nicht einen dem Carotidenring ähnlichen Jugularring constatiren
können; der verbindende Quergang fehlt und alle erwähnten Kopf-
veneu sammeln sich jederseits in den Car di n al venen (y;,(/^, Fig. 192),
welche zu beiden Seiten unmittelbar an der Aorta liegen und diese
bis zum Herzen begleiten. Wie alle übrigen Venen, haben auch diese
Hauptstämme sehr feine Wandungen; sie erhalten unzählige Zweiglein
aus der Umgebung. Schneidet man eine solche Vene auf, so erscheint
ihre Innenwand kleinmaschig gestrickt von den Oeffnungeu dieser
Zweige. Jede Cardinalvene begiebt sich in der angegebenen Weise
zu der Vorderecke des gemeinsamen Venensinus am Herzen ; aber die
Einmündung hat eine solche Richtung, dass sie sich unmittelbar in
die beiden Bauchhohlvenen (r, r^) fortzusetzen scheinen, welche
sich zu beiden Seiten der Aorta bis zur Aftergegeud erhalten. Hier,
Cyclostomen. 465
über dem After, vereinigen sich die seitlichen Stämme in einen ein-
zigen Mittelstamm, die Schwanzhohlvene (7j, Fig. 188), welche
unmittelbar unter der Aorta verläuft, die metamerischen Zweige aus
Muskeln und Haut aufnimmt und von einer stärkeren , dem mittleren
Stützsysteme angehörenden Scheide umgeben ist.
Ausser diesen, das allgemeine Körpersystem darstellenden Car-
dinal- und Hohlvenen finden sich noch drei andere, mehr oder minder
unabhängige Venenstämme.
Der erste ist die unpaare Jugularis Q;). Sie entsteht in der
Hinterhauptsgegend aus zwei symmetrischen Stämmen , von welchen
wir nur den linken (p^) abgebildet, den rechten (p^) aber nahe an
seinem Abgange abgeschnitten haben. Beide Aeste verlaufen an den
Seiten des Zungenstempels und erhalten von diesem Zweige , sowie
einen Ernährungsast von jedem Kiemensacke, den sie kreuzen. Im
Niveau des fünften Sackes , etwas hinter der Gabelung der Kiemen-
arterie, fliessen die beiden Aeste in einen gemeinschaftlichen Stamm (jj)
zusammen, der enge an der Innenfläche des medianen Knorpelstabes
des Kiemenkorbes anliegt und mit dem Stamme der Kiemenarterie von
einem dichten Fasergewebe eingehüllt wird (bc, Fig. 191 JB). So ge-
langt die Vene zur vorderen Herzfläche, wo sie sich nach hinten
schlägt, um direct, aber in enger Nähe der linken Cardinalvene , in
den gemeinschaftlichen Venensinus einzumünden.
Die Lebervene (s) entsteht aus kleinen Zweigen des Leber-
gewebes und bildet einen Stamm, der sich zwar in die linke Hohlvene
ergiesst, aber der Mündung derselben in den gemeinschaftlichen Sinus
so nahe steht, dass die Lebervene direct in den Sinus zu münden
scheint.
Wir haben auf unserer Zeichnung die Pfortader (t) nur durch
einige durchaus schematische Striche augedeutet. Thatsächlich ist
diese Vene mit der Darmarterie vollständig in der Spiralfalte des
Darmes eingeschlossen, der sie auf ihrer ganzen Länge folgt, um
feinere Darmvenen aufzunehmen. In dem Falze der Leber, worin der
vordere Darmabschnitt steckt, giebt dann die Pfortader bis zu ihrer
Auflösung Zweige ab, die sich in der Lebersubstanz verästeln und sich
dort ganz wie Arterien verhalten, aus deren Capillarnetz die Leber-
vene hervorgeht. Dies ist übrigens das gewöhnliche Verhalten der
Pfortader bei allen Wirbelthieren.
Ein dem Pfortadersysteme ähnliches Nierenvenensystem, wie man
es häufig ausgebildet findet, existirt nicht; die Nieren verhalten sich
zum Kreislauf in der Weise aller übrigen Organe.
Ohne Zweifel existirt ein Lymphsystem. Man findet in der
oberen und vorderen Hälfte des Saugmundes, um den Zungenstempel
herum, auf der Rückenseite der Kiemen und der Nierenleisten, sowie
um die Urogenitalmuskeln herum weite uod fast in allen Organen
Vogt u. Tuug, prakt. vergl. Anatomie. II. oq
466 Wirbelthiere.
engere Lückenräume, die mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt sind, in
welcher Protoplasmakörperchen schwimmen. In diesen undeutlich be-
grenzten Lückenräumen sieht man auch häufig Blutkörperchen, welche
einen Zusammenhang mit den Blutgefässen beweisen. Wo und wie
aber diese Communicationen hergestellt sind , können wir so wenig als
unsere Vorgänger sagen — es bedarf noch weiterer Untersuchungen
über diese Verhältnisse.
Wenn auch die Myxinoiden in vieler Beziehung den Petromyzouten ähn-
licli sehen , so zeigen sich doch zahh-eiche Unterschiede , von welchen wir
die wesentlichsten hier erwähnen wollen.
In dem ähnlich gebildeten Tegumente findet sich jederseits eine Reihe
ziemlich grosser, sogenannter Schleimsäcke, die mit Körperchen gefüllt sind,
welche einige Aehnlichkeit mit Nesselkörperchen zu haben scheinen. — Die
in der skelettbildenden Schicht der Chordascheide bei den Lampreten ent-
wickelten Knorpelstückchen fehlen vollständig. — Der Schädel ist grössten-
theils häutig , nur die Hinterhaupts- und Gesichtsplatte , die Schädelbalken
und Gehörkapseln sind verknorpelt und im Ganzen gleicht er dem Schädel
des Querders oder der Kaulquappen in früheren Embryoualstadien. — Die
Mundknorpel lassen sich nicht auf diejenigen der Lampreten reducireu.
Die Hornzähne haben einen inneren Dentinkern. — Das Geliirn ist sehr
breit, das innere Höhlensystem sehr beschränkt und der Sinus des Vorder-
hirns fehlt gänzlich. Das Cerebellum ist weit entwickelter als bei den
Lampreten ; als dreieckiges , durch eine Längsfurche mitten getrenntes Ge-
bilde bedeckt es fast gänzlich die Rautengrube. Die Seitenlappen des
Mittelhirns, in welchen die Wurzeln des Trigeminus liegen, springen als
kegelförmige Hügel vor. Das Mittelhirn selbst ist , wie die Hypophysis , be-
deutend reducirt, das Vorderhirn sehr breit und innen dicht. — Das Riech-
organ zeigt zwei Eigenthümlichkeiten : die bis zur Schnauzenspitze verlän-
gerte Eingangsröhre ist von zierlichen Knorpelringen gestützt, die sich als
Netzwerk über den Nasensack fortsetzen. Der sehr breite Nasengaumengang
öffnet sich vor dem vorderen Ende der Chorda in die Gaumenhöhle. —
Das Auge ist verkümmert, liegt tief unter den Muskelschichten vei'borgen,
besitzt keine Eigenmuskeln, weder L'is noch Krj'stalllinse und besteht nur
aus einem von gefässreicher Bindegewebskapsel umgebenen Glaskörper. —
Die Ohrkapsel ist ringförmig; das häutige Labyrinth besteht ebenfalls aus
einem unteren, weiteren Ringe, dem Vestibulum , über welchem ein einziger
halbkreisförmiger Canal liegt, der mit zwei, Nerveuleisten enthaltenden Am-
pullen in das Vestibulum mündet. Der Endolymphcanal ist kaum ausgebildet.
Der Hörnerv verzweigt sich in den beiden Ampullenleisten und in einer Hör-
platte des Vorhofes. — Im Darme fehlt die Spiralfalte. — Die wenig mäch-
tige Leber besitzt eine Gallenblase, in deren Ausführungsgang die von den
beiden Leberlappen herkommenden Gallengänge seitlich münden. — Der
Kiemenapparat gleicht am meisten demjenigen des Querders. Ein Wasser-
gang fehlt, die an Zahl schwankenden Kiemensäcke (sechs bei Myxine, sieben
beiderseits oder sechs einerseits , sieben anderseits bei Bdellostoma) münden
direct in den Oesophagus. Die Anordnung der äusseren Kiemeuöffnungen ist
verschieden ; bei Bdellostoma findet sich ein äusseres Loch für jeden Kiemen-
sack, wie beim Querder; bei Myxine (Fig. 193) ziehen sich die Ausgänge zu
Röhren aus, welche von vorn nach hinten an Länge abnehmen und in einen
Sammelcanal münden, der schliesslich in einer gemeinsamen, medianen Oeff-
nung hinter dem Herzen nach aussen führt. Zu dieser gemeinsamen Oeffuung
Cyclostomen.
4G7
führt bei den Myxinen odei* zu dem letzten Kiemenloche bei den Bdellostomen
noch ein besonderer , vom Oesophagus kommender Canal , der Schlundhaut-
gang Müller' s, an dem keine Athemorgane entwickelt sind, der aber wohl
das Rudiment eines zu Grunde gegangenen Kiemensackes sein könnte. —
Die Nieren sind in äusserst primitiver Weise gebildet (Fig. 194). Ein ge-
meinsamer Sammelcanal [a) läuft der Länge der Bauchhöhle nach zu beiden
Seiten der Chorda und endet nach hinten in einer Afterpapille. In diesen
seitlichen Sammelcanal münden von Zeit zu Zeit kurze Quercanäle (&), deren
Ende eine bläschenartige Ausweitung (c) zeigt. In jedem Bläschen steckt
ein Malphighi'sches Körperchen, ein kugelförmiges Wundernetz, dessen zu-
führendes Gefäss (d) aus der Aorta entspi'ingt, während die ausführende
Arterie (e) sich auf den Canälen verzweigt. Venen scheinen an diesem
Fig. 193. Fig. 194.
Fig. 193. — Myxine glutinosa. — Die Haut um den Kiemenkorb ist nach beiden
Seiten zurückgeschlagen , um das Herz , die Kiemenarterie , den Kiemenapparat und
den Oesophagus zu zeigen, o, Oesophagus; i, innere Kiemeugänge; h r, Kiemensäcke;
hr', Spiraculargänge, die sich jederseits zu einem Sammelcanal vereinigen, der durch
die mediane OefFnung s nach aussen mündet ; c, Schlundhautcanal ; o, Torkammer ;
V, Herzlcammer; ah, Kiemenarterie, jedem Sack einen Ast zusendend: d, nach aussen
zurückgeschlagenes Tegument. (Aus Gegenbau r nach J. Müller.)
Fig. 194. — Bdellosfoma Iieptairema. — • Theil der Niere. A, in natürlicher Grijsse ;
B, vergrösserter Abschnitt von ^. a, Sammelcanal; b, Canal des Glomerulus ; c, Gbj-
merulus; d, zufühi-ende Arterie; e, abführende Arterie. (Aus Gegenbaur nach
J. Müller.)
30*
468 Wirbelthiere.
Apparat nicht vorhanden, der, wie leicht zu ersehen, manche Aehnlichkeiten
mit den Segmentalorganen gewisser Würmer bietet. — Die Geschlechtsorgane
sind unsymmetrisch und nur auf der rechten Seite entwickelt, wo sich längs
der Linie, worin sich das Mesenterium an den Darm heftet, eine Seitenfalte
desselben abhebt, welche an dem Darme seiner ganzen Länge nach sich hin-
zieht. An dem ventralen, freien Eande dieses Mesorchiums oder Mesoariums
entwickeln sich die Geschlechtsproducte. Im jugendlichen Alter sind die
Organe vollkommen identisch; man findet darin runde Zellen oder Kapseln,
die sich aber bald differenziren. Diese von einem Follikelepithelium aus-
gekleideten Kapseln füllen sich bei den Männchen mit Zellen, innerhalb
welcher die Zoospermen sich ausbilden. Wir verweisen hinsichtlich der Aus-
bildung der Spermazelleu und deren Inhaltes auf die Arbeit von Nansen
(s. Literatvir). Während dieser Ausbildung verdickt sich der freie Rand des
Organes, wii-ft Falten und erhält eine weisse Farbe. Die Producte sind stets
in dem hinteren Theile, gegen den After zu, weit ausgebildeter als in dem
vorderen Theile, wo der Rand des Organes stets weniger gefaltet, weniger
weiss ist und die Samenzellen noch im primitiven Zustande sich befinden.
Individuen mit solcher Ausbildung der Hoden, welche Nansen „wahre
Männchen" nennt, sind ausserordentlich selten, können aber zuweilen die gewöhn-
liche Länge derMyxinen (32cm) erreichen; meist bleiben sie kleiner. In den
meisten Fällen aber entwickeln sich Zoosijermen nur in dem hinteren Drittel
des Organes, während in den zwei vorderen Dritteln sich Eier ausbilden.
Man findet nun „hermaxihroditische Männchen", wo das hintere Drittel des
Organes in seinem vorstehenden , weissen mid gefalteten Rande reife Zoo-
spermen enthält, während die zwei vorderen Drittel, deren Rand mehr zurück-
steht, gerade und ungefärbt ist, in der Entwicklung begriffene Eier zeigen.
In dem Maasse, als diese Eier sich ausbilden und die sie tragende Peri-
tonealfalte breiter wird, verödet das hintere Hodendrittel, die Samenzellen
verschwinden und schliesslich zeigt sich nur eine schmale Falte des Mesor-
chiums als Rest. Solche Individuen nennt Nansen „wahre Weibchen". Wir
hätten also hier bei den Myxinen allein eine unter den Wirbelthieren aus-
nahmsweise vorkommende Erscheinung , die häufig bei wirbellosen Zwittern
sich zeigt, wo der Hoden vor dem Eierstocke in Wirksamkeit tritt und bei
der Ausbildung des letzteren verödet. Die Eier entwickeln sich nach
Cunningham (s. Literatur) ebenfalls am freien Rande des Mesoariums.
Sie sind anfangs rund , von einem Follikel umschlossen und besitzen eine
„Dotterhaut" , die an dem einen Pole von einer Micropyle durchsetzt wird.
Während ihres Wachsthumes verändert sich ihre Gestalt; sie werden sehr
langoval (2 cm), ihre Dotterhaut verdickt sich bedeutend und bildet an
beiden Polen eigenthümliche, ankerähnliche Fortsätze, mit welchen die Eier
sich festhaken können. Im Inneren dieser, an breiten Falten des Mesoariums
aufgehängten reifen Eier findet man einen voluminösen Nahrungsdotter mit
einer an dem einen Pole entwickelten Keimscheibe. Die Myxinoiden mit
ihren grossen meroblastischen Eiei'n unterscheiden sich also in dieser Hin-
sicht sehr von den Petromyzonten, welche kleine, holoblastische Eier bilden.
Die Entwicklung des Embryos ist vollkommen unbekannt.
Literatur. — H. Rathke, Bemerkungen über den Bau der Pricke , Danzig,
1826. — Ders., Bemerkungen über den inneren Bau des Querders, Halle, 1827. —
Joh. Müller, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Abhandl. Akad. Berlin,
1834—1843. I. Osteologie und Myologie, 1834. II. Gehörorgan, 1837. III. Neuro-
logie, 1838. IV. Gefässsystem, 1839. V. Splanchnologie, 1843. — Max Schultze,
Die Entwicklung des Petromyzon Planeri , Haarlem , 1856. — F. Leydig, Ueber
Organe eines sechsten Sinnes, Nov. Act. Acad. Leopold. Nat. Curlos., Vol. XXXIV,
Cyclostomen. 469
1865. — Ders., Mehrere Abhandlungen über denselben Gegenstand in: Arch. Anat.,
Zeitschr. f. wissensch. Zool. etc. — Ders., Neue Beiträge zur anatomischen Kenntniss
der Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische, Halle, 1879. — Ketel, Ueber das
Gehörorgan der Cyclostomen, Hasse's Anatomische Studien, III, 1872. — P. Langer-
hans, Untersuchungen über Petromyzon Planeri , Abh. Naturforsch. Gesellsch. Frei-
burg im Breisgau, 1875. — C. Semper, Die Stammverwandtschaft der "VVirbelthiere
und Wirbellosen, Arbeiten a. d. zool.-zootom. Institut zu Würzburg, Bd. II, 1875. —
W. Müller, Ueber das Urogenitalsystem des Amphioxus und der Cyclostomen, Jena.
Zeitschr., Bd. IX, 1875. — P. Fürbringer, Unters, z. vergl. Anat. der Musculatur
des Kopfskeletts der Cyclostomen, Jena. Zeitschr., Bd. IX, 1875. — Ders., Zur
vergleichenden Anatomie und Entwicklung der Excretionsorgane der Vertebraten,
Morphol. Jahrb., Bd. IV, 1878. — A. Foettinger, Recherches sur la structure de
Pepiderme des Cyclostomes , Bullet. Acud. Bruxelles , 2. Ser. , Vol. XII, 1876. —
L. Edinger, Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes, Arch. f. mikrosk. Anat.,
Bd. XIII, 1877. — E. Calberla, Der Befruchtungsvorgang am Ei von Petromyzon
Planeri, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. XXX, 1877. — Ders., Ueber die Ent-
wicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis , Morphol. Jahrb., Bd. III,
1877. — S. Freud, Ueber den Ursprung der hinteren Nervenwurzeln im Kücken-
mark von Petromyzon, Sitzungsberichte Acad. Wien, 1877. — Ders., Ueber Spinal-
ganglien und Rückenmark von Petromyzon, ebend. 1878. — A. M. Marshall, Mor-
phology of the Vertebrate Olfactory Organ, Quarterly Journ. Microsc. Science, Vol. XIX,
1879. — - A. Schneider, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklung der
Wirbelthiere, Berlin, 1879. — Ders., Ueber die Nerven von Amphioxus, Ammocoetes
und Petromyzon, Zool. Anzeiger, III. Jahrg., 1880. — R. Wiedersheim, Das Gehirn
von Ammocoetes und Petromyzon Planeri, Jena. Zeitschr., Bd. XIV, 1880. — Ders.,
Die spinalartigen Nerven von Ammocoetes und Petromyzon , Zool. Anz. , III. Jahrg.,
1880. — G. Retzius, Das Riechepithel der Cyclostomen, Arch. f. Anat. u. Physiol.,
1880. — Ders., Das Gehörorgan der Wirbelthiere. I. Das Gehörorgan der Fische
und Amphibien, Stockholm, 1881. — A. Dohrn, Studien zur Urgeschichte des
Wirbelthierkörpers , Mittheil. zool. Station Neapel, Bd. III— VIII, 1881—1889. —
J. P. Nuel, Quelques phases du developpement du Petromyzon Planeri, Arch. de Bio-
logie, Vol. II, 1881. — W. B. Scott, Beiträge zur Entwicklung der Petromyzonten,
Morph. Jahrb., Bd. VII, 1881. — Ders., Notes on the developmeni of Petromyzon,
Journ. of Morphology, Vol. I, 1888. — F. Ahlborn, Zur Neurologie der Petromy-
zonten, Göttinger Nachrichten, 1882. — Ders., Untersuchungen über das Gehirn
der Petromyzonten, Zeitschr. wissensch. Zoologie, Bd. XXXIX, 1883. — Ders.,
Ueber den Ursprung und Austritt der Hirnnerven von Petromyzon, Zeitschr. wissensch.
Zoologie, Bd. XL, 1884. — J. E. Blomfield, The Threat-cells and Epidermis of
AJyxine, Quart. Journ. Microscop. Science, Vol. XXU, 1882. — E. Berger, Beiträge
zur Anatomie des Sehorgans der Fische, Moi'phol. Jahrb., Bd. VIII, 1882. —
J. V. Rohon, Ueber den Ursprung A^s Nervus acusticus bei Petromyzonten, Sitzungs-
berichte k. k. Akademie Wien, Bd. LXXXV, 1882. — Ph. Owsjannikow, Ueber
das sympathische Nervensystem der Flussneunaugen. Bullet. Acad. St. Petersbourg,
VoL XXV, 1884. — Ders., id., Mäanges biolog. St. Petersbourg, Vol. XI, 1883. —
H. Ayers, Untersuchungen über Pori abdominales, Morphol. Jahrb., Bd. X, 1884. —
W. Weiden, On the head hidney of Bdellostoma, Studies. Morphol. Laborat. Univers.
Cambndge, Vol. II, 1884. — Cleland, On the tail of JSJyxine glutinosa , Meeting.
British Association, 1886. — J. T. Cunningham, On the structure and deve-
lopment of the reproductlve elements in Myxine glutinosa , Quart. Journ. Microsc.
Science, Vol. XXVII, 1886. — Ders., Herr Max Weber and the genital organs of
Mj/xi7ie, Zool. Anz., 10. Jahrg., 1887. — Ders., The 7'eproduction of Myxine, ebend. —
W. Krause, Die Retina der Fische, Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Histol., Bd. III,
1886. — Schiefferdecker , Studien zur Anatomie der Retina, Arch. f. mikrosk.
Anat., Bd. XXVIII, 1886. — Fr. Nansen, Fore lübig Meddelelse om Undersügelser
470 Wirbelthiere.
over Centralnervesystemets etc., Bergens Museum Arshereining- for 1885, Bergen,
1886. — J. Beard, The j^arietal Eyes of the Cyclostome Fishes, Quurter. Journ. of
Microscopical Science. — W. B. Ransou and d'Arcy W. Thompson, On the
spinal and visceral nerves of Cyclostomata, Zool. Anz., 9. Jahrg., 1886. — A. E. Ship-
ley, On the development of the nervous System in Petromyzon fluvlutilis. Proceed.
Cambridge Philos. Soc., Vol. V, 1886. — Ders., On the formation of the Mesobluste
et in the Lamprey, Proceed. Royal Soc. London, Vol. XXXIX, 1885. — Ders., On
some points in the development in Petromyzon, Quart. Journ. Microsc. Science, Vol. XXVII,
1887. — Ch. Julin, Le Systeme nerveux grand symputhique de PAmmocoetes, Aiiat.
Anzeiger, 2. Jahrg., 1887. — Ders., Des origines de l'aorte et des carotides cliez
les poissons Cyclostomes, ebend. — Der s., Recherches sur Panatomie de l'Ammocoetes,
Bulletin scientif. du JJe^rt. du Ä'ord., 2. Ser., 10. Annee, 1887. — Ders., De la
signifiation morphologique de Vepiphyse (glande pineale des Vertebres) , ebend. —
L. Pogojeff, Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges, Arch. f.
mikrosk. Anat., Bd. XXXI, 1887. — Ders., Ueber die Haut der Neunaugen, ebend.,
Bd. XXXIV, 1889. — J. Beard, The teeth of Myxino'id fishes, Anat. Anz., 3. Jahrg.,
1888. — K. Nestler, Beiträge zur Anatoniie und Entwicklungsgeschichte der Neun-
augen, Archiv für Naturgesch., 1890. — C. Boie, Beiträge zur vergleichenden Ana-
tomie der Wirbelthiere, Morphol. Jahrb., 1890.
C 1 a s s e der Fische.
Wasserbewohnende , polydactyle Ichtliyopsiden mit beständiger
Kiemenathmung, innerem und äusserem Skelett; das Wirbelsystem be-
steht wenigstens aus Apophysen, meist auch aus Wirbelkörpern, Un-
paare und paarige Flossen. Mit x\usnahme der Dipnoer rein venöses
Herz.
Wir finden in dieser Classe ein Hautskelett, das bald nur der
Lederhaut, bald beiden Schichten des Tegumentes zugleich angehört und
im letzteren Falle aus Zahnbildungen hervorgeht. Das Hautskelett kann
mit dem inneren Skelette enge Beziehungen eingehen, so dass, nament-
lich an dem Kopfe und den Gliedmaassen, gemeinsame Deckknochen
gebildet werden. — Mit Ausnahme einzelner Fälle zeigt das Tegu-
ment der Fische weder Muskeln noch Drüsen, wie bei den übrigen
Wirbelthieren, Die Oberhaut ist aus Zellen , die Lederhaut aus ein-
fach gekreuzten Bindegewebsfasern gebildet; Pigmentbildungen sind
häufig. — Die Organe des Lateralsinnes sind weit ausgebildeter
als bei den Cyclostomen; sie sind meist durch Canäle mit einander in
Verbindung gebracht und treten häufig in Beziehung zu dem Haut-
skelette. — Das innere Skelett zeigt wichtige Modificationen. Man
kann bei den erwachsenen Fischen Entwicklungsreihen der Wirbelkörper
von Rudimenten in der Umgebung einer persistirenden Chorda durch
biconcave Wirbel bis zu solchen verfolgen, die durch Gelenke, Gelenk-
Fische. 471
köpfe und entsprechende Gelenkhöhlen zusammengefügt sind; ähnliche
Stufen findet man in der Entwicklung der Apophysen, die anfänglich iso-
lirt, später mit denWirbelkörpern verschmolzen sind. Ebenso verhält es
sieh mit dem Schädel, dessen Complicationen von einem einfachen knox'-
peligeu, theilweise sogar häutigen Primordialschädel bis zu einem voll-
ständig kuöchei'nen Schädel , an welchem dem Hautskelett entstam-
mende Knochen Theil nehmen, vielerlei Stufen darstellen. Es muss
betont werden, dass diese Ausbildung des Skelettes durchaus nicht der
Entwicklung der inneren Organe parallel geht, wie Selachier, Ganoiden
und Dipnoer beweisen. — Das innere Skelett unterscheidet sich durch
zwei Hauptzüge von demjenigen der Cj'clostomen : der erste besteht
in der Ausbildung eines vollständigen Kieferapparates, der wenigstens
aus zwei Bogen, dem Oberkiefer und dem Unterkiefer, besteht, die sich
in allen Fällen von oben nach unten öfihen und schliessen. Den
Mundbogen folgen mehrere andere, die sich stets enger dem Visceral-
systeme anschliessen, welches selten aus sieben, meist aber aus vier
Kiemenbogen besteht. — Der zweite Punkt beruht in der Bildung
paariger Gliedmaassen, der sogenannten Brust- und Bauchflosseu.
Eines dieser Paare, meist das hintere, kann fehlen; es ist anzunehmen,
dass es beim Embryo angelegt wurde, aber nicht zur Entwicklung
kam. — Das vordere Gliedmaassenpaar zeigt stets einen Schultergürtel,
der es meist an das Hinterhaupt anheftet; das hintere Paar, welches
bis zur Kehle vorrücken kann, ist meist nicht mit dem übrigen Skelett
in Zusammenhang. Beide Flossenpaare können in eine unbestimmte
Zahl von faserigen , knorpeligen oder knochigen Strahlen enden.
Kach der Insertion der Strahlen unterscheidet man die Crossopte-
rygier, wo die zweizeiligen Strahlen einer Längsaxe ansitzen, von
den übrigen Fischen, bei welchen die Strahlen an einigen, von oben
nach unten aneinander schliessenden Stücken sich anheften. — Die un-
paaren Flossen entstehen aus einem einfachen Hautsaume, der ur-
sprünglich den Körper vom Nacken bis zum After umgiebt und meist
sich in mehrere Flossen theilt: Rücken-, Schwanz-, Afterflosse. Die
Einsetzung der Schwanzflossenstrahlen in einer unteren Reihe oder
in zwei Lappen hat heterocerke und homocerke Schwanzflossen
unterscheiden lassen; es finden sich aber zahlreiche Uebergänge
zwischen den extremen Bildungen. Alle diese unpaaren Flossen mit ihren
bald stacheligen (Acanthopterygier), bald weichen und getheilten
Strahlen (Malacopt erygier) nebst ihren Stützen, Apophysen undMus-
keln gehören einzig und allein dem Haiitsysteme an und haben keine
bestimmten Beziehungen zu dem Wirbelsysteme und dessen Meta-
raerie. — Der grosse, durch Myocommen abgetheilte Seitenmuskel des
Körpers bildet noch den grössten Theil der Muskelmasse; aber die
Muskeln des Kauapparates und der Gliedmaassen sind, den Cyclostomen
gegenüber, eine neue Erscheinung. — Das Rückenmark ist niemals
472 Wirbelthiere.
so stark abgeplattet, wie bei den Cyclostomen ; in einzelnen Fällen ist
es stark verkürzt und zeigt , dem Austritte bedeutender Nerven ent-
sprechend, knotige Verdickungen. — Die Formen des Gehirnes sind
bei den verschiedenen Ordnungen der Fische so verschieden, dass sich
kein allgemeiner Typus aufstellen lässt. Mau kann zwar in den meisten
Fällen die von den Cyclostomen her bekannten Theile in ihrer hori-
zontalen Reihenfolge unterscheiden, aber die relative Entwicklung
dieser Theile bietet zu grosse Verschiedenheit, um auf einen gemein-
samen Typus zurückgeführt werden zu können. Von dem Gehirn der
Cyclostomen unterscheidet sich indessen dasjenige der Fische durch
ein fast immer sehr entwickeltes Kleinhirn und durch die Rückbildung
der Epiphyse, die niemals einem unpaaren Auge ähnlich wird. — Die
fehlende Symmetrie zwischen den Wurzeln der Spinalnerven, die
noch bei einigen Ordnungen vorhanden, stellt sich nach und nach her,-
und bei den meisten Fischen verhalten sich diese Wurzeln in gewöhn-
licher Weise. Aber in Folge der Ausbildung und Lagenveränderung
der Gliedmaassen treffen wir hier zum ersten Male jene, Plexus ge-
nannte Nervengeflechte, welche je nach der Wichtigkeit der bestim-
menden Ursache sehr verschieden ausgebildet sind. — Die Hirn-
nerven finden sich in derselben Zahl, wie bei den Cyclostomen,
scheinen aber meist unabhängiger von einander zu sein. Die Seh-
nerven tauschen sich vollständig von einer Seite zur anderen aus; zu-
weilen durchbohrt einer den anderen. Der Seitennerv, der als deut-
licher Ast des Vagus auftritt, verläuft meist unmittelbar unter der
Haut. Das sympathische Nervensystem ist durch einen Längs-
stamm mit einander und durch deutliche Zweige mit den Hirnnerven
verbunden. — Das stets doppelte Riechorgan liegt meist auf der
Rückenfläche des Vorderkopfes; bei einigen Ordnungen finden sich die
äusseren Oeffnungen auf der Bauchfläche ; einzig bei den Dipnoern
finden sich ein äusseres Nasenskelett und Mündungen in den Vorder-
theil der Mundhöhle. Bei allen aber ist der Nasensack nach hinten
geschlossen ; nirgends findet sich eine Spur des Nasengaumenganges
der Cyclostomen. ■ — Mit Ausnahme der Dipnoer, deren Auge in
mancher Beziehung sich demjenigen der Neunaugen nähert, finden wir
in dem Auge der Fische wesentliche Fortschritte hergestellt durch Aus-
bildung des Sichelfortsatzes der Choroidea, einer deutlich differenzirten
Coi-nea und Sclerotica, sowie eines, Choroidealdrüse genannten, Wunder-
netzes. Hier und da sehen wir auch Anlagen von Augenlidern, besonders
des dritten Lides , der Nickhaut. — Das Ohr ist weit mehr diffe-
renzirt; im oberen Theile des Labyrinthes sehen wir den Utriculus und
drei halbkreisförmige Canäle, im unteren die erste Anlage einer La-
gena und einen Sack mit meist sehr grossem und festem Otolithe.
Wir erwähnen unter den unzähligen Variationen des Ver-
dauungsapparates nur diejenigen, welche am meisten im Gegen-
Fische. 473
satze zu den Cyclostomen auffallen. Wir finden hier zum ersten Male
wahre Zähne von sehr verschiedener Gestalt, welche allen, an der
Mundhöhle Theil nehmenden festen Gebilden aufsitzen können und
die sogar, wie oben bemerkt, an der Bildung gewisser Hautknochen
wesentlichen Antheil nehmen können. — Die Zunge bildet niemals
einen Stempel; sie ist meist nicht ausgebildet. — Thymus und Thy-
roidea sind in der Regel bei den Erwachsenen rudimentär; die Ab-
theiluugen in Vorder-, Mittel- und Hinterdarm bald verwischt, bald
deutlich angezeigt. — Eine in der Spiralfalte des Darmes bei den
Cyclostomen vorgebildete Spiralklappe findet sich oft hoch entwickelt
bei Selachiern , Ganoiden und Dipnoern. In vielen Fällen werden so-
genannte pylorische Anhänge als Ausstülpungen des Darmes ge-
bildet. — Die Leber hat stets einen Ausführungsgang; eine Milz
findet sich immer, in den meisten Fällen auch ein Pankreas. — Der
Athemapparat wird stets aus einer variablen Zahl von Kiemen
gebildet, die während des ganzen Lebens in Function bleiben und auf
meist von einander unabhängigen Kieraenbogen aufgesetzt sind. Bei
den Selachiern finden sich durch getrennte Oeffuuugen nach aussen
mündende Kiemensäcke; bei allen anderen sind die Kiemenspalten
durch einen Kiemendeckelapparat geschützt. Zu diesen Kiemen gesellen
sich noch häufig rudimentäre Bildungen, Spritzlöcher, Pseudobranchieu,
Opercularkiemen und selbst äussere Hautkiemen (Protopterus). — Ein
neu auftretendes Organ ist die Schwimmblase, anfänglich durch
einen Canal mit dem Darme in Verbindung (Physostomen), der sich
aber häufig beim erwachsenen Thiere schliesst (Physoclisten). Dieses
ursprünglich hydrostatische Organ kann mit dem Gehörorgane in Ver-
bindung treten und wird bei den Dipnoern eine wahre Lunge. —
Die Harnorgane werden von der Urniere gebildet, die meist unab-
hängig bleibt, deren ausführende Canäle aber bei einigen Ordnungen
mit denjenigen der Genitalorgane in Verbindung treten. Meist öffnen
sich diese Canäle isolirt auf der Rückenseite des Darmes hinter dem
After nach aussen. — Die Geschlechtsorgane sind ursprünglich
stets paarig, können aber verschmelzen ; in einigen Fällen fehlen die
Ausführungsgänge und werden durch Peritouealcanäle ersetzt. —
Meist pflanzen sich die Fische durch Eier fort, aber in mehreren Ord-
nungen finden sich lebendig gebärende Arten. Zuweilen finden sich
Begattungswerkzeuge oder besondere Bildungen zur Ablage und Be-
brütung der Eier. — Der Kreislauf gleicht im Ganzen demjenigen
der Cyclostomen; das Herz ist in den venösen Strom eingeschaltet und
die gesammte, vom Körper kommende ßlutmasse wird von demselben
durch die Kiemen getrieben. Der Arterienbulbus zeigt verschiedene
Bildungen, die zur Classification benu^tzt worden sind. • Bei den einen
ist er musculös und zeigt mehrere Klappen im Inneren; bei den anderen
ist er faserig und besitzt nur zwei Klappen. Eine dem Pfortaderkreis-
474 Wirbelthiere.
lauf in der Leber ähnliche Bildung zeigt sich in den Nieren. Die
Dipnoer zeigen eine Ausnahme von dem allgemeinen Schema des Kreis-
laufes; in Folge der Ausbildung der Lungenathmung beginnt sich das
Herz in eine venöse und arterielle Hälfte zu theilen.
Mit den meisten heutigen Zoologen nehmen wir folgende grosse
Unterabtheilungen der Classe an:
1. Knochenfische (2Weosfe'). Fische mit knöchernem Skelett,
amphlcölen Wirbeln, endständigem Maule und einem vollständigen,
mit Kiemenstrahlen und meist auch einer Opercularkieme versehenen
Kiemeudeckelapparat, mit verschiedenartig entwickelten Hautschuppen
und zwei Taschenventilen am Arterienbulbus. Weder eine Spiralklappe
im Darm, noch Spritzlöcher, aber fast immer eine Schwimmblase vor-
handen. Mehrere Ordnungen : Lophobranchier mit Büschelkiemen,
Hautplatten und zuhiilos (Hii^pocamjms, Syngnathns) ; Plectognathen
{Balistes, Orthagoriscus) mit verwachsenen Zwischenkiefern und Kie-
fern, Zahnplatten und eigenthümlicher Hautbedeckung; Physostomen
mit wegsam bleibendem Canal der Schwimmblase, sämmtlich Mala-
copterygier. Hier mehrere Unterordnungen : A p o d e n (ÄnguiJla,
Gynmotus) , welchen die Bauchflossen fehlen; Pedaten mit Bauch-
flossen {Clupea, Morinyrus, Esox, Salmo, Cyprinus, Silurus); Physo-
clisten mit geschlossenem Luftgang und zwar (Ma.lacopt ery gi er)
mit weichen Flossenstrahlen: Anacanthinen mit getrennten Schlund-
knochen (Fierasfer , Gaclm, Pleuronecfes , Exocoetus); Acanthopte-
rygier: Acanthopteren mit verwachsenen Schlundknochen (ial^rMS,
Cliromis); eigentliche Aca nthopterygier mit getrennten Schlund-
knochen (Perca^ Gasterosteus , Mullus, Spams, Trigia, Trachinus,
Sciaena, Scomber, Blennius, Gohlus, BJiigil, Anabas, Loplüus). Diese
Gruppe der Teleostier, die zahlreichste von allen, zeigt manche An-
näherungen an die Ganoiden.
2. Holo ceph ale n. Knoi'pelskelett mit persistirender Chorda.
Der mit einigen Zahnplatten bewaff'uete Oberkieferbogen ist mit dem
Schädel verwachsen. Sie nähern sich den Teleostiern durch ihre
nackte Haut, ihr endständiges Maul und den Besitz eines Kiemen-
deckels und freier Kiemen , den Selachiern durch die Structur des
Arterienbulbus, die Spiralklappe im Darm und die Begattungswerk-
zeuge des Männchens {Chimaera, Callorltynclms).
3. Selachier. Bauchständiges Maul mit zahlreichen, nur auf
den freien Kieferbogen aufsitzenden Zähnen. Hautbedeckung aus Zähnen
gebildet. Der Kieferapparat ist frei an dem knorpeligen Schädel auf-
gehäugt. Nicht verknöcherte amphicöle Wirbel. Fünf, selten sechs oder
sieben offene Kiemenlöcber jederseits am Halse, welche in getrennte
Kiementaschen -führen. Spritzlöcber meist vorhanden. Männliche Be-
gattungsorgane. Musculöser Arterienbulbus mit mehreren Klappen-
reihen, Spiralklappe ina Darm, Zwei Unterabtheilungen: Rochen
Fische. 475
mit plattem Körper, enormen Brustflossen, deren Gürtel vorn mit dem
Schädel zusammenstösst {Rctja, Trygon, JUi/liobatis, Torj^edo, JPristiä) ;
Haie mit spindelförmigem KörjDer und vorn nicht zusammenstossendem
Schultergürtel (Squatina, ScyUium, Laiuna, Carcltarias, S2)inax, Cesfra-
cion). Die älteste in der Erdgeschichte auftretende Gruppe.
4. Ganoiden. Meist mit Schmelz überzogene Schuppen oder
Tafeln und sehr variables Skelett, das alle Stufen von einer persisti-
renden Chorda (Störe) durch amphicöle Wirbel bis zu zusammen-
gelenkten Wirbelkörpern zeigt {Lcpidosteus). Sie haben gemein mit
den Teleostiern die Schuppenbedeckung, die freien Kiemen mit Oper-
cularapparat ; mit den Selachiern den vielklappigen , musculösen
Arterienbulbus und die Spiralklappe im Darme {Accii)enser, Spatularia,
Lepidostens, Aniia).
5. Dipuoer. Knorpelskelett mit persistirender Chorda. Sie
haben gemein: mit den Holocephalen die wenigen Zahnplatten, mit
den Ganoiden fast alle anderen anatomischen Charaktere, mit Aus-
nahme der Schwimmblase, welche in den Schlund mündet und zu
einem Athemorgane (Lunge) umgewandelt ist. Monopneumon en
(Ceratodus) mit einer Lunge und gut entwickelten paarigen Flossen
und Dipneumonen {Frotoi)terus^ Lepidosiren) mit zwei Lungen und
auf einen Stab reducirten paarigen Flossen.
Typus: Perca fluviatUts L. Der gemeine Flussbarsch kommt
häufig in allen Gewässern Mittel-Europas vor. Man findet ihn auf allen
Fischmärkten. Wir verdanken Herrn Dr. M. Jaquet sämmtliche Prä-
parate und Zeichnungen, sowie einen grossen Theil des Textes unserer
Monographie.
Der Barsch gehört zu den Knochenfischen mit Stachelstrahleu,
geschlossenem Luftgang, getrennten Schlundknochen und gezähnelten
Schuppen (Acanthopterygier, Physoclist, Ctenoid). Er ist ein Brust-
flosser, denn seine Bauchflossen stehen fast senkrecht unter den Brust-
flossen, etwas hinter denselben. Die senkrechten Flossen bestehen aus
zwei Rückenflossen, einer vorderen mit Stachelstrahlen, einer hinteren
mit weichen Strahlen, aus einer homocerken Schw^anzflosse und einer
Afterflosse, welche vor den weichen Strahlen zwei Stacheln trägt. Die
Strahlen der Brustflossen sind durchaus , die der Bauchflosse bis auf
einen vorderen Stachel weich. Die gezähnelten Ctenoidschuppen er-
strecken sich weder auf den Kopf, noch auf den mit Spitzen geränder-
ten Vorderdeckel. Der Barsch ist der Typus einer zahlreichen Familie
(Pereiden) , deren Gattungen über süsse und salzige Gewässer aller
Zonen verbreitet sind. Aus diesem Grunde hatte schon Cuvier ihn
als Typus der ganzen Ciasso der Fische behandelt.
Allgemeine Lagerung der Organe (Fig. 195 und 196). —
Um die hauptsächlichsten Eingeweide in ihrer gegenseitigen La-
gerung darzustellen, spaltet man die Haut und die Muskeln des
476
Wirbeltbiere.
Fisches läDgs der Mittellinie des Bauches vom After bis zum Munde
und verbindet dann beide Enden des Schnittes durch eine bogen-
förmige Incision von der Spitze des Schultergürtels bis zum After.
Der so gebildete Lappen muss sorgfältig in seinem oberen Theile von
Fi^. 195,
Perca fliiviatUis. — Ein männliclies, von der linken Seite her geöftnetes Thier, um
die Lagerung der Organe zu zeigen. Natürliche Grösse, ca, Mundhöhle; &r, Kiemen-
bogen; 6, Arterienbulbus; o, Vorkammer; vc, Herzkammer; s, Venensinus; d, Peri^
tonealscheidewand; /, Leber; nv, Bauchflosse; e, Magen; ?•«, Milz; du, Duodenum;
i, Darm; t, Hoden; ves, Harnblase; a, After; ug, ürogenitalporus ; vn, Schwimm-
blase; ?■', vorderer Theil der Niere; oc, Auge.
Fische. 477
der Schwimmblase abpräparirt werden, die mit der Bauchwand zu-
sammenhängt. Dann trennt man den Schultergürtel, den Kiemendeckel
und die Kiefer der betreffenden Seite (der linken unserer Figur) aus
ihren Verbindungen los, lässt aber die Kiemenbogen unberührt.
Man sieht dann sofort, dass die allgemeine Körperhöhle durch eine
senkrechte Querscheidewand (d, Fig. 195) getheilt ist, welche von dem
verdickten Bauchfelle gebildet wird, das sich über die Hinterfläche des
Herzbeutels herüberschlägt und so die Bauchhöhle von einem vorderen
Abschnitte trennt, wo die Athemorgane und das Herz sich befinden. Die
Kiemen (br) werden von knöchernen Bogen gebildet, welche auf
ihrem vorderen Rande Dornen, auf dem hinteren steife Blättchen tragen,
die bei dem frischen Fische lebhaft roth gefärbt sind. Sie sind
durch durchgehende Spalten von einander getrennt. Das Athemwasser
wird durch den Mund eingenommen , dringt durch die Spalten , um-
spült die Kiemenblättchen und tritt durch die grosse Kiemenspalte
zwischen Deckel und Schultergürtel nach aussen. Von dem Kreis-
laufsapparat sieht man den Venensinus (s), der unmittelbar an der
Vorderseite der peritonealen Scheidewand anliegt, und wie die davor
liegende Vorkammer (o) braun gefärbt ist, darunter die heller ge-
färbte, weit dickwandigere Herzkammer (ve) und vor dieser letz-
teren ihre Fortsetzung, den kegelföi'mig gestalteten Arterien-
bulbus (b). Die Kiemenherzgegend wird ventralwärts von der Fort-
setzung der Körpermuskeln abgeschlossen.
Die sehr geiäumige Bauchhöhle ist ringsum von dem Bauch-
felle ausgekleidet, welches sich auf die darin enthaltenen Organe
hinüberschlägt und eine äussere Hülle um sie bildet. Die dorsale
Hälfte der Bauchhöhle wird von der Schwimmblase (t'n) , einem
weiten, mit Gas gefüllten häutigen Sacke eingenommen, der sich von
der Peritonealscheidewand bis zum After erstreckt. Sie ist hermetisch
geschlossen und zeigt keine Theilung in zwei Kammern , wie dies bei
anderen Fischen häufig ist. Unter ihr liegt vorn der Magen (e), der
je nach seiner Füllung nur bis in die Gegend der Bauchflosse oder bis
in die Nähe des Afters- sich erstrecken kann ; er deckt theilweise die
Milz (r), welche in der Schlinge des Duodenum {clti) eingeschlossen
ist. Mittel- und Hin t er d arm (i) erstrecken sich in gerader Linie
bis zum After (a). Die mächtige Leber (/) liegt unmittelbar hinter
dem Herzen; sie ist mehrlappig und umschliesst den vorderen Ab-
schnitt des Magens. Die männlichen und weiblichen Geschlechts-
organe (t) zeigen bei beiden Geschlechtern dieselbe Lage. Im Früh-
linge sind sie mächtig entwickelt und füllen die Bauchhöhle zum
grössten Theile aus; im Sommer sind sie am schmächtigsten und liegen
dann unter der hinteren Hälfte der Schwimmblase. Sie öffnen sich
auf der Spitze eines kleinen, unmittelbar hinter dem After dorsalwärts
gelegenen Wärzchens durch den Urogenitalporus (iig) nach
478
Wirbelthiere.
aussen. Hier mündet aucli die Harnblase (ves) ein, welche auf der
Riiclcenssite der Geschlechtsorgane liegt und das Secret der Nieren
sammelt. Um die Nieren selbst zu sehen, muss man die Schwimmblase
entfernen. Dies haben wir in dem (Fig. 196) dargestellten Präparate
gethan, bei welchem auch der Darm entfaltet ist und die Kiemenbogen
Eig. 196.
Dasselbe Präparat weiter fortgesetzt. Sehwimmblase und Kiemenbogen sind linker-
seits entfernt. Die Buchstaben haben dieselbe Bedeutung wie in der vorigen Figur.
Ausserdem: ap, Pförtneranhänge; vb, Gallenblase; ?■, mittlerer Nierentheil ; rc, Rec-
tum; vn', abgeschnittene Schwimmblase.
Fische. 479
der linken Seite abgelöst wiii-den. Die Nieren (r) bilden zwei lange
Massen von braunrother Farbe, welche zu beiden Seiten der Mittellinie
Tinmittelbar an den Wirbelkörj^ern anliegen und nur an ihrer ven-
tralen Fläche von dem Bauchfelle überzogen werden. Die Aorta ver-
läuft zwischen den beiden Nieren in der Mittellinie; jederseits findet
sich eine Hohlvene. Vorn schwellen die Nieren zu einer grösseren,
unmittelbar hinter den Kiemenbogen liegenden Masse, der Kopf-
niere (r ), an, die etwa die Form eines umgekehrten Sattels hat. Nach
hinten zu senken sich die Nieren , der Krümmung der Bauchhöhle fol-
gend, gegen den After hinab, wo der Ausführungsgang einer jeden,
der Harnleiter, in die Blase (ves) mündet.
Tegument. — Das Tegument besteht wesentlich aus zwei
Schichten, der Oberhaut und der Lederhaut, unter welcher sich das
Ünterhaut-Bindegewebe erstreckt. Nur au dem Kopfe und den Flossen
zeigen sich diese Schichten ohne weitere Complicationen ; auf dem
ganzen übrigen Köi^per sind in ihnen die Schuppen entwickelt, welche
ein wahres, bewegliches Hautskelett dai'stellen.
Die Epidermis besteht aus über einander liegenden Schichten
von Zellen, von welchen die äussersten völlig abgeplattet sind, wäh-
rend die Zellen der tieferen Schichten eine rundliche oder eiförmige
Gestalt haben. Das ziemlich lockere Gewebe der Lederhaut wird
von Gefässen und Nerven durchsetzt; hier und da, wie namentlich auf
der Oberseite des Kopfes erreicht es eine ansehnliche Dicke. Die
platten Fasern seiner einzelnen Schichten kreuzen sich unter schiefen
Winkeln; sie sind nicht verfilzt, sondern unter sich parallel und gehen
nicht von einer Schicht in die andere über. Zwischen der Oberhaut
und Lederhaut findet man Pigmentzellen in grosser Zahl, stellenweise
in unregelmässigen Haufen. Aehnliche Pigmentzellen finden sich
übrigens auch anderwärts, besonders zahlreich in der Nähe des Ge-
hirnes, im Grunde der Augenhöhle , in der Umgebung der Nieren und
auf der Rückenfläche der Schwimmblase, In der Haut sind die Pigment-
zellen namentlich in den schwärzlichen, von dem Rücken nach dem
Bauche sich hinziehenden Querbändern angehäuft, die mit helleren
Bändern abwechseln. Die einzelnen Pigmenthäufchen zeigen sowohl
hinsichtlich der Form ihrer Zellen, wie hinsichtlich ihres Farbentones
wesentliche Verschiedenheiten. Meist sieht man sie in Gestalt eines
sehr dunklen, centralen Zellkörpers, von welchem verzweigte, mit
feinen, schwärzlichen Körnchen angefüllte Aeste nach allen Richtungen
hin ausstrahlen.
In Folge der Entwicklung der Schuppen in den oberen Schichten
der Ledei'haut erheben sich diese Schichten mit der sie bedeckenden
Epidermis und bilden am hinteren Rande der Schuppe einen Falz, der
sich stets mehr in dem Maasse vertieft, als die Schuppe wächst und
schliesslich eine Art Tasche bildet, in welcher die Schuppe steckt. Die
480 Wirbelthiere.
Schichten der Epidermis und der Lederhaut, welche die Oberfläche der
Schuppe bedecken, verdünnen sich dabei zusehends, werden durch die
Zähnelungen des Hiuterfeldes der Schuppe durchsetzt und nutzen sich
schliesslich so ab, dass nur Fetzen davon übrig bleiben.
Schuppen. — Um diese Gebilde an imd für sich isolirt zu unter-
suchen, behandelt man ein Stück Haut im Kalten mittelst einer ver-
dünnten Lösung von Aetzkali. Die Epidermis und Lederhaut mit ihren
Pigmenten werden durch diese Behandlung zerstört. Treibt man die
Behandlung weiter, so wird die Schuppe selbst angegriffen und in eine
Menge von dünnen, platt über einander gelagerten, harten Plättchen
zerlegt , die Klüftungsplättchen eines Krystalls ähnlich sehen. — Die
kleinsten Schuppen finden sich an der Basis der paarigen Flossen und
in der Mitte des Bauches, die grössten an den Seiten des Körpers.
Alle haben dieselbe Structur; nur die Schuppen der Seitenlinien zeigen
eine besondere, zum Durchlass der Canäle des Seitensinnes angepasste
Bildung. Die Schuppen liegen wie Dachziegel über einander, in hori-
zontalen, besonders aber in schiefen, sich kreuzenden Reihen in der
Weise geordnet, dass nur der hintere Rand einer jeden Schuppe frei
bleibt.
Jede Schuppe stellt eine dünne Scheibe mit etwas breiterem, ab-
gerundetem und glattem Vorderrande und einem engeren, mit zahl-
reichen Dornen besetzten Hinterrande vor. Sie besteht aus zwei über
einander gelagerten Hauptschichten ; einer unteren , aus sclerosirtem
Bindegewebe, das sich durch die Anwesenheit von bald vereinzelten,
bald zusammengehäuften Körperchen dem Knochengewebe anschliesst,
und einer sehr harten und spröden, scheinbar homogenen Oberschicht.
Auf der Aussenfläche dieser Oberschicht bemerkt man in erster Linie
tiefe, rinnenförmige Furchen, au deren Grunde die Substanz sehr
verdünnt ist, ja selbst zuweilen gänzlich zu fehlen scheint. Diese
Furchen strahlen, in der Zahl von sieben oder acht, fächerförmig von
einem etwas hinter dem Mittelpunkte der Schuppe gelegeneu Centrum
gegen die Peripherie des Vorderrandes hin aus, der ebenso viel Ein-
schnitte zeigt, als Furchen vorhanden sind. Ausser diesen Furchen
zeigen sich auf der ganzen Oberfläche sogenannte Anwachsstreifen,
feine, dem Schuppenrande etwa parallel laufende, aber doch einiger-
maassen unregelmässige Kämmchen, die mit Zacken besetzt sind, welche
man nur unter starken Vergrösserungen sehen kann. Auf dem freien,
fast dreieckigen Hinterfelde der Schuppe, das etwa den fünften Theil
der Gesammtoberfläche ausmacht, fehlen die Furchen und Anwachs-
streifen, sind aber ersetzt durch Dornen, welche unregelmässig nach
den dem Rande parallelen Linien geordnet und am Rande der Schuppe
selbst am grössten sind, nach dem Centralfeide hin aber an Grösse ab-
nehmen und abgestumpft erscheinen, als ob ihre Spitze abgenutzt
wäre. Die grossen Randdornen zeigen in der Form einige Aehnlichkeit
Fische. 481
mit Haifischzäliiien ; ihre Spitze ruht auf einer in zwei Flügel aus-
gezogenen Basis , die einen mittleren , rundlichen Ausschnitt lässt , in
welchen die Spitze des vorhergehenden Dornes sich einlegen kann. Die
Dornen sind übrigens, mit Ausnahme dieser basalen Ausschweifung,
durchaus homogen und zeigen keine innere Höhlung, wie echte Zähne. In
einer schwachen Lösung von Salzsäure entwickeln die Schuppen zahl-
reiche Gasbläschen , werden durchsichtiger und nehmen eine bläuliche
Farbe an ; die erwähnten kleinen Concretionen und die Rauhigkeiten
des freien Randes der Anwachsstreifeu verschwinden, während in den
Furchen eine Art Streifung sich sehen lässt. Die Entbindung von
Kohlensäure beweist die Ablagerung von kohlensaurem Kalk in den
sclerosirten Theilen der Schuppe.
Seitensinn. — Wir fanden bei der Lamprete (S. 392) vereinzelte,
nackt auf der Haut liegende Sinneshügel , die indessen schon nach ge-
wissen Linien geordnet waren. Aehnliche zerstreute Sinneshügel finden
sich auch beim Barsche, vorzugsweise auf dem Kopfe, aber auch auf
dem Körper ; die grosse Menge der Sinnesorgane ist aber in ein Canal-
system eingebettet, dessen Mittelpunkt über der Einlenkung des
Kiemendeckelapparates und des Schultergürtels sich findet. Auf dem
Körper findet sich nur der unter dem Namen der Seitenlinie be-
kannte Canal. Derselbe beginnt über dem Kiemendeckel und erstreckt
sich bis zu der Basis der Schwanzflosse , indem er einen flachen , der
Krümmung des Rückens etwa parallelen Bogen beschreibt. In den
schwarzen Querbändern ist die Seitenlinie nur wenig sichtbar, erscheint
aber als eine weisse Linie auf den hellen Bändern. Die den Canal
deckenden Schuppen der Seitenlinie zeigen eine kleine Röhre an der
Unterfläche, welche sich am Hinterrande der Schuppe nach aussen
öffnet und einen glashellen Schleim austreten lässt. Nach vorn münden
die Röhrchen der Schuppen in einen längsverlaufenden Sammelcanal
ein, der in der angegebenen Richtung zu dem über der Einlenkung
des Kiemendeckels gelegenen Sammelbecken verläuft , von welchem
auch die Canäle der Kopfgegend ihren Ursprung nehmen. Der erste
derselben ist ein Quercanal, der zu dem Gipfel des Hinterkopfes auf-
steigt und hier mit dem Canal der anderen Seite zusammenfliesst, so
dass eine Verbindung zwischen den seitlichen Canalsystemen hergestellt
wird. Dann lösen sich drei seitliche Kopfcanäle ab; der oberste geht
zur Augenhöhle, dringt in die Kette der Unteraugenknöchelchen ein
und folgt derselben bis zum vordersten Knochen , wo er starke Canäl-
chen ausstrahlen lässt (Fig. 207), bevor er sich an der Spitze der
Schnauze verästelt. Der zweite Canal läuft längs dem Vorderrande
des Praeoperculnm nach unten und dann an dem Rande des Ober-
kiefers und Zwischenkiefers nach vorn; der dritte endlich läuft an dem
Vorderrande des Kiemendeckels nach unten, und tritt auf den Unter-
kiefer über, dem er bis zu dem vorderen Mundwinkel folgt. Ueberall
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Auatouiie. II. gj^
482
Wirbeltliiere.
sitzen auf dem Verlaufe dieser Hauptcanäle secundäre Ausfülirungs-
canälchen auf, deren Mündungen mit glashellem Schleime gefüllt
sind. — Haupt- und Seitencanäle sind mit einem hohen Cylinder-
epitheliura ausgekleidet, das ohne Zweifel den Scheim absondert. Die
sehr veidängei'ten , cylindrischen Sinneszellen , die einen ovalen Kern
haben, bilden im Inneren der Canäle keine bestimmt begrenzten
Sinnesknöpfe; sie finden sich in den Ausfuhi'canälchen , wo sie kürzer
und dicker sind, drängen sich aber an der Einmündungssteile in den
Sammelcanal derart zusammen, dass sie nur ein sehr geringes inneres
Lumen lassen. — In den isolirten Sinneshügeln (Fig. 197) bilden die
verlängerten Sinueszelleh die erhabene Mitte des Hügels und werden
Fio 197.
.d^
Perca fluviatilis. — Senkiechtei Duichschnitt dei Haut eines jungen Thieres in der
Gegend der Nasengruben. Verick, Oc. 1, Obj. 7. Camera dura, a, Epidermis-
zellen ; b, Sinneshügel; c, Lederhaut mit Pigmentzellen; fZ, Schleimhaut der Nasen-
gruben ; e, Wiraperepitheliuni mit Drüsenzellen.
rundum von runden , mit grossen centralen Kernen versehenen Stütz-
zellen umgeben. Die langen Sinneszellen der Mitte (b) sind etwas an
ihrer, den Kern einschliessenden Basis angeschwollen; ihr deutlicher
contui'irtes , freies Ende verschmälert sich und trägt oft eine kleine,
glashelle Borste, die aiich unter sehr starken Vergrösserungen nur
schwer zu sehen ist.
Inneres Skelett. — Wie bei allen anderen Wirbelthieren
kann man unterscheiden: das centrale oder neurale Skelett,
das die Wirbelsäule und deren Fortsetzung, den Schädel, mit den ver-
Fische.
48.-
sclaiedenen Ausstrahlungen, Rippen, Muskelgräten und Strahlen der
unpaaren Flossen umschliesst; das Visceralskelett, welches aus
Bogen besteht, die mehr oder minder vollständig den Nahrungscanal
umgeben und das Skelett der paarigen Glieder, hier Brust-
und Bauchflosse. Hinsichtlich der Entstehung kann man Knorpel-
knochen (enchondrische Knochen) unterscheiden, die durch Ver-
knöcherung von knorpeligen Anlagen entstehen, und Deckknochen,
welche durch directe Verknöcherung, ohne Dazwischenkunft von Knorpel-
anlagen , aus faserigen Geweben entstehen , die meistens dem Haut-
systeme angehören.
Wirbelsäule (Fig. 198 bis 200). — Man zählt bei einem er-
wachsenen Barsche 41 Wirbel, die biconcav sind. Der Köi'per jedes
einzelnen Wirbels ist vorn und hinten trichterförmig ausgehöhlt und
pjo- 198 ^^^ Spitzen dieser Doppel-
höhlungen stossen in der
Mitte des Wirbelkörpers
mit einem kleinen Loche
zusammen (o). Die Kegel-
höhleu sind mit einer sul-
zigen Masse ausgefüllt. Die
Wirbelkörper stossen also
nur mit den Rändern der
Kegelhöhlen zusammen, wo
sie durch feste Sehnen-
massen verbunden sind.
Es finden sich stets obere
und untere Fortsätze. Die
oberen (Neurapophy-
sen) (a, Fig. 198) bilden
durch ihre bogenförmige
Vereinigung den Medullar-
canal, der das Rückenmark
einschliesst und setzen sich
als Dornfortsätze {Pro-
cessus spinosf) nach dem
Rücken hin fort. Die un-
teren Bogen (tiaemapophysen) (f) beginnen erst vom fünften Wirbel
an, sind anfänglich sehr kurz, nehmen aber nach hinten an Länge zu,
während ihre distalen Enden noch von einander abstehen. Am Ende
der Bauchhöhle, im Niveau der Afterflosse aber krümmen sie sich in
derselben Weise wie die oberen Bogen zu einem Canale, dem Haemal-
canal (/?, Fig. 200), zusammen, welcher die grossen Köi'pergefässe,
Aorta und Hohlvene, einschliesst. Von der Vereinigung an bilden sie
die unteren Dornf ort s ätze. — An allen Wirbeln findet man
81*
Perca fluriatiüs. ■ — Doppelt vergrösserter Bauch-
wirbel. A, im Profil; B, von vorn, n, Neurapo-
physe ; i, Wii'belkörper; c, schiefer Fortsatz;
e, Rückencanal ; t, Haemapophyse ; o, Communioa-
tionsöffnuncf zwischen den beiden Trichterhöhlen.
484
Wirbeltliiere.
Perca fluviatUis. Der
Atlas von voi'n gesehen.
Zweifache Vergrösse-
rung. Dieselben Buch-
staben. /, Gelenkhöhlen.
ausserdem kurze, schiefe Fortsätze, die von der Basis der Bogen aus-
gehen und Muskeln zum Ansätze dienen.
Einige Wirbel bedürfen besonderer Erwähnung. Der erste, der
Atlas (Fig. 199), zeigt an den vorderen oberen Ecken seines Körpers
Fig. 199. zwei tiefe Gelenkgruben (/) für die Einlenkung mit
dem Hinterhaupte. — Der 21. Wirbel (Fig. 200)
trägt lange Haemapophysen , von deren Rand
jederseits ein kleiner Knochenfortsatz ausgeht.
Indem diese Fortsätze von beiden Seiten her sich
zusammenschliessen, entsteht ein ziemlich grosser,
ovaler Raum. In derselben Weise verhält sich
der folgende Wirbel. — Der Schwanzwirbel end-
lich trägt vier lange, dreieckige Platten, die sich
zu einem senkrechten Fächer zusamraenordnen ;
an diese breite Platte setzen sich die Strahlen der
durchaus homocerken Schwanzflosse.
Rippen sind auf der ganzen Länge zwischen
dem Kopfe und dem After entwickelt. Die vor-
dersten sind sehr kurz und setzen sich unmittel-
bar an die Unterfläche des betreifenden Wirbel-
körpers an; die folgenden werden zunehmend länger und sind an dem
hinteren Rande der unteren Bogen angeheftet ; die letzten werden
wieder kürzer. Die Rippen
sind krumme Knochen-
stäbchen, die sich nirgends
auf der Yentralseite zu-
sammenschliessen und nur
ein einfaches Gelenkköpf-
chen besitzen ; am oberen
Drittel ihrer Länge etwa
tragen sie eine sehr dünne
* Muskelgräte, welche nach
hinten gerichtet und in die
Myocommen des Leibes-
muskels eingeschaltet ist.
Un paare Flossen. —
In der allgemeinen Be-
schreibung sagten wir
schon , dass der Barsch
zwei Rückenflossen , eine
vordere stachelige, eine hin-
„ . ... T^ n, -iHT- T, 1 j u tere weiche, eine Schwanz-
Percu flnviutdis. — Der 21. Wirbel doppelt ver- ' .
grössert. A, Profil ; B, von vorn. Dieselben Buch- Aosse und eine Afterflosse
Stäben. /;, Hnemalcanal. besitzt. Alle diese verti-
Pis;. 200.
Fische.
485
calen Flossen stehen in Beziehung zur Wirbelsäule, zeigen aber in
dieser Hinsicht einige Verschiedenheiten.
Die erste Eückenflosse besitzt nur Stachelstrahlen; die zweite
zeigt zwei Stacheln im Anfange, die Afterflosse nur einen. Alle diese
Stacheln sind sehr hart und spitz. Die Basis eines jeden Stachels ver-
Fia. 201. -■
Perca JJtiriutilis. — Vorderer Abschnitt des Skelettes in natürlicher Grösse, i, Zwischen-
li:iefer ; m^ , aufsteigender Ast des Oherkiet'ers ; j^, erstes Jugale mit Seitencanälen ;
/', Präfrontale; f^, Frontale; /^, Postfrontale; o, Orbita; ca, Meta-pterygoideum ;
iiiu, Hj'omandibulare ; pa, Höhle auf dem Parietale für Muskelansätze; om, Schulter-
blatt ; om^ bis om^, Apophysen desselben zur Befestigung am Schädel ; oc, Hinterhaupts-
kamm ; in, Zwischendornknochen ; in^, erstes Interspinale; co, Coracoideum ; re,
Flossenstachel; ae, Dornfortsätze; d, Dentale; cw, Articulare; an, Angulare des
Unterkiefers; m, Oberkiefer ; g, Transversum; c, Quadratum ; br, Kiemenhautstrahlen;
pop, Praeoperculum ; ?m^, Interoperculum; op, Operculum ; sop, Suboperculum ;
cl, Clavicula ; cii, Basale inferius; r, Basale medium; car, Carpus ; si, Griffelfurt-
satz; c, Rippen; «?■, Muskelgräten; v, Becken; ü^, Bauchflossenstrahlen.
486 Wirbelthiere.
breitert sicli und bildet zwei seitliche, abgerundete Gelenkköpfchen.
Die weichen Strahlen , welche grösstentheils die zweite Rückenflosse,
die Afterflosse und die ganze Schwanzflosse bilden, bestehen aus
einer grossen Anzahl fächerförmig an einander gereihter Plättchen,
die von einer stabförniigen , ebenfalls mit zwei Gelenkköpfchen aus-
gestatteten Basis ausgehen. Alle Strahlen der beiden Rückenflossen
und der Afterflosse, mögen sie nun stachelig oder weich sein, ruhen
auf dreieckigen Knochenlamellen, den sogenannten Zwischendorn-
knochen (f;i, Fig. 201) (ossa intersinnosa) , deren nach unten ge-
richtete Spitze zwischen je zwei Dornfortsätze eingeschoben ist. Diese
Lamellen sind sehr dünn , durchsichtig und tragen auf jeder Seiten-
fläche eine vorspringende Längskante, so dass sie wie ein Bajonett mit
vier Kanten aussehen. Die erweiterte Gelenkfläche eines jeden Zwischen-
knöchelchens verlängert sich nach hinten in zwei kleine Fortsätze.
Vor dem ersten Rückenstrahl, zwischen ihm und dem Ende des Hinter-
hauptskammes, ist ein runder Zwischenknochen (in) eingelassen, der
keinen Flossenstrahl trägt.
Die weichen Strahlen der Schwanzflosse sind in den beiden Lappen
derselben in identischer Weise gebaut. Die vorderen Strahlen sind
sehr kurz und ruhen direct auf den oberen und unteren Dornfortsätzen
der letzten Vfirbel ; die folgenden verlängern sich schnell, nehmen aber
in der Mitte der Flosse etwas ab und bilden so den Ausschnitt der-
selben. Sie sind direct auf die fächerartigen Platten des letzten Wir-
bels eingelenkt.
Das Kopfskelett (Fig. 201 a. v. S.) mit seinem Zubehör nimmt
etwa ein Viertel der gesammten Körperlänge ein. Wie schon gesagt,
besteht es aus zwei Haupttheilen , dem Hirnschädel und dem Ge-
sichtsschädel, die sich ziemlich leicht von einander trennen lassen.
Mit der Wirbelsäule hängt das KojDfskelett nur durch das Hinter-
hauptsgelenk zusammen.
Der eigentliche Hirnschädel (Fig. 202) bildet im Ganzen eine
dreiseitige , mit sehr verschieden ausgehöhlten Flächen ausgestattete
Pyi'amide , deren Basis von der Hinterhauptsgegend, die abgerundete
Spitze von der Schnauze hergestellt wäre, während eine Fläche von
der oberen Stirnfläche gebildet würde und die beiden geneigten Seiten-
flächen in einer stumpfen unteren Kante zusammenstossen, die das
Dach der Mundhöhle in der ventralen Mittellinie bildet. Die einzelnen,
den Hirnschädel zusammensetzenden Stücke sind entweder durch Nähte
oder durch Zwischenlager von Knorpel oder Bindegewebe mit einander
verbunden.
Der Primordialknorpel, welcher an der Bildung der Schädelkapsel
Antheil nimmt, ist besonders in der Mitte der vorderen Schnauzen-
gegend stark entwickelt, wo er eine grosse Masse bildet, in welcher
die Nasengruben ausgehöhlt sind. Eine kleine, eiförmige Knorpelmasse
Fische.
487
liegt über dein Vomer etwas nach hinten. Auch in den Wänden der
Ohrkapsel findet man Reste des knorpeligen Primordialschädels.
Die Hinterhauptsgegend zeigt eine gewisse Aehnlichkeit mit der Bil-
dung eines Wirbels. Unter dem grossen Hinterhauptsloche findet sich das
Grundbein (Os hasiJarCjh), welches die Basis des Schädels beginnt und
auf seiner Hinterfläche eine conische Aushöhlung zeigt. In der oberen
Mittellinie entspricht ihm das Occipitale superius (o), das nach vorn in
eine breite Lamelle sich erweitert und nach hinten einen dünnen, senk-
rechten Kamm trägt. Die Seiten des Hinterhauptsloches werden von
den seitlichen Hinterhauptsknocheu {Ocdintalia lateralia, oT) geschlossen,
welche an ihrem Unterrande die Gelenkköpfe tragen, mit welchen
der Atlas articnlirt. Diese grösstentheils enchondrischen Knochen
Fig. 202.
A P 9
fcL-
Ptrca ßiiviaülis. — Der Schädel in natürlicher Grösse. A, Profil ; B, Oberseite ;
C, Unterseite ; fo, Postfrontale ; fp^ Frontale ; fa, Praefrontale ; e, Ethmoideum ; p, Pa-
rietale; b, Basilare ; o, Occipitale superius; oe, Occipitale externum ; ol, Occipitale
laterale; sa, Orbitosphenoideum ; sg, Prooticum ; sp, Parasphenoideum ; n, Nasale;
r, Vomer; t, Temporale.
488 Wirbelthiere.
schliessen sich nach vorn die ebenfalls meist enchoudrischen Knochen
an, welche zum grössten Theile die Gehörkapsel bilden, Ejpiolica oder
Occipitalia externa (oe) nach hinten und oben, Frootica oder grosse
Keilbeinflügel (sg) , die leicht an dem grossen Loche zum Durchtritte
des Nervus trigeminus erkannt werden können. Nach vorn werden
die Schädelwandungen in der Gegend der Augenhöhle durch die Orbito-
sphenoidalia oder Orbitalflügel des Keilbeines (sä) ergänzt, welche
den Hinterrand der Augenhöhle bilden. Vor den Augenhöhlen wird
die Schädelhöhle durch den Primordialknorpel geschlossen, in dessen
Mitte zwei kleine, verticale Knochenplättchen , die Siebbeine {Etlimoi-
dea, e), angebracht sind.
Diesen enchondrischen Knochen schliessen sich mehrere Deckknochen
an, die wir von hinten nach vorn aufzählen. An der oberen Fläche, zum
Theile von den Stirnbeinen bedeckt, die kleinen dreieckigen, seitlich ge-
legenen Scheitelbeine (Parietalia,})) ; davor in der Mittellinie die grossen,
hinten breiteren, vorn verschmälerten Hauptstirubeine (FrontaUa, fp),
welche das Dach der Hirnhöhle und der Augenhöhlen bilden; im hin-
teren Winkel der Augenhöhlen nach innen die Postfrontalia (fo), an
welchen das Hyomandibulare eingelenkt ist. Die vordere Ecke der
Augenhöhlen wird von den Praefrontalia (fa) gebildet und auf dem
Knorpel, in welchem die Nasengruben ausgehöhlt sind, liegt ein kleines
mittleres Knochenschüppchen, Nasale oder mittleres Eilimoideiim (n).
An der Schädelbasis finden sich, in die Schleimhaut der Decke
der Mundhöhle eingelassen, zwei Deckplatten, hinten das Parasplienoi-
deuni (sp), das die Gestalt eines Lanzeneisens hat, hinten zum Theil
das Basilare und mit seinem vorderen Ende den grifFelförmigen Stiel
des Vomer (v) deckt, dessen vorderes, bogenai"tig ausgeschweiftes Ende
zahlreiche Bürstenzähne trägt.
Einige Knochenstücke, die ganz dem Hautsysteme anzugehören
und nur in Beziehung zu den Seitencanälen zu stehen scheinen,
schliessen sich aussen an den Schädel an. Dahin gehören am äusseren
Winkel des Hinterhaupts das mit einem zur Rinne gehöhlten Kamme
versehene Temporale (t) und die fünf schuppenförmigeu Knochen unter
der Augenliöhle [Jugalia, j) (/, Fig. 201), welche eine zusammen-
hängende Kette bilden. Die vorderste dieser Schuppen hat eine be-
deutende Grösse und zeigt ausstrahlende Nebencanäle.
Man kann auch noch als im Dienste eines Sinnesorganes, aber nicht
des Seitensinnes, stehende Hautknöchelchen die kleinen Riechknochen
(oo, Fig. 203) betrachten, welche den Rand der Nasenöffnnngen stützen.
Der Gesichtsschädel besteht, wie oben gesagt, aus einer
Menge von Stücken, die sich zu Bogen zusammenstellen, von welchen
die beiden ersten ganz an der Unterfläche des Hirnschädels anliegen,
während die anderen sich in der ventralen Mittellinie um den Nah-
rungscanal herum vereinigen. Die oberen Enden dieser Bogen sind
Fische. 489
theils durch Bänder, theils durch ausgebildete Gelenke dem Hirnschädel
angeheftet. Wir unterscheiden folgende Bogen und deren Stücke.
1. Der Oberkieferbogen bildet den Mundrand und besteht
aus zwei paarigen Stücken, den Zwischen- und Oberkiefern. Der
Zwischenkiefer (Intermaxillare , ?, Fig. 201) trägt auf seinem bogen-
förmig gekrümmten Unterrande zahlreiche Bürstenzähne. Er ist vor
und unter dem Oberkiefer gelagert, der ihn von oben grösstentheils
bedeckt. Jeder Zwischenkiefer besitzt zwei nach oben gerichtete Fort-
sätze, von welchen der vordere abgerundet, der hintere am Rande zu-
geschärft ist.
Der Oberkiefer (Maxillare, m), von den älteren Autoren Os mystacis
genannt, bildet eine lange, etwas schief gerichtete und durchaus zahn-
lose Knochenlamelle, die dem Zwischenkiefer ihrer ganzen Länge nach
aufliegt, aber an der Zusammensetzung des Mundrandes keinen Antheil
nimmt. Das verdickte Vorderende des Knochens legt sich mit einem
kurzen Fortsatze an den Nasensack an und wird mit diesem diirch
eine faserknorpelige Masse verbunden. Starke Sehnenfasern verbinden
den Zwischenkiefer mit dem Oberkiefer, an welchen sich auch ein
langes Sehnenband des Kaumuskels ansetzt, das bogenförmig nach
hinten zu dem Articulare des Unterkiefers verläuft. Ein vorderer
Fortsatz des Knochens verstärkt die Verbindung mit dem Zwischenkiefer.
2. Der Gaumen flu gelbogen {Arcus pterugo-palaiinus). Mau
weiss aus der Entwicklungsgeschichte, dass dieser Bogen ursprünglich
eine Abzweigung des folgenden Bogens ist, mit welchem er zwar noch
nach hinten in Verbindung bleibt, von dem er sich aber durch die
Verknöcherung getrennt hat. Er liegt nach innen von dem Kiefer-
bogen, vervollständigt das Dach der Mundhöhle und besteht von vorn
nach hinten aus folgenden Stücken :
Das Gaumenbein {Pä'atimim,']), Fig. 203 a. f. S.), ein Knochen
von sehr unregelmässiger Gestalt, bildet den vorderen Theil des Mund-
loches und trägt dichtgedrängte Bürstenzähne. Nach vorn ist es mit
dem Vomer verbunden und verlängert sich in einen nach aussen ge-
krümmten Haken. — Das Flügelbein {Pterygoldeum oder Entoptery-
goideiim, pf) ist eine dünne Lamelle, die an der Decke der Mundhöhle
theilnimmt. Das Querbein (Transversum oder Ectopier ygoideum,
tra) wird von einem dünnen, fast im rechten Winkel gebogeneu
Knochenstäbchen gebildet. Es verbindet das Gaumenbein mit dem
Quadratbein. — Dsis Metcipterygoideum, auch Trommelbein genannt
(Ca) {Tympanicum Cuvier), ist eine unter dem Quadratbein gelegene
Lamelle, welche den hinteren Rand der Augenhöhle ergänzt.
3. Der Unterkiefer bogen (Arcus mandihuJaris) wird be-
kanntlich ursprünglich von einem einzigen Knorpelstabe, dem soge-
nannten Me ekel' sehen Knorpel, in seinem distalen Theile gebildet,
theilt sich aber bei der Verknöcherung und durch Zutritt von Deck-
490
Wirbelthiere.
platten in mehrere Stücke und tritt ausserdem mit den benachbarten
Bogen in Verbindung. Er ist au dem Schädel mittelst eines mächtigen
Knochenstückes von sehr unregelmässiger Form , dem Quadratbein
{Quadrahtm, c), aufgehängt, das sich nach unten in eine Gelenkrolle
verlängert, welche in eine Aushöhlung des Gelenkbeines des Unter-
kiefers sich einsenkt und so das ünterkiefergelenk bildet. Der Hinter-
rand des Quadratbeines zeigt eine Längsrinne, in welche ein Theil
des Vorderkiemendeckels eingepasst ist. — Der eigentliche Unter-
kiefer (Mand'ihitla) besteht aus drei Knochenstücken. Das vorderste,
das Zahnbein (Dentcde, d, Fig. 201), zeigt auf der inneren Seite eine
Hohlkehle, in welcher noch ein Rest des Me ekel 'sehen Knorpels mit
einer Fortsetzung des Kaumuskels liegt; sein oberer Rand ist mit
Bürstenzähnen besetzt, der Hinterrand ist V-förmig ausgeschnitten.
Fig. 203.
Perca fluvlatUis. — Seitliche Ansicht des Kopfskelettes, nach Wegnahme des Kiefer-
und Kiemendeckelapparates. car, vordere Kuorpelmasse ; oo^ Riechbein; t, Durch-
trittsloch des Riechnerven;./};, Stirnbein; o, Orbita; pt, Flügelbein; »o, Vomer;
l), Gaumenbein; h, Zungenbein; tra, Transversum; c, Quadratbein; ri, Kiemenhaut-
strahleu ; st, Griffelbein ; sy, Symplecticum ; c «, Metapterygoideum ; ma, Hyomandibulare.
In diesen Ausschnitt passt das Vorderende des Gelenkbeines {Arti-
ctdare, ar, Fig. 201), welches hinten die Hohlkehle zur Aufnahme der
Gelenkrolle des Quadratbeines trägt. Das kleine Eck b ein (Angu-
lare, a) , von dreieckiger Form, vervollständigt den hinteren unteren
Winkel des Unterkiefers.
4. Der Zungenbeinbogen (Arctts liyoideus) hängt durch ein
mächtiges Knochenstück, das Ilyomandibidare {ma, Fig. 203), an dem
Schädel. Sein verbreitertes Oberende passt in eine Rille des Post-
frontale. Nach hinten und oben zeigt es einen Fortsatz, der in der
Fische.
491
Gelenkhöhle des Kiemendeckels spielt. Nach unten verschmälert es
sich und verbindet sich mit dem SynijjJedicum und dem Griffelbeine ;
an seinen Hinterrand legt sich der Vorderdeckel an. Das Aufhänge-
gerüst wird durch zwei kleine cylindrische, im Winkel aus einander-
weichende Knochen verstärkt, das Syinplectkion (sy, Fig. 203), welches
das Hyomandibulare mit dem Quadratbeine, und das Griffelbein (Sty-
loideum, st), welches es mit dem Zungenbeine verbindet. Dieses, das
Hyoideum {h, Fig. 203), bildet einen aus vier Stücken bestehenden
Bogen. Die beiden oberen Stücke (c?, c, Fig. 204) sind durch ein
breites, queres Knorpelband mit einander verbunden und haben im
Ganzen die Form eines krummen, innen ausgehöhlten Spatels, an
dessen oberes Ende das Griffelbein {st) eingelenkt ist, während der
Griff des Spatels von zwei dreieckigen Knöchelcheu (?;, a) gebildet
Fio-. 204.
Perca fluviatUis. — Die eine Hälfte der Kiemen- und Zungenbeinbogen ausgebreitet
und von der inneren Fläche gesehen. jSTatürliche Grösse, en, Entoglossum ; a,b, Ge-
lenkstücke des seitlichen Schenkels des Zungenbogens ; c, d, abgeplattete Stücke des-
selben Bogens; ca, knorpeliges Verbindungsstück derselben; e, stabförmiges Ver-
bindungsstück zwischen dem ersten Kiemenbogen und dem Schädel ; 1 , unteres ;
2, mittleres; 3, oberes Stück des Bogens; st, GrifFelbein ; r, Kiemenhautstrahlen ;
phij untere Schlundknochen; phs, obere Schlundknochen; 4, zahntragende Stücke
derselben; c^ bis c*, Copulae.
wird, die an dem Rande des in der ventralen Mittellinie gelegenen
Zungenbeinkörpers eingelenkt sind. Dieser Körper besteht aus einer
Reihe von fünf Knöchelchen [Copulae, c^ bis c'), an welchen, ausser
dem Zungenbeinbogen, auch die Kiemenbogen seitlich eingelenkt sind.
Das vorderste Knöchelchen, Os linguale oder Entoglossum (en), springt
in Form einer senkrecht gestellten Pflugschar in die fleischige Masse
492 Wirbelthiere.
der Zunge vor. Das Endknöchelchen hat eine ähnliche Gestalt und
zeigt keine seitlichen Gelenkflächen.
5. bis 8. Die vier, respiratorische Blättchen tragenden Kiemen-
bogen tragen auf ihrem Vorderrande kleine, dicht mit Spitzen be-
setzte Wärzchen, der erste ausserdem noch ziemlich lange und sehr
spitze Dornen ; sie nehmen von vorn nach hinten an Grösse ab und
hängen durch ein kleines cylindrisches Knochenstück (e) , das zum
ersten Bogen geht, an dem Schädel. Jeder Bogen besteht aus drei
Stücken, einem unteren Verbindungsstück (1), das an dem Zungen-
beinkörper eingelenkt ist , einem langen Mittelstück , das schief von
vorn und unten nach hinten und oben sich richtet (2) und einem kür-
zeren , horizontal gerichteten Oberstück (3) , welches an der Bildung
des Daches des Schlundkopfes Antheil nimmt. Die vorwärts gerich-
teten, oberen Enden des zweiten, dritten und vierten Bogens ver-
breitern sich zu Knochenplatten, die auf der unteren, gegen den
Schlundkopf gewendeten Seite Zähnchen tragen. Man nennt diese
vereinigten Platten die oberen Schlundknochen {phi).
9. Ein übrigens unvollständiger Bogen wird von den unteren
Schlundknochen (pJis) gebildet. Es sind zwei ziemlich lange
Knochenplatten , die keine Kiemenfransen , wohl aber auf ihrer oberen
Fläche zahlreiche und dicht gedrängte Bürstenzähne tragen.
An die Gesammtheit dieser Visceralbogen , welche vorn der Er-
nährung, dann der Athmung zugewiesen sind und mit dem hintersten,
unvollständigen Bogen wieder der Ernährung dienen, schliesst sich ein
den Fischen allein zukommender, ursprünglich häutiger Apparat, der
für die Athmung von höchster Wichtigkeit ist.
Der Kieme ndeckelapparat besteht aus einer Anzahl platter
Knochen, welche die Kiemen von aussen her schützen und sich wie in
einem Charnier auf beiden Seiten des Hinterkopfes so bewegen, dass
sie die grosse Kiemenspalte öffnen und schliessen können. Der Appa-
rat besteht aus folgenden Theilen :
Der Vorderdeckel, Praeoperculum (pop, Fig. 201), trägt den
ganzen beweglichen Apparat. Er besteht aus einem platten, fast im
rechten Winkel gebogenen Knochenstücke, welches mit dem Quadrat-
bein, dem SymplecUcimi' und dem Hyomandibulare eng verbunden ist;
der aufsteigende Ast legt sich oben an das Postfrontäle an, der hintere
Rand ist fein gezähnelt und mit einer Rille versehen , in welcher der
vordere Rand des Kiemendeckels spielt; der horizontale Schenkel reicht
an den Gelenkkopf des Quadratbeines ; er trägt an seinem Unterrande
spitze und starke Dornen , von denen die vorderen die längsten sind.
Der Kiemendeckel, Operculum {op, Fig. 201), ist eine breite,
dünne, durchsichtige, etwas nach aussen gewölbte Platte, deren Innen-
fläche mit einer silberglänzenden Haut bekleidet ist; der vordere,
gerade Rand ist an dem Vordeckel eingelenkt, der obere Rand etwas
Fische. 493
gebogen und nach hinten in einen starken, spitzen Dorn ausgezogen.
Der hintere Rand ist S-förmig ausgeschweift. Die Aussenfläche ist
glatt; an der Innenfläche findet sich eine horizontale Leiste zum An-
sätze der Muskeln. Die obere Ecke des Vorderrandes zeigt eine Aus-
schweifung, in welche die Gelenkrolle des Ilyomanclihulare sich ein-
senkt.
Der Zwischen de ekel, Interopercidare (^int, Fig. 201), liegt
unter dem Vorderdeckel. Der Hinterrand dieser dünnen Platte ist ge-
zähnelt; eine weisse, sehnige Haut verbindet sie mit dem Kiemendeckel
und dem Unterdeckel, Suhoperculum (sop, Fig. 201), einer läng-
lichen , unter dem Zwischendeckel gelegenen Platte , deren vorderer
Rand zugeschärft, der hintere theilweise gezähnelt ist. Die beiden
letztgenannten Knochenplatten decken zum Theil die Kiemenhaut-
strahlen {rh, Fig. 201), deren man sieben zählt. Diese, einer Säbel-
klinge ähnlich gebildeten platten Knochen sind mit einem etwas ver-
dickten Kopfe an der Aussenfläche des unteren Zungenbogens eingelenkt.
Im Tegumente eingeschlossen, füllen sie den Raum zwischen den beiden
Unterkiefern, die Kehle.
Skelett der paarigen Gliedmaassen. ■ — Wir erinnern
daran, dass der Barsch ein Brustflosser ist, d. h. dass die hintere
Gliedmaasse , die Bauchflosse, unter die Brustflosse vorgerückt ist und
dass beide Gliedmaassen nur weiche Endstrahlen zeigen. Nur die
Brustflosse besitzt einen bogenförmigen Schultergürtel, der an dem
Hinterhaupte befestigt ist und den hinteren Rand der Kiemenspalte
bildet, auf welchen der Kiemendeckel sich auflegt, wenn er die Kiemen-
spalte schliesst.
Brustflosse. — Jeder Halbbogen des Schultergürtels besteht
aus drei an einander gereihten Knochen, zwischen welche und die Strah-
len noch einige Zwischenstücke eingeschaltet sind. Wir geben diesen
einzelnen Stücken die gebräuchlichen Namen , ohne damit behaupten
zu wollen , dass dieselben wirklich denjenigen Stücken homolog sind,
die bei den höheren Wirbelthieren denselben Namen tragen. Der
Schultergürtel besteht aus folgenden Stücken:
Das Schulterblatt, Scapiclare {ss, Fig. 205a. f. S.), verbindet den
Gürtel mit dem Schädel. Es ist ein am Hinterrande gezähnelter, platter
Knochen, der nach vorn und oben in drei Fortsätze ausläuft, durch welche
er hinten und seitlich an das Hinterhaupt befestigt ist. — Das Raben -
bein, Coracoideum (om), welches folgt, hat einen gezähnelten Hinter-
rand und ist an die Unterfläche des Hinterhauptes durch eine starke
Sehne befestigt. — Das Schlüsselbein, CJaviciüa (cJ) , ist der be-
deutendste Knochen des Gürtels. Kurze Sehnenfasern verbinden die
unteren Aeste der beiden Seiten, zwischen welchen eine mittlere, untere
Aushöhlung hergestellt wird, in welche ein Theil des Herzens ein-
gebettet ist. Der Knochen hat übrigens eine sehr unregelmässige
494
Wirbelthiere.
Form; an seinem Hinterrande verläuft eine vorspringende Kante, au
welche sich die Massen des Seitenmuskels des Körpers theilweise anheften.
Die G 1 i e d m a a s s e selbst beginnt mit drei Basalstücken
(c, r, cm), die sich an den Hinterrand des unteren Theiles des Schlüssel-
beines anlegen. Das oberste dieser Stücke ist von den anderen durch
eine weite, mittelst einer Knorpellaraelle geschlossene Lücke getrennt
und an seiner hinteren und unteren Ecke setzt sich ein langer, griffei-
förmiger Knochenstiel (st) an, der schief nach hinten zwischen den
Muskeln bis zur Bauchflosse sich erstreckt. Jedes der beiden anderen,
durch eine Knorpellamelle (r, ca) verbundenen Stücke ist von einem
ovalen Loche durchsetzt. Man hat die beiden Stücke dem Radius und
der Ulna verglichen; jetzt bezeichnet man die drei Stücke meist als
Fro-, Bleso- und Metapierygium. An den Radius heften sich vier an
Fig. 206.
Fio. 205. ^
Fig. 205. — Perca fluvlutUis. — Der Sclmltergürtel in natürlicher Grösse, von aussen
gesehen, ss, Seapulare; om, Coracoideum ; cl, Claviculare; c, Basale superius ; r, Ba-
sale medium; c «, Basale inferius; ca, Carpus ; ca', mit Fasergewebe gefüllter Raum ;
stj GrifFelbein.
Fig. 206. — Pcrca ßuvlut'dis. — Skelett der Bauchflosse in natürlicher Grösse, von
aussen gesehen, o, verdickter Hiuterrand ; h, vordere Lamelle ; c, Strahlen.
beiden Enden stark angeschwollene Knöchelchen {ca), die man als Re-
präsentanten der Handwurzelknochen ((7arj9a7/a) angesehen hat und auf
welchen die unter sich ganz gleich gebildeten Flossenstrahlen aufsitzen.
Hinterglied, Bauch flösse (Fig. 206). — Die Flosse besteht
aus zwei dreieckigen, neben einander liegenden und am hinteren Ende
in der Mittellinie verschmolzenen Knochen , deren jeder wieder aus
zwei , durchaus mit einander verbundenen Hälften besteht. Das an-
Fische. 495
gesctwollene , verdickte Hintereude setzt sich an der Bauchseite nach
vorn in einen starken Sporn fort, xim hinteren Rande sind die weichen
Strahlen eingelenkt. Die Enden des stets sich verschmälernden , ab-
geplatteten Vordertheiles sind durch Sehnenfasern an dem Schlüssel-
beine angeheftet.
Muskelsystem. — Der grosse S ei t e n m usk el (1, Fig. 207)
ist in ähnlicher Weise wie bei den Lampreten aus Myomeren und in
schiefen Zickzacken geordneten Myocommen gebildet. Wir brauchen
also auf diese Anordnung nicht zurückzukommen und haben nur
einige, auf die Insertionen bezügliche Abweichungen zu verzeichnen.
Nach vorn zu heften sich die Muskelbänder an den Schädel und den
Schultergürtel; sie sind durch den von dem ersten Basalstücke der
Brustflosse auslaufenden Knochenstiel unterbrochen und weichen zur
Umfassung der Bauchflosse auseinander. Einige ventrale Faserbündel
setzen sich unten an das Schlüsselbein , andere dringen nach vorn in
die Kinngegend vor und setzen sich, an Masse allmählich abnehmend,
an die untere Fläche des Zungenbeines an; man hat diese Bündel auch
als eigenen Muskel unter dem Namen 31. aternolujoidcus unterschieden.
Eine besondere Differenzirung führt zur Bildung zweier Längs-
muskelpaare. Der dorsale Längsmuskel (Jd, Fig. 207) ist sehr
dünn, zeigt keine Myocommen und erstreckt sich ununterbrochen vom
Hinterhaupt bis zum Schwänze. Die beiden Muskeln weichen an der
Einsetzung der Rückenflossen etwas vor der Mittellinie auseinander. —
Der ventrale L ä n g s m u s k e 1 reicht von der Bauchflosse bis zum
Schwänze, ist aber durch den After und die Afterflosse getrennt.
Seine vordere Hälfte zeigt den Myocommen des Seitenmuskels ähnliche
Sehnenlinien.
Muskeln der un paaren Flossen. — An den Strahlen der
Rückenflossen und der Afterflosse setzen sich oberflächliche
und tiefe Muskelbüudel an. Die ersteren hängen fest mit der Haut
zusammen, erstrecken sich über die Seitenmuskelmasse und setzen sich
in schiefer Richtung an die Basis der Flossenstrahlen ; die letzteren
sind zwischen den Massen des Seitenmuskels versteckt, verlaufen von
einem Zwischendornknochen zum anderen und lassen sich in vier
Bündel theilen, zwei vordere und zwei hintere; sie heben und senken
die Strahlen. Es existirt durchaus keine Verschiedenheit zwischen der
Musculatur der Rückenflossen und der Afterflosse, wie sie doch be-
stehen müsste, wenn letztere aus dem Zusammenflusse zweier häutiger
Seitenfalten gebildet wäre.
Die Muskeln der Schwanzflosse lassen zwar eine gewisse
Homologie erkennen, zeigen aber nicht unwesentliche Verschieden-
heiten, die mit der Bildung des Skelettes in Beziehung stehen. Nach-
dem man die sehnige Eudausbreitung des Seitenmuskels entfernt hat,
496
Wirbelthiere.
zeigt sich eine dicke Muskelmasse bloss gelegt, welche sich leicht in
zwei Hälften, den oberen und unteren tiefen Muskel, zerlegen
lässt. Die Bündel setzen sich einerseits an die Seiten der letzten
Wirbel, anderseits an die Basis jedes Flossenstrahles. — Unter dieser
Masse findet sich eine Maskelschicht, deren Bündel fächerförmig von
dem letzten Wirbel zu der Basis eines jeden Strahles sich begeben.
Dies ist der mittlere tiefe Schwanz muskel. — Die erwähnten
Muskelmassen dienen wesentlich zur Bewegung der Flosse im Ganzen.
An die Strahlen selbst setzen sich die Aponeurosen des Seitennmskels
und Bündel des oberflächlichen Schwanzmuskels, welche von den
Apophysen des letzten Wirbels ausgehen. Ausserdem sind die Strahlen
durch kleine, schiefe Bündel mit einander verbunden.
Perca fluviatlUs. — Präparat des Kopfes ; die Haut und die Kette der Jugularknoclieu
sind entfernt, in, Zwischenldefer; n, Nasensack; j, erstes Jugale ; oe, Auge; am},
am^, um^, die drei Abtheilungen des Kaumuskels; ra, Hebemuskel des Gaumen-
bogens; eo, Heber des Kiemendeekels; do, Erweiterer des Kiemendeckels; trm, Tra-
pezoideum ; r, Stachelstrahlen der Rückenflosse; r', dieselben verbindende Zwischen-
haut; i, Seitenmuskel; d, Dentale; ar, Artieulare des Unterkiefers; m, Oberkiefer;
int, Interoperculum ; pop, Praeoperculum ; br, Kieinenhautstrahlen ; op, Operculum;
7ns, oberflächliche Brustflossenmuskel; sop, Suboperculum ; Id, dorsaler Längsmuskel.
Fische. 497
Da die verschiedenen am Kopfe entwickelten Bogen vielfach in
einander greifen, ziehen wir es vor, die Kopfmuskeln schichtweise,
wie man sie bei einer von aussen nach innen vorschreitenden Präpara-
tion vorfindet, der Reihe nach vorzunehmen.
Seitenfläche des Kopfes. — Nach Wegnahme der Haut und
der Unteraugenschuppen sieht man vorzugsweise die Muskeln des
Kiefer- und Kiemendeckelapparates , wie sie in Figur 207 dargestellt
wurden.
Die ganze Wangenhöhle zwischen der Orhita, den Kiefern und
dem Vordeckel wird von einer grossen Muskelmasse ausgefüllt, dem
Anzieher des Unterkiefers {31. massefer, am). Die aus dicht-
gedrängten, schiefen Fasern gebildete Masse lässt sich in drei Theile
zerlegen. Der obere (ani'^) entspringt hinten am Vordeckel und läuft
in zwei Sehnen aus, von welchen die eine sich an den vorderen Dorsal-
fortsatz des Oberkiefers ansetzt , während die andere sich mit der
fleischigen Masse verwebt, welche die Innenfläche des Unterkiefers
auskleidet. Die beiden unteren Massen verschmelzen oft , bilden aber
jedenfalls zwei Sehnen, von denen die eine sich speciell an das Gelenk-
bein des Unterkiefers festsetzt.
An der oberen Grenze des Masseters treten einige, an dem Seiten-
kamme des Schädels entspringende Muskeln hervor. Um sie ganz
blosszulegen, muss man den Kaumuskel und den Kiemendeckel ent-
fernen. Es folgen sich hier, von vorn nach hinten: der Heber des
Gaumenbogen s (ra), ein dicker, dreieckiger Muskel, welcher sich
oben an das Postfrontale , unten an das Metapterj^goideum und den
Rand des Vordeckels ansetzt und den hinteren Rand der Orbita bildet;
der Erweiterer des Kiemendeckels (do) , der vom Postfrontale
sich zur oberen und vorderen Ecke des Kiemendeckels begiebt; die vier
Heber des Kiemendeckels (eo), zwischen dem Schulterblatt einer-
seits und dem Kiemendeckel anderseits , von welchen der hintere be-
sonders deutlich ist, und endlich der Anzieher des Kiemen-
deckels, zwischen dem Postfrontale und der hinteren Fläche des
Deckels, auf dem er sich längs der erwähnten Querleiste ausbreitet.
Nach Wegnahme des Kiemendeckels, des Oberkiefers und der
oberflächlichen Muskeln kann man ein Präparat herstellen , wie es in
Fig. 208 (a. f. S.) dargestellt ist. Abgesehen von den Muskeln der
Kiemenbogen , die wir später im Zusammenhange betrachten werden,
findet man noch welche, die zu dem Gaumenflügelbogen, dem Zungen-
bogen und dem Schultergürtel in Beziehung stehen. Dazu gehören:
der Anzieher des Gaumenbogens (a), ein grosser , unter dem
Heber dieses Bogens am hinteren und unteren Rande der Orbita ge-
legener Muskel, der vom Quadratbein zum Metapterygoideum geht; der
Rautenmuskel (M. trapegoides, tr) , der das Schulterblatt an das
Hinterhaupt befestigt, und der M. occipito-davicularis (oc) zwischen
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 09
498
Wirbelthiere.
dem Hinterhaupt, dem Schultergürtel und den oberen Schlund -
knochen.
Auf der Bauchfläche des Kopfes finden sich folgende, dem Unter-
kiefer und Zimgenbogen angehörige Muskeln: der M. sterno-hyoideus {o\
der eigentlich nur eine Verlängerung des grossen Körpermuskels mit
sehr weit abstehenden Myocommen ist und die Basis des Schulter-
gürtels mit dem Zungenbeine und den beiden Unterkieferästen verbindet;
der M. inte rmandibularis (mi) , welcher vorn die beiden Unterkiefer-
hälften verbindet; der M. genio-hyoicleus (gh), der die Aussenfläche
des Zungenbeinbogens bedeckt und sich vorn an die Unterkieferäste,
Fio;. 208.
M , /5,/t-
Perca fluviaülis. — Das vorhergehende Präparat weiter fortgesetzt. Der Kieroendeckel,
der Augapfel, Ober- und Unterkiefer sind linkerseits weggenommen. r?i, Zwischenkiefer;
p, Gaumenhein; tra, Querbein; oo^ Riechbein; ss, Schulterblatt; a, Anzieher des
Gaumenbogens ; a h, Anzieher des Hyo-mandibulare ; g h, Muse, genio-hyoideus ; Ä^, h^, h^,
Mm. hyo-hyoidei ; o, M. sterno-hyoideus ; ir, M. trapezoides ; oc, M. occipito-clavicularis;
«?,.?, vorderer oberflächlicher BrustflossenmuskeL; mj, M. intermandibularis; ?'ö, Kiemen-
hautstrahlen ; h, Os hyoideum ; st, Os styloideum ; ;;/«, M. pharyngo-hyoideus ; jjce,
M. pharyngo-clavicularis externus ; ^) c /, M. pharyngo-clavicularis internus; t, M. late-
ralis; aS, Kiemenbogen; le, äussere Hebemuskeln der Kienienbogen ; n, Nasenkapsel;
oi, unterer schiefer Augenmuskel; os, oberer schiefer Augenmuskel; dl, innerer
gerader; de, äusserer gerader; di?i, unterer gerader; ds, oberer gerader Augen-
muskel; c, Quadratbein; ma, Hyo-mandibulare.
Fische.
499
hinten an die unteren Kiemenhautknoclien inserirt, und endlich der
M. hyo-liyoideus {hh), der aus platten Bündeln besteht, welche die
Kiemenhautknochen unter sich und mit dem Vordeckel verbinden und
von welchen das unterste Bündel sich ausserdem auch an das Zungen-
bein ansetzt.
Man kann unter den Muskeln der Kiemenbogen zwei Gruppen
unterscheiden , diejenigen der athmeuden Bogen und die des unvoll-
ständigen Schlundbogens. Zu den ersteren gehören auf der dorsalen
Seite: die äusseren Heber, vier an der Zahl, einer für jeden Bogen,
die an ihrer Insertion am Hinterhaupte mit einander verschmelzen;
rio;. 209
mp
Perca ßuviatilis. — Das vorige Präparat noch -^-eiter foi-tgesetzt. Um die tieferen
Theile zu zeigen, hat man linkerseits noch die Kiemenbogen weggenommen, li, innere
Hebemuskeln der Kiemenbogen; td, quere dorsale Muskeln; mi , M. intermandi-
bularis; gh, M. genio-hyoideus ; pli, M. pharyngo-hvoideus : pce, M. pharyugo-clavi-
cularis externus; pci, M. pharj-ngo-claricularis internus; o, M. sterno-hvoideus :
de, gerader äusserer Augenmuskel; di, gerader innerer; ds, gerader oberer; din,
gerader unterer; os, schiefer oberer; oi, schiefer innerer Augenmuskel; mp, oberer
tiefer Muskel der Brustflosse; da, vorderer Erweiterer; d, vom unteren Rande der
Flosse zum GritFelfortsatze gehender Muskel; in, Zwischenkiefer; oo, Riechbein;
p. Dach der ^Mundhöhle ; a, Anziehmuskel des Gaumenbogens ; tr, Trapezmuskel;
fi, Schlüsselbein; os, Schulterblatt; ri, Kiemenhautstrahlen ; m, Unterkiefer ; /.Zunge;
h /•, durchschnittene Kiemenbogen ; o', M. sterno-hvoideus.
32*
500 Wirbeltliiere.
die weit beträchtlicheren inneren Heber (U), die, nur zwei an der
Zahl, vom Hinterhaupte zum zweiten und dritten Bogen gehen; die
dorsalen Quermuskeln (?(?), drei an der Zahl, die horizontal vom
Hinterhaupte zu den drei letzten Bogen sich begeben, und endlich den
Rückzieher der Kiemenbogen, eine bedeutende, zu beiden
Seiten der Mittellinie gelegene Masse , die sich nach hinten an den
Seiten der Wirbelsäule und nach vorn mit vier getrennten Bündeln an
den Aufhängestücken der vier Bogen inserirt.
Auf der Bauchseite finden sich vier schiefe Kiemenmuskelu,
welche die Bogen mit den Copularknochen des Zungenbeinkörpers ver-
binden, und ein mächtiger, dreieckiger Quermuskel, welcher den
Zwischenraum zwischen den hinteren Kiemenbogen ausfüllt und an
die Basis eines jeden Bogens Bündel, sowie einige gekreuzte Fasern
an den iinteren Schlundbogen abgiebt.
Die unteren Schlundknochen werden durch den langen , schiefen
Schlun dz ungenb ein musk el (pli) mit dem Zuugenbogen in Ver-
bindung gesetzt. Zwei 31. pJiaryngo-claviculares, ein äusserer (pce)
und ein innerer (jjf?) verbinden die Schlundknochen mit dem Schulter-
gürte], besonders dem Schlüsselbeine, und der Zwischenraum wird von
einem Quermuskel ausgefüllt, der auf den Quermuskel der Kiemen-
bogen folgt.
Die Augenmuskeln werden wir bei Gelegenheit des Sehorganes
besprechen.
Extremitätenmuskeln. — An beiden paarigen Flossen
können wir zwei Gruppen von Muskeln unterscheiden : die einen liegen
auf der äusseren, die anderen auf der inneren Seite.
Muskeln der Brustflosse. — Auf der äusseren Fläche liegt
der mächtige, oberflächliche Vorder muskel (ms, Fig. 208), der
mit ebenso viel Bündeln, als Flossenstrahlen vorhanden sind, sich an
die Basis eines jeden ansetzt. Nach vorn zu verdickt sich der Muskel
bedeutend und inserirt sich an den hinteren Rand des Schlüsselbeines.
Unter ihm finden wir den tiefen Vordermuskel (wj^, Fig. 209),
der unmittelbar die Aussenfläche der Armknochen bedeckt. Sein ver-
breitertes Hinterende entsendet eine Sehne an die Basis eines jeden
Flossenstrahles; das vordere Ende inserirt sich am Schlüsselbeine.
Ueber diesen mächtigen, dreieckigen Muskel verläuft schief von unten
nach oben der weit dünnere vordere Ausbreiter (da^ Fig. 209),
der mit einer hinteren Sehne sich an den oberen Rand der Flosse
ansetzt, während sein Vorderende an dem Schlüsselbeine inserirt. Er
spreitet die Flossenstrahlen auseinander.
Auf der Hinterfläche der Flosse finden sich: der oberflächliche
Hintermuskel, eine dünne, senkrechte Muskelplatte, deren oberes Ende
sich an den aufsteigenden Ast des Schlüsselbeines ansetzt, während
das untere, mit ebenso viel Sehnenbändern als Strahlen vorhanden sind,
Fische. 501
au deren Basis inserirt. Der tiefe Hinterm uskel ist der mäch-
tigste Muskel auf dieser Fläche. Er erstreckt sich in horizontaler
Richtung von dem unteren Rande des Schlüsselbeines zu der Basis der
Flossenstrahlen. Der hintere xlusbreiter läuft in schiefer Rich-
tung vom Rande des Schlüsselbeines unter dem oberflächlichen Muskel
durch und heftet sich an die Basis des obersten Flossenstrahles. Der
31. styJo-daviciäarls (d) endlich verläuft zwischen dem Griffelfortsatz des
obersten Basale und dem Schlüsselbeine.
Muskeln der Bauch flösse. Aussenfläclie. Untere Mus-
keln oder Senker. — Der oberflächliche dieser Muskeln wird durch
die Entfernung des Tegumentes sofort blossgelegt; er heftet sich mit
seinem verengten Vorderende an dasjenige der Knocheulamelle, wäh-
rend das verbreiterte Hiuterende in eine sehnige Lamelle übergeht,
die sich an die Basis aller Strahlen mit Ausnahme des äussersten
Strahles festsetzt. Dieser besitzt seinen besonderen Muskel, den Aus-
b reit er, dessen Vorderende sich an das Hüftbein ansetzt. Sodann
finden wir, wie in der Brustflosse, einen tiefen Muskel, der das
ganze Gerüst der P'losse bedeckt und Bündel zu jedem Flossenstrahle
sendet.
Obere Muskeln oder Heber. — Es finden sich ebenfalls
drei, ein oberflächlicher, ein tiefer und ein Zusammenfalter. Der etwas
schief verlaufende , oberflächliche Muskel setzt sich einerseits an die
Basis der Flossenstrahlen , anderseits an die Beckenknochen , die er
ganz bedeckt; ebenso wie der tiefe Muskel, der den Knochen un-
mittelbar aufgelagert ist. Der Zusammenfalter ist unansehnlich;
er heftet sich mit seinem hinteren Ende an die Basis der Flossen-
strahlen, mit einer vorderen Sehne an das spitze Vordereude des
Flossengerüstes.
Nervensystem. — Das centrale System besteht aus dem
Rückenmarke und dem Gehirne; das peripherische aus den Cerebro-
spinalnerven und dem sympathischen Systeme.
Das Rückenmark (j»e, Fig. 210, 212) ist von oben nach unten
leicht abgeplattet ; es ruht unmittelbar auf dem Boden des Rücken-
canales auf, den es bei Weitem nicht ausfüllt. Der Zwischenraum
zwischen ihm und den oberen Bogen wird, wie bei den Cyclostomen,
von einem fettigen Bindegewebe ausgefüllt. Das Rückenmark nimmt
nach hinten allmählich ab und endet spitz am Anfange der Schwanz-
flosse. Auf Querschnitten sieht man, dass seine beiden Seitenhälften nur
durch eine centrale Brücke von Fasern zusammenhängen, sonst aber
durch einen senkrechten Spalt oben wie unten getrennt werden. Die
Fasern der Brücke bilden ein liegendes Kreuz und treten an der Peri-
pherie in Bündeln aus, welche die oberen, sensitiven und die unteren
motorischen Wurzeln der Rückenmarksorgane herstellen ; erstere treten
auf der dorsalen, letztere auf der ventralen Fläche aus. Die Wurzeln
502
Wirbelthiere.
vereinigen sich in einem ebenfalls kreuzförmigen , grauen , inneren
Kerne, der aus kleinen Zellen besteht. Die in den Zwischenräumen
der Kreuzschenkel und der Peripherie befindliche weisse Substanz wird
von sehr dünnen Längsfasern zusammengesetzt, die auf Querschnitten
eine feine Punktirung hei-vornifen. — Das verlängerte Mark
{Myclencepliälon) {nia, Fig. 210) schwillt in dem Maasse an, als es
sich der Schädelhöhle nähert; seine beiden oberen Bündel (er, Fig. 210)
weichen zum ersten Male auseinander, um eine rautenförmige Durch-
brechung zu bilden , auf deren Grunde man den Boden des Rücken-
canales sieht; vor dieser Grube (o) schliessen sich die Schenkel wieder
Y[o-, 210. zusammen und weichen dann aufs Neue
zur Bildung einer deutlich begrenzten,
dreieckigen Grube, der eigentlichen Rau-
tengrube (/, Fig. 211), auseinander.
Diese Grube wird theilweise von dem Klein-
hirn bedeckt; sie wird nur durch das Aus-
einanderweichen der Netzstränge {Cor-
pora restiforinia) (er, Fig. 211) gebildet;
auf ihrem Grunde sieht man die unteren
Markstränge und an ihrem Vorderrande
biegen sich die Netzstränge fast im rech-
tan Winkel um , um die Klein hirn-
schenkel zu bilden, mächtige Stränge,
die sich vor und über der Rautengrube
zu einer Art Brücke über den Zugang
zum vierten Ventrikel vereinigen xind
dann in die Masse des Kleinhirns aus-
strahlen , welches gewissermaassen nur
eine Anschwellung von ihnen darstellt.
Das Kleinhirn, CerebeUum (c), ist eine
knopfförmige, dicke Masse, die sich senk-
recht hinter den Sehhügeln erhebt und
deren Wände (c^ bis c'^, Fig. 212) aus
zweierlei Formelementen zusammengesetzt
sind. Aussen findet sich eine Schicht ver-
ticaler Fasei"n , die sich unmittelbar in
die oberflächliche Schicht der Vierhügel
fortsetzt und nur in der Mittellinie einen
engen Canal zur Verbindung mit der
Höhle des Mittelhirnes frei lässt; der
innere Kern wird von einer compacten
Zellenmasse gebildet, in deren Mitte
nur ein geringer, mit Bindegewebe ge-
füllter Raum für die darin verlaufenden
Perca fluviatilis. — Das von seinen
Hüllen befreite Gehirn von oben.
/, Yorderhirn ; lo, Sehlappen;
c, Kleinhirn; no^ Riechnerv; to,
Riechknoten ; t m, Nervus trochlea-
ris ; ac. N. acusticus; trj, N.
trigeminus; om, N. oculo-motorius ;
op , Augenast des Trigeminus ; v,
N. vagus ; sn, Xasensack ; nia, ver-
längertes Mark : /Tie, Rückenmark.
Fische.
503
Blutgefässe frei bleibt, üntei- dem Kleinhirn erstrecken sich die stets
vereinigt bleibenden Unterstränge des verlängerten Markes, die in die
unteren Hirnlappen eintreten.
Vor dem durch das Kleinhirn und das verlängerte Mark reprä-
sentirten Hinterhirn und Nachhirn folgen sich deutlich erkennbar und
auf derselben Ebene des Schädelgrundes hinter einander gereiht das
Mittelhirn, Zwischenhirn, Vorderhirn und die Riechlappen oder Riech-
knoteu.
Das Mittelhirn ist der am mächtigsten entwickelte Hirntheil.
Bei der Ansicht von oben (lo, Fig. 210) zeigt es zwei in der Mittel-
linie sich berührende ovale Massen, deren
hintere Ausweichung von dem Kleinhirn
überdeckt wird , während in die vordere
Kerbe die Lappen des Vorderhirnes sich
einlegen. Diese beiden, auch Sehhügel
genannten Massen sind hohl; ihr gewölb-
tes Dach ist ziemlich dünn und durch
eine Längsfurche in zwei Hälften getheilt.
Bei der makroskopischen Präparation
^ lässt sich das Dach in zwei Schichten
j (o, &, Fig. 211) theilen; auf queren Durch-
«> schnitten erkennt man in der oberfläch-
lichen Schicht folgende, von aussen nach
innen sich folgende Lager. Eine dünne
Faserschicht mit unregelmässig zerstreu-
ten Kernen ; eine dünne Schicht von
Längsfasern, deren quer durchschnittene
Bündel wie unregelmässige , grosse , helle
■ Flecken sich ausnehmen ; eine dicke , der
Aussenschicht ähnliche graue Schicht, die
man auch die Grundsubstanz genannt
hat, und dann wieder eine dünne Schicht
von Längsfasern, die auf wenigen Quer-
fasern aufruhen. Die innere Schicht des
Daches besteht wesentlich aus einer Zellen-
masse , deren untere Fläche mit einem
Pflasterepithelium ausgekleidet ist. Unter
einer geringen Vergrösserung zeigt diese
Unterfläche parallele Linien , die schief
von hinten und unten nach vorn und
oben verlaufen.
Wie schon bemerkt, biegt sich das
Dach der Sehhügel in der Mittellinie zu einer Furche ein, welche
von einem Längsfaserbündel gestützt wird, das mau den Torus
Perca fluviutUis. — Dorsale An-
sicht eines Gehirnes, dessen Seh-
hügeldach durch einen Horizontal-
schnitt abgetragen ist. Doppelte
Grösse. a, äussere Schicht des
Sehhügeldaches; h, innere Schicht;
c, c?, V'ierhügel; co., Sehhügel;
c r, Netzstränge ; /, Rautengrube ;
<, Riechknoten; /, Riechlappen;
et, Quercommissur ; o, Aussprei-
tung der oberen Kleinhirnbündel ;
c, Kleinhirn.
504
Wirbelthiere.
(iö, Fig. 212) genannt liat. Dieses, an seinem Anfange in der Nähe der
Vierhügel schmächtige Bündel schwillt nach vorn hin mehr und mehr
an, eine Längsfurche bildet sich auf seiner Unterfläche aus und, schliess-
lich verbindet es sich mit dem Boden der Höhle der Sehhügel in ihrem
vorderen Abschnitte. Der Torus steht immer in unmittelbarer Ver-
bindung mit den Querfasern, welche die Grundsubstanz stützen.
Der Boden der Höhle der Sehhügel ist nicht eben; er zeigt einige
über einander liegende Wülste, von welchen die bedeutendsten un-
mittelbar so an dem Kleinhirn anliegen, dass der hintere (a, Fig. 211)
theilweise den vorderen deckt. Eine seichte Längsfurche zeigt sich
auf der Mittellinie. Man hat diese Wülste die Vierhügel {tu,
Fig. 212.
er ff
y' nop
h ur ^ •/"
Perca Jliiviatllis. — In der Nähe der Mittellinie geführter Sagittalschnitt des Hirnes
und der oberen Theile des Schädels. Gundl. Oc. 0, Obj. 00. Mit der Camera
clara aufgenommene, aber dann reducirte Zeichnung, g, fettiges Füllgewebe ; t, Tegu-
ment ; p a, Pallium ; p a^, Brücke über die das Vorderhirn p r von den Eiechknoten
to trennende Furche; p, Epiphyse ; p a'^, Theil des Palliums, welcher den Stiel der
Epiphyse umhüllt; pa^, Theil des Palliums, welcher das Mittelhirn von innen aus-
kleidet; pa*, dasselbe, die äussere Auskleidung des Mittelhirnes bildend; to, Torus;
y, Ge'fäss ; <m, Vierhügel; c^ bis c^, Schichten des Kleinhirnes ; er, knöcherner Schädel;
(/^, Uebergangsbrücke des Fettgewebes zum Kleinhirn;/, Rautengrube; /•'^,/^, Aquae-
ductus Sylvii ; me, Rückenmark; me^, sein Centralcanal ; ma, verlängertes Mark;
ma^, obere Stränge desselben; c, Basis des Kleinhirnes; li, untere Hirnlappen;
h, Hypophyse; noj), Sehnerven; v^, Blutgefässe; to, Riechknoten; no, Riechnerv.
Fig. 212) genannt. Um ihre Structur deutlich zu erkennen, muss man
zu Längsschnitten seine Zuflucht nehmen (Fig. 212). Man sieht dann,
Fische.
505
Fig. 213.
dass der ventrale Abschnitt der Vorderwand des Kleinhirnes in die
Höhle der Sehhügel vordringt, nni das Dach des Aquaeductus Sylvii
zu bilden. Etwa in der Mitte der Erstreckung der Höhle biegt sich
die Schicht von unten nach oben, kommt zurück und bildet eine zweite
Biegung, so dass das Ganze wie ein doppelt gefaltetes dickes Tuch
aussieht. Das Ende ist mit Zellen bedeckt; der Rest der Sehhügel
wird aus Fasern gebildet, die sich theilweise zu dicken Längsbündelu
zusammenlegen.
Die beiden Sehhügel sind in ihrem vorderen Theile durch eine
mächtige Quercommissur mit einander verbunden (et, Fig. 211).
Die Unterlappen (Lohi inferiores, li, Fig. 213) bilden zwei
grosse, eiförmige Anschwellungen auf der Unterfläche des Mittelhirnes,
welche mau in ihrer ganzen Ausdehnung nach Herausnahme des Ge-
hirnes aus der Schädelhöhle übei'sehen kann.
Eine Längsfurche trennt sie von einander, mit
Ausnahme der vorderen Gegend , wo sie zu-
f^op sammenhängen. Man bemerkt in jedem Lappen
eine kleine, innere Aushöhlung, deren Wände
von Fasern gebildet werden , welche grössten-
theils von den unteren Strängen des verlän-
Jo gerten Markes, zum geringeren Theile von den
Vierhügeln herstammen.
Der Gefässsack {Saccus vascuJosus, s,
Fig. 213) liegt wie ein kleiner, rother Fleck in
dem hinteren Theile der die Unterlappen tren-
nenden Furche; er enthält keine nervösen Form-
elemente, sondern nur zahlreiche, verzweigte
Blutgefässe und ist nur durch Bindegewebe
den Unterlappen angeheftet.
Ein eigentliches Zwischenhirn ( TJuda-
menceplialon) existirt so zu sagen nicht oder
besteht nur in der Fortsetzung der Basis des
Mittelhirnes nach vorn. Die Sehhügel legen sich
in der That über das Zwischenhirn hinüber,
das man wie eine kleine, von einer Oeff-
nung durchbohrte Masse sieht , die in das In-
fundibulum oder den kegelförmigen Hirn-
trichter führt, welcher in der ringsum geschlossenen Höhle des
Hirnanhanges endet. Dieser Anhang, die Hypophysis (/?, Fig. 213),
ist eine mit Bindegewebszellen angefüllte röthliche Anschwellung,
welche vor den Unterlappen auf der ventralen Fläche des Zwischen-
hirnes liegt und diese bei der Ansicht von unten gänzlich vgr-
deckt. — Von der oberen Fläche des Zwischenhirnes geht die Epi-
physe {p, Fig. 212) aus, welche nur klein und schwer zu präpariren
-~ä-
Perca fluviatUis. — Ven-
trale Ansicht der Hirnbasis,
reo, Riechnerven; nop, Seh-
nerven; /o, Mittelhirn ; li,
untere Lappen ; /(. Hypophy-
sis ; s, Gefässsack ; /, Vorder-
hirn ; ma , verlängertes
Mark; me, Rückenmark.
506 Wirbelthiere.
ist. Am besten lässt sie sich auf Sagittalschnitten des entkalkten
Kopfes im Ganzen verfolgen. Der dünne, aber doch hohle Stiel des
Organes tritt auf der Grenze zwischen den Sehhügeln und dem Vorder-
hirn hervor; die dünne Nervensubstanz steht mit derjenigen des ge-
wölbten Daches der Sehhügel in Verbindung; der Stiel erhebt sich mit
leichter Krümmung schief gegen die Schädeldecke und endet an dieser
mit einer geringen hohlen Anschwellung, die mit reichlichem Pigment
umgeben ist. Man findet hier keine Bildungselemente, welche an ein
Sehorgan erinnern könnten.
Wir werden bei Gelegenheit der Hirnhüllen auf den Antheil
zurückkommen, welchen diese an der Bildung des Organes nehmen.
Das Vorderhirn {Prosencephalon, 7, Fig. 210, 211; pr, Fig. 212)
zeigt eine ziemlich einfache Bildung. Es besteht aus zwei Lappen, die
weit. kleiner sind, als diejenigen des Mittelhirnes und die durch eine
tiefe, nur von zelligen Wänden ausgekleidete Furche getrennt werden.
Nur auf der Unterseite sind die beiden Lappen durch eine schmächtige
Quercommissur verbunden. Aus den Untersträngen der Sehhügel
stammende Fasern bilden den grössten Theil der Masse dieser An-
schwellungen, welche den Streifenkörpern {Corpora striata) des
Vorderhirnes der höheren Wirbelthiere homolog sind.
Die Riechknoten {to) gehören schon den Riechnerven selbst
an; sie sind von dem Vorderhirn durch eine tiefe Falte getrennt.
Wir müssen hier auf die Hüllen des Centralorganes näher
eingehen. Der Rückencanal, der viel geräumiger ist, als für das Rücken-
mark benöthigt wäre, wird oberhalb des Markes von einem fetthaltigen
Schwammgewebe ausgefüllt, das ganz dem bei den Cyclostomen an-
getroffenen ähnlich ist. Hart an den Knochen liegt eine mit zer-
streuten Pigmentzellen ausgestattete Faserhaut und in der oberen Ecke
des Canales, wo die beiden Wurzeln der Neurapophyseu zur Bildung
der Dornfortsätze zusammenstossen , verläuft ein starker Sehnenstrang,
welcher alle Wirbel mit einander verbindet und vorn an dem oberen
Winkel des Hinterhauptes sich festsetzt. Die Oberfläche des Markes
ist von einer dünnen Epithelialschicht ausgekleidet, welche in alle
Falten und auch bis in das Innere des Centralcanales des Rücken-
markes eindringt. Alle diese Bildungen finden wir in dem Schädel
wieder, dessen grösstentheils von dem Primordialknorpel umgebene
Höhle ebenfalls bei Weitem nicht von dem Gehirne ausgefüllt wird;
wir finden hier die der Dura mater vergleichbare Sehnenhaut, welche
die Knochen auskleidet, und das die Zwischenräume erfüllende Fett-
gewebe — nur die innere Zellhülle verhält sich anders. Sie beginnt
an den Riechknoten, geht über die Falte weg, welche die Knoten von
dem Vorderhirn trennt (j:>a^, Fig. 212), aber statt sich eng an die
Oberfläche der Streifenhügel anzulegen, erhebt sie sich gewölbeartig
über dieselben (p«) in einiger Entfernung und erreicht so den Stiel
Fische. 507
der Epiphyse etwa in der Mitte seiner Länge. Sie umhüllt diesen
Stiel von allen Seiten, senkt sich mit seiner Wurzel unter die \\'ölbung
des Mittelhirnes, deren innere Fläche sie auskleidet, bildet in der Höh-
lung derselben einen sehr gefässreichen Wulst (Plexus choroideus) und
setzt sich in alle inneren Höhlungen fort, in den Hirntrichter, auf die
Vierhügel bis zur Rautengrube. Man hat den vorderen, über die
Streifenhügel hinaus gewölbten Theil des Gebildes den Mantel (Pal-
lium) genannt. Er entspricht ohne Zweifel dem bei den höheren
Wirbelthieren entwickelten Gewölbetheil des Yorderhirnes , der dort
sogar die grösste Masse dieser Hirnabtheilung bildet , während bei
dem Barsche, wie bei den übrigen Teleostieru, dieser Gewölbetheil nur
durch die erwähnte Bildung repräsentirt wird, an deren Innenfläche
sich bei den höheren Wirbelthieren Xervensubstauz anlagert.
Peripherisches Nervensystem (Fig. 214). — Die dorsale
sensitive und die ventrale motorische Wurzel eines jeden Spinal-
nerven (jj) liegen in derselben senkrechten Fläche. Die gegen ein-
ander laufenden Wurzeln vereinigen sich unmittelbar nach ihrem
Durchbruche durch die Wände des Rückenmarkscanales, so dass also
jeder Spinalnerv gemischter Natur ist. Ehe die obere Wurzel sich mit
der unteren vereinigt , bildet sie ein winziges Ganglion , das nur auf
Durchschnitten deutlich erkennbar ist.
Mit Ausnahme der vordersten und hintersten Paare haben alle
Spinalnerven denselben Verlauf. Von den vorderen sprechen wir bei
Anlass des Hypoglossus , mit welchem sie das Armgeflecht (Plexus
l>rachialis) bilden. Jeder Spinalnerv theilt sich in zwei Aeste , einen
oberen (J>), der in Haut und Muskeln des Rückens, und einen unteren (rtj,
der sich auf den Seiten und der Bauchfläche verzweigt. Der obere
Ast theilt sich bald in zwei Zweige , einen kürzeren vorderen (d) , der
gerade nach oben steigt und etwa am unteren Viertel der Länge des
Dornfortsatzes den hinteren Zweig (e) des vorhergehenden Nerven
trifft und sich mit ihm vereinigt. Dieser hintere Zweig verläuft schief
nach oben und verschmilzt mit dem vorderen Zweige des folgenden
Nerven , wie gesagt , in dem Augenblicke, wo er den Dornfortsatz des
folgenden Wirbels erreicht. Jeder längs den Dornfortsätzen aufsteigende
Nerv erhält demnach Fasern von zwei auf einander folgenden Spinal-
nerven. Er folgt den Dornfortsätzen bis zu den Zwischendornmuskeln
und verzweigt sich in diesen, sowie in den Flossenmuskeln. — Die
Bildung der unteren Aeste der Spinalnerven ist weit einfacher. Sie
sind weit stärker und folgen in der Thoraxgegend den Rippen , an
welche sie sich anlegen. In der Schwanzgegend nähern sich die Aeste
der Mittellinie und legen sich an die Hämophysen an.
Von der Theilungsstelle der Wurzeln eines jeden Spinalnerven
geht ein feiner Verbiuduugszweig (/) zu dem Nerven der Seiteu-
linie.
508
Wirbelthiere.
Die zur Schwanzflosse sich begebenden Nerven zeigen eine ab-
weichende Anordnung. Jedes der letzten fünf Spinalnervenpaare ent-
sendet aus dem dorsalen wie ventralen Aste einen starken Zweig zur
Flosse. Alle diese Zweige verschmelzen mit einander und bilden zwei
parallel laufende Nervenstämme, die sich in den Muskeln der Flosse
verzweigen.
Die Hirnnerven (Fig. 214) zeigen denselben Grundplan der
Anordnung, wie bei den Cyclostomen, wenn auch mit erheblichen Ab-
weichungen. Wir betrachten sie ebenfalls von hinten nach vorn.
Fio-. 214.
r <te77
nop y O/
Perca fluviatilis. — Halbschematische Darstellung des Nervensystem es des Kopfes
und eines Theiles des Vorderkörpers. Natürliche Grösse, no, Sehnerv; 1, Kiemen-
deckelast des Trigeminus ; 2, dessen unterer Ast ; 6, Unterkieferast des Trigeminus ;
3, seine Endigung auf dem Unterkiefer; 7, Ast zum Kaumuskel; 8, Oberkieferast
des Trigeminus ; 8", seine Endigung auf dem Oberkiefer ; 9, Eamus ophthalmicus des
Trigeminus; g, Gasser'sches Ganglion; a, obere Wurzel des Trigeminus ; 15, Nervus
glossopharyngeus ; 10, vordere dorsale Wurzel des Vagus; 11, hintere ventrale
Wurzel desselben; 17, vorderer Ast des Vagus; 21, Magenast desselben; 20, dor-
saler Ast desselben; 22, N. hypoglossus ; 23, erster Spinalnerv; 24, vorderer Zweig;
25, mittlerer Zweig; 26, hinterer Zweig des Armplexus; 27, zweiter, 28, dritter,
29 , vierter Spinalnerv ; n , Nase ; /, von einem Spinalnerven zum Seitennerven
gehender Zweig; rf, vorderer oberer Ast jedes Spinalnerven; e, hinterer oberer Ast;
b, dorsaler Ast jedes Spinalnerven; /, Brustflosse; mv, Muskeln der Bauchflosse;
V, deren erster Strahl.
Fische. 509
Der Zunge nfleisclinery (N. lujpocßossus, 12) ist so innig mit
dem ersten Spinalnerven verbunden, dass mau ihn nicht vollständig
davon trennen kann. Er entspringt hart am grossen Hinterhaupts-
loche vom verLängerten Marke mit zwei neben einander liegenden
Wurzeln, die noch innerhalb der Schädelhöhle zu einem dicken, band-
artigen Nerven verschmelzen, der nach seinem Austritte durch ein
kleines Loch des Hinterhauptsbeines sich schief nach unten wendet.
Nach einem kurzen, etwa der Krümmung des Schultergürtels fol-
genden Verlaufe verschmilzt der Nervenstamm innig mit dem ersten
Spinalnerven (23) und bildet so das Ar m gef 1 e cht (Plexus hrachialis).
Von dem Vereinigungspunkte gehen drei Nervenstämme ab. Der vor-
dere Stamm (24) wendet sich direct nach vorn und tritt in die grosse
Fleischmasse des Muse. sterno-Ju/oideus , in welcher er sich verzweigt.
Dieser Stamm scheint dem N. liypoglossus der höheren Wirbelthiere
homolog zu sein. Der mittlere Stamm (25) theilt sich in einige Aeste,
welche sich in den Muskeln der Aussenfläche der Brustflosse ver-
zweigen. Der hintere Stamm (26) geht zum oberen Rande der Brust-
flosse, verläuft, ohne Zweige abzugeben, an der inneren Fläche der-
selben, tritt durch ein Loch in den Knochen auf die äussere Fläche
und verzweigt sich ebenfalls in den dort gelegenen Muskeln.
Der zweite Spinalnerv (27) begiebt sich direct an die hintere
Fläche der Brustflosse und verzweigt sich in den dort angebrachten
Muskeln, ohne weiteren Antheil an der Bildung des Armgeflechtes zu
nehmen.
Der dritte (28) und vierte (29) Spinalnerv laufen zu der Baucli-
flosse; sie bilden nur mit ihren Enden einen Plexus, bleiben aber
während ihres Verlaufes vollkommen getrennt.
Kehren wir zu den Hirnnerven zurück.
Der herumschweifende Nerv {Nervus ixtgus, r, Fig. 210)
entspringt an der Seite des verlängerten Markes mit zwei Wurzeln,
einer vorderen dorsalen (10, Fig. 214), die etwas hinter der Austritts-
stelle des Hörnerven abgeht, und einer hinteren ventralen, welche beim
Austritt aus dem verlängerten Marke sich gabelt, aber nach kurzem
Verlaufe mit der vorderen Wurzel sich vereinigt. Der vereinigte
Stamm richtet sich nach hinten und schwillt bald zu einem grossen
Ganglion an , von welchem mehrere Aeste abgehen. Die drei ersten
Stämme gehen zu den Kiemenbogen ; sie sind eigentliche Athem-
nerven. Jeder der drei ersten Kiemenbogen erhält zwei parallele,
von verschiedenen Stämmen gebildete Nerven , welche in der Rinne
seines hinteren Randes verlaufen; der eine dieser Nerven liegt tief in
der Rinne am Grunde derselben , der andere läuft mehr oberflächlich
unter der Haut, welche die Kiemenfransen mit einander verbindet.
Der vierte Kiemenbogen erhält nur einen Nerven. Der vorderste
Stamm oder erste Kiemen stamm des Vagus (17) gabelt sich
510 Wirbeltliiere.
bald nach seinem Austritte aus dem Ganglion; sein vorderer Ast wird
der oberflächliche Nerv des ersten Kiemenbogens, dessen tiefer Nerv (19)
von dem N. gJossopliarijngeus (15) abgegeben wird. Sein hinterer Ast
ist der tiefe Nerv des zweiten Kiemenbogens. — Der mittlere
Stamm, zweiter Kiemenstamm des Vagus (18), gabelt sich
ebenfalls, sein vorderer Ast ist der oberflächliche Nerv des zweiten
Kiemenbogens , sein hinterer Ast der tiefe Nerv des dritten Kiemen-
bogens. — Der hintere Stamm, dritter Kiemen stamm des
Vagus (19^) verläuft mehr nach hinten und theilt sich in drei
Aeste: der vordere Ast ist der oberflächliche Nerv des dritten Kiemen-
bogens, der mittlere Ast läuft längs der Rinne des vierten Kiemen-
bogens und der hintere Ast verläuft hinter dem Kiemenapparate, dem
er noch einige Zweige giebt, nach hinten zu den Mm. pharyngo-
claviculares internus und externus, welchen er Zweige giebt. Von
diesem Aste geht der Magen nerv (21) ab, welcher an diesem Organe
bis zum hinteren Ende sich verfolgen lässt und an die Magenwände
seine Zweige abgiebt. — Einige sehr dünne , von dem Ganglion aus-
strahlende Zweige gehen zu den benachbarten dorsalen Muskeln des
Kiemenapparates.
Ausser den erwähnten Nerven entspringen noch drei andere
Stämme vom Ganglion des Vagus. Der erste dieser Stämme (20) ent-
springt am hinteren Rande des Ganglions, verläuft in gerader Linie
gegen den Rücken hin, indem er mehrere Zweige abgiebt, unter diesen
einen Verbindungszweig (5), zu dem Kiemenaste (19) des Glossp-
pharyngeus. — Ein weit bedeutenderer, ebenfalls vom Hinterrande des
Ganglions entspringender Stamm ist der Seitennerv (N. lateralis),
der horizontal nach hinten unter dem Seitencanale der Haut bis zur
Schwanzflosse hin sich verfolgen lässt. Bald nach seinem Ursprünge
entsendet der Seitennerv einen schief nach oben gehenden , der Krüm-
mung des Rückens etwa parallel laufenden Ast, welcher aber nur bis
etwa zu der Flöhe des Afters sich verfolgen lässt. Beide Nerven sind
durch einige feine Zweige mit einander verbunden. Der Seitennerv
entsendet feine Zweige zu den Sinnesorganen des Seitencanales ; der
obere Ast desselben versorgt wahrscheinlich die vereinzelten, am
Rücken gelegenen Sinneshügel.
Der N. glossopliaryngeus (15) entspringt mit einer dünnen "Wurzel
zwischen dem Vagus und dem Hörnerven, schlägt sich um das Gehör-
organ herum und vereinigt sich mit dem Unterkiefernerven nahe an
dessen Abgange. Etwa in der Mitte seines Verlaufes entsendet er
einen Ast (16) zu dem ersten Kiemenbogen, der dessen tiefen Nerven
bildet.
Der Hörnerv (AT. acusticus, ac, Fig. 214) entspringt in einer
unmittelbar unter dem Kleinhirn an den Seiten des verlängerten
Markes gelegenen Längsrinne und theilt sich sofort in drei sehr kurze
Fische. 511
Aeste, deren mittelster der bedeutendste ist und wie ein breites, weiss-
liches Band aussieht, welches sich zu dem Hörsacke begiebt. Die beiden
anderen kleineren Aeste gehen, der vordere zur vorderen, der andere
zur hinteren Ampulle.
Der dreigetheilte Nerv (iV. trigeminus) gehört zu den be-
deutendsten Gehirnuerven. Er entspringt mit zwei parallelen Wur-
zeln, die so eng an einander liegen, dass man glauben könnte, sie seien
mit einander verschmolzen. Dies ist nicht der Fall; sie sind unabhängig
von einander und durch einen gelinden Zug init der Pincette kann
man sie bis auf ein schmales Querbündel von einander trennen. Sie
entspringen seitlich an der Basis des Kleinhirnes und verlaufen an-
fangs in der Furche , welche die Sehhügel von den unteren Lappen
des Gehirnes trennt. Etwas hinter dem Austritte der Sehnerven
weichen die beiden Wurzeln ans einander; die hintere schwillt zu
einer grossen, weisslichen Masse an, dem Gasser'schen Knoten
{Ganglion Gassen, g), von welchem drei Stämme abgehen, der Augen-
nerv, Oberkiefer- und Unterkieferuerv. Die vordere Wurzel, der
Kiemendeckelnerv, beschreibt einen Bogen nach hinten und steigt
längs des Vordeckels herab. Sie ist durch eine Quercommissur mit
dem Gasser'schen Knoten verbunden und von einigen Autoren als
besonderer Gesichtsnerv (N. facialis) angesehen worden. Der Tri-
geminus liefert demnach vier Nerven für die Seiten des Kopfes , die
wir von hinten nach vorn der Reihe nach näher ins Auge fassen
wollen.
Der Kiemendeckelnerv oder Facialis (1, Fig. 214) ist ein
bedeutender Stamm, der längs der Einlenkung des Vordeckels auf der
Innenfläche dieses Knochens verläuft. Er gabelt sich bald in zwei
Aeste von ungleicher Dicke; der hintere Ast (2) setzt den Lauf nach
hinten fort iind verzweigt sich in dem Muskel, der jederseits das
Zungenbein bedeckt, sowie in den Muskeln der Kiemenhautstrahlen ;
einige feine Zweige verästeln sich auf dem Kiemendeckel und dem
Unterdeckel. Ein von dem Ursprünge dieses Kiemendeckelnerven ab-
gehender Ast (5) geht nach hinten und etwas nach oben zu dem An-
zieher des Hyomandibulare. — Der vordere Ast (4) läuft gerade nach
vorn über die Innenseite der Einlenkung des Quadratbeines und ver-
ästelt sich mit vielen Zweigen in der Muskelmasse, welche der Innen-
fläche des Unterkiefers anliegt.
Der Unterkiefernerv (6) läuft anfänglich mit dem Oberkiefer-
nerven zusammen , trennt sich aber dann von diesem und läuft nach
unten. Auf seinem Wege giebt er zuerst einen hinteren Zweig an
die tiefere Masse des Anziehmuskels des Unterkiefers, dringt dann in
den unteren Theil dieses Muskels, der den Unterkiefer bedeckt, und
endet schliesslich in dem Zwischenmuskel der Uuterkieferäste , in den
Zähnen und der Schleimhaut.
512 Wirbelthiere.
Der Obe rkiefer 11 er V (8) läuft auf dem Grunde der Augen-
hölile, wo er eine Zeit lang mit dem Unterkiefernerven zusammen-
geht, nach vorn, giebt einen Ast an die Haut, welche die Knöchelchen
unter der Augenhöhle mit einander verbindet, und theilt sich dann in
drei Aeste , von welchen der untere (8") sich zum Oberkiefer und
Zwischenkiefer begiebt, während die beiden anderen sich in den Ge-
weben um die Nasengrube herum verzweigen.
Der Augen nerv (9) läuft längs des Daches der Augenhöhle
nach vorn, giebt Zweige an die umgebenden Gewebe, geht dann weiter
nach vorn zur Nasengrube und verzweigt sich in den Geweben ober-
halb und vor derselben.
Die Gruppe der Augenmuskelnerven wird wie gewöhnlich
von drei Paaren gebildet. Der Abduceus (ah) tritt mit einer ein-
fachen , dünnen Wurzel aus dem verlängerten Marke nahe an der
Mittellinie aus und geht in gerader Linie zum inneren, geraden Muskel
des Augapfels, in dem er sich verzweigt. — Der sehr dünne und
lange Nervus trochJearis oder patheticus tritt mit einer feinen Wurzel
aus dem Hirne an dem Punkte aus, wo das Dach der Sehhügel in die
vordere Lamelle des Kleinhirnes übergeht. Er läuft am Dache der
Augenhöhle über dem oberen geraden Augenmuskel durch und ver-
zweigt sich in dem oberen schiefen Augenmuskel. — Der Nervus
oculonioiorhis tritt mit einer einfachen Wurzel auf der ventralen Hirn-
fläche aus der Furche aus, welche die Sehhügel von den Unterlappen
trennt, theilt sich aber bald in mehrere Aeste, von welchen der eine
(o»?i) nach oben zu dem oberen geraden Augenmuskel, der dickere
zweite {om'^) zu dem inneren geraden Augenmuskel geht, während der
längere dritte (orn-) unter dem unteren geraden Augenmuskel durch
zu dem schiefen unteren Muskel geht. Ausserdem giebt der Oculo-
inotorius noch einen ziemlich bedeutenden Ciliarnerven (c) ab, der
die Sclerotica durchbohrt und sich in der Umgebung der Iris ver-
zweigt.
Die Sehnerven (no])) sind die mächtigsten Hirnnerven. Sie
treten jederseits auf der Unterfläche zwischen den Sehhügeln und den
Unterlappen aus und kreuzen sich vor diesen Lappen und der Hypo-
physis in der Weise, dass der vom linken Sehhügel entspringende Nerv
unter dem von dem rechten Sehhügel kommenden Nerven durch zu
dem rechten Auge geht, während der von rechts kommende Nerv über
dem anderen zum linken Auge sich begiebt. Bei oberflächlicher Be-
trachtung scheinen die Nerven cylindrisch ; bei genauerer Untersuchung
sieht man aber, dass jeder Nei'V aus einem breiten, etwa wie ein
Fächer zusammengefalteten Bande besteht, welches man leicht aus
einander legen kann.
Die Riechnerven (no) beginnen mit zwei birnförmigen, von
dem Vorderhirne durch eine Einschnürung getrennten Riechknoten.
Fische. 513
Beim Austritte aus diesen Kuoten liegen die Nerven zusammen in
einer Rinne des Riechknorpels, weichen aber allmählich von einander,
um sich jeder zu dem Geruchsorgan seiner Seite zu begeben. Bei
dem Eintritte in das Organ kann man mit der Lupe die einzelnen
Bündel unterscheiden, welche sie zusammensetzen.
Sympathisches Nervensystem. — Wegen seiner grossen
Zartheit lässt es sich nur sehr schwer makroskopisch darstellen. Der
Grenzstrang an den Seiten der Wirbelsäule zeigt einen gewellten Ver-
lauf. Sehr kleine weissliche Ganglien, die mit den Spinalnerven durch
äusserst feine Fädchen zusammenhängen , finden sich in Ueberein-
stimmung mit den Metameren längs des Grenzstrauges. Durch An-
wendung von Salpetersäure kann man die feinen Ausläufer anschaulich
machen, welche sich zu den verschiedenen Eingeweiden begeben. In
der Kopfgegend wird die Untersuchung noch ganz besonders durch
die ausserordentliche Feinheit der Verbindungsfäden erschwert, die
kaum von den umgebenden Geweben zu unterscheiden sind. Man hat
indessen Verbindungen mit dem Glossophavyngeus, dem Vagus und
Trigeminus nachgewiesen.
Sinnesorgane. — Bei Anlass der Haut haben wir die Organe
des Seitensinnes besprochen. Specifische Organe des Geschmacks-
sinnes fehlen; demnach kann dieser Sinn nicht besonders entwickelt
sein. Die bei den meisten höheren Wirbelthieren so bewegliche Zunge
ist durchaus rudimentär; sie ist unbeweglich, ohne Muskeln und auf
einen bindegewebigen Wulst vor dem Zungenknorpel reducirt. Auf
ihrer Oberfläche findet man einige Geschmackshügel, die ähnlich ge-
baut sind, wie die Sinneshügel auf der äusseren Haut des Kopfes. Sie
bestehen aus langen, mit einem centralen Kerne versehenen Cyliuder-
zellen , deren Basis mit einem feinen Nervenfädchen in Verbindung
steht und deren wenig in die Mundhöhle vorragende freie Enden mit
einigen kurzen, steifen Härchen besetzt sind.
Das Geruchsorgan (Fig. 207) besteht aus zwei, symmetrisch
in der Nähe der Mittellinie auf der Oberfläche des Kopfes auf der
Schnauze gelegenen Nasensäcken, die von Knorpel und Knochen um-
geben sind. Jedes dieser Säckchen besitzt zwei durch eine schmale
Hautbrücke getrennte Oeffnungen, eine vordere und eine hintere. Auf
dem Boden des Säckchens (Fig. 207) findet sich ein centrales, eiförmiges,
erhabenes Wärzchen, um welches strahlenförmig geordnete Linien sich
zeigen, die von Ausstrahlungen gebildet werden, w^elche am Boden
breiter sind, als auf der Oberfläche; zwischen ihnen erheben sich
Strahlenfalten der Schleimhaut. Die Decke der Höhle ist mit zwei
Arten von Zellen ausgekleidet; die einen sind regellos zerstreute, ein-
zellige Drüsen (e, Fig. 197), deren weite Oeffnungen beständig einen
mehr oder minder klebrigen Schleim absondern ; die anderen sind lange,
Vogt u. Yung, prakt. verg]. Anatomie. II. oq
514
Wirbelthiere.
cL
Wiinperhaare tragende Cylinderzellen. Auf Querschnitten (Fig. 215)
sieht man die Falten wie in die Höhle ragende Vorsprünge, die von
einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte ausgehen. Der innere Kern (a)
einer jeden Falte wird von Bindegewebe gebildet, in welchem zahl-
reiche Nerven und Blutgefässe sich verzweigen ; die dicken Seiten-
wände (b) bestehen aus über einander liegenden Schichten von Zellen,
die an dem Mittelkerue rund, in den Aussenschichten aber cylindrisch
sind und Wimpern tragen (c). Das Wimperepithelium zieht sich über
alle Aussenflächen fort, aber auf dem Gipfel der Falten mischen sich
Yio-, 215. helle, eiförmige Drüsenzellen dazwischen,
^ welche einen schwach körnigen Schleim
absondern iß).
Sehorgan. — Die zu beiden Seiten
%"W0;'^i^<^W&^;:k':'^JW£^ c des Kopfes gelegenen Augen besitzen
keine Lider; sie sind nur durch eine
schwache Falte der Haut begrenzt, liegen
ganz an der Oberfläche, sind ziemlich
gross und in eine Augenhöhle einge-
schlossen , welche sie nicht vollständig
ausfüllen ; der Zwischenraum wird von
einer mehr oder minder flüssigen Fett-
masse ausgefüllt. Der Augapfel selbst
hat die Form eines geschlossenen Bechers,
dessen vordere, von der Hornhaut ge-
bildete Fläche stark abgeplattet ist. Wir
unterscheiden an ihm drei Hüllensysteme,
aussen Sclerotica und Cornea, dann die
Choroidea mit ihren Bildungen und nach
innen die Retina; ferner den Inhalt,
Linse, Glaskörper und Humor aqueus, und
endlich als Hülfsorgane die Choroideal-
drüse und die Muskeln.
Die Sclerotica (et, Fig. 216) bildet die äussere Hülle des hinteren
Theiles des Augapfels. Sie ist ein durchsichtiger Becher vind wird bei
grossen Barschen gänzlich von Knorpel gebildet; bei jüngeren Thieren
ist die Knorpelschicht sehr dünn und in faseriges Bindegewebe ein-
geschlossen. Die hinten von den Bündeln des Sehnerven siebartig
durchlöcherte Sclerotica geht an der Vorderfläche des Augapfels in
die platte, sehr durchsichtige Hornhaut über, die aus mehreren
concentrischen Schichten von Zellen besteht. Die Zellen der hinteren
oder inneren Schichten sind cj^indrisch , die der äusseren Schichten
abgeplattet.
An der inneren Fläche der Sclerotica liegt die Choroidea ihrer
ganzen Ausdehnung nach an; wo die erstere in die Cornea übergeht,
""'iji^^
Perca fluviatüis. — Querschnitt
einer Sclileimhautfalte des Nasen-
sackes ; Verick, Oc. 1, Obj. 2.
Camera clara. a, centrales Binde-
J, Seitenränder der Falte ;
Wimperzellen; d, eiförmige,
einzellige Drüsen.
Fische.
515
biegt sich die Choroidea nach innen ein, um den von der Pupille durch-
bohrten Schirm der Iris zu bilden. Die Choroidea besteht aus drei
Schichten: 1. einer äusseren Silberhaut (/>, Fig. 216), die sich leicht
abpinseln lässt; zerzupft zeigt sie sich unter dem Mikroskop aus einer
Menge platter und mit einander verfilzter Stäbchen gebildet; 2. einer
Schicht von Blutgefässen (/), die nach allen Richtungen hin sich ver-
zweigen; 3. einer schwarzen Pigmentschicht (g) , deren Züge mit den
äusseren Schichten der Retina in inniger Verbindung stehen. Diese innere
Pigmentschicht ist ebenfalls sehr reich an Gefässen, welche in die
kleinsten Zwischenräume der körnigen Pigmentmassen eindringen und
Fio-. -216.
Perca ßiiviatllis. — Querschnitt der Sclerotica und Choroidea. Veriek, Oc. 3, Obj. 2.
Camera dam. a, Sclerotica ; 6, Silberschicht ; c, äusseres Blatt der Hüllmembran
der Choroidealdrüse ; c^, inneres Blatt derselben ; (7, Choroidealdriise : /, Gefässschicht ;
g, Pigmentschicht: hg, Augenmuskel.
SO häufig auf der Innenfläche noch eine fast zusammenhängende Schicht
darstellen.
Ausser der Iris mit ihren Gebilden, von welchen später die Rede
sein soll, bildet noch die Choroidea im Inneren der hinteren Augen-
kammer eine vorspringende Längsfalte, in welche Nerven, Gefässe
und einige musculöse Längsfasern eingeschlossen sind. Das Sichel-
band {Ligamenium fniciforme), wie man diese Falte genannt hat,
516 Wirbelthiere.
nimmt an der Eintrittsstelle des Sehnerven, wo sich dieser zur Retina
entfaltet, seinen Ursprung. Es ist eine feine, weissliche, in eine Strahlen-
falte der Retina eingeschlossene Lamelle, welche von dem Augen-
grunde bis in die Nähe der Iris sich erstreckt, dort sich erhebt und
an die Glocke {Campaniüa Hälleri) sich ansetzt. Diese ist ein kegel-
förmiges Gebilde , das mit seiner schmalen Spitze sich an den unteren
Rand der Linsenkapsel anheftet und dessen breite Basis mit Pigment
überzogen ist. Dieser ganze Apparat, der durch das Zurückziehen der
Linse zur Accommodation dient, geht ebenso wie der Kamm im Auge
der Vögel, aus der embryonalen Augenspalte hervor, deren Richtung
das Sichelband einhält.
Die Choroidea nebst der Silberschicht biegen sich, wie gesagt, an
dem Grenzkreise zwischen Cornea und Sclerotica nach innen ein, um
den senkrechten Blendschirm der Iris zu bilden, welcher die innere
Höhlung des Augapfels in zwei Kammern theilt, die sehr kleine vor-
dere Augenkammer zwischen Iris und Cornea, die mit einer wässerigen
Plüssigkeit, dem Humor aqueus , gefüllt ist, und die geräumigere
hintere Augenkammer, welche die Linse, die Glocke, das Sichelband
und den Glaskörper enthält. Die Iris ist von der centralen Pupille
durchbohrt, die eine länglich-eiförmige Gestalt hat und deren iinterer
Rand tiefer ausgeschnitten ist als der - obere. Die Iris besteht aus
zwei häutigen Schichten, einer äusseren Silberhaut, deren Metallglanz
nicht dieselbe Farbe hat bei allen Exemplaren, und einer inneren Schicht,
Fortsetzung der Choroidea, die hinten mit dickem, schwarzem Pigment
belegt ist. Die Pupille des Barsches ist, wie gewöhnlich bei Fischen,
sehr wenig ausdehnbar. Da die Linse durch das den Fischen eigen-
thümliche Sichelband accommodirt werden kann, so sind die Ciliarfort-
sätze nur sehr wenig entwickelt und auf einige Kreisfasern reducirt,
welche man das Ciliarband genannt hat.
Die innerste Augenhülle, welche die hintere Kammer auskleidet,
ist die Retina. Sie zeigt bei der Ansicht von innen zahlreiche Falten,
welche von einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte, der Eintrittsstelle
des Sehnerven, nach der Peripherie hin ausstrahlen. Je nach den
Regionen ist sie von ungleicher Dicke; eine feine Fortsetzung schlägt
sich mit der Choroidea auf die Iris um, deren hintere Fläche sie über-
zieht. Auf Durchschnitten zeigt die Retina zahlreiche, von ver-
schiedenen Elementen gebildete Gewebeschichten, die wir von innen nach
aussen aufzählen (Fig. 217).
Die innere Grenzschicht {Limitans interna^ a) ist eine feine
Haut, die in der Nähe der Eintrittsstelle der Sehnerven platte Kerne
zeigt; unter diesen liegen grosskernige Zellen, von deren Wänden
Radialfasern ausstrahlen, welche in die folgende Schicht (h) ein-
dringen.
Fische.
517
Die Schicht der S eh ii erven fasern (c) ist in dem Grunde
an dem Eintritte des Nerven weit mächtiger, als in der Nähe der Iris;
man sieht in den Geflechten regellos zerstreute, ovale Kerne.
Die raultipolaren Zellen (d) bilden ein einschichtiges Lager ;
von ihnen gehen feine P^ortsätze in die folgende Schicht, welche sich
nur schwer weiter verfolgen lassen.
Der Hirnplexus {e, e') bildet eine breite, durchsichtige, kernlose
Zone, welche aus ?wei Lagern besteht, einer inneren helleren (e) mit
weiten Maschen und einer äusseren (e) dunkleren mit engeren Maschen.
Unipolare Zellen (/) , Stützzellen (/') und bipolare
Zellen (/") bilden, vielfach vermischt, eine sich lebhaft färbende
Fig. 217. Schicht; die Stützzellen senden Ausläufer
a- in den Hirnplexus.
Interstitielle Basalzellen (g),
grosse, runde Zellen mit sehr deutlichen
Kernen. In der Nähe der Eintrittsstelle
des Sehnerven sind sie einschichtig, wei-
terhin gegen die Iris werden sie zahl-
reicher und bilden mehrere Schichten.
Der Basal plexus (li) ist weit dün-
ner als der Hirnplexus; die wenig ge-
färbten Fasern bilden nur eine dünne
Schicht.
Die runden äusseren Basalzellen
(7.:) sind nur klein: sie mischen sich
mit der Kernschicht der Stäbchen und
Zapfen.
Die Kerne der Stäbchen und
Zapfen (/) sind lang gezogen, stark
Perca jluviatUis. — Querschnitt körnig, färben sich leicht und werden
der Retina. Verick, Oc. 3, Obj. 2. ^^^ den Stäbchen und Zapfen selbst durch
Camera clara. u , Limitans in- . , , , . ..,_..
+^,. „. A P„,r„if„. . 17 eine dünne, aber deutliche dunkle Linie
terna; o, Kadialtasern ; c, lasern _ '
des Opticus ; d, multipolare Zellen ; geschieden.
e,e', Hirnplexus; /, unipolare Zel- d{q Stäbchen und Zapfen (m)
len; f, Stützzellen; f", bipolare ■ j • tii i t -l rf ■ -l
r, ■, . , . . ,, il , sind ziemlich lang und durch Zwischen-
zellen; g, interstitielle Basal- t^ ^
Zellen; h, Basalplexus; k, äussere f^ume getrennt;^ ihr äusseres Ende ragt
Basalzellen; /, Kerne der Stäbchen in eine dicke Pigmentschicht (n) hinein,
und Zapfen; m, Stäbchen und die ihre Enden gänzlich umgiebt und in
Zapfen ; n, Pigmentschicht. ^^g Pigment der Choroidea übergeht.
Die lichtbrechenden Elemente des Auges, welche die Bäume
zwischen den beschriebenen Hüllen einnehmen , bestehen aus dem
Humor aqueus, der nur in sehr geringer Quantität die abgeplattete
vordere Augenkammer ausfüllt, sodann aus der Linse. Diese ist sehr
518 Wirbeltliißre.
gross, fast kiigelruud und erfüllt den grössten Theil der hinteren
Augenkammer. Sie zeigt eine aus Zellen gebildete Kapselliülle und
einen Innenkörper, welcher an der Peripherie weicher, gelatinös, gegen
die Mitte hin härter ist. Der Glaskörper, der in geringer Menge
den Rest der hinteren Augenkammer füllt, hat eine Syrupconsistenz,
ist sehr durchsichtig und klebt der Linse fest an.
Neben Organe des Auges. — Zwischen der Silberschicht und
der Gefässschicht der Choroidea liegt ein den Fischen eigenthümliches
Gebilde, die sogenannte Choroidealdrüse (d, Fig. 216). Es ist
eine rothbraune, voluminöse Masse, welche in einem Bogen, dessen
Centrum der Sehnerv bei seinem Durchbruche durch die Choroidea
darstellen würde, herumgekrümmt ist. Bei einiger Sorgfalt lässt sich
das Gebilde leicht von der Choroidea ablösen. Es ist überall von einer
feinen Faserhülle umgeben (e, e, Fig. 216). Am inneren Rande des
Bogens sieht man ein grosses Blutgefäss, welches sich in mehrere
Canäle verzweigt, die in die Masse eindringen und sich in eine Unzahl
paralleler, senkrecht auf die Axe des Organes gerichteter Gefässchen
auflösen. Diese münden schliesslich in eine Reihe sinusartiger Räume
am Rande der grossen Krümmung. Das Organ ist keine Drüse, sondern
ein Wundernetz.
Augenmuskeln (Fig. 209). — Es finden sich deren sechs,
zwei schiefe und vier gerade. Der äussere gerade Muskel (de)
ist der längste von allen. Er entspringt mit einer dünnen Fascie an
der ventralen Seite des Schädeldaches in der Nähe des Grundbeines,
breitet sich bei seinem Eintritte in die Augenhöhle etwas aus, be-
schreibt einen fast rechten Winkel und setzt sich an den hinteren
Rand des Augapfels. Der innere gerade Muskel (di) entspringt
an der Eintrittsstelle des Sehnerven , schlägt sich unter dem Aug-
apfel durch nach vorn und setzt sich an der Peripherie desselben au
der inneren Seite an. Der obere gerade Muskel (ds) entsteht
ebenfalls am Sehnerveneintritte, geht etwas schief von hinten nach
vorn und oben und setzt sich an den oberen Rand des Augapfels an,
wo er sich etwas mit dem oberen schiefen Muskel kreuzt. Der untere
gerade Muskel (din) läuft in entgegengesetzter, etwas schiefer
Richtung von dem Sehnerven zu dem unteren Rande des Augapfels,
wo seine zu einer breiten Fascie sich spreitenden Fasern mit denjenigen
des unteren schiefen Muskels sich kreuzen. Der obere schiefe
Muskel (os) entspringt mit breiter Basis am Ethmoidknorpel und
setzt sich, nach hinten laufend, an den oberen Rand des Augapfels.
Der untere schiefe Muskel (oi) entspringt nahe dem vorigen,
ebenfalls am Ethmoidknoi'pel, wendet sich aber schief von innen nach
aussen und setzt sich an den Unterrand des Augapfels an.
Gehörorgan (Fig. 218). — Aeusseres und mittleres Ohr fehlen ;
es giebt nur ein inneres Ohr, das in eine weite Nebengrotte der
Fische.
519
Schädelhöhle eingeschlossen ist, welche in der ganzen Ausdehnung
ihrer Innenseite mit dieser communicirt. Um das häutige Laby-
rinth ohne Verletzung aufzudecken und zu isoliren, spaltet man den
hinteren Theil eines mit Salpetersäure entkalkten Kopfes durch einen
senkrechten , genau in der Mittellinie geführten Längsschnitt. Man
erhält so zwei Hälften, deren jede ein Ohr einschliesst. Man pinselt
nun soi'gfältig das Gehirn weg, legt auf diese Weise schon einen Theil
der halbkreisförmigen Canäle bloss und es ist nun leicht, das Fett-
gewebe zu entfernen, welches die Zwischenräume erfüllt, und so das
ganze Labyrinth zu isoliren, so dass man zur genaueren Untersuchung
der einzelnen Theile schreiten kann. Selbstverständlich muss diese
Untersuchung unter Wasser vorgenommen werden. Man sieht nun
Folgendes (Fig. 218).
Der Utriculus (ti) ist ein längsgerichteter, centraler Sack, in
welchen die verschiedeneu Canäle einmünden. Von der Mittelgegend
Fiff. 218.
cp-.
Perca ßuviatäis. — Das Hörlabyrinth, _iviei-fach vergrössert. A, Ansicht von aussen,
B, von innen, v, Utriculus; s, Sinus superior; «, Apex; r, Anschwellung des Utri-
culus; ua, vordere Ampulle; ae, äussere Ampulle; ca, vorderer halbkreisförmiger
Canal ; ce, äusserer Canal ; c/;, hinterer Canal ; ap, hintere Ampulle; sa, Sacculus ;
/, Lagena ; rn, Eamus neglectus ; t, Hörplatte des Utriculus; ts^ Hörplatte des Saccu-
lus; e, Otolith; '/•«, Nervenast zur vorderen Ampulle; ^j , Papille der Lagena;
en, Ductus endolymphaticus.
seiner dorsalen Fläche erhebt sich auf der inneren Seite der obere
Sinus oder gemeinsame Canal (s), ein cylindrisches Rohr, welches
senkrecht gegen die Schädeldecke ansteigt und an seinem oberen
Ende in zwei Canäle , den vorderen und hinteren halbkreisförmigen
Canal übergeht. An dem Gipfel des Sinus und an der Vereinigungs-
stelle der drei Canäle stülpt sich ein kleiner kegelförmiger, an der
Spitze geschlossener Zipfel aus, der Apex (a), dessen oberes Ende
das Schädeldach berührt. Am vorderen unteren Rande des Utriculus
520 Wirbeltliiere.
findet sich eine kleine Erweiterung (r), welche ein sehr kleines, weiss-
liches Gehörsteinchen enthält; darüher liegen zwei rundliche Auf-
treibungen, die vordere Ampulle (aa), von welcher der vordere
halbkreisförmige Canal(ca) entspringt, und die äussere Am-
pulle (ae), von welcher der gleichnamige Canal (ce) seinen Ursprung
nimmt. Der vordere, längere Canal verläuft anfangs horizontal, wendet
sich aber dann nach oben, um schliesslich in den oberen Sinus zu
münden ; der äussere halbkreisförmige Canal krümmt sich in einer
horizontalen Ebene , dringt in die äussere Knorpelwand der Ohrhöhle
ein und mündet schliesslich in das hintere Ende des Utriculus in der
Nähe der hinteren Ampulle (ap). Von dieser läuft der hintere
Canal(cjJ)) aus, der ebenfalls in der gi-össten Strecke seines Bogens von
Knorpel umschlossen ist, aus welchem er hervortritt, um an dem Apex
in den oberen Sinus zu münden.
Unter dem Utriculus und mit ihm in directer Verbindung findet
sich ein weiter, seitlich abgeplatteter Beutel von eiförmigem Umrisse,
der Saccul US (sa), der einen sehr grossen, ebenfalls abgeplatteten Oto-
lithen mit stark gezähneltem hinterem Rande enthält. Am vorderen
Rande des Sacculus befindet sich eine kleine, mit dessen Höhlung in
Verbindung stehende häutige Tasche, die ebenfalls einen kleinen Oto-
lithen enthält, die Lagena (?). Von ihrem oberen Rande steigt auf
der Innenseite ein an die Wand des oberen Sinus angeklebter, senk-
rechter Canal auf, der nahe bei der Macula negJeda in den Sacculus
mündet und dessen oberes blindes Ende etwa die Hälfte der Länge
des Sinus erreicht; es ist der Ductus endolympliatictis (en).
Mehrere Zweige des Hörnerven, die man bei aufmerksamer Prä-
paration grosser Thiere leicht makroskopisch darstellen kann , ver-
theilen sich in dem Labyrinthe und begeben sich, im Inneren der
Ampullen, zu den darin vorspringenden Hörleisten, oder in den übrigen
Theilen zu besonderen fleckenartigen Hörplatten. Der vordere Am-
pullarnerv (rö) und der äussere Ampullarnerv (re) begeben
sich zu den Gehörleisten der gleichnamigen Ampullen. Die kleine
Seitentasche (r) mit ihrem Otolithen erhält einen besonderen Nerven-
zweig, der sich in der darin befindlichen Utricul arplatte (t) ver-
zweigt. Der Sacculus ist sehr reich an Nerven; ein bedeutender Stamm
verzweigt sich pinselartig in der grossen Saccul arplatte (ts). Die
Lagena besitzt eine warzenförmige Platte, die Lagenarpapille (p)
mit einem besonderen Zweige und ausserdem begiebt sich noch ein
feiner Zweig, der von Retzius entdeckte Mamus neglectus (rn), zu
einer kleinen, an der Mündung des Ductus lymphaticus gelegenen
Platte, der Macula negJecta.
Feine Durchschnitte veranschaulichen die Art, wie die Nerven
in den Hörtheilen enden. Jede Hörleiste (Fig. 219) besteht aus
zwei Arten von Zellen. Die einen (a) sind verlängert, in der Mitte
Fisclie.
521
ihrer Länge, wo der Kern sitzt, etwas bauchig und an ihrem freien,
in das Innere der Ampulle ragenden Ende mit mehr oder minder
steifen Härchen besetzt. Unter der einfachen Schicht dieser eigent-
lichen Hörzellen finden sich regellos zusamraengehänft weit kleinere
Stützzellen (h), unter welchen die Nervenfäserchen (c) sich zeigen.
Fis. 219.
Querschnitt einer Hörleiste. Verick, Oc. 3, OLj. 2. Camera clara. a, lange
Sinneszellen; b, Stützzellen; c, XervenencLigung.
V er dauun g s sy st em. — Es beginnt mit der weiten Mund-
höhle, die äusserlich von den Kiefern, oben vom Yomer, dem Para-
sphenoideum und den Gaumenbeinen, unten von dem Zungenbein be-
grenzt wird. Die Zunge springt kaum auf dem Boden der Mundhöhle
vor, sie ist nur ein von Bindegewebe gebildeter Wulst ohne Muskeln.
Die sehr kleinen und hart an einander gedrängten Bürstenzähne
bedecken die inneren Flächen des Zwischenkiefes, des Zahnstückes vom
Unterkiefer, des Gaumenbeines und des Vomer. - — Die Racheu-
höhle oder Pharynx wird grösstentheils von den Kiemenbogen,
hinten von den oberen und unteren Schlundknochen gebildet , die
ebenfalls Bürstenzähne tragen. Der darauf folgende Schlund ist
ein weiter Trichter mit inneren Längsfalten; er geht schief nach nnten
und hinten in den Magen (e, Fig. 196) über, der ein langer und
weiter Blindsack ist mit sehr ausdehnbaren Wänden. Etwa in der
Mitte seiner Länge geht von seiner dorsalen Fläche der Darm {/) ab,
welcher zuerst eine Schlinge nach links, dann eine zweite nach rechts
gewendete Schlinge beschreibt und hierauf, etwas erweitert, in gerader
Richtung längs der ventralen Mittellinie sich zum After erstreckt. In
seiner ganzen Länge wird der Darm von dem Peritoneum um-
fasst, das da, wo es die hintere Fläche des Kiemenapparates bekleidet,
eine bedeutende Dicke erreicht, während die Mesenterialfalten meist
auf schmale Aufhängebänder reducirt sind, in welchen zwischen vielem
Fett die Gefässe und die feinen Nerven vom Sympathicus verlaufen. Drei
cylindrische Blindsäcke, die Pyl o rus an h ä u g e (öj;, Fig. 196). öffnen
sich in dem Darm kurze Zeit nach seinem Austritte aus dem Magen.
Man hat den Darmabschnitt zwischen Magen und Darmschlinge auch
das Duodenum genannt.
Betrachten wir einige dieser Theile im Einzelnen.
Die Zähne sind kleine, conische Gebilde mit einer inneren Höhle,
die mit einer erweiterten Basis auf dem betreffenden Knochen auf-
522
Wirbelthiere.
Fio-. 220.
sitzen. Man liat sie B ürst en zäline genannt, könnte sie aber besser
in ibrer Gesamnitbeit mit einem Striegel vergleicben. Jedes dieser
spitzen Zäbnchen trägt auf der freien Krone ein dünnes Käppchen von
durcbsicbtigem, homogenem Scbmelz; der Zabnkörper ist von Zahnbein
mit Canälchen gebildet und in der inneren Höhle verlaufen, von Zahn-
pulpa umhüllt, die Nerven und Gefässe.
Die Längsfalten des Schlundes setzen sich im Inneren des Magens
bis zu dem Pylorus, der Oeffnung in den Darm, fort; der unterhalb
des Pylorus befindliche Blindsack zeigt dagegen unregelmässige, aber
weiter in das Innere vorspringende Falten. Die äussere glatte Hüll-
haut des Magens wird von einer dünneu Peritoneallamelle gebildet,
deren sehr abgeplattete und durch Intercellularräume getrennte Zellen
nur eine Schicht bilden. Darauf
folgt eine dünne Schicht von
Längsmuskelfasern mit deut-
lichen ovalen Kernen, in welcher
zahlreiche Blutgefässe verlaufen.
Nach innen findet sich dann
eine dicke Schicht von queren
Muskelfasern, die auf Querschnit-
ten wie Bändchen erscheinen, an
welchen Kerne ansitzen. Die
innere Schleimhaut ruht auf
einer Lage von Bindegewebe,
welches sich im Inneren der Fal-
ten erhebt und deren Kern bil-
det. Die Verdauungszellen der
Schleimhautfalten zeigen eine
eigenthümliche Anordnung. Man
Ti sieht weite Maschenräume, die
von deutlichen , aber sehr dün-
nen Wänden aus Bindegewebe
begrenzt sind. An den Berüh-
rungspunkten der Maschenwände
sieht man meist einige platte
Kerne. Das Centrum eines jeden
Maschenraumes wird von einem
-ii^*^'' fS'''^^^£^&
^^^i—(L
Perca fliwiaülis. — Querschnitt einer Darm-
^otte. a, äussere Peritonealhülle ; 6, Längs-
rauskelschicht; c, Durchschnitte von Gefässen;
d, Kreismuskelschicht; e, Bindegewehe;
(/, lange Cylinderzellen der Oberfläche.
runden Haufen langer Zellen eingenommen , in dessen Peripherie man
Kerne sieht.
Die Schleimhaut der Pylorusa n hänge zeigt zahli'eiche, in allen
Richtungen sich kreuzende Fältchen, welche ein dichtes Netz bilden.
Die histologische Structur ist übrigens derjenigen der Magenftilten gleich.
Auf Querschnitten (Fig. 220) zeigen die Wände des Darmes,
wie die des Magens, eine äussere, sehr dünne Peritonealhülle mit zer-
Fische. 523
streuten, platten Kernen (et), eine dünne Längsmuskelschicht (h) , in
welcher zahlreiche Blutgefässe sich verzweigen (c) , dann eine dickere
Schicht von glatten , queren Muskelfasern (d) , mit dicken , ovalen
Kei'nen , deren Längsaxe derjenigen der Fasern parallel gerichtet ist,
und endlich die Bindegewebsschicht (e) mit kleinen, runden Zellen-
kernen. Die Schleimhaut zeigt Zotten von verschiedener Gestalt, die
oft so lang sind, dass ihre Spitzen im Darmlumen sich in der Mitte
berühren. Auf Querschnitten erscheinen sie fadenförmig oder drei-
eckig, besetzt mit sehr langen Cylinderzellen (g) , die senkrecht zur
Längsaxe der Zotte stehen. Zuweilen weichen diese Zellen aus ein-
ander und lassen Räume zwischen sich, welche dem Durchschnitte
einer einzelligen Drüse ähnlich sehen. Der freie , innere Rand der
Zelle ist scheibenförmig verdickt und zuweilen sieht diese Scheibe so
aus, als sei sie von verklebten Wimpern gebildet. Der meist in
die Länge gezogene Kern findet sich am inneren Ende der Zelle.
Der Afterdarm (re, Fig. 196) ist von dem Darme durch eine
etwa zwei Millimeter hohe und nach hinten gerichtete, innere Kreis-
falte der Schleimhaut geschieden.
Verdauungsdrüsen. — Die Leber (/, Fig. 195, 196) ist eine
voluminöse Drüse von brauner Farbe, welche der den Kiemenkorb ab-
schliessenden Peritonealverdickung mit ihrem vorderen Ende unmittel-
bar anliegt. Sie erstreckt sich bis zum Ende des Magenblindsackes
und erfüllt so den ventralen Theil dieses Abschnittes der Bauchhöhle.
Von unten her gesehen zeigt die Leber einen fast halbkreisförmig aus-
geschnittenen Vorderrand, dessen rechter Schenkel weit länger als der
linke ist. Der Hinterrand ist dagegen schief und unregelmässig aus-
geschnitten. In dem tiefsten Ausschnitte liegt einer der Pylorusauhänge.
Von einer Trennung in einzelne Lappen, wie bei den höheren "Wirbel-
thieren, kann man nicht sprechen. Die Gallenblase (vh, Fig. 196)
liegt der Hinterfläche der Leber etwa in der Mitte in einer flachen
Grube eingesenkt an. Sie macht sich meist durch ihre braune Farbe
leicht kenntlich und hat die Form einer Birne, deren Stiel durch den
Gallengang dargestellt wird; dieser mündet fast unmittelbar hinter
dem Pylorus, den Oefi'nungen der Anhänge gegenüber. In den Darm.
Von den Lebergängen, welche die Galle nach aussen führen, mündet
nur ein einziger in die Blase nahe an ihrem Grunde; die übrigen
münden in den Gallengang.
Ein Pankreas fehlt bei dem Barsche.
Die Milz (ra, Fig. 195, 196) liegt als kuchenförmiges , in die
Länge gezogenes Gebilde von rothbrauner Farbe in der hinteren Darm-
schlinge neben dem Magen. Sie ist sehr gefässreich.
Die Schwimmblase (vn. Fig. 195) zeigt sich sofort nach Weg-
nahme der Seitenmuskeln unter der Wirbelsäule als ein langer, glän-
zender, weiter und aufgeblasener Sack, der sich vom Hinterhaupte
524
Wirbelthiere.
c...
durch die ganze Bauchhöhle bis zum After erstreckt. Sie ist hermetisch
geschlossen, durchaus ohne Verbindung mit dem Darme, vorn und
hinten etwas geringeren Durchmessers. Auf der Ventralseite ihrer
Vorderhälfte sieht man plattenförmige Verdickungen, meist von lebhaft
rother Farbe. Die zahlreichen Blutgefässe, welche in diese Gebilde
eintreten , verästeln sich in eine Menge von so dicht an einander ge-
drängten Canälchen, dass kaum
Zwischenräume bemerklich sind
und die Platte aussieht, als sei sie
künstlich mit rother Farbe iujicirt.
Es sind Wundernetze.
Nieren (Fig. 221). — Unmittel-
bar unter der Wirbelsäule zeigen
sich die Nieren in der Bauchhöhle
als zwei lange, bandartige, von dem
Bauchfelle nur auf ihrer ventralen
Seite überzogene Streifen, welche
so in die Zwischenräume zwischen
den Rippenköpfen eingekeilt sind,
dass sie den Rippen gegenüber aus-
geschnitten erscheinen. Nach hin-
ten spitzen sich die beiden Streifen
allmählich zu ; nach vorn verschmel-
zen sie mit einander in der Mittel-
linie und bilden am Hinterkopfe
eine mächtige Masse, die Kopf-
niere (re, Fig. 221), die von den
Cardinalveneu (c) durchsetzt wird
und vorn halbmondförmig ausge-
schnitten ist. In diesem Ausschnitt
liegen die Aorta und die beiden
Rückziehmuskeln der Kiemenbogen
{rt). Die Harnleiter (w) laufen
längs der Mittellinie am Innenrande
einer jeden Niere von vorn nach
hinten ; sie beginnen in der Kopf-
niere mit zahlreichen Aesten und
erhalten längs ihres ganzen Ver-
laufes Zweige, Am hinteren Nieren-
ende vereinigen sie sich, um einen
Perca fluvlutilis. — Die Nieren von der
Ventralseite gesehen. Natürliche Grösse.
?•, Nieren; re, verdickte Kopfniere; ri,
dorsale Eiickziehmuskeln der Kiemen-
bogen; c, Cardinalvenen; a, Aorta; et, kurzen, gemeinsamen Canal (u^) zu
Rippen; t) es, Harnblase; w, Harnleiter ; ^^i^^^ ^ i^, welchen der enge Hals
m', Urethra ; ?r äussere Oeffnung der , ^^ , , , ^ . .. ^ ,
u . i--. j n der Harnblase {ves) einmundet.
Harnwege ; o, Ausivihriingsgang der Ge- _ . .
schlechtsorgane ; o\ Geschlechtsöffnung. Diese hat weissliche, ziemlich feste
Fische. 525
Wände und liegt zwischen den Nieren und den Grenitalorganen. Der
gemeinsame Ausführungsgang, die H arnr Öhre (tt^), ist nur sehr kurz;
er mündet durch eine enge Oeffnung unmittelbar hinter der Genital-
öffnung (o ) nach aussen.
Geschlechtsorgane (f, Fig. 195, 196). — Da äussere Be-
gattungs- und Hülfsorgane bei dem Barsche durchaus fehlen , so lässt
sich das Geschlecht nicht von aussen erkennen. Die Geschlechter sind
getrennt, aber die Genitalorgane, Hoden und Eierstock, haben genau
dieselbe Lagerung und auch annähernd dasselbe Volumen. — Der ein-
fache Eierstock bildet einen vorn angeschwollenen, nach hinten
allmählich abnehmenden Sack, der durch eine kleine Oeffnung hinter
dem After nach aussen mündet. Er liegt zwischen dem Rectum unten
und der Harnblase und Schwimmblase oben im mittleren und hinteren
Abschnitte der Bauchhöhle. Ein besonderer Eileiter kann nicht
unterschieden werden; die nach hinten zur Röhre ausgezogenen Wände
des Eierstockes ersetzen ihn. Auf den ziemlich dicken Wänden sitzen
an der Innenfläche sehr zahlreiche, mehr oder minder dreieckige La-
mellen auf, deren lacunöses Bindegewebe von zahlreichen Blutgefässen
durchzogen wird und in deren Substanz sich die Eier entwickeln. Zur
Zeit der Reife lösen sich die Eier von den Lamellen ab , fallen in die
innere Höhlung des Eierstockes und werden nach aussen entleert. Je
nach der Jahreszeit wechselt das Volumen des Eierstockes in sehr
weiten Grenzen. Im Anfange des^Frühjahres ist er am grössten ; er
erreicht dann den Magen und kann bei einem 30 Centimeter langen
Barsche 70 000 Eier enthalten.
Die Hoden sind zwei lange, kreideweisse . symmetrische Massen,
die durch zahlreiche Bindegewebebrücken mit einander verbunden sind
und nach hinten allmählich sich zuspitzen, um durch eine kleine, hinter
dem After gelegene Oeffnung nach aussen zu münden. Die dünnen
Wände entsenden nach innen lange, blätterartige Falten, auf welchen
sich die Zoospermen entwickeln. Auf Schnitten sieht man diese als
kleine Körner, deren kurzen Schwanzfaden man nicht mehr constatiren
kann, obgleich er im Leben vorhanden ist.
Athem Organe. — Der Respirationsapparat besteht aus den
Kiemenblättchen, welche auf der convexen Seite der Kiemenbogen auf-
sitzen. Früher bemerkten wir schon, dass es vier solcher wirklich
,athmenden Kiemenbogen giebt, die von vorn nach hinten zu an Grösse
abnehmen. Bei Gelegenheit des Skelettes (S. 492) haben wir die Lage,
Bildung und Gliederung dieser Kiemenbogen, sowie ihre Beziehungen
zu den Schlundknochen einerseits und zu dem unteren von der Reihe
der Copulae gebildeten Zungenbeinkörper anderseits näher beschrieben.
Der erste Bogen trägt auf seinem vorderen concaven Rande zahl-
reiche Dornen, welche mit zwei kleinen Fortsätzen auf dem Knochen
des Bogens ansitzen. Diese Dornen sind selbst wieder mit zahlreichen
526 Wirbelthiere.
kleinen Gräten besetzt, welche ohne Zweifel das Eindringen von Fremd-
körpern in den Kiemenapparat verhindern. _ Die folgenden Bogen
tragen nur stumpfe, mit kleinen Spitzen bewehrte Hügel. Auf dem
rinnenartig ausgehöhlten, couvexen hinteren Rande des Bogens stehen
der ganzen Länge nach in zwei Parallelreihen die Kiemenblättchen,
die nach oben und unten an Grösse abnehmen und in der Mitte am
längsten sind. An ihrer Basis sind diese Blättchen durch feine Längs-
muskelfasern mit einander verbunden. Jedes Blättchen besitzt eine
dünne Skelettaxe, die aus Knorpel gebildet ist. Auf den Flächen finden
sich feine, dicht gedrängte Querfältchen, welche in dem Maasse dünner
werden, als sie sich der Spitze des Blättchens nähern. In diesen Fält-
chen verzweigen sich die respiratorischen Capillargefässe. Die Zwischen-
substanz besteht aus zartem Bindegewebe und das Epitheliura zeigt
zweierlei Zellen von runder Form , die einen gross und durchsichtig,
die anderen klein und körnig.
Die Pseudobranchie ist ein kleines, an das Hyomandibulare
angeheftetes Organ, das dieselbe Structur zeigt, wie die Kiemen selbst.
Es besteht aus einer geringen Anzahl von Kiemenblättchen mit knor-
peliger Axe und erhält sein Blut von einem Zweige der Kopfarterien.
Kreislauf (Fig. 222). — Das Herz (Fig. 196) liegt vorn am
Kopfe etwas vor den Brustflossen in einem dreieckigen Räume, der
ventral von den Massen des M. sternohyoideus, seitlich von dem inneren
und äusseren M.jihayyngo-clavicularis, dorsal von dem queren Schlund-
kopfmuskel und nach hinten von dem verdickten Bauchfelle begrenzt
ist. Dieser ziemlich enge Raum ist innen von dem sehr dünnen Herz-
beutel ausgekleidet. Das Herz selbst besteht aus drei Abschnitten,
einem vorderen und zwei hinteren; im Ganzen hat es die Form einer
dreiseitigen, liegenden Pyramide, dei'en Spitze sich nach vorn in den
Arterienbulbus (b, Fig. 196) fortsetzt. Dieser oonische Fortsatz
hat eine weissliche Farbe, dicke Faserwände und wird an seiner Basis
von Kammer und Vorkammer bedeckt. Seine Innenfläche zeigt Längs-
falten und in der Nähe der Communicatiousöffnung zur Kammer zwei
Taschenventile, welche die Rückstauung des Blutes verhindern. Die
Kammer (ve) hat eine röthliche Farbe; sie liegt in der ventralen
Mittellinie und hat eine unregelmässige, nach hinten zugespitzte Form.
Ihre aus starken gekreuzten Muskelbündeln gebildeten Wände sind sehr
dick. Die Vorkammer (o) liegt über der Herzkammer, hat eine dunkel-
braunrothe Farbe und zeigt nur schwache, weiche Muskelwände. Sie
ist voluminöser als die beiden anderen Abschnitte und läuft nach
hinten in zwei kurze Zipfel aus , welche in die Venensinus sich fort-
setzen. Der Blutstrom wird in seiner Richtung von der Vorkammer
durch die Kammer in den Bulbus durch Klappen erhalten, welche sich
beim Rückflusse stauen. Die an der Oeffnung zwischen dem Venen-
siniis und der Vorkammer angebrachte Klappe, Fa/iM?a SMm-«i(r/at?am,
Fische. 527
ist unvollständig; sie besteht aus einer Kreisfalte, die eine Blendung
mit weiter Oeffnung darstellt und die etwas eingeengte Communi-
cationsöffnung umgiebt; die Atr i o ven t ricular-Klapp e zwischen
Vorkammer und Kammer dagegen ist sehr vollständig und besteht aus
zwei gegen einander liegenden Segellappen, welche durch starke
Sehnenfasern und Muskelbündel an der Wand der Kammer befestigt
sind. Die ebenfalls vollständig schliessenden Taschenventile des Bul-
bus vervollständigen diesen Klappenapparat.
Arterieller Kreislauf (Fig. 222 a. f. S.). — Der Arterien-
bulbns setzt sich nach vorn in die grosse, gemeinsame Kiemen-
arterie fort (ahr), ein in seinem welligen Verlaufe unter der Kette
der Copulae gelegenes Gefä&s, das nach rechts und links ebenso viel
Zweige abgiebt , als Kiemenbogen vorhanden sind. Wie das ganze
Herz, enthält diese Arterie mit ihren Zweigen nur venöses Blut. Die
Zweige verlaufen in der Rinne der hinteren Krümmung der Kiemen-
bogen nach oben und nehmen um so mehr an Mächtigkeit ab, als sie
sich der dorsalen Anheftung nähern. Sie liegen oberflächlicher in der
Rinne als die Kiemenvenen und endigen an dem letzten Paare dor-
saler Kiemenblättchen. Die Blättchen bilden zwei parallele Reihen
auf jedem Bogen; jedes erhält einen Zweig, der am Rande des Blätt-
chens verläuft und kleine Aestchen in die Querfalten sendet, in deren
Capillarnetz der Austausch der Gase stattfindet. Aus dem Capillar-
netze sammeln sich die Haargefässe in eine, am entgegengesetzten
Rande des Kiemenblättchens verlaufende Vene , welche ihrerseits sich
in die Kiemenvene senkt, die ebenfalls in der hinteren Rinne des
Bogens , aber tiefer als die Arterie verläuft und von unten nach oben
durch die Sammlung aller Blättchenvenen stets an Mächtigkeit zu-
nimmt. Diese Kiemenvenen münden sofort in die, an der dorsalen
Seite des Kiemenkorbes unmittelbar an der Wirbelsäule verlaufende
Aorta, die demnach aus vier Kiemenvenen jederseits zusammengesetzt
wird und nur arterielles Blut führt. Hinsichtlich der Einmündung
haben wir zuweilen beobachtet, dass zwei Kiemenvenen einer Seite sich
vereinigen und zusammen in die Aorta münden.
Die in dem Kopfe sich verzweigenden Arterien entstammen der
Vene des ersten Kiemenbogens; die Kopfarterien (ßc) entspringen
nahe an dem Vereinigungspunkte der beiderseitigen Venen, welche die
vordersten Wurzeln der Aorta bilden. Jeder Stamiu verläuft an der
Seite des Hinterhauptsbeines und theilt sich bald in zwei Aeste: eine
oberflächliche Gesichtsarterie (A. facialis, af), welche in den Kau-
muskel eindringt, die oberflächlichen Gebilde mit Zweigen versorgt und
sich bis in den Unterkiefer verfolgen lässt, und einen tieferen Stamm,
welcher sich bald gabelt. Der eine Gabelast, die Auge nart er i e {ar),
dringt in die Augenhöhle, läuft längs der inneren senkrechten Scheide-
wand nach vorn, tritt mit dem Riechnerven in die vordere Knorpel-
528
Wirbeltliiere.
Fig. 222.
Fische. 529
masse des Schädels und verzweigt sich endlich in dei^ Umgegend der
Nase und des Oberkiefers. Der andere Gabelast, die Hirnarterie,
dringt durch eine unter den Unterlappen des Gehirnes angebrachte
OefFnung in die Schädelhöhle und verzweigt sich in den Hüllen und
der Substanz des Gehirnes, sowie den damit zusammenhängenden
inneren Theilen.
Die Aorta («) läuft längs der ventralen Mittellinie der Wirbel-
säule bis zur Schwanzflosse und nimmt in dem Maasse, als sie sich
dieser nähert, au Mächtigkeit ab. In der Bauchgegend liegt sie frei,
so dass man sie unmittelbar nach Wegnahme der Schwimmblase
erblickt; längs des Schwanzes dagegen ist sie in den Hämalcanal der
unteren Dornfortsätze eingeschlossen. Während ihres Verlaufes giebt
sie Zweige an die Muskelmassen und die Eingeweide. Die bedeutendste
unter diesen Muskelarterien ist die Schulterarterie (as), deren
abgeschnittener Stamm nur in unserer Figur gezeichnet werden konnte.
Sie liefert der ganzen Brustflosse das Blut; entspringt aus der Aorta
kurz hinter der Baucharterie, folgt auf der inneren Seite den Knochen
des Schultergürtels, giebt Zweige zu den Muskeln der Innenfläche der
Flosse und tritt dann durch ein Loch zwischen den Knochen der Hand-
wurzel auf die äussere Fläche, in deren Muskeln sie sich verzweigt.
Die Baucharterie (ah) versorgt die Eingeweide der Bauch-
höhle mit Blut. Sie entspringt aus der Aorta in kurzer Entfernung
von der Einmündungssteile der letzten Kiemenvene als ein einziger
dicker Stamm, der folgende Aeste abgiebt. Die Magenarterie (as)
läuft an dem Magen entlang, dem sie sehr reichliche Zweige abgiebt,
und verthellt sich dann an die benachbarten Darmschlingen , die
Pylorusanhänge und die Milz. An ihrer Uebergangsstelle zum Magen
giebt sie zuerst auf der rechten Seite einen kleinen Zweig zur rechten
Magenseite und zur Leber ab, die Leberarterie, und liefert dann
einen mächtigen Ast, die Genital arter ie (ag). Diese folgt der
Fig. 222. — Halbschematische Figur des Kreislaufes. Das Thier ist so dargestellt,
als wenn es geöffnet wäre , so dass die hauptsächlichsten Eingeweide und Kiemen
sichtbar sind. Kopfende und Schwanz sind abgeschnitten. Linksseitige Bezeichnungen :
br, erster Kiemenbogen ; abr', seine Arterie; abr, gemeinsame Kiemenarterie;
b, Arterienbulbus ; r, Herzkammer; o, Vorkammer; so, Venensinus; vf, Lebervene;
vs, Schultervene, abgeschnitten ; y, Leber; r;;, Pfortader; as, Magenarterie ; ad,Dno-
denalartei'ie ; e, Magen ; ai, gemeinsame Darmarterie ; 7)?/, P3'lorusanhänge; a^, Genital-
arterie; r, Milz; ai^, untere Darmarterie; du, Duodenum; vi^, untere Darmvene:
ai^, obere Darmarterie; vg, Genitalvene; vi^, obere Darmvene; g, Gesclilechtsorgan ;
ig, Dünndarm; ve, Harnblase; an, After; ii, Urogenitalöftnung. Rechtsseitige Be-
zeichnungen: a>-, Augenarterie; fc, Kopfvene; or, Umkreis der Orbita; af, Gesichts-
arterie; vf, Gesichtsvene; ac. Carotis; «; 6 r, Kiemenvene; a', Kopfaorta ; je, gemein-
same Jugularvene ; dC^, absteigender Ductus Cuvieri ; ab, Baucharterie; as, Magen-
arterie; d C, horizontaler Theil des Ductus Cuvieri; a, Aorta; va, Bauchvene; ag,
Genitalarterie; avn„ Arterie der Schwimmblase; c^, rechte Hohlvene; vg, Genital-
vene; ?■;), Schwimmblase; c, linke Hohlvene; (in, Bau<haorta ; c^, rechte Holilvene.
Vogt u. Ynng, prakt. vergl. Auatomie, II. q^
530 Wirbelthiere.
ersten Darmschlinge, entsendet einen Zweig zur Schwimmblase (at^w),
der sich vorzugsweise in den platten artigen Wunderuetzen derselben
auflöst, und gelangt so zu den Geschlechtsorgauen, wo sie sich in zwei
Aeste für die Ränder derselben gabelt. Ein dritter Ast , die D u o -
denalarterie (ad), entspringt kurz hinter der vorhergehenden und
verzweigt sich in der Darmschlinge und der Milz. — Endlich bleibt
ein vierter Ast, die Darmarterie (ai), welche sich beim Uebertritte
auf den Darm in zwei Gabeläste spaltet, die den Darm auf seinem
oberen und tinteren Rande bis zum After begleiten.
Die Bauchabrta (a) verfolgt nach Abgabe der Eingeweide-
arterie ihren Weg längs der Wirbelsäule bis zum Schwänze und giebt
auf beiden Seiten intervertebrale Aeste ab, welche den Metameren ent-
sprechend in den Myocommen verlaufen und sich in den Muskeln und
der Haut verzweigen; ausserdem treten in der ganzen Länge der
Nieren Arterienzweige in diese Organe ein, wo sie sich verästeln.
Venensystem. — Im Allgemeinen begleiten die Venen die be-
treffenden Arterien, so dass wir nur aiif die Abweichungen näher ein-
zugehen brauchen. Das Blut kehrt aus dem Kopfe durch Venen
zurück, die den beschriebenen Arterien entsprechen, und sammelt sich
jederseits in eine grosse Sammelvene, die gemeinsame Jugular-
vene (je), die an der Einlenkungsstelle des Schultergürtels nach unten
in den Cuvier'schen Gang (t?c) einbiegt, welcher unmittelbar sich
in den zum Vorkammerzipfel führenden Venensinus ergiesst.
Das aus dem Körper und den Eingeweiden rückströmende Blut
schlägt verwickeitere Wege ein. Auf beiden Seiten der Aorta ver-
laufen zwei Cardinalvenen (c und c^), die zum Theil in die Nieren-
masse eingegraben sind und nach dem Tode so von Blut strotzen, dass
man sie auch ohne Injection leicht verfolgen kann. Sie sind ungleich;
die linke (c) ist bei Weitem die grössere, beginnt an der Schwanz-
flosse, ist unter der Aorta in den Hämalcanal der Schwanzwirbel ein-
geschlossen und gelangt so in die Bauchhöhle, wo sie die Venen der
linken Körperhälfte und der Nieren aufnimmt. Die weit kürzere, rechte
Cardinalvene (c^) beginnt erst in der Aftergegend imd läuft dann der
linken parallel.
Die mit einander verbundenen Cardinalvenen bilden gemein-
schaftlich mit der Bauchvene den horizontalen Theil des Ductus Cu-
vieri (de), der einen weiten Venensinus darstellt, welcher quer von
einem Gipfel des Schultergürtels zum anderen reicht, von vorn her die
gemeinsame Jugularvene aufnimmt und sich dann jederseits in den
entsprechenden Venensinus (sv) ergiesst. — Die Bauchvene (va),
deren Verlauf demjenigen der Baucharterie entspricht, nimmt zuerst
durch die Genitalvene {vg) mittelst zweier Aeste, eines oberen und
eines unteren, das von den Geschlechtsorganen rügkströmende Blut
auf. Während ihres Verlaufes an der Ventralseite der Schwimmblase
Fische. 531
ist diese Vene durch zahlreiche Brücken an die Bauch wände befestigt.
Sie nimmt einestheils von dem Magen her eine Vene auf, welche einen
Theil des dort circulirenden Blutes zubringt, und anderntheils die senk-
recht herabsteigende Schwimm blase nvene, welche durch sechs
Zweige das aus den Wundernetzplatten der Blase kommende Blut auf-
nimmt. — Der Dünndarm wird von zwei Venen , einer oberen und
unteren (vi), eingefasst, welche ausser dem von doi't kommenden
Zweige noch solche von der Milz (>•), den Pylorusanhängen und dem
unteren Magenabschnitte sammeln. Alle diese Venen sammeln sich zu
einer einzigen, der Pfortader (vj)) , welche in die Leber von der
hinteren Fläche derselben aus eindringt. Dieselbe verzweigt sich in
der Leber bekanntlich wie eine Arterie, und aus dem so gebildeten
Capillarnetze sammeln sich allmählich die Gefässe in grössere Aeste
und schliesslich in einen einzigen Stamm, die licbervene (vf), die
an der vorderen Fläche der Leber austritt, die verdickte Scheidewand
des Bauchfelles durchbohrt und sich in den Venensinus ergiesst.
Lymphsystem. — Es entspricht dem auch von anderen Fischen
bekannten und besteht aus einem Systeme dünnwandiger, geschlossener
Canäle, die eine helle Flüssigkeit enthalten. Die Cauäle sammeln sich
in zwei, unter der Haut längs der Seitenlinie verlaufende Stämme,
welche von einem gemeinschaftlichen, an der Wurzel der Schwanzflosse
gelegenen Behälter ihren Ursprung nehmen und nach vorn sich in das
Venensystem öffnen.
Die Tegumente der Fische zeigen überall denselben Grund plan des
Baues. Sie bestehen aus einer meist ziemlicli dicken Epidermis, welche
aus zahlreichen Schichten epithelialer Zellen besteht, die sich beständig von
der Basalschicht aus erneuern. Zu diesen, oft als Becherzellen an der Ober-
fläche ausgebildeten Zellen gesellen sich häufig helle, runde Zellen (sogenannte
Schleimzellen), die an die Kolbenzellen der Cyclostomeu erinnern. Sie fehlen
bei den Plagiostomen. Nirgends findet man den Körnchenzelleu der Cyclo-
stomeu analoge Gebilde. Hautdrüsen fehlen durchaus , wenn man solchen
nicht die an der Basis von Hautstacheln entwickelten Giftdrüsen zu-
rechnen wiU , welche sich bei einigen Teleostiern [TracMnus] und Rochen
(Trygon) finden. Bei den meisten Fischen dringen Pignientzellen (Körnchen,
Chromatophoren) in die Epidermis ein. — Die Cutis besteht aus mehr oder
minder zahlreichen Schichten meist abgeplatteter Bindegewebsfasern , die
niemals verfilzt sind ; die meist schief verlaufenden Fasern einer Schicht
kreuzen sich nüt denjenigen der über- und unterliegenden Schicht und haben
eine constante, parallele Richtung. Die Schichten werden oft von senkrecht
stehenden Fasern , sowie von Lücken unterbrochen , in welchen Gefässe und
Nerven verlaufen. Pigmente finden sich in grosser Menge ; zu den Chroma-
tophoren gesellen sich kleine Plättchen, welche die metallisch glänzenden
Reflexe bedingen.
Die Hai'tgebilde (Schuppen, Tafeln, Stacheln etc.) verdienen besondere
Aufmerksamkeit. Man kann als Princip annehmen , dass alle diese Hart-
gebilde in der Cutis entstehen, also ein wirkliches Hautskelett darstellen.
Dieser Grundtheil des Skelettes kann in faserigem Zustande beharren oder
34*
532 Wirbelthiere.
in den meisten Fällen dui'ch Zellen weiter erhärten, die sich stufenweise den
Knochenkörperchen der höheren Wirbelthiere mit ihren charakteristischen
Ausläufern nähern. Die ursprünglich getrennten Einzelstücke schmelzen
öfter zusammen, um wahre Hautpanzer zu bilden (Sclerodermeji, Lophobranchier,
Panzerivelse). Die oberflächlichen Bildungen wechseln ungemein. Bei den
Plagiostomen entwickeln sich wahre Zähne , die eine Krone von Schmelz
tragen, welcher von den tieferen Schichten der Epidermis abgesondert wird,
sonst aber aus Dentin bestehen , das oft verzweigte Canälchen zeigt. Im
Inneren findet sich eine Höhle oder verzweigte Lückenräurae mit Zahnpulpe;
die in dieselbe aufsteigenden Grefässe und Nerven treten meist durch eine
centrale Oeffnung der Basalschicht ein. Diese Zahnbildungen, welche schliess-
lich die Haut durchbrechen, aber urs]3rünglich von der epidermoidalen
Schmelzkappe ausgehen, bilden die sogenannte Chagrinhaut, die Stacheln,
die Zähne der Kiefer und gehen auch in die Hornstrahlen der Flossen über.
Die Basalplatten können mit einander verschmelzen, sowie auch die auf den
Platten aufsitzenden Zähne sich vervielfältigen können. Aehnliche Zähne,
Avenn auch meist bedeutend reducirt, finden sich auch auf den Schuppen
einiger Teleostier {CalUchthys). Sie sind auf den rhomboidalen Schuppen
junger Ganoiden (Lej;idosie?t.s) entwickelt, wo sie ebenfalls eine winzige Schmelz-
kappe tragen, welche sich später verliert, während die Basen der zahlreichen
Zähnchen zusammenfliessen und die dicke knöcherne Basalplatte der Schuppe
mit einer ziemlich homogenen Schicht bedecken, die man zum Unterschiede
von echtem Schmelze Ganoin genannt hat. — Sehr verschieden von den
Hautbedeckungen der Plagiostomen und rautenschuppigen Ganoiden sind die
Schuppen der Dipnoer und Teleostier ; die sclerosirte Basis ist lamellös und
lässt bei Teleostiern meist noch Fasern , bei den Dipnoern zellige Structur
erkennen. Die sehr verschiedenartig verzierte äussere Schicht bildet sich
bald als ein Ganzes, ohne irgend welche Unterbrechung, oder wird nur auf
bestimmten Stellen abgelagert, indem sie die Strahlenfurchen oder netzartige
Zeichnungen frei lässt. — Bei den Dipnoern zeigt diese äussere Netzschicht
noch ausserdem zahlreiche, rund umwallte Oeffnungen. Diese Aussenschicht
besteht aus einem homogenen, modificirten Knochengewebe, das viel kohlen-
sauren Kalk enthält. Die Dornen der Ctenoidschuppen sind nur Zähne-
lungen dieser Schicht, die oft in ihrem primitiven Zustande verbleiben
{Beryx} oder mehr oder minder fi'ei werden, wie beim Barsche. Uebergangs-
formen zwischen den Schuppen der Ctenoiden und Placoiden finden sich bei
Plectognathen und einigen anderen Acanthopterygiern {Oentriscus, Monacanthus) .
Sie legen die Wahrscheinlichkeit nahe, dass das Mittelfeld der Schuppe dem
bei den Plagiostomen auf der Grundplatte sitzenden Zahne entspricht. Für
weitere Einzelheiten verweisen wir auf die Abhandlung von Klaatsch
(s. Literatur). — Nach dem oben Gesagten müssen alle diese Hartgebilde,
wenigstens an ihrer Basis, von den oberen Schichten der Lederhaut umhüllt
und von der Epidermis bedeckt sein ; was aber die Zahnbildungen betrifft,
welche die Oberhaut durchbohren , von welcher ein Theil ihrer Substanz,
der Schmelz , abgesondert wird , so bleibt nur ihre Basis in der Lederhaut
stecken. Bei den anderen Schuppenbildungen aber bilden die Tegumente
in ihrer Gesammtheit eine sie einhüllende Tasche , welche freilich auf dem
frei liegenden Theile der Schuppe oft abgenutzt und zerstört wird.
Die Orgaue des Seitensinnes zeigen mannigfaltige Modificationen.
Die ursprünglich einfachen, oberflächlichen Hügel, die aus Nervenzellen ge-
bildet und von basalen Stützzellen umgeben sind , ziehen sich allmählich in
die Haut zurück. Sie werden zuerst durch offene Binnen , dann durch ge-
schlossene Canäle mit Ausgangsröhrchen verbunden, die schliesslich in der
Art metamerisch werden, dass jedem Myomer ein Nervenhügel entspricht.
Fische. 533
Freie Hügel finden sich noch , ähxilicli wie beim Barsche , am Kopfe von
Gohioiden , SticJilingen und Hechien ; bei den ersteren erhebt sich zuweilen
die durchsichtige, gelatinöse Haube, welche den Nervenknopf (die Ceutral-
kuppel) deckt, zu einem die Haut überragenden hohlen oder soliden
Zapfen. Bei den Holocephalen sind die Nervenknöpfe durch offene Binnen
verbunden, welche mit indifferentem Epithelium ausgekleidet sind ; ähnliche
Rinnen finden sich auf dem Körper von Echlnorhinns und Tetrodon. Bei
allen übrigen sind die Binnen zu Canäleu geschlossen , Avelche sich an einem
Punkte , meist in der Ecke der Kiemenspalte am Seitenstachel des Hinter-
hauptes, vereinigen. Von diesem Centralpunkte gehen in der Begel mehrere
Canäle aus : vorn gegen den Kopf hin ein supraorbitaler , ein infraorbitaler
und ein Unterkiefercanal, ferner ein querer Hinterhauptscanal, der die Sj'steme
beider Seiten verbindet, und schliesslich nach hinten ein horizontaler Canal,
die Seitenlinie, die sich meist bis zum Schwänze verfolgen lässt. Die Modi-
ficationen dieses Grundplanes sind ausserordentlich zahlreich. Die Canäle
sind mit einer durchsichtigen Gallerte erfüllt ; sie zeigen bald einfache Er-
weiterungen (Säckchen der Ganoiden), bald complicirtere Ampullen (Selachier)
an den Stellen , wo die Nervenhügel sitzen. Zuweilen stehen die äusseren
Oeffnungen unmittelbar auf den Hauptröhren , meist aber finden sie sich auf
Seitencanälchen, welche die Schuppen (Seitenlinie) oder einzelne Hautknöchel-
clien am Kopfe durchbohren. Die Theilung der Arbeit zwischen der Function
als Sinnesorgane und als absondernde Eöhreij ist bei dem Zitte r rochen am
weitesten gediehen, wo man drei Arten von Organen findet; ein Canalsystem
mit Ampullen (sogenannte Lorenzini'sche Organe), die keine Nervenzellen
enthalten, sondern nur Gelatine absondern ; auf der Bückenfläche des Kopfes
ein anderes Canalsystem, das Nervenknöpfe enthält und zugleich Gelatine ab-
sondert, und an der Ventralseite, um das Maul herum, einzelne Säckchen (so-
genannte Sa vi 'sehe Bläschen), welche Nervenknöpfe enthalten und durch einen
fibrösen Grundstrang mit einander verbunden werden, welcher ein obliterirter
Canal zu sein scheint. Man sehe für die Einzelheiten das Buch vonFritsch,
„Die Torpedineen". Leipzig 1890.
Die Modificationen des Skelettes, als Ganzes betrachtet , sind iu der
Classe der Fische besonders zahlreich und zeigen verschiedene Entwicklungs-
stufen , die wesentlich auf der allmählichen Unterdrückung der Chorda , auf
der Bildung einzelner, unabhängiger Knorpel- und Knochenstücke und auf
der Einziehung ursprünglicher Hautknochen in das Bereich des inneren
Skelettes beruhen. Wenn wir bei Amphioxus und den Cyclostomen ein ein-
ziges, den ganzen Körper durchziehendes, häutiges Stützsystem gefiiuden
haben, so sehen wir hei den Fischen einzelne, bald knorpelige, bald knöcherne
Stücke sich in dieses System einschieben und dasselbe allmählich über-
wuchern. Zwar hat dieser Process schon bei den Cyclostomen durch die
Verknorpelung des Schädels , des Visceralsystemes und der AVirbelfortsätze
begonnen , aber er nimmt bei den Fischen stets mehr überhand. Hier kann
man auch bemerken , dass durch die Verkuöcherung die Zahl der Stücke,
welche einen bestimmten Apparat zusammensetzen, vermehrt wird, während
die knorpelige Grundlage, auf deren Kosten sich die mehr oder minder ver-
einzelten oder in einander gelenkten Stücke bilden , noch ein zusammen-
hängendes Ganzes darstellt. Uehrigens schliessen solche Vorgänge das Ver-
schmelzen einzelner , ursprünglich getrennter Knochenstücke oder eine Ee-
duction derselben nicht aus.
Die Chorda besteht während des ganzen Lebens in einem ähnlichen Zu-
stande, wie bei den Cyclostomen, bei den Holocephalen, den Knorpelganoiden
(Stiirioniden) und den Dipnoern fort; aber bei allen diesen Fischen gesellen
sich zu ihr obere [Neurapophysen) und untere Bogen (Haemapophyseii), welche
534 Wirbelthiere.
isolirt iu der skelettbildenden Schicht entstehen und deren noch hei vielen
Selachiern und Teleostiern (Hecht) erkennbare Wurzeln oft noch nur durch
Sehnenbänder in den Löchern der Wirbelkörper, in welchen sie stecken, be-
festigt sind. Die Wirbelkörper selbst bilden ursprünglich Ringe um die
Chorda, die sich nach und nach in der Mitte nach innen hin verdicken, hier
die Chorda einengen und schliesslich so absorbiren (vertebrale Einschnürung),
dass ihre Reste nur noch in den Zwischenräumen der Einschnürungsstellen
erhalten bleiben. So entstehen die biconcaven Wirbelkörper, die eine vor-
dere und hintere, kegelförmige Aushöhlung zeigen, deren Spitzen in der Mitte
des Wirbels zusammentreffen, Avährend die Ränder der Höhlen durch Band-
massen mit einander verbunden sind. Nur eine Gattung {Leindosteus) macht
hier eine Ausnahme ; bei dieser ist die Einschnürung der Chorda , die sicli
nocli in den Schwanzwirbeln erhält , intervertebral , und als Folge der Ver-
dickung zeigt jeder Wirbel einen vorderen Gelenkkopf, der in einer Ver-
tiefung der Hinterfläche des vorhergehenden Wirbels beweglich spielt (opis-
thocüle Wirbel). Die Neurapophysen und Haemapophj'sen bleiben häufig
ihrer ganzen Länge nach in zwei Hälften getrennt, schliessen sich aber doch
zu Bogen in der Mittellinie um das Rückenmark und die Aorta und ver-
längei-n sich häufig in auffallender Weise in den oberen und unteren Dorn-
fortsätzen. Die queren iind schiefen Apophysen variiren ungemein ; sie sind
Ausstrahlungen der Bogenstücke. Die durch Verknöcherung der Myocommen
der Bauch gegeud entstehenden Rippen fehlen den Chimaeren, vielen Rochen,
den Lophobranchiern und SpatuJarien; sie folgen den Myocommen in der
Costalschicht von oben nach unten, schliessen sicli abel* niemals in der ven-
tralen Mittellinie zusammen , weder unter sich noch mit den Gürteln der
Glieder. Häufig sieht man intervertebrale Zwischenstücke (Selachier) oder
Dornen in den seitlichen Mjocommeu (Gräten der Teleostier), deren homo-
loge Bildungen den anderen Wirbelthieren abgehen.
Die Scheidung des Kopfskelettes in Hirnschädel und Gesichtsscliädel ist
im Allgemeinen bei den Eischen weit mehr durchgeführt, als bei den höheren
Wirbelthieren; die den letzteren bildenden Knochen sind meistens beweglich
oder wenigstens selbständig , und man sieht nur selten Verschmelzungen,
welche den Gesichtsschädel theilweise absorbiren.
Der knorpelige Primordialschädel bleibt in Gestalt einer, aus
einem einzigen Stücke bestehenden Kapsel bei den Selach'iern, den Holocephalen,
den Knorpelganoiclen und den Dipnoern während des ganzen Lebens fort-
bestehen. Mau erkennt an ihm stets die den drei Sinnesorganen ent-
sprechenden Regionen. Er ist nie vollständig und zeigt ausser den Durch-
trittsöffnungen für Nerven und Gefässe auf der oberen Fläche eine mehr
oder minder weite Fontanelle. Bei Chimären, Stören und Dipnoern ist er
mit der Chorda, bei einigen Rochen mit dem ersten Wirbel verwachsen. Bei
Selachiern und Holocephalen wii'd er durch keinerlei Bildungen des Haut-
skelettes vervollständigt; bei den anderen zeigen sich complementäre Haut-
schilder, die aber noch nicht die constanten Beziehungen zeigen, welche sich
bei anderen Wirbelthieren finden.
Der knorpelige Urschädel bildet durch innere oder euchoudrale Ver-
knöclierung die meisten Tlieile des Hinterhauptes, der Ohrkapsel, einen Theil
der Keilbeine und des Siebbeines ; er wird von allen Seiten , besonders aber
von oben und unten, durcli Deckknochen vervollständigt, welche den Te-
gumenten entstammen. Zu diesen Deckplatten gehören auf der oberen Fläche
die Nasen-, Stirn-, Augenhöhlen-, Scheitel- und Schläfenbeine; auf der unteren
Fläche , im Dache der Mundhöhle , der Vomer und das Parasphenoid. Bei
den meisten Fischen kann man durch fortgesetzte Maceration diese Deck-
knochen von der inneren knorpeligen Urkapsel ablösen, die selten vollständig
Fische. 535
verknöchert und von der mehr oder minder bedeutende Reste bei sehr vielen
Knochenfischen (Salmoniden) das ganze Leben hindurch erhalten bleiben.
Wir können unmöglich hier in die Einzelheiten dieser in weiten Grenzen
schwankenden Verhältnisse eintreten.
Abgesehen von den L i p p e n k n o r p e 1 n , die sich noch bei Selachiern,
Holocejyhalen , Knorpelganoiden und Dipnoern finden und sich weder einem
allgemeinen Gruudplane unterordnen, noch anderen Bildungen parallelisiren
lassen , besteht der Gesichtsschädel bei den erwachsenen Fischen aus
einer bestimmten Zahl von Bogen , von welchen höchstens die zwei vor-
dersten der Basis des Hirnschädels anliegen , während die anderen den Ein-
gang des Nahrungscanales umfassen. Die Kuorpelanlagen dieser Bogen be-
stehen aus einem Stücke ; die Tlieilung in mehrere Stücke erfolgt erst durch
die Verknöcherung.
Bei den Selachiern findet man nur einen , den Oberkieferbogen , der an
der Schädelbasis anliegt und mit dem Unterkieferbogen eingelenkt ist. Diese
beiden , das Maul begrenzenden Stücke sind an dem Schädel mittelst eines
einzigen Knorpelstieles [Hyomandihulare) aufgehängt, das einestheils an dem
Kiefergelenke , anderentlieils an der hinteren Ecke der Occipitalgegend des
Schädels eingelenkt ist. Bei den Holocephalen ist der Oberkieferbogen nebst
dem Aufhängestück mit dem Schädel verschmolzen und der Unterkiefer un-
mittelbar an dem Schädel eingelenkt. — Auf Kosten des Oberkieferbogens
und des Aufhängestückes bilden sich bei den anderen Fischen und nament-
lich bei den Teleosfiern und Knochen ganoiden eine Menge von einzelnen
Stücken, der Zwisclieukiefer mit dem Oberkiefer (Os mys-tacis) , der meist
über den ersteren gelagert ist und an der Begrenzung des Mundes keinen
Tlieil nimmt, der Gaumenflügelbogen (Arcus pterygo-ijalaiinus), welcher gegen
die Mittellinie des Schädels rückt. — Durch enchondrale Verknöcherung des
Aufhäugestückes bilden sich das Quadratbein und ein Stück (Articulare) des
Unterkiefers; der Unterkieferbogen, der Gaumenfiügelbogen, sowie die sie an
den Schädel befestigenden Stücke (Jugale und Quadrcdo-jugale) , ferner die übrigen
Stücke des Unterkiefers (Dentale, Angidare, Sudangulare) sind Deckplatten. —
Vor dem Hyomandihulare findet sich bei einigen Selachiern ein kleines, die
mit einer rudimentären Kieme besetzte Spritz ö ffnun g stützendes Knorpel-
stück. — Hinter dem Unterkieferbogen und in intimem Zusammenhange mit
seinem Aufhängestucke findet sich noch eine Eeihe von Bogen , die alle
ursprünglich Kiemenfransen trugen, welche aber auf dem ersten und letzten
fast ausnahmslose verschwunden sind. Diese Bogen umgeben den Nahrungs-
canal und vereinigen sich in der ventralen Mittellinie in einer Längsreihe
von Knochen (Copulae) , deren erster oft als Zungenbein vorspringt. Der
erste dieser Bogen ist der Zungenbogen (Arcus hyoideus) mit einem be-
sonderen Auf hängestück , dem Symplecticum ; der letzte , der Schluudbogeu
(Arcus pharyngeus) , bleibt meist rudimentär und auf seine untere Hälfte be-
schränkt. Ausser den Kiemenfrausen können sich noch auf diesen Bogen
besondere Hautbildungen entwickeln , die bei den Selachiern durch finger-
förmige Knorpel und bei den übrigen durch den Kiemendeckelapijarat gestützt
werden. Der noch häutige Kiemendeckel wird bei den Chimären durch einen
Knorpelbogen gestützt, von welchem fingerförmige Fortsätze ausstrahlen;
bei allen übrigen entwickeln sich an dem bogenförmigen Vordeckel in der
Hautfalte die verschiedenen Knochenstücke mit den Kiemenhautstrahlen.
Aehnliche Hautknochen entwickeln sich auch bei den meisten um die Augen-
höhle herum zum Schutze der Seitencanäle.
Die un paaren Flossen werden meist von Strahlen gestützt, die sich
in den meisten Fällen nach Maassgabe der durch die Dornfortsätze be-
stimmten Stellung der Zwischendornknochen metamerisch einordnen, oft aber
536 Wirbelthiere.
auch den Metameren nicht entsprechen. Mit den Strahlen entwickeln «ich
besondere Muskeln für dieselben.
Die paarigen Flossen, die den Extremitäten der übrigen Wirbel-
thiere entsprechen , variiren sehr, je nach Entwicklung, Stellung und Zahl,
da namentlich das Hinterglied, die Bauchflosse, ganz fehlen kann. Sie können
Strahlen in unbestimmter Zahl tragen, die aber hinsichtlich ihrer Structnr
nicht von denjenigen der unpaaren Flossen abweichen. Diese Strahlen können
biserial von einer mittleren Axe ausgehen , wie bei den primitiv gebildeten
Flossen von Ceratodns, oder eine axenlose Folge darstellen. Das Vorderglied,
die Brustflosse, wird bei den Selachiern von einem, aus einem Stücke be-
stehenden, bogenförmigen Schultergürtel getragen , an dessen hinterem, ven-
tralen Rande drei Knorpelplatten sich anfügen, welche man Pro-, Meso- und
Metapterj'gium genannt hat. An diese schliessen sich knorpelige Zwischen-
stücke , welche die faserigen Strahlen tragen und von welchen dasjenige,
welches die Fortsetzung des Metapterj'gium bildet, das bedeutendste ist.
Auch hier kann man durch Vergleichung der bei Dipnoern , Ganoiden und
Teleostiern vorkommenden Bildungen constatiren, dass die ursprünglich ein-
faclien Knorpelanlagen durch die Verknöcherung zersplittert werden, so dass
bei den Teleostiern durch Theilnahme von Deckknochen der Schultergürtel
meist aus drei Stücken besteht. Andei-seits werden die Zwischenstücke häufig
reducirt oder verschmolzen. — Das Hiutergiied, die Bauchflosse, liegt bei
Selachiern, Holoceplialen, Ganoiden \\n(X Dipnoern stets an seiner ursprünglichen
Stelle am Ende der Bauchhöhle, fehlt aber ganz bei den apoden Teleostiern
oder wandert nach vorn, zur Mitte der Bauchhöhle {Abdominales), unter die
Brui-tflosse (Thoracici) oder selbst vor dieselbe zur Kehle (Jiigulares). Der
Beckengürtel fehlt; die knöchernen Basaltheile entspi-echen den Zwischen-
stücken der Brustflosse. Bei den Männchen der SeJachier und Holocejphalen
combinirt sie sich mit Knorpeln, die zur Begattung dienen.
Das M u s k e 1 s y s t e m ist nach dem bei dem Barsche dargestellten Typus
entwickelt. Die mannigfachen Variationen, die es bietet, beziehen sich vor-
zugsweise auf die Musculatur des Mundes, des Kiemenapparates und der
paarigen Flossen ; wir können auf die Einzelheiten nicht eingehen.
Nach den neueren Untersuchungen sind die elektrischen Organe
eigenthümliche Modificationen der Musculatur. Die Zitterrochen, Zitter-
aale und Zitterwelse sind die bekanntesten elektrischen Fische, dei'en
Schläge auch von den Fischern gefürchtet werden ; viele andere Rochen, und
einige Arten der Ga.ttningen Mormyrus nnü. Oymnarchus unter den Teleostiern
besitzen rudimentäre Organe an der Schwanzwurzel. Die Organe der Zitter-
rochen sind auf Kosten der Kaumuskeln entwickelt, diejenigen der anderen
auf Kosten des grossen Seitenmuskels des Körpers. Hinsichtlich der Bil-
dung und Entwicklung dieser Organe verweisen wir auf die Arbeiten von
Fritsch (s. Literatur).
Nervensystem. — Das Rückenmark ist im Allgemeinen nach dem
Typus gebaut, der vom Barsche geschildert wurde. Es ist bei Chimären und
Dipnoern noch stark abgeplattet und erfüllt niemals ganz den Rückencanal,
in welchem sich stets noch Fettgewebe und ein die "Wirbel verbindender
sehniger Längsstrang befindet. Man findet häufig Verkürzungen oder den
Nervenplexus der Glieder entsj^rechende knotige Anschwellungen. — Die
Spinalnerven verhalten sich wie beim Barsche; unerhebliche Verschieden-
heiten finden sich in den Beziehungen ihrer Austrittsöffnungen zu den Kör-
pern und Bogen der Wirbel. Die Anordnungen der Plexus hängen mit der
Entwicklung und der Lagerung der paarigen Flossen zusammen ; wir weisen
auf diese Beziehungen hin, ohne in Einzelheiten einzutreten.
Fische, 537
Bis auf einen gewissen Grad rejn-äsentirt das Gehirn des Barsches die
Bildung des Gehirnes hei den Teleostiern. Es gieht aber hei Weitem niclit
einmal eine Andeutung über die unendliche Mannigfaltigkeit, welche die
Entwicklung der einzelnen Hirntheile in dieser Gruppe darbietet. Man muss
sogar zugestehen, dass die Verschiedenlieiten im Hirnhau der Teleostier nicht
immer der angenommenen Classification entsprechen. Doch beschränken sich
diese auf die Präponderanz einzelner Theile, welche die anderen decken oder
verkümmern lassen, so dass man sie erst bei genauerer Untersuchung wieder-
findet. Das Kleinhirn ist fast immer sehr bedeiitend entwickelt; die den
Streifenkörperu entsprechenden Kerne des Vorderhirnes dagegen, welclie statt
einer Kervenwölbung nur das epitheliale Pallium besitzen, nur wenig aus-
gebildet und die Epjiphyse meist rudimentär. Das Mittelhirn , die Unter-
lappen, die Hypophyse und der Gefässsack sind meist gross und wohlgebildet,
das Zwischeuhirn gewöhnlich sehr reducirt. — Amia und Lepidosteus unter
den Ganoiden ähneln den Knochenfischen, während hei den übrigen das Klein-
hirn auf eine Querbrücke reducirt, das Mittelhirn röhrenartig erhaben und
die Epiphj'se so bedeutend entwickelt ist , dass sie in einer grubenartigen
Vertiefung im Schädeldache Platz nimmt und hei Polypteriis das ganze Mittel-
hirn und die daran anstossenden Theile wie ein grosser medianer Sack be-
deckt. Doch findet man in dem Organe keine , einem Auge entsprechende
Formelemente. — Die Dipnoer bilden durch ihr sehr rudimentäres Kleinhirn,
durch die grössere Ausbildung des durch Nervengewebe zum Gewölbe des
Vorderhirnes entwickelten Palliums und durch eine Eiuknickung der Basis
zwischen Mittelhirn und Zwischenhirn den Uebergang zu den Amphibien ;
man kann indessen ziemlich bedeutende Verschiedenheiten constatiren; so
sind bei Ceratodus die Hemisphären verschmolzen und nicht durch eine
Längsfurche getrennt, wie bei Protopterus. — Die Selachier besitzen ein weit
voluminöseres Geliirn , als die übrigen Fische : ein sehr bedeutendes Vorder-
hirn, dessen Theilung in zwei Hälften kaum angedeutet ist, ein hohes Zwischen-
hirn mit einer zu einer langen Eöhre ausgezogenen Epiphj'se, deren Ende in
das Schädeldach eindringt, und ein enormes Kleinhirn, welches das Mittel-
und Nachhirn meist überdeckt. — Bei den Holocephalen sind die au dem
Nasensacke selbst liegenden, bedeutenden Eiechknoten zu bemerken, die mit
dem Vorderhirn durch lange, röhrenai-tige Fortsätze zusammenhängen. Die
Epiphyse und Hypophyse zeigen keine besonderen Älodificationen bei den
anderen Ordnungen.
Die Hirnnerven und der Sympathicits lassen überall denselben Grund-
plan Avie bei dem Barsche erkennen. Die Beziehungen zwischen dem Hypo-
giossus und den ersten Spinaluerven, zwischen dem Acusticus, Facialis und
Trigeminus , zeigen indessen mannigfaltige Modiflcationen. Bei den seltenen
blinden Arten ist der Sehnerv rudimentär. Die Seitennerven zeigen einige,
meist unerhebliche Verschiedenheiten. Je nach der Entwicklung der Brust-
flossen kann das Armgeflecht eine grossere oder geringere Anzahl von Spinal-
nerven heranziehen.
Wenn die Structur des inneren Geruch sorg an es fast stets dieselbe ist,
so zeigen sich dagegen bedeutende Verschiedenheiten in der Structur der
Wege, welche ihm das Wasser zuführen. Bei den Selachiern findet sich die
Nasenöfl'nung auf der ventralen Seite in Form eines Schlitzes, der oberfläch-
lich mit dem Mundwinkel zusammenhängt; bei allen anderen sind die Oeft'-
uungen auf der dorsalen Kopfseite angebracht, erheben sich aber zuweilen
in Form von Bohren oder stehen weit von einander ab. — Bei äenDipnoeru
Avird der Nasensack von einem zierlichen , maschigen Knorpelkorbe um-
schlossen und zeigt ZAvei Oeff"nungen, eine auf dem Lippenrande, eine zAveite
etwas mehr nach hinten gelegene, die mit der Mundhöhle communicirt. —
538 Wirbelthiere.
Bei Polypterus ist der Nasensack äusserst complicirt gebaut; bei eiuigeu
Gymuodonten dagegen (Tetrodon) sehr reducirt und durch eigeuthümlich ge-
staltete Cylinder oder Lappen ersetzt, die an ihrem Ende Nerveuhügel
tragen. — Die Augen der Dipnoer unterscheiden sich von denjenigen aller
anderen Fische, bei welchen sie nach dem Typus des Barsches gebaut sind,
durch den Mangel des Sichelbandes , der Glocke und der Ciliarfortsätze. —
Das Gehörorgan zeigt überall dieselben Haupttheile, mit Ausnahme äev Holo-
cephalen, wo dieLagena noch mit dem Sacculus verschmolzen ist. Bei ihnen
sowohl wie bei den Selachierii öffnet sich der bei allen übrigen blind geschlossene
Ductus endolym'pliaticus auf dem Schädeldache nach aussen und stellt so eine
Communication mit dem umgebenden Medium her. Bei einigen Teleostiern
{Cyjirinoiden, Süuroiden, Characinen, Gymnotns) findet sich in einer Art von
Canal, der ausserdem mit Fett erfüllt ist und mit der Schädelhöhle communi-
cirt, eine zusammenhängende Kette von Knöchelchen, welche die Schwimmblase
mit der Hörhöhle in Verbindung setzt und deren letztes Knöchelchen an
der Schwimmblase durch fasei-iges Gewebe angeheftet ist.
Verdauungsorgane. — Der bald endstäudige, bald ventrale Mund ist
fast immer mit Zähnen bewaffnet, und wenn dieselben im erwachsenen Zu-
stande fehlen, scheinen sie in der Jugend als Anlagen vorhanden gewesen zu
sein. Bei den Teleostiern und Knochenganoiden können Zähne nicht nui' auf
allen an dem Eingange des Verdauungscanales Tlieil nehmenden Knochen,
sondern auch auf den Kiemenbogen und Schlundknochen entwickelt sein ;
bei Selachiern , Holocephalen und Dipnoern finden sie sich nur auf den
Kieferbogen oder den dem Oberkieferbogen entsprechenden Gegenden der
Schädelbasis. Keine Classe der Wirbelthiere zeigt einen solchen Formen-
reichthum der Zähne, wie die der Fische ; wir müssen ihre Beschreibung der
Zoologie überlassen. Auch auf die Structur können wir nicht näher ein-
gehen ; wir erwähnen nur, dass man hier und da Hornzähne ohne Zahnbein
und Schmelz findet. — Obgleich die Zunge bei Selachiern und Holocephalen
etwas freier wird , erhebt sie sich doch nie zu einem selbständigen , beweg-
lichen Organ. — Der Magen ist meist deutlich abgegrenzt, mit Ausnahme
der Holocephalen und Dipnoer; oft ist er sackförmig {Selachier) , meist aber
hakenförmig gebogen. — Die Einmündung des Gallencanals bezeichnet die
Grenze gegen den Mitteldarni, dessen Anfang durch die charakteristischen
an Zahl ausserordentlich wechselnden , bei den meisten Teleostiern und Ga-
noiden vorkommenden Pylorusanhänge kenntlich gemacht wird. — Eine
mehr als bei den C3'clostomen entwickelte Spiralfalte findet sich bei allen
Selachiern, Ganoiden und Dipnoern wenigstens in dem hinteren Abschnitte
des Mitteldarmes ; bei Ceratodus ist sie ausserordentlich entwickelt. Der stets
gerade Afterdarm ist nur selten durch eine Einschnürung von dem Mittel-
darme getrennt. — Die Leber mit der Gallenblase zeigt keine wesent-
lichen Modificationen ; das Pankreas fehlt den Dipnoern und einigen Te-
leostiern, wie z. B. dem Barsche; wenn voi-Landen, liegt es in der ersten
Darmschliuge neben der stets vorhandenen Milz.
Die Geschlechts- und Harnorgane sind bei den meisten Teleostiern
nach dem Typus des Barsches gebaut , doch sind bei den meisten die Eier-
stöcke doppelt wie die Hoden. In einigen Fällen (Serranus) findet man nor-
malen Hermaphroditismus ; bei den Salmoniden und Aalen fehlen die Ei-
leiter ; die Eier fallen aus den geschlossenen Ovarien in die Bauchhöhle und
werden durch einen hinter dem After gelegenen Porus entleert. Dagegen
finden sich bei den lebendig gebärenden Knochenfischen (Zoarces, einige
Cyprinodonten) Erweiterungen der Eileiter, worin die freien Eier und Em-
bryonen längere Zeit behalten Averden. — Bei den übrigen Gruppen zeigen
sich wesentliche Modificationen in Folge von Verschmelzungen der bei den
Fische. 539
Teleostiern durchaus getrennten Ausfülivungsgäuge der Harn- und Geschlechts-
organe, vorzugsweise bei den Männchen. Bei den Selachiern findet sich die
conipKcirteste Bildung. Die Nieren theilen sich bei ihnen in zwei Abthei-
lungen, eine vordere und eine hintere, und zeigen bei den meisten Haien
während des ganzen Lebens in der Bauchhöhle geöffnete fötale Trichter
(Nephrostomen). Bei den Weibchen münden die durchaus selbständigen Harn-
leiter getrennt in die Cloake etwas vor den Eileitern. Diese sind von dem
stets einfachen Ovarium völlig unabhängig; sie beginnen mit einer medianeu,
unmittelbar hinter dem Herzen gelegenen, gemeinschaftlichen Trichteröffnung,
beschreiben jederseits einen Bogen längs den "Wänden der Bauchhöhle und
vereinigen sich unmittelbar au der Cloake, wo sie in einer gemeinschaftlichen
Oeffnung münden. Jeder Eileiter zeigt in seinem oberen Abschnitte eine,
bei manchen Eier legenden Arten sehr grosse Schalendrüse, in welcher
die das Ei enthaltende Hornschale abgesondert wird, welche meist abgeplattet,
viereckig und in den Ecken mit Hornfäden versehen ist. Bei den lebendig
gebärenden Arten ist die Schalendrüse sehr reducirt, dagegen meist der hin-
tere Abschnitt des Eileiters zu einem Uterus erweitert , in welchem das Ei
oder der von einer sehr dünnen Hornschale eingeschlossene Embryo in einer
reichlichen, schleimigen Flüssigkeit schwimmen. Nur in einzelnen Fällen
{Musfelus laevis, Carcharias) entwickelt sich eine uterine Placeuta mit in die
Schleimhaut des Uterus eindringenden Zotten. — Die stets paarigen Hoden
der Selachier sind traubenförmig ; die Zoospermen entwickeln sich in zahl-
reichen, grossen, runden Kapseln, von welchen feine Canälchen ausgehen, die
den Samen in einen gemeinsamen Samengang (^Yolff' scher Canal) überführen.
In diesen Samengang müuden auch die Harncanäle, die der vorderen Nieren-
abtheilung entspringen , so dass dieser Canal zugleich als Samenleiter und
Harnleiter fungirt. Die der hinteren Nierenabtheilung entstammenden Harn-
gänge sammeln sich in einem besonderen Harnleiter, der nichts mit den
Geschlechtsorganen zu thnn hat , aber sich mit dem anderen Ausführuugs-
gange an der gemeinsamen Oeflhung in die Cloake vereinigt. — Zwischen
diesen extremen Bildungen der Teleostier einerseits und der Selachier ander-
seits finden sich bei den anderen Ordnungen zahlreiche Uebergangsbildungen, auf
die wir nicht näher eingehen können. — Bei den Selacltiern. Holocephalen und
einigen wenigen Teleostiern finden sich besondere Begattuugsorgane , die zur
Ueberführung des Samens in die weiblichen Geschlechtsorgane dienen und
bei den erstgenannten Gruppen durch besondere Knorpelstücke gestützt
werden. Zuweilen finden sich auch temporäre Entwicklungen von Bohren
zur Ablagerung der Eier [Bhodeus).
Der Kiemenapparat, der stets vorhanden, zeigt wesentliche Modifica-
tionen. Einige Haie (Xotidanus) haben sieben oder sechs Kiemensäcke mit
ebensoviel äusseren Oefifnungen ; die meisten Selachier besitzen nur fünf. In
den anderen Gruppen ist ein Kiemendeckel entwickelt, welcher die äusseren
Oeffnungen auf eine einzige Spalte reducirt, auf deren Grunde die Fransen
tragenden Kiemenbogen erscheinen. Meist finden sich vier solcher Bogen,
aber bei einigen Dipnoern und Teleostiern (Ceratoäus, Amphipnous) kann die
Zahl der athmenden Bogen bis auf zwei zurücksinken, während die anderen
keine Fransen tragen. Bei den Selachiern erheben sich von der Convexität
der Kiemenbogen häutige, aussen an der Haut befestigte Scheidewände, auf
welchen zu beiden Seiten die Kiemenlamelleu angeheftet sind. Jeder Kiemen-
sack entspricht demnach einer Kiemenspalte ; da die erste Spalte nach Muten
durch die von dem ersten Kiemenbogen ausgehende Scheidewand begrenzt
wird, so trägt der nach vorn abschliessende Zungenbogen häufig auf seiner
Hinterfläche ebenfalls athmende Fransen. Alle Kiemensäcke öfi'nen sich
mittelst weiter Spalten in den Pharynx. — Der Kiemendeckelapparat zeigt
540 Wirbelthiere.
Modiflcationen , die für das Leben des Fisches äusserst wiclitig sind. Ge-
wöhnlich bildet er in seiner Gesammtheit eine geräumige Höhle , die meist
durch die von dem Gipfel des Schultergürtels bis unter die Kehle reichende
Kiemenspalte weit geöffnet werden kann. In manchen Fällen aber wird er
durch die Tegumeute in mehr oder minder grosser Ausdehnung angeheftet
und die Kiemenspalte schliesslich auf eine kleine Oeffuung reducirt, die das
Thier nach Belieben öffnen und schliessen kann {Lophobranchier, Anguilliden).
Diese Oeffnung kann sogar median an der Bauchseite liegen {Symhranchus).
So wird ein weiter Kiemensack dargestellt, in welchem das Thier Wasser
aufbewahren kann. Oft wird auch die Kiemenhöhle noch durch Nebenhöhlen
vergrössert, die bald nach hinten längs der Wirbelsäule, bald nach vorn in
den Schlundkopf sich erstrecken und deren Wände häufig sogar ein respira-
torisches Gefässnetz enthalten (Labyrinthßsche , Amphipnous , Saccobran-
clms, einige Chipeiden). Alle diese Einrichtungen ermöglichen einen längeren
Aufenthalt des Fisches ausser dem Wasser. — Die Fransen haben meist die
Form eines dünnen, in die Länge gezogenen, spitzen Blättchens; sie können
aber auch zu einer einzigen gefalteten Haut verbunden (Xiphias) , in cylin-
drische Fäden zerfasert [Spatularia, Polyptenis) , in Gestalt kleiner, runder
Dachziegel über einander gelagert (Protopterus) oder in Gestalt gefalteter
Düten ausgebildet sein [Lopliobranchier). — Accessorische oder rudimentäre
KiemenbilduDgen , die zuweilen noch respiratorische Function besitzen , aber
in den meisten Fällen sie verloren haben, finden sich in dem Spritzioc he
der Selachier und einiger Ganoiden {Sturioniden, Polyptertts), an dem Kiemen-
deckel (SftmonM^en, Lepid^05<e?(S, einige Teleostier) und an dem Kopfe (Pseudo -
branchie vieler Teleostier).
Die Schwimmblase, welche aus einer Ausstülpung des Vorderdarmes
entsteht, verdient eine besondere Beachtung wegen des bei ihr stattfindenden
Functionswechsels, wodurch das hydrostatische Organ in ein respiratorisches,
in eine Lunge umgewandelt wird. Sie fehlt den Selachiern und Holoceplialen
und würde sonst überall vorkommen, wenn sie nicht bei manchen Teleostieru
im erwachseneu Zustande verkümmerte. Bei allen Ganoiden und den meisten
Knochenfischen des Süsswassers bleibt der an der dorsalen Wandung des
Vorderdarmes einmündende Verbindungscanal Zeitlebens offen [Physostomeu) •
bei den meisten marinen Teleostieru schliesst er sich in ähnlicher Weise wie
beim Barsche ab (Physoclisten). Fast überall finden sich auf der inneren
Fläche der Schwimmblase Polster von Wundernetzen. Von der Gestalt eines
einfachen Sackes an finden sich alle erdenklichen Formen , mit Zipfeln , An-
hängen , Zotten , der Länge oder der Quere nach getheilte Blasen u. s. w.
Besonders interessant sind die Uebergangsbildungen, welche zu der einfachen
Lunge des Ceratodus oder der doppelten von Protopterus und Lepidosiren hin-
leiten. Diese Lungen liegen stets, wie die Schwimmblase, unmittelbar auf
der ventralen Seite der Wirbelsäule ausserhalb des Bauchfelles. Abgesehen
von den Kreislaufverhältnissen bilden sich diese Uebergänge nach zwei Eich-
tungen hin aus, am Eingange oder am Sacke selbst. Die Oeffnung des stets
häutigen Luftganges in den Darm wandert bei Polypterus und den Dipnoern
auf die ventrale Seite und führt in eine Art Vorkammer, die erste Anlage
eines Kehlkopfes , der aber noch keine besonderen Knorpelbildungen zeigt.
Solche finden sich bei Lepidosteus , wo die Knorpelstücke eine mit seitlichen
Taschen versehene Kehlkopfhöhle umgeben , die durch eine Spalte , eine
Glottis, in die Schwimmblase mündet. Innere Bildungen , durch Avelche die
Schwimmblase sich einigermaassen der Lunge der Amphibien nähert, zeigen
sich schon bei einigen Siluroiden , bilden sich bei Amia weiter aus und
erreichen ihre höchste Ausbildung bei Lepidosteus und den Dipnoern, wo
tiefere , eingesenkte Gruben noch im Inneren ein Netzwerk von Maschen
Fische, 541
zeigen. Hinsichtlich dieser inneren Netzraumbildungen unterscheidet sich die
Schwimmblase von Lepidosteus in keiner Weise von der Lunge eines Dip-
noers ; dagegen besteht ein grosser physiologischer Unterschied darin , dass
die Schwimmblase arterielles Blut erhält und venöses abgiebt, während im
Gegentheil das Organ der Dipnoer eine wahre Lunge ist, die venöses Blut
erhält und arterielles abgiebt.
Der Kreislauf entspricht noth wendiger Weise diesem Functionswechsel,
indem ein Theil des Blutes von den Kiemen abgelenkt und den Lungen zu-
geführt wird. Abgesehen von dieser bei den Dipnoern realisirten Ausnahme
ist der Kreislauf in derselben Weise wie beim Barsche geregelt: alles venöse
Blut sammelt sich im Herzen , um von da aus in die Kiemen getrieben zu
werden, wo es Sauerstoff aufnimmt und Kohlensäure abgiebt. Wir sehen
hier von den übrigens nicht sehr wesentlichen Variationen ab , welche Ar-
terien und Venen aufweisen, deren Verlauf übrigens im Ganzen demjenigen
bei dem Barsche geschilderten entspricht, und besprechen nur einige Ver-
schiedenheiten im Baue des Herzens. Dieses ist bei allen Teleostiern nach
demselben Gruudplane gebaut: Venensinus, Vorkammer, Herzkammer, Ar-
terienbulbus , Kiemenarterie mit Aesten zu den einzelnen Bogen. Die hin-
teren Theile verhalten sich auch bei den anderen Gruppen ähnlich ; die vor-
deren, Kammer und Bulbus nebst den grossen Gefässen , dagegen zeigen
wesentliche Verschiedenheiten. Bei Selachiern, Holocephalen und Ganoiden
wird der hintere Abschnitt des Bulbus musculös, tritt in nähere Verbindung
mit den Trabekeln der Kammer und bildet so den A r t e r i e n c o n u s , in
dessen Innerem mehr oder minder zahlreiche , in Reihen gestellte Taschen-
ventile sich entwickeln , die sich an einen Kranz von Klappen anschliessen,
welcher auf der Grenze zwischen dem fleischigen und dem fibrösen Theile
des Bulbus angebracht ist und den beiden Taschenveutilen entspricht, welche
allein an dieser Stelle bei den Teleostiern existiren. Diese reihenweise ge-
stellten Klappen, welche besonders bei Lepidosteus ausserordentlich zahlreich
sind, in geringerer Zahl bei den Selachiern sich finden , reduciren sich bei
Ami« auf einige kleine Klappen und zwei grosse Segelventile. Bei einigen
Knochenfischen [Butirinus) findet mau noch einen Ueberrest der Reihen-
ventile in zwei kleineu, supplementären Taschenventilen. So stellen sich die
Uebergänge zu den bei den Dipnoern vorkommenden Bildungen her, wo
durch eine Drehung des Conus um seine Axe und die Präponderanz einer
Längsreihe von Ventilen bei Ceratodus die Einrichtung von Protopterus an-
gebahnt wird , bei welchem die vorwiegende Längsreihe sich zu einer fast
.vollständigen Scheidewand ausbildet und damit eine Theilung des Herzens
in eine rechte , venöse und eine linke , arterielle Hälfte sieh herstellt. Diese
Theilung schreitet von dem Bulbus gegen die Kammer hin vor, in welcher
sich die beiden Blutarten zwar noch mischen, aber doch eine mechanische
Einrichtung hergestellt ist, in Folge welcher die beiden ersten Kiemenbogen
gemischtes, die beiden hinteren Bogen dagegen nur venöses Blut erhalten.
Die Aorta entsteht aus den beiden getrennten ersten Kiemenvenen, während
die beiden hinteren Venen sich vor ihrer Einmündung in die Aorta zu
einem kurzen gemeinschaftlichen Stamme vereinigen. Vor dieser Vereini-
gung ergiesst die hintere, also vierte Kiemenvene den grössten Theil ihres
Blutes in die Lungenarterie. Das Blut, welches in den Lungen geathmet
hat, kehrt dann durch die Lungenvene in den Venensinus des Herzens
zui'ück. Wir verweisen hinsichtlich der Details auf die Arbeit von Boas
(s. Literatur).
Literatur. — K u n t z m a ii n , Bemerkungen über die Schuppen der Fische ;
Verhandl. d. Gesell. Natuvf. Freunde in Berlin, 1824. — Cuviev et Valen ci enne s,
542 Wirbelthiere.
Hlsloire natureäe des jwissoiis, Paris, 1829. — H. Rathke, Zur Anatomie der Fische;
Arch. f. Anat. u. Physiol., 1837. — Breschet, Recherches anatomiques et physio-
logiques sw Vorgane de Pouie des poissons, 1838. — Mandl, Recherches sur lu siruc-
ture intime des ecailles des jjoissons; Annales des Sc. nat., 2. Serie, Vol. II, 1839. —
J. Müller, üeber das Gefässsystem der Fische; Abhandl. d. Bei'lin. Akad. 1839. —
L. Agassiz, Observatlons sur la structure et le mode d^accroissement des ecailles
des poissons ; Annales des Sc. nat., 2. Serie, Vol. XIV, 1840. — Peters, Bericht
über den mikroskopischen Bau der Fischschuppen ; Müller's Archiv, 1841. — J. Hyrtl,
Ueber die Kopf- und Caudalsinus der Fische etc.; Archiv f. Anat. u. Physiol., 1843. —
Ders. , Beiträge zur Morphologie der Urogenitalorgane der Fische; Denkschr. d.
Wiener Akad. d. Wiss., 1850. — Agassiz et Vogt, Anatomie des Salmones, 1845.
— Willi amson, On the micros, struct. of the scales etc.; Phil. Trans., London,
1849. — Ders., Jnvestigation into the structure and derelopment of the scales; Phil.
Trans., London, 1851. — Leydig, LTeber die äussere Haut einiger Süsswasserfische;
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. III, 1851. — Ders., Anatom, und histolog. über
Fische und Reptilien; Berlin 1853. — Ders., Ueber die Schleimcanäle der Knochen-
fische; Müller's Archiv., 1860. — Ders., Ueber die Organe eines sechsten Sinnes;
Dresden, 1868. — Ders., Neue Beiträge zur anatomischen Keuntniss der Hautdecke
und Sinnesorgane der Fische; Halle, 1879. — Stannius, Handbuch der Zootomie,
1854. — Steeg, De anatomia et morphologia squamarum piscizim, 1857. — Vogt
et Pappenheim, Rech, sur l'anat. comp, des organes de la generation chez les
anlmaux vertebres; Annales des Sc. nat., 4. Serie, Vol. XH, 1859. — Steenstrup,
Dißerences entre les poissons osseux et cartilagineux au point de vue de la forniation
des ecailles; Annales des Sc. nat., 4. Serie, Vol. XV, 1861. — F. Schulze, Ueber
die Nervenendigungen in den sogenannten Schleimcanälen der Fische etc. ; Archiv f.
Anat. u. Physiol., 1861. — Ders., Zur Kenntniss der Endigungsweise der Hörnerven
bei Fischen und Amphibien; Archiv f. Anat. u. Physiol., 1862. — Ders., Ueber die
bechertörmigen Organe der Fische; Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XII, 1863. — Ders.,
Ueber die Sinnesorgane der Seitenlinie bei Fischen und Amphibien ; Arch. f. mikrosk.
Anat., Bd. ^^, 1870. — Gegen b au r, Untersuchung zur vergleichenden Anatomie
der Wirbelthiere; Leipzig, 1865. — Salbey, Ueber die Structur und das Wachs-
thum der Fischschuppen; Archiv f. Anat. u. Physiol., 1868. — Fee, Systeme lateral
du pneumogusti-ique des poissons, 1869. — W. Müller, Ueber Entwicklung und
Bau der Hypophysis und des Processus infundibidi cerebri; Jenaische Zeitschr. Bd. VI,
1871. — Jobert, Etndes d'anatomie comparee sur les organes du ioucher chez les
divers ma^nmiferes , oiseaux , poissons et insectes ; Annales des Sc. nat., 7. Serie,
Vol. XVI, 1872. — G. Retzius, Das Gehörlabyrinth der Knochenfische ; Stockholm,
1872. — Stieda, Studien über das Centralnervensystem der Knochenfische ; Zeitschr.
f. wiss. Zool., Bd. XXIII, 1873. — Baudelot, Ecailles des poissons: Archiv de
Zool. experim., Vol. II, 1874. — 0. Hertwig, Lieber das Hautskelett der Fische;
Morph. Jahrb., Bd. VII, 1876. — Solger, Zur Keuntniss der Seitenorgane der
Knochenfische; Centralbl. f. d. med. Wiss., 1877. — Edinger, Ueber die Schleim-
haut des Fischdarmes; Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XIII, 1877. — Götte, Beiträge
zur vergleichenden Morphologie des Skelettsystems der Wirbelthiere; Arch. f. mikr.
Anat., Bd. XIV, 1877. — F. Boll, Zur Anatomie und Ph3'siologie der Retina; Arch.
f. Anat. u. Physiol., 1877. — Kuhn, Ueber das häutige Labyrinth der Knochen-
fische; Arch. f. mikr. Anat., Bd. XIV, 1877. — Fritsch, Untersuchung über den
feineren Bau des Fischgehirns; Berlin, 1878. — J. Brock, Beiträge zur Anatomie
und Histologie der Geschlechtsorgane der Knochenfische ; Morph. Jahrb. , Bd. IV,
1878. — David off, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmasse ;
Moi-ph. Jahrb., Bd. VI, 1880. — J. E. V. Boas, Herz und Arterienbogen bei Cera-
todus und Polypterus; ebend. — Ders., Conus arteriosus bei Butirinus, ebend. —
Solger, LTeber den feineren Bau der Seitenoi-gane der Fische; Halle, 1880. —
Sappey, Etüde sur l'appareil mucipare ei sur le Systeme li/mphatique des poissons;
Amphibien. 543
Paris, 1880. — Sabatier, Comparaison des ceintures et des membres arterleurs et
posterieurs dans la seine des vertebres , Montpellier, 1880. — P. May s er. Ver-
gleichende anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische ; Zeitschr. f. wiss.
Zool., Bd. XXXVI, 1881. — C. Emery, Zur Morphologie der Kopfniere der Te-
leostier; Biol. Centralbl., Bd. I, 1881. — G. Retzius, Das Gehörorgan der Wirbel-
thiere ; Bd. I, Stockholm, 1881. — H. Virchow, Ueber Fischaugen, Verh. d. phys.
med. Gesellsch. zu Würzburg, 1881. — E. Berg er, Beiträge zur Anatomie des
Sehorganes der Fische; Morph. Jahrb., Bd. VIII, 1882. — Cattie, Ueber die Epi-
physe der Fische; Arch. f. Biol., Bd. III, 1882. — H. R abl-Rückar d , Das Gross-
hirn der Knochenfische und seine Anhangsgebilde; Arch. f. Anat. u. Physiol., 1883. —
Walther, Die Entwicklung der Deckknochen am Kopi'skelett des Hechtes ; Jenaische
Zeitschr., Bd. XVI, 1883. — F. Maurer, Ein Beitrag zur Kenntniss der Pseudo-
branchien der Knochenfische; Morph. Jahrb., Bd. X, 1883. ■ — Sagem'ehl, Beiträge
zur vergleichenden Anatomie der Fische; Morph. Jahrb., Bd. X, 1884. — Blaue,
Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut bei Fischen ; Arch. f. Anat. u.
Physich, 1884. — J. Beard, On the segmental sense organs of the lateral line and
tke morphology of the vertebrate auditory organe; Zool. Anz. VII, Nr. 1611 — 62,
1884. — Ders., On the cranial c/anglia and segmental sense organs of Fishes ; Zool.
Anz. VIII, 1885. — Klein, Beiträge zur Bildung des Schädels der Knochenfische;
Jahresb. d. V'er. f. vaterl. Naturk. in Württemberg, 1884. — F. Maurer, Schilddrüse
und Thymus der Teleostier, Morph. Jahrb., Bd. XI, 1885. — S. Grosglick, Zur
Morphologie der Kopfniere der Fische; Zool. Anz. VIII, Nr. 207, 1885. — Ders.,
Zur Frage über die Persistenz der Kopfniere der Teleostier; Zool. Anz., Jahrb. IX,
1886. — W. Krause, Die Retina der Fische; Internat. Monatsschr. f. Anat. u.
Physiol., Bd. III, 1886. — H. Klaatsch, Zur Morphologie der Fischschuppen,
Morph. Jahrb., Bd. XVI, 1890. — Fritsch, Die elektrischen Fische; Leipzig,
1888—90.
Classe der Amphibien.
Wenn die Amphibien sich einerseits den Fischen durch den
Mangel eines Amnios und einer Allantois bei den Embryonen nähern,
so unterscheiden sie sich von ihnen durch drei Hauptcharaktere: die
nackte Haut, die fünffingerigen Glieder und die Theilung des Vorhofes
des Herzens in zwei seitliche Vorkammern, durch welche die Aus-
bildung einer doppelten Circulation angebahnt wird.
Nichtsdestoweniger muss man anerkennen , dass die Amphibien
durch ihren Bau sowohl im erwachsenen, wie im embryonalen Zu-
stande den Fischen näher stehen, als den. Reptilien, mit denen man
sie früher in eine Classe zusammenstellte. Bei den Reptilien findet
man weder eine nackte, drüsige Haut, noch den doppelten Gelenk-
kopf am Hinterhaupte , durch welchen der Schädel an dem ersten
Wirbel eingelenkt ist, und ebensowenig die Larvenzustände , welche
die Amphibien nach ihrem Austritte aus dem Ei durchlaufen. Auf
diese und andere speciellere Gründe gestützt, hat deshalb Huxley
544 Wirbelthiere.
mit Recht Fische und Amphibien in der grossen Gruppe der Ich-
thyopsiden zusammen und den Säur opsiden , Reptilien und Vögeln
gegenübergestellt, bei welchen das Hinterhaupt durch einen einzigen,«
medianen Gelenkkopf auf der Wirbelsäule sich bewegt.
Ausser diesen wesentlichsten Unterscheidungscharakteren kann
man noch erwähnen: die vorgeschrittene Verknöcherung des Schädels
und der W^irbel, so dass vom Primordialschädel und der Chorda nur
noch Rudimente erhalten bleiben; die Anwesenheit eines Schulter- und
Beckengürtels, die meist sogar dann noch sich vorfinden, wenn die Glieder
selbst nicht entwickelt sind ; das stete Vorhandensein von Ausführungs-
gängen für die Geschlechtsproducte , einer aus einer Ausstülpung des
Hinterdarmes gebildeten Harnblase, die vollständige Trennung der Ge-
schlechter und endlich die Ausbildung einer Larvenperiode, in welcher
ausschliessliche Kiemenathmung der später sich entwickelnden Lungen-
athmung vorausgeht, so dass also alle diese Thiere eine Periode des
Lebens im Wasser durchmachen , auf welche bei den meisten erst
später das Leben an freier Luft folgt.
Wir nehmen folgende Ordnungen an:
1. Gymnophionen. Wurmförraiger Körper ohne Gliedmaassen.
Biconcave Wirbel. Winzige Schuppen in Hautfalten verborgen. Coe-
ciJia, Siplionops.
2. Urodelen, Schwanzlurche. Nackte, drüsige Haut. Ein
oder zwei Gliederpaare. Während des ganzen Lebens persistirender
Schwanz. Einige behalten die Kiemen während des ganzen Lebens
(Perennihranchier). Amphicöle oder opisthocöle Wirbel. Siren, Proteus,
AmpJiiuma, Tnton, Salamandra.
3. Anuren. Nackte, drüsige Haut. Breiter, schwanzloser
Körper mit zwei wohl entwickelten Gliederpaaren und ausschliessliche
Lungenathmung im erwachsenen Zustande. Procöle Wirbel. Bana,
Btifo, Hyla, Pipa.
Typus: Rana esculenia L. Der grüne Frosch findet sich
überall in feuchten und sumpfigen Gegenden in grosser Menge. Seit
beinahe 200 Jahren dient er zu anatomischen und physiologischen
Untersuchungen; die genaueste Kenntniss seines Baues ist für jeden
Physiologen unerlässlich. Ecker und Wiedersheim haben seine
Anatomie in einer classischen Monographie behandelt, die in Aller
Händen ist und auf die wir hinsichtlich einer Menge von Einzelheiten
verweisen werden, auf welche wir nicht eingehen können.
Eine nahe verwandte Art, der braune Frosch (jR.fewjporanaX.),
ist ebenfalls sehr häufig in Europa. Diese Art verlässt gern das
Wasser im Frühjahre und hält sich in beschatteten Gegenden feuchter
Wälder und Wiesen auf. Die Schnauze ist stumpfer, als beim Gras-
frosche, die Gaumenzähne sind weniger zahlreich und schwächer, die
Amphibien. 545
Stimmblasen des Männchens innerlich — aber der ganze Bau unter-
scheidet sich so wenig von dem der vorigen Art, dass beide unbedenk-
lich zu anatomischen Untersuchungen, wie die unserigen , in gleicher
Weise verwendet werden können.
Die Männchen lassen sich leicht von den Weibchen unterscheiden;
sie sind im Allgemeinen kleiner und schmächtiger als diese und haben
an den Daumen der Vorderfüsse eigenthümliche Hautschwielen, welche
zum Umklammern des Weibchens bei der Begattung dienen.
Im Winter wühlen sich die Frösche in den Schlamm ein und ver-
fallen in eine Art Winterschlaf. Es hält dann ziemlich schwer, sich
welche zu verschaffen. Man wird deshalb sich im Herbste bei Zeiten
Vorrath im Laboratorium sammeln.
Präparation. — Man tödtet den Frosch durch Untertauchen
in Wasser, das zu 40" C. erwärmt oder mit einigen Tropfen Chloro-
form versetzt ist. Der Frosch stirbt bald durch Erstickung und wird
frisch unter Wasser präparirt. Man legt ihn auf den Rücken , fixirt
die ausgestreckten Beine und die Schnauzenspitze mittelst Stecknadeln
und spaltet dann die Haut durch einen von der Schnauze bis zum
After ausgedehnten Längsschnitt mit einer feinen Scheere. Die Haut
hängt mit der Musculatur des Körpers nur durch einige Hautmuskeln
zusammen , deren Ausbreitung man vor dem Durchschneiden unter-
sucht. Diese sehr dünnen, durchsichtigen Hautmuskeln eignen sich
ganz besonders zu histologischen Untersuchungen. Der Hautrauskel
der Brust, der sich an dem Brustbein festsetzt, hat seit Reichert
vorzugsweise zu Forschungen über die Nervenendigungen an den
Muskelfasern gedient. Man spaltet in gleicher Weise die Haut längs
der Glieder bis zum Endgliede und kann so leicht das ganze Muskel-
system biossiegen, das in gewöhnlicher Art präparirt wird.
Um die Körperhöhlen zu öffnen , hebt man die Bauchmuskeln in
der Nähe des Beckens mit der Pincette auf, führt die Spitze der Scheere
ein und spaltet durch einen Längsschnitt die Muskeln von hinten nach
vorn. Das nur theilweise verknöcherte Brustbein lässt sich leicht
durchschneiden und wegnehmen, so dass man den Schnitt bis zum
Winkel des Unterkiefers fortsetzen kann. Die Lippen der Oeffnungs-
spalte werden auseinander gelegt und mit Stecknadeln fixirt. Man
sieht nun die Eingeweide in ihrer Lage und kann sie in der Weise
ausbreiten, wie unsere Figur 223 (a. f. S.) sie zeigt. In der vorderen
Hälfte der Bauchhöhle bedecken die Lappen der voluminösen Leber (r),
zwischen welchen man das Herz (2, 3) erblickt , grösstentheils die
übrigen Eingeweide; man muss sie aufheben, um die Lungen (q) und
unter diesen den Anfang des Eileiters (*) zu sehen". Weiter nach
hinten sieht man den Pförtnertheil des Magens (m) und die Schlingen
des Dünndarmes (w), der sich in den erweiterten Afterdarm (o) fort-
setzt. Bei den Weibchen sieht man jederseits die Eierstöcke (x), deren
Vogt ti. Yung, prakt. vergl. Auatomie. II. q,-::
546
Wirbelthiere.
Volumen je nach der Jahreszeit bedeutend wechselt. Ueber dem Rec-
tum liegt die Harnblase (p) , unter ihm die Nieren (r) und zwischen
Fis-. 223.
Rana esculeiita. — Allgemeiner
UeLei-blick der Eingeweide. Man
hat den Frosch durch einen Längs-
schnitt geöffnet, das Brusthein weg-
genommen und die Schnittränder
auseinander gehreitet. Um die tiefer
liegenden Organe zur Anschauung
zu bringen , hat man den rechten
Leherlappen entfernt und den Darm-
knäuel bei Seite geschoben. Die
übrigen Organe sind fast gänzlich
in normaler Lage gehlieben, a, Rand
des Oberkiefers; b, Gegend des Para-
sphenoidknochens; r, Augenhöhlen;
d, Schlundkopf; e, Kaumuskeln, durchschnitten; f, Gaumenzähne auf dem Vomer ;
ij, innere Nascnöffnungen ; /;, Oelfnungen der E ustachi 'sehen Röhren ; /, Unterkiefer ;
Amphibien. 547
diesen verlaufen die weissen Bündel der Lendennerven. Unter den
Eierstöcken winden sich die langen, röhrenförmigen Eileiter (z) weiter
nach vorn. Ihre drüsigen Wände sondern die eiweissartige Substanz
ab, welche die Eier umhüllt und durch Aufnahme von Wasser be-
deutend anschwillt. Lässt man das Präparat im "Wasser, so schwellen
die Elileiter unförmlich an und theilen sich sogar in einzelne Stücke.
Ganz nach vorn sieht man das Dach der Mundhöhle mit den Ober-
kiefer- und Gaumenzähnen (/) , sowie die inneren Oeffnungen der
Nasenhöhlen (g) und der Eustachi'schen Röhren (h). Endlich sieht
man zwischen den umgeschlagenen Aesten des Unterkiefers die Zunge
mit ihrem angewachsenen Vorderende (Je) und dem freien, ausgeschnit-
tenen Hinterrande (l).
Wir werden später die Organe im Einzelnen betrachten. Nach-
dem man diesen allgemeinen Ueberblick gewonnen hat, entrollt man
den Darm , den man von dem Mesenterium loslösen muss und schlägt
ihn nach rechts, um die Lagerung der von ihm bedeckten Organe ge-
nauer betrachten zu können.
Parasiten. — Der Frosch beherbergt eine grosse Menge von
Schmarotzern, deren am häufigsten vorkommende Arten wir hier nur
kurz erwähnen, da der Anfänger nicht umhinkann, welche vorzufinden.
In den Lungen trifft man, an den "Wandungen festgesaugt, einen
grossen Saugwurm {Distomam cylindraceum), sowie einen merkwürdigen
Rundwurm (Ascaris nigrovenosa), der übrigens auch in dem Blute vor-
kommt. In der Harnblase wohnt ein anderer Saugwurm (Polgstomuin
integerrimum)] in dem Mesenterium findet sich häufig, eingekapselt,
ein Faden wurm (Fvaria rubel! a) und der Darm wimmelt von para-
sitischen Infusorien, unter welchen besonders Opalina und Paramecium
dominiren.
Tegumente. — Die Haut des Frosches ist im Allgemeinen
glatt, besonders auf dem fast farblosen Bauche, etwas rauh auf dem
stärker gefärbten Rücken und zeigt an einzelnen Stellen, wie zu beiden
Seiten der Wirbelsäule und auf den Zehen warzige, meist dunkel ge-
färbte Gebilde.
k, vorderer angehefteter Zuugenrand; w, Magen; n, Dünndarmschlingen, am Mesen-
terium angeheftet ; o, Rectum ; p, HarnWase ; q, linke Lunge ; q', rechte Lunge ;
r, Leber ; s, Gallenbhise; i, Pankreas ; v, Milz; r, Nieren ; x, linker Eierstock; x', Rest
des abgeschnittenen rechten Eierstockes; ?/ , Fettanhänge des Eierstockes; z, Ei-
leiter; 1, Stimmritze, Eingang des Kehlkopfes; 2, Herzkammer; 3, Vorkammer;
4, Aortenstamm; 5, 6, Glieder der rechten Seite, abgeschnitten; 7, Musculus humero-
uluaris ; 8, M. humero-digitalis ; 9, M. antebrachio-metacarpalis; 10, M. coraco-
radialis; 11, M. humero-antebrachialis lateralis; 12, M. humero - radialis ; 13, Zehen;
14, M. latus internus; 15, M. adductor longus ; 16, M. sartorius; 17, M. adductor
brevis ; 18, M. adductor grandis; 19, M. grandis internus; 20, jM. internus minor;
21, M. extensor femoris ; 22, M. tibialis anterior; 23, M. gastrocnemius ; 24, ^l.
tibialis posterior; 25, M. flexor tarsi; 26, Zehen; 27, Schwimmhaut zwischen den
Zehen.
548
Wirbelthiere.
Die Mächtigkeit der beiden Hauptschichten, Epidermis und Leder-
haut, variirt sehr, je nach den Regionen des Körpers. Die oberen
Lagen der Lederhaut nebst der Epidermis lassen sich ohne Schwierig-
keiten bei dem jeweiligen Hautwechsel untersuchen, wo sie in grossen
Fetzen abgestossen werden. Ausserdem muss aber die Structur der
Haut an senkrechten Schnitten untersucht werden, zu deren Fertigung
man frische Stücke zuerst in Osmiumsäure fixirt. Um schöne Prä-
parate der Epidermis zu erhalten , wählt man Stücke von jungen
Thieren oder noch besser von Kaulquappen, bei welchen die bildenden
Elemente nicht so gedrängt und deutlicher sind, als bei den erwach-
senen Thieren.
Die Epid er mis (a, Fig. 224) besteht aus mehreren Schichten von
Zellen; die oberflächlichen sind platte, polygonale Pflasterzellen, die
tieferen mehr cylindrisch. Von oben gesehen bilden sie eine ziemlich
Fig. 224.
c
Runa esculenta. — yi, Fflasterzellen der Epidermis, a, Mündungen A'on Hautdrüsen.
B, Sternzellen der Pigmentschicht (Gun dl. Oc. 1, Obj. V). C, senkrechter Durchschnitt
der Haut des Rückens, a, oberflächliche, abgeplattete Epidermiszellen ; b, cylindrische
Epidermiszellen; c, Pigmentschicht ; d, oberflächliche Schicht der Lederhaut ; e, weniger
dichte untere Schicht derselben ; /, /', schiefe und quere Durchschnitte von Blut-
gefässen; g, flaschenform,ige Drüsen, verschieden angeschnitten; h, Ausführungsgang
und Mündung einer solchen Drüse (Gundl. Oc. 1, Obj. HI).
regelmässige Mosaik (Ä, Fig. 224); jede hat einen eiförmigen Kern,
der sich stark durch Carmin färbt.
Hier und da sieht man zwischen diesen Zellen die runden Mün-
dungen der Drüsen. Auf Durchschnitten (G, Fig. 224) erscheinen sie
mehr minder regelmässig geschichtet. Die Umrisse der oberflächlichen,
in Zerfall gerathenden Zellen sind undeutlich; man sieht nur noch
zahlreiche an einander gedrängte Kerne. Auf dem Rücken, den Seiten
des Kopfes und den Zehen sieht man Rauhigkeiten und Rifi'e, welche
Amphibien, 549
die oben erwälinten Flecken hervorbringen, die namentlicli zur Be-
gattungszeit an den Daumen der Männchen stark hervortreten.
Endlich erwähnen wir noch die Anwesenheit von Pigmentzellen
und eigentlichen Chromatophoren , die namentlich in den gefärbten
Hautstellen des Rückens weit in die Epidermis übergreifen.
Die Lederhaut (C, d, e, Fig. 224) ist weit dicker als die Ober-
haut. Sie besteht wesentlich aus einem faserigen Bindegewebe mit
sehr zahlreichen Kernen, aus glatten Muskelfasern und aus Drüsen.
Ausserdem finden sich in ihr zahlreiche Blutgefässe, Nervenzweige und
Pigmentzellen.
Am Rücken ist die Epidermis ziemlich scharf von der Lederhaut
durch eine Zwischenschicht gesternter Pigmentzellen (B. Fig. 224) ge-
trennt, deren Ausläufer mit einander communiciren und so ein schwarzes
Netzwerk bilden, welches oft die Drüsen umspinnt und tief in die
Lederhaut eindringt (C, c. Fig. 224).
Die Lederhaut folgt den Faltenwürfen der Epidermis, erhebt sich
in Form kleiner Wärzchen in den erwähnten Rauhigkeiten und erscheint
glatt und eben nur an der Bauchfläche.
Unterhalb dieser Pigmentschicht zeigt die Lederhaut schon ein
netzartiges Ansehen und enthält muscnlöse Elemente ; glatte Muskel-
fasern, die sich in der Tiefe bedeutend vermehren und endlich unter
den Drüsen ein Lager gewellter Bündel bilden (C, f?, Fig. 224), das sich
deutlich von den oberen Schichten abgrenzt, aber in der Tiefe mit der
innersten Schicht (e) innig zusamrhenhängt, welche ebenso locker und
weitmaschig ist, als die Muskelschicht dicht und fest ist. In der That
besteht diese innerste Schicht aus einem weitmaschigen Netze von
Bindegewebefasern, in dessen Lücken man grosse Lymphräume und
zahlreiche Zellenkerne antrifft. Ausserdem sieht man auf Schnitten
Blutgefässe, die oft drall mit Blutkörperchen angefüllt sind (/, / ),
Die auffallendsten Gebilde aber, die zugleich für die Haut der
Amphibien charakteristisch sind, sind die Drüsen. Sie sind zahl-
reich und in unregelmässiger Weise überall zerstreut ; man findet sogar
welche im Trommelfelle und in der Nickhaut des Auges. Es sind
ursprünglich kugel- oder birnförmige Einstülpungen der Oberhaut,
welche sich in das Gewebe der Lederhaut einsenken und deren Innen-
fläche mit cubischen oder cylindrischen Zellen ausgekleidet ist, während
ihre Aussenfläche von glatten Muskelfasern, Blutgefässen und Pigment-
zellen umsponnen wird (</).
Wir können weder ihre mannigfaltigen Formen beschreiben, noch
auf ihre speciellen Functionen näher eingehen. Die Gestalt ihrer
inneren Belegzellen variirt sehr nach dem Maasse ihrer Thätigkeit.
Sie enthalten deutliche Kerne, aber ihre Umrisse lassen sich oft nicht
deutlich unterscheiden. Sie sondern bald einen neutralen, bald einen
ffiftie:en Schleim ab. der sich in der Drüsenhöhle sammelt und dui-ch
550 Wirbelthiere.
einen kleinen, einem Flaschenhälse ähnlichen Gang (G, h, Fig. 224)
nach aussen entleei't wird.
Die Hautdrüsen am Daumen der Männchen verdienen noch eine
besondere Erwähnung. Sie sind weit grösser, als die gewöhnlichen
Drüsen, dicht an einander gedrängt, so dass kaum Platz für das Binde-
gewebe der Haut bleibt, und dringen in Gestalt langer Schläuche tief
ein. Der Daumen erhält zur Begattungszeit durch sie ein geschwollenes
Ansehen und eine röthliche Farbe.
Wir erwähnen hier noch feine Nervenzweige, die zum Theil
in besondere Sinnesorgane eingehen , von welchen später die Rede
sein soll.
Das Skelett. — Seine Präparation ist leicht. Man enthäutet
das Thier, trennt die Ansätze der Sehnen und Muskeln an den Knochen
so nahe als möglich mit der Scheere und lässt nun das Ganze einige
Tage in kaltem Wasser maceriren, worauf man den Rest der Weich-
theile sorgsam abkratzt. Wenn man nicht die Knochen einzeln prä-
pariren will, muss man den Gebrauch von heissem Wasser vermeiden,
weil es die verbindenden Knorpel und Bänder zu sehr erweicht. Wir
nehmen an, dass der Leser bei dem Studium der nachfolgenden Be-
schreibung ein Skelett des Frosches zur Hand hat.
Die axiale Wirbelsäule besteht aus zehn Stücken, neun deut-
lichen Wirbeln und einem hinteren , griffeiförmigen Knochen , dem
Steissbein oder Urostyl, der aus der Verschmelzung von mehreren
ursprünglich getrennten Wirbeln hervorgegangen ist (10, Fig. 225).
Die Körper der vorderen Wirbel sind deutlich von oben nach
unten abgeplattet und nur unvollständig verknöchert, so dass man
durch Querschnitte einen Rest der embryonalen Chorda in ihrem Kerne
nachweisen kann. Der diesen Rest umgebende Knochenring setzt sich
direct in die oberen Bogen (Neurapophysen) fort, welche an ihrem
Hinterrande die mit Knorpel umgebenen Gelenkköpfe tragen , die in
entsprechenden Aushöhlungen der Vorderfläche des nächstfolgenden
Wirbels eingelenkt sind (procöle Wirbel). Die Bogen der Neur-
apophysen vereinigen sich in sehr kurzen und abgestumpften Dorn-
fortsätzen. Der neunte Wirbel (Kreuzbeinwirbel) besitzt keinen Dorn-
fortsatz.
Mit Ausnahme des ersten Wirbels, des Atlas , tragen alle übrigen
Wirbel grosse, platte Querfortsätze, die am vierten und neunten Wirbel
ihre grösste Länge erreichen , schief nach hinten gerichtet und an
ihrem distalen Ende stark verbreitert sind (4 und 9, Fig. 225). Jeder
Querfortsatz trägt an seinem Ende einen knorpeligen Anhang. Wahre
Rippen fehlen durchaus.
Die Wirbel sind durch starke, faserige Längsbänder, die von einem
Wirbelkörper zum anderen übersetzen v;nd durch Aponeurosen verbunden.
Amphibien.
551
Fio-. 225.
welche zwischen den Neurapophysen ausgespannt sind. Ihre Beweglich-
keit, die indessen nur gering ist, wird durch die erwähnten Gelenke
vermittelt, welche mit dünnen Kuorpellamellen ausgekleidet sind.
Der vorderste und
hinterste Wirbel zeigen
jeder besondere Eigen-
thümlichkeiten.
Der ringförmige At-
las (1, Fig. 225, 226)
hat keine Quevfortsätze.
Sein Körper ist stark
abgeplattet, seine oberen
Bogen sehr breit, der
Dornfortsatz rudimentär
und von knorpeliger
Beschaffenheit. Die bei-
den Gelenkflächen seiner
Vorderfläche, in welche
die Gelenkköpfe des
Hinterkopfes eingelas-
sen sind , werden durch
einen mittleren Knopf,
den Zahnfortsatz
(Processus odonteideus)
von einander getrennt.
Der neunte Wirbel
ist der einzige, der mit
dem Beckengürtel in Be-
ziehung tritt. Er unter-
scheidet sicli von den
anderen Wirbeln durch
einen vorderen Gelenk-
kopf, der in einer Aus-
höhlung der Hinter-
fläche des achten Wir-
bels spielt, und durch
zwei hintere , kugel-
förmige Gelenkköpfe,
welche mit dem Steiss-
beine articuliren (siehe
weiter unten beim
Beckengürtel).
Das Steissbein,
Os coccygis (Fig. 225,
Rana esculenta. — Das Skelett in natürlicher Grösse,
von oben gesehen, a, oberes Hinterhauptsbein ; h, seit-
liche Hinterhauptsbeine; c, Felsenbein; d, Stirnscheitel-
bein; e, Ethmoideum; /, Nasale; g, Pterygoideum ;
Ii, Tympanicum; i, Jugulare ;- l; Maxillare ; /, Inter-
maxillare ; m, Nasenlöcher in den Stirnnasenbeinen;
M, Schulterblatt; o, Humerus ; p, q^ Vorderarmbein
(Radius und Ulna verschmolzen); ?■, Handwurzel;
s, Mittelhand ; t, lliacum ; u, Pubis ; v, Gelenkhöhle
des Schenkels ;^- x, Schenkelbein ; t/, ünterscheukelbein
(Tibia und Fibula vei'schmolzen) ; 2, Astragalus ; 1 — 9,
Wirbel; 10, Os coccygis; 11, Calcaneum ; 12, Fuss-
wurzel ; 13, Mittelfussknochen ; 14, Zehen.
552
Wirbelthiere.
./•—
226, 10), ist ein langes, säbelförmiges Knochenstück, das an seinem
Vorderende zur Bildung der Gelenkhöhlen für die Fortsätze des neunten
Wirbels anschwillt. Es endet mit einer knorpeligen Spitze und zeigt
in den ersten zwei Dritteln seiner Länge einen scharfen Kiel.
Der Wirbelcanal setzt sich nur über einen kleinen Theil des
Steissbeines fort, das auf den Seiten zwei kleine Nervenlöcher zeigt,
vor welchen Rudimente von Querfortsätzen
sich finden. Bei erwachsenen Thieren erhält
sich keine Spur der ursprünglichen Meta-
merie des Knochens.
Der Hirnschädel (Fig. 225 bis 228) hat
die Gestalt einer Röhre; er bildet nur einen
geringen Bruchtheil des Kopfskelettes, dessen
-* Volumen durch die Ausweitung der Gesichts-
-~L knochen und namentlich der Kiefer, sowie
durch die fast horizontale Lagerung der
grossen Augenhöhlen bedingt ist.
Das Schädelrohr ist auf der dorsalen
Fläche abgeplattet ; nach vorn verbindet es
sich durch die Nasenknorpel mit dem Ober-
kieferbogen , nach hinten läuft es in zwei
seitliche Flügel aus, welche die Gehörkapseln
einschliessen.
Der knorpelige Primordialschädel ver-
knöchert nur theilweise bei den erwachsenen
Thieren, wo stets Reste des Knorpels sich
vorfinden, die am trockenen Skelette ein-
schrumpfen und deshalb nur an frischen
Exemplaren untersucht werden können. Die
einzelnen, den Hirnschädel zusammensetzen-
den Knochen verschmelzen meist so innig
mit einander, dass ihre Verbindungsnähte
e, knoi'pelio;e Seitenwand des • i t i • i t
', ,/ n -^ ^ ., Sich nur schwer nachweisen lassen. im
Schädels; j, tthmoideum ; r/,
Raiia escidenta. — Skelett des
Schädels und der Wirbelsäule
in ventraler Ansicht, a, Occi-
pitalia lateralia ; b, Sphenoi-
deum ; c, Petrosum ; d, Aus-
trittsloch des N. trisreminus :
Knorpelkapsel der Nase; /;,
Pterj'goideum ; ?', dessen vor-
Vergleiche zum Schädel der Fische erscheint
derjenige des Frosches weit einfacher, aus.
derer Ast; A;, Maxillare ; /, Ge- weniger einzelnen Knochen zusammengesetzt
lenkhohle des Unterkiefers; ^jjj weiter in der Verknöcherung vorge-
m, Palatinum ; n, Vomer; o,
Intermaxillare ; p, vorderer Ast
des Hyoideum (Cartilago sty-
loidea); 1 — 10, Wirbel.
schritten.
Die Hinterfläche des Schädels wird von
zwei seitlichen Hinterhauptsbeinen
(Fig. 225,0; 226, a) eingenommen, welche das
grosse Hinterhauptsloch umfassen, dessen Umwallung oben und unten
durch knorpelige Stücke vervollständigt wird, die bei anderen Wirbel-
thieren zum Grundbein und oberen Hinterhauptsbein werden. Jedes
Amphibien.
553
seitliche Hintei'hauptsbein trägt eineu vorgewölbten, schief gegen den
Unterrand des Hinterhauptsloches gelagerten, mit Knorpel überzogenen
Gelenkkopf. Diese beiden, allgemein bei den Amphibien vorkommenden
Gelenkköpfe spielen in entsprechenden, au der Vorderfläche des ersten
Wirbels (Atlas) gelegenen Geleukhöhlen. Die Hintei'hauptsbeine sind
mit dem Atlas durch ein starkes Sehnenband verknüpft, das sich einer-
seits an ihre Basis , anderseits an den Körper des ersten Wirbels an-
setzt. Eine durch eine leichte Knoi'pelkante kenntliche Naht ver-
bindet die Hinterhauptsbeine an ihren unteren Seitenflächen mit dem
Felsenbeine. Zwischen dieser Kante uud dem Gelenkkopfe zeigt sich
Pio-. 227. ßi'i Grübchen und ein Loch
n „ _ c.n. zum Durchtritt des herum-
schweifenden Nerven.
Das Felsenbein (Fig.
225, 226, c; 227, 228, j^)
liegt seitlich etwas vor dem
Hinterhauptsbein, mit wel-
chem es durch knorpelige
Reste des Primordialschä-
dels verbunden ist. Es um-
schliesst in einer Höhle,
die weit gegen die Schädel-
hölile geöffnet ist, das Hör-
labyrinth , welches durch
das ovale Fenster nach
aussen communicirt. Das
Felsenbein erstreckt sich
nach vorn bis zum Hinter-
rande der Orbita, und zeigt
hier ein Durchtrittsloch
für den Tx'igeminus und
die Augenmuskelnerveu.
Auf seiner äusseren, nicht
verknöcherten Seitenfläche
tritt der Facialis durch,
neben einem Fortsatze, au
welchen der Suspensions-
apparat des Unterkiefers
eingelenkt ist. Der hintere
Knorpeltheil des Felsen-
beines steht mit einem, nach
hinten und unten gerichteten, dünnen Knorpelstäbchen, dem Griffel-
knorpel (jj, Fig. 226), in Verbindung, welches zu dem Zungenbeine sich
begiebt.
Ruau bscideida. — Die knorpelige Grundlage de<
Obertheiles des Kopfskelettes, zweifach vergrössert.
Die Knorpelpartien sind blau gefärbt, o, Occipitale;
;), Petrosum ;//>, Frontoparietale ; e, Etlimoideum ;/■«,
Frontonasale; pt, pt', vorderer und hinterer Ast
des Pterygoideum ; t^, fi, fi , vorderer, mittlerer und
hinterer Ast des Tympanicum ; /, Jugale ; m, Maxil-
lare; cw, Nasengrube; s', Primordialschädel mit den
Lücken / und /'; sp, knorpeliges Suspensorium des
Unterkiefers ; sj)', Verlängerung desselben, die sich
hinter das Tympanicum schlägt ; sj}", vordere Ver-
längerung desselben, die sich über das Pterygoideum
hinüberschlägt und bei s ii mit dem Nasenknorpel
verschmilzt ; n, Knorpelkapsel der Nase mit ihren
Verlängerungen // — n'" ; ctn, flügeltörmiger Nasen-
knorpel. (Nach Ecker.)
554 Wirbelthiere.
Die obere Wölbung des Schädels wird grossentheils von zwei
langen Deckplatten, den Stirn scheite Ibeinen (d, Fig. 225;//»,
P'ig. 227, 228), gebildet, die unmittelbar auf dem in Fig. 227 und 228
durch blaue Färbung kenntlich gemachten , knorpeligen Primordial-
schädel aufruhen. Sie sind in der Mittellinie durch eine Sagittal-
naht verbunden, an den Augenrändern leicht ausgeschweift und treten
nach hinten mit den Hinterhaupts- und Felsenbeinen, nach vorn mit
dem unpaaren Siebbeine (e, Fig. 225, 227) in Verbindung. Cuvier
nannte diesen letzteren^nochen das Gürtelbein (Os en ceintiire); er
schliesst in derThat nach vorn die Schädelhöhle durch eine hintere Aus-
höhlung ab, während er nach vorn zwei kleinere Aushöhlungen zeigt,
die den Hintergrund der Nasenhöhlen bilden.
Oben theilweise durch den Vorderrand der Stirnscheitelbeine be-
deckt, breitet sich das Siebbein seitlich gegen die Augenhöhlen atis
und verbindet sich nach unten mit dem Keilbeine, so dass nur sein
hinterer Theil einen Ring bildet. Nach vorn verbindet es sich mit den
Nasenknorpeln (Fig. 227, w), welche die Nasenhöhle umschliessen.
Das Nasenstirnbein (m, Fig. 225; fn, Fig. 227) ist platt und
von dreieckiger Gestalt. Es begrenzt nach vorn die Augenhöhle, deren
äusserer Rand vom Gaumenbeine gebildet wird. Es bildet ein solides
Dach für den Nasenknorpel und erstreckt sich jederseits in den durch
das vordere Ende des Flügelbeines, den Oberkiefer, das Siebbein und
den Zwischenkiefer umschriebenen Raum.
Vor dem Siebbeine, in der Verlängerung der mittleren Schädel-
axe , liegt die gänzlich im Knorpel ausgehöhlte Nasenkapsel
(w, Fig. 227, 228), die durch eine knorpelige Längsscheidewand in
zwei symmetrische Hälften getrennt wird. Jede so gebildete Nasen-
grube ist vorn weiter als hinten und endet in der erwähnten Aus-
höhlung der Vorderfläche des Siebbeines. Der sehr unregelmässig ge-
staltete Nasenknorpel (r/, Fig. 226) erfüllt den Raum zwischen
den Zwischenkiefern und den Vorderenden der Oberkiefer und zeigt
einen nach hinten gerichteten, von den Flügelbeinen unterstützten
krummen Fortsatz. Unsere Figuren 227 und 228 stellen (n n n")
die Bildung dieser mächtigen Knorpelmasse besser dar, als Beschrei-
bungen es vermögen.
Dieselben Figuren zeigen auch den Antheil, welchen die knorpelig
gebliebenen Reste des Primordialschädels an der Bildung der Schädel-
kapsel überhaupt nehmen. Unter den Deckplatten der Stirqscheitel-
beine zieht sich eine breite Lamelle (s ) von dem Siebbeine bis zum
Hinterhauptsloche hin , wo sie das nicht verknöcherte obere Hinter-
hauptsbein ersetzt. Eine weite, nur mit Bindegewebe erfüllte Lücke
(/) durchbohrt diese Lamelle. Eine ähnliche Lamelle (s , Fig. 228)
bildet den Boden der Schädelhöhle über dem Keilbeine. Sie zeigt zwei
Löcher (r, r' ) zum Durchtritte des Opticus und des Abducens. Seitlich ver-
Amphibien.
555
einigen sich diese beiden Lamellen durch die erwähnten faserig-
knorpeligen Wände, so dass der Primordialschädel so zu sagen die
ganze Innenfläche des knöchernen Hirn&chädels auskleidet.
Das Keilbein (h, Fig. 226; s, Fig. 228) bildet den Boden des
Schädels und das Dach der Mundhöhle. Von der ventralen Seite aus
betrachtet, zeigt es die Gestalt eines Dolches mit breiter Klinge, sehr
kurzem Handgriff und grossen seitlichen Wehrstangen. Es ist eine
Deckplatte, welche nach hinten sich mit dem Grundknorpel des Schädels
verbindet, vorn bis zum Siebbeine reicht, während die Seitenflügel die
Hinterhaupts- und Felsenbeine von unten decken. Mit den Stirn-
scheitelbeinen ist es durch eine faserknorpelige Lamelle verbunden,
welche die seitliche Schädelwand bildet.
Die Schädelbasis wird durch den doppelten Vomer vervollständigt
{)i, Fig. 226; v, Fig. 228), welcher den Raum zwischen den Gaumen-
Fig. 228.
beinen und den Zwischen-
kiefern unter dem Nasen-
knorpel ausfüllt. Der A^or-
derrand dieser Knochen, die
auf ihrer Unterfläche eine
Querreihe kleiner , spitzer
Zähnchen tragen , ist un-
regelmässig ausgeschnitten.
Gesichts Schädel. —
Der Oberkieferbogen
wird von zwei Knochen-
paaren gebildet. Die
Zwischenkiefer (?, Fig.
225; i, Fig. 228) liegen
vorn in der Mittellinie und
bilden die etwas vorge-
zogene Schnauzenspitze.
Zweifach vergrösserte, knorpelige ^'^^ tragen eine einfache
Schädelbasis. Die Knorpel blau, o, Occipitale; Reihe kurzer Hakenzähn-
p, Petrosum; s, Sphenoideum ; /^^, Frontoparietale; chen und bilden nach hin-
;,^Pterygoideum;i,Jugale; ,„ Maxillare; .-, Inter- ^^^^ ^-^^^^ aufsteigenden
maxiUare ; pt, Falatmum ; v, \omer;-r, Austritts- „ „ , .
loch des Sehnerven; >■', Id. des N. abducens; c, ^^ O^'^satz , auf welchen die
Felsenbeinknorpel; pt', Gelenkfläche fiir das Ptery- bewegliche Platte, welche
goideum; sp, Suspensorium des Unterkiefers luit das Nasenloch schliesst,
seinen Verlängerungen sp' und sp"; n, knorpelige eingelenkt ist. Der Ober-
Nasenkapsel mit ihren Verlängerungen n — n" . t • p / tt r^-.- r.mN
,,-,„.? " kiefer («?, Fig. 22/, 228)
(Nach Ecker.) , \ ' o ' /
ist dünn und lang, vorn
breiter als hinten; er bildet den äusseren Rand des Kopfes und giebt
diesem durch seine Krümmung das eigenthümliche Aussehen. Vorn
verbindet er sich mit dem Nasenstirnbein und dem Zwischenkiefer;
Rana esculenta.
556 Wirbelthiere.
nach hinten legt er sich an das Aufhängegerüst des Unterkiefers an.
Auf der Unterseite zeigt er eine Rinne, deren innerer Rand mit einer
Reihe von Zähnchen besetzt ist (K, Fig. 226).
Der Gaumenflügelbogen besteht ebenfalls aus zwei auf der
Unterfläche des Kopfes liegenden Knochenpaaren. Die Gaumen-
beine (m, Fig. 226; pl, Fig. 228) liegen unter dem Vordertheile des
Siebbeines. Sie bilden zwei quere Brücken zwischen den Unterkiefern
lind den Vorderblättern des Keilbeines.
Etwa dem Oberkiefer parallel laufen die Flügelbeine (</, Fig. 225; .
pt, Fig. 226, 227, 228); durch einen nach hinten und unten gerich-
teten Fortsatz verbinden sie sich mit dem Keilbeine und durch einen
äusseren Fortsatz mit dem Suspensionsapparat des Unterkiefers. Der
gekrümmte vordere Ast des Knochens verbindet sich an seinem Ende
mit dem Oberkiefer und dem Nasenstirnbeine.
Der Unterkieferbogen besteht aus zwei, durch das Gelenk
unterbrochenen Theilen , dem Aufhängeapparat und dem eigentlichen
Unterkiefer. Der erstere, horizontal nach aussen gerichtete Theil be-
steht aus zwei, nur zum Theil verknöcherten Stücken: das Quadrat-
bein (/t, Fig. 225; sp, Fig. 227, 228), das Tympanicum Cu vi er 's,
entsendet einen spitzen Fortsatz (sp ) nach vorn über das Flügelbein
und verbindet sich an seiner Basis mit dem Felsenbeine, während ein
schief nach hinten gerichteter Ast sich mit seiner Vorderfläche an
das Jochbein (j) anlegt. Dieser spitze Dorn (sp ) nimmt durch
seine Basis Antheil an der Bildung der Gelenkhöhle für den Unter-
kiefer und verbindet sich nach vorn mit dem Oberkiefer.
Der eigentliche Unterkiefer (Fig. 229) besteht aus zwei Bogen,
welche vorn in der Mittellinie zusammenstossen und jeder aus meh-
Fio-. 229. ^ reren knöchernen und knorpeligen
Stücken zusammengesetzt ist. Die
Hauptrolle unter den letzteren spielt
der Meckel'sche Knorpel (a) , der
allein den Gelenkkopf des Kiefers bil-
Rana esculenta.- Km Ast des Vnter- ^g^. ^^^^ ^^^y^ g,.^^ ^-^ -^ ^-^ j^.^^^
kiefers. a, M ecke 1' scher Knorpel; . ^ . , ^ , -,-^ ■ ^
, . 1 A .• 1 7 r> 4- 1 seiner Lange erstreckt. Er wird aussen
0, Angulare; c, Articulare; «, Dentale. _ °
von einer ausgehöhlten , knöchernen
Deckplatte umhüllt, deren Rinne er ausfüllt und die nach vorn sich
über den Knorpel hinaus erstreckt, um mit drei Ergänzungsknocben
in Verbindung zu treten. Der eine, das Angulare (5), wie es Duges
genannt hat, gleitet hinter die Spitze des Articulare (c), welchem das
hier freilich durchaus zahnlose Dentale (d) folgt. Der Gelenkkopf
des Meckel'schen Knorpels spielt in der Höhle des Quadratbeines
(/, Fig. 226).
Das durchaus knorpelige Zungenbein (Fig. 230) besteht aus
einem platten, scliiklförmigen Körper (a) , der an der Basis der Zunge
Amphibien.
557
liegt und nach vorn zwei Hörner, die Griffelstäbe (f?) , aussendet,
die sich nach hinten und oben krümmen und schliesslich jederseits
an das Felsenbein anlegen. Von seinem Hinterrande gehen zwei
Knochenstäbchen aus, die Schildstäbe oder Thy r oid hör n er (e),
welche den Kehlkopf umfassen. Die Winkel des schildförmigen Körpers
sind in kurze Fortsätze ausgezogen, von welchen die vorderen (b)
breit und abgerundet, die hinteren (c) spitz und griffeiförmig sind.
Vorderglied. — Der Schultergürtel besteht bei der Larve ur-
sprünglich aus einem Stücke und ist durchaus von Knorpel gebildet, der
auch zum grossen Theile bei der späteren Verknöcheruug erhalten bleibt,
da nur vereinzelte Knochenstücke sich auf und in dem ursprünglichen
Knorpel ausbilden. Wir können die unpaaren Knochen als Brustbein, die
paaren als Schultergürtelhälften auffassen , müssen aber betonen , dass
Fia-. 231.
Fig. 230. — Raiia esculenta. — Dreifach vergrössertev Hyoidknorpel. o, Körper;
i, vordere Bogen; c, hintere Bogen; d, Griffelfortsätze; e, Thyroidhörner.
Fig. 231. — Rana escnleutu. — Brustbein mit dem Schultergürtel, etwa dreifach
vergrössert. Die knöchernen Theile sind schraffirt. o, b, Episternum ; c, c/, Hypo-
sternum; e, centraler Knorpel; /, Coracoideum ; g, Clavicula ; h, Primordialknorjiel ;
i, Schulterblatt ; k, oberes Schulterblatt ; /, dessen verknöcherter Theil ; m, (links) Foramen
ovale ; m, (rechts) Gelenkhöhle.
es nicht ganz leicht ist, innerhalb der knorpeligen Vei'bindungen zu
unterscheiden, was dem einen oder anderen angehört.
Das in der Mittellinie der Brust gelegene Sternum besteht
wesentlich aus zwei Stücken, dem vorderen Episternum (fl, &, Fig. 231)
und dem hinteren Hypo sternum (c. d). Jeder dieser Theile wird
von einem centralen, griffeiförmigen Knochenstücke (a, c) und einer
diesem aufgesetzten dünnen, halbmondförmigen Knorpelplatte (6, d)
gebildet, die sich an den Rändern so verdünnt, dass sie durchsichtig
erscheint. Zwischen dem , den proximalen Enden der Schlüsselbeine
aufgesetzten Episternum und dem in gleicher Weise zu den Raben-
558 Wirbelthiere.
beiucn sich verhaltenden Hyposternum ist in der Mittellinie eine
Knorpellaraelle als Rest des Urknorpels eingeschaltet, welche das eigent-
liche Sternum (e) darstellt.
Der S chultergürt el wird von vier, durch Knorpel verbundenen
und vervollständigten Hauptstücken gebildet; dem über den Rücken
hinübergeschlagenen Ober -Schulterblatt, dem eigentlichen seitlichen
Schulterblatt und zwei queren, die Verbindung mit dem Sternum
herstellenden Stücken , dem Schlüsselbeine vorn und dem Rabenbeine
hinten.
Das Ober-Schulterblatt (Z;, l, Fig. 231) hat die Gestalt eines
Spatels. Der freie verbreiterte Randtheil (A-), der sich an die Wirbel-
säule anlegt (n, Fig. 225), erscheint bei Trockenpräparaten sehr durch
die Schrumpfung des Knorpels in seiner Form verändert; nur der
Handgriff des Spatels, der dem Schulterblatte ansitzt (7), verknöchert,
besonders am Vorderrande. Man sieht auf seinen beiden Flächen feine,
zu dem freien Rande ausstrahlende Streifen.
Das Schulterblatt (/, Fig. 231) ist ein viereckiges, langes, in
der Mitte etwas ausgekehltes Knochenstück, an das vorige durch
Knorpel eingelenkt; es zeigt an seinem unteren, ventralen Rande eine
Rinne, deren Ränder die Anlage zweier Fortsätze bilden, mit denen es
sich an das Rabenbein anschliesst. Zwischen diesem und dem Schulter-
blatte, doch grösstentheils im Bereiche des letzteren, ist die Geleuk-
höhle (m) angebracht, in welcher der Kopf des Humerus spielt.
Das Rabenbein (/, Fig. 231) gleicht in der Form einer liegen-
den Sanduhr, deren Sternalende breiter ist, als das gegen das Schulter-
blatt gerichtete Ende. Zwischen beiden Knochen wird die Verbindung
durch den Gelenkknorpel {Cartilago paragJenoidalis , Duges) her-
gestellt.
Das weit dünnere, aber dem vorigen parallel gelagerte Schlüssel-
bein {g, Fig. 231) ist von ihm durch eine ovale Lücke (;») getrennt.
Das Sternalende ist spitz, das Aussenende verbreitert. Beide Enden
treten zu den Knorpelraassen , die wir schon erwähnten, so dass der
Gürtel auf der Sternalseite vollkommen geschlossen ist.
Arm. — Wir treten hier zum ersten Male dem pentadactylen
Typus der Extremitäten gegenüber, der sich sofort durch eine unab-
änderliche Reihenfolge der einzelnen Theile einführt, einen Oberarm-
knochen (Humerus), zwei Vorderarmknochen (Radius und Ulna), die
aus mehreren Carpalknochen bestehende Handwurzel, fünf Mittel-
handknochen und ebenso viel, aus mehreren Phalangen zusammen-
gesetzte Finger.
Der Humerus (Fig. 232) ist ein mächtiger, an beiden ab-
gerundeten Enden verdickter Cylinderknochen. Der proximale, mit
Knorpel überzogene Gelenkkopf (c) spielt in der zwischen dem Schulter-
Amphibien.
559
Fig. 232.
Fio-. 233.
blatte und dem Rabenknorpel ausgeschweiften Gelenkhöhle; das distale
Ende trägt einen vorspringenden , halbkugelförmigen Gelenkkopf (c'),
der in eine Höhle des Vorderarmknochens eingepasst ist. Auf der
Innenfläche springt eine bedeutende, bis zur Hälfte der Länge hinab-
reichende Leiste vor, die Crista deltoidea; bei den Männchen findet
sich ausserdem am Innenrande der distalen Hälfte eine zweite, vor-
spi'ingende Leiste, die Crista mediaJis (cm), die bei den Weibchen
nicht ausgebildet ist.
Der Vorderarm (q, Fig. 225; rt, ?>, c, Fig. 233) besteht aus einem
einzigen, von vorn nach hinten abgeplatteten Knochen, dessen ur-
sprüngliche Verschmelzung aus zwei Knochen, Radius und Ulna, durch
eine besonders in der
distalen Hälfte ausge-
prägter Längsfurche an-
gedeutet ist. Das proxi-
male Ende trägt die
Gelenkhöhle für den
unteren Kopf des Hume-
rus; das bedeutend ange-
schwollene distale Ende
ist mit Knorpel belegt,
der auf der Radialseite
(b) dreieckig, auf der
Ulnarseite (c) mehr ab-
gerundet vorspringt.
Die Handwurzel
(Fig. 233) besteht aus
zwei Reihen kleiner,
während des ganzen
Lebens grösstentheils
knorpelig bleibender
Carpalknochen. Die
proximale Reihe besteht
aus drei Knochen, von
welchen der erste (Os
pyramidcde, d) mit dem
Cubitalende des Vorder-
armbeines, der zweite (Lunare, e) mit dem Radialende desselben
Knochens eingelenkt ist , während der dritte (Navicidare, f) nicht an
dem Vorderarmgelenke theilnimmt. Die zweite Reihe besteht eben-
falls aus drei Knochen, dem sehr grossen Hakeubeine (Ca_pifafo-
hamatum , g), welches einei-seits mit dem Pyramidale und Lunaro,
anderseits mit den drei äusseren Mittelhandknochen eingelenkt und
offenbar aus der Verschmelzung mehrerer Stücke hervorgegangen ist.
Fig. 232. — Ranu escidenta. — Zweifach vergrösserter
Humerus des Männchens. u , vorderer Geleukkopf ;
Z», hinterer Gelenkkopf ; cc/, Crista deltoidea; cm, Crista
medialis; t, Trochlea. (Nach Ecker.)
Fig. 233. — Raiia esculenta. — Schwach vergrösserter
Vorderfuss. a, Vorderai-mknochen ; b, radiale Hälfte
desselben; c, cubitale Hälfte ; (Z, Pyramidale ; e, Lunare ;
/, Naviculare ; g, Capitato-hamatum ; h, Trapezoideum ;
/, Trapeziuni ; fc, Metacarpale des Daumens ; /, üln'ige
Mittelhandknochen ; m , Phalangen der vier letzten
Fincjer 2—5.
560 Wirbelthiere.
und zwei kleinen Knöchelchen, von welchen das äussere {Trapezoi-
detim, h) die Verbindung des Naviculare mit dem Mittelhandknochen
des zweiten Fingers herstellt, während das innere (Trapezitim, i) den
Mittelhandknochen des Daumens mit dem Naviculare verbindet. Alle
diese Carpalknochen sind in sehr verschiedener Weise gedeutet und
benannt worden; wir bebalten die Bezeichnungen von Ecker bei.
Die Mittelhand (?) zeigt vier lange, stabförmige Knochen für
die äusseren Finger und ein sehr kleines Knöchelchen für den Daumen,
das besonders bei den Weibchen sehr reducirt ist und oft ganz zu
fehlen scheint. In der That spielt bei den Fröschen der zweite Finger
die Rolle des Daumens und er ist es auch , der bei den Männchen die
charakteristischen Bildungen zeigt, die schon erwähnt wurden. In
Folge der Rolle, die er bei der Begattung spielt, ist auch sein Knochen-
gerüst stärker entwickelt, so dass man schon an der mächtigen Aus-
bildung seines Mittelhandknochens das Geschlecht des Thieres erkennen
kann, dem das Skelett entnommen wurde.
Phalangen sind nur an den äusseren vier Fingern entwickelt;
der Mittelhandknochen des Daumens trägt keine Fingerglieder und
bleibt gänzlich von der Haut iimhüllt. Der zweite und dritte Finger
zeigen nar zwei, der vierte Finger, der unter allen der längste ist, und
der fünfte Finger dagegen drei Glieder.
Die Verschmelzung des Radius und der Ulna zu einem einzigen
Knochen macht jede Pronation und Supination unmöglich. Die natür-
liche Stellung der Hand ist in halber Pronation.
Das Hinterglied des Frosches ist bedeutend länger und mäch-
tiger als das Vorderglied und in jeder Beziehung vollkommener ge-
bildet. Es ist das wesentlichste Bewegungsorgan des Thieres; vor-
trefflich zum Springen auf dem Boden organisirt, wird es durch die
zwischen den Zehen ausgebreitete Schwimmhaut ein mächtiges Ruder-
organ im Wasser.
Der Becken gürtel (t,u,v,Fig.22ö), der die Beine mit der Wirbel-
säule fest verbindet, hat im Ganzen die Form eines langgestreckten V,
dessen Spitze durch die Scham- und Sitzbeine gebildet wird, während
die beiden Darmbeine die Seiten darstellen. Zwischen ihnen in der
dorsalen Mittellinie erstreckt sich der Stachel des Steissbeiues. Die drei
Beckenknochen nehmen an ihrer hinteren Vereinigung gemeinsamen
Antheil an der Bildung der weiten und tiefen Gelenkhöhle (Äeetahulum)
für den Kopf des Oberschenkelbeines.
Die beiden Darmbeine (t, Fig. 225) übertreffen an Grösse die
anderen. Sie vereinigen sich mit ihren hinteren, verbreiterten Enden
in der Mittellinie und legen sich mit ihrem hinteren Rande an die
Scham- und Sitzbeine. Ihre stabförmigen , dünnen Vorderenden sind
durch eine knorpelige Symphyse mit den Querfortsätzen des nennten
Wirbels verbunden. Ueber den grössten Theil ihrer Länge zieht sich
Amphibien.
561
Fiff. 234.
eine säbelförmige, scharfe, verticale Leiste, an welche sich die Mus-
keln festsetzen. Der abgerundete, untere Rand ist leicht geschweift.
Die kurzen, unregelmässsig in ihren Conturen zugerundeten Sitz-
beine {v, Fig. 225) legen sich mit ihren inneren Flächen an einander
und zeigen an der Verbindungslinie eine vorstehende, verticale Leiste
mit convexem Hinterrande. Nach vorn vereinen sie sich mit den
Darmbeinen, nach hinten mit den Schambeinen {u, Fig. 225), die
knorpelig bleiben und sich wie ein dreieckiger Keil in den mittleren
Raum zwischen den anderen Knochen einschieben.
Das Schenkelbein (;k, Fig. 225)
ist ein langer, cylindrischer, leicht
S-förmig gekrümmter Knochen. Sein
runder, mit Knorpel überzogener, proxi-
maler Gelenkkopf spielt in dem Ace-
tabulum des Beckengürtels; sein dista-
les Ende ist auf der Fläche gegen den
Vorderbeinknochen leicht abge-
plattet. Dieser gemeinsame Knochen
{y, Fig. 225) ist wie der entsprechende
des Vorderarmes aus der Verschmel-
zung des Schien- und Waden-
beines hervorgegangen, wie man sich
durch die Gegenwart einer Längsfurche
und auf Querschnitten, durch die Exi-
stenz zweier, mit den Berührungs-
rändern verschmolzenen Markröhren
überzeugen kann. Nur sind dieselben
so innig zusammengefügt, dass sie
zum Ansätze der Muskeln nur eine
seitlich zusammengedrückte Axe bie-
ten, auf deren Mitte man ein kleines,
in eine enge Spalte führendes Ernäh-
rungsloch sieht. Die vordere Epiphyse,
welche eine doppelte Längsfurche
zeigt, bildet mit dem entsprechenden
Geleukkopfe des Oberschenkels das
knochen ; e, Cuboideum ; /, Naviculare ; Kniegelenk, das durch eine starke
rj, h, Cunoidea (Duges); i, i, Meta- Kapsel mit Sehnenbändern umhüllt
tarsalia ; k, Fingerglieder. wird.
Die Fusswurzel (z, 11, Fig. 225) zeigt, wie die Handwurzel,
zwei Reihen von Knochen , aber sehr ungleich ausgebildet. Die erste
Reihe besteht aus zwei langen, mit ihren nur theilweise verknöcherten
Enden verschmolzenen Knochen, dem Fersenbeine (Z), Fig. 234) und
dem Sprungbeine (c, Fig. 234). Die zweite Reihe besteht aus
Vogt u. Yiiiig, prakt. vargl. Anatomie. II. grj
Rana esculenta. — Schwach vergrgsser-
ter Hinterfuss. «, Vorderbeinknochen ;
h , Astragalus ; c, Calcaneum ; d, d',
verschmolzene Köpfe der Fusswurzel-
562 Wirbelthiere.
vier Knöchelchen, dem scheibenförmigen Cuboideum (e), auf dem die
Mittelfussknochen der zweiten und dritten Zehe eingelenkt sind ; dem
Naviculare (/), vor dem Mittelfussknochen der ersten Zehe, und zwei
zur Seite gelegenen Knöchelchen (g, h) , die einen kleinen , hornigen
Sporn tragen, der auch am lebenden Thiere zu sehen ist und als Rudi-
ment eines sechsten Fingers angesprochen wurde.
Die fünf Mittelfussknochen sind lang, stabförmig, wie an
der Hand. Die erste und zweite Zehe haben zwei Phalangen, die
dritte und fünfte drei und die vierte, die längste von allen, vier Zehen -
glieder.
Muskel System. — Vergleicht man die Musculatur des Frosches
mit derjenigen des Barsches und der Fische im Allgemeinen , so fällt
die bedeutende Entwicklung und Differenzirung der Muskeln der
Gliedmaassen gegenüber der Musculatur des Stammes besonders auf.
Man untersucht dieses System am besten an frisch enthäuteten und in
schwachem Weingeist aufbewahrten Thieren, wo die einzelnen, etwas
erhärteten Bündel sich leichter von einander trennen lassen. Auch
kann man die enthäuteten Thiere vor der Präparation zwei oder drei
Tage in einer 20procentigen Lösung von Salpetersäure liegen lassen.
Nur muss man in diesem Falle znv Schonung der Instrumente das
Thier vorher sorgfältig auswaschen und jede Spur von Salpetersäure
entfernen.
Die Hautmuskeln, welche bei höheren Wirbelthieren oft eine
sehr bedeutende Rolle spielen und bei Fischen fast ganz fehlen, sind
hier nur sehr schwach entwickelt. Der Brustbein ha utmuskel,
der seiner Dünne und Durchsichtigkeit wegen mit Vorliebe zu histo-
logischen Untersuchungen verwendet wird, wird von zwei viereckigen
Lamellen gebildet, die sich hinten jederseits in der Höhe der Knorpel-
leiste des Hyposternum an die Aponeurose der äusseren, schiefen Mus-
keln und vorn an die Haut der Brust festsetzen. Zwei kleine Rücke n-
hautmuskeln, die beim Abhäuten sogleich in die Augen fallen,
finden sich in der Steissgegend an der Einlenkung der Schenkel.
Körper muskeln. — Nachdem das abgehäutete Thier mit der
Rückenseite befestigt worden ist, sieht man aiif der Bauchseite folgende
oberflächliche Muskeln:
Der gerade Bauchmuskel (r, /, Fig. 235) inserirt sich mit
einer starken Sehne an der unteren Fläche des Pubis. Der nach vorn
verlaufende, stark verbreiterte Muskel theilt sich bald in zwei, ein
schiefes Seitenbündel (r) , welches sich mit der Bauchportion des
Brustmuskels verbindet, und ein gerades Mittelbündel (/) , das sich
zum Theile an die Innenfläche des Hyposternum ansetzt, während die
grössere Masse über das Rabenbein wegzieht und zu dem Brustzungen-
Amphibien.
563
beinmuskel sich erstreckt. Auf diesem Büudel sieht man fünf quere
Sehnenstreifen (Inscriptiones tendineae).
Rechts und links von dem geraden Bauchmuskel schlägt sich über
die Seiten hinüber der äussere, schiefe Bauchmuskel (oe, Fig. 235,
240), der als breite Platte sich in der Mittellinie an eine die geraden
Bauchmuskeln verbindende Aponeurose und den Knorpel des Hypo-
sternutn ansetzt, während er auf der Rückenseite sich mit der Apo-
neurose der langen Rückenmuskeln verbindet.
Fig. 235.
liana esculenta. — Muskeln der ventralen Körperfläche. />', vorderer Brusttheil des
M. pectoralis; p" , hinterer Brusttheil desselben; p'", Bauchtheil desselben; (Z, M. del-
toideus ; cA, M. coraco-humeralis ; sr, M. sterno-radialis ; oz, M. abdominalis obliquus
internus; oe, M. abd. obliq. externus; oe', Scapulartheil desselben; r, M. abdomi-
nalis rectus ; r', Mitteltheil desselben; oh, M. omo-hyoideus ; sh, M. sterno-hyoideus ;
sm, M. submaxillaris ; sm', Bündel desselben vom H_voideum entspringend. (Nach
E c k e r.)
36*
564
Wirbelthiere.
Fio-. 236.
Nach vorn löst sich von ihm der kleine Schulterblattmuskel
(oe'j Fig. 240), der sich an den Hinterrand des Schulterblattes ansetzt
und mit seinem vorderen Rande den Hinterrand des breiten Rücken-
muskels bedeckt.
Unter ihm breitet sich der innere, schiefe Bauch muskel
(oi, Fig. 235) fächerförmig zwischen den Querfortsätzen des 4. bis zum
9. Wirbel und den Beckenknochen aus; nach vorn verlängern sich
seine Bündel bis zum Brustbeine und dem Schlundkopfe.
Nach sorgfältiger Präparation dieser mächtigen Muskel massen
wird das Thier umgedreht, um die Muskeln der Rückenfläche zur An-
schaiiung zu bringen. Wir werden dieselben nur kurz beschreiben,
da die Figuren den Text er-
läutern.
lieber den ganzen Rücken
vom Steissstachel bis zu den
Stirnscheitelbeinen des Schä-
dels erstreckt sich zu beiden
Seiten der durch die Dorn-
fortsätze der Wirbel bezeich-
neten Mittellinie eine Muskel-
ausbreitung {fd,fd', Fig. 236),
die sowohl nach vorn als hin-
ten sich in mehrere secun-
däre Muskeln theilt und die
meisten übrigen Rückenmus-
keln bedeckt. Sie stellt ge-
wissermaassen eine centrale
Vereinigung der Rückenmus-
keln in der Rückengegend her.
Nach hinten und unten ent-
Raiia esculenta. — Rücken- und Scliultermuskeln. j j. j- m lj. j • i\t
,, „ . , ,. ,^ -^ ^ ■ j-i , sendet diese Platte drei Mus-
jd, tascia dorsalis , rechterseits bei j abge-
schnitten; dm, M. depressor maudibulae, rechts ^^^In: a) den langen Rücken -
von seinem Ursprünge an der Faseie abgelöst muskel (Igcl, Fig. 237), der
und nach vorn zurückgeschlagen; ?<^, M. latissi- längs der Wirbelsäule VOm
mus dorsi; l, M. iufraspinatus ; c. M. cucuUaris ; gteissbeine sich ZU den Felsen-
la, M. attractor scapulae ; sc, M. sterno-cleido- . . i o i i i i i i_
, ., i\i- i. X 1 /xT 1 bemen des Schädels erstreckt,
raastoideus ; r , M. retractor scapulae. (Nach "^ v. w,j ^ ,
Ecker.) einen welligen Verlauf und
vier quere Sehnenbändchen
zeigt; b) den Steisssacral muskel (cl) , der schief an den Seiten
des Kreuzbeines verläuft, und c) den Steissbecken muskel (ci), der
dem vorigen parallel läuft.
Nach vorn entsendet die Muskelplatte den Herabzieher des
Unterkiefers (dm, Fig. 236), unter welchem sich der Kappen-
muskel (c), der breite R ückenmusk el (?f?) und der Rückzieher
x\mphibien.
565
Fi"-. 237.
des Schulterblattes (r) befinden, die sich an den Bewegungen des
Schulteigürtels und des Oberarmes betheiligen.
Als tiefste Schicht finden sich unter dem langen Riickenmuskel
kurze Muskelbänder (/, Fig. 237) zwischen den Querfortsätzen der
Wirbel. Das erste dieser Bündel (ics) inserirt sich vorn an dem
Felsenbeine und hinten an dem Querfortsatze des zweiten Wirbels.
Muskeln des Koj)fes.
— Wir erwähnen auf der
Ventralseite in erster Linie
den Unterkiefermus-
kel (öW», Fig. 235), der mit
zwei, von einem medianen
Sehnenbüudel ausgehenden
Hälften mit seinen queren
Fasern den ganzen Raum
zwischen den beiden Unter-
kieferhälften ausfüllt und
den Boden der Mundhöhle
bildet. Von seinem liinter-
rande lösen sich zwei zu
den vorderen Hörnern des
Zungenbeines gehende
Muskelbündel (sin). Bei
lebenden Tbieren kann
man leicht beobachten, dass
dieser Muskel zur Einfüh-
rung der Luft in die Lun-
gen durch seine Bewegun-
gen mitwirkt. In dem
Winkel, in welchem die
beiden Unterkieferhälften
zusammenstossen , bedeckt
er einen kleinen, die Zahn-
beine verbindenden Quer-
muskel, den Unterkinn-
muskel (smt, Fig. 236).
An den Seitenflächen des
Kopfes tritt uns der den
Raum zwischen dem Joch-
beine und dem Unterkiefer
ausfüllende Kaumuskel
liuna esculenta. — Rücken- und Beckenmuskeln.
t, M. temporalis ; Igd, M. longissimus dorsi ; i,
ilM. intervertebrales ; ici,ics, M. attractor capitis
inferior et superior; i', MM. intercrurales ; il,
M. ileo-lumbalis ; cl, j\I. coccygeo-sacralis ; ci, M.
coccygeo-iliacus; oi. M. obliquus internus; gl, M.
glutaeiis. (Nach Ecker.)
entgegen; dahinter in dem Räume zwischen dem Felsenbeine und dem
Auge der Flügelmuskel und der Schläfenmuskel (f, Fig. 237).
Alle drei Muskeln heben den Unterkiefer und schliessen so das Maul.
566
Wirbeltliiere.
Der das Maul öffnende Herabziehe r des Unterkiefers {dm,
Fig. 236), dessen Beziehungen zu der Muskelplatte des Rückens wir
schon erwähnten, hat die Form eines Fächers, der mit seinem Stiele
an den hinteren Winkel des Unterkiefers sich ansetzt.
Auf der dorsalen Fläche des Schädels finden wir nur zwei sehr
kleine Muskelpaare; im Eaume zwischen beiden Oberkiefern und
Zwischenkiefern den die Nasenöffnungen erweiternden Zwischen-
kieferrauskel und seinen Antagonisten, den seitlichen Nasen-
muskel.
Wir behandeln die Augenmuskeln gelegentlich des Sehorganes
(S. 585).
Muskeln der Zunge und des Zungenbeines. — Wir erwähn-
ten schon, dass das freie, leicht ausgeschweifte Ende der Zunge des
Fig. 238.
Frosches nach hinten zurück-
geschlagen ist, während der vor-
dere Rand durch mehrere Muskel-
bündel an dem Zungenbeinknor-
pel befestigt ist. Nach Wegnahme
des queren Unterkiefermuskels
sieht man in der That drei Mus-
keln mit Läugsfasern. Die bei-
den seitlichen Kinnzungen-
m US kein {gJi, Fig. 238) setzen
sich vorn zum Theile an den
Unterkinnmuskel (smt), zum
Theile an den oberen Rand des
Unterkiefers; nach hinten theilt
sich jeder in zwei Bündel; das
centrale Bündel (gh") heftet sich
Rana escvlenta. — Ventrale Ansicht der an das hintere Hom des Zungen-
Muskeln des Zungenapparates. Der Unter- beines, das seitliche Bündel {gh )
kiefermuskel (M. submaxillaris) (sm) ist an ^^ geringer Entfernung an den
seiner Anheftunssstelle abgeschnitten, snii, •,- , -c l i. j r/
,° .r • , ., hinteren l^ortsatz des Zungen-
M. sub-mentahs ; g, M. genio-hyoideus ; , • , ..
gh', Seitenbündel desselben; gh" , Mittel- bemkörpers.^
biindel desselben; hg, M. hypoglossus ; sh, Der mediane, unpaare Zun-
M. sterno-hyoideus; s/i', dessen seitliche An- genmuskel {hg) besteht aus
heftung; sh", dessen mittlere Anheftung; ^^g- verschmolzenen Bündeln,
oh, M. omo-hyoideus : ph, MM. petro- ■, ^ , , i i • x
'., . ^, „.. , „ , . ,/ welche getrennt an den hinteren
hyoidei ; H, Korper des Zungenbeines; li , ° .
dessen vordere Hörner. (Nach Ecker.) Zungenbeinhörnern ihren Ur-
sprung nehmen, dann aber ver-
schmolzen nach vorn zwischen den Kinnzungenmuskeln über die ventrale
Fläche des Zungenbeinkörpers nach vorn bis zum Vereinigungspunkte der
beiden Unterkiefer verlaufen. Von diesem Punkte aus dringt der Muskel
in die freie Hälfte der Zunge und strahlt bis zu deren Rande aus.
Amphibien.
567
Fis;. 239.
In dem Räume zwischen den hinteren Bündeln der Kinnzungen-
muskeln verläuft das vordere Ende des mächtigen Brustzungen-
muskels (sh, Fig. 238), der den ganzen Hals zwischen dem Brust-
beine und dem Zungenbeinkörper einnimmt, an dessen Unterfläche er
sich ansetzt. Er ist nur eine Fortsetzung des geraden Bauchmuskels
und streicht in seinem Verlaufe über die obere Fläche der Raben- und
Schlüsselbeine unmittelbar unter dem Herzbeutel.
Wir erwähnen noch einige kleine, schiefe Muskeln, den Schulter-
zungenbeinmuskel (oh, Fig. 238) zwischen dem Vorderrande des
Schulterblattes und der Unterfläche des Zungenbeinkörpers und die den
Schlundkopf verengernden Felsenbeinzungenmuskeln (pJi), welche
sich in der Mittellinie am Schlundkopfe und dem Zungenbeiukörper,
seitlich an die Felsen-
beine des Schädels an-
setzen.
Muskeln desSchul-
ter gürteis und des
Vordergliedes. — In
der Höhe des Schulter-
gürtels , welcher das
Glied an die Wirbel-
säule befestigt, finden
sich zahlreiche , meist
SS sehr kurze Muskeln, von
welchen wir nur die
hauptsächlichsten er-
wähnen. Auf der Dor-
salseite zeigen sich drei
Muskelpaare, welche das
Schulterblatt nach vorn
ziehen und den Hinter-
kopf heben. Diese sind:
der Heber des Schul-
terblattes (la^ Fig.
239), der Sterno-
cleido-mastoideus
(sc) und der Vor zieh er
des Schulterblattes (ps).
Sie setzen sich sämmtlich an die Hinterflächen des Felsenbeines und der
Hinterhauptsbeine, sowie hinten an den vorderen Rand und die Aussen-
fläche des Schulterblattes an.
Hinter dieser Muskelgruppe zeigen sich drei andere Muskelpaare,
die Quermuskeln des Schulterblattes (ts, Fig. 239), welche,
schief von hinten nach vorn verlaufend, sich einerseits an die Quer-
Rcma esculeuta. — Schultermuskeln, von unten ge-
sehen. Der Sthultergürtel ist iu der Mitte durch-
schnitten und seine Hälften nach aussen geschhigen.
sc, M. sterno-cleido-mastoideus ; la, M. levator sca-
pulae; ts, M. transverso -scapularis magnus ; tu'.
Id. minimus; is", Id. tertius ; ps, M. protraetor sca-
pulae ; is, M. interscapularis; ss, M. subscapularis ;
d, M. deltoideus ; it, MM. intervertebrales. (Nach
Ecke r.)
568
Wirbelthiere.
fortsätze des dritten und vierten Wirbels, anderseits an den Hinter-
rand und die Unterfläche des Schulterblattes ansetzen und dieses nach
hinten, unten und innen ziehen.
Der knöcherne Theil des Schulterblattes ist mit dem knorpeligen
durch einen auf der Unt.erfläche angebrachten Zwischenschulter-
mu skel (is) verbunden. Endlich sehen wir auf der Rückenfläche noch den
Unterschulterblattmuskel (ss), der sich von der oberen Fläche
des knöchernen Schulterblattes und des Rabenbeiues zur Gräte des
Humerus erstreckt; er zieht den Arm nach hinten an den Leib an.
Auf der Bauchseite findet sich vorn ein grosser, dreieckiger
Muskel, der Beuger des Vor der armes oder Biceps (sr, Fig. 235),
der in der Mittellinie des Halses am Episternum breit entsteht und
mit seinen convergirenden Fasern sich an der Radialseite des Gelenk-
kopfes des Vorderbeines ansetzt; vor ihm der Deltoideu s ((^, Fig. 235,
239) zwischen dem Schlüsselbeine und dessen Verbindungsknorpel mit
dem Schulterblatte einerseits und der Gräte des Humerus anderseits,
Fie-. 240.
oe' üs
Rana esculenta. — Stammmuskeln, von der rechten Seite gesehen, oe, M. abdominalis
obliquus externus ; oe', Schvüterblattbündel desselben; Id, M. latissimus dorsi ; i, M.
infraspinatus ; dm, M. depressor mandibulae; ss, M. subscapularis ; d, M. deltoideus ;
<, M. triceps brachii ; cd, M. cutaneus femoris. (Nach Ecker.)
der den Arm nach vorn zieht, und endlich der grosse Brustmuskel
Qj, Fig. 235), der mit drei Portionen {p — ]} ), den Sterno-radial-Muskel
zum Theile deckend , vom Hyposternum zu der Kante und der mit
dieser parallelen Furche des Oberarmbeines sich erstreckt. Der drei-
köpfige Muskel (c, Fig. 240) gehört dem Humerus an, dessen dor-
sale Fläche er von der Schulter bis zum Ellbogen bedeckt.
Die auf der vorderen und unteren Fläche des Vorderarmbeines
liegenden Beuger des Vorderarmes erstrecken sich , die einen vom
Ellbogen bis zu den Knöchelchen der Handwurzel und der Mittelhand,
die anderen vom Humerus zur Radial- und Cubitalseite des Vorderarm-
beines; der zu ihnen gehörende gemeinsame Fingerbeuger
(8, Fig. 223) breitet sich auf der Vorderfläche der Hand aus und ent-
Amphibien.
569
sendet zu jedem Finger eine Sehne,
sanie Fingerstrecker, verhält sich iu
der Hand. Wir erwähnen noch unter
Fig. 241.
Rana eaciilenta. — ^Muskeln des linken
Hinterfusses , von oben gesehen. c«, M.
coccygeo-iliacus ; (7/, W. glutaeus ; 7;, M. pyri-
l'ormis ; ra, M. rectus anterior; ve, M.
vastus externus ; tr, M. triceps; vi", M.
rectus internus minor; sm, M. semi-mem-
branosus ; b, M. biceps ; g, M. gastro-cne-
mius ; f(t, M. tibialis anterior; pe, M. pero-
neus. (Nach Ecker.)
Sein Antagonist, der gemein-
gleicher Art auf der Dorsalfläche
den Streckmuskeln den Vorder-
armstrecker und den M.
carpo-ulnaris, die beide auf
der oberen und hinteren Fläche
des Vorderarmbeines verlaufen.
Die Handmuskeln sind äusserst
zahlreich. Jeder Finger hat seinen
besonderen Beuger und Strecker.
Wir verweisen hinsichtlich ihi'er
näheren Beschreibung auf Ecker.
Die Muskeln des Hinter-
g 1 i e d e s sind weit länger und
kräftiger, als diejenigen der vor-
deren Extremität. Wir rathen
den Anfängern, sich durch die
Präparation dieser Muskeln für
diejenige der anderen Muskeln
einzuüben. Wir erwähnen nur
die hauptsächlichsten und ver-
weisen hinsichtlich der Einzel-
heiten auf Ecker's Monographie.
Auf der Riickenseite erscheinen
fünf Muskeln: der Sitzmuskel,
Glutaeus (gl, Fig. 241), der sich
von dem oberen und seitlichen
Rande des Darmbeines zum
Höcker des Gelenkkopfes des
Schenkelbeines erstreckt; der
bim form ige Muskel (j;) vom
Schambeine zu demselben
Höcker; der dreiköpfige
Streckmuskel (tr) des Schen-
kels, der den ganzen Vorderrand
des Gliedes deckt, sich an den
hinteren Gelenkkojif des Schenkel-
beines festsetzt und nach vorn
in drei Bündel sich theilt, den
vorderen, geraden Schen-
ke 1 ra u s k e 1 (ra) in der Mitte
zwischen dem äusseren, brei-
ten Schenkelmuskel (ve)
und dem inneren (14, Fig. 223),
570 Wirbelthiere.
Die beiden ersteren (ra und ve) heften sich an das Darmbein, der
letztere ist nur von der ventralen Seite des Schenkels aus sichtbar und
setzt sich an die Gelenkkapsel der Hüfte an. Neben dem äusseren,
breiten Muskel liegt, theilweise von ihm bedeckt, ein langer, schmaler
Muskel, der zweiköpfige Muskel (b, Fig. 241 a. v. S.) ; er setzt sich
nach vorn über der Gelenkhöhle an das Darmbein und nach hinten mit
•zwei getrennten, in Sehnen auslaufenden Bündeln an den hinteren
Rollhügel und den Körper des Schenkelbeines. Auf der Innenseite
des Schenkels breitet sich ein grosser Streckmuskel aus, der halb-
häutige Muskel (sm), der an der Symphyse der Darmbeine ent-
springt und sich an dem Kniegelenke ansetzt. Diese grossen Scheukel-
muskel verdecken kleinere, tiefe Muskeln, die wir hier nicht weiter
beschreiben.
An der Unterfläche des Schenkels finden wir die inneren, ge-
raden Muskeln (19 und 20, Fig. 223). Der grössere derselben (19)
ist breit und platt; er entsteht an der Schambeinsymphyse und setzt
sich mit einer Sehne an eine kleine Apophyse des Schienbeines. In
seinem hinteren Drittel zeigt er ein schiefes Sehnenbändchen. Der
kleinere Muskel (20) verläuft ganz am inneren Rande des Schenkels
und setzt sich vorn an die Aponeurose des geraden Bauchmuskels
an, während sein sehniges Ende mit dem vorigen Muskel vei'-
schmilzt.
Der Schneidermuskel (16, Fig. 223) verläuft in der Mitte
der ventralen Schenkelfläche zwischen dem unteren Winkel der Darm-
beinsymphyse und dem Kniegelenke. Neben und zum Theil von ihm
verdeckt, verlaufen drei Anzieher des Schenkels, der lange An-
zieher (15, Fig. 223), der kurze (17) und der grosse Anzieher
(18), die sich einerseits an die Symphysen der Darm- und Schambeine,
anderseits an den Schenkelknochen ansetzen.
Am Unterschenkel fällt vor allen anderen der mächtige Beuge-
muskel, der Gastrocnemius (23, Fig. 223; g, Fig. 241) auf; er heftet
sich vorn durch eine starke Doppelsehne an das Schenkel- und Unter-
schenkelbein, während seine hintere Sehne mit denjenigen der anderen
Muskeln zur Bildung der Achillessehne verschmilzt, die sich am Fuss-
gelenke bedeutend verdickt und in die Aponeurose der Fusssohle aus-
strahlt.
Theilweise von diesem Muskel bedeckt, verläuft der die hintere
Fläche des Unterschenkels einhüllende hintere Schien bei umuskel
(21), der sich an den Gelenkkopf des Fersenbeines festsetzt; der vor-
dere Schienbein muskel (22, Fig. 223; ta, Fig. 241). und der
S che nk elstr e cker (23) sind die Antagonisten des Gastrocnemius.
Endlich sieht man am distalen Ende des Unterschenkelbeines die Sehnen
des Streckers und des Beugers der Fusswurzel (25), die das
Fersen- iind Sj^rungbein bedecken. An diesen Knochen setzen sich
Amphibien. 571
ebenfalls zahlreiche kleine Bewegungsraiiskeln der Zehen fest, hinsicht-
lich deren genauerer Beschreibung wir auf Ecker verweisen.
Nervensystem. — Seine Präparation verlangt viel Geduld und
Sorgsamkeit, besonders wenn es sich um Verfolgung der feineren peri-
pherischen Nerven handelt. Wir rathen, diese Präparate an Thieren
vorzunehmen , welche einige Tage in schwachem Weingeist gelegen
haben; an frischen Thieren ist die Nervensubstanz sehr weich und
zerreisslich. Nachdem man an dem Rücken des enthäuteten Thieres
die Muskeln weggenommen hat, welche die Wirbelsäule decken, sprengt
man die Wirbelbogen mit einer feinen Scheere, deren eingeführtes
Blatt man nicht zu tief einstechen und so horizontal als möglich
halten muss , um das in dem Wirbelcanal liegende Rückenmark nicht
zu verletzen. Man setzt die Operation in derselben Weise an dem
Schädel fort, um das Gehirn bloss zu legen.
Man untersucht die Rückenfläche des so bloss gelegten Central-
nervensystemes und löst dieses, von vorn nach hinten fortschreitend,
von dem Boden der Höhlen ab , indem man zuerst die Riechnerven
vor dem Gehirne durchschneidet und es dann allmählich abhebt, wo-
bei man Sorge tragen muss, die Hirn- und Rückennerven hart an den
Wänden des Canales zu durchschneiden. So kann man das ganze
Centralnerven System aus dem Canale loslösen, umdrehen und die Unter-
fläche untersuchen.
Man widmet den austretenden Nerven und ihren Wurzeln beson-
dere Aufmerksamkeit. Mehrere der aus dem Gehirne und dem ver-
längerten Marke austretenden Nerven sind so fein, dass man die Lupe
zu Hülfe nehmen muss, um sie deutlich zu unterscheiden. Das Rücken-
mark ist von einer weisslichen, weichen Substanz umgeben, in welcher
man unter dem Mikroskope zahlreiche kleine Kalkkrystalle sieht, die
bei Verdünnung mit Wasser Brown'sche Bewegungen zeigen. Das
Gehirn ist von einer pigmentirten, gefässreichen Hülle, der Pia mater,
umgeben, die man mit feinen Pincetten wegnimmt. Auf der Rauten-
grube des verlängerten Markes ist diese zu einer gefalteten, gefäss-
reichen Haut, dem Choroidplexus, verdickt ; die untere Fläche dieser
Haut zeigt eine Reihe von Querfalten, die von einer medianen Längs-
falte ausgehen, welche in den Sinus vorspringt. Jederseits liegen an
den Austrittsstellen der Nerven an der Wirbelsäule weissliche Häufchen
von Kalkkrystallen.
Das Rückenmark (31, Fig. 245 und 246) ist verliältnissmässig
sehr kurz und durch keine deutliche Grenze von dem es nach vorn
fortsetzenden, verlängerten Marke geschieden. Der Querschnitt erscheint
fast rund und zeigt, wie bei allen Wirbelthieren, innen den kreuz-
förmigen, aus Zellen gebildeten Kern von grauer Substanz mit seinen
vier Hörnern , welche in die weisse Rindensubstanz eindringen , die
wesentlich aus Fasern besteht. Den Austrittsstellen der Nerven für
572
Wirbelthiere.
die beiden Extreniitiiten entsprechend ist das Rückenmark etwas ver-
dickt. Es verdünnt sich plötzlich zwischen dem sechsten und sie-
benten Wirbel und setzt sich mit einem feinen Endfaden in den Canal
des Steissbeines fort.
Auf der venti'alen wie auf der dorsalen Fläche sieht man eine
seichte Längsfurche-, die obere vpeicht vorn auseinander, um die
Rautengrube zu bilden, auf deren Boden der feine Centralcanal sich
öffnet, welcher das Rückenmark der ganzen Länge nach durchzieht.
Das Gehirn (Fig. 242 bis 244) lässt auf seiner Rückenfläche
unmittelbar vier wohl markirte Abtheilungen unterscheiden , die auf
der ventralen Fläche (Fig. 243) weit weniger deutlich hervortreten.
Diese Abtheilungen sind, von hinten nach vorn: das verlängerte
Fig. 242.
Fig. 243.
Fig. 242. — Eana esculenta. — Das Gehirn
von oben gesehen, dreifach vei'grössert. a, Kiech-
lappen (Khinencephalon) ; &, Vorderhirn (Pro-
sencephalon) ; c, Zwischenhirn (Thalamencepha-
lon) ; d, Mittelhirn (Sehhügel, Mesencephalon) ;
e , Kleinhirn (Cerebellum , Epencephalon) ; /,
Kautengrube ; g, verlängertes Mark (Nachhirn,
Postencephalon); li, Riechnerven; i, Zirbeldrüse
(Epiphysis ; glandula pinealis).
Fig. 243. — Rana esculenta. — Das Gehirn
von unten gesehen, a, Pdechlappen ; 6, Vorder-
hirn (Hemisphären) ; c, Zwischenhirn ; rf, Mittel-
liirn ; h, h\ Wurzeln der Riechnerven ; i, Hirn-
spalte ; k, Lamina terniinalis; /, Chiasma der
Sehnerven ; m, Tuber cinereum ; ■«, Hypophysis
(glandula pituitaria) ; o , Nervus ti;ochlearis ;
p, N. ti-igeminus ; q, N. facialis ; v, N. acusti-
cus; s, N. abducens ; f. NN. glossopharyngeus
und vagus zusammen; (^, N. hypoglossus.
Mark (Myelencephalon,^) mit
dem Kleinhirn (Epencepha-
lon, e) und rier Rau.ten-
grube (/), das Mittelhirn
(Mesencephalon, (Z), das Zwi-
schenhirn (Thalamencepha-
lon, c) und das Vorderhirn
(Prosencephalon, b) , welches
sich in die Riechknoten (t/)
mit dem Riechnerven fortsetzt.
Das verlängerte Mark
{g , Fig. 242) ist die ange-
schwollene Fortsetzung des
Rückenmarkes nach vorn. Es
ist fast so breit als das Vor-
derhirn: die seitlichen Netz-
stränge ( Co)yora restifor-
mia) weichen in der Weise
auseinander, dass sie eine
Rautengrube in Form eines
Dreiecks bilden, dessen Spitze
nach hinten schaut. Der Boden
der Rautengrube zeigt eine
mittlere Längsfurche als Fort-
setzung des Centralcanales
des Rückenmarkes, der Raiim
wird von der erwähnten Ge-
fässhaut der Pia mater aus-
gefüllt.
Das kleine Gehirn (e, Fig.
242, 244) ist sehr reducirt
und besteht nur aus einer
Amphibien,
573
schmalen, unmittelbar hinter dem Mittelhirne aufgerichteten Qiier-
brücke, die von den Netzsträugen aufsteigt und den Vorderrand der
Rautengrube bildet, in welche sie mit ihrem etwas geschweiften Hinter-
rande vorspringt. Auf der ventralen Fläche ist es nicht sichtbar ; die
Stelle, wo es mit der Basis des verlängerten Markes verschmilzt, wird
grossentheils von der Hypophyse bedeckt (n, Fig. 243).
Das Mittelhirn (d) erscheint bei der Ansicht von oben in Ge-
stalt zweier eiförmiger Massen , deren grosse Axen schief nach vorn
und aussen gerichtet sind und vorn einen dreieckigen , von dem
Zwischenhirne ausgefüllten Winkel frei lassen. Das Gehirn erreicht
hier seine grösste Breite ; die beiden eiförmigen Hälften stossen aber
nur in geringer Ausdehnung an das Vorderhirn, weil in der Mitte das
Dach des dritten Ventrikels, über welchem noch obenein die Epiphyse
liegt, sich einschiebt. Auf der Ventralfläche lässt sich aber keine be-
stimmte Grenze zwischen Mittelhirn und Zwischenhirn feststellen; beide
fliessen hier in einem Zuge zusammen. Aus diesem Grunde werden auch
die beiden Massen oft die Sehhügel genannt; in derThat nehmen die
beiden Sehnerven zwar
im Mittelhirne ihren Ur-
sprung, bilden aber ihr
Chiasma auf der Unter-
fläche des Zwischenhir-
nes. In dem Räume zwi-
schen den auseinander
weichenden Schenkeln
der Sehnerven tritt ein
grauer Hügel , Tiiber
cinereum , hervor (m,
Fig. 243 und 244). Auf
Querschnitten sieht man,
dass jede Hälfte des
Mittelhirnes im Inneren
hohl ist und dass die
bedeutenden Höhlen einerseits mit den Ventrikeln der vorderen Ab-
theilungen, anderseits mit dem vierten Ventrikel in Verbindung stehen,
der sich in die Rautengrube des verlängerten Markes öffnet.
Das schon oben seinem äusseren Ansehen nach geschilderte
Zwischenhirn (c) wird von einer kleinen, rundlichen Masse über-
lagert, der Epiphyse oder Zirbeldrüse (i, Fig. 244). Vor der-
selben erstreckt sich ein Gefässplexus , der keilförmig in die das
Vorderhirn trennende Spalte vordringt. Eine unpaare Höhlung, der
dritte Ventrikel, zeigt sich im Inneren des Zwischenhirnes. Der-
selbe mündet nach vorn durch das sogenannte Monro'sche Loch in
den queren Ast der Vorderhirnventrikel, nach hinten in den Mitteltheil
Rana esculenta. — Profilansiclit des Geliinies von der
linken Seite, a, b, c, d, e, wie in Fig. 242 ; f, Rücken-
mark ; h, h! , Wurzeln des Riechnerven ; i, Zirbeldrüse ;
k, Sehnerv ; /, Tractus opticus ; m, Tuber cinereum ;
71, Hypophysis ; o, Nervus trochlearis ; p, NN. trigemi-
nus , facialis und acustieus zusammen ; </, NN. glosso-
pharyngeus, vagus und accessorius Willisii zusammen;
r, N. h^^poglossus ; s, t, Spinalnerven.
574 Wirbelthiere.
der Ventrikel des Mittelhirnes. Die ventrale Fläche des Zwischen-
hirnes wird von dem Chiasina der Sehnerven (?, Fig. 243) und von
dem grauen Hügel bedeckt. Die grossentheils aus Zellen gebildeten
Wände des Zwischenhirnes werden durch eine hintere Quer-
coramissiir mit einander verbunden,
Die stark in die Länge gezogenen Hälften des Vor derhir ne s (?>)
erscheinen hinten, wo sie an dem Zwischenhirne ansitzen, etwas breiter
und abgerundet, während sie nach vorn mit einer nur seichten Ab-
grenzung sich in die Riechlappen (a) fortsetzen. Hier sind sie
auch in der Mittellinie mit einander verbunden , während sie nach
hinten durch eine tiefe Längsspalte, die grosse Hirnspalte
(Fig. 242), getrennt werden, welche von einer Einfaltung der Pia mater
ausgekleidet wird. Auf dem Boden dieser Spalte breitet sich eine
nach vorn ausgeschweifte Lamelle von grauer Substanz, die Lamina
terminalis {k, Fig. 243), aus. Will man von unten her die Hiruspalte
sehen, so muss man diese Lamelle aufheben.
In den Hirnhälften finden sich die beiden Seitenventrikel,
die sich bis in die Riechlappen erstrecken und hinten durch eine Quer-
höhle mit einander in Verbindung stehen.
Peripherisches Nervensystem. — Das Rückenmark ent-
sendet zehn Paar Spinalnerven, die, wie gewöhnlich, mit einer
oberen dorsalen , sensitiven und einer unteren ventralen , motorischen
Wurzel entspringen. Erstere Wurzel besteht aus mehreren Fibrillen,
die sich in kurzer Entfernung von dem Marke zu einem Bündel ver-
schmelzen, das unmittelbar nach dem Austritte aus dem Wirbelcanal
zu einem kleinen, spindelförmigen Ganglion anschwillt, in dessen
untere Fläche die entsprechende motorische Wurzel eindi^ingt. Alle
aus dem Ganglion austretenden Nervenäste sind somit gemischter
Natur. Gewöhnlich entspringen aus dem distalen Rande des Ganglions
zwei Nervenäste, ein oberer oder hinterer, welcher sich bald in einen
Muskelzweig für die Rückenmuskeln und einen Hautzweig für die
Rückenhaut theilt, und ein unterer oder vorderer, der weit stärker ist
und complicirteren Verlauf zeigt. Unmittelbar nach seinem Beginne
sendet der untere Ast einen dünnen Verbindungszweig zu dem ent-
sprechenden Ganglion des sympathischen Grenzstranges, so dass also
zwischen allen Spinalnerven und dem sympathischen Systeme eine Ver-
bindung hergestellt ist. Die übrigen Zweige variiren je nach der
Umgebung; sie verlaufen im Allgemeinen zu den ihnen benachbarten
Muskeln , Hautregiouen und den übrigen Organen. Wir können auf
die Einzelheiten hier nicht eingehen und verweisen bezüglich der-
selben auf die Beschreibung von Ecker und Wiedersheim. Wir
geben nur einige Andeutungen.
Der erste Spinalnerv (iüf^ Fig. 245, 246) ist bei dem Frosche
nichts Anderes als der N. hypoglossus, den wir bei den Hirnnerven ab-
x\mphibien.
575
handeln werden, obgleicli er durch ein zwischen dem ersten und
zweiten Wirbel angebrachtes Loch aus dem Canale austritt.
Der zweite Spinalnerv, der Arm nerv {M-), tritt zwischen
Er vereinigt sich mit dem
dritten, um mit diesem
dem zweiten und dritten Wirbel aus.
Fig. 245.
Rana esculenta. — ßiickeuansicht von Gehirn und
Rückenmark. W^ bis TF^", abgetragene Wirbel; j;^
bis /liio^ Spinalnerven; VG, Gass er 'scher Knoten des
Trigeminus ; XG, Ganglion des Vagus. (Nach Ecker
und Wiedersheim.)
das Armgeflecht zu
bilden, das zu sämmt-
lichen Mtiskeln der vor-
deren Extremität zahl-
reiche Zweige aussen-
det, die nach ihren
zugehörigen Muskeln
benannt worden sind.
Die drei folgenden
Nervenpaare (ü/^ bis M'^)
begeben sich zu den be-
nachbarten Muskeln der
^^ Bauchwände; einer ihrer
Ma Aeste durchsetzt die
Ms Muskelschichteu und
verästelt sich in der
Haut des Bauches, wäh-
rend der andere sich
zwischen den Muskel-
fasern vertheilt.
Die drei folgenden
Paare {M\ M\ M^) lau-
fen nach hinten , legen
sich aneinander, um
die sogenannte Cauda
equina zu bilden, und
vereinigen sich in der
Nähe des Schenkelkopfes
mit dem zehnten aus
dem Steissbeine austre-
tenden Paare zur Bil-
dung des grossen Bein -
gefl echtes {Plexus
sacro - coccygeus). Von
diesem Plexus gehen
nicht nur die grossen,
so häufig zu Versuchen
in Anspruch genomme-
nen Beinnerveu, sondern
576 Wirbelthiere.
auch viele Zweige zu den in dem hinteren Abschnitte der Bauchhöhle
eingeschlossenen Organen (Harnblase, Rectum, Eileiter etc.) ab.
Am Ursprünge des unteren Astes eines jeden Spinalnerven liegt
ein kreideweisses, mit Kalkkrystallen gefülltes Säckchen.
Hirnnerven. — Mit Ausnahme des Hypoglossus, der, wie schon
bemerkt, seinem Ursprünge nach ein Spinalnerv ist und zwischen dem
ersten und zweiten Wirbel austritt, entspringen diese Nerven seitlich
vom Hirnstamme und dem verlängerten Marke.
Der Hypoglossus (M^ , Fig. 245, 246) entspringt mit zwei
Wurzeln, einer starken unteren und einer oberen, so dünnen, dass sie
dem blossen Auge kaum sichtbar ist. Nach seinem Austritte aus dem
Zwischenwirbelloche vereinigt er sich innig mit dem Sympathicus, kreuzt
dann den Vagus von oben und verzweigt sich hierauf in den Muskeln
des Zungenbeines und der Zunge selbst. Mittelst eines oder zweier
Aestchen nimmt er auch, wie bei den Fischen, an der Bildung des Arm-
geflechtes Antheil.
Weiter nach vorn finden wir mehrere Nerven, welche aus dem
grossen Ganglion des Vagus austreten.
Der Vagus (XG, Fig. 245; X, 246) entspringt an dem ver-
längerten Marke mit mehreren Wurzeln, die sich alle zu einem be-
deutenden Ganglion vereinigen, aus welchem von hinten nach vorn der
Vagus, Glossopharyngeus und Facialis entspringen. Der gemeinsame
Stamm dieser drei Nerven ist durch feine Fädchen einerseits mit dem
Sympathicus, anderseits mit dem Ganglion Gasseri des Trigeminus in
Verbindung gesetzt.
Der Vagusstamm tritt durch ein, vor dem Gelenkkopfe des Hinter-
hauptes gelegenes Loch aus der Schädelhöhle und krümmt sich nach
unten und hinten auf der Seite des Halses ; er liegt zwischen dem
Hypoglossus und der aufsteigenden Aorta und theilt sich bald in
mehrere Aeste. Nahe beim Ganglion entsendet er von seinem oberen
Rande zwei feine Zweige , von denen der eine zu dem zweibäuchigen
und dem Schläfenmuskel geht und dann sich in der Haut über der
Schulter verästelt, während der andere, der von den meisten Autoren
als Bei nerv (Nervus accessorius Willisü) aufgefasst wird, den Trapez-
muskel versorgt. Nach Abgabe einiger Fädchen an den Felsenzungen-
muskel und an die Schleimhaut des Pharynx löst er sich durch Zwei-
theilung nach und nach in vier bedeutendere Zweige auf, die von
hinten nach vorn sind: a) der Kehlkopfnerv, der nach hinten zu
den Hinterhörnern des Zungenbeines sich begiebt und die dortigen
Muskeln, sowie die Schleimhaut des Kehlkopfes versorgt; b) der
Magennerv, der sich an dem Kreuzungspunkte des Stammes mit dem
Hypoglossus abzweigt und gerade nach hinten zu dem Magen sich be-
giebt; c) der Lungen nerv, der anfangs dem vorigen fast parallel
läuft, dann sich aber zur Lunge hinüberschlägt, und endlich d) der
Amphibien.
577
Herznerv, der sich in den Herz wänden verzweigt. So versorgt der
Vagus beim erwachsenen Thiere eine ziemliche Anzahl von Organen,
Fio-. 246. während er bei der Kaul-
quappe eine sehr ver-
schiedene, dem bei den
Fischen vorhandenen
Verhalten (S. 518) ähn-
liche Anordnung zeigt.
Der Stamm des G 1 o s -
sopharyngeus (X^,
Fig. 246) tritt gemein-
schaftlich mit dem Va-
gusstamme aus dem Ge-
hirne aus, trennt sich
aber bald von demselben
und theilt sich in zwei
Aeste , einen vorderen
Rana esculenta. — Gesammt-
ansicht des centralen Nerven-
systemes , von unten ge-
sehen. Tic, Hemisphäre ; Lop,
Seilhügel; M, Rückenmark.
Die Linie des Buchstabens
M bezeichnet etwa die Grenze
zwischen Rückenmark und
verlängertem Marke. /, Ner-
vus olfactorius ; II, N. opti-
cus ; IJI, N. oculomotorius ;
TV, N. trochlearis ; V, N. tri-
geminus ; VI, N. ahducens ;
VII, N. facialis; VIII, N.
acusticus ; A', N. vagus; X^,
Verbindungszweig zwischen
Trigeminus und Vagus ; X^,
N. glossopharyngeus ; A'^, Ein-
geweideast des Vagus ; A'*,
Hautast desselben ; Vs, zum
Gasser' sehen Knoten ge-
hendes Vorderende des N.
sympathicas ; Va, Augenast
des Trigeminus ; Vh , Gau-
menast ; Vr, Oberkieferast ;
Vd, Unterkieferast ; Ve, Ast
zum Trommelfell ; M^ bis
iü^", Spinalnerven; .V\ N.
hypoglossus ; Jy^, Armnerv;
S, Grenzstrang des Sym-
pathicus ; S^ bis »S^°, Ganglien desselben; SM, Verbindungszweige dieser Ganglien
mit den Spinalnerven. (Nach Ecker und Wiedersheim.)
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. qj
578 Wirbelthiere.
zui' Verbindung mit dem Facialis und einen ventralwärts absteigenden
Ast, welcbex' sieb am Zungenbeine, auf dem Boden der Mundböble iind
in der Scbleimbaut des Pharynx verzweigt. Die Hauptzweige des
Nerven findet man leicht, da sie unmittelbar an der hinteren Wand
der Gehörkapsel anliegen.
Der Acusticus (VIII, Fig. 246) und der Facialis (VII) ent-
springen zwar gemeinschaftlich an den Seiten des verlängerten Markes,
trennen sich aber bald. Der erstere dringt unmittelbar in die Hör-
kapsel ein; wir werden seine Verzweigung bei Gelegenheit des Gehör-
organes behandeln. Der Facialis verläuft noch innerhalb der Schädel-
höhle nach vorn und tritt dann in den Gasser' sehen Knoten ein,
an welchem ausserdem der Trigeminus (F) und der Abdueens (VI)
Antheil nehmen. Letzterer, der dünnste Hirnnerv, entspringt selb-
ständig an der Unterfläche des verlängerten Markes und läuft schief
nach vorn zu dem erwähnten Ganglion. Da drei Nerven an dessen
Bildung sich betheiligen, so hält es schwer, festzustellen, welchem
Nerven die Zweige angehören, die aus dem Gass er' sehen Knoten
austreten. Ohne auf die feinen mikroskopischen Untersuchungen,
welche man über diesen Punkt angestellt hat, näher eingehen zu
wollen, bemerken wir nur, dass man zu dem Resultate gekommen ist,
dass der Augenast des Trigeminus Nervenfasern vom Abdueens ent-
hält, während der Gaumen-, der Zungenkiefer- und der Zungenbeinast
vom Facialis geliefert werden.
Genau an dem Punkte, wo der Augenast aus dem Gasser'schen
Knoten austritt, iim sich nach vorn zu wenden, gehen zwei feine
Fädchen ab , die zweifellos dem Abdueens angehören. Das eine ver-
zweigt sich in dem Rückzieher des Augapfels, das andere in dem
geraden, äusseren Augenmuskel.
Der Gaumen-, Hy omandibul ar- und Zungenbeinnerv
gehören sicherlieh dem Facialis an, sind aber ihrer Feinheit wegen
schwer zu verfolgen. Um sie zu präpariren, muss man von der ven-
tralen Seite aus vorgehen und sorgfältig das Grundbein, Keilbein und
Flügelbein wegnehmen. Die Namen bezeichnen hinlänglich ihre Ver-
breitungsbezirke.
Der Trigeminus (V) tritt in geringer Entfernung vor dem Facialis
und Acusticus aus dem verlängerten Marke mit nur einer Wurzel,
nicht mit zweien, wie bei dem Barsche, aus. Noch innerhalb der
Schädelhöhle bildet er das bedeutende, unter dem Namen des Gasser'-
schen Knotens bekannte Ganglion (VGr, Fig. 245), aus welchem
zwei starke Nerven austreten, welche im hinteren ^Winkel der Augen-
höhle den Schädel verlassen.
Der vordere, der Augennerv des Trigeminus (Va, Fig. 246),
läuft horizontal an der Aussenwand des Schädels über den Sehnerven
weg nach vorn zwischen den Augenmuskeln durch, giebt hier einige
Amphibien. 579
feine Zweige an den Augapfel und lässt sich nach vorn bis zu der
Nase und der Schnauzenspitze verfolgen , die er mit Zweigen ver-
sorgt.
Der hintere oder Kiefer nerv läuft auf den Boden der Augen-
höhle und theilt sich bald in zwei Aeste , den Oberkiefernerven
(Vc), der, längs des Oberkiefers verlaufend, allen benachbarten Theilen
bis zu den Lippen Zweige abgiebt, und den Unterkiefer nerven
(Vd), welcher sich um den Schläfenmuskel herumschlingt, den Kau-
muskel durchsetzt und die Unterkiefergegend in ihrer ganzen Länge
mit Zweigen versieht.
Hierauf folgen zwei sehr feine Augenmuskelnerven. Der hintere,
der Trochl e aris (/Fj, tritt vor dem Trigeminus aus dem Schädel aus
und begiebt sich unmittelbar zu dem oberen schiefen Augenmuskel, in dem
er sich verzweigt; der vordere, der Oculomoto rius (7ZZ), entspringt
an der Hirnbasis auf der Grenze zwischen dem Mittelhirne und der
Hypophyse, tritt durch ein besonderes Loch vor dem Gasser' sehen
Knoten aus dem Schädel und versorgt die übrigen geraden Atigen-
muskeln.
Der Sehnerv (II), nebst dem folgenden der grösste Hirnnerv,
tritt auf der Unterfläche des Mittelhirnes seitlich aus der Hirnmasse
und läuft schief nach vorn, um mit demjenigen der anderen Seite
durch Kreuzung der Fasern ein breites Chiasma zu bilden. Von diesem
aus gehen die beiden Nerven direct jederseits zu dem Augapfel , in
welchem sie sich als Retina ausbreiten.
Der Riechnerv (/) bildet die unmittelbare Verlängerung des
vor dem Vorderhirn gelegenen Riechlappens und verästelt sich auf der
Schleimhaut, welche den Hintergrund der Nasenhöhlen auskleidet.
Sympathisches Nervensystem. — Nach Eröffnung der
Bauchhöhle desauf den Rücken gelegten Thieres sucht man den Grenz-
strang dieses Systemes neben der Aorta auf, mit welcher parallel er
in unmittelbarer Nähe der Wirbelsäule verläuft, oder man sucht seinen
Endfaden an dem Gasser'schen Knoten bei Untersuchung der Hirn-
nerven auf und verfolgt dann den Grenzstrang weiter nach hinten.
Die Präparation, besonders der Verzweigungen und zahlreichen anasto-
mosirenden Geflechte an den Eingeweiden und denGefässen ist äusserst
schwierig; man wird mehrtägiges Eintauchen in eine SOprocentige
Lösung von Salpetersäure zu Hülfe nehmen, um die im frischen Zu-
stande sehr weichen und zerreisslichen Neryenfädchen einigermaassen
zu festigen.
Wie oben gesagt, besteht das sympathische System wesentlich aus
zwei, der Wirbelsäule parallel laufenden Grenzsträngen, deren jeder,
den Spinalnerven entsprechend, in zehn Ganglien anschwillt (S, Fig. 246).
Der Strang beginnt im Kopfe mit einem feinen, aus dem hinteren
I
580 Wirbelthiere.
Rande des Gasser'schen Knotens entspringenden Fädchen, das auf
seinem Verlaufe nach hinten Verbindungsfäden mit dem Glossopharyn-
geus und Vagus austauscht. Der Grenzstrang tritt hinter dem Vagas-
gangliou aus dem Schädel aus und läuft ventralwärts von den Spinal-
wurzeln an den Wirbelkörpern nach hinten. An dem Hypoglossus,
welcher der erste Spinalnerv ist, schwillt er zu einem ersten Ganglion
(S^) an, das durch mehrere Fädchen mit dem Hypoglossus in Verbin-
dung steht.
Die beiden folgenden Ganglien, welche in der Höhe der das Arm-
geflecht bildenden Nerven liegen, senden feine Fäden zu den Aorten-
bogen, die bis zu den Herzwandungen vordringen und dort mit den
Herzganglien in Verbindung treten, welche an den Ursprungsstellen
der grossen Blutgefässstämme liegen.
Von dem dritten Spinalnerven an setzt sich die Ganglienkette an
der Seite der Aorta nach hinten fort; jedes dreieckige oder spindel-
förmige Ganglion steht durch einen vorderen und mehrere hintere Fäd-
chen mit den correspondirenden Spinalnerven in Verbindung und ent-
sendet zahlreiche Zweige an die Aorta und deren Aeste , welche mit
diesen in die betreffenden Organe eindringen imd dort oft sehr com-
plicirte Geflechte bilden, die meist nur durch besondere Reagentien (Os-
miumsäure, Goldchlorid etc.) zur Anschauung gebracht werden können.
Derartige Plexus finden sich am Magen, an der Leber, den Nieren, der
Harnblase etc. Die letzten Endfäden des Grenzstranges begleiten con-
vergirend die Schenkelarterien.
Sinnesorgane. — Nur während des Larvenzustandes als Kaul-
quappen finden sich bei dem Frosche Seitenorgane ähnlich denjenigen
der Fische. Mit der Vertauschung des Lebens im Wasser gegen das-
jenige in freier Luft bei der letzten Metamorphose treten diese Organe
in die Haut zurück und verändern sich durch Abplattung ihrer Sinnes-
zellen bis zu gänzlichem Schwunde. Jedenfalls findet man bei dem
erwachsenen Frosche keine solche Sinneshügel, wie sie bei den Fischen
vorkommen.
Dies hindert nicht, dass zahlreiche Nervenfädchen sich in der
Haut verzweigen und namentlich um die Drüsen herum in dem Binde-
gewebe der Haut Geflechte bilden. Einige dieser Fädchen erheben
sich senkrecht gegen die Haut und verzweigen sich am Grunde der
Warzen in Haufen von platten Zellen, deren Zahl sehr wechselt. Histo-
logische Untersuchungen mit Hülfe von Osraiumsäure oder Goldchlorid
und Anfertigungen von feinen Schnitten sind nöthig, um sich über die
zumal je nach den Körperstellen sehr variable Structur dieser Tast-
wärzchen Rechenschaft zu geben.
In der Schleimhaut der Mundhöhle sind überall Geschmacks-
organe zerstreut, welche in ihrem Bau den Tastwärzchen ähneln,
Amphibien. 581
die man auf der Haut am Kopfe der Fische, in der Mundhöhle und
auf der Zunge derselben findet. Sie finden sich besonders auf den
Wärzchen der Zunge und auf dem Gaumen , von den Gaumenzähnen
an bis zum Eingange des Schlundes, aber niemals ausserhalb der
-Mundhöhle wie bei den Fischen.
Die schwammförmigen Wärzchen der Fi-oschzungen siiid auf ihrer
ganzen Oberfläche mit verschiedenartig geformten Zellen bekleidet,
deren Structur und Beziehungen zu den Xervenendigungen die Ilisto-
logen vielfach beschäftigt haben. Diese Zellen unterscheiden sich nur
durch ihre Dimensionen von den Zellen , welche die Geschmacksinseln
bilden, die in dem Wimperepithelium des Daches der Mundhöhle zer-
streut sind. Man bezeichnet die einen wie die anderen, nach Merkel,
als Endscheiben. Eine ausführliche Beschreibung derselben findet
sich in der Arbeit von Fajersztajn (s. Lit.). Wir machen hier nur
auf die in letzter Zeit vielfach behauptete Ansicht aufmerksam , wo-
nach diese Endscheiben eher Tastorgane als Geschmackswärzchen sind,
da bei einem Thiere, das sich wesentlich von Insecteu mit geschmack-
loser Chitinhülle nährt, letztere Function nur in geringem Grade nütz-
lich wäre.
Geruchsorgan. — Die durch eine knorpelige Scheidewand ge-
trennten Xasensäcke liegen auf der dorsalen Fläche der Schnauzen-
spitze. Sie münden nach aussen mit ovalen OefPnungen, deren äusserer
Rand von einem Hautwulste umzogen wird, der sich seitlich zu einem
kurzen Tentakel auszieht, welcher zum Schliessen der Oeffnung beim
Aufenthalte des Frosches im Wasser dient. Die innere Nasenöffnung
mündet in der Nähe der Gaumenzähne ((/, Fig. 223) in die Mundhöhle.
Ein Zug schwarzen Pigmentes erstreckt sich von der äusseren Nasen-
öffnung zu dem vorderen Augenwinkel und bezeichnet so die Lage des
von Born entdeckten, äusserst feinen Thränencanals, auf dessen
Beschreibung wir nicht näher eingehen.
Die Nasenhöhle wird oben von der dorsalen Platte des Gürtel-
beines und von dem Nasenbeine, nach vorn von dem Zwischeukiefer,
nach unten von dem Yomer und dem Gaumenbeine, nach hinten von
dem Siebbeine begrenzt, welches der Riechnerv durchsetzt. Mittelst
einer feinen Scheere hebt man das Dach derselben ab, und sieht dann,
dass die Höhle im Ganzen die Form eines Dreiecks hat, dessen vor-
derer Winkel von der Nasenöffnung eingenommen wird. Die Höhle
verlängert sich nach vorn in eine Ausbuchtung des Zwischenkiefers;
diese Nebenhöhle zeigt gefaltete Wände und einen buckeligen Boden.
Die Oberfläche der Xasenschleimhaut wird durch vorspringende Leisten
ihrer Knorpelunterlage bedeutend vergrössert ; diese Leisten sind als
die ersten Anlagen der Nasenmuscheln zu betrachten, welche bei
vielen höheren Wirbelthieren so bedeutend entwickelt sind. Zu ge-
nauerer Untersuchung dieser Muschelrudimente miiss man feine Quer-
582
Wirbelthiere.
Yis. 247.
schnitte zu Hülfe nehmen , die man an einer mit Chi'omsäure fixirten
und entkalkten Schnauzenspitze eines alten, oder an erhärteten Stücken
eines jungen Thieres anfertigt, wo die Theile noch knorpelig sind.
Die Furchen der Nasenmuscheln, wie überhaupt die Wände des
Nasensackes sind mit einem Epithelium ausgekleidet, das man nach
Fixirung in Osmiiimsäure oder Müller'scher Flüssigkeit zerzupfen
und untersuchen kann. Seine sehr complicirte Structur ist von meh-
reren Forschern untersucht worden
(s. Lit.). Es enthält drei Haupt-
formen von Zellen:
1) Cylindrische Wimper-
zellen mit dicken, eiförmigen und
körnigen Kernen (A, Fig. 247).
2) Lange Cylinderzellen
ohne Wimpern , die sich mit einem
langen Faden, der abgestutzte Wur-
zelfäserchen trägt, in das unter-
liegende Bindegewebe einsenken (B).
3) Eigentliche Riechzellen
(0). Dieselben sind lang, dünn,
cylindrisch, mit einem grossen, kör-
nigen Kern, welcher eine eiförmige
Anschwellung bildet. Von diesem
Kern geht ein langer, knotiger P'aden
aus , der sich in das Bindegewebe
einsenkt und ohne Zweifel eine Fort-
setzung der Endfasern des Riech-
nerven bildet. Der lange, dünne
Zellenkörper trägt auf seinem in
die Nasenhöhle ragenden Ende
äusserst zarte Riechborsten, meist pinselförmig zusammengestellt.
Zuweilen findet man auch nur eine vereinzelte Riechborste.
Ausser den erwähnten Zellen finden sich auch noch in dem Binde-
gewebe unter der Schleimhaut einzellige Drüsen, welche wohl den
schlüpfrigen Schleim absondern, der sich in der Nasenhöhle findet.
Eine ähnliche Absonderung scheinen die sogenannten Bowman'schen
birnförmigen Drüsen zu liefern , die überall in der Schleimhaut zer-
streut sind.
Sehorgan. — Die jederseits am Kopfe gelegenen Augen können
von dem Frosche willkürlich vorgetrieben, besonders aber mittelst des
in der Nähe des Sehnerven angehefteten Rückziehmuskels des Auges
tief in die Augenhöhle zurückgezogen werden , was meistens bei
Empfindung von Schmerz geschieht.
Ra7ia escidenta. — Zellen der Rieeh-
schleimhaut. A , cylindrische Wimper-
zellen ; jB, cylindrische Epithelialzellen
ohne Wimpern; C, eigentliche Riech-
zellen.
Amphibien. 583
Der Augapfel wird von zwei Lidern geschützt. Das obere Augen-
lid, von unveränderter Haut überzogen, ist nur klein, starr und un-
beweglich; das untere ist so gross, dass es über den ganzen Augapfel
herübergezogen werden kann, mittelst eigener, in feine Stralilenbündel
zersplitterter Mviskeln; es ist so durchscheinend, dass es zur Demon-
stration der Capillaren und der Nervenverzweigungen unter dem Mi-
kroskope dienen kann. Der Augapfel ira Ganzen hat die Gestalt
einer auf der Vorderfläche abgeplatteten Kugel, deren Form durch die
hinten schräge, nach vorn in die durchsichtige Hornhaut übergehende
weisse Haut bestimmt wird.
Diese, die Sclerotica, wird von einem dichten Fasergewebe ge-
bildet, in welchem sich eine dünne, durchsichtige, besonders in der
Umgebung des Sehnerven stärker entwickelte, becherförmige Knorj)el-
lamelle zur Stütze ausbildet. Die schwarze Choroidea scheint durch
das trübe Gewebe der Sclerotica mit bläulicher Farbe durch , sobald
man die den Augapfel umhüllenden Muskeln und Fettpolster ent-
fernt hat.
Die vollkommen durchsichtige Cornea bedeckt den ganzen sicht-
baren Theil des Augapfels. Sie hat eine ziemlich complicirte Structur ;
ihre Hauptschicht wird durch ein eigenthümliches Bindegewebe aus
feinen Fäserchen gebildet, die in eine helle Grundsiibstanz eingebettet
sind, welche durch Reagentien feinkörnig niedergeschlagen wird. In
dieser Substanz breiten sich Netze von Blutgefässen und Lymphräumen
aus, welche Recklinghausen in seiner Arbeit über die Lymphgefässe
(Berlin 1862) beschrieben hat. Auch findet man darin Nervenendigungen,
die dem Augenaste des Trigeminus entstammen. Auf der Innenfläche
wird die Hornhaut von einer durchsichtigen , elastischen Membran,
der Descemet'schen Haut ausgekleidet, die man durch Maceration
in 20procentiger Kochsalzlösung leicht ablösen kann. Endlich wird
ihre innere wie ihre äussere Fläche von einem Zellenepithelium be-
deckt. Die äussere Zellenhaut, die Conjunctiva, besteht aus meh-
reren Schichten verschiedenartig gestalteter Zellen; sie schlägt sich
auf die Innenfläche der Augenlider hinüber; die innere Auskleidung
wird nur von einer einzigen Schicht polygonaler Zellen gebildet.
Die Choroidea oder Gefässhaut, reich au Pigment und Blut-
gefässen , liegt der Innenfläche der Sclerotica unmittelbar an und ist
mit dieser sowohl an der Eintrittsstelle des Sehnerven , sowie im Um-
kreise des Ansatzes der Cornea fest verbunden. Ausser an diesen
Stellen lässt sie sich leicht mittelst eines Pinsels von der Sclerotica
loslösen. Schwarze, sternförmige Pigmeutzellen, deren Ausläufer mit
einander anastomosiren, finden sich in grosser Zahl in der aus zelligem
und faserigem Bindegewebe zusammengesetzten Grundsubstanz. Die
äussere Schicht, die sogenannte Lamina fusca, ist schwammig auf-
gelockert und von bräunlicher Farbe ; in der inneren , dem Pigment-
584 Wirbelthiere.
epithelium der Retina anliegeüden festeren Schicht verzweigen sich
vorzugsweise die Gefässcapillaren und bilden Knäuel von eigenthüm-
licher Gestalt.
Nach vorn schlägt sich die Choroidea nach innen um und bildet
so den von der Pupille durchbohrten Blendschirm der Iris. Spindel-
förmige Maskelzellen vermischen sich mit den übrigen , von der Cho-
roidea herstammenden Geweben. Die an der Ansatzstelle entsprin-
genden radiären MiTskelfasern, welche den Ciliarfortsätzen entsprechen,
erweitern die Pupille, die dem Pupillarrande genäherten, circulären
Fasern verengern das Sehloch, das von elliptischer Gestalt ist. Auf
ihrer Vorderfläche ist die Iris mit der Fortsetzung des polygonalen
Pflasterepitheliums ausgekleidet, welches die Hinterfläche der Cornea
bedeckt. Auf der Hinterseite, die sehr schwarz ist, sind die Pigment-
zellen in Massen angehäuft; sie enthalten, besonders im Umkreise der
Pupille, auch helles, goldfarbig schimmerndes Pigment.
Die Iris theilt das Innere des Augapfels in zwei, durch das Seli-
loch mit einander communicirende Räume; die vordere, sehr kleine
Augenkammer enthält etwas Flüssigkeit, den Humor aqueus; die
hintere Augenkammer wird von der Krystalllinse und demGlas-
körper eingenommen. Letzterer besteht aus einer gelatinösen, stark
lichtbrechenden Flüssigkeit, die von der äusserst feineu, durchsichtigen
Glashaut umschlossen wird.
Wenn inan mit einer feinen Scheere die Hornhaut an ihrem An-
satzkreise abgelöst und die wässerige Flüssigkeit hat ablaufen lassen,
drängt sich die grosse, fast kugelförmige Krystalllinse durch die
Pupille vor. Sie ist auf der vorderen Fläche etwas abgeplattet und
in einer festen, elastischen Haut, der Linsenkapsel, eingeschlossen,
deren Innenfläche von einem schönen Pflasterepithelium überzogen ist.
Die Linse besteht aus eigenthümlichen , bandartig verlängerten und
abgeplatteten Zellen, welche durch eine amorphe Substanz mit einander
verkittet sind.
Die Retina, welche den Grund des Augapfels auskleidet und der
Innenfläche der Choroidea unmittelbar anliegt, ist im Leben voll-
kommen durchsichtig, wird aber bald nach dem Tode trübe, von
milchigem Ansehen. Ihre Structur ist äusserst complicirt. Innen wird
sie von einer, der Glashaut anliegenden, inneren Gx'enzmembran, aussen
von einem Pigraentepithelium überzogen. Zwischen diesen beiden
Grenzschichten hat man acht verschiedene Schichten unterschieden,
von welchen die einen, aus bindegewebigen Elementen gebildet, Stütz-
organe sind, während die anderen, aus Nervenelementen zusammen-
gesetzt, der specifischen Function des Sehorganes angehören. Unter
den letzteren ist die Schicht der Stäbchen und Kegel besonders wichtig,
welche unmittelbar der äusseren Pigmentschicht anlagern und mit
ihren Enden in dieselbe hineinragen. Im Uebrigen entspricht die
Amphibien.
585
Anordnung der einzelnen Schichten derjenigen vom Barsche (S. 526).
Wir gehen nicht näher auf ihre Beschreibung ein , da wir der von
11 off mann (Bronn's Thierreich, Art. Amphibien) gegebenen nichts
zuzufügen haben. Im Centrum der hinteren Augenkamraer, etwas
nach aussen von der Eintrittsstelle des Sehnerven, findet sich eine
Verdünnerung der einzelnen Schichten der Retina, die ein sehr seichtes
Grübchen darstellt; es entspricht dem im Auge des Menschen vorhan-
denen gelben Flecke, wo die Schärfe der Auffassung der Licht-
strahlen den höchsten Grad erreicht.
Augenmuskeln. — Acht Muskeln betheiligen sich an den
Bewegungen des Auges, zuerst die vier geraden, von welchen drei, der
untere (Fig. 248,/), der äussere (g) und der innere (e), jeder
mit einer dünnen Sehne an dem Keilbeine oder der dasselbe mit
den Stirnscheitelbeinen verbindenden Faserknorpellamelle entspringen
und mit fächerartig ausgebreiteten Muskelbündelchen sich an der durch
ihren Namen angedeuteten Stelle der Sclerotica in der Nähe der Cornea,
an dem unteren Kreisabschnitte, anheften, wäh-
rend der hintere gerade Augenmuskel,
der mit breiterem Ansätze am Stiruscheitel-
beine entspringt, sich an den oberen Kreis-
abschnitt in der der vorigen entsprechenden
äquatorialen Ebene ansetzt. Die beiden schiefen
Augenmuskeln (/, /t') entspringen beide, einer
über dem anderen , am Gaumenbeine , laufen
über die Härder' sehe Drüse weg und ver-
breiten sich, der eine auf der oberen, der
andere auf der vorderen Fläche der Sclerotica.
Sie rollen das Auge nach oben und auf die
Seite. Zu diesen überall vorkommenden Älus-
keln gesellen sich noch: der Rückziehmuskel
des Auges (h), der innerhalb der geraden Mus-
keln unmittelbar den Sehnerven umgiebt und
mit einer breiten Sehne an dem Keilbeine ent-
springt. Man kann an ihm drei Hauptbündel
unterscheiden , von welchen zwei sich vor der
Aequatorialebene des Augapfels an der oberen
Fläche der Sclerotica, das dritte hinter dieser Ebene an der unteren
Fläche festsetzen. Er zieht den Augapfel nach innen. Endlich der
Hebemuskel des Auges, eine im Grunde der Augenhöhle aus-
gebreitete Muskellamelle, auf welcher der übrigens nicht an sie
angeheftete Augapfel ruht. Er setzt sich einerseits an den oberen
Rand des Stirnscheitelbeines, anderseits an den oberen Rand des
Oberkiefers au, den er und mit ihm den Augapfel in die Augenhöhle
emporhebt.
^- 1
Rana tscultntu. — Die Mus-
keln des Auges, a, Sphe-
noideum ; 6, Palatinum ; c,
Pterygoideum ; d , Orbita ;
e, innerer gerader Muskel;
/, unterer gerader Muskel ;
g, äusserer gerader Muskel ;
Ä, Rückzielimuskel des Aug-
apfels ; /, oberer schiefer
Muskel ; fc, unterer schiefer
iMuskel.
586 Wirbelthiere.
Augendrüsen. — Der Frosch besitzt keine Thränendrüsen ;
ist aber zum Ersatz mit einer sehr blutreichen Drüse ausgestattet, die
sich vom inneren Augenwinkel bis auf den Boden der Augenhöhle
erstreckt. Diese Harder'sche Drüse ist von festem Bindegewebe
umhüllt; ihre cylindrischen Drüsenzellen sondern einen öligen Stoff
ab, der dem von den Meibom 'sehen Drüsen der höheren Wirbelthiere
gelieferten ähnlich ist und namentlich die innere Fläche des unteren
Augenlides schlüpfrig erhält.
Hörorgan. — In Folge einer Umbildung der vorderen Kieraen-
spalten und der sie trennenden Visceralbogen, auf deren Einzelheiten wir
hier nicht eingehen können, die aber durch die Umsetzung derKiemen-
athmung in Lungenathmung bedingt ist, besitzen die Amphibien ein
mittleres Ohr, das aus der Trommelhöhle und deren Dependenzen
besteht und den Fischen gänzlich abgeht. Dagegen fehlt dem Frosche,
wie allen anderen Amphibien, ein äusseres Ohr; eine leichte Einsen-
kung an der hinteren Kopfecke kann als erstes Anzeichen eines solchen
angesehen werden ; auf dem Grunde dieses Grübchens, unmittelbar unter
der Haut, der es fest anhängt, ist das Trommelfell ausgespannt
in einem knorpeligen Rahmen , der an dem Schläfenbeine und selbst
an dem Schläfenmuskel befestigt ist. Dieser, sowie die benachbarten
Muskeln können das Trommelfell mehr oder minder spannen.
Präparirt man die Haut über dem Trommelfelle sorgfältig ab , so
sieht man, dass das letztere eine sehr dünne, von strahlenförmig an-
geordneten Sehnenfasern gebildete Lamelle darstellt, deren innere, der
Höhle zugewendete Fläche von demselben pigmentirten Epithelium
von Cylinderzellen ausgekeidet wird, welches die ganze Trommelhöhle,
die Eustachi'sche Röhre und die Mundhöhle überzieht. Etwa auf der
Mitte des durchschimmernden Trommelfelles sieht man einen weissen
Fleck, die Ansatzstelle des äusseren Endes der Columella. Das andere,
innere Ende der Columella legt sich an das ovale Fenster des Laby-
rinthes an; man muss also das Trommelfell von seinem Rahmen los-
lösen , um das Knöchelchen in seiner ganzen Ausdehnung zu sehen
und zugleich in die relativ weite, aber seichte Trommelhöhle ein-
zudringen , deren von Knorpelwänden umschlossene Innenfläche mit
dem schon erwähnten pigmentirten Epithelium ausgekleidet ist. Sie
hat die Gestalt eines weiten, flachen Trichters, dessen Mündung nach
aussen schaut, während sich sein Grund in die Eustachi'sche Röhre
fortsetzt, die an dem Flügelbeiue anliegt und mit weiter Mündung
(h, Fig. 223) im Hintergrunde der Rachenhöhle sich öffnet, so dass
man leicht von hieraus eine Sonde in die Trommelhöhle einführen
kann.
Die Columella (Fig. 249), die wohl der Kette der Gehör-
knöchelchen der höheren Wirbelthiere entspricht, hat die Gestalt eines
Hanteis, welcher die Trommelhöhle quer durchsetzt, und mit zwei an-
Amphibien.
587
geschwoUeuen Knorpeleuden , dem distalen grösseren nnd unregel-
mässigeren an das Trommelfell, mit dem proximalen, mehr abgerun-
deten Ende an die Membran des ovalen Fensters sich anlegt.
Nach Constatirung dieser Verhältnisse löst man die Columella los
und wendet sich zur Präparation des Labyrinthes, die wegen der Klein-
heit der Theile sehr schwierig ist. Man arbeite an frischen Thieren,
die man vorher mit Osmiumsäure eingespritzt hat, welche nicht nur die
histologischen Elemente fixirt, sondern auch das häutige Labyrinth im
Ganzen mehr festigt, so dass man die Knochen- und Knorpeltheile,
welche dieses umhüllen, ohne Verletzung desselben wegnehmen kann.
Zur Untersuchung im Ganzen kann man auch durch Chromsäure oder
Salpetersäure entkalkte Köpfe benutzen : nur werden bei solcher Be-
handlung die Otolithen und die Kalkkrystalle , welche im Inneren des
Labyrinthes abgelagert sind,
selbstverständlich aufgelöst.
Das häutige Labyrinth
(Fig. 250, 251) ist auf der
Seite des Schädels in einer
unvollständigen Kapsel ein-
geschlossen , welche vorn von
dem Felsenbein (Prooticum)
und auf den übrigen Seiten
von dem Hinterhauptsbeine
und dem diese beiden Knochen
verbindenden Knorpel gebildet
wird. Dieses knöcherne La-
byrinth hat eine sehr un-
regelmässige Foi-m; nach oben
Ru/ia escitlenta. — Die Columella, achtfach ver-
grössei-t. 7, Ansicht von oben ; IT, Ansicht von
hinten, a' , a" , äusseres knorpeliges Ende;
b, verknöcherter Mitteltheil; m, an einen Sporn
des Mitteltheiles angeheftetes Muskelbündel ;
c, inneres knorpeliges Ende, das sich an das dringen in Seitenhöhlen zwei
ovale Fenster des Labyrinthes ansetzt. (Nach i n • i ir- • n -i n, -i.\
p ^ . N ^ halbcirkeliormige banale [li, k)
Ketzius.j . -, .
und der Utriculus («) ein, nach
unten in entsprechende Gruben der Sacculus (?) und die Lagenula («),
das Rudiment der Schnecke ; nach aussen hin entspricht ein wenig vor-
springender Bogengang dem äusseren halbcirkelförmigen Canale (?).
Ausserdem ist die Kapsel nicht geschlossen, da mehrere OeflFnungen vor-
handen sind; an der unteren Fläche das ovale Fenster, an der hin-
teren das runde Fenster und der Aquäduct der Schnecke (Hasse) und
auf der inneren, der Schädelhöhle zugewandten Fläche der Aquäduct
des Vestibulums. Unter diesem dringt der vordere oder Vestibularast
des Hörnerven (1, Fig. 250) in das Labyrinth ein, während der hin-
tere oder Schueckenast dieses Nerven (2) etwas über und hinter dem
vorigen eintritt.
Das häutige Labyrinth füllt nicht vollständigfdie Höhlungen des
knöchernen aus; zwischen beiden erstreckt sich |ein perilympha-
588
Wirbelthiere.
tischer Hohlraum, der um den Sacculus und den Ursprung der halb-
cirkelförmigen Canäle ziemlich weit, um die Convexität der Canäle
herum aber so verengt ist, dass jeder dieser Canäle excentrisch in
seinem Räume liegt, wovon man sich leicht auf Querschnitten über-
zeugen kann.
Die Perilymphe, welche das häutige Labyrinth umspült, erfüllt
diesen Raum. Die Wände des häutigen Labyrinthes sind sehr dünn,
aus amorpher Substanz gebildet, in welchem man hier und da sehr
feine Fäserchen und gesternte Pigmentzellen findet. An einigen Stellen,
besonders da, wo die Nerven auf Leisten und Einschlägen verschiedener
Form sich ausbreiten, verdicken sich diese Wände.
Nachdem man das häutige Labyrinth aus seiner Kapsel heraus-
geschält hat, kann man es in einem Uhrglase in indifferenter Flüssig-
Fio-. 250.
Rana esciilenta. — Das Hörlab3'rinth von der inneren Seite gesehen , in zehnfacher
Vergrösserung. a, Utriculus ; b, Stelle seiner OefFnung ; c, oberer Sinus des Utri-
culus ; d, hinterer Sinus; e, vordere ArnpuUe ; /, äussere Ampulle; jr, hintere Am-
pulle; h, vorderer halbcirkelförmiger Canal ; ?', äusserer; h, hinterer Canal; /, Saccu-
lus ; VI, endolymphatischer Canal ; n, Lagenula ; o, Basaltheil der Schnecke ; p, Canalis
ntriculo-saccularis ; q, Hörfleck der utricularen Ausweitung; r, Hörfleck des Sacculus;
s, Hörfleck der Macula neglecta; t, Hörwarze der Lagenula; m, basilare Hörwarze;
V, Nei'v der vorderen Ampulle ; lü, Nerv der hinteren ; x, Nerv des Sacculus ; y, Nerv
der Lagenula; 2, Basilarnerv. 1, 2, durchschnittene Stämme des Höruerven. (Nach
G. Retzius, verkleinert.)
keit ausbreiten und mit einer starken Lupe untersuchen und Folgendes
constatiren.
Der centrale Theil, das Vestibulum, auch Vorhof genannt, trennt
sich in eine obere Kammer, den Utriculus (a, Fig. 250, 251), und
eine untere, den Sacculus (?).
Amphibien.
589
Der Utinculus ist ein horizontal gelagerter, cylindrischer Sack,
der sich nach oben gegen die verticalen, halbcirkelfönnigen Canäle
hin in einen oberen Sinus (c) und nach hinten gegen die hintere
Ampulle in einen hinteren Sinus (cl) verlängert. Seine innere Höhle
ist durch eine sichelförmige Einfaltung (h) in eine vordere und hintere
Kammer getheilt. Durch die in der Mitte der Einfaltung angebrachte
Utricularöffnung communiciren die beiden Kammern mit ein-
ander.
In die vordere Kammer mündet die Ampulle (/) des äusseren
halbcirkelförraigen Canales; ausserdem communicirt diese Kammer
durch eine enge Oeffnung, den Canalis utriculo-saccularis (p), mit der
Höhle des Sacculus. In die hintere Kammer mündet der obere, die
beiden senkrechten, halbcirkelförraigen Canäle verbindende Canal. Nach
Fig. 251.
Rana escuknta. — Das Hörlabyrinth von aussen gesehen. Dieselbe Yergrösseruncr
wie die der vorigen Figur. Die Buchstaben haben dieselbe Bedeutung. (Nach G. R e t z i u s.)
vorn communicirt der Utriculus mit der eiförmigen vorderen Am-
pulle (e) am Ursprünge des gleichnamigen halbcirkelförraigen Canales
und nach hinten mit der hinteren Ampulle {g). Diese beiden, sowie
die schon erwähnte äussere Ampulle (/) zeigen auf ihren Boden
innere Einfaltungen der Wände, auf deren freien Rändern Hörleisten
angebracht sind, von welchen später die Rede sein soll.
Die gekrümraten Divertikel des Utriculus, die halbcirkel-
förraigen Canäle, finden sich, wie bei den Fischen und den höheren
Wirbelthieren , in der Dreizahl. Die beiden senkrechten Canäle, der
vordere (/*) und der hintere {Ti) vereinigen sich in der Höhe zur Bil-
dung des oberen Sinus und zeigen jeder an seinem Ursprünge eine
Ampulle. Der äussere, horizontal verlaufende Canal (i) , der nach
590 Wirbeltbiere.
aussen vorspringt, besitzt an seinem vorderen Ende eine Ampnlle,
mündet aber nach hinten ohne entsprechende Erweiterung nicht weit
von der hinteren Ampulle in den Utriculus ein.
Die untere Abtheilung des Labyrinthes besteht aus dem S a c c u -
1 u s (0, einem fast in verticaler Richtung etwas verlängerten Säckchen,
dessen obere Wand sich in einen langen, engen Gang, den Ductus
endolymphaticus (m), auszieht, der vertical an der inneren Fläche
des Utriculus gegen die Schädeldecke in die Höhe steigt und dort mit
einem kleinen gelappten Säckchen neben dem Gehirne endet. Dieses
mit Kalkkrystallen, welche den im Sacculus befindlichen gleichen, an-
gefüllte Säckchen steht seinerseits in Verbindung mit den zu den Seiten
der Wirbelsäule an der Austrittsstelle der Spinalnerven liegenden Kalk-
säckchen. Man sehe über das Nähere die sehr in das Einzelne gehende
Arbeit von A. Coggi (s. Lit.).
Hinter dem Sacculus befinden sich noch vier andere Ausstülpungen,
die in gleicher Weise wie der Sacculus selbst mit Hörscheiben ver-
sehen sind, auf welchen sich Zweige des Hörnerven verästeln. Die
zwei grösseren dieser Auswüchse , die auch auf unseren Figuren dar-
gestellt sind, heissen die Lagena (n) , die man mit vollem Rechte als
Aequivalent der Schnecke ansieht, und der Basaltheil der Schnecke
(Pars hasilaris Cochleae, o). Die beiden anderen, weit unansehnlicheren,
wurden als Tegumentutn vasculosum und Pars neglecta bezeichnet.
Der Hörnerv (VIII, Fig. 246) tritt aus dem Schädel durch ein
Loch aus, welches in dem Vex'bindungsknorpel zwischen Felsenbein
und Hinterhauptsbein angebracht ist. Bei seinem Eintritt in das Laby-
rinth theilt er sich in zwei Aeste, einen vorderen und einen hinteren.
Der erstere sendet einen starken Zweig (x) zum Sacculus und dem
Utriculo-saccularcanale, andere zur vorderen ('v) und äusseren (v') Am-
pulle. Der hintere Ast verzweigt sich in der Pars hasilaris cocMeac (z), in
der Lagenula (t) und der hinteren Ampulle (w).
Alle diese Aeste, die man durch Behandlung des Labyrinthes
mittelst Osiniumsäure zur Anschauung bringen kann, verzweigen sich
mit feinen Endfäden in den unter dem Namen von Hörleisten und
Hörflecken bekannten Gebilden auf der Innenfläche der verschiedenen
Theile des Ijabyrinthes, die wir oben bezeichneten. Die Beziehimgen
dieser Endfäden zu dem die Innenfläche auskleidenden Epithelium des
Labyrinthes gehören in das Gebiet der Histologie. Die Zellen dieses
meist einschichtigen Epitheliums modificiren sich in mannigfaltiger
Weise auf den wirklich sensitiven Gebilden, den Hörleisten und Hör-
flecken. Wir verweisen hinsichtlich dieser Bildungen auf die Arbeiten
von Deiters, Hasse und Retzius (s. Lit.).
Verdauungssystem. — Die Schleimhaut, welche die so un-
mässig weite Mundhöhle des Frosches auskleidet, wird von einem
Epithelium überzogen , unter dessen mannigfaltig gestalteten Zellen
Amphibien. 591
cylindrische Wimperzellen vorherrschen. Sie wird von den Kiefern
begrenzt, die von einem dicken Falten wulste der Schleimhaut bedeckt
sind. Bei der Schliessung des Maules klappt der Unterkiefer in einen
ihm entsprechenden Falz an dem Oberkieferrande ein.
Wir erwähnten schon einige eigenthümliche Bildungen an dem
Dache der Mundhöhle (S. 580). Oberkiefer und Zwischenkiefer tragen
eine Reihe kleiner, etwas hakenförmig gekrümmter Zähnchen, deren
scharfe Hakenspitze nach hinten gerichtet ist. Sie sind alle von
gleicher Gestalt, mehr als hundert an der Zahl, treten kaum über den
sie umhüllenden Schleimhautwulst hervor und dienen mehr zum Zurück-
halten der Beute als zu ihrer Zerstückelung. Sie bestehen aus Dentin,
Cement und einer Schmelzkappe. Ihre Structur und Entwicklung
wurde von 0. Hertwig untersucht (s. Lit.). Die auf zwei kleinen
Erhöhungen des Vomer sitzenden Gaumenzähne zeigen dasselbe Ver-
halten. Vor ihnen , in dem Räume zwischen Vomer und Zwischen-
kiefern, und in unmittelbarer Nähe der Nasensäcke liegt in der
Schleimhaut die kleine Zwischenkieferdrüse, deren Ausführungs-
gänge sich an der bezeichneten Stelle in einem kleinen Grübchen öffnen.
Rechts und links von den Gaumenzähnen sieht man die hinteren
Nasenöffnungen oder Choanen (g, Fig. 223) und noch weiter hinten
am Eingange der Rachenhöhle die weiten Oeffnungen der Eustachi'-
schen Röhren, die in die Trommelhöhle führen (h). In der Mittellinie
des Gaumendaches verläuft zwischen den vorquellenden Augäpfeln eine
in dem Keilbeine ausgegrabene Rinne (h). Die Augenhöhlen sind in
der That von der Mundhöhle nur durch membranöse Gebilde getrennt,
durch die Mundscheimhaut, eine Lamelle von Bindegewebe und den
oben (S. 585) geschilderten Hebemuskel des Auges, auf welchem der
Augapfel unmittelbar aufruht.
Der Boden der Mundhöhle wird gänzlich von der Zunge aus-
gefüllt, die von einer Menge sich kreuzender Muskelfasern durchzogen
wird (k, ?, Fig. 223). Sie ist vorn an der Symphyse der beiden Unter-
kiefer angeheftet und wechselt sehr in der Form, je nach ihrem Con~
tractionszustande ; das nach hinten übergeschlagene Ende ist meist
verbreitert und der freie Hinterrand halbmondförmig ausgeschnitten.
Die Oberfläche der Zunge ist mit unregelmässig zerstreuten Papillen
dicht besetzt; zwischen diesen münden die Ausführungsgänge zahl-
reicher, sackförmiger Drüsen. Wir haben oben (S. 566) die Muskeln
beschrieben, welche die Zunge an das Zungenbeingerüste anheften und
dieselbe aus dem Maule herausschleudern oder zurückziehen.
Bei dem Männchen sieht man jederseits zwischen der Zunge und
dem Unterkiefer die spaltförmigen Oeffnungen der Schallsäcke,
welche dem Weibchen durchaus fehlen. Diese von einer Muskelhaut
umgebenen Ausstülpungen der Mundschleimhaut dienen als Resonatoren
zur Verstärkung des Schalles beim Quaken.
592
Wirbelthiere.
Die hintere Rachenhöhle führt ohne scharfe Grenze in den in
der Mittellinie gelegenen kurzen, trichterförmigen Schlund, unter
welchem der Kehlkopf liegt. Meist finden sich an der Uebergangs-
stelle Längsfalten der Schleimhaut. Auch zwischen Schlund und
Magen (a, Fig. 252) lässt sich keine scharfe Grenzlinie ziehen. Doch
Y^„ 252 biegt sich mit dem Beginne
dieses letzteren, der einen
langen, leicht gekrümmten
Sack mit sehr ausdehn-
baren, dicken und festen
Wänden darstellt, das
Darmrohr allmählich auf
die Seite hinüber. In der
Pylorusgegend ist die
Krümmung deutlicher aus-
gesprochen , ihr convexer
Rand ist gegen die linke
Seite gewendet.
Die Schleimhaut des
Schlundes undMagens zeigt
im leeren Zustande dieser
Organe gut ausgeprägte
Längsfalten , welche sich
bei der Füllung mehr oder
minder verwischen. Um
auf Schnitten die histolo-
gische Structur untersuchen
zu können, leitet man
durch den abgeschnittenen
Magen so lange einen
Wasserstrahl, bis er voll-
ständig gereinigt ist, und
härtet dann in Weingeist
von zunehmender Stärke.
Nach der Härtiang sind die
Rana esculenta. — Der Darm
mit seinen Anhangsgebilden, a,
Schlund ; &, Magen ; c, Pylorus ;
rf, Duodenum; e, Dünndarm, zum
Theil entwickelt;/, Rectum, theil-
weise aufgeschnitten, um seine Längsfalten ^f zu zeigen; /t, Cloake ; i, linker; i', rechter;
i", ventraler; i'", dorsaler Leberlappen; Ic, Gallenblase; l, Gallenblasengang; m, 9w',
aus den mittleren Leberlappen kommende Gallengänge ; w, gemeinsamer Gallengang
{Ductus clioledochiis) , die Mitte des Pankreas o einnehmend und in das Duodenum
mündend ; p, Peritonealfalte ; q, Milz.
Amphibien. 593
Theile so fest, dass man zur Anfertigung von Schnitten nicht nöthig
hat, sie in Paraffin einzubetten, namentlich wenn man nur eine nicht
tiefer eingehende histologische Untersuchung vornehmen will. Von
aussen nach innen constatirt man in den Magenwänden folgende fünf
verschiedene Schichten: eine vom Bauchfelle gelieferte seröse Haut-
sehicht; eine Schicht von Längsmuskelfasern; eine Schicht von mus-
culösen Kreisfasern: eine lockere, von reichlichen Lymphraumnetzen
durchzogene Bindegewebeschicht und endlich eine drüsige Schleim-
hautschicht, die von einem Epithelium aus Cylinder- oder Becher-
zellen überzogen ist, welche hier und da Wimpern tragen.
In der Schleimhaut des Magens liegen zweierlei röhrenförmige
Drüsen: mit einfachem Epithelium ausgekleidete Schleimdrüsen und
Verdauungsdrüseu, die ausser einem ähnlichen Epithelium noch
im Grunde ihrer Röhren grosse, helle Zellen (Gastralzellen Heiden -
hain's) besitzen, welche Peptone absondern.
Der Magen verengert sich bedeutend an seinem hinteren, durch
eine Krümmung in den Darm übergehenden Abschnitte. Hier hören
auch die dicht zusammengedrängten Längsfalten plötzlich auf und be-
ginnt an diesem Pylorus (c) der Dünndarm, dessen vorderer Ab-
schnitt (Duodenum, d) sich der Läugsaxe des Darmes parallel nach vorn
krümmt. In diese Krümmung ist das Pankreas (o) eingelagert. An der
Leber krümmt sich der stets enge Darm von Neuem nach unten, bildet
mehrere Schlingen und mündet dann in das verhältnissmässig weite
Rectum (/) , dessen Wände weit dünner als die Darmwandungen sind
und das meist durch die Anhäufung von Excrementen eine grünliche
Farbe hat. Dieser Aftertheil wimmelt von Infusorien , namentlich
Paramecien und Opalinen. Xach hinten verengert sich das Rectum
wieder und mündet in die Cloake etwa auf gleicher Höhe mit der
Harnblase.
Die Schichten, aus welchen die Magenwandungen zusammengesetzt
sind, finden sich, wenn auch verschieden entwickelt, in der ganzen
Länge des Darmcanales wieder. Namentlich werden die Muskelschichten
weit dünner und in dem Afterdarme wiegen die Längsmuskeln vor
gegenüber den fast verschwindenden Kreismuskelu.
In dem ersten Darmabschnitte, dem Duodenum, bildet die Schleim-
haiit sehr feine und unregelmässige Xetzfalten, weiterhin erhöhen sich
diese Falten und etwa in zwei oder drei Centimetern Entfernung vom
Pylorus bilden sie sich zu ausgesprochenen Querfalten aus, welche wie
Klappen in das Lumen des Darmes vorspringen und durch secundäre
Falten mit einander verbunden sind, so dass ein complicirtes Netzwerk
hergestellt wird. Diese Bildungen setzen sich etwa über die Hafte der
Länge des Darmes fort, gehen dann aber wieder in Längsfalten über,
die bis in das Rectum sich fortsetzen. Um sie genauer mit der Lupe
zu untersuchen , spaltet man den Darm der Länge nach und breitet
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. gg
594 Wirbelthiere.
ihn auf einer geeigneten Unterlage aus. Ausserdem finden sich noch
im Dünndarme Einstülpungen der Schleimhaut, die als Lieberkühn'sche
Drüsen functioniren mögen.
Es versteht sich von selbst, dass man, um den Darm ausbreiten
zu können, das reich mit Gefässen ausgestattete Bauchfell durch-
schneiden muss, mittelst dessen die Schlingen des Darmes an die Körper-
wandungen aufgehängt sind.
Anhangsdrüsen des Darmes. — Die bedeutendste ist die
Leber (r, Fig. 233; i, Fig. 252), ein grosses, viellappiges Organ von
brauner Farbe, welches hinter dem Herzen auf der ventralen Seite
des Darmcanales liegt und den Magen , die Lungen und die oberen
Darmschlingen verdeckt. Sie fällt nach Eröffnung der Bauchhöhle so-
fort in die Augen, und wenn man sie mit einem Pinsel nach vorn über
den Kopf zurückschlägt, kann man ihre einzelnen Theile leicht zur
Anschauimg bringen. Sie ist in vier Lappen , zwei mittlere und zwei
seitliche, getheilt, welche die mittleren Lappen ganz oder theilweise
decken.
Die grösseren Seitenlappen (?', ?') haben eine convexe, ventrale
Fläche; ihre abgerundeten Vorderränder bilden einen winkelartigen
Ausschnitt, in welchen die Spitze des Herzens eingebettet ist. Der
linke Seitenlappen zeigt an seinem inneren Rande einen Einschnitt,
welcher ihn theilweise in zwei Läppchen theilt. Mit ihren hinteren
Abschnitten bedecken die Seitenlappen grossentheils den ventralen
Mittellappen {i ), welcher seinerseits dem Pylorustheil des Magens und
der das Pankreas einschliessenden Darmschlinge aufliegt. Man muss
also, wenn man den Frosch, wie gewöhnlich, von der Bauchseite
her geöffnet hat, diesen Lappen aufheben, um die genannten Theile
zur Anschauung zu bringen. Man sieht dann zugleich die Gallen-
blase (Je) und den weit kleineren und kürzeren dorsalen Leberlappen
(^ ), der auf der dorsalen Seite des Darmes liegt und an diesen durch
eine verdickte Peritonealfalte, das Ligamentum hepatico-duodenale (r),
angeheftet ist. Die vier Lappen sind durch einen schmalen Streifen
von Lebermasse zu einem Ganzen verbunden. Die grüne Galle wird
dvirch ein Doppelsystem sehr feiner Gallencanäle {in, m ) ausgeführt,
die dergestalt in die Substanz der Leber und des Pankreas eingelassen
sind, dass man sie nur schwer zur Anschauung bringen kann.
Wenn man indessen den mittleren ventralen Leberlappen so um-
dreht, dass man seine dorsale Fläche überschauen kann, so sieht man
die beiden Gruppen der erwähnten Canälchen, von welchen die eine (ni)
am vorderen Ende des Pankreas, die andere (m ) etwas dahinter liegt.
Sie münden in einen gemeinsamen Ausführungsgang, den Gallen -
gang (n), der in der Substanz des Pankreas selbst, ganz bis zu seiner
Einmündung in das Duodenum eingehüllt, verläuft. An seinem vor-
deren P!^nde communicirt der Galiengang durch einen feinen, zuweilen
Amphibien, 595
doppelten Blasengang- (/) mit der runden, dunkelgrün gefärbten
Gallenblase (Je), die durch Brücken von Bindegewebe der Leber
angeheftet ist. Aehnliche Brücken heften das Pankreas an den Magen
und das Duodenum so dicht an, dass die Trennung aller dieser Orgaue
nicht ganz leicht ist.
Das Pankreas (o, Fig. 252) ist eine lange, schmale Drüse von
heller, grauer oder gelblicher Färbung, Es ist namentlich in seinem
hinteren Abschnitte durch tiefe Einschnitte in Läppchen getheilt,
liegt, wie erwähnt, in der Schlinge zwischen Magen und Duodenum
und wechselt sehr in seinem Volumen, je nach den Individuen. Da es
fast ganz von den Leberlappen umhüllt wird, so muss man diese ent-
fernen, um es zu isoliren. Man sieht dann, dass es sich der Länge
nach über den ganzen Eaum zwischen Pylorus und Gallenblase erstreckt
und in seiner Lage durch das Bauchfell und die erwähnten Binde-
gewebsbündel festgehalten wird. Seine sehr feinen Ausführungsgänge
scheinen in den hinteren Abschnitt des Gallenganges und nicht direct
in das Duodenum zu münden.
Die mit dem Darme nicht in directer Verbindung stehende i\Iilz
('-/, Fig. 252) ist durch eine Mesenterialfalte an dem Ende des Dünn-
darmes befestigt. Sie hat eine kugelige Gestalt, tief braunrothe Farbe
und ist, wie bei allen Wirbelthieren , sehr reich an Blut, in welchem
man Körperchen aller Art in Menge findet.
Athemorgane. — Da der Frosch weder Rippen noch ein wirk-
liches Zwei'chfell hat, so ist der Mechanismus seiner Atbmung ein
eigenthümlicher. Er schluckt gewissermaassen die Luft in seine
Lungen. Bei geschlossenem Munde zieht der Frosch die Muskeln des
Bodens der Mundhöhle, besonders den Unterkiefermuskel, herab, und
erweitert auf diese Weise bedeutend den Mundraum , so dass die Luft
von aussen durch die ofi'enen Xasenlöcher eindringt. Dann schliesst
er die Nasenlöcher und presst mittelst der Muskeln des Zungenbein-
apparates die Luft in den Kehlkopf und in die Lungen. Der ganze
Mechanismus lässt sich demjenigen einer Saug- und Druckpumpe ver-
gleichen. Die in den Lungen angehäufte Luft wird durch die Elasti-
cität der Lungenwände und den Druck der Bauchmuskeln wieder aus-
getrieben. Ausser diesen Hülfsapparaten bestehen die Athemwerkzeuge
wesentlich aus dem Kehlkopfe und den Lungen.
Der Kehlkopf (Fig. 223) ist eine kurze Röhre, die unmittelbar
in die Lungensäcke führt; eine eigentliche Luftröhre existirt nicht,
weshalb auchHenle den Kehlkopf die Laryngo-trachealkammer nannte.
In die Mundhöhle öffnet sich der Kehlkopf durch eine Längsspalte,
die Stimmritze (t, Fig. 223), die hinter dem ausgeschnittenen Ende
der zurückgeschlagenen Zunge liegt, Sie wird durch zwei seitliche
Lippen begrenzt, die von Falten der Mundschleimhaut gebildet sind,
welche durch gebogene, dreieckige Knorpellaraellen gestützt werden,
33*
596
Wirbelthiere.
Ficr. 253.
deren Wölbung der Mundhöhle zugewandt ist (a, Fig. 253). Diese
Arytenoidknorpel sind durch dichtes Bindegewebe unter einander,
sowie mit den hinteren Hörnern des Zungenbeines verbunden , welche
den Kehlkopf umfassen. Ausserdem sind sie durch Bänder mit einem
unpaaren , eiförmigen Knorpelringe , dem Ringknorpel ( Cartüago
cricoidea, h) verbunden. Dieser Ring verlängert sich nach hinten mit
einer abgerundeten Spitze (c) , welche die ventrale Wand des Kehl-
kopfes stützt. Ausserdem zeigt der Riugknorpel etwa in der Mitte
seiner Circumferenz zwei seitliche, henkelartige Fortsätze (d,e), welche
auf der Rückseite durch ein queres Knorpelband (/) vereinigt werden,
so dass der Knorpel im Ganzen einen, den Eingang in die Lungen-
säcke umfassenden Ring darstellt.
An dem beschriebenen Knorpelskelette heften sich mehrere Muskel-
paare an, von welchen ein Paar die Stimmritze erweitert, während
zwei andere Paare sie verengern. Wir gehen
nicht auf ihre nähere Beschreibung ein.
Zieht mau die Ränder der Stimmritze aus
einander, so sieht man zwei seitliche kleine
Stimmhöhlen, deren vorgezogene Ränder sich
in der Mittellinie berühren und die wie der
ganze Kehlkopf von lebhaft flimmernden
Fortsetzungen der Schleimhaut überzogen
sind. Diese Falten sind die Stimmbänder ,
deren Schwingungen das Quaken der Frösche
hervorbringen.
Die Lungen (Fig. 223, q, q') hängen un-
mittelbar an dem Boden der Höhle des Kehl-
kopfes. Sie bestehen aus zwei symmetrischen,
gleich grossen Säcken mit äusserst dünnen
und durchsichtigen Wänden, die eine eiför-
mige Gestalt mit nach hinten gerichtetem,
spitzem Ende zeigen, Sie sind frei in der
Bauchhöhle aufgehängt, die sie etwa zur
Hälfte ausfüllen, wenn sie prall mit Luft ge-
füllt sind, Sie sind äusserlich von einer Falte
der serösen Haut, einer Art Pleura, eingehüllt, welche die allgemeine
Körperhöhle überzieht.
Die Aussenfläche der Lungen ist vollkommen glatt; auf der Innen-
fläche springen aber zahlreiche Falten vor, welche durch ihre Ver-
bindungen mit einander ein dichtes Netz mit engen Maschen herstellen.
Diese in die Höhle des Lungensackes vorspringenden Netzfalten sind
in dem vorderen Abschnitte jedes Lungensackes weit höher und die
Maschen dichter als in dem hinteren Abschnitte. Auf den Wänden
der in dieser Weise hergestellten Alveolen verbreiten sich die Netze
Rana esculenta. — Der knor-
pelige Kehlkopf, a, Cartilagines
arytenoideae; b, Cartilago cri-
coidea; c, dessen hintere Ver-
längerung ; d, seine vorderen
Bogen, die sich iiiit der Quer-
lamelle /, g vereinigen; h,
Stimmritze. (Nach W i e d e r s -
heim.)
Amphibien. 597
der Capillargefässe, welche der Lungeuarterie entstammen, die an dem
Kehlkopfende der Lunge eintritt und sich zuerst in drei Längsstämme
theilt, welche sich weiter verästeln. Dass durch diese Bildung von vor-
sj)ringenden Falten die athmende Fläche der Lunge bedeutend ver-
grössert wird, springt in die Augen.
Das Lungengewebe besteht wesentlich aus elastisch -faseriger
Bindesubstanz mit eingestreuten Muskelfasern und Pigmentzellen. Das
Capillarnetz zeigt sehr enge Maschen. Das ganze Gewebe ist so
elastisch, dass ein kleiner Einstich genügt, um die sämmtliche Luft
auszutreilien und den Sack zusammenfallen zu machen.
Wir erwähnen als Anhangsgebilde zwei kleine eiförmige, dunkel-
roth gefärbte Knötchen, welche nahe an den Enden der hinteren
Zungenbeinhörner liegen und einen bedeutenden Reichthum von Blut-
gefässen zeigen. Es sind die Schilddrüsen. In ihrer Nähe, aber
dem Unterkiefer mehr genähert, liegt ein länglicher, drüsenförmiger
Körper, der Rest der Thymus.
Harnorgane. — Wie bei allen Amphibien, bestehen auch die
Urnieren oder Wolf f 'sehen Körper während des ganzen Lebens foi't,
werden aber theilweise durch die definitiven Nieren (r, Fig. 223)
ersetzt. Um diese letzteren zur Anschauung zu bringen , muss man
das Rectum und die Geschlechtsdrüsen entfernen. Man sieht dann
zwei dunkelrothe , symmetrisch zu beiden Seiten der Wirbelsäule ge-
legene Organe, welche sich von der Mitte des vorletzten Wirbels bis
zur Hälfte der Länge des Urostyles erstrecken. Sie liegen ausserhalb
des Bauchfelles, das nur ihre ventrale Fläche überzieht; die dorsale
liegt unmittelbar dem Plexus der Lendennerven an. Sie haben die
Gestalt eines abgeplatteten Halbmondes ; der äussere Rand ist convex,
der innere fast geradlinig ; doch zeigt dieser drei seichte Einschnitte
als Einleitung zur Bildung von Lappen. Zwischen ihnen verlaufen
zwei grosse Gefässstämme; dorsal die absteigende Aorta (m, Fig. 254),
ventral die untere Hohlvene (/), deren zahlreiche Aeste in das Gewebe
der Nieren eindringen.
Die seicht ausgehöhlte, ventrale Fläche jeder Niere zeigt den
Einschnitten entsprechende Querfurchen ; die dorsale Fläche ist glatt,
gewölbt und lässt die Verzweigungen der Nierenpfortader erkennen.
Längs dem äusseren Rande läuft der Harnleiter (cl).
Zur Untersuchung der inneren Structur der Nieren muss man zu
Längs- und Querschnitten seine Zuflucht nehmen , die an in Chrom-
säure fixirten und in Weingeist gehäi'teten Organen gemacht werden.
Das Gewebe besteht wesentlich aus zahlreichen, vielfach gewundenen
Harncanälchen, deren Wände innen mit einem Wimperepithelium aus-
gekleidet sind. Das blinde Ende dieser Canälchen ist angeschwollen
und bildet eine Art Bläschen, die Bowman'sche Kapsel, in welcher
ein arterielles Gefässknäuel (Malpighi'scher Körper) eingeschlossen ist,
598
Wirbelthiere.
durch dessen "Wände der Urin ausschwitzt. In der Nähe der Kapsel
verengert sich das Harncanälchen zu einem Halse, dessen Epithelium
sehr lange Wimpern trägt. Dann erweitert es sich wieder und behält
bis zu seiner Einmündung in den Harnleiter dieselbe Weite bei. In
dem vorderen Abschnitte der Nieren vermengen sich, bei den Mäunchen?
die aus dem Hoden tretenden Samencanälchen mit den Harncanälchen;
sie münden, wie diese, in den Harnleiter, der demnach zugleich als
Fig. 254.
Rana esculenta. — Männlicher Urogenitalappavat von der ventralen Seite aus gesehen.
Um die Niere sehen zu können, sind rechterseits der Hoden und der Fettkörper weg-
genommen worden, a, a, Nieren; b, Nephrostomen, als weisse Fleckchen sichtbar;
c, c, Nebennieren ; d, d, Harnsamenleiter ; e, ihr Cloakenende ; f, abgeschnittenes und
zurückgeschlagenes Rectum ; g , Harnblase ; h , linker Hode ; i , Fettkörper ; Je, seine
fingerförmigen Fortsätze; ', untere Holilvene ; m, absteigende Aorta; n, zuführende
Nierenpfortader.
Samenleiter dient. Diese Doppelfunction des Urnierencanales findet
sich, ausser bei den Amphibien, nur noch bei den Selachiern und den
Amphibien.
599
Chimären-, man hat den gemeinsamen Gang auch den Leydig'schen
C a n a 1 genannt.
Die Malpighi' sehen Körper häufen sich vorzugsweise an der
ventralen Fläche der Niere an; die Harncanälchen convergiren beson-
ders auf der dorsalen Fläche gegen den am Vorderrande der Niere
verlaufenden Harnleiter, der anfangs von dem Nierengewebe gänz-
lich umschlossen ist, aber allmählich dem äusseren Rande sich nähert, an
dessen hinterem Drittel er deutlich hervortritt, um schliesslich an dem
Ende, wo er von dem Stamme der ihm parallel laufenden Nierenpfort-
ader begleitet wird, ganz frei zu werden. Bei den Männchen verläuft
er isolirt in der Bauchhöhle bis zur Cloake , an deren hinterer Wand
er sich mit einer schlitzförmigen Spalte öffnet (?, Fig. 258). Bei den
Weibchen dagegen legen sich die Harnleiter an das hintere Ende der
-ri- orc Eileiter an und begleiten diese
r lg. 2o5. _ °
bis zur Cloake, münden aber
mit getrennten Oeffuungen in
dieselbe.
Der freie Theil des Harn-
leiters verengert sich in dem
Maasse, als er sich der Cloake
nähert; wir müssen indess be-
merken, dass er bei den meisten
männlichen Anuren , nament-
lich auch bei Rana temporaria,
eine als Samenblase fun-
girende Erweiterung besitzt,
die unserer typischen Art
durchaiis fehlt.
In den Wänden der Harn-
leiter finden sich glatteMuskel-
fasern ; obgleich sie in ihrem
Endabschnitte deutliche
Längsfalten zeigen, hat man doch keine Drüsen in dem gleichförmigen
Cylinderepithelium gefunden, das ihre Innenfläche auskleidet.
Untersucht man die Ventralfläche von mit Chromsäure fixirten
Nieren, so sieht man eine Menge kleiner, runder oder eiförmiger, weisser
Fleckchen mit einer winzigen OefPnung in der Mitte (ö, Fig. 254).
Bei auffallendem Lichte kann man unter dem Mikroskope sehen , dass
diese Fleckchen trichterförmige OeflFuungen, sogenannte Nephrostomen
(c, Fig. 255) sind, welche eine Communication zwischen dem Cölome
und einem Systeme schlingenförmig gewundener Canälchen herstellen,
die in die Nierenmasse eindringen und bald sich theilen, bald mit ihren
Nachbaren zusammenfliessen, so dass mehrere Nephrostomen in einen
Canal sich öffnen oder auch ein Canal mehrere solcher Oefifnungen be-
Kana esculentu. — Die ventrale Fläche eines
Niereuläppcliens unter dem Mikroskope bei auf-
fallendem Lichte betrachtet. Gundl. Oe. 1,
Obj. 0. a, Blutgefäss ; b, Pigmentzelleu ; c, c,
trichterförmige Oeftnungen der Nephrostomen.
600 Wirbeltbiere.
sitzen kann. Bei den Larven münden die Nephrostoniencanäle, wie
man jetzt weiss, nach innen in die Hälse der Harncanälchen ein, werden
aber nach und nach während des Wachsens von diesen abgelenkt und
gehen schliesslich Verbindungen mit den Zweigen der Nierenpfortader
ein. Diese Umwandlung ist wichtig, denn sie führt dazu, die Bauch-
höhle der Anuren als einen Lymphraum aufzufassen, weil, wie Wieders-
heim richtig bemerkt, durch diese Verschiebung das vorher dem
Körper verloren geheiide peritoneale Transsudat nach Art der übrigen
lijmphe dem Blutgefässsystem wieder zugeführt wird.
Spengel (s. Lit.) giebt ausführlichere, sehr genaue Beobachtungen
über die Nephrostomen.
Die Nebennieren (c, Fig. 254), deren Function noch unbekannt
ist, sind wahrscheinlich in einem langen Zuge gewundener Canälchen
von gelblicher Farbe und lappigem Ansehen zu suchen, der auf der
Bauchfläche jeder Niere hervortritt.
Die Harnblase (g, Fig. 254) ist eine ungemein entwickelte Aus-
stülpung der Vorderwand der Cloake und wohl der Allantois, der bei
den Embryonen der höheren Wirbeltbiere vorhandenen Ausstülpung
des Urdarmes analog. Sie erstreckt sich wie ein weiter, von dünnen,
gefässreichen Wänden gebildeter Sack mit zwei seitlichen Vorderzipfeln
auf der Bauchseite der Eingeweide im hinteren Abschnitte der Bauch-
höhle. Die Wände sind durchsichtig genug, um mannigfaltige, histo-
logische Untersuchungen daran anzustellen, wie Landowsky (s. Lit.)
gezeigt hat. In der Harnblase findet sich häufig ein bekannter Schma-
rotzer (Polystonmm integerrimuni).
Geschlechtsorgane. — Schon oben (S. 545) haben wir die
■äusseren Kennzeichen geschildert, durch welche man die Männchen
und Weibchen unterscheiden kann. Die inneren Organe zeigen einen
wesentlichen Unterschied in den Ausführungsgängen; bei den Weibchen
ist der Eileiter stets vollkommen unabhängig von dem Harnleiter,
während bei dem Männchen der Harnleiter zugleich als Samenleiter
dient und deshalb auch oft Harnsamenleiter (Canalis uro-spermaticus)
genannt wird.
Die Hoden (Jt, Fig. 254) liegen symmetrisch zu beiden Seiten
der Wirbelsäule auf der Ventralfläche der Nieren, an welchen sie durch
eine besondere, gefässreiche Falte des Bauchfelles, das Mesor c hium,
befestigt sind, in welcher auch die austretenden Samengänge verlaufen.
Man erkennt die Hoden sofort an ihrer Eiform und ihrer gelblichen
Farbe, die jedoch nach den Jahreszeiten mehr oder minder gesättigt
erscheint. Ihr Volumen wechselt ebenso; im Frühjahre sind sie weit
grösser und draller, als später; ihre sonst glatte Oberfläche scheint
dann auch warzig wie eine Himbeere. Sie sind innig verbunden mit
einer orangegelben Fettmasse (/), die auf ihrer Bauchfläche liegt und
Amphibien.
601
Fitr. 256.
mit zahlreichen fingerförmigen Fortsätzen (Je) zwischen die benach-
barten Eingeweide eindringt. Dieser, auch bei den Vv^eibchen an der
entsprechenden Stelle der Eierstöcke vorhandene Fettkörper ist eine
Ablagerung von Nährsubstanz, auf deren Kosten sich die Drüse mit
ihrem Inhalte während des Vv'interschlafes der Frösche im Schlamme,
wo sie keine Nahrung zu sich nehmen, weiter ausbildet. Im ersten
Frühjahre, wo die Begattung stattfindet, sind die Fettkörper stark ge-
schwunden, nehmen aber während des Sommers wieder zu und zeigen
zuweilen eine braune oder graue Farbe.
Bevor man den Hoden loslöst, um ihn auf irgend eine Weise,
durch Zerzupfung oder Zerlegung in Schnitte, näher auf seine Structur
zu untersuchen, zieht man ihn leicht auf die Seite, um die Mesorchial-
falte genauer zu betrachten. Die zahlreichen Zweige der Hodenarterie,
welche der absteigenden
Aorta entstammt, machen
sich sofort durch ihre rothe
Farbe kenntlich. Zwischen
ihnen verlaufen aber in
der Falte zahlreiche blasse
Canälchen , die durch ihre
Anastomosen ein weit-
c maschiges Netz bilden (d,
Fig. 256). Einige dieser
Canälchen zeigen blinde
Enden (e) ; die meisten aber
verlaufen direct von der
Unterfläche des Hodens
zum inneren Nierenrande
und dringen in die Nieren-
substanz ein. Dies sind
die Vasa efferentia, welche
n / / G „■+* in 1 1, -ii 1 XT. den in den Hodenröhrchen
Rana escidentu. — bagittalev Durchschnitt der Niere,
um den Verlauf der Samencanälchen im Inneren entwickelten oameu nach
derselben zu zeigen, a, Hoden; h, Niere; c, Harn- aussen leiten. Die mehr
leiter; d, von den ausführenden Samencanälchen oder minder gewundenen
gebildetes Ketz; e, blinde Enden von Samen- • , n -x o
... , /■ T- 1 r 1 n , , . ^ meist prall mit Samen-
canälchen; _/, langslautender Sammelcanal im Inneren ^
der Niere ; rj, Ampullen der Quercanälchen h, welche elementen gefüllten Hoden-
in den Harnleiter münden. röhrchen bilden grössten-
theils die Hodensubstanz ;
wir verweisen hinsichtlich der Entwicklung der Zoospermen in ihrem
Inneren auf die Arbeiten von de la Valette-St. Georges undBloom-
field (s. Lit.). Die reifen Spermatoblasten, die in den Hodenröhrchen
enthalten sind, gehen in die Canäle über, welche im Parenchym der Nieren
verlaufen. Dieser Verlauf ist sehr schwer zu verfolgen und erheischte
602
Wirbelthiere.
Fij?. 257.
wohl weitere Untersuchungen , die wir nicht angestellt haben. Wir
halten uns also an die von Wiedersheim gegebene Darstellung.
Die Canälchen in der Zahl von vier bis elf treten nach kurzem
Verlaufe in dem Parenchym, das sie in spitzem Winkel durchsetzen, in
einen, dem inneren Nierenrande parallel laufenden Sammelcanal (/),
von welchem Quercanälchen (h) abgehen, die an ihrem Ursprünge eine
kleine, ampullenartige Erweiterung (p^) besitzen, welche vielleicht einem
geschwundenen oder metamorphosirten Mal pi ghi' sehen Körperchen
entspricht. Nachdem diese Quercanälchen die Nierensubstanz in ihrer
ganzen Breite durchsetzt haben, münden sie in den an dem äusseren
Rande der- Niere verlaufenden Harn-
leiter, ohne in irgend eine Verbindung
mit den eigentlichen Malpi ghi 'sehen
Körperchen zu treten. Der Same wird
so durch den Harnleiter in die Cloake
eingeführt und von dort bei der Be-
gattung, wo das Männchen auf dem
Weibchen festgeklammert sitzt, über
die austretenden Eier ausgespritzt. Be-
sondere Begattungsorgane sind nicht
vorhanden.
Im Frühjahre, zur Zeit der Reife,
kann man sich mittelst eines einfachen
Einstiches in den Hoden zahlreiche
Zoospermen in verschiedenen Ent-
wicklungszuständen verschaffen. Ihre
Form ist bei den beiden einheimischen
Froscharten ziemlich verschieden (Fig.
257).
Die Eierstöcke liegen bei den
Weibchen an der den Hoden entspre-
chenden Stelle, an der ventralen Fläche
der Nieren und sind, wie die Hoden,
durch ein Mesoarium angeheftet. Es
sind weite Säcke, die etwa durch ein
Dutzend dünner Querscheidewände, auf
deren Flächen sich die Eier ent-
wickeln, in entsprechende, mit einander communicirende Kammern
getheilt werden. Die aus dem Epithelium der Scheidewände sich ent-
wickelnden Eier lassen sich in verschiedenen Entwicklungszuständen
sehen, wenn man ein Fragment der Scheidewände unter dem Mi-
kroskope betrachtet (ic, x, Fig. 223; a, Fig. 258). Die sehr kleinen
und durchsichtigen Ureier zeigen deiitlich das Keimbläschen und
die Keimflecke darin ; die mit blossem Auge sichtbaren , reifenden
Zoospermen, a, b, von Rana escidenta
nach S c h w e i g g e r - S e i d e 1 ; c, d, e,
von Rana temporaria in verschiede-
nen Entwicklungsstadien, nach de
la Valette-St. Georges.
Amphibien. 603
Eier erscheinen wegen des angehäuften Nahrungsdotters undurchsichtig,
auf der einen Halbkugel weiss, auf der anderen des dort in den ober-
flächlichen Schichten des Dotters angehäuften Pigmentes wegen schwarz.
Die Menge dieser grossen, auf der Oberfläche des Eierstockes vorsprin-
genden Eier wechselt je nach den Jahreszeiten; im Frühjahre, wo sie
dicht gedrängt die Eierstöcke füllen , dehnen sich diese so sehr aus,
dass sie die Bauchhöhle in ihrem hinteren und mittleren Abschnitte
anfüllen , die Leber nach vorn drängen und die Seiten des Bauches
weit ausdehnen.
Zur Zeit der Ablage, im März und April, drängen die Eier aus
dem Follikel, in dem sie eingeschlossen waren, durch dessen kurzen
Stiel nach aussen und fallen in die Bauchhöhle, in welcher sie durch
die stellenweise vorhandenen Flimmerzellen und die Muskelcontrac-
tionen gegen die Oeffniingen der Eileiter und in diese selbst eingeführt
werden. Für die Präparation der um diese Zeit mächtig entwickelten
und angeschwollenen Organe ist dieser Moment nicht günstig. Man
wartet besser, bis die Laichzeit vorüber ist; Eierstöcke und Eileiter
befinden sich dann wieder in normalem Zustande. Die nicht gelegten
Eier werden in der Bauchhöhle resorbirt, zerfallen und lassen meist an
dem Orte, wo sie stecken geblieben waren, einen schwarzen Fleck zurück.
Unsere Abbildung (Fig. 258 a. f. S.) zeigt den Zustand der Organe
im September. Das linke Ovarium (rt) ist umgeschlagen, um die Niere,
das Mesoarium und den Fettkörper (5) mit seinen fingerförmigen Aus-
läufern (c) zu zeigen. Zu dieser Zeit zeigt der Eierstock Einschnü-
rungen , welche den inneren Querscheidewänden entsprechen , die wir
oben beschrieben.
Die Eileiter (/) sind lange, runde, vielfach gewundene Röhren,
welche über den Eierstöcken liegen und sich durch die ganze Bauch-
höhle erstrecken. Sie sind weisslich, durchscheinend, und zeigen dünne
Wände, die sich aber zur Laichzeit in Folge der Entwicklung der
darin enthaltenen Drüsen bedeutend verdicken, wodurch auch die Röhre
selbst grössere Dimensionen erhält. In derThat bestehen die Wände aus
einer äusseren dünnen Peritonealhülle, einem inneren Wiraperepithelium
und zwischen beiden aus einer Schicht dichtgedrängter, flaschenförmiger
Drüsenzellen, welche einen eiweissartigen Stoff absondern, der die
Eigenschaft hat, bei der Berührung mit Wasser bedeutend anzu-
schwellen. Die in dem Eileiter fortrückenden Eier werden mit einer
Schicht dieses Stoffes muhüllt, kleben an einander und bilden dann,
sobald sie im Wasser abgelegt werden, jene bekannten Klumpen, worin
die Eier, welche die dunkle Seite stets nach oben drehen, als schwarze
Kügelchen in der Mitte einer weiten, durchsichtigen Zone erscheinen,
die von der erwähnten, ausserordentlich angeschwollenen Schicht ge-
bildet wird. Man sehe über die Histologie des Eileiters die Arbeit
von Neumann (s. Lit.),
604
Wirbelthiere.
Fiff. 258.
Die vordere, schlitzförmige Oeffnung des Eileiters (d, Fig. 258)
liegt an der Rückenwand der Bauchhöhle am Anfange der Lungen und
wird durch eine Falte des Bauchfelles in ihrer Lage erhalten. Sie
führt in einen kleinen,
stark bewimperten
Trichter (e), der die Eier
in den Eileiter selbst
überleitet. In diesem
gleiten sie, von den Wim-
pern fortbewegt, bis zur
hinteren Mündung (7i),
die an der dorsalen Wand
der Cloake etwas vor der
Mündung der Hai-nleiter
auf einem kleinen Wärz-
chen angebracht ist. Um
diese Mündung zu sehen,
-<^ muss man die Cloake
spalten und eine Borste
durch den Eileiter ein-
führen, der, mit Aus-
nahme einer unbedeu-
tenden Verengerung hin-
ter dem Trichter, überall
die gleiche Weite be-
wahrt, aber unmittelbar
vor der Cloake eine be-
deutende Erweiterung
(g), eine Art Uterus mit
dünnen Wänden bildet,
die sich zur Laichzeit
Eana escukuta. — Weiblicher Geschlechtsapparat von prall mit Eiern anfüllt,
der ventralen Seite. Man hat nnr die Organe der j^^^,^^ ^^^ bedeutenden
linken Seite dargestellt, den Fettkörper und den Eier- -pv i i i ^
stock aber nach rechts herübergeschlagen, um die Niere -^^'^^^ ' welchen das
zur Anschauung zu bringen, die von diesen Theilen Männchen zur Begat-
ganz verdeckt wird, a, Eierstock; &, Fettkörper; c, finger- tungszeit durch seine
föi-mige Anhänge desselben; d, obere Mündung des Ei- Umarmuno- ausübt be-
leiters in der Höhe der Lungen; e, enger Anfangstheil ; n- j ■ j * j •-•
f w A A v■^ ■, -i ^ p , ^ V. -J fordert es den Austritt
/, Windungen des Eileiters ; g, erweiterter Endabschnitt
desselben (Uterus); h, OefFnungen der Eileiter in die ^^^ hiier.
Cloake ; i, linke Niere ; h, Harnleiter ; /, Oeffnungen Ueber die Entstehung
der Harnleiter in die Cloake; in, die aufgeschlitzte und Entwickluno" der
Cloake; n, Peritonealfalte , die den Eileiter an die ^Aer vergleiche man
Niere heftet ; o, Peritonealfalte zur Befestigung des vor- -^ t i / • i,
deren Abschnittes des Eileiters an die Lunge und die ^^^ Lambeke (siehe
Bauchwand. Literatur).
Amphibien. 605
Gefässsystem. — Der Kreislauf des Frosches steht etwa in der
Mitte zwischen dem einfachen Kreislaufe der Fische und dem doppelten
der Vögel und Säugethiere. Das Blut, welches in den Lungen seine
Kohlensäure gegen Sauerstoff umgetauscht bat, kehrt zwar durch die
Lungenvenen wieder in das Herz zurück, bevor es von diesem aus
in dem Körper vertheilt wird , da es aber durch die linke Vorkammer
in die einzige und ungetheilte Herzkammer getrieben wird , mischt es
sich dort mit dem durch die recbte Vorkammer eingetriebenen Körper-
blute vira so leichter, als beide Vorkammern sich zu gleicher Zeit zu-
sammenziehen. Indessen ist doch durch die schwammige Structur der
inneren Kammerwände und durch die Ausbildung unvollständiger
Scheidewände an dem Aortenbulbus und den aus demselben entsprin-
genden Arterienstämmen einige Vorsorge getroffen, dass die Mischung
nicht vollständig durchgeführt wird. Das venöse Körperblut der rechten
Vorkammer wird grossentheils in diejenigen Arterienstämme getrieben,
welche dieses Blut einestheils in die Lungen, anderentheils in die Haut,
die beiden Hauptorgane der Athemfunction, vertheilen ; das arterielle
Blut der linken Vorkammer wird ebenfalls grossentheils direct in die
Carotiden getrieben , die es im Kopfe vertheilen. So wird nur ein
Theil der gesammten Blutmenge in der Mitte der Herzkamiiier innig
gemischt und dieses aus arteriellem und venösem Blute gebildete
Gemenge speist fast ausschliesslich die Aortenstämme und die aus
ihnen entspringenden Gefässe.
Ln Ganzen genommen, zeigt das Kreislaufsystem während des
ganzen Lebens eine Anordnung, welche derjenigen der Dipnoer ähn-
lich ist. Bei dem üebergange der Larve, der Kaulquappe, von dem
Leben im Wasser zu demjenigen in freier Luft verkümmert ein Theil
der die Kiemen speisenden Gefässbogen , während die übrigen nur
den Platz wechseln. Daraus erklärt sich die relativ bedeutende Zahl
der Arterienstämme bei den erwachsenen Fröschen ; das dritte Paar
der Kiemenbogen liefert die Carotiden , das vierte Paar die eigent-
lichen Aortenbogen und das sechste die athmenden Lungenhaut-
arterien.
Das Herz (2, 3, Fig. 223) liegt in der Mittellinie auf der Bauch-
seite, unmittelbar über dem Brustbeine, das man bei der gewöhnlichen
Präparation von der ventralen Seite her wegnehmen muss, um es zur
Anschauung zu bringen. Der Herzbeutel, in welchem es ein-
geschlossen ist, hat sehr dünne, pigmentirte Wände und hängt der
Innenfläche des Brustbeines fest an. Das Herz hat die Form eines
unregelmässigen, nach hinten zugespitzten Eies , an welchem überdies
auf der ventralen Seite (Fig. 259 a. f. S.) der Aortenbulbus mit den aus
ihm entspringenden grossen Arterienstämmen, auf der dorsalen Fläche
(Fig. 260 a. f. S.) der Veuensinus mit den einmündenden Venen hervor-
treten. Bekanntlich schlägt das Herz des Frosches noch lange fort, nach-
606
Wirbeltliiere.
dem man es herausgenommen und somit gänzlich aus allen seinen Ver-
bindungen gelöst hat; es finden sich in seinen Wänden winzige Gan-
glien, welche mit den letzten Vei'zweigungen des dem Vagus ent-
stammenden Herzuerven in Verbindung stehen und diese Selbständigkeit
der Herzbewegungen bedingen.
Das Herz besteht aus zwei Vorkammern und einer Kammer.
Erstere (a) liegen nach vorn; ihre musculösen Wände sind sehr dünn,
sie bilden von aussen nur eine kugelförmige Blase ohne eine Spur
einer Trennungslinie. Innen aber ist der Raum durch eine dünne,
häutige und durchsichtige, senkrechte Scheidewand in eine kleine linke
und eine doppelt so grosse rechte Vorkammer getheilt. Der freie,
gegen die Kammer gerichtete Rand dieses Vorhanges ist leicht aus-
geschnitten. Jede Vorkammer comraunicirt mit der Kammer durch
eine Oeffnung (Foramen citri o-venfricuTare), die durch häutige, mittelst
Sehnenfäden an die Kamraerwandungen angeheftete Klappen {YalvuJae
Eis;. 259. Tio;. 260.
o/f e ^. ^
Fig. 259. — Rana escidenta. — Das Herz von der ventralen Seite aus, dreifach
vergrössert. «, Vorkammern; &, Kammer; c, Arterienbulbus ; c?, Aortenstämme;
e, Stämme der Carotiden ; y, Stämme der Aorten ; g, Stämme der Lungenhautarterien;
Ä, obere Hohlvcnen.
Fig. 260. — Rana escidenta. — Das Herz von der dorsalen Seite, o, Vorkammern ;
b, Kammer; c, Arterienbulbus; d, Venensinus; e, uiUere Hohlvene ;/, /, Lebervenen;
■ g, g, obere Hohlvenen; h, Lungenvene; i, Arterienstämme.
sigmoideae) so regulirt wird, dass bei der Systole der Vorkammern
die Klappen sich öffnen und das Blut in die Kammer einströmen lassen,
während sie bei der Diastole der Vorkammern und der Systole der
Kammer sich spannen und die Rückstauung des Blutes verhindern.
Die Kammer (?) , von conischer Gestalt , liegt hinter den Vor-
kammern ; ihre Spitze wird von den seitlichen Leberlappen umfasst.
Die Wände der Kammer sind bedeutend dicker als die der Vor-
kammern; zahlreiche, mit einander verflochtene Muskelbündel (Tra-
bekeln) geben der Innenfläche ein schwammiges Ansehen. Die Höhle
Amphibien. 607
der Kammer hat im Ganzen eine quere Erstreckung; sie communicirt
durch eine runde, mit halbmondförmigen Klappen versehene Oe£Fnung
mit dem Arterienbulbus (c), der rechterseits an der ventralen
Fläche der Kammer hervortritt, sich schief von hinten und rechts nach
vorn und links wendet und hart an der ventralen Fläche der Vor-
kammern anliegend, sich an der vorderen Grenze derselben in mehrere
Arterienstämme theilt. Eine unvollkommene Scheidewand wird in seinem
Inneren durch eine vorspringende Längsfalte seiner Wände gebildet.
Man untersucht das Herz in situ unter der Lupe bei der Rücken-
lage des Thieres nach Wegnahme des Brustbeines und des ent-
sprechenden Theiles des Herzbeutels, wobei man sich in Acht nehmen
muss, um keinen der grossen Gefässstämme zu verletzen. Der pul-
sirende Arterienbulbiis fällt auf der ventralen Herzfläche sofort in die
Augen ; er theilt sich an der Vordergrenze der Vorkammern zuerst in
zwei grosse Stämme (a), deren jeder sich wieder in drei Aeste theilt.
Der vorderste dieser Aeste ist der Stamm der Carotis (e, Fig. 259;
J, Fig. 261), die den Kopf versorgt; der hinterste ist der Stamm der
Lun genhautarteri e (g), welcher zu den Athemorganen, der Lunge
und der Haut sich begiebt; der mittlere, der grösste, ist der Stamm
der Aorta (/, Fig. 259; II, Fig. 261). Wir kommen in der Folge
auf die Verzweigungen dieser Stämme zurück.
Nun schlägt man das Herz gegen den Kopf zurück und unter-
sucht seine dorsale Fläche. Auf ihrer Mittellinie erstreckt sich der
weite, ebenfalls pnlsirende Venen sin us (d, Fig. 261); er mündet in
die rechte Vorkammer und wird durch den Zusammenfluss von zwei
vorderen Hohlvenen ((/) und einer gemeinsamen hintere n Hohl-
vene (e) gebildet, in welche sich auch die Leb ervenen (/) ergiessen.
Vor dem Vereinigungspunkte der vorderen Hohlvene sieht man den
kurzen, gemeinsamen Stamm der Lungenvenen (/i) , welcher un-
mittelbar vor dem Zusammentritt der vorderen Hohlvenen die linke
Vorkammer erreicht, in welche er mit einer halbmondförmigen Oeff-
nung einmündet.
Zur Untersuchung des peripherischen Gefässsystemes muss das-
selbe injicirt werden , was ohne Schwierigkeit vom Herzen aus ge-
schehen kann. Man erwärmt den Frosch in Wasser von 35 bis 40^ C.,
legt das Herz nach vorsichtiger Entfernung des Brustbeines bloss,
schneidet mit einer Scheere die Spitze der Kammer ab und führt zur
Einspritzung des arteriellen Systemes eine feine Canüle bis in den
Arterienbulbus ein, die man mit einer Ligatur befestigt. Um das
Venensystem zu injiciren, führt man die Canüle durch die rechte Vor-
kammer bis in den Venensinus. Da hier die Wände dünn und leicht
zerreisslich sind, muss man den Druck vorsichtig handhaben.
Arterielles System (Fig. 261 a. f. S.). — Wir sahen, dass der
Arterienbulbus jederseits drei Stämme aussendet. Der vorderste, der
608
Wirbel thiere.
Carotidenstamm (I) durclisetzt eine eiförmige, kleine Masse spon-
glösen Gewebes, welche man die Carotidendrüse genannt hat, und
theilt sich unmittelbar darauf in zwei Aeste , von welchen der innere,
die Zungenarterie, sich in der Zunge und den benachbarten Mus-
keln verzweigt, während der grössere, äussere Ast, die äussere
Carotis (c), sich in vier Zweige theilt: die aufsteigende Schlund-
arterie (p), welche längs der Schädelbasis zur Eustach i' sehen
Röhre läuft und an den Schlundkopf Zweige abgiebt, die mit den
Zweigen der Hautarterie anastomosiren ; die Augenarterie (o), welche
Fig-. 261.
Ranu escidenta. — Injection des arteriellen Systemes. Der Körper ist von der Bauch-
seite aus geöffnet, die beiden Hälften des Unterkiefers, Herz, Magen und Leber zur
Seite geschlagen worden. H, Herz; Lii, Lungen; L, Leber; M, Magen; M' , Milz;
/, Stamm der Carotiden (die linke ist abgeschnitten); 77, Aortenstämme; 7/7, Lungen-
hautstamm ; Ad, rechte Aorta; As, linke Aorta; A, Bauchaorta; c, gemeinsame Ca-
rotis; p, aufsteigende Schlundkopfarterie; p' , Gaumenarterie; o, Augenarterie;
/, Zungenarterie; em, Hautarterie; s, Arterie subclavia; c, A. coeliaca; vi, A. meseii-
terica. (Nach Ecker und Wieder she im.)
die Muskeln des Auges versorgt; die Gaumenarterie {p), welche
zahlreiche Zweige an die Schleimhaut des Gaumens und die Harder'sche
Drüse abgiebt, und endlich die inner e Carotis, welche im Schädel und
Amphibien. 609
im Hirne bis zum Nachhirne ihren Verbreitungsbezirk hat. Der Caro-
tideustamm liefert somit den grössten Theil des im Kopfe circulireuden
Bhites.
Das hinterste der drei dem Bulbus entstammenden Gefässe ist der
Lungen haut stamm (HI), der sich in zwei Arterien theilt: die
Lungenarterie (Lu) , die sich nach hinten krümmt, in die Lunge
an ihrer Spitze eindringt und nach Theilung in je drei Aeste das ganze
Lungengewebe mit einem reichen Capillaruetze versorgt, und die
Hautarterie (cm), die auf der Rückeuseite an der Haut sich bis zum
hinteren Körperende erstreckt und auf ihrem Verlaufe zahlreiche, die
ganze Hautfläche umspinnende Zweige abgiebt. Unter diesen Zweigen
unterscheidet man noch besonders eine Schi und kiefe rar t er ie, die an
der Haut der Kehle und des Unterkiefers, und eine Brusthautarterie,
die sich an der durch ihren Namen bezeichneten Stelle verästelt.
Der mächtigste Stamm ist der mittlere, der A o rtenstam m (II).
Er hat noch ganz die Anordnung eines Kiemengefässbogens ; krümmt
sich aufsteigend zwischen den Felsenzungenbeinmuskeln um den Schlund
herum und vereinigt sich mit dem Stamme der anderen Seite unmittel-
bar unter der Wirbelsäule in der Mittellinie. Da aber diese Ver-
einigung erst etwa in der Mitte der Bauchhöhle stattfindet, so kann
man bis zu diesem Punkte eine rechte (Ad) und eine linke Aorta
(Äs) unterscheiden, welche durch ihre Vereinigung die unpaare, ge-
meinsame oder Bauchaorta (Ä) bilden. Beide Bogen sind aber
nicht ganz gleich, denn während die rechte Aorta ganz in der gemein-
samen aufgeht, zweigt sich von der linken, hart vor dem Vereinigungs-
punkte, ein bedeutendes Seitengefäss ab, die gemeinsame Eingeweide-
arterie (cm), auch Ai-teria coeliaco-mesenterica genannt. Uebrigens
geben beide Aorten vor der Vereinigimg jederseits zahlreiche Aeste :
die K ehlkopf arterie zum Kehlkopf und den Nachbargebilden; die
Schlundarterie zur Rückenwand des Oesophagus; die Hinter-
hauptswirbelarterie, die, zur Seite der Wii'belsäule aufsteigend,
sich in zwei Aeste theilt, einen vorderen, die Hi nter hau pts arter ie
(o) und die Wirbelarterie (i'), welche an die Muskeln des Plinter-
haupts und der Wirbel zahlreiche Zweige abgeben , und endlich die
Sch.iiltevavterie(Ä.subclavia), die nahe bei der vorigen entspringt,
dem zweiten Spinalnerven entlang läuft und sich in den Muskeln des
Schultergürtels und der vorderen Extremität verzweigt. Hinsichtlich
der zahlreichen Aeste, welche diese letztere abgiebt und die je nach
den Muskeln , in welchen sie sich verzweigen , benannt werden , ver-
weisen wir auf die Monographie von Ecker und Wiedersheim.
Die Eingeweidearterie (A. coeliaco-mesenterica), die man als
eine Fortsetzung der linken Aorta betrachten kann, theilt sich in zwei
Hauptäste: die Magenarterie (c) (^. Cöe/?acft), welche sich am Magen,
der Leber und der Gallenblase verzweigt und die Gekrösarterie (m)
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. gg
610 Wirbelthiere.
(A. mesenterica) , welche das Mesenterium, die Milz und die verschie-
denen Darmabschnitte mit Blut versorgt.
Die Bauchaorta {Ad) verläuft längs der Mittellinie des Körpers
nach hinten. In der Höhe der Nieren entspringen auf ihrer Vorderfläche .
vier oder fünf unpaare Urogenitalarterien (m, Fig. 254), Vielehe
sich sofort gabelförmig für die jederseits gelegenen Organe theilen und
vielfache Zweige in die Nieren, die Geschlechtsdrüsen und deren Aus-
führungsgänge liefern. Ausserdem giebt die Aorta eine Lendenart e'rie
ab, welche theils durch die Zwischenwirbellöcher Zweige iu denWirbel-
canal sendet, theils iu den benachbarten Muskeln sich verästelt.
Fast unmittelbar nach Abgalie der Urogenitalarterien theilt sich
die Bauchaorta in zwei Gabeläste, die gemeinsamen Becken-
arterien (Fig. 254), die über den Lendenuerven verlaufen und nach
Abgabe je eines Zweiges für die Harnblase den Stamm der Schenkel-
arterien bilden, welche sich in den Muskeln des Beckens imd des
Schenkels in seinem oberen Abschnitte verästeln. Nach Abgabe dieser
Aeste verlassen die Schenkelarterien das Becken und verlaufen in den
Hinterbeinen als Hüftarterien (A. iscliiaticae) längs der gleich-
namigen Nerven , zuerst auf der Streckseite des Gliedes zwischen dem
grossen Aussenmuskel und dem halbhäutigen Muskel und theilen sich
am Knie in zwei Ilauptäste, eine Schien beinarte rie und eine
Wadenarterie, welche zuletzt sich in Arterien für jede Zehe auf-
lösen.
Veuensytem. — Die grossen Venenstämme, welche in die
beiden Vorkammern einmünden, wurden schon bei Gelegenheit des
Herzens erwähnt. Die beiden IjUu gen v ene n, welche arterielles
Blut aus den Lungen bringen, laufen von den Spitzen der Lungen aus
auf der dorsalen Seite des grossen Venensinus gegen die Mittellinien
und vereinigen sich in einem kurzen Lungenvenenstamm, der
durch eine halbmondförmige Oeffnung in die linke Vorkammer ein-
mündet (/i, Fig. 260; vp, Fig. 262). Das aus dem Körper zurück-
strömende venöse Blut sammelt sich durch die beiden oberen Hohl-
venen und die unpaare , hintere Hohlvene in dem gemeinschaftlichen
Venensiuus (f?, Fig. 260; sc^ Fig. 262), der in den rechten Vorhof
mündet.
Jede vordere Hohlvene {g, Fig. 260) nimmt das aus dem
Kopfe, der Haut und der vorderen Extremität zurückströmende Blut
durch drei Hauptvenen auf: die Hautvene {cm, Fig. 262), die namen-
lose Vene {va) und die äussere Jugularvene {je).
Die äussere Jugularvene {je) verläuft auf der Seite des
Zungenbeinapparates und wird durch den Zusammenfluss der Zungen-
vene, welche ihre Zweige aus der Zunge und den Zungenbeinmuskeln
erhält, und der Unterkiefer vene gebildet.
Amphibien.
611
Die namenlose Vene (va) erhält ihr Blut durch die innere
Jugularvene (ji) aus dem Schädel und die in die Jugularis ein-
mündende Wirheivene aus der Wirheisäule. Das aus den Bauch-
Fio-. 262. muskeln und dem Schul-
tergürtel zurückströ-
mende Blut sammelt sich
in der Schulte rvene,
die unmittelbar neheu
der inneren Jugularis
einmündet.
Die Hautvene (c m)
ist der grösste der in
die obere Hohlvene ein-
mündenden Stämme; sie
wird aus zwei Haupt-
ästen gebildet. Der hin-
tere Ast, die eigentliche
Hautvene , hat den wei-
testen Verbreitungshe-
zirk ; sie verläuft an-
fangs unter der Haut
rückwärts bis etwa zur
Körpermitte, biegt dann
nach vorn um und lässt
sich bis zur Schnauzen-
spitze verfolgen. Sie er-
hält eine Menge von
Zweigen aus der Haut
und den Muskeln des
Runa esculenta. — Schema
des Venensystems. A d, rechte
Vorkammer; As, linke Vor-
kammer; sc, Venensinus; vp,
Lungenvene ; Cs, obere Hohl-
vene ; je, äussere Jugularis ;
/, Zungenvene ; m, Oberkiefer-
vene ; Va, Vena innominata ;
ji, innere Jugularis; s, V.
subscapularis ; em, Hautvene;
a, V. subsclavia ; Ci, untere
Hohlvene ; L, Leber ; /, Leber-
vene ; VC, Herzvene ; D, Darm ;
P, Darmpfortader ; u h, Bauch-
vene; N, Nieren; ?'e, Nierenpfortader ; ml, primäre zuführende Nierenvene ; rall, secun-
däre idem ; d, V. dorso-lumbalis ; o, Eileiterveue ; i, V. ischiatica ; /, V. femoralis ;
ic, gemeinsame V. iliaca. (Nach Ecker und Wiedersheim.)
612 Wirbelthiere.
Gesichtes, des Auges und der Brust. Sie führt, da in der Haut ein
wirklicher Atheraprocess stattfindet, gemischtes Blut. Der vorder-e
Ast, die Schlüsselbeinvene, bringt das Blut aus der vorderen
Extremität durch zwei Hauptäste, eine Radialvene und eineUlnar-
vene, welche an den entsprechenden Seiten des Armes verlaufen.
Der grosse Stamm der hinteren Hohlvene (ci) sammelt das
aus den Eingeweiden und den Beinen kommende Blut. Er verläuft
in der Mittellinie der Wirbelsäule parallel mit der Bauchaorta und
nimmt auf diesem Verlaufe die ausführenden Nierenvenen (re),
die Venen der Geschlechtsorgane und der Fettkörper auf. Bevor die
Hohlvene den grossen Venensinus erreicht, nimmt sie noch die Leber-
vene (?) auf, welche sämmtliches Blut zurückleitet, das der Leber
durch die Leberarterie, die Pfortader und die Bauchvene zugeführt
wurde. Alle diese Gefässe bilden in dem Lebergewebe ein secundäres
Capillarnetz , aus welchem sich nach und nach die Lebervenen zu-
sammensetzen.
Die Pfortader (P) sammelt das Blut vom Magen, dem Darme,
der Milz und dem Gekröse, hat also einen sehr grossen Verbreitungs-
bezirk ; sie entsteht aus zwei Hauptästen , der Magenvene und der
Darmvene; ihr kurzer Stamm verästelt sich sofort in der Leber-
substanz.
Die Bauchvene (ah) setzt sich auf der Innenfläche der Bauch-
wand aus zwei Seitengefässen der Schenkelvene (/) zusammen. Nach
kurzem Verlaufe von hinten nach vorn bilden diese beiden Gefässe
jedes eine Schlinge, deren Convexität nach hinten schaut, und fliessen
dann zu einem Stamme zusammen, der in gerader Richtung gegen die
Leber läuft und sich in den Seitenlappen derselben verzweigt. Auf
dem Wege dorthin ergiessen sich noch in die beiden Aeste kleine
Venen von der Gallenblase und in den Stamm selbst mehrere Aestchen
von den Bauchmuskeln. Endlich nimmt der Stamm, unmittelbar vor
seinem Eintritte in die Lebermasse, eine kleine Herzvene (pc) auf,
welche aus dem den Arterienbulbus umspinnenden Capillarnetze ent-
steht. Das ganze System der Bauchvene ist gewissermaassen nur eine
Abspaltung der Pfortader.
Die Nieren besitzen ein Pfortadersystem, welches demjenigen der
Leber ähnlich ist. Wir erwähnten schon die ausführenden Nieren-
venen, welche in der Zahl von zwei oder drei Paaren in die hintere
Hohlvene einmünden. Die einführenden Venen, zwei an der Zahl,
dringen am äusseren und hinteren Rande der Niere in dieselbe ein
und verzweigen sich vorzugsweise auf ihrer dorsalen Fläche. Die
primäre Zufuhrvene der Niere (ral) bringt den grössten
Theil des aus der hinteren Extremität abfliessenden Blutes (ein Theil
davon wird direct in die Bauchvene ergossen) und entsteht aus zwei
Aesten, einem grösseren, der S chenkel v ene (/), und einem kleineren.
Amphibien. 613
der Hüftvene (/). Die erstere sammelt das aus der dorsalen
Fläche des Unterschenkels und des Fusses zurückkehrende Blut als
hintere Schien beinvene, tritt dann über dem Knie auf die
Vorderseite des Schenkels über und verläuft zwischen dem grossen
äusseren und dem geraden vorderen Schenkelmuskel nach vorn. Die
zweite begleitet den grossen Schenkelnerven zwischen dem haibhäutigen
und dem zweiköpfigen Muskel, verläuft zum Theil in dem inneren
Canal der Tibia als vordere Schienbeinvene und sammelt, wie
die vorige, das aus Unterschenkel und Fuss kommende Blut, aber von
der entgegengesetzten Fläche. In der Nähe des Hüftgelenkes sind
beide Venen durch einen kleinen Verbindungszweig in Commuuication
gesetzt (ic). Wir erinnern hier daran, dass die Schenkelvene vor
ihrer Vereinigung mit der Beckenvene mit einer Schlinge der Bauch-
vene anastomosirt.
Die secundäre Zufuhrvene der Niere (rall) bildet sich
aus drei Hauptästen, den beiden Eileitervenen (o) und der Rücken-
lendenvene (a) , welche das aus der Haut und den Lendenmuskeln
kommende Blut sammelt.
Durch alle diese Gefässe wird das Blut aus dem ganzen Körper,
freilich nicht ohne zum Theil zwei secundäre Pfortadersysteme durch-
laufen zu haben, in dem grossen Venensinus gesammelt und durch
diesen der rechten Vorkammer zugeführt.
Lymphsystem. — Es besteht aus dreierlei verschiedenen Ge-
bilden: den Lymphherzen, den unter der Haut gelegenen Lymphsäcken
und den Lymphgefässen , welche scheidenartig die Blutgefässe des
Mesenteriums umhüllen.
Es giebt zwei Paar Lymphherzen. Die vorderen liegen
jederseits an der Wirbelsäule in einem kleinen, dreieckigen Räume,
der durch das Auseinanderweichen der Muskelfasern gebildet wird,
welche die Querfortsätze des dritten und vierten Wirbels mit einander
verbinden. Man sucht diese kleinen, eiförmigen Säckchen mit dünnen,
contractilen Wänden, in welchen sich Muskelfasern nachweisen lassen,
am besten von der Bauchseite aus auf. Xach Wegnahme des Darmes
und der Lungen sieht man sie deutlich an dem Hinterrande des Quer-
fortsatzes des dritten Wirbels neben der Schultervene , in welche sie
münden.
Die hinteren Lymphherzen haben wie die vorderen etwa
die Grösse eines dicken Stecknadelkopfes. Sie liegen jederseits am
hinteren Ende des Urostyls, nahe dem Hüftgelenke, in einem drei-
eckigen, von den Steissbeinbeckenmuskeln, dem Gesässmuskel und dem
grossen äusseren Muskel begrenzten Räume so oberflächlich unter der
Haut, dass man sie bei manchen Fröschen pulsireu sieht, und hängen
mit dem erwähnten queren Verbindungsaste zwischen Schenkel- und
614
Wirbelthiere,
Fig. 263.
Rana esculeutu. — Die L3'mphsäcke unter der Haut der Rückentläclie. Die braunen
Flecke bezeichnen die Stellen , wo Muskeln sich an die Haut anheften ; die gleich-
farbigen Linien die Lagerung der Scheidewände. 1, cranio-dorsaler Sack; 3, Seiten-
säcke; 7, brachio- dorsaler Sack; 9, femoraler Sack; 10, subfemoraler Sack;
Amphibien. 615
Hüftvene zusammen (ic , Fig. 262). Man präparirt sie selbstver-
ständlich vom Rücken aus.
Die Lymphherzen nehmen durch winzige Löchelchen die ihnen
von der Bauchhöhle und den Lymphräumen unter der Haut zu-
strömende Lymphe auf und treiben sie durch die erwähnten Communi-
cationen in den venösen Blutstrom. Spritzt mau vorsichtig eine ge-
färbte Masse in sie ein, so geht diese in die Bauchhöhle und die Venen,
sowie in die Säcke unter der Haut über, die den Arbeiten von
Job. Müller und Recklinghausen zufolge unzweifelhaft Lymphe
enthalten.
Wenn man einen Frosch enthäutet, so mag man über die weiten
Räume erstaunen , welche sich zwischen der Haut und den Körper-
muskeln erstrecken und die durch dünne Seheidewände aus Binde-
gewebe in mehrere, mit farbloser Lymphe gefüllte Kammern getheilt
werden. In diesen Scheidewänden erstrecken sich noch, namentlich an
ihren Ansätzen an die Haut, kleinere Lymphräume, die durch gut
gelungene Lijectionen nachgewiesen werden können. Wir erwähnen
nur die grösseren Haupträume.
Der grosse Schädelrückensack (11, Fig. 263) erstreckt sich von
der Schnauzenspitze bis zum Steissende. Er ist seitlich, begrenzt von
den Rückenscheidewändeu (d, d), die ihn von den Seitensäcken (3, 3),
und hinten von den Leistenwänden (?', i) , die ihn von den Schenkel-
säcken trennen.
Die Seite n Säcke des Stammes (3, 3) erstrecken sich auf den
Seiten des Körpers zwischen den voi'deren und hinteren Extremitäten.
Der dreieckige Bauchs.ack ist durch die Bauchscheidewände
von den Seitensäcken getrennt und erstreckt sich von dem Brustbeine
zur Symphyse des Beckens. Vor iiim liegt auf dem Brustbeine und
der Kehle der Brustsack und vor diesem der Unterkiefersack
von einer an der Kehle angebrachten , queren Scheidewand bis zur
Ecke des Unterkiefers. Die an dessen Aesten angeheftete Haut schliesst
ihn seitlich ab.
Die Leistensäcke (15) sind zwischen den Rückensack und die
Seitensäcke eingeschoben und nach hinten durch die Scheidewände der
Schenkelsäcke abgeschlossen.
Die Säcke unter der Haut der Extremitäten werden durch die
Fortsetzungen der Scheidewände des Stammes getrennt und sind je
nach den Regionen, wo sie sich finden, benannt worden. Fig. 263 zeigt
die auf der Dorsalfläche des Armes und des Beines angebrachten Säcke.
11, iiitert'emoraler Sack; 12, cruraler Sack; 13, dorsaler Sack; 14-, Sack der Fuss-
sohle ; 15, Leistensäcke; d, dorsale Scheidewände; «, abdominale Scheidewände;
's, hintere; s'", mittlere Armscheidewand; /, inguinale Scheidewand; /, obere femo-
rale Scheidewand;/'", femorale Zwischenscheidewand; ?', Stimmsack. (Nach Ecker
und W i e d e r s h e i m.)
616 Wirbelthiere.
Die Amphibien zeigen im Ganzen einen ziemlich übereinstimmenden
Bau ; ihre wesentlichsten morphologischen Unterschiede werden, wie gewöhn-
lich, durch die Verhältnisse bedingt, in welclien sie leben. Viele unter ihnen
leben beständig im Wasser und behalten die daza nöthigen Organe (Schwanz-
flosse, Kiemen etc.) durch ihr ganzes Leben hindurch, wogegen die anderen,
welche im erwachsenen Zustande auf dem Lande in freier Luft leben , diese
Organe nur im Larvenzustande beibehalten, während sie später verkümmern
oder anderweite Functionen erhalten.
Die Lebensgeschichte des Axolotl , der , je nach Maassgabe der äusseren
Existenzbedingungen , sich zum Ambl^-stoma vimwandelt oder durch Genera-
tionen hindurch im Larvenzustande als Siredon verbleibt, oder diejenige
einiger anderer Salamandriuen, welche, je nachdem sie Wasser in Fülle haben
oder desselben entbehren, als Larven mit Kiemen oder als ausgebildete Thiere
mit Lungen sicli fortpflanzen, zeigen klar, dass die geschlechtliche Eeife weit
unabhängiger von der Leibesform ist, als mau früher annahm. Mit Unrecht
sah man die Anwesenlieif von Kiemen als einen wesentlichen Charakter des
Larvenzustandes an. Wir verweisen in dieser Beziehung auf die bekannten
Untersuchungen von Frl. v. Chauvin. Das Fortbestehen eines Schwanz-
anlianges unterscheidet die Urodelen von den Anureu. Erstere sind zwar
meist klein , erreichen aber doch in einer Art {Oryptobranchiis) 1 m Länge.
Frösche und Kröten sind zum Theil sehr ansehnliche Thiere.
Die Entwicklung der Extremitäten verändert wesentlich die äussere
Körperform. Bei den Gymnophionen , die eine schlangenähuliche Gestalt
haben, fehlen äussei-e Glieder durchaus ; bei gewissen Urodelen {Siren) fehlen
die Hinterglieder, bei anderen 'sind sie nur kurz und haben nur wenige
Finger, dienen aucli nur zum Kriechen, während bei den Anuren die Hinter-
beine meist übermässig entwickelt sind und zum Springen dienen.
Meist ist die Haut nackt und mit Drüsen ausgestattet. Bei den Gymno-
phionen ünden sich aber in eigenen Taschen steckende Schuppen , die sogar
bei einigen eine ziemliche Grösse erreichen können {Epicrium) und durchaus
nach dem Typus der cycloiden Fischschuppen , nicht nach demjenigen der
Eeptilienschuppen gebaut sind. Bei einigen Anuren finden sich Knochen-
schilder auf der Haut des Eückens (Cerafophrys), die sogar mit den darunter
befindlichen Wirbeln Verbindungen eingehen können (Brachycephalus). Ohne
Zweifel sind diese Bildungen die letzten Anklänge an die wuchtigen Haut-
X^anzer, welche viele fossile Amphibien trugen {Archego säur us). Zuweilen
findet man auch Ablagerungen von Kalksalzen in den Bindegewebezellen der
Haut {Bufo).
Die einfache glatte Oberhaut der Larven verdickt sich meist mit dem
Alter und wird oft hart und warzig; bei den Gymnophionen bildet sie Halb-
ringe von Falten, die sich theilweise wie Ziegel gegenseitig decken [Epicrium)'
Bei den On,ychodactylen verdickt sie sich an den Enden der Zehen und bildet
wahre Nägel [Cryptodranchus, Dactylethra). Zur Begattungszeit verdickt
sich die Haut des Daumens bedeutend bei den meisten Fröschen und Kröten
und erleichtert so das Umklammern des Weibchens.
Zuweilen vei'dickt sich auch die Leder haut und dringt in die von
der Oberhaut gebildeten Kämme ein. Sie besteht immer aus gekreuzten
und etwas verfilzten Bindegewebsfasern , zwischen deren Bündeln sich zahl-
reiche glatte Muskelfasern und Netze von Lymphräumen , Gefässen und
Nerven nachweisen lassen. Die Muskelfasern bedingen eine gewisse Con-
tractilität der Haut und befördern den Austritt der zahlreichen , von den
Hautdrüsen gelieferten Absonderungsstoffe.
Man kann zwei Arten von Drüsen unterscheiden: einzellige, in Form
von Flaschen, und vielzellige, traubige Drüsen. Der von letzteren gelieferte
Amphibien. (117
Schleim enthält oft riecheude, scharfe oder selbst giftige Stoffe. Aus den
letzteren hat mau toxische Alkaloide ausgeschieden (Salamandriu etc.).
Die Vertheilung der Hautdrüsen variirt sehr bei den verschiedeneu Gat-
tungen und ist auch zoologisch verwerthet worden. Bald sind sie unregel-
mässig über die ganze Oberfläche der Haut zerstreut , bald an einzelnen
Stellen angehäuft. Zu solchen Anhäufungen gehören die hinter dem Kiefer
gelegenen Parotiden der Salamander, die Tussdrüsen vieler Kröten [Bufo,
Bombinator). Wenn sie auch ursprünglich Schutz- und Vertheidigungsorgane
sind, so können sie auch andere Functionen übernehmen. Die zelligen Rücken -
hauträume der Aveiblichen Pipa, in Avelche die Eier eingestrichen werden und
bis zum Ablaufe der Larvenperiode verweilen, dürften nur modificirte Haut-
drüsen sein.
ZA\dschen Lederhaut imd Oberhaut finden sich meistens Pigmentzellen,
welche oft tief in die Lederliaut eindringen. Bei manchen Gattungen sind
sie contractu und werden wahre Chromatophoren [Hyla] ^ deren Bewegungen
von dem Nervensj'steme abhängig scheinen und Farbenveräuderungen be-
dingen , die zu den umgebenden Medien fMimicry) oder zu den Geschlechts-
functionen in Beziehung stehen, wie z. B. das Hochzeitskleid der Tritonen.
Bei einigen hat man in der That zu den Chromatophoren tretende feine
Nervenendigungen beobachtet.
Das Skelett variirt ungemein. Bei allen Amphibien kann mau wäh-
rend des ganzen Lebens Beste des Primordialschädels und der Chorda nach-
weisen. Indessen finden sich bei ihnen allen "SVirbel, Avelche durch Zwischen-
scheiben mit einander verbimden sind, eine Eildung, die bei Fischen nicht
vorkommt. Die Wirbelkörper entstehen nicht, Avie bei Ganoiden und Se-
lachiern, in der Scheide der Chorda selbst, sondern in dem diese Scheide
umgebenden Bindegewebe.
Zuweilen sind die Wirbel biconcav oder amphicöl [Gymnopliionen , Pe-
rennihranchier); in anderen Fällen opisthocöl (Pipa, Scäamandrinen) oder
procöl, wie bei dem Frosche und den meisten Anuren. Einige dieser letzteren
(Bombinator , Alytes) haben indess opisthocöle Wirbel. Die bei den Anureu
weit stärker als bei den Urodelen au-;geprägte Ausbildung der Zwischen -
Wirbelscheiben hat zur Folge, dass die Chorda mehr zurückgedrängt Avird,
und die Beste derselben knorpelige Beschaffenheit annehmen, um sich zu
Gelenkköpfen mit entsprechenden Gelenkhöhlen auszubilden.
Die Zahl der Wirbel variirt je nach der Streckung des Körpers. Bei
den Anuren finden sich höchstens zehn Wirbel , bei den Salamandern oft
vierzig und mehr, hundert bei den Sirenen, hundertundfunfzig bei den Tritonen
und bis ZAveihuudert bei den Gymnophionen. Mit Ausnahme der letztereu,
Avelche keine Extremitäten besitzen, kann man einzelne Abschnitte, Hals-,
Brust-, Lenden-, Kreuzbein- und SchAA'anzAvirbel, uuterscheiden. Meist zeigen
die einzelnen Wirbel dieser verschiedenen Eegioneu auch eigenthümliche
Bildung.
Die Dornfortsätze bleiben meist rudimentär ; doch sind sie bei einigen
Urodelen mit geschmeidiger Wirbelsäule unter einander eingelenkt. Die
Querfortsätze sind bei den Anuren am stärksten entAvickelt; bei deuL^rodelen
und Gymnophionen treten sie mit rudimentären Ri2:)pen in Beziehung. Im
ScliAvanze der Urodelen finden sich Hämapophysen, welche die Centralgefässe
umfassen. Bei deu Anuren ist der in der Larvenperiode A^orhaudene ScliAvanz
einer rückschreitenden Metamorphose unterworfen, Avelche sich nicht nur auf
diesen Anhang beschränkt, der gänzlich zu Grunde geht, sondern auch noch
auf eine Reihe von Wirbeln des Stammes sich fortsetzt , AA^elche zu einer
klingenförmigen Leiste , dem Steissbeine oder Urostyl ,- mit einander ver-
schmelzen, Avie bei dem Frosche.
39*
618 Wirbel thiere.
Der erste Wirbel zeiclinet sicli durch seine Eiugfortn und das Fehlen
der Querfortsätze aus. Mit Ausnahme der Gymnophionen trägt er am unteren
Eande seiner Vorderfläche einen Zahnfortsatz, der in den Basaltheii des
Hinterhauptsbeines eindringt; ausserdem zeigt er die beiden seitlichen Gelenk-
höhlen, welche den Gelenkköpfen des Hinterhauptes entsprechen , die für die
Amphibien, den Eeptilien gegenüber, charakteristisch sind. Die embryologischen
Forschungen haben uns gezeigt, dass dieser erste Wirbel dem Epistropheus,
also dem zweiten Wirbel der übrigen Wirbelthiere entspricht und dass der
ei'ste ursprüngliche Wirbel, der Atlas, im Laufe der Entwicklung mit dem
Hinterhauptsbeine verschmilzt.
Der Primordialschädel, der bei den Perennibrauchiern zum grössten
Theile während des ganzen Lebens fortbestehen bleibt, verschwindet mehr
oder minder bei den anderen Amphibien durch unmittelbare Yerknöcherung
seines Knorpels oder durch Schwund in Folge der Ausbildung von Deck-
platten, die im umgebenden Bindegewebe entstehen. Die stets gut entwickelten
seitlichen Hinterhauptsbeine, die Knochen der Gehörkapsel, das Ringbein und
das Quadratbein sind enchondrische Knochen, wähi-end die den Schädel von
oben und unten schliessenden Knochen , die Stirn- und Scheitelbeine , das
Keilbein, die Nasenbeine und der Vomer, ursprüngliche Deckplatten sind. Je
nach Ordnungen und Familien entwickeln sich diese Knochen in eigenthüm-
licher Weise. So bleiben die Stirnscheitelbeine bei den Urodelen getrennt,
während sie bei den Anuren verschmelzen. Das Keilbein der Urodelen hat
nicht die Kreuzform wie beim Frosche; das Eingbein fehlt bei ihnen. Der
Vomer ist bei Pipa iTugetheilt etc. Wir gehen auf diese secundären Bil-
dungen nicht weiter ein.
Der 0 b e r k i e f e r b o g e n ist bei den Perennibrauchiern auf die Zwischen-
kiefer reducirt, aber stets fest an den Schädel geheftet, was nur bei wenigen
Fischen (Holocephalen, Dipnoer) der Fall ist. Auch das Quadratgaumenbein
ist mit dem Schädel unbeweglich verwachsen. Der dem Quadratbeine ent-
sprechende Theil des Aufhängegerüstes des Unterkiefers ist bei den meisten
Anuren verknöchert und durch ein Jochbein mit dem Hinterrande des Ober-
kieferbogens verbunden ; bei den Urodelen fehlt das Jugale und ist durch
ein fibröses Band ersetzt. Auf dem Ober- und Zwischenkiefer kommen Zähne
fast allgemein vor ; weniger allgemein auf dem Unterkiefer und dem Vomer,
seltener auf den Gaumenbeinen und ausnahmsweise auf den Flügelbeinen
[Menoiranchus, Siredon) oder dem Keilbeine {Batraclwsepft).
Die zahlreichen Variationen der V isceralbogen hängen grossentheils
mit der Athemfunction zusammen. Bei den Perennibrauchiern mit lebens-
länglichen Kiemen finden sich meist fünf Visceralbogen : der Hyoidbogen
und vier Kiemenbogen, deren jeder aus zwei Paaren von Knorpelstäben ge-
bildet ist. Doch finden sich bei Proteus nur noch drei Kiemenbogen und
bei den Salamandrinen zeigen sich nur die Ueberreste von zwei Kiemen-
bogen, die bei den Erdsalamandern ganz rudimentär werden. Nur bei den
Larven der Anuren, den Kaulquappen, finden sich Kiemenbogen ; sie werden
während der Metamorphose rückgebildet bis auf einen fransenlosen Bogen,
der an dem hinteren Theile des Zungenbeinkörpers angeheftet ist und dem
Kehlkopf als Stütze dient. Bei den zungenlosen Kröten [Pipa, Dactylethra)
verkümmert der Zungenbeinapparat in auffallender Weise.
Den gliedlosen Gymnophionen fehlen auch der Schulter- und B ecken -
gürtel. Letzterer fehlt auch bei Siren , das nur Vorderfüsse besitzt. Bei
den niederen Urodelen ist der Schultergürtel in der Mittellinie der ventralen
Fläche nicht geschlossen, da der Körper des Brustbeines fehlt. Bei den
Anuren dagegen ist dieser Mitteltheil des geschlossenen Schultergürtels noch
wesentlich durch die Ausbildung des Episternum verstärkt. Ueberhaupt
Amphibien. 619
hängt die Vervollkommnung des Schultergürtels von derjenigen des Aussen-
gliedes ab ; so ist z. B. bei den Urodeleu das Schulterblatt sehr klein , wäh-
rend das Suprascapulare fehlt.
Die drei Knochen des Becken giirt eis zeigen meist dieselben Beziehungen
und Lagerung wie bei dem Frosche. Bei den Urodeleu sind die Darmbeine
weit kürzer und nur an einem einzigen Sacralwirbel angeheftet, während sie
hinten mit den Sitz- und Schambeinen zusammenstossen. Mit Ausnahme
von Proteus und Spelerpes setzt sich bei den Urodelen ein langer , an
dem Vorderende gegabelter Knorpelstab an die Symphj-se der Schambeine
an. Dieser Epipubisknorpel erinnert an eine ähnliche, bei den Dipnoern
vorkommende Bildung. Mau hat vermuthet, dass diese Knorpel den bei den
Beutelthieren entwickelten Beutelknochen homolog sind (Wieder sheim).
Die Aussenglieder variiren hinsichtlich der Zahl und Länge der Zehen.
Die bei den Auuren zu einem Knochen verschmolzenen beiden Knochen des
Vorderarmes und Vorderbeines sind bei den Urodelen getrennt. Die Knochen
der Hand- und Fusswurzel, sowie die Zahl der Zehen können bedeutende
Reductionen erfahren, wie z. B. bei Proteus, wo die Vorderfüsse drei, die
Hinterfüsse nur zwei Zehen haben. Selten sind Ueberschreitungen der nor-
malen Vierzahl. Menopoma hat fünf Zehen an den Hintergliederu, die bei
den guten Schwimmern {Rana, Pipa) Schwimmhäute zeigen. Ausnahmsweise
finden sich auch Nägel an den Zehen (Dactylethra) oder besondere , von der
Haut gebildete Haftapparate [Hyla).
Vom Muskelsysteme können wir hier nur sagen, dass die ursprüng-
lichen metaraerischen Abtheilungen , welche bei allen Larven existiren , bei
den meisten Urodelen nur stellenweise sich erhalten und bei den Anureu
sich gänzlich verwischen. Iva Uebrigen zeigen sich zahllose Variationen in
Folge der Ausbildung der Glieder uud der Verkümmerung der Kiemenbogeu.
Wir können auf dieselben nicht Aveiter eingehen und verweisen in Bezug zur
Herstellung einer vergleichenden Myologie der Ami^hibieu auf die Arbeit von
Hoff mann in Bronn' s Thierreich.
Das Centralnerveusystem des Frosches kann als typisch für die Ge-
sammtheit der Amphibien gelten. Die Länge des Rückenmarkes und die
Zahl der Spinalnerven hängt selbstverständlich von der Länge des Körpers
ab , sowie die Ausbildung der einzelnen Anschwellungen und der Nerveu-
geflechte für die Extremitäten von der Entwicklung der Aussenglieder ab-
hängt. Bei den gliedlosen Gymnophionen fehlen diese Bildungen vollständig.
Die bei den Perennibranchiern und Derotremen weit geöffnete Eauten-
grube wird bei den Tritonen grösstentheils vou dem Mittelhirne überdeckt.
Das Kleinhirn ist stets auf eine unbedeutende Querbrücke reducirt. Das
Mittelhirn ist bei Pipa weniger entwickelt als beim Frosche und bei den
Gymnophionen stets kleiner als das Vorderhirn, welches bei diesen die grösste
Ausbildung erreicht , so dass es fast alle übi'igen Hiruabschuitte überdeckt.
Bei den Urodelen sind die beiden Hemisphären des Vorderhirnes weiter aus
einander gerückt als bei den Anureu, doch zeigen sie selbst bei so nahe
verwandten Gattungen wie Salamandra und Triton beträchtliche Grössen-
unterschiede.
Im Allgemeinen kann man sagen , dass die in einer Horizontalebene
hinter einander gereihten Hirntheile der Amphibien ziemlich denjenigen der
Fische gleichen; namentlich tritt die Analogie stark hervor zwischen der
Bildung der Urodelen einerseits, wo die einzelnen Abschnitte mehr aus
einander gerückt sind, als bei den Anuren, und den Ganoiden und Dipnoern
anderseits.
Die Bezieliungen der Zirbeldrüse oder Epiphyse zur Ausbildung eines
unpaaren Auges bedürfen weiterer Untersuchungen. Vor der Hand können
620 Wirbelthiere.
wir nur sagen , dass diese obere Ausstülpung des Zwischeuhirnes bei den
Larven im Vergieicli zu den anderen Hirutlieileu weit bedeutender ist, als
bei den entAvickelten Tliieren und dass ihr Zustand je nach den verschiedenen
Phasen des Larvenlebens sehr ändert. In gewissen Perioden bildet sie einen
nach vorn gebogenen , mit einem Zelleuhaufen endenden vollen Stiel. Die
Beziehungen dieses Stieles zu dem Stirnorgane, das wir beim Frosche
erwähnten , sind noch nicht ganz aufgehellt. Nach einer gefälligen Mit-
theilung von Beranek scheint sogar bei Bana, Triton und Salamandra das
Stirnorgan ei'st nach der Epiphyse sich zu bilden und keine Ausstülpung
derselben zu sein. Bei sehr jungen Kaulquappen läge das Stiruorgan schon
ausserhalb der Hirnhüllen unmittelbar an der Haut an. Es erhält nie die
Eorm einer Sehblase ; man kann weder eine Eetina , noch eine Linse darin
nachweisen. Anderseits hat Götte schon bei der Unke (Bombinator) einen
Zusammenhang zwischen dem Stirnorgane und dem Zwischenhirne nach-
gewiesen ; aber noch Niemand hat geeignete Beweise für seine Natur als
Auge beibringen können. Die Annahme eines solchen bei den fossilen Am-
phibien stützt sich hauptsächlich auf die Existenz eines geräumigen Scheitel-
loches bei einigen , besonders den Labyrinthodonten und auf die Ausbildung
eines wirklichen, in diesem Scheitelloche gelegenen unpaaren Auges bei manchen
lebenden Eidechsen, besonders Hatteria.
Die Hirnnerven zeigen nur geringe Variationen. Die Riechnerven
sind stets kurz und verzweigen sich erst beim Eintritte in die Nasenschleini-
haut, mit Ausnahme von Menopoma, wo eine Siebbeinplatte existirt. Die Seh-
nerven bilden immer ein Chiasma. Bei den Anuren finden sich stets intime
Beziehungen zwischen Trigemiuus und Facialis, während bei den Urodelen
diese Nerven weit unabhängiger von einander sind und der Facialis nur
einen Verbiuduugszweig zum Trigeminus abgiebt und durch ein besonderes
Loch am Schädel austritt. Bei allen im Wasser lebenden Larven oder erwach-
senen Thieren existirt ein bedeutender Zweig des Vagus, welcher seitlich am
Körper nach hinten läuft und dem Seitennerven der Fische homolog ist.
Nach der Metamorphose wird dieser Ast zu einem kleineu Hautnerven des
Halses zurückgebildet. Bei den Pereunibranchiern tritt der Glossopharyngeus
durch ein besonderes Loch am Schädel aus; bei den Anuren ist er innig mit
dem Vagus verbunden und bildet nach Vollendung der Metamorphose zwei
Aeste , einen für die Zunge , einen für den Schlundkopf. Vorher verläuft er,
wie bei den Pereunibranchiern , zum ersten Kiemenbogen , während die
anderen vom Vagus versorgt werden. Der Hypoglossus tritt bei allen Am-
phibien hinter dem Schädel aus und bildet den ersten Spinaluerven.
Das symjjathische Nervensystem ist stets vorhanden, aber bei den niederen
Tjqjen weit weniger ausgebildet als bei den Anuren.
Die Bildung der Sinnesorgane wird von der Lebensweise beeinfiusst.
Ueberall findet man in der Haut zahlreiche , mannigfach vertheilte Gruppen
von Sinneszellen epidermoidalen Ursprungs , die stets frei an der Oberfläche
liegen und nie, wie bei den Fischen, in Ptöhren eingeschlossen sind. Sie sind
besonders bei den WasserbeAvohnern ausgebildet und hier auch nach bestimmten
Linien am Kopfe und den Seiten des Kör^Ders vertheilt, besonders an der
Basis des Rückensaumes imd tiefer unten an den Seiten. Bei Proteus oder
wenig pigmentirten Larven von Axolotl, die Bugnion (s. Lit.) zu seinen
Untersuchungen benutzte , treten sie hesonders deutlich hervor. Während
der Metamorphose der Anuren senken sie sich in die Haut ein, verkümmern
und verschwinden schliesslich. Auf dem Kopfe erhalten diese Organe Zweige
vom Facialis und Trigeminus ; am Körper von den Seitennerven des Vagus.
Vielleicht empfinden sie die Wellenbewegungen des Wassers und können als
primordiale Hörnerven aufgefasst werden (Wiedersheim). Diese An-
Amphibien, 621
schaiiuno- erhält eine weseutliclie Stütze durch die Auffindung eigenthüm-
licher Orgaue bei den Emhryoueu von Epicrium glidinoniim durch P. und
F. Sara sin. Dort finden sich nämlich am Kopfe kleine, flaschenförmige
Organe, die mit langen Wim^Derzellen ausgekleidet sind und im Inneren einen
keulenförmigen Körper zeigen , der einem Otolithen ähnelt, weshalb man sie
auch Hau toll ren genannt hat. Man vergleiche die Arbeit von Malbranc
(s. Lit.) über die Structur und Anordnung der Seitenorgane bei den Amphibien.
Bei den meisten finden sich auf dem Innenrande der Kiefer, dem Gaumen,
dem Vomer und auf den GiiDfeln der schwammföi-migen Zungenpapillen End-
scheibeu (Geschmacksknöpfe , Tastwärzchen) , die denen der Fische ähnehi,
aber sich von diesen dadurch unterscheiden, dass sie niemals ausserhalb der
Mundhöhle vorkommen. Dagegen findet man stets in der Haut der erwach-
senen Anuren kleine Tasthügel , die von Merkel beschrieben worden sind
(s. Lit). Kolbenförmige (Yater'scbe oder Pacini'sche) Körper chen sind
bei den Amphibien noch nicht nachgewiesen worden.
Bei den Perennibranchiern und Derotremen siud die stets paarigen
Nasenhöhlen röhrenförmig und glatt ; bei allen übrigen ist die auskleidende
Scheimhaut gefaltet. Bei den Salamandrinen beginnt die skelettbildende
Masse um die Nasenhöhlen sich auszuhöhlen , um die Eiechfläche zu ver-
grössern , und bei einigen (Plethodon) kann man schon Anlagen von Nasen-
muscheln nachweisen , welche bei den Anuren und ganz besonders bei den
Gj'mnophionen sich weiter ausbilden. Zugleich verlängert sich bei den
unteren Gruppen die Nasenhöhle in den Oberkiefer und bildet dort einen
Nebensinus, der bald zusammenhängt, wie bei den Salamandrinen, oder gänz-
lich getrennt ist, wie bei den Gj'mnophionen, wo man jederseits zwei Nasen-
höhlen um so eher unterscheiden könnte, als diese Nebenhöhle im Kiefer
ihren besonderen Nerven erhält. Nicht minder könnte dieser Maxillarsinus
als die Anlage des Jacobson' sehen Organes aufgefasst werden, das bei
Eeptilien und Säugethiereu verbreitet ist. Die allgemein zwischen den Ober-
kiefern und Gaumenbeinen gelegenen inneren Nasenöffuungen liegen bei den
Perennibrauchiern nahe au der Lippe ; die äusseren Oeflnungen stets au der
Schnauzenspitze.
Bei den Gymnophionen hat Wiedersheim ein nur diesen ausschliess-
lich zukommendes Evacuatiousor gan nachgewiesen, das ein Yertheidi-
gungsorgan sein dürfte. Es besteht aus einem Sacke mit starken Muskel-
wandungen, der in der Augenhöhle hegt und seitlich an der Schnauze durch
einen Ausführungsgang sich öfinet. In dem Sacke liegt eine Drüse , deren
Secret durch den Gang ausgespritzt werden kann.
Augen fehlen nirgends, aber bei den wie Eegenwürmer in der Erde lebenden
Gymnophionen und bei dem in dunklen Grotten hausenden Proteus sind sie ver-
kümmert und mehr oder weniger tief unter der Haut versteckt. Bei Proteus
fehlen Linse und Glaskörper. Bei den meisten übrigen Amphibien sind sie von
beträchtlicher Grösse und nach dem geschilderten Typus der Proschaugen
gebaut. Die Hornhaut ist meist abgeplattet; die Sclerotica durch Platten
oder Einge von knorpeliger Beschaffenheit gestützt. Die Papille ist rund bei
Rana, queroval bei Bufo, senkrecht bei Pelobates , dreieckig bei Bomhinatoy.
Die Iris ist stets sehr lebhaft gefärbt; der Ciliarkörper glatt bei den Uro-
delen , faltig bei den Anuren. Die Linse ist meist kugelrund. Die Eetina
zeichnet sich durch die verhältnissmässige Grösse der Stäbchen aus. (Bei
Spelerpes schätzt "Wiedersheim ihre Zahl auf etwa 30000 auf den Quadrat-
millimeter, während beim Menschen 250 000 bis 1000 000 auf demselben Eaume
Platz finden.)
Bei den Urodelen fehlt der Eückziehmuskel des Augapfels ; bei den Perenni-
branchiern und bei Pipa fehlen die Augenlider , während bei den Salaman-
622 Wirbelthiere.
drinen beide Augeulider sehr gut entwickelt sind und bei den Anm-en das
untere Augenlid durch die Nickhaut ersetzt wird.
Thränendrüsen kommen nicht vor, dagegen ist die an Blutgefässen reiche,
birnenförmige Härder' sehe Drüse wohl immer vorhanden. Bei Bufo ist sie
am ausgiebigsten entwickelt. Ihr Seci'et erhält die innere Fläche der Nick-
haut schlüpfrig.
Das Ohr ist nur bei den Anuren demjenigen des Frosches ähnlich aus-
gebildet. Bei den Urodelen und Gymnophionen fehlt das ganze mittlere
Ohr, Trommelfell, Paukenhöhle, Columella und Eustachi' sehe Eöhre. Bei
den Gymnophionen ist sogar der Gehörnerv verkümmert und erreicht das
Labyrinth nicht; sie sind demnach wahrscheinlich taub. Bei den anderen
variiren die Hörleisten und halbzirkelförmigen Canäle insofern, als bei den
Urodelen erstere weniger zahlreich, die Canäle enger und weniger vorgewölbt
sind als bei den Anuren ; wesentliche Verschiedenheiten lassen sich in der
Bildung des Labyrinthes nicht nachweisen.
Auch derDarmcanal zeigt nur unwesentliche Variationen. Bei einigen
Perennibranchiern {Proteus, Siren) ist das Maul, das bei den Anuren so weit
gespalten ist , stark verengt. Den Aglossen {Pi])a , Dactylethra) fehlt die
Zunge, die bei den Urodelen nicht nur vorn, Avie bei den Anuren, sondern
mit ihrer ganzen Unterfläche angewachsen ist. Die Beweglichkeit der Zunge
und ihre Benutzung als Greiforgan zeigt Verschiedenheiten. Bei Spelerpes
kann sie avis dem Maule vorgeschleudert werden, bei den Molchen ist sie
wenig beweglich. Zähne fehlen nur bei Pipa durchaus. Wir haben bei
Gelegenheit des Skelettes schon die Knochen namhaft gemacht, auf welchen
sie eingepflanzt sein können. Sie sind bei den Urodelen zahlreicher als bei
den Anuren, stets sehr klein und kaum über die sie einhüllende Schleimhaut
hervorstehend; bei den meisten Salamandrinen haben sie zwei Spitzen; bei
Perennibranchiern und Gymnophionen, wie bei den Anuren, nur eine. Hert-
wig (s. Lit.) hat ihre Structur und Entwicklung kennen gelehrt. Bei den
Larven (Kaulquappen) findet sich vor der eigentlichen Mundhöhle ein Vor-
hof, der selbst zu einer Art von trichterförmigem Rüssel auswachsen kann
und schnabelförmige Hornscheiden der Lippen, sowie innere Hornzähne trägt,
deren charakteristische Formen auch zoologisch benutzt werden und die von
F. E. Schnitze, H eron-Roger., van Bambeke und Bedriaga genauer
untei'sucht worden sind (s. Lit.).
Nirgends finden sich Speicheldrüsen, wohl aber, mit Ausnahme der Pe-
rennibranchier, Derotremen und Gymnophionen, zeigen alle übrigen die oben
erwähnte und von Wiedersheim (s. Lit.) genauer untersuchte Zwischen-
kieferdrüse, deren Ausführungscanälchen sich in dem Gaumen öffnen. Bei
den Anuren ist noch eine in der Nähe des Schlundkopfes liegende und in
diesen mündende Pliaryn gealdrüse entwickelt.
Der Magen lässt sich immer durch seine Weite von dem Dünndarm
unterscheiden, ist aber nur selten (Siren) scharf von dem meist kurzen, nur
bei den Urodelen etwas längeren Oesophagus geschieden. Der Darm ist ganz
gerade bei Proteus, wenig gewunden bei den Salamandrinen, vielfach ge-
schlungen bei den Anuren; seine innere Oberfläche zeigt verschiedenai'tig
angeordnete Falten , welche die verdauende Fläche der Schleimhaut ver-
grössern. Der Enddarm ist stets erweitert und mündet ganz allgemein in
eine Cloake.
Die Leber ist stets voluminös und besteht wenigstens aus zwei, durch
eine Substanzbrücke verbundenen Lappen , entweder von gleicher Grösse
{Cryptohranchus) oder einem rechten grösseren und einem linken kleineren
Lappen (Menohranehus). Bei den Anuren hat sie mehr Lappen und noch
zahlreichere bei den Gymnophionen. Oft finden sich mehrere Gallengänge
Amphibien. 623
(Anureo) ; der Blasengang mündet in den Gallengaug und meist auch der Aus-
führungsgang des Pankreas (Wir sung' scher Canal). Das Pankreas wie die
Milz liegen meist an derselben Stelle wie heim Frosche.
Alle Amphibien athmeu anfangs durch äussere Kiemen, deren Fran-
sen meist die Gestalt von Bäumchen zeigen und oft eine ansehnliche Länge
erreichen können. Zugleich mit diesen Hautkiemen oder zu ihrem Ersätze
functioniren innere Kiemen, welche direct auf den Kiemenbogen auf-
sitzen, in einem häutigen Kiemensacke eingeschlossen sind und zuweilen sehr
seltsame Formen annehmen, wie z. B. bei Notodelphys. wo sie die Form von
Glocken haben , die mit einem hohlen Stiele den Kiemenbogen angeheftet
sind. Bei einigen Arten, deren Entwicklung ganz in dem Eie sich abspinnt
[Hylodes martiniensis, Rana opistkodon), bilden sich keine Kiemenfransen aus;
die Larven athmen durch die Haut des Schwanzes oder des faltigen Bauches.
Die ausdauernden Kiemen der Perennibranchier sitzen auf den vorderen
Kiemenbogen, auf zwei {Proteus), drei {Sireii, Siredon) oder selbst vier Bogen
(Menobranchtis). Indessen variiren sie sehr, sogar bei demselben Individuum,
je nach den äusseren Verhältnissen. Sie wachsen oder verkümmern z. B.
beim Axolotl, je nach der Wassermenge, in welcher er lebt.
Beim L^ebergange der Larven vom Wasserleben zu dem Leben in freier
Luft verkümmern die Kiemen und werden in ihrer Function durch Lungen
ersetzt. Das Loch des Kiemensackes schliesst sich.
Die Lungensäcke sind stets paarig , aber häufig von ungleicher Länge
bei den gestreckten Körperformen. Bald ist der linke Lungeusack der kür-
zere [Gymnophionen), bald der rechte {Proteus). Die Faltung der Innenfläche
zeigt verschiedene Entwicklungsgrade. Bei Menobranchus ist sie ganz glatt ;
bei anderen Urodelen faltet sie sich mehr und mehr. Die kurzen, eiförmigen
und meist gleich grossen Lungensäcke der Anuren zeigen die grösste Com-
plication der Faltungen der Innenfläche.
Die stets eingeschluckte, nicht eingesogene Luft tritt in die Lungensäcke
durch den mit einer Stimmritze geöffneten Kehlkopf, der stets durch kleine
Knorpel gestützt ist. Bei den Urodelen ist der Kehlkopf sehr kurz und ein-
fach ; bei den Anuren complicirt sich seine Bildung durch die Vermehrung
der Knorpel , welche durch eigene Muskelchen in Bewegung gesetzt werden
und durch die Entwicklung von Stimmbändern an einer Tontrommel , deren
Schall bei den Männchen oft noch durch eigene, in den Mund sich öffnende
Eesonanzsäcke verstärkt wird. Zwei solcher Schallsäcke finden sich bei
Rana, einer bei Hyla. Meist hängen die Lungensäcke unmittelbar dem Kehl-
kopfe au; aber bei einigen langgestreckten Formen {Siren, AmpMuma., Gymno-
phionen) bildet sich eine etAvas längere Luftröhre aus, deren Wände durch
kleine Knorpelringe gestützt werden.
Die Urogeuitalorgane sind bei allen Amphibien ursprünglich innig
verbunden und bleiben auch während des ganzen Lebens in mehr oder
minder engem Zusammenhange. Doch zeigen sie die Tendenz, sich bei fort-
schreitender Entwicklung mehr von einander zu trennen. Ihre äussere Form,
kurz oder langgestreckt, hängt von der allgemeinen Körperform ab.
Bei den Gymnophionen erstrecken sie sich zu beiden Seiten der Wirbel-
säule in Form langer Bänder fast durch die ganze Länge der Köi'perhöhle.
Sie sind ursprünglich segmentirt und Beste dieser Metamerie bleiben das
ganze Leben hindurch fortbestehen. Aehnliches findet sich auch bei den
Urodelen, wo die langgestreckten Nieren zwei Abschnitte zeigen, einen dünneren
vorderen und einen breiteren hinteren. Den vorderen Abschnitt, der noch Spuren
von Segmentation zeigt, nennt Spengel (s. Lit.) die Geschleclitsniere,
weil er bei den Männchen mit den Hoden in Verbindung bleibt , indem die
Samencanälchen ihn dm-chsetzen , ihren luhalt, den Samen, in die Harn-
624' Wirbelthiere.
canälchen und durch diese in den gemeinscliaf tlichen L e y d i g ' sehen Canal
überführen, der sonach Harn- und Samenleiter zugleich ist. Der hintere Ab-
schnitt, die Beclienniere Spengel's, ist dagegen ausschUesslich Harn-
organ. Bei den Weibchen sind die Leyd ig' sehen Canäle die Harnleiter
geworden und haben keine Beziehungen mehr zu den Geschlechtsorganen.
Bei den Anureu zeigen die massigen, im hinteren Theile der Bauch-
höhle concentrirten Nieren keine Spur von Segmentation , sondern nur sehr
wenig ausgeprägte Lappeneinschnitte.
Ueberall hat man auf der ventralen Fläche der Nieren Nephrostomen
nachgewiesen, die aber nur bei den Urodelen den urspi'ünglichen Zusammen-
hang mit den Harncauälchen während des ganzen Lebens zu behalten scheinen.
Die Lej' di g' scheu Canäle oder Harnleiter münden stets in die Cloake,
niemals in die allgemein vorkommende Harnblase.
Die Geschlechtsdrüsen sind stets symmetrisch. Bei den Gj'mno-
phionen haben sie eine Bandform wie die Nieren ; die Hoden der Männchen
gleichen Perlschnüren. Jedes Bläschen der Schnur ist ein Hodenbläschen,
das mit seinen Nachbaren durch einen längslaufenden Sammelcaual zu-
sammenhängt, der seinerseits Queräste in die Niere sendet, die mit den
Harncanälchen und durch diese mit dem Leydig'schen Gange zusammen-
hängen.
Diese Verhältnisse wiederholen sich bei den Urodelen, deren meist spindel-
förmige Hoden mit dem vorderen Abschnitte der Nieren zusammenhängen,
wie bei den Anuren. Nur sind bei diesen letzteren die Hoden kugel- oder
eiförmig und entsenden nur wenige Samencanälchen, welche zwar die Nieren
durchsetzen , um in den L e y d i g ' sehen Canal zu münden , aber mit den
Harncanälchen keinerlei Verbindung eingehen.
Bei einigen Kröten findet man am Vorderende des Hodens ein roth-
gelbes Klümpchen, das sogenannte Bidder'sehe Organ, welches ein rudi-
mentärer Eierstock oder besser gesagt eine rudimentäre hermaphroditische
Drüse ist, in welcher sowohl unvollständige Eier als auch Zoospermen sieh
bilden. Das Organ, ■welches immerhin als Hinweis auf den ursiDrünglich
hermaphroditisehen Zustand der Geschlechtsdrüsen Bedeutung haben dürfte,
verdiente weitere Untersuchungen.
Die an die Wirbelsäule durch Peritonealfalteu angehefteten Eierstöcke
sind stets sackförmig; langgestreckt mit einfacher innerer Höhle bei den
LTrodelen, wo sie zuweilen eine Oeffnung zeigen, durch welche die Eier hin-
durchtreten , um in die Bauchhöhle zu fallen (Salamanclra) , oder kurz und
gedrungen bei den Anuren, wo sie innen durch Qiierwände in mehrere Kam-
mern getheilt sind.
Die Eileiter stehen niemals in unmittelbarem Zusammenhange mit
dem Eierstocke. Sie beginnen stets mit einer mehr oder minder gefransten
Trichteröffnung im vorderen Abschnitte der Bauchhöhle nahe am Herzen
und münden nach mannigfaltigen Windungen entweder mit einer {Bufo,
Älytes) oder zwei {Rana) getrennten schlitzförmigen Oeffnungen in der dor-
salen Wand der Cloake. Bei den lebendig gebärenden Gattungen {Sala-
manclra etc.) ist ihr Endabschnitt bedeutend zu einem Brutraume (Uterus)
erweitert.
Die Eier gleiten in den Eileitern hinab und umgeben sich dort mit einer
Schicht eiweissartiger Quellsubstanz. Bei den Anureu findet sich nur äussere
Befruchtung; bei den Urodelen wahrscheinlich nur innere Befruchtung, so-
weit wir bei diesen die Vorgänge kennen. In der That entwickeln sich bei
den männlichen Urodelen zu beiden Seiten der spaltförmigen Cloakenmündung
vorspringende Hautwülste, welche als Begattungsorgane dienen, und während
dieses Vorganges die Cloakenmündung des Weibchens so umfassen , dass der
Amphibien. 625
Abfluss des Samens in die inneren Organe gesicliert ist. Anderseits " ent-
wickeln sich bei den Weibchen in den Cloakenwandiingen drüsige Höhlen,
welche als Samenbehälter dienen. Bei einigen Männchen findet man sogar
eine erectile Papille in der Cloakenwand und bei den Gymnophionen kann
durch besondere Muskeln die ganze Cloake bei der Begattung nach aussen
vorgestülpt werden.
Die Eier werden bald einzeln {Molche) , bald in Haufen [Frösche] oder
in Schnüren (Kröten) abgelegt und dem Wasser oder der feuchten Erde
[Gyrnvo-phionen) überlassen. Das Männchen der Geburtshelferkröte {Alytes)
umwickelt sich die Hinterbeine mit der Eischnur und vergräbt sich damit
in feuchte Erde. Bruträume werden bei den lebendig gebärenden Laub-
fröschen und Salamandern am Ende der Eileiter oder bei Notodelphys und
Pipa auf dem Eücken hergestellt. Bei Notodelphys sind es zwei durch
Schlitze nach aussen geöffnete Hautsäcke, bei Pipa wabenartige ofi"ene Zellen,
in welchen die Larven ihre Metamorphosen durchmachen. Die Metamoi-phosen
können sich aber auch im Eie selbst bis zur Abwerfung der Kiemen und
des Schwanzes abspielen.
Das G efä SS System zeigt eine grosse Einförmigkeit. Die wesentlichsten
Veränderungen werden durch den Uebergang von der Kiemenathmung zur
Lungenathmung bedingt.
Das Herz besitzt stets zwei Vorkammern, die indessen bei den Pereuni-
branchiern weniger vollständig durch eine Scheidewand getrennt sind , als
bei den Anuren , und eine einzige Herzkammer, die bei den gestreckten
Formen {Oymnophionen) die Gestalt eines langen, spitzen Kegels hat. Dem
Arterienbulbus fehlt bei den Gymnophionen, Proteus etc. die Spiralfalte,
welche bei den Anuren eine unvollständige Scheidewand herstellt , die eine
totale Mischung des arteriellen und venösen Blutes verhindert.
Der aus dem Bulbus sich fortsetzende Arterieustamm theilt sich in ebenso
viel Aortenbogen , als Kiemenbogen ausgebildet sind. Bei den Larven der
Salamander finden sich jederseits stets vier Aortenbogen , von welchen die
drei vordersten durch das Capillaruetz der Kiemenfransen sich zu ebenso
viel Kiemenvenen sammeln ; das vierte Bogenpaar ergiesst sich in die Arterien
der noch nicht functionirendeu lAingen. Diese an die Dipnoer eiinnernde
Anordnung findet sich auch bei den Larven der Anuren. Beim Ueber-
gauge zur Lungenathmung modificiren sich die Kiemen ai'terien ; das erste
Bogenpaar liefert die Carotiden , das mittlere die Bogen der Bauchaorta, das
hintere die Hautlungenarterien. Bei den Urodelen erhält sich die unter dem
Namen des Botal' sehen Ganges bekannte Anastomose zwischen dem vierten
zu Lungenarterien ausgebildeten Bogen und dem dritten und zweiten Bogen
während des ganzen Lebens. Ein Theil der Basis des ersten Arterienbogeus
erweitert sich zu einem schwammigen Körper, der sogenannten Carotiden-
drüse.
Bei den Perennibranchiern erhält sich die den Larven zukommende An-
ordnung der Arterienstämme, wenn auch, wie beim Axolotl, die Lunge theil-
weise functionsfähig ist.
Ln Venensysterae finden sich stets die beiden Pfortadersj'steme der Leber
und der Niereu. Bei den Larven erinnert die Anordnung des Venensystemes
sehr an die der Selachier ; die vom Kopfe kommenden Jugularvenen bleiben
stets von den Hohlveneia des Körpers getrennt. Bei den Urodelen persistiren
diese letzteren wenigstens in ihren centralen Abschnitten und bilden die
rechte und linke Vena azygos, die sich entweder in den Venensinus, oder in den
die Jugularvenen vor ihrem Eintritte in das Herz vereinigenden Cuvier'-
schen Canal oder endlich (Salaniaudra) in die Subclavia ergiessen. Der in
die rechte Vorkannner mündende Venensinus findet sich überall vor.
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Auatoinie. II. 40
626 Wirbelthiere.
Literatur. — Rusconi, Developpement de la Grenouille commune. Milan,
1826. — Ders., Histoire naturelle de la Salamandre terrestre. Paris, 1854. — Ders.,
Ueber die Lymphgefässe der Amphibien. Arch. f. Anat. u. Physiol., 1843. — Martin
S t. - A n g e , Recherches anatomiques et physiologiques sur les organes transitoires et la
metamorphose des Bairaciens. Ami. des sciences naturelles, 1. Serie, Vol. XXIV,
1831. — J. Müller, Beiträge zur Anatomie und Naturgeschichte der Amphibien.
Treviranus' Zeitschr. f. Physiologie, Bd. IV, 1832. — Ders., Ueber die Existenz Yon
pulsirenden Lymphherzen bei einigen Amphibien. Miiller's Archiv, 1834. — Duges,
Recherches sur Posteologie et la myologie des Bairaciens aux dtjferents äges , Paris,
1835. — Morren, Obseroations osteologiques sur Pappareil costal des Bairaciens.
Memoires de PAcademie de Belgique, Yol.X, 1837. — Gruby, Sur le Systeme iieineux
de la grenouille. Ann. des sc. nat., 2. Serie, 1842. — Meyer, Sysiema amphibio-
rum lymphaticum. Diss. inaug. Berlin, 1844. — Fischer, Amphibiorum nudorum
neurologiae specimen primum. Miiller's Archiv, 1844. — Bidder, Vergleichende
anatomische und histologische Untersuchungen über die männlichen Geschlechts- und
Harnwerkzeuge der Amphibien. Dorpat, 1846. — Brücke, Beiträge zur vergleichen-
den Anatomie und Physiologie des Gefässsystemes der Amphibien. Denkschr. der
Wiener Akad., Bd. III, 1852. — v. Wittich, Beiträge zur morphologischen und
histologischen Entwicklung der Harn- und Geschlechtswerkzeuge der nackten Amphibien.
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. IV, 1853. — Stannius, Handbuch der Zootomie der
Wirbelthiere, Bd. II: Zootomie der Amphibien. Berlin, 1856. — Schiess, Versuch
einer speciellen Neurologie der Rana esculenta. Bern, 1857. — Volk mann. Von
dem Baue und den Verrichtungen der Kopfuerven des Frosches. Müller's Archiv,
1858. — '■ V. Siebold, Ueber das Recepiaculum seminis der weiblichen Urodelen.
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. VIII, 1858. — Hoyer, Mikroskopische Untersuchungen
über die Zunge des Frosches. Arch. f. Anat. u. Physiol., 1859. — Aug. Dumeril,
Reproduciion des Axolotls etc. Nouv. Arch. du Mus. d'hisf. nat. de Paris, 1860. —
Gegenbau r, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei
Amphibien und Reptilien. Leipzig, 1862. — 0. Deiters, Ueber das innere Gehör-
organ der Amphibien. Müller's Archiv, 1862. — Ecker und Wiedersheim,
Die Anatomie des Frosches. Braunschweig 1864 — 1882. — Vaillant, Memoire
pour servir h Vhistoire anatomique de la Sirene lacertine. Ann. des Sc. nat., 4. Serie,
Vol. XIX, 1863. — Hyrtl, Ueber die sog. Herzvenen der Batrachier. Sitzungsber.
di k. Akad. Wien, Bd. XLIX, 1864. — Ders., Crypfobranchus japonicus. Wien,
1865. — J. G. Fischer, Anatomische Abhandlungen über die Perennibranchiaten
und Derotremen. Hamburg, 1864. — Reissner, Der Bau des centralen Nerven-
systemes der ungeschwänzten Batrachier. Dorpat, 1864. — L. Stieda, Ueber den
Bau der Haut des Frosches. Müller's Archiv, 1865. — Schweigger -Seidel,
Ueber die Samenkörperchcn. Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. I, 1865. — F.E.Schulze,
Epithel und Drüsenzellen. I. Die Oberhaut der Fische und Amphibien. Arch. f.
mikr. Anat., Bd. III, 1867. — Ders., Ueber die inneren Kiemen der Batrachier-
larven. Abhandl. d. k. Akad. zu Berlin, 1888. — Stricker, Untersuchungen über
die Entwicklung des Kopfes der Batrachier. Müller's Archiv, 1868. — F. Leydig,
Ueber die Schleichenlurche. Ein Beitrag zur anatomischen Kenntniss der Amphibien.
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XVIII, 1868. — Ders., Ueber die äusseren Bedeckungen
der Amphibien und Reptilien. Arch. f. mikr. Anat., Bd. IX, 1873. — Ders.,
Ueber die Schwanzflosse, Tastkörperchen und Endorgane der Nerven bei Batrachiern,
ebend., Bd. XII, 1876. — C. Hasse, Das Gehörorgan der Frösche. Zeitschr. f.
wiss. Zool., Bd. XVIII, 1868, — Engelmann, Ueber die Endigungen der Ge-
schmacksnerven in der Zunge des Frosches. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XVIII,
1868. — F ritsch. Zur vergleichenden Anatomie der Amphibienherzen. Arch. f.
Anat. u. Physiol., 1869. — Mivart, On the axial Skeleton of the Urodela. Proceed,
Zool. Soc. London, 1870. — L. Stieda, Studien über das centrale Nervensystem
der Wirbelthiere. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XX, 1870.— W. K. Parker, On the
Amphibien. 627
atructure and development of the Skull of the common Frog. Philos. Transact., 1871.
In den folgenden Jahrgängen noch mehrere Abhandlungen desselben Verfassers über
das Kopfskelett der Amphibien. — Landowsky, Die feinere Structur und die
Nervenendigung in der Froschharnblase. Arch. f. Anat. u. Mikr., Bd. VIII, 1872. —
Ed. Bugnion, Recherches sur les organes sensitifs de Vepiderm,e du Protee et de
PAxolotl. Bull, de la Societe vaud. des Sc. nat., No. 70, 1873. — C. K. Hoffmann,
Amphibien in Bronn's Classen und Ordnungen des Thierreiches. Leipzig, 1873 bis
1878. — A. Götte, Entwicklungsgeschichte der Unke [Bomhinator igneus). Leipzig,
1875. — 0. Hertwig, lieber das Zahnsystem der Amphibien. Arch. f. mikr. Anat.,
Bd. XI, Suppl., 1875. — Ders., A'ouvelles recherches sur Vemhryologie des Batraciens.
Arch. de Biologie, Vol. I, 1880. — Neumann, Die Beziehung des Flimmerepithels
der Bauchhöhle zum Eileiterepithel beim Frosche etc. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XI,
1875. — de Watteville, Descrlption of the cerebral and spinal nerves of Rana
esculenta. Journ. of anat. and physiol., Vol. IX, 1875. — E. Neumann, LTnter-
suchungen über die Entwicklung der Spermazoiden. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XI,
1875. — Malbranc, Von der Seitenlinie und ihren Sinnesorganen bei Amphibien.
Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXVI, 1875. — van Bambeke, Recherches sur Pevihryo-
loyie des Batraciens. Bull, de l'Acad. de Belgique, 1875, et Nouvelles recherches.
ArcMves de Biologie, Vol. I, 1880. — Wiedersheim, Salamandrina perspicillata
und Geotriton fuscus. Genua, 1875. — Ders., Bemerkungen zur Anat. des Euproctes
Rusconii. Ann. del Mus. di Storia nat. di Genova, Vol. VII, 1875. — Ders., Die
Kopfdrüsen der geschwänzten Amphibien und die Glandula intermaxillaris der Anuren.
Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXVII, 1876. — Ders., Das Kopfskelett der Urodelen etc.
Morphol. Jahrb., Bd. III, 1877. — Ders., Anatomie der Gymnophionen. Jena,
1879. — Ders., Zur Anatomie des Amhlystoma Weissmanni. Zeitschr. f. w. Zool.,
Bd. XXXII, 1879. — Weissmann, Ueber die Umwandlung des mexicanischen Axolotl
in ein Amhhjstomu. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXVII, 1876. — Spengel, Das Uro-
genitalsystem der Amphibien. Arb. a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg, Bd. III, 1876. —
Ders., Die Segmentalorgane der Amphibien. Vei-h. d. phys. Ges. Würzburg, Bd. X. —
A. Schneider, Lieber die Müller'schen Gänge der Urodelen und Anuren. Centralbl.
f. med. Wissensch., 1876. — La Valette St.-George, Die Spermatogenese hei den
Amphibien. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XII, 1876. — Fürbringer, Zur Entwicklung
der Amphibienniere. Heidelberg, 1877. — Ders., Zur vergleichenden Anatomie und
Entwicklungsgeschichte der Excretionsorgane der Vertebraten. Morphol. Jahrb., Bd. IV,
1878. — Solger, Beiträge zur Kenntniss der Niere niederer Wirbelthiere. Abhandl.
d. naturf. Ges. zu Halle, Bd. XV. — Born, Ueber die Nasenhöhlen und den Thränen-
nasengang der Amphibien. Breslau, 1877. — Merkel, Ueber die Endigungen der
sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock, 1880. — Kuhn, Ueber das
häutige Labyrinth der Amphibien. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XVII, 1880. — W. Pfitzn er ,
Die Epidermis der Amphibien. Morphol. Jahrb., Bd. VI, 1880. — H. Virchow,
Ueber die Gefässe im Auge beim Frosche. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. XXXV, 1881. —
J. E. V. Boas, Ueber den Conus ai-teriosus und die Arterienbogen der Amphibien.
Morphol. Jahrb., Bd. VII, 1881. — Ders., Beiträge zur Angiologie der Amphibien,
ebend., Bd. VIII, 1882. — W. d e Graaf, Zur Anatomie und Entwicklung der Epi-
physe bei Amphibien und Reptilien. Zool. Anz., 1885. — v. Lenhossek, Unter-
suchungen über die Spinalganglien des Frosches. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXVI,
1886. — J. Fajersztajn, Recherches sur les terminaisons des nerfs dans. les disques
terminaux chez la grenoullle. Arch. de Zool. experimentale, 2. Serie, Vol. VIII, 1889. —
Heron-Royer et Ch. van Bambeke, Le vestihule de la houche chez les teturds
des Batraciens anoures d'' Europe. Arch. de Biologie, Vol. IX, 1889. — A. Coggi,
/ sacchetfi calcari ganglionari e Vacquedotto del vestibolo neue Ruine. Accademia. di
Lincei, 1890.
40*
628 Wirbelthiere.
Classe der Reptilien.
Sauropsiden mit beschuppter oder beschildeter Haut imd variabler
Körpertemperatur.
Die Sauropsiden, welche die Reptilien und Vögel begreifen,
bilden mit den Säugethieren die grosse Gruppe der Amnioten, bei
welchen die Visceralbogen niemals, in keiner Epoche des Lebens,
athmende Kiemenfransen tragen, sondern nach dem Verlassen des
Eies nur Luftathmung besteht, welche durch die Lungen ausgeübt
wird. "Während des Fötallebens existirt ein temporäres Athemorgan,
die Allantois, eine Ausstülpung des Hinterdarmes. Ausser diesem
Organe bildet sich noch der Embryo eine besondere Hülle, das Am-
n i 0 s , welches den niederen Wirbelthieren, den Ichthyopsiden, abgeht.
Die Sauropsiden unterscheiden sich von den übrigen Amnioten
durch einen einzigen Gelenkkopf am Hinterhaupte , der unter dem
grossen, dem Durchtritt des verlängerten Markes dienenden Hinter-
hauptsloche liegt und durch die Bildung grosser meroblastischer Eier,
die einen sehr voluminösen Nahrungsdotter besitzen, in welchem alle
zur Bildung des Embryos nöthige Substanz aufgespeichert ist. Der
Embryo tritt niemals in directe und unmittelbare Beziehung zu der
Mutter.
Wenn also die Sauropsiden sich von den Amphibien durch den gänz-
lichen Mangel jeder, selbst nur embryonalen Kiemenathmung und von den
Säugethieren durch den einfachen Gelenkkoj^f des Hinterhauptes und den
Mangel von Milchdrüsen unterscheiden, so kann man innerhalb der Gruppe
die heutigen Reptilien von den Vögeln trennen durch die Bildung ihrer
Vorderglieder, die niemals zum Fluge sich eignen, durch die Structur
ihrer beschuppten , federlosen Hautbedeckung und durch die Organisa-
tion ihres Herzens, von welcher die Körpertemperatur abhängt. Die
Haut zeigt in der That stets eine harte, verhornte Oberhaut, die bei
allen Reptilien Erhöhungen bildet, die man Kämme, Schuppen, Schil-
der u. s. w. genannt hat und zu welcher sich häufig, ursprünglich in
der Lederhaut gelegene Knochenbildungen gesellen, welche zuweilen,
wie bei den Schildkröten, einen vollständigen Panzer bilden. Aber
auch in diesen Fällen besteht die epidermoidale Schuppenbildung auf
einzelnen Körpertheilen, wie z. B. auf dem Halse und den Füssen fort.
Die Scheidewand zwischen den beiden Herzkammern ist niemals voll-
ständig, so dass arterielles und venöses Blut unter allen Umständen
innerhalb des Herzens sich mit einander mischen, wodurch ein geringes
Maass von Körperwärme entwickelt wird. Im Gegensatze zu den
Vögeln und Säugethieren nennt man die Reptilien wie die Amphibien
kaltblütige Thiere; in Wahrheit aber besitzen sie eine eigene
Reptilien. . 629
Körperwärme, die indessen so gering ist, dass sie bei der Berührung nicht
wahrgenommen wird und nur einen geringen Bruchtheil der Wärme
bildet, welche im Uebrigen dem umgebenden Medium entspricht.
Man muss zugestehen , dass abgesehen von der besonderen An-
passung zum Fluge bei den Vögeln , beide Classen viele gemeinsame
Züge der Organisation zeigen. Die Paläontologie macht in der Tbat
wahrscheinlich, dass die Vögel nur ein aus den Reptilien hervor-
gegangener, weiter entwickelter Typus sind.
Die speciellen Charaktere, welche die Reptilien von den Amphibien
unterscheiden, mit welchen man sie früher zusammenwarf, lassen sich
zwar leicht im Ganzen nachweisen, doch darf man nicht vergessen,
dass viele derselben auf der weiteren Entwicklung von Zuständen be-
rixhen , welche bei den Amphibien schon in der Anlage vorhanden
waren.
Die Unterscheidung der einzelnen Körper regionen, Kopf,
Hals, Stamm und Schwanz, ist zwar bei den meisten Ordnungen schärfer
ausgesprochen, doch verwischt sie sich auch wieder bei anderen, wie
z. B. den Schlangen, und schliesslich ist die Körperform eines Sala-
manders nicht wesentlich von der einer Eidechse verschieden.
Die Haut ist anders gebildet. Die Epidermis verhornt stets in
ihren äusseren Schichten ; mit Ausnahme der Schenkeldrüsen der Ei-
dechsen und der Moschusdrüsen der Krokodile lassen sich bei den
Reptilien keine den so mannigfachen Hautdrüsen der Amphibien ana-
loge Bildungen nachweisen. Die Lederhaut bildet stets Erhöhungen,
die sich zu Schuppen, Kämmen, Stacheln u. s. w. entwickeln, an deren
Bildung die Oberhaut wesentlichen Antheil nimmt. Diese von den
Schuppen der Fische durchaus verschiedenen Gebilde sind eher den
Federn der Vögel in ihrer ersten Anlage homolog. Man findet hier
auch zum ersten Male sensitive Keulenkörperchen (P a ein i' sehe
Körperchen) in der Haut. Das Hautskelett, von dem nur bei wenigen
Amphibien sich Reste zeigen , ist oft ausgiebig entwickelt und kann
mit dem inneren Skelette in Verbindung treten.
Das innere Skelett zeigt weitere Ausbildung. Mit Ausnahme
einiger Gruppen (Hatferia, Geckoticlen) sind die Wirbelkörper voll-
ständig verknöchert und durch Gelenkköpfe und Pfannen mit einander
beweglich verbunden ; sie sind meist procöl. Im Gegensatze zu den
Amphibien sind die Rippen sehr ausgebildet; bei den mit Gliedern
versehenen Reptilien verbindet sich stets eine gewisse Zahl dieser
Rippen mit dem Sternum ; bei anderen werden sie active Bewegungs-
organe. Häufig finden sich Bauchrippen mit einem Bauchsternum.
Ausser dem schon erwähnten einfachen , unterständigeu Gelenkkopfe
des Hinterhauptes zeigt der Schädel noch manche Besonderheiten.
Meist (Hatteria und manche Eidechsen ausgenommen) ist der knorpelige
Primordialschädel gänzlich vei'schwunden , die Deckplatten mit den
630 - Wirbelthiere.
enchondrischen Knochen verschmolzen. Bei vielen sind die Oberkiefer-
und Gaumenbogen noch beweglich ; die letzteren aber stossen in der
Mittellinie zusammen und bilden so das Gaumendach, das die über
ihnen nach hinten ziehenden Nasengänge von der Mundhöhle scheidet;
die Choanen rücken von dem Oberkieferrande weg weiter nach hinten,
so dass bei vielen die Schädelbasis keinen directen Antheil an der
Mundhöhle nimmt. Die Visceralbogen verkümmern mehr und mehr.
Der Tarsus vereinfacht sich und schliesst sich stufenweise an die Bil-
dung der Vögel an.
Das Muskelsystem zeigt eine bedeutendere Entwicklung der
Hautmuskeln und eine allmähliche Rückbildung des Seitenmuskels, der
durch die Ausbildung der Muskeln der Extremitäten zurückgedrängt
wird.
Das centrale Nervensystem nähert sich dem der Vögel. Die
dorsale Rinde der Hemisphären wird bedeutend dicker als bei den
Amphibien und zeigt die den höheren Wirbelthieren zukommenden
drei Schichten : die Beugungen der Basis, besonders die Nackenbeuge,
treten hervor; das Kleinhirn wird bedeutender, das Zwischenhirn wird
fast ganz von den Hemisphären bedeckt; die Epiphyse vervollkommnet
sich und entwickelt bei einigen Gattungen (Hatteria) ein wirkliches Auge,
das in einem Loche der Schädeldecke, im Scheitelloche, liegt. — Unter
den Modificationen des peripherischen Nervensystemes ist
besonders die Selbständigkeit des Nervus accessorius WilUsii, das gänz-
liche Verschwinden des seitlichen Astes des Vagus mit den betreffenden
Seitenorganen , sowie die schärfere Trennung des Glossopharyngeus,
Hypoglossus, Acusticus und Facialis zu erwähnen. — Die Entwicklung
eines längeren doppelten Luftcanales zwischen Schädelbasis und Mund-
höhle und die Ausbildung des J acobson' sehen Organes charakteri-
siren das Riechorgan mehrerer Ordnungen. — Das Auge zeigt
fast immer einen knöchernen Scleroticalring, einen Kamm im Inneren,
eine Härder 'sehe und eine Thränendrüse, während die Lider sehr
verschieden entwickelt sind. — Das Ohr zeichnet sich durch die Aus-
bildung der Lagena aus.
Die Ver da uungs Organe zeigen den Amphibien gegenüber eine
ausserordentliche Ausbildung, Differenzirung und Localisation der
Munddrüsen , die bei einigen Gruppen zu Giftdrüsen werden , was be-
sondere Anpassungen der übrigen Mundorgane nach sich zieht; an der
Grenze des Hinterdarmes bildet sich ein Blinddarm aus. Die Uro-
genitalorgane zeigen sehr verschiedene Bildungen , auf die wir hier
nicht eingehen können ; mit Ausnahme von Hatteria finden sich bei
allen Begattungsorgane.
Einen wesentlichen Fortschritt zeigt der Circulationsapparat
durch die successive Ausbildung einer Scheidewand, welche den Ven-
trikel theilt und bei den Krokodilen fast vollständig wird. So wird
Keptilien. 631
bei den Reptilien nach und nach der Kreislauf in zwei entgegen-
gesetzte Gruppen geschieden, den Körperkreislauf und den Lungen-
kreislauf; der erstere erhält aus der linken Herzhälfte arterielles Blut,
welches Sauerstoff gegen Kohlensäure eingetauscht hat, während der
aus der rechten Herzhälfte gespeiste Lungenkreislauf venöses Blut in
die Lungen eintreibt und arterielles in das Herz zurückführt.
Wir nehmen folgende Classification in zwei Gruppen und fünf
Ordnungen an.
Erste Gruppe : Plagiotremen. Die Haut mit Warzen, Höckern,
Schuppen oder Schildern bedeckt. Die Afterspalte quer gestellt.
Erste Untergruppe: Ordnung der Mliynchocephalen.
Amphicöle Wirbel, aus mehreren durch Xähte verbundenen Stücken zu-
sammengesetzt ; Abdominalrippen, die an einem ventralen Sternum und
ausserdem an der Haut befestigt sind ; der knorpelige Primordialschädel
grösstentheils während des ganzen Lebens erhalten bleibend ; bezahnter
Vomer; das Quadratbein unbeweglich am Schädel angeheftet; das
Gehirn amphibienähnlich; das Epiphysealauge vollständiger entwickelt
als irgendwo sonst. Der Kamm im Auge, die Trommelhöhle und Be-
gattungsorgane fehlen vollständig. Eine einzige Gattung, Hatteria,
in Neu -Seeland. Sehr alter, aus der Trias stammender ancestraler
Typus.
Zweite Untergruppe: Ordnung der Pholidojphoren.
Das Quadratbein ist beweglich , die Glieder häufig verkümmert oder
ganz fehlend. Zwei Begattungswerkzeuge (ausstülpbare Penis bei den
Männchen) sind in den Ecken der queren Afterspalte ausserhalb der
Cloake angebracht. Zwei nicht ganz scharf begrenzte Ordnungen.
Erste Ordnung: Saicrier oder Eidechsen. Die Unter-
kieferhälften sind in der Symphyse des Kinnes verbunden , das Maul
nicht ausdehnbar. In den meisten Fällen wohl ausgebildete Glieder
mit fünf bekrallten Zehen, die aber zuweilen wie Zangen sich gestalten
{Cliamaeleon) oder verkümmern {Scincoiden, Anmdaten); einer der Ex-
tremitätengürtel erhält sich , wenn auch das Aussenglied schwindet.
Die Zähne sitzen entweder auf dem Rande der Kiefer fest {Acrodonien)
oder in einer Rinne, mit an den Aussenrand der Kiefer angelehnter
Basis {Pleurodonten). Die verschiedene Gestaltung der Zunge ist zur
Bildung von Unterordnungen benutzt worden : Le])togl.ossen mit langer
und glatter , oft weit ausstreckbarer Zunge , deren Vorderende aus-
geschnitten und in zwei Spitzen ausgezogen ist; PacJiyglossen mit
dicker, zuweilen stempeiförmiger Zunge. Unter den Leptoglossen hat
man unterschieden: Spaltzüngler {Fissilinguia) mit langer, rund-
licher, zweispitziger Zunge, die zuweilen wie bei den Schlangen in eine
Scheide zurückgezogen werden kann (Lacerta, Ameiva, Monitor) und
632 Wirbelthiere.
Knr zzün gier (Brevilingttia) mit schwach ausgeschnittener, kurzer und
glatter Zunge (Angnis, Schleus, Seps). Die Pachyglossen werden ge-
schieden in: Wurmzüngler (Fenm7m^Mia), mit wurm- oder stempei-
förmiger, erectiler Zunge und Kletterfüssen (Chainaeleon) , Dick-
zün gier (Crassüingwia), mit kurzer, dicker, fleischiger Ijange (Iguana,
Draco, Stellio) und neben diesen unterscheidet man noch als beson-
dere Gruppen die Nachtechsen (Ascalaboten) , mit Haftfüssen, an
deren Zehen Haftkissen und rückziehbare Krallen sich finden (G-ecTco,
Phyllodactylus) und endlich die abirrende Gruppe der schlangen-
förmigen Ringelechsen (Ännulaten), mit geringelter Haut und ver-
wachsenen Gesichtsknochen (Amphishaena, Chirotes).
Zweite Ordnung: Ophidier oder Schlangen. Die Unter-
kieferhälften sind getrennt, nur durch Bänder oder Muskeln zusammen-
gehalten und das Maul ausserdem sehr ausdehnbar durch die Beweg-
lichkeit des xlufhängeapparates , der Oberkiefer- und Gaumenbogen.
Die hakenförmigen Zähne können voll sein (Unschuldige) oder ge-
rinnt und selbst der Länge nach durchbohrt (Giftschlangen).
Gliedergürtel und Glieder fehlen mit Ausnahme von bei einigen vor-
kommenden Rudimenten der hinteren Extremität (Peropoden). Augen-
lider, Paukenhöhle und Harnblase fehlen. Man unterscheidet: Opo-
terodonien, mit nicht ausdehnbarem Maule, Zähnen nur auf einem
Kiefei'bogen , Oberkiefer oder Unterkiefer, und hinteren Gliedmaassen-
stummeln (TypMops). Die Giftschlangen tragen einige wenige
Giftzähne auf dem beweglichen Oberkiefer. Man unterscheidet zwei
Gruppen: Rinnenzähner {ProterogJyphen) , mit gerinnten Gift-
zähnen, die vor einigen Vollzähnen stehen {Naja, Elaps) und die
Canalzähner (Solenoglyphen) , welche nur einige grosse, röhren-
förmige Giftzähne mit Ersatzzähnen im Oberkiefer tragen {Vipera,
Crotalus, Botlirops). Die übrigen giftlosen Schlangen bilden nur eine
grosse Gruppe, die Natter ähnlichen (Cohibriforniia) , mit vollen
Hakenzähnen (Python, Tortrix, Coluher , Dendroplüs), doch hat man
noch eine Gruppe der Verdächtige n {Suspeda) unterschieden, wo
im Grunde des Rachens sich hintere Rinnenzähne finden (Psammophis,
Bipsas, Scytale).
Zweite Gruppe: Ortbotremen. Die Afteröffnung in derLängs-
axe des Körpers; nur ein medianer, erectiler Penis, der an der vorderen
Cloakenwand festsitzt und in die Cloake zurückgeschlagen werden
kann. Das Quadratbeiu ist unbeweglich mit dem Schädel verbunden,
so dass der Unterkiefer an diesen angelenkt scheint. Das Hautskelett
in Gestalt breiter Knochenplatten ist sehr entwickelt, bald frei oder
•theilweise mit dem inneren Skelett verschmolzen. Zwei wohl begrenzte
Ordnungen, die schärfer begrenzt sind gegen einander, als Schlangen
und Eidechsen.
Reptilien. 633
Erste Ordnung: Chelonier oder Schildkröten. Der
kurze und breite Körper ist mit einem Rückenschilde und einem Bauch-
schilde bedeckt, die zu einer förmlichen Kapsel verschmelzen, in welche,
wenn sie vollständig ausgebildet ist , der Kopf mit dem oft langen
Halse, die Glieder und der Schwanz zurückgezogen werden können.
Die Kiefer sind stets zahnlos und mit schneidenden Hornplatten über-
zogen , so dass sie eine Art Schnabel bilden. Die Rippen und ein
grosser Theil der Rückenwirbel sind mit den knöchernen Hautplatten
verwachsen; der Panzer mit dicker, verhornter Epidermis bedeckt
(Schildpatt). Das stets mit Augenlidern versehene Auge hat keinen
Kamm. Die Ohrschnecke ist wenig entwickelt. Die Zunge fleischig,
wenig beweglich ; der Magen gekrümmt und meist quer gestellt. Die
Scheidewand im Herzen sehr unvollständig. Geschlechts- und Harn-
canäle münden in die Harnblase. Nach der Ausbildung der Extremi-
täten hat man unterschieden : Cheloniden , Meerschildkröten , mit zu
Rudern umgewandelten Füssen, die ebenso wie Kopf und Schwanz
nicht in den Panzer zurückgezogen werden können (Chelonia, Sphar-
gis) ; Trionychiden , mit Nägeln an drei Zehen der Schwimmfüsse und
unvollständigem Panzer (Trionyx); Chelyden, Schwimmfüsse mit fünf
bekrallten Zehen, die nicht zurückgezogen werden können (Chelys);
Eniyden, Sumpfschildkröten, mit dicken, zurückziehbaren Füssen, deren
Zehen durch eine Schwimmhaut verbunden sind (Em ys, Cistudo)\ Ciier-
siden, Landschildkröten, mit säulenartig verbundenen Zehen, die Krallen
tragen. Alle Theile unter den Panzer zurückziehbar ( Testudo).
Zweite Ordnung: Kr oJcodil e. Körperform der Eidechsen
mit langem, gekieltem Schwänze. Grosse, freie Hautknochenplatten am
Körper und dem Schwänze. Lange Kinnladen , bewaffnet mit Kegel-
zähneu, die in eigenen Alveolen eingepflanzt sind. Procöle Wirbel.
Bauchrippen und Bauchsternum. Nasengänge sehr lang, erst hinten
in dem Schlundkopfe geöffnet. Unbewegliche Zunge. Gaumensegel.
Drei Augenlider. Scheidewand der Herzkammern bis auf ein kleines
Loch {Foramen Panizzae) vollständig. Vorderfüsse mit fünf freien
Zehen , die vier Zehen der Hinterfüsse mehr oder minder durch eine
Schwimmhaut verbunden [Garkilis (Ehani2)hostoma) , Crocodilns, Alli-
gator].
Typus: Lacerta viridis'L. Die grüne Eidechse findet sich
im südlichen Deutschland, Frankreich, der Schweiz und den Mittel-
meerländern. Unter allen Arten der Gattung hat sie den längsten
Schwanz. Zu anatomischen Zwecken sind mit ihr gleichwerthig die
kleinere Z aun eidechse (L. stirphcm), die in Deutschland und Frank-
reich häufiger ist und die weit grössere Augenechse (L. ocel-
lata) der Mittelmeerländer, die aber bis in die Schweiz (Wallis) vor-
dringt. Für die Untersuchung des Nervensystemes und der Sinnes-
634 Wirbelthiere.
Organe, welche Dr. M. Jaquet übernahm, haben wir diese Art der
Grösse wegen vorgezogen. Die anatomischen Unterschiede sind sehr
gering. Mehr Verschiedenheit zeigen die kleineren , im nördlichen
Mitteleuropa häufigeren Eidechsen, besonders Podarcis muralis und Zoo-
toca vivipara, die indessen in Ermangelung der anderen Arten benutzt
werden können.
Allgemeine Lagerung der Organe und Präparation
(Fig. 264). — Um sich eine vorläufige Uebersicht der Lagerung der
Oi'gane , besonders in der Bauchhöhle , zu verschaffen , spaltet man die
Haut- und Muskeldecke mittelst eines Längsschnittes, der aber nur nahe
an der ventralen Mittellinie, nicht in dieser selbst geführt werden darf,
um nicht Gefässe und Anheftungen des Bauchfelles in der Mittellinie
zu zerschneiden. Man schneidet mittelst der Scheere das Sternum an
den Ansätzen der Rippen durch, vermeidet sorgfältig jede Verletzung
des innen tiefschwarzen Bauchfelles und setzt den Schnitt nach hinten
bis zu dem Becken fort, das man ebenfalls bis auf die Sehnenhaut
spaltet, welche den hintersten Theil der Bauchhöhle auskleidet. Nach
der Trennung des Schultergürtels, den man zurückbiegt, um die Luft-
röhre, die Jugularvene und die übrigen Gefässstämme am Halse bloss-
zulegen , führt man den Schnitt in einer der Rückenlinie etwa par-
allelen Richtung nach hinten bis zum Schenkelgelenke. Man desarticulirt
den Schenkel, kneipt das Becken nahe an seiner Anheftung an die
Wirbelsäule durch und legt so das Bauchfell in seiner ganzen Länge
bloss , um es nachher zu öffnen und die Eingeweide zur Anschauung
zu bringen. So kann man ein Präparat ähnlich dem hier abgebildeten
herstellen.
Ist man vorsichtig zu Werke gegangen, so sieht man vorn an der
Kehle, einer grauen, schief gestreiften Haut (a) anliegend, welche den
Boden der Mundhöhle bildet, die Bogen des Zimgenbeines (&) mit den
Gefässen und Nerven, welche sie begleiten, die Luftröhre (c), die Jugular-
vene {d) und vier Arterienstämme (e,/), welche unter dem Vorderrande des
Herzens hervortreten. Dieses hat die Gestalt einer Birne ; die beiden
tief braunroth gefärbten Vorkammern {g, h) nehmen den breiteren
Vorderraum ein, während die einfache Herzkammer (?") nach hinten
eine Spitze zeigt, an die eine Falte des Bauchfelles (Je) sich ansetzt,
die in der ventralen Mittellinie sich an die Bauchwand anheftet und
Blutgefässe enthält. Der Herzbeutel umschliesst enge das Herz (er
ist weggenommen) und vereinigt sich an dieser Stelle mit dem Bauch-
felle. Hinter dem Herzen liegen an der dorsalen Wölbung der Bauch-
höhle die sackförmigen , vorn und hinten zugespitzten Lungen (l, m),
die leicht an der Dünne ihrer zelligen Wände erkenntlich sind. Ein
Zipfel des Bauchfelles (n) heftet sie an den Magen. In den Raum
zwischen der Herzspitze und den Lungen ragt die vordere Spitze der
Leber (o), eines viellappigen, sehr voluminösen Organes, das mit seiner
Reptilien,
635
gewölbten Unterfläche den Bauchwandungen anliegt, während es mit
seiner ausgekehlten , dorsalen Fläche den Magen (p), das Pankreas (q)
und einen grossen Theil der Windungen des Darmes (r) umfasst, von
■p- 264 welchem nur einige
Schlingen über den Hin-
terrand der Leber her-
vortreten und die Milz
(r) bedecken, die dem
Ende des Magens an-
liegt. Auf der ventralen
Mittellinie wird die
Lacerta viridis, — Das Thier,
ein Mäiinclien, liegt auf dem
Rücken. Die Bauchwände
sind in der Mittellinie der
Länge nach gespalten und
nebst den Gliedern wegge-
nommen, um die Eingeweide
zur Ansicht zu bringen , die
man nur wenig entfaltet hat,
so dass man sie leicht in
die natürliche Lage zurück-
bringen kann. Man hat die
hauptsächlichsten Gefässe
eingezeichnet, die man ohne
Einspritzung sehen kann.
Natürliche Grösse, a, Basal-
haut des Rachens; b, Zungen-
beinbogen ; c, Luftröhre ; d,
rechte Jugularvene ; e, Ar-
terieubogen der rechten Seite;
/, Bogen der linken Seite ;
g, rechter Vorhof; h, linker
Vorhof; i, Herzkammer; i^,
Darm; Ä;, Bauchfellvene; k^,
linke Jugularvene ; k^, abge-
schnittene Arm venen ; /, rechte
Lunge in natürlicher Lage-
rung ; rn, linke Lunge , auf
die Seite gezogen; n, Peri-
tonealfalte zum Oesophagus;
0, Leber; j), Oesophagus;
pi, Magen ; q, Pankreas ; r,
Milz; s, Hode; ^, Nebenhode;
t^, Samenleiter; m, Fettmasse;
V, Cloake ; w, Harnblase ; x,
Niere; y, After; z, Penis;
iückziehmuskel desselben; 1, Unterkiefer ; 2, abgeschnittene Armmuskeln ; 3, Reste
Beckens ; 4, Schwanzmuskeln ; 5, Aorta ; 6, Haltbänder der Eingeweide , vom
Peritoneum crebildet.
des
636 Wirbelthiere.
Leber durch zwei Bänder des Bauclifelles an die Bauchwand angeheftet
und zeigt hier eine Einkerbung, in welcher die Gallenblase versteckt
liegt. Im hinteren Theile der Bauchhöhle, zwischen Leber und Nieren
liegen, unter den Darmwindungen versteckt, die Hoden (s) mit den
Nebenhoden (t) und einem Fettkörper (u), dessen Volumen je nach der
Ernährung des Thieres sehr wechselt. Dieser Fettkörper liegt zwischen
der inneren Fläche des Beckens und dem schwarzen Bauchfelle, das
ihn nur auf der inneren Fläche überzieht und mit einer tiefen Falte
sich zwischen die Cloake (v) und die Harnblase (w) einsenkt, deren
Canal man noch sehen kann. Bei der Seitenansicht ist die Cloake
noch grösstentheils von dem vorderen Ende der viellappigen Niere (x)
bedeckt, die in dem Räume zwischen der Cloake und der Wirbelsäule
und nur auf ihrer Unterfläche von dem schwarzen Bauchfelle über-
zogen wird, welches so, indem es zwischen Cloake und Harnblase, oben
zwischen Cloake und Niere sich umschlägt, eine weite, trichterförmig
nach hinten geschlossene Tasche bildet.
Um die Fortsetzung der Niere nach hinten , über die Bauchhöhle
hinaus längs der Schwanzwurzel zu sehen, muss man die dicken Sehnen-
ausbreitungen, welche die Innenfläche des Beckens auskleiden, mit den
sich daran heftenden Muskeln spalten und entfernen. Man legt da-
durch auch die Cloake bis zu ihrer Endigung in der queren After-
spalte (g) und die beiden Begattungsschläuche (0) bloss, welche in den
Ecken der Spalte münden, bei den Weibchen nur rudimentär sind, bei
den Männchen aber sich an der Schwanzwurzel nach hinten verlängern
und mit Rückziehmuskeln (^i) ausgestattet sind.
Tegument. — Wir überlassen der beschreibenden Zoologie die Dar-
stellung der äusseren Bildungen und erinnern nur daran, dass auf dem
Kopfe, dem Rücken und den Gliedmaassen die Schuppen nur wie Hügel
erscheinen, deren Ränder kaum übergreifen , während auf dem Bauche
glatte, quergestellte Schuppeutafeln sich finden und auf dem Schwänze
wirteiförmig gestellte Schuppen ausgebildet sind, die Längskiele zeigen.
An dem Halse findet sich eine Art Kragen , der von einer Falte der
Haut gebildet ist, die auf beiden Seiten mit breiteren Schuppen bedeckt
ist und einen freien hinteren Rand hat.
Die Oberhaut ist verhornt, durchscheinend und zeigt je nach
den Körperstellen sehr verschiedene Dicke. Von aussen nach innen
kann man an ihr mehrere Schichten unterscheiden : eine äusserste, sehr
dünne Schicht, die aussieht, als sei sie aus kurzen, mit einander ver-
klebten Härchen gebildet, welche man die Cuticula oder epi-
trichiale Schicht genannt hat (ci,h, Fig. 265); sodann eine Horn-
schicht (a^, a^, 1)^) von bedeutender Dicke, die sich in über einander
liegende Blätter spalten lässt und am Rande der Schuppen sich gegen
die Lederhaut hin einsenkt. Diese Schicht besteht aus abgeplatteten,
mit einander verschmolzenen Zellen , welche sich nur unvollständig
Reptilien.
637
durch Maceration in kaustischem Kali trennen lassen, und endlich die
Malpighi'sche Gr un dschicht (c), welche aus deutlich begrenzten
Zellen besteht, die in den oberen Lagen (c^) verhornen, sich abplatten
und dickere Wände haben, während in den inneren Lagen (c-) die
Zellen rund sind und ihre Kerne deutlich hervortreten. Bei der Häu-
tung, die zu bestimmten Zeiten eintritt (Fig. 265), bildet sich eine
neue Hornschicht mit einer neuen Cuticula, während die entsprechenden
alten Schichten in grossen Fetzen oder auch als Ganzes sich ablösen.
Die Leder haut (d) besteht aus drei, nicht sehr deutlich ge-
trennten Schichten. Die äussere Schicht {(V) strotzt fast überall von
Fio-. 265.
-t=<
Lacerta viridis. — Stück eines Querschnittes in der Nähe der Nasenlöcher. Das
Thier war im Wechseln der Haut begrifien. Zeiss, Oc. 2, Obj. E. Camera dura.
n, ältere Epitrichialschicht ; a^, a^, ältere Hornschichten, die sich von zwei einander
berührenden Schuppen ablösen; S, neue Epitrichialschicht; 6^, neue Hornschicht;
c'^, oberflächliche Epidermisschichten mit verlängerten Zellen; c^, tiefe Schichten mit
runden Zellen ; d}, Lederhautschicht mit olivengrünem Pigment ; d^, Lederhautschicht
mit schwarzem Pigment ; e, faseriges Corium ; /", durchschnittenes Blutgefäss ; 9, durch-
scheinendes Knochengewebe ; (ß, Knochenkörperchen.
olivengrünem Pigment in Ballen, die aus sehr kleinen Körnchen be-
stehen ; in der mittleren Schicht (cV-) liegt schwarzes Pigment in Zellen
von allen Formen, worunter auch viele mit sternförmigen Ausläufern;
638
Wirbelthiere.
die innerste Schicht endlich, das eigentliche Corium (e) zeigt platte,
gewellte, wenig verfilzte Fasern, welche auch an den oberen Schichten
sich betheiligen, dort aber durch die Pigmente verdeckt sind. Im
inneren Corium sieht man vorzugsweise Gefässe, Nerven und verzweigte
Lymphräume.
Die gegenseitige Lagerung dieser Schichten ist überall dieselbe,
aber ihre Mächtigkeit variirt sehr je nach den einzelnen Körperstellen
und ganz besonders sind die Pigmentschichten solchen Schwankungen
unterworfen. So fehlt z. B. über dem Parietalauge, von dem wir hier
einen Durchschnitt geben (Fig. 266), die schwarze Pigmentschicht
Fig. 266.
Lacerta viridis. — Stück eines durch die Epiphj-se gelegten Querschnittes des Kopfes.
Zeiss, Oc. 2, Obj. E. Camera dura, a, Hornschicht der Oberhaut; b, Malpighi-
sches Netz; c, Pigmentschicht; d, Lederhaut; e, Stirnbein; /, Blutgefässe; g, innere
Lederhautschicht, zugleich Periost ; h, Pigmentschicht an der Decke der Schädelhöhle ?';
k, Knopf der Epiphyse ; /, Pallium , welches die Schädelhöhle in eine obere («') und
eine untere Abtheilung (i^) theilt ; m, Stiel der Epiphyse; n, Pigmentschicht, welche
sich in das Pigment der Schädelhöhle fortsetzt ; o, Hornhaut ; p, olivengrüne Pigment-
schicht; q, äussere Augenkammer; r, äussere Pigmentbrücke; s, innere Augenkammer;
t, innere Pigmentbrücke; ii, Umriss der Hemisphären.
vollständig, während das olivengrüne Pigment nur sehr schwach ent-
wickelt ist.
In Folge der Contractilität der schwarzen Pigmentzellen und der
umgebenden Fasern der Lederhaut besitzt unsere Eidechse die Fähig-
Reptilien. 639
keit, ihre Farbe zu ändern; sie wird im Dunkeln blasser. Indessen
ist dieser Farbenwechsel wenig auffällig.
Von Hautdrüsen finden sich nur die sogenannten Schenkel-
drüsen, welche auf der Innenseite der Schenkel längs einer bis zum
Knie reichenden schiefen Linie aufgereiht sind (g, Fig. 272). Es finden sich
auf jedem Schenkel 15 bis 17 solcher Drüsen. Man sieht sie in Gestalt
kleiner, gelber Ringe, die einander berühren und eine mittlere Oeff-
nung einschliessen, aus welcher man öfter ein Bündelchen gelber Stäb-
chen hervorragen sieht, die nichts Anderes sind, als das coagulirte und
etwas erhärtete Secret der Drüsen selbst. Zieht man die Haut ab, so
sieht man auf ihrer inneren Fläche die Drüsen in Gestalt lappiger
und gekerbter Kuchen , die sich wie Dachziegel decken. Schnitte
zeigen , dass sich die stark verdünnte Epidermis nach innen einstülpt,
um die Wände der Drüsenhöhle auszukleiden, und dass die Lappen
von maschigem Bindegewebe mit zahlreichen Kernen gebildet sind, in
welchem zahlreiche Netze von Blutgefässen sich zeigen. Das nur halb-
weiche Seci'et besteht aus undeutlich begrenzten, mit einander verklebten
Zellen. Jedem Läppchen entspricht eines der erwähnten Stäbchen,
die in dem Ausführungsgange verkleben und so eine Art Pfropf bilden,
der besonders zur Begattungszeit bei den Männchen stark hervortritt.
Bei den Weibchen sind diese Pfropfen weit weniger ausgebildet und
treten kaum hervor.
Die scharfen Hakenkrallen an den Fingerenden sind von den
stark verdickten und erhärteten Hornschichten des Tegumentes ge-
bildet. Auf Schnitten sieht man concentrische, wie Düten in einander
gesteckte Hornschichten und im Centrum einen Kern von Epidermis-
zellen.
An den Stellen , wo die Haut unmittelbar die Knochen berührt,
wie dies am Schädel der Fall ist, kann von einer Hypodermis keine
Rede sein; die Fasern der Lederhaut gehen unmittelbar in das Periost
über. Anderwärts, wie auf dem Rücken, setzen sich die Fasern in
die Aponeurosen der Muskeln fort. Meist aber finden wir ein sehr
lockeres Bindegewebe mit weiten Lückenräumen, die mit dem Lymph-
systeme in Verbindung stehen und zuweilen Anhäufungen grauer
Körperchen enthalten , die man für Lymphdrüsen hat ansprechen
wollen.
Skelett (Fig. 262 bis 271). — Man kann an der Wirbelsäule
Hals-, Rücken-, Lenden-, Kreuz- und Schwanzwirbel unterscheiden und
in Beziehung zu den Rippenansätzen kann man die Rückenwirbel noch
in sternale und abdominale theilen.
Alle Wirbel, mit Ausnahme des ersten, des Atlas und der letzten
Schwanzwirbel , sind procöl ; der Wirbelkörper zeigt an der vorderen
Fläche eine runde Gelenkhöhle, in welcher ein entsprechend abgerun-
deter Gelenkkopf der Hiuterfläche des vorangehenden Wirbels spielt.
640
Wirbelthiere,
rig;. 267.
Der Atlas zeigt eine besondere später zu erwähnende Bildung; die
letzten Scbwanzwirbel sind amphicöl, wie die Wirbel der Fische. Mit
Ausnahme der genannten besitzen alle anderen "Wirbel obere Bogen,
welche den Rückencanal bilden und in verschieden gestalteten Dorn-
fortsätzen zusammenstossen. Die unteren Bogen schliessen sich nur
in der Schwanzgegend um die Aorta und bilden dort untere Dorn-
fortsätze ; in den übrigen Körpergegenden sind sie rudimentär oder
fehlen ganz. Nur in der Kreuz- und Schwanzgegend finden sich starke
Querfortsätze; sonst sind sie un-
bedeutend oder fehlen ebenfalls.
Schiefe Gelenkfortsätze sind über-
all sehr ausgebildet und zwar in
der Weise, dass der Fortsatz des
vorhergehenden Wirbels den des
hinteren deckt, so dass die Ge-
lenkflächen schief oder selbst
gabelförmig gestaltet sind. Die
Löcher zum Durchtritte der Spinal-
nerven sind stets zwischen zwei
Wirbeln so angebracht, dass der
hintere Gelenkfortsatz sie deckt.
Es giebt sieben Halswirbel.
Der erste, der Atlas, bildet einen
aus drei Stücken , einem basalen
und zwei seitlichen, zusammenge-
setzten Ring, der sich über dem
Rückenmarke nicht schliesst, son-
dern eine kleine Lücke zeigt.
Die Höhle zur Aufnahme des Ge-
lenkkopfes des Hinterhauptes hat
die Gestalt eines Halbmondes, an
dem sich die drei Stücke be-
theiligen. — Der zweite Halswirbel,
Lacerta viridis. — Profilansicht der Vor-
derhälfte des knöchernen Skelettes von
der linken Seite. Buchstaben 'rechter-
seits : ?«, Oberkiefer ; i , Zwischenkiefer ;
fit, , Nasengrube ; n , Nasenbein ; m^,
oberer Ast des Oberkiefers; m-, unterer Ast; o, Augenhöhle; j, Jochbein; or*,
vierter Orbitalknochen (Postfrontale); et, Colonetta; fp, Parietalgrube ; o c, Quadrat-
bein; CO, Columella; c^ — c'^, zweiter bis siebenter Halswirbel; cc^, dritte Halsrippe;
cl, Schlüsselbein; sc, Schulterblatt; cfl, cfi, Rückenwirbel; cc', fünfte Halsrippe;
cs^ — cs^, Sternalrippen ; c/^, erste falsche Rippe. Linkerseits: nm, Unterkiefer;
h^, Körper, ä^ — ä*, Bogen des Zungenbeines; I — T', die fünf Finger; ca, Carpus;
r, Radius; liu, Humerus; c?«, Ulna ; st, Steinium.
Reptilien. G41
der Epistropheus oder Axis (c"^, Fig. 267), verlängert seinen Körper
nach vorn in den Ring des Atlas hinein mit einem dreieckigen, wenig
vorspringenden Dorn; an der Hinterfläche zeigt er den allen übrigen
Wirbeln zukommenden Gelenkkopf; der obere Bogen bildet zwei breite
Wände , die in einem hohen und breiten Dornfortsatze zusammen-
fliessen, welcher die Gestalt eines Beiles hat. Auf der ventralen Fläche
zeigt der Epistropheus zwei dreieckige , etwas gekrümmte Fortsätze,
Rudimente der Hämapophysen , und eine mittlere Längsleiste. — Die
fünf folgenden Halswirbel (c^ bis c'') haben hohe und breite dorsale
Dornfortsätze, warzenförmige Querfortsätze, stark vortretende ventrale
Längsleisten und tragen Rippen, Die drei ersten Halsrippen (cc^
bis cc^, Fig. 267, 268 a. f. S.) zeigen die Form von innen concaveu
Spateln mit schmalem Handgriffe und freiem, verbreitertem, durch
Knorpellamellen vergrössertem Ende. Sie nehmen von vorn nach hinten
an Grösse zu; die letzte besteht aus zwei Stücken und ist an der
Innenfläche des sie bedeckenden Schulterblattes befestigt. Die beiden
letzten Halsrippen (cc'^, cc'^) zeigen die gewöhnliche Form gekrümmter
Stäbe und sind durch Sehnenbündel an das Sternum angeheftet.
Alle Rückenwirbel (d, Fig. 267) zeigen dieselbe Form: sie
haben hohe und breite Neurapophysen, die kaum Zwischenräume
lassen, kleine, warzenförmige Querfortsätze, rudimentäre Hämapophysen
und stark vorspringende Gelenkköpfe. Die schiefen Fortsätze legen
sich so eng an die oberen Dornfortsätze an, dass der Rückencanal zur
Röhre geschlossen wird. Nach dem Verhalten der Rippen kann man
drei Gruppen von Rückenwirbeln unterscheiden; fünf Sternalwirbel (es),
deren wahre Rippen sich ventral an dem Brustbeine festsetzen; acht
Dorsalwirbel (c/), deren falsche Rippen sich um die Bauchhöhle herum-
krümmen, aber frei enden, und acht Lendenwirbel (l, Fig. 268), deren
nach hinten stets kleiner werdende Rippen nicht an den Seiten herab-
steigen , sondern die Bauchhöhle nur von oben decken ; die letzten
Rippen (c?, Fig. 268) bestehen nur aus einem Knochenstabe mit einem
Knorpelende; während die falschen und wahren Rippen aus drei
Stücken zusammengesetzt sind, einem oberen, an dem Wirbel ein-
gelenkten, das schief nach hinten gerichtet ist, einem schief nach vorn
gerichteten abdominalen Stücke und einem kleinen Mittelstücke. Die
wahren Rippen werden am Sternalende breiter und knorpelig; ihre
drei vorderen Paare heften sich unmittelbar an das Brustbein , die
beiden letzten (sf^^sP, Fig. 268)^an einen gemeinsamen, der Mittellinie
nahe gerückten Stiel.
Auf diese 21 rippentragenden Rückenwirbel, deren letzte, sehr
verkürzte Rippen zwischen Becken und Wirbelsäule eingeschlossen
sind, folgen zwei Kreuzbeinwirbel (vs, Fig. 270) von besonderer
Gestalt. Sie haben mächtige, sowohl breite als lange Querfortsätze,
die sich an ihren distalen Enden zu einer länglichen Brücke vereinigen,
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. ^i
642
Wirbelthiere.
die mit einer dicken Knorpelscbiclit überzogen ist und eine verticale
Fläcbe bersteilt, an welcher das Darmbein (Ileum) des Beckens gleiten
Lacerta viridis. — Ventrale Ansicht des vorderen Theiles des Skelettes in natürlicher
Grösse. Auf der linken Seite der Figur hat man den Unterkiefer und die vordere
Extremität zui'ückgeschlagen, die Zungenbejjihörner und die Rippen entfernt, während
man auf der anderen Seite die Knochen in ihrer normalen Lagerung belassen hat.
Buchstaben rechterseits : /, Zwischenkiefer; vo^ Vonier; m, Oberkiefer; mn, Unter-
kiefer; pt, Flügelbein; li}, Zungenbeinköi'per ; oc, Quadratbein; ifi bis /«*, Zungen-
beinbogen; cc^, zweite Halsrippe; c/, Schlüsselbein; sc, Schulterblatt; c, Episternum ;
SCO, ventraler Theil des Schulterblattes; hu, Humerus ; /bis T', die fünf Pinger ;
ca}-, die Handwurzel ca bedeckende Sehnenplatte; )■, Eadius ; cu, Ulna ; ol, Olecra-
non ; sc, Sternalrippen. Buchstaben linkerseits: imi, Unterkiefer; cc^ bis cc^, Hals-
rippen; oc, Quadratbein; ol, Olecranon ; cl, Schlüsselbein; scv, ventraler Theil, sei,
seitlicher Theil des Schulterblattes; cu, Ulna; I bis V, die fünf noch mit Haut be-
deckten Finger; hv, Humerus; st, Sternum ; st^, sfi, geOieinsamer Sternaltheil dei-
zwei letzten echten Rippen ; cf, erste falsche Rippe.
Reptilien. G43
kann. Dieses eigenthümliche Gelenk ist mit einer dicken Sehnenkapsel
umhüllt.
Die Schwanzwirbel {vc, Fig. 270), deren Zahl sehr beträcht-
lich ist, aber sehr variirt, zeigen einige Verschiedenheiten. Die beiden
ersten ähneln den Sacralwirbeln durch ihre beträchtlichen Querfort-
sätze und den Mangel von Hämapophysen, die erst mit dem dritten
Schwanzwii'bel beginnen. Diese Fortsätze sind beweglich mit zwei,
zu unteren Dornen sich vereinigenden Schenkeln, welche die Aorta
umfassen, an der ünterfläche der "Wirbel angeheftet. Die so gebildeten
unteren Dornfortsätze (t-'Cö, Fig. 270) sind dünn, abgeplattet, mit ihren
Spitzen nach hinten über einander gelagert und weit länger als die
dorsalen Dornfortsätze. Sie nehmen , wie diese und die Querfortsätze,
von vorn nach hinten an Grösse ab. Am Schwanzende verschwinden
zuerst die Querfortsätze und die senkrechten Fortsätze werden so klein,
dass fast nur ein cylindrisches Körperchen übrig bleibt.
Wir haben die Rippen schon besprochen, die an allen, vor dem
Kreuzbeine befindlichen Wirbeln, mit Ausnahme des ersten und zweiten
Halswirbels, angetroffen werden. Es bleibt uns nur noch das Brust-
bein {sf, Fig. 268) zu besprechen, das die Gestalt eines breiten, auf
der oberen oder Eingeweideseite ausgehöhlten, auf der Aussenseite ge-
wölbten, rhomboidalen Wappenschildes hat. An seinen vorderen Seiten-
rändern zeigt es jederseits eine offene Rinne , in welcher das sternale
Ende des Schultergürtels gleitend eingelenkt ist; die beiden hinteren
Ränder zeigen je vier warzenartige Vorspünge , an welchen die Ver-
einigungsknorpel der Rippen befestigt sind. Im hinteren Drittel
der Mittellinie zeigt sich eine mit einer Sehuenhaut verschlossene
Lücke.
Der Schul tergürtel besteht aus dem Episternum, dem Schlüssel-
bein, dem Schulterblatt und dem Oberschulterblatt.
Das Episternum (e, Fig. 268) hat die Form eines Kreuzes.
Sein nach vorn und hinten verlängerter Mittelbalken ist fest an die
Unterfläche des Brustbeines angeheftet; die etwas gekrümmten Seiten-
zweige legen sich mit ihren distalen Enden an die Schlüsselbeine, mit
welchen das Episternum ursprünglich verschmolzen ist.
Die stark S-förmig gekrümmten Schlüsselbeine (c?, Fig. 267,
268) legen sich mit ihren hakenartig gebogenen, proximalen Enden
an den vorderen Stachel des Episternums an : die distalen Enden sind
durch Sehnenbänder an die Kreuzarme des Episternums und den vor-
deren Rand des Schulterblattes befestigt.
Das Schulterblatt (sc, Fig. 267, 268) ist der bedeutendste
Theil des ganzen Gürtels. Es besteht aus drei Theilen , einem ven-
tralen, einem seitlichen und einem dorsalen, welche sich zur Bildung
der runden, auf der Aussenfläche gelegenen Gelenkhöhle vereinigen, in
welche der Kopf des Humerus eingelassen ist. Der ventrale Ast
41*
644 Wirbel thiere.
(scv, Fig. 268), welcher dem Rabenbeine (Coracoideiim) homolog
scheint, hat die Form einer Hellebarde , deren abgerundete , mit einer
nur theilweise verknöcherten Knorpellaraelle {Eincoracoideum) ver-
sehene Schneide in der eben erwähnten Seitenrinne des Brustbeines
gleitet. Der Seitenast des Schulterblattes {sei) ist ein starker, hori-
zontal liegender Knochenstab, dessen vorderes Ende an dem Schlüssel-
beine befestigt ist. Der Rückenast, das eigentliche Schulterblatt
(sfZ), hat die Gestalt eines Spatels; sein abgerundeter oberer Rand
wird durch eine breite Knorpellamelle, das Oberschulterblatt
{sccV), vervollständigt, die strahlige Knochenbildungen zeigt, sich von
oben her auf die Rippen legt und mit ihrem Rande die Dornfortsätze
der Rückenwirbel berührt.
Durch die Vereinigung aller dieser Stücke wird ein sehr beweg-
liches, aber ziigleich auch sehr festes Gerüst hergestellt, welches
einerseits dem Schultergerüst der Vögel sich nähert, anderseits aber
auch durch seine Zusammensetzung an den Schultergürtel der Am-
phibien erinnert.
Vordere Extremität. — Der in der Mitte fast rundliche Hu-
raerus {hu, Fig. 267, 268) verbreitert sich an beiden Enden, doch
stehen diese Verbreiterungen nicht in derselben Ebene, sondern fast in
rechtem Winkel zu einander. Die proximale P^rweiterung zeigt in der
Fortsetzung ihrer äusseren Leiste einen grossen, platten Höcker, auf
der inneren Seite den Gelenkkopf, der etwas länglich ist, und einen
zweiten, kleineren Muskelhöcker. Das distale Ende trägt zwei, auf
der inneren Fläche wohl getrennte Gelenkrollen , gegen deren Tren-
nungslinie hin eine Längsrinne mit einem Gefässloche verläuft, das aber
nicht durchgeht.
Der Vorderarm besteht aus der Ulna {Cubitus, cu), die auf der
inneren Seite eine halbmondförmige Gelenkfläche für den Humerus
und auf der äusseren eine Verlängerung zeigt, an die sich ein kleines
Ellbogenbein {Olecranon, ol, Fig. 267) anschliesst, das in die
Sehne des grossen Streckmuskels eingeschlossen ist. Der weit schmäch-
tigere Radius (r) hat ein proximales, abgerundetes Ende, das eine
ringförmige Gelenkfläche für die Pronation trägt. In der Mitte sind
die beiden Knochen durch einen schmalen Raum getrennt, berühren
sich aber an beiden Enden.
Die Handwurzel {Carpus, Fig. 269) besteht aus mehreren
Knochen, deren Deutung endlose Discussionen veranlasst hat, auf die
wir hier nicht eingehen können. Die ganze Volarfläche der Hand-
wurzel ist von der Sehnenausbreitung des gemeinsamen Fingerbeugers
bedeckt (ca^, Fig. 268), in welcher Knochenkörperchen zerstreut liegen
und die man entfernen muss, um die Knochen selbst deutlich zu sehen.
Diese lagern sich in zwei Querreihen.
Reptilien.
C45
Die proximale Reihe zeigt zuerst ein dem Radius angelenktes,
scheibenförmiges Knöchelchen (c«-), auf dessen distaler Fläche zwei
andere Knöchelchen liegen (ca'"', f«'^), von welchen das letztere mit einem
grösseren, mit der ülna eingelenkten Knochenstück (ca^) zusammen-
stösst. An dem äusseren Rande dieses Ulnarknochens liegt ein kleines,
freies, in die Sehne des Streckers des fünften Fingers eingeschlossenes
Knöchelchen, welches man das Sesam bein (c«'') genannt hat. Die
Fio-. 269.
Lacerta viridis. — Das Skelett der Haucl in vierfacher Yergrösserung. A, die ganze
Hand in dorsaler Ansicht; B, die Handwurzel in ventraler Ansicht, /bis T', die
fünf Finger; me^ bis me^, die fünf Metacarpalknochen; ccfl bis ca^'^, die neun Hand-
wurzelknochen; CM, Ulna ; r, Eadius.
anderen Stücke werden als Radiale und Cubitale bezeichnet, das innere
Knöchelchen als Centrale, das äussere als Zwischenbein. — Die
distale Reihe besteht aus vier Knochen, die sich zwischen die
Mittelhandknochen und die proximale Reihe einschieben. Das erste
{ca^) articulirt mit dem zweiten Metacarpale und dem Centrale; das
646 Wirbelthiere.
zweite (ca^) schiebt sich zwischen das zweite und dritte Metacarpale
ein; das dritte, das grösste (ca'-'), zwischen das dritte und vierte Meta-
carpale und articulirt ausserdem mit dem Cubitale, dessen distale
Gelenkfläche es mit dem vierten Carpale (ca^'^') theilt, welches das Meta-
carpale des fünften Fingers trägt. Man muss darauf aufmerksam
machen, dass der Gelenkkopf des ersten Metacarpale, das sich in den
Daumen fortsetzt, in proximaler Richtung sich so weit vorschiebt, dass
er die Stelle eines fünften Carpale einnimmt.
Die Finger bestehen aus fünf Met acarpalkn och en (me), die
gänzlich von der Haut umhüllt sind, und den fünf freien, aus Pha-
langen zusammengesetzten Fingern. Alle diese Knochen zeigen
übereinstimmende Bildung, angeschwollene Gelenkenden und cylin-
drische Mittelstücke. Nur die letzten Phalangen, welche die Krallen
tragen , sind seitlich zusammengedrückt und etwas gekrümmt. Der
erste Finger (Daumen, J) zeigt zwei freie Glieder, der zweite (II)
und fünfte (F) je drei, der dritte (III) vier und der vierte (IV),
welcher länger und grösser als die anderen Finger ist, fünf Pha-
langen.
Hintere Extremität. — Der Beckengürtel (p, Fig. 270)
besteht bei den erwachsenen Thieren nur aus einem einzigen Knochen
jederseits, in welchen sich auf der ventralen Mittellinie noch zwei
kleine Schaltknöchelchen einschieben.
Dieser einzige Beckenknochen lässt aber drei Aeste unterscheiden,
die sich auf der Aussenseite zur Bildung der grossen, runden Gelenk-
höhle (gl,Fig.270, A) vereinigen, die von einem vorspringenden Rande
ringartig umgeben ist. Der vordere Ast, das Schambein (Os pu'
bis, p^) erstreckt sich von der Gelenkhöhle aus in schiefer Richtung
nach vorn und unten und vereinigt sich in der Mittellinie mit dem
entsprechenden Knochen der anderen Seite in einer festen , faser-
knorpeligen Symphyse, in deren vorderen Winkel sich ein kleines
Schaltknöchelchen, das Epipubis (p^), einschiebt. Dieser etwas ge-
wundene Ast zeigt in der Nähe des Hüftgelenkes ein Löchelchen zum
Durchtritt des ischiatischen Nerven, von welchem zwei feine, aber tiefe
Rinnen, eine auf jeder Seite, ausgehen, die eine etwas abgeplattete
Leiste fast gänzlich abschnüren. Der hintere Ast, das Sitzbein (Os
iscJdon, jj'^), ist weit breiter; er beginnt am Gelenke mit einem runden
Halse , der hinten einen vorspringenden Höcker trägt , verbreitert sich
aber dann und krümmt sich nach unten, um mit dem entsprechenden
Knochen der anderen Seite in einer langen Symphyse zusammenzu-
stossen. Von dem vorderen Vereinigungspunkte dieser Symphyse geht
ein starker medianer Sehnenstrang zu der Schambeinfuge und an den
hinteren Vereinigungspunkt heftet sich ein knorpeliger, zum Theil
verknöcherter Fortsatz an, dasPostpubis (jJ^). Der durch eine Sehnen-
Reptilien.
647
haut geschlossene leere Raum zwischen den Symphysen und den beiden
Knochenästen heisst das herzförmige Loch (Foramen cordiforme, co).
Der dritte Ast endlich, das Darmbein (Os Uium, p'^), hat die Gestalt
einer fast geraden Dolchklinge ; er erstreckt sich etwas schief nach
hinten und oben und zeigt an der Innenfläche seiner hinteren Hälfte
eine überknorpelte Gelenkfläche, mit welcher der Knochen an den ver-
breiterten Enden der Querfortsätze der beiden Sacralwirbel gleitet.
Der Femur (/) ist der längste Knochen des Körpers. Er trägt
vorn einen stark vortretenden Gelenkkopf und zwei Rollhügel (jT^öc/ur/i-
ieroi), deren äusserer nur klein ist , während der grössere innere sich
in eine Längsleiste fortsetzt. Er zeigt eine ziemlich bedeutende Tor-
Lacerta viridis. — A, Skelett des Beckens und des Fusses in ventraler Ansicht,
natürliche Grösse. B, die Fusswurzel , in dorsaler Ansicht, viermal vergrössert.
/, Lendenwirbel; cf, letzte Bauchrippen; co, herztormige Lücke; jj^, Pubis; p'^, Epi-
pubis ; jj^, Ischion; p*; Postpubis; p^, Ileum ; gl, Gelenkhöhle tiir den Femur _/;
es, Kreuzbeinwirbel; ^ja, Kniescheibe; t, Tibia; pe, Fibula; t^ bis <*, die vier Tarsal-
knochen; mt^ bis mf\ die fünf Metatarsalknochen ; /bis T', die fünf Finger; vc^,
dritter Schwanzwirbel; vcu, Hämapophysen der Schwanzwirbel.
sion und endet mit zwei Gelenkrollen. Auf dem Gelenke ruht eine
winzige Kniescheibe (iUi).
Die beiden Beinknochen sind getrennt. Das Schienbein (T/tm, t)
ist weit stärker als das Wadenbein (Ferofieum, 2)e) , am proximalen
Ende von vorn nach hinten abgeplattet, am distalen Ende abgerundet ;
das dünne Wadenbein ist leicht gekrümmt.
648 Wirbelthiere.
Die distalen Enden der beiden Knochen stossen zusammen , um
in der Fusswurzel (Tarsus, t) mit einem einzigen, die ganze Breite
einnehmenden Knochen {t^) zusammenzustossen , der in der Mitte so
stark eingeschnürt ist, dass sich seine Verschmelzung aus wenigstens
zwei , ursprünglich getrennten Stücken unschwer erkennen lässt. Da
eine Homologisirung mit den Fusswurzelknochen der Säugethiere nicht
widerspruchslos ist, so nennen wir diesen Knochen das erste Tarsale
{f^). An seiner Vorderfläche trägt es zwei Gelenkflächen für die beiden
Beinknochen , an seiner Hinterfläche sind auf der Tibialseite unmittel-
bar die Mittelfussknochen der ersten und zweiten Zehe eingelenkt. An
der Peronealhälfte schalten sich vor den Mittelfussknochen drei kleine
Tarsalknöchelchen ein ; das erste, mithin der zweite Tarsalknochen {P),
zwischen die Gelenkköpfe des zweiten und dritten . Metatarsale ; das
dritte (^^) schiebt sich zwischen das dritte und vierte Metatarsale und
zeigt auf der Plantarfläche zwei vorspringende Höcker; das vierte
endlich (t^) nimmt auf seiner dorsalen Fläche den Trochanter des
vierten Metatarsale auf und zeigt auf der Plantarfläche einen wulstigen
Vorsj)rung, an welchen sich das fünfte Metatarsale anschliesst.
Mittelf US s und Fuss sind aus fünf Knochenreihen ganz in
gleicher "Weise wie Mittelhand und Hand gebildet. Sie nehmen vom
ersten zum vierten, längsten, an Grösse zu; das fünfte Metatarsale
ist sehr dünn und kurz, das erste dicker und mit einem Trochanter
versehen. Die erste Zehe hat nur zwei Phalangen mit Einschluss der
Endkralle, die zweite und fünfte haben drei, die dritte vier, die vierte
fünf Phalangen.
Beim Laufen stützt sich der Fuss vorzugsweise auf den tibialen
Vorsprung des ersten Tarsale und auf das vierte Tarsale, Die fünfte
Zehe ist wenig thätig.
Der Schädel (Fig. 267, 268, 271). — Wir unterscheiden wie
gewöhnlich den Hirnschädel, der aus unbeweglichen Stücken zusammen-
gefügt ist und durch einige reine Hautknochen vervollständigt wird,
und den von den Oberkiefer-, Gaumenflügel- und Unterkieferbogen ge-
bildeten Gesichtsschädel. Die beiden ersteren Bogen sind indessen
mit dem Hirnschädel durch so enge Nähte verbunden , dass sie fast
unbeweglich sind.
Hirn Schädel. — In diesem Theile lässt sich eine gewisse Ten-
denz zur Verschmelzung einzelner, sonst getrennter Knochen wahr-
nehmen, welche auf die bei den Vögeln herrschende Bildung hinweist.
Ausserdem aber bleiben noch ziemlich bedeutende Reste des knor-
peligen Primordialschädels erhalten um die Nasenhöhlen herum, in der
Scheidewand der Augenhöhlen, sowie in einer Längsscheidewand an
der Schädelbasis, die sich vom Hinterhauptsbeine bis zu den Zwischen-
kiefern hinzieht. Die Scheidewände sind nicht vollständig knorpelig,
ihre Lücken aber durch Sehnenhäute ausgefüllt.
Reptilien.
649
Der knöcherne Schädel hat die Gestalt einer langgezogenen Pyra-
mide, deren Basis von dem Hinterhaupte gebildet wird. Mit Ausnahme
eines kleinen Loches, des Parietal! o che s (tp, Fig. 271, Ä) , ist die
Scheitelfläche vollständig fest gefügt. Sie ist fast eben mit starker
Abdachung gegen die Schnauzenspitze hin und zeigt eine wurmartige
Sculptur, von Eindrücken der hornigen Hautplatten herrührend, welche
.--P"
Luceria viridis. — Der knöclierne Schädel in dreifacher Vergrösserung. Linkerseits
sind der Kiefer- und Gaumenfliigelbogen weggehroclien. A, dorsale Ansicht; B, ven-
trale Ansicht; C, Ansicht von hinten, b, Gruadbein ; co, Columella ; et, Colonetta ;
de, Hautknochenplatten ; fn, Nasengrube ; //), Parietalgrube ; fr, Stirnbein ; /;, Zungen-
bein ; i, Zwischenkiefer ; y, Jochbein; Ipt, Flügelgrube; Isp, Keilbeingrube; m, Ober-
kiefer; mn, Unterkiefer; n, Nasenbein; o, Augenhöhle; oc, Quadratbein; or, Ober-
augenknochen; p a, Scheitelbein; pl, Gaumenbein ; ^ i, Flügelbein; q, Schuppenbein;
S2^f, Naht zwischen Scheitelbein und Stirnbein; sqp, Naht zwischen Scheitelbein und
Schuppenbein; to, grosses Hinterhauptsloch; tj), mittleres Scheitelloch ; tr, Querbein;
vo, Vomer; x, Schuppeneindrücke, die Nähten ähnlich sehen.
650 Wirbelthiere.
fest auf den Knochen aufliegen. Die Furchen dieser Eindrücke schneiden
so tief ein, dass man sie nur schwer von den Nähten, welche die Knochen
verbinden , unterscheiden kann. Die Seiteuflächen (Fig. 267) senken
sich fast in rechtem Winkel zu den Mundrändern hinab, zeigen aber
drei grosse Lücken ; vorn die Nasengruben (fn) , mitten die Augen-
höhlen (o) und hinten die grossen Parietalgruben {fp)., hinter welchen
noch die Paukengruben sich zeigen, welche durch das Trommelfell
und die an demselben angeheftete Columella (co, Fig. 267) geschlossen
sind. — Die Unterfläche {JB, Fig. 271) zeigt noch bedeutendere seit-
liche Lücken; vorn die Nasengaumenspalten {np) mit einer vorderen
{np^) und einer hinteren {np-) Erweiterung, die durch eine enge
Spalte verbunden sind; die Flügellücke (jji^), welche durch eine schmale
Knochenbrücke von der unteren Fortsetzung der Parietalgruben ge-
trennt sind; die Keilbeinspalte ijsp) zu beiden Seiten des medianen
Keilbeinstachels und die Grundbeinlücke (?b), welche nur die hinterste
Fortsetzung der grossen Parietalgrube ist und auch bei der Ansicht
des Schädels von hinten (C, Fig. 271) über dem grossen Hinter-
hauptsloche {to) sich sehen lässt.
Die verschiedenen Knochen lagern sich in folgender Weise. Auf
der Scheitelfläche {A, Fig. 271) wird das Dach hinten nur von dem
Scheitelbeine {Parietale, pa) gebildet, das die Form eines läng-
lichen Viereckes hat, dessen hintere Winkel in zwei spitze Zipfel
ausgezogen sind ipci^), welche schief nach hinten gehend sich mit dem
Quadratbeine zur Bildung der oberen Hinterhauptsdecke vereinigen.
Auf der oberen Fläche dieses Knochens zeigen sich besonders auf-
fallend die von den Hornschildern hei'rührenden Eindrücke (a;), welche
das Parietalloch {fp) umgeben, in welches das Stirnauge der Epi-
physe des Hirnes eingelassen ist. Auf der Innenfläche macht sich eine
von vorspringenden Leisten begrenzte Hohlrinne bemerklich, in welche
der dorsale Stachel des Grundbeines eingelagert ist. Nach vorn ist
der Knochen durch die auf der Innenseite stark gezackte Stirn-
scheitelnaht {spf) mit dem Stirnbeine {fr) verbunden, einer in der
Mitte eingeschnürten Platte zwischen den Augenhöhlen , die auf der
Innenseite zwei mächtige Apophysen trägt, an welche die Knochen des
Gaumengewölbes sich anlehnen. — Zwei Nasenb eine {n) vervoll-
ständigen vorn das Schädeldach. In ihren hinteren Ausschnitt dringt
das Stirnbein vor, während in ihren vorderen Ausschnitt der obere
Fortsatz des Zwischenkiefers (?') sich einkeilt, der schmäler wer-
dend {i^) zwischen den Nasenhöhlen sich zur Schnauze herabsenkt
und dort sich wieder verbreitert zu einem gekrümmten Zahnfortsatze
(i^), welcher etwa ein Dutzend kleiner Zähne trägt. — Das Schädel-
dach wird durch Deckplatten vervollständigt, die mehr oder minder
dem Hautsysteme angehören: hinten die Schuppenbeine {Scjua-
mosa. q), die durch gerade Nähte {sq^j) den Rändern des Scheitelbeines
Reptilien. 651
anliegen und an ihi'em Aussenrande an die Ober Schläfenbeine
{Supratemimralia, stp) stossen, welche an der Hinterecke des Schädels
durch einige Hautschuppen {de) vervollständigt werden. In der Mitte
wird das Dach der Augenhöhle von vier, etwas gewölbten, kleineu
Deckplatten gebildet {Supraorl)'daJia, or^ bis or*), deren erste man
auch das Präfrontale, die letzte das Post frontale genannt hat.
Die Unterfläche des Schädels (B, Fig. 271) zeigt verwickeitere
Verhältnisse. Die hintere Hälfte wird von einem einzigen Knochen,
dem Grundbeine (b) gebildet, welches das untere, die seitlichen und
das obere Hinterhauptsbein, das Keilbein mit seinen Flügeln, das
Präsphenoideum, Parasphenoideum und das Felsenbein in sich schliesst.
Wenn gleich diese einzelnen Theile in früherer Zeit als getrennte
Knochenkerne angelegt werden, so verschmelzen sie doch vollständig
im erwachsenen Alter und ihre früheren Trennungen sind lediglich
hier und da durch oberflächliche Furchen angedeutet. Unter dem
grossen Hinterhauptsloche trägt das Grundbein den einfachen Gelenk-
kopf (&c), der aber sichtlich aus drei Stücken verschmolzen ist, einem
mittleren (hc, Fig. 271, c) und zwei seitlichen (&c^). Die Basis des
Knochens, welche das Dach der Schlundkopfhöhle bildet, strahlt nach
vorn in zwei Paare breiter, seitlicher Fortsätze, von welchen das hin-
tere Paar (Im) vielleicht den kleinen Flügeln des Keilbeines entspricht
und Muskeln zum Ansätze dient, während das vordere Paar (bs), das
wohl den grossen Flügeln entspricht, sich mittelst eines schiefen Randes
an das nach hinten verlängerte Ende des Gaumenflügelbogens anlegt.
Nach vorn verlängert sich der Körper des Gruudbeines in einen
spitzen Stachel (be), der sich zwischen die der Mittellinie nahe ge-
legeneu Flügelbeine einkeilt und sich bis in die korpelige Scheidewand
der Augenhöhlen fortsetzt. Dieser Stachel enthält wohl die Elemente
des Präsphenoideum und Parasphenoideum. — Um das Hinterhaupts-
loch herum krümmen sich mächtige Pfeiler {Occipüalia Jateralia) , die
über dem Nachhirne zu einem breiten Dache zusammenfliessen. Von
diesem Dache gehen aus: ein dorsaler Stachel (bd), der das Scheitel-
bein stützt, und zwei schiefe Seitenfortsätze {bl) , welche mit ihren
distalen Enden sich an das Quadratbein (oc^ Fig. 267) und die Fort-
sätze des Scheitelbeines anlegen und so das Unterkiefergelenk stützen
helfen. An der Basis dieser Fortsätze finden sich die Durchtritts-
löcher für die hiuteren Hirnnerven und an der dem Gehirne zugewen-
deten Fläche Auftreibungen, in welchen das Gehörlabyrinth ein-
geschlossen ist und die demnach den Felsenbeinen (br) entsprechen.
Vor diesem so complicirten Grundbeine findet sich jederseits ein
etwas gekrümmter, senkrechter Knochenstab, der die Hirnhülle um-
spannt. Das untere Ende dieser Stäbchen ruht auf dem Vereinigungs-
punkte der Flügelbeine und der grossen Keilbeinflügel, das obere legt
sich an die Innenfläche des Scheitelbeines an. Wir nennen diese
652 Wirbelthiere.
Knochen die Säulchen {Colonettae, et, Fig. 267). Sie finden sich bei
einer grossen Gruppe der Eidechsen, die man deshalb Kionocranier
genannt hat. Bisher gab man dem bei anderen Wirbelthieren nicht
vorkommenden Knochen auch den Namen Columella^ da aber dieser
Name von früher her zur Bezeichnung des in das Trommelfell ein-
gelassenen Gehörknöchelchens benutzt wird , so haben wir , um Ver-
wechselungen zu vermeiden, ein anderes Wort gewählt.
Auf der ganzen Länge der Augenhöhlen wird der Schädelboden
nur durch die Vereinigung der Gaumenflügelbogen hergestellt; erst
im Vorderwinkel der Schnauze findet sich, hinter dem Zwischenkiefer,
ein kleines, paariges Knöchelchen, der Vom er {vo).
An den auf diese Weise zusammengesetzten und seitlich und am
Grunde der Hirnhöhle durch Sehnenhäute vervollständigten Schädel,
in welchem hier und da unregelmässige Verknöcherungeu sich finden,
schliessen sich die Bogen des Gesichtsschädels.
Der Kieferbogen besteht aus drei Knochen, dem unpaaren,
medianeu Zwischenkiefer (?'), der auf einem horizontalen, halb-
mondförmig gekrümmten Bande etwa zehn Zähne trägt und nach oben
einen Ast (i^) aussendet, welcher durch eine Naht mit den Nasenbeinen
verbunden ist, und aus dem paarigen, leicht S-förmig gekrümmten
Oberkiefer {m) , dessen Aussenrand mit einer Reihe von etwa 20,
dicht zusammengedrängten , kegelförmigen Zähnen besetzt ist Nach
innen trägt der Oberkiefer eine schmale, horizontale Leiste 0»"'), welche
den Aussenrand der Nasengaumenspalte (wj?) bildet, an dem unvoll-
ständigen Gaumendache Antheil nimmt und sich über den bezahnteu
Rand hinaus nach hinten verlängert, um mit dem Querbeine (Os trans-
rersum, tr) in Verbindung zu treten, welches die Flügelgrube {pt) von
der Scheitelgrube (/j?) trennt. Ein aufsteigendes Blatt des Oberkiefers
bildet die Aussenfläche der Wange und zeigt zwei Zonen, eine obere
(m^) , welche unmittelbar mit Schuppentafeln bedeckt ist, deren Ein-
drücke sich ähnlich wie Nähte darauf erkennen lassen, iind eine untere
(h?^), die von der Schleimhaut des Mundes überzogen wird und zahl-
reiche, in eine Reihe gestellte Gefässlöchelchen zeigt. Das aufsteigende
Blatt verlängert sich nach hinten in einen Orbitalfortsatz (w?^), welcher
sich mit dem Jochbeine (j) verbindet, das eine schmale Brücke zu
dem Oberschläfenbeine {st])) bildet. In den von dem Orbital-
fortsatze gebildeten Winkel schiebt sich noch eine winzige , krumme
Knochenlamelle, das Thränenbein (?«).
Der Gaumenflügelbogen besteht aus zwei Knochenpaaren.
Das vorn liegende Gaumenbein {pl) liegt in der Mittellinie in der
dünnen, faserknorpeligen Längsscheidewand des Schädels und bildet
mit seiner freien Kante den inneren Rand der Nasengaumenspalte, der
nach hinten durch dieFlü gelb eine (|ji) vervollständigt wird, welche
ebenfalls in der Mittellinie zusammenstossen. Sodann sendet der
Reptilien. 653
Knochen nach hinten einen mächtigen P^'ortsatz zur Verbindung mit
dem Querbeine. An der Basis dieses Fortsatzes und in der Nähe der
Mittellinie findet sich eine Längsreihe winziger, acrodonter Zähnchen
(pt^), etwa acht bis zehn an der Zahl. Dann verlängert sich das
Flügelbeiu nach hinten in einen langen, schief gekrümmten Fortsatz
(pt-), welcher etwa in der Mitte seiner Länge sich an den grossen
Keilbeinflügel lehnt und mit seinem Ende den vordereu Winkel des
Quadratbeines erreicht.
Der Unterkieferbogen besteht jederseits aus zwei Hälften,
dem oberen Aufhängegerüste, welches nur von einem einzigen Knochen,
dem Quadratbeine, hergestellt wird, und unterhalb des Gelenkes aus
dem, von sechs Knochen und dem Reste des Me ekel' sehen Knorpels
gebildeten eigentlichen Unterkiefer.
Das bewegliche Quadratbein (oc) bildet den hinteren Seiten-
winkel des Schädels. Es hat die Gestalt eines halben Tamburinrahmens
von beträchtlicher Dicke, der oben vollständig und in der unteren
Mitte abgeschnitten ist. Mit seinem erhabenen, äusseren Rande nimmt
der Knochen das Trommelfell auf, in welches das äussere Ende der
ColumeUa {co, Fig. 267) eingepflanzt ist. An der unteren Vorder-
ecke des abgeschnittenen Ringes trägt der Knochen die Gelenkhöhle
(oc^) für den Kopf des Unterkiefers. Xach oben lehnt sich das Quadrat-
bein mittelst einiger Knochenschüppchen (de) an das Schuppenbein
und den hinteren Fortsatz des Gaumenbeines (pci^) nach unten au den
Fortsatz des Scheitelbeines.
Der Unterkiefer (nin) hat im Ganzen die Gestalt eines breiten,
nach aussen gekrümmten , nach innen durch eine unter dem zahn-
tragenden Rande augebrachte Rinne ausgekehlten Säbels. In der
Rinne liegt der stabförmige Me ekel' sehe Knorpel. Die beiden Kiefer-
hälften sind durch eine sehr feste Symphyse verbunden. Wir gehen
auf eine detaillirte Beschreibung der einzelnen, jede Kieferhälfte zu-
sammensetzenden Knochenstücke nicht ein und bemerken nur, dass
vorn das Dentale etwa zwanzig in einer Reihe stehende, pleurodonte
Zähne trägt. Auf diesen Hauptknochen folgen noch hinten , oben das
Coronoideum, an welches der Kaumuskel sich ansetzt, und das Arti-
culare mit dem Gelenkkopfe zum Quadrat, unten das x\ngulare, das
den Winkel des Kiefers bildet mit zwei Schaltknochen, dem Operculare
innen und dem Complementare aussen.
Das Zungenbein gerüst {h, Fig. 267, 268) besteht aus einem
Mittelkörper und drei Bogen , welche alle in die Muskeln und die
Gaumenhaut eingelassen sind. Der Mittelkörper hat die Gestalt eines
langen Pfeileisens, dessen Spitze bis in den vorderen Winkel der Sym-
physe des Unterkiefers hineinragt (h^) , während der kurze hintere
Widerhaken sich iinmittelbar in den zweiten Bogen (/«■'■) fortsetzt. Von
seiner inneren Fläche geht einestheils der hintere , sehr dünne Bogen
654
Wirbelthiere.
und anderseits ein vorderer Verbindungsast zu dem ersten Bogen ab,
der an seinem distalen Ende schildförmig erweitert ist (/i^) und mit-
Fig. 272. telst einer sehnigen Fortsetzung
seines proximalen Endes bis in
die Xähe des Trommelfelles sich
erstreckt. Der ganze Apparat
Lacerta rirldis. — Die Haut ist abge-
zogen mit Ausnahme eines Theiles auf
der unteren Seite, den man zurück-
geschlagen hat, um die oberflächlichen
Jluskelschichten und namentlich die
Ausbreitungen und Ansätze des Haut-
muskels (et) zu zeigen. Am Kopfe hat
man die Knochenkanten weggenommen,
welche die Ansätze der Muskeln ver-
decken. Buchstaben rechterseits : w,
Xasenöffnung; n'^, Xasensack; o, oberes
Augenlid; er, Schädelknochen; <l, M,
temporalis; /y, Trommelfell mit seinem
Ringe: cii, M. cucullaris ; (7s, M. dorso-
scajiularis; an, M. anconei ; dh , M.
dorso-humeralis s. latissimus dorsi ; c<*,
Tordere Rückenausbreitungen des Haut-
muskels; p, Rückenhaut; ld\ Bündel
des M. longus dorsi; ct^, seitliche An-
heftungslinie des Hautmuskels; in, M.
intercostales; Id, M. longus dorsi; in'^,
M. intercostales inferiores; ap, Apo-
neurose des Beckens ; il, M. ileo-oosta-
lis; fp, M. glutaeus minor; fg, M.
glutaeus major; it, M. ileo-tibialis ; q,
Schwanzmuskeln ; p^, Haut des Schwan-
zes. Buchstaben linkerseits : m, Unter-
kiefer; o^, unteres Augenlid; mh, M.
mylo-hyoideus; ct^ , Ausdehnung des
Hautmuskels auf der Brust ; p, M. pec-
toralis , b, M. biceps longus ; b^, M. bi-
ceps brevis; Iv. M. longus abdominis;
r-c, M. extensor brevis digitorum ; cu^,
]NI. cubitalis externus ; e, M. extensor
longus digitorum; d, Daumen; Iv, M.
longus abdominis; p-^, Innenfläche der
Schuppenhaut des Bauches ; c?^, Bauch-
fasern des Hautmuskels; ct^, Fasern
der Leistenlinie; p^ , Innenfläche der
beschildeten Bauchhaut; is, M. ischio-
femoralis; il, M. pelvio-tibialis ; ip, M.
ischio-til)ialis profundus; (/, Schenkel-
drüsen, Innenfläche; p/, M. plantaris;
to, M. interossei : ec, M. extensor digitorum brevis: ap, M. ab-
ductor pollicis; cl, M. extensor digitoram longus.
5. fünfter Finder
Reptilien. 655
ist knorpelig; in die basale Rachenhaut eingelassen, urafasst er die
Gurgel in ihrer Erstreckung am Halse.
Muskelsystem. — Den Amphibien gegenüber kann man zweier-
lei Bildungen hervorheben: die Entwicklung von Hautmuskeln und
diejenige der Rippenmuskeln, welche den meisten Amphibien abgehen,
die meist keine Rippen besitzen.
Der Hautmuskel (et, Fig. 272) ist eine dünne Muskelfaser-
platte, welche den Körper umhüllt und sich von der Kehle bis zum
Becken erstreckt, immerhin eine Art Spaltenlücke für den Durchtritt
des Vordergliedes lassend. Gegen die Mitte des Rückens hin wird der
Muskel sehnig und geht in die Aponeurose über, welche die Haut an
die Spitzen der Doxmfortsätze befestigt; an den Seiten (ct^) und ganz
besonders am Bauche ißt^) wird er fleischiger. Seine im Ganzen
schief von unten und voim nach oben und hinten gerichteten Fasern
verschmelzen in solcher Weise mit den darunter liegenden Muskeln
(ilf. mylo-liyoideus, cuciillanus, doyso-humeraJis, rectus ahdouiinis), dass
man diese Muskeln auch als locale Verdickungen des Hautmuskels be-
trachten kann. Die Fasern setzen sich überall an die Haut an, nament-
lich aber an folgenden Stellen: in der Hautfalte, welche den vor-
stehenden Halskragen bildet; in einer seitlichen Längslinie, welche der
bei so vielen Sauriern stark ausgebildeten Seitenfalte entspricht (et'');
an der vorderen Seitenecke des Beckens, wo die Fasern eine Art Knäuel
bilden (ct^), und endlich auf der Bauchmitte, an den breiten Bauch-
schildern (cf^), welche sich offenbar an der Locomotion betheiligen.
Der innere und äussere schiefe Bauchmuskel, welche von einigen For-
schern unterschieden worden sind, scheinen nur mehr oder minder ge-
trennte Bündel des Hautmuskels zu sein.
Nach Wegnahme dieser dünnen , im Leben durchscheinenden
Hautmuskelschicht gewahrt man die übrigen Muskeln, die wir Schicht
für Schicht, von dem Kopfe zum Schwänze fortschreitend, aufzählen
werden, um dann später die Muskeln der Extremitäten besonders zu
behandeln.
Stam ramuskeln. — Auf dem Halse und dem Vordertheile des
Thorax zeigt sich die breite Platte des 31. cucull ar i s (cii) , dessen
Bündel sich am Hinterhaupte und den Dornfortsätzen des Halses und
Vorderrückens, sowie an der Aponeurose fächerförmig festsetzen und
sich verdickend zu den vorderen Rändern des Schultergürtels ver-
laufen. Eine oft wenig deutliche Spalte theilt den Muskel in einen
vorderen, Theil, den eigentlichen Kappenmuskel, und einen hinteren,
-M. dorso-humeralis oder M. latissimus dorsi (dli).
Wir erwähnen nur kurz die übrigen Muskeln und verweisen hin-
sichtlich der Einzelheiten über die gesammte Musculatur auf die
Arbeit von CA. Hoff mann. in Bronn 's Thierreich.
656 Wirbelthiere.
Eine grosse, in eine Menge von kleinen Bündeln, die sich an die
Dornfortsätze festsetzen, getheilte Muskelmasse, 31. longissimus
dorsi (Id), erstreckt sich längs der Mittellinie des Rückens. In der
Nähe des latissimiis dorsi sondert sich ein, hart an der Mittellinie ver-
laufendes Bündel ab (Id^). Der Muskel spitzt sich nach hinten gegen
das Becken hin zu, rundet sich mehr ab und heftet sich an die hintere
Ecke des os ileiim. Dieser Theil wurde auch als gesonderter Muskel
beschrieben: M. sacro-lumhalis oder ileo-costalis (il). Nach
innen heftet sich der Muskel an alle Rippen vom Halse bis zum Becken.
Verschiedene, als besondere Muskel beschriebene Massen (M. com-
plexus, sx^lenius, cervicalis ascendens, trachelo-mastoi-
detis, cervicalis rectus posterior und spinalis dorsi) sind
nur mehr oder minder getrennte Bündel dieser Muskelmasse, die sich
am Hinterhaupte und den Wirbelfortsätzen des ganzen Stammes in-
seriren. Die Rippen sind an ihrer Aussenfläche durch die Int er -
costalmuskeln {in) mit einander verbunden, die sich auch auf die
Bauchtheile über die Rippen hinaus fortsetzen (in^) ; auf der Innen-
fläche entsprechen ihnen die Rückziehmuskeln der Rippen,
deren an den Halsrippen befestigte Bündel mit besonderen Namen be-
zeichnet worden sind {M. longissimus colli und scalenus). Ein
sehr mächtiger Muskel, M. rectus anterior grandis (13, Fig. 285),
findet sich an der ventralen Seite der Halswirbelsäule; er verbindet
die Hämapophysen der Halswirbel mit dem Grundbeine des Schädels
und beugt den Kopf nach unten , während die dem longissimus dorsi
entstammenden Bündel den Kopf heben oder zur Seite beugen.
Ein langer, dünner Muskel, M. longissimus abdominis (lo), läuft an
der ventralen Mittellinie vom Brustbeine zum Becken.
Die Muskeln des Kopfes dienen zur Bewegung der Kiefer
und des Zungenbeines. Man hat unter den ersteren unterschieden:
den 31. mylo-liyoideus (mh, Fig. 272), der den Raum zwischen den
beiden Unterkieferhälften ausfüllt; den 31. temporalis (t, Fig. 272),
eine gewaltige, die Schläfengrube ausfüllende Masse, die sich auf allen
Flächen und Rändern des Unterkiefers in der Nähe des Gelenkes festsetzt
und den Mund schliesst; seine Antagonisten sind: der 31. di gastricus
(?', Fig. 285), der nach innen am Schlundkopfe zwei kugelförmige Vor-
ragungen bildet, die den Eingang des Schlundes verengern und end-
lich zwei 31. pterygoidei, ein äusserer und ein innerer, welche
theilweise mit dem Digastricus verschmelzen und sich einerseits an das
Flügelbein, anderseits an das Unterkiefergelenk festsetzen. Am Zungen-
beine finden sich: der 31. cerato-lateralis externus, der die
beiden Hörner des Zungenbeines mit einander verbindet; der iüf. mylo-
ceratoideus (Ji, Fig. 285), welcher den Körper und das hintere
Hörn des Zungenbeines mit dem Unterkiefer verbindet; dieMm.sterno-
hyoideus, sterno-ceratoideus und omo-hyoideus, deren
Reptilien. 657
Namen ihre Insertionen vorn an dem Zungenbeinapparate, nach hinten
an dem Brustbeine und dem Schultergürtel anzeigen. Endlich findet
sich dort der Zungenmuskel (o, Fig. 285), welcher nach hinten mit
starken Bündeln sich au dem Zungenbeine inserirt und, nach vorn aus-
strahlend, die fleischige Masse der Zunge bildet.
Die Schwanzmuskeln {q^ Fig. 272) haben die Gestalt von
Kegeln, deren Spitze nach vorn, die Basis nach hinten gerichtet ist.
Diese Kegel sind so in einander geschachtelt, dass die Spitze des hinteren
Muskels sich in den Hohlkegel des davor liegenden einschiebt. Man
kann jederseits vier Längsreihen solcher Tütenmuskeln unterscheiden;
die grösseren seitlichen Muskeln setzen sich an die seitlichen Wirbel-
fortsätze und die Schwanzrippen ; die oberen und unteren, welche weit
dünner sind, an die oberen und unteren Dornfortsätze der Schwanzwirbel.
Muskeln der vorderen Extremität. — Da die Bewegungen
dieses Gliedes ziemlich complicirt und ausgedehnt sind , so müssen
auch zahlreiche Muskeln vorhanden sein, die in ihren fleischigen Theilen
ziemlich scharf abgegrenzt sind , aber häufig mit ihren Sehnen unter
einander und theilweise auch mit der sie umhüllenden Fascie zu-
sammenfliessen. Der Schultergürtel ist sowohl in seinem Ganzen, als
in seinen einzelnen Stücken, wenn auch in beschränkter Weise, beweg-
lich. Man kann also die Gliedmuskeln, wie diejenigen des Hinter-
gliedes, in zwei Gruppen theilen, von welchen die eine specieller für
den Schultergürtel und den Oberarm, die andere für den Unterarm,
die Handwurzel und die Hand bestimmt ist. Wir geben nur die In-
sertionen an; eine genauere Beschreibung der Muskeln, die sich leicht
präpariren lassen, würde uns zu weit führen.
Muskeln des Schultergürtels und des Oberarmes. —
Es findet sich eine ziemliche Anzahl von Hebemuskeln: auf der
Aussenfläche der schon erwähnte Kappenmuskel (c», Fig. 272),
ferner der M. supra-coracoideiis, vom Rabenbein zum Humerus ;
der 31. levator scapulae., vom seitlichen Hinterhauptsbeine und
den Querfortsätzen der Halswirbel zum vorderen Rande des Schulter-
gürtels. Auf der Innenfläche: der M. costo-coracoideus zwischen
Schulterblatt und den ersten Sternalrippen und der Ji. infra-scaptt-
laris zwischen Schulterblatt und Rabenbein. Niederzieher: der
M. st e rn 0 - c 0 st ali s oder 31. serr a tus mit mehreren zackenförmigen
Bündeln zwischen Brustbein und Rippen; der 31. c o r aco-hr acht cd i s
zwischen Rabenbein und Humerus. Vorziehe r: der grosse Brust-
muskel, 31. jpecto )• al i s {p), auf der Bauchseite zwischen Sternum und
Humerus; dei\3L deltoideus zwischen Schulterblatt, Schlüsselbein
und Humerus; ein gesondertes Bündel desselben bildet den Ji. cleldo-
hiimer alis (cJli); der 31. cor aco -'brach i al is zwischen Rabenbein
und Humerus. Rückwärtszieher: der 31. teres major zwischen
Humerus und Schulterblatt; der J/. st er no -c or acoid eus zwischen
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. ao
658 Wirbelthiere.
Humerus und Rabenbein. Beuger: der M. hiceps Jongus (b) und
hiceps hrevis (b^) bedecken die ganze Beugefläche des Humerus; ihre
antagonistischen Strecker heissen Mm. anconei {an'^). Ein Roller,
der M. teres minor, erstreckt sich auf der Innenfläche zwischen
Schulterblatt und Humerus.
Muskeln des Vorderarmes, der Handwurzel und der
Hand. — Beuger: der M. flexor radialis carpi erstreckt sich
vom Humerus und Radius ziim Mittelknochen des Daumens; die Mm.
flexor es ulnares, superficialis und profundus, verlaufen auf der
Ulnarseite. Die Streckmuskeln sind zahlreicher: M. radialis
ext ernus zwischen Humerus, Radius und Carpus; der M. ulnaris
externus entspricht auf der Ulnarseite und verläuft über das Ell-
bogengelenk. Der 31. extensor commimis digitoriini longus (e)
entsteht theilweise noch am Humerus, grösstentheils an den Vorderarm-
knochen, derilJ. extensor hrevis (ec) auf dem Carpus. Beide liefern
Sehnen zu allen Fingern. Pronatoren: der 31. pronator teres
zwischen Humerus und Vorderarm; der 31. pronatoT accessorius
zwischen Radius und Carpus; der M. pronator quadratus zwischen
den distalen Enden von Radius und Ulna. Supinatoren: ein ein-
ziger zwischen Humerus und Radius. Die Finger besitzen noch beson-
dere kleine Muskelchen, die sie nähern oder spreizen : die Adductoren
werden ili". Inmlirie ales, die Abductoren Jf. interossei genannt;
Daumen und fünfter Finger haben jeder noch einen besonderen Spreiz-
muskel, 31. ahdtictor pollicis und 31. ahductor digiti quinti.
Muskeln der hinteren Extremität. — Das Becken erscheint
im Gegensatze zum Schultergürtel fast unbeweglich , besonders in
seinem oberen Theile, wo es von einer dicken Aponeurose (fljj) bedeckt
wird ; die Bewegungen der Extremität sind also mehr beschränkt, wenn-
gleich Pronation und Supination noch ziemlich ausführbar sind. Wir
erwähnen für den Abschnitt von Becken und Oberschenkel: An-
zieher und Beuger: 3I.ischio -fe m oralis (is), von der Symphyse
des Ischion zum Femur; 31. pectinatus , vom Pubis zum Femur;
31. pelvio-tibialis (il), vom Pubis zur Tibia; M. semi-nervosus,
vom Ischion zur Tibia; 31. s emi-t endin o su s mit denselben Inser-
tionen; M. ischio -tibi alis profundus {ip>), unter den vorigen mit
gleichen Ansatzpunkten; 31. vastus mit mehreren Bündeln von den
verschiedenen Beckenknochen zur Tibia. Abzieher und Strecker:
31. glutaeus maximus (fg), vom Ileum zur Fibula; 31. glu-
taeiis minor (fp), vom Ileum zum Femur; 31. il eo- tibi alis (il),
dessen Name die Insertionen bezeichnet; der 3£- femor o-caudalis .,
Mm. iscliio-coccygeus und der 31. quadratus lumborum , der
von den W^irbelfortsätzen zum Ileum geht, entsprechen den vorigen
auf den Innenflächen. Dev 31. iliacus externus (il) zwischen Becken
und Femur ist vorzugsweise Abzieher.
Reptilien. 659
Muskeln des Beines, derP^usswurzel nnd desFusses.
— Beuger: der M. plantaris (pl) , vom äusseren Schenkelböcker
zur Fusswurzel und zu allen Fingern; der 3I.flexor digitorum
perforans, von Tibia und Fibula zu den letzten Pbalaugeu der
Finger; seine dünnen Endsebnen durcbbobren die Sebnen des vorber-
gehenden Muskels; der M. flexor digitorum minor, vom Tarsus
zu den Phalangen; der M. flexor digiti quinti, vom grossen
Tarsalknocben zu der ersten Pbalange des fünften Fingers. Strecker:
der 31. ext ensor longics (eT) , vom äusseren Scbenkelböcker zu den
Mittelknocben des dritten und vierten Fingers; der M. extensor
hrevis (er), von der Tibia und dem grossen Tarsalknocben mit fünf
Bündeln zu allen Fingern ; die 3fm. g astrocnemius und tihialis
posterior zwischen Tibia und den Metatarsalknocben. Zwischen
Tibia und Fibula wirken zwei Rollmuskeln, ein proximaler, M. po-
pliteus, und ein distaler, M.peroneo-tihialis inferior. Der
Daumen bat einen besonderen Abzieher {ap) und zwischen den
Metatarsalknocben und den ersten Phalangen finden sich , wie an der
Hand, die Mm. interossei (io) und luuihrical es.
Nervensystem. — Da der Schädel die horizontale Richtung
der Wirbelsäule fortsetzt, so zeigt auch das Ce n tra In er ven System
in seiner ganzen Erstrecknng dieselbe Lagerung. Doch sieht man an
dem Gehirne die erste Andeutung der Nackeubeuge, die bei den höheren
Wirbelthieren stärker hervortritt, indem das verlängerte Mark bei
seinem Unterschlupfe unter das Kleinhirn einen nach unten convexen
Bogen bildet, der beim Beginne des Mittelhirnes ziemlich schroff in
die Höhe steigt (B, Fig. 274).
Das Rückenmark erstreckt sich bis nahe zum Ende des
Schwanzes. In der Höhe der vorderen und hinteren Extremitäten
schwillt es etwas an; hinter dem After nimmt es zusehends ab und
wird gegen das Ende fadendünn. Die Hüllen , welche das Mark in
seinem Canale umgeben, sind eine directe Fortsetzung der Hüllen des
Gehirnes, von welchen später die Rede sein wird. Auf Querschnitten
erscheint das Mark in der Schwanzgegend fast kreisrund; die beiden
Medianfurcben , welche anderwärts das Mark fast in zwei Hälften
theilen, von welchen aber die dorsale weit weniger ausgebildet ist
als die ventrale, sind in dieser Region gänzlich verwischt. Weiter
vorwärts in der Rückengegend und selbst noch am Halse erhöht sich
der dorsale Mitteltheil etwas; die Seiten kehlen sich oben und unten,
entsprechend dem Austritte der Nervenwurzeln, ein wenig aus und in
die klaffende, ventrale Spalte dringt eine Falte der Hülle ein , welche
ein Längsgefäss führt (/;, Fig. 27.3). Zugleich verwischt sich die dor-
sale Spalte stellenweise gänzlich. Bei der Annäherung an das ver-
längei'te Mark zeigen die Querschnitte wieder einen runden Umriss.
Das Mark wird seiner ganzen Länge nach von einem sehr feinen
42*
660
Wirbeltbiere.
Mediillarcanal (n, Fig. 273) durclizogen , der leiclit überseben
werden könnte, wenn er nicht mit ziemlich grossen Cylinderzellen aus-
gekleidet wäre, die eine radiäre Stellung zeigen. Unter sehr starken Ver-
grösserungen sieht man auf ihrem freien Ende feine Granulationen, die
von einer coagulirten Flüssigkeit, vielleicht auch von winzigen Wimpern
herrühren mögen. Um den Centralcanal ist die graue Substanz (gp)
angesammelt, deren Conturen zwar etwas verschwommen sind, aber unter
schwachen Vergrösserungen gegen die weisse Substanz deutlicher her-
vortreten. Auf Querschnitten hat sie die Gestalt eines liegenden Kreuzes,
Fig. 273.
Lacerta viridis, jung. — Querschnitt des Rücljenmarlies in der Halsgegend. Gundl.
Oc. 1, Obj. 2. Camera clara. Die Nebentlieile und die linke Seite des Markes
wurden nur in Conturen dargestellt, a, Wirbelkörper ; h, unvollkommen verknöchertes
Centrum desselben; c, Querfortsätze des Wirbels; d., Neurapophyse ; e, mit Knorpel
gefüllte Lücken ; /, schwarzes Pigment auf der Aussenfläclie der äusseren Hülle _(/
{Dura mater); h, untere Furche des Markes, in welche eine Falte der Dura mater
sich einschlägt, die auf ihrem Gipfel ein Gefäss trägt; i, weisses dorsales Feld;
h, Seitenfeld; /, ventrales Feld; m, Rückenfurche des Markes; in^, Rindensubstanz
und innerste Hülle; «, Centralcanal; o, obere helle Fortsetzung des ventralen Feldes;
p, grauer Kern; p^, seine ausstrahlenden, faserigen Fortsetzungen; q, obere Nerven-
wurzel, austretend; q^, abgeschnittene, im Austrittsloche steckende obere Wurzel;
r, Riesenzellen; .s, Durchschnitte von Blutgefässen.
Reptilien. 661
dessen untere Schenkel stärker entwickelt sind. Die graue Substanz
besteht aus Zellen und Fasern. Von ersteren finden sich zwei Modi-
ficationen: grosse Zellen (>"), die hauptsächlich seitlich in der Nähe
des Centralcanales liegen, und kleinere, überall in der Masse zerstreute
Zellen. Die grossen Zellen, die man auch Riesenzellen nennen könnte,
sind rund oder länglich, mit zwei oder drei Ausläufern versehen, und
zeigen in einem scharf begrenzten Kerne einen Nucleolus, der sich mit
Boraxcarmin stark färbt. Die Fasern der grauen Substanz verlaufen
bündelweise vom Centrum gegen die Peripherie hin. Die weisse Sub-
stanz (/, l; 1) lässt vier Felder oder Stränge unterscheiden , die nur
unvollständig durch die Schenkel der grauen Substanz getrennt werden ;
zwei Seitenstränge, einen dorsalen und einen ventralen Strang, der
durch die erwähnte Falte der Hüllen , welche bis in die Nähe des
Centralcanales vordringt, in zwei Hälften geschieden wird. Die Form-
elemente dieses ventralen Stranges sind wenig zahlreich und gewisser-
maassen in einer Flüssigkeit aufgeschwemmt, welche durch die Rea-
gentien gerinnt. Aus diesem Grunde erscheint dieser Strang heller
als die übrige weisse Substanz.
Das Gehirn (Fig. 274, 275) füllt die Schädelhöhle nicht voll-
ständig aus. Wir unterscheiden an ihm dieselben Haupttheile, wie
beim Frosche (S. 572).
Das verlängerte Mark (ma, Fig. 274, 275) entsteht aus dem
nach vorn sich fortsetzenden Rückenmarke , das , wie wir sahen , auf
Querschnitten kreisförmigen Umriss zeigt mit dem Loche des Central-
canales in der Mitte. Der den Canal bedeckende dorsale Strang
schwindet allmählich bei Annäherung zum verlängerten Marke, 'die
beiden Ränder des Canales klaffen mehr und mehr und so bildet sich
nach und nach eine dreieckige Grube, die Rauten grübe (fr, Fig.
274), aus, deren Spitze nach hinten gerichtet ist, während die Basis
des Dreiecks von dem Kleinhirne überdeckt wird. Die Grube wird
von den Hirnhüllen ausgefüllt , setzt sich aber nach vorn in einen
weiten Canal, den vierten Ventrikel, fort, der also eine Verlängerung
des Rückenmarkcanales darstellt.
Die seitlichen Lippen der Rautengrube erheben sich allmählich,
um die Net z stränge {Corpora resfiformia), zu bilden, welche die
Basis des Kleinhirnes herstellen.
Das Kleinhirn (c) ist eine dünne, leicht S-förmig gebogene
Lamelle, welche mit ihrer Basis vorn mit dem Hinterrande des Mittel-
hirnes zusammenhängt, während der freie Hinterrand die Rautengrube
theilweise bedeckt. Der Boden des Kleinhirnes (p) bildet eine Art
Brücke über den vierten Ventrikel.
Das Mittelhirn (ch) stellt bei der Ansicht von oben zwei ei-
förmige Massen dar, welche durch eine tiefe Längsfurche getrennt
sind und die man auch die Zwillingskörper (Corpora higemina) genannt
662
Wirbelthiere.
hat. Sie werden von zwei starken Fasermassen, den Hirnschenkeln
{pc, Fig. 274:, B) getragen, welche so den Boden des Mittelhirnes her-
stellen und zwischen welchen und den Zwillingskörpern die Fort-
setzung des Centralcanales, die Sylvi'sche Wasserleitung, sich er-
streckt.
Vor dem Mittelhirne liegt das Zwischenhirn (th,Fig. 275), das
bei erwachsenen Thieren nur durch Sagittalschnitte zur Anschauung
gebracht werden kann, weil es von den hinteren Theilen der Hemi-
Fio-, 274.
72y e-
A C
Lacertu oceUata. — Das isolirte Gehirn in doppelter Vergrösserung. A, dorsale An-
sicht; B, Profil; C, ventrale Ansicht, h, Hemisphären; c&, Mittelhirn {Corpora biye-
mina); c, Kleinhirn; e, Epiphyse;^Ä, Zwischenhirn; h, Hypophyse; ma, verlängertes
Mark ;_/)■, Kautengruhe ; me, Rückenmark; pr, Hirnschenkel ; ol, Riechnerv; op, Seh-
nerv; oc, Oculomotorius ; fr, Trochlearis ; t, Trigeminus ; /, Facialis; ab, Abducens ;
ac, Acusticus ; gl, Glossopharyngeus ; v, Vagus; /(.?/, Hypoglossus.
Sphären vollständig überwölbt und verdeckt wird. Das Zwischen-
hirn ist eine hohle Blase , dessen innere Höhle , der dritte Ventrikel,
nach hinten mit der Syl vi' sehen Wasserleitung zusammenhängt. Die
Eeptilien. 663
dorsale Decke des Zwisclaenhirnes entsendet gegen das Schädeldach eine
conische Ausstülpung, die Epiphyse (e) ; aus dem Boden der Höhle
senkt sich eine Ausstülpung von ähnlicher Form gegen die Mundhöhle
hinab, der Hirntrichter, Infundibuhtm (in, Fig. 275), welche in
einer etwas verlängerten dichten Masse, der Hypophyse (hy), endet.
Die Epiphyse von Lacerta besteht aus zwei scharf getrennten
Theilen , dem röhrenförmigen Stiele und dem Aussenorgane. Zur ge-
naueren Untersuchung verfertigt man feine, sorgfältig gefärbte Schnitte
an jungen Exemplaren; bei älteren Thieren muss man zuvor die
Knochen entkalken, aber die zu diesem Behufe anzuwendenden Säuren
verändern sehr die feineren Structurelemente. Bei erwachsenen In-
dividuen stellt sich die Epiphyse (e, Fig. 274, A) als ein bogenförmig
gekrümmter, sehr verlängerter Hohlkegel dar, der aus zwei an ein-
ander liegenden, aber vollständig getrennten Canälen besteht. Der
engere, vordere Canal, der von dem Pallium herrührt, zeigt gewellte,
aus runden oder cylindrischen Zellen gebildete Wände, in welchen
zahlreiche Blutgefässe verlaufen. Der Canal setzt sich nach unten in
die Choroidalplexiis der Seitenventrikel der Hemisphären fort. Der
hintere Canal, dessen Wände aus mehreren Schichten kleiner, runder
Nervenzellen gebildet sind, zeigt an seinem, dem Schädeldache an-
gelagerten Ende eine längliche Aushöhlung.
Das Aussenorgan (Fig. 266), welches bei Hatteria ein wahres
Scheitelauge wird, ist bei Lacerta vollständig von dem röhrigen Stiele
getrennt und steht demnach durchaus in keiner Verbindung mit dem
Hirne. Das Organ liegt ausserhalb der Hirnhüllen in einer Ein-
senkung des Schädeldaches; es bildet eine von oben nach unten ab-
geplattete Kapsel (g, Fig. 266), deren dorsale Deckwand durch die Ver-
längerung der sie bildenden Cylindei'zellen , die an ihrer Basis einen
eiförmigen Kern tragen, sehr verdickt erscheint; man hat diesen Theil
die Krystalllinse genannt. Der Boden der Kapsel (f) zeigt zwei
oder drei auf einander lagernde Schichten von Zellen mit grossen,
eiförmigen Kernen und auf der der Kapselhöhle zugewendeten Fläche
eine dichte Schicht schwarzen Pigmentes, die zuweilen durch eine
secundäre Lücke (s) von den Zellenschichten getrennt erscheint.
Das Vorderhirn (//, Fig. 274) besteht aus zwei, durch eine
tiefe Längsfurche von einander getrennten eiförmigen, hohlen Hemi-
sphären, die sich nach vorn in die Riechnerven verlängern. Die in
ihrem Inneren angebrachten Seiten ventrikel (e/, Fig. 275) communi-
ciren nach hinten durch das Mo uro 'sehe Loch mit dem im Zwischen-
hirne gelegenen dritten Ventrikel; nach vorn setzen sie sich weit in
die Riechnerven fort. Die Gewölbedecke der Hemisphären, das Pallium
{h, Fig. 275), zeigt den Fischen gegenüber einen wesentlichen Fort-
schritt. Es besteht nicht mehr aus einer einfachen Schicht von Epi-
thelialzellen, sondern aus drei Lagen, einer äusseren und inneren von
664
Wirbelthiere,
faseriger Structur , zwischen welchen eine Schicht von Nervenzellen
sich findet, so class das Gewölbe weit dicker und fester erscheint. Die
innere Schicht ist mit einem Endothelium von runden Wimperzellen
ausgekleidet. Der Boden einer jeden Hemisphäre verdickt sich be-
deutend und schwillt zu einem mächtigen Ganglion an , welches den
Hohlraum des Ventrikels fast gänzlich ausfüllt. Diese Ganglien sind
die Streifenkörper, Corpora striata (es, Fig. 27 6). Vor den Streifen-
körpern sind die Hemisphären durch die vordere Quercommissur
mit einander verbunden. Auf der ventralen ünterfläche der Hemi-
sphären findet sich das Chiasma der Sehnerven (oj), Fig. 274, C);
die "Wurzeln dieses Gebildes lassen sich in dem Boden bis zum
Zwischenhirn verfolgen. Endlich verlängert sich die Basis ohne
scharfe Grenze in die hohlen Riechnerven (o?, Fig. 274 ; no,Fig.275),
Lacerta viridis, jung. — Sagittalsclinitt des Kopfes, der die senkrechte Scheidewand
der Augen- und Nasenhöhlen gerade streift, unter der Liipe mit der Camera clara
gezeichnet, mii, Nackenmuskeln; ap, Dornfortsätze; cv, Wirheikörper; oe, Oeso-
phagus; ta, Luftröhre; p, Boden des vierten Ventrikels; 7iy, Hypophyse; la, Kehl-
kopf; 2^1, Decke der Mundhöhle b ; onus, Kaumuskel; l, Zunge; m, Unterkiefer;
y, Jacob son'sclves Organ; no'^, sein Nerv; no, Riechnerv; c/, Scheidewand der
Augenhöhlen; vi, Seitenventrikel der Hemisphäre; es, Corpus siriatum; h, Dach der
Hemisphäre; ih, Zwischenhirn ; e, Epiphy'se ; im, Infundibulum ; o, Schädelhöhle;
c, Kleinhirn; /■/•, Rautengrube; ma, verlängertes Mark.
die zwar etwas angeschwollen sind, aber keinen deutlichen Riechkuoten
bilden.
Wir können in Einzelheiten über den histologischen Bau des Ge-
hirnes, seine Faserzüge und grauen Knoten hier nicht eintreten,
müssen aber Einiges über 'die Hüllen und die Gefässnetze, welche in
Eeptilien. 665
die inneren Höhlungen (Plexus choroidei) eindringen , zufügen. Man
untersucht diese Bildungen am besten auf Längs- und Querschnitten,
die sehr jungen Eidechsen entnommen sind.
Wir sehen, dass der Centralcanal sich bei der Annäherung gegen
die verlängerte Dorsalfläche erhebt, um schliesslich auf dieser sich zur
Rautengrube {fr) zu erweitern und zu öffnen. Da die Basis des ver-
längerten Markes sich etwas senkt, um die Nackenbeuge zu bilden, so
erhält die Rautengrube eine ziemliche Tiefe , während zugleich ihre
von den Netzsträngen gebildeten Lippen sich einbiegen, um schliesslich
unter den Kleinhirnschenkeln sich zu einer Brücke über die Höhlung
zu schliessen, die sich nun in Form eines plattgedrückten und seitlich
verbreiterten Canales fortsetzt, der den Namen des Sylvi'schen Äquä-
ductes trägt. Beim Uebergange in das Mittelhirn, wo der Nervus
troclilearis wurzelt, erreicht die Zusammendrückung des Canales den
höchsten Grad ; er bildet nur noch eine horizontale Spalte. Unter der
hinteren Wölbung des Mittelhirnes rundet er sich ab und schickt in
die beiden Seitentheile des Mittelhirnes Divertikel, so dass Querschnitte
in dieser Gegend den Canal in Gestalt eines V mit seitlich erweiterten
Schenkeln sehen lassen. Beim Uebergange in das Zwischenhirn ver-
schwinden die seitlichen Divertikel und es bleibt nur ein feiner Central-
canal, das Monro'sche Loch. Aber hier treten zwei neue Bildungen
auf: die Austiefung auf dem Boden des Hirntrichters (?'w,Fig. 275),
der zu der compacten Zellenmasse der Hypophyse führt, und der Ab-
gang von dem Dache des äusserst feinen Canales, welcher sich in der
Ausstülpung der Epiphyse der Länge nach hinzieht. Zu diesen Bil-
dungen gesellt sich noch, weiter nach vorn, die Bildung einer verti-
calen Längsspalte, der Hirnspalte, welche von unten her eiudi'ingt
und den Centralcanal erreicht. Von oben her senkt sich, dieser Spalte
entgegenkommend, die Spalte, welche die beiden Hemisphären trennt;
aber in dem Augenblicke, wo diese dorsale Spalte die ventrale Hirn-
spalte erreicht, schliesst sich diese durch die Ausbildung der vorderen
Commissur. Auf Querschnitten dieser Gegend sieht man dann die
Seitenventrikel, welche vor dem Centralcanale abgehen, aber fast gänz-
lich von den bis zu ihrer Decke sich erhebenden Streifenkörpern aus-
gefüllt werden. Die Seitenventrikel setzen sich dann , wie schon ge-
sagt, in die hohlen Riechnerven fort.
Fassen wir diese Resultate zusammen, so sehen wir, dass die Hirn-
höhlen aus einem Mittelcanale bestehen , dessen verschiedene Stücke
der Sylvi'sche Aquäduct, das Monro'sche Loch und der dritte
Ventrikel sind; dass dieser Mittelcanal nach oben und unten senk-
rechte Divertikel in den Hirntrichter und die Epiphyse entsendet, dass
er sich durch die grossen Hirnspalten vorn und die Rautengrube
hinten in die Schädelhöhle öffnet und ausserdem in das Mittelhirn und
die Hemisphären seitliche Ausbuchtungen schickt.
666
Wirbeltliiere.
Die Hüllen des Gehirnes bestehen aus den drei unter dem Namen
Dura maier, Araclmoldea und Pia mater bekannten Häuten. Erstere
ist zugleich Periost ; sie hängt den Knochen , welche die Schädelhöhle
umschliessen, fest an. Die inneren Häute dringen durch die erwähnten
Spalten in die inneren Hirnhöhlen ein ; im vierten Ventrikel zeigt sich
der Plexus choroideus wie ein vielfach gefaltetes Tuchband; die anderen
Plexus haben einfachere Form. Ueber die ganze Erstreckung dieser
riff. 276.
Lucerta viridis. — Schema /.weier Spinal-
nerven in vierfacher Yergrösserung. o,
ventrale Wurzel : b, dorsale Wurzel ; c, ihr
Ganglion; d, oherflächlicher dorsaler Ast
von /; e', kleiner dorsaler Ast ; /, gemein-
samer ventraler Stamm ; g, tiefer Seiten-
ast; /?., oberflächlicher ventraler Zweig;
i, tiefer ventraler Zweig ; Tc, vorderer
Zweig von h ; l, ventrale Fortsetzung des
Nerven li- m, Zweig zum Bauchfell.
Hirnhüllen ist reichliches braunes
Pigment in Körnern zerstreut.
Peripherisches Nerven-
system. — Bis zum Becken zählt
man 29 Paare von Spinalnerven,
die längs des Stammes in regel-
mässigen Abständen auf einander
folgen und dieselbe Anordnung, die-
selben Zweige und Beziehungen zu
einander zeigen. Etwas abweichend
verhalten sich die zu den Extremi-
täten gehenden Nerven , die bedeu-
tender als die anderen sind und
durch Anastomosen die Arm- und
Beingeflechte bilden. Wir behan-
deln sie besonders.
Jeder Spinalnerv bildet sich aus
zwei Wurzeln ; einer dorsalen , sen-
sitiven und einer ventralen , moto-
rischen (Fig. 276). Die dorsale
Wurzel (b) schwillt bald zu einem
kleinen , spindelförmigen Ganglion
(c) an, das der ventralen Wurzel (a)
fehlt. Der aus der Vereinigung
beider Wurzeln hervorgehende Nerv
theilt sich sofort in zwei Aeste,
einen kleineren dorsalen (e') , der
sich unmittelbar in die längs der
Wirbelsäule angebrachten Muskeln
verzweigt und ausserdem einige
Zweiglein an die Haut des Rückens
abgiebt. Der ventrale Ast (/) ver-
läuft schief nach unten und hinten
in paralleler Richtung mit den Rip-
pen in den Muskellagen eines Zwi-
schenrippenraumes. Nach kurzem
Verlaufe entsendet dieser Ast von
Reptilien,
667
Fig. 277.
X\T1 XVlIi XIX
seinem vorderen Eande einen kurzen Zweig (d) in die oberflächlichen
Rückenmuskeln, sodann von seinem hinteren Rande einen anderen
Zweig (g) in die tieferen Muskelschichten der Seite. Der Hauptast (/)
setzt seinen Weg nach Abgabe dieser Zweige in der angegebenen Rich-
tung fort, theilt sich aber, etwa in der Höhe der Körpermitte, in zwei
Zweige von gleicher Stärke, einen oberflächlichen und einen tiefen
Zweig. Ersterer (h) läuft noch eine Strecke parallel mit der ent-
sj)rechenden Rippe , schickt aber dann ein äusserst feines Bündel (ni)
in schiefer Richtung nach hinten, das unter dem folgenden Spinal-
nervenpaare hinzieht und auf der Oberfläche des Bauchfelles mit den
Endästen der benachbarten
Nerven zarte Geflechte bil-
det. Im weiteren Verlaufe
theilt sich der Zweig h aufs
Neue in einen ziemlich
kurzen vorderen Ast (A'),
welcher die oberflächlichen
Muskeln der Seite versorgt
und in einen dickeren
Zweig (?), der in die ober-
flächlichen Muskeln der
Bauchfläche sich verzweigt.
Der Stamm i verfolgt seinen
Lauf nach hinten und unten,
geht unter den Nerven k
und l durch und verästelt
sich in den tiefen Seiten-
rauskeln bis zur Mittellinie.
Schenkelgeflecht
(Fig. 277). — Zur Bildung
dieses, in der oberen Schen-
kelgegend liegenden Plexus
tragen diejenigen Nerven-
paare bei, welche die Nrn.
XV bis XIX tragen. Nach
kurzem Verlaiife vereinigen
sich Nr. XIX, XVIII und
ein Ast von XVII zu einem
kurzen Stamme , aber vor
der Vereinigung schickt
Nr. XIX einige Aeste (1) nach hinten zu den Muskeln der Schwanzwurzel
und der Hinterfläche des Schenkels. Von dem durch die Vereinigung der
drei genannten Nervenpaare gebildeten gemeinsamen Stamme gehen nach
hinten drei bedeutende Nerven ab : der hinterste, Nervus öbtnrafnrhis (2),
Lucerta ocellatu. — Schema des Sclienkelgeflechtes
iu natürlicher Grösse. XV bis XIX, Spinalnerven;
1, Schwanznerven; 2, N. obturatorius ; 3, N. crura-
lis ; 4, N. ischiaticus ; 5, sein Zweig zu den Beuge-
muskeln; 6, Zweig zu den Rollmuskeln; 7, Ver-
bindungszweig zwischen Nr. XVII und XVI ; 8, ober-
flächliche Zweioe , 9, tiefe Zweite.
668
Wirbeltliiere.
rig. 278.
der zugleich der kürzeste ist, verzweigt sich in den hinteren und
inneren Schenkelmuskeln; der zweite, N. eruralis (3), schmächtiger als
der folgende, versorgt die Streckmuskeln auf der vorderen Fläche des
Beines und des Fusses; der dritte und mächtigste, N. iscMaticus (4),
verläuft längs dem Femur in der Tiefe zwischen den Beugemuskeln
des Schenkels, denen er Zweige ab-
giebt, theilt sich am Kniegelenk in
zwei gleich grosse Aeste (5), von
welchen der eine auf der Beuge-
seite des Gliedes bis zu den Beuge-
muskeln der Finger sich verbreitet,
während der andere (6) in scharfem
Bogen nach vorn zieht und die
Rollmuskeln zwischen Tibia und
Fibula versorgt. Das XVII. Nerven-
paar theilt sich unmittelbar nach
seinem Austritte; sein Hauptstamm
vereinigt sich mit dem von Nr. XIX
und XVIII gebildeten gemeinsamen
Stamme, während ein vorderer Ast
(7) zu dem XVI. und mittelst dieses
zu Nr. XV sich begiebt. Von diesem
Theile des Geflechtes gehen Zweige
ab, welche (8) zu den vorderen und
oberflächlichen Muskeln des Schen-
kels sich begeben , während die
übrigen (9) die tiefen Muskeln des
Oberschenkels verbergen.
Armgeflecht (Fig. 278). —
Die an diesem Plexus theilnehmen-
den Spinalnerven haben die Nrn. VII,
VI, V und IV. Sie bilden durch
Convergenz ein Netz, dessen Verbin-
dungsfäden in ihren gegenseitigen
Beziehungen bei den einzelnen In-
dividuen sich nicht ganz gleich ver-
halten. Der hinterste Nerv, Nr. VII,
verläuft an der Seite nach unten
und erhält in der Höhe des Schulter-
gelenkes einen Verbindiingszweig
(b^) vom VI. Nerven. Die Vereini-
gung dieser beiden Nerven bringt
eine Erweiterung hervor, von wel-
cher nach unten zwei Aeste aus-
Lacerta oce/luta. — Schema des Arm-
geriechtes in natürlicher Grösse. IV bis
VII, Spinalnerven ; a, gemeinsamer Nerv
zwischen VI und VII ; a t, äusserer Zweig;
a^, vorderer Zweig ; b^, Verhindungszweig
zwischen VI und VII ; i^, zwischen VI
und V ; b^ bis b^, Armnerven ; c^, Ver-
bindungszweig zwischen V und VI ; c, ge-
meinsamer Stamm von V und IV ; c^,
hinterer Ast ; c* , Verhindungszweig
zwischen beiden ; c^, vorderer Ast des ge-
meinsamen Stammes ; e, vorderer Zweig
von IV ; s, Sympathicus ; s^, sein Ver-
bindungszweia; mit VII.
Reptilien. 6G9
strahlen. Der eine (a^) verläuft auf der Aussenseite des Gliedes und
versorgt auf seinem Wege die benachbarten Streckmuskeln des Armes,
der Handwui-zel und der Finger. DerXerv fl- verläuft anfangs parallel
dem vorigen, schlägt sich dann auf die Vorderseite des Gliedes, ver-
sorgt die dortigen Muskeln und endet in den Muskeln, welche an der
Innenfläche der Handwurzel und der Finger angebracht sind. — Der
Nerv Nr. VI verläuft bis zum Arme und gabelt sich dann in einen
hinteren Verbindungszweig (5^) zum Nerven Nr. VII und einen vor-
deren Ast (b-), der nach kurzem Laufe einen kurzen Verbindungszweig
(c^) zu der aus der Vereinigung der Nerven Nr. V und IV hervor-
gehenden Anschwellung (b^) abgiebt. Aus dieser Anschwellung strahlen
zwei Nerven (&* und 7^-') aus, welche sich in den Muskeln um den Hn-
merus verzweigen. Der Nerv h'^ hat noch einen feinen Verbindungs-
zweig (b-^) zu dem Nerven a. Die Nerven Nr. V und IV vereinigen
sich sehr bald in einer etwas verdickten Stelle, von welcher wieder
zwei Nerven ausgehen : ein Verbindungsast (c^) zu dem Nerven b und
ein dickerer vorderer Ast (c^), welcher sich bald gabelt. Die beiden
Gabeläste (c^ und c'') sind durch eine kleine Quercommissur (c^) mit
einander verbunden. Der hintere Ast verschmilzt mit dem Nerven b-,
der vordere verzweigt sich in den Muskeln an der oberen Hälfte des
Armes. — Der Nerv Ni*. IV entsendet bald nach seinem Austritte aus
dem Rückencanal einen Zweig, der in schiefer Richtung nach vorn ver-
läuft und sich in den Muskeln des Halses verzweigt.
Die Hirn nerven (Fig. 278, 279) zeigen, den Amphibien gegen-
über, wesentliche Fortschritte auf, indem einerseits der Hypoglossus
sich gänzlich von den Spinalnerven losgelöst hat und anderseits der
Accessorius ebenfalls, wenigstens in seinen Wurzeln, sich deutlich
kennzeichnet.
Der Hypoglossus (XII, Fig. 279) entspringt auf der ventralen
Fläche des verlängerten Markes nahe an der Mittellinie, ziemlich weit
nach hinten. Wir konnten auf unserer schematischen Figur nur seine
abgeschnittenen Wurzeln anbringen, ohne seinen Verlauf darzustellen.
Der Nerv verlässt die Schädelhöhle durch ein kleines, nahe beim Gelenk-
höcker angebrachtes Löchelchen des seitlichen Hinterhauptsbeines. An-
fangs verläuft er längs dem Halse, schlägt sich aber dann plötzlich nach
vorn und zersplittert sich in mehrere Aeste, welche die Zweige des
Vagus kreuzen und sich im Pharynx, in der hinteren Rachenhöhle und
in den Zungenmuskeln verzweigen. Da nun diese Zweige der Mund-
schleimhaut hart anliegen , so hätten sie auf unserer , der Innenfläche
entnommenen Zeichnung alle übrigen Nervenäste gekreuzt u.nd so eine
Verwirrung erzeugt, die wir vermeiden wollten.
Die Vagusgruppe schliesst die Elemente des N. accessorius
Willisii, des Vagus und des Glossopharyngeus in sich ein. Diese drei
Nervenpaare sind so eng mit einander verfilzt, dass man nicht mit
670
Wirbelthiere.
Sicherheit von einem aus dem Gewirre hervortrenden Nerven sagen
kann, welchem Stamme er eigentlich angehört.
Die dem Accessorius (XI,' Fig. 279) entsprechenden Wurzeln
treten auf der Seitenfläche des Markes in einer horizontalen Längslinie
in der Art aus, dass die hinterste dieser Wurzeln, die zugleich die
längste und mächtigste ist, fast in der Höhe des ersten Spinalnerven
ihren Ursprung nimmt. Sobald die Wurzel diirch die übrigen feinen
Würzelchen zusammengestellt ist, verbindet sie sich mit den Wurzeln
des Vagus, nicht ohne vorher einen ziemlich langen Verbindungsast
zum Sympathicus zu entsenden.
Die dem eigentlichen Vagus (X) zuzutheilenden Wurzeln sind
äusserst zart und lösen sich sehr leicht von der Seitenfläche des ver-
längerten Markes ab, wo sie ihren Ursprung nehmen. Sie vereinigen
Fig. 279.
■hy hy TV XU
a^ ^
Lacerta ocellaia. — Schema der Kopfnerveii in doppelter Grösse. Der Kopf und der
Hals sind durch einen von der Bauchfläche aus geführten medianen Sagittalschnitt bis
zur Schädelbasis und der Wirbelsäule gespalten und die Schädelknochen und Wirbel-
körper entfernt worden , um das Rückenmark und das Gehirn in einfachen Conturen
von der unteren Fläche zu zeigen. Die Nerven sind als von der inneren Seite ge-
sehen zu betrachten. I, Riechnerven ; II, Sehnerven ; III, Oculomotorius ; IV, Troch-
learis; V, Trigeminus; VI, Abducens ; VII, Facialis; VIII, Acusticus, abgeschnitten;
IX, Glossophaiyngeus ; X, Vagus; XI, Accessorius; XII, abgeschnittene Wurzeln des
Hypoglossus ; 1 bis 7, Spinalnerven; m, Rückenmark; s, Sympathicus; j)!, Plexus
brachialis ; a, Ophthalmicus des Trigeminus; 6, Maxillaris ; c, Mandibularis; It, Hirn-
hemisphären ; hy, Hypophysis.
sich zu einem Stamme, der an der Seite des Halses herabläuft, sich
aber bald in zwei Aeste theilt. Von dem vorderen dieser Aeste geht
bald ein Zweig nach hinten ab, der sich in den Muskeln verzweigt,
welche das Hinterhaupt mit der venti^alen Fläche der Halswirbelsäule
Reptilien. 671
vex'biaden. Etwas weiter unten geht ein kurzer Yerbindungszweig zu
dem Sympathicus und Glossopharyngeus. Sodann läuft der Nerv nach
hinten und gelangt in die Nähe der von dem Armgeflecht gebildeten
Verzweigungen. Von diesem Punkte aus sendet er, als Eingeweide-
nerv, ausserordentlich feine Zweige zum Herzen und zum Magen,
ausserdem aber auch einen zurücklaufenden Nerven, der, auf der Yentral-
seite des Halses neben der Liiftröhre nach vorn verlaufend, bis zur
Symphyse des Kinnes sich verfolgen lässt. Dies ist der N. laryngeus
inferior. — Der andere Gabelast des Vagus verbindet sich mit dem
Accessorius zu einer länglichen Anschwellung, von deren unterem Ende
zwei Aeste ausgehen , ein dicker vorderer , leicht zu verfolgender Äst,
der längs dem vorderen Hörne des Zungenbeines zur Ventralseite des
Halses hinabsteigt und in der Kinngegend sich an die M. cercdo-hyokleus
externus und internus, sowie an die Zunge selbst verästelt. Der hin-
tere Ast läuft dem hinteren Zungeubeinhorne entlang und verästelt
sich in dem M. thoraco-hyoideus.
Der Glossopharyngeus (IX) entspringt seitlich am verlänger-
ten Marke kurz hinter dem Hörnerven als feiner Faden, der längs des
Halses , parallel mit dem Vagus, zur ventralen Fläche hinabsteigt und
sich in den Muskeln verzweigt, welche die Zungenbeinhörner mit ein-
ander verbinden. Etwa im oberen Drittel seiner Erstreckung schwillt
er zu einem kleinen, birnförmigen Ganglion an, von welchem nach
vorn ein kurzer Verbindungszweig zur Facialis, nach hinten ein eben-
falls kurzer, aber weit dickerer Verbindungszweig zum Sympathicus
abgehen.
Der Acusticus (VHI) entspringt ebenfalls an der Seitenfläche
des verlängerten Markes unmittelbar vor dem vorigen. Er ist nur
sehr kurz und theilt sich noch in seinem Austrittsloche im Felsenbein
in zwei Aeste, den N. cochlearis und -V. vestibularis, mit deren Ver-
zweigungen wir uns bei "Gelegenheit des Hörorganes beschäftigen
werden.
Die Wurzel des Facialis (VH) lässt sich von derjenigen des
Acusticus nicht trennen. Der selbständig gewordene Nerv läuft unter
dem vorderen Zweige des Hörnerven durch und erhält sodann den
erwähnten Verbindungszweig vom Glossopharyngeus. Am Tegument
der Seite des Halses angelangt, theilt er sich in zwei Aeste, deren einer
sich nach vorn schlägt, in den Kaumuskel eindringt und weiter sich in
den Unterkiefer fortsetzt, wo er in eine Menge pinselförmig aus-
strahlender Fädchen sich auflöst, die den M. myJo-hyijuJeus versorgen,
während der hintere Ast die oberflächlichen Muskeln der Halsseite
versorgt.
Der Abducens (VI, Fig. 279; ah, Fig. 280) entspringt auf der
ventralen Fläche des verlängerten Markes, gerade unter dem Klein-
hirne. Er verläuft in der Schädelhöhle horizontal neben dem Gehirne,
672
Wirbelthiere.
dann an dem Gasser' sehen Knoten vorbei und verzweigt sich mit
mehreren Fädchen in dem geraden, äusseren Augenmuskel.
Der Tr ige minus (V, Fig. 279; t, Fig. 280) verlässt das ver-
längerte Mark etwas unter und vor dem Acusticus mit schiefer Rich-
tung nach vorn. Er giebt sofort einen starken Ast ab, den N. opMlial-
micus (a), der sich horizontal nach vorn richtet. Der Stamm schwillt
sodann zu einem bedeutenden Ganglion an, dem Ganglion Gasseri
(r/G), au welchem der Ophthalmicus keinen Antheil nimmt, aus
welchem aber zwei andere Aeste hervortreten , der N. maxillaris (h)
und der N. mandibiüaris (c).
Der N. ophthalmicus {t^, Fig. 280) läuft in horizontaler Rich-
tung gegen den Augapfel hin, wo er sich in zwei Aeste theilt, einen
oberen Stirnast {f^), welcher an der Decke der Augenhöhle hin-
streicht und die dortigen Organe versieht, und einen unteren Nasen -
ast {t'^) , der an dem Grunde der Orbita nach vorn verläuft in fast
Fio-. 280.
Lacerta viridis. — Schema der Augennerven, in vierfacher Vergrösserung. oe, Um-
riss des Augapfels; t, Wurzel des Trigeminus ; g G, Ganglion Gasseri ; t^, Augenast
des Trigeminus; if^, Oberkieferast; fi, Unterkieferast desselben; t^, Stirnzweig; t^,
Nasenzweig des Augenastes; d, Zweig des Nasenastes zum Augapfel; <r, Trochlearis;
o, Oculomotorius ; c, sein Ciliarast; g c, Ciliarganglion ; g, Verbindungszweig vom
Nasenaste des Trigeminus zum Ciliarganglion; o^, mittlerer Ast des Oculomotoi-ius ;
0^, sein unterer Ast; o^, Zweig zum inneren geraden Augenmuskel; ah, Abducens.
horizontaler Richtung, zuerst einen feinen Zweig {g) zum Ciliarknoten
und dann einen noch weit feineren (d) abgiebt, der in die Hinterfläche
des Augapfels selbst eindringt. Der Nerv ist von dem oberen rechten
Augenmuskel bedeckt. Nach Durchsetzung der Orbita durchbricht er
die vordere Scheidewand derselben und verzweigt sich in den Um-
gebungen der Nasenkapsel.
Der starke N. maxillaris (b, Fig. 279) verläuft fast horizontal.
Er theilt sich in mehrere Aeste. Der stärkste tritt in den Oberkiefer
selbst ein , um sich in der Mundschleimhaut und den Zähnen zu ver-
theileu; die anderen gehen zur Haut der Wangengegeud.
Reptilien. 673
Der N. mandibul ari s (c, Fig. 279) verläuft von oben nacli
unten. An dem Unterkiefer angelangt, dringt er in dessen innere
Aushöhlung ein, durchsetzt den Kaumuskel in seinen inneren Bündeln
und folgt der Rinne des Untei-kiefers bis zum Kinn, indem er durch
die Abgabe zahlreicher Aestchen an Schleimhaut und Zähne stets dünner
und schmächtiger wird. Der Hauptnerv entsendet bald nach seinem
Austritte aus dem Gass er' sehen Knoten zwei x\este, einen zu dem
Kaumuskel, welcher sich bald gabelt, und einen anderen, ansehn-
licheren, der sich etwas nach oben und hinten schlägt, um sieh in der
Schleimhaut des Daches der Mundhöhle zu verzweigen.
Der Trochlearis oder Patheticus (IV, Fig. 279; fr, Fig.
280) entspringt als sehr dünner Nerv auf der dorsalen Fläche des
Hirnes an der Grenze zwischen Mittelhirn und Kleinhirn. Er ver-
läuft in horizontaler Richtung an der Seite der Hemisphären, dringt in
die Augenhöhle, indem er den Augenast des Trigeminus kreuzt und
verzweigt sich in dem oberen schiefen Augenmuskel.
Der 0 cul om 0 torius (III, Fig. 279; o, Fig. 280) entspringt an
der Unterfläche der Hirnschenkel in Gestalt eines platten Bändchens,
das an der Hinterseite der Hemisphären herum sich nach vorn schlägt.
Unmittelbar nach seinem Eintritte in die Augenhöhle theilt sich der
Nerv in drei Zweige. Der oberste, der Ciliarnerv (c), dringt fast
unter einem rechten Winkel in den Augapfel ein und verzweigt sich
dort vorzugsweise in der Iris. Auf seinem Wege bildet er einen läng-
lichen Knoten, das Ciliar ganglion (gc), das bei verschiedenen In-
dividuen in ungleicher Weise ausgebildet erscheint und, wie oben ge-
sagt, einen feinen Verbindungsfaden (g) vom Nasenaste des Ophthalmicus
erhält. Der mittlere Zweig (o^, Fig. 280) ist nur kurz; er verzweigt
sich gänzlich in dem rechten unteren Augenmuskel. Der weit be-
deutendere untere Ast (o-) verläuft auf dem Grunde der Orbita nach
vorn, giebt zuerst einen Faden (o') zum inneren geraden Augenmuskel
und verzweigt sich dann im oberen geraden, unteren schiefen und dem
Rückziehmuskel des Augapfels.
Die Sehnerven (II) verlassen die Hirnbasis unmittelbar vor
dem Hirntrichter und bilden ein vollständiges Chiasma. Vor ihrem
Eintritte in die Sclerotica schwellen die Nerven ein wenig an und
zwischen ihren dicht an einander gedrängten Fasern sieht man unter
angemessener Vergrösserung leicht den Fasern parallele Züge von
zahlreichen kleinen Kernen.
Die Riechnerven (I) sind die dicksten Hirnnerven; sie bilden
eine hohle Fortsetzung der Hemisphären und zeigen an ihrem Ursprünge
kaum merkliche Andeutungen von Anschwellungen. Sie verlaufen
über die Augenhöhle weg zu beiden Seiten der mittleren Scheidewand,
der sie hart anliegen, schwellen vor der Nasenwand, dicht an einander
Vogt u. Yang, prakt. vergl. Anatomie. II. aq
674 Wirbelthiere.
liegend, kolbig au und stossen mit dieser Anschwellung, in welcher die
innere Höhle endet, an die Nasenkapsel, in deren Innerem sie sich ver-
zweigen. Ein feiner Ast geht nach abwärts zu dem Jacobson' sehen
Organe. *
Das sympathische System (s, Fig. 279) bildet zu beiden
Seiten der Wirbelsäule einen äusserst feinen Grenzstrang, der sich in
der Höhe des Schenkelgeflechtes in einen Endplexus von feinen Zweigen
auflöst, welcher mit demjenigen der anderen Seite anastomosirt. Der
aus diesem Plexus hervorgehende Grenzstrang läuft nun der Wirbel-
säule entlang, nach vorn. Er liegt nach innen von den Spinalnerven,
und in jedem Zwischenräume zwischen denselben schwillt er zu einem
kleinen, runden Ganglion an, das durch einen feinen Zweig mit dem
nächsten Spinalnerven in Verbindung steht. Auf seinem Wege giebt
der Nerv feine Zweige an die Geschlechtsorgane, die Aorta, das Bauch-
fell und den Darm. In der Gegend des Armgeflechtes angelangt, biegt
der Grenzstrang von der Wirbelsäule allmählich ab und steigt an den
Seiten des Halses in die Höhe. Der hinterste Nerv des Armgeflechtes
(Nr. YII) steht mit ihm durch einen feinen, von seiner Hinterseite ab-
gehenden Ast in Verbindung (Fig. 279). Vor dem Armgeflechte
schwillt der nun schon ziemlich weit von der Wirbelsäule abstehende
Grenzstrang zu einem länglichen Ganglion an, von welchem zweiAeste
abgehen. Der vorderste dieser Aeste, der bedeutendste, verzweigt sich
am Schhinde. Nach Bildung des Ganglions setzt der Grenzstrang
seinen Weg in einem Bogen fort, womit er die Austrittsstelle des Tri-
geminus an der Schädelbasis erreicht. An diesen Bogen gehen Ver-
binduugszweige mit dem Accessorius und dem Glossopharyngeus. Der
Grenzstrang setzt seinen Weg unter der Schädelbasis fort und endigt
in der Schleimhaut des Daches der Mundhöhle.
Sinnesorgane. — Bis jetzt hat man noch keine specifische
Geschraacksorgane aufgefunden. Ein mehrschichtiges Pflaster-
epithelium, in welchem man keine Spur von besonderen Zellbildungen
hat nachweisen können, bedeckt die Zunge und die Wände der Mund-
höhle, die wir bei den Verdauungsorganen abhandeln werden.
Geruchsorgan (Fig. 281). — Die äusseren Nasen Öffnungen (a)
liegen etwas seitlich an der Schnauzenspitze in Gestalt von gekrümmten
Spalten mit einer knopfartigen Verdickung in der Mitte. Jede führt
in einen geräumigen , mit einer dicken , weisslichen Schleimhaut aus-
gekleideten Vorhof (v, Fig. 281), der von einer Knorpelkapsel um-
schlossen ist und innerlich mit einem Epithelium von Pflasterzellen
überzogen ist, welches sich als eine Einstülpung der äusseren Epi-
dermis darstellt. Man findet darin weder Drüsenbälge noch Verzwei-
gungen des Riechnerven; wohl aber liegen ausserhalb des Vorhofes
einige unbedeutende Drüsenkörner, die Vor ho f drüsen ((!', Fig. 287),
in dem Räume zwischen dem Stirnbeine und der Vorhofkapsel. Nach
Reptilien.
675
Fio;. 281.
Lac. ocellata. A. Doppelt yergrösserter Sagittalsclmitt des Schädels nahe an dei-
Mittellinie zur Darstellung der Beziehungen der einzelnen Theile zu einander, o, Nasen-
loch ; Z», Schädeldecke; c, Nasenmuschel; cli. Stelle der Choanenöftnung ; c/, Scheide-
wand zwischen Nasenhöhle und Orbita ; rf, Gaumenhöhle um den Kaumuskel herum ;
ec, Schädelbasis; ep, Kleinhirn;/, von der Mundschleimhaut überzogener Kaumuskel ;
(j, Gefässplexus unter dem Gehirne; /;, Hemisphäre des Grosshirns; hy, Hypophysis ;
_/, Jacobson' sches Organ; h, Schleimhaut des Gaumens ; /, Divertikel zum Trommel-
felle; TO, Mittelhirn; m«, verlängertes Mark ; m«, obere Halsmuskeln; no, Riechnerv;
no^, sein abgeschnittenes distales Ende; op, linker Sehnerv; o/;^ , rechter ab-
geschnittener Sehnerv; ;?, Decke der Gaumenhöhle; rs, oberer gerader Augenmuskel ;
V, Vorhof der Nase; x, Härder 'sehe Drüse; IV, N. trochlearis ; V, Augenast des
N. trigeminus. B. Der Nasentheil desselben Durchschnittes, mehr ausgearbeitet und
dreifach vergrössert. a, Nasenloch ; h, Scheidewand zwischen Nasenhöhle und Orbita ;
c, Muschel; c^, ihre obere Anheftung ; i», Zwischenkiefer ; y^, Kapsel des Jacobson'-
schen Organes ; j^, innere , die Höhlung umgebende Kapsel ; ß, deren Oeffnung ;
l, Thränencanäle ; ?i, Nasenhöhle; '«i, vordere und obere Bucht derselben; n^, die
Muschel durchsetzende Bucht derselben; n^, hintere Bucht; ?i*, basale Erweiterung;
i», Vorhof; vo, Vomer. C. Die linke Nasenhöhle, von oben geöffnet, in dreifacher
Vevgrösserung. a, Nasenloch; c, Muschel; c/, Scheidewand gegen die Schädelhöhle;
d, mittlere Nasenscheidewand ; /, obere Anheftung der Muschel ; /^, seitliche Er-
weiterung derselben; n, Seitenvaum der Nasenhöhle, ii^, hintere Bucht derselben;
wo, Riechnerv; p, Seitenwand des Schädels; ;•, Yorhof der Nase.
43*
676 Wirbelthiere.
hinten mündet der Vorhof durch eine von gefranzten Rändern umgebene
Oeffnung in den Nasensack (n, Fig. 281, B) , eine weite, von dem
Nasenbeine, dem Oberkiefer und dem Vomer.nach unten umgebene
Höhle, welche durch eine ziemlich dünne, senkrechte Knorpelscheide-
wand von der Höhle der anderen Seite getrennt wird. Die Höhle im
Ganzen hätte eine in die Länge gezogene Eigestalt, wenn sie nicht
grösstentheils durch ein gewölbtes, vorspringendes Knochenschild aus-
gefüllt würde, die Obernasenbeine oder Muscheln (c). Diese Vor-
wölbung lässt nur einen verhältnissmässig engen Raum frei, der in-
dessen nach innen und unten weiter wird und so einen ziemlich breiten
Nasencanal darstellt, der sich nach hinten durch einen fast senkrechten
Gang in die Choane öffnet, welche in dem vorderen Theile des Daches
der Mundhöhle eine lange Spalte bildet. Die Muschel (c) wird oben
etwa in der Hälfte ihrer Vorderseite , durch eine von der Hülle des
Vorhofes ausgehende bandartige Falte (7, Fig. 281, C) befestigt, welche
eine Nebenhöhle des Nasensackes frei lässt (n^, B) , die sich gegen die
Augenhöhle hin fortzieht, hier aber blind geschlossen ist. Auf allen
freien Flächen der Muschel sieht man punktförmige Oeffnungen von
kleinen Drüsenbälgen. Ausserdem finden sich aber in der Aushöhlung
der Muschelwölbung traubenförmige Griippen gewundener Drüsen-
röhren, welche die Nasen drüse (/'^, Fig. 287) bilden. Die Röhrchen
der Drüse sind stark pigmentirt und vereinigen sich in kurzen Ab-
führcanälchen , welche auf der Grenze zwischen Vorhof und Nasensack
in den an die Seitenwand angelehnten Winkel münden. Alle diese
Drüsen sondern einen zähen, klebrigen Schleim ab.
Ein mehrschichtiges, aus hohen Cylinderzellen bestehendes Riech-
epithel breitet sich über alle Flächen aus, mit Ausnahme des erwähnten
Divertikels.
Die im hinteren Theile des Nasensackes angebrachte Choane
(g, g^, Fig. 287) verlängert sich am Dache des Gaumens nach voim
wie nach hinten in eine tiefe, von der Mundschleimhaut ausgekleidete
Rinne, in deren vorderen Theil der Ausführungsgang des Jacob son'-
schen Organes mündet (j^, Fig. 281, B), während in der hinteren Ecke
die Thräiiencanäle des Auges (7) sich öffnen.
Das Jacobs on'sche Organ (j, Fig. 281, A, B) liegt jederseits
hart an der dünnen Nasenscheidewand an. Jedes Oi-gan {B) bildet
eine eiförmige Höhle mit senkrechter Längsaxe, die von einer dünnen
Knorpelkapsel {j^) umgeben ist und deren Boden sich im Inneren wulst-
artig erhebt. Die Höhle mündet hinten durch einen feinen Aus-
führungsgang in die Choanenrinne {]'"'). Das Organ wird von einer
dicken Pigmentschicht umgeben , so dass es bei der Betrachtung von
aussen wie eine schwarze Kugel mit weissem Centrum aussieht (^', A),
Die innere Schleimhaut ist dick, von Riechzellen, ähnlich denjenigen
des Nasensackes (j', B), ausgekleidet. Dagegen ist der Boden des
Reptilien. 677
Organes nur mit einer einfachen Schicht runder Zellen bedeckt, die
auf einer dünnen Bindegeweb.slumelle aufruhen. Das Organ erhält
einen bedeutenden Zweig des Riechnerven, dessen Bündel vom Dache
her durch eine Menge feiner Löchelchen, vrelche die Knorpelkapsel
durchsetzen , eindringen und sich an den mit Riechzellen besetzten
Stellen verästeln.
Sehorgan (Fig. 282, 283). — Wir unterscheiden den fast kugel-
förmigen, nur auf der Hornhautseite etwas abgeplatteten Augapfel und
die Nebenorgane, Muskeln, Drüsen, Lider u. s. w.
Augapfel. — Die Sclerotica (s, Fig. 282 a. f. S.) ist fast in ihrer
ganzen Ausdehnung knorpelig, wird aber in ihrer vorderen Hälfte durch
einen Knochenring gestützt, der aus dünnen, in Fasergewebe ein-
geschlossenen und über einander geschobenen Plättchen gebildet ist
(gl, Fig. 283). Jedes Plättchen besteht aus zwei breiteren Endstücken, die
durch eine schmälere, kurze Brücke vereinigt sind. Das der Hornhaut
zugewendete Ende ist breiter als das hintere. Man sieht in dem Gewebe
dieser Plättchen unter dem Mikroskope zahlreiche Knochenkörperchen, die
an dem Rande nach parallelen, concentrischen Linien geordnet sind. Vor
den Plättchen wird der Rand der Sclerotica faserig und geht in die
Hörn hallt (e, Fig. 282) über, die etwas abgeplattet und aus fünf
über einander liegenden Schichten gebildet ist. Die äusserste und
innerste dieser Schichten bestehen aus gleichartigen Epithelialzellen ;
die mittlere ist faserig und auf jeder Fläche von einer feinen Basal-
membran überzogen. Die Choroidea (cli) überzieht die Innenfläche
der Sclerotica ; ihre Aussenseite ist höckerig. Sie enthält zahlreiche
Ablagerungen von schwarzem Pigment. An dem Kreise, wo sich Scle-
rotica und Cornea berühren, schlägt sich die Choroidea nach innen
zur Bildung des senkrechten Blendschirmes, der Iris (1), ein, welche
die Höhle des Augapfels in die kleinere vordere Augenkammer (5^), die
den Humor aqueus enthält und die grosse hintere Augenkammer (t) theilt,
welche die Linse und den Glaskörper einschliesst.
Ausser dem schwarzen Pigment, welches in netzartigen Schichten
auf beiden Flächen der Iris abgelagert ist, findet mau noch in dem
aus Bindegewebe bestehenden Substrat zerstreut Anhäufungen eines
hellbraunrothen Farbstoffes. Die Gefässe, an welchen die Iris sehr
reich ist, bilden am runden Pupillarrande vorspringende Schlingen.
Am Berührungskreise mit der Sclerotica finden sich musculöse Radial-
und Kreisfasern. Erstere, die Erweiterer der Pupille, bestehen aus
vereinzelten Fasern , die sich gegen den Pupillarrand hin oft gabel-
förmig theilen. Die Kreisfasern, welche dem äusseren Umfange ent-
lang gelagert sind und den Pupillarrand nicht erreichen, bilden einen
zusammenhängenden Schliessmuskel. Alle diese Muskelfasern sind
gestreift. Ein sehr dünner Ciliarmuskel zeigt sich ebenfalls an dem
678
Wirbelthiere.
äusseren Umfange der Iris. Seine Fasern heften sich an die Scle-
rotica und die Choroidea.
Die fast kugelförmige Linse (er) ist sehr gross. Ausser meri-
dionalen Faserzellen zeigt sie noch Radialfasern, welche senkrecht zur
Linsenkapsel (cr^) stehen und einen kreisförmigen Wulst bilden. Die
Kapsel selbst ist sehr dünn.
Fiff. 282.
Lac. ocellata. — Senkrechter Durchsclinitt des rechten Auges mit fast geschlossenen
Augenlidern , etwa durch die Mitte der Pupille gelegt. Siebenfache Vergrösserung.
a, äussere Haut; h, Stützschuppe des oberen Lides ; c, Blatt der Conjunctiva, welches
die Innenfläche des oberen Lides auskleidet; c^, Bindehautblatt, welches die Sclerotica
überzieht; c^, obere Bindehautkammer; c^, Auskleideblatt der Innenfläche des unteren
Lides; c*, untere Bindehautkammer; c^. Bindehautblatt, welches die Hornhaut über-
zieht; c/i, Choroidea; er, Linse; d, Lidspalte; e, Hornhaut; f, Tarsus des unteren
Lides; g, vordere Augenkammer; <//, Härder' sehe Drüse; h, Niederzieher des
unteren Lides, der Länge nach durchschnitten; i, Ciliarfortsätze und Anheftungen
der Iris ; i^, Couturen des Raumes , welchen sie um die Linse herum einnehmen ;
_;', Jochbein ; Je, Sehne der Nickhaut, in ihrem unteren Theile durchschnitten ; k^, Durch-
schnitt des oberen Theiles; /, vom Glaskörper ausgefüllte hintere Augenkammer;
n, durchschnittene Lidnerven; no, Sehnerv; oi, durchschnittener schiefer unterer
Augenmuskel; os, oberer schiefer Muskel; p, Kamm; r, Retina; rl, unterer gerader
Augenmuskel; sp, Sporn des Keilbeins, woran sich der Niederziehmuskel anheftet;
SV, Venensini^s der Augenhöhle. (Grösstentheils nach M. Weber.)
Reptilien. 679
Ausser dem wenig mächtigen Glaskörper, der in gewöhnlicher
Art gebildet ist, enthält die hintere Augenkammer noch ein dem Sichel-
bande der Fische homologes Organ, den K a m m (j:>), von dunkler Farbe.
Er ist cylindrisch mit einer abgerundeten Spitze, welche aber die Linse
nicht erreicht, also auch nicht zur Accommodation des Auges beitragen
kann. Mit seiner Basis hängt der Kamm der Eintrittsstelle des Sehnerven
an , wo dieser sich zur Bildung der Retina ausbreitet. Auf Längs-
schnitten des Kammes kann man sehen, dass er überall von Pigment
bedeckt ist, das sich vorzugsweise an seiner Spitze anhäuft, aber auch
in das Innere des Organes eindringt, wo es längs der Bindegewebs-
züge , die sein Lmeres durchziehen , abgelagert ist. Ausser diesem
Bindegewebe finden sich zahlreiche Blutgefässe und feine Nervenfasern.
Die Structur der Retina (r) lässt sich am besten an feinen, mit
den gehörigen Reagentien behandelten Schnitten untersuchen, die man
an den Augen junger Individuen hergestellt bat. Man findet von der
inneren , dem Glaskörper zugewendeten Fläche gegen die äussere
Choroidealfläche hin folgende Schichten. Zuerst eine äusserst feine,
innere Grenzmembrau , welche sich oft von der Retina trennt , indem
sie mit dem geronnenen Glaskörper sich verklebt. Dann kommt die
Schicht der Sehnervenfasern, welche, von der Eintrittsstelle des Nerven
gegen die Iris hin fortschreitend an Dicke abnimmt. Ihre Maschen
werden von Fortsätzen der Zellen der folgenden Schicht durchsetzt,
die von einem dicken Lager multipolarer Ganglienzellen gebildet wird.
Darauf folgt eine Schicht , die ohne Zweifel nervöser Natur ist und
auf Längsschnitten sehr fein getüpfelt erscheint, was wohl der Aus-
druck durchschnittener feiner Fäserchen sein mag. Es ist in der
That ein senkrechter Faserplexus , der von Fäserchen durchsetzt ist,
welche mit der Oberfläche der Schicht parallel laufen. Dann folgt
eine Schicht von kleinen runden Zellen, die in der äusseren Zone
dichter gedrängt sind als in der inneren. Nach aussen von dieser
dicken Schicht findet sich der Basalplexus, in dessen sehr dünnem
Lager man keine zelligen Elemente erkennen kann ; ferner eine aus
runden Zellen mit dicken Ausläufern gebildete Schicht, und sodann
die äussere Grenzmembran, die sich auf den Schnitten als eine zwar
deutlich begrenzte, aber sehr feine, schwärzliche Linie darstellt. Nach
aussen von dieser Grenzmembran zeigt sich die Stäbchen- oder Zapfen-
schicht, die mit ihrer Basis in die innere Schicht der Choroidea ein-
dringt. Eigentliche lange Stäbchen sind nicht vorhanden; aber in
dem centralen Grübchen der Retina finden sich verlängerte Zapfen,
welche wohl eine Uebergangsform darstellen mögen. Sonst sind die
Zapfen meist sehr kurz und häufig doppelt; sie enthalten ausser dem
farblosen Kern noch farbige Kügelchen, die meistens von gelber, sel-
tener von blauer Farbe oder selbst ganz farblos sind. Dieselben
scheinen fettiger Natur zu sein.
680 Wirbeltliiere.
Nebenorgane. — Mau zählt sieben Augenmuskeln; vier
gerade, zwei schiefe und einen Eückziehmuskel. Alle inserii'en sich
an dem hinteren Abschnitte des Augapfels , hinter dem knöchernen
und knorpeligen Einge der Sclerotica: aber während der Rückzieh-
muskel {iiir. Fig. 283) sich in unmittelbarer Xähe des Sehnerven
in der Weise anheftet, dass er die Eintrittsstelle desselben auf der
inneren Seite umgiebt und der innere gerade Muskel (ri) sich etwa
iu gleicher Entfernung von dem Aequator und der Eintrittsstelle des
Sehnerven an der inneren und hinteren Fläche des Bulbus ansetzt,
heften sich die anderen an der äquatorialen Linie selbst au und greifen
sogar über einander. Der äussere gei'ade (/"eX der innere gerade (r?)
und der untere gerade Muskel entspi^ingen au der Scheidewand der
Augenhöhlen, der obere gerade {rs) an dem knorpeligen Ethmoideum,
welches die Orbita von der Nasenhöhle trennt. Hier entspringen auch
die beiden schiefen Augenmuskeln, welche den Bulbus von oben und
unten umfassen. Der sehr lange und dünne Eückziehmuskel (ni r) ent-
springt gemeinschaftlich mit dem Muskel der [Nickhaut (J/. hiirsarius,
))ib), von dem später die Eede sein wird, im hinteren, unteren Winkel
der Orbita. Hinsichtlich der Einzelheiten über diese Muskeln , wie
über alle Nebenorgane des Auges verweisen wir auf die classische Ab-
handlung von Max Weber (s. Lit.).
Es giebt drei Augenlider: das untere, obere und innere, das
gemeiniglich die Nickhaut genannt wird.
Die Innenfläche sämmtlicher Lider wird von der Bindehaut
(Conjunciica. c. Fig. 282) ausgekleidet, einer dünnen Zellhaut, die aus
modificirten Zellen der Malpighi' sehen Schicht der Epidermis ge-
bildet ist. Diese Zellen sind rund, bilden stellenweise nur eine Schicht,
meist aber mehrere Lager und zeigen kein Pigment. Im Grunde der
Augenhöhle schlägt sich die Conjunctiva auf den Augapfel hinüber und
überzieht die Hornhaut. Sie bildet auf diese Weise einen oberen
kleineren (c-) und einen unteren grösseren (c-^) Sack.
Zwischen der Conjunctiva und den sie umgebenden Bildungen,
Muskeln , Nerven , Gefässen und Knochen erstrecken sich hier und da
stark erweiterte Lückenräume, die von Bindegewebebrücken durchsetzt
werden und die man bei den durch Erstickung getödteten Thieren
stets prall mit coagulirtem Blute gefüllt findet. Diese venösen Au gen -
sinus (sv, Fig. 282) erstrecken sich bis in das untere Augenlid, in
die Umgebungen der Nase und des Gehirnes und ersetzen ohne Zweifel
die Fettpolster, welche bei den übrigen Wirbelthieren die Augenhöhle
um den Augapfel ausfüllen.
Das obere Augenlid ib. Fig. 282) ist nur eine einfache, durch
die darin eingelassenen knöchernen Augenbrauenschuppen gestützte
Hautfalte . die von der Conjunctiva innen ausgekleidet wird und nur
Pieptilien. GSl
Bindegewebebrücken mit einip'en glatten Muskelfasers. aber keine -will-
kürliche Muskeln enthält.
Das weit bedeutendere untere Augenlid (/, Fig. 282) hat
eine ziemlich complicirte Structur. Es kann die freie Hornhautfläche
des Augapfels vollständig bedecken. Die äussere, von einer verdünnten,
gekörnten Fortsetzung des Tegumentes überzogen, zeigt an einer, bei
geschlossenem Auge der Pupille entsprechenden Stelle einen runden,
glatten und durchscheinenden Fleck, dem eine nach aussen gewölbte,
nach innen etwas ausgehöhlte Knorpelscheibe entspricht, die in die
Dicke des Augenlides eingelassen ist und an die Hornhaut sich an-
legt. Die Eidechse hat sonach selbst bei geschlossenen Augen eine
deutliche Empfindung von Licht und Dunkel. Diese Knoi'pelscheibe,
welche man höchst unzweckmässiger Weise den Tarsus (/) genannt bat,
ist auf der Hornhautfläche nur von einer einschichtigen Conjuuctiva
überzogen. An dem oberen Rande des Lides findet sich auf der Innen-
fläche eine seichte, mit cylindrischen Sinneszellen ausgekleidete Rinne.
Aehnliche Sinneszellen finden sich am Grunde des Lides , wo die er-
wähnten venösen Sinus eindringen, die von den weiteren Lymphräumen
unter dem Tegumente durch den Herabzieher des Augenlides
(31. cUpressor jjcdpehrae) getrennt werden. Dieser Muskel (h, Fig. 282)
stellt ein breites, aus parallelen gestreiften Muskelfasern gebildetes
Band dar, welches auf der ganzen Breite der Scheidewand der Augen-
höhlen entspringt , hautartig die Unterfläche des Augapfels nmgiebt
und sich an der ganzen Breite des L'nterrandes des erwähnten Knorpel-
tarsus ansetzt.
Das dritte Augenlid, die Nickhaut (n, Fig. 283). breitet sich
wie ein vom Winde geblähtes Segel im Nasenwinkel der Augenhöhle
über den Augapfel aus. Vorn und oben heftet sie sich an die Knochen
der Augenhöhle ; der Winkel ihres hinteren Ausschnittes setzt sich in
eine lange , dünne Sehne fort (n t) , die über den Augapfel nach hinten
läuft. Die Nickhaut wird auf beiden Flächen von der Conjunctiva
ausgekleidet; ihr hinterer, ausgeschnittener Rand ist etwas verdickt
und in dieser Verdickung liegt ein gekrümmtes Stäbchen von Hyalin-
knorpel , welches die Verdickung bedingt und der Raa eines Segels
sich vergleichen lässt. In dem Räume zwischen den beiden Lamellen
der Conjunctiva finden sich nur glatte, keine gestreiften Muskelfasern.
Die Bewegungen der Nickhaut werden von der Sehne (nt) regulirt,
welche nach hinten und unten etwa um drei Viertel der Oberfläche
des Bulbus sich herumschlägt, unter dem geraden inneren (ri) und
geraden äusseren (re) Augenmuskel durchgeht, eine Schlinge des Nick-
hautmuskels Jm h , M. hursariiis) durchsetzt und unter dem oberen
geraden (rs) und oberen schiefen Augenmuskel wegschlüpft, um sich
an der Zwischenwand der Augenhöhlen festzusetzen. Der Nickhaut-
muskel {tnbj entspringt gemeinschaftlich mit dem Rückzieher des
682 Wirbelthiere.
Augapfels (mr) in der unteren, hinteren Ecke der Augenhöhle, läuft'
pai"allel mit diesem mehr dorsalwärts zum Bulbus und bildet dort,
nahe an der Eintrittsstelle des Sehnerven, die erwähnte Schlinge, welche
von der hier sehr verdickten Sehne durchsetzt wird. Hierauf setzt
sich der Muskel mit ausstrahlenden Bündeln, die zum Theil mit denen
des Rückziehmuskels sich vermischen, an die Sclerotica an. Der Rück-
ziehmuskel wird also in Folge dieser Anordnung auch dazu beitragen,
die Nickhaut über den Augapfel herüberzuziehen, sobald dieser in den
Grund der Augenhöhle gedrückt wird.
Augendrüsen. — Es giebt deren zwei. Die Härder 's che
Drüse (x, Fig. 281; h, Fig. 283) ist sehr bedeutend. Sie liegt auf
der unteren und inneren Fläche des Bulbus an der Zwischenscheide-
wand; ihr sehr kurzer Ausführungscanal, in welchem sich die Canälchen
der einzelnen Läppchen vereinigen, öffnet sich auf der Innenfläche der
Lacertu viridis. — Der liuke Augapfel ist durch Wegnahme der seitlichen und hin-
teren Orbitalwaudungen blossgelegt worden. Man sieht den Augapfel etwa in drei-
viertel Ansicht von unten und etwas von hinten. Vorn hat man die bezahnten
Obei'kiefer und das Gaumendach angedeutet, c, obere Orbitalwand; r//, Augapfel,
auf welchem die den Scleroticalring bildenden Knorpelstücke durch Conturen ein-
gezeichnet sind; /*, Härder 'sehe Drüse; mh, Nickhautmuskel {Musculus bursarius),
der eine Schlinge um die Nickhautsehne n t bildet und nach oben gegen den Aug-
apfel ausstrahlt; ?n r, Päickziehmuskel des Bulbus ; ?j, Nickhaut; o, Orbita ; oi, schiefer
oberer Augenmuskel; p, Pupille; p/, Gaumenbein; /-e, gerader äusserer Augenmuskel;
ei, gerader innerer Augenmuskel; rs, gerader oberer Augenmuskel; 111, Nervus ocu-
lomotorius ; IV, N. trochlearis; V, Augenast des Trigeminus; VI, N. abducens (nach
Max Weber).
Nickhaut in der Nähe des erwähnten Knorpelstäbchens in einem ver-
hältnissmässig weiten Grübchen. Die Thränendrüse ist sehr klein,
von grauer Farbe; ihre deutlich umgrenzten Läppchen liegen im hin-
teren und oberen Winkel der Augenhöhle. Sie sendet wenigstens ein
Reptilien. 683
halbes Dutzend Ausführungsgänge in die Conjunctiva. Die beiden
Thräuennasengänge (/, Fig. 281, B) beginnen im inneren Nasen-
winkel mit zwei über einander liegenden , schlitzförmigen Oeffuungen.
Der unterste dieser Schlitze liegt noch in dem unteren Augenlide. Die
beiden convergii'enden Gänge verlaufen nach vorn und unten und ver-
einigen sich in einem gemeinsamen Gange, der vom Thränenbein und
dem vorderen Stirnbeine umhüllt, schliesslich etwa in der Mitte der
Nasengaumenrinne in die Mundhöhle ausmündet,
Gehörorgan. — Wie bei den Amphibien besteht das Organ
aus zwei Haupttheilen , dem mittleren und inneren Ohre ; ein äusseres
Ohr fehlt durchaus, wird aber einigermaassen dadurch ersetzt, dass das
Trommelfell frei zu Tage liegt.
Mittleres Ohr. — Betrachtet man den Kopf einer lebenden
Eidechse im Profil, so sieht man an dem Hinterhaupte etwas über
einer die Mundspalte nach hinten verlängernden Linie eine tiefe, ovale
Einsenkung , deren grosse Axe senkrecht gerichtet ist und die von
einem etwas erhöhten, beschuppten "Walle umgeben wird. Der Grund
der Grube wird von einer feinen , schwarzen , senkrecht gespannten
Haut, dem Trommelfelle (ty, Fig. 286) ausgekleidet, auf deren
Mitte man einen etwas nach aussen vorspringenden, weisslichen, hori-
zontalen Zug bemerkt: die Insertionsstelle der Columella, die sich
an der Innenseite festsetzt. Dieses Knöchelchen hat die Form eines
Kreuzes mit sehr kurzen seitlichen Armen; von dem langen Stiele des
Kreuzes, der etwa zur Hälfte in das Trommelfell eingelassen ist,
strahlen Eadialfasern aus, welche von sehr feinen Circularfasern ge-
kreuzt werden. Die weisslichen Radialfasern lassen sich bis zu der
ringförmig verdickten Circumferenz des Trommelfelles verfolgen , die
mit dem Periost der umgebenden Knochen verschmilzt. Der Stiel der
Columella fixirt sich an der Schädelbasis mittelst eines dünnen Sehnen-
fadens; an der Fixationsstelle befindet sich ein kleines Muskelbündel.
Die Aussenfläche des gefässreichen Trommelfelles wird von einer am
Grunde stark pigmentirten Epidermis überzogen, deren oberflächliche
Zellen verhornen. Das Epithelium der Innenfläche, das sich über die
ganze Ausdehnung der Trommelhöhle fortsetzt, besteht aus wim-
pernden Pflasterzellen, die gegen die Circumferenz hin hoch und cylin-
drisch werden.
Zur Untersuchung der Trommelhöhle kann man verschiedene
Methoden anwenden. Entweder löst man das Trommelfell in seinem
ganzen Umfange mit der daran befestigten Columella ab und durch-
schneidet die Fixationssehne, so dass man das freie Ende des Knöchel-
chens sieht, welche sich an das ovale Fenster, die Trommelöffnung des
Labyrinthes, anlegt, oder man trennt mittelst eines Horizontalschnittes
(Fig. 286) den Schädel und den Unterkiefer mit den daran hängenden
684 Wirbelthiere.
Theilen, oder endlicli, man macht einen Sagittalschnitt des Schädels bis
zum Gaumen herab (Fig. 285). Bei Vergleichung der auf diese Weise
gewonnenen Ansichten von aussen, von innen und von unten wird man
gewahren, dass die Trommelhöhle nur eine Bucht der Mundhöhle dar-
stellt, welche sich um die Vorragung des Kaumuskels herumbiegt, und
dass mau folglich nicht von einer Eustachischen Röhre, noch von
anderen Canälen sprechen kann, welche eine getrennte Trommelhöhle
mit der Mundhöhle in Vei'bindung setzen würden.
Das innere Ohr ist in dem Felsenbeine ausgegraben, das eine
kleine , sehr harte Anschwellung bildet. Zum genaueren Studium, be-
sonders des häutigen Labyrinthes, muss man vorher durch Salpeter-
säure entkalkte Schädel benutzen. Immerhin ist die Untersuchung
des Organes wegen seiner Kleinheit sehr schwierig.
Die Wände des knöchernen Labyrinthes werden durch die
darin eingeschlossenen Theile des häutigen Labyrinthes in ihrer Form
bestimmt. Doch liegen sie nicht unmittelbar einander an ; überall
findet sich ein an einzelnen Stellen erweiterter Hohlraum , der mit
Perilymphe erfüllt ist. In den Knochenwänden finden sich mehrere
nach aussen führende, durch Häutchen geschlossene Lücken ; das ovale
Fenster auf der Aussenfläche, welches zur Trommelhöhle führt und
den Stiel der Columella aufnimmt; das ]*u n d e Fenster, in der Nähe
der Schnecke am Grunde, und ferner die beiden Löcher für den Ein-
tritt der beiden Hauptäste des Gehörnerven. Die knöchernen Wände
sind von einem festen Periost ausgekleidet, das in der Nähe der Schnecke
sich bedeutend ausbuchtet und hier einen Canal bildet, den peri-
lympha tischen Canal {pe^ Fig. 284, J.), der durch eine Oeflfnung
(^e^) mit der Schnecke in Verbindung steht, sich dann um das runde
Fenster herurakrümmt und mit den Hirnhüllen (j>e^) communicirt, so
dass die um das Gehirn ausgebildeten Lymphräume mit der Perilymphe
in Verbindung stehen.
Das häutige Labyrinth (Fig. 284) zeigt die gewöhnliche Zu-
sammensetzung aus zwei Haupttheilen, von welchen der obere aus dem
Utriculus, dem Sacculus und den Bogencanälen mit ihren Ampullen,
der untere aus der Lagenula und der Schnecke bestehen.
Der Utriculus (w) wird von einem weiten, knieförmig gebogenen
Canale gebildet, der auf der dem Gehirne zugewandten inneren Seite
des Organes verläuft und dessen Winkel nach oben gerichtet ist. Der
vordere Ast (%i^) communicirt mit der äusseren (e), der hintere {u^}
mit der hinteren Ampulle {p). Ausserdem steht der Utriculus noch
mit den Bogencanälen und durch eine kleine, obere Oeffnung mit dem
Sacculus (s) in Verbindung, der eine weite, kugelförmige Blase bildet,
welche durch eine kreidige, aus winzigen Krystallen zusammengesetzte
Otolithenmasse fast gänzlich erfüllt ist. Die Krystalle sind durch eine
schleimige Substanz mit einander verklebt. Die Aussenwand des Sacculus
Reptilien.
685
ist sehr dünn nnd zerreisst leicht; die Inneuwaud ist fester. Auf dem
Grunde findet sich eine Rinne, die durch eine sagittale Spalte mit der
Schnecke comrauniciren soll, nach Retzius aber durch ein feines
Häutchen geschlossen ist. Oben entspringt in der Nähe der Com-
miiuicationsöffnung zum ütriculus der endolymphatische Canal
(eil), der zuerst eine Schlinge bildet, dann aber senkrecht zum Schädel
emporsteigt und mit einem durchaus geschlossenen Bläschen in der
Dura mater des Schädeldaches endet.
Die Bogencanäle zeigen die gewöhnliche Anordnung. Der
vordere (crt) und der hintere {cp) steigen schief nach oben und ver-
einigen sich am Gipfel zu einem weiten, gemeinsamen Canale oder
Sinus {cc)^ der senkrecht nach unten geht und durch eine weite Oeff-
nung in den Ütriculus, nahe am oberen Knie desselben, einmündet.
Etwas weiter nach unten findet sich an demselben gemeinsamen Sinus
die Oeffnung des äusseren Bogencanales (fe), der sich um den Hinter-
rand des Sacculus herumschwiugt, in horizontaler Richtung die Ausseu-
Fig. 284.
A B
Lacerta viridis. — Das häutige Labyrinth der rechten Seite, zwanzigtaoh vergrössert.
A, Innenseite, wo der perilymphatische Sack erhalten worden ist; B, Aussenseite.
ff, vordere Ampulle; a^, ihre Hörleiste; ifl, der dazu gehende Kerv ; C(/, vorderer
Bogengang; cc, gemeinschaftlicher Canal oder Sinus; ce, äusserer Bogengang; ep,
hinterer Bogengang ; e'-, äussere Ampulle ; e^, ihre Hörleiste ; e^, der dazu gehende
Nerv; e«, endolymphatischer Canal; /, Lagena ; Z^, ihr vorderer Xerv; /-, der hintere
Nerv; «, Nervus neglectus mit seinem Hörfleck; o, Hörnerv; p, hintere Ampulle;
;;^, ihre Hörleiste; p-, der dazu gehende Nerv ; pe, perilj'mphatischer Sack; pe^, seine
äussere Oeftnung; per', Oeffnung seines Canales; s, Sacculus; s-^ , sein Hörfleck;
u, Centraltheil des Ütriculus; u^, sein vorderer Schenkel; ?/-, sein hinterer Schenkel;
M^, sein Nerv (nach Retzius, verkleinert).
fläche des Labyrinthes umkreist und in unmittelbarer Nähe der vor-
deren Ampulle (a) mit seiner äusseren Ampulle (e) endet. Diese beiden
Ampullen communiciren mit einander, während die hintere Ampulle
isülirt bleibt. In jeder Ampulle findet sich eine Hörleiste (a\ e^. JJ^),
686 Wirbelthiere.
die aus eigentlichen Hörzellen und aus Stützzellen aufgebaut ist und
einen besonderen Zweig des Hörnerven erhält. Ausser diesen Hör-
leisten der Ampullen finden sich noch in dieser oberen Hälfte des
Hörorganes mehrere andere Hörpolster oder Hörflecken; eines im Saccu-
lus (s^), ein anderes in der blasigen Auftreibung, welche an der Ein-
mündung des Utriculus in die äussere Ampulle angebracht ist (der
Nerv dieses Polsters ist in Ä mit u-' bezeichnet), und endlich die Ma-
cula neglecfa (») von Retzius, die am oberen Drittel des hinteren
Schenkels des Utriculus angebracht ist.
Die untere Hälfte des Labyrinthes (I) hat die Gestalt einer platten,
abgerundeten und unten geschlossenen Düte, die zwar von aussen fast
gleichförmig scheint, aber durch innere Bildungen, Rinnen und Vor-
sprünge in zwei Theile zerfällt, deren jeder einen besonderen Zweig
des Hörnerven erhält; der vordere Theil heisst die Lagena {U) , den ■
hinteren, dessen Bedeutung erst durch seine bei den Krokodilen her-
gestellte Bildung klarwird, hat man denBasalth eil der Schnecke
(r^) genannt. Die innere Fläche seiner Wand wird durch eine Art
Knorpelrahmen gestützt, während die Aussenfläche sehr zart und dünn
ist. Die Lagena enthält eine Hörpapille, in welcher sich der Nerv
verzweigt, und eine aiis kleinen Krystallen bestehende Otolithenmasse ;
die Schnecke zeigt eine Furche als erstes Rudiment der Treppe, auf
welcher sich der Nerv vertheilt.
Der Hör nerv theilt sich schon in seinem Austrittscanale im
Knochen in zwei Hauptäste, den einen für den Vorhof, den anderen
für die Lagena, Jeder dieser Aeste zeigt an seinem Austritte eine
von Ganglienzellen verursachte Anschwellung. Der Vorhofast schickt
Zweige zum Recessus des Utriculus (a'^) , zur vorderen Ampulle («-)
und zur äusseren Ampulle (e^); der weitaus mächtigere Schneckenast
versorgt durch besondere Zweige die Macula neglecta (n) , den Saccu-
lus (s^), die hintere Ampiille (p^), die Lagena (/^) und die Schnecke (?2).
Alle diese Aeste versorgen die Leisten, Polster und Flecken, welche
mit Hörzellen ausgestattet sind. Wir verweisen hinsichtlich weiterer
Details auf den zweiten Band des classischen Werkes von Retzius,
dem wir unsere Figuren entlehnt haben.
Verdauungsorgane (Fig. 264, 285 bis 287)j — Die weit ge-
spaltene Mundhöhle ist nach hinten durch die bedeutend vorspringen-
den , rimden Massen des Schläfenmuskels (?', Fig. 285 ; t, Fig. 286)
deutlich und in der Art begrenzt, dass hier eine bedeutende Enge be-
dingt wird, in welche noch der Kehlkopf mit der Stimmritze (<;, Fig. 283;
la, Fig. 286) hineinragt, der mit seinem vorderen Ende eine bei
Schliessung des Maules frei bleibende, tiefe Furche am Gaumen erreicht,
welche von der Wurzel der Zunge nicht erfüllt wird (e, Fig. 285;
r, Fig. 286). Durch diese Einrichtung ist die Athmung auch bei ge-
schlossenem Maule und an den Gaumen vorn angedrückter Zunge er-
Reptilien.
687
_ -- j]
möglicht. Erst hinter der Mundenge und am Anfange des trichter-
förmigen, mit Längsfalten ausgestatteten Schlundkopfes (/, Fig. 285)
findet sich die Ausbuchtung gegen das Trommelfell hin (/, Fig. 286).
Auf dem Dache der Mundhöhle (Fig. 286) sieht man, umgeben
von stark vortretenden Schleimhautfalten, längs des Randes den Zahn-
Fio-. 285. bogen und vorn in der
Mitte einen vorragen-
den, mittleren Knopf (f>),
der von einer Ver-
dickung der zwischen
den Nasenhöhlen sich
hinziehenden senkrech-
ten Scheidewand her-
rührt. Zu beiden Seiten
Lacerta viridis. — Sagittal-
schnitt des Kopfes und Halses
in doppelter Grösse. Der
Schnitt ist etwas ausserhalb
der Mittelebene geführt, um
die verticalen Scheidewände
zu zeigen. Buchstaben linker-
seits : a, Zunge : h. M. genio-
hyoideus ; c, Mundhöhle,
Unterzungenraum ; d . verti-
cale Gaumenleiste , welche
die Choanenspalten e trennt;
/, Ligament des Gaumen-
daches, zum Kaumuskel i ge-
hend; g , Kehlkopf; h, M.
genio-hyoideus ; i, M. masse-
ter, einen runden Vorsprung
bildend; l-, Luftröhre; /.
Schlundkopftrichter ; vi , M.
pectoralis ; n , Arterienhulbus ;
0. Vorkammer des Herzens ;
/; , Aponeurose der Brust-
muskeln; q. Herzbeutel; r.
Herzkammer; 5. Muskeln des
Schultergürtels; t, durch die
Lungen durchschimmernde
Lebervene ; u . vordere Ex-
tremität. — Unten: r, v^, vordere Leberlappeu ; f, Lunge; /^. Schlund; x, Aorta;
?/, Haltestrang der Wirbelsäule; z, Wirbelsäule; «, Rückenmark; ß, Rückenmuskeln,
die Dorufortsätze einhüllend ; 7, langer Eückenmuskel ; cT, Haut. Rechterseits: I.Nasen-
loch; 2, Munddach; 3, Jacob s on'sches Organ; 4, Muschel; 5, Nasensack. JMan
sieht diese Theile durch die durchsichtige Scheidewand durchschimmern. 6, Riech-
nerv; 7, durchschnittener Sehnerv; 8, geöffnete Hemisphäre; 9, Hypophysis ; 10. ge-
öffnetes Mittelhirn; 11, Hinterhauptsbein; 12, kleines Gehirn; 13. grosser Vorder-
muskel der Wii-belsäule ; t^ Schlund; t^, Eintritt der Luftröhre in die Lunge.
_ ^^
jcy
688
Wirbelthiere.
dieses Knopfes ziehen sich die zu den Choanen (ch) führenden Nasen-
gaumenspalten hin. Der Knopf selbst, gegen den sich die Zunge beim
Schliessen des Maules stemmt (c?, Fig. 285), setzt sich nach hinten in eine
mittlere Leiste fort und verhindert so die Zunge, die erwähnte Furche
auszufüllen, die nach vorn geschlossen, nach hinten aber wieder aus-
gebuchtet ist (e, Fig. 28.5; r, Fig. 286) und sieb bis zur Wirbelsäule
und in den Theil des Schlundkopfes erstreckt, in welchen der Kehlkopf
Fig. 28ß. mündet. So wird eine wahre
Luftkammer gebildet, die, wie
schon erwähnt, das Athmen
bei geschlossenem Maule er-
möglicht.
Der Boden der Mundhöhle
wird gänzlich von der Zunge
(I, Fig. 286) ausgefüllt, die
ringsum freie Ränder zeigt,
aber nach hinten durch den
Zungenmuskel (a, Fig. 285) an
die Schleimhaut befestigt ist,
welche eine verticale Falte,
Lucerta ocellafa. — Mittelst eines
Hovizoutalschnittes ist die Munrl-
spalte nach hinten über das Trommel-
fell hinaus nach dem Halse hin fortge-
setzt und die Verbindungen des Unter-
kiefers vollständig gelöst worden.
Der Unterkiefer mit allen Theilen
zwischen seinen beidenAesten, Zunge,
Kehlkopf, Luftröhre etc., ist gewalt-
sam nach hinten zurückgeschlagen
worden , so dass man in der oberen
Hälfte der Figur das Dach, in der
unteren den Boden der Mundhöhle
vor sich sieht. Rechts (auf der
linken Seite der Figur) hat man die
Mundschleimhaut belassen, während
links (auf der rechten Seite) dieselbe
abpräparirt, der Kaumuskel weg-
genommen und das Trommelfell etwas
zur Seite gezogen wurde, um es in seiner ganzen Ausdehnung von der Innenfläche her
zu zeigen, a, äussere Wand des Oberkiefers; b, Gaumenknopf; c, Carotis; d, obere
Zahnlade; c. innerer Zahnfalz; /, Trommelbucht der Mundhöhle; g, secundärer Zahn-
falz; //, Zungenbeinbogen ; i, durchschnittenes Gaumenbein ; Ä:, Muskelmasse der Wirbel-
säule ; / u, Kehlkopf; /, Zunge; md, Unterkiefer; md^, ausgeleerter Gelenktheil des-
selben; n, ventrale Apophyse des ersten Halswirbels; p, Haut; r, mittlere Gaumen-
furche; /, durchschnittener Kaumuskel; t^, ausgeleerte Schläfengrube; tr, Luftröhre;
ty, zurückgebogenes Trommelfell mit der Columella und ihrer Sehne; ty^, Trommel-
bucht der Mundhöhle.
md'
Reptilien. 689
das Frenulum , bildet . das sich etwa über ein Drittel der Zungen-
wurzel erstreckt. Die Räume zwischen dem Frenulum und dem
Unterkiefer werden von der Schleimhaut ausgekleidet , die auch die
Unterfläche der Zunge bedeckt und an den scharfen Rändern der-
selben in deren obere Bedeckiiug übergeht. In dem mittleren Aus-
schnitte der erweiterten, hinteren Zungeuflügel liegt der Kehlkopf
{g, Fig. 285; Ja, Fig. 286) mit der linearen Stimmritze. Er setzt sich
in die Luftröhre {Je, Fig. 285; tr, Fig. 286) fort, die nur von der
Schleimhaut des Pharynx bedeckt ist, welche seitlich durch die Zungen-
beinbogen {h, Fig. 286) gestützt wird.
Untersuchen wir diese Bildungen im Einzelnen.
In der Schleimhaut, besonders aber auf dem mittleren Knopfe und
den Seitenfalten, finden sich von Leydig entdeckte Kelch bildun gen,
die aus einem Trichter bestehen, der einen verlängerten Xerveukuopf
krönt, mit welchem ein Xervenfädchen in Verbindung steht. Ausser
diesen Kelchorganen finden sich in dem Epithelium der Schleimhaut
einzellige Schleimdrüsen.
Die Lacerten gehören zu den Ple ur o do nt e n. Die Zähne
sämmtlicher Kieferknochen, der Zwischen-, Ober- und Unterkiefer
(Fig. 286, 287) sind mittelst cylindrischer. sehr niedriger Sockel auf
einer horizontalen Lamelle des Knochens befestigt. Xach aussen von
dieser Lamelle erhebt sich der Rand des Knochens zu einer fast
schneidenden, verticalen Lamelle, an welche sich die Zähne etwa mit
zwei Dritteln ihrer Länge anlehnen. Jede Zahnwurzel umfasst den
entsprechenden Sockel in der Weise, dass auf der inneren Seite eine
meist rundliche oder eiförmige Lücke bleibt, durch welche Gefässe und
Nerven sich zu der, die innere Zahnhöhle ausfüllenden Pulpe begeben.
Auf der Aussenfläche ist die Zahnwurzel durch ein schwammiges Knochen-
gewebe, das Cäment, an die verticale Knochenlamelle und den Sockel an-
gelöthet. Die Zähne sind schwach hakig gekrümmt, haben eine
grössere schneidende Spitze und eine kleine, nur mit stärkereu Ver-
grösserungen sichtbare Xebeuspitze. Die grössten Zähne finden sich
etwa in der Mitte der Kieferbogen; sie nehmen nach vorn und hinten
an Grösse ab. Die Zahnsubstanz zeigt dichtgedrängte, parallele Zahn-
röhrchen , welche von der inneren Zahnhöhle ausgehen ; eine Kappe
von fein gestreiftem Schmelz deckt die Spitze der Krone. Man findet
häufig zerbrochene oder verstümmelte Zähne, neben welchen sich
Ersatzzähne bilden.
In der beschriebenen Weise zeigen sich die Zähne an dem Skelette.
Aber an der lebenden Eidechse sieht man nur die Spitzen. Die
Schleimhaut erhebt sich in der That um die verticale Knochenlamelle,
biegt sich von dieser aus in die Zwischenräume der Zahnkronen hin-
ein und bildet innen auf der horizontalen Lamelle einen erhabenen
Längswulst, der die Zähne so dicht umkleidet und in ihrer Form ab-
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II, ji
690 Wirbelthiere.
giesst, dass der Wulst, wenn er losgelöst wird, wie die Zahnstange des
Kammrades einer Maschine aussieht.
Die in der Nähe der Mittellinie dem Flügelbeine aufsitzenden
Zähnchen, in der Zahl von acht bis zehn jederseits, ruhen fast un-
mittelbar auf dem Knochen mittelst sehr kurzer Sockel auf und lehnen
sich an keine vorspringende Lamelle an. Sie sind also acrodont. Ihr
Nährlöchelchen findet sich auf der Innenseite zwischen Sockel und
Knochen : sie haben die Gestalt eines kurzen Kegels. Am lebenden
Thiere sind sie so tief in die Schleimhaut eingegraben , dass man sie
gar nicht sehen, kaum fühlen kann. Im Uebrigen haben sie dieselbe
Structur, wie die Zähne der Kiefer.
Das Epithelium der Zunge (l, Fig. 286) besteht aus Zellen, die
an der Oberfläche abgeplattet und verhornt, in den tieferen Schichten
rundlich sind. An den Rändern und Spitzen der Zunge ist es sehr
dick. An den hinteren Seitenflügeln bildet es schiefe Riffe, die schon mit
blossem Auge sichtbar sind. Unter dem Epithel findet sich schwarzes,
aber sehr ungleichartig vertheiltes Pigment. Wir haben Eidechsen mit
fleckigen, mit ganz weissen oder schwarzen Zungen angetroffen. Auf
der Unterfläche der Zunge ist das Pigment weit constanter. Das Epi-
thel bildet auf der ganzen Oberfläche, mit Ausnahme der Zungen-
spitzen, dachziegelartig über einander liegende, spitze Papillen, deren
oft doppelt oder selbst mehrfach gespaltene Spitzen nach hinten ge-
richtet sind. Verlängerungen des Bindegewebes mit Gefässen, Nerven
und selbst einigen Muskelfäserchen treten in diese Papillen ein. Be-
sondere Tastorgane sind noch nicht gefunden worden.
Speicheldrüsen finden sich nur am Boden der Mundhöhle.
Zwischen dem Tegumente der Lippen und der aufsteigenden Lamelle
des Unterkiefers liegen an der Aussenseite desselben dem ganzen Zahn-
bogen entlang die Lippendrüsen (/, Fig. 287), die aus ziemlich
grossen, wohl begrenzten Acini bestehen, deren gewundene Aus-
führungscauälchen quer gegen die Oberfläche gerichtet sind, zuweilen
aber auch zu gemeinsamen Canälen zusammenfliessen , die auf dem
Grunde der Schleimhautfalte münden. Jedem Zahne scheint ein
Canälchen zu entsprechen.
Die weit bedeutendere Unter zungen drüse (k, Fig. 287) er-
streckt sich am Boden desFrenulum etwa bis zum Drittel seiner Länge,
zu beiden Seiten der Mittellinie. Die Drüsenkörnchen sind sehr klein,
nur undeutlich begrenzt; ihre Ausführungsgänge sammeln sich in
Canälchen, die schief nach hinten verlaufen, und in der Nähe des Fre-
nvilum, wo sie weit deutlicher sind, sich so in der Mittellinie kreuzen,
dass hier die beiderseitigen Drüsen zusammenzufliessen scheinen.
Die Oeffnungen dieser Canäle liegen in dem Falze zwischen dem Fre-
nulum und der Schleimhautfalte, welche den Unterkiefer bekleidet, und
erstrecken sich bis zur Symphyse.
Reptilien.
691
Wir müssen hier einer besonderen , mit dem Gefässsysteme zu-
sammenhängenden Bildung erwähnen, welche zur Bewegung der Zunge
beizutragen scheint. Man findet in der That in dem Winkel der Sym-
physe einen weiten Venen sin us («, Fig. 287), der stets prall mit Blut-
körperchen erfüllt ist, sich bis zum Frenulum erstreckt und hier sich
in zwei dicke Gefässe fortsetzt (n^) , welche zur Zunge aufsteigen und
in dieser sich seitlich nach vorn und hinten erstrecken , um blind zu
enden. Auf unseren nach allen Richtungen gelegten Durchschnitten
konnten wir keine in diese Räume mündenden Blutgefässe auffinden.
Es sind vielleicht Lymphräume , die aber weite Communicationen
Fig. 287.
Junge Lacerta viridis. — Querschnitt der Schnauze (Gundl. Oc. 1, Obj. OO). Camera
dura, a, knorpelige Nasenscheidewand ; b, Tegument des Schädels ; b^, Tegument
des Unterkiefers; c, oberflächliche Schädelknochen; d, Vorhof der Nase; d^, einige
Follikel seiner Drüse; e, Nasenhöhle; e^, ihr Geruchsepithelium ; e^, gewöhnliches
Epithelium; /, mit Geruchsepithelium ausgekleideter Rand der Muschel; f^, Substanz
der Muschel; /^, Nasendrüse im Inneren der Muschel; f^, Ansatz der Muschel;
g, geschlossene Choane; g^, Choane, deren Oeffnung in die Mundhöhle vom Schnitte
getroffen ist ; ä, Durchschnitt des Oberkiefers , in welchem man die Durchschnitte der
Arterie, der Vene und des Nerven sieht; h^, gefalteter Zahnfollikel ; h^, durch-
brechender Zahn ; i, Lippendrüse ; h, Unterzungendrüse ; /, Durchschnitt des Unter-
kiefers mit Nerv imd Gefässen; m, durchschnittener Meckel' scher Knorpel;
«■, Venensinus unter der Zunge ; n^, seine Fortsetzung in die Zunge durch zwei seit-
liche Sinusse.
mit dem Blutgefässsystem haben müssen und wahrscheinlich einen
Schwellapparat der Zunge bilden.
44*
692 Wirbelthiere.
Hinter der Schlundenge beginnt der Pharynx (?, Fig. 285) als
kurzer, weiter Trichter, der den Vorsprung des zweibäuchigen Muskels
(?', Fig. 285) umgiebt und die zu den Trommelhöhlen führenden Aus-
buchtungen nach oben (/, Fig. 286) sendet. Dieser Trichter, in dessen
ventraler Mittellinie die Luftröhre (k, Fig. 285) leicht gekrümmt ver-
läuft, zeigt stark vorspringende Längsfalten der Schleimhaut. Er wird
nach hinten durch den Vorsprung des grossen, geraden Wirbelmuskels
(13, Fig. 285) verengt und geht so in einen langen, geraden, innen
ebenfalls längsgefalteten Schlauch über der sich mehr und mehr an die
Unterfläche der Wirbelsäule anlegt und so den nöthigen Raum für
das Herz (n, o, g, Fig. 285) lässt, von dessen Rückenfläche er nur durch
die sich einschiebende Luftröhre getrennt ist. Man kann diesen Theil
den Schlund (I, Fig. 285) nennen. Sobald der Schlauch an die
Vorderspitze der Lunge, wo sich die Luftröhre gabelt, gelangt ist,
erweitert er sich allmählich und setzt sich, ohne deutliche Grenze, in
den Magen fort.
Dieser (j5^, Fig. 264) hat eine gestreckte, spindelförmige Gestalt
und dehnt sich, in leerem Zustande, über die drei vorderen Drittel der
Leibeshöhle aus, wo er den Raum zwischen den beiden Lungen ausfüllt.
Bei Eröffnung der Leibeshöhle von unten her wird er fast ganz von
der Leber verdeckt, deren ausgekehlte Rückenfläche sich ihm ziemlich
genau anschmiegt. Gefässe führende Falten des Mesenteriums be-
festigen ihn dorsal an die Wirbelsäule und ähnliche Gewebebrücken,
in welchen zuführende Pfoi'taderzweige verlaufen, heften ihn an die
Leber. Am hinteren Rande der' Leber verengt sich der Magen be-
deutend, bildet eine absteigende Schlinge und endet im Duodenum,
dessen Anfang durch das Pankreas (q, Fig. 264) bezeichnet wird,
welches die Gallen- und Bauchspeichelgänge bis zu ihrer Mündung
in den Darm umhüllt. Vor dieser Einmündung und zwar gerade an
dem Orte, wo der Darm sich lebhaft nach vorn und oben in die Aus-
kehlung der Leber hineinbiegt, findet sich im Lmeren eine kleine
Ki'eisfalte, die Pylor usklappe; sie scheint uns nicht vollständig das
Lumen des Darmes schliessen zu können. Die inneren, übrigens wenig
zahlreichen Längsfalten des Schlundes setzen sich bis gegen die
Magenerweiterung fort, verwischen sich aber hier allmählich, um
in der Pylorusgegend wieder aufzutreten. Hier sind sie aber weit zahl-
reicher, zickzackförmig gefältelt und gleichen ganz den Schleim-
hautfalten, welche im Dünndarme seiner ganzen Länge nach aus-
gebildet sind.
Der Dünndarm bildet zuerst die erwähnte Schlinge, in welche
das Pankreas eingebettet ist, und dann mehrere unter dem Hinter-
rande der Leber liegende Windungen, die an breiten Mesenterialfalten
befestigt sind. Er entwickelt sich durch diese Windungen mehr gegen
die rechte Seite hin und mündet endlich durch eine seitliche Oeff'nung,
Reptilien. 693
die von einer dicken, stark vorspringenden Klappe umgeben ist, in den
erweiterten Dickdarm.
Der Dickdarm (u, Fig. 2G4), von wurstförmiger Gestalt, nimmt
den Raum zwischen dem Magen und dem Becken ein. In Folge der
seitlichen Einmündung des Dünndarmes zeigt er eine vordere, blinde
Erweiterung, Andeutung eines Blinddarmes; da seine Wände sehr
dünn sind, so sieht man meist die dunkel gefärbten Excremente durch-
schimmern, die er enthält. Seine im Ganzen längsgerichteten Schleim-
hautfalten verwischen sich fast und werden durch kaum erhabene
Querfalteu mit einander verbunden.
In der Nähe des Beckens verengert sich der Dickdarm wieder und
geht ohne deutliche Grenze in die Cloake über, welche der ventralen
Fläche der Niere anliegt. Auf ihrer ventralen Seite liegen die mit
einem langen Stiele in sie einmündende Harnblase {u, Fig. 264)
und die in ihrem Volumen sehr wechselnden E'ettkörper. Auf der
dorsalen Seite münden in die Cloake die Samen- oder Eileiter, letztere
durch weite Seitenspalten und die stets getrennten , aber der Mittel-
linie mehr genäherten Oeffnungen der Harnleiter. Wir behandeln die
Cloake bei Gelegenheit der ürogeuitalorgane.
Die Querspalte der Afteröffnung (>/, Fig. 264) ist ringsum
von strahlig gestellten, gekniffenen Schleinihautfalten umgeben, die
am Rande in das Tegument übergehen , wo sich die Hornbekleidung
entwickelt.
Die Wände des Darmcanales zeigen überall dieselbe Bildung;
eine seröse , von dem Bauchfelle gebildete Hülle mit einem Pflaster-
epithelium, eine Muskelschicht, die aus zwei Lagen, Querfasern und
Längsfasern, besteht und eine innere, zellige und drüsige, gefaltete
oder zottige Schleimhaiitschicht , w^elche auf einer lockeren Binde-
gewebeschicht ruht. Die relative Entwicklung dieser Schichten wechselt
aber sehr. Die Längsmuskelschicht ist nur sehr schwach in dem Magen,
weit stärker im Dickdarm ausgebildet. Die Ringmuskelschicht findet
sich besonders stark im Schlünde und im Dünndärme; sie bildet die
Pylorusklappe und namentlich die mächtige Klappe an der Iilinmündnng
in den Dickdarm. Im Schlünde und im Magen findet man Wimper-
zellen ; die Di'üsen fehlen im Epithelium des Schlundes und des Dünn-
darmes. Im Magen dagegen finden sich zweierlei einzellige Drüsen:
Schleimdrüsen mit körnigem Protoplasma und kleinen Kernen und
Verdauungsdrüsen mit hellem Protoplasma und verlängertem Halse.
Die übrigen Epithelialzellen gleichen denen der Amphibien.
Anhangsdrüsen. — Die Leber (o, Fig. 264) ist sehr volu-
minös. Sie erfüllt fast die ganze Vorderhälfte der Leibeshöhle und
hat im Ganzen die Gestalt eines dicken Halbkegels, dessen vordere
Spitze sich zwischen die Lungen einschiebt und den Herzbeutel be-
rührt. Die ventrale Fläche ist der Bauchwand entsprechend gewölbt,
694 Wirbeltliiere.
die dorsale, welche den Magen umschliesst , zeigt eine tiefe Rinne, in
welche die zum Magen führenden Mesenterialfalten sich einsenken.
Die Ränder sind in Lappen und Läppchen eingeschnitten, deren Ent-
wicklung von dem Zustande der Ernährung abhängig zu sein scheint.
Kleine Läppchen umfassen stets die grosse Vene (k, Fig. 264), welche
am Vorderende der Drüse austritt, sich rechterseits um das Herz
herumbiegt und in den Venensinus auf der dorsalen Fläche des Her-
zens einmündet. In der Mitte des Hinterrandes findet sich stets eine
starke Einkerbung, in welcher ventralwärts die Gallenblase, dorsal-
wärts das Pankreas eingeschlossen sind. Aus dieser Kerbe entspringt
ein bedeutendes Mesenterialband, welches sich an der ventralen Mittel-
linie der Bauchwand anheftet und in welchem Gefässe verlaufen. Bei
beiden Geschlechtern sieht man rechterseits einen der Bauchwand an-
liegenden , besonderen Lappen , von welchem bei den Weibchen ein
Aufhängeband zu dem entsprechenden Ovarium läuft. — Die birnen-
förmige Gallenblase ist relativ klein; sie liegt in der erwähnten
medianen Kerbe. Die von der Leber austretenden Gallengänge münden
in den Hals der Blase ; der Blasengang läuft horizontal nach hinten.
Neben ihm verlaufen noch in der Masse des Pankreas unabhängige,
parallele Gallengänge.
Das Pankreas ($', Fig. 264) erstreckt sich vom Halse der Gallen-
blase durch die ganze Länge der erwähnten Darmschlinge. Es ist
eine fein gelappte, gestreckte Drüse, deren Läppchen die Gallengänge
so dicht umspinnen , dass sich letztere unmöglich vollständig isoliren
lassen. Gallengänge und Bauchspeichelgänge münden zusammen auf
einem kleinen Wärzchen, welches unmittelbar hinter der Pyloriisklappe
in einem Grübchen versteckt sitzt.
Bei den beiden von uns speciell untersuchten Arten (Lacerta viridis
und ocellata) liegt die Milz (r, Fig. 264) auf der dorsalen Fläche
des Magens nahe bei der Pylorusschlinge. Sie hat in Folge der Ueber-
füllung mit Blut eine braunrothe Farbe, verlängerte Gestalt und ist
an den Magen durch eine specielle Mesenterialfalte angeheftet, welche
sich zii dem Dickdarme und den Geschlechtsorganen hinzieht. Man
sieht sie nur, 'wenn man den Magen zur Seite zieht. Sie hat keine
Beziehung zum Pankreas, mit Ausnahme der gefässführenden Mesen-
terialfalten. Bei den einheimischen Eidechsen soll sie, nach Leydig,
in ringförmiger Gestalt den Kopf des Pankreas wie ein Wulst um-
geben. Wir haben nur eine, freilich mit vielem Fett versehene, gefäss-
führende Mesenterialfalte gesehen; aber wir haben uns weder durch
Durchschnitte, noch durch mikroskopische Untersuchung überzeugen
können , dass in dieser Falte noch Läppchen des Pankreas sich vor-
finden, die leicht kenntlich sind.
Harnorgane. — Die Nieren (iC, Fig. 264) liegen im hintersten
Theile der Leibeshöhle und schmiegen sich so gut an die ventrale
Reptilien. 695
FJäche des Kreuzbeines an, dass die Unebenheiten der Wirbel auf ihrer
dorsalen Fläche im Abdrucke hervortreten. Sie bestehen aus zwei,
vorn etwas gelappten , symmetrischen Hälften , während der hintere,
zugespitzte Theil , welcher noch etwas über die Afterspalte vmd die
Leibeshöhle hinaus sich in die Wurzel des Schwanzes erstreckt, gerade
Ränder zeigt. Die dorsale Fläche ist gewölbt; die Mitte zeigt die
grösste Dicke. Die ventrale Fläche, unter welcher die Cloake liegt,
ist eben oder sogar ein wenig ausgekehlt. Die vordere Hälfte der
Niere wird auf der ventralen Fläche vom Mesenterium überzogen, das
in der Mitte der Länge etwa sich umschlägt, um die dorsale Fläche
der Cloake zu überziehen, wo es eine verdickte Fasermasse bildet. Unter
dieser fliessen die beiden Hälften der Niere in der Mittellinie zusammen
und hier verlaufen auch die Enden der Harnleiter und der Geschlechts-
canäle, die sich in die Cloake öffnen, — Die sehr kurzen Harnleiter
setzen sich wesentlich aus zwei verzweigten Bäumen zusammen, von
welchen der eine dem vorderen , der andere dem hinteren Theile an-
gehört. Die beiden Bäume vereinigen sich jederseits in der erwähnten
Falte des Mesenteriums und bilden so die kurzen Harnleiter, welche
sich unmittelbar in die Cloake öffnen. Bei den Männchen vereinigen
sich die Harnleiter jederseits mit den Samenleitern , um sich gemein-
schaftlich auf einem Urogenitalwärzchen in der Nähe der Mittellinie
an der dorsalen Wand der Cloake zu öffnen ; bei den Weibchen haben
die Harnleiter getrennte, spaltförmige Mündungen, welche hinter den
Oeffnungen der Eileiter liegen. Der Harn bildet körnige, kreideweisse
Massen , die fast ausschliesslich aus krystallinischeu Körnchen von
Harnsäure bestehen , welche durch Schleim zusammengeklebt sind und
oft, wie grosse Pfropfen, die Cloake ausfüllen.
Die Harnblase («t^, Fig. 264) ist ein weiter Sack in Form eines
Dreieckes, dessen Basis nach vorn gerichtet ist, während die Spitze
sich in einen engen und langen Canal auszieht, der den Harnleitern
gegenüber in der ventralen Wand der Cloake mündet. Sie ist nur
auf ihrer dorsalen Fläche vom schwarzen Peritoneum überzogen , hat
nur sehr dünne, mit glatten Muskelfasern ausgestattete Wände und
trägt ihren Namen mit Unrecht, denn man findet in ihr nur farblose
Flüssigkeit, aber niemals die eigenthümlichen , käsigen Harnmassen.
Sie ist nichtsdestoweniger ein Rest der embryonalen Allantois.
Geschlechtsorgane. — Man muss die eigentlichen Geschlechts-
organe und die übrigens durchaus davon getrennten Begattungsorgane
unterscheiden.
Männliche Organe (Fig. 264). — Die selbst zur Begattungszeit
im Frühjahre verhältnissmässig kleinen Hoden (s) haben eine eiförmige
Gestalt und liegen etwa in der Mitte der Bauchhöhle zu beiden Seiten
der Mittellinie hart an der Rippenwand an. Sie sind kreideweiss und
696
Wirbelthiere.
Fia-. 288.
Weibliche Lacerta viridis, iiatürliclie Grösse. Das auf den Kücken gelegte Thier ist
vom Bauche aus geöflhet ; Magen, Leber, Darm und übrige Eingeweide der rechten
Seite sind ausgebreitet worden , während man die Organe linkerseits in ihrer Lage
gelassen hat. Dickdarm und Cloake sind geöffnet, um ihre inneren Bildungen zu
zeigen. «, Luftröhre; 6, Thymus; c, Herzbeutel; d, Herz; e, rechte Lunge ;/', Leber-
vene; (/, Peritonealband des Herzens; h, Leberlappen; i, Magen; k, Gallenblase;
/, Pankreas ; m, Peritonealband der Milz n ; o, Darm ; p., geöffneter Blinddarm ; 5', Ein-
trittsöffnung des Dünndarmes in den Dickdarm ; r, Harnblase ; s, Spitzbogen der Ein-
Reptilien. 697
werden allseitig von einer Falte des Mesenteriums (Mesurchium) um-
geben, welche sie einerseits an die Lungen, anderseits an die Cloake
befestigt. Der rechte Hode liegt etwas weiter nach vorn als der linke.
Die Samenröhrchen , welche die Substanz der von einer besonderen
Hüllhaut umgebenen Hoden bilden, sind nur wenig gewunden und ver-
einigen sich am inneren Rande zu etwa einem Dutzend sehr kurzer
Quercanälchen, welche in den Nebenhoden (f) eintreten. Dieser hat
eine keulenförmige Gestalt, liegt an der Innenseite des Hodens, zwischen
ihm und der Aorta; auf ihm sitzt, wie eine Kappe, die Nebenniere,
von welcher bei den weiblichen Organen die Rede sein soll. Die im
Nebenhoden stark gewundenen, erweiterten Samengänge bieten ausser-
dem noch seitliche Ausbuchtungen ; ihre Wände enthalten glatte Muskel-
fasern. Nach hinten wird der Nebenhode dünner und setzt sich
schliesslich in den Samenleiter (t^) fort, der in der Mesenterialfalte
eingeschlossen , scheinbar in gerader Linie bis zu dem Orte verläuft,
wo die Harnleiter in die Cloake münden. Nimmt man aber nach Spal-
tung der Peritonealfalte die Lupe zu Hülfe, so sieht man leicht, dass
der Samenleiter sehr kurze, korkzieherartige Windungen macht, um
schliesslich in der Endpapille ein winziges Samenbläschen zu bilden,
das man nur zur Fortpflanzungszeit unterscheiden kann , wenn es
prall mit Samen gefüllt ist. Die Zoospermen haben einen langen,
cylindrischen , etwas gekrümmten Leib und einen langen , sehr dünnen
Schwanz.
Weibliche Organe (Fig. 288). — Die Eierstöcke (2) liegen
genau an derselben Stelle, wo beim Männchen die Hoden liegen; das
rechte Ovarium liegt ebenfalls etwas weiter nach vorn als das linke. Aber
selbst nach langem Fasten im Winter erscheinen die Eierstöcke weit
grösser und ihre Oberfläche ist gebuckelt in Folge der Entwicklung
der fast kugelförmigen Eier. Die Beziehungen zum Mesenterium sind
ebenfalls die gleichen wie bei den Hoden; doch tritt die Mesenterial-
falte iy) , welche von der Lungenspitze sich zu dem vollständig ge-
schlossenen Eierstocke und weiter in der Richtung des Samenganges
zu der Cloake begiebt, weit stärker hervor. Dieses Band ist offenbar
ein obliterirter Canal, enthält aber nur noch Bindegewebe, Gefässe und
einige glatte Muskelfasern. Meist sieht man auf der ventralen Fläche
des Ovariums einige wenig deutliche Bläschen, die in einer Läugslinie
geordnet sind und als verkümmerter Nebeneierstock (Epoophoron)
trittsöftnungen der Eileiter in die Cloake; f, OefFiiungeu der Harnleiter; u. weisses
Peritoneum in der Umgebung der Lungen ; f, linke Lunge ; «■, schwarzes Peritoneum
iler hinteren Bauehhöhle ; a-, durchsichtige, den Eileitertrichter enthaltende Peritoneal-
falte ; y, durchsichtige Peritonealfalte von dev Lunge zu dem Ovarium ; z, äusserer,
s', innerer Rand der den Eileiter enthaltenden Falte; 1, Nebenniere; 2, Ovarium;
.'), Epoophoron ; 4, Mesoarium ; 5, uneröffneter Theil der Cloake ; 6, Afterspalte ;
7, Eileiter.
698 Wirbelthiere.
bezeichnet worden sind (3, Fig. 288). Wir haben diesen Theil nicht
immer deutlich entwickelt getroffen; er hat eine braune Farbe und
eine genauere Untersuchung zeigt, dass er aus abgestorbenen Eiern
besteht, deren Inhalt körnig und deren Schale verhornt scheint.
Wenn der Nebeneierstock zuweilen fehlt, so sieht man dagegen
unter allen Umständen die sogenannten goldgelben Körper
(1, Fig. 288), die als langgestreckte, dünne Massen an dem inneren
Rande des Eierstockes liegen und über denselben nach vorn vorragen.
Diese, wie schon erwähnt, auch beim Männchen vorkommenden Organe
sind sehr gefässreich, bei jungen Individuen sieht man darin noch
Reste der Wolff sehen Körper. Man hat sie auch Par Ovarien ge-
nannt, aber nach den Untersuchungen von Braun (s. Liter.) ist es
weit wahi'scheinlicher, dass sie die hinsichtlich ihrer Function noch so
dunklen Neb ennieren darstellen. Bei den erwachsenen Eidechsen
bestehen sie aus einer bindegewebigen, mit zahlreichen gelben Tröpf-
chen von Fett durchsetzten Grundsubstanz, worin sich verschiedene
Zellen finden : solche , die zahlreiche gelbe Körner enthalten ; durch-
sichtige, in Linien geordnete Zellen mit grünlichem Protoplasma, hellen
Kernen und deutlichen Kernkörperchen , endlich Zellen mit braunem,
körnigem Inhalt. Ein bedeutender Zweig des Sympathicus begiebt
sich zu dem Organe und bildet dort zahlreiche kleine Ganglien.
Der Eileiter (7, Fig. 288) steht in keiner unmittelbaren Ver-
bindung mit dem Eierstocke. Er besteht bei unseren typischen Arten
aus zwei Theilen : einem sehr dünnwandigen , durchsichtigen Trichter,
der wie der ganze Eileiter überhaupt an einer durchsichtigen Peritoneal-
lamelle aufgehängt ist, die von der Lunge ausgeht und an der Bauch-
wand der ganzen Länge nach befestigt ist. Die Oeffnung des Trichters
wird von einem langen, schiefen, stark bewimperten Schlitze dar-
gestellt, an dessen Grunde eine enge Oeffnung in den eigentlichen Ei-
leiter führt, der dickere, weissliche Wände zeigt und darmähnlich quer
gefaltet ist. Anfangs ziemlich eng, erweitert sich der Eileiter all-
mählich gegen die Cloake hin. Man hat diesen erweitex'ten Theil den
Uterus genannt und er verdientauch diesen Namen bei den lebendig
gebärenden Arten; bei unseren typischen Arten aber macht sich die
Erweiterung so allmählich , dass von einer Begrenzung nicht die Rede
sein kann. In der Nähe der Cloake verengern sich die Eileiter aufs
Neue und öffnen sich auf der Rückenseite in dieselbe durch zwei, vor
den Harnleitern gelegene, knopflochartige Mündungen.
Die Eier zeigen im Eierstocke eine ziemlich dicke Hülle mit
feinen Porencanälen (Zona radiata) , ein helles Keimbläschen mit zahl-
reichen Keimflecken und einen anfänglich hellen Dotter, der bei zu-
nehmendem Wachsthum körnig wird, sich aber zur Zeit der Reife
wieder aufhellt. Die Eier lösen sich dann vom Ovarium ab, fallen in
Reptilien. 699
die Leibesliöhle und gelangen in den Trichter. Bei dem Durchgänge
durch den Eileiter erhalten sie eine ziemlich dicke und feste, aber
doch biegsame Schalenhülle, die aus mehreren Lagen elastischer Fasern
besteht, zwischen welchen sich unregelmässige Ablagerungen minera-
lischer Stoffe, besonders von kohlensaurem Kalke, finden. Zur Zeit der
Eiablagerung findet man auch in den verdickten Wänden des Eileiters
beuteiförmige Drüsen mit engem Halse, deren Oeffnungen von rosetten-
artigen Falten der Schleimhaut umgeben sind. Diese Bilduugen ver-
wischen sich fast vollständig während der Ruhepausen des Eileiters.
Nach innen und aussen werden die Querfalten des Eileiters von zwei
Mesenterialfalten (:S und g^) eingefasst, die sich in der ganzen Länge
vom Trichter bis zur Cloake erstrecken.
Die Cloake (s, Fig. 288) bildet bei beiden Geschlechtern einen
geraden, in der Beckenhöhle liegenden Hohlcylinder , der von aussen
ziemlich einfach erscheint, aber im Inneren Bildungen zeigt, die man
am besten zuerst bei den Weibchen untersucht, wo sie deutlicher ent-
wickelt sind.
Das Ende des Dickdarmes besitzt sehr dünne Wände mit ver-
wischten Innenfalten. An der Vordergrenze des Beckens entwickeln
sich die Muskelfasern bedeutend ; die Wände werden dicker und im
Inneren zeigt sich eine vorspringende Querfalte der Schleimhaut, mit
deutlichen Zotten am Rande, ein wirklicher Sphincter, mit vorsprin-
gendem Rande, so dass das Darmende vor ihm sackartig aufgetrieben
erscheint. Dieser Schliesswulst ist ziemlich breit: hinter seinem Rande
zeigt sich auf der ventralen Seite eine ziemlich weite Oeffnung (r), die
in den Hals der Harnblase führt. An der dorsalen Seite sieht man
eine Art von breitem Gewölbe, das durch einen Mittelpfeiler in zwei
Spitzbogen (s) getheilt ist: hier finden sich die Oeffnungen der Ei-
leiter. Etwas hinter diesen Bogen erscheinen die wenig vortretenden
Oeffnungen der Harnleiter (t). In der Nähe der Eileiteröffnungen
liegt beiderseits auf der Aussenseite der Cloake eine hufeisenförmige,
weisse Drüse , die wenig vorspringt , aber leicht an den durch-
scheinenden Wänden gesehen werden kann. Meist enthält dieser Theil
der Cloake einen weissen, körnigen Pfropf von Urin. In den Ecken
der gefalteten und warzigen Querspalte des Afters sieht man zwei
kleine Löchelchen, welche in die beiden kleinen Clitoris führen, die
keine Muskeln besitzen. Die Lippen der Afterspalte enthalten kleine,
zwischen den Muskelbündeln , welche die Spalte öffnen niad schliessen,
zerstreute DrüsenfoUikel.
So verhalten sich die Bildungen beim Weibchen. Bei dem
Männchen aber ist das Gewölbe mit den Spitzbogen weit weniger
ausgebildet und auf dem Grunde erhebt sich jederseits eine kleine,
wenig vortretende Papille mit der gemeinsamen Oeffnung der Samen-
700 Wii'beltliiere.
und Harnleiter auf der Spitze. Was aber besonders die Cloake des
Männcbens auszeichnet, das sind zwei, in den Ecken der Afterspalte
angebrachte, runde und ziemlich grosse Oeffuungeu ((/, Fig. 2(34),
welche in zwei spindelförmige Schläuche (z^) führen, die unter den
oberflächlichen Schwanzmuskeln liegen und die ausstülpbaren männ-
lichen Ruthen sind. Im Inneren sind diese Schläuche, und zwar
ganz besonders in ihrer mittleren Verdickung, mit einem hornigen
Epithelium ausgekleidet, das knopfförmige Erhabenheiten zeigt, auf
welchen sich sogar dornenartige Spitzen entwickeln. Wenn diese Be-
gattungsorgane nach aussen vorgestülpt sind, so zeigen sie eine dop-
pelte, eichelartige, verdickte Endiguug; die Spalte, welche die beiden
Eicheln trennt, setzt sich auf der äusseren Fläche ihres duneren
Stieles in eine Spiralrinne fort, die der Urogenitalpapille gegenüber
mündet und offenbar dazu bestimmt ist, bei der Begattung den Samen
in die weiblichen Organe hinüber zu leiten. Das mit Spitzen besetzte
Epithelium der Eicheln wird auf den übrigen Flächen der Ruthen
durch ein Pflasterepithelium ersetzt. — Im Umfange dieser inneren
Schicht, die durch die Ausstülpung der Ruthen zur äusseren wird,
finden sich bindegewebige Massen mit weiten Lücken und groben
Gefässnetzen, die wohl einen erectilen Apparat herstellen, der bei der
Ausstülpung eine Rolle spielen mag. Dieses Bindegewebe, das beson-
ders stark an den Eicheln entwickelt ist, wird von einer starken, aus
Längsfasern zusammengesetzten Muskelscheide umgeben, die sich nach
hinten in einen Rückziehmuskel des Penis (&) fortsetzt, der sich an die
ventralen Dorufortsätze der vorderen Schwanzwirbel ansetzt. Man
findet keine Ringmuskeln; die Ausstülpung der Ruthen wird wohl durch
die Compression mittelst der Schwanzmuskeln geschehen , die auf die
mit Blut und Lymphe gefüllten Hohlräume der Bindegewebemasse
einwirken.
Wir müssen hier noch der beiden Fettkörper (u, Fig. 264) er-
wähnen, die innerhalb des Beckens auf der ventralen Seite der Leibes-
höhle liegen und gänzlich von dem schwarzen Bauchfelle umkleidet
werden. Sie wechseln ausserordentlich in Gestalt und Grösse, zeigen
aber stets gelbe Farbe und abgerundete Ränder. Bei Individuen , die
im Anfange April während des Winterschlafes gefangen wurden, waren
sie enorm, stiessen nach vorn an die Leber an und zeigten eine be-
deutende Entwicklung ihrer von den äusseren Beckenarterien und
Venen stammenden Gefässe. Dagegen waren sie bei Individuen , die
während fünf Wintermonaten gefastet hatten , aber nicht zum Winter-
schlafe gekommen waren, auf ein Minimum reducirt.
Wir fügen noch einige Worte über das Peritoneum in seiner
Gesammtheit bei. Es kleidet alle Wände der Leibeshöhle ohne Aus-
nahe aus, zeigt aber verschiedenes Verhalten in seinem vorderen und
hinteren Abschnitte. An der Spitze der Herzkammer verschmilzt es
Reptilien. 701
mit dem Herzbeutel (,(/, Fig. 288) und befestigt so dessen Spitze an
der Leibeswand, die es zu beiden Seiten bis zur dorsalen Mittellinie
überzieht, wo es eine herabsteigende L<ängsfalte bildet, in welcher die
Aorta eingeschlossen ist. Auf der Brustwand bleibt es durchscheinend
und entsendet hier Lamellen zur Bekleidung der Lungen, des Magens
und der Leber. Aber bei seiner weiteren Ausdehnung nach hinten
wird es durch die Entwicklung einer Pigmentschicht auf seiner Aussen-
seite tief schwarz. Die Grenze des schwarzen Bauchfelles ist sehr
scharf, sie folgt etwa der Richtung der Rippen, wie wir es auf der
rechten Seite der Figuren 264 und 288 (u) angegeben haben. Oeffnet
man das auf dem Rücken liegende Thier von der Bauchseite, so zeigt
die schwarze Färbung einen tiefen, mit der Spitze nach hinten ge-
richteten Ausschnitt. Nun erstreckt sich das schwarze Bauchfell
über die ganze Ausdehnung der Wände des hinteren Abschnittes der
Leibeshöhle, aber die von ihm ausgehenden Falten, an welchen der
Darm und die Geschlechtsorgane aufgehängt sind , bleiben vollständig
durchsichtig. An der Niere angelangt, verlässt das Bauchfell die
Körperwand und tritt auf die ventrale Fläche der Niere über, deren
ganze vordere Hälfte es bis zum Austritte der Harnleiter überzieht.
Hier schlägt es sich auf die Cloake hinüber und senkt sich an dieser
hinab, so dass es zwei seitliche, nach hinten geschlossene Trichter
bildet. Es setzt sich dann über die ventrale Fläche der Cloake bis
zu einer Qaerliuie fort, welche der Einmündung der Harnblase ent-
spricht, und schlägt sich über die Fettkörper hinüber zur ventralen
Leibeswand, von deren Mittellinie Falten ziir Fixation des Darmes und
der Leber abgehen. Die Nieren liegen somit auch hier ausserhalb
des Bauchfelles. Die geschlossenen Trichter zu beiden Seiten der
Cloake scheinen uns die obliterirten Reste früher offener Peritoneal-
canäle zu sein.
Athem Organe. — Sie bestehen aus dem Kehlkopfe, der hinten
in zwei Bronchen getheilten Luftröhre und den Lungen. Bei Ge-
legenheit des Gerachsorganes haben wir schon die zu demselben ge-
hörigen Canäle behandelt, welche die Luft in die Mundhöhle führen.
Der Kehlkopf (g, Fig. 285; Ja, Fig. 286) liegt auf dem Boden
der Mundhöhle , in dem Ausschnitte zwischen den hinteren Zungen-
fiügeln, unmittelbar vor dem Schlundkopfe auf dem Körper des Zungen-
beines. Er ist nebst der von ihm ausgehenden Luftröhre in seiner
Lage durch die Mundschleimhaut befestigt, welche sich an den Rän-
dern der linearen, vorn kaum etwas erweiterten Stimmritze nach innen
einschlägt. Er hat eine ovale Form und unterscheidet sich durch
seine weisse Farbe von der umgebenden schwärzlichen Mundschleim-
haut. Er besteht aus einem breiten Knorpelringe, der ventralwärts
etwas ausgezogen und aus der Verschmelzung mehrerer Tracheairinge
702 Wirbelthiere.
mit den Cartil. thyroidea und cricoidea hervorgegangen ist. Aitf der
Vorderfläche dieses Kehlkopfknorpels liegen zwei kleine, hakenförmig
gekrümmte Cart. arytenoideae , die durch zwei kleine äussere Muskeln
aus einander gezogen werden können , welche zu beiden Seiten der
Kehlkopfschwellung wie halbmondförmige Wülstchen hervortreten
(Fig. 286). Ein an der ventralen Innenseite des Hauptknorpels sich
ansetzender Ringmuskel dient als Verengerer. Die ziemlich dicke
Schleimhaut, welche die Innenflächen der einfachen Kehlkopfhöhle
überzieht, trägt ein Wimperepithelium.
Die Luftröhre {h, Fig. 285; tr, Fig. 286) liegt in der Mittel-
linie der Rachen- und Schlundhöhle und besteht aus zahlreichen, theil-
weise unvollständigen Knorpelringen. Sie krümmt sich etwas nach unten
in der Schlundenge, hebt sich aber dann wieder und kommt endlich
zwischen das ventralwärts gelegene Herz und den dorsalen Schlund
zu liegen. In der Gegend der hinteren Herzspitze (Fig. 285) gabelt
sie sich in zwei kurze Aeste (Ji^) , welche unmittelbar in die beider-
seitigen Lungen auf deren Innenfläche eintreten.
Die Lungen (7, m, Fig. 264) bilden zwei Säcke von länglicher
Eiform, die beiderseits auf der dorsalen Seite der Leibeshöhle sich
etwa bis zur Hälfte der Länge des Magens nach hinten ausdehnen.
Sie werden durch breite Mesenterialfalten in ihrer ganzen Länge
dorsalwärts an den Magen , ventralwärts und seitlich an die Leber
angeheftet und gänzlich von dem Bauchfelle umhüllt. Die zum Magen
gehenden Falten erstrecken sich nach hinten als breite Bänder zu den
Geschlechtsorganen.
Die Lungensäcke haben dicke und elastische Wände , die aus
glatten Muskelfasern , elastischen und Bindegewebefasern zusammen-
gesetzt sind. Erst in dem hinteren Abschnitte werden die Wände
dünner und lassen dann deutlich die Alveolen ihrer Innenfläche durch-
schimmern. Sie sind stets mit Liift gefüllt, fallen aber. Dank der
Elasticität" ihrer Wände, nicht zusammen, wenn man sie öffnet oder
durchschneidet.
Nach Eröffnung eines Lungensackes kann man leicht constatiren,
dass der Bronchus auf der Innenseite, unmittelbar hinter dem Aus-
tritte der Lungenvene sich öffnet, die sich wie die Bronchen gabelt
und auf der ventralen Seite des Sackes verlaufend sich verzweigt. Die
im Gegentheil von ihrem Ursprünge aus dem Bulbus des Herzens an
isolirten Lungenarterien verlaufen auf der dorsalen Seite der Säcke.
Man sieht dann zugleich, dass das vordere Ende eines jeden Sackes
über die Eintrittsstelle des Bronchus hinaus sich blindsackartig
fortsetzt und dass dieser blinde Abschnitt von einem starken
Muskelwulste umgeben ist, der wohl die Rolle eines Schliessmuskels
spielen mag.
Reptilien. 703
Auf der inneren Fläche springen die Gefässe mit ihren auastomo-
sireuden Verzweigungen stark vor und bilden so ein System von am
Grunde mehr und mehr getheilten Areolen , die Bienenwaben nicht
unähnlich sind und sich über die ganze Innenfläche erstrecken. Auf
der Rückenseite längs der Erstreckuug des Mesenterialbandes zum
Magen bilden sich diese Areolen zu tieferen, jederseits in einer Längs-
reihe gelagerten Höhlungen aus, deren man in jeder Reihe zehn bis
zwölf zählt und die von den Gefässen, Arterien wie Venen, quer durch-
setzt werden. Man kann in dieser Bildung die erste Anlage der bron-
chialen Höhlen oder Röhren erblicken, die sich in den Lungen der
Krokodile entwickeln.
Die Athmung besteht nicht, wie bei den Amphibien, aus einer
Art Verschluckung der Luft. Beobachtet man eine lebende Eidechse,
so sieht man die Wände des Halses in ihrem hinteren Abschnitte sich
abwechselnd zusammenziehen und ausdehnen , ohne dass die Mund-
höhle an diesen Bewegungen Antheil nähme. Die Töne , welche die
Eidechse hervorbringen kann und die wir oft bei unseren im Terra-
rium gehaltenen hören konnten, sind kurz, rauh und nur wenig laut
schallend.
Kreislauf. — Man kann das Herz ohne vorgängige Ein-
spritzung untersuchen. Tödtet man die Thiere durch Chloroform,
so bleiben die grossen Gefässe, besonders die Venen, prall mit gestocktem
Blute gefüllt, so dass man sie leicht präpariren kann.
Das Herz (Fig. 289 a. f. S.) liegt in der ventralen Mittellinie unmittel-
bar auf der Brustbeinplatte, an welche sich der das Herz allseitig um-
gebende Herzbeutel anlegt. Die linke Hälfte ist etwas mehr entwickelt
als die rechte. Um das Herz im frischen Zustande zu untersuchen,
tödtet man das Thier, indem man es mit einem Schälchen mit Chloro-
form unter eine Glasglocke setzt. In Zeit von einer halben Stunde etwa
stirbt das Thier während der Diastole des Herzens, so dass dieses mit
den grossen Gefässen prall mit Blut gefüllt ist, welches man durch
Eintauchen in schwachen Weingeist coaguliren kann. Man kann so
die Injection umgehen, die aber unerlässlich bleibt, wenn man die Ver-
zweigungen der Gefässe im Körper untersuchen will. Erhärtet man
das in der obigen Weise behandelte Herz in stufenweise stärkerem
Weingeist, so kann man Schnitte davon fertigen, ohne nöthig zu haben,
es in Paraffin einzubetten.
Bei der Ansicht von der ventralen Seite her (A, Fig. 289) und
nach Wegnahme des Herzbeutels zeigt sich das Herz aus drei Haupt-
theilen zusammengesetzt: den beiden Vorkammern (od, o g), die nach
vorn liegen, in ihrem Ganzen breiter wie lang sind, abgerundete Ränder
haben und nach vorn durch eine seichte Einkerbung getrennt sind, in
welche der x^rter ienbulbus (ha) eingelagert ist, von dem später
704
Wirbelthiere.
Fie-. 289.
Lacerta ocelluta. — Das Herz mit seinen Anlagerungen , nach Entfernung des Herz-
beutels , doppelt vergrössert. A, von der ventralen Seite. Die Theile sind in ihrer
normalen Lagerung belassen , nur hat man den Schlund und die Lungen ein wenig
zur Seite gezogen, um die Vereinigung der beiden Aorten sichtbar zu machen.
B, von der dorsalen Seite. In diesem Präparate hat man den Schlund weggenommen,
die Lungen zur Seite geschoben und den rechten Bronchus abgeschnitten. Die Luft-
röhre ist nach hinten zurückgeschlagen , die Aorten dagegen nach Loslösung ihrer
Zweige nach vorn gezogen, um die Lungengefässe und Veneustämme zur Anschauung
zu bringen. Anliegende Theile: F, Leber; Oe, Schlund; Pd, rechte Lunge ; Pg, linke
Lunge; 7", Luftröhre ; i?r. rechter Bronchus, abgeschnitten; ^j--'^, sein Eintrittsloch in den
Lungeusack. Herztheile : ba, Wurzel des Arterienbulbus ; bm, venöse Aussackiing ;
od, rechte Vorkammer: og, linke Vorkammer; vc, Spitze der Kammer mit ihrem
Aufhängebande; vd, rechte Hälfte; vg, linke Hälfte der Herzkammer. Gefässstämme :
ac, gemeinschaftliche Bauchaorta; ad, rechte Aorta; ag, linke Aorta; cd, rechte
Carotis; cg, linke Carotis; ijd, rechte Lungenarterie ; pg, linke Lungenarterie; tc, ge-
meinschaftlicher Arterienstamm; cod, Verbindungsgefäss zwischen dem Aortenbogen
und der Carotis der rechten Seite ; cog, dasselbe der linken Seite; scd, rechte Schulter-
arterie ; scg, linke Schulterarterie; av, Wirbelarterie; sr, gemeinschaftlicher Venen-
sinus; ?-c. Lebervene ; 7'scf?, rechte Schultervene; rscg, linke Schultervene ; ;rf, rechte
Jugularvene ; Jg, linke Jugularvene ; ri, unpaare Kopfvene; v d, rechte Wirbel vene ;
r (/j linke Wirbelvene ; vp d, Längsast der rechten Lungenvene.
Reptilien. 705
die Rede sein soll. Durch seine Erstreckung nach hinten deckt der
Baibus die Trennungsfurche zwischen den beiden Vorkammern. Diese
sind etwa gleich gross, erscheinen aber oft ungleich, je nach dem Zu-
stande ihrer Füllung mit Blut. Die hinteren Ränder der Vorkammern
werden von der Kammer durch eine tiefe, fast gerade Querfurche ge-
trennt, welche aber in der Mitte durch die Wurzel des aus der Kammer
austretenden Bulbus unterbrochen wird. — Die H e r z k a m m e r (?;fZ, vg)
hat die Gestalt einer unregelmässigen, dreiseitigen Pyramide; die obere
dorsale Fläche ist durch die Längsfurche der Luftröhre seicht aus-
gekehlt, die beiden Seitenflächen sind ungleich. Die Basis der Pyra-
mide wird durch die vordere, den Vorkammern zugewandte Fläche her-
gestellt, die etwas abgestumpfte Spitze der Pyramide ist nach hinten
gerichtet; die linke Seite ist etwas grösser und leicht gewölbt, während
die rechte Seite, besonders nach der Spitze hin, etwas ausgeschweift ist.
Die ventrale Mittelkante der Pyramide ist stark abgerundet. Von der
hinteren Spitze der Kammer gehen einige Faserbündel aus, welche die-
selbe an den Herzbeutel befestigen. Dieser umgiebt allseitig das
Herz, bildet aber nach hinten zu einen weiteren Sack, während er nach
vorn eng den Vorkammern anliegt und sich an den "Wurzeln der grossen
Gefässe in unmittelbarer Nähe des Herzens festsetzt.
Ganz besonders fällt bei der ventralen Ansicht der Arterien-
bulbiis (ba, Fig. 289,^) auf, der mit seiner etwas verdickten Wurzel
in eine Einkerbung der Kammer eingepflanzt ist und nach vorn
zwischen den Vorkammern sich erstreckt. Man sieht an mit Blut ge-
füllten Herzen sogleich, dass er aus zwei grossen Arterienstämmen
zusammengesetzt ist, die durch eine halbe Windung um die Längsaxe
gedreht sind. Diese beiden Stämme sind bis zur Basis des Bulbus
deutlich von einander getrennt; eine weissliche, schiefe Linie lässt
schon von aussen diese Trennung erkennen. Der von rechts her kom-
mende Stamm liegt am meisten veutralwärts ; er verläuft in schiefer
Richtung bogenförmig über die linke Vorkammer, nimmt ein Com-
municationsgefäss vom Carotidenbogen (cog) auf, erhebt sich bis zur
Wirbelsäule und verläuft an dieser nach hinten , um sich mit dem
entsprechenden Bogen der anderen Seite zu verbinden und mit ihm die
gemeinschaftliche Bauchaorta (ac) zu bilden. Dieser isolirte
Stamm ist die linke Aorta («f/). ' ^
Die rechte Aorta (tc), die mehr Verzweigungen bietet, tritt zur
linken Seite der vorhergehenden aus der Herzkammer aus , schlüpft
über sie weg, indem sie sich nach rechts wendet und entsendet zuerst
einen Ast, der im Bogen die rechte Vorkammer umkreist und hier
einen Verbindungsast vom entsprechenden Carotidenbogen (eod) er-
hält. Hierauf setzt sie in schiefer Richtung ihren Lauf gegen die
Wirbelsäule fort und vereinigt sich mit der linken Aorta in einiger
Entfernung von der Herzspitze zur Bildung der gemeinsamen
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. j^y
706 Wirbelthiere.
Aorta (ac). Dieser Stamm ist die rechte Aorta (ad). Diese
beiden Stcämme geben durchaus das Bild eines Kiemengefässbogens,
der au seiner Basis getrennt ist und keine Kiemenfransen speist.
Unmittelbar nach dem Austritte der rechten Aorta theilt sich der
gemeinsame Stamm in zwei Aeste, die schief nach vorn zu beiden
Seiten der Luftröhre verlaufen und deren Verzweigungen wir später
beschreiben werden. Diese beiden Stämme sind die gemeinschaft-
lichen Carotideu (cd, cg), welche das Blut zum Kopfe und den
Vordergliedmaassen führen.
Aus dieser Anordnung folgt, dass alles für den Körper bestimmte
Blut durch den Arterienbulbus hindurchgehen muss.
Um die Stämme der Lungengef ässe und der Venen zu
sehen, muss man das Herz von seiner doi'salen Fläche aus untersuchen
(B, Fig. 289). Hier bedarf es aber einer eingehenden Präparation, da
diese Fläche von dem Schlünde und unmittelbar von der Luftröhre bedeckt
wird. Um ein unserer Figur B ähnliches Präparat herzustellen, muss man
den Schlund entfernen, nachdem man die herumschweifenden Nerven und
die Gefässe durchschnitten, die Aorten aber bis zu ihrem Vereinigungs-
punkte unbeschädigt gelassen hat, so dass man sie, wie wir gethan,
ablösen und nach vorn zurückschlagen kann. Man entfernt dann den
Schlund vollständig und schlägt die Luftröhre bis zu ihrer Gabelung
Bach hinten zurück. Man sieht dann, an der Basis des Bulbus, eine
rundliche Aussackung (hm), die von dem grossen Venensinus aus-
geht. Von den Seiten des Bulbus gehen die erwähnten Aortenstämme
ab. Hinter ihnen, aber noch im Zusammenhange mit der Wurzel des
Bulbu.s, treten die beiden Lungenarterien (pd^pg) hervor, die sich
unmittelbar nach hinten krümmen , um über die dorsale Fläche des
Herzens und der grossen Venenstämrae weg jederseits den betreffenden
Ijungensack zu erreichen. Etwas hinter ihnen und hart an der Mittel-
linie tritt die gemeinsame Lunge nvene (vp) hervor, welche das
oxygenirte Blut aus den Lungen zum Herzen zurückführt; sie verläuft
ähnlicb wie die Arterien , theilt sich aber erst an der Gabelung der
Luftröhre, in unmittelbarer Nähe der Lungen, in die den beiden
Lungensäcken entsprechenden Aeste.
Aber die Ursprünge dieser Lungengefässe werden von den grossen
Venenstämmen überdeckt. Schon bei der ventralen Ansicht des Her-
zens sieht man die grosse Lebervene (vc), die man auch die Hohl-
vene genannt hat, welche aus den vorderen Leberlappen austritt, sich
an den rechten Rand der Herzkammer anlegt, und mit einer S-förmigen
Krümmung auf die dorsale Fläche der Vorkammern gleitet (B, ve).
Hier nimmt sie die von der rechten Kopfseite und der rechten Vorder-
glied maasse kommenden Venen auf und bildet einen weiten, horizontal
verlaufenden Sinus (B,sr), der von der linken Seite her einen Stamm
aufnimmt, welcher durch die Vereinigung der linken Jugular- und
Reptilien. 707
Scapularvenen gebildet wird. Etwa in der Mitte bildet der Sinus die
erwähnte Aussackung nach vorn (Im), welche von der dorsalen Seite
her die Bulbuswurzel und die Austrittsstellen der Lungengefässe deckt.
Diese Aussackung, die vielleicht das verkümmerte Homologen der un-
paaren rechten Kopfvene (vi) ist, steht in offener Verbindung mit
dem grossen Venensinus, der durch eine Querspalte in die Vorkammer
mündet.
Die innere Structur des Herzens muss auf Schnitten untersucht
werden.
Durch die Herzkammer und die Vorkammern gelegte senkrechte
Querschnitte zeigen, dass die Kammer, besonders in der ganzen Er-
streckung ihres hinteren Abschnittes , aus Muskelbündeln besteht , die
im Ganzen eine dorso- ventrale Richtung haben und nur enge Spalten
zwischen sich lassen. Man kann keine besondere, die beiden Kammer-
hälften trennende Scheidewand nachweisen, doch scheinen die Spalten-
räume zu beiden Seiten der mittleren Trabekeln etwas weiter als die
anderen. Gegen die Vorkammern hin sieht man diese Spalten eine
halbmondförmige Gestalt annehmen und so einen abgerundeten , mitt-
leren Theil umfassen, der sich als Anfang des Bulbus erweist. Schliess-
lich öffnen sich die Spalten in eine weite, mittlere Höhle, welche zu den
Atrioventricular-Oeffnungen führt. Ausserdem bemerkt man noch in der
Nähe des Randes der rechten Ventrikelhälfte eine etwas weitere Spalte,
welche längs dieses Randes sich zur rechten Aorta und den Lungen-
arterien hinzieht, die an der Rückenseite der Wurzel des Bulbus ent-
springen.
In die bezeichnete Ventrikelhöhle münden die Vorhöfe und die
Gelasse. Die Trennung zwischen der Kammer und den Vorkammern
wird durch eine vielfach ausgeschnittene Sehnenhaut bewerkstelligt,
welche durch Sehnenfäden befestigt ist und um die öeflfnungen un-
vollständige Klappen mit freien, ausgezackten Rändern bildet, Ventral-
wärts, fast in der Mittellinie, finden sich die Mündungen der Gefässe,
welche die Wurzel des Bulbus zusammensetzen, diejenigen der Lungen-
arterien etwas mehr nach oben und rechts, die der Aortenbogen mehr
nach unten und links. Alle diese Gefässe zeigen am Ursprünge halb-
mondförmige Taschenventile. Die Höhlungen der beiden Vorkammern
sind unabhängig, doch liegen die Mündungen der Gefässe sehr nahe
an der mittleren Scheidewand ; die des gemeinschaftlichen Venensinus
in die rechte Vorkammer ist eine Querspalte, die der Lungenvene
in die linke Vorkammer dagegen ist rundlich. Diese Venen-
mündungen haben glatte, abgerundete Muskelränder, welche wohl
die Oeffnungen verengen , aber doch wohl nicht gänzlich schliessen
können.
Ln Ganzen ist demnach der Klappenapparat des Herzens ziemlich
mangelhaft. Die am Ursprünge der xirterien liegenden Klappen
45*
708 Wirbelthiere.
schliessen wohl noch vollständig, weichen aber einem geringen Drucke;
die Atrioventriciilarklappen schliessen nicht ganz volLständig, so dass
stets einiger Rückfluss statthat, und die Venenöffnungen widersetzen
sich kaum einer Rückstauung des Blutes. So kommt es dann, dass
bei den meisten Injectionen, mögen sie nun von der Kammer, der
Aorta oder der Lebervene aus bewerkstelligt werden, sich alle Clefässe,
Arterien wie Venen, gleichmässig füllen. Nur zufällig, wenn einer
oder der andere Stamm von einem Blutpfropfen ausgefüllt ist, erhält
man isolirte Injectionen eines Systemes. Auch die Durchgänge durch
die Capillaren scheinen sehr wegsam; man erhält meistens, bei der
Einspritzung durch die Herzkammer, ganz gelungene, indirecte In-
jectionen der Pfortadersysteme der Leber und der Nieren.
Arterieller Körperkreislauf. — W^ie schon gesagt, tritt
die linke Aorta (ag, Fig. 289) zuerst als unabhängiger Stamm auf
der rechten Seite der Wurzel des Arterienbulbns hervor. Sie richtet
sich schief nach links und vorn, geht über die ventrale Seite des ge-
meinschaftlichen Aortenstammes, steigt zur Wirbelsäule empor und
bildet, auf der doi-salen Seite des Schlundes angelangt, einen nach
hinten gerichteten Bogen, um sich in der Mittellinie, im Niveau der
vorderen Leberspitzen, mit der rechten Aorta zur Bildung der gemein-
samen Baucbaorta zu vereinigen. Auf diesem ganzen Wege vom
Herzen bis zum Vereinigungspunkte entsendet sie keinen Seitenzweig,
nimmt aber auf der Höhe ihres Bogens einen Verbindungsast mit
der linken Carotis (cog, Fig. 289, A) auf.
Der gemeinsame Aortenstamm (ac, Fig. 289, Ä) tritt an-
fangs auf der linken Seite des Arterienbulbus hervor, biegt aber dann
in seiner Erstreckung nach vorn auf die dorsale Seite der linken Aorta,
um sich in der Höhe des Vorderrandes der Vorkammern in drei Haupt-
stämme zu theilen, in die rechte Aorta (ad) und rechte Carotis (cd)
einerseits, die linke Carotis anderseits.
Die rechte Aorta (ad) beschreibt einen der linken ähnlichen
Bogen, auf dessen Höhe sie ebenfalls einen Verbindungsast (cod)
mit der rechten Carotis aufnimmt. Aber auf ihrem Wege zu der Ver-
einigung mit der linken Aorta sendet sie mehrere Seitenäste ab, deren
hauptsächlichste von vorn nach hinten sind: die rechte Subclavia
{scd, Fig. 289, B) und ein gemeinsamer Stamm, der sich sofort in
zwei Aeste, die Wirbelarte rie (va) und die linke Subclavia
(scg) theilt. Ausser diesen Haiiptästen giebt sie noch vor der Ver-
einigung einige feine Zweige zum Oesophagus, die wir auf unserer
Fig. 289, B nicht gezeichnet haben. Unmittelbar nach der Herstellung
der gemeinsamen Aorta (ac) löst sich eine stärkere Arterie, die Magen-
arterie, ab, die ihrer Lagerung nach noch der rechten Aorta angehört.
Wir behandeln später diese Aeste.
Abgesehen von der grösseren, ursprünglichen Unabhängigkeit der
Reptilien. 709
linken Carotis {cg), beschreiben beide Carotiden (Fig. 289, Ä) den
Aorten ähnliche, identische Bogen, welche nach hinten die kurzen Ver-
bindnngsäste {cod und cog) abgeben, die schon erwähnt wurden.
Dann aber gehen nach vorn, zu beiden Seiten der Luftröhre, die ge-
meinsamen Carotiden {cd und cg) ab, welche in gerader Linie
gegen das, äusserlich durch das Trommelfell bezeichnete Gelenk des
Unterkiefers sich richten.
Sieht man in Gedanken von den beschriebenen Trennungen dieser
Stämme im Bulbus ab, so hat man zwei aus dem Bulbus hervortretende
Gefässbogen , von welchen der vordere von den beiden Carotiden , der
hintere von den beiden Aorten gebildet wird ; aber diese beiden Bogen
fliessen durch die erwähnten Verbindungsäste auf den Seiten zu-
sammen. Der Carotidenbogen liefert die Arterien des Kopfes und
Vorderhalses; der zweite, aber nur durch seine rechte Hälfte, die Ge-
fässe der Vorderglieder und der umgebenden Theile, während die
durch die Vereinigung hergestellte gemeinsame Aorta das Blut in die
Eingeweide und die hinteren Körpertheile führt.
Carotiden. — Jeder dem Bulbus entstammende Bogen entsendet
noch vor dem Verbindungsaste einen feinen , oberflächlichen Zweig
{tJi^ Fig. 290) zur Thymusdrüse, die hufeisenförmig die Luftröhre
uragiebt. Die gemeinsame Carotis (25), die sich schief nach vorn
und oben gegen die Ecke des Trommelfelles richtet, ist nur sehr kurz ;
sie entsendet vor ihrer Gabelung einen Zweig, Art. hyoideo-lingualis,
die längs des hinteren Zungenbeinhornes bis zum Zungenbeinkörper
läuft, über die Vereinigung schlüpft, hier einen rückläufigen Ast längs
des vorderen Hornes entsendet und dann ihren Weg bis zum Frenu-
lum fortsetzt. Sie giebt auf diesem Wege Zweige an die Luftröhre,
den Kehlkopf, die umgebenden Muskeln, die Mundschleimhaut und ver-
ästelt sich schliesslich in der Zunge.
Fast unmittelbar nach Abgabe dieses Astes gabelt sich der ge-
meinsame Stamm in die äussere und innere Carotis.
Die äussere Carotis entsendet, an der hinteren Ecke des
Trommelfellringes angelangt, einen bedeutenden Ast zum Unter-
kiefer, Art. mandi'bularls (4), welche auf ihrem Verlaufe bis zur
Schnauze die Muskeln, die Zähne und die Schleimhaut der Umgebung
versorgt. Sie biegt hinten um das Trommelfell und theilt sich an
dessen oberer Ecke in zwei Aeste, Art. supra-orhitulis (3) und
infra-orl)italis(l), welche sich in den Augenmuskeln, der Nase
und dem Vorderkopfe verzweigen.
Die innere Carotis (5) entsendet zuerst einige rückläufige
Zweige zu den Nackenmuskeln (p) und dringt sodann in den Schädel
ein, wo sie Zweige an das Hörorgan, das Gehirn und besonders eine
centrale Augenarterie abgiebt, die dem Sehnerven folgt und mit ihm
in den Augapfel eindringt, wo sie in der Choroidea und Iris sehr com-
710 VVirhelthiere.
plicirte Netze bildet. Nach Schöbl (s. Lit.) zeigen die in das Gehirn
eindringenden Arterien noch ein embryonales Verhalten ; sie bilden keine
intermediären Capillarnetze zwischen Arterien und Venen, sondern biegen
einfach an ihi'en Enden um und setzen sich in die Venen fort. An der
Hirnbasis, vor der Nackenbeuge und unter den Kleinhirnschenkeln
entsenden beide Carotiden je einen rückläufigen Zweig, der sich mit
dem der anderen Seite in der Mittellinie zu dem sogenannten Circulus
Willisii vereinigt, von welchem eine starke Arteiie, Art. myelica (14),
ausgeht , die in der Mittellinie längs der ganzen Erstreckung des
Rückenmarkes bis zur Schwanzspitze verläuft und in jedem Inter-
vertebralraume einen Verbindungszweig zu der seitlichen Spinal-
arterie (13) sendet, welche aus einem tiefen Aste der Schulterarterie
entspringt. Nach Entsendung dieser Zweige weichen die Carotiden
unter der Basis des Mittelhirnes wieder aus einander und setzen sich,
am Chiasma, in die Sehnerven und die Augen fort. Ueberall geben
sie Zweige an das Gehirn und enden schliesslich mit einer Arterie, die
dem Riechnerven in seiner ganzen Länge folgt und sich in der Nase
und Schnauzenspitze verzweigt.
Rechter Aortenbogen (ad, Fig. 289). — Wie schon bemerkt,
liefert der linke Bogen keine Aeste. Der rechte ist dagegen so zu sagen
ausschliesslich für das Vorderglied bestimmt ; er entsendet die beiden
Schulter arterien, von welchen die rechte (sccl) etwas vor der
anderen entspringt. Diese Arterie durchsetzt die Muskeln, welchen
sie kleine Zweige liefert, und verläuft zum Armgelenke, über welchem
sie sich in zwei Aeste gabelt, die auf den beiden Armflächen sich ver-
ästeln.. Wir gehen in diese Verzweigung nicht weiter ein, bemerken
aber, dass die Arterie an der Gabelung einen Zweig entsendet (p^,
Fig. 29Ü), welcher in den Seitenmuskeln verläuft, sich der ventralen
Mittellinie nähert und mit der oberflächlichen Leistenarterie anasto-
mosirt. Ein anderer Ast geht vor der Gabelung ab; er durchsetzt
die Wirbelsäule und bildet die seitliche Spinalarterie. Die linke
Schulterarterie geht etwas hinter der anderen ab, kreuzt die
Mittellinie, um zum linken Armgelenk zu gelangen, giebt auf diesem
Wege einen Zweig zur Verstärkung der Art. myelica, verhält sich aber
dann wie die rechte. Wir bemerken noch, dass beide Schulterarterien
von ihrem Ursprünge an hart au der Wii'belsäule anliegen, so dass
man die mächtigen unteren Nackenmuskeln wegpräpariren muss, um
sie zur Anschauung zu bringen.
Die gemeinsame absteigende Aorta (12) liegt von dem
Punkte der Vereinigung der beiden Aortenbogen an bis zum Vorderende
der Nieren hart an der Wirbelsäule in der ventralen Mittellinie an,
entfernt sich aber hier etwas, um sich in zwei Stämme zu gabeln und
in die Niere einzudringen, wo die Arterien Wundernetze bilden, an
der hinteren Spitze der Nieren aber sich wieder zu einem Stamme zu-
Reptilien. 711
sammenzuthun , der als Caudal-Aorta (20) in dem durch die
unteren Dornfortsätze gebildeten Häraalcanal sich bis zur Schwanz-
spitze erstreckt. Auf diesem ganzen Verlaufe giebt die Arterie in
jedem Intervertebralraume Zweige ab, die in die Austrittsöffnungen der
Nerven eindi'ingen. Am Eintrittspunkte gehen Zweige für die Mus-
keln und die Haut ab, die wesentlich den oberen und unteren Dorn-
fortsätzen und den Rippen folgen. Aber diese Zweige communicireu
auch im Inneren des Wirbelcauales mit der Art. myelica und da diese
wieder mit der seitlichen Spinalarterie in Verbindung steht, tragen sie
zu dem Kreislaufe innerhalb des Rückenmarkes bei.
Oeffnet man vorsichtig den Rückencanal, um das Mark bloss zu
legen, so sieht man inderThat, dassdieArt. myelica (14) und spina-
lis lateralis (13) einen welligen Verlauf haben, sich an jedem Wirbel
berühren und so eine Reihe von rhombischen Figuren (Fig. 290)
bilden, von deren Ecken feine Zweige in das Rückenmark und dessen
Hüllen ausgehen. Aber ausser diesen Zweigen entsendet noch jede
dieser Rhombenketten in der Höhe der Magenkrümmung und des
Beckens feine oberflächliche Zweige, die in das schwarze Peritoneum
übertreten und mit den Aufhängefalten des Mesenteriums, die ersteren
in den Ausschnitt der Leber, wo sich das Pankreas findet, die letzteren
zu dem Hinterrande der Fettkörper sich begeben.
Ausser den erwähnten Zweigen für das Leibesgerüst mit Muskeln
und Haut und das centrale Nervensystem liefert aber die gemeinsame
Aorta noch bedeutende Aeste für die Eingeweide und die hinteren
Gliedmaassen,
Auf der ganzen Länge ihres Verlaufes entsendet sie durch die
von der Wirbelsäule ausgehenden Mesenterialfalten Gefässe an die an
diesen Falten aufgehängten Organe. Vorn, an die dorsale Fläche des
Magens, gehen meist kleinere Gefässe, unter welchen oft eine stärkere
als M agen arter ie bezeichnet werden kann. In der Nähe der Mageu-
krümmung geht ein starker Ast ab, die Milzarterie (A. sple-
nica, 16, Fig. 290), die sich besonders in der Milz und im Pankreas,
aber auch in den umliegenden Darmtheilen verzweigt. Etwas weiter
nach hinten geht ein noch grösserer Ast ab, die Bauch fellarterie
{A. mesenterica, 17), die sich in den Mesenterialfalten des Darmes bis
zum Rectum verzweigt. Endlich entsendet die Aorta unmittelbar vor
dem Eintritte in die Niere eine starke Genitalarterie (18), welche
an den Geschlechtscanälen, Ei- und Samenleitern , zu den Nebennieren
und Nebenhoden vorgeht und zahlreiche Gefässe an Eierstock und
Hoden abgiebt.
Am Vorderende der Niere (>•, Fig. 290) gabelt sich die Aorta,
wie schon bemerkt. Jeder Ast tritt in die entsprechende Nierenhälfte
ein, lässt sich aber nicht weiter als unabhängiger Stamm verfolgen,
weil er sich in ein Wundernetz von dicken , mit einander communi-
712
Wirbelthiere.
Fia-. 290.
Laceria oceUalu. — Das Thier liegt auf der linken Seite und ist von rechts her
geöffnet. Man hat die Organe nach rechts ausgebreitet, so weit dies möglich war,
ohne ihre Verbindungen zu lösen. Die Körpertheile und Eingeweide sind nur in Um-
rissen angegeben und durch Buchstaben bezeichnet, die Arterien sind roth, die Venen
blau, die Lungengefässe' schwarz; alle numerirt. Etwas reducirte Grösse. Buch-
staben links : n, Nasenloch ; o, Auge ; t, Trommelfell ; p, Hautstück des Nackens,
Reptilien. - 713
cirenden, gewundenen Gefässeu auflöst, von welchen feine Aeste in die
Nierensubstanz eindringen. In der Mitte des Organes, wo beide
Nierenhälften zusammenfliessen , tritt durch eine tiefe seitliche Kerbe
eine bedeutende Arterie aus , deren Vertheilung wir sofort besprechen
werden. Das Wundernetz erfüllt den ganzen vereinigten Nieren-
abschnitt; aus dem hinteren spitzen Ende der Niere tritt dann die
oben beschriebene Caudalaorta (20) aus.
Die erwähnte Arterie, welche jederseits aus der Kerbe austritt,
kann die Art. femoro-abdominalis (19) genannt werden. Sie schlägt
sich über die vordere Ecke des rinnenartigen Gelenkes zwischen dem
Becken und der Wirbelsäule hinüber, läuft zum Schenkelgelenke und
tlieilt sich hier auf dem Gelenkkopfe des Femur in zwei, längs diesem
Knochen verlaufende Aeste, die schwächere, Art. cruralis (32), auf
der Streckseite, die stärkere, Art. ischiatica (33), auf der Beuge-
seite des Gliedes. Mit einem tieferen Aste zusammen vertheilen sich
diese Arterien in dem Fusse. Ausserdem aber liefert jede dieser
Arterien einen Zweig, die Art. ischiatica einen oberflächlichen Ast zum
Lymphherzen (cJ), zur Schenkelhaut und den Schenkeldrüsen; die Art.
cruralis eine weit bedeutendere Baucharterie (31), welche unmittel-
bar unter der Haut an der äusseren Fläche des Beckens bis zur Sym-
physe verläuft, über den Fettkörper wegzieht, dem sie, je nach seiner
Entwicklung, stärkere oder schwächere Aeste abgiebt. Diese Arterie
vereinigt sich mit derjenigen der anderen Seite in der Mittellinie und
bildet dann zwei Aeste, einen grösseren, die äussere Mesenterialarterie,
und einen kleineren, oberflächlichen, die Bauchwandarterie.
Die Art. mesenterica externa (30, 31) folgt der medianen
Mesenterialfalte , welche den Darm an die Bauchwand befestigt, bis
zurückgeschlagen; b, Arm; p', Hautstück der Seite; oe, Schlund; pa, Pankreas mit
der Darmpfortader; ■>:, Wirbelsäule; (/', männliche Geschlechtsorgane der linken Seite,
durch das Bauchfell durchschimmernd. Man hat hier nur die Venen eingetragen,
um die Vene zu zeigen, welche von da zum rechten Hoden geht, sp, rechter Samen-
leiter; d, Muskeln und Tegumeute des Rückens; r, Niere; m, Rückenmark. Rechter-
seits : mu, Unterkiefer; hy, Zungenbein; Ki/^, seine Bogen; tr, Luftröhre; th, Thy-
mus; od, rechte Vorkammer; r, Herzkammer; f^, vordere Lappen der Leber; jxa,
Leibes wand mit den oberflächlichen Gefässen ; p, rechte Lunge; /, Leber; 7-a, Milz;
i, Dünndarm; f., rechter Hode ; cg, Fettkörper; co, Dickdarm; re, Harnblase; ba,
Becken; c, Hinterfuss ; cl, Lymphherz; q, Schwanz. Ziffern zur linken Seite. Ge-
fässe bezeichnend: 1, Art. inira-orbitalis ; 2, venöser Sinus der Augenhöhle; 3, Art.
supra- orbitalis ; 4. Art. mandibularis ; 5, Carotis interna; 6, rechte Jugularvene ;
7, Verbindungsast des Carotisbogens ; 8, Vena vertebralis ; 9, V. subclavia; 10. Art.
subclavia dextra ; 11, Vereinigung der beiden Aortenbogen; 12, gemeinsame Bauch-
aorta; 13, Art. spinalis lateralis; 14, Art. myelica ; 15, Magenpfortader; 16, Art.
splenica ; 17, Art. mesenterica; 18, Ai-t. genitalis; 19, Art. femoro-abdominalis ;
20, Aorta caudalis. Ziffern rechterseits : 21, Art. subungualis; 22, Art. mandibularis;
23, Vena lingualis ; 24, V. cephalica irapar ; 25, gemeinsamer Carotidenbogen ; 26, linker
Aortenbogen; 27, Leberhohlvene; 28, 29, Art. abdominalis parietalis ; 30, 31, Art.
mesenterica externa; 32, Art. cruralis; 33, Art. ischiatica; 34, Vena cava caudalis.
714 ' Wirbelthiere.
zum Rande der Leber, taucht in die Auskehlung dieser Drüse ein und
durchsetzt in schiefer Richtung nach vorn die Lebersubstanz, an welche
.sie feine Zweige abgiebt. An dem vorderen Rande der Leber an-
gelangt, entsendet sie nach aussen in der die Leber mit der ventralen
Seite des Magens und Schlundes verbindenden Mesenterialfalte drei
Zweige, die eine Längsarterie zusammensetzen, welche am Schlünde
und Magen bis zur Krümmung des letzteren verläuft.
Die Art. abdominalis parietalis (29) läuft an der inneren
Fläche der Bauchwand bis zur Symphyse des Beckens und theilt sich
hier in zwei Aeste, einen kleineren rückläufigen, der auf der Symphyse
bis zur Afterspalte verläuft, und einen grösseren , der in der ventralen
Mittellinie bis zum Aufhängebande der Herzspitze aufsteigt und sich
in der Bauchwand und in der das Herz an die Leber befestigenden
Mesenterialfalte verzweigt.
Venöser Körperkreislauf. — Wir erwähnten schon (S. 706),
dass alles vom Körper und den Eingeweiden, mit Ausnahme der
Lungen, rückströmende Blut sich in einem grossen, quer auf der Dorsal-
fläche des Herzens gelagerten Venen sinus (sv, Fig. 289, £) sam-
melt, der die Grenze zwischen Vorkammern und Kammer überdeckt
und sich mit einer Spalte in die rechte Vorkammer öffnet. Die beiden
Queräste, welche diesen Sinus zusammensetzen, erhalten sich innerhalb
des Herzbeutels , verhalten sich aber ausserhalb desselben in ver-
schiedener Weise. Wir müssen sie also getrennt behandeln , machen
aber zugleich darauf aufmerksam, dass die peripherischen Venen im
Ganzen die Arterien begleiten , so dass wir sie in unserer Figur 290
nur dann eingezeichnet haben, wenn sie von den Arterien abweichen.
Der rechte Querstamm, der bedeutendste, setzt sich aus drei
Hauptästen zusammen: der unpaaren Kopfvene, der Jugularis und der
Lebervene, die nahe an ihrer Einmündung die Schultervene und Wirbel-
vene aufnimmt.
Die unpaare Ko]3fvene (vi, Fig. 289; 24, Fig. 290) erscheint
unmittelbar am Herzbeutel und legt sich an die rechte Seite der Luft-
röhre an, wo man sie bis zur Abgangsstelle der Zungenbeinbogen ver-
folgen kann. Indem sie hier auf die dorsale Fläche des Zungenbeines
übergeht, gewinnt sie zugleich die Mittellinie und bildet nun unter
der Zunge und in dem Körper derselben jene Sinusse, die wir S. 691
beschrieben haben. Diese münden nach hinten in die bedeutende
Zungenvene (23), welche von beiden Seiten Zuflüsse aus den be-
nachbarten Theilen erhält.
Die rechte Jugularvene (6, Fig. 290) folgt der rechten Ca-
rotis und erhält den Artei'ien entsprechende Zuflüsse. Nur ist zu be-
merken, dass die der Unteraugenarterie entsprechende Vene sich unter
den vorderen Hirntheilen und in der Orbita bedeutend erweitert, um
Reptilien. 715
jene Sinusse zu bilden, welche wir S. 680 beschrieben und unter 2 auf
unserer Figur 290 angedeutet haben.
Die Lebervene (vc, Fig. 289; 27, Fig. 290) ist der bedeutendste
Gefässstamm des ganzen Körpers. Sie tritt am vorderen Ende der
Leber zwischen kleinen, anliegenden Läppchen derselben aus, legt sich
an den Herzbeutel an mit einer zierlichen Krümmung und dreht plötz-
lich ein , um sich mit der Jugularis und der unpaaren Vene zu ver-
binden. Vor dieser Vereinigung aber nimmt sie die rechte Schulter-
vene und Wirbelvene auf, die wie die gleichnamigen Arterien
verlaufen.
Der linke Querstamm ist weit unansehnlicher als der rechte
und setzt sich nur aus der linken Jugularis (jg) und Schulter-
vene (vscg, Fig. 289) zusammen, die unmittelbar am Herzbeutel
zusammenfliessen und sich sonst wie die gleichnamigen Venen der
rechten Seite verhalten. Ein der unpaaren Kopfvene entsprechender
Stamm fehlt gänzlich.
Die Venen des Rückenmarkes verlaufen wie die Arterien und hin-
sichtlich der Peritonealvenen ist das Gleiche der Fall.
Abgesehen von den peripherischen Communicationen, die vorhanden
sein können , ist demnach der venöse Kreislauf im Kopfe und den vor-
deren Extremitäten durchaus unabhängig; das durch ihn gebrachte
Blut strömt durch die erwähnten fünf Stämme in die beiden Queräste
des gemeinschaftlichen Veneusinus.
Der venöse Kreislauf der hinteren Körperhälfte ist verwickelter ;
er concentrirt sich gewissermaassen in der Leber und der Niere.
Eine caudale Hohl ven e (34, Fig. 290)begleitet, eingeschlossen
in dem Hämalcanale der Dornfortsätze des Schwanzes, die Aorta und
dringt mit dieser mit mehrfachen Sprüngen in die hintere Spitze der
Niere ein, in welcher sie sich verzweigt. Sie ist also eine zu-
führende Nierenvene.
Die Art. femofo-ahdomincdis (S. 7L3) ist auf allen ihren Ver-
zweigungen von der gleichnamigen Vene begleitet, die durch dieselbe
Seitenkerbe in die Niere eindringt, um sich in ihre Substanz zu ver-
zweigen. Diese Vene ist also ebenfalls eine zuführende Vene der
Niere und führt dieser Drüse alles aus den Hinterbeinen und den Bauch-
wandungen rückströmende Blut zu. Als besonderen Zweig erwähnen
wir eines vom Lymphherzen kommenden Aestchens (cl, Fig. 290).
Alles dieses durch die Arterien und zuführenden Venen in die
Niere gebrachte Blut verlässt nach der Circulation die Niere durch die
vorderen Zipfel. Es giebt also zwei ausführende Nierenvenen,
die wir die Genitalvenen nennen, weil sie unmittelbar von der
Niere sich auf die ausführenden Geschlechtscanäle hinüberschlagen und
gemeinschaftlich mit den Arterien denselben der ganzen Länge nach
716 Wirbel thiere,
folgen. Auf diesem Wege erhalten sie bedeutende Zuflüsse von den
Geschlechtsdrüsen, Hoden und Eierstöcken. An dem Vorderende des
Geschlechtsapparates, den Nebenhoden und Nebennieren angelangt,
vereinigen sich die beiden Venen zu einer gemeinsamen Genital-
pfortader, welche die Richtung der rechten Genitalvene beibehält
und die linke Genitalvene wie einen längeren Ast aufnimmt. Der ver-
einigte Stamm dringt in die hinteren Leberlappen an dessen Rande
ein und verzweigt sich in der Substanz der Leber als Pfortader.
Die eigentliche Pfortader, welche wir die Darmpfortader
(pa, Fig. 290) nennen wollen, nimmt alles von dem Darm, dem hin-
teren Theile des Magens, dem Pankreas und der Milz kommende Blut
durch Venen auf, welche in den Mesenterialfalten neben den Zweigen
der Mesenterial- und Milzartei'ien verlaufen. Diese Venen sammeln
sich allmählich in der Nähe des Pankreas zu einem Stamme, der mit
den Gallengäugen in die Leber dringt, um sich in deren Substanz zu
verzweigen.
Aber ausser diesen beiden Hauptpfortadern giebt es noch einige
feinere unabhängige Gefässe, welche sich unmittelbar in der Leber
verzweigen, ohne vorher sich an die Stämme anzuschliessen. Dahin
gehören die Zweige, die von der Vena myelica stammen und den S. 711
erwähnten Peritonealarterien folgen, ferner Schlundzweige, die den
Venen entstammen , welche in den beiden Mesenterialfalten des vor-
deren Abschnittes des Magens verlaufen und endlich Zweige, welche
aus dem vorderen Theile der Vena femoro-parietalis hervorgehen.
Das Pfortadersystem der Leber zerfällt also in zwei Hauptvenen,
die genitale und intestinale Pfortader, und eine Anzahl von kleineren,
unabhängigen Zweigen. Alles in diesen Gefässen strömende Blut wird
nach seiner Circulation in der Lebersubstanz von der grossen Leber-
vene (27) aufgenommen, die es in der S. 715 beschriebenen Weise
dem gemeinschaftlichen Venensinus zuführt.
Lungenkreislauf. — Die beiden L u n g e n a r t e r i e n {pd, pg,
Fig. 289) entspringen gesondert aus der dorsalen Fläche der Wurzel
des Arterienbulbus, wo ihr Ursprung durch die kleine vordere Aus-
sackung des Venensinus überdeckt wird. Hebt man dieselbe auf, so
siebt man, dass die Ursprünge der Arterien so sehr dem rechten
Aortenbogen genähert sind, dass sie demselben zu entspringen scheinen.
Jede Arterie schlägt sich in einem Bogen über den Venensinus und die
Lebervene und theilt sich, auf der Lunge angekommen, in zwei Aeste,
einen stärkeren, der auf der Rückenfläche der Lunge nach hinten läuft,
und einen schwächeren, der sich in den blinden Theil vor dem Ein-
tritte des Bronchus vertheilt. Die verzweigten Arterien bilden auf den
Wänden der Areolen sehr dichte Capillarnetze. Aus diesen sammeln
sich die zuführenden Zweige der Lunge nvene (^'J;, Fig. 289, B), die
schliesslich zwei, den Arterien entsprechende Aeste bilden. Der daraus
Reptilien, - 717
hervorgehende Stamm verhält sich aber in verschiedener Weise. Nach
ihrer Vereinigung bilden die beiden Aeste der rechten Lunge {vpä)
einen kurzen, nach vorn und links verlaufenden Stamm, Dieser nimmt
beim Vorüberziehen die beiden Gefässe der linken Lunge gesondert
auf und die auf diese Weise gebildete gemeinsame Lungenvene schlägt
sich nun nach vorn, hart an der linken Lungenarterie angelagert. In
der Nähe der Bulbuswarzel mündet sie in den linken Vorhof auf der
dem Bulbus zugewandten Fläche in unmittelbarer Nähe der die beiden
Vorkammern trennenden Scheidewand.
Lymph System. — Man kann im Allgemeinen sagen, dass sich
dieses System grösstentheils aus wandungslosen Lückenräumen zu-
sammensetzt, welche sich überall zwischen den Organen und deren con-
stituirenden Elementen vorfinden, dass diese Räume mit grösseren
Lücken zwischen dem Tegumente und den anliegenden Muskeln in Ver-
bindung stehen und dass schliesslich in einzelnen Theilen sich be-
sondere Wände zur Auskleidung der Lückenräume ausbilden. Dies
geschieht besonders in den Scheiden, welche die grossen Gefässstämme
und die Arterien bis zu ihren feineren Verzweigungen umhüllen. Diese
Lymphscheiden erschweren sogar in nicht unbeträchtlicher Weise die Prä-
paration der Arterien, deren feinere Zweige erst aus den Scheiden her-
vortreten. Alle diese Lymphscheiden erstrecken sich bis zum Herz-
beutel, der von einem weiten Sinus umgeben ist, in welchem man meist
bedeutende Massen coagulirter Flüssigkeit vorfindet. Der Sinus er-
streckt sich bis zur Thymus, die in Gestalt eines schmalen Hufeisens
die ventrale Seite der Luftröhre umfasst. Es scheint sogar, dass dieser
Sinus offene Verbindungen mit der Höhle des Herzbeutels hat; wir
fanden wenigstens bei manchen durch Chloroform getödteten Thiereu
die Höhle des Herzbeutels mit bedeutenden Massen coagulirter Sub-
stanz erfüllt, welche den Abklatsch der einzelnen Herztheile zeigten.
Wir haben diesen Punkt nicht weiter verfolgt.
Die Eidechse besitzt ein Paar Lymphherzen (c?, Fig. 290).
Es sind kleine runde Bläschen, die auf der Innenseite der Haut zwischen
der Rückenleiste und dem Querfortsatze des letzten Beckenwirbels
liegen. Wir haben ihre Pulsationen bei lebenden Thieren nicht deut-
lich wahrnehmen können. Sie stehen jederseits mit einem Aestchen
des Hautzweiges der grossen Vena femoro-ciMominalis in Verbindung.
Wenn auch die Tegumente der Saurier im Allgemeinen dieselbe
Structur zeigen, wie unsere tj'pischen Gattungen, so fludeti sich doch zahl-
reiche Verscliiedenheiteu. "Wir erwähnen besonders die warzige Haut der
Chamaeleonideu mit ihren zahlreichen Pigmentzellen {Chromato2}horen)
von verschiedenen Farben, welche Aupassungsfarben hervorbringen, sich aber
auch bei vielen anderen Sauriern, wenn auch weniger entwickelt, wieder-
finden; ferner die in Eingel getheilte Haut der Amphisbänen und die
mehr oder minder verknöcherten Schuppen der Scincoiden. Wir über-
lassen diese und andere Bildungen der beschreibenden Zoologie. — Die Wirbel
718 Wirbel thiere.
der Geckotiden sind bicoucav und enthalten im Inneren noch Reste der
Chorda, die intervertebral verbreitert sind. Bei den meisten Sauriern findet
man einen Theil der Körper der Schwanzwirbel, mit Ausnahme der vordersten,
durch eine Querspalte in zwei Hälften getheilt. Der abgebrochene Schwanz
regenerirt sich um ein axiales Kuorpelrohr. — Der Schulte rgürtel, das
Brustbein und das ganze Vorderglied verkümmern stufenweise bei den fuss-
losen Sauriern und verschwinden sogar gänzlich. Das Schulterblatt und das
Rabenbein erhalten sich inmitten der ebenfalls verkümmerten Muskeln noch
länger als alle anderen Theile. "Wir verAveisen hinsichtlich der Einzelheiten
auf Für bringer (s. Lit.). Aehnlich verhält sich das Hinterglied. — Reste
des ursprünglichen, knorpeligen Primordialschädels erhalten sich in
grösserem oder geringerem Maasse bei den meisten; der knöcherne Schädel
zeigt nur, wenn auch bedeutende, Detailunterschiede; doch felilt den C ha-
rn aeleonen und den Amphisbänen die Colonnetta, weshalb mau auch
die übrigen Saurier Kionocranier genannt hat. — Centrales und peri-
pherisches Nervensystem sind nach demselben Plane gebaut, wie bei
unserer typischen Art; ebenso auch das Geruchsorgan, dessen Einzel-
heiten uns Born (s. Lit.) genau kennen gelehrt hat. -~ Die Augenlider
zeigen bedeutende Verschiedenheiten. Die Chamaeleonen besitzen nur ein
einziges, ringförmiges, mit runder Sehöffnung, die sich wie eine Strippe er-
weitert und verengt; bei den Amphisbänen und den meisten Scincoiden
zieht sich scheinbar die äussere Haut, wie bei den Schlangen, über das Auge
weg, das bei einigen Scincoiden {Dihanus, Typhline) nur sehr klein ist.
Die Zunge zeigt vielfache Verschiedenheiten, die man in der Zoologie
verwerthet hat. Sie ist besonders Tastorgan und zweispitzig bei den Lacer-
t i d e u , M o n i t o r i d e n , A m e i v i d e n (Fissüingues) ; sie ist kurz, dick, nicht
vorziehbar, mit ausgeschweiftem Ende, weichen und abgeplatteten Papillen
besetzt bei unserer zu den Scincoiden gehörigen Blindschleiche und den
Ptychopleuriern [Brevilingues) ; bei d en H u m i v a g e n , I g u a n i d e n und
Gecko tiden (Crassilingues) wird sie sehr kurz und dick, vorn abgerundet
und läuft nach hinten in zwei lange Anhänge, wie die Flügel eines Pfeiles
aus; endlich bei den Ch Am ixeleon an (Vermilingues) wird sie ein langer, in
einer Scheide spielender Muskelcylinder, der vorn napft'örmig ausgehöhlt und
durch die Absonderung sackförmiger Schleimdrüsen klebrig gemacht ist. Ein
verwickelter Muskelapparat, der noch durch besondere Bildungen der Blut-
und L3'mphgef ässe unterstützt wird , kann diese wurmförmige Zunge mit
Blitzesschnelle und grosser Kraft bis zu einer Entfernung vorschnellen, welche
selbst die Länge des Körpers übertrifft. Diese Zange ist nur Greiforgan; das
Thier schnellt sie auf Lrsecten, die an dem Endnapfe hängen bleiben. — Die
Speicheldrüsen sind im Allgemeinen wie bei unserer typischen Art ge-
bildet; doch findet sich am Unterkiefer von Heloderma horridam, zwischen
Haut und. Knochen, eine grosse lappige Drüse, aus zusammengedrängten
Drüsenkörnern gebildet, welche in die gefurchten Zähne des Unterkiefers
Ausführungsgänge sendet. Obgleich das Thier auch im Oberkiefer Furchen-
zähne besitzt, so hat es doch dort keine besonders entwickelten Drüsen; um
zu beisseu , wirft es sich auf den Rücken und gilt in seinem Vaterlande
Mexico für giftig. — Vorbehaltlich mancher Einzelvariationen, welche be-
sonders die Gaumenzähne betreffen , die liäufig fehlen , scheiden sich die
Kieferzähne je nach ihrer Befestigung in zwei Gruppen. Bei den einen, den
Pleurodonten, zeigen sie dasselbe Verhältniss zum Kiefer, wie bei unserer
typischen Art; bei den anderen dagegen, den Acrodonten, sitzen die Zähne
mit sehr kurzen Sockeln auf den Innenräudern der Kieferknochen, und die
Aussenwand des Sockels erhebt sich unmittelbar von dem schneidenden Rande
des Kiefers, so dass dieser wie ausgekerbt erscheint. Die tiefer absteigende
Reptilien. 719
luuenwand des Sockels zeigt das Loch für den Durclitritt der Gefässe und
Nerven in die Pulpe des Zahnes. — Das Darnirohr lässt vom Schlünde
bis zum After nur unbedeiiteude Variationen wahrnehmen. Der Blinddarm
am Ende fehlt zuweilen {Angiiis). — Auch die Urogenital- und Kreis-
laufsorgane variiren nur in sehr engen Grenzen. Es versteht sich von
selbst, dass bei den fusslosen Sauriern die Gefässe der Extremitäten ver-
kümmert sind. — Die hinteren L y mi)hher zeij scheinen allen Sauriern
zuzukonamen. — Kehlkopf und Luftröhre bieten keine besonderen Ab-
weichungen, wohl aber die Lungen, in deren Aiisbildung zwei getrennte
Eichtungen sich aussprechen. Einerseits entwickeln sich in ihrem Inneren
unvollständige Längsscheidewände, wodurch Brouchialbäume und Verästelungen
angebahnt werden und anderseits theilt sich der Lungensack in zwei Ke-
gionen , eine athmende vordere mit netzförmigen Athemhöhlen und Ver-
tiefungen, und eine hintere Eegion mit glatten "Wänden, in welcher keine
bedeutenden Capillarnetze ausgebildet sind und die nur als Luftbehälter dient.
Bei den Chamaeleoneu entwickelt sich dieser letztere Theil bedeutend und
treibt eine Menge oft sehr seltsam gestalteter Blindschläuche aus, welche so
die Bildung der Luftcanäle anbahnen, die bei den Vögeln entwickelt sind.
Bei den seh langenf ör raigen Sauriern erhält die rechte Lunge all-
mählich das Uebergewicht über die linke , die nach und nach verkümmert
und bei den Amphisbänen gänzlich verschwindet.
Die Ophidier unterscheiden sich von den Sauriern weder durch das
Fehlen der Gliedmaassen, noch durch die Streckung des Körpers, welche be-
sondere Folgen in der Entwicklung der Eingeweide nach sich zieht. Wie
wir gesehen haben, giebt es Eidechsen, wie unsere Blindschleiche, welche in
diesen Beziehungen den Schlangen nicht nachstehen. Gewisse anatomische
Eigenthümlichkeiten entscheiden aUein über die Stellung der Gattungen und
Familien in den beiden Ordnungen und auch diese Charaktere sind nicht
absolut und bieten mancherlei üebergänge, die zu berücksichtigen sind.
Die Tegumente unterscheiden sich nicht von denen der tj-pischen
Saurier. Bei vielen Giftschlangen finden sich grosse Lymphräume unter der
Haut des Kopfes und Halses. An den Lippen der Nattern entwickeln sich
Tastkörperchen mit körnigen Innenkissen, die von elastischen Fasern in
Spiralen umsponnen werden und mit den Pacini' sehen Körpern einige
Aehnlichkeit haben und ausserdem noch, sowie am Kopfe, kleine Becher-
Organe, die aus concentrisch zusammengestellten Epidermoidalzellen ge-
bildet sind.
An der Wirbelsäule kann man eigentlich nur zwei Regionen unter-
scheiden, den Eumpf und den Schwanz; alle anderen sind verwischt. Die
Wirbel selbst sind häufig ausserordentlich zahlreich, mehrere Hundert; sie
sind procöl mit stark vorragendem, kugeligem, hinterem Gelenkkopf. Die
Dornfoi'tsätze sind häufig mächtig entwickelt, die Querfortsätze dagegen kuiz
oder verkümmert; alle sind mit den Wirbelkörpern verwachsen. Atlas und
Axis unterscheiden sich nicht von den zwei ersten Wirbeln der Saurier. Alle
vor dem Schwänze gelegenen Wirbel tragen lange, gebogene^ sehr bewegliche
und an ihrem ventralen Ende freie, dort mit einem Knorpelkäppchen ttm-
gebene Rippen. Die Schlange geht auf ihren Rippen. Schultergürtel und
Brustbein fehlen immer; nur bei den Pj'thoniden und Tj'phlopiden
existiren hintere, aus zwei oder drei in den Muskeln verlorenen Knochen-
stückchen bestehende Beckenrudimente, welche mit einem stumpfen Nagel zur
Seite des Afters endigen.
Der Hirnschädel ist äusserst fest, wie Elfenbein, die Knochen im er-
wachsenen Alter sind so mit einander verschmolzen, dass man nur mit Mühe
die den Knochen des Saurierschädels entsprechenden Stücke unterscheidet.
720 Wirbelthiere.
An diesen breiten Hirnschädel legt sich der nach zwei verschiedenen Rieh-
tungen hin entwickelte Gesichtsschädel au. Die Stenostomen [Typhlo-
piden) haben ein enges, nicht erweiterungsfähiges Maul wie die Saui'ier ; ihr
Quadratbein ist unmittelbar am Schädel oder an einem fest au den Schädel
angeschweissten Schuppenbeiu aufgehäugt; der Oberkieferbogen ist unbe-
weglich; nur die Gaumen-, Flügel- und Quadratbeine sind beweglich; die
beiden Aeste des Unterkiefers sind dui-ch eine faserknorpelige Symphyse ver-
bunden. Bei den übrigen, den Makrostomen dagegen sind alle Knochen
des Gesichtsschädels mobil, die einen durch wahre Gelenke, die anderen durch
laxe Eändermasseu. Der Unterkiefer bogen ist besonders merkwürdig;
das sehr grosse Schuppenbein ist einerseits am Schädel , anderseits am
Quadratbein eingelenkt, welches seinerseits das Gelenk des Unterkiefers trägt.
Die beiden Unterkieferhälften sind aber an ihren Enden vollkommen frei und
hier nur durch laxe elastische Bänder oder durch lauge, kreuzweise über
einander laufende Muskeln verbunden, wie wir dies bei Python constatiren
konnten. Diese Einrichtung gestattet eine solche Erweiterung des Rachens,
dass die Schlangen Beutethiere verschlucken können, deren Durchmesser den
ihres Kopfes und Halses weit übersteigt. — Bei den Giftschlangen zeigt der
Oberkiefer bogen wesentliche Umgestaltungen. Der Zwischeukiefer ver-
kümmert oder verschwindet ganz; der bei den nicht giftigen Schlangen nach
hinten verlängerte Oberkiefer verkürzt sich schliesslich zu einer kurzen Quer-
rolle, welche die Giftzähne trägt. Das Präfrontale, auf welchem dieser ver-
küi'zte Oberkiefer rollt, wird gegen das Stirnbein beweglich. Das sehr lange
Plügelbein lenkt sich nach hinten mit dem Quadratbeine, nach vorn mit dem
Querbeine und dem Gaumenbeine ein und trägt auf seinem vorderen Theile
krumme Hakenzähne. Alle diese Knochen werden nach hinten gezogen, wenn
die Schlange den Mund schliesst, und der nach innen gerollte Oberkiefer birgt
dann seine grossen Giftzähne in einer Falte der Schleimhaut des Gaumens.
Oeffuet die Schlange den Rachen , so wird der Oberkiefer so weit nach vorn
gerollt, dass die Gifthaken über die Schnauzenspitze hervorragen. — Das
Zungenbein hat nur ein Paar Hörner ; ein Inneubein der Zunge fehlt oft.
Im Mu skelsj's tem e fallen besonders die zahlreichen, scharf getrennten
Muskeln auf, welche in mehreren Schichten sich an die Rippen festsetzen und
diese beweglichen Knochen nach allen Richtungen hin bewegen können.
Auch die Hautmuskeln sind beträchtlich entwickelt.
Abgesehen von der grossen Länge und dem Mangel jeglicher Anschwel-
lung gleicht das Rückenmark demjenigen der Saurier. Ebenso das Hirn;
doch fällt letzteres durch die bedeutende Breite des Yorderhirnes auf. Die
Epiphyse ist nicht so entwickelt, wie bei den Sauriern. — Die Spinal-
nerven gleichen alle einander, da den Extremitäten entsprechende Plexus
fehlen. Die Hirnnerven zeigen einige Eigeuthümlichkeiten, auf die wir hier
nicht eintreten können, sondern auf die Abhandlungen von Vogt und
Fischer (s. Lit.) verweisen müssen. Der Accessorius Willisii fehlt. Der
Kopftheil des Sympathicus ist sehr bedeutend, dagegen die mit den Spinal-
nerven in Verbindung stehenden Stränge und Ganglien sehr reducirt.
Die Sinnesorgane zeigen einige Besonderheiten. Der Nase fehlt der
bei den Sauriern ausgebildete Vorhof; die einzelnen Höhlen, sowie das Jacob-
son'sehe Organ liegen in derselben Flucht. — Das Auge besitzt keine
differenzirte Lider ; aber die Entwicklungsgeschichte zeigt , dass die äussere
Membran, welche das Auge bedeckt und die nur eine Fortsetzung der Körper-
haut scheint, in Wirklichkeit das untere Augenlid, die Nickhaut ist, welche
sieh über den ganzen Augapfel ausgebreitet und mit einem oberen Hautfalze,
dem Rudimente eines oberen Lides, verschmolzen hat. Nach innen von dieser
Haut findet sich ein Lymphraum und dann erst die Conjunetiva. Die sehr
Reptilien. 721
grosse Thränendrüse entsendet ihre Absonderung durch den Thränencanal
und das Jacobson' sehe Organ in die Mundhöhle und functionirt so als
accessorische Speicheldrüse. Die übrigen Augentheile entsprechen denjenigen
der Saurier. — Das Hörorgan unterscheidet sich von dem aller übrigen
Reptilien durch den Mangel eines mittleren Ohres; Trommelfell, Trommel-
höhle und Eustachische Eöhre fehlen vollständig. Doch giebt es eine Colu-
mella in Gestalt eines theilweise verknöcherten Stäbchens. Das häutige
Labyrinth bietet keine bemerkenswerthen Verschiedenheiten.
In Folge der allgemeinen Streckung des Körpers zeigen die Verdauung s -
Organe mannigfaltige Modificationen. Wir erwähnten schon die Erweiterungs-
fähigkeit des Rachens , dessen Schleimhaut zahlreiche Falten , Drüsen und
Nervenkörper zeigt. Besonders hervorzuheben sind aber einerseits die Bil-
dung der Zunge, anderseits die oft übermässige Entwicklung der mit der
Mundhöhle in Beziehung stehenden Drüsen. Die Zunge ist nur Tastorgan ;
sie spielt in einer, durch eine Einstülpung der Mundschleimhaut gebildeten
Scheide und trägt namentlich in ihren beiden Endspitzen, die aus dem Munde
hervorgestossen werden können , zahlreiche Tastkörperchen ; ihr sehr langer
Stiel wird durch einen runden Längsmuskel {M. hyoglossus) gebildet, zu dem
sich noch senkrechte und Kreisbündel gesellen. Die Munddrüsen sind
zahlreich und je nach ihrer Function verschieden entwickelt. Eine in Iluf-
eisenform gekrümmte obere LippAidrüse umzieht den oberen Mundrand. Sie
liegt ausserhalb der Zähne in der Dicke der Lippe und theilt sich oft in zwei
Portionen, eine vordere und eine hintere, die sich auch durch die Structur
ihrer Follikel und ihrer Ausführungsgänge differenziren. Bei den Giftschlangen
verkümmert dieser vordere Drüsentheil nach und nach und verschwindet
sogar gänzlich bei einigen {Trigonocephalus, Pelamis). Eine ähnliche, untere
Lippendi'üse umschreibt den Rand der Unterkiefer. Auch ist noch bei den
nicht giftigen Schlangen eine dritte Drüse, die hinter der Nasenhöhle ge-
legene Nasendrüse, stärker ausgebildet als bei den giftigen. Zwei Paare von
Unterzungendrüsen, von welchen das vordere Paar sich in den Vereinigungs-
winkel der beiden Zungenspitzen, das hintere mit zahlreichen Canülen an der
Basis der Zunge öffnet, liefern den Geifer, welcher das Spiel der Zunge mög-
lich macht. Endlich die Giftdrüse scheint nur eine Weiterbildung der
hinteren Portion der oberen Lippendrüse. Diese Portion wird grösser bei
den Poster oglyphen, wo Furchen- oder Canalzähne, die grösser als die
anderen sind, hinten in dem Oberkiefer hinter einigen derben Hakenzähnen
stehen; sie wird ganz unabhängig bei den eigentlichen Giftschlangen, wo
der rollenförmige Obei-kiefer nur einen in Function befindlichen Giftzahn und
einige Ersatzzähne trägt. Bei diesen Giftschlangen wird die am liinteren
Ende der Eachenspalte gelegene Drüse sehr gross und von einer sackförmigen
Sehnenhaut umgeben. Sie liegt nun in der Masse des Beissmuskels, durch
den sie zusammengedrückt werden kann , und mündet durch einen weiten
Ausführungsgang auf der Aussenfiäche der Wurzel des gefurchten oder von
einem Canale durchsetzten Giftzahnes. Wenn dann der Zahn sich zum Bisse
aufstellt, so legt er sich so auf die Oeffnung, dass seine Furche oder Röhre
die Fortsetzung des Ausführungsganges bildet. Die Drüse zeigt im Inneren
weite Lücken, welche als Sammelbecken des Giftes dienen. Bei einzelnen
Schlangen erreicht die Drüse eine enorme Grösse; in Gestalt einer Röhre
erstreckt sie sich (bei Causus) bis unter die Haut der Rückengegend, bei
Gallophis in die Bauchhöhle, wo sie sogar das Herz und die übrigen Organe
aus ihrer Lage gegen den After hindrängt. — Die stets hakenförmigen Zähne,
die eine scharfe Spitze haben, können in sehr grosser Zahl (mehrere hundert)
vorhanden und auf allen an der Mundhöhle theilnehmenden Knochen einge-
pflanzt sein, aber vorzugsweise auf den beiden Kieferbogen und dem Gaumen-
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. ^g
722 Wirbelthiere.
flügelbogen. Man unterscheidet: derbe, von Zahnbein gebildete Zähne, die
nur eine sehr kleine innere Pulpahöhle und an der Spitze ein Käppchen von
Email haben; bei den nicht giftigen Schlangen {Colubei-, Python, Boa) kommen
nur solche derbe Zähne vor; ferner Furchenzähne, die man sich in der Art
vorstellen kann, als sei ein derber, aber abgeplatteter Zahn mit seinen Bän-
dern so aufgebogen worden , dass er auf seiner äusseren , convexen Fläche
eine mehr oder minder offene Furche oder Rinne zeigt (Naja, Bungarus) oder
endlich Canalzähne , wo die Ränder der Rinne so mit einander verwachsen
sind, dass die Rinne zu einem auf der convexen Seite des Zahnes verlaufen-
den Längscanal umgewandelt wird (Vipera, Orotaliis, Trigonocephalus). Diese
Furchen- und Canalzähne charakterisiren die giftigen und verdächtigen
Schlangen — sie stehen immer im Oberkiefer. Für alle Zähne finden sich
stets in kleinen Taschen der Mundschleimhaut Ersätzzähne. — Der Schlund
ist meist kurz, dünnwandig, sehr ausdehnbar und geht ohne merkliche Grenze
in den langen Magen über, der sehr drüsige Wände zeigt, die im oberen
Abschnitte Längsfalten haben. Die Muskelschicht ist nur unbedeutend. Der
meist engere und von dem Darme durch eine Klappe getrennte Pylorustheil
zeigt keine Längsfalten, der meist sehr weite Mitteldarm dagegen unregel-
mässige Falten oder selbst gefranzte Zotten ; der meist kurze, innen faltenlose
E n d d a r m trägt oft einen Blinddarm , der bei Pytlion nur klein , bei Vipera
und Crotalus aber bedeutend entwickelt ist.* Im Ganzen zeigt der Darm nur
geringe Windungen; seine Länge übertrifft niemals diejenige des Körpers. —
Das fehlende Bauchfell wird durch unbedeutende Bindegewebsbrücken und
laxes Bindegewebe ersetzt. Die Leber verlängert sich ungemein; bei einigen
Gattungen {Python, Trigonocephalus) lösen sich die Gallengänge in ein Netz-
werk auf. Das Pankreas zerfällt häufig in zahlreiche Läppchen , deren
jedes seinen besonderen Ausführungsgang hat. — Die Nieren bestehen aus
einer Menge von Lappen, welche durch den an ihrem inneren Rande ver-
laufenden Harnleiter verbunden werden. Letzterer mündet auf einem Wärz-
chen in die Cloake und mit ihm verbindet sich dort zuweilen der Samen-
leiter {Tropidonotu,')). Das Harnwärzchen ist bei den Weibchen stets von der
Oeflfnung des Eileiters getrennt. — Abgesehen von ihrer Ausdehnung in der
Länge, sind die Hoden denen der Saurier ähnlich und die Eierstöcke
haben die Form der Hoden. Aber alle Urogenitalorgane zeigen insofern eine
gewisse Asymmetrie, als sie sich gegen einander verschieben und die Organe
der rechten Seite mehr gegen den Ko]Df vorrücken, als die der linken. Die
Eileiter, die Cloake und die Begattungswerkzeuge verhalten sich
wie bei den Sauriern; die Ruthen sind häufig an ihrem ausstülpbaren Ende
zweitheilig und mit scharfen Dornen besetzt, welche einen kalkigen Kern
haben. Die Eier haben eine faserige , von Kalkablagerungen durchsetzte
Schale. — Das Herz zeigt eine den Sauriern ähnliche, innere Structur, ist
aber sehr in die Länge gezogen; aus dem Arterienbulbus entspringen zwei
Paare von Aortenbogen; das hinterste, bei seinem Austritt aus der Kammer
stark angeschwollene Paar bildet die Lungenarterien und lässt bei den Gat-
tungen, wo die linke Lunge verkümmert, ebenfalls den linken Bogen zu
Grunde gehen. — Der peripherische Kreislauf, die L y m p h g e f ä s s e
verhalten sich wie bei den Sauriern; letztere sind meist sehr geräumig, um-
geben die Blutgefässe wie Scheiden und zeigen pulsireude Orgaue, Lymph-
herzen, an der Schwanzwnrzel. — Milz, Nebennieren, Thymus und
Thyroidea wie bei den Sauriern. — Hinsichtlich der zahlreichen Modi-
ficationen im Baue des Kehlkopfes verweisen wir auf das classische Werk
von Henle (s. Lit.); die Luftröhre is^ stets sehr lang, mit zahlreichen
ganzen Knorpelringen ausgerüstet; die wie bei den Sauriern gebauten Lungen
sind asymmetrisch; die linke Lunge wird bedeutend kleiner bei Eryx, Tortrix',
Reptilien. 723
rudimentär bei Crotalus, Trigonocephalus , Vipera, und verschwindet endlicli
ganz bei Elaps, HydropMs. \-
Die von der einzigen Gattung Hatteria {Splienodon) gebildete Ordnung
der Rhyncliocephalen stellt ein Bindeglied zwischen Eidechsen und
Krokodilen her. Die Tegumente sind gebaut wie bei den Sauriern; die "Wirbel
biconcav wie bei den Geckotiden; die Hals- und Brustrippen haben schiefe,
den Hakenfortsätzen {Processus uncinati) der Vogelrippen ähnliche Fortsätze,
die aber nur durch Naht mit der Rippe verbunden und unvollkommen ver-
knöchert sind; es finden sich Bauchrippen und Bauchsternum, die aber nur
Hautbildungen zu sein scheinen und deren Zahl grösser ist, als diejenige der
Wirbel, zu welchen sie gehören sollten. Schulter- und Beckengürtel stimmen
eher mit den gleichnamigen Theilen der Embryonen der Sauiier, als mit
denen der erwachsenen Thiere überein. Hinsichtlich des Schädels erwähnen
wir folgende Einzelheiten ; die Colonnetta ist vorhanden , aber in der Mitte
dünn, an beiden Enden breit; der Äufhängeapparat des Unterkiefers verhält
sich wie bei den Krokodilen. Es giebt zwar ein Jugale - quadratum , es ist
aber mit dem Postfrontale, dem Squamosum, Jugale, Quadratum und Ptery-
goideum verschmolzen, so dass der Unterkiefer durch das ebenfalls mit ver-
schmolzene Quadratum unmittelbar an den Schädel eingelenkt ist und die
erwähnten Knochen um und hinter der Orbita complicirte Bogen bilden. Die
beiden Unterkieferhälften sind durch eine sehnige Symphyse verbunden. —
Hatteria besitzt das vollständigste Parietalauge , welches wir kennen. Man
findet an ihm alle wesentlichen Theile: Hornhaut, Choroidea, KrystalUinse,
Retina. Hinsichtlich der Einzelheiten verweisen wir auf die Arbeit von
Baldwin Spencer (s. Lit.). Hinsichtlich des Darmes und seiner Anfangs-
gebilde unterscheidet sich Hatteria nicht von den übrigen Sauriern, auch
nicht hinsichtlich der inneren Urogenitalorgane ; wohl aber sollen der Gattung,
nach Günther, Begattungsorgane fehlen, was eine höchst bemerkenswerthe
Ausnahme gegenüber allen anderen Reptilien herstellen würde.
Die Hydrosaurier oder Krokodile vereinigen mit der allgemeinen
Körpergestalt der Eidechsen eine Menge von Charakteren , von welchen die
einen ihnen eigenthümlich zukommen , die anderen mit den Schildkröten ge-
meinschaftlich sind. — Ausser den gewöhnlichen Eidechsenschuppen zeigen
die Tegumente noch Knochenplatten, die auf dem Schädel mit den Deck-
platten verschmelzen und ihnen eine eigenthümliche Sculptur geben. Diese
in verschiedener Weise gekielten und sculptirten Hautknochen bilden auf dem
Rücken und an den Seiten des Körpers Längsreihen, während auf dem Bauche
sich das gewöhnliche Schuppenkleid der Eidechsen zeigt. Ausser kleinen,
sackförmigen Afterdrüsen findet sich noch am Unterkiefer jederseits ein
längslaufender, grosser Drüsensack, der nahe hinter dem Kiefergelenke mündet
und aus der knopflochförmigen Mündung eine fettige Flüssigkeit von ekel-
haftem Gerüche austreten lässt. Man hat diese einzigen Hautdrüsen die
Moschusdrüsen genannt.
Die Wirbel sind meist procöl. Sämmtliche Halswirbel tragen Rippen,
die nach hinten zu so allmählich in die Formen der Brustrippen übergehen,
dass bei einer und derselben Art einige Beobachter sieben, andere neun Hals-
wirbel zählen. Die oberen und unteren Bogen, sowie die dorsalen Darmfort-
sätze der Wirbel sind ausgiebig entwickelt und so innig verbunden , dass die
Wirbelsäule wenig biegsam ist. Die Lendenwirbel tragen ebenfalls Rippen,
deren distale Enden sich in der Mittellinie vereinigen. Man findet stets zwei
Sacralwirbel und eine grosse, aber wechselnde Zahl von mit grossen oberen
und unteren Darmfortsätzen versehenen Schwanzwirbeln. Das Sternum
trägt ein spiessförmiges Episternum und ein bis zum Becken verlängertes
Hj'posternum. — Der Schultergürtel besteht nur aus Schulterblatt und
46*
724 Wirbelthiere.
Eaben'bein; die vordere Extremität zeigt keine charakteristische Bildung. —
Im B e c k e n g tt r t e 1 sind Schambein und Sitzbein mit einander verschmolzen.
Schienbein und Wadenbein bleiben getrennt luid lenken mit dem Fersenbein
und Sprungbein ein, auf w^elche zwei andere Fusswurzelknochen folgen, von
w^elchen der auf tibialer Seite gelegene mit dem entsprechenden Mittelfuss-
knochen zusammenlenkt. — Alle den Gesichtsschädel zusammensetzenden
Knochen sind wie bei den Schildkröten unter einander und mit den Knochen
des Hirn Schädels zu einem einzigen, durchaus unbeweglichen Ganzen
verschmolzen; namentlich ist das Quadratbein durch Nähte mit dem Felsen-
bein und Schuppenbein verbunden. Die Kiefer sind stark, bei den Gavialen
übermässig in die Länge gezogen; die an dem skelettirten Schädel einfach
erscheinenden Nasenlöcher liegen unmittelbar an der Schnauzenspitze und
sind nur durch eine knorpelig - häutige Scheidewand getrennt. Die Choanen
dagegen sind ungemein weit hinten an dem Grundbein geöffnet, so dass sehr
lange Nasengaumengänge hergestellt sind. Da durch die Verlängerung seiner
Stützknochen das Unterkiefergelenk weit hinter das Hinterhaupt zurück-
geworfen ist, so erscheint der aus mehreren Stücken zusammengesetzte und
durch eine feste Nahtsymphyse mit der anderseitigen Hälfte verbundene
Unterkiefer um so länger. — Das Centralnervensystem zeigt ein
bedeutend entwickeltes Kleinhirn, an dem man schon einen Mitteltheil und
zwei Seitentheile unterscheiden kann. Die Epiphyse ist gross, zeigt aber
keine einem Auge zukommende Bildung. — Der Accessorius Willisii ist deut-
lich differenzirt ; ein Ast des Hypoglossus verschmilzt auf der Mittellinie im
Inneren der Fleischmasse der Zunge mit dem entsprechenden Nerven der
anderen Seite. — Die Nasenöffnungen haben die Gestalt von Halb-
monden, die auf einem Hügel von Bindegewebe stehen; sie können durch
theilweise verknöcherte Klappen beim Aufenthalte unter dem Wasser voll-
kommen geschlossen werden. Umgerollte knorpelige Nasenmuscheln, welche
in den langen Nasengängen zwischen Gaumendach und Schädelbasis entwickelt
sind , vermehren die Oberfläche der inneren Schleimhaut. — Die Augen
sind klein, haben drei Augenlider, besonders eine grosse, durchsichtige Nick-
haut und eine grosse Thränendrüse mit weitem Thränencanal. — Während
das Labyrinth nur wenig von dem der Schildkröten verschieden ist, zeigt das
mittlere Ohr bedeutendere Eigen thümlichkeiten. Ueber dem Trommelfelle
sind zwei, Augenlidern ähnliche Hautfalten ausgebildet, welche von theilweise
verknöcherten Scheiben gestützt und mittelst besonderer Muskelbündel so fest
zusammengeschlossen werden können, dass sie, wie Lider, nur eine horizontale,
der Kopfaxe parallele, feiue Spalte übrig lassen. In das runde, in einem
Knochenringe ausgespannte Trommelfell ist die Columella eingelassen, welche
mit einem trichterförmig ausgehöhlten Ende sich an das runde Fenster ansetzt.
In der Mundhöhle fällt vor Allem die unbewegliche Zunge auf,
welche wie ein mächtiges Fleischkissen den ganzen Bodenraum zwischen den
Unterkieferästen ausfüllt. Sie hat eine dicke , quer gefaltete Schleimhaut.
Zähne stehen nur im Zwischen- und Oberkiefer, sowie im Unterkiefer in
einfacher Reihe in einer tiefen Randrinne auf Sockeln von Knochensubstanz,
die von Alveolen umgeben sind. Die Zähne sind conisch, an der Basis längs-
gefältelt und mit einer ziemlich geräumigen Pulpenhöhle versehen. Nament-
lich gegen die Schnauze hin finden sich grössere Fangzähne, welche ihre
Nachbarn überragen und je nach den Gattungen, in Ausschnitte oder selbst
am Oberkiefer in Löcher des Knochens beim Schliessen des Maules eingreifen.
Man wendet diese Bildungen in der Zoologie zur Unterscheidung der Kro-
kodile und Alligatoren an. Die Gelenkrolle des Unterkiefers steht quer zur
Axe des Kopfes und ei-laubt durchaus keine Seitenbewegung des Kiefers.
Um den Rachen aufzusperren, hebt das Krokodil auch den Schädel durch die
Reptilien. 725
mächtigen Nackenmuskeln empor. Ein Gaumensegel, das aber nur von einer
Falte der Schleimhaut gebildet ist und keine Muskeln enthält, trennt die
Mundhöhle vom Schlundkopfe, in welchen die weit zurückliegenden
Choanen und die Stimmritze sich öffnen. Der weite Schlund führt in einen
kugeligen Magen, dessen starke Muskelwände, die eine sehnige Central-
scheibe zeigen, sehr an den Muskelmagen der körnerfressenden Yögel erinnern.
Der Magen ist scharf von dem Pförtuertheile getrennt, der eine Seitentasche
bildet, welche durch eine kreisförmige Klappe gegen den Darm abgegrenzt
wird. Der Magen enthält oft Steine. Der Darm mit seinen Nebenorganen
bietet keine Besonderheiten. — Die Nieren sind zweilappig; die ziemlich
weiten Harnleiter münden in einen dünnwandigen Theil der Cloake, der
durch Schleimhautfalten eiuestheils gegen den Mastdarm und andemtheils
gegen die Geuitalöffuungen abgegrenzt wird. Die Männchen sind selten;
längs der Hoden erstrecken sich die wenig entwickelten Nebenhoden; die
Samenleiter verlaufen fast gerade und münden in die Cloake auf getrennten
Wärzchen gegenüber dem Penis und vor zwei bedeutenden Analdrüsen , die
eine fette Substanz mit starkem Moschusgeruche absondern. Der aus zwei
sehnigen Längskörpern bestehende Penis zeigt ausserdem einen schwammigen
SchAvellkörper ; er ist an der ventralen Wand der Cloake aogeheftet und von
Schleimhaut überzogen, hat einen gekrümmten Stiel mit einer Einne auf der
convexen Seite und eine kegelförmige Eichel. In der Ruhe ist er nach hinten
zurückgeschlagen. Bei dem Weibchen, dessen Eierstöcke und Eileiter
nichts Besonderes aufzeigen, entspricht dem Penis eine kleine Clitoris. —
Der Kehlkopf zeigt keine Eigenthümlichkeiten ; die Luftröhre bildet
häufig eine Schlinge und ist nahe an ihrer Theilung in die Bronchen durch
eine senkrechte , in Pfeiler getheilte Scheidewand in zwei Canäle geschieden ;
die Bronchen setzen sich noch ziemlich weit in die Lungen fort und werden
dort sogar noch von Knorpelstreifen gestützt. — Mit Ausnahme eines winzigen
Verbindungsloches {Foramen Panizzae) ist die Scheidewand der beiden Herz-
kammern vollständig und der Arterienbulbus vollständig in den linken
Ventrikel übergegangen. Hinsichtlich der grossen Arterien- und Venen-
stämme, sowie hinsichtlich des Kreislaufes im Allgemeinen und Besonderen
verweisen wir auf die Arbeiten von Rathke, Brücke, Fritsch(s. Lit.). —
Die Lymphherzen verhalten sich wie die der Schildkröten.
Wenn sich auch diese , die Chelonier, von allen übrigen Reptilien
durch besondere Eigenthümlichkeiten wesentlich unterscheiden, so nähern sie
sich doch durch manche Charaktere den Krokodilen. Im Grunde ist die
Structur ihrer Haut ganz dieselbe; an den Stellen, wo die schuppige Epi-
dermis nicht modificirt ist, wie an den Füssen, dem Halse und dem Schwänze,
verhält sie sich gleich derjenigen der Krokodile. Aber auf dem Panzer aller
und auf den Euderfüssen der Seeschildkröten erreicht die Hornschicht der
Epidermis eine bedeutende Mächtigkeit ; ihre bildenden Zellen verschmelzen
vollständig und bilden grosse Platten oder Schuppen mit mannigfaltig aus-
gewirkter Aussenfläche, unter welchen die eigentliche Lederhaut so schwindet,
dass die Hornplatten unmittelbar auf den darunter liegenden Knochen auf-
ruhen, auf welchen sich die Zeichnungen ihrer Unterfläche abformen. Diese
Hornschilder sind als Schildpatt bekannt und verwerthet. Tastkörperchen
hat man nur in der ßückeuhaut der Trionj'chiden gefunden. Eigen-
thümliche Drüsen , welche noch in der Bauchhöhle , aber ausserhalb des
Bauchfelles liegen und mit engen Canälen, meist an den seitlichen Leisten
ausmünden, wo Bücken- und Bauchpanzer an einander stossen können viel-
leicht als Hautdrüsen betrachtet werden. — In der Lederhaut bilden sich
Knochenplatten, welche zum Rückenpanzer und Bauchpanzer zusammen-
stossen und zugleich mit den abgeplatteten Dornfortsätzen der verschmolzenen
726 Wirbelthiere.
Bückenwirbel und auf den Seiten mit den platten Rippen in Verbindung
treten und mit diesen Theilen des inneren Skelettes innig verschmelzen. Der
Bauchpanzer wird ursprünglich aus einem Mittelstücke und mehrei'en seit-
lichen Plattenpaaren gebildet und kann nicht mit dem Sternum homologisirt
werden. Wir treten nicht in die Einzelheiten über die fortschreitende Ent-
Avicklung und Vei'schmelzung der Haut- und Skelettknochen zur Bildung der
Panzer ein, welche bei den Landschildkröten den höchsten Grad er-
reicht, während sie bei den Trionychiden nur sehr wenig ausgebildet ist
und bei der L eder seh ildkr öte {Sphargis) ganz fehlt, indem bei dieser
allein keine Hautknochen sich bilden. — An der Wirbelsäule kann man
stets acht Halswirbel unterscheiden, die alle, mit Ausnahme des ersten, Hals-
rippen tragen , nur wenig entwickelte Neurapophysen , dagegen oft starke
Gelenkfortsätze und selbst untere Haemapophysen (Chelonia) zeigen. Die
Gelenke dieser Wirbel unter sich sind sehr variabel; man findet biconcave,
procöle und opisthocöle. Der Bückenlendenwirbel finden sich meist zehn vor;
der vordere ist noch procöl, die anderen durch Zwichenscheiben mit einander
verbunden. Alle tragen platte, stark verbreiterte, lange Bippen, die mehr
oder minder mit den Panzerplatten verschmolzen sind. Ursprünglich existiren
nur zwei Sacralwirbel, zu welchen indessen noch häufig bei den Landschild-
kröten der erste Schwanzwirbel zur Bildung des Kreuzbeines hinzutritt. Die
an Zahl sehr wechselnden Schwanzwirbel sind procöl, ihre Dornfortsätze nur
klein oder ganz verkümmert, dagegen tragen sie oft noch mit den Wirbel-
körpern verwachsene Bippen. — Der Schultergürtel wird dorsalwärts
aus einem Schulterblatte und einem Oberschulterblatte , ventralwärts aus
einem hinteren Knochenaste, dem Rabenbeine, und einem vorderen Stücke
zusammengesetzt, über welches die Ansichten auseinander gehen, indem es
die Einen als Schlüsselbein, die Anderen als einen Fortsatz des Babenbeines
betrachten. — Der Humerus ist massiv, mit starken Muskelleisten, abgeplattet,
häufig S-förmig gebogen und so um seine Axe gedreht, dass die Seitenkanten
vorn und hinten stehen. Badius und Ulna sind getrennt; die Knochen der
Handwurzel in zwei Reihen geordnet; die fünf Finger mit ihren Mittelhand-
gliedern sind zwar stets vorhanden, aber häufig durch Sehnenmassen so ver-
bunden, dass sie ein Ruder (Seeschildkröten) oder eine Säule (Landschild-
kröten) bilden. Der Beckengürtel und das Hinterglied entfernen sich,
ausser hinsichtlich der Bildung des Endgliedes, nicht sehr von dem bei
anderen Reptilien vorhandenen.
Trotz seiner ausserordentlich verschiedenen Form stimmt doch der
Schädel der Schildkröten in dem Umstände mit dem der Krokodile überein,
dass, wie bei diesem, alle den Gesichtsschädel bildenden Knochen innig init
dem Hirnschädel verbunden sind, so dass das Skelett des Kopfes nur aus zwei
Stücken besteht, dem Schädel und dem Unterkiefer. Der kurze und breite
Schädel bildet eine Schachtel, deren seitliche Lücken mehr oder minder
von Knochendecken überwölbt sind; die Nasenhöhlen, Augenhöhlen, Schläfen-
gruben sind überall scharf umschrieben, die Choaneu weit nach hinten zurück-
gestellt; der in der Symphyse ohne deutliche Grenze verschmolzene, ursprüng-
lich aus mehreren Stückpaaren zusammengesetzte Unterkiefer (Chelys und
Chelodina ausgenommen) ist zwar an den Schädel durch einzelne Stücke
(Quadratbein etc.) aufgehängt, die aber mit den Seiten des Schädels zur Un-
kenntlichkeit verwachsen sind. Diese durchgehende Fixirung der einzelnen
Schädelknochen giebt dem Ganzen einige Aehnlichkeit mit dem Vogelschädel.
: — Das Zungenbein besteht aus einem Centralstücke und zwei oder drei
Paaren von Hörnern.
Das B ü c k e n m a r k zeigt einen tiefen unteren Spalt und den Gliedern
entsprechende Anschwellungen. Das verlängerte Mark bildet eine ausge-
Reptilien. 727
sprochene Nackenbeuge. Das selir reducirte Kleiulairn gleicht demjenigen
der Amphibien; doch ist sein hinterer, die Eaiitengrube deckender Eand
etwas convex und nach hinten ausgezogen. Das Mittelhirn ist von dem
Nachhirn wie von dem Zwischenhirn durch tiefe Furchen abgetrennt; es
zeigt, von oben gesehen, zwei innen hohle Sehhügel; das kurze und schmäch-
tige Zwischenhirn zeigt nichtsdestoweniger zwei Seiteulappen; der kaum
ausgebildete Hirntrichter führt zu einer voluminösen Hj-pojDiiysis. Die ellip-
tischen Hemisphären des Vorderhirnes, dessen geräumige Seitenventrikel durch
ein weites il o n r o ' sches Loch commuuiciren, sind die überAviegendsten Hirn-
theile. — Die Hirnnerven entsprechen denen der übrigen Reptilien ; der
Accessorius Willisii ist vorhanden. Bei Chelonia zeigt der Grenzstrang des
Sympathicus vorn am Halse zwei getrennte Stämme, die durch drei ring-
förmige Ganglien mit eiuander verbunden werden. — Die Nase bietet manche
Verschiedenheiten. Mehrere Drüsen münden in die Nasenhöhle ; die oberen
sind die bedeutendsten und fiiessen manchmal in der Mittellinie zusammen; die
senkrechte Nasenscheidewand verschwindet zuweilen im vorderen verlängerten
Abschnitte der Nasenröhre {Trionyx). Bei den Seeschildkröten communi-
cirt die Riechabtheiluug mit dem Luftgange nur diirch siebförmige Oeff-
nungen, so dass das Meerwasser nicht eindringen kann. Bei der Matamata
verlängert sich die äussere Nase zu einem Rüssel, der in seinem Inneren eine
senkrechte Längsscheidewand zeigt. Die Riechzellen sind sehr lang, cylindrisch
und tragen ein Büschel steifer Haare. L'eberall finden sich in der Nasen-
schleimhaut einzellige Drüsen. In der Nähe der Choanen wird eine noch
räthselhafte Bildung , der sogenannte Gaumenliöcker, augetroifen , der .
aus verdichtetem Zellgewebe besteht. — Neben oberem und unterem Augen-
lid e ist noch eine sehr bedeutende Nickhaut mit ihren Specialmuskeln und
eine grosse Härder 'sehe Drüse ausgebildet. Auch die Thränendrüse ist
voluminös und der Thräuencanal weit. Ein mehr oder minder verknöcherter
Ring stützt die Sclerotica namentlich gegen den Hornhautrand hin. Die
Krj^stalllinse ist kugelig. In den Zapfen der Stäbchenschicht der Retina sind
meist sehr lebhaft gefärbte, rothe, gelbe, grüne und blaiie oder auch wasser-
helle Tröpfchen eingeschlossen. ^— Im Gehörorgane ist eine Anhangshöhle
der Paukenhöhle zu erwähnen {Recesstis cai-i tympani) , die sehr geräumig ist
und in zwei Theile ausläuft, einer für das ovale, der andere für das runde
Fenster. Die Columella legt sich an das letztere. Die Schnecke (Lagena) ist
im Verhältniss zu den anderen Theilen des Labj'rinthes nur wenig ausge-
bildet; der Utriculus hat die Form einer horizontalen Wurst; der Sacculus
ist sehr gross, rund und abgeplattet.
Der wenig geräumige Mund ist mit schneidenden Uorukiefern bewaffnet,
die einen mächtigen Schnabel bilden. Die Kiefer sind vollständig zahnlos ;
selbst bei den Embryonen hat man keine Anlagen von Zähnen entdecken
können. Die Trionychiden haben fleischige Lippen, aber ohne Muskeln.
Bei den Cheloniden und Emyden ist die Zunge fast unbeweglich und
mit einem verdickten Epithelium belegt ; bei den Testudiniden dagegen
ist sie vorstreckbar und mit langen, oft zweispaltigen Papillen ausgestattet,
zwischen welchen sich zahlreiche, sackförmige Drüsen finden. Sublinguale
Speicheldrüsen, die bei den Landschildkröten bedeutend entwickelt sind, fehlen
den Seeschildkröten. Der längsfaltige Schlund ist mit einem Wimper-
epithelium ausgestattet. Er geht nach und nach in den Magen über, mit
Ausnahme der Seeschildkröten, bei welchen er mit hakenförnügen Horn-
papillen ausgekleidet ist, deren Spitzen nach hinten gerichtet sind. Bei der
Lederschildkröte {Sphargis) bildet der sehr lange Schlund vor seiner Ein-
mündung in den Magen eine Doppelschlinge. Cardiatheil und Pförtuertheil
des Magens sind stets deutlich abgegrenzt. In der Schleimhaut sind Pepsin-
728 AVirbelthiere.
drüsen und Schleimdrüsen entwickelt. Zuweilen findet sich eine Klappe an
der Grenze des Pförtners gegen den Darm hin. Ein Blinddarm fehlt immer;
Drüsen sind selten im Enddarm. Das Bauchfell enthält glatte Muskelfasern.
Die Leber ist stets sehr gross, zweilappig; das Pankreas weit voluminöser
hei den Fleischfressern, als bei den Pflanzenfressern. — Die Milz liegt am
Anfange des Enddarines ; die Thyreoidea wird zwischen den grossen Ge-
fässstämmen beim Austritte aus dem Herzbeutel als ein runder Körnerhaufen
vorgefunden; die Thymus fehlt oder ist verkümmert. — Die stets getrennten,
grossen Nieren sind viellappig ; die Harnleiter gehen von ihrem hinteren
Ende ab. Sie haben sehr dicke Wände und münden, bald vereinzelt, bald
mit den Samenleitern zusammen, auf einem an der Dorsalwand der Cloake
gelegenen Wärzchen. Die Eileiter münden stets für sich. Die grosse und
musculöse Harnblase mündet auf der ventralen Wand der Cloake. — Die
Nebennieren bilden zwei längliche, eiförmige Massen, von schöner Gold-
farbe und liegen auf der inneren Seite der Nieren zwischen den ausführen-
den Gefässen und den Genitalcanälen. — Die Hoden liegen hinter den Nieren
nach aussen. Der Nebenhoden empfängt zahlreiche Samencanälchen aus den
inneren Maschen des Hodens, in welchem keine Samenröhrchen ausgebildet
sind, und setzt sich in einen sehr gewundenen Samenleiter fort, der aber ein
weites Lumen besitzt und durch Bindegewebe fest an die Nieren geheftet ist.
Die voluminösen Eierstöcke liegen an derselben Stelle wie die Hoden.
Die Trichter der Eileiter sind mit Wimpern ausgekleidet; ihre Wände zeigen
zahlreiche Drüsen. Bei den Männchen findet man verkümmerte Reste der
Müll er 'sehen Gänge; bei den Weibchen der Wolf f sehen Gänge und der
ürnieren. — After sacke, deren Function nicht bekannt ist, die aber sehr
voluminös werden können, finden sich meist, fehlen aber den Seeschildkröten.
— Bei allen Männchen findet sich, wie bei den Krokodilen, nur ein Be-
gattungsglied, ein in der Cloake geborgener, ausstülpbarer, undurchbohrter
Penis, der mit eigenen Muskeln versehen ist und aus einem Schwamm-
körper besteht, dessen Höhlungen mit zwei seitlichen Venencanälen communi-
ciren. Ausserdem enthält der Penis noch auf seiner oberen Fläche zwei
Peritonealcanäle, die in der Nähe der Eichel blind enden. Die Eichel selbst
ist häufig in zwei oder gar vier Endstücke gespalten. Eine analoge, aber
sehr kleine Clitoris findet sich bei den Weibchen.
Die Athemorgane bestehen aus einem Kehlkopf, hinsichtlich dessen
Bau wir auf das classische Werk von Henle (s. Lit.) verweisen, einer meist
sehr langen , von breiten Eingen aus Knorpel oder selbst Sehuensubstanz
{Ginyxis) gestützten Luftröhre, die zuweilen (Sphargis) durch eine senkrechte,
innere Längsscheidewand in zwei Röhren getheilt ist und sich in zwei Bron-
chen von sehr variabler Länge spaltet, die sich in den Lungen in zahlreiche,
durch Längsscheidewände getrennte, neben einander liegende Blindröhren
theilen. Auf den reichlich mit glatten Muskelfasern ausgestatteten Wänden
dieser Röhren sind nun die Maschen und Netzfalten der Schleimhaut aus-
gebildet. — Das sehr breite Herz besteht aus zwei, durch eine vollständige
Scheidewand getrennten Vorkammern und einer einzigen, sehr derb musculösen
Kammer, die meist an ihrer Spitze durch ein, ein Blutgefäss enthaltendes
Sehnenband an dem Herzbeutel befestigt ist. Der Artei'ienbulbus ist in zwei
Hälften gespalten, eine für den linken Aortenbogen, die andere, weit be-
deutendere , für die übrigen Gefässstämme. Man kann mehrere aus diesem
Bulbus entspringende Arterienbogen unterscheiden; die beiden hinteren Bogen
bilden die Lungenarterien ; der mittlere Bogen ist nur auf der rechten Seite
entwickelt und vereinigt sich hinter dem Herzen mit dem isolirt entspringen-
den linken Aortenbogen , um am Vereinigungspunkte rechts die absteigende
Aorta, links die Eingeweidearterien zu bilden ; der vorderste Bogen theilt sich
Reptilien. 729
fast unmittelbar in Siibclavien und Carotiden. Zwischen den Wurzeln der
Aortenstämme findet sich ein zuweilen unvollständig verknöchertes Knorpel-
stück. — Die grossen Arterien sind in Lymphscheiden eingeschlossen. An
dem Becken findet sich ein Paar von Lymph herzen, die mit der Hüftvene
in Verbindung stehen.
Literatur. — Bojanus, Anatome testucUnis eiiropueae. Doi-pat, 1819. —
Panizza, Sopru il sistema Unfutico dei RettilL Pavia, 1833. — Joh. Müller, Ueber
die Existenz vou vier geti'ennten , regelmässig pulsirenden Herzen. Müller's Archiv,
1834. — Ders., Ueber die Lymphherzen der Schildkröten, abend. 1840. — Dumeril
et Bibron, Erpelologie generale. Paris, 1834. — Bischoff, Ueber den Bau des
Krokodilherzens. Müller's Archiv, 1836. — C. Vogt, Zur Neurologie von P«/iÄo?i tigris.
Müller's Archiv, 1838. — Ders., Beiträge zur Neurologie der Reptilien. Neue Denkschr.
Schweiz, naturforsch. Gesellsch., Bd. IV, 1840. — J. Henle, Vergleichend anatomische
Beschreibung des Kehlkopfes, 1839. — J. Rathke, Entwicklungsgeschichte der
Natter. Königsberg, 1839. — Ders., Ueber die Entwicklung der Schildkröten,
1848. — Ders., Ueber die Carotiden der Schlangen. Denkschr. Akad. Wien, Bd. XI,
1856. — Ders., Aortenwurzeln der Saurier. Ebend,, Vol. XII, 1857. — Ders.,
Ueber den Körperbau der Krokodile, 1866. — M. Kusconi, Sur les vaisseaux lym-
phutiques des Reptlles. Nouv. Ann. Soc. Bologna, 2. Serie, Vol. III, 1844. Müller's
Archiv, 1843. — Gorski, Becken der Saurier. Dorpat, 1852. — E. Brücke,
Untersuchungen über den Farbenwechsel des afrikanischen Chamäleons. Denkschr. Akad.
Wien, 1852. — J. G. Fischer, Die Gehirnnerven der Saurier, 1852. — Ders.,
Ueloderma horriduni. Verhandlung im naturw. Verein, Hamburg, Bd. V, 1882. —
L. Agassiz, Contributions Nut. Hist. Unit. States, Vol. I, 1856. — J. Clark, Em-
bryology of the Turtle. Agassiz's Contributions, Vol. H, 1857. — Jacquart, Sur
le coeitr de la tortiie franche. Ann. Sc. natur. , 4. Serie, Vol. XVI, 1861. — Wy-
mann, Formation of the Rattle of the Rattlesnake. Proceed. Boston Soc. , Vol. III,
1861. — S. W. Mitchel, Venom of the Rattlesnake. Smithsonian Contribut., Wash-
ington, 1861. — C. B. Brühl, Das Skelett des Krokodiles. Wien, 1862. —
A. Günther, Contributions to the Anatomy of Hatteria. Philosoph. Transactions,
1867. — S. G. Mivart, On the Myology of Iguana. Proceed. Zoolog. Soc. London,
1867. — Ders., On the Myology of Chamaeleon, ebend. 1870.. — Parker, Shoulder-
Girdle and Sternum of the Vertebrates. Ray. Soc, 1868. — Ders., Skull and
Nerves in the yreen Turtle, Chelonia mydas. Natitre, No. 495, Vol. XIX, 1879. —
W. K. Parker und G. T. Bettany, Zur Morphologie des Schädels. Uebersetzt von
Vetter, 1879. — J. Haughton, Musculur Anatomy of the Alligator. Ann. and
Mag. Nat. History, 4. Serie, Vol. I, 1868. — G. Fritsch, Vergleichende Anatomie
der Amphibienherzen. Müller's Archiv, 1869. — Ders., Anatomie der Elephanten-
Schildkröte. Abhandl. der böhmischen Gesellsch., Prag, 1874. — A.B.Meyer, Gift-
apparat der Schlangen. Monat^ber. d. Akad., Berlin, 1869 — W. Peters, Gehör-
knöchelchen und Me ekel 'scher Knorpel bei Krokodilen. Monatsber. d. Akad., Berlin,
1868. — Ders., Gehörknöchelchen der Schildkröten, Eidechsen, Schlangen, ebend. 1869. —
Ders. bei Sphenodon puncto tus , ebend. 1874. — M. Fürbringer, Knochen und
Muskeln der Exti-emitäten bei den schlangenähnlichen Sauriern. Leipzig, 1870. —
Ders., Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. Jenaische Zeitschr.,
Bd. Vm, 1872. — Ders. , Dass., Morphol. Jahrb., 1876. — A.Sanders, Myologij of
Platydactylus japonicus. Proceed. Zoolog. Soc, London 1870. — Ders., Myology of
Liolepis Belli, ebend. 1872. — Ders., Myology of Phrynosoma cornutum, ebend.
1874. — G. Hasse, Das Gehörorgan der Schildkröten. Anatomische Studien, 1871. —
E. Clason, Gehörorgan der Eidechsen, ebend. 1871. — Ders., Dass., ebend. 1879. —
F. Leydig, Die in Deutschland lebenden Saurier, 1872. — Ders., Sinnesorgane
der Schlangen. Arch. Mikroskop. Anat., Bd. VIII, 1872. — Ders., Haut einheimi-
scher Ophidier, ebend. Bd. IX, 1873. — Ders., Zähne der Schlangen, ebend. —
730 Wirbelthiere.
I) e r s., Kopfdrüsen, ebend. — Ders., Allgemeine Bedeckungen der Amphibien, ebend.,
Bd. XII, 1876. — Ders., Einheimische Schlangen. Abh. Senckenb. Gesellsch, Frank-
furt, 1883. — Emery, Studii anatom. sulla Vlpera RediL Soc. italian. di Scienze
natur. Milano, Vol. II, 1873. — Ders., lieber den feineren Bau der Giftdrüse von
Naja haje. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. II, 1873. — P. Gervais, Osteologie du
Sphargis Luth. Noitv. Arch. Museum, Vol. VIII, 1872. — 0. Cartier, Feinerer Bau
der Haut der Reptilien. Verhandl. physik.-med. Gesellschaft Würzburg, Bd. III,
1872. — L. Stieda, Bau des centralen Nervensystems der Schildkröte. Zeitschr. f.
wissensch. Zool., Bd. XXXV, 1875. — C. K. Hoffmann, Bau der Retina bei Am-
p)hibien und Reptilien. Niederländ. Archiv f. Zoologie, Bd. III, 1875. — Ders., Die
Thränenwege der Vögel und Reptilien. Zeitschr. d. naturw. Vereins f. Sachsen u.
Thüringen, 1882. — Ders., Reptilien, Bronn's Thierreich, 1890. — Kerbert,
Haut der Reptilien. Archiv f. mikrosk. Anat., Bd. XIII, 1876. — Solger,
Beiträge zur Kenntniss der Nasenwandung der Reptilien. Morphol. Jahrb., Bd. I,
1876. — G. Born, Carpus und Tarsus der Saurier. Morphol. Jahrb., Bd. II, 1876. —
M. Braun, Das Urogenitalsystem der einheimischen Reptilien. Arbeiten d. zool.
zootom. Instisut Würzburg, Bd. IV, 1877. — Ders., Bau und Entwicklung der
Nebennieren bei Reptilien, ebend., Bd. V, 1879. — C. Partsch, Beiträge zur Kennt-
niss des Vorderarmes. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XIV, 1877. — Max Weber,
Nebenorgane des Auges der Reptilien. Arch. f. Naturgesch., Jahrg. XLIII, 1877. —
Rabl-Rückhard, Centralnervensystem des Alligators. Zeitschr. f. wissenschaftl.
Zool., Bd. XXX, 1878. — J. Machale, Ueber den feineren Bau des Darmcanales
von Emys europaea. Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. XXXV, 1879. — A. Batelli,
Beiträge zur Kenniss der Reptilienhaut. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XVII, 1879. —
G. Born, Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang, Morph. Jahrb., Bd. V,
1879. — Ders., Dass., ebend., Bd. VIII, 1883. — H. Gadow, Bauchmuskeln der
Krokodile, Eidechsen und Schildkröten. Morph. Jahrb., Bd. VII, 1881. — Ph. Lus-
sana, Sur le cervcm du Boa. ArcJiives ital. de Biologie, Vol. IV, 1883. —
F. Reichel, Mundhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Morph. Jahrb., Bd. VIII, 1883. —
G. Retzius, Das Gehörorgan der Wirbelthiere, Bd. II, 1884. — W. Baldwin
Spencer, On the presence and structure of the Pineal eye in Lacertdia. Quarterly
Journal, Vol. XXVII. — H. Strahl und E. Martin, Die Entwicklung des Parietal-
auges \>Q\ Anguis und Lacerta. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1888.
ClasseclerVögel.
Zahnlose Sauropsiden , deren Haut mit Federn bedeckt und deren
Vorderglieder zu Flügeln umgewandelt sind.
Die Vögel nähern sich durch eine grosse Zahl von Eigenthümlich-
keiten ihrer Organisation den Reptilien, von welchen wir hier nur die
Ausbildung eines einzigen Gelenkkopfes am Hinterhaupte und die Ent-
wicklung sehr voluminöser Eier erwähnen, die mit einer grossen Menge
von Nahrungsdotter ausgestattet sind. Die befruchteten Eier der Vögel
entwickeln sich stets ausserhalb des Mutterleibes und meist unter dem
Einflüsse der Bebrütung. Die wesentlichsten anatomischen Unterschiede
beider Classeu beruhen in der Reduction des Tarsus und Metatarsus
Vögel. 731
der Hinterglieder, in der Umwandlung des Vordei'gliedes und in der
Structur des Herzens. Anderseits nähern sich die Vögel durch die
Ausbildung ihres Kreislaufes und durch ihr warmes Blut von con-
stanter Temperatur den Säugethieren. Endlich können wir als be-
sondere Eigenthümlichkeiten der Classe die Bedeckung mit Federn
und die specifische Umbildung der Vorderglieder zu Flugwerkzeugen
hinstellen. Obgleich die Flugbewegung in der Luft auch den zu den
Säugethieren gehörigen Fledermäusen eigen ist, so ist doch der Flügel
dieser letzteren in durchaus anderer Weise gebildet, als derjenige der
Vögel.
Wir folgen der Classification von Claus, welche die ganze Classe
in acht Ordnungen theilt. Bei den sieben ersten Ordnungen trägt das
Brustbein einen mittleren , senkrechten Kamm , an welchen sich die
mächtigen Muskeln der Flügel ansetzen. Man hat sie aus diesem
Grunde zu einer grösseren Gruppe, den Carinaten, vereinigt. Die letzte
Ordnung bildet die Gruppe der Bauten, bei welchen der Brustbein-
kamm fehlt und die Flügelmuskeln verkümmert sind, so dass diese
Vögel nur noch laufen, aber nicht fliegen können.
Erste Ordnung: Wasservögel {Pcdmipedes). — Sie leben
auf dem Wasser und sind dieser Lebensweise durch die Entwicklung
einer dichten Flaumendecke und eines reichlichen Fettpolsters unter
der Haut angepasst, wodurch die Entziehung ihrer Körperwärme ver-
hindert wird. Sehr geschickt im Schwimmen und Tauchen, zeigen sie
sich täppisch und unbeholfen zu Lande , weil ihre stets sehr kurzen
Beine so sehr nach hinten gerichtet sind, dass manche selbst im Sitzen
eine aufrechte Stellung einnehmen. Die Flügel zeigen alle möglichen
Uebergänge von den zu Rudern reducirten, mit Schuppenfedern be-
deckten Stummelflügeln der Tölpel bis zti denjenigen der Fregatten-
und Sturmvögel, welche zu den besten Fliegern gehören. Die Bildung
des Schnabels ist sehr mannigfaltig. Aptenodytes, Alca, Colymhus,
Anas, Pelecanus, Larus, Frocellaria.
Zweite Ordnung: StelzYÖgel{Gr all at or es). — Sie unterscheiden
sich durch meist sehr lange Beine, welchen ein langer Hals und Schnabel
entsprechen. Je nach der Lebensweise sind die Füsse sehr verschieden
gestaltet und zuweilen, wie bei den Palmipeden, die Zehen durch eine
Schwimmhaut vereinigt. Der Schnabel ist meist spitz, oft lang, zu-
weilen löffelartig verbreitert. Charadrhis , Scolopax, Ardea, Eallus,
Fulica, Otis.
Dritte Ordnung: 'H.uh.xiev^ögQl {Gull in ac ei). — Meist grosse,
schwerfällig fliegende Vögel, die leicht laufen. Die Zehen sind mit
krummen Nägeln bewaffnet, womit sie die Erde zum Aufsuchen ihrer
Nahrung aufkratzen; die Flügel meist kurz und abgerundet; der
732 Wirbelthiere.
Schnabel kurz und kräftig. Crax, Megapodius, Gcdlus , Crypturus,
Tetrao, Syrrhaptes.
VierteOrdnung: ^d^uhen {C olumlidae). — Vögel von massiger
Grösse mit schlankem Körper und kurzen Füssen, an welchen drei
Zehen nach vorn und eine nach hinten gerichtet sind. Gute Flieger
mit stark entwickelten Flügeln. Der Schnabel ist kurz, an den Nasen-
löchern angeschwollen , mit weicher Basis und harter Hornspitze. Co-
lumba, Didunculus.
Fünfte Ordnung: Klettervögel (Scansores). — Sie haben
Greif- und Kletterfüsse , mit zwei nach vorn und zwei nach hinten ge-
richteten Zehen, die eine Art Zange bilden. Meist schlechte Flieger.
Der Schnabel stark, gerade oder hakenförmig gekrümmt; die Zunge
oft fleischig. Bhamphastus , G-alhula, Trogon, Bucco , Cucidus, Picus,
FsiUacus.
Sechste Ordnung: Sperlingsvögel (Passeres). — Meist
kleine Singvögel, mit sehr verschieden gestalteten Schnäbeln, die ziem-
lich gut fliegen und der Bildung ihrer Füsse gemäss sich gern in
Büschen und Bäumen aufhalten. Gruppen nach der Schnabelbildung:
Leichtschnäbler (Levirostres) mit grossem, leichtem Schnabel (Bu-
ceros, Älcedo, Merops, Coracias); Spaltschnäbler (Fissirostres) mit
plattem , weit gespaltenem , schwachem Schnabel (Hirundo , Cgpselus,
Gaprinmlgus) -^ Dünnschnäbler (Tenidrostres) mit langem, dünnem
Schnabel {Upupa., Trochüus, Certhia)] Zahnschnähler (Bentirostres)
mit mehr oder minder ausgebuchtetem , etwas hakigem Oberschnabel
(Corvus, Paradisea, Lantus, Muscicapa, Sylvia, Turdus); Kegel-
schnäbler (Conirostres) mit starkem, kurzem Kegelschnabel (Älauda,
Fringüla, Loxia, Tanagra).
Siebente Ordnung: Raubvögel (Bapaces). — Meist grosse
Vögel mit starkem, zum Zerfleischen der Beute passendem Haken-
schnabel. Gute Flieger, deren Zehen mit starken, schneidenden Haken-
scheiden (Fängen) bewaffnet sind. Man unterscheidet: Nachtraub-
vögel, Eulen (Strix, Otus, Buho) und Tagraubvögel, Falken
und Geier (Vultur, Gypaetus, Äqtiila, Milvus, Astur, Falco, Circus,
Gypogeranus).
Achte Ordnung: Laufvögel {Kotita e). — Sie zeichnen sich
durch den Mangel eines Brustbeinkammes aus; die langen, mit zwei
oder drei nach vorn gerichteten Zehen versehenen Beine der meist
grossen Vögel eignen sich zu raschem Laufe. Rudimentäre Flügel, die
nicht zum Fluge gebraucht werden können. Stridhio, Bliea, Casua-
rius, Apteryx.
Typus. Die Haustaube (Columba domestica). Wir haben die
Haustaube statt des Huhnes ausgewählt, weil ihre geringere Grösse
Vögel. 733
Figuren in natürlicher Grösse erlaubt. Wir verdanken die Mono-
grapliie der Taube unserem geschätzten Mitarbeiter, Herrn Dr.
M. Jaquet.
Allgemeine Lagerung der Organe. — Um die Taube zu
präpariren , entfernt man zuvörderst sämmtliche Federn des Körpers
und befestigt den Vogel auf der Korkscheibe eines Beckens mittelst
Nadeln, welche den Schnabel, die Flügel und die Beine fest anheften.
Man präparirt das auf dem Bücken liegende Thier unter Wasser. Die
Haut wird längs der Mittellinie vom Brustbeine bis zum After ge-
spalten und zurückgeschlagen. Man setzt den Schnitt seitlich über
das Brustbein bis zur Einlenkung der Raben- und Schlüsselbeine fort,
trennt diese , sowie die starken Brustmuskeln und hebt nun das
von den Rippen getrennte Brustbein wie einen Deckel ab. Dann wird
die Haut des Halses durch einen bis zum Schnabel reichenden Längs-
schnitt gespalten und zurückgeschlagen, wobei man Sorge trägt, den
Kropf nicht zu verletzen, dessen zarte Wand mit der Haut zusammen-
hängt. Nachdem man die Haut seitlich zurückgeschlagen und mit
Nadeln befestigt hat, zeigen sich die Organe in der Lagerung, wie sie
Fig. 291 (a. f. S.) darstellt. Ganz oberflächlich verläuft am Halse die lange
Luftröhre (b) mit ihren weisslichen Knorpelringen; ihr vorderes
Ende wird von dem Musc. mylo-liyoideiis (a) bedeckt, der sich zwischen
den Aesten des Unterkiefers ausbreitet. Dorsalwärts von der Luft-
röhre verläuft der zusammengefallene S chl und (c) mit dünnen, längs-
gestreiften Wänden , der sich in der Mitte des Halses zu einem dünn-
wandigen Sacke, dem Kröpfe (d) erweitert, welcher je nach der Füllung
sich bis zum Rande des Brustbeines erstrecken kann. Die Körper-
höhle ist von dem Peritoneum ausgekleidet, das eine Falte schlägt,
um eine Scheidewand über das musculöse Zwerchfell zu ziehen, welche
die Höhle in zwei Kammern trennt, die Brusthöhle, in welcher das
Herz und die Lungen, und die Bauchhöhle, in welcher die übrigen Ein-
geweide liegen. Das Herz (/) liegt in der ventralen Mittellinie, es hat
die Gestalt eines Kegels, von dessen nach vorn gewendeter Basis die
Aortenbogen (er) mit den Carotiden (ca) ausgehen; seine hin-
tere Spitze wird von der Leber bedeckt. Die seitlichen Räume der
Brusthöhle werden dorsalwärts von den an der Wirbelsäule anliegenden
Lungen (p) eingenommen. Die grosse, rothbraune Leber (g) liegt
unmittelbar hinter dem Zwerchfelle ; sie ist gelappt ; die zwei grössten
dieser Leberlappen erstrecken sich ventralwärts ; der rechte Lappen
bedeckt den Anfangstheil des Darmes; in einem tiefen Ausschnitte des
linken Lappens birgt sich der obere Theil des Muskelmagens. Dringt
man tiefer in die Bauchhöhle ein, indem man die Eingeweide zur Seite
schiebt , so sieht man , dass der Schlund sich in den Drüsenmagen
(pr) erweitert, dem unmittelbar der Muskelmagen (/«) anhängt.
Dieser mehr auf der linken Seite gelegene Theil gleicht durch zwei
734
Wirbelthiere.
Flg. 291. — Columla domestica. — Die Taube ist von der Bauchseite her geöffliet,
die Haut des Halses und die Brustmuskeln ausgebreitet, die Haut des Bauches das'
Brustbein und ein Theil der Rippen weggenommen. Natürliche Grösse, a, M. mylo-
Vögel.
735
Fio-. 292.
glänzende, von sehnigen Ausbreitungen gebildete Flächen einer dicken,
biconvexen Linse. Von der innei^en Fläche dieser wuchtigen Muskel-
masse geht der Darm
,t (i) aus, der sofort eine
Schlinge bildet, in wel-
che das längliche, röth-
lich gefärbte Pankreas
(7c) eingebettet ist. So-
dann beschreibt der
Dünndarm vielfache, an
Mesenterial falten gehef-
tete Windungen (/), bis
er das Rectum (m) er-
reicht, an dessen Grenze
links und rechts zwei
kleine Ausbuchtungen,
die Blinddärme (7) sich
bemerkbar machen. So-
dann mündet der After-
darm in die Cloake
iq) , welche quer durch
den gespaltenen After
(o) sich nach aussen
öffnet.
Die Urogenitalorgane
(Fig. 292) liegen ganz
auf der dorsalen Decke
der Bauchhöhle ; die
Nieren (r) sind lang-
gestreckt, viellappig und
münden durch feine
Harnleiter (ii) in die
Cloake; die Genital-
drüsen liegen an dem
vorderen Rande der
. ;. pav
: pa.
cl
C'olwnha domesticu. — Lagerung der Urogenitalorgane,
von der ventralen Seite gesehen. Nat. Gr. Die übrigen
Organe sind weggenommen, g, Eiersto'ck; ov, Eileiter;
c/, Cloake; ?•, Nieren; «, Harnleiter; t, Luftröhre; 6r,
Bronchen ; p, Lunge ; p a, musculöse Bauchwand ; z, Darm ; Xiere sind aber rechter-
c, Rippen, durchschnitten; pav, Trichter des Eileiters. ^^-^^ J^^- ^^^ Weibchen
nebst dem Eileiter verkümmert. Der linke Eierstock {g) zeigt stets
zahlreiche Eier in allen Stadien der Entwicklung, er hat eine röth-
hyoideus ; 6, Luftröhre ; c, Schlund; (?, Kropf ; e, abgeschnittene Brustmuskeln ;/, Herz;
jr, Leber ; A, Muskelmagen ; z, Duodenum ; Z;, Pankreas ; i', Darm; /, Blinddarm ; m, Rec-
tum ; 0, After; p, Lunge; p?-, Drüsenmagen; q^ Cloake; ;', linker Fuss ; s, linker
Flügel, beide nur in Contur; s^, M. sterno-trachealis ; ca, linke Carotis; er, linker
Aortenbogen; pw, Schambein; ov, Eileiter; si, Sj'mpathicus.
736
Wirbelthiere.
liehe Farbe. Der Eileiter {ov) bildet eine weite, leicht gewundene
Röhre, die mittelst einer Mesenterialfalte an die Körperwand befestigt
ist; er öfiFnet sich vorn in die Bauchhöhle mit einem weiten Trichter
{pav), hinten in die Cloake. Die Hoden bilden zwei kreideweisse,
eiförmige Körper, die sich unmittelbar in die, in die Cloake mündenden
Samenleiter fortsetzen. Begattungsorgane sind nicht vorhanden.
Tegument. — Es besteht aus den gewöhnlichen Schichten, Ober-
haut und Lederhaut, und zeichnet sich durch den fast gänzlichen
Mangel an Drüsen aus. In der Epidermis finden wir dieselben
Elemente wie bei den Reptilien , mehrfach über einander gelagerte
Zellenschichten, deren innerste das Malpighi'sche Netz bilden,
während die Zellen der äusseren Schichten mehr und mehr sich
abplatten, je näher sie der Oberfläche kommen und schliesslich in
die Hornschicht übergehen. Die Federn und Schuppen, der Schnabel
und die Nägel, sowie die Steissdrüse gehören den Bildungen der Epi-
dermis an. Die Lederhaut wechselt sehr an Dicke, je nach den
Fig. 293.
Körpergegenden; sie besteht aus
verflochtenen Netzen von Binde-
gewebe, deren Maschen in der Nähe
der Oberhaut sehr dicht und eng,
in der Nähe der Muskeln weiter
sind ; sie wird von zahlreichen Ge-
fässen und Nerven nach allen Rich-
tungen hin durchsetzt. Mit Aus-
nahme des Schnabels, der Fuss-
wurzel und der Zehen bedecken die
Federn den ganzen Körper; man
kann eigentliche Federn und Dunen
unterscheiden ; letztere bedecken
unmittelbar die Haut, dienen nicht
zum Fluge und haben nur kurze,
biegsame Schäfte. Die Schwung-
federn sind an dem unteren Rande
der Flügel, die Steuerfedern an dqm kurzen Schwänze befestigt;
beide Gruppen werden an ihrer Basis von den Dec kf ede rn über-
deckt. Wir müssen der beschreibenden Zoologie die weiteren Einzel-
heiten überlassen. Jede wohl ausgebildete Feder besteht aus einer
harten, elastischen Axe , die an ihrer Basis rundlich ist , im weiteren
Verlaufe einen viereckigen Durchschnitt bietet. Die durchscheinende
Basis der Axe ist hohl und enthält eine gefässreiche Papille, die soge-
nannte Seele, die von einem Hautfollikel ausgeht, von welcher aus
das Blutgefäss in das Innere eindringt; sie zeigt ausserdem eine obere
Oeffnung in der Nähe des Beginnes der Fahne. Die Fahne selbst be-
steht aus an einander gereihten Hornblättchen oder Strahlen, die
Columba domestica. — Steiss, vom Rücken
gesehen. Nat. Gr. Die Haut über der
Drüse ist weggenommen, a, Steissdrüse ;
ö, Steuerfedern ; c, Follikel , in welche
diese eingelassen sind.
Vögel. 737
meist in Fäserchen sich theilen , welche oft Häkchen tragen , mit
welchen die Fahnenblättchen in einander greifen. — Hornscheiden
überziehen die beiden Kiefer des Schnabels und die Basis des Tarso-
metatarsalknochens. Auf der Vorderfläche dieser Fussscheide zeigt
sich eine schuppenförmige Täfelung; diese Schuppen erstrecken sich
auf der Dorsalfläche der Zehen bis zur Nagelwurzel. — Die Steiss-
drüse (Fig. 293) liegt auf der dorsalen Fläche der Schwanzwurzel,
grösstentheils in die Haut eingelassen ; sie hat die Form eines Karten-
herzens mit etwas verlängerter, nach hinten gerichteter Spitze,
welche über die Haut vorspringt. Der Drüsenkörper ruht auf der
Basis der Steuerfedern und besteht aus zwei, in der Mittellinie ge-
trennten Hälften, deren jede einen Ausführungsgang besitzt, welcher
sich in dem erwähnten Endwärzchen nach aussen öflFnet. Das Secret
dient zum Einfetten der Federn , was mittelst des Schnabels ge-
schieht.
Skelett [Fig. 294 (a. f. S.) bis 303]. — Man kann bei der Taube
die verschiedenen Regionen der Wirbelsäule nicht so leicht unter-
scheiden, wie bei den Säugethieren. Die grosse Zahl und Beweglichkeit
der Halswirbel {ve, Fig. 294), die geringe Beweglichkeit der Rücken-
wirbel {vcl), die Verschmelzung der Kreuzbeinwirbel und die Ab-
trennung der wenig zahlreichen Schwanzwirbel (c) fallen auf den
ersten Blick auf. Die Pneumaticität vieler Knochen, die von Höh-
len durchzogen werden, welche mit den Lungen in immittelbarer Ver-
bindung stehen, bildet eine specifische Eigenthümlichkeit des Vogel-
skelettes. Wir werden dieselbe bei Gelegenheit der Athemorgane
/•behandeln.
Wirbelsäule. — Es giebt zwölf Halswirbel {vc, Fig. 294);
die vorderen, mit Ausnahme des Atlas, sind länger als breit, die
hinteren dagegen breiter als lang. Der Atlas bildet einen Ring,
dessen verdickte Ventralseite eine vordere Auskehlung zeigt, in
welcher der Gelenkhöcker des Hinterhauptes sich dreht; die seit-
lichen Ränder der Gelenkhöhle springen nach hinten vor und zeigen
hier eine Rinne auf der inneren Fläche , in welche sich der Gelenk-
kopf des Zahnfortsatzes des Epistropheus einlegt. Der Körper
dieses zweiten Halswirbels verlängert sich nach vorn mit gewölbter
Ventralfläche in den erwähnten, sehr deutlich begrenzten Zahn-
fortsatz. Die dorsalen Dornfortsätze des zweiten, wie der beiden
folgenden Wirbel sind sehr bedeutend entwickelt; sie dienen den Hebe-
muskeln des Hinterhauptes zum Ansatz. Diese schief nach hinten ge-
richteten Fortsätze besitzen auf ihrer Unterfläche ein Gelenk zur Ver-
bindung mit dem nächstfolgenden Wirbel. Die Dornfortsätze der
folgenden Halswirbel nehmen mit dem Maasse ihrer Annäherung an die
Rückengegend an Höhe ab. Die vorderen Gelenkfortsätze (po, Fig. 295)
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 47
7:38
Wirbelthiere.
sind mit den Wirbelkörpern durch vorn sehr breite , nacb ' hinten
griffeiförmig zugespitzte Zwischenstücke verbunden , welche man die
Halsrippen (c) genannt hat. Vorn am ersten Wirbel sehr kurz,
Fio-. 294. nehmen diese Halsrippen
nach hinten an Grösse
zu und bilden durch
ihre gespaltenen Ansätze
einen Längscanal, der
sich längs den Wirbel-
körpern hinzieht und in
welchem eine Arterie,
eine Vene und der
Grenzstrang des sym-
pathischen Nerven ver-
laufen. Er heisst der
Wii-belcanal (v). Die
hinteren , sehr langen
Gelenkfortsätze (pp) der
Halswirbel weichen nach
hinten in Gestalt eines
V aus einander und
sind durch Sehnenhäute
mit einander verbunden.
Die zwei letzten Hals-
wirbel sind nur sehr
kurz ; ihre Körper tra-
gen auf der Unterfläche
einen ventralen Dorn-
fortsatz.
Die acht Rücken-
wirbel (Fig. 294 bis
296) zeigen gewöhnlich
den Wirbelcanal nicht
mehr ; nur zuweilen
findet man an dem ersten
ein sehr reducirtes Lö-
chelchen. Die beiden
ersten Rückenwirbel
(1,2, Fig. 296) sind frei;
die drei folgenden zu
einem Ganzen ver-
schmolzen , der sechste
ist wieder frei und die
beiden letzten unter sich
Coluinba domestica. — Skelett im Profil und in halber
Grösse, c, Schädel; vc, Halswirbel; vd, Rückenwirbel;
il, Darmbein ; c, Schwanzwirbel ; js, Sitzbein; p, Scham-^
hein ; /, Femur ; <i, Tibia; tm, Tarsometatarsalknochen;
de, äussere; dm, mittlere; dl, innere; dp, hintere
Zehe; st, Brustbein; s, Verbindungsstücke zwischen
den Rippen c und dem Brustbein; cl, Gabelbein; cb,
Ulna ; p, Daumen; r, Radius; mi, Unterkinnlade; ms,
Oberkinnlade; om, Schulterblatt.
Vögel. 739
und mit dem Ileon (il) zu einem Ganzen verschmolzen. Man kann die mit
dem Sternum verbundenen wahren Rippen (c) von den an ihrem Ende
Fig. 295.
pa.
Colmnha domestica. — Sechster Halswirbel, doppelt vergrössert. A im Profil"
B, Vorderfläche. /, MeduUarcanal ; pa, vorderer Gelenkfortsatz; r, Wirhelcanal ■
pp, hinterer Gelenkfortsatz; co, Wirbelkörper ; c, Halsrippe.
freien Rippen (/c) unterscheiden. An dem dritten, vierten und fünften,
sowie an dem siebenten und achten Rückenwirbel sind sowohl die
Cohimba domestica. — Das Becken in natürlicher Grösse; A, dorsale, B, ventrale
Ansicht. «, Vorderrand des Darmbeines il; t, Eminentia antitrochanterica : is, Sitz-
bein; p, Schambein; o, Nervendurchlässe zwischen den Querfortsätzen; sa, Kreuz-
bein; 3 bis 8, Rückenwirbel; ti; Querfortsätze der Kreuzbeinwirbel: to, Foramen
obturatorium ; e;), Epi-ileon.
47*
740 Wirbeltbiere.
Dornfortsätze als die Querfortsätze mit einander verschmolzen; der
Querfortsatz des fünften Wirbels setzt sieb nach hinten in einen feinen
Dorn fort, welcher sich an den sechsten Wirbel anlegt. Die ventralen
Dornfortsätze der fünf ersten Rückenwirbel verschmelzen zu einer vor-
springenden Leiste (e), deren freie Ränder durch ein Pigment mit ein-
ander verbunden sind.
Die Kreuzbeinwirbel (Fig. 296, sa) lassen sich nur schwer
abgrenzen. Sie tragen keine Rippen und verbinden sich seitlich mit
dem Becken mittelst ihrer breiten Querfortsätze (tr) , die sich an den
inneren Rand des Darmbeines anlegen. Wir zählen wenigstens zwölf
solcher zu einem Stücke verschmolzener Wirbel. Untersucht man das
Kreuzbein von der dorsalen Fläche aus (Fig. 296, Ä) , so sieht man
auf beiden Seiten eine Reihe kleiner Löcher, durch welche die Nerven
. , Piff. 297.
Columha domestica. — Linke Hälfte des Brustkorbes in Profilansiclit. Nat. Gr. 1 bis 8;
Rückenwirbel; il, Darmbein; fc, falsche Rippen; i«, Hakenfortsätze der Rippen;
s, Verbindungsstücke zwischen den Rippen und dem Brustbein st; e, ventraler Dorn-
fortsatz der Wirbelkörper.
durchtreten , während auf der ventralen Seite (B) die Querfortsätze
(tr) sich deutlich unterscheiden lassen.
Die sieben Schwanzwirbel (c, Fig. 294) sind deutlich von
einander getrennt. Der letzte bildet ein pflugscharähnliches , senk-
rechtes Knochenblatt, der Pygostyl genannt. Er enthält keinen Canal
mehr für das Rückenmark, wie alle anderen, die hohe dorsale Dorn-
fortsätze und mächtige Querfortsätze besitzen ; die hintersten haben
auch ventrale Dornfortsätze.
Es finden sich acht Paare von Rippen (Fig. 297). Die fünf
Paare echter Rippen sind mit dem Brustbeine durch Zwischenstücke,
die Sternocostalknochen (s), verbunden, stark abgeplattet und im Bogen
Vögel.
741
gekrümmt. Sie lenken sich an den Brustwirbeln mittelst zweier ab-
stehender Gelenkköpfe ein; der obere und hintere Kopf, das Capitulum,
an den Querfortsatz, der untere und vordere, das Tuberculnm, an den
Wirbelkörper selbst , der seitlich dafür eine kleine Gelenkhöhle zeigt.
Das erste Rippenpaar setzt sich an den dritten Brustwirbel an. Etwa
von der Mitte des Hinterrandes der vier ersten Rippen springt ein
nach hinten und unten gekrümmter, platter Fortsatz vor, dessen
freies Ende sich auf die folgende Rippe auflegt; er wird der Haken -
fortsatz (Processus uncinatus, u) genannt. Die Festigkeit des Brust-
korbes wird durch diese Fortsätze wesentlich erhöht. Die Sterno-
costalknochen (s) nehmen von vorn nach hinten an Länge zu; sie
Fig. 298.
t^-
cl-
Cohnnba domestica, — Schultergürtel und Brustbein im Profil. Nat. Gr. om, Schulter-
blatt; ec, Processus Immeralis; c, Kabenbein ; e, vordere Kinne des Brustbeins;
p, Costal-Apophyse ; /, Gruben zur Aufnahme von Sternocostalknochen ; es, Brust-
beinschild; p/, hinterer Seitenfortsatz; o, hintere Brustbeinlücke; b, Brustbeiukamm;
a, episternale Apophyse; cl , Gabelbein; t, vordere Muskelleiste des Rabenbeins;
i, Processus furcularis.
sind schief nach vorn gerichtet und mit ihrem unteren Ende in eine,
an dem Seitenrande des Brustbeines ausgekehlte Rinne eingelassen,
während ihr oberes Ende an das distale Ende der entsprechenden
Rippe befestigt ist. Der Körper aller dieser Knochen ist cylindrisch,
aber das proximale Ende der beiden letzten , die eine fast horizontale
742 Wirbelthiere.
Stellung einnehmen , bedeutend abgeplattet. Man findet drei Paare
falscher, nicht an das Brustbein befestigter Rippen (/c), ein vorderes
und zwei hintere; sie sind nach demselben Plane gebaut, wie die
wahren Rippen , lenken sich auf dieselbe Weise mittelst zweier Köpfe
an die "Wirbel an, sind aber kürzer und enden frei in den Muskeln.
Das zweite Paar dieser Rippen hat noch einen rudimentären Haken-
fortsatz.
Das Brustbein (Fig. 298) hat, wie bei fast allen Carinaten, die
Gestalt eines Schildes, das auf seiner gewölbten ventralen Fläche einen
senkrechten Kamm (&) trägt, an welchen sich die Brustmuskeln an-
heften. Man kann sonach seine Gestalt im Ganzen mit derjenigen
eines Bootes vergleichen , dessen Kiel der Kamm Väre. Der dorsal-
wärts ausgekehlte Körper des Brustbeinschildes zeigt einen, in Form
eines Circumflexes ausgeschweiften Rand, dessen Mitte , die episternale
Apophyse (a), nach vorn vorspringt. An diesen Vorsprung heften
sich die das Rabenbein an das Brustbein befestigenden Sehnenbänder.
Der Vorderrand zeigt seitlich tiefe Auskehlungen (e) , in welche die
unteren Enden der Rabenbeine (c) eingelassen sind. Die verdickten
Seitenränder des Brustbeinschildes sind vorn durch eine tiefe Rinne
ausgekehlt, welche in je fünf Gruben zur Aufnahme der Sternocostal-
knochen abgetheilt ist. Nach vorn und hinten ist dieser Ausschnitt
stark umwallt; der vordere Wall springt nur wenig in dem sogenannten
Costalfortsatze (p) vor; der hintere dagegen setzt sich in eine lange,
abgeplattete Lamelle fort, die der hintere Seitenfortsatz Qj?) genannt
wird. Hinter diesem ist der Brustbeinrand tief ausgeschnitten und
schleift sich dann zu einer Ecke aus, welche von einem kleinen Loche
(o) durchbrochen wird. Der Kamm (h) bildet stets eine unmittelbare,
senkrechte Fortsetzung des Schildes auf der ventralen Mittellinie; sein
unterer, regelmässig gebogener Rand ist etwas verdickt und läuft nach
vorn in einen kurzen Sporn aus, an welchen das Gabelbeiu mittelst
einer kurzen, aber starken Sehne befestigt ist.
Der Brustgürtel (Fig. 298) besteht jederseits aus dreiKnochen,
dem Schulterblatte, dem Rabenbeine (Coracoüleum) und dem Schlüssel-
oder Gabelbeine (Furcula). Das Schulterblatt (om) ist einer ge-
krümmten Säbelklinge ähnlich; es liegt auf dein oberen Theile des
Brustkorbes auf und erstreckt sich mit seinem platten Ende nach
hinten bis in die Kreuzgegend. Der nach vorn gerichtete Griff ist
etwas verdickt und läuft in zwei Fortsätze aus, einen kleineren, inneren,
Processus furcularis (i), und einen grösseren, äusseren, Processus liume-
ralis (ex), der mit dem benachbarten Theile des Rabenbeines die Ge-
lenkhöhle für das Oberarmbein herstellt; beide Fortsätze stossen an
das Rabenbein und sind durch eine weite Lücke, das Foramen trigo-
num, getrennt. Das schief nach unten und hinten gerichtete Raben -
bein (c)- verbindet das Schulterblatt mit dem Brustbeine und bildet
Vögel.
743
mit ersterem einen nach hinten geöffneten Winkel. Es ist ein mäch-
tiger, langer Knochen, der mit seinem verbreiterten unteren Ende in
die entsprechende Rinne des Brustbeines eingelassen ist. Sein vor-
deres Ende bildet drei Höcker, an welche sich das Schulterblatt, das
Schlüsselbein und der Humerus anlegen. Längs des Innenrandes
seines Vorderendes springt eine dicke Knochenleiste vor, an welche
die Sehnenbänder sich befestigen , die den Knochen mit dem Brust-
beine verbinden. Die beiden dünnen und langen Schlüsselbeine (c?)
sind in der ventralen Mitte so mit einander zu einem Ganzen ver-
schmolzen, dass sie nur einen einzigen V-förmigen Knochen dar-
stellen, das Gabelbein (Furciila). Das verschmolzene Ende ist, wie
erwähnt, durch eine kurze Sehne an die Vorderspitze des Brustbein-
kammes[^befestigt.
Der Flügel (Fig. 299) wird von mehreren auf einander fol-
genden Knochenstücken gebildet, welche in der Ruhe (Fig. 294)
Fio-. 299.
Columba domestica. — Skelett des linken Flügels von der Aussenseite. Nat. Gr.
h, Humerus; a, Gelenkkopf am Schultergürtel; b, Muskelleiste; c, Oeffnung des
pneumatischen Ganges im Humerus; cb, Ulna ; r, Eadius ; cc, Carpale cubitale ;
er, Carpale radiale; m^ bis vi^ , die drei Metacarpalknochen ; de, äusserer Finger;
dm, erstes Glied des Mittelfingers; dm^, zweites Glied desselben; p, Daumen.
winkelig zusammengefaltet werden, wie ein aus drei Stücken be-
stehender Maassstab. Das proximale Ejide des Humerus stösst dann
vorn an die Ecke, wo Schulterblatt und Rabenbein sich zur Bildung
der Gelenkhöhle vereinigen, das hintere Ende erreicht das Ileon. Dort
liegt dann das Ellbogengelenk; die Vorderarmknochen erstrecken sich
wagerecht nach vorn und das Handgelenk, an der Schulterecke ge-
legen, beugt die Hand wieder nach hinten. Die Knochen der hinteren
Extremität biegen sich in entgegengesetzter Richtung zusammen.
Durch die Reduction der Handwurzel und der Hand ist das Skelett
des Flücrels vereinfacht.
744 Wirbelthiere.
Der Humertts (7i, Fig. 299) ist durch die bedeutende Ausbildung
seines Vorderendes besonders bemerkenswerth. Sein Gelenkkopf (a),
der im Schultergelenke spielt, wird auf seiner inneren Seite von einer
tiefen Rinne begrenzt, in welche sich der vordere Höcker des Schulter-
blattes einsenkt. Aussen springt eine Knochenleiste (&) vor, an welche
sich die Flügel musk ein ansetzen. Auf der nach unten gekrümmten,
ventralen Fläche öffnet sich ein grosses Loch zum Durchtritte des
Luftganges, der den Knochen der Länge nach durchzieht. Der Körper
des Knochens ist cylindrisch. Am unteren Ende befinden sich zwei
seitliche Gelenkköpfe , die in entsprechenden Höhlen der Vorderarm-
knochen spielen. Von diesen ist die Ulna (cb) der längere und
massivere; der Knochen ist länger als der Humerus. Er liegt, bei Zu-
sammenfaltung des Flügels, nach aussen, bei Streckung im Fluge nach
hinten vom Radius. Er ist leicht gekrümmt und auf seinem Aussen-
rande lassen sich Kerben beobachten, an welche die grossen Schwing-
federn sich ansetzen. Der Radius (r), kürzer und dünner als die
Ulna , ist mit ihr durch starke Sehnenbänder verbunden. Er bildet
einen geraden, an beiden Enden etwas verdickten Cylinder. DieHand-
wurzel ist auf zwei kleine, durch Sehnenbänder mit den Knochen des
Vorderarmes und der Mittelhand verbundene Knöchelchen reducirt.
In der Fortsetzung des Radius liegt das kleinere , etwas abgeplattete
Carpale radiale (er), das jederseits eine kleine Ausbuchtung zur
Einlenkung des Radius und das entsprechende Metacarpale trägt. Das
Carpale cuhitale (ce) lehnt sich an die Ulna, es ist etwas grösser
als das vorige und sehr unregelmässig gestaltet.
Die Mittelhandknochen sind zu einem einzigen Knochen
verschmolzen, in welchem man indess drei verschiedene Stücke er-
kennen kann. Das erste Metacarpale (ni^) bildet einen kurzen, mit dem
proximalen Ende des zweiten verschmolzenen Fortsatz, an welchen der
Daumen (p) eingelenkt ist, der nur aus einem Fingergliede besteht.
Das zweite Metacarpale (ni^), ein dicker, cylindrischer Knochen, ist
mit seinen verbreiterten Enden so mit dem dritten verschmolzen, dass
zwischen beiden eine längliche, mittlere Lücke bleibt. Das dritte , an
beiden Enden mit dem vorigen verschmolzene Metacarpale (ni^) ist
weit schmächtiger als das zweite. An das distale Ende der ver-
schmolzenen Knochen sind zwei Finger befestigt, ein rudimentärer,
aus einem Gliede bestehender und ein weit grösserer, der zwei Glieder
besitzt. Die Taube hat demnach drei Finger: den Daumen (p), dessen
einziges Glied die Form eines Keiles hat und der einen besonderen
Flügeltheil trägt, den Eckflügel {Ähila}] den Mittelfinger (dm), den
grössten, dessen erstes Glied fast viereckig ist mit hinterer scharfer
Leiste, während das Endglied (dm^) eine dreieckige Klinge bildet. Der
dritte Finger (de) ist nur rudimentär; sein einziges Glied passt in
einen Ausschnitt des ersten Gliedes des Mittelfingers.
Vögel. 745
Hintere Extremität. — Wie an der vorderen treffen wir
hier bedeutende Reductionen , die vorzugsweise den Tarsus und Meta-
tarsus beschlagen. Das Glied hat vier Zehen, drei vordere und eine
hintere.
Beckengürtel (Fig. 297). — Dieser Theil, der mit demKreuz-
beine in engster Weise verbunden ist, besteht jederseits aus drei
Stücken , die bei der erwachsenen Taube zu einem verbreiterten , nach
hinten convexen Schilde verschmolzen sind, an welchem man zwar
die Nähte nicht mehr wahrnehmen, aber doch die drei Stücke, Darm-,
Sitz- und Schambein noch zur Noth abgrenzen kann. Das Darm-
bein (il) ist ein langes, fast horizontal liegendes Knochenblatt, an
welchem man zwei Seitenränder, einen hinteren und einen vorderen
Rand unterscheiden kann. Der Vorderrand («) ist leicht ausgeschweift
und bedeckt zum Theil den letzten Rückenwirbel mit seiner falschen
Rippe. Der innere Rand bildet einen weit oflPenen, stumpfen Winkel,
dessen Spitze etwa in der Mitte liegt. Dieser Rand ist mit den Quer-
fortsätzen der Kreuzbeinwirbel eng verbunden. Der äussere Rand ist
leicht ausgeschweift und nimmt an der Bildung der Gelenkhöhle für
den Oberschenkel, sowie an derjenigen des Foramen sacro-iscMattcuni
Theil; er legt sich an den oberen Rand des Sitzbeines und seine hin-
tere Ecke verlängert sich in einen stumpfen Kegelfortsatz, das Epi-
ileon (ep). — Das Sitzbein (/s) ist eine fast vertical nach unten
gerichtete Lamelle, welche sich mit ihrem oberen Rande hinter dem
erwähnten Ausschnitte an das Darmbein anlegt. Der vorn sehr
schmächtige Knochen verlängert sich bis zur Gelenkhöhle und nimmt
mit seinem etwas ausgeschnittenen inneren Rande vorn an der Bil-
dung des Foramen oMuratorium Antheil. Nach hinten verläuft er in ein
langes, dreieckiges Blatt, das sich an das Schambein anlegt. So wird
zwischen dem ventralen Rande des Sitzbeines und dem Schambeine
eine Lücke offen gelassen , welche sich vorn zwischen dem Foramen
sacro-iscJiiaticum und der Gelenkhöhle zu einer ovalen Lücke, dem Fo-
ramen oUicratormm (to), erweitert. Das Schambein (jp) liegt in Ge-
stalt einer bogenförmig nach aussen gewölbten Knochenlamelle an der
inneren Fläche des Sitzbeines an, welches der Knochen nach hinten
etwa um einen Centimeter Länge überholt; nach vorn verschmilzt er
hinter dem Foramen ohturatorium mit dem Darm- und Sitzbeine. Die
hinteren Enden der Schambeine sind durchaus frei und nicht verbunden.
Aus dem Vorhergehenden ei-sehen wir, dass die drei Knochen auf
dem Grunde der grossen Gelenkhöhle, des Äcetabuliuu, in welchem der
Kopf des Femur spielt, einander begegnen. Man hat diese Gelenk-
höhle das F oramen ohturatorium (to) genannt, weil sie gänzlich
durchbrochen ist ; von oben wird sie dachförmig von einem Vorsprunge
des Sitzbeines überwölbt (t), welchen man die Eminentia anti-irochan-
terica (t) genannt hat.
746
Wirbelthiere.
Hinterglied. — Der Femur (/, Fig. 294; Ä, Fig. 300) ist
ein mächtiger, cylin drisch er, etwas nach aussen gekrümmter Knochen,
dessen oberer Gelenkkopf (t) eine dicke, nach innen vorspringende
Halbkugel bildet. Der Trochanter (tr) stellt sich als eine Knochen-
leiste mit schneidendem , freiem Rande dar. Zwei grosse , durch eine
tiefe Rinne getrennte Gelenkhöcker stehen am distalen Ende; der
äussere (a) ist mit der Fibula, der innere (c) mit der Tibia eingelenkt.
Der Unterschenkel wird fast gänzlich von der grossen geraden
Tibia (B, Fig. 300, t) gebildet, die weit länger ist als der Femur,
an beiden Enden angeschwollen ist und an ihrem .Obertheile vor-
springende Muskelleisten zeigt. Das untere Ende zeigt zwei seitliche,
durch eine Rinne getrennte Gelenkrollen. Die Fibula (p) scheint
Fig. 300.
Columba domesüca. — Skelett des linken Beines. Vorderansicht. Nat- Gr. A, Fe-
mur. tr, Trochanter; a, c, Gelenkrollen für Tibia und Fibula; t, Schenkelkopf zur
Einlenkung am Becken. B, Vorderbein, t, Tibia; p, Fibula; a, obere Gelenkgruben;
b, untere Gelenkrollen. C, Fuss. ta, Tarso'metatarsale ; o, Löcher und r, Rinnen,
welche die ursprüngliche Dreitheilung des Knochens zeigen ; d, Gelenkrollen für die
Zehen; de, Aussenzehe; dm, Mittelzehe; dl, Innenzehe; ff, Nägel; i, Zwischenstück
zwischen Tarso-metatarsale und Hinterzehe; pA. erste Fingerglieder.
nur ein dünner Anhang dieses Knochens zu sein; ihr oberes Ende
liegt an der Gelenkhöhle der Tibia an; das fein zugespitzte Ende ist
frei. Sie erreicht nur etwa fünf Sechstel der Länge der Tibia.
Die bei dem Embryo noch getrennten Knochen des Tarsus und
Metatarsus sind bei dem erwachsenen Thiere zu einer einzigen Säule,
Vögel.
747
dem Tarso-metatarsalknochen (fa, Fig. 300, C) verschmolzen. x\uf
der äusseren Fläche dieses, von vorn nach hinten etwas abgeplatteten
und an seinen Enden angeschwollenen Knochens kann man leicht sehen,
dass die Säule aus drei verschmolzenen Längsknochen zusammengesetzt
ist. In der That sieht man am proximalen Ende zwei Löcher (o), die
sich nach unten in zwei Rinnen (r) fortsetzen und so die Dreitheilung
anzeigen. An dem distalen Ende des Knochens wird diese Theilung
noch deutlicher, denn hier findet man drei tief getrennte Vor Sprünge,
deren jeder eine mit zwei Köpfen versehene, doppelte Gelenkrolle (d)
zur Einlenkung der Zehen trägt. Die Zehen zeigen eine ver-
schiedene Anzahl von Gliedern. Die hintere Zehe hat nur zwei Pha-
langen (g, ph) und ist durch ein kleines Zwischenstück (^) an den
Tarso-metatarsalknochen befestigt. Von den drei Vorderzehen hat die
innere {di) drei Phalangen; die mittlere, längste, vier und die äussere
Fie-. 301.
^ j:
r-P
Columba domesticu. — Kopfskelett im Profil. Anderthalb natürliche Grösse, i, Zwischen-
kiefer ; n, Nasenbein ; /, Thränenbein ; v, Vomer ; /, Stirnbein ; a l, Alisphenoideum ;
p, Scheitelbein; os, Occipitale superius ; s, Schuppenbein ; o/, Occipitale laterale;
ar, Articulare; c, Coronoideum ; a, Angulare ; s, Spleniale; d, Dentale; cu, Quadrat-
bein; pt, Flügelbein; qj\ Quadrato-jugale ; m, Oberkiefer.
fünf kurze Glieder, so dass sie im Ganzen doch kürzer ist als die
mittlei'e. Jedes Endglied trägt einen gekrümmten Nagel.
Kopfskelett (Fig. 301, 302). — Mit Ausnahme des sehr be-
weglichen Unterkiefers und einiger Gesichtsknochen, die nur eine be-
schränkte Biegsamkeit besitzen , sind alle übrigen Knochen des Ge-
sichts und des Schädels , die bei dem jungen Thiere noch getrennt
sind, bei dem erwachsenen zu einem festen Ganzen verschmolzen, das
etwa die Gestalt einer Birne hat, deren Stiel durch den Schnabel vor-
gestellt wird. Die Seitenflächen steigen senkrecht herab , sind aber
vorn durch die ungemein grossen Augenhöhlen unterbrochen , deren
Unterrand von dem langen, dünnen Knochenstabe des Quadrato-jugale
(qj) gebildet wird, welcher den Schädel mit dem Gesichte verbindet.
748
Wirbeltbiere.
Nach hinten findet sich auf der Unterfläche des Schädels das grosse,
vorn von dem einzigen Gelenkkopfe des Hinterhauptes begrenzte
Hinterhauptsloch. Der Schädel zeigt zwei Eigenthümlichkeiten, welche
ihn von demjenigen der Reptilien iinterscheiden lassen. Zuvörderst
die geringe Dicke der zu einer, meist durchscheinenden Kapsel ver-
schmolzenen Knochen und sodann die bedeutende Grösse der Schädel-
höhle, welche von dem Gehirn gänzlich ausgefüllt wird.
Der eigentliche Schädel wird aus folgenden Stücken zu-
sammengesetzt. Der grösste dieser Knochen, das Stirnbein (/),
Fig. 302.
tritt auf der Rückenseite des Schä-
dels hervor, vorn mit dem Nasen-
beine, hinten mit dem Scheitelbeine
verschmolzen; ebenso ist es mit
dem Stirnbeine der anderen Seite
in der Mittellinie vereinigt. Es
bildet den grösstenTheil des Schädel-
daches; mit seinem äusseren schar-
fen Rande begrenzt es von oben
her die Augenhöhle. Nach vorn
sehr verschmälert, breitet es sich
nach hinten aus und tritt auf die
Seitenflächen des Schädels über.
Hinter ihm bildet das blattartige,
viereckige , ebenfalls in der Mittel-
linie verschmolzene Scheitelbein
(p) einen Theil des Schädeldaches;
es stösst nach hinten unmittelbar
an das obere Hinterhauptsbein und
seitlich an die Schuppenbeine
(s). Diese ziemlich mächtigen, unter
dem Stirnbeine gelegenen Knochen
bilden den Hinterrand der Augen-
höhle und einen Theil der seitlichen
Cohmha domestlca. — Kopfskelett von Schädelwand; ihr Hinterrand stösst
an die seitlichen Hinterhauptsbeine
(oV) und nach vorn bilden sie je
einen Fortsatz zur Einlenkung an
das Quadratbein (ca). Die Seiten-
stücke des Schädels werden auf
der Unterfläche durch die Hinter-
hauptsbeine verbunden. Das obere
Hinterhauptsbein (os) ist un-
paar; es stösst vorn an die Scheitelbeine und begrenzt den Schädel
nach hinten, wo es das grosse Hinterhauptsloch von oben her in Gestalt
unten. Anderthalbmal vergrössert. t,
Zwischenkiefer ; n, Nasenbein ; 7n, Ober-
kiefer; pa, Gaumenbein; /, Thränenbein ;
/, Stirnbein; pt, Flügelbein; qj, Qua-
drato-jugale ; al, Ali-sphenoideum; ca,
Quadratbein; s, Schuppenbein; ol, Occi-
pitale laterale; os, Occipitale sixperius ;
<o, Hinterhauptsloch ; 06, Occipitale basi-
lare; s^j, Keilbein.
Vögel. 749
eines V umgreift. Die seitlichen Hinterhauptsbeine (ol) liegen
unter den Schuppenbeinen und sind mit dem Felsenbeine verschmolzen;
sie bilden die Seiten des Hinterhauptsloches und mit den Felsen-
und Schuppenbeinen zusammen die Kapsel für das innere Ohr, das
knöcherne Labyrinth, Das Grundbein (oh) liegt als unpaares, etwas
in die Länge gezogenes Stück vor dem Hinterhauptsloche ; es wird
hinten von den seitlichen Hinterhauptsbeinen, vorn von dem Keilbeine
begrenzt und trägt an seinem hinteren Rande den mächtigen Gelenk-
höcker, der in der entsprechenden Grube des Atlas spielt. Vor ihm
liegt das grosse, unpaare Keilbein (sjj), das nach hinten in zwei
seitliche Flügel sich ausbreitet und an dessen Seitenränder sich vorn
die Flügel- und Gaumenbeine anlegen.
Die Augenhöhlen werden von dem Stirnbeine, dem Äli-sphenoi-
detini, dem Vomer und dem Lacrymale begrenzt. Das AI i-sphe •
noideum (al) ist ein senkrechtes, quer zur Körperaxe gestelltes
Blatt, welches die Vorderwand der Schädelhöhle und zugleich die
Hinterwand der Augenhöhle bildet. Nach unten stösst es an das
Quadratbein und das Keilbein, nach aussen an das Schuppenbein, nach
oben an das Stirnbein. Der Vomer {v) bildet den vorderen Theil der
senkrechten Längsscheidewand, welche beide Augenhöhlen von ein-
ander trennt; auch verbreitert er sich etwas, um mit dem Thränen-
bein in Verbindung zu treten und ebenso nach oben, wo er den Vorder-
theil des Stirnbeines stützt; der Knochen liegt dem Gaumenbeine auf
und wird nach hinten vom Keilbeine begrenzt. Das kleine, etwas ver-
längerte Thränenbein (l) bildet den Vorderrand der Augenhöhle,
indem es sich unten mit dem Jochbeine, oben mit dem Stirnbeine und
dem Nasenbeine verbindet. Dieses letztere {n) hat eine ziemlich
complicirte Form; es läuft nach vorn in zwei aus einander weichende
Spitzen aus , welche die Nasenwurzel umfassen. Es bildet die Basis
des Schnabels und einen vorderen Stirnhöcker. Sein unpaarer hin-
terer Abschnitt verschmilzt mit dem Stirnbeine ; nach vorn sendet es
auf der Unterfläche zwei lange, spitze, aus einander weichende Dornen
aus, welche in ihrem Ausschnitte das Hinterende des Zwischenkiefers
aufnehmen, während der untere Ast auf dem Oberkiefer aufruht.
Die Knochen des Gesichtsschädels bilden, wie bei den Rep-
tilien, mehrere Bogen, von welchen indessen nur einer, der Unterkiefer-
bogen, die Nahrungswege umfasst, während die beiden anderen in
dem Dache der Mundhöhle an die Unterfläche des Hirnschädels sich
anlehnen.
Die Spitze des von drei oder auch, wie man will, von fünf
Knochen gebildeten Oberkieferbogens wird von der Hornscheide
des Schnabels eingehüllt, dessen Ende ziemlich hart ist.
Der unpaare Zwischenkiefer (^), der durch Verschmelzung zweier
symmetrischer Hälften entstanden und vorn etwas nach unten gebogen
750 Wirbelthiere.
ist, stützt das Ende des Schnabels. Nach hinten legen sich an ihn
die sehr langen, dünnen Oberkiefer {m) an, welche mit ihm und
den Gaumenbeinen das Dach der Mundhöhle bilden. Nach hinten ver-
längert sich der stabförmige Oberkiefer in eine feine Spitze, welche
sich so an das dünne und gebrechliche Quadrato-jugale (qj) an-
legt, dass dieser den Unterrand der Augenhöhle bildende Knochen
nur seine Fortsetzung zu sein scheint. Mit seinem hinteren Ende
stösst dieser Knochen an das Quadratbein.
Gaum enflügelbogen. — Das paarige Gaumenbein (pa),
ein langes Knochenstückchen, lässt zwei Theile unterscheiden, einen
äusserst dünnen vorderen, welcher sich an den Innenrand des Ober-
kiefers anlegt, und ein breiteres, hinteres Blatt, das mit dem Flügel-
und Keilbeine in Verbindung tritt. Das Flügelbein {p/) ist ein
kleines , schief in die Quere gerichtetes , horizontales Knochenstück,
dessen vorderes Ende in der Nähe der Mittellinie sich mit dem Gaumen-
beine und dem Keilbeine verbindet, während das hintere Ende an
den Vorderrand des Quadratbeines anstösst.
Der Unterkieferbogen stimmt in den Grundzügen seiner Bil-
dung mit demjenigen der Eidechsen überein. Wie bei diesen, ist er
am Schädel durch ein bewegliches Quadratbein angeheftet, welches
durch seine Verbindungen mit dem Oberkiefer und dem Flügelbeine
einigen Einfluss auf die freilich sehr beschränkten Bewegungen dieser
beiden Bogen ausübt. Das Quadratbein (ca) bildet allein das Auf-
hängegerüst des Unterkiefers; es liegt vor dem vorderen Unterrande
des Schuppenbeines und zeigt einen viereckigen Mitteltheil , dessen
Winkel etwas ausgezogen sind. Der obere und vordere Fortsatz, der
längste von allen, ragt frei auf dem Boden der Augenhöhle vor; der
obere und hintere Fortsatz trägt die Gelenkrolle, auf welcher der Unter-
kiefer sich bewegt ; an den Aussenrand des hinteren , unteren Fort-
satzes legt sich das Quadrato-jugale an. Die durch Bandmasse vorn
verbundenen Hälften des U nterkie fers bestehen je aus fünf Stücken ;
das hinterste ist das kleine Ar ticul are (ar), welches an das Quadrat-
bein eingelenkt ist; unter ihm bildet das Angulare (an) den hin-
teren Winkel des Kiefers ; es ist etwas gebogen und legt sich mit
seinem hinteren Ende an die Innenfläche des Articulare an. Vor und
über ihm erstreckt sich das Coronoideum (c) oder Supra- angulare,
welches den oberen Kand der hinteren Hälfte des Unterkiefers bildet.
Zwischen beide genannte Knochen drängt sich ein dünner Knochen-
splitter, das Spleniale (s). Die vordere Hälfte des knöchernen Schnabels
wird von dem langen und dünnen Dentale (d) gebildet, das sehr früh
mit demjenigen der anderen Seiten verschmilzt und gänzlich von der
Hornscheide des Unterschnabels eingehüllt wird.
Das Zungenbein besteht aus einem gegliederten Mittelstücke
und zwei Paaren langer, dünner Bogen, die sich um das Hinterhaupt
Vögel. 751
herum krümmen und deren jeder aus zwei Stücken besteht, einem
oberen Epibranchiale, das in eine feine Spitze ausläuft, und einem stab-
förmigen Ceratobranchiale , das die Verbindung mit dem Mittelkörper
herstellt. Der Zungenbeinkörper, aus zwei auf einander folgenden,
den Bogen entsprechenden Stücken (BasibrancMalia) gebildet, liegt
auf dem Boden der Rachenhöhle in der Mittellinie und setzt sich nach
vorn in die Zungenwurzel durch zwei dünne Knöchelchen fort, welche
das Entogiossum bilden. Der ganze Apparat zeigt sich, im Vergleich
zu demjenigen der Reptilien, namentlich in den Bildungen der Bogen
oder Hörner sehr rediicirt.
Muskelsystem (Fig. 303 a. f. S., 304). — Wir können dieses
System nur summarisch behandeln, obgleich es in Folge der Anpassung
an den Flug und die Stellung auf zwei Beinen den Reptilien gegen-
über sehr bedeutende Modilicationen zeigt.
Der Hautmuskel (31. c ii cull CDiu s) wird von einer sehr
dünnen Muskelausbreitung gebildet, deren Fasern sich unmittelbar an
die innere Fläche der Haut, des Halses und des Vordertbeiles der Brust
anheften. Man kann zwei Abtheilungen unterscheiden: die vordere
(j9, Fig. 304), die sich von oben nach unten ausdehnt, den Nacken ein-
hüllt und mit ihrem dünnen Ende sich an den Hinterrand der Augen-
höhle ansetzt, und die hintere, die wir nicht zeichnen konnten, welche
die vordere Hälfte des Halses umgiebt, vorn mehr musculös ist, dann
aber in eine dünne sehnige Haut übergeht.
Muskeln des Stammes. — Der J/. longissimus clorsi (Id)
bildet zu beiden Seiten der Wirbelsäule einen mächtigen Muskel mit
quer gerichteten Fasern. Sein vorderes , kleineres Bündel heftet sich
oben an die Dornfortsätze der ersten Rückenwirbel und unten an das
Ende des Humerus ; das hintere Bündel erstreckt sich bis zu dem
Becken , setzt sich ebenfalls an den Humerus an und wird in seinem
vorderen Theile von dem M. dorso-liumeralis (dh) bedeckt, der sich in
gleicher Weise , nur oberflächlicher , an die Dornfortsätze der Wirbel
und den Humerus ansetzt. Der M. elevator coccygis (cc) erstreckt sich
an der Schwanzwurzel zwischen dem Hinterrande des Darmbeines und
den Schwanzwirbeln. Die tieferen Steissmuskeln, die wir in der Zeich-
nung nicht darstellen konnten , haben auf der seitlichen und der ven-
tralen Fläche dieselben Insertionspunkte, wie der Heber des Steisses. —
Auf den Seiten des Körpers bildet der obere Heber der Rippen
(Icp) eine breite, den hinteren Rippen aufliegende Masse, deren quere
Fasern einerseits sich an die Hakenfortsätze der Rippen, anderseits an
die Wirbelsäule festsetzen; der Muskel bedeckt die Intercostal-
muskeln (it), welche zwei Gruppen bilden, indem die eine sich an
das proximale Ende der Rippe und den Hakenfortsatz , die andere an
diesen und die Bauchfläche sich ansetzen. Endlich breitet sich nach
752
Wirbelthiere.
Fis:, 303.
Vögel. 753
der Höhe der Hakenfortsätze ein dünnes Muskelblatt, der M. ohJiquus
externus (oh), bis gegen die Mitte der ventralen Fläche des Bauches
aus , wo er in eine dünne , durchsichtige Sehnenplatte übergeht , die
sich an den Kamm des Brustbeines ansetzt. Der M. ischio-coccy -
gens (ir) ist ein tieferer, auf den Seiten des Steisses verlaufender
Längsmuskel, dessen vorderes Ende sich an das Darmbein heftet, wäh-
rend das hintere mit einer Sehne etwa in der Mitte der ventralen
Fläche des Steisses sich inserirt. Der quere Aftermnskel (tra)
liegt unmittelbar unter der Haut; er bildet ein Muskelband, das oben
an dem Hinterrande des Darmbeines angeheftet ist und sich an die
Seiten der Afterspalte begiebt. Er bedeckt zum Theil den M. piihi-
coccy getis ipe), der auf der Seite des Steisses sich einerseits an das
Schambein , anderseits an die vorderen Schwanzwirbel ansetzt ; unter
ihm findet sich der Niederzieher des Steisses {ac) in Gestalt
einer mächtigen Muskelmasse, die sich seitlich und hinter dem After
vom Schambeine zur Ventralfläche der Schwanzwirbel begiebt.
Folgende Muskeln sieht man nur nach Wegnahme der oberfläch-
lichen Schicht. Unter dem M. ohliqtms externus liegt deril/. ohUqnus
internus , der von der letzten Rippe aus mit breiter Basis sich an
das Schambein setzt. Nach vorn liegen drei Paare von Hebe-
muskeln der Rippen, die von den vorderen Rippen zu den letzten
Halswirbeln verlaufen.
Unmittelbar an der Haut der Brust liegt der überaus mächtige
Brustmuskel (pc), welcher allein fast den ganzen Raum zwischen
dem Kamme und dem Schilde des Brustbeines einnimmt. Yon vorn
gesehen, hat er die Form eines Dreieckes, dessen eine Seite am Rande
des Brustbeinkammes verläuft, während die vordere dem Schlüsselbeine
entlang zieht , bis die Fasern sich am Vorderrande des Humerus an-
setzen. Ein kleines kurzes, fast viereckiges Muskelbündel, der Haut-
Fig. 303. — Columha domestica. — Die Musculatur im Profil. Drei Viertel der natürlichen
Grösse, p, M. cucullanus, vorderer Theil ; te, M. masseter; g, M. genio-hyoideus ; rep,
M. rectus posterior; rem, M. rectus medius; co, M. complexus ; Ip, M. longus colli
posterior; scp, M. spino-cervicalis ; Ic, M. lateralis colli; Ipc, M. longus colli poste-
rius, hinterer Theil; da, M. deltoideus anterior; Id, M. longissimus dorsi; de, M.
deltoideus posterior; Icp, M. levator costarum posterior; il, M. iutercostalis ; c, M.
sartorius ; il, M. ilio - trochantericus posterior; i/t, M. ilio- tibialis ; ec, M. levator
coccygis ; er, Steissdrüse ; pe, M. pubi-coecygeus ; tra, M. transversus analis ; ir, M.
ischio-coccygeus; d, M. flexor ischiij tr, M. transversus; b, M. biceps femoralis ;
fj a, M. gastrocnemius ; Ipr, M. peroneus longus; p, M. peroneus ; ta, M. tibialis;
ob, M. obliquus externus; pc, M. pectoralis ; ex, M. extensor digiti medii; i, M.
flexor digitorum; int, M. interosseus ; oi, M. abductor digiti medii; ap, M. adductor
pollicis ; ep, M. abductor poUicis ; pr, M. pronator superficialis ; r d, M. radialis ;
b r, M, brachialis; ea, M. tensor patagii bicipitis ; bi, M. biceps; Ic, M. lateralis
colli; if, M. flexor colli longus; t, M. tracheo-laryngeus ; rca, M. rectus anterior;
m, M. mylo-cutaneus ; mp, M. mylo-hyoideus , hinterer Theil; ma, vorderer Theil
desselben ; g, M. genio-hyoideus, vorderer Theil.
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 4g
754 Wirbelthiere,
brüst muskel (pp), zweigt sich ab auf der vorderen Fläche und
setzt sich an die Haut an. Auf den Brustmuskel folgt nach hinten
eine dicke Muskelplatte, der M. transversus {tr), der die Bauch-
wand zwischen Brustbein und Becken bildet und auf seiner dorsalen
Fläche unmittelbar von dem Peritoneum ausgekleidet wird. Nach
oben und hinten setzt sich der Muskel an das Schambein an, während
er ventralwärts sehnig wird und mit der Sehnenausbreitung der anderen
Seite in der Mittellinie verschmilzt. Der After wird von einem ring-
förmigen, dünnen Sphincter (sa) umschlossen. Nach Abhebung
des Brustmuskels findet man den tiefen kleinen Brustmuskel in
Form einer länglichen , an der ganzen unteren Fläche des Brustbein-
schildes angehefteten Masse, die von einem Sehnenblatte der Länge
nach durchsetzt wird. Der Muskel setzt sich mit seinem vorderen,
cylindrischen Ende an den oberen Höcker der Leiste des Humerus.
Halsmuskeln. — Längs der dorsalen Mittellinie erstreckt sich
der dünne, theilweise sehnige M.longus colli (Ip), der vorn sich
an das Hinterhaupt, nach hinten an alle Halswirbel und die ersten
Brustwirbel festsetzt; er hebt den Kopf und den Hals ; unter ihm liegt
der breitere 31. complexus (co), der dem vorderen Theile des Halses
entlang vorn sich an das äussere Hinterhauptsbein, hinten an den
fünften Halswirbel ansetzt; ihm folgt der M. spino-cervicalis
(scp), ein langes Bündel, das die Hals- und Rückenwirbel bedeckt und
bis zu dem Becken sich ausdehnt. Die Seitenflächen des Halses werden
zwischen dem Hinterhaupte und den beiden ersten Halswirbeln von dem
M. rectus colli posterior (rcp), dem M. rectus medius (rem),
mit denselben Ansätzen auf der ventralen Seite der "Wirbel, und end-
lich von dem M. lateralis colli (Ic), einem der Länge nach in zwei
Bündel getrennten Muskel gebildet, welcher den Wirbeln entsprechende,
quere Sehnenbänder (inscriptiones tendineae) zeigt und von den vor-
dersten Wirbeln zu den ersten Rippen sich erstreckt. Auf der ven-
tralen Halsfläche tritt längs der Mittellinie zwischen dem dritten und
vierten Halswirbel und den mittleren Rückenwirbeln der M. flexor
colli long US (Jf) besonders hervor. Vorn wird er von dem M. rec-
tus colli anterior (rca) bedeckt, der sich einerseits an die Hinter-
hauptsbasis, anderseits an die ventrale Fläche der ersten Halswirbel
ansetzt. Von den eigentlichen Halsmuskeln durchaus selbständig
sind zwei lange Muskelstreifen, M. laryngo-tracheales (t), welche
von dem Kehlkopfe aus längs der Luftröhre verlaufen, an diese durch
Bindegewebebrücken geheftet sind und über den Kopf hinaus sich er-
strecken, um ihre Fasern mit denen des Hautmuskels zu vermischen.
Kopfmuskeln. — Der M. genio-liyoideus (g) , welcher die
Seitenflächen des Schädels überdeckt, hat eine sehr verwickelte Struc-
tur. In der Höhe des Zungenbeinbogens theilt er sich in drei Bündel.
Vögel. 755
Das vordere Bündel {g,Fig. 303) schlüpft unter dem myJo-hyoideus
durch und setzt sich etwa in der Mitte des entsprechenden Oberkiefers
an dessen Innenfläche; das mittlere Bündel {g'^) heftet sich an die
Zungenwurzel und das hintere Bündel {g^) verschmilzt mit dem
der entgegengesetzten Seite und heftet sich durch Bindegewebe an den
vorderen mylo-liyoideus. Der Schläfen- oder K a u m u s k e 1 (f e) bildet
eine dicke, hinter der Ohröffnung gelegene Masse; er steigt seitlich
herab und setzt sich an den Unterkiefer. Auf der Ventralfläche des
Kopfes findet sich der dreieckige M. mylo-hyoideus, der mit seinen
queren Fasern die Kehle zwischen den Aesten des Unterkiefers aus-
füllt und noch hinter demselben ein breites Bündel {)np) zu den Seiten
des Kopfes hinaufschickt; nach vorn, gegen die Symphyse hin, wird er
sehnig. Der M. mylo-cutaueits (ni) ist ein schmales Muskelband,
welches mit schiefen Fasern im Niveau des dritten Wirbels von der
Haut und dem Cucullanus abgeht, über dem myJo-hyoideus nach vorn
verläuft und mit dem gegenständigen Muskel den Raum an der Sym-
physe des Unterkiefers ausfüllt. Hinter ihm liegt der M. stylo-
hyoideus, der den Zungenbeinkörper an den Unterkiefer heftet-
An den Seiten des Kehlkopfes finden sich drei Muskelpaare, M. lin-
guales inferiores. Der hinterste, dünnste und längste dieser
Muskel erstreckt sich vom Unterkiefer zum Hinterrande der Kehl-
kopfspalte, wo er mit dem gegenständigen Muskel verschmilzt; der
zweite erstreckt sich vom Hinterrande der Kehlkopfspalte bis zur
Wurzel der Zungenbeinbogen ; der vordere geht von der Vorderecke
der Kehlkopfspalte zu der Symphyse des Unterkiefers. Der 31. f racheo-
hyoideus erstreckt sich, hart der Luftröhre anliegend, von der Wurzel
der Zungenbeinbogen in gerader Linie nach hinten und folgt der Luft-
röhre etwa im ersten Drittel ihrer Länge.
Die Muskeln desVordergliedes lassen sich in drei Gruppen
betrachten; die einen verlaufen zwischen Schultergürtel und Oberarm,
die anderen von diesem zum Vorderarm , die dritten vom Vorderarm
zur Hand. Wir werden die hauptsächlichsten dieser Muskeln ihrer
schichtweisen Lagerung nach aufzählen.
Der lange, rundliche üf. costo-scapiilaris setzt sich mit seinem
verdünnten Vorderende an die vordere Ecke des Schulterblattes, mit
seinen hinteren Bündeln an die ersten Rippen, über dem Abgange des
Hakenfortsatzes. Der M. cor aco-hr achialis verläuft am äusseren
Rande des Rabenbeines, an dessen vorderes Ende , sowie an die Leiste
des Hnmerus sich seine sehnigen Endbündel ansetzen. An der äusseren
oder dorsalen Fläche des Flügels verläuft, am Oberarme (Fig. 303)
der M. hiceps (bi), ein mächtiger, fast dreieckiger, die Flügelseiten
und den Vorderrand einnehmender Muskel, der sich mit breiten Bün-
deln oben und hinten an das Rabenbein, vorn mit starken Sehnen an
die proximalen Enden der Vorderarmknochen ansetzt. Von ihm zweigt
48*
756
Wirbelthiere.
Fig. 304.
Vögel. 757
sich ein platter Muskel, 31. tensor patagii bi c ip itis (ca) ab, der
sich an die Haut des Flügels und mit einer Sehne an den Daumen
festsetzt; dieselben Ansätze hat der vom Brustmuskel abgehende
M. tensor patagii pectoralis (?^j, Fig. 304); man nennt beide auch
die Flügelhautmuskeln, 31. pr opatag ial es. Hinter dem Biceps
verläuft, längs dem Hinterrande des Humerus, der M. deltoideus
anterior {da, Fig. 303), der sich mit dünneren, sehnigen Enden
einerseits an das Schulterblatt, anderseits an die Leiste des Humerus
ansetzt. Ihm parallel läuft der ähnlich gestaltete M. deltoideus
posterior {de), der einerseits an das Schulterblatt, anderseits an den
Hinterrand des Humerus sich ansetzt und den hinteren Rand des
Oberarmes bildet. Auf der Ventralseite (Fig. 303) verläuft der mäch-
tige M. extensor hrachii {eh) vom Hinterrande des Oberarmes
zum proximalen Ende der Ulna.
Am äusseren oder oberen Rande des Flügels verläuft der be-
deutende M. extensor longus metacarpi {hr, Fig. 303), der sich
einerseits an das Oberarmbein, anderseits mit einer langen Sehne an
das proximale Ende des Metacarpus ansetzt. Hinter ihm liegt der
M. radialis {rd) mit distalem Ansätze an den ersten Metacarpal-
knochen und theilweise den 31. pronator superficialis {pr) be-
deckend, der als langes Bündel dem Radius entlang verläuft und sich
an diesen, sowie an den Humerus ansetzt. Der 31. extensor digiti
medii {ex) ist sehr lang, an beiden Enden verdünnt; er setzt sich
einerseits an den Humerus, anderseits mit einer langen Sehne an den
Mittelfinger. Auf der inneren, unteren Seite des Flügels (Fig. 304)
finden wir den 31. pronator profundus {pp), der den Radius ent-
lang zu dessen distalem Ende verläuft, den dreieckigen 31. cubito-
carpalis profundus {cp), der die Ulna mit dem Handgelenke ver-
bindet, den in den Ansätzen entsprechenden, aber auf der Innenseite
der Ulna gelegenen 31, cuhito-carpalis superficialis {cm), den
Fig. 304. — Columha domestica. — Die Musculatur, ventrale Ansicht. Drei Viertel
der natürlichen Grösse, m, M. mylo-cutaneus ; g^, M. genio-hyoideus, vorderer Theil ;
g^, derselbe, mittlerer Theil; g^, hinterer Theil; s, M. stylo-hyoideus ; m, M. mylo-
hyoideus; Ic, M. lateralis colli; If, M. flexor colli longus; pp, M. pectoro-cutaneus;
p c, M. pectoralis ; tp, M. tensor patagii pectoralis ; e u, M. tensor patagii bicipitis ;
b, M. biceps brachii ; br, M. brachialis; pp, M. pronator profundus; cp, M. eubito-
carpalis profundus; ep, M. abductor pollicis ; ap, M. adductor polUcis ; ao, M. ad-
ductor digiti medii; ai, M. abductor digiti medii; fd, M. flexor digiti tertii ; i, M.
flexor digitorum.; cm, M. cubito-carpalis superficialis;/«, M. cubitalis ; fc, M. flexor
digitorum, proximaler Theil; eb, M. extensor brachii; ob, M. obliquus externus ;
c, M. sartorius; ft, M, femoro-tibialis ; ta, M. tibialis ; ga, M. gastrocnemius ; ilt,
M. ileo-tibialis ; sm, M. semi-membranosus ; st, ^I. semi-tendinosus; pit, M. pubi-
ischio femoralis ; ira, M. analis transversus ; pe, M. pubi-coccygeus ; ac, M. flexor
coccygis; sa, M. sphincter ani; tr, M. transversus; rem, M. rectus medius ; rea,
M. rectus anterior; mp , M. mylo-hyoideus , hinterer Theil; ma, vorderer Theil
dessellien.
758 Wirbelthiere.
langen, an beiden Enden sehnigen BI. cuhitalis (fs), der von dem
inneren Höcker des Humerus zu der Handwurzel verläuft, und endlich
den M.flexor digitorum (fc), der am äusseren Rande des Vorder-
armes verläuft, vom Humerus entspringt und sich am Mittelfinger
ansetzt.
An den Rändern des Handskelettes finden wir folgende, von beiden
Seiten her sichtbare Muskeln und zwar: am äusseren Rande (Fig. 303)
den M. abductor pollicis (ejj), zwischen dem ersten Metacarpale und
dem oberen Rande des Daumens; den M. adductor poJlicis (öj;),
der über dem Knochen zwischen dem zweiten Carpale und dem Daumen
verläuft; den ili. abductor digiti medii (cd), welcher einerseits
sich an den oberen Rand des zweiten Metacarpale, anderseits an die
Basis des ersten Gliedes des Mittelfingers ansetzt; am Hinterrande
sieht man den dicken M. fl e x o r digitorum hrevisii), der vom
distalen Ende der Ulna zum zweiten Metacarpale geht. Auf der
Aussenfläche der Hand (Fig. 303) findet sich: der 31. interosseus
(i)it), das zweite Metacarcapale bedeckend; auf der Innenfläche (Fig. 303)
der M. adductor digiti medii (ao), am unteren Rande des ersten
Gliedes des zweiten Fingers; der M. flexor digiti tertii (fd), ein
dünner, mit dem Fingerbeuger (fc) in Verbindung stehender Muskel.
Hintere Extremität. Schenkelmuskeln. — Zwei Mm.
ilio-trochanterici (Fig. 303) verbinden den Schenkel mit dem Becken.
Der hintere (il) ist eine mächtige, unmittelbar unter der Haut ge-
legene Muskelmasse , die schief von dem letzten Rückenwirbel zu dem
Trochanter läuft und in eine Längsrinne des Darmbeines eingesenkt
ist; er bedeckt den vorderen Muskel, der in breiter Ausdehnung an dem
Rande des Darmbeines sich ansetzt. Auf der Aussenseite des Schenkels
verlaufen ebenfalls zwei Muskeln. Der 21. sartorius (c) bildet den
Vorderrand des Schenkels zwischen dem Aussenrande des Darmbeines
und der Aussenseite des Knies. Der M. ilio-tibialis (?7f) liegt als breiter
Muskel hinter dem Schneidermuskel; mit seinem oberen Rande berührt
er den Schenkelkoj)f und setzt sich an den Rand des Darmbeines, er
steigt dann , dünner werdend, an dem Schenkel hinab und setzt sich
mit einer Sehne an den Kopf der Tibia. Der Hinterrand des Schenkels
wird von dem zwischen Sitzbein und Tibia verlaufenden M.flexor
iscliiaticus (d) und weiter gegen den Knochen zu von dem paralle-
len, zwischen Sitzbein und Fibula verlaufenden M. hiceps femoris
(pu) gebildet. Die Innenfläche des Schenkels (Fig. 304) lässt noch
am Rande den M. sartorius und ili. iJeo-tibialis gewahren; hinter ihnen
verläuft der an seinem oberen Ansätze an Darm- und Schambein sehr
hvexie M. puho-i sclii 0- fem oralis (pu), der nach unten schmäler
wird und sich an das distale Ende des Femur ansetzt, sodann der
M. femoro-tihialis (ft), dessen Sehne über das Knie hinläuft und
sich am Kopfe der Tibia ansetzt. Der 31. semi-m emhr anosus (sm)
Vögel.
759
bildet mit dem 31. semitendinosus (st) den Hinterrand des Schenkels;
beide entspringen am Rande des Darmbeines und setzen sich der erste
an die Tibia , der zweite an den Femur. Die Aussenfläche des Beines
(Fig. 303) wird von dem Ulf. tihialis (ta) eingenommen, der sich oben
an das proximale Ende der Tibia ansetzt und eine lange Sehne bildet,
welche sich für die einzelnen Finger spaltet ; ihm folgt der M. per o-
neus long HS, der die Seitenfläche des Beines bedeckt, oben breit an
der Tibia entspringt, dann aber mit einer langen Sehne auf der Sohlen-
fläche des Fusses sich zu den Fingern begiebt. Zwischen dem ge-
nannten sieht man einen Theil des M. peroneus (p) , welcher der
Fibula entlang läuft. Ganz nach hinten liegt der dicke, spindelförmige
M. gastr ocnemius (gci), der am Femur entspringt und nach unten
in eine dicke, der Achillessehne ähnliche Sehne übergeht, welche sich
an den Tarso-metatarsalknochen ansetzt.
Nervensystem. — Zwei schon bei den Reptilien angelegte Bil-
dungen vervollständigen sich bei denYögeln: einerseits die vollständige
Ausfüllung der Schädel-
höhle durch das Ge-
hirn und anderseits die
Nacken beuge des ver-
längerten Markes , in
deren Folge Hirn und
Rückenmark nicht mehr
in derselben Flucht lie-
gen, sondern einen Win-
kel bilden.
Das in dem Wirbel-
canale eingeschlossene
Rückenmark zeigt,
den beiden Glieder-
paaren entsprechend,
zwei etwa einen Centi-
meter lange Anschwel-
lungen ; der vordere
Halswulst liefert die
Nerven des Armgeflech-
tes , der hintere Len-
denwulst diejenigen
des Beingeflechtes. Das
Rückenmark erscheint
in diesen Anschwellungen etwas abgeplattet ; die Rückendecken des
Centralcanales , der eine vertical gestellte , eiförmige Spalte darstellt,
verdünnen sich und weichen sogar an dem Lendenwulst aus einander,
so dass sie eine der Rautengrube ähnliche, in den Centralcanal füh-
a;
Columhu domesüca. — Querdurchschiiitt des Rücken-
markes im Niveau der dorsalen Wurzel eines Nei'ven-
paares. Verick, Oc. 3, Obj. 2. Camera clara. a,
einwärts springende Falten der Hüllmembranen ; 6, dor-
sale graue Hörner; c, ventrale Hörner; d, Central-
canal ; e, weisse Seitenstränge ; /, dorsaler Strang ;
y, ventraler Strang ; //, Hüllmembranen ; i, dorsale
Wurzel eines Nervenpaares.
760
Wirbelthiere.
rende, offene Lücke darstellen, welche die Lendengrube genannt
wird. Abgesehen von diesen beiden Verbreiterungen ist das Rücken-
mark cylindrisch, verdünnt sich aber allmählich nach hinten zu
einem feinen Faden, der an dem Steissbeine endet.
Ausser der Nervensubstanz spielt in der histologischen Zusammen-
setzung des Rückenmarkes noch eine Art von Bindegewebe eine
wesentliche Rolle, die als ein Maschennetz von Neuroglie gewisser-
maassen das Gerüst des Rückenmarkes darstellt und besonders in der
grauen Substanz sich anhäuft, wo die Zellen in den Maschen dieses
Netzes liegen. Von den Hüllhäuten ausgehende feine Lamellen
(a, Fig. 305 a. v. S.) dringen mehr oder minder tief von der Peripherie
her convergirend gegen den Centralcanal in das Mark ein. Die aus
Zellen und Fasern zusammengesetzte Nervensubstanz vertheilt sich in
der Weise, dass die Zellen sich vorzugsweise in der Umgebung des
Centralcanales anhäufen und mit Fasern untermischt, vier kreuzförmig
Fig. 306.
Columha doniestica. — Ursprünge eines Riickenmarknervens aus der Halsgegend ;
zwölfFache Vergrösserung. A, von der Seite ; B, dorsale, C, ventrale Ansicht, a, dor-
sale Wurzeln ; b, ventrale Wurzeln ; c, Ganglion ; d, dorsaler Ast des Nervens ; e, An-
satz eines Zweiges vom Sympathicus ; f, vei'breiterter Ansatz eines anderen Zweiges
vom Sympathicus ; g, ventraler Ast des Riickenmarknervens ; h, Umriss des Rücken-
markes.
gegen die Peripherie hin ausstrahlende Massen , die H ö r n e r, bilden ;
die dorsalen Hörner (b) entsenden die sensiblen Wurzeln, die
ventralen Hörner (c) die motorischen Wurzeln der Rückenmarks-
nei'ven. Auf einem Querschnitte des Markes (Fig. 305) bildet die
graue Zellensubstanz ein liegendes Kreuz mit dem Centralcanale als
Mittelpunkt. Zwischen den Schenkeln dieses Kreuzes finden sich
Stränge von weisser, nur aus Fasern und Neuroglie gebildeter Sub-
stanz. Man unterscheidet zwei Seitenstränge (e) , einen dorsalen (/)
und einen ventralen Strang (g) , deren jeder durch einen Längsspalt
Vögel.
761
in zwei Hälften getrennt ist. Zahlreiche Blutgefässe verzweigen sich
in der Nervensubstanz.
Auf beiden Seiten des Markes entspringen die Rückenmarksnerveu,
jeder aus zwei über einander gelagerten Wurzeln; die dorsale sensitive
Wurzel (a, Fig. 306) mit drei Ursprungsbündeln , während die ven-
trale motorische Wurzel (b) nur mit zwei Bündeln entsteht. Die drei
Bündel der sensitiven Wurzel bilden ein dickes Ganglion (c), an dessen
ventrales Ende die Bündel der motorischen Wurzel herantreten , um
den gemeinschaftlichen Rückenraarksnerven (g) zu bilden, welcher so-
fort einen zu den Muskeln und zur Haut des Rückens emporsteigenden
Rückenast (d) entsendet. Der Stamm des Xervens verläuft in den
Seitenwänden des Körpers nach unten gegen den Bauch und innervirt
auf diesem Wege die Muskeln und die Haut. Zu jedem Ganglion
stossen ausserdem noch zwei Aeste des Sympathicus (e, /), von welchen
später die Rede sein wird.
Das Hirn der Taube zeigt dieselben Haupttheile wie dasjenige
der Reptilien und Amphibien. Bei der Ansicht von oben (Fig. 307, ^)
Fig. 307.
Columha domesüca. — Das Gehirn in doppelter Vergrössei-ung. A, dorsale Ansicht ;
B, ventrale Ansicht, a, Eiechknoten; 6, Hemisphären: h' , seitliche Furche derselben;
c, Epiphyse ; d, Kleinhirn ; d', Flocken ; e, Rückenmark ; /, verlängertes Mark ; g, Seh-
hügel ; h, Hypophyse ; i, Chiasma ; k, ventrale Einbucht der Hemisphären ; n, Seh-
strang ; o, Trennungsfurche zwischen- verlängertem Mark und Piückenmark.
sieht man vorn die grossen, durch einen Längsspalt getrennten
Hemisphären (&) des Vorderhirnes, die in ihrer Gesammtheit etwa
die Figur eines Kartenherzens zeigen, dessen von den kleinen kegel-
förmigen Riechknoten (a) gekrönte Spitze nach vorn gerichtet ist.
Auf jeder Hemisphäre zeigt sich eine seichte Längsfurche (?>')• Hinter
den Hemisphären springen noch die grösstentheils von ihnen über-
762
Wirbelthiere.
deckten Sehhügel (g) des Mittelhirnes vor und in dem Winkel
ihres hinteren Ausschnittes, am Ende des Längsspaltes liegt die Epi-
physe oder Zirbeldrüse (c) in Gestalt eines kleinen, weissen
Knötchens. Weiter nach hinten tritt das Kleinhirn (d) hervor, das
aus einem mächtigen , durch einige Querspalten gezeichneten Mittel-
stücke und zwei kleinen, seitlichen Anhängen, den Flocken (flocculi, d')
besteht. Das Kleinhirn bedeckt vollständig die Rautengrube und die
sie umgebenden Tbeile des Nachhirnes oder verlängerten Markes.
Bei der Ansicht von unten (F'ig. 307, JB) fallen besonders die Hemi-
sphären und die Sehhügel durch ihre Grösse auf. Die Riechknoten
an der Spitze der Hemisphären ziehen sich auf der Unterfläche etwas
weiter nach hinten und fliessen in der Mittellinie zusammen ; erste An-
deutung einer Bildung, die bei den Säugethieren sich weiter entwickelt.
Auch auf der Unterfläche der Hemisphären zeigen sich seitliche Ein-
Fig. 308.
Columba domestica. — Sagittaler Medianschnitt durch das Gehirn , zwischen den
Hemisphären gelegt, a, Rautengrube; b, Hemisphären; c, Epiphyse; d, Kleinhirn;
e, Rückenmark; /, verlängertes Mark; h, Hypophyse; i, Chiasma der Sehnerven;
m, Ende des Riechnervens ; n, Lappen des Kleinhirnes; o, Riechnerv; o', Riechknoten;
j), hintere Commissur; q, vordere Commissur; r, Corpus callosum; HI, dritter Ven-
trikel ; IV, vierter Ventrikel.
drücke (Je). Die Sehhügel haben eine fast kugelige Form; sie sind
scharf von den Hemisphären vorn und dem verlängerten Marke hinten
getrennt , sind aber durch den Seht r actus (n) , von welchem das
Chiasma der Sehnerven (i) ausgeht, in der Mittellinie vereinigt. Un-
mittelbar hinter dem Chiasma tritt in der Mittellinie der kleine, graue,
eiförmige Hirnanhang, die H ypophy se (/*), hervor. Das verlängerte
Mark (/) besteht aus zwei, durch eine Längsfurche getrennten, nach
unten vorgewölbten Massen, die durch eine deutliche, quere Ein-
senkung (o) von dem schmäleren Rückenmarke (e) abgegrenzt sind.
Vögel. 763
Die Flocken des Kleinhirnes ragen etwas über die Seitenränder des
verlängerten Markes vor. Ein medialer, zwischen den beiden Hemi-
sphären gelegter Längsschnitt (Fig. 308) zeigt uns die charakteristi-
schen Faltungen (n) des Kleinhirnes, welche den sogenannten Lebens-
baum {Ärhor vitae) bilden. Zwischen Kleinhirn und verlängertem
Marke führt die Rautengrube (a) in den vierten Ventrikel (IV).
Die übrigens sehr dünne Decke des dritten Ventrikels verdickt sich am
Vorderrande des Kleinhirnes zu der weissen, hinteren Commissur
(p), die von Querfasern gebildet wird, welche die beiden Sehhügel mit
einander verbinden. Weiter nacb vorn bildet dieselbe Decke die eben-
falls weissliche vordere Commissur (g); zwischen beiden Com-
missuren erkennt man auf dem Durchschnitt die erste Anlage des
Schwielenkörpers, Corpus callosum (r) , welche ebenso wie die
vordere Commissur die beiden Hemisphären mit einander verbindet.
Gehen wir auf einige Einzelheiten ein. Die dorsale Wand des
verlängerten Markes (/) verdünnt sich mehr und mehr bei dem
Durchgange unter dem Kleinhirn , während der Centralcanal sich zur
Rautengrube erweitert, in welche mit den Hüllhäuten das Gefässnetz
eindringt, das den Choroidealplexus bildet und sich in dem
weiten vierten Ventrikel ausbreitet, dessen äusserst dünne, hautartige
Decke meist bei der Zergliederung zerreisst. Der Boden des vierten
Ventrikels zeigt die Fortsetzung des Centralcanales in Form einer
Längsspalte, welche seitlich von den vorderen Pyramiden be-
grenzt wird. Das Kleinhirn (d), das dem Wurme des Säugethier-
gehirnes entspricht, wird durch vorspringende Querfalten der Hüll-
hänte , die von aussen her tief in die Masse eindringen , in etwa
15 Lamellen von nahezu gleicher Dicke zerlegt. Jede dieser Lamellen
zeigt im Inneren eine weisse , von Fasern gebildete , etwas wellig ge-
bogene Axe, welche ringsum von grauer Zellensubstanz umfasst wird,
deren Schicht gegen die Peripherie hin an Mächtigkeit zunimmt, so
dass der Durchschnitt der Lamelle einen langen Keil bildet, dessen
Spitze mit der weissen Substanz des Inneren zusammenhängt. Die
Hüllhaut (pia mater) dringt in die Spalten zwischen den Lamellen ein,
deren Randschicht aus Xeuroglie mit kleinen Zellen besteht , die sehr
feine Ausläufer zeigen. Die Hauptschicht der grauen Substanz besteht
aus grösseren, meist bipolaren Zellen mit starken Ausläufern, welche
in die Rindenschicht eindringen.
Durch Querschnitte (Fig. 309 a. f. S.) kann man die Kenntniss
der Verbindungen der einzelnen Hirntheile und der in ihnen an-
gebrachten Höhlen vervollständigen. Das nach vorn zur Bildung der
Hirnschenkel (i) sich fortsetzende verlängerte Mark wird von dem
daraufliegenden Kleinhirne durch den vierten Ventrikel (d) getrennt,
der sich bald überdacht und nun einen sehr platten, breiten Canal
darstellt, den Aquaediicttis Sylvii {m). Das Dach dieses Canales
764
Wirbelthiere.
ist stets sehr dünn, haiitartig, während sein Boden sehr dick wird und
fast seiner ganzen Länge nach durch eine mehr und mehr sich ver-
tiefende Rinne in zwei Hälften zerlegt wird, die aus Längsfasern und
Zellen besteben. Die eiförmigen Sebhügel (k) , welche sich von
diesen seitlichen Hirnschenkeln aus zur Bildung des Mittelhirnes empor-
wölben, zeigen demnach in ihrem Inneren jederseits eine Höhlung,
welche mit den Seitentheilen der Syl vi' sehen Wasserleitung zu-
sammenhängt. Die Durchschnitte der Sehhügel lassen regelmässig auf
einander gelagerte, den äusseren Conturen parallel gebogene Schichten
Columha domestica. — Dreifach vergrösserte Querdurchschnitte durch das Hirn.
A, durch den hinteren Theil des Kleinhirnes ; B, durch den vorderen Theil desselben ;
C, durch den hinteren Theil der Hemisphären ; D, durch das Chiasma der Sehnerven.
a, Kleinhirn; b, seine Falten; c, Flocken; d, vierter Ventrikel ; e, verlängertes Mark;
f, dorsale Wand der Hemisphären ; g, Seitenventrikel ; h, verdickter Boden der Hemi-
sphären, Streifenkörper ; i, Hirnschenkel ; ]c, Sehhügel ; l, Ventrikel der Sehhügel ;
m, S y 1 V i ' sehe Wasserleitung ; 71, Zwischenhirn ; p, vordere Commissur ; q, dritter
Ventrikel ; r, Chiasma der Sehnerven.
gewahren , in welche zarte Verlängerungen der Hüllhaut mit ihren
Blutgefässen eindringen. Das vordere und untere Ende der Sehhügel
Vögel. 765
verschmilzt mit der Basis des Chiasma. Das Zwisckenhirn (Thala-
mencephalon) (w, Fig. 309), welches aus der hinteren, ungetheilten
Hälfte der ersten Hirnblase des Embryos sich entwickelt, später aber
gänzlich von den anderen Hirntheilen verdeckt wird, erstreckt sich
vom Vorderende der Sylvi' sehen Wasserleitung bis zum Chiasma
und umhüllt mit seinen, von den Hemisphären bedeckten Wandungen
die Fortsetzung der Wasserleitung, die sich zu einem senkrecht ge-
stellten Canale mit eiförmigem Durchschnitte, dem dritten Ventrikel
(q), gestaltet, dessen Dach theilweise von dem Tractus opticus gebildet
wird. Die Höhlung der sehr dünnwandigen Epiphyse enthält einen
Choroidealplexus und in den Wandungen ihres etwas erweiterten
distalen Endes verzweigen sich zahlreiche Blutgefässe. Die Hypo-
physe besteht aus zwei deutlich unterschiedenen Theilen, dem Hirn-
trichter, Infundihuhim, dessen Höhlung eine Fortsetzung nach
unten des dritten Ventrikels (III, Fig. 308) bildet und einem an der
Spitze des Trichters hängenden , eiförmigen und compacten Theile
(Ji, Fig. 308), der aus feinkörniger Substanz besteht. — Die beiden
Hemisphären zeigen in ihrer hinteren Hälfte ein sehr dünnes Dach
(/, Fig. 309, C) und einen sehr dicken Boden, zwischen welchen die
Seitenventrikel (^) sich erstrecken, die durch das Mo uro 'sehe
Loch mit dem dritten Ventrikel zusammenhängen. Mit dem Boden
zusammen bilden die Seitenwände der Hemisphären die mächtigen
Massen der Streifenkörper, Corpora striata (h). Die Quer-
schnitte zeigen uns , dass diese Bodenanschwellungen vorn sehr ver-
dickt sind, nach hinten aber sich verdünnen , selbständig werden und
sich so von dem Boden abheben , dass sie mit den Seitenwänden
{h, B und C) nicht mehr zusammenhängen. Auf ihrem Grunde stellen
sich die Fasern so zusammen, dass sie die Schenkel der Hemisphären
bilden , die sich mehr und mehr nach vorn durch ihre Verschmelzung
mit den Streifenkörpern verdicken und nun die Seitenventrikel (g) als
halbmondförmige Höhlen zeigen, während die tiefe, mittlere Längs-
spalte nach hinten durch die vordere Quercommissur {p) begrenzt und
von dem dritten Ventrikel (q) abgedämmt wird.
So werden denn die inneren Höhlungen des Gehirnes schliesslich
von einem centralen Canale durchsetzt, welcher von dem dritten Ven-
trikel, der Sylvi' sehen Wasserleitung, und dem vierten Ventrikel ge-
bildet wird und sich nach oben für den Eintritt der Choroidalnetze in
der Rautengrube öffnet. Der dritte Ventrikel communicirt mit zwei
geschlossenen, senkrechten Verlängerungen: der Höhlung der Epiphyse
nach oben und des Trichters der Hypophyse nach unten, und breitet
sich durch das M o n r o ' sehe Loch seitlich in den Ventrikeln der Seh-
hügel und der Hemisphären aus.
Die Hü 11 häute zeigen die schon bei den Reptilien beschriebene
Anordnung in drei Schichten. Die sehr feste dura mater überzieht
766 Wirbelthiere.
die inneren Flächen des Rückencanales und der Schädelknochen, liegt
überall fest an den harten Theilen und spielt zugleich die Rolle eines
Periosts: die äusserst feine arachnoidea legt sich unmittelbar an
sie an. Die an der Nervensubstanz unmittelbar anliegende pia
mater schickt in diese zahlreiche Fortsätze und Falten, welche zum
Theil das Gerüst der Nervensubstanz bilden und zugleich die Gefässe
in das Innere führen. Sie dringt allein von den drei Schichten in die
Spalten des Kleinhirnes und in die Höhle des vierten Ventrikels und
bildet die verschiedenen Plexus im Inneren der Hirnhöhlen.
Peripherisches Nervensystem. — Da wir die einfachen
Rückenmarksnerven schon betrachtet haben bei Gelegenheit des Rücken-
markes, so behandeln wir hier nur noch die Plexus, die Hirnnerven
und den Sympathicus.
Der Plexus puden dus ist aus sieben, schief nach hinten ver-
laufenden Nerven zusammengesetzt und liegt hinter dem Becken auf
dem Steisse. Die dem Becken am meisten genäherten beiden ersten
Nervenstämme verschmelzen bald zu einem Stamme, der auf die ven-
trale Seite des 31. öbturatorius sich schlägt und in diesem verzweigt.
Von der Vorderseite dieses Nervens gehen ausserdem zwei Zweige für
die Ausführungsgänge der Nieren und der Geschlechtsorgane ab. Der
Nerv erhält zwei kurze Verbindungsäste vom dritten Nerven, der von
der ventralen Seite her sich in den Mm. pubi-coccygeus und transver-
sus ani verzweigt. Der vierte Nerv verbindet sich an seinem Ur-
sprünge mit dem fünften und verzweigt sich ebenfalls in dievaM. pubi-
coccygeus. Der fünfte geht zu den auf der dorsalen Fläche des Steisses
angebrachten Muskeln und zur Haut; während der sechste und sie-
bente , an ihrem Ursprünge durch einen Knoten verbunden , sich auf
der ventralen Seite verzweigen.
Lendenplexus und Beinnerven (Fig. 310). — Um diese
Geflechte und die daraus hervorgehenden Nerven zur Anschauung zu
bringen, entfernt man die Haut des Beckens, des Beines und den
ganzen M. ileo-trochantericus und trennt dann das Darmbein an seiner
Vereinigung mit dem Kreuzbeine ab. Man sieht dann unmittelbar
zwei Gruppen: die vordere, der Schenkelplexus {Plexus cruralis),
wird von den Stämmen XXI und XXII gebildet; die hintere, weit be-
deutendere Gruppe des Hüftplexus (Plexus ischiaticus)., wird von
vier Nervenstämmen, XXIII bis XXVI, zusammengesetzt.
Die beiden Stämme des Schenkelplexus sind theilweise von
der Niere umhüllt und verlaufen, einander sich nähernd, fast senkrecht
nach unten. Von dem äusseren Rande eines jeden Stammes entsteht
ein Zweig (a, b, Fig. 310), der sich noch im Inneren der Niere mit
demjenigen des anderen Stammes vereinigt und so einen Nerven (& )
für die seitlichen Muskeln der hinteren Bauchgegend bildet. Die beiden
Vögel.
767
Fiff. 310.
Stämme verschmelzen in einer länglichen, einem Ganglion ähnlichen
Masse, von deren hinterem Ende mehrere Zweige aussti'ahlen. Der be-
deutendste dieser Zweige (fj
läuft unter dem 31. ileo-tibkdis
längs dem Schenkel bis zum
Knie, wo er sich in der Haut
verzweigt. Vor dieser Ver-
zweigung giebt der Nerv noch
einen Ast (d) an den Schnei-
dermuskel ab. Ferner ent-
sendet die Schenkelanschwel-
lung noch einen dicken, hin-
teren Ast (e) zum 31. üeo-
tihiälis. Zwei tiefe Aeste
(/, g) laufen unter diesem
Muskel durch, vereinigen sich
und bilden einen Stamm {g' ),
der sich an der Haut der
Innenfläche des Schenkels und
Beines verzweigt.
Der Hüftplexus wird
von vier , fast gleich mächti-
gen Stämmen gebildet, die
nach hinten convergiren und
schliesslich in einem grossen
Nerven, dem Hüft nerven,
Columha domestica. — Lendeupiexus
und Nerven des linken Beines in
natürlicher Grösse. XXI bis XXYI,
Stämme aus dem Rückenmark; a,
Zweig des Stammes XXI ; b, Zweig
des Stammes XXII ; b', Seitennen-,
aus der Vereinigung von a und b
entstanden ; c, Hautnerv des Schen-
kels; d, Nerv'des Schneidermuskels;
e, das M. ileo-tibialis ; /, g, Wur-
zeln des Hautnervens g' der inneren
Fläche des Schenkels ; h , Nervus
ischiaticus; i, Nerv des M. ileo-
fiexor ; k, Nerv des M. obliquus ex-
ternus und transversus ani; /, Nerv
des M. ischio-flexor; m, Nerv des M. biceps femoralis; wi\ m^, dessen Zweige:
n, Nervus ischiatico- femoralis anterior; o, Nerv des M. tibialis ; Jh oberflächlicher
Wadennerv; q, tiefer Wadennerv; r, Nerv der zweiten und dritten Zehe; s, Nerv
der ersten Zehe; t, Nervus ischiatico -femoralis medius ; u, Nerv des M. gastroc-
nemius; v, Nerv der Wadenmuskeln; x, N. ischiatico-femoralis posterior; y, Nerv der
Hinterzehe.
768 Wirbelthiere.
N. iscliiaiicus (Ji), zusammenfliessen. Der Hüftnerv entsendet nach
hinten drei Hauptzweige: der erste (i) derselben läuft längs dem proxi-
malen Ende des M. pubo-ischio-femoralis,, giebt diesem einige Zweige
und endet in dem M. ileo-flexor; der mittlere Ast (k) läuft unter dem
M. hkeps femoralis durch zu dem 31. ohliquics externus und transversus
ani. Der unterste (0, von allen der längste, versorgt den M. hiceps
femoralis und zuletzt den M. ileo-flexor. Etwas hinter diesen Nerven
entsteht ein unabhängiger Nerv (m), der sich bald in zwei Hauptzweige
theilt, von welchen der obere {m') in den proximalen Theil des hiceps
femoralis von der inneren Fläche her eindringt, während der untere
(m-) das distale Ende desselben Muskels versorgt. Schliesslich theilt
sich hinter dem Femur der Stamm des Hüftnervens in drei Nervi
ischiatico -femorales, zwei starke, etwa gleich grosse Nerven, zwischen
welchen ein mittlerer, dünner Faden, der oft an dem einen oder anderen
Nachbar fest anliegt. Der N. iscliiatico-fem.oralis anterior (n)
schlägt sich aus der Kniegrube über die Aussenseite des Gelenkkopfes
der Fibula auf den Vorderrand des Beines mit einer Krümmung, von
deren Spitze ein Nerv (o) für den M. tibialis abgeht. Sodann theilt
sich der Nerv in zwei Wadenäste, die längs der Fibula verlaufen; der
oberflächliche Wadennerv (jj) läuft anfangs mit dem tiefen zusammen
unter dem M. tibialis, erscheint aber dann auf dem Tarso-Metatarsal-
knochen unmittelbar unter der Haut und versorgt die Sehnen der
Streckmuskeln der dritten und vierten Zehe. Der tiefe Wadennerv (g)
liegt hart an dem Knochen an , kommt aber an dem Gelenke zwischen
Tibia und Tarso-Metatarsale an die Oberfläche und theilt sich in zwei
Aeste , von welchen der bedeutendere (r) auf der Vorderfläche des
Tarso-Metatarsale verläuft und zum Innenrande der dritten und Aussen-
rande der zweiten Zehe ausstrahlt; der kleinere Ast (s) läuft längs
dem Innenrande des Tarso-Metatarsale zu den Sehnen der Beuge-
flächen der zweiten und ersten Zehe. Der N. ischiatico-femoralis'
meclius (t) läuft am äusseren Rande des -Zl£ gastrocnemius herab, schlägt
sich unter die distale Sehne dieses Muskels, folgt dann dem Tarso-
Metatarsale und verzweigt sich in den Sehnen der Aussenseiten der
vierten und ersten Zehe. Der N. ischiatico-femoralis poste-
rior (x) verdickt sich in der Kniebeuge etwas und theilt sich in vier
ungleiche Zweige, von welchen die beiden feinsten (u) sich in dem
mächtigen M. gastrocnemius verzweigen. Ein stärkerer Zweig (v) ver-
läuft nach hinten zu den Wadenmuskeln und der stärkste (y) folgt
dem äusseren Rande der Tibia bis zur Achillessehne, giebt auf diesem
Wege einige Aestchen an die tiefen Wadenmuskeln und den 31. gastroc-
nemius und endigt an dem Innenrande der ersten Zehe.
Armplexus und Flügeln erven (Fig. 311). — Das Arm-
geflecht wird von fünf Rückenmarksnerven gebildet, welche die Num-
mern XI bis XV tragen. Die drei mittleren Stämme sind mächtiger
Vögel. 769
als der vordere und hintere, aber die Beziehungen dieser Stämme zu
den aus dem Plexus hervorgehenden Nerven lassen sich deshalb nicht
mit vollkommener Sicherheit feststellen , weil sie nicht nur bei ver-
schiedenen Individuen, sondern sogar auch auf den beiden Seiten der-
selben Taube variiren. Alle diese Stämme werden durch feine, hori-
zontale Aeste mit einander verbunden. !Nach seinem Austritte aus
<iem Rückenmarke verläuft der Xerv XI direct nach hinten, giebt einen
Zweig (a) au die Haut und verbindet sich mit dem Stamme XII.
Dieser entsendet unmittelbar nach seinem Austritte einen Ast (e) , der
sich mit einem vorderen Aste (/) des Stammes XI zur Bildung des
sehr feinen N. serratus oder thoracicus superior (g) verbindet,
welcher schief über den Armplexus verlaufend sich in den 3Im. costo-
scapulares verzweigt. Xacli Abgabe dieses Astes läuft der Xerv nach
hinten und theilt sich in zwei Aeste, von welchen der vordere, nach
Abgabe von Zweigen für den JSl. äUpra-coracGideus (b) und für den
M. pectoralis minor (c, d) die vordere Wurzel des oberen Armnerven
bildet, während der hintere Ast zur Bildung der vorderen Wurzel des
unteren Armnerven beiträgt. Der Stamm XIII läuft in senkrechter
Richtung und theilt sich nach Abgabe einiger Fädchen in zwei gleich
grosse Aeste: der vordere bildet die mittlere Wurzel des oberen Arm-
nerven, der hintere diejenige des unteren Armnerven. Xach Abgabe
des Verbindungszweiges mit dem folgenden Stamme theilt sich der
leicht nach vorn gewandte Stamm XIV in zwei Zweige . eine vordere
Wurzel für den oberen und eine hintere Wurzel für den unteren Arm-
nerven. Es geht aus dem Gesagten hervor, dass die beiden grossen
Armnerven von drei Stämmen, XII, XIII und XIV gebildet werden
und zwar in der Art, dass die vorderen Aeste dieser Stämme den
oberen, die hinteren Aeste den unteren Armnerven zusammensetzen.
Von der inneren Seite des Anfanges des unteren Armnerven (5, Fig. .311)
gehen zwei mächtige Brustnerven (/) für die grossen Brustmuskeln
aus. In ihrer Nähe löst sich noch ein sehr dünner J\". coraco-
hr achialis (k) ab, der in dem gleichnamigen Muskel sich verzweigt.
Endlich werden noch von dem Aussenrande des Stammes XIV zwei
Aeste entsendet, welche sich vereinigen und den Nerven (/) für die
Flügelhaut zwischen Flügel und Körper zusammensetzen.
Der Stamm des oberen Arm nerven {m, A, Fig. 311) läuft
unter dem 31. deltoideus xjosterior etwas nach hinten und giebt einen
starken Ast ab, der sich um den Gelenkkopf des Humerus herum-
schlingt und Zweige in den M. deltoideus anterior (no) und in den
31. hicejjs (o) sendet. Etwas weiter nach hinten gehen von ihm ab
Nerven für den 31. deltoideus posterior (p und p), worauf sich der
Stamm in zwei parallele Aeste theilt , welche noch einige Zeit in der-
selben Scheide verlaufen , sich nach vorn zum distalen Ende des Hu-
merus schlagen und im Elbogengelenke von einander weichen. Der
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 40
770
Wirbelthiere.
Fiff. 311.
Columha domestica. — Armgeflecht und Nerven des linken Flügels in natürlicher
Grösse. A, von der äusseren, B, von der inneren Fläche aus. XI bis XV, Stämme
aus dem Rückenmark; a, Hautnerv; b, Nerv des M. supra-coracoideus ; c, d, Nerven
des kleinen Brustmuskels; e, f, Wurzeln des oberen Brustnei'ven g ; ga, vorderer
Ast des unteren Armnerven; ga', Nerv des Abziehers des Mittelfingers; h, Verbin-
dungszweig zwischen den Stämmen XV und XIV; l Brustnerven; k, Nerv des
M. coraco-brachialis ; /, Hautnerv des Flügels ; m, oberer, Armnerv ; n, unterer Arm-
nerv; «', Nerv des M. estensor brachii ; no, Nerv des M. deltoideus anterior; o, Nerv
des M. biceps ; /;, p', Nerven des M. deltoideus ; q, hinterer Zweig des unteren Arm-
Vögel. 771
vordere Ast giebt einige Fäden an den 31. deUoideus anferhr und schlägt
sich dann, unter der distalen Sehne dieses Muskels fortlaufend, auf die
äussere Fläche des Armes , wo er sich in der Haut und in der Flügel-
haut in Zweige (r bis r ) auflöst. Der hintere Ast {v) schlägt sich
um den Humerus herum auf die äussere Seite des Armes und giebt
einen Zweig ab , der sich sofort für den M. extensor metacarpi {x) und
den 21. radialis {y) gabelt. Von seinem hinteren Rande geht ein
starker Zweig {z) für den M. promotor superficialis und für den
31. extensor digiti medii (1) ab. Der Stamm durchsetzt den M. pronator
profundus.! schlägt sich auf die Oberfläche des Carpus, versorgt den
Jf. adductor (2) und ahducfor pollicis (3), geht auf den Mittelfinger über
und endet in den Zwischenknochenmuskeln (4) und dem Fingerbeuger.
Zur Präparation des unteren Armnerven {n) entfernt man
bei dem auf dem Rücken liegenden Thiere die ventrale Hälfte des Brust-
korbes, das Herz mit den grossen Gefässstämmen, den Dai'm mitXeben-
organen und die innere Haut des Flügels. Nach Wegnahme dieser
Theile sieht mau den Armplexus von innen her und den aus ihm her-
vorgehenden Nerven (ß, Fig. oll). Bei seinem iVustritte aus dem
Plexus entsendet er einen langen , dünnen Zweig zu dem M. extensor
hracJiii (n), der längslaufend sich in dem Muskel verzweigt. Dann
dringt der Nerv mit leichter Krümmung nach vorn in die Achselhöhle,
wo er sich in drei Aeste theilt. Der dünnste, vordere (o) dringt un-
mittelbar in den 31. bicepis ein; die beiden anderen laufen zusammen
schief über den Humerus weg und gehen erst am Elbogeugelenke aus-
einander. Der hintere der beiden Aeste ((/) gelangt , von den Sehnen
des 31. cnhifalis und 31. flexor bedeckt, zum äusseren Rande des xVrmes,
schlägt sich dann iu scharfer Krümmung auf den äusseren Rand der
Ulna , welcher er der ganzen Länge nach folgt . um über den Carpus
und die Hand zu dem Beugemuskel des dritten Fingers zu gelangen,
in welchem er sich verzweigt. Im Elbogengelenke entsendet der Nerv
zwei Aeste, einen für den 31. cubitalis (ro), einen anderen für den
31. Pronator profundus (s). Der mittlere x\st (ga) theilt sich bald nach
seiner Sonderung von den vorigen in zwei Zweige, von welchen der
hintere (t) zwei Seitenäste (to, lo) zu den beiden Miv. cubito-carpales
sendet und dann der äusseren Fläche der Ulna entlang zu der Hand-
wurzel und der Hand geht (yiu), wo er sich in dem letzten Gliede des
Mittelfingers verzweigt. Der vordere Ast (g a' ) läuft dem mittleren
nerven; r, r', /■", Nerven der Flügelliaut; ro, Nervus cubitalis; s, Nerv des M. pro-
nator profundus; t, hinterer Ast des Nerven ga; u, l<erv des M. deltoideus anterior;
V, hinterer Ast des oberen Armnerven; w, Nerv des M. cubito-carpalis superficialis;
w', des M. c, c. profundus, a;, Nerv des M. extensor metacarpi ; i/, Nervus radialis;
yvi, Nerv des Carpus iind der Hand; z, Nerv des M. pronator superficialis; 1, Nerv
des Streckmuskels des Mittelfingers ; 2, Nerv des Abziehers des Daumens ; 3. Nerv
des Anziehers des Daumens ; 4, Nerven der Zwischenknochenmuskeln der Finger.
49-
772
Wirbelthiere.
etwa parallel, schmiegt sich aber eng an den Radius, geht über den
ersten Metacarpalknochen und endet in dem Abziehrauskel des Mittel-
fingers.
Hirnnerven (Fig. 312). — Der Hypoglossus (XII) ent-
springt dicht hinter dem Vagus vor dem verlängerten Marke und
theilt sich unmittelbar in zahlreiche, schief nach hinten verlaufende
Fig.
,--XlI
Columhu domestica. — Hirunerven der linken Seite. Doppelte Vergrösserung. Das
Gehirn ist punktirt. I, Riechnerv; IV, N. trocLlearis ; V, N. trigeminus ; VII, N. fa-
cialis; VIII, N. acusticus ; IX, N. glossopharyngeus ; X, N. vagus ; XII, N. hypo-
glossus. 1, erster; 2, zweiter Halsnerv; a, Verbindungsast zwischen Hypoglossus
und Vagus ; a' , Oberkiei'erast des Trigeminus ; h, Nerv des M. cucullanus ; h' , Nerv
des M. temporalis ; c, Verbindungsast zwischen Trigeminus und zweitem Halsnerv ;
c', Nervus post-orbitalis ; d^ Augenast des Trigeminus; e, /, Zweige dieses Astes;
g, Gasser'scher Knoten; h, Zweig für den Oesophagus; «, Verbindungsast zwischen
dem Gasser'schen Knoten und dem Facialis; A;, aufsteigender Zweig des Augen-
astes ; /, Gaumenast des Trigeminus ; 7n, Verbindungsast zwischen Trigeminus und
Facialis; w, Nerv der Mm. mylo- und stylo-hyoideus ; o, hinterer Ast des Facialis;
p, Nerv der Hautmuskeln des Halses ; q' , Verbindungszweig zwischen Facialis und
viertem Halsnerven ; r, Nerv des Nasenloches ; s, Ganglion des Glossopharyngeus ;
t, vorderer Ast desselben ; m, zweiter Ast desselben ; v, Verbindungsast mit dem
Glossopharyngeus; ^r, Zungennerv; y, Schlundast; s, Unterkieferast des Trigeminus.
Vögel. 773
Zweige, welche die Muskeln des vorderen Theiles des Halses an der
ventralen Fläche versorgen. Zwei feine Zweige (a) setzen den Nerven
in Verbindung mit dem Vagus und ein stärkerer Communicationszweig
mit dem ersten lialsnervenpaare (1).
Der Accessorius Willi sii (XI) entsteht mit mehreren Wur-
zeln an der vorderen Seitenfläche des Rückenmarkes, steigt gegen das
Hirn auf und verzweigt sich schliesslich in den Hautmuskeln des
Halses.
In der hinteren Gruppe der vom verlängerten Marke entsprin-
genden Hirnnerven ist der Vagus (X) der bedeutendste Stamm. Er
entspringt an der Seitenfläche des Markes mit zahlreichen Wur-
zeln, von welchen die hintersten die längsten sind. Der Stamm des
Nerven verläuft gerade nach hinten und empfängt auf seinem Wege
links und rechts Anastomosen. Die beiden hintersten dieser Verbin-
dungszweige (a) sind zwei feine, parallele Fäden, welche zum Hypo-
glossus gehen. In derselben Höhe entsendet der Vagus ein sehr
langes, feines Fädchen (h) , welches seitlich sich um den Hals zu dem
M. cucidlanus schlägt und in diesem verzweigt. Kurz darauf findet
man einen Verbindungszweig mit dem Ganglion das Glossopharyn-
geus (s), dann einen langen Ast, der in Verbindung mit dem Glosso-
pharyngeus den Zungennerven {x) bildet. Von dem hinteren Vagus-
rande gehen zwei feine Fädchen aus (c), welche sich um die Halsmuskeln
herumschlingen und mit den Endigungen des ersten Halsnervenpaares
anastomosiren. Nach Abgang dieser Zweige, die ihn nicht geschwächt
haben, läuft der Vagus längs dem Schlünde, dringt in der Bauchhöhle
etwa bis zur Hälfte der Lunge vor und verzweigt sich in mannig-
faltigen Netzen am Magen, der Luftröhre, den Lungen und dem
Herzen,
Der zwischen dem Hörnerven und dem Vagus entspringende
Glossopharyngeus (IX) ist manchmal so enge mit dem letzteren
verbunden, dass man ihn nicht davon trennen kann. Der verhältniss-
mässig dünne Nerv verläuft in etwas schiefer Richtung nach hinten
halsabwärts, erhält eine kurze Anastomose vom F'acialis, entsendet
einen Verbindungszweig zum Vagus und schwillt dann zu einem
Ganglion (s) an, von dessen distalem Ende vier, nach innen vom Fa-
cialis verlaufende Nerven abgehen. Der vorderste dieser Aeste (f) läuft
gerade nach vorn und theilt sich in drei Hauptzweige für den i)/. Wi^Zo-
hyoidcas, die Zungenmuskeln und den hinteren Theil der Zunge. Der
zweite Nerv (ii) läuft anfangs dem vorigen parallel , biegt sich aber
dann in scharfer Krümmung um den 31. niylo-hyoideus , um sich mit
'einem Zweige des Vagus zu verbinden und den erwähnten Zungen-
nerven (;/;) zu bilden, der gerade nach vorn verläuft und in der Zunge
endet. Die beiden hinteren, aus dem Ganglion entspringenden Nerven
(7j und ;/) laufen parallel mit einander zu den Seiten des Oesophagus.
774 Wirbelthiere.
Der Acusticus (VIII) entspringt mit breiter Basis seitlich am
verlängerten Marke und theilt sich sofort in zwei Zweige , für die
Schnecke und den Vorhof, deren Verhalten wir beim Gehörorgane
betrachten werden.
Der Facialis (VII) hängt durch seine Wurzel eng mit dem Hör-
nerven zusammen. Seiner Feinheit wegen lässt er sich nur schwer
auf seinem Durchtritte durch die Knochen verfolgen. Er tritt hinter
dem Hörloche hervor, setzt sich sofort durch einen feinen Faden {m)
mit dem Unterkieferast (,e) des Trigeminus in Verbindung, giebt ein
sehr dünnes Fädchen zur Columella und läuft dann an der Seiten-
fläche des Kopfes nach unten. Nachdem er einen Verbindungszweig (i)
zum Gasser'schen Knoten abgegeben hat, theilt er sich in zwei Aeste,
deren vorderer (n) sich auf die ventrale Fläche des Halses schlägt und
die 3Im. ini/Jo- und sfiiJo-Jtyoidcus, sowie die benachbarte Haut ver-
sorgt, während dei- dickere, hintere Ast (o) auf seinem Wege nach
hinten den Jl. f/en/o-Jiyoideus in seiner vorderen Portion durchbohrt,
Zweige (pj an die Haut und die Hautmuskeln des Halses giebt, hierauf
über die Thymus sich wegzieht, welcher er einige Fädchen zusendet,
dann an den Schlund ebenfalls einige Zweige (q) abgiebt und schliess-
lich mit scharfer Krümmung nach oben steigt, um sich mit dem vierten
Halsnervenpaare (q ) zu verbinden.
Der Abducens (VI) (e, Fig. ;!17, A) entspringt auf der ven-
tralen Fläche des Vordertheiles des verlängerten Markes. Er richtet
sich gerade nach vorn , tritt durch die Wand der Schädelhöhle in der
Nähe des Sehnerven und läuft auf dem Boden der Augenhöhle zu dem
geraden äusseren Augenmuskel, in welchem er sich verzweigt.
Der Trigeminus (V) ents^Dringt ganz vorn an der Seitenfläche
des verlängerten Markes unmittelbar hinter dem Sehnerven. Der mäch-
tige Nerv schwillt nach kurzer Erstreckung nach vorn zu einem
grossen, halbmondförmigen Ganglion, dem Gasser'schen Knoten ((jr),
an, der noch in der knöchernen Schädelwand liegt. Das obere Hörn
des senkrecht gestellten Halbmondes setzt sich in einen dicken Nerven,
den Augenast (d) , fort, welcher die Scheidewand der Augenhöhle
durchbohrt und an dem Dache derselben nach vorn verläuft. Bei
seinem Eintritt an der Basis des Sehnerven wird er von dem äusseren,
geraden Augenmuskel überdeckt und giebt hier einen Verbindungs-
zweig zum Oculomotorius. Auf seinem Wege längs des Daches der
Augenliöhle liegt er zwischen den geraden und schiefen, oberen Augen-
muskeln. Bevor er die vordere Wand der Orbita durchsetzt, giebt er
einige feine Zweige (e, /, /.') an die umgebenden Gebilde und an die
Augenlider. Er legt sich nun an den Riechnerven (II) an und theilt sich
dann in zwei Aeste von ungleicher Länge. Der innere, längere Ast(?)
läuft hart an der Mittellinie bis zur Schnabelspitze und giebt auf
iseinem Wege Aeste an alle umgebenden Theile, an den Gaumen und
Vögel. 775
die Seitenränder des Schnabels. Der kürzere, äussere Ast (>•) geht
zum Nasenloche imd umfasst dasselbe mit zwei Zweigen zangenartig.
Der zweite Hauptast des Trigemiuus , der Oberkiefernerv, läuft
horizontal nach vorn auf dem Boden der Augenhöhle, durchsetzt die
Wand der vorderen Ecke nach Abgabe einiger Fäden in die Um-
gebung und dringt in den Oberkieferbogen ein, den er, sowie die hin-
tere Portion des Gaumens, mit Zweigen versorgt. Der untere Schenkel
des Gasser 'sehen Knotens setzt sich in den mächtigen Unter-
kieferast (s) fort. Der dicke Nerv entsendet einige Fäden zum
Schläfenmuskel (b'} und tritt dann an den Unterkiefer, den er in seiner
ganzen Länge bis zur Schnabelspitze mit Zweigen versorgt. Ein
vierter Ast (c ) entspringt aus dem Gasser'scben Knoten etwa in
der Höhe des Oberkieferastes; er gewinnt den hinteren Rand der
Augenhöhle , läuft an deren oberem Rande weiter und giebt links und
rechts zahlreiche Zweige au den Augapfel, die Lider, die Haut und
die Hautmuskeln der Gegend hinter dem Auge.
Der Troclilearis oder Patheticus (lY) (fr, Fig. SU, Ä) ist
ein dünner und sehr langer Nerv , der dorsal auf der Grenze zwischen
Kleinhirn und Sehhügeln entspringt, unter den letzteren sich herum-
schmiegt und in der Schädelhöhle bis zu dem Punkte verläuft, wo er
neben dem Sehnerven in die Augenhöhle eindringt. Dort angelangt,
wendet er sich gerade nach oben und geht unter dem äusseren ge-
raden Augenmuskel durch zu dem oberen schiefen Augenmuskel, auf
dessen Fläche er sich zu einer länglichen Platte verbreitert, von
welcher aus zahlreiche feine Fädchen in den Muskel ausstrahlen.
Der Ociilo-motoy ins (HI) (oc, Fig. 317, A) entspringt an der
Hirnbasis etwas hinter der Hypophyse, läuft horizontal nach vorn,
durchsetzt die Schädelwand mit dem Sehnerven, schickt in der Augen-
höhle zuerst einen kurzen Verbindungsast (4) zum Augenaste des Tri-
gemiuus , sodann Aeste an den unteren geraden Augenmuskel (c) und
die Muskeln der Nickhaiit (f?), und weiter einen bedeutenden, auf den
dem Boden der Augenhöhle verlaufenden Ast (e) zum inneren geraden
Augenmuskel. Er verzweigt sich schliesslich in dem unteren schiefen
Augenmuskel (/) , nachdem er vorher noch einen Zweig (p) an den
oberen geraden Muskel gegeben hat. Der Stamm des Nerven steht
in directer Verbindung mit dem Ciliar knoten (/7). einem kleinen,
an dem Sehnerven anliegenden Ganglion, das zwei lauge Aeste {h) ent-
sendet, welche sich mehrfach theilen , den Augapfel umschlingen und
in sein Inneres eindringen, um sich hauptsächlich in der Iris zu ver-
zweigen.
Der Opticus (II) entspringt aus dem Sehhügel: er bildet mit
dem der anderen Seite ein Chiasma und dringt dann in den Augapfel
ein, wo er sich zur Retina ausbreitet.
776
Wirbelthiere,
Der Olfactorius (I) bildet die Fox'tsetzung der Riechknoten ;
er krümmt sich der Wölbung der Augenhöhle entlang und schwillt
bei seinem Zutritte zum Grunde des Geruchsorganes etwas an.
Das sympathische Nervensystem (Fig. 313) breitet sich
zu beiden Seiten der Wirbelsäule aus; man präparirt es am leichtesten
von der Rückengegend aus, indem man nach Wegnahme der Haut die
Rippen hart an der Wirbelsäule durchschneidet und dann den ganzen
Brustkorb , sowie die Lunge mit Vorsicht entfernt. Man sieht dann
den Stamm sehr deutlich und kann ihn leicht gegen den Kopf, wie
gegen den Schwanz hin verfolgen. Hinter dem Lendenplexus zeigt
sich jederseits ein einfacher Stamm , der bis zum Steisse verläuft und
einerseits mit den Rückenmarksnerven, anderseits mit dem Plexus
pudendus in Verbindung steht. Auf seinem Verlaufe nach vorn, wo der
Sympathicus an der inneren Fläche des Schenkel- und Hüftgeflechtes
Fiff. 313.
-y
d
Columha domestlca. — Das sympathische Nervensj-stem in der Rückengegend. Drei-
fache Vei-grösserung. «, Ganglien, der Rückenmarksnerven; h, Wirbelsäule; c, ab-
geschnittene Rippe; </, ventraler Grenzstrang des Sympathicus; e, dorsaler Grenz-
strang; y, dorsaler Rückenmarksnerv ; ^, /, die beiden letzten Stämme des Armgeflechtes;
h, Hcrzncrv ; h, Eingeweidenerv,
anliegt, verdickt er sich bedeutend und verschmilzt mit diesen Nerven,
Weiter nach vorn, zwischen den Plexus der beiden Glieder, finden sich
jederseits an der Wirbelsäule zwei Grenzstränge des Sympathicus , die
in regelmässigen Abständen sich in den Ganglien der Rückennerven (a)
vereinigen, welche zugleich sympathische Ganglien sind und dann so
aus einander weichen, dass sie rhombische Figuren {d, e) herstellen. Der
obere Grenzstrang (e) geht mit dorsaler Krümmung durch die zwischen
den Gelenkköpfen der Rippe, dem Capitulum und Tuberculum, befind-
liche Lücke ; der untere Strang beschreibt meist stärkere , nach unten
gewendete Bogen, entsendet ebenso, wie die Ganglien, eine Menge
Vögel. 777
feiner Zweige, die neben und unter der Wirbelsäule Geflechte mit selir
unregelraässigen Maschen bilden, und dann sich zu einem Stamme {Je)
verbinden, welcher die Wurzel der verschiedenen Geflechte bildet, die sich
auf den Eingeweiden, besonders dem Darme, den Geschlechtsorganen
und den Nieren ausbreiten. Die beiden Grenzstränge setzen sich an dem
Armplexus mit den Stämmen desselben in Verbindung, bilden aber hier
noch ihre Rautenfiguren, während der untere Strang einen Ast zum
Herzen (h) sendet. Welter nach vorn, längs dem Halse, findet sich
jederseits nur ein Grenzstrang, der in dem Wirbelcauale verläiift. Da
er hier sehr fein und ganz in den Knochen eingeschlossen ist, lässt
er sichln dieser Gegend nur sehr schwer verfolgen. Von dem Ganglion
des ersten Halsnerven aus gehen dann feine Yerbindungszweige zum
Hypoglossus, Vagus und Glossopharyngeus; schliesslich endet der Nerv
an der Schädelbasis in der Gegend des Keilbeines.
Sinnesorgane. — Tast- und Geschmackssinn scheinen bei den
Vögeln nur sehr wenig entwickelt. In der Haut des Körpers und der
Füsse finden sich bei einigen Arten die unter dem Namen der Pa-
cini' sehen Körperchen bekannten Endorgane der Nerven. Meist ist
die Zunge mit einem Epithelium bedeckt, das zur Vermittelung von
Geschmacksempfindungen wenig geeignet erscheint ; doch hat man
bei einigen Arten seitlich an der Zunge besondere Geschmackswärzchen
nachgewiesen.
Das Riechorgan (Fig. 314) besteht aiTS zwei weiten, an den
Seiten des Oberschnabels vor den Augen aasgegrabenen Höhlungen.
rij?. 314.
Columha domeslica. — Linke Nasenhöhle geöffnet und doppelt vergrössert. a, Vor-
hof; 6, eigentliche Nasenhöhle ; c, untere Muschel; c/>, hintere ^Muschel ; rf, mittlere
Muschel; e, Blindsack der Nasenhöhle; /, Basaltheil der weggenommenen linken
Wand; fj, Dach der Nasenhöhle; /?., verbreitertes Ende des Riechnerven. Der Pfeil
zeigt die Richtung der Choane an.
die durch eine mittlere Längsscheidewand gänzlich getrennt werden.
aber durch zwei Oeff'nungen mit der Aussenwelt in Verbindung stehen,
in directer Weise durch die äussere Nasenöffnung, in indirecter durch
die hinteren Öffnungen, die Choanen, welche in die Mundhöhle ein-
münden. Jede Nasenhöhle besteht aus zwei deutlichen Hälften , dem
Vorhofe (rt) und der eigentlichen Nasenhöhle (b). Der Vorhof. in
778 Wirbelthiere.
welchen die seitliche Niiseuöffnung führt, wird von aussen bedeckt
-durch die bewegliche, etwas aufgewölbte Klappe des Nasenflügels , der
durch Knorpelgewebe in seinem Inneren gestützt und aussen von
einem Pflasterepithelium überzogen wird. In dem Vorhofe findet sich
die vordere oder untere Muschel als länglicher, fleischiger Wulst, der
mit seinem oberen Rande au die Scheidewand angewachsen , an dem
unteren Rande dagegen frei ist. Die mittlere Muschel (d) liegt an
■dem Anfange der eigentlichen Nasenhöhle; sie bildet nur einen etwas
erhabenen Wulst der Innenwand der Höhle. In der Fortsetzung nach
hinten zeigt sich die sehr dünne, kaum vorspringende hintere Muschel
{c2))- Alle drei Muscheln sind mit deutlichem Riechepithel überzogen.
Nach hinten und oben verlängert sich die Nasenhöhle in einen blind
g'eschlossenen Gang oder Sack (e), welcher in die Schnabelwurzel hinan-
steigt und von der kelchförmig ausgetieften, distalen Endigung des
Riechnerven (/?) umfasst wird. Der untere Nasengang, welcher als
Luftgang dient, öff'net sich in schief absteigender Richtung in der
schlitzförmigen Choane am Gaumendache. Das Riechepithelium wird
von langen Cylinderzellen mit excentrischen Kernen gebildet. In ihm
zerstreute Drüsen sondern einen hellen, zähen Schleim ab. Die eigen-
thümlichen Nasendrüsen, welche bei den meisten Vögeln vorkommen,
fehlen der Taube.
Sehorgan (Fig. 315 bis 317). — Wir unterscheiden den Aug-
apfel und die accessorischen Organe, Muskeln, Augenlider und Drüsen.
Der Augapfel hat die Gestalt einer Linse mit fast platter
Vorderfläche, die aber von der in der Mitte vorspringenden Hornhaut
überwölbt wird. In die gleichmässig gewölbte Ilinterfläche dringt von
unten her, wie ein Stiel, der Sehnerv ein.
Die Sclerotica (a, Fig. 315, A) bildet eine sehr feste, von seh-
nigem Bindegewebe hergestellte Hülle, in welcher sich ein zusammen-
hängendes Knorpelskelett entwickelt, das ihre Festigkeit noch erhöht.
Nach vorn ist der Rand der becherförmigen Sclerotica, an welchen sich
die Hornhaut ansetzt, noch obenein von einem Knochenringe (B, Fig. 315)
gestützt, der aus zehn oder elf dünnen, langen, wie Dachziegel über
einander greifenden Knochenblättchen besteht, welche durch festes Binde-
gewebe mit einander verbunden sind. Die Choroidea (ö, Fig. 315, Ä)
liegt an der Innenfläche der Scelerotica an und wird, wie diese, von
dem Sehnerven durchbohrt. Vor der Krystalllinse schlägt sich die
Choroidea nach innen ein und theilt auf diese Weise den Innenraum
des Augapfels in zwei ungleiche Hälften, die vordere (i) von einer
wässerigen Flüssigkeit erfüllte, kleinere Augenkammer und die weit
grössere , hintere Augenkammer (ni) , welche den Glaskörper enthält.
Der durch den Einschlag gebildete, senkrechte Vorhang der Iris (w),
welcher in seiner Mitte von der kreisförmigen Pupille durchbohrt wird,
liegt der Vorderfläche der Linse unmittelbar an. Die Choroidea be-
Vö-el.
779
stellt aus drei Schicliten ; einer äusseren Faserschicht , einer mittleren
Oefässschicht , die ein überaus mächtig entwickeltes Capillarsystem
zeigt, und einer inneren Pigmentschicht, die in unmittelbarer Ver-
bindung mit der Retina steht. Die Erweiterung und Verengerung der
Papille wird von besonderen Muskehi besorgt, einem kreisförmigen
Schliesser und einem aus strahlenförmig gestellten Fasern gebildeten
Erweiterer. Zwischen Iris und Choroidea schieben sich noch zwei
charakteristische Bildungen dieses Augentheiles ein, der Crampton'-
sche Ciliarmuskel (Ic, Fig. 31(J, A a. f. S.) und die Ciliarfort-
sätze (d). Der Cr am p ton' sehe Muskel bildet einen Ring, dessen
äusserer Rand der Choroidea anliegt, während der innere Rand mit
breiter Perührungszone sich an die Ciliarfortsätze anheftet. DieCiliar-
Fiof. 315.
Columba domestica. — A, Verticalschnitt des Aucjapfels. vierfach vergrössert. «, Scle-
rotica; b, Choroidea; c, Retina; d, Sehnerv: e, Kamm; /, Ciliarfortsätze; g, Ciliar-
muskel; k, unteres Augenlid; {, vordere Augenkammer; k, Hornhaut; /, Linse;
in, hintere Augenkammer ; ?<, Iris. B, der knöcherne Scleroticaring, von vorn gesehen,
in dreifacher Vergrösserung. a, Sclerotica ; i, Knochcnplättchen des Ringes ; c. Hornhaut.
fortsätze (d) bilden einen auf der inneren Fläche stark pigmeutirten
Ring (c^), der einerseits an den Crampton'schen Muskel sich anheftet,
anderseits mit vielen , strahlenförmig geordneten Falten . in welchen
starke Gefässnetze ausgebildet sind, an die Iris und die Linse sich an-
legt. — In der hinteren Augenkammer finden wir das schon von den
Reptilien her bekannte Gebilde des Kammes (e, Fig. 315, A) in
Form einer viereckigen Hautlamelle wieder, die im Grunde des Auges
längs einer schiefen, vom Sehnerven ausgehenden Linie angeheftet ist
und mit ihrem freien Rande gegen die Linse sieh erstreckt, welche sie
780
Wirbelthiere.
aber nicht erreicht, da sie etwa in der Mitte der Augenkammer endet.
Die besonders an ihrem distalen Ende stark pigmentirte Lamelle ist
in siebzehn regelmässige, verticale Falten gelegt, die äusserst reich
entwickelte Gefässnetze enthalten, welche besonders dann auffallen,
wenn man die glatt gestrichene Lamelle unter dem Mikroskope unter-
sucht. Jede Falte enthält ein Längsgefäss, das sich nach links und
rechts in ein äusserst engmaschiges Capillarnetz verzweigt. In den
Maschen liegen die Pigmentkörner; die Capillaren werden nur durch
spärliches Bindegewebe zusammengehalten.
Fig. 316.
Columha domesüca. — .-J, oberer Tlieil eines Verticalschnittes des Augapfels. Verick,
Oc. 3, Obj. 0. a, Sclerotica; ö, Retina; c, Choroidea ; c', hinterer Pigmentbelag der
Ciliarfortsätze d; e, coneentrische Schichten der Linse;/, Hornhaut; </, Iris; ä, Nick-
haut; i, oberes Augenlid; Ä-, Crampton'seher Muskel; /, äussere, radiäi-e Schicht
der Linse. B, Querschnitt der Retina bei schwacher Vergrösserung. a, innere Grenz-
membran; &, Schicht der Sehnervenfasern; c, Schicht von niultipolaren Zellen; d,
Körnerschicht; <?, Zellenschicht; y, Basalplexus; (/, Sehzellenschicht; /*, äussere Grenz-
membran ; i, Stäbchen und Zapfen Schicht.
Die Retina (e, Fig, 315, A) kleidet den Hintergrund des Auges
aus und erstreckt sich, stets dünner werdend, bis zur Vereinigungslinie
der Iris mit der Choroidea {h, Fig. .316. Ä). Sie ist durchsichtig und
hat am Anfance etwa drei Viertel Millimeter Dicke. Auf Durchschnitten
Vögel. 781
zeigt sie sich von innen nach aussen aus folgenden Schichten zu-
sammengesetzt, deren Elemente aus Nervenfasern und Zellen bestehen,
die durch Bindegewebe zusammengehalten sind (Fig. 316, B). Eine
äusserst feine, innere Grenzmembran (a) wird durch Querstreifen mit der
darunter liegenden Schicht (b) verbunden, welche von den Fasern des
Sehnerven hergestellt ward. Diese Schicht ist sehr dick in der Um-
gebung des Eintrittes der Sehnerven , verdünnert sich aber zusehends
gegen den vorderen Rand der Retina hin. Nach aussen von dieser
Schicht breitet sich eine Schicht (c), deren multipolare, ovale Zellen
ihre Ausläufer in die ausserhalb liegende Körnerschicht (d) senden.
Diese Schicht ist die dickste ; sie färbt sich fast nicht durch Carmin
und zeigt unter starken Vergrösserungen dunkle, concentrische Zonen.
Dann folgt eine Schicht (e) runder Zellen mit einem oder meh-
reren Ausläufern ; zwischen einem äusseren Zellenlager und der dicke-
ren, inneren Zellenmasse zieht sich ein heller Zwischenraum fort, der
von den Ausläufern- der Zellen durchsetzt wird. Der Basalplexus (/)
bildet eine dünne, zellenlose, helle Zone und wird unmittelbar gefolgt
von der Schicht der Sehzellen (g) , die aus zwei oder drei Lagern
elliptischer Zellen gebildet wird , von welchen das äusserste an die
sehr feine , äussere Grenzmembran (Ji) sich anlegt , die stets als sehr
dünne, aber dunkle Linie sich darstellt. Nach aussen von dieser
Membran findet sich dann die Schicht von Stäbchen und Zapfen (i),
deren Enden in die Pigmentschicht der Choroidea eintauchen.
Die verhältuissmässig kleine Krystalllinse (/, Fig. 315, A:
e, Fig. 316, A) hat die Gestalt einer runden, biconvexen Linse; sie ist
in eine structurlose Kapsel eingeschlossen und wird zum grössten
Theile aus Schichten concentrischer Fasern zusammengesetzt. Auf
der, der Papille zugewandten Fläche findet sich eine Schicht strahlen-
förmig geordneter Cjdinderzellen (/, Fig. 316, A).
Accessorische Organe. - — Der Augapfel wird durch drei
Lider geschützt, ein oberes, ein unteres und die Nickhaut. Die beiden
ersteren sind dicke, mit Federchen besetzte Hautfalten, welche sich in
verticaler Richtung bewegen und deren horizontaler Rand etwas an-
geschwollen ist. Das obere Augenlid (i, Fig. 316, ^) ist kleiner als das
untere, welches beim Schliessen der Augen fast die ganze Oberfläche
der Hoimhaut überdeckt. Die Bewegungen geschehen durch besondere
Muskeln : den Heber des oberen Lides , der sich an das Dach der
Augenhöhle ansetzt, und den weit grösseren Niederzieher des unteren
Lides, der sich auf dem Boden der Orbita anheftet. Das dritte Augen-
lid, die Nickhaut (Ji, Fig. 316, A] Fig. 317, B) , ist eine in dem
vorderen , oberen Augenwinkel ausgebreitete , durchscheinende Falte
der Bindehaut des Auges, welche dasThier nach Belieben über die Horn-
haut ziehen kann, sei es, um den Staub abzuwischen , sei es, um allzu
scharfes Licht abzuschwächen. Die Nickhaut wird von zwei IMuskeln
782
Wirbeltliiere.
bewegt, welclie beide mit einer Sehne in Verbindung stehen, die
den Augapfel umschlingt. Der eine dieser Muskeln, der viereckige
(c, Fig. 317, B), ist eine breite Platte, welche das untere Ende (a) der
Sehne umgiebt; der Muskel legt sich au die innere Seite des Augapfels
an und überdeckt den geraden äusseren, den oberen schiefen und
oberen geraden Augenmuskel. Sein oberes Ende heftet sich an die
Sclerotica. Der weit schmälere, aber dickere Pyramiden mu skel (h)
windet sich um die untere Fläche des Augapfels, wo er von dem ver-
breiterten Ende des inneren schiefen Augenmuskels theilweise bedeckt
wird. Die Sehne (a) geht von dem vorderen Rande der Nickhaut aus,
läuft in schiefer Richtung nach unten und hinten über die ventrale
Fläche des x-Vugapfels, windet sich um den Sehnerven herum und setzt
sich am tiefsten Theile der Sclerotica an.
Fig. 317.
Z„-
B
Cohmha domeallcu. — A, Grund der linken Augenhöhle, etwa vierfach A'ergrössert.
oc, Nervus oculomotorius; a, Verbindungsast zwischen ihm und dem Augenaste des
Trigeminus ; 6, Nerv des oberen geraden Muskels ds ; c, Nei-v des unteren geraden
Muskels dif; d, Nerv der Nickhautmuskeln; de, äusserer gerader Muskel; e, Nervus
abducens ; y, Nerv des unteren schiefen Muskels o'i; ;/, Ciliarknoten ; h, Nerven der
Iris; i, Nerv des unteren geraden Muskels di; /.-, Harder'sche Drüse; /, Oeftnung
ihres Canales ; os, oberer schiefer Muskel; tr, Nervus trochlearis ; tri, Augenast des
Trigeminus. B, die Nickhaut und ihre Muskeln in doppelter Vergrösserung. Der
Augapfel mit seinen Muskehi ist weggenommen, h, Nickhaut; a, Sehne; b, Pyra-
midenmuske] ; c, viereckiger Muskel.
Die Harder'sche Drüse {k, Fig. 317, A) liegt auf dem vorderen
Rande der Orbita, grösstentheils bedeckt vom unteren schiefen und
oberen geraden Augenmuskel. Sie hat eine blassgelbe Farbe und die
Gestalt eines Dudelsackes. Ihr ziemlich langer Ausführungsgang be-
schreibt einen Bogen und öffnet sich (h) vor dem Auge etwa in der Höhe des
Vögel. 78.3
Durchgangspunktes des Augenastes vom Trigeminus durch die Scheide-
wand der Orbita. Bei schwacher Vergrösserung zeigt sich die Drüse aus
mehreren, nicht immer deutlich begrenzten Lappen zusammengesetzt, die
von einer gemeinsamen Hülle umgeben werden. Jeder Lappen besteht
aus zahlreichen Drüsenröhrchen, deren zellige Wände die Flüssigkeit ab-
sondern, welche aus den Röhrchen in den gemeinsamen Canal übergeht.
Die weit kleinere, weissiiche Thränendrüse liegt im hinteren
und oberen Winkel der Augenhöhle ; sie zeigt deutliche Läppchen und
ergiesst ihre Flüssigkeit über die Hornhaut, von wo sie sich in zwei
Thränengängen sammelt, die in dem vorderen Yereinigungswinkel der
beiden Augenlider beginnen. Diese Gänge sind ziemlich weit, verlaufen in
gerader Richtung zum Grunde der Nasenhöhle und vereinigen' sich in
einem einzigen Canale, der im hinteren Winkel der J^asenhöhle mündet.
Der Augapfel besitzt sechs Augenmuskeln (Fig. 317, A), vier
gerade und zwei schiefe. Der obere gerade Muskel (ds) ist der
mächtigste von allen. Er geht von dem oberen Rande des Durchtritts-
loches des Sehnerven aus, läuft in etwas schiefer Richtung nach vorn
und bedeckt die beiden schiefen Augenmuskeln, sowie einen Theil des
Augenastes des Trigeminus. Der untere gerade Muskel (dif)
ist kurz; er erstreckt sich vom Eintrittsloche des Sehnerven zum
unteren Rande des Augapfels. Der innere gerade Muskel (di)
geht oben ebenfalls vom Eintritte des Sehnerven aus und bedeckt an
der unteren Fläche des Augapfels das freie Ende der Härder 'sehen
Drüse. Der äussere gerade Muskel mit demselben Ursprünge
bedeckt theilweise den Nervus trochlearis. Der schiefe obere
Muskel (os) geht von der Vorderwand der Orbita aus und ist auf
seinem Verlaufe nach hinten grösstentheils von dem oberen, geraden
Muskel überdeckt. Seinem Entstehungspunkte gegenüber beginnt der
untere schiefe Muskel (oi) an der Orbital wand als schmächtiges
Bündel , umzieht den unteren imd vorderen Rand des xlugapfels und
wird an seinem proximalen Theile von dem Ausführungsgange der
Härder' sehen Drüse gekreuzt, während sein distaler Theil das sack-
förmige Ende der Drüse überdeckt. Alle diese Muskeln setzen sich mit
breiten, dünnen Sehnenblättern im Umkreise des Augapfels an die ent-
sprechenden Punkte des Scleroticalringes an.
Hörorgan. — Es liegt hinten an dem Schädel in den Seiten-
wänden ; ein äusseres Ohr fehlt durchaus. Der im Durchschnitt runde,
äussere Gehör gang öffnet sich etwas hinter und unter dem Auge.
Der untere Rand der Mündung ist etwas aufgewulstet. Der Gang
richtet sich nach innen und hinten und das Trommelfell liegt so
tief im Inneren des Ganges, dass man es von aussen nicht sehen kann.
Es baucht sich nach aussen auf und ist an einem unvollständigen,
ovalen Rahmen befestigt, der von dem seitlichen Hinterhauptsbein und
dem Quadratbein gebildet wird.
784
Wirbelthiere.
Das verliältnissmässig kleine, mittlere Ohr wird von derPauken-
liöhle gebildet, welche durch die Eustachi' sehe Trompete in den
Gaumen unmittelbar hinter den Choanen ausmündet. Ein Knochen-
stäbchen, die Coluraella, durchsetzt die Paukenhöhle. Sein distales,
dem Trommelfelle angelagertes Ende ist mit einem faserknorpeligen
Stücke in Verbindung, das drei Fortsätze zeigt. Der erste Fortsatz legt
sich an das Trommelfell; der zweite, der ziemlich k\irz ist, setzt sich
nach hinten an den Rahmen des Trommelfelles an; der dritte, längste,
steigt an dem unteren Rande des Rahmens nach unten und setzt sich
an das Quadratbein an. Das proximale Ende der Columella ver-
breitert sich zu einer ovalen Knocheuplatte , welche sich in das ovale
rio-. 318.
Columba domesttca. — Häutiges Labyrinth, etwa sechsfach vergrössert. A, mediale
Seite; B, seitliche Ansicht, aa, vordere Ampulle; ae, äussere Ampulle; ap, hin-
tere Ampulle ; c a, vorderer halbkreisförmiger Canal ; c e, äusserer Canal ; cp, hin-
terer Canal ; de, Ductus endolymphaticus; g, Nerv der Lagena; /, Hörwarze der La-
gena; mn, Hörfleck des Eecessus utriculi ; n, Eintritt des Hörnerven; o, Otolithen ;
rp. Hörleiste der hinteren Ampulle; s, Sacculus ; su, oberer Sinus; sup, hinterer
Sinus, i, Lagena; u, Utriculus (nach Eetzius).
Fenster des knöchernen Labyrinthes einlegt. Das häutige Laby-
rinth (Fig. 318) begreift den Utriculus, den Sacculus, die halb zirkei-
förmigen Canäle mit ihren Ampullen, die Lagena und den endo-
lymphatischen Canal. Wir entnehmen dem classischen Werke von
Retzius folgende Einzelheiten. Der Utriculus (w) bildet eine un-
regelmässige Höhle , die sich nach vorn in einen weiten , mit eigenem
Hörflecke versehenen Raum, den Recessus utriculi (nni), nach hinten
Vögel. 785
in den hinteren Sinus (sup), nach vorn in den vorderen Sinus (su)
fortsetzt. Die vordere Ampulle (aa) leitet einerseits in den Re-
cessus, anderseits in den vorderen Canal (ca), der vertical verläuft;
sie erhält einen besonderen Zweig des Hörnerven (ra). Die weit
grössere äussere Ampulle (aß) ist der Anfang des fast horizontal
verlaufenden äusseren Halbkreiscanales. Die hintere Ampulle (rtj^*),
die grösste von allen , die eine besondere Hörleiste mit Nerv (rp>) be-
sitzt, führt einerseits in den hinteren Sinus des Utriculus , anderseits
in den hinteren Halbkreiscanal (cp) , der den vorderen in rechtem
Winkel kreuzt. Der Sacculus (s) ist eine den Boden des Recessus
utriculi berührende Blase, welche ein besonderes Nervenpolster (ms)
besitzt. Vom Sacculus geht ein feiner, trichterförmiger Gang, der
endolymphatische Canal (de) aus, der senkrecht nach oben
steigt und sich mit einer kleinen , sackförmigen Erweiterung an das
Schädeldach anlegt. Anderseits geht von dem Sacculus nach hinten
und aussen der Canalis sacculo-cochlearis aus. Nach unten verlängert
sich der Sacculus in einen weiten, gekrümmten, blind endenden
Schlauch, die Lagena (l) , die der Schnecke der Säugethiere homolog
ist. Der häutige Schlauch enthält in seinem Inneren die Rampen des
Trommelfelles und des Vestibulums, die am unteren Ende des Schlauches
zusammeufliesseu. Ein besonderer Nerv (g) begiebt sich zu einer Höi*-
warze (/) im blinden Ende der Lagena, die wie alle Hörflecken und
Hörleisten besondere Hörzellen trägt. Im Inneren der Lagena finden
sich zahlreiche Otolithen (o).
Ver dauungs organ e. — Da die beiden scharfen und lippenlosen
Schnabelhälften erst hinter dem Auge im Winkel zusammentreffen,
erscheint die Mundhöhle sehr lang und weit gespalten. Dach
(Ä, Fig. 319 a. f. S.) und Boden (£, Fig. 319) der Mundhöhle werden
beide von einem aus mehreren Schichten abgeplatteter Zellen ge-
bildeten Epithelium ausgekleidet. Der knöcherne Gaumen wird
hinten von den Keil- und Flügelbeinen , seitlich von den Oberkiefern,
vorn von dem etwas nach unten gebogenen Zwischenkiefer gebildet;
zu beiden Seiten der Mittellinie liegen vor den Flügelbeinen die von
einander getrennten Blätter der Gaumenbeine. Die zwischen diesen
Blättern geöffnete Spalte, die hintere Nasenöffnung oderChoane
[h, Fig. 319, Ä), ist vorn eng, nach hinten etwas verbreitert und die
Hautränder dieser Spalte sind mit kleinen , kurzen Fransen besetzt.
Unter der Haut finden sich hier zahlreiche Schleimdrüsen (/), welche
sich in die Mundhöhle öffnen. Das Epithelium bildet jederseits zwischen
der Choane und den Kieferrändern einen Längswulst (g) , der an der
Schnabelspitze beginnt und sich bis zum Anfange des Schlundes
fortsetzt. Zwischen diesem Wulste und dem Schnabelrande finden
sich noch einige kleine isolirte Schleimdrüsen, die sich ebenfalls in die
Mundhöhle öffnen. Hinter der Choane liegen die ebenfalls spalt-
Vogt u. Yuiig, ijrakt. vergl. Anatomie. II. _^(j
786
Wirbelthiere,
förmigen Mündungen der Eustachi'schen Röhren (c), hinter
welchen die Schleimhaut des Gaumens zwei segelartige Vorsprüuge (e)
bildet, deren hinterer, freier Rand mit feinen, nach hinten gerichteten
Zähnelungen vorspringt. Diese Vorsprünge bezeichnen die Grenze
zwischen der Mundhöhle und dem Schlünde; sie enthalten eine grosse
Anzahl von Drüsen , deren Ausführungsgänge sich auf kleinen , in die
Mundhöhle vorspringenden Wärzchen öffnen. Der Boden der Mund-
höhle (B, Fig. 319) wird von den beiden Hälften des Unterkiefers be-
grenzt und ist grösstentheils von Muskeln und Drüsen mit Einschluss
der Körperhaut gebildet. Hinter der Zungenwurzel sieht man die
Stimmritze (o) in Gestalt einer Amphore, mit querer, vorderer Er-
Fio-. 319.
A
C'oluinba domesüca. — Die Mundhöhle in doppelter Vergrösserung. A, Gaumeiidach.
«, Schnabelspitze; ö, Choane ; c, Eustachi' sehe Röhre; d, Schlund; e, Drüsenwulst ;
y, blossgelegte Drüsen zu beiden Seiten der Choane ; g, Mittelwulst. jB, Boden der
Mundhöhle; rechterseits ist die Schleimhaut weggenommen. «, Unterkiefer ; &, Zungen-
drüsen ; c. deren OefFnuugen ; d, Muskel von der Glottis zum Boden gehend ; e,
äussere, intermandibulare Drüse; J\ (/, Mm. genio-hyoidei ; h, M. mylo-hyoideus ;
i, äusserer Verengerer der Stimmritze; in, hintere Zähnelungen des Drüsenwulstes /;
?i, OefFnungen der Drüsen des Wulstes ; o, Stimmritze ; p, OefTnungen der Drüsen
des Wulstes q; r, Epithelium des Mundbodens; s, innerer Verengerer der Stimm-
ritze; t, Oeftnungen der inneren Intemiandibulardrüsen ü/ ; v, Muskel dieser Drüse;
, ir, linke Hälfte der durch einen Länsfssclinitt setheilten Zun^e.
weitei'ung, die nach hinten in eine Längsspalte ausläuft und sehr dicke,
gezähnelte Lippen zeigt. Zu ihren Seiten sieht man zwei fleischige
Vögel. 7S7
Wülste, die von dem Yerengerer der Stimmritze (s) gebildet werden.
Die Hinterränder dieser Wülste heben sich ab, indem sie aus einander
weichen and einen V-förmigen Raum zwischen sich lassen, in welchen
die zahlreichen, nach hinten gerichteten Zähnelungen vorragen, mit
welchen der liinterrand der Wülste besetzt ist. Vor diesen Zähne-
Inngen liegen in der Dicke der Schleimhaut zahlreiche Drüsen (1),
deren unter der Lupe sichtbare Mündungen (m) auf der Spitze kleiner
Wärzchen sich in die Mundhöhle öffnen. Diese unteren Wülste liegen
den ebenso gebildeten, oberen Wülsten so gegenüber, dass beide sich
beim Schliessen des Schnabels berühren ; sie erleichtern durch ihre Ab-
sonderung das Hinunterschlucken der Nahrung und verhindern zu-
gleich durch ihre Zähnelungen den Rücktritt in die Mundhöhle. Vor
der Stimmritze, in dem zwischen ihr und den hinteren Anhängen der
Zunge liegenden, vorgewölbten Räume finden sich zahlreiche Drüsen (5).
deren regellos zerstreute Mündungen f^:») mit blossem Auge sicht-
bar sind.
Die Zunge (iv, Fig. olD, B) hat- die Gestalt eines schmalen
Lanzeneisens; die Spitze wird von einer hornigen Lamelle gebildet,
nach hinten verlängert sie sich in zwei seitliche Flügel , die bis zur
Stimmritze reichen , die Hinterzungendrüse (q) umfassen und an ihren
freien Rändern mit rückwärts gerichteten Zähnelungen besetzt sind.
Die vorderen zwei Drittel der Zunge sind frei, das hintere Drittel ist
durch ein musculöses Band an dem Boden der IMundhöhle befestigt.
Ein (^)uerschnitt der Zunge zeigt einen dreieckigen ümriss; die obere,
dorsale Fläche ist etwas eingedrückt, die beiden Seitenflächen leicht
vorgewölbt. Unter der Schleimhaut der Seitenflächen finden sich die
Zungendrüsen (h) in Gestalt zweier länglicher, nach vorn sich
verschmälernder, nach hinten breiter werdender Körper, deren Aus-
führungsgänge sich mit etwa einem Dutzend von ^Mündungen (c) in
rgelmässigen Zwischenräumen vorn an den Seiten, hinten auf der Rück-
seite der Zunge bis zum Abgange der Flügel öff'nen. Ein verhorntes
Epithelium überzieht das ausserdem aus dem Zungenknochen, den Mus-
keln, Nerven und Gefässen gebildete Organ.
Munddrüsen. — Ausser den angeführten Drüsen des Gaumens,
der Zunge und der Umgebung der Stimmritze finden sich noch inner-
halb der Unterkieferäste auf beiden Seiten der Mittellinie zwei ge-
sonderte, dem Unterkiefer parallel laufende Drüsenkörper, die Zwischen-
kieferdrüsen. Die innere, bedeutendere Drüse (11, Fig. 319, B)
wird von etwa einem Dutzend dickwandiger Drüsenschläuche gebildet,
welche vorn und hinten kürzer, in der Mitte am längsten sind, .Jeder
Schlauch mündet isolirt in der Nähe der Mittellinie mit einer, mit
blossem Auge sichtbaren Oeffnung (t). An das blinde Ende jedes
Schlauches setzen sich einige Muskelbündelchen an. die zusammen-
fliessen und so einen Schliesser der Stimmritze (r) bilden, der sich an
50*
788 Wirbelthiere.
den Rändern der Stimmritze anheftet. Von der Innenwand jedes
Schlauches gehen vorspringende Längsfalten aus, deren Flächen mit
Drüsenzellen ausgekleidet sind: ein Querschnitt eines Schlauches bietet
demnach das Bild eines Rades, von welchem strahlenförmige Speichen
nach innen strahlen und so Gefache bilden, die sich in eine centrale
Höhle öffnen, welche durch die Wirkung der angehefteten Muskelfasern
des Stimmritzenschliessers entleert werden kann. Die äussere
Zwischenkieferdrüse (e), die weit kleiner als die vorige ist, hat
gefranste Ränder und gleicht einer lang ausgezogenen, etwas ge-
krümmten Traube. Jedes Korn der Traube mündet durch eine be-
sondere Oeffnung in die Mundhöhle. Unmittelbar an dem Unterkiefer-
gelenk liegt noch eine kleine , in die Länge gezogene, traubige Drüse,
die Eckdrüse; sie mündet mit einem einzigen Ausführungsgange in
die Rachenhöhle.
Der Schlund (c, Fig. 291) hat die Gestalt eines sehr weiten
Trichters , der sich rasch verengt , innere Längsfalten zeigt und längs
des Halses, unmittelbar an der Luftröhre anliegend, herabsteigt; er
erweitert sich plötzlich in einen weiten Sack, den Kropf (cZ, Fig. 291),
der bei der Taube eine wichtige Rolle spielt, indem er nach dem
Ausschlüpfen der Jungen aus dem Ei eine weissliche, käsige Masse ab-
sondert, womit die Eltern ihre Jungen in der ersten Zeit speisen. Der
Kropf liegt an dem unteren Halsende in dem Winkel zwischen den
Aesten des Gabelbeines als eine dorsal abgeplattete, nach beiden Seiten
ausgebreitete, ventrale Erweiterung des Schlundes, deren Volumen sehr,
je nach dem Zustande der Füllung, variirt; die Wände sind in der
Nähe der Oeffnungen bedeutend verdickt, sonst aber sehr dünn und
durchscheinend und in Abständen mit Längs- und Querbündeln von
Muskeln ausgestattet. Die hintere Oeffnung liegt auf der dorsalen
Seite und zeigt fünf grössere und drei kleinei^e, vorspringende Längs-
falten, welche sich in den Oesophagus fortsetzen. In diesen, mit
dickem , verhorntem Epithelium überzogenen Wülsten finden sich
Drüsen, welche mit zahlreichen Oeffnungen an den Seiten der Wülste
ausmünden.
Hinter dem Kröpfe nimmt der Schlund seine vorigen Dimensionen
au und geht dann in den Drüsenmagen über. Querschnitte zeigen als
Bildungselemente des Schlundes aussen die seröse Hülle aus netz-
förmigem Bindegewebe. mit zahlreichen, länglichen Kernen, sodann eine
Schicht von Kreismuskelfasern , auf die eine Schicht von Längsfasern
folgt, die in einzelne, im Bindegewebe eingehüllte Bündel zerfällt,
zwischen welchen zahlreiche Nerven und Gefässe verlaufen. Die sehr
dicke, innere Schleimhaut besteht aus zahlreichen Schichten von Zellen,
die am Grunde runde Kerne zeigen , welche sich leicht mit Carmin
färben, während die Kerne der oberflächlichen , verhornten Zellen ab-
geplattet sind und sich nicht färben.
Vöffel.
7S<
Der Drüsenmagen Qrr, Fig. 291) ist ein sehr dickwandiger
Hohlcylinder , dessen hinteres Ende an den dorsalen Rand des Muskel-
magens herangeht. Die Schicht von Längsmuskelfasern, welche auf
die seröse Hülle folgt, ist nur sehr dünn, während die Quermuskeln
einen zusammenhängenden Hohlcylinder bilden, in dessen Gewebe ab-
geplattete Kerne liegen. Die dickste Schicht wird innen von grossen,
dicht an einander gepressten Drüsen gebildet, welche die Gestalt eines
langgestreckten Kegels haben und mit ihrem blinden, weiteren Ende
auf der inneren Längsmuskelschicht aufsitzen. Diese durch Binde-
gewebe zusammengehaltenen zahlreichen Drüsenkegel reihen sich nach
schiefen, parallelen Linien an einander. Ihre Mündungen finden sich
auf kleinen, in die Höhle des Drüsenmagens vorspringenden Wärzchen
und sind weit genug, um mit blossem Auge erkannt werden zu können.
Jeder Drüsenschlauch hat eine eigene Hüllmembran , und in seine
innere Höhlung springen strahlig gestellte Fältchen vor, auf deren
Fio-. 520.
Columbu domeslica. — Der iluskelinagpii in natürlicher Grösse. A. der grossen Axe
nach und den Seiten parallel in zwei Hälften getheilt. B, Querschnitt durch die
Mitte der Seitenflächen, a, Centrum der Seitenfläche ohne Muskeln; b, Muskellao'e
in ihrer grössten Dicke ; c, innere Höhlung ; c/, Einmündung des Drüsenmagens.
Flächen die Drüsenzellen liegen und die kleine Kämmerchen bilden, die
ihre Absonderung in den Centralcanal des Drüsenschlauches entleeren.
Der Muskelmagen {h, Fig. 291) hat, wie oben gesagt, die Ge-
stalt einer biconvexen Linse. Er liegt in dem hinteren Abschnitte
der Bauchhöhle in der Art, dass seine äussere Fläche sich an die Wand
der Bauchhöhle anlegt, während die innere Fläche den Darmwindungen
zugewendet ist. Beide Flächen schillern glänzend in Folge der Aus-
bildung von Sehnenblättern, welche in der Mitte sehr verdickt sind,
aber gegen die Ränder hin zusehends dünner werden. Die dicken
Wände sind von Kreismuskeln gebildet, welche in der Nähe des Mittel-
punktes jeder Fläche entspringen. Die Mitte des Magens selbst ist
aber dünn (a, Fig. 320, A) , da sie nur von der erwähnten Sehnen-
790
Wirbelthiere.
ausbreituug gebildet und von der inneren Hornschicbt überzogen wird.
Der anfangs dünne Muskel schwillt gegen die Ränder hin zusehends
an und bildet hier eine ausserordentlich dicke Lage (b). Ein durch
das distale Ende des Drüsenmagens gelegter Längsschnitt (^, Fig. 320)
durchsetzt die Muskellage in ihrer grössten Dicke. Hier sowohl, wie
auf Querschnitten (B, Fig. 320) sieht man, dass die Muskelmasse aus
concentrisch gelagerten Schichten besteht (b) , welche durch Binde-
gewebe zusammengehalten werden. Bei stärkerer Vergrösserung
(Fig. 321, J3) kann man deutlich diese Schichten (a), das eingeschaltete
Bindegewebe (b) und dann eine innere Schicht von Längsmuskelfasern
Fiff. 321.
«s- -^
A
B
Columha domestlca. — Innenwand des Muskelmagens. A, Quersclmitt der Drüsen.
Verick, Oc. 3, Obj. 7. a, Drüsenzellen; b, ihre Kerne; c, Umhüllungshaut der
Drüsen ; d, Centralcanal ; e, die Drüsen vereinigendes Bindegewebe. B, Längsschnitt
der Di'üsen bei geringer Vergrösserung. u, Kreismuskeln ; b, Bindegewebe ; d, Längs-
muskeln; e, Drüsenwände ; y', Cuticula ; g, Canäle der Drüsen.
(d) unterscheiden, auf welche eine Schiclit langer Drüsenschläuche (e)
folgt, welche eine sehr dicke, innere Hornhaut (/) absondern. Die
Hornschicbt ist runzelig , rauh , färbt sich kaum mit Cai-min und
dringt, sich verdünnernd, sowohl in das Ende des Drüsenmagens als in
den xinfang des Darmes ein. Auf gefärbten Schnitten tritt die Drüsen-
schicht besonders deutlich hervor; sie besteht aus zahllosen, mit ihren
blinden , etwas erweiterten Enden (g) auf die Längsmuskeln ein-
Vögel. 791
gepflanzten Schläncheu. Jeder Drüseuschlauch (Fig. -321, Ä) ist von
einer eigenen Hüllmembran (c) umkleidet; seine Wände werden von
strahlig gestellten Cylinderzellen (a) gebildet, deren runde Kerne am
Grunde liegen ; die weiten Mündungen der Drüsenschläuche springen
mit ihren Wandungen etwas vor, so dass Längsschnitte (B) die Figur
eines Kammes zeigen.
Das Duodenum (/, Fig, 291; g und i, Fig. 323) entspringt auf
der Innenfläche des Muskelmagens, nahe bei dem Eintritte des Drüsen-
magens; es bildet eine das Pankreas umschliessende Schlinge und setzt
sich unmittelbar in den Dünndarm (?'^, Fig. 291) fort, welcher zahl-
reiche, an Mesenterialfalten aufgehängte Windungen beschreibt, die
fast den ganzen Hinterraum der Bauchhöhle einnehmen. In den Dünn-
darm münden am Ende zwei seitliche, etwa einen Centimeter lange Blind-
därme (l). Das etwa fünf Centimeter lange Rectum (m) mündet in
die weite Cloake (d, Fig. 291), die sich durch den After (o, Fig. 291),
eine von einem Sphincter umgebene Querspalte mit gefalteten Rän-
dern, nach aussen und unten öffnet. Die Vorderwand der Cloake
bildet zwei über einander liegende Falten , welche die Vordergegend
der Cloake in drei Kammern theilen , die ventrale Afterkammer, die
mittlere Urogenitalkammer und die obere Kammer, das Protodaeum.
Die Afterkammer ist die geräumigste ; sie bildet die Fortsetzung des
Afterdarmes ; die weit kleinere Mittelkammer nimmt die Producte der
Harn- und Geschlechtsorgane auf. Auf der Hiuterwand dieser Kammer
springen nahe an der Mittellinie die Mündungen der Hai'nleiter als
kleine Wärzchen vor; nach aussen von ihnen liegen beim Männchen
die spaltförmigen Oeffnungen der Samenleiter. Die obere, sehr ge-
räumige Kammer führt durch eine dreieckige, vordere Oeffnung in die
Fabricius'sche Tasche, ein birnförmiger weiter Beutel, der etwa
zwei Centimeter lang, einen Centimeter breit ist und mit einem nach
hinten gerichteten Canale in di» Cloake mündet. Die Tasche ist durch
ein Sehnenband an die Wirbelsäule angeheftet.
Die Wand des Darmes (Fig. 322 a. f. S.) wird, wie gewöhn-
lich, nach aussen von einer an Blutgefässen und Nerven reichen,
serösen Hülle (d) aus Bindegewebe gebildet. Darauf folgt eine dicke
Kreismuskelschicht (e), zwischen deren Fasern glatte Kerne liegen,
dann die dünne Schicht von Längsmuskeln (c) und ganz nach innen
die Schleimhaut (rt), die sehr zahlreiche, fingerförmige Zotten bildet,
welche oft bis in die Mitte der Darmhöhle reichen und in den Maschen
des sie bildenden Bindegewebes Netze von Blutgefässen (b) und Lymph-
gefässen enthalten. Die Zotten sind im Duodenum und dem Dünn-
darm sehr lang und schmal, in den Blinddärmen dagegen sehr breit,
so dass sie grosse Massen bilden, welche fast vollständig die Höhle der
Blinddärme ausfüllen. Zwischen den Zotten zeigen sich in der Schleim-
haut die Lieber kühn 'sehe n Drüsen (g) , lange, feine Schläuche,
792
Wirbelthiere.
rig-. 322.
welche mit ihrem geschlossenen Grunde auf der Längsmuskelschicht
aufsitzen. Das Endothelium dieser Drüsenschläuche (r/) wird von
grossen Cylinderzellen mit länglichen Kernen gebildet, deren Mündungen
in den Centralcanal des Schlauches mit einer auch bei schwachen Ver-
grösserungen sichtbaren Grenzschicht (70 ausgekleidet sind. Die
Lieberkühn" sehen Drüsen finden sich in grosser Menge im Duo-
denum und Dünndarm;
in den Blinddärmen sind
sie selten.
Die Anhangsgebilde
des Darmes (Fig. 32.3)
bestehen aus der Milz,
dem Pankreas und der
Leber.
Die Milz (b , Fig.
323) ist verhältniss-
mässig sehr klein, ab-
geplattet und von läng-
licher Gestalt. Durch
Mesenteriallamellen ist
sie einerseits an den
Hiuterrand des dorsalen
Leberlappens, anderseits
an das hintere Ende des
Drüsenmagens (c) an-
geheftet und zeigt die
gewöhnliche , an Blut-
gefässen so reiche Aus-
stattung, in deren Ein-
zelheiten wir nicht ein-
gehen.
Das Pankreas (f,h,
Je, Fig. 323) bildet eine
lange, feste Drüse von grauröthlicher Farbe, die in der Schlinge des
Duodenums eingeschlossen ist. Sie besteht aus drei Ha.uptlappen, von
welchen zwei auf der einen, der dritte auf der entgegengesetzten
Fläche des Gekrösblattes aufliegt, welches die beiden Schenkel der
Darmschlinge mit einander verbindet. Auf der ventralen Seite sieht
man in der Höhe des Anfanges des Duodenums einen Lappen (It),
dessen hinteres Ende das Gekrösblatt durchsetzt und sich in die dor-
sale Hälfte der Drüse fortsetzt. Nach hinten zeigen sich zwei eng
verbundene Lappen (/und 7;), deren kleinerer sich bis in den Winkel
der Darmschlinge verlängert. Auf der dorsalen Fläche des Gekrös-
blattes liegt nur ein grosser, länglicher Lappen (h). Der Bauch-
Colmnba domestica. — Querschnitt der DaimwanJ.
a. Durchschnitt einer Papille , die ein Getäss b ent-
hält: c, Längsmuskeln mit Gefässen /'; c/, serüse
Haut : e, Kreismuskeln : g, Drüsenzellen : fi, Cuticula
der I)rüsen ; i. Lieberkühn'sche Drüsenschläuche.
Vcio^el.
'93
Speichel wird durch drei besondere Gänge in den Darm ergossen; zwei
Yon diesen Gängen (?) kommen aus den ventralen Lappen, der dritte
{)i) aus dem dorsalen Lappen.
Die Leber (o, a\ Fig. 323) bildet vor dem Drüsenmagen eine
dicke Masse von brauner Farbe und setzt sich aus zwei grossen Lappen
zusammen, die an den Bauchwänden anliegen und, die Spitze des
Fio-. 323.
Columba domesticu. — Dorsale Ansicht des Duodenums und seiner Anliangsorgane iu
natürlicher Grösse, a, linker Leberlappen; a-"-. rechter Leberlappen: c. Ende des
Drüsenmagens; c^, Durchschnitt desselben: cZ, Arterie des Muskelmagens: f, h. ven-
trale Lappen des Pankreas ; g, absteigender Ast der Duodenalschlinge : /, aufsteigender
Ast derselben ; l\ dorsaler Lappen des Pankreas ; /, untere Ausführungsgänge des
Pankreas: ;?!. oberer Ausführungsgang; o, p, Gallengänge.
794 Wirbel thiere.
Herzens umfassend, in der ventralen Mittellinie an einander stossen. Der
linke, grössere Lappen (ft) reicht mit seiner hinteren Spitze bis an die
Nieren und bedeckt zum Theil den kleineren, rechten Lappen (a'). Die
Hinterränder der nach vorn stark verdickten Lappen schärfen sich zu ;
die Masse verschmilzt nach vorn und umgiebt einen grossen Theil des
Drüsenmagens. Jeder Lappen zerfällt in einige secundäre Läppchen.
Die äusseren Flächen der Leber sind glatt und gewölbt, auf der inneren
Fläche zeigen sich tiefe Eindi'ücke, in welchen Theile der Darm-
schlingen liegen. Der grösste dieser Eindrücke, der am linken Lappen
ausgegraben ist, nimmt die vordere Hälfte des Muskelmagens auf.
Eine Gallenblase fehlt; die Galle wird dem Duodenum unmittelbar
durch zwei, an Länge und Dicke sehr ungleiche Gallengänge zugeführt;
der weitere, aber kürzere dieser Gänge (p) beschreibt eine leichte
Curve nach hinten und mündet in das proximale Ende des Duodenums;
der andere, feinere aber längere (o), folgt dem inneren Rande des auf-
steigenden Schenkels der Darmschlinge und mündet in ^diese in der
Nähe der hinteren Ausführungsgänge des Pankreas.
Harnorgane, — Die Niereu (Fig. 331) liegen symmetrisch
zu beiden Seiten der Wirbelsäule unmittelbar an. Jede Hälfte be-
ginnt hinter der Leber und besteht aus drei, von vorn nach hinten
au Volumen zunehmenden Massen. Das Bauchfell ti-ennt sie von der
Eingeweidehöhle ab, indem es sie nur auf ihrer venti'alen P^läche über-
zieht, welche eine Menge von kleinen Windungen zeigt, die an die
Hirnwindungen erinnern. Auf der unmittelbar den Wirbeln an-
liegenden dorsalen Fläche drücken sich die Unebenheiten der Wirbel
ab; an dem vorderen Lappen (r) diejenigen des Darmbeines und der
Querfortsätze des Lendenwirbels; der mittlere Lappen (r^) wird von
den Nervenstämmen durchsetzt, welche das Hüftgeflecht bilden, er
zeigt, wie der hintere Lappen (r-), eine tiefe Längsrinne, in welche der
Harnleiter verläuft. Dieser, auf seiner dorsalen Fläche in Form einer
Halbkugel vorgewölbte Lappen passt in die Griibe des Darmbeines
hinter dem Foramen obturatorium. Wie überall, bestehen die Nieren
aus einem bindegewebigen Stroraa, in welchem Blut- und Lymph-
gefässe, Nerven und Harncanäle verlaufen. Letztere sind sehr fein;
die Bowm an 'sehen Kapseln, aus welchen sie hervox'gehen , liegen
grösstentheils in der Rindensubstanz. Die sehr geschlängelten Harn-
canälchen fliessen zusammen und mündeu in ein auf der ventralen
Fläche der Niere nahe an ihrem Innenrande angebrachtes, in die Länge
gezogenes Becken, aus welchem der Harnleiter entspringt. Die
beiden Harnleiter krümmen sich nach ihrem Austritte aus der Niere
um die Fahr icius' sehe Tasche herum und münden, jeder für sich,
auf einem kleinen Wärzchen in die Ui"ogenitalkammer der Cloake.
Der Harn ist, wie derjenige der Reptilien, breiig und von weisser
Farbe.
Vögel. 795
Die Nebennieren (ec, Fig. 331) liegen als gelbliche, etwa
erbsengi'osse Körper jederseits vor dem Vordereude des ersten Nieren-
lappens, zwischen diesem und den Geschlechtsdrüsen. Sie enthalten
zahlreiche, gewundene Blindschläuche; die Zellen ihrer Wandungen
sind undeutlich, etwas in die Länge gezogen und besitzen grosse,
runde, excentrische Kerne. In dem zelligen Protoplasma sind zahl-
reiche, stark lichtbrechende Körnchen zerstreut.
Geschlechtsorgane. — Die wurstförmigen, gelblichweisseu
Hoden (t, Fig. 331) liegen auf der Innenseite des Vorderendes des
ersten Nierenlappens, von einem besonderen Mesenterialblatte umgeben.
Die äussere, sehnige Hülle sendet vorspringende Blätter nach innen
und theilt so das Organ in Kammern, in welchen die Samencanälchen
vielfach gewunden und verästelt verlaufen. Die Canälchen sammeln
sich in einem unscheinbaren Nebenhoden, der sich in den am Innen-
raude der Stirnlappen neben dem Harnleiter verlaufenden Samenleiter
fortsetzt. Dieser mündet, ohne eine Erweiterung in seiner Länge zu
zeigen, auf die beschriebene Weise in die Cloake.
Der Eierstock (g, Fig. 292) liegt an dem lunenrande des ersten
linken Nierenlappens hart an der absteigenden Aorta, von welcher er
eine starke Arterie erhält. Seine Gestalt und Grösse wechseln un-
gemein, je nach Alter und Jahreszeiten. Bei jungen Thieren bildet
er einen in dorso- ventraler Richtung abgeplatteten, vorn breiteren,
hinten schmäleren Körper von gelblicher Farbe, auf dessen Oberfläche
man Querfältchen gewahrt. Auf Schnitten kann man ein Epithelium
mit Cylinderzellen unterscheiden , welches die Kapsel des Eierstockes
bildet. In dem losen , aus Bindegewebe gebildeten Stroma liegen
Eichen in verschiedeneu Entwicklungsstadieu. Der Eierstock eines
erwachsenen Thieres liegt näher an der Mittellinie der Wirbelsäule
und hat die Gestalt einer Traube, an welcher Eier von verschiedener
Grösse stark vorspringen. Nicht selten findet man einen vei'kümmerten,
rechten Eierstock in Gestalt einer kleinen, runzeligen Masse, die dem
ersten Nierenlappen rechterseits anliegt.
Der Eileiter (o r, Fig. 292) bildet einen abgeplatteten Schlauch,
der durch eine Mesenterialfalte an die Körperwand geheftet ist und
nach vorn mit einem weiten Trichter beginnt, dessen Gestalt und
Grösse je nach den Jahreszeiten sehr wechselt. Die Oeffnung des
Trichters (par) ist bald dem Eierstocke zugewendet, bald von dem-
selben abgewendet. Der Schlauch verläuft mit vielen Windungen, die
sich bald hier,; bald dort verwischen, längs den Nierenlappen nach
hinten. Auf seiner ganzen Länge zeigt der Schlauch im Inneren
Längsfalten. Seine Wände zeigen aussen eine dünne, seröse Hülle,
dann eine Längsmuskelschicht, deren Mächtigkeit an verschiedenen
Abschnitten wechselt. Dann folgt eine Bindegewebsschicht mit zahl-
reichen Blutgefässen und ganz nach innen eine von Cylinderzellen
796
Wirbeltbiere.
gebildete Drüsenschicht, welche das Eiweiss, die Schalenhaut und die
Schale absondern. Der Eileiter mündet durch eine, ausserhalb des
linken Harnleiters gelegene Spalte in die Cloake. Sowie man Rudi-
mente des rechten Eierstockes antrifft, findet man auch zuweilen, als
Rest des rechten Eileiters, das Ende desselben in Form einer blätterigen
Verdickung von weisslicher Farbe und der Länge eines Centimeters,
die ausserhalb der Cloake liegt und durch ein Mesenterialblatt an die
Körperwand angeheftet ist.
Die Athemorgane bestehen aus zwei Kehlköpfen, einem oberen
und einem unteren, aus der Luftröhre, den Lungen iind den Luft-
säcken, welche den Vögeln eigenthümlich sind. Als Nebenorgane
können noch die Diaphragmen angesehen werden.
Der obere Kehlkopf (Fig. 324) ist eine zur Aufnahme der
Athemluft bestimmte Erweiterving des oberen Endes der Luftröhre,
welche sich durch eine Längsspalte, die Glottis, in die hintere Racben-
höhle öffnet. Die Wände der relativ weiten Kehlkopfhöhle werden
Fig. 324.
Columhu domestlcu. — Oberer Kehlkopf, dreifach vergrüssert. A, im Profil. B, dor-
sale Fläche, oj", Cartilago arytaenoidea; an, vordere Erhebixng desselben; er, Car-
tilago cricoidea ; s, Verbindungsstück zwischen den genannten Knorpeln; t^ Cartilago
thyroidea mit den daran angebrachten Lücken o.
durch Knorpelringe gestützt, die nur modificirte Luftröhrenringe sind,
aber eine schiefe Lagerung angenommen haben und im Verein mit
einem unpaaren, ventralen Stücke eine feste Kapsel bilden, deren
Zwischenräume durch Bindegewebe ausgefüllt sind. Der vordere Ring,
der Gie sskann enk norpe 1 (Cartilago arytaenoidea, ar, Fig. 321)
ist unvollständig, da er unten klafft. Der auf der dorsalen Fläche
verbreiterte Knorpel wird durch eine tiefe Querfurche in zwei Theile
getheilt. Der vordere Theil (an) bildet, von der Seite gesehen (A),
einen starken Vorsprung und ist von dem hinteren Theile auf der
Rückenfläche (B) scharf gesondert. Die unteren Schenkel des Ringes
ruhen auf einem ventralen, unpaaren Stücke, dem Schildknorpel
(Cartilago thyroidca, t), einer vorn schmalen, nach hinten in der Art
Vögel. 797
verbreiterten Platte , dass die Flügel an den Seiten des Kehlkopfes in
die Höhe steigen. Der Knorpel zeigt kleine Durchlöcherungen (o).
Der Ringknorpel {CartUago cricoidea, er) besteht aus zwei seit-
lichen , oben wie unten getrennten Hälften , die bogenartig gekrümmt
sind. Das untere Ende ruht auf dem Schildknorpel, das obere stösst
auf einen kleinen, unpaaren, stabförmigen Knorpel (s), der nach hinten
etwas verdickt ist und nach vorn sich unter den Giesskannenknorpel
einschiebt.
Die Luftröhre hat ia ihrer ganzen Länge dasselbe Kaliber. Ihre
Wände werden durch zahlreiche Knorpelriuge gestützt, die auf der
ventralen Seite etwas schmäler sind als auf der dorsalen. Das innere Endo-
thelium des Rohres (Fig. 325, B) besteht aus cylindrischen Wimper-
zellen (g), die auf einer Drüsenschicht (/) auflagern; die Ausführungs-
gäuge dieser Drüsen ergiessen zähen Schleim in die Luftröhre. Nach
Fig. ;;25.
^-^^^
. h
i d
so
B
t'uhuiihu domtstlva. — A, doppelt vergröbserter Syriux, von der ventralen Fläche aus.
a, h, die beiden letzten Luttröhrenringe ; b <•,< Bronchen ; c, erster Ring derselben :
rJ, Schallmenibrau ; e. M. broncho- trachealis. B, Querschnitt der Luftröhrenwand.
Leitz, Oc. 3, Obj. 3. a, Umhüllungshaut ; &, Läugsmuskeln ; c. Perichondrium :
d, Knorpel; e. Blutgefässe;/', Drüsen: </, inneres Epithelium: /(. Bindegewebe.
aussen von der Drüsenschicht findet sich ein reich mit Blutgefässen
(e) ausgestattetes Bindegewebe {li), dessen äussere Schicht die Knorpel-
ringe (ß) mit ihrem Perichondrium (c) einschliesst ; dann folgt eine
namentlich seitlich entwickelte Schicht von glatten Längsmuskelfasei-n,
ip) und eine feine, äussere Hüllhaut (a).
Der untere Kehlkopf oder Syrinx (A, Fig. 325) ist der ton-
gebende Apparat. Er besteht in einer kegelförmigen, dorso- ventral
abgeplatteten Erweiterung des hinteren Endes der Luftröhre , deren
Basis sich plötzlich am Ursprünge der Bronchen (br) einschnürt und
die, ebenso wie die Bronchen, von unvollständigen Ringen umgeben
798
Wirbelthiere.
Fig. 326.
ist, welche beim Eintritte der Bronchen in die Lungen aufhören. Der
Syrinx ist fast ausschliesslich auf Kosten der beiden letzten Luftröhren-
ringe und der sie verbindenden Haut gebildet. Die beiden schmalen
Knorpelringe (a und h) fliessen auf der ventralen Seite in eine breite
Platte zusammen, während sie auf den Seiten stark aus einander weichen
und auf der dorsalen Seite, wo sie durch Längsbildchen sich vereinigen,
einander parallel sich erstrecken. Der zwischen diesen Ringen blei-
bende Raum wird von der Seh all m em br an (d) ausgefällt, die durch
den an den Seiten der Luftröhre sich hinziehenden broncho-
trachealen Muskel (e) gespannt werden kann.
Die Lungen (Fig. 326) unterscheiden sich von denjenigen der
Reptilien insofern, dass sie nicht mehr weite Säcke "läarstellen , auf
deren Wänden die Blutgefässe sich verzweigen , sondern aus einem
schwammigen Stroma bestehen, in wel-
chem sowohl die Luftgänge als auch die
Gefässe sich verästeln. Sie liegen sym-
metrisch zu beiden Seiten der Wirbel-
säule im vorderen Theile der Eingeweide-
höhle und nehmen verhältnissmässig weit
weniger Raum ein, als die Lungen der
Amphibien und Reptilien. .Jede Lunge
hat etwa die Gestalt einer dreiseitigen Py-
ramide, deren innere, gerade Fläche (/;)
sich der Wirbelsäule anschmiegt, von dem
ersten Rückenwirbel an bis zu dem Anfange
der Niere. Die hintere Basis der Pyra-
mide (l) ist kaum convex; der äussere
Rand (m) dagegen der Brustwand ent-
sprechend gewölbt. Die beiden in diesem
Rande zusammenstossenden Flächen sind
sehr ungleich gebildet; die ventrale
Fläche ist glatt und eben, die dorsale da-
gegen zeigt fünf tiefe Querfurchen , in
welche die vorspringenden Rippen sich
einlegen. Auf der ventralen Fläche sieht
man eine durchscheinende, dünne Hüll-
haut, welche von mehreren OefFnungen
durchbohrt wird, die den Zutritt der Luft-
canäle ermöglichen. Im vorderen Drittel
der ventralen Fläche findet sich der Ein-
tritt des Bronchus (e), dessen stets ab-
nehmende Knorpelringe an diesem Punkte
ganz verschwinden. Unmittelbar nach
seinem Eintritte in die Lungensubstanz
Columha domesfica. — Ventrale
Ansicht der linken Lunge in natür-
licher Grösse. a , Austrittsloch
des Ganges zu dem interclavicu-
lären Lut'tsacke; h, Austrittsloch
des Ganges zum vorderen , sub-
costalen Luftsacke ; c, Austritts-
loch zum hinteren , subcostalen
Luftsacke ; d, Austrittsloch zum
abdominalen Luftsacke ; e, Eintritt
des Bronchus ; /, Eintrittsloch der
Lungenarterie; g, Austrittsloch
der Lungenvene ; h , der Länge
nach geöffneter Bronchialcanal
erster Ordnung, die Mündungen
der Canäle zweiter Ordnung in
Reihe zeigend ; i, Austrittsloch des
Ganges zum supra-laryngealen
Luftsacke ; k, Innenrand der Lunge;
/, Hinterrand ; in, Ausscnrand der-
selben.
Vögel. 799
erweitert sich der Bronchus zu einer Luftkammer, an welcher die nach
verschiedenen Richtungen hin verlaufenden Luugenbroncheu erster
Ordnung entspringen. Unter diesen befindet sich ein besonders weiter
Caual (Ä), der gerade nach hinten verlauft und an seiner dorsalen
Wand ] 1 Oeffnungen zeigt, welche in die secundären Lungenbronchen
führen, die nach der dorsalen Fläclie hin sich links und rechts in eine
Menge feinerer Lungenbronchen dritter Ordnung verzweigen. Ausser
diesem weiten Canale, der in den abdominalen Luftsack einmündet,
entspringen von der Luftkammer noch mehrere Canäle erster Ordnung,
welche die Lungensubstanz durchsetzen und in die Luftsäcke ein-
münden, nachdem sie auf ihrem Wege links und rechts feinere Canäl-
chen entsendet haben, die sich in der Lungensubstanz verzweigen
und dieser den Sauerstoff der Luft zuführen. Die Yertheilung dieser
Canälchen ähnelt einer Federbilduug und unterscheidet sich dadurch
von der baumförmigen Verästelung der Luftcanäle in den Lungen der
Säugethiere.
Bevor wir die Untersuchung der Luftsäcke beginnen, müssen wir
ein Wort von den Diaphragmen sagen. Man hat mit diesem
Namen zuvörderst ein dünnes Muskelblatt bezeichnet, welches von der
Eückenwand des Brustkastens ausgeht und die untere Fläche der
Lunge überzieht; es ist vielfach für den Durchtritt der Luftgänge und
der Gefässe durchlöchert. Ausserdem wird die Eingeweidehöhle durch
zwei senkrechte Sehnenblätter, welche sich vom Rücken zur Bauch-
wand erstrecken , in drei Kammern , eine mittlere uud zwei seitliche,
getheilt. Die mittlere Kammer enthält die Eingeweide. Jede der
beiden seitlichen Kammern wird durch eine Querscheidewand in zwei
Abtheilungen zerlegt; die vordere A'Dtheilmig enthält den vorderen,
die hinteren den hinteren subcostalen Luftsack.
Die Präparation der Luftsäcke bietet manche Schwierigkeiten.
Zwei verschiedene Methoden sind angewendet worden. Nach der einen
wird Luft eingeblasen und dann präparirt. Da aber die Wände der Luft-
säcke äusserst dünn sind, reissen sie sehr leicht; die eingeblasene Luft
entweicht plötzlich; der Luftsack fällt zusammen und lässt sich nicht
mehr unterscheiden. Diese Methode erheischt also eine äusserst ge-
schickte Hand. Die zweite Methode beruht auf dem Einspritzen
flüssiger Substanzen in der Wärme, die beim Erkalten fest werden. Bei
einiger Uebung liefert sie gute Resultate. Nachdem man den Körper
des Thieres bis zu vollständiger Durchwärmung in Wasser von be-
stimmter Temperatur gehalten hat, spritzt man die flüssige Masse (am
besten mit Chromgelb gefärbte Gelatine) durch die Luftröhre ein. Die
Einspritzung muss mit sehr geringem Drucke und sehr langsam voll-
führt werden; sobald man Widerstand fühlt, muss man einen Augen-
blick einhalten, sonst würde man die dünnen Wände der Säcke sprengen.
Bevor man einspritzt, spaltet man den Humerus , um der Luft einen
800
Wirbelthiere.
Ausweg zu verschaffen und während der Operation hält man den Körper
in senkrechter Stellung.
Man präparirt die Säcke mit ihrem erstarrten Inhalte vom Halse
aus und löst vorsichtig die Haut ab. Unmittelbar unter der Haut
liegt vor dem Winkel des Gabelknochens der unpaare, peritracheale
oder Z wische n schlüsselbeinsa ck (c, Fig. 327). Er wird ven-
tral von der Haut und dem vorderen Rande des Brustbeines, seitlich
von den Raben- und Schlüssel-
'^^' ' '' beiuen, dorsal vom Schlünde und
/^ der Luftröhre begrenzt und lässt
sich nur sehr schwer ganz bloss-
legen. Von der ventralen Seite
des Sackes geht ein Canal aus,
der in das Brustbein eindringt
und sich dort verzweigt. Die
beiden Gänge, welche dem Sacke
die Luft zuführen , entspringen
aus der Lunge etwas nach innen
von dem Eintritte der Lungen-
arterie (a, Fig. 326). Jederseits
setzt sich der peritracheale Luft-
sack in einen weiten Gang fort,
der unter dem Rabenbeine dxirch-
geht und sich dann zu einem
Sacke von höchst unregelmässiger
Gestalt erweitert, der ausserhalb
des Brustkorbes sich ausbreitet
und theilweise das Schulterblatt
umgiebt; dies ist der Unter-
schultersack (f?, Fig. 327),
den man nach AVegnahme des
grossen Brustmuskels sieht. Von
seinen Seiten gehen zellenartige
Ausstülpungen aus, welche zwi-
schen die dorsalen Muskeln des
Brustkorbes eindringen. Von dem
vorderen Ende dieses Sackes geht
der Luftcanal aus, welcher in
den Humerus eindringt und
sämmtliche Knochen des Flügels
durchzieht. Zwischen diesem
Sack und der Wirbelsäule er-
streckt sich der Oberkehlkopfsack (b, Fig. 327), der mit seinem
einfachen, hinteren Zipfel die Lunge berührt und hier die beiden Luft -
Coluniba domestica. — Schematische Figur
der Luftsäcke, von der ventralen Seite aus.
a, Luftröhre; b, Halsfortsätze des supra-
laryngealen Luftsaokes ; c, interclavicularer
Luftsack ; d, dessen seitliche Ausstülpungen ;
e, Lun2;e ; f, vorderer, suhcostaler Luftsack;
fj, hinterer, suhcostaler Sack ; Ji, ahdominaler
Sack.
Vögel. 801
canäle aufnimmt, welche etwas vor dem Eintrittspunkte der Bronchen
(i, Fig. 326) die Lunge verlassen. Nach vorn sendet der Sack zwei
an den Seiten des Halses bis zum hinteren Drittel der Länge auf-
steigende Zipfel (h, Fig. 327) aus, die an ihren blinden Enden kolbig
angeschwollen sind und von welchen die Canäle ausgehen, welche in
die Halswirbel eindringen. In der Brusthöhle liegen auf beiden Seiten
die nicht in directer Verbindung mit einander stehenden Unter -
rippensäcke; der vordere (/, Fig. 327) wird dorsal von der Lunge,
ventral von den Leberlappen, nach vorn von dem Diaphragma, nach
hinten von dem unmittelbar daran liegenden hinteren Sacke be-
grenzt. In das vordere Ende dieses Sackes mündet ein Luftcanal, der
etwas hinter der Eintrittsstelle der Bronchen die Lunge verlässt
(&, Fig. 326). Der hintere Unterrippensack (g, Fig. 327) ist etwas
länger als der vordere ; er erstreckt sich bis zum Muskelmagen ; sein
Canal entspringt aus dem hinteren Rande der Lunge (e, Fig. 326).
Die Bauch sacke (h, Fig. 327) sind grösser als alle übrigen und von
einander unabhängig; der rechte ist meist etwas weiter als der linke.
Sie umgeben die Eingeweide und schwellen durch Einblasen von Luft
in der Weise an, dass sie die Eingeweidehöhle überragen. Jeder dieser
Säcke schickt einen Zipfel nach hinten , welcher die Nieren umgiebt
und sich in den Canal fortsetzt, der in den Schenkelknochen und die
übrigen Knochen des Beines eindringt.
Folgende Knochen enthalten kein Mark, sondern an seiner Stelle
Luftcanäle : die Lendenwirbel von den hinteren dorsalen Zipfeln der
Bauchsäcke; die Rückenwirbel von den seitlichen Zipfeln der Unter-
schulterblattsäcke; die Halswirbel von den Oberkehlkopfsäcken. Der
Unterschulterblattsack liefert auch die Canäle für das Brustbein, Raben-
bein und denjenigen des Humerus, der sich bis in die Knochen des Armes
und der Hand verzweigt. Das Becken und die Knochen des Beines,
mit Ausnahme des Wadenbeines und der letzten Zehenglieder, werden
von dem Zipfel des Bauchsackes aus versorgt. Mit Ausnahme des hin-
teren Fortsatzes des Quadrato-jugale, des Nasenbeines und der vorderen
Enden der beiden Kiefer sind alle Kopfknochen pneumatisch; sie erhalten
aber ihre Luft nicht von den Lungen, sondern von den Choanen, den
Eustachi'schen Röhren, den Nasenhöhlen und dem Gehörgange.
Kreisl auf s Organe. — Das Herz (Fig. 328 bis 331) liegt in
der ventralen Mittellinie, unmittelbar auf dem Brustbeine. Es hat die
Gestalt eines Kegels, dessen nach vorn gerichtete Basis die Gabelspitze
der beiden Schlüsselbeine erreicht. Man kann eine dorsale und eine
ventrale Fläche, zwei Seitenwände, die in der nach hinten gerichteten
Spitze zusammentreffen und die vordere, eiförmige Basis unterscheiden,
von welcher fast alle grossen Gefässstämme ausgehen. Der linke Rand
(ga) ist leicht nach aussen gewölbt, der rechte (gd) dagegen etwas
eingezogen, so dass die Spitze leicht nach rechts gedreht ist. Das Herz
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 52
802
Wirbelthiere.
Fig. 328.
}^s
^
ffi- so
' .acu
.-°3
\iaay
vpo
po
-ug
aa^
Columha domestlca. — Das Herz mit den Hauptgefässstämmen in doppelter Grösse.
A, ventrale Seite. Die Arterien sind roth, die Venen blau. B, dorsale Fläche. Die
Venen sind geöffnet, um ihre Klappen zu zeigen, aa, Arteria axillaris; ad, Art.
diaphragmatica ; ao, Aorta; a-oe, Art. oesophagica ; ns, Art. subscapularis ; at, Art.
thyroidea ; atj, Zweig derselben zum Kröpfe; a», Art. vertebralis ; hrd, Art. brachio-
cephalica dextra; brg, Art. sinistra; cc, Carotis communis; ga, linker Rand des
Herzens; gd, rechter Rand; od, rechte Vorkammer; og, linke Vorkammer ; /?c, Art.
pectoralis ; ro, Art. scapularis ; ty, Thyroidea; va, Vena cava superior dextra; vax,
Vena axillaris; vd, rechte Herzkammer; vg, linke Herzkammer; vi, Vena caya in-
ferior; V), Vena jugularis ; vpc, Vena pectoralis; vpl, Venae pulmonares; vsg, Vena
Cava superior sinistra ; lo, Klappen der oberen rechten Hohlvene ; a: , Valvula Eu-
stachii ; i/, Valvula Thebesii,
Vögel. 803
besteht aus zwei dünnwandigen Vorkammern {od und og, Fig. 328),
welche die vordere Basis einnehmen und zwei dickwandigen Kam-
mern {vd, vg), welche etwa zwei Drittel seiner Masse ausmachen.
Meist bezeichnet ein an dem hinteren Rande der Vorkammern sich
hinziehender weisser Fettbelag die Grenze zwischen den Vorkammern
und Kammern. Das Herz ist frei in dem sehr dünnen, weisslichen
Herzbeutel aufgehängt und wird durch eine Längsscheidewand voll-
ständig in eine linke und rechte Hälfte getheilt, die nicht mit einander
communiciren. Jede Hälfte besteht also aus einer Vorkammer und
einer mit dieser in offener Communication stehenden Kammer.
Wir betrachten zuerst die rechte Vorkammer (od) von der
dorsalen Seite aus (J5, Fig. 328). Sie ist ein weiter Sack mit dünnen
Wänden , welcher den grössten Theil der Herzbasis einnimmt und die
Stämme der rechten (va) und linken (vsg) oberen Hohlvenen,
sowie den der unteren Hohlvene (vi) aufnimmt. Diese Venen
münden in die Vorkammer mit gesonderten, im Halbkreise um den
rechten Rand derselben gestellten Mündungen. Rechts oben mündet
die rechte obere Hohlvene (va); ihre beiden Klappen sind verschieden
gebildet; die vordere (w) wird durch eine Falte der Wand hergestellt;
die auf der rechten Seitenwand der Vene angebrachte hintere Klappe
(iv^) hat die Gestalt eines halbmondförmigen Taschenventiles , dessen
längliche Oeffnung in die Höhle der Vorkammer schaut. Die Mündung
der unteren Hohlvene bildet eine schiefe, auf der dorsalen Fläche der
Vorkammer angebrachte Spalte , deren Längsaxe in der Fortsetzung
der rechten oberen Hohlvene liegt. Zwei häutige Klappen (x) , die
von den Lippen der Spalte ausgehen, können dieselbe vollständig
schliessen; sie entsprechen den Eustachi'schen Klappen der Säuge-
thiere. Die linke obere Hohlvene (vsg) mündet etwas rechts von der
dorsalen Mittellinie mit einer knopflochartigen Oeffnung in die Vor-
kammer; ein halbmondförmiger Wulst, die T heb esius' sehe Klappe
(y), verhindert bei der Zusammenziehung der Vorkammer den Rückfluss
des Blutes in die Vene.
Entfernt man die Rückwand der Vorkammern (Fig. 329, -4 a. f. S.),
so sieht man in die längliche , sehr unregelmässige Höhle der rechten
Vorkammer (od), die einige seitliche, mehr oder minder tiefe Buchten
zeigt. Die dicken Wände der Aorta (ao^) bilden in der Mitte der
ventralen Fläche einen Wulst; nach links hin bildet die Höhle eine
tiefe Bucht (od'^), welche die ventrale Seite der beiden Lungenvenen
(vpl) umschliesst. Hinter der Klappe der oberen linken Hohlvene
wird die Wand der Vorkammer durch einige isolirte Muskelbündel (/)
verstärkt. Ganz nach hinten sieht man auf dem Boden der Vorkammer
die zweite Oeffnung (h), welche unmittelbar in die Kammer führt.
Um die Bildung der linken Vorkammer zu untersuchen, ent-
fernt man zuerst die dorsale Wand der rechten Vorkammer und der
51*
804
Wirbelthiere.
oberen linken Hohlvene, spaltet dann mit einer feineu Scheere die
Lungenvenen (vpl) bis zu ihrem Zusammenflusse; deren dorsale Wand
man mit derjenigen der Vorkammer selbst wegnimmt. Mau sieht so-
fort, dass die beiden Lungenvenen in eine gemeinsame Kammer mit
glatten "Wänden münden , weiche durch eine an der Vorderwand an-
geheftete halbmondförmige Falte (n) in zwei Abschnitte getheilt wird,
einen unpaaren, dorsalen Vorhof, in welchen die Venen zusammen-
münden und eine weitere, ventrale Aussackung mit dickeren Wänden
(og). Um die linke Vorkammer im Ganzen überschaiien zu können,
legen wir das Herz auf seine dorsale Fläche (J5, Fig. 329) und spalten
die ventrale Wand. Die seitlichen und ventralen Wände der eiförmigen
Höhle (og^) werden durch Muskelsäulen (q) verstärkt, welche sich aus-
wurzeln und netzartig mit einander verbinden.
Fig. 329.
a^p ^3 «-7'
hrdy
A B
Columba domestica. — Präparation des Herzens in doppelter Grösse. A, die dorsale
Wand der Vorkammern ist weggenommen , um die Eingänge der Hohh^enen und der
Lungenvenen zu zeigen. B , die ventralen Wände der Vorkammern und der Herz-
kammern sind weggenommen , ixm die Ursprünge der Gefässstämme zu zeigen, ao,
Aorta; ao^, durch die Wände der Aorta erzeugter Wulst; ap, Lungenarterien;
brd, Arteria brachio-cephalica dextra ; brg, Arteria sinistra; f, Muskeltrabecula der
Wand der rechten Kammer; Ji, rechte auriculo-ventriculare Oeffnung; m, Scheide-
wand zwischen den beiden Herzkammern ; n, halbmondförmige Scheidewand zwischen
dem Vorhofe o und der Höhle der linken Vorkammer; od, Wand der rechten Vor-
kammer; od^, deren Höhle; od^, deren Blindsack; og^, Höhle der linken Vorkammer ;
q, ihre Ti-abecula ; r, rechte auriculo-ventriculare Klappe; .s, Taschenventile der Lungen-
arterie; t, Scheidewand der Herzkammern; u, Trabecula der linken Herzkammer;
V, linke auriculo-ventriculare Klappe; va, rechte obere Hohlvene; vd^, Wand des
rechten Ventrikels; vy^, Wand der linken Herzkammer; vpl, Lungenvenen; vsg,
linke obere Hohlvene.
Vögel. 805
Um die rechte Herzkammer zu untersuchen, spaltet man ihre
dorsale Wand der Länge nach und breitet sie aus. Man sieht dann,
dass diese dünne, innen glatte Wand auf der Rückenseite in die Wand
der linken Herzkammer übergeht, mit der sie durch einige Muskel-
säulchen verbunden ist. Die Höhlung windet sich um die linke Herz-
kammer herum auf die ventrale Seite, wo die Lungenarterien (fljj)
abgehen. Die Auriculo-ventricularklappe ist eine einfache Falte der
ventralen Wand, deren freier Rand (r) gegen die Höhle des Ventrikels
vorspringt, und zwar in der Weise, dass bei dem Rückprall des Blutes
eine beuteiförmige, gegen die Kammer hin geöffnete Tasche gebildet
wird. Um den Austritt der Lungenarterien (aj)) sehen zu können,
muss man die rechte Kammer auf der ventralen Seite spalten ; man
sieht dann drei feinhäutige, halbmondförmige Klappen (s) , die sich
nach den Arterien hin öffnen, beim Rückprall des Blutes aber mit ihren
freien Rändern berühren und das Lumen vollständig schliessen; eine
dieser Klappen liegt dorsal, die beiden seitlichen ventral. Man sieht dann
auch, dass die Höhlung der Kammer im Halbkreise die linke Kammer
umfasst und über die linke Hälfte des Herzens hinüber greift , so dass
sie vorn etwa zwei Drittel des HerznmCanges einnimmt, dass sie nach
oben hin sich weit unter die linke Vorkammer hin fortsetzt, gegen die
Herzspitze hin aber sich ebenfalls zuspitzt.
Die linke Kammer hat die Form eines mit seiner breiteren
Basis nach vorn, mit der Spitze nach hinten gerichteten Kegels; ihre
innere Höhlung ist nur gering, da ihre Wände sehr dick sind, wenig-
stens vier Mal dicker als die der rechten Kammer. Im Inneren zeigen
diese Wände zahlreiche, vorn dickere, nach hinten dünnere Längs-
balken (it, Fig. 329, J5), die sich verästeln und ein festes Netzwerk mit
engen Maschen bilden. Vom Vorderende der Kammer geht die mäch-
tige gemeinsame Aorta (ao) aus, an deren Ursprung drei, der-
jenigen der Lungenarterie ähnliche Taschenventile angebracht sind.
Am linken Rande der Atrio-ventricularöfiFnung liegen zwei Taschen-
ventile neben einander; rechterseits entspricht ihnen eine häutige
Segelklappe mit ausgezackten Rändern , deren Zacken durch Sehnen-
fäden an die Muskeltrabekeln der Innenwand angeheftet sind. Die
Scheidewand zwischen den beiden Herzkammern (m) ist wie die
zwischen den Vorkammern durchaus vollständig, so dass keine Mischung
des in beiden Herzhälften befindlichen Blutes , des arteriellen und
venösen, stattfinden kann, wie dies noch bei den Reptilien der Fall ist.
Arterieller Kreislauf (Ä, Fig. 328). — Unmittelbar nach
ihrem Austritte aus der linken Herzkammer theilt sich die gemein-
same Aorta in drei Gefässstämme : die rechte (brd) und linke
(hrg) Kopf- Arm- Arterie und die x\orta (ao). Die beiden Kopf-
armarterien bilden zwei rasch aus einander weichende Gefässbogen ;
sie versorgen den Kopf und die vordere • Extremität. Das zuerst
806 Wirbelthiere.
jederseits abgehende Gefäss ist die gemeinsame Carotis (cc); sie
läuft in schiefer Richtung gegen die Mittellinie des Halses hin und
entsendet, hinter der Schilddrüse angekommen, einen dicken Stamm,
welcher sich in mehrere Arterien theilt: die Wirbelarterie (av) zu
den Muskeln des Halses; die Schlundarterie (aoe) zum Oesopha-
gus; die Oberschulterarterie (as), die im Bogen hinter der Thy--
roidea sich zu den Muskeln der Schulter begiebt, und endlich die
Schilddrüsenarterie (at), welche nach Abgabe eines Zweiges zum
Kröpfe (at^) sich gänzlich in der Schilddrüse verästelt und dort so
enge Capillarnetze bildet, dass das Organ nach einer guten Injection
mit Chromgelb nur einen gelben Klumpen darstellt. Die Schlund-
arterie hat einen gewellten Verlauf neben der Jugularvene; sie ver-
sorgt den Kropf, die Haut des Halses und giebt Zweige, welche, dem
Laufe der Rückenmarksnerven folgend, in den Rückencanal und die
Hüllhäute des centralen Nervensystems vordringen. Die Wirbelarterie
dringt mit der entsprechenden Vene und dem Grenzstrange des Sym-
pathicus in den seitlichen Canal an den Wirbelkörpern ein; sie ent-
sendet nach hinten einen Zweig, den man bis zu den mittleren Rücken-
wirbeln verfolgen kann; ihr stärkerer, nach vorn verlaufender Ast
giebt Zweige an die Halsmuskeln, die Halswirbel und den Rückencanal
und verbindet sich schliesslich am Hinterkopfe mit dort verlaufenden
Zweigen der inneren Carotis. Nach Abgabe der angeführten Aeste
schlüpft die Carotis unter die ventralen Halsmuskeln und verläuft, an
diese Zweige abgebend, hart an der Mittellinie in Gemeinschaft mit
der Arterie der anderen Seite. In der Höhe des dritten Halswirbels
trennt sie sich wieder von ihrer Nachbarin, erscheint an der Aussen-
fläche des Halses und theilt sich hier in zwei Stämme, einen inneren
und einen äusseren.
Die äussere oder Gesichtscarotis (a, Fig. 330) beschreibt
eine Schlinge, die sie etwas nach innen von dem Unterkiefergelenke
an die Seite des Halses bringt. Vom Gipfel dieser Schlinge geht ein
Zweig (h) aus, der einerseits eine baumartige, ansehnliche Verästelung
in dem M. cucullanus bildet, anderseits einen kleinen Ast (c) zum
Gehörgange sendet; von dieser äusseren Ohrarterie gehen kleine Zweige
zum Kaumuskel. Sodann theilt sich, noch auf dem Gipfel der Schlinge,
die äussere Carotis in drei Aeste von etwa gleicher Mächtigkeit. Der
obere Ast, die Gesichtsarterie (c), giebt zuerst einen Zweig zum
Kaumuskel, läuft dann unter dem Auge durch und giebt vor demselben
Zweige an den M. mylo-hyoideus und an die Drüse der Unterkiefer-
ecke. Hinter dem Nasenloche löst sie ein reiches Gefässnetz aus, dessen
Hauptzweige zum Gaumen (/i), zur Nase (i) und zum Nasenloche (k)
gehen. Dann schlingt sich die Arterie um den Augapfel herum (I)
und verzweigt sich schliesslich in der Stirnhaut. — Der zweite von der
Carotidenschlinge ausgehende Ast ist die innere Gesichtsarterie (w).
Vögel.
807
Sie läuft längs dem Quadrato-jugale nach vorn, giebt zuerst einen
Zweig an das Dach des hinteren Gaumens , dann mehrere Aeste (o) zu
den Seitentheilen des Eachens und communicirt schliesslich an der
Nasenwurzel durch ein Capillarnetz mit den Zweigen der äusseren
Gesichtsarterie (e). — Der dritte Ast der äusseren Carotis theilt sich
bald nach seinem Ursprünge aus der Schlinge derselben in zwei Aeste.
Der eine dieser Aeste (p) läuft zur dorsalen Fläche des Halses und ver-
ästelt sich in dem vorderen Theile der Thymus und den Geweben der
Umgebung; der andere (g) begiebt sich zum Unterkiefer und entsendet
auf seinem Verlaufe einen dicken Zweig, die Luft rö hrenarterie (r),
Fig. 330.
5--'
Cohimba domestica. — Verzweigung der Carotis externa a; b, Arterie des M. cucul-
lanus; c, Art. auricularis ; e, Art. facialis; /, Arterie des M. masseter; g, Arterie
des M. mylo-hyoideus; h, Gaumenarterie; (, Nasenarterie; k, vor dem Augapfel
vorüber gehender Zweig derselben; m, Art. facialis interna; n, Arterie des Gaumen-
daches • o, Arterien der seitlichen Gaumenwände ; p, Arterie der Eückenfläche des
Halses ; q, Art. mandibularis ; r, Art. trachealis ; s, Art. oesophagi ; t, Art. inter-
mandibularis ; v, Art. lingualis ; v, Contur des Auges ; x, Gehörgang ; y, Luftröhre ;
z, Schlund.
welche nach hinten läuft und sich auch an den Schlund (s) verzweigt.
Hierauf legt sich die Arterie an die Haut zwischen den beiden Unter-
808 Wirbelthiere.
kieferästen (t) und verläuft darin bis zur Schnabelspitze, nachdem sie
vorher noch einen Ast zur Zunge (u) abgegeben hat.
An der Schädelbasis angekommen, theilt sich die innere oder
Hirncarotis in zwei, sofort stark auseinander weichende Aeste, wo-
von der kleinere sich in den am Hinterhaupte und den beiden ersten
Halswirbeln angebrachten Muskeln verzweigt. Der andere, weit stär-
kere Ast verläuft an der Schädelbasis nach vorn und giebt die Augen-
arterie ab, welche in die Aiigenhöhle eindringt und, an dem Seh-
nerven weiter gehend, den Augenmuskeln, den Lidern, der Nickhaut
Zweige abgiebt und in den Augapfel eintritt, wo sie besonders die
Choroidea mit reichlichen Verästelungen speist. Etwas hinter der
Augenarterie noch giebt die innere Carotis die Oh rar t er ie ab, welche
sich in dem Labyrinthe verzweigt und die halbkreisförmigen Canäle
auf der Aussenseite umkreist. Endlich bildet sie an dem hinteren
Ende des Keilbeines die eigentliche Hirnarterie, welche der Hirn-
basis entlang läuft und sich in allen einzelnen Theilen des Gehirnes
verzweigt.
Nach Abgabe der gemeinsamen Carotiden bilden die mit ihnen
und der gemeinsamen Aorta entspringenden Armkopfstämme, indem
sie nach hinten verlaufen, die Unter sc hlüsselbeinarterien
(sc, Fig. 328, Ä), welche sich bald in folgende Stämme auflösen. Die
Achselarterie (aa) geht unter dem Armgeflechte durch, schickt
einen dünnen Zweig (ro) zu den Muskeln des Schulterblattes und
läuft dann als Armarterie den Humerus entlang in der seichten
Einne zwischen dem M. biceps und M. extensor brachii, an welche sie
grosse Aeste abgiebt. Am Ellbogen angekommen, theilt sich die Ar-
terie in zwei gleich starke Aeste; der eine, die Cubitalarterie, ver-
läuft auf der Innenfläche des Armes, giebt dem M. cubitalis Aeste,
durchbohrt dann den M. radialis, dringt in den M. flexor ein, dem sie
Aeste abgiebt, verläuft auf der Handwurzel über die Sehne des Beu-
gers des Mittelfingers und theilt sich dann in zwei Aeste, von welchen
der kleinere die Daumenmuskeln versorgt, während der grössere der
Hand entlang läuft und sich in dem Abzieher des Mittelfingers und
dem Beuger des dritten Fingers verzweigt. — Der andere Gabelzweig
der Armarterie, die Radialarterie, windet sich um die proximale
Sehne des Armmuskels, giebt einen dicken Zweig an den M. extensor
metacarpi, und läuft dann längs der Mm. radialis, extensor digiti medii
und Pronator superficialis. Auf der Handwurzel angelangt, geht die
Arterie, sich theilend, auf die Hand über und verästelt sich in den
Zwischenknochenmuskeln und dem Fingerbeuger.
Die beiden Brustarterien (jjc, Fig. 328, A) entspringen
etwa in derselben Höhe; die vordere dringt vorn in die Masse des
grossen Brustmuskels ein und theilt sich, am Gabelknochen angelangt,
in zwei Aeste, welche axisser den umgebenden Muskeln noch die Haut
Vögel. 809
der Seiten und des Bauches versorgen. Die hintere Brustarterie geht
auf die dorsale Fläche des Briistbeinschildes über und versorgt, indem
sie sich gabelt, die hinteren Brustmuskelmassen. — Endlich geht von
dem Hinterrande der Unterschlüsselbeinarterie , etwa der Achselarterie
gegenüber, die kleine Zwerchfellarterie (ad) ab, die sich in den
Sterno-costalmuskeln und dem Diaphragma verzweigt.
Sobald die Aorta (ao) sich von den Kopfarmarterien losgelöst hat,
wendet sie sich in einem regelmässigen, um den rechten Bronchus ge-
schlungenen Bogen auf der linken Seite des Schlundes nach oben gegen
die Wirbelsäule, deren Mittellinie sie sich eng anschmiegt und bis zur
Schwanzgegend verfolgt. Auf ihrem Verlaufe zwischen den beiden
Lungen giebt sie einige Zweiglein an den Schlund und die Inter-
vertebralmuskeln. Etwas vor dem Hinterrande der Lunge giebt sie
die mächtige Eingeweidearterie {Arteria coeJiaca) ab, die bei
ihrer Erstreckung am Hinterrande der Milz dieser einen Ast abgiebt
und sich dann in drei Zweige theilt: einen rechten für den rechten
Leberlappen und das Mesenterialblatt, welches den aufsteigenden Ast
des Duodenums an die Darmwindungen heftet; einen linken, welcher
sofort einen Zweig in den entsprechenden Leberlappen sendet und sich
dann in zwei gleich starke Arterien theilt, von welchen die eine längs
dem Drüsenmagen emporsteigt und dort zahlreiche Capillarnetze bildet,
während die andere auf den Muskelmagen übergeht, auf dessen Peri-
pherie man ihre Hauptäste verfolgen kann. Ein dritter Ast der Ein-
geweidearterie, der bedeutendste, ist die obere Gekrösarterie,
welche sich in der Schleife des Duodenums an den dort gelegenen Organen
verzweigt. — In der Höhe des Hinterrandes der Lunge entspringt un-
mittelbar von der Aorta die untere Gekrösarterie; ein starkes,
unpaares Gefäss, welches in allen, den Darm anheftenden Mesenterial-
blättern bis zum Rectum hin sich verästelt und sich in den Darmwandun-
gen verzweigt. Wenig weiter nach hinten entspringen von der Aorta
die Genitalarterien (ag, Fig. 331); zwei gleich starke Gefässe für die
Hoden und Nebennieren des Männchens , eine linke Arterie für den
Eierstock und den oberen Theil des Eileiters bei dem Weibchen. In
der Höhe der vordersten Nierenlappen entspringt von der Aorta jeder-
seits eine Crur alarterie, welche in schiefer Richtung nach aussen
und hinten die Niere durchsetzt und so zu dem Rande des Beckens in
der Nähe des Foramen obturatorium gelangt, wo sie sich in dreiAeste
theilt; eine innere Beckenarterie, welche dem Schambeine auf seiner
ganzen Länge folgt und kleine Zweige an die hinteren Abschnitte
des Darmes, des Eileiters, die Muskeln und die Haut des Bauches
giebt; eine Schenkelarterie, welche dem Femur entlang läuft und
alle dortigen Muskeln versorgt, mit Ausnahme des M. sartorius und
ileo-tibialis, welche ihre Gefässe von dem dritten Aste der Cruralarterie
erhalten. — Weiter nach hinten entspringt, mit der Aorta einen spitzen
810
Wirbelthiere.
Winkel bildend, jederseits die mächtige Hüftarterie {Art. ischia-
tica, ac). Dieser dicke Stamm giebt zuerst eine Nierenarterie ab,
verlässt dann durcb das Foramen ischiaticum das Becken und dringt
in die hinteren Schenkelmuskeln ein. Zuerst giebt die Arterie ein
Zweiglein, das am Trochanter endet; weiterhin, etwa im Drittel der
Schenkellänge , giebt sie einen Ast für die Mm. pubo-ischio-femoralis,
semi-tendinosus und semi-membranosus. Dann läuft die Arterie am
Femur entlang zur Kniebeuge, kreuzt die entsprechende Vene, vor
welcher nach aussen sie liegt, giebt einen Zweig zur Haut des Knies
und zu dem M. gastrocnemius und theilt sich dann in zwei Tibial-
Fig. 331.
-via-
..dliy
Columba domestlca. — Ventrale Ansicht der Urogenitalorgane nebst ihren Gefässen,
nach Wegnahme der übrigen Eingeweide, in natürlicher Grösse, ac, Arteria ischia-
tica; ag, Art. genitalis ; an, After; ao, Aorta; ajjit, Art. pudenda ; cd, Samenleiter;
CS, Nebenniere ; y, Fabricius'sche Tasche; z7c, Vena iliata externa; ?7i, Vena iliaca
interna; is, Nervus ischiaticus ; of, OefFnung der Fabri eins' sehen Tasche; og, Oeff-
nungen der Samenleiter in die Cloake ; or, Oeffiiungen der Harnleiter; p, Hinterrand
der Lunge; r, vorderer Nierenlappen; 7-^, mittlerer Nierenlappen; re^, sein innerer
Theil ; r^, hinterer Nierenlappen; re^, sein innerer Theil ; re, geöffnete Cloake;
t, Hode ; vc, Steissvene; wp, Vena pudenda.
afterien, welche der vorderen und hinteren Fläche des Schienbeines
folgen und sich in den Muskeln des Beines, des Tarso-metatarsus und
der Zehen verzweigen.
Vögel. 811
Durch die Abgabe der Hüftarterien nimmt die Aorta stark an
Volumen ab, liefert aber doch noch ein Paar S cham arterien (ajj)2f)'
die nach hinten laufen und sich in dem hinteren Nierenlappen und den
benachbarten Bauchmuskeln verzweigen. Die Fabricius'sche Tasche
erhält ihre Gefässe von der linken Schamarterie und dem Schwanz-
theile der Aorta, die in der Gegend der Steissdrüse endet.
Venöser Kreislauf. — Das Körperblut wird durch drei grosse
Gefässstämme zum Herzen zurückgebracht (Fig. 328, Ä) und in die
rechte Vorkammer ergossen; das vom Kopfe, Halse und der vorderen
Extremität durch die beiden oberen Hohlvenen {va, vsg), das vom
übrigen Körper zurückströmende durch die untere Hohlvene (vi).
Die oberen Hohlvenen (va,vsg) werden durch die vom Kopfe
und Halse kommenden Jugularvenen (vj), die Achselvenen (vax) vom
Flügel und die Brustvenen («;jjc) von den grossen Brustmuskeln her
gespeist. Die Jugularvene (vj) läuft dem Halse entlang neben der
Thymus und dem Vagus; sie legt sich dicht an die Schilddrüse an.
Sie erhält auf diesem Laufe Zuflüsse durch die Schultervenen, welche
von dem aus den Scbultermuskeln und der benachbarten Haut kom-
menden Zweige gespeist werden. Aus der Schilddrüse kommen un-
mittelbar zwei starke Venen, vor welchen noch eine aus dem Kröpfe
kommende Vene sich in den Stamm ergiesst. So lange die Jugularis
dem Schlünde folgt, erhält sie von diesem zahlreiche kleine Zweige.
In der Höhe des ersten Halswirbels beschreibt die Jugularis einen
Bogen , vereinigt sich mit der Vene der anderen Seite und erhält am
Ende des Bogens drei starke Zuflüsse, die oberflächliche und die
tiefe Gesichtsvene und die hintere Kopfvene. Die oberfläch-
liche Gesichtsvene erhält ihre Zuflüsse vom Hinterkopfe, dem M. genio-
hyoideus, den Augenlidern, dem Gehörgange und der hinteren Kopf-
haut. Die tiefe Gesichtsvene verläuft unter dem Zungenbeinhorne und
nimmt Zweige vom Schlünde, dem oberen Theile der Liiftröhre, der
Zunge und den Unterkieferdrüsen auf. — Die hintere Kopfvene wird
von dem Kaumuskel und dem Zungenbeinhorne überdeckt; sie erhält
Zuflüsse vom Gehörorgane und nimmt eine Occipitalvene auf, welche
sich aus den Venen des grosssen und kleinen Gehirnes und der Hinter-
hauptsgegend zusammensetzt. In den Gipfel des die beiden Jugular-
venen vei"bindenden Bogens ergiessen sich noch zwei schmächtige
Venen, die eine kommt vom Unterkiefer, die andere vom Gaumen,
vom Augapfel und der Nasengegend.
Vor ihrer Einmündung in die untere Hohlvene erhält die Achsel-
vene (vax) einen Zufluss durch ein in schiefer Richtung von den vor-
deren Halswirbeln bis zum Hinterhaupte sich erstreckendes Gefäss, das
in unmittelbarer Verbindung mit der Hinterhauptsvene steht und mit
der Arterie und dem Grenzstrange des Sympathicus in dem Seiten-
canale zwischen den Halsrippen und den Wirbelkörpern eingeschlossen
812 Wirbelthiere.
ist. Die grösste Armvene ist die Vena basilica, welche unmittelbar
nach Wegnahme der Haut, die den äusseren Rand der ülna bedeckt,
zum Vorschein kommt. Diese Vene beginnt in dem Beuger des dritten
Fingers und dem Abzieher des zweiten, an dessen hinterem Rande sie
verläuft; sie erhält dann einen Zufluss von den Daumenmuskeln, läuft
zuerst über die Hinterfläche der Handwurzel und stets anschwellend
dem äusseren Rande der Ulna entlang, wo sie von jeder Schwungfeder
ein kleines Aestchen erhält. An dem Ellbogen nimmt sie bedeutende
Oberarmvenen auf, welche das Blut aus dem Biceps iind dem Aus-
breitemuskel des Armes bringt , und steigt dann parallel mit der
kleineren Armvene dem Humerus entlang nach vorn. Die Armvene
sammelt das Blut aus den tiefen Radial- und Cubitalvenen, welche aus
den Mm. interossei, pronatores, cubitalis und radialis entstehen. Beide
Venen, die brachialis und basilica, vereinigen sich an dem proximalen
Ende des Humerus, um die Achselvene zu bilden.
Die Brustvene (tJ^c) wird von zwei dicken Stämmen gebildet,
welche das Blut aus den am Brustbeinkiel angehefteten Muskelmassen
zurückführen.
Die untere Hohlvene (vi) setzt sich aus der Pfortader, der
hinteren Hohlvene, den Beinvenen und der Nabelvene zusammen. Die
Pfortader sammelt das Blut aus dem Darme, der Milz, dem Pankreas
und der Leber. Die aus dem Darme kommenden feinen Venen sammeln
sich allmählich zu grösseren Gefässen in den Blättern des Bauchfelles,
welche den Darm halten und bilden schliesslich einen grossen, durch
eine Mesenterialfalte an der Wirbelsäule aufgehängten Stamm, in welchen
sich die aus dem Pankreas und dem Duodenum , aus der Innenfläche
des Muskelmagens kommenden Venen und eine Steissgekrösvene er-
giessen, die aus der Cloake und der Fabricius' sehen Tasche stammt.
Die so zusammengesetzte Mesenterialvene dringt neben der Aus-
trittsfalte des Gallenganges in den rechten Leberlappen ein, verzweigt
sich in der Lebersubstanz und bildet mit den von der Leberarterie
stammenden Gefässen Capillarnetze, aus welchen schliesslich zwei
grosse Venen, eine äussere und eine innere entstehen, welche sich am
vorderen Rande des rechten Leberlappens vereinigen und hier durch
Zusammenfluss mit der linken Lebervene die obere Lebervene bilden,
die bald sich mit der hinteren Hohlvene vereinigt und so einen Theil
des grössten Gefässstammes des ganzen Körpers, der unteren Hohlvene
bildet. Die Venen, welche von der äusseren Fläche des Muskelmagens
und dem distalen Abschnitte des Drüsenmagens kommen, sammeln sich
in einer besonderen Pfortader, welche in den linken Leberlappen ein-
dringt, sich in dessen Substanz verzweigt und dann die linke Leber-
vene bildet, welche, durch die Nabelvene verstärkt, sich in die obere
Lebervene ergiesst. Die Nabelvene ist ein unpaares, unmittelbar
unter der Haut etwas links von der Mittellinie verlaufendes Gefäss,
Vögel. 813
das in der Nähe der Afteröfifnuug beginnt und das Blut von den Baucli-
wänden und aus den dort meist angehäuften Fettmassen zurückieitet.
Das Pfortadersystem, welches das aus dem Darme und den übrigen Ein-
geweiden zurückströmende Blut in der Leber vei^theilt, wird demnach
nicht von einem, sondern von mehreren Stämmen gebildet.
Das von dem proximalen Ende des Drüsenmagens rückgeführte
Blut, sowie dasjenige der Kranzvenen des Herzens wird dagegen direct
in die linke obere Hohlvene ergossen.
Das aus der hinteren Extremität zurückströmende Blut sammelt
sich in einem grossen Stamme, in der äusseren Hüftvene (iJe,
Fig. 331), welche zwischen den beiden vorderen Nierenlappen verläuft,
um sich in die Hohlvene zu ergiessen. Sie nimmt vor ihrem Eintritte
in die Nierenlappen die grosse vordere Schenkelvene auf, welche
Zuflüsse aus dem Mm. sartorius , ileo-tibialis , den Muskeln der Bauch-
wand erhält und ausserdem die tiefe Schenkelvene aufnimmt, welcher
in der Nähe der Niere die B auchd ecken vene zufliesst, die dem
Schambeine entlang in den Bauchdecken verläuft. Die Schenkelvene
erstreckt sich dann auf der inneren Seite des Femur und nimmt Venen
aus den Mm. pubo-ischio-femoraiis, semi-tendiuosus und semi-membra-
nosus auf. Am distalen Ende des Femur erhält sie zwei Zuflüsse,
einen vom Knie, den anderen von M. gastrocnemius. Am Unter-
schenkel verlaufen zwei S chienb einv enen ; die innere (?7?) sammelt
das Blut aus den hinteren, die äussere das aus den vorderen Muskeln
des Beines. Beide beginnen an dem Metatarsus und den ersten Zehen-
gliedern.
Die inneren Hüftvenen (ili) verlaufen grösstentheils in der
Nierensubstanz; man sieht sie am inneren Rande des ersten Nieren-
lappens. Hinter der Niere fliessen sie zu einer Schlinge zusammen.
Während ihres Verlaufes in der Nierensubstauz nehmen sie die Kreuz-
beinvenen vom Becken, die Zwischen wirbelvenen aus der Gegend des
Beingeflechtes, zahlreiche Nierenveuen und Venen aus dem vorderen
Abschnitte der Geschlechtscanäle auf. In die Schlinge ergiesst sich
die unpaare Steissvene (vc), die auf der dorsalen Mittellinie des
Bürzels verläuft und Zuflüsse vom Steisse, von den Steuerfedern und
den an den Wirbeln dieser Gegend angebrachten Muskeln erhält.
Ausserdem münden an der Schlinge auch die Schamvenen (vpu)^
die an der Cloake jederseits sich aus einem inneren und einem äusseren
Aste zusammensetzen , welche das Blut aus den entsprechenden Re-
gionen der Cloake und der hinteren Abschnitte der Harn- und Ge-
schlechtsgänge zurückleiten.
Lungenkreislauf. — Die beiden Lungenarterien (aj),
Fig. 329, JS) entspringen am vorderen Ende der rechten Herzkammer
aus einem gemeinsamen Stamme, der von der Kammer durch drei
Klappen geschieden wird; sie weichen schnell von einander, durch-
814 Wirbelthiere.
setzen den Herzbeutel und dringen sofort jede in die entsprecliende
Lunge ein , wo sie an der Innenfläche der Bronchen reiche Capillar-
netze bilden. Das oxygenirte Blut wird von den beiden Lungenvenen
(vpl, Fig. 329, Ä), die sich erst innerhalb des Herzbeutels zu einem
Stamme vereinigen, in den Vorhof (o) der linken Vorkammer des Her-
zens ergossen.
Das Lymphsystem lässt sich nicht leicht im Ganzen darstellen,
da seine Canäle nicht überall eigene Wandungen besitzen und Lücken-
räume zwischen den Geweben und auf den Luftsäcken sich in seine
Fortsetzungen einschieben. Im Allgemeinen folgen die Lymphgefässe
den Venen ; sie setzen schliesslich einen weiten Canal zusammen , der
in der Rückengegend, wo er die Gefässe aus den Beinen, dem Darme,
der Leber und dem Magen aufnimmt, sich an die Aorta anlehnt. In
der Höhe der Lungen gabelt sich der Lymphstamm in zwei Aeste,
welche vor ihrer Einmündung in die entsprechende obere Hohlvene,
jederseits die Gefässe vom Kopfe, vom Halse und dem Flügel aufnehmen.
Als Anhang zu dem Gefässsysteme erwähnen wir noch die beiden
drüsenartigen Organe, Thymus und Thyreoidea.
Die Thymus beginnt jederseits am Halse hinter dem Zungen-
beinhorn und zieht sich als langgestreckter Körper über die drei vor-
deren Viertel des Halses fort. Scheinbar besteht sie arus platten, ovalen
Lappen von rosa Farbe. Hebt man sie aber auf, so sieht man, dass
sie die Gestalt eines langen, schmalen, vielfach gewundenen Bandes
hat, dessen Schlingen über einander greifen.
Die Thyroidea (ty, Fig. 328) liegt hinter der Thymus, hart an
der Luftröhre, als ein rothbrauner, cylindrischer Körper von etwa
einem Centimeter Länge. Auf Durchschnitten zeigt sie eine äussere,
bindegewebige Hülle, die zahlreiche Blindschläuche einschliesst, deren
Wände von cubischen Zellen mit grossen Kernen gebildet werden.
Zwischen den Schläuchen schlängeln sich zahlreiche Blutgefässe und
Lymphcanäle. Die Structur ist derjenigen der Nebennieren ziemlich
ähnlich.
Die Tegumente der Vögel haben meist dieselbe Structm' wie bei
unserer typischen Art. Die Oberhaut ist zuweilen au federlosen Stellen,
wie an den Kämmen und sonstigen Hautanliängen der Hühnervögel, so dünn,
dass das rothe Blut durchscheint ; oft mischen sich auch mit dem Eoth be-
sondere Pigmente , vorzugsweise von blauer Earbe. Auch werden diese An-
hänge öfter erectil. — Anderwärts wird die Oberhaut dick , hornig und
bildet dann Schuppen , Schilder , Scheiden für die Kiefer (Schnabel) und die
Zehen (Nägel, Krallen) ; zuweilen auch isolirte Auswüchse , Sporne und der-
gleichen. Mit Ausnahme des Daumens, der zuweilen einen Nagel trägt, sind
die übrigen Finger der Hand stets uagellos. Wir übei'lassen die eingehende
Beschreibung dieser Bildungen der Zoologie. Der hornige Schnabel schliesst
im Allgemeinen die Bildung von Zähnen aus; doch hat man bei den Em-
bi'yonen einiger Papageien (Cacatoa, Melopsittacus , Nymphicus Novae Hollan-
diae) Anlagen von Zähnen in den Kiefern gefunden, welche auf die Bezahnung
Vögel. 815
der fossilen Zahnvögel (Odontomithes) hinweisen. — Bei den Eatiten fehlen
in der Leder haut jegliche Drüsen; bei den anderen Vögeln finden sich
einfache Talgdrüsen im Gehörgange und die zum Fetten der Federn be-
stimmte Steissdrüse, welche besonders bei den Wasservögeln ausserordentlich
entwickelt ist und wohl eine zu besonderer Function ausgebildete Talg-
drüse ist.
Bekanntlich geht die Entwicklung der Federn von einer, den Schuppen
der Reptilien ähnlichen Hautwarze aus , die zuerst von einer runden Ver-
tiefung umgeben ist , dann sich aber in dem Maasse , als das Wärzchen aus-
wächst, in die Haut einsenkt und so den Follikel der Feder bildet. Der
Federkeim umgiebt sich dann mit einer Hornscheide , welche sich in eine
Menge von Strahlen zerschleisst , die oft noch secundäre Bärtchen tragen.
So entsteht die Flaumfeder , welche aus einem Hautschaft gebildet ist , der
im Inneren Zellen der Mal pighi' sehen Schicht enthält und von einer am
Ende zerschlissenen Hornscheide umgeben wird. Mit solchen Dunen bedeckt,
verlässt der junge Vogel das Ei; sie erhalten sich während des ganzen Lebens
als allgemeine Bedeckung bei einigen Arten {Apteryx), bei anderen, besonders
Wasservögeln {Eidergans) nur an bestimmten Stellen. Die definitive Feder,
wie wir sie beschrieben haben, entsteht unter der Dunenfeder , etwa wie die
Ersatzzähne und stösst ihre Vorgängerin durch das Hervorwachsen aus.
Wir überlassen der beschreibenden Zoologie die Darstellung der Modifica-
tionen , welche die Federn erleiden , die zuweilen auf den Schaft reducirt
werden und dann Haare oder Stacheln bilden, sowie der für einzelne Gruppen
charakteristischen Federfluren, auf welche sich dieselben vertheilen.
Das Skelett der Vögel unterscheidet sich von demjenigen der Reptilien
durch seine Leichtigkeit, die fast gänzliche A^erdrängung des Knorpels durch
Knochensubstanz und durch die Lufträume , welche die meisten Knochen
durchziehen und sich als Ausläufer der häutigen Luftsäcke darstellen. Xur
selten findet sich , wie bei den Eatiten , Mark in den langen Knochen : ge-
wöhnlich werden die Wände nur durch einzelne Knochenbälkchen mit ein-
ander verbunden. Die Wirbel und ihre Anhänge, Eippen u. s. w., zeigen eine
ähnliche Bildung wie bei unserer typischen Art; aber es finden sich be-
deutende Verschiedenheiten in Bezug auf die Zahl der Wirbel in den ein-
zelnen Eegioneu , sowie hinsichtlich ihrer Verschmelzung mit einander. Die
Länge des Halses hängt sowohl von der Verlängerung der einzelnen Wirbel-
körper, wie von der Vermehrung ihrer Zahl ab; die Zahl der im Kreuzbein
verschmolzenen Wirbel ist stets bedeutender als bei den Eeptihen. Der Schwanz-
stiel wird wenigstens aus sechs mit einander verschmolzenen Wirbeln ge-
bildet, welche im Embryo noch getrennt sind und bei einigen Eatiten wäh-
rend des ganzen Lebens erhalten bleiben. Die Hakenfortsätze der Eippen
kommen überall vor, wechseln aber an Länge und Gestalt.
In der Bildung des Schultergürtels, des Brustbeines und des Flügels
zeigen sich bedeutende Verschiedenheiten. Bei allen Carinaten zeigt der
Seh alter gürtel denselben Bauplan, aber einige Eatiten [Casuarius, Bromaeus)
und einige Erdpapageien [Pezophorus) haben nur verkümmerte Gabelbeine,
während Schulterblatt und Eabenbein stets ausgebildet sind. Das Brustbein
variirt noch mehr. Zwar ist das Schild stets als Träger der Eingeweide vor-
handen ; es ist aber bald vollständig , bald durch Lücken und Ausschnitte
unterbrochen, welche für die einzelnen Gruppen charakteristisch sind, in-
dessen stets durch Sehnenhäute ausgefüllt werden. — Die Entwicklung des
Brustbeinkammes hängt von derjenigen der zum Fluge und zum Eudern
dienenden Brustmuskeln ab. Der Kamm ist bei guten Fliegern {Colibris, Fre-
gatte) ausserordentlich entwickelt, wird bei einigen Erdcariuaten [Stegops)
rudimentär und verschwindet ganz bei den Eatiten. Bei einioen Wasser-
816 Wirbelthiere.
vögeln {Schwäne) wird der Kamm hohl und nimmt eine Schlinge der Luft-
röhre auf. — Die Knochen des Ober- und Unterarmes verhalten sich meist
wie bei der Taube ; bei den Ratiten verkümmern sie und bei Apteryx trägt
der sehr kurze, aller Muskelleisten baare Humerus nur sehr kleine, rudimen-
täre Vorderarmknochen. Bei Apteryx und Casuarius ist die Handwurzel auf
einen einzigen Knochen reducirt. Zahl und Stellung der Finger variiren ;
Struthio und Apteryx haben nur zwei Finger, welche ebenso wie bei Pala-
medea, Nägel tragen; alle übrigen Vögel haben drei Finger, aber zuweilen
trägt der Daumen oder der zweite Finger einen Nagel, während der dritte
stets unbewaffnet ist.
Das Becken lässt sich leichter von demjenigen der fossilen Dinosaurier,
als von dem der heutigen Reptilien ableiten. Die drei Beckenknochen ver-
sclimelzen stets mit einer grösseren Anzahl von Wirbeln als bei den Eeptilien;
sie sind bei den Eatiten [Apteryx) ausserordentlich massiv. Der Strauss besitzt
allein unter allen Vögeln eine wahre Symphyse der Schambeine ; bei allen übrigen
ist das Becken auf der ventralen Seite mehr oder minder weit offen. — Trotz
bedeutender Variationen in den Proportionen und der Entwicklung der ein-
zelnen Knochen des Beines bleibt doch der Grundplan derselbe wie bei
unserer typischen Art; der Femur wird hei äenljäuievn {Eatiten, Hühnervögel)
massiver und zeigt stärkere Muskelleisten. Das Wadenbein ist stets als rudi-
mentäre Knochennadel der Tibia angeschweisst. Letztere verlängert sich und
verschmilzt an ihrem distalen Ende mit der ersten Reihe der Fusswurzelknochen
zur Bildung des Tibio-tarsale. Anderseits verschmelzen die ursprünglich ge-
trennten Stücke des Mittelfusses sowohl unter sich, als auch mit der unteren
Reihe der Fusswurzelknochen und bilden so den Tarso-metatarsalknochen,
der an seinem distalen Ende die Gelenkrollen für die ersten Zehenglieder
trägt. So wird also die Fusswurzel als eigene Abtheilung des Beinskelettes
gänzlich unterdrückt, aber das Gelenk zwischen den beiden Reihen der Fuss-
wurzelknochen bleibt bestehen, mit nach hinten gewendetem Winkel. Mehr
oder minder tiefe Rinnen und Furchen zeigen noch auf die ursprüngliche
Selbständigkeit der verschmolzenen Knochen hin. Bei einigen Pinguinen
vertiefen sich diese Rinnen sogar zu weiten Löchern zwischen den Meta-
tarsalstücken. Bei vielen Vögeln bildet sich an der inneren Seite des Meta-
tarsus ein Auswuchs, der mit einer Horuscheide bedeckt wird und als Waffe
dient, der Sporn. Meist finden sich zwei Phalangen am Daumen, drei an
der zweiten , vier an der dritten und fünf an der letzten Zehe. Häufig fehlt
der Daumen ganz ; wenn vorbanden , ist er meist nach hinten gedreht und
stellt sich den anderen Zehen gegenüber um Gegenstände, wie Zweige, um-
greifen zu können ; bei den Läufern und den Steganopoden aber steht er,
Avie die übrigen Zehen, nach vorn. Bei den Klettervögeln stehen zwei Zehen
nach vorn, zwei nach hinten. Bei dem Strausse finden sich nur noch zwei
Zehen, die dritte und vierte.
Das Skelett des Kopfes unterscheidet sich von demjenigen der
Reptilien durch die Unterdrückung des Knorpels , die totale Verschmelzung
der ursprünglich getrennten, dünnen und leichten, aber meist pneumatischen
Knochen des Hirnschädels und der das Hörlabyrinth umschliessenden Stücke
und durch die bedeutende Grösse der Hirn- und Augenhöhlen. Es ähnelt
dem der Reptilien durch die Lage des einen Gelenkkopfes unter dem grossen
Hinterhauptsloche. Der stets sehr in die Länge gezogene Zwischenkiefer ist
mit dem Schädel durch einen dünnen, biegsamen Stiel verbunden, so dass er
etwas beweglich wird; bei den Papageien bildet sich hier sogar ein wahres
Gelenk. Die Aehnlichkeit mit den Eidechsen zeigt sich in der Existenz
eines mehr oder minder beweglichen Quadratbeines , an welchem der Unter-
kiefer eingelenkt ist und das durch sehr wechselnde Verbindungen, aller den
Vögel. 817
Schnabel bildenden Knochen , Quadratjochbeinen , Gaumenbeinen , Flügel-
beinen , Vomer und Oberkiefer eine gewisse Beweglichkeit mittheilt. Der
Unterkiefer verhält sich etwa wie bei der Taube. — Das Zungenbein ist
meist auf den Körper und das letzte Hörnerpaar reducirt, das aber eine be-
deutende Länge erreichen kann, so dass es, bei den Spechten z. B., um den
ganzen Hinterkopf sich herumbiegt und oben auf der Stirn an der Basis des
Schnabels mit seinem Ende befestigt ist.
Die Entwicklung des Muskelsj'stemes geht , wie immer , Hand in
Hand mit derjenigen des Skelettes. Die Hautmuskeln sind , wie bei der
Taube, besonders am Halse und Kopfe entwickelt. Die grossen Steuerfedern,
sowie gewisse Schmuckfedern haben oft eine grosse Beweglichkeit und be-
sitzen dann besondere Muskelbündel an ihrer Basis , meist in der Vierzahl.
Die Brustmuskeln bilden sich im Verhältniss zu dem Fluge oder zum
Schwimmen aus, wenn die Flügel, wie bei den Pinguinen, als Euder dienen ;
bei den Katiteu verkümmern sie. Eine merkwürdige, mechanische Anpassung
findet sich in der Anordnung der Sehnen der Beugemuskeln der Zehen,
welche über das Knie- und Fussgelenk laufen und die Zehen mechanisch krüm-
men, wenn der Vogel niedei'hockt ; sie ist bei den auf Bäumen schlafenden
Vögeln am meisten ausgebildet ; die Thiere umkrallen die Zweige, aufweichen
sie schlafen, ohne Mitwirkung des Willens. Die Schenkel- und Beinmuskeln
sind bei den Läufern und den Eatiten besonders stark entwickelt.
Das centrale und peripherische Nerve nsj'stem bietet keine beson-
deren Verschiedenheiten von unserer typischen Art.
Der Tastsinn ist bei den Vögeln nur schwach ausgebildet; doch
findet man Tastkörperchen zerstreut in der Haut, oder an bestimmten Orten,
wie auf der Zunge , an dem Schnabel (Entenvögel) oder an der Innenseite
der zum Greifen dienenden Zehen, wie bei den Papageien. Die im Inneren
der Mundhöhle angebrachten Tastkörperchen mögen wohl als Geschmacks-
organe fungiren.
Das Riech organ bietet wenig Variationen. Meist liegen die Nasen-
öffnungen an der Basis des Schnabels; bei Apterj'x aber finden sie sich an
der Schnabelspitze, und zwei lange, enge Canäle führen dui'ch den dünnen
Schnabel zu dem an der "Wurzel desselben gelegenen Geruchsorgane. Häufig
aber sind die meist spaltförmigen Nasenöffnungen von besonderen Knochen-
röhren umhüllt oder von Knochenschuppen bedeckt. Meist findet sich auch
eine besondere Nasendrüse, welche den Tauben abgeht. Sie liegt gewöhnlich
in besonderen Gruben des Stirnbeines , verlängert sich nach hinten oder hat
die Gestalt eines Halbmondes ; zuweilen verschmelzen die beiden seitlichen
Drüsen in der Mittellinie. Die Ausführungsgänge gehen von dem äusseren
Theil der Drüse in der Höhe des Thränenbeines ab , verlaufen nach vorn
und münden an der Innenseite des Nasenloches. Die Homologien dieser
Drüse lassen sich bei dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse nicht
genauer bestimmen.
Da die Zunge meist mit einem dicken, hornigen Epithelium überzogen
ist, kann der Geschmack wohl nur wenig entwickelt sein. Vielleicht
haben nur die Papageien , welche eine fleischige , mit weichen Papillen be-
setzte Zunge haben, deutlichere Geschmacksempfindungen. Wenn aber die
Schnabelwände weich sind, so finden sich darin eine Menge von Nerven-
körpern, die wohl eine gewisse Eolle in den Geschmacksempfindungen spielen
mögen.
Das Auge ist schon bei den Embryonen ungemein gross , und im All-
gemeinen nach gemeinsamem Bauplane construirt. Doch variirt der Bau
des Knochenringes der Sclerotica in weiten Grenzen ; zuweilen hat er die
Gestalt eines in der Mitte zusammengeschnürten Doppelbechers {Eulen). In
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. gO
818 Wirbelthiere.
anderen Fällen findet man einen zweiten, einfachen Knochenring um die
Eintrittsstelle des Sehnerven. Der stets gefaltete , äusserst pigment- und
gefässreiche , aus einer einspringenden Falte der Choroidea gebildete Kamm
fehlt bei Apteryx ; bei allen übrigen Vögeln ist er vorhanden, aber bald drei-
eckig {Hühner), rechtwinklig {Tauben), rautenförmig {Enten) u. s. w. Die Zahl
der Falten variirt bedeutend: vier Falten finden sich beim Casuar; sieben
beim Strausse; achtzehn beim Haushuhne; vieruudz wanzig bei dem Trut-
hahne. Ebenso v%,riirt sein Vordringen in den Augapfel; es ist n^^r gering
bei der Taube, während bei den Papageien, den Geiern und den Truthühnern
der Kamm bis an die Krystalllinse vorgeht.
Ein äusseres Ohr geht den Vögeln ganz ab, wenn man nicht als solches
einen beweglichen Federkranz betrachten will, welcher bei einigen Eulen den
äusseren Gehörgang umgiebt. Das mittlere und innere Ohr verhalten sich
wie bei der Taube.
Das Verdauungssystem zeigt, je nach der Nahrung, mancherlei
Modificationen. Wir überlassen der beschreibenden Zoologie die vielfachen
Schnabelformen und bemerken hier nur, dass der Boden der Mundhöhle sich
bei Pelicanen zu einem enormen Kehlsack ausweitet, der als Magazin für die
gefangenen Fische dient, dass bei den gründelnden Enten und Gänsen der
Gaumen zahlreiche Falten und die Schnabelränder weiche Lamellen auf-
weisen, die reich mit Tastpapillen besetzt sind, und dass bei den männlichen
Trappen zwischen den Aesten des Unterkiefers ein in die Mundhöhle sich
öffnender erectiler Sack sich vorfindet, der zur Verstärkung des Schalles
der Stimme zu dienen scheint. Die in die Mundhöhle sich öffnenden Drüsen
können kaum mit den Speicheldrüsen der Säugethiere parallelisirt werden,
um so weniger, als ihre Absondei-uug nur zur Befeuchtung der Nahi"ungs-
mittel dient, aber keine verdauenden Substanzen enthält. Sie variiren sehr,
je nach der Nahrung. Die auf den Seiten der Zunge liegenden Zungen-
drüsen verkümmern in gleichem Maasse wie die Zunge , welche bei den Ra-
uten sehr reducirt ist ; sie fehlen bei Otis und Picus, welche letztere dagegen
ausserordentlich entwickelte Unterzungendrüsen besitzen. Durch ihre Horn-
scheide wird die Zunge häufig ein Fangwerkzeug ; bei den Spechten wird sie
eine Harpune , mittelst welcher die Thiere die im Holze eingebohrten In-
secten anstechen und hervorziehen; bei den Coliiris wird sie ein eingerollter
Rüssel zum Aufsaugen von Honigsäften ; bei den Trichoglossen ein Pinsel, der
kleine Insecten im Grunde tiefer Blumenkronen aufkehrt. Bei den Enten,
Flamingos vervollständigt die Zunge durch Entwicklung rückwärts gerichteter
Lamellen den Apparat zum Gründein. Nur bei den Papageien wird sie
fieischig und der Säugethierzunge ähnlich. — Der Schlund wird bei den-
jenigen Vögeln, welche ihre Beute unzertheilt verschlucken, sehr ausdehnbar ;
er erreicht 10 Centimeter Durchmesser bei Bucorax a'byssinicus. — Der Kropf
entwickelt sich besonders bei den Körnerfressern ; man findet ihn in allen
Entwicklungsstadien von einer einfachen Ausweitung der vorderen Wand der
Speisei'öhre {Casuarius , Strix) bis zu einem weiten, in dem Gabelknochen
gelagerten Quersacke , wie bei den Columliden , Psittaciden und Fringilliden.
Er fehlt bei den Straussen, bei Apteryx , bei den LamelUrostren und vielen
Passeriden. — Der Drüsenmagen ist bei den Kö rner fresse rn, wo der
Muskelmagen sehr ausgebildet ist, von diesem am schärfsten geschieden, weit
weniger bei den Raubvögeln. Bei den Körner- und Pflanzenfressern
ist der Drüsenmagen ein langer Hohlcylinder mit dicken, wenig ausdehn-
baren Wänden; bei den Fleischfressern sind seine Wände weit dünner
und ausdehnbarer. — Der Muskelmagen, schwächer bei den Raubvögeln,
zeigt meist dieselbe Structur, wie sie bei der Taube beschrieben wurde;
seine beiden Hälften werden zuweilen, wie bei Gänsen und Truthühnern, un-
Vögel. 819
gleich stark. — Bei Plotus, Fidica, Ardea bildet sich zwischen ihm und dem
Darme eine Pförtnertasche aus. — Der Darm variirt sehr hinsichtlich seiner
Länge; kurz bei solchen, die Früchte und lusecten fressen, wird er sehr lang
bei denen , welche sich von Kräutern , Körnern und Fischen nähreu. Der
Darm bildet stets vielfache Schlingen in der Bauchhöhle , deren Anordnung
und Lagerung in Beziehung zur Körperaxe man sogar zur Abgrenzung ein-
zelner Gruppen hat beuutzen wollen. — Die Blinddärme sind nur rudimentär
bei den Tauben und den Sperlingsvögeln, die sich von Körnern und Insecten
nähren , sowie bei den fischfressenden Tauchern , Alca , Larus , Pelargus ; sie
werden im Gegentheil sehr lang bei dem Strausse, wo sie 70 Centimeter
erreichen, bei Rhea , Apteryx und den Lamellirostren , die sich vorzugsweise
von Vegetabilien nähren, aber auch bei den Fleischfressern Strix , Corvus,
Cuculus. Bei den Casuaren und anderen Vegetariern sind sie von mittlerer
Länge.
Die Leber zeigt bei den meisten Vögeln die beiden grossen Haupt-
lappen mit ihren secundären Läppchen , vai'iirt aber sehr an Volumen. Bei
den Ea üb vögeln ist sie am kleinsten, bei den Schwimmvögeln am
grössten. Bei den meisten Tauhen und Papageien fehlt die Gallenblase , die
bei den Eaubvögeln und den fleischfressenden Schwimmvögeln sehr gross
ist. Meist finden sich zwei Ausführungsgänge für die Galle : der dem linken
Leberlappen entstammende Leberdarmgang mündet in die Mitte der Duo-
denalschlinge ; der Gang aus dem rechten Leberlappen erweitert sich zur
Gallenblase und in diesem Falle bilden sich zwei Gänge, der Leberblasengang
und der Blasendarmgang.
Das Pankreas bietet keine wesentlichen Variationen.
Die stets an der rechten Seite des Drüseumagens liegende Milz variirt
sehr in Grösse und Farbe ; bei den Sängern und den Schwimmvögeln
ist sie sehr voluminös, kleiner bei den Eaubvögeln. Meist ist sie roth-
braun , wird aber dunkelroth bei den Bähen und Spechten und fast schwarz
bei den Schicalben.
Die länglichen oder runden Schilddrüsen liegen stets an der ge-
meinsamen Carotis in der Höhe des Abganges der Wirbelarterie. Sie sind
stets im Verhältniss zur Körpergrösse sehr klein.
Die seitlich am Halse , längs der Jugularvenen gelegenen T h 3' m u s -
drüsen variiren an Volumen je nach dem Alter des Thieres.
Die Nieren behaupten stets dieselbe Lage, wie bei der Taube, und
scheinen bei den Wasservögeln am grössten zu sein. Sie bestehen immer
aus wenigstens drei Lappen , die aber in seltenen Fällen sich seitlich aus-
breiten. Häufig sind sie asymmetrisch und theilweisv in der Mittellinie ver-
schmolzen. Die Harnleiter sind bei den Straussen in der Nierensubstanz
vergraben , sonst aber frei bis zu ihrer Mündung in die Cloake ; eine Harn-
blase fehlt ganz allgemein. Die Nebennieren bieten keine neunenswerthen
Variationen.
Die Genitaldrüsen liegen stets unmittelbar vor den Nieren. Die
Hoden sind immer paarig, von weisser, selten von gelblicher oder bräunlicher
Färbung , aber ausserordentlich variabel an Grösse bei verschiedenen Indi-
viduen derselben Art, wie auch je nach der Jahreszeit. Meist sind sie
eiförmig, zuAveilen rund; manchmal ist der linke Hoden grösser als der
rechte. Die Samenleiter münden stets auf zwei getrennten Wärzchen in die
Cloake. — Der Eierstock ist zwar den Hoden entsprechend gelagert, ent-
wickelt sich aber nur auf der linken Seite ; der rechte Eierstock verkümmert
und bildet nie reife Eier. Bei den Tagraubvögeln findet man den rechten
Eierstock noch am meisten ausgebildet und mit ihm ein der Cloake an-
hängendes Eudiment des Eileiters. Aber vollständig zeigt sich nur der liuke
52*
820 Wirbelthiere.
Eileiter bei allen Vögeln ohne Ausnahme und überall zeigt dieser dieselbe
Structur und dieselben Absonderungsproducte um das Ei, Eiweiss, Schalen-
haut und Schale. Wenn iiian aus der Structur des Eiweisses schliessen darf,
so windet sich das Ei in Sjjiraldreliungen durch den Eileiter zum Aus-
gange. Die Grösse der Eier steht nicht in directeni Verhältnisse zu der
Körpergrösse ; Apieryx scheint die relativ grössten Eier zu legen.
Eine Cloake findet sich bei allen Vögeln in Gestalt eines durch zwei
Ealten in drei Abtheilungen geti-eunten Darmabschnittes ; diese Kammern
öffnen sich nach hinten in ein Behältniss , das durch den After nach aussen
mündet. In die untere Kammer mündet der Mastdarm, die mittlere nimmt
die Producte der Hai'n- und Geschlechtsorgane auf und die obere conimuni-
cii"t mit der E abricius'schen Tasche und enthält den Penis, wenn ein
solcher vorhanden ist. In der That ist ein solcher nur bei Eatiten und
einigen Wasservögeln, bei Struthio, Ehea, Casuarius, Dromaeus, Apteryx, Oygnus
und Anas gut ausgebildet; bei einigen Hühnervögeln, wie Crax, Penelope,
Crypturus, Pelargtis , Otis, existiit nur ein verkümmerter Penis in Gestalt
eines zungenföi'migen Fortsatzes. Bei Struthio hat das Organ etwa 20 Centi-
nieter Länge und eine fast dreieckige Gestalt ; es ist aus zwei seitlichen
Faserkörpern und einem erectilen Mittelkörper gebildet und wird von eigenen
Muskeln, Vorziehern, Rückziehern und Hebern aus- und eingestülpt.
Die Fabricius'sche Tasche, deren Function durchaus räthselhaft
ist, die aber mit den Afterdrüsen, den Cowper' sehen Drüsen und der Pro-
stata homologisirt wurde , variirt in sehr bedevitenden Grenzen. Sie scheint
erst mit der Geschlechtsreife ihre volle Grösse zu erreichen, schrumpft aber
später ein und verkümmert gänzlich bei alten Thieren, mit Ausnahme der
Eatiten , bei welchen sie selbst in hohem Alter ihre Dimensionen beibehält,
die nicht unbedeutend sind. Bei Ehea Darwini hat die Tasche 14 Centimeter
Länge auf 7 Centimeter Breite.
Die Athemorgaue variiren besonders in Bezug auf den unteren Kehl-
kopf und die Luftröhre. Der Larj'nx wird meistens von sechs, seltener nur
von vier festen Stücken gestützt; zwei Muskehi, ein Verengerer und ein Er-
weiterer, öffnen und schliessen die spaltförmige Stimmritze. Die Zahl der
stets vorhandenen , bald knorpeligen , bald knochigen Luftröhrenringe variirt
zwischen 30 {Lanius) und 350 [Phoenicopterus).
Bei Dromaeus bildet die Luftröhre auf der ventralen Seite des Halses,
Avo mehrere Einge unterbrochen sind , einen Bruchsack , der mit dem Alter
an Grösse zunimmt und durch einen langen Spalt mit der Eöhre communi-
cirt. Wenn die Luftröhre meist cylindrisch ist, so zeigt sie doch auch öfter
Abplattungen, wie bei manchen Bauten, Papageien und Raubvögeln oder
auch Erweiterungen , die meist bei den Männchen in der Mitte des Halses
sich finden ; die Einge dieser Aussackungen erscheinen dann mehr oder
minder aufgeblasen {Melanitta , Metopiana). Man muss dieselben wohl von
den sogenannten Labyrinthen unterscheiden, die sich weiter unten an dein
Ursprünge der Bronchen , bei den erwachsenen Männchen mancher Lamelli-
rostren ausbilden und die aucli bei den weiblichen Küchlein sich finden,
aber später zurückgebildet werden. Diese Labyrinthe entstehen aus der Ver-
schmelzung von wenigstens sechs Eingen , die jederseits eine Knochenblase
bilden, von welchen aber die linke meist die grössere ist.
Bei vielen Vögeln wird die Luftröhre länger als der Hals, beschreibt
also Windungen und folgt nicht so regelmässig der Krümmung der Wirbel-
säule, wie bei der Taube. Am aufifallendsten ist diese Bildung bei dem
Singschtoane entwickelt, wo die Luftröhre in dem hohlen Brustbeinkamme
eine Schlinge bildet , bevor sie sich in die Bronchen theilt. Eine ähnliche
Bildung zeigen auch die Kraniche. Meist aber liegen die Schlingen vor dem
Vögel. 821
Gabelknochen , sei es in der Mitte des Halses , wie bei den Männchen von
Tetrao oder den alten Weibchen von Rhjjnchaea, sei es in dem Winkel des
Gabelknochens , wie bei Guttera. Bei einigen Spheni seiden und Röhrennasen
findet sich in der Luftröhre, vor dem Abgange der Bronchen, eine sagittale
Längsscheidewand, die mit Wimperepithelium ausgekleidet ist.
Der untere Kehlkopf oder Syrinx kann drei verschiedene Stellungen
einnehmen: er ist tracheal, wenn er nur an der Luftröhre ausgebildet ist;
broncho - tracheal , Avenn Luftröhre und Bronchen an seiner Bildung Theil
nehmen ; endlich bronchial , wenn er nur die Bronchen betrifft. Bei den
Cathariden und Pelargiden ist der Syrinx verkümmert, bei einigen Eatiten
[Casiiarius, Struthio, Apteryx) sehr einfach. Der tracheale SjTinx wird durch
die dorso - ventrale Abplattung der letzten sechs Luftröhrenringe gebildet,
welche sehr dünn werden und nur aus dorsalen und ventralen, getrennten
Bogenstücken bestehen, die durch elastische Haut mit einander verbunden
sind. Die mit einem solchen Syrinx ausgestatteten Vögel zeigen nur geringe
Modulation in ihrer Stimme. Am häufigsten findet sich der besonders bei
Singvögeln und Papageien ausgebildete broncho - tracheale Syrinx, der meist
sechs Paare von eigenen Muskeln besitzt, Avelche die meist halbmondförmigen
Schallmembranen in den Zwischenräumen zwischen den Ringen, au welche
sie sich ansetzen, spannen können. Der Bronchial -Syrinx, welcher sich bei
Cuculus und Strix findet, ist in sehr einfacher Weise durch die Umbildung
einiger Einge eines jeden Bronchus gebildet.
Die Lungen zeigen hinsichtlich ihres Baues grosse Einförmigkeit. Die
Bronchen legen kurz nach dem Eintritte in die Lungen ihre Knorpelringe
ab, und tlieileu sich in Canäle, von welchen die grössten gegen die Oberfläche
hin ausstrahlen und sich in die Luftsäcke öffnen, Avährend die anderen, sowie
die auf den Hauptcanälen entspringenden secundären Aeste sich in der Masse
verzweigen und mit einander anastomosiren. Die weiten Luftsäcke, deren
dünne Faserwände Blutgefässe, zahlreiche Lyraphgefässe und platte Muskel-
fasern enthalten, lagern sich zwischen die Eingeweide und stehen in directer,
permanenter Verbindung mit den die Lungensubstanz durchsetzenden Luft-
gängen; sie sind stets mehr oder minder mit Luft gefüllt und speisen damit
die Luftcanäle der Knochen durch Oeffnungen, die an den Gelenken ange-
bracht sind. Die Lufträume der Kopfknochen erhalten ihre Luft nicht durch
Verzweigungen der Luftsäcke, sondern aus der Paukenhöhle, der Eustachi'-
schen Eöhre und den Choanen. Meist unterscheidet mau einen interclavi-
culären, in dem Winkel des Gabelknochens liegenden Luftsack, jederseits einen
vorderen und einen hinteren Zwerchfellsack und ganz nach hinten einen ab-
dominalen Luftsack, der grösste von allen, der im hinteren Körperabschnitte,
den Extremitäten und oberhalb der Nieren sich ausbreitet.
Je nach der Flugfähigkeit modificirt sich, die Vertheilung der Luftgänge
in den Knochen im höchsten Grade. Man kann sagen, dass bei den besten
Fliegern, wie Colibris und Fregatten, es nicht einen einzigen Knochen giebt,
welcher nicht pneumatisch wäre; bei den meisten anderen Vögeln hält sich die
Vertheilung etwa in den Grenzen, welche AAT-r für die Tauhe angaben; bei
den Erdvögeln ziehen sich die Canäle nach und nach aus den distalen Knochen
zurück und bei den Wasservögeln und Ratiten verkümmern sie so sehr, dass
beim Strausse z. B. der Humerus keinen Luftgang mehr zeigt und bei den
Pinguinen alle Knochen voll sind und nur noch unter der Haiit und im
Bauche sich Luftsäcke vorfinden.
Die Luftsäcke und Luftcanäle gehören den Vögeln ausschliesslich an.
Freilich kommen bei vielen Säugethieren Luftzellen in den Knochen vor,
aber alle diese Zellen (Sinus frontalis, maxillai-is etc.) stehen mit den Nasen-
höhlen und nicht mit den Lungen in Verbindung. Einige Eeptilien, beson-
822 Wirbelthiere.
ders die Chamäleons, zeigen häutige Anhänge der Lungen, welche die Luft-
säcke und Luftcanäle der Vögel anzubahnen scheinen, aber durchaus auf die
Bauchhöhle beschränkt bleiben.
Das Kreislaufsystem zeigt bei den Vögeln nur wenige Variationen.
Das Herz ist überall nach demselben Grundplane gebaut. Bei Aquila chry-
saetos hat man an der Armarterie und an der Ventralfläche der Luftröhre
ausgebildete Wundernetze beschrieben. Bei anderen Vögeln finden sich solche
Wundernetze am Kopfe, an der Kehle und den Kaumuskeln.
Die dünnwandigen und gewellten Lymphge fasse folgen im Allgemeinen
dem Laufe der Venen. Die Gefässe der hinteren Körperhälfte und der Ein-
geweide sammeln sich in einem weiten, unter der Bauchaorta verlaufenden
Stamme, der sich etwa in der Höhe des Abganges der Eiugeweidearterie in
zwei Aeste theilt, welche jederseits der entsprechenden Hohlvene zulaufen
und in diese nach Aufnahme der vom Halse, vom Kopfe und den Lungen
stammenden Aeste münden. Nach Stannius vereinigen sich die von den
hinteren Extremitäten kommenden Lymphgefässe in einem, mit contractilen,
musculösen Wänden ausgestatteten Sacke, einem wahren Lymphherzen. Man
hat solche Lymphherzen bei den Straussen, den Casuaren und einigen Schwimm-
vögeln nachgewiesen. Im Verlaufe der Lymphgefässe des Mesenteriums finden
sich zahlreiche Lymphdrüsen.
Literatur. — L. Jacobson, Sur une glande conglomeree appartenant ä la
cavite nasale. Noitv. Bull. Sciences, Soc. Philom. Paris, T. III, 1813. — V. Hub er,
Delingua et osse liyo'ideo Pici viridis. Stuttgart, 1821. — C. Pander et E. d'Alton,
Die Skelette der straussartigen Vögel. Bonn, 1827. — E. Lauth, Sur le muscle ten-
seur de la membrane auterieure de Vaile des Oiseaux. Mem. de la Soc. d'Hist. nat.
de Strasbourg, T. I, 1830. — Bischoff, Ueber den Bau der Magenschleimhaut.
Müller's Archiv, 1835. — E. Huschke, Ueber die Gehörzähne, einen eigenthüm-
lichen Apparat in der Schnecke des Vogel obres. Müller's Archiv, 1835. — K. Steifen-
sand, Untersuchungen über die Ampullen des Gehörorganes. Müller's Archiv, 1835.
— G. Breschet, Recherches anatomiques et physiologiques sur l'organe de Paudition
chez les Oiseaux. Paris, 1836. — A. Krohn, Ueber die Structur der Iris der Vögel
und ihren Bewegungsmechanismus. Müller's Archiv, 1837. — E. Blyth, On the
Osteology of the great Auh [Alca impennis). Proc. Zoolog. Soc. London, 1837. —
E. Jacquemin, Description anatomique de la Corneille [Corvus corone). Comptes
rendus, 1837. — L'Herminier, Recherches anatomiques sur quelques genres d'oiseaux
rares ou peic connus. Ann. des Sc. nat., 2. Ser., T. VIII, 1837. — Macgillivray ,
Obsei'vations on the digestive organs of Birds. Mag. of Zool. and Bot,, 1837. —
A. Lereboullet, Anatomie comparee de Vappareil respiratoire dans les animaux ver-
tebres. Strasbourg, 1838. — E. Platner, Ueber das Quadratbein und die Pauken-
höhle der Vögel. Dresden, 1839. — J. Henle, Vergleichende anatomische Beschrei-
bung des Kehlkopfes. Leipzig, 1839. — Jacquemin, Sur la pneumaticite du sque-
lette des Oiseaux. Nov. Act. Ac. Leop. CaroL, T. XIX, 1842. — W. Marbach, De
nervis spinalibus avium nunnullarum. Vratislaviae , 1840. — A. Mayer, Appareil
genito-urinaire des Oiseaux, l'Institut, 1841. — K. Kessler, Osteologie der Vogel-
füsse. Bull. Soc. imp. Natur. Moscou, 1841. — E. Weber, Ueber den Bau der
Lungen bei Vögeln. Braunschweig, 1842. — G. Ercolani, Ricerche anatomiche
suW organo deW udito degli Ucelli. Nuov. Ann. Sc. nat. dl Bologna, T. IX, 1843. —
W. Rapp, Ueber die Tonsillen der Vögel. Müller's Archiv, 1843. — E. Kay, De
sinu rhomboidali in medulla spinali avium. Halle, 1844. — 0. Köstlin, Der Bau
des knöchernen Kopfes in den vier Classen der Wirbelthiere. Stuttgart, 1844. —
A. Ecker, Der feinere Bau der Nebennieren beim Menschen und den vier Wirbel-
thierclassen, 1846. — E. Bruecke, Ueber den Musculus Cramptonianus und über
den Spannmuskel der Chorioidea. Müller's Archiv, 1846. — Ph. Sappey, Recher-
Vögel. 823
dies sur Pajjpareil respiratoire des Oiseaiix. Comj)t. rend. Ac. Sc, T. XXII, 1846. —
H. Guillot, Memoire sitr Vappareil de la respiration dans les Oiseaux. Ann. Sc.
Nat., 3. Ser., T. V, 1846. — J. Prechtl. Untersuchungen über den Flug der Vögel.
Wien, 1846. — E. Gurlt, Anatomie der Hausvögel. Berlin, 1849. — H. Stan-
nius, Ueber die Lymphherzen der Vögel. Miiller's Archiv, 1849. — R. Owen,
On the Anatomi/ of tke Southern Apteryx. Transact. Zoolog. Soc. London, Vol. III,
1849. — H. Rathke, Ueber die Carotiden der Vögel. Müllers Archiv, 1850. —
K. Mol in, Sugli stomachi degll uccelli. Denkschr. kaiserl. Akademie. Wien., Math.,
Naturw., Cl. III, 1852. — P. Gratiolet, Sur la reine porte du rein et des capsules
surrenales des Oiseaux. Institut, T. XXJ, 1853. — Nitzsch, Vergleichung des Skelettes
von Dicholophus cristatus mit dem Skelettypus der Raubvögel, Trappen, Hühner und
Wasserhühner. Abhandl. der naturf. Ges. zu Halle, 1853. — Basslinger, Unter-
suchungen über die Schichtung des Darmcanales der Gans. Sitzungsb. math.-naturw.
Classe, Akad. Wiss. Wien, Bd. XIII, 1854. — Leydig, Ueber die Vater-Pacini'schen
Körperchen der Taube. Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. V, 1854. — C. Giebel, Der
letzte Schwanzwirbel des Vogelskelettes. Berlin, 1855. — Metzler, De medullae
spinalis avium textura. Dorpat, 1855. — F. Leydig, Der hintere Scleroticalring im
Auge der Vögel. Miiller's Archiv, 1855. — R. Anderson, Xotice of a organ in the
trachea of the Erneu. Naturalist, T. VI, 1856. — E. Blanchard, Des caracteres
ostcologiques chez les Oiseaux de la famille des Psittacides. Campt, rend. Ac. Sc,
T. XLIII, Paris, 1856. — W. Boccius, Ueber den oberen Kehlkopf der Vögel.
Müller 's Archiv, 1858. — Giebel-Nitzsch, Die Zunge der Vögel und ihr Gerüst.
Zeitschr. ges. Naturw. , Bd. XI, 1858. — Ders., Ueber den Scleroticalring, den
Fächer und die Härder 'sehe Drüse im Auge der Vögel. Zeitschr. ges. Naturw.,
Berlin, 1857. — S. Jourdain, Recherches sur la veine porte renale. Ann. Sc. Nat.,
4. Ser., T. XII, 1859. — Blanchard, Observations sur le Systeme dentuire chez les
Oiseaux. C'ompit. rend. Ac. Sc, Paris, 1860. — 0. Deiters, Untersuchungen über
die Schnecke der Vögel. Müller's Archiv, 1860. — J. Ebert, Ueber Flimmerepithel
im Darme der Vögel. Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. X, 1860. — • C. Minot, Studies
on the Tongue of Reptiles and Birds. Ann. Mem. Boston, Soc. Nat. Eist., 1860. —
C. Bergmann, ..Einiges über den Drüsenmagen der Vögel. Müller's Archiv, 1862.
— C. Gegenbaur, Vergleichend -anatomische Bemerkungen über das Fussskelet der
Vögel. Müller's Archiv, 1863. — J. Giebel, Zur Anatomie der Papageien, Zeitschr.
ges. Naturw., Bd. XIX, 1862. — J. Hyrtl, Wundernetze und Geflechte bei Vögeln
und Säugethieren. Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Bd. XXI, 1863. — F. Klemm, Zur
Muskulatur der Raben. Zeitschr. ges. Xaturw., Bd. XXIII, 1864. — A. Milne-
Edwards, Observations sur Vappareil respiratoire de quelques Oiseaux. Ann. des
Sc. Nat., 1865. — W. Müller, Ueber den feineren Bau der Milz. Leipzig und
Heidelberg, 1865. — H. Curschmann, Zur Histologie des Muskelmagens der Vögel.
Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. XVI, 1866. — W. Drosier, On the function of Air-
Cells and the mode of Respiration in Birds. Ann. and Mag. Nat. Eist., 1866. —
J. Giebel, Ueber einige Xebenknochen am Vogelskelet. Berlin, 1866. — C. Hasse,
Ueber den Oesophagus der Tauben und das Verhältniss der Secretion des Kropfes
zur Milchsecretion. Zeitschr. f. ration. Medicin, Bd. XXXIII, 1866. — J. Giebel,
Die Wirbelzahlen am Vogelskelet. Berlin, 1866. — Ch. Nitzsch, Mehrere Abhand-
lungen in: Zeitschr. f. d. ges. Naturw., 1857, 1862, 1863, 1866. — Graudry,
Structure de la capsule surrenale. Journal de d^Anat. et Physiol. ,18&~. — H. ^lagnus,
De muscidis costarum sternique avium, 1867. — J. Milne-Edwards, Note addition-
nelle sur Vappareil respiratoire. Ann. des Sc Nat., 1867. — Schmidt., Die Skelette
der Hausvögel. Frankfurt, 1867. — S. Haughton, Muscitlar anatomy of the Erneu.
Proceed. Roy. Ir. Ac, 1868. — Magnus, Physiologisch-anatomische Untersuchungen
über das Brustbein der Vögel. Müller's Archiv, 1868. — N. Ruedinger, Die
Muskeln der vorderen Extremitäten der Reptilien und Vögel. Harlem, 1868. —
Grandry, Sur les corpuscules de Pacini. Journ. de VAnat. et de la Physiol. norm.
824 Wirbelthiere.
et path., T. VI, 1869. — P. Hai'ting, Observations sur Vetendue relative des alles
et le poids des muscles pectoraux chez les animaiix vertebres volants. Arch. neerl. des
Sc. exactes et nat., T. IV, La Haye, 1869. — A. Macalister, On the anatomy of
the Ostrich (Struthio camelus). Proceed. Roy. Irlsh Academy. Dublin, 1869. —
E. Selenka, Bronn's Classen und Ordnungen des Thierreiches, 1869. — L. Stieda,
Studien über das Centralnervensystem der Vögel und Säugethiere. Zeitschr. f. wiss.
Zoolog., Bd. XIX, 1869. — Th. Brüh in, Die Iris der Vögel. Zoolog. Garten,
1870. — W. Wilczewski, Untersuchungen über den Bau der Magendrüsen der
Vögel. Breslau, 1870. — Ihlder, Die Nervenendigungen in der Vogelzunge. Arch.
Anat. u. Physiol., 1870. — C. Gegenbaur, Beiträge zur Kenntniss des Beckens der
Vögel. Jenaisch. Zeitschr., Bd. IV, 1871. — V. Ebner, Das Nervenepithel der
Crista acustica in den Ampullen der Vögel. Berichte des naturw. med. Vereines in
Innsbruck, 1872. — W. Marshall, lieber die knöchernen Schädelhöcker der Vögel.
Niederl. Arch. f. Zoolog., Harlem, 1872. — R. Wiedersheim , Die feineren Structur-
verhältnisse der Drüsen im Muskelmagen der Vögel. Arch. f. mikr. Anat., Bd. VIII,
1872. — Th. Allis, On the Skeleton of the Apteryx. London, 1873. — W. Donitz,
üeher die Halswirbelsäule der Vögel aus der Gattung Plotus. Arch. f. Anat. und
Physiol. Leipzig, 1873. — A. Garrod, On the carotid arteries of Birds. Proceed.
Zoolog. Soc, 1873. — C. Gegenbaur, Ueber die Nasenmuscheln der Vögel. Jenaisch.
Zeitschr., Bd. VII, 1873. — Jobert, Recherches pour servir ä l'histoire de la diges-
tlon chez les Oiseavx, Compt. rend., 1873. — V. Mihalcovics, Untersuchungen
über den Kamm des Vogelauges. Arch. f. mikr. Anat., Bd. IX, 1873. — Alix, Sur
la determination du muscle long suplnateur chez les Oiseaux. Journ. de Zoolog., T. III,
1874. — Ders., Essai sur Vappareil locomoteur des Oiseaux. Paris, 1874. —
Andre et Beauregard, Sur le peigne ou marsupium de Voeil des Oiseaux, Compt.
rend. Ac. Sc. Paris, T. XI, 1874. — Garrod, Anatomy of the Colombae. Proceed.
Zoolog. Soc. London, 1874. — V. Alesi, Sulla borsa di Fabricio negli uccelli. Soc.
Stat. Atti. Milano, T. XVIII, 1875. — Campana, Physiologie de la respiration chez
les Oiseaux. Paris, 1875. — Asper, Mittheilung über die Tastkörperchen der
Schwimmvögel. Centralbl. f. med. Wiss., 1876. — F. Hosch, Ueber den Sehapparat
der Vögel. Zoolog. Garten, 1876. — P. Meyer, Etudes histologiques sur le labi/rinthe
membraneux et plus specialement sur le litnaqon chez les Reptiles et les Oiseaux. Stras-
bourg, 1876. — M. Duval, Recherches sur le simis rhomboidalis des Oiseaux. Journ.
de VAnat. et de la Physiol. Paris, 1877. — W. Forbes, On the bursa Fabricii in
Birds. Zoolog. Soc. Proceed., 1877. — Gervais et Alix, Osteologie et myologie des
Manchots. Journ. de Zoolog., T. VI, 1877. — H. Strasser, Die Luftsäcke der
Vögel. Morph. Jahrb., Bd. III, 1877. — Wildenmuth, Der feinere Bau der luft-
haltigen Vogelknochen. Jenaisch. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Jena, 1877. — F. Hesse,
Ueber die Tastkugeln des Entenschnabels. Arch. f. Anat. und Entwickl., 1878. —
F. Merkel, Die Tastzellen der Ente. Arch. f. mikr. Anat., 1878. — Viallanes,
Note sur le iube digestif du Carpophage Goliath. Ann. Sc. nat., 6. Ser., T. VII, 1878. —
Ders., Note sur les muscles peauciers du Lophorina superba, ibid. — H. Gadow,
Versuch einer vergleichenden Anatomie des Verdauungssystemes der Vögel. Jenaisch.
Zeitschr., Bd. XIII, 1879. — W. Haswell, Notes on the anatomy of Birds. Proceed.
Lin, Soc. new South Wales, 1879. — M. Mac Leod, Sur la structure de la glande
de Härder. Bidl. Ac. Roy. de Belgique, 2. Ser., T. XLVII, 1879. — A. Meyer,
Abbildungen von Vogelskeletten. Dresden, 1879. — Haswell, The myological charac-
ters of the Columbidae. Proceed. Linnean Soc. of new South Wales, 1880. —
H. Gadow, Zur vergleichenden Anatomie der Musculatur des Beckens und der hin-
teren Gliedmaassen der Ratiten , 1880. — Ed. Remouchamps, Sur la glande
gastrique du Nandou d'Amerique. Arch. de Biolog., 1880. — Acconci, Nervi laringei
inferiori e glossophariiigei negli uccelli. Atti Soc. Toscana, 1881. — W. Forbes,
On the conformation of the thoracic and of the trachea in the Ratite Birds. Proceed.
Zoolog. Soc, 1881. — P. Fraisse, Ueber Zähne und Zahnpapillen bei Vögeln. Sitzb.
Vögel. 825
d. naturw. Ges. zu Leipzig ,[ 1881. — Hanau, Beiträge zur Histologie der Haut des
Vogelfusses. Inaug. -Dissert. Frankfurt, 1881. — W. Tegetmeyer, On the cir-
convohiüons of the irachea in Birds. London, 1881. — Boulart, Note sur im
Systeme particulitr des sacs aeriens observes ckez quelques Oiseaitx. Journ. de l'Anat.
et de kl Physiol., T. XVHI, 1882. ■ — J. Carriere, Kurze Mittheilungen zur Kenntniss
der Herbst'schen und Gaudry' sehen Körperchen im Schnabel der Ente. Arch. f.
mikr. Anat., Bd. XXII, 1882. — B. Hoffmann, Die Thränen-wege der Vögel und
Reptilien. Zeitschr. ges. Naturw., 1882. — T. Huxley, On the respiratory organs of
Apteryx. Proceed. Suc, 1882. — Bellonci, Les lohes optiques des Oiseav.x. Archiv.
italiennes de Biologie, 1883. — A. Bumm, Das Grosshirn der Vögel. Zeitschr. f.
wiss. Zoolog., Bd. XXXVIII, 1883. — ■ W. Parker, Note an the respiratory of Rhea.
Proceed. Zoolog. Soc, 1883. — Albertina Carlson, Beiträge zur Kenntniss der
Anatomie der SchwimmTÖgel. Svenska Vet. Akad., Vol. IX, 1884. — Blasius, Ueber
Vogelbrustbeine. Journ. f. Ornith. Leipzig, 1884. — A. Brunn, Beiträge zur Kennt-
niss der Samenkörper und ihrer Entwicklung bei Säugethieren und Vögeln. Arch. f.
mikr. Anat., 1884. — Cattaneo, Istologia e sviluppo deW apparato gastrico degli
uccelli. Atti Soc. Ital. Sc. nat., T. XXVII, 1884. — Ders., Recherches sur ia struc-
ttire normale des corpiiscides de Pacini chez les Oiseaitx. Archiv, italiennes de Biologie,
T. VI, 1884. — G. Baur, Zum Tarsus der Vögel. Leipzig, 1885. — Boulart, Note
sur les sacs aeriens cervicaux du Tuntale. Bull. Soc. zoolog. de France, 1885. —
F. Beddard, On the heart of Apteryx. Proceed. Roy. Soc, 1885. — G. Cattaneo,
Sulla struttura e formazione dello strato cuticolare del ventricolo muscolare degli uccelli.
Ballet. Scient., 1885. — E. Ficalbi, Alcune ricerche sulla struttura istologica delle
sacche aerifere degli uccelli. Att. Soc. Toscan. Sc. 7iat., T. VI, 1885. — ^I. Für-
bring er, üeber das Schulter- und Ellenbogengelenk bei Vögeln und Reptilien. Mor-
phol. Jahrb., Bd. XI, 1885. — Laffont, Recherches sur Panatomie et la physiologie
comparees des nerfs trijumeau , facial et sympathique cephalique chez les Oiseaux.
Compt. rend. , 1885. — L. Magnien, Sur le ganglion genicule chez les Oiseaux.
Compt. rend., 1885. — Ders., Recherches sur Panatomie comparee de la corde du tympan
des Oiseaux. Compt. rend., 1885. — E. Retterer, Contribittion ä Petude du cloaque et
de la boitrse de Fabricius chez les Oiseaux. Journ. de PAnat. et de la Physiol., 1885. —
F. Rochas, Sur quelques particularites relatives aux connexions des ganglions cer-
vicaux du grand sympathique et ä la distribution de leurs rameaux aferents et ejferenis
chez PAnas boschas. Compt. rend., 1885. — Ders., Des nerfs qv.i ont ete appeles
vidiens chez les Oiseaux. Compt. rend., 1885. • — • J. Bemmelen, Die Visceraltaschen
und Aortenbogen bei Reptilien und Vögeln. Zoolog. Anz., 1886. — Canfield, Ver-
gleichend-anatomische Studien über den Accommodationsapparat des Vogelauges. Arch.
f. mikr. Anat., Bd. XX^^II, 1886. — M. Cazin, Recherches sur la structure de Pesiomac
des Oiseaux. Compt. rend., 1886. — Charbonnell-Salle et C. Phisalix, Sur la
secretion lactee du Jabot de Pigeons en inciibation. Compt rend., 1886. — Dogiel,
Ueber den Musculus dilatator pupillae. Arch. f. mikr. Anat., 1870 und 1886. —
B. So lg er, üeber die Ungleichheit der Hoden beider Körperhälften bei einigen Vögeln.
Arch. f. mikr. Anat., 1886. — F. Beddard, Notes on the visceral anatomy of Birds.
Proceed. zoolog. Soc, 1888. — F. Bignon, Sur les cellules aeriennes du cräne des
Oiseaux. Compt. rend. Soc Biolog, Paris, 1887. — Cazin, Claudes gastriques ä
mucus et ä ferment chez les Oiseaux. Compt. rend., 1887. — Ders., Recherches
anatomiques, histologiques et embryogeniques sur Pappareil gastriqv.e des Oiseaux. Ann.
Soc. nat., 7. Ser., T. IV, 1888. — H. Gadow, Remarks on the cloaca and on the
copulatory organs of the Amniota. Philos. Trans. London, 1887. — F. Gasch, Bei-
träge zur vergleichenden Anatomie des Herzens der Vögel und Reptilien. Anat. f.
Xaturg., 1888. — M. Teichmann, Der Kropf der Taube. Arch. f. mikr. Anat,,
Bd. XXXIV.
826 Wirbelthiere.
Classe der Säuget liiere (Mammalia).
Der Embryo dieser Wirbelthiere besitzt besondere Hüllhäute, Am-
nios und Allantois. Die Temperatur der Thiere bleibt constant zwi-
schen 30 und 40^0., die Haut ist mit Haaren bedeckt (Pelifera). Sie
unterscheiden sich von den voi'hergehenden Sauropsiden durch die Aus-
bildung zweier seitlicher Gelenkhöcker am Hinterhaupte , durch das
Gebären lebendiger Junge (mit Ausnahme von Ornithorhynchus und
Echidna) und durch die Ausbildung von Milchdrüsen, die meist durch
Umbildung von Talgdrüsen der Haut entwickelt werden und durch
deren Absonderung, die Milch, die Jungen in ihrer ersten Lebenszeit
ernährt werden.
Wenn auch durch die Ausbildung dieser leicht auffindbaren Charak-
tere die Säugethiere eine scharf umschriebene Gruppe darstellen, so
zeigen doch einige derselben, die Monotremen, manche Annäherungen
zur Bildung der Vögel.
Die grossen Verschiedenheiten in der Lebensweise der Säugethiere
haben unzählige Modificationen, besonders in ihrer äusseren Körper-
bildung, bedingt. Die meisten bewegen sich auf der Erde mittelst
ihrer vier Füsse (Quadrupeden), deren Endglieder mit einer wechseln-
den Zahl von Zehen ausgestattet sind, von einer (Einhufer) bis zu fünf.
Die Zehen bleiben entweder frei und sind dann meist mit Nägeln ver-
sehen (Unguiculata), oder sind an ihren Enden in Hufen eingeschlossen
(üngulata); zuweilen sind sie durch fibröses Gewebe zu einer Flosse
vereinigt.
Aber es giebt auch Säugethiere, welche ein grösstentheils unter-
irdisches Leben führen, Wühlthiere; andere, die auf Bäume klettern;
manche leben im Wasser, andere fliegen in der Luft. Alle diese ver-
schiedenen Lebensweisen bedingen bedeutende Umwandlungen der
Extremitäten zu Schaufeln, Greif händen, Flossen oder Flügeln, und die
Gesammtorganisation passt sich diesen Umwandlungen an. Mag aber
auch die Verschiedenheit zwischen einem Walfische und einer Fledermaus,
einem Maulwurfe und einem Affen noch so gross sein, so finden sich
dennoch immer die oben aufgeführten Grundcharaktere bei allen wieder.
Die Haut zeichnet sich stets durch die Behaarung und die mannig-
faltigen , von der Epidermis ausgehenden Drüsen aus , welche in ihr
entwickelt sind. Die Zähne, welche nur ausnahmsweise fehlen, fallen
durch den Reichthum ihrer verschiedenen Formen auf.
Die Wirbelsäule zeigt meist fünf, wohl charakterisirte Regionen,
von welchen die erste, die Halsregion, sich durch die constante Zahl
der sie zusammensetzenden Wirbel, die letzte, die Schwanzgegend, da-
gegen durch die grosse Variabilität in der Zahl ihrer Wirbel aus-
Säugethiere. 827
zeichnet. Bei den Vögeln ist, wie wir gesehen haben, das gerade Gegen-
theil der Fall. Die Wirbel sind meist durch Gelenkfortsätze, welche
von dem Wirbelbogen ausgehen, unter einander beweglich eingelenkt;
bei den Cetaceen sind ausnahmsweise ganze Regionen unbeweglich ver-
bunden.
Der Schädel unterscheidet sich durch die intime Verschmelzung
des Hirnschädels mit dem Gesichtsschädel.
Das Centralnervensystem fällt durch die bedeutende Ausbildung
des Vorderhirues und seiner Hemisphären auf, welche die meisten
übrigen Hirntheile überwölben und bei den höheren Typen durch Fal-
tungen ihrer Rindeusubstanz die sogenannten Hirnwindungen erzeugen.
Die beiden Hemisphären sind durch eine mächtige Commissur, den
Schwielenkörper {Corpus caUosum), mit einander verbunden, die um so
bedeutender wird, eine je höhere Stufe das Thier einnimmt.
Das Muskelsystem zeigt die vielfachsten Differenzirungen. Wir
erwähnen hier nur die Ausbildung von mimischen Gesichtsmuskeln,
von welchen bei den übrigen Wirbelthieren kaum Spuren gefunden
werden.
Der Athemapparat steht niemals mit Luftsäcken , ähnlich den-
jenigen der Vögel, in Beziehung; das Kreislaufsystem unterscheidet
sich dagegen nicht wesentlich von demjenigen der vorigen Classe.
Das Urogenitalsystem zeigt bei den Didelphen (Monotremen und
Beutelthiere), und ganz besonders bei den ersteren manche Aehnlich-
keit mit dem der Vögel. Bei den Monodelphen aber ist es durchweg
verschieden in Folge des Verschwiudens der gemeinsamen Cloake und
der mehr oder minder vollständigen Verschmelzung der Hinterenden
der Müller'schen Gänge, die so weit geht, dass die Ausfuhrcanäle der
weiblichen Geschlechtsorgane nur in ihren vorderen Abschnitten ge-
trennt bleiben (Eileiter), im hinteren Abschnitte dagegen zu unpaaren
Organen (Uterus) zusammenfliessen. Eierstöcke und Hoden entstehen
ursprünglich an derselben Stelle, aber die letzteren wandern häufig
durch den Leistencanal aus der Bauchhöhle aus und werden in einer
besonderen Tasche, dem Hodensacke, getragen. Begattungsorgane sind
stets ausgebildet.
Hinsichtlich ihrer embryonalen Entwicklung theilen sich die Säuge-
thiere in zwei scharf geschiedene Gruppen: die xlplacentar ier , wo
die verhältnissmässig grossen Eier als solche nach aussen befördert und
selbst in einer Bruttasche ausgebrütet werden (Monotremen) oder auch
im Uterus ausschlüpfen, dort eine Zeit verweilen, ohne eine Verbindung
mit den Wänden der Gebärmutter einzugehen und in sehr unreifem
Zustande in einen äusseren Brutbeutel befördert werden, wo sie mit
Milch ernährt werden und sich weiter entwickeln (Beutelthiere).
In der bei Weitem zahlreicheren Gruppe der Piacentarier bildet
sich das Junge in der Gebärmutter vollständig aus; es entwickeln sich
828 Wirbelthiere.
organische Verbindungen zwischen der vom Embryo ausgehenden Al-
lantois und der Wand des Uterus, welche zur Ausbildung eines Zwischen-
organes, des Mutterkuchens (Placenta), führen, durch welches der
Embryo ernährt wird.
Bei der Geburt, wo Mutter und Junges sich trennen, löst sich die
übrigens sehr verschieden gestaltete Placenta los , wobei entweder ein
Theil der Uterinschleimhaut, die sogenannte hinfällige Haut (De-
cidua), mitgenommen wird oder nicht. Daher die Unterscheidung von
zwei Untergruppen, die Deciduaten und die Adeciduaten.
Man kann folgende Eintheilung der Säugethiere annehmen:
1. Gruppe. Aplacentarier. "Während des Embryonallebens bildet
sich keine Placenta aus.
I.Ordnung: Cloakenthiere , Monotremen. Eine Cloake mit
einer einzigen gemeinsamen Oeffnung für die Ausstossung der Ex-
cremente und der Urogenitalproducte. Haben schnabelförmige, zahn-
lose oder nur mit vier Hornplatten besetzte Kiefer. Legen Eier, die in
einer Bruttasche ausgebrütet werden. Mit Beutelknochen am Becken.
OrnitJiorhynclnts, Ecliidna.
2. Ordnung: Beutelthiere, Marsiipialia. Die Zitzen sind in
einer ventralen Tasche angebracht (Marsupium), die von den am Scham-
beine sitzenden Beutelknochen gestützt wird. Ebenso verschiedene
Zahnsysteme wie bei den placentalen Säugethieren. Gebären lebendige
Junge, die aber nur sehr klein zur Welt kommen, da sie im Uterus
nur durch den Dottersack und die Zellen des Chorions ohne Vermitt-
lung einer Placenta ernährt werden. Die Jungen vollenden ihre Ent-
wicklung in der Beuteltasche. Macropus^ Didelphys, Phascolomys.
II. Gruppe. Piacentarier. Es entwickelt sich ein Zwischen-
organ zwischen Uterus und dem Embryo als Placenta.
A. Erste Untergruppe: Adeciduaten. Meist eine zerstreute
oder aus einzelnen Zellen gebildete Placenta. Eine hinfällige Haut
wird nicht gebildet.
3. Ordnung: Zahnarme, Edentata. Haben keine Schneide-
zähne und wurzellose Backenzähne. Ihre Zehen sind mit grossen
Sichelkrallen bewaffnet. Myrmecopliaga, Manis, JBradypus.
4. Ordnung: Walthiere, Cetacea. Haben Fischgestalt und leben
im Wasser. Fleischfresser ohne hintere Extremitäten, aber mit einer
horizontalen Schwanzflosse versehen. Ihre Vorderglieder sind zu Flossen
umgewandelt. Sie haben nur wenige oder gar keine Haare, aber eine
dicke Specklage unter der Haut. Gleichförmige Zähne, die zuweilen
durch Fischbeinplatten ersetzt werden. Kein Hals , Nasenlöcher auf
der Stirn, Zitzen in der Schamgegend. Delphmus, JPhyseter, Balacna-
Säugethiere. 829
5. Ordnung: Sirenen, FiscMörmig , ohne Hinterglieder, mit
horizontaler Schwanzflosse. Die Vorderglieder mit bandförmigen Flossen,
Kopf deutlich vom Rumpfe abgesetzt, wohl entwickeltes Zahnsystem,
Nasenlöcher auf der Schnauzenspitze , Zitzen an der Brust. 3Ianatus,
Hälicore. ►
6. Ordnung: Perissodactylen. Hufthiere mit urspünglich fünf-
zehigen Füssen. Der Mittelfinger wiegt vor, bildet die Axe des Fusses
und trägt schliesslich allein das Gewicht des Körpers, indem die Seiten-
zehen verkümmern. Drei Arten dififerenzirter Zähne: die Backzähne
mit mehreren Wurzeln. Tapints, Bhinoceros, Eqims.
7. Ordnung: Artiodactylen. Die Füsse dieser Hufthiere haben
höchstens vier Zehen, von welchen zwei mittlere (die dritte und vierte)
das Uebergewicht haben und schliesslich allein das Gewicht des Kör-
pers tragen, während die Nebenzehen verkümmern. Zähne aller drei
Arten, doch fehlen öfter die Eckzähne und die oberen Schneidezähne.
Man unterscheidet zwei Untergruppen: die Dickhäuter {Sus^ Hippo-
potanius) und die Wiederkäuer (CameJus, Cervus, Bos, Ovis).
B. Zweite Untergruppe: Deciduaten. Es bildet sich eine
hinfällige Haut aus; die Placenta ist meist Scheiben- oder gürtelförmig.
8. Ordnung: Rüsselthiere, Prob ose iclea. Grosse, mit einem
langen Rüssel versehene Hufthiere, der als Tast- und Greiforgan dient.
Eigenthümliches Zahnsystem: zwei Schneidezähne im Zwischenkiefer,
keine Eckzähne, grosse, aus Schmelzlamellen, die durch Cement ver-
bunden sind, zusammengesetzte Backenzähne. Eleplias.
9. Ordnung: Nager, Eodentia. Meist kleinere Krallenthiere
mit meisselförmigen Schneidezähnen, die durch eine weite Lücke von
den aus queren Schmelzlamellen bestehenden Backenzähnen getrennt
sind. Keine Eckzähne. Lepus, Hystrix, Mus.
10. Ordnung: Inseetenfresser , Tnsectivora. Kleine Krallen-
thiere mit vollständigem Zahusystem , meist kurzen Eckzähnen und
spitzhöckerigen Backenzähnen. Erinaceus, Sorex, Tdlpa.
11. Ordnung: Fledermäuse, Chiroptera. Die vorderen Ex-
tremitäten durch Ausbildung einer Flughaut zwischen den sehr ver-
längerten Fingern zu Flügeln umgewandelt. Vollständiges Zahnsystem
wie bei den Insectenfressern. Brustzitzen. Pteropus , Vespertilio,
PJiyllostoma.
12. Ordnung: Flossenfüsser, Pinnipedia. Wasserthiere,
deren vier Glieder zu Flossen umgewandelt sind. Keine Schwanzflosse.
Vollständiges Zahnsystem mit allen drei Arten von Zähnen. Die oberen
Eckzähne zuweilen zu Hauern ausgebildet. Trichechus, Phoca, Otaria.
830 Wirbelthiere.
13. Ordnung: Raubthiere, Carnivora. Krallenthiere mit voll-
ständigem Zahnsystem und drei Arten von Zähnen, unter welchen die
Eckzähne besonders hervorstehen. Meist ist in der Reihe der schnei-
denden Backenzähne ein besonderer Reisszahn entwickelt. Ursus, Canis,
Felis, Mustela, Viverva.
14. Ordnung: Halbaffen, Prosimiae. Kletterthiere, meist mit
Händen an allen vier Extremitäten. Augenhöhlen unvollständig. Voll-
ständiges Zahnsystem , welches demjenigen der Insectenfresser nahe
steht. Doppelter oder zweihörniger Uterus. Galeopithecus , Lemur,
Chiromys.
15. Ordnung: Affen, Primates. Entgegenstellbare Daumen an
allen Extremitäten (Quadrumanen). Vollständiges Zahnsystem mit allen
drei Arten von Zähnen. Augenhöhlen geschlossen. Einfacher Uterus.
Hapale, Pithecia, Semnopithecus, Simia, Troglodytes.
16. Ordnung: Mensclien, Bimana. Nur an den vorderen Ex-
tremitäten Greifhände mit entgegenstellbaren Daumen. Grosse Ent-
wicklung des Gehirns. Zahnsystem ähnlich demjenigen der Affen.
Aufrechte Stellung. Homo.
Typus. Lepus cuniculus L. Das Kaninchen findet sich als
Hausthier überall. Die verhältnissmässig geringe Grösse, die Leichtig-
keit, womit man es sich verschaffen und züchten kann, lassen diesen
Nager meist in den Laboratorien zum Studienobject auswählen. Ausser-
dem ist die Kenntniss seiner sehr vollständig untei'suchten und be-
kannten Anatomie unerlässlich für den Physiologen; denn neben dem
Meerschweinchen, dem Hunde und der Katze ist das Kaninchen das-
jenige Säugethier, welches meist zu Vivisectionen und physiologischen
Versuchen verwendet wird. Wir besitzen eine vortreffliche anatomische
Monographie von W. Krause, die wesentlich im Hinblick auf physio-
logische Versuche verfasst und den Studirenden der Medicin sehr zu
empfehlen ist.
Allgemeine Lagerung der Organe (Fig. 332). — Ehe wir
in die Schilderung der Einzelheiten eingehen, geben wir eine Ueber-
sicht über die Anordnung der Organe im Allgemeinen.
Man tödtet das Thier durch Chloroform, legt es auf den Rücken
und befestigt es mit ausgebreiteten Gliedern und gestrecktem Halse
und Kopf auf einem Brettchen mit Nägeln und Haken. Um nicht durch
die Haare behindert zu werden, rasirt man sie oder benetzt sie reich-
lich mittelst eines in Wasser getauchten Schwammes. Hierauf trennt
man die Haut durch einen in der Mittellinie des Bauches geführten
Schnitt von dem Kinne bis zum Becken , indem man den Nabel auf
der linken Seite umgeht. Man bemerkt bei dieser Gelegenheit die
äusseren Bildungen, die verschiedenen Haare, die Füsse mit ihren Zehen
und Endkralleu, die Zitzen, die hinteren Oeffnungen des Darmes und
ürogenitalsystemes u. s. w. Indem man die Haut mit dem Stiele eines
Säugethiere. 831
Scalpells abbalgt, gewahrt man die Ansätze der Hautmuskeln. Die Haut
der Glieder wird durch einen längs der Mittellinie ihrer Innenfläche
geführten Längsschnitt gespalten und iu gleicher Weise ahgebalgt.
Die auf diese Weise bloss gelegte Muskelschicht zeigt in der Mittel-
linie des Bauches eine weisse Sehnenhaut, die man mit der Pincette
aiifhebt und spaltet, um dann die Incision einerseits bis zum Becken,
anderseits bis zum Zwergfelle fortzusetzen. Man öffnet so die Bauch-
höhle und, um die Eingeweide nicht zu verletzen, hebt man die Bauch-
wände mit den Fingern der linken Hand auf, während die rechte das
Messer führt.
Man löst die Anhaftung des Zwerchfelles an dem Schwertfortsatze
des Brustbeines und schneidet dann die Rippen zu beiden Seiten des
Brustbeines bis zum Schulterblatte durch, dessen Einlenkung man löst.
Hier muss man sorgfältig die Verletzung der grossen Gefässe ver-
meiden , die unmittelbar an den Knochen anliegen. Man nimmt das
Brustbein mit den durchschnittenen Enden der Rippen weg und spaltet
nach vorn die Halsmuskeln , welche die Luftröhre und den Kehlkopf
überlagern.
Man sieht nun die Eingeweide in ihrer natürlichen Lagerung
(Fig. 332). Vorn die Muskeln des Unterkiefers (b , c, cl , e), die
Speicheldrüsen (g), der Kehlkopf mit der Luftröhre (h, Je), die Schild-
drüse (/), die Lungen (/), das Herz (n, o) mit seinen grossen Gefäss-
stämmen, das Zwerchfell (?), welches die Bauchhöhle von der Brust-
höhle trennt, die Leber mit ihren Lappen (v), welche den Magen {u)
grossentheils bedecken, und unter diesem die Milz (aj), ferner die Massen
des vielfach verschlungenen Darmes, unter welcher der eingekerbte
Dickdarm {y) und der weite und lange Blinddarm {£) sich besonders
bemerklich machen. Um die übrigen Organe sehen zu können, muss
man den Darm bei Seite schieben, wo dann die Nieren mit den Harn-
leitern, die Nebennieren, die Harnblase (r) und die Genitaldrüsen mit
ihren Anhängen zum Vorschein kommen. Man untersucht zugleich
die Ausbreitungen des Bauchfelles, dessen Falten sich zum Darme und
den übrigen Organen begeben und das Gekröse (Mesenterium) bilden.
Um die Beziehungen der Organe zu einander genauer kennen zu
lernen, leisten auch mit einer feinen Säge an gefrorenen Leichen ge-
machte Durchschnitte vortreffliche Dienste. Man kann solche Durch-
schnitte auch an Neugeborenen machen, wo die Knochen noch nicht hart
genug sind, um dem Rasirmesser Widerstand zu leisten, oder auch an
Individuen, die man längere Zeit in einer 20procentigen Lösung von
Salpetersäure gehärtet hat. Unsere Fig. 333 (S. 834) zeigt einen sagit-
taleu Durchschnitt eines neugeborenen Kaninchens, das zuerst mit
Pikrin Schwefelsäure und dann mit Alkohol behandelt wurde, iu natür-
licher Grösse. Es ist nicht ganz leicht, solche Schnitte so zu führen,
dass sie sich genau in der senkrechten Mittelebene des Körpers halten;
832
Wirbelthiere.
Fig. 332
Säugethiere. 833
es gehört dazn eine grosse Rasirraesserklinge und zur Leitung dienen
die Dornfortsätze der Wirbel. Weitere, mehr seitlich gelegte Sagittal-
schnitte, sowie senkrechte Querdurchschnitte durch Kopf, Hals, Brust
und Bauch geben werthvolle Aufschlüsse über die Topographie des
Hirnes, die Beziehungen des Bauchfelles zu den Eingeweiden, die
Lagerung der grossen Gefässstämme u. s. w. Endlich lässt sich auch
die Methode auf die Glieder anwenden , wo sie besonders über die
Grössenverhältnisse der Muskelmassen Aufschluss giebt. Wir haben
beim Kaninchen diese Methoden nicht weiter angewendet, verweisen
aber hinsichtlich ihrer Durchführung an gefrorenen Leichen auf die
Monographie des Hundes von Ellenberger und Baum (siehe
Literatur).
Man wird bei Vergleichung der beiden Fig. 332 u. 333 bemerken,
dass das neugeborene Kaninchen sich von dem erwachsenen durch den
längeren Hals, die stärkere Krümmung der Schädelwölbung und die
geringere Ausbildung des Gesichtes unterscheidet; abgesehen von diesen
Verschiedenheiten in den Proportionen der einzelnen Körperregionen
und dem gegenseitigen Verhältnisse einzelner Organe ist die allgemeine
Lagerung dieselbe und erhält sich auch in allen Lebensaltern.
Tegumente. Die Dicke der Haut variirt je nach den einzelnen
Körpergegenden. Sehr mächtig an den Lippen, wird sie äusserst dünn
an den Ohren. Sie ist überall behaart, jedoch in sehr verschiedener
Dichte. Die wenigsten Haare finden sich auf der Innenfläche der Ohren,
während ein dicker Pelz, namentlich im Winter, den Rücken und den
Bauch bedeckt; sogar auf den Fusssohlen finden sich nur einige kleine,
nackte Stellen. Die Haare selbst stecken schief in der Haut und sind
mehr oder minder dick; die stärksten finden sich an der Oberlippe (die
Tasthaare des Schnurrbartes), die feinsten bilden die den Bauch be-
deckende Wolle.
Die Haut ist von den darunter liegenden Muskeln durch eine lose
Schicht vom Bindegewebe getrennt, die in den Falten der Glieder am
mächtigsten, an den Innenflächen der Füsse und der Ohren dagegen
äusserst unbedeutend ist. Selbst bei sehr gut genährten Kaninchen
Fig. 332. — Lepus cunlculus. — Allgemeine Lagerung der Organe in halber
Grösse. Das Tliier liegt auf dem Rücken und ist der Mittellinie des Bauches nach
aufgespalten, a, Oberlippen mit dem Schnurrbarte; 6, Mm. buccinatorii; c, Mm. de-
pressores labii inferioris; d, Mm. mylo-hyoidei; e, M. masseter; f, membrana hyo-
thyroidea; gr, Unterkieferdrüsen; h, Kehlkopf; i, durchschnittene Schilddrüse; h, Luft-
röhre; /, Lungen; m, Schlund; n, Herzkammer; o, Vorkammern; p, Aortenbogen;
/)', absteigende Aorta; p", untere Hohlvene; q, Carotiden; r, äussere Jugular%^ene ;
/, Stamm der Art. subclavia; r", hintere Gesichtsvene; s, durchschnittene Rippen;
<, Zwerchfell; u, Magen; v, Leber; x, Milz; y, Dickdarm; z, Blinddarm; 1, Dünn-
darm; 2, Harnblase; 3, Urogenitalöffnung; 4, After; hi, M. biceps brachii; ai, M. an-
conaeus internus; al, M. anconaeus longus; tr, M. extensor longus antibrachii; de,
M. rectus femoris; pg, M. plantaris gracilis; ta, M. tibialis anticus; gi, M. gastro-
enemius internus; dl, M. rectus internus; dm, semi-membranosus.
Vogt xaiÖL Tung, prakt. vergl. Anatomie. II. 53
834
Wirbelthiere.
^P
enthält diese Schicht nur selten solche Fettablagerungen, wie bei an-
deren Säugethiei'en.
Lej). cun. — Sagittaler
Medianschnitt eines
PP neugeborenen Kanin-
chens, in natürl. Gr.,
fuf um die Beziehungen
der Organe zu einander
zu zeigen. (?«', Schnei-
dezähne; /e, Lippen;
mi, Unterkiefer; /,
Zunge; pa, Gaumen-
scheidewand zwischen
Mund- und Nasen-
höhle; c/i, Choane; c?;,
Nasenmuscheln; er,
Schädeldach ; h a,
Grundbein; so^ oberes
Hinterhauptsbein ; sjj,
Keilbein; c», Wirbel-
körper; wa, Neurapo-
physen; ea, Dornfort-
sätze; s<, Brustbein;
^o, Riechlappen; ce,
Hemisphäre; ?ne, Mit-
telhirn; c6, Kleinhirn;
m a, verlängertes Mark ;
me, Rückenmark; la,
Kehlkopf; tr, Luft-
röhre ; pp , Lungen-
lappen; th, Thymus;
p h, Schlundkopf; g s,
Speicheldrüse; oes,
Schlund; e, Magen
ig, Dünndarm; gi,
Dickdarm; r. Rectum;
a, After;/, Leber; vb,
Gallenblase ;rf, Zwerch-
fell; c, Herz; or, Vor-
kammern; i', Kammern;
ao, Bauchaorta; vu,
Harnblase; ur, Harn-
röhre; gl, Cowper'-
sche Drüse; oug, Uro-
genitalöffnung.
ou^
Wir gehen nicht auf die Einzelheiten der histologischen Structur
der Haut ein, die man einerseits auf sorgfältigen Zerzupfungen von in
Säugethiere. 835
Müller'scher Flüssigkeit oder in einer zweiproceutigen Lösung von
doppeltchromsaurem Ammoniak macerirten Stücken, anderseits auf mit
denselben Mitteln oder einfach in Weingeist gehärteten und in feine,
senkrechte Schnitte zerlegten Stücken untersuchen muss — zu unseren
Zwecken genügt Weingeist als Härtungsmittel. Man färbt ana besten
mit Hämatoxylin oder Pikrocarmin. Um die Gefässe der Haut zu unter-
suchen , müssen Injectionen gemacht werden ; die Nervenendigungen
werden mit Osmiumsäure oder Goldchlorid behandelt. Die Dissociation
der verhornten Zellen an den Haaren und Nägeln geschieht durch
Schwefelsäure oder eine heisse, 40procentige Lösung von kaustischem
Kali (siehe das Handbuch der Histologie von Ranvier).
Die Haut besteht aus zwei Hauptschichten : Oberhaut und Leder-
haut.
Die Epidermis (Fig. 334, E, a. f. S.) besteht ihrerseits wieder
aus zwei Lagen, der aus Lamellen oder kleinen Schüppchen von ab-
gestorbenen Zellen bestehenden Cuticula (ep), die meist nur sehr dünn
ist und nur auf den Fusssohlen dicker wird, aber immerhin nicht so
dick wird, wie bei den Säugethieren mit nackten, unbehaarten Fuss-
sohlen. Die Cuticula bildet sich auf Kosten der unten liegenden,
schleimigen, Malpighi'schen Schicht, die aus mehrfachen Lagen
polyedrischer Zellen besteht, zwischen welchen zuweilen Pigment ab-
gelagert ist. Auf manchen Schnitten sieht man zwischen der Cuticula
und der Malpighi'schen Schicht eine durchsichtige Lamelle, das Stra-
tum lucidum, deren zellige Natur sich zwar noch erkennen lässt, aber
durch die zunehmende Verhornung der bildenden Elemente, welche in
die Hornschicht übergehen, nach und nach verschwindet.
Die Lederhaut (D) besteht aus verfilztem Bindegewebe, in wel-
chem sich elastische Faserbündel, Muskelbündel, zahlreiche Blutgefäss-
und Lymphgefässnetze und Nervenzweige vorfinden. Die letzteren
enden entweder in keulenförmigen Endkörpern oder in verwickelten,
an den Haarbälgen ausgebildeten Netzen. Die äusseren Schichten der
Lederhaut sind aus dichter Filzmasse gebildet, deren Fasern die Räume
zwischen den Haaren ausfüllen; die tieferen Schichten zeigen ein loseres
Gewebe und netzartiges Aussehen; man findet häufig Fettanhäufungen
darin (gr). Die unter dem Namen der Hautpapillen bekannten Er-
hebungen der oberen Lederhautschicht, die namentlich auf den unbe-
haarten Hautstellen beim Menschen und vielen anderen Säugethieren
so deutlich hervortreten , fehlen beim Kaninchen. Doch findet man
Spuren davon in der Haut der Schnauze, wo sie in die Malpighi'sche
Schicht vordringen.
Die Haare (Fig. 334, po) entstehen ursprünglich von der Epi-
dermis aus und zeigen in dieser Hinsicht Aehnlichkeit mit den Federn
der Vögel. Ihre Anlagen bilden sich in der That auf Kosten der ver-
hornten Epidermiszellen und erscheinen beim Embryo als Verdickungen
53*
836
Wirbelthiere.
der Malpighi'sclien Schicht, die gegen die Lederhaut hin Vorsprünge
bilden und sich nach und nach in dieselbe einsenken. Jeder dieser
Vorsprünge ist die Anlage eines Haarbalges, der auf allen Seiten von
dem verfilzten Bindegewebe der Lederhaut umgeben wird. Verfolgt
Fig. 334.
Lep. cun. — Senkrechter Schnitt durch die Haut der Oberlippe eines neugeborenen
Kaninchens (Leitz, Oc. 1, Obj. l). A', Oberhaut; Z), Lederhaut; ep, Hornschicht der
Oberhaut; cm, Malpighi'sche Schleimschicht; gs, Talgdrüsen; po, Haare; fo, Haar-
bälge; i, Schaft eines Tasthaares; m, Marksubstanz des Haares; e, Rindenschicht des
Haares; s, Blutsinus; es, Schwammkörper; gi, innere Scheide der Haarwurzel; ge,
äussere Scheide; re, in den Haarbalg eindringender Nerv; p, Gefässpapille; «>, quer
durchschnittene Blutgefässe der Lederhaut; v' ^ Längsschnitte von Blutgefässen; gr
Fetto-ewebe; rn, Muskeln.
man die weitere Ausbildung beim Embryo, so sieht man die Basis des
Haarbalges mit einer länglichen, bindegewebigen Warze in Verbindung
treten, die zahlreiche Blutgefässe enthält. Diese Warze wächst in die
Axe des Haarbalges hinein, so dass dessen modificirte Epidermoidal-
zellen sie wie eine Scheide umgeben. Die Zellen metamorphosiren sich,
Säugethiere. 837
werden länger, kleben an einander und bilden endlicb fest vereinigte
Bündel von Hornfasern, die gegen die Oberfläche der Haut verwachsen
und so den Haarschaft bilden, dessen unteres, verdicktes, mit der
Warze zusammengewachsenes Ende die Haarzwiebel genannt wird.
Die Zellen der Haarzwiebel proliferiren, fügen neues Material zu dem
Haarschafte, der so lange weiter wächst, als die Verbindung mit der
Warze bestehen bleibt. Denn später, wenn er ausgewachsen ist, trennt
er sich von der Warze, die dann einschrumpft. Das Haar mit voller
Zwiebel hört dann auf zu wachsen und unterscheidet sich dadurch von
dem Haare mit hohler Zwiebel, in dessen Innerem die Gefässpapille
fortbesteht.
Bei dem erwachsenen Thiere zeigen die Haare eine mehr oder
minder pigmentirte, aus verhornten und unkenntlich gewordenen Horn-
zellen gebildete Rindenschicht (e), deren Zellen sich nur unter der
Einwirkung sehr starker Reagentien von einander trennen, und eine
Axen- oder Marksubstanz (tu), deren Zellen weniger modificirt
sind. Die bei dem Kaninchen sehr mächtige Marksubstanz enthält
Luftbläschen, welche bei durchfallendem Lichte wie schwarze Streifen
aussehen ; sie vermindert sich nach und nach gegen die Spitze des
Haares hin, welche nur von der Rindenschicht gebildet wird. Dies ist
namentlich bei den feinen Unterhaaren der Fall, deren Rindenschicht
ausserdem kleine, mit ihren Spitzen gegen den Gipfel des Haares hin
gerichtete Rauhigkeiten zeigt.
Die Haarwurzel, d. h. derjenige Theil des Haares, der in der
Lederhaut steckt, ist mit feinen Hornblättchen bekleidet, welche eben-
falls von modificirten Epidermiszellen abstammen und die Oberhaut-
schicht des Haares bilden. Diese ist wieder von mehreren Scheiden
umhüllt: die innere Scheidenschicht (g i) von sehr verwickelter
Structur, an welcher die Histologen mehrere Lagen unterschieden haben
(He nie 'sehe Schicht, Huxley'sche Schicht), und die äussere
Scheidenschicht (ge), deren Zellen sehr wenig von denjenigen der
Malpighi'schen Schicht, die alle diese Bildungen vermittelt hat, sich
unterscheiden. Die Haarzwiebel ist eiförmig, von einer Bindegewebs-
hülle umgeben und enthält ein sehr blutreiches, spongiöses Ge-
webe (er), in dessen Gängen und Höhlen das Blut kreist. Die Gefässe
und Nerven durchsetzen die Bindegewebshülle. Die Follikel der grossen
Tasthaare sind sehr voluminös; sie enthalten zuweilen zwei Haare, ein
älteres, warzenloses und absterbendes ohne Wärzchen und ein junges,
dessen hohle Zwiebel eine Papille einschliesst; der dicke Schwamm-
körper wird von einem Nerven durchsetzt (n), der sich in ein dichtes
Netz um die Wurzel herum auflöst (Low, Merkel, Bonnet — siehe
Literatur). An die Aussenfläche des Follikels setzen sich Muskelbündel
an, die Aufrichter des Haares (M. arrectores loilorum). Wir haben
sie nur an den grossen Haaren vorgefunden.
838 Wirbelthiere.
Die Follikel der feinen, wolligen Unterhaare der äusseren Fläche
des Ohres, des Rückens und Bauches stehen in kleinen, dicht an einander
gedrängten Gruppen zu fünf bis sechs so eng zusammen, dass es manch-
mal aussieht, als ob mehrere Haare aus einem einzigen Follikel hervor-
gewachsen seien.
Die Krallennägel an den Enden der Zehen sind lang, gebogen,
oben gewölbt, auf der unteren Fläche ausgekehlt und, wie die Haare,
aus verhornten Oberhautzellen gebildet, die sich in einem Falze der
Haut entwickeln, welche das letzte Zehenglied überdeckt. Der ventrale
oder untere Theil dieses eingestülpten Falzes, auf welchem die Kralle
aufliegt, bildet das Nagelbett, der hintere eingefalzte Rand, in
welchem die Nagelwurzel steckt, den Nagelfalz. Der mittlere
Theil der Nagelwurzel zeigt weniger veränderte Zellen als die Rinden-
schicht, in welcher die Zellen, wie bei den Haaren, gänzlich verhornt
und zusammengeschweisst sind.
Es finden sich nur wenige Hautdrüsen beim Kaninchen-,
Schweissdrüsen fehlen fast ganz; nur in der Haut des Gesichtes
finden sich Spuren davon. Die Talgdrüsen (Fig. 334, gs) sind
häufiger, besonders in der Haut der Lippen, der Augenlider etc. an-
zutreffen. Sie entstehen, wie die Haarbälge, in der M alpighi'schen
Schicht und senken sich in die Lederhaut ein. Ihre Gestalt ist der-
jenigen der Haarbälge ähnlich, mit welchen sie in Verbindung bleiben
durch ihre Ausfuhrgänge. Sie bleiben einfach und verästeln sich nicht,
wie bei anderen Säugethieren.
An die Hautdrüsen schliessen sich die After drüsen, sowie die
Cowp er 'sehen und Vorhautdrüsen an, die wir bei Gelegenheit
der Geschlechtsorgane betrachten werden. Auch die Milchdrüsen
gehören den acinösen Hautdrüsen an. Nach Stein (siehe Literatur)
sind sie ihrer Entstehung und Ausbildung nach zum Zwecke der Er-
nährung der Jungen umgewandelte Talgdrüsen. Sie entstehen bei
beiden Geschlechtern als Verdickungen der Malpighi'schen Schicht,
die sich in der Lederhaut verzweigen ; sie entwickeln sich aber voll-
ständig nur bei den Weibchen während der Trächtigkeit. Dann er-
scheinen sie als zusammengesetzte Drüsen von röhrigem Bau; die Aus-
fuhrgäuge convergiren gegen die vorspi-ingende Zitze, auf deren Gipfel
sie münden. Die Zitzen vergrössern sich bedeutend während des
Säugens, wo die Epithelialzellen der Drüsenröhren das Fett vind die
übrigen Bestandtheile der Milch absondern. Man sieht dann auch die
Zitzen in einer Doppelreihe längs des Bauches, sechs bis zehn auf jeder
Seite, stark vorragen; die vorderen Zitzen sind die kleinsten. Man
braucht zu dieser Zeit nur die Haut um die Zitzen abzuziehen, um
die von Milch strotzenden Ausfuhrgänge zu sehen.
Skelett. Um das Skelett zu präpariren, balgt man das Thier ab,
entfernt die grossen Muskelmassen, die Eingeweide, Augen etc., des-
Säugethiere. 839
articulirt den Kopf und entleert das Gehirn mittelst eines durch das
Hinterhauptsloch eingeführten gebogenen Drahtes und macerirt dann
das Ganze so lauge, bis man mit Kratzen und Bürsten die Ansätze
der Muskeln und Sehnen an den Knochen ablösen kann. Man kann
die langwierige Maceration im Wasser durch Behandlung mit einer
einprocentigen Lösung von Potasche abkürzen. Doch möchten wir
nicht zu sehr auf der Anwendung der Alkalien bestehen; die Knochen
lösen sich zu vollständig und, um Irrungen und Verwechslungen zu
vermeiden, muss man sie etikettiren, in dem Maasse, als sie abfallen.
Wir verweisen hinsichtlich der Aufstellung auf die technischen Lehr-
bücher. Da unser Zweck hauptsächlich analytisch ist, so nehmen wir
an, dass der Leser, der unseren Angaben folgen will, ein vollständig
aufgestelltes Kaninchenskelett, wie man es sich leicht verschaffen kann,
vor sich hat und dass er nöthigenfalls desarticulirte Knochen, wie er
sie selbst präpariren kann, zu Rathe zieht.
Die Axe des Skelettes, die Wirbelsäule (Fig. 335 a. f, S.),
welcher sich mehr oder minder unmittelbar alle anderen Knochen an-
schliessen, besteht aus 46 Wirbeln, welche durch lange Bänder und
intervertebrale Faserknorpelscheiben, die bei alten Thieren verknöchern,
mit einander verbunden sind. Die Wirbelkörper sind opisthocoel; sie
tragen Neurapophysen, welche sich zu Doi*nfortsätzen vereinigen,
Querfortsätze und Gelenkfortsätze, die alle nach und nach an den
Schwanzwirbeln verkümmern. Jederseits am Körper findet sich ein
Querfortsatz und zwei schiefe oder Gelenkfortsätze, ein vorderer und
ein hinterer. An dem Ansatzpunkte der Neurapophyse an den Wirbel-
körper findet sich ein kleiner Ausschnitt, vorn und hinten, welcher
ähnlichen Ausschnitten der beiden benachbarten Wirbel entspricht, so
dass auf diese Weise durch die Anlagerung Zwischenwirbellöcher
hergestellt werden, durch welche Nerven und Gefässe hindurchtreten.
Man kann folgende Regionen unterscheiden: die aus sieben Wir-
beln bestehende Halsregiou (vc), die Brustregion (vd) mit zwölf Wir-
beln, die Lendenregion (vi) mit sieben Wirbeln, die Kreuzbeinregion
(vs) mit vier und die Schwanzregion mit sechzehn arg verkümmerten
Wirbeln.
Die sehr beweglichen Halswirbel (vc) ordnen sich in einer
etwas nach unten gebogenen Längsreihe. Der Schädel ist unmittelbar
an den ersten Halswirbel durch die beiden Gelenkköj)fe des Hinter-
hauptes eingelenkt; dieses Gelenk bewerkstelligt die senkrechten Kopf-
bewegungen. Der erste Halswirbel, der Atlas (Fig. 336, S. 841), zeigt
die Form eines vorn wie hinten concaven Ringes. Der Körper (o) des
Wirbels ist abgeplattet und auf der oberen, dem Rückenmarke zu-
gewendeten Fläche etwas ausgekehlt, so dass der Zahnfortsatz des
zweiten Wirbels sich in diese Rinne einlegen kann. Am Hinterende
des Wirbelkörpers findet sich ein hinterer Höcker {t})). Die von
840
Wirbelthiere,
Fig. 335
Säugetliiere. 841
den Neurapophysen gebildeten seitlichen Bogen des Ringes setzen sich
links und rechts in zwei breite Querfortsätze oder Flügel fort (cd),
an -welche bedeutende Muskeln sich ansetzen und deren Wurzel von einem
Querloche (tt) durchbohrt wird, das den Anfang eines Canales bildet,
der durch homologe Löcher an den folgenden Halswirbeln vervollstän-
digt wird. An der Vorderfiäche des Ringes liegen die beiden Gelenk-
Fig. 336. Fig. 337.
tu.
to
tp
Fig. 336. — Lep ciui. — Der Atlas, von oben und hinten gesehen. Doppelte Grösse.
c, Körper des Wirbels; tp, hinterer Knorren; sa, Gelenkfläche zum Epistropheus;
tt, Querloch; at, Querfortsatz; to, schiefes Loch; ta, vorderer Knorren.
Fig. 337. — Lep. ciin. — ■ Das Epistropheus, von vorn und links gesehen. Doppelte
Grösse, aß, Zahnfortsatz; ae, nach vorn verlängerter Dornfortsatz; sa, vorderer
Gelenkfortsatz; tt, Querloch.
gruben , in welchen die Gelenkköpfe des Hinterhauptes sich bewegen ;
hinter ihrem vorderen Rande findet sich das schiefe Loch {tö), durch
welches der erste Halsnerv nach aussen tritt. Die Hinterfläche trägt
an dem unteren Theile der Querfortsätze zwei leicht ausgehöhlte Flächen
{sa) zur Einlenkung mit dem zweiten Halswirbel.
Dieser, Axis oder Epistropheus Fig. 337), ist kaum länger
als der Atlas, aber weit höher, sein Körper trägt eine vordere, kegel-
förmige , überknorpelte und nach vorn gerichtete Verlängerung , den
Zahnfortsatz (Processus odontoideus, ao), um welchen sich der Atlas
bei den Rotationsbewegungen des Kopfes dreht. Die Entwicklungs-
geschichte zeigt uns, dass dieser Fortsatz ursprünglich der Körper des
Fig. 335. — Lep. cun. — Profilansicht des Skelettes. Ein Drittel natürlicher Grösse.
VC, Halswirbel; atl, Atlas; ax, Epistropheus; vd, Rückenwirbel; vi, Lendenwirbel;
vs, Kreuzbeinwirbel; vq, Schwanz wirbel; co, Co', echte Rippen; fc, falsche Rippen;
st, Brustbein; man, Manubrium des Brustbeines; xip, Schwertfortsatz desselben;
OS, oberes Hinterhauptsbein; par, Scheitelbein; as, Augenbrauenbogen; on, Nasen-
bein; im, Zwischenkiefer; mi, Unterkiefer; apt, Flügelfortsatz; acm, Gelenkfortsatz;
azt, Jochfortsatz des Schläfenbeines; /, Thränenbein; om, Schulterblatt; to, Kopf
desselben; eo, Schulterbeinkamm; acr, Acromion; ac, Hakenfortsatz; ämto, Humerus;
tr, Trochlea; cub, ülna; rad, Radius; c, Carpus; mo, Mittelhand; ph, Phalangen;
eil, Körper des Darmbeines; ail, Flügel desselben; puh, Schambeinfuge; tis, Sitz-
beinknorren; bis, bis', oberer und unterer Ast des Sitzbeines; acht, Acetabulum;
to, Foramen obturatorium ; /, Femur; tr, äusserer Trochanter; r, Kniescheibe; tib,
Tibia; per, Peroneum; t, Tarsus; cad, Fersenbein; mt, Mittelfuss; ph, Phalangen
der Zehen.
842 Wirbelthiere.
Atlas ist, der sich aber von diesem trennt, um dem zweiten Wirbel
angescbweisst zu werden. Links und rechts finden sich die ebenfalls
überknorpelten Flächen (sa), auf welchen der Atlas hier eingelenkt
ist, während auf der Hinterfläche die Gelenkgruben für den dritten
Halswirbel angebracht sind. Die Querfortsätze, welche weniger gross
sind als diejenigen des Atlas, tragen an ihren Wurzeln das Querloch (tt).
Der stark ausgebildete Dornfortsatz hat die Gestalt eines vei-ticalen, in
die Länge gezogenen Kammes (»e), der mit seinem Yorderende weit
über die Neurapophysen hinausragt und bedeutenden Kopfmuskeln
zum Ansätze dient.
Die anderen Halswirbel zeigen keine vorstechenden Besonderheiten;
ihre Gelenkfortsätze sind stärker entwickelt, als bei den beiden ersten;
die Dornfortsätze werden nur bei den drei letzten bedeutend; die Quer-
fortsätze sind nach der Bauchseite hin gebogen. Der Körper des sie-
benten Halswirbels , der mit dem ersten Rückenwirbel sich einlenkt,
hat horizontale Lagerung , während die anderen in Folge der Hals-
krümmung eine etwas schiefe Richtung zeigen.
Die Rückenwirbel (Fig. 335, rd) nehmen von vorn nach hinten
an Dicke und Höhe zu, aber auch an Breite ab. Sie unterscheiden sich
namentlich von den Halswirbeln durch mächtigere Körper und weit
grössere, schief nach hinten geneigte Dornfortsätze. Letztere werden
auf dem dritten und vierten Rückenwirbel am höchsten; weiter nach
hinten zu verkürzen sie sich und platten sich seitlich ab. Die Quer-
fortsätze sind nur wenig entwickelt; sie zeigen an ihrem freien Rande
eine Gelenkfläche, die sich bis auf den Wirbelkörper hinzieht und zur
Einlenkung des Kopfes der Rippen dient. Seitlich entspringt ein
kleiner Nebenfortsatz, der auf dem ersten Rückenwirbel kaum
bemerklich, auf den folgenden aber sehr deutlich ist; an den ersten
sieben Rückenwirbeln richtet sich dieser Fortsatz gegen den Hals, an
den anderen gegen die Lenden. Jeder Rückenwirbel trägt vorn und
hinten je zwei schiefe Gelenkfortsätze; die vorderen Gelenkfortsätze,
deren Gelenkflächen vertical gestellt sind, tragen einen Höcker, den
Zitzenfortsatz, der um so bedeutender wird, je weiter nach hinten
der Wirbel sich findet.
Diese Zitzenforfcsätze (Fig. 338, am) erreichen in der That an den
Lendenwirbeln (Fig. 335, vi) ihre grösste Ausbildung, wie denn
überhaupt die Lendenwirbel die mächtigsten der ganzen Wirbelsäule
sind , deren Fortsätze sich am meisten entwickeln. Die Querfox'tsätze
(Fig. 338, at) sind sehr lang, nach vorn und unten gerichtet; die
Gelenkfortsätze (sa) treten scharf hervor. Sämmtliche Einrichtungen
für den Ansatz von Rippen fehlen diesen Wirbeln gänzlich. Ihre Dorn-
fortsätze (ae) sind hoch, blattartig nach vorn in die Länge gezogen.
Das Kreuzbein (Fig. 339), welches seitlich mit den Darmbeinen
durch hufeisenförmige Gelenkflächen verbunden ist, besteht aus vier in
Säugethiere.
843
der Art verschmolzenen Wirbeln, dass das Ganze die Gestalt einer lan-
gen, abgestutzten Pyramide bat, deren Basis nach vorn gewendet ist.
Seine innere, ausgekehlte Fläche zeigt eine mittlere, durch die Xaht-
linie der verschmolzenen Wirbelkörper unterbrochene Rinne; an diesen
Nahtlinien finden sich seitlich die Sacrallöcher (ts), welche in kurze
Canäle führen, die dorsalwärts in den Rückenmarkscanal münden und,
als Homologe der Zwischenwirbellöcher, den Rückenmarksnerven Durch-
lass gewähren. Die Yorderfläche des Kreuzbeines verbindet sich mit
dem letzten Lendenwirbel unter einem stumpfen Winkel und bildet so
einen in das Becken ragenden Yorsprung, das Promontorium. Die
Fig-. 338.
Fig. 339.
Fig. 338. — Lep. ciin. — Der zweite Lendenwirbel, von vorn und links gesehen.
Doppelte Grösse, c, Körper des "Wirbels; sa, vorderer Gelenkfortsatz; sap, hinterer
Gelenkfortsatz; ai, Querfortsatz; am, Zitzent'ortsatz; ae, Dorntbrtsatz.
Fig. 339. — Lep. citri. — Das Kreuzbein von seiner unteren Fläche. Man sieht die
vier Wirbel, die es zusammensetzen. Natürliche Grösse, ai, Gelenkfläche gegen den
letzten Lendenwirbel; o i, Zwischenknöchelchen; <s, Kreuzbeinlöcher.
Gelenkfortsätze {ai) bleiben erhalten, sie sind aber seitlich abgeplattet
und nach hinten geneigt.
Der Schwanz besteht meist aus sechzehn Schwanzwirbeln
(Fig. .3.35, V q) , die in einer nach hinten convexen krummen Linie
an einander gereiht sind und durch die Yerkümmerung ihrer Apo-
physen nach und nach den \Yirbelcharakter verlieren. Der Rücken-
canal verschwindet von dem siebenten Wirbel an und am Schwanzende
finden sich nur noch die Körper in Gestalt kleiner, an ihren Enden
etwas angeschwollener cylindrischer Knöchelchen. Der letzte Schwanz-
wirbel endet spitz.
Der Thorax wird von den Rippen und dem Brustbeine begrenzt;
die Höhlung des Brustkorbes hat die Gestalt eines hinten abgestutzten
844
Wirbelthiere.
Ellipsoides. Der Querdurchschnitt zeigt eine Ellipse, deren grosse Axe
dorsoventral gelagert ist.
Rippen (Fig. 335) giebt es zwölf Paare; wir haben einmal ein
Kaninchen mit dreizehn Rippenpaaren angetroffen. Man unterscheidet
sieben Paare echter Rippen {co), deren ventrale Enden sich an das
Brustbein anlegen, und fünf Paare falscher Rippen (/c), von welchen
zwar die drei ersten Paare durch ihre Knorpelfortsetzungen indirect
mit dem Brustbein verbunden sind, die zwei letzten Paare dagegen,
die man auch flottirende Rippen genannt hat,
keine Verbindung mit dem Brustbeine ein-
gehen. Die vier mittleren Rippenpaare sind die
längsten, sowohl nach vorn wie nach hinten
nehmen die anderen an Länge ab. Das ven-
trale , mehr oder minder abgeplattete Ende
jeder echten Rippe, das sich mit dem Brust-
bein verbindet, bleibt knorplig; alle zeigen
ausser ihrer Krümmung auch noch eine Art
von Torsion um ihre grosse Axe. Die vorderen
Rippen richten sich schief nach vorn, die hin-
teren nach hinten. Ihr mit Knorpel überzogenes
dorsales Ende bildet einen rundlichen Kopf
(Fig. 340, t), der an den entsprechenden Wirbel
in die oben beschriebene Grube eingelenkt ist.
Das Rippenköpfchen ist mittelst eines dünneren
Theiles, dem Halse (c), in den Rippenstab
fortgesetzt. Dieser Hals trägt bei allen, mit
Ausnahme der beiden letzten Rippen, eine
Gelenkauftreibung , den Rippenhöcker (tu),
der sich an den Querfortsatz des entsprechen-
den Rückenwirbels anlegt. Durch diese beiden
Gelenke können sich die Rippen, übrigens doch
nur in beschränktem Maasse , von oben nach unten und von hinten
nach vorn bewegen.
Das lange und schmale, auf seiner Aussenfläche etwas gewölbte
Brustbein (Fig. 335, st) schliesst den Brustkorb auf der ventralen
Mittellinie; es besteht aus sechs, durch niemals verknöchernde Knorpel-
scheiben an einander gereihten Knochenstücken. Das erste dieser Stücke,
das längste, ist nach vorn und oben gerichtet und springt mit seiner
halben Länge über die erste Rippe gegen den Hals vor; sein Vorder-
rand ist schneidend; auf den Seiten trägt es die ovalen Gelenkflächen
für das erste Rippenpaar; man nennt es den Griff des Brustbeines
{Manahrhim sterni, man). Hierauf folgen vier Knochen, welche zu-
sammen den Körper des Brustbeines bilden (st) und zuletzt ein
langes und dünnes, etwas nach rechts abweichendes Knochenstück,
Lep. Clin. — Die sechste
Rippe in natürlicher Grösse.
t, Kippenköpfchen; c, sein
Hals; tu, Knorren; co, Kör-
per; ca, Rippenknorpel.
Säugethiere. 845
welches in den Schwertfortsatz (Processus xiphoideus, scip) ausläuft,
der ein Knorpelblatt darstellt, an welches sich das Zwerchfell und der
gerade Bauchmuskel anheften. Das Brustbein besteht beim Embryo
aus einem zusammenhcängenden Knorpelstreifen, mit welchem die Rippen-
knorpel seitlich verschmolzen sind. Bei dem erwachsenen Thiere ist
der siebente Rippenknorpel an dem Ende des Brustbeinkörpers ein-
gelenkt. Die Knorpel der drei falschen Rippen (Fig. 335,/?') vereinigen
sich zu einem fast horizontalen Knorpelstreifen, der sich an den Knorpel
der letzten echten Rippe anlegt, ohne das Brustbein zu erreichen.
Das bisher beschriebene Knochengerüst bildet das Rumpfskelett,
an welches sich der Kopf und die Extremitäten anheften. Wenn auch
der Kopf wohl aus Metameren zusammengesetzt ist, so können wir
doch auf diesen Punkt, der unzählige theoretische Discussionen ver-
anlasst hat, hier nicht weiter eingehen.
Der Schädel begreift in sich den eigentlichen Hirnschädel,
welcher das centrale Nervensystem einschliesst; den Gesichtsschädel,
die Visceralbogen, die an dem Schädel nur noch in dem Unter-
kiefer erhalten sind, das Zungenbeingerüst und die Gehör-
knöchelchen der Paukenhöhle, die wir bei dem Gehörorgane be-
handeln werden.
Der Hirnschäder(Fig. 341, 342, 343 a. f. S.) hat die Gestalt
eines langgezogenen Ovoids, das länger als breit uud breiter als hoch
ist und am abgerundeten Hinterende am breitesten ist. Seitlich ist er
durch die grossen, nach hinten und unten weit geöffneten Augenhöhlen
aus geschürft; hinter diesen münden die Gehörgänge. Die dorsale
Fläche ist fast gerade und horizontal und trifft fast im rechten Winkel
mit der verticalen Hinterfläche zusammen. Die Knochen sind durch
Nähte vereinigt, welche meist während des ganzen Lebens sichtbar
bleiben; am trockenen Schädel lassen sich die Nähte nicht trennen,
wohl aber durch Behandlung des frischen Schädels mit siedendem
Wasser. Die Knochen sind sehr dünn, durchscheinend und einige, be-
sonders die seitlichen Hinterhauptsbeine, fallen, namentlich bei jungen
Individuen , durch ihre Porosität auf. Der Schädel des Kaninchens
unterscheidet sich sofort von demjenigen des Hasen durch die Persi-
stenz des Interparietalknochens (Fig. 341, ?'j;), der bei dem Hasen mit
den Scheitelbeinen verschmilzt.
Das Hinterhauptsbein setzt sich aus vier Stücken zusammen,
dem Grundbeine {ocdpitale hasilare) , welches einen Wirbelkörper
repräsentirt, dessen Neurapophysen von den seitlichen Hinterhaupts-
beinen und der Dornfortsatz von der Schuppe des oberen Hinter-
hauptsbeines dargestellt würden. Diese vier Knochen begrenzen das
grosse Hinterhauptsloch, dessen beinahe verticale Stellung und drei-
eckige Form wir schon erwähnten (Fig. 342, to).
846 Wirbelthiere.
Das Grundbein liegt horizontal (Fig. 342, to); es verbindet sich
nach vorn durch eine faserknorplige Lamelle mit dem hinteren Keil-
Fig. 341.
sl
Lejg. cun. — Scheitelansicht des Schädels in natürlicher Grösse, o s^ oberes Hinter-
hauptsbein; ip, Interparietale; sl, Lambdanaht; pa, Scheitelbeine; ss, Pfeilnaht;
se, Schuppennaht; sc, Kranznaht; <e, Schuppe "des Schläfenbeines; ta, äusseres
Gehörloch; azt, Jochfortsatz des Schläfenbeines; o, Augenhöhle; aoj), hinterer Ober-
augenfortsatz; aoa, vorderer Oberaugenfortsatz; tso, Oberaugenhöhlenloch; fr,
Stirnbeine; smf, Stirnnaht; m, Wangenbein; azm, Jochfortsatz des Oberkiefers; ??!,
Wangenbein; ms, Oberkiefer; en, Nasendorn; snf, Nasenstirnuaht; on, Nasenbeine;
smn, Nasennaht; amf, Kieferfortsatz des Stirnbeines; afi, Stirnfortsatz des Zwischen-
kiefers; im, Zwischenkiefer; i, Schneidezähne.
beine, zeigt jederseits ein Grübchen, in welches sich das Paukenende
des Schläfenbeines einlegt; seine Innenfläche ist ausgekehlt, seine
Aussenfläche zeigt eine mittlere Rinne. Von seinen Seiten steigen die
seitlichen Hinterhauptsbeine, das grosse Loch umfassend, fast
Säiiojethiere.
847
senkrecht empor; sie verlängern sich nach vorn durch ihren Joch-
fortsatz (djo) bis zum Felsenbeine und tragen seitlich und unten
die Gelenkköpfe (Fig. 342 u. 343, ac) für die Einlenkung mit dem
Pio-. 342.
oj-
^'J/ ac
|l>
/a
k It
bo
^
ssli
apno
Lep. Clin. — • Ansicht der Schädelbasis. Natürliche Grösse, os, oberes Hinterhaupts-
bein; CO, Leiste desselben; to, Hinterhauptsloch; ac, Gelenkköpfe des Hinterhauptes
ec, Zwischenfurche; ho, Grundbein; th, Durchtrittsloch des N. hypoglossus; ajo,
Jugularfortsatz des Hinterhauptsbeines; hl, Blasentheil des Schläfenbeines; amt, Zitzen-
fortsatz desselben; ta, äusseres Gehörloch; ssh, Grundbein-Keilbeinnaht; sp, hinterer
Keilbeinkörper; sa, vorderer Keilbeiukörper; ts. Keilbeinloch;/?«, Unterkiefergrube;
azt, Jochfortsatz des Schläfenbeines; ap , Flügelfortsatz; o, Augenhöhle; aoa, vor-
derer Oberaugenfortsatz; av, Flügel des Vomer; ch, Choaneu; j)h, horizontaler Ast
des Gaumenbeines; i**') verticaler Ast desselben; t}) , Gaumenlöcher; apm, Gauraen-
fortsatz des Oberkiefers; spm, Kiefergaumennaht; m, Wangenbein; cZjn, Backenzähne ;
ms, Oberkiefer; cn, Nasenscheidewand; im, Zwischenkiefer; i, Schneidezähne; is,
Ersatzzähne.
848 Wirbelthiere.
Atlas, die glatt, von unten nach oben verlängert und an ihrer Basis
durch eine breite Bucht (Fig. 342, ec) getrennt sind, in welcher das
Grundbein sichtbar ist. Am oberen Ende dieser Gelenkköpfe sieht man
kleine Löcher, durch welche der Nervus hypoglosstis nach aussen tritt
(Fig. 342, Jiy). Mit ihren oberen Rändern stossen diese Knochen an
die vorn breitere, hinten schmälere, convexe Hinterhauptsschuppe
(Fig. 341, os), welche das Hinterhauptsloch nach oben schliesst. Hier
zeigt die Schuppe einen Ausschnitt, der den Gipfel des dreieckigen
Loches bildet und bei dem Hasen nicht ausgebildet ist. Auf der
äusseren Fläche des Knochens ist eine Querleiste ausgebildet, welche
den unteren Nackentheil von dem oberen Scheiteltheile abtrennt; ausser-
dem finden sich zwei seitliche Leisten, welche sich auf die Schuppe
des Schläfenbeines fortsetzen. Auf der Innenfläche machen sich drei
Gruben bemerklich; in die mittlere tiefste, die Kleinhirngrube, legt sich
der Wurm des kleinen Gehirnes.
Das Keilbein liegt vor dem Grundbeine auf der Mittellinie der
Schädelbasis (Fig. 342, sp); sein Körper besteht aus zwei, durch
Knorpel vereinigten Stücken; das hintere trägt die grossen, das
vordere die kleinen Keilbeinflügel.
Von unten betrachtet, hat das hintere Keilbein (Fig. 342, sp)
die Gestalt eines gleichschenkligen Dreieckes, dessen Basis nach hinten
gewendet und von einem Loche (ts) zum Durchtritte einer grossen
Vene durchbohrt ist. Auf seiner, dem Gehirne zugewendeten oberen
Fläche trägt es eine tiefe Höhle, den Türkensattel, in welche sich
der Hirnanhang {Hypopliysis) einlegt, und die nach hinten durch einen
schwammigen Vorsprung, den Sattelrücken, begrenzt wird. Auf den
Seiten erheben sich die grossen Flügel (alisphenoidaUa) in Gestalt
dünner, auf der Hirnseite concaver Blätter, die sich hinten und seitlich
an das Schläfenbein anlegen, dessen Schuppe sie theilweise bedeckt.
Mit ihrer vorderen, stark convexen Fläche nehmen die grossen Flügel
Antheil an der Bildung der Augenhöhle; ihr Hinterrand verlängert
sich zu einem sehr dünnen, schuppigen Pterygoidfortsatze (oj)),
der sich nach vorn mit der senkrechten Lamelle des Gaumenbeines
verbindet.
Das vordere Keilbein (so) ist etwas höher als breit; es zeigt
an seinem vorderen Theile eine Menge kleiner Gruben, die Keilbein-
sinus, und sendet seitlich zwei kurze Fortsätze aus, welche die Nasen-
höhle nach hinten abschliessen. Es trägt die kleinen Flügel, welche
nach hinten mit dem Vorderende der grossen Flügel durch eine Naht
verbunden sind und schief in die Höhe steigen, um sich mit dem
Augentheile des Stirnbeines zu verbinden. Sie zeigen vorn einen starken
Ausschnitt, der an der ßildiing des Durchtrittsloches für den Seh-
nerven (Fig. 343, to) in die Augenhöhle Antheil nimmt.
Säugethiere. 849
Auf der dorsalen Schädelfläche (Fig. 341) stösst das obere Hinter-
hauptsbein mit den beiden Scheitelbeinen (pa) in der queren
Lambdanaht (s?) zusammen. Im Vereinigungswinkel findet sich ein
kleines, unpaares Knochenstück von Rautengestalt, das Zwi sehen -
Scheitelbein O'p), das bei den meisten Säugethieren, selbst beim
Hasen, mit dem Hinterhaupte verwächst. Die eigentlichen Scheitel-
beine decken als rechteckige, dünne, etwas convexe Platten wie ein
Dach die Schädelhöhle; sie vereinigen sich in der Mittellinie durch die
Pfeilnaht {siitura sagütalis, ss), über welcher sich ein wenig vor-
stehender Kamm erhebt, der sich bis zum Zwischenscheitelbeine fort-
setzt. Auf der Innenfläche, wo man die Eindrücke der Hirnhautgefässe
sieht, entspricht diesem Kamme eine Rille. Ein kleiner Schuppenfort-
satz geht von dem hinteren Rande der Scheitelbeine aus imd schiebt
sich unter die Schuppe des Schläfenbeines.
Die vor den Scheitelbeinen gelegenen Stirnbeine (Fig. 341, fr)
werden in der Mittellinie durch die Stirnnaht (smf) vereinigt, die bei
älteren Thieren verwächst. Ihr Hinterrand, der durch die quere Kranz-
naht (sc) an die Scheitelbeine stösst, ist breiter als der vordere, der
durch die Nasenstirnnaht (snf) sich mit den Nasenbeinen verbindet.
Hier findet sich ein medianer Vorsprung, der Nasendorn (er/,), welcher
sich zwischen die Nasenbeine einschiebt und durch tiefe Ausschnitte
von den seitlichen spitzen Kieferfortsätzen (anif) getrennt ist. Die
Stirnbeine krümmen sich nach der Seite und unten, um den grössten
Theil der Umgebung der Augenhöhle zu bilden. Nach hinten ver-
einigt sich der Augentheil mit der Schuppe des Schläfenbeines, nach
unten mit dem Oberrande der kleinen Keilbeinflügel xmd mit dem
Siebbeinfortsatze des Keilbeines. Nach vorn verlängert sich dieser
Theil durch den schon erwähnten Kieferfortsatz, der sich der Länge
nach an den Stirnfortsatz des Zwischenkiefers (cifi) anlegt. Auf dem
Augenbrauenbogen (Fig. 343, as), wo der Stirntheil und Augen-
theil des Stirnbeines zusammentreffen, finden sich zwei starke Ob er-
äugen dornen, ein vorderer (Fig. 341, aoa) und ein hinterer (aop),
welche eine Ai-t gewölbten Vordaches mit schneidendem Rande vor
der Augenhöhle bilden. Der grössere hintere Dorn verschmilzt zu-
weilen mit der äusseren und hinteren Ecke des Stirnbeines, wie das
der Fall bei einem uns vorliegenden Schädel ist; beide Dornen sind
aber von der Stirnbeinplatte stets durch tiefe Einschnitte getrennt,
welche bei der Verwachsung in S upra-Or bitall ö eher (tso) umge-
wandelt werden. Am Vorderrande der Knochen finden sich wenig ent-
wickelte, mit der Nasenhöhle in Verbindung stehende Sinus. Wie
bei den Scheitelbeinen, sieht man auf der Hirnfläche der Knochen die
Eindrücke der Hirnhautgefässe,
Die Schläfenbeine (Fig. 341, te) sind zwischen das Hinter-
hauptsbein, das Keilbein und das Scheitelbein eingeschoben. Sie
Vogt n. Yuiig, prakt. vcrgl. Anatomie. II. 7\^
850 Wirbelthiere.
zeigen zwei scharf geschiedene Theile: oben und vorn, die an das Keil-
bein und Scheitelbein stossende, mit letzterem durch die Schuppen-
naht (se) verbundene Schläfenbeinschuppe (te) und einen hinteren
und unteren Felsenpaukentheil, der selbst wieder aus dem com-
pacten Felsentheile und dem hohlen Paukentheile zusammengesetzt,
aber bei den erwachsenen Thieren untrennbar verschmolzen ist.
Die Schläfenbeinschuppe (Fig. 341, te) ist leicht nach aussen
gewölbt und macht sich besonders durch zwei bedeutende Fortsätze
bemerklich. Der vordere, der Jochbeinfortsatz {ast), richtet sich
schief nach unten und vorn und bildet mit dem entsprechenden Fort-
satze des Oberkiefers den Jochbogen; an seinem Anfange sieht der
weiterhin abgeplattete Fortsatz wie gewunden aus. Der andere, der
Schuppenfortsatz (Fig. 343, asq), hat die Gestalt einer Säbelklinge-,
er richtet sich nach hinten und unten und vereinigt sich mit dem
Felsentheile des Knochens unter und hinter dem äusseren Gehörloche
{ta). Unmittelbar unter diesem Fortsatze befindet sich die Gelenkgrube,
in welcher der Unterkiefer spielt.
Der Paukenfelsentheil lässt sich seiner unregelmässigen Form
wegen nur schwer beschreiben. Er ist dick, massig, nach unten ab-
gerundet und zeigt oben und aussen das Loch des äusseren Gehör-
ganges (ta). Wir unterscheiden den äusseren und unteren, durch seine
glatte und blasige Beschaffenheit ausgezeichneten Theil, den Pauken-
theil, und einen oberen und inneren Abschnitt, den Felsentheil. Beide
sind äusserlich durch eine seichte Rille, die Felsenpau kenspalte
(Fig. 344, S|3i(), von einander getrennt.
An seiner äusseren Fläche, wo das Felsenbein mit dem Pauken-
theile verschmolzen ist, entsendet es den Zitzenfortsatz (Fig. 342,
amt), einen langen, an dem hinteren Rande des äusseren Gehörganges,
parallel mit dem Jochfortsatze des Hinterhauptes verlaiifenden Vor-
sprung; mit seiner inneren, rauhen Fläche nimmt er an der Bildung
der Schädelwand Antheil. Man sieht hier eine kleine Oeffnung, das
innere Gehörloch, welche in das Labyrinth des Ohres führt und
das wir bei diesem Sinnesorgane besprechen werden. Hinter diesem
Loche zeigt sich die tiefe Zitzengrube, in welche sich die Kleinhirn-
flocken einlegen.
Der blasenförmige Paukentheil grenzt innen an das Grundbein,
vorn und oben an die Schläfenbeinschuppe und das Felsenbein. Seine
Höhlung öffnet sich nach aussen durch das äussere Gehörloch
(Fig. 342 u. 343, ta), dessen unregelmässig eiförmiger Rand scharf
schneidend ist.
Gesichtsschädel. Er liegt vor dem Hirnschädel, ist ebenso lang,
aber schmäler als dieser und enthält zwei über einander liegende Höhlen,
oben die Nasenhöhle, unten die Mundhöhle. Die erstere wird von den
Thränenbeinen, dem Siebbeine, dem Vomer, den Nasenmuscheln und
Säugethiere.
851
den Nasenbeinen, die letztere von den Gaumenbeinen, den Ober- und
Zwiscbenkiefern und der Unterkinnlade umschlossen. Mit Ausnahme
des Unterkiefers sind die meisten dieser Knochen durch feste Nähte
verbunden, so dass sie sich nur schwer trennen lassen.
Das Siebbein gehört noch theilweise zum Hirnschädel; es schiebt
sich in den Ausschnitt der Stirnbeine ein und schliesst die Hirnhöhle
nach vorn. Aber mit seinem grösseren Theile dringt es in die Nasen-
höhle vor und aus diesem Grunde behandeln wir es hier. Sein hin-
terer, dem Siebfortsatze des Keilbeines anliegender Theil , die Sieb-
beinplatte, hat eine dreieckige Gestalt und wird von vielen Löchern
durchsetzt, durch welche die Fasern des Riechnerven in die Schleim-
haut der Nase dringen. Um diesen Theil sehen zu können, muss mau
die Nasen- und Stirnbeine entfernen. Nach vorn
verlängert sich die Siebplatte in einen senk-
rechten Kamm, der die beiden Seitentheile, die
Labyrinthe des Siebbeines , von einander
scheidet. Diese Labyrinthe bestehen aus zahl-
reichen, in einander gewundenen Knochenblätt-
chen, welche jederseits eine blätterige Masse
bilden, deren von der Riechschleimhaut aus-
gekleidete Zellen und Höhlungen mit der Nasen-
höhle in Verbindung stehen.
Vor dem Siebbeine liegt das Pflugschar-
bein (Vomer, siehe Fig. 342, av), das aus einer
medianen, senkrechten Lamelle und zwei flügei-
förmigen, sehr zarten Seitentheilen besteht, die
sich an die Siebbeinlabyrinthe anlegen. Der
obere Rand der senkrechten Lamelle zeigt eine
Längsrille, in welche sich die knorpelige Nasen-
scheidewand (en) einlegt. Der untere Rand des
Vomer legt sich an die Gaumenfortsätze des
Zwischenkiefers und der Gaumenbeine.
Das Thränenbein (Fig. 344, oV) ist ein kleines Knochenstück-
chen von unregelmässiger Gestalt, welches sich zwischen den vorderen
Winkel der Augenhöhle und den hinteren Winkel der Nasenhöhle ein-
schiebt und so beide schliesst. Die Nasenbeine (Fig. 341, on) bilden
das Dach der Nasenhöhle; sie treffen unter einem stumpfen Winkel in
der stets sichtbaren mittleren Nasennaht (srnn) zusammen. Die
obere Fläche dieser in die Länge gezogenen Knochen ist glatt und
etwas gewölbt; die innere Nasenfläche trägt eine zweite Knochen-
schuppe, welche eine weit nach hinten geöffnete Höhle, das Marsttpium
nasale (Fig. 343, mn) abgrenzt, in welche sich das vordere Ende des
Siebbeinlabyrinthes einschiebt. Mit ihren Seitenrändern legen sich die
Nasenbeine an den Stirnfortsatz des Zwischenkiefers. Ihre vorderen,
54*
Lep. Clin. — Das linke
Nasenbein von der unte-
ren Fläche gesehen. 6p,
hinterer Rand; 6i, innerer
Rand; ha, vorderer Rand;
c, Kammleiste; r/i», Mar-
supium nasale.
852 Wirbelthiere.
ausgekehlten Ränder sind frei und bilden die oberen Ränder der herz-
förmig ausgeschnittenen und in der Mitte getheilten Nasenöffnung, die
seitlich von den Zwischenkiefern begrenzt wird.
Die obere Kinnlade wird vorn von den Zwischenkiefern, in
welchen die Schneidezähne eingekeilt sind, weiter nach hinten von den
damit verschmolzenen Oberkiefern gebildet. Die grossen Nagezähne
(Fig. 341 u. 344, i), hinter welchen noch zwei kleine, für die Familie
der Hasen charakteristische Reservezähne (is) stehen, sind in den Körper
des Zwischenkiefers (jm) eingelassen, von welchem zwei Fortsätze
ausgehen, ein Stirnfortsatz (afi), an dessen seitlichem Unterrande
sich eine Rille befindet, in welche sich der Kieferfortsatz des Stirn-
beines einlegt, und ein kürzerer Ganmenfortsatz, den eine Naht mit
dem Oberkiefer verbindet. Der Zwischenkiefer ist ursprünglich paarig;
die beiden Hälften sind durch eine Naht, die Schneidenaht, mit
einander verbunden.
Die Oberkiefer (Fig. 341 u. 344, mr) sind die Hauptknochen
des Gesichtes. Sie liegen hinter dem Zwischenkiefer; ihre seitliche
Aussenfiäche erscheint porös durch eine Menge kleiner Löcher und
Grübchen; ausserdem trägt sie die Mündung des Nasenthränenganges.
Der massive Körper des Knochens treibt in der Augenhöhle eine Er-
höhung mit drei Wölbungen (ams) auf, welche den Wurzeln der drei
hinteren Backenzähne entsprechen, deren Kronen an dem Zahnrande des
Knochens vorragen. Von der Aussenfiäche geht ein starker Fortsatz,
der Jochfortsatz, aus, der mit einem ursprünglich isolirten Knochen,
dem Joch- oder Wangenbeine (Fig. 344, m), verschmilzt, das ander-
seits sich an den entsprechenden Fortsatz des Schläfenbeines anlegt
und so den Jochbogen vervollständigt, der den seitlichen äusseren
Rand der Augenhöhle bildet. Die Jochschläfennaht besteht während des
ganzen Lebens; die Jochkiefernaht ist nur bei jungen Thieren sichtbar.
An der Wurzel des Jochfortsatzes des Kiefers bemerkt man eine runde
Grube, auf deren Grunde kleine Löchlein sich zeigen, weichein die Alveolen
der Backenzähne führen. Auf seiner Innenfläche zeigt der Knochen ein
horizontales Blatt, den Gaumenfortsatz (Fig. 342, apm), der mitseinem
Gegenüber durch eine Naht vereinigt ist, nach hinten sich an die hori-
zontale Platte des Gaumenbeines (pJi) anlegt und so die Scheidewand
zwischen Nasenhöhle und Mundhöhle vervollständigt. Endlich müssen
wir noch den Keilbeinaugen fortsatz (Fig. 344, aso) erwähnen,
welcher nahe an der Wurzel des Jochfortsatzes vertical wie eine Säule
emporsteigt und sich einerseits mit dem Hinterfortsatze des Stirnbeines,
anderseits mit dem Siebbeinfortsatze des vorderen Keilbeines verbindet.
Der Oberkiefer hat demnach Beziehungen zu vielen Knochen, Stirn-
bein, Jochbein, Thränenbein, Nasenbein, Zwischenkiefer und ausserdem
noch zu den Gaumenbeinen, die bei dem Kaninchen nur sehr schwach
entwickelt sind.
Säusethiere.
853
Die Gaumenbeine (Fig. 342, pli, ]_rv) bestehen aus einem hori-
zontalen und einem verticalen Theile. Ersterer vereinigt sich mit dem
Gaumenfortsatze des Oberkiefers durch die Gaumenkiefernaht
{spm) und bildet so die Wölbung des knöchernen Gaumens; mit seinem
Gegenüber trifft er in der mediären Gaumennaht zusammen, die nur
bei jungen Thieren sichtbar ist. Der Hinterrand zeigt an dem Ver-
Fig. 344.
Lep. Clin, — Profilansicht des Schädels von der linken Seite. Natürliche Grösse.
OS, oberes Hinterhauptsbein; ac, Gelenkkopf; aj , Jochfortsatz des seitlichen Hinter-,
hauptsbeines; ta, äusseres Gehörloch; ht, Blasentheil des Schläfenbeines; azt, Joch-
fortsatz desselben; as, Augenbraueubogen ; oZ, Thränenbein; ams, in die Augenhöhle
vorspringender Zahnwulst des Oberkiefers; to-, Eintrittsloch des Sehnerven; ?«, Joch-
oder Wangenbein; tal, Alveolarloch ; aso, Augenhöhlenfortsatz des Keilbeines; amf,
Kieferfortsatz des Stirnbeines; afi, Stirnfortsatz des Zwischenkiefers; ms, poröser
Theil des Oberkiefers; im, Zwischenkiefer; i, Schneidezähne; is, Ersatzzähnchen;
b, Zahnlücke (diastema); mi, Unterkiefer; tm, Kinnloch; pf, Lücke im verticalen
Aste des Unterkiefers; acm, Gelenkfortsatz desselben; cor, Kronenfortsatz; hd, ab-
steigender Rand des Unterkiefers; ap<, Flügelfortsatz; cms, halbmondförmiger Aus-
schnitt.
einigungspiinkte einen kleinen Kamm, den hinteren Nasendorn, an
welchem das Zäpfchen des Gaumens befestigt ist. Auf dieser horizon-
talen Platte sieht man zwei Löcher, die Mündungen {tp) der Flügel-
gaumencanäle, welche den Knochen durchsetzen und sich in die Augen-
höhle öffnen. Der dünne, abgeplattete, vertical gestellte Theil des
Knochens stützt die Wand der hinteren Nasenhöhlen. Sein unterer
Eand ist frei ; durch den Hinterrand verbindet sich dieser Theil mit
854 Wirbelthiere.
dem Flügelfortsatze des Keilbeines, durch deu Vorderrand mit dem
Oberkiefer und durch den vorderen Abschnitt seines oberen Randes
mit dem vorderen Keilbeine und dessen Siebbeinfortsatze.
Der Unterkiefer (Fig. 344, nii) besteht aus zwei grossen Hälften,
die sich in der unvollkommen verwachsenen Symphyse des Kinnes unter
einem spitzen Winkel vereinigen. Wir unterscheiden den vorderen,
meist abgerundeten Theil, an dessen freiem Ende die Alveolen der
grossen Schneidezähne sich finden und der auf der Aussenfläche das
Kinn loch (tm), die Ausmündung des Alveolarcanales, zeigt. Dieser
horizontale Ast des Unterkiefers plattet sich nach hinten seitlich ab
und geht so allmählich in den verticalen Ast über. In dem Winkel,
wo beide Aeste zusammenstossen, stehen auf dem oberen Rande des
horizontalen Theiles die fünf unteren Backenzähne und hinter diesen
sieht man auf der Innenfläche ein ovales Loch, das Kieferloch, durch
welches ein Gefäss tritt. Der hintere verticale Ast ist eine häufig
durchlöcherte (p/), durchscheinende Knochenlamelle, deren oberer Rand
von dem Gelenk fortsatze (acm) gekrönt wird, welcher sich in die
am Schläfenbeine angebrachte Gelenkhöhle einlegt. Dieser Rand trägt
eine tiefe Rille, deren äusserer schneidender Rand einen kleinen, blatt-
artigen Kranz fortsatz (cor) trägt, der sich über die Rille herüber
schlägt. In der Nähe des Kieferloches mündet, auf der inneren Fläche
der verticalen Lamelle» die hintere Oeffnung des Alveolarcanales. Der
untere, absteigende Rand des senkrechten Astes (hd) ist couvex; er
endet mit einem spitzen Pterygoid fortsatze {apt)^ an welchen sich
der M. pterygoideiis mternus ansetzt. Beide Flächen des verticalen
Astes sind leicht ausgehöhlt; man sieht namentlich auf der Aussen-
fläche vorspringende, durch die Anheftung der verschiedenen Muskeln
bedingte Linien. Das Kiefergelenk wird von einer Faserknorpelschicht
umschlossen, welche seitliche Bewegungen gestattet.
Mit Einschluss der kleinen Ersatzzähnchen zählt das Kaninchen
p A O O
28 Zähne, die folgende Formel geben: -^ — ; C — ; P — ; Jf — • Die
L yj Ji o
Nagezähne wachsen beständig; nur ihre Aussenfläche ist mit Schmelz
überzogen, um sie scharf schneidend zu erhalten. Die oberen zeigen
vorn eine mittlere Längsrinne, welche den unteren fehlt. Hinter ihnen,
nicht neben ihnen , stehen noch im Zwischenkiefer die kleinen , schon
erwähnten Reservezähnchen , welche nur den Hasen zukommen. Von
den Backenzähnen sind die Schneidezähne durch eine grosse Lücke
(diasteina, h) getrennt.
Jeder Backenzahn hat nur eine, in die Alveole eingepflanzte
Wurzel; oben zählt man sechs, von welcher der vordere und hinterste
Zahn die kleinsten sind; unten ist der hinterste Zahn der kleinste, der
vorderste der grösste von den fünfen. Ihre Kronen sind quer gefaltet;
die Schmelzlamellen, welche die einzelnen Dentinschichten von einander
Säugethiere. 855
trennen, bilden auf der Kronenfläche schneidende Klingenränder. Die
oberen Backenzähne sind von vorn nach hinten zusammengedrückt;
die unteren zeigen einen quadratförmigeu Durchschnitt. Die Kronen-
flächen der unteren Backenzähne im Ganzen sind nicht horizontal,
sondern nach aussen geneigt; die entgegengesetzte Neigung zeigt sich
an den Kronen der oberen Backenzähne — eine Anordnung, welche
das Zusammentreffen der schneidenden Schmelzlamellen bei den seit-
lich mahlenden Bewegungen des Kiefers ermöglicht.
Das Zungenbein, der dritte Visceralbogen, ist sehr verkümmert.
Es besteht aus einem Mitteltheile, dem Körper, an welchen vier lange
Stücke eingelenkt sind, die vorderen, die kleinen Zungenbein-
hörn er, sind etwa um die Hälfte kürzer, als die hinteren grossen
H ö r n e r.
Die vier Extremitäten sind zwar gut entwickelt, doch etwas
weniger als bei dem Hasen, und namentlich ist der Unterschied zwi-
schen den weit mächtigeren Hintergliedern und den Vordergiiedern,
von welchen wesentlich die Fähigkeit des Springens abhängt, bei dem
Hasen bedeutender als bei dem Kaninchen, obgleich er auch bei diesem
sehr in die Augen fällt.
Vorderglied. Der Schulte rgürtel (Fig. 3.35, om) ist weder
auf der dorsalen , noch auf der ventralen Seite geschlossen. Von den
drei Stücken , welche ihn zusammensetzen, ist nur das Schulterblatt
entwickelt; das Schlüsselbein ist auf ein mehr oder minder verknöcher-
tes Knorpelstückchen reducirt, das in dem Ligamente liegt, welches
das Sternum mit dem Kopfe des Humerus verbindet , so dass keine
Knochenverbinduug zwischen Schulter und Brustbein hergestellt ist,
und das Rabenbein ist zu einem kleinen Fortsatze des Schulterblattes
verkümmert.
Das spateiförmige , innen etwas concave und aussen convexe
Schulterblatt (Fig. 335, ow) liegt, etwas schief von hinten nach vorn
gerichtet, auf der Aussenfläche des Brustkorbes. Oben breit, unten griflF-
artig verschmälert, um den Kopf des Schulterblattes (to) zu bilden,
erscheint es als gleichschenkeliges, verlängertes Dreieck mit abgerundeten
Ecken, dessen Basis nach oben schaut. Der Kopf ist mit dem blatt-
artigen Theile durch einen dünnen Hals verbunden; er trägt auf
seiner Unterfläche die Gelenkhöhle, in welche der Kopf des Humerus
eingeschlossen ist (Schultergelenk). Am vorderen Winkel des Kopfes
ragt über dem Gelenke eine kleine Erhöhung hervor, auf deren Innen-
seite der Raben fortsatz als ein kleiner, gegen die Axe des Körpers
gebogener Haken sich zeigt. Bei dem Embryo ist dieser Fortsatz durch-
aus unabhängig; bei jungen Thieren sieht man häufig noch Synchon-
drose zwischen ihm und dem Schulterblatte , die beim Erwachsenen
stets verknöchert ist. Ueber die Mitte der Aussenfläche des Schulter-
blattes zieht sich ein Längskamm, der diese Fläche gewissermaassen
856 Wirbelthiere.
in zwei Gruben theilt; er ist dreieckig, mit nach unten und hinten
gerichteter Spitze und setzt sich als dornartige Verlängerung, als
Acromion (acr) über den Hals fort, mit welchem diese Spitze durch
einen kleineu, in rechtem Winkel nach hinten abgehenden Hakenfort-
satz (ae) verbunden ist.
Der Oberarm wird, wie immer, nur von einem einzigen langen
Knochen, dem Humerus (Fig. 335, hum), gebildet, der mitten cylin-
drisch, an beiden Enden abgeplattet und etwa um 90*^ um seine Axe ge-
dreht ist. Durch das Schultergelenk ist er mit dem Schulterblatte, durch
das Ellbogengelenk mit den Vorderarmknochen verbunden. Beide Ge-
lenke sind von starken Faserkapseln umhüllt. Der leicht nach vorn convexe
Körper des Knochens, seine Diaphyse, ist deutlich spiralig gewunden;
er trägt auf seinem vorderen Rande den wenig vorstehenden Kamm
des Humerus. Die Epiphysen sind dick überknorpelt. Der obere Gelenk-
kopf, der in der Höhle des Schulterblattes spielt, ist dick und hat die
Gestalt einer Halbkugel; er zeigt am äusseren Rande zwei ungleich
grosse Höcker, die durch eine seichte Furche getrennt sind. Die untere
Epiphyse trägt wegen ihrer rollenförmigen Gelenkfläche den Namen
der Trochlea (tr). Auf ihren beiden Flächen zeigen sich tiefe Gruben,
die nur durch eine dünne, zuweilen von einem Loche durchbohrte
Knochenlamelle von einander geschieden sind. Jederseits von der
Gelenkrolle zeigen sich Höcker, von welchen der äussei'e zur Insertion
der Streckmuskeln , der innere zum Ansätze der Beugemuskeln des
Vorderarmes dient.
Der Vorderarm besteht aus zwei Knochen, die mit ihren Epi-
physen innig verbunden, an ihren Diaphysen aber durch einen schmalen
Zwischenraum von einander getrennt sind. Der kürzere Radius
(Fig. 335, racl) ist leicht von vorn nach hinten abgeplattet; er liegt
vor der Ulna oder Cubitus (c2iJ)) auf der inneren Seite. Sein pro-
ximales Ende bildet mit der Gelenkfläche der Ulna eine halbkreis-
förmige Grube, fossa sigmoides, in welche die Trochlea eingelenkt ist.
Das distale Ende trägt auf der Unterfläche eine doppelte , wenig tiefe
Gelenkgrube , in welche sich die beiden ersten Carpalknochen ein-
lenken. Die Ulna überragt den Radius durch eine dicke Verlängerung
ihres oberen Endes, das Olecranon (o?), welches hinter dem Ellbogen-
gelenk aufsteigt und an seinem Vorderrande einen spitzen Höcker, den
Schnabel des Olecranon, bildet, der sich in die hintere Trochleargrube
einlegt. Die Diaphyse der Ulna ist in der V^'"eise von vorn nach hinten
zusammengedrückt, dass sie auf der Vorderfläche einen inneren, schnei-
denden Rand zeigt, den Ulnarkamm. Das distale Ende ist in eine
kleine Aushöhlung des Ulnarknochens der Handwurzel, des os pyramidale,
eingelenkt; es ist, wie dasjenige des Radius, stark verknorpelt.
Der Vorderfuss ist derjenige eines Halbsohlengängers (semi-
plantigrad); die Mittelhandknochen bleiben beim Gehen theilweise über
Säuffetliiere.
587
Fig. 34c
den Boden erhoben. Er besteht aus der Handwurzel, der Mittelhand
und den Fingern.
Die Handwurzel (Carpus) besteht aus neun, in zwei Querreihen
geordneten unregelmässigen Knöchelchen, vier in der ersten, fünf in
der zweiten Reihe. In der ersten (Fig. 345) finden sich, von innen
nach aussen, das Carpo -radiale oder Scapboideum (sc), das Semi-
Innare (sl) , das Carpo-ulnare oder Pyramidale (py) und das kleine
Erbsenbein (Pisiforme) , das man in unserer Figur nicht sieht, weil es
auf der Sohlenfläche unter dem Hinterrande
des Pyramidale liegt. In der zweiten Reihe
liegen das Trapezium (t r) , das Trapezoideum
(t z) , das Centrale (c e) , welches in zwei kleine
Knöchelchen zerfällt, und das Hakenbein (er),
das grösste von allen, welches mit dem Pyra-
midale und dem Semilunare eingelenkt ist.
Nur bei alten Kaninchen sind diese Stücke
gänzlich verknöchert; häufig sind die beiden
Ceutralknöchelchen verschmolzen, so dass dann
nur acht Handwurzelknocheu vorhanden sind.
Uebrigens geben sie durch ihre Gelenke dem
Vorderfusse eiue grosse Beweglichkeit. Das
distale Ende des Radius ist mit dem Scapboi-
deum und dem Semilunare, dasjenige der Ulna
mit dem Pyramidale und dem Pisiforme ein-
gelenkt. Die fünf Mittelhandknochen (me)
sind cylindrisch mit angeschwollenen Enden ; der
dem Daumen entsprechende radiale Mittelhand-
knochen ist sehr kurz; der zweite und dritte sind
die längsten. Von den Fingern hat der Daumen
nur zwei Phalangen, die übrigen drei; sie sind cy-
lindrisch mit angeschwollenen Enden ; die Basal-
glieder am längsten; die spitzen und gekrümmten
Endglieder sind von den Nägeln bedeckt.
Der ventralwärts geschlossene Becken-
gürtel (Fig. 336, pah) verbindet die hintere
Extremität mit der "Wirbelsäule und bildet so
die Beckenhöhle, die sich von vorn nach hinten
verlängert und deren grosse Axe schief nach vorn ansteigt. Auf den
Seiten wird das Becken von den Darm- und Sitzbeinen, dorsalwärts
vom Kreuzbeine, ventralwärts von den Schambeinen und dem ventralen
Aste des Sitzbeines begrenzt. Die dem Bauche zugewendete Mündung
der Beckenhöhle ist in Folge der bedeutenderen Ausweitung der Flügel
am Darm- und Schambeine bei dem Weibchen geräumiger als bei dem
Männchen. Auf jeder Aussenfläche des Beckens ist die halbkugelförmige
pA -
Lep. euu. — Skelett des
linken Vorderfusses , von
oben gesehen. Natürliche
Grösse, rad, Radius; rc,
sein überknorpeltes Ende;
cw6, Ulna; cc, ihr über-
knorpeltes Ende ; sc, Sca-
phoideum; s/, Semilunare;
py, Pyramidale; tr, Tra-
pezium; tz, Trapezoideum;
ce, Centralia; er, Hama-
tum; po, Daumen: mc,
Mittelhandknochen; ph,
Phalano-en der Fintier.
858 Wirbelthiere.
Grube des Schenkelgelenkes, das AcetaLulum (acht) angebracht, in
welche der Gelenkkopf des Femur eingelassen ist; links und rechts
von der Schambeinfuge, welche den Boden des Beckens bildet, findet
sich ein grosses ovales Loch, Foramen ohturatoriuni (to).
Bei jungen Thieren sind die drei symmetrischen Knochen, welche
jederseits den Beckengürtel zusammensetzen, noch durch knorplige
Zwischenstreifen geti'ennt; bei alten Thieren verwachsen diese Grenzen
vollständig und erhalten sich nur in der Umgegend des Acetabulum.
Wir haben das Skelett eines einen Monat alten Kaninchens vor
uns und können unschwer die dorsalen Darmbeine, die ventralen
Schambeine und die hinteren Sitzbeine aus ihren Verbindungen lösen.
Das Darmbein {ilion, Fig. 335, il) zeigt einen unteren oder ven-
tralen Theil in Gestalt eines dreieckigen Prisma, den Körper (c^Z),
welcher den Knochen nach hinten mit dem Sitzbeine, nach unten mit
dem Schambeine verbindet; sein hinterer und äusserer Rand begrenzt
vorn das Acetabulum. Dieser prismatische Theil verlängert sich nach
oben und vorn in eine mit der sagittalen Ebene des Körpers parallele
Platte, den Darmbeinflügel {all), dessen vorderer Rand scharf, der
hintere rauh und der obere abgerundet ist. Dieser Rand wird durch
einen kleinen inneren Vorsprung in zwei Abschnitte getheilt, deren
hinterer dicker ist als der vordere. Die Aussenfläche des Flügels ist
convex ; die innere concave Fläche trägt hinten eine Gelenkfläche zur
Verbindung mit dem Kreuzbeine.
Der Körper des Sitzbeines (ischion, is) trifft mit dem Darm-
und Schambeine in der Gelenkgrube zusammen; seine innere Fläche
vereinigt sich mit der äusseren unter einem scharfen Winkel und bildet
so den dorsalen Rand, der sich in den Sitzbeindorn (eis) fortsetzt;
nach hinten verlängert er sich in einen dorsalen Ast; der sich gegen
sein Ende hin stark verdickt und den Sitzbeinknorren (tis) bildet,
von welchem ein innerer ventraler Ast abgeht, der mit seinem Gegen-
über in der Sitzbeinsymphyse zusammentrifft, welche die Schambein-
fuge verlängert. Diese Aeste begrenzen nach hinten das Foramen
obturatorium (tö).
Das Schambein (pulis, puh) besteht aus zwei abgeplatteten
Stücken, die unter einem stumpfen Winkel zusammentreffen. Das obere
Stück bildet den unteren und mittleren Theil des Acetabulum, und
trifft hier durch sein eines Ende mit dem Darm- und Sitzbeine zu-
sammen ; das andere Ende verbindet sich mit seinem Gegenüber in der
Schambeinfuge. Das untere Längsstück verschmilzt nach hinten mit
dem ventralen Aste des Sitzbeines. Die Ausschürfung zwischen beiden
Aesten begrenzt vorn das Foramen obturatorium. Die beiden Scham-
beine treffen in der Symphyse unter einem stumpfen Winkel zusammen
und bilden so eine sehr geringe äussere Schamfugenleiste. Untersucht
man die Umgebung des Acetabulum bei jungen Thieren, so sieht man
Säugethiere. 859
unten am Vereinigungspunkte der drei Knochen ein kleines Gelenk-
knöchelchen, das aber bald mit den anderen Knochen verschmilzt.
Der Oberschenkel besitzt nur einen Knochen, den Femur (siehe
Fig. 335, /), dessen cylindrische Diaphyse leicht nach vorn und aussen
gekrümmt ist. Die proximale Epiphyse steckt mit ihrem runden oder
ellipsoiden Gelenkkopfe im Acetabulum, dessen Tiefe noch durch einen
Knorpelring vermehrt wird, der den Gelenkkopf kapseiförmig umgiebt.
Der Schenkelhals, der den Kopf mit dem Femur verbindet, hat
eine schiefe Richtung; er zeigt eine obere Grube für den Ansatz des
runden Bandes. In der Verlängerung der Axe des Halses findet sich
auf der Aussenseite des Schenkelbeines ein rauher Vorsprung, der
grosse Trochanter (t r), der von dem Gelenkkopfe durch eine Ein-
senkung getrennt ist, unter welcher man auf der Aussenseite die tiefe
Trochantergrube findet. Zwei dem Trochanter analoge, aber weit
weniger vorstehende Höcker finden sich, der kleine Trochanter auf der
Innenfläche, der äussere auf der Aussenfläche; beide setzen sich auf
der Diaphyse durch unbedeutende Leisten fort. Die distale Epiphyse
des Femur zeigt eine Gelenkrolle für das Kniegelenk mit der Tibia.
Auf der Aussenfläche zeigt die Rolle eine Furchenrinne, die Knie-
scheibenfurche, in welcher die von Knorpel umgebene Kniescheibe
(r) gleitet. Die Rolle ist von zwei Gelenkköpfen, einem inneren und
einem äusseren, gebildet, welche warzige Seiteuflächen, die Epicondylen,
zeigen, an welchen sich Muskeln inseriren und durch eine tiefe Zwischen-
furche von einander getrennt sind. Die Kniescheibe (r) ist ein
ovales Knochenscheibchen, aussen convex, innen concav, das, wie gesagt,
auf der Aussenfläche des Kniegelenkes auf- und abgleitet.
Von den beiden Knochen des Vorderbeines ist nur die Tibia
(tih) als ein cylin drischer Knochen, der etwas länger, aber auch etwas
schmächtiger ist als der Femur, gut entwickelt; das Wadenbein
{peroneum , per) ist zu einem kleinen Knochendorn verkümmert, der
sich an die Tibia anlegt und etwa bis zur Mitte seiner Länge mit ihr
verschmolzen ist. Das Vorderende dieses Dornes zeigt eine Art über-
knorpelten Gelenkkopfes, der sich an den äusseren Condylus der Tibia
anlegt. Die proximale Epiphyse der Tibia zeigt drei Facetten und
endet mit einem überknorpelten Kopfe, der zwei, durch eine Zwischen-
furche getrennte, etwas concave Gelenkhöcker trägt. Dieser Theil stellt
wesentlich das sehr complexe Kniegelenk her, an dem nach vorn
die Kniescheibe und hinten drei kleine, aus der Verknöcherung der
Muskelsehnen hervorgegangene Sesambeine theilnehmen, welche in
die Gelenkhöhle vorspringen; die Gelenkhöcker haben rauhe Ränder;
der äussere deckt den Ansatz des Wadenbeines. Die Seitenflächen der
Tibia treffen in einem scharf vortretenden Winkel, dem Schienbein-
kamme {c r i) , auf der Vorderfläche zusammen, der aber nur oben
stark hervortritt, während das untere Ende der Diaphyse cylindrisch
860
Wirbeltliiere,
wird. Die distale Epiphyse endet mit zwei Gelenkrollen, an deren
Seiten man zwei hakenförmige Vorsprünge , den äusseren und
inneren Knöchel, bemerkt.
Der Fuss besteht, wie gewöhnlich, aus Fusswurzel (Tarsus, t),
Mittelfuss (Metatarsus, tnt) und den Zehen (ph). Die Fusswurzel
besteht aus zwei Querreihen von Knochen ; die proximale Reihe wird
von den zwei mächtigsten Knochen gebildet, dem Fersenbeine und
Sprungbeine; die Distale von vier kleineren Stücken. Das Sprung-
bein (astragaJus, Fig. 346, ast) liegt nach innen auf der Tibial-
Fig. 346. Seite ; sein oberes Ende trägt eine Rolle zur
Einlenkung mit der Tibia und seine innere
Sohlenfläche eine tiefe, schiefe Furche zur Ein-
lenkung mit dem Fersenbeine. Nach vorn
schwillt der Knochen etwas an und bildet einen
Gelenkkopf, dessen convexe Endfläche mit dem
Scaphoideum articulirt. Das Fersenbein (cal-
caneum, cal) liegt auf der Peronealseite und
verlängert sich weit nach hinten über die Tibia
hinaus mit einem Fortsatze (tc), an welchen
sich die Achillessehne ansetzt. Der Fortsatz
liegt in der Mittelaxe des Fusses, hat aber eine
etwas schiefe Richtung gegen die Tibia; auf
der Innenseite trägt er einen spiralig gewun-
denen Knorren, durch welchen er an das Sprung-
bein eingelenkt ist. Das vordere, angeschwollene
Ende des Fersenbeines ist mit den Würfelbeinen
der zweiten Reihe eingelenkt, und hat in Folge
davon eine sehr unregelmässige Gestalt. Die
Knochen der distalen Reihe sind das schon er-
wähnte Scaphoideum (sc) vor dem Astragalus ;
die beiden Keilknochen (Cuneiformia, cu), vor
dem Scaphoideum und das Würfelbein (Cuboi-
deum, cfc), das aus zwei hinter einander liegen-
den Stücken zusammengewachsen ist. Das Scaphoideum berührt nur
mit seinem inneren Winkel den ersten Mittelfussknochen ; es ist der
grösste Knochen der distalen Reihe und ist zwischen den Astragalus
und die Keilknochen eingeschoben, die mit dem ersten und zweiten
Mittelfussknochen eingelenkt sind, während an das Cuboideum sich der
dritte und vierte Mittelfussknochen einlenken.
Die vier horizontalen Mittelfussknochen sind länger und stärker
als die Mittelhandknochen, cylindrisch, mit angeschwollenen Enden und
bilden, eng an einander gedrängt, einen etwas gewölbten Fussrücken.
Der Daumen fehlt am Hinterfusse; jede der vier vorhandenen Zehen
hat drei Phalangen, die wie an dem Vorderfusse beschaffen sind.
Lep. Clin. — Skelett des
linken Hinterfusses , von
oben gesehen. Natürliche
Grösse, asi, Astragalus;
■t c , Knorren des Fersen-
beines ; ac, Gelenkfläche
desselben ; sc, Scaphoi-
deum.; cu, Cuneiformia;
c 6, Cuboideum; ?»?, Mittel-
fussknochen.
Säugethiere. 861
Muskelsystem. Die Muskeln des frisch getödteten Thieres
sindblass, weich und wenig deutlich; die Fascien, welche sie nament-
lich in der Rückengegend einhüllen, die von einem bald festen und
elastischen , bald mehr schwammigen Gewebe gebildeten Aponeurosen,
die sie verbinden, gehen ohne genaue Grenzen in einander über. Man
erleichtert sich die Präparation der Muskeln sehr, wenn man das aus-
geweidete und abgebalgte Thier während einiger Tage in eine 20pro-
centige Lösung von Salpetersäure legt, welche das Muskelgewebe festigt
und gelb färbt, während das Bindegewebe weicher und nachgiebiger
wird, so dass die Muskeln und die Richtung ihrer Fasern weit deut-
licher werden. Selbstverständlich müssen die Gewebe durch gründ-
liches Aussüssen in viel Wasser von der überschüssigen Salpetersäure
befreit werden.
"Wie bei den Sauropsiden , kann man zwei Gruppen von Muskeln
unterscheiden, die Hautmuskeln und die an Knochen oder Knorpel
sich ansetzenden Skelettmuskeln. Erstere sind wegen der grösseren
Beweglichkeit der Tegumente weit weniger differenzirt als letztei'e.
Man findet fast überall mehrere, einander deckende und häufig auch
kreuzende Muskelschichten. Mit Ausnahme des Zwerchfelles sind alle
übrigen Muskeln symmetrisch zu beiden Seiten des Körpers entwickelt,
so dass es genügt, nur diejenigen einer Seite zu beschreiben, und werden
wir die bei dem Skelette vorgenommene Ordnung befolgen, indem wir
erst die Hautmuskeln , dann die an der Wirbelsäule imd den Rippen,
hierauf die des Kopfes ins Auge fassen, um mit den Muskeln der Ex-
tremitäten zu enden. Indessen können wir nicht in alle Einzelheiten
eingehen und müssen uns auf die wichtigeren Muskeln beschränken,
welche der Anfänger leicht präpariren kann.
Die Hautmuskeln sieht man beim Abbalgen des Thieres; der
grosse Hautmuskel erstreckt sich jederseits unter der Haut der
Brust und des Bauches mit ausstrahlenden Fasern, von dem Vorder-
gliede an bis zur Schwanzwurzel und zur mittleren weissen Bauchlinie.
Der Streckmuskel des Schwanzes ist nur ein x^usläufer dieses
grossen Muskels; er lässt sich etwa an dem ersten Drittel des Schwanzes
erkennen.
Der Gesichtshautmuskel entspi'ingt in der Höhe der Nasen-
knorpel auf den Seiten des Zwischenkiefers und heftet sich an die
Haut der Nase und Stirn ; mit den Niederziehern der Nasenflügel und
der Nasenscheidewand unterhält er die für das Kaninchen so charakte-
ristischen beständigen Schniipperbewegungen der Nase.
Von der Haut der Brust bis zu den Wangen erstreckt sich über
den Unterkiefer hinweg ein dünnes Muskelblatt, Platysma myoides.
Die Muskeln der Augen und Ohren behandeln wir bei Gelegen-
heit dieser Organe.
862
Wirbelthiere.
• Säugethiere. 863
Stammmuskeln. An dem abgebalgt en und auf der rechten Seite
liegenden Thiere sieht man sofort die grossen Sebnenhäute, welche die«
Rückenmuskeln umhüllen und diesen sogar theilweise zum Ansätze
dienen. Man muss diese Fascien und Aponevrosen spalten, um die
Muskeln und ihre Ansätze zur Anschauung zu bringen.. Ohne weitere
Präparation unterscheidet man :
Deu M. trapecius s. cucullaris (Fig. 347, tr), welcher einen
grossen Theil der vorderen Rückeugegend, vom Halse bis zu den Lenden,
bedeckt. Er zerfällt in zwei deutlich getrennte Theile, den Halstheil
(trc), der von dem Hinterhauptshöcker und dem Nackenbande entspringt
und mi^ convergirenden Bündeln sich an das Acromiou und deu Haken-
fortsatz des Schulterblattes an-setzt, imd den Rückeutheil (trd), welcher
sich seitlich an der Wirbelsäule erstreckt, hinten von der Fascia dorso-
lumbaris (fdl) entspringt und sich au die Dornfortsätze der Rücken-
wirbel ansetzt. Er bedeckt grossentheils die Muskeln, welche sich von
der Wirbelsäule zum Arme begeben.
Er bedeckt aucli zum Theil den M. latissimus dorsi (gd), einen
breiten, platten Muskel, der schief an der Brustseite entwickelt ist.
Seine Anfangssehnen heften sich an die Fascia dorso - lumbaris , die
Dornfortsätze der drei letzten Rückenwirbel und die entsprechenden
falschen Rippen. Die Bündel convergiren nach vorn und unten, sie laufen
über den unteren Winkel des Schulterblattes , bedecken zum Theil den
M. rotundus und verlängern sich bis zum Dorne des Humerus. Seine
Sehne verschmilzt am dortigen Ansätze mit dei-jenigen des M. rotundus.
Auf den Seiten zeigen sich der M. obliquus abdominis (go), der
M. longissimus dorsi (Id) und die Ansätze des M. serratus (gde), auf die
wir zurückkommen werden. Hebt man den M. cucullaris auf, so sieht
man darunter die beiden Rautenmuskeln. Der vordere, M. rhomboi-
dalis cervicalis, entspringt unter dem Nackenbande und geht an den
Sig. 347. — Lep. ciin. — Muskelpräparat der linken Seite. Ein Drittel der natür-
lichen Grösse, trc, Halsportion des M. trapezius ; trd, Rückenportion desselben; gr,
M. teres magnus ; gd, M. dorsi magnus; fdl, die Rückenlendenfascia, gespalten, um
die darunterliegenden Muskeln zu zeigen; le, M. spinalis longus ; Id, M. dorsi
longus; sl, M. sacrolumbaris; go, M. obliquus major; ap, Bauchaponevrose, den M.
abdominis rectus bedeckend; gde, M. serratus major; gp, M. pectoralis major; se,
M. supraspinosus; sa, M. orbito-auricularis; _;'«, M. jugo-auricularis; t, M. temporalis ;
Is, M. levator labii superioris; hi, M. levator nasi; <öc, M. buccinatorius; pz, M. zygo-
maticus minor; dli, M. depressor labii inferioris; mas, M. masseter; sm, M. sterno-
mastoideus; dm, M. cleido-mastoideus; del, M. deltoideus, Schlüsselbeinportion; del',
Schulterportion desselben; ab, M. acromio-basilaris ; ae, M. anconeus externus ; al,
M- anconeusjongus; bri, M. fle.xor brachii brevis ; bi, M. biceps brachii; er, M. ex-
'tensor carpi radialis; ecd, M. extensor digitorum communis; ced, M. extensor digi-
torum externus; lap, M. abductor pollicis longus ; ce, M. cubitalis externus ; s, M. flexor
carpi^j gf, M. glutaeus major; bi, M. biceps femoris ; dm, M. semi-membranosus ;
dt,M. semi -tendinosus ; ge, M. gastrocnemius externus; sol, M. solearis; if, M.
'flexor longus; ^j^, Sehne des M. peroneus minor; Ip, M. peroneus longus; tfl, M.
extensor fasciae latae ; c o, M. sartorius.
864 Wirbelthiere.
oberen Rand des Schulterblattes; der hintere, stärkere, M. rhomboi-
dalis dorsalis, entspringt parallel mit dem Rückentheile des M.
cucullaris, der ihn deckt, an den sieben ersten Rückenwirbeln und
inserirt sich an dem oberen Rande des Schulterblattes.
Die Heber des Schulterblattes (M. levator scapulae major und
minor) werden von den Rautenmuskeln überdeckt. Sie liegen an den
Seiten des Halses, entstehen an der Naht zwischen Keilbein und Grund-
bein des Schädels und inseriren sich am unteren Winkel des Schulter-
blattes, der eine an dem Knochen selbst, der andere zwischen dem
Acromion und dem Hakenfortsatze, neben dem Halstheile des Musculus
cucullaris.
Nach Wegnahme des M. latissimus' dorsi sieht man die beiden
Sägemuskeln. Der grössere, M. serratus anticus (gde), entspringt
auf allen Rippen , von der dritten bis zur neunten , mit ebenso viel
getrennten, platten Sehnen, die seinem Ansätze ein gezacktes Ansehen
geben. Die Bündel bilden einen platten Muskel und convergiren dann
gegen die Innenfläche des Schulterblattes, wo sie sich ansetzen. Der
M. serratus posticus ist kleiner, dünn, aber breit; er entspringt an
dem Nackenbande und der Fascia dorso-lumbaris; seine Bündel kreuzen
sich mit denjenigen des vorigen und setzen sich an die Aussenfläche
der Rippen, von der vierten bis zur zwölften.
Nach Wegnahme der den Rücken vom Nacken bis zur Lenden-
gegend einhüllenden Fascien kann man die Muskeln präpariren , die
mit der Wirbelsäule in engster Beziehimg stehen.
Die Bündel des M. splenius entstehen am Nackenbande, laufen
nach vorn und inseriren sich mit einer breiten Sehne an der Schuppe
des Hinterhauptsbeines und dem Zitzenfortsatze des Schläfenbeines.
Der M. sacro-spinalis ist ein langer Muskel, der die Vertiefung
zwischen den Dornfortsätzen der Wirbel und den Gelenkköpfen der
Rippen ausfüllt. Die der Wirbelsäule parallel laufenden Bündel ent-
stehen an dem Kamme des Darmbeines, laufen über das Kreuzbein
und die Lendengegend weg und trennen sich, an den Rippen angelangt,
in zwei Muskeln. Der untere, M. ileo-costalis (si), der mehr bauch-
wärts liegt, verlängert sich bis zum letzten Halswirbel. Er setzt sich
mit zwölf getrennten Sehnen, von welchen die der sieben vordersten
Rippen die längsten und dünnsten sind, an die Aussenseite aller Rippen
an. Die vor dem Darmbeine entstehenden Bündel sind mit denen des
M. sacro-spinalis verschmolzen ; sie werden durch Bänder verstärkt, die
von den vorderen Rippen kommen.
Der obere, grössere Muskel, der sich abtrennt und selbständig
wird, der M. longissimus dorsi (Id), zeigt nach der Trennung Inser-
tionen an die Querfortsätze der Lendenwirbel, und weiter nach vorn
an alle Rippen und Wirbelfortsätze bis zu dem Hinterhaupte. Gegen
den Kopf zu wird er nach und nach schmächtiger. Man hat drei Ab-
Säugethiere. 865
schnitte, den Rücken-, Hals- und Kopftheil unterschieden , und die bei-
den letzteren unnöthiger Weise als M. complexus minor und M. trans-
versalis colli besonders abgehandelt.
Als Mm. Sinnales (Je) bezeichnen wir ein System kleiner, unter
den vorigen gelegenen Muskeln, welche mit kurzen Sehnen von den
Dorn- und Zitzenfortsätzen der vorderen Lendenwirbel und hinteren
Rückenwirbel entspringen , ein oder zwei Wirbel überspringen und
sich dann an die entsprechenden Fortsätze der vorderen Rückenwirbel
und der Halswirbel festsetzen. In der Nackengegend vereinigen sich
die Bündel zu einem Muskel, üf. complexus major, der sich an das
Hinterhaupt inserirt. Da diese Wirbelmuskeln noch Verstärkungen
durch Sehnen vom M. longissimus dorsi erhalten, so sind sie oft ebenso
wenig difFerenzirt , als darunter liegende kleine Bündel, welche die
tiefste Schicht der Musculatur der Wirbelsäule bilden. Ueberall, vom
Kreuzbein bis zum Halse, finden wir schiefe Bündel, welche sich zwi-
schen den Wirbelfortsätzen erstrecken; am mächtigsten sind sie in der
Lendengegend. Sie vermitteln die sehr beschränkten Bewegungen der
einzelnen Wirbel unter einander; ihr Ganzes ist auch als 31. muUifidtis
beschrieben worden; je nach den einzelnen Gegenden mischen sie sich
noch mit Bündeln, welche zwischen den Querfortsätzen oder den Dorn-
fortsätzen der Wirbel (Mm. interspinales und Mm. intertransversarii)
sich entwickelt haben.
An das Kreuzbein heften sich noch die speciellen Schwanz-
muskeln, unter welchen man, ausser dem schon erwähnten äusseren
Hautmuskel, zwei seitliche Extensoren , zwei Abductoren und einen
Beugemuskel unterscheiden kann.
Die Stammbauchmuskeln (Fig. 348 a. f. S.) bilden die seit-
lichen und ventralen Körperwände. Die Brustmuskeln (gj), pp), welche
einen indirecten Antheil an der Bildung der Bauchwäude nehmen,
werden wir bei Gelegenheit der vorderen Extremität behandeln. Nach
ihrer Wegnahme sieht man erst die eigentlichen Stammmuskeln. Die
Mm. intercostal.es (i c) spannen sich , wie ihr Name besagt , in den
Zwischenräumen der Rippen aus ; ihre Fasern verlaufen schief, von
vorn und oben nach hinten und unten von dem Hinterrande einer
Rippe zum Vorderrande der folgenden in der äusseren Schicht, wäh-
rend die Fasern der inneren Schicht sich in entgegengesetzter Rich-
tung mit den äusseren kreuzen. Die Mm. Jevatores costarum liegen
dorsalwärts von ihnen; sie entstehen an den Querfortsätzen der Rücken-
wirbel und setzen sich an die entsprechende Rippe.
Das Zwerchfell (Fig. 332, t) bildet eine im Ganzen quer und
senkrecht gestellte , elliptische Muskelscheibe , welche die Brusthöhle
von der Bauchhöhle scheidet und zum grössten Theile sehnig ist. Die
dorso- ventrale Axe dieser Scheibe ist grösser als die Queraxe ; sie ist
leicht convex gegen die Brusthöhle hin. Der Wirbeltheil, der sich
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. xx
866
Wirbelthiere.
Fig. 348.
Säugethiere. 867
mit drei Bündeln an die Lendenwirbel ansetzt, lässt in der Mitte einen
Raum, der von der Bauchaorta durchsetzt wird. Der Rippentheil
entsteht mit sieben fingerförmigen Bündeln an den Rippenknorpeln
und zwei weiteren Bündeln an dem Schwertfortsatze des Brustbeines,
und wird vom Schlünde und der Hohlvene durchbrochen. Die Fasern
des fleischigen Theiles convergiren gegen eine mittlere, dünne und
durchscheinende Sehnenausbreitung, Centrum pbrenicum.
Die eigentlichen Bauchmuskeln zeigen mehrere Schichten. Von
aussen nach innen folgen sich: der M. öbliqims abdominis extermis
(Fig. 347 u. 348, go), der grösste von allen. Er entspringt vorn mit
zehn Bündeln an den zehn letzten Rippen und dem Schwertfortsatze,
oben an dem oberflächlichen Blatte der Fascia dorso - lumbaris. Die
Ursprünge an den Rippen werden von den Fasern des grossen Rücken-
muskels (gel) gekreuzt; die Fasern laufen schief nach hinten und unten
und setzen sich mit einer Aponeurose (oj;) an die lange und schmale
weisse Mittellinie des Bauches an, welche den geraden grossen Bauch-
muskel (gdah) deckt. Die hintersten Fasern erstrecken sich bis zum
Kamme des Darmbeines.
Ueber diesem Muskel (bei der Lage des Präparates auf der Rücken-
fläche unter ihm) verläuft der M. ohliqims abdominis internus, ein
dünner, rautenförmiger Muskel, dessen schief nach oben und vorn ge-
richtete Fasern sich theils an das Leistenband, theils an die Fascia
dorso -lumbaris und an die fünf letzten Rippen ansetzen. Der Muskel
bedeckt den M. transversus abdominis , dessen quere Fasern zwischen
dem mittleren Theile des Leistenbandes und der Fascia dorso-lumbaris
bis zum siebenten Rippenpaare sich ausdehnen.
Nach Wegnahme der Brustmuskeln sieht man an dem auf dem
Rücken liegenden Thiere den Ursprung des M. recfus ahdominis (siehe
Fig. 348, gdah), der mit einer breiten Sehne an der ventralen Fläche
des Brustbeines des Schwertfortsatzes und der zweiten bis siebenten
Rippe sich ansetzt. Der Muskel, der in der Mitte anschwillt, nach
beiden Enden sich verschmälert, verläuft gerade nach hinten und zeigt
sechs weisse Querbinden (Inscriptiones tendineae). Mit seinem Gegen-
über in der weissen Bauchlinie verbunden , setzt er sich mit einer
Fig. 348. — Lep. cun. — Muskelpräparat der Bauchseite (nach einer Zeichnung von
G. Cuvier und Laurillard), dli, M. depressor labii inferioris; hc, M. buccinator;
mh, M. mylo-hyoideus ; mas, M. masseter; dig, M. digastricus; pti, M. pterygoideus
internus; sth, M. stylo-hyoideus ; sh, M. sterno-hyoideus; th, M. thyroideus ; st, M.
sterno - thyroideus ; sc, M. scalenus ; stm, M. sterno - mastoideus ; dm, M. cleido-
mastoideus; clb, M. cleido-basilaris ; tr, M. trapezius ; pp, 31. pectoralis minor; gp,
M. pectoralis major; del M. deltoideus ; se, M. supra-spinosus ; gda, M. rectus
anterior grandis ; gd, M. dorsi magnus; gde, M. serratus magnus; go, M. oWiquus
major; p o, M. obliquus minor; ap, Aponevrose, welche den M. rectus abdominis
magnus, gdab, überdeckt; bri, M. brachii internus; bi, M. biceps brachii; ai, M.
anconeus internus; al, M. anconeus longus (Schulterbündel des M. triceps).
868 Wirbelthiere.
gemeinsamen Sehne an die Schambeinfuge an. Der M. quadratus lum-
bofum, der den Zwischenraum zwischen den letzten Rippen und dem
Kamme des Darmbeines ausfüllt, schliesst die Reihe der Bauchmuskeln.
Kopfmuskeln. Fünf kurze, von den Nackenmuskeln bedeckte,
zwischen dem Hinterhaupte und den Halswirbeln ausgespannte Muskel-
paare, worunter drei gerade und zwei schiefe, heften den Kopf an die
Wirbelsäule. Der M. capitis redus major geht vom Dornfortsatze des
Epistropheus zur Hinterhauptsschuppe; der zum Theil vom vorigen
bedeckte M. rechts capitis minor von dem hinteren Höcker des Atlas zum
Vorsprunge des Hinterhauptsbeines; der M. rectus capitis lateralis vom
Querfortsatze des Atlas zum hinteren Rande des Jochfortsatzes des Hinter-
hauptsbeines; er legt sich in die Rille zwischen diesem und dem Gelenk-
kopfe des Hinterhauptsbeines; der M. ohliguus capitis major, der grösste
von allen, geht von dem Dornfortsatze des zweiten Wirbels zum Quer-
fortsatze des ersten ; der 31. ohliquus capitis minor erstreckt sich zwi-
schen dem Querfortsatze des Atlas und dem Seitenrande des äusseren
Hinterhauptsknorrens.
Die anderen Kopfmuskeln lassen sich in drei Gruppen theilen :
Gesichtsmuskeln, Kaumuskeln und Halsmuskeln.
Die Gesichts muskeln sind kleine, von den Hautmuskeln in
der Art abgezweigte Bündel, dass sie an Knochen entstehen, aber sich
an der Haut ansetzen. Wir unterscheiden: den kleinen und grossen
M. zygomaticus, von dem Jochfortsatze des Schläfenbeines zur Haut der
Wange bis zur Oberlippe (Fig. 347, pz); den M. levator labii supe-
rioris, von der Grube an der Wurzel des Jochbeinfoi'tsatzes des Ober-
kiefers zur Oberlippe (7 s); den M. levator nasi vom unteren Rande der
Augenhöhle zur Seitenfläche der Nase (In); den M. levator anguli oris
vom Oberkiefer zum Mundwinkel; den M. huccinator (bc), von dem
hinteren Theile des Oberkiefers zu beiden Lippen; den 31. depressor
labii inferioris (dli), vom unteren Rande des Unterkiefers zur Lippe.
Er wird von dem Unterkinnmuskel bedeckt.
Alle Kaumuskeln heften sich einerseits an den Schädel, ander-
seits an den Unterkiefer an; der mächtigste ist der 31. masseter
(Fig. 347, mas), der aus zwei Schichten besteht, einer oberflächlichen,
die an der Seitenfläche des Jochfortsatzes entsteht und einer tieferen,
die auf der Innenfläche desselben Fortsatzes angebracht ist. Beide ver-
einigen sich, um sich an der Seitenfläche des Unterkiefers anzusetzen.
Der 3£. temporalis (t) heftet sich an den Kronenfortsatz des Unterkiefers;
er entsteht an der Aussenfläche des Schläfenbeines in der Schläfengrube.
Die 31m. pterygoidei vermitteln die seitlichen Bewegungen ; der kleinere
innere geht von der Flügelgrube aus (Fig. 348, pti), der stärkere
äussere erstreckt sich zwischen dem seitlichen Blatte des Flügelfort-
satzes zum Kieferloche.
Säugethiere. 869
Halsmuskeln. Auf den Seiten des Halses finden sich zuerst
drei 3Iin. scaleni (Fig. 348, sc), sie laufen parallel schief nach hinten
und unten von den Querfortsätzen der Halswirbel zu der Äussenfläche
der ersten Rippen. Der 31. lonr/us colli hat die Gestalt eines in die
Länge gezogenen Dreieckes; seine Bündel entstehen an den Körpern der
letzten Halswirbel und der letzten Brustwirbel und setzen sich an die
vorderen Halswirbel , besonders an den unteren Theil des Ringes des
Atlas. Der M. rectus capitis anticus major entsteht mit mehreren Bün-
deln an den Querfortsätzen der sechs ersten Halswirbel; der gemein-
same Muskelbauch setzt sich an die Naht zwischen dem Grundbeine
und Keilbeine. Der von ihm bedeckte M. rectus capitis anticus minor
setzt sich etwas weiter hinten am Grundbeine an; er entsteht am
Querfortsatze des Atlas. Der M. cJeido-mastoideus (clm) verläuft als
langer, dünner und glatter Muskel schief an der Aussenseite des Halses
zu der das Schlüsselbein ersetzenden Sehne. Der 31. hasi-humeralis
läuft in derselben Richtung vom Grundbeine zur Schlüsselbeinsehne ;
seine Fortsetzung auf dem Arme bildet der 31. deltoideus (del), von
dem später die Rede sein wird.
Die Halsmuskeln der ventralen Seite stehen fast alle mit dem
Zungenbeinapparate in Verbindung und umgeben die Luftröhre. Zu
ihnen gehören der 31. sterno -mastoideus (Fig. 348, stm), der an der
Mittellinie vom Handgriffe des Brustbeines ausgeht und schief nach
vorn laufend sich neben dem M. cleido-mostoideus an den Zitzenfort-
satz des Schläfenbeines setzt. Der 31. sterno -hyoideus (sh) entsteht an
demselben Orte wie der vorige; er legt sich aber an die Luftröhre an
und inserirt sich an dem Zungenbeine und den grossen Hörnern des-
selben. Der 31. sterno -tliyroideus (st) hat denselben Ursprung und
Verlauf, setzt sich aber an der Seitenfläche des Schildknorpels des
Kehlkopfes an. Der ziemlich dicke 31. tliyroideus (th) erstreckt sich
hinter dem vorigen zwischen Schildknorpel und grossem Zungenbein-
horne. Die beiden 3f»i. stylo-hyoidei (stli) gehen vom Jochfortsatze des
Hinterhauptsbeines, der grössere zum grossen, der kleinere zum kleinen
Hörne des Zungenbeines, an deren Enden. Der 31. mylo-hyoideus (mh)
liegt auf der Unterkieferdrüse und reicht vom Körper des Zungen-
beines zum Wirbel der beiden Aeste des Unterkiefers , begleitet vom
31. genio-hyoideus, der etwa denselben Verlauf hat.
Muskeln des Vordergliedes. Wir haben die Schulter -
muskeln schon am Halse und dem Thorax angetroffen, wo ihre
Ursprünge sich befinden. So breiten sich die Brustmuskeln zwi-
schen dem Brusteine, wo sie entstehen, und dem Humerus aus, wo sie
sich ansetzen. Der 31. pectoralis major (Fig. 348, gj)) entsteht, wie
der 31. pectoralis minor {pp), den er zum Theil bedeckt, an der Mittel-
linie des Brustbeines und heftet sich an den Dornfortsatz des Humerus
an, während der andere sich zum Theil an die Schlüsselbeinsehne und
870
Wirbelthiere.
zum Theil an den oberen Rand des Schulterblattes ansetzt. Der M.
deltoideus (Fig. 347, 348, del) bildet, in dem von dem Schulterblatte
und dem Humerus hergestellten Winkel, die Fortsetzung des M. basio-
humeralis, den wir schon am Halse erwähnten. Er besteht aus einem
Fig. 349.
Lep. cun. — Muskeln der Innenseite des Vorderfusses (nach Cuvier und Lauril-
lard). om, Schulterblatt; ss, M. sub-scapularis ; se, M. supro - spinosus ; gr, M.
teres major; cb, M. coraco-brachialis ; bi, M. biceps brachii ; ai, M. anconeus in-
ternus (Armportion des M. triceps); al, M. anconeus longus (Schulterportion des M.
triceps); ap, M. anconeus posterior; le, M. extensor brachii longus; h, humerus;
er, M. extensor carpi radialis; i-jj, M. pronator magnus; fr, M. flexor carpi radialis;
f]), M. flexor profundus digitorum ; fs, M. flexor superficialis; lap, Sehne des M.
abductor pollicis longus; ci, M. cubitalis internus.
Bündel vom Schulterblatte, einem anderen vom Acromion, die nach
ihrer Vereinigung eine lange Sehne bilden, welche sich an den Vorder-
rand des Humerus ansetzt und diesen beugt.
Unter dem M. deltoideus liegt auf der Aussenfläche des Schulter-
blattes der M. epispinosus, grossentheils von dem M. irapezius bedeckt,
Säugetbiere. 871
der von dem Kamine des Schulterblattes ausgebt, dessen obere Grube
erfüllt und sich an den grossen Knorren des Kopfes des Humerus an-
setzt (Fig. 349, se). Der M. siibsphiosus entspricht dem vorigen in
der unteren Grube und setzt sich ebenfalls an den Kopf des Humerus.
Beide Muskeln sind Strecker der Schulter; sie ziehen den Arm nach
vorn.
Ihre Antagonisten , also Beuger , sind die Mm. ieres major und
minor. Erster er entsteht mit einer breiten Sehne am unteren Rande
der unteren Schiilterblattgrube , und setzt sich unter dem M. sub-
spinosus an den Humerus ; der letztere, welcher sehr dick und fleischig
ist, liegt in dem Winkel zwischen dem Schulterblatte und dem Humerus,
an dessen Kopf er sich ansetzt (Fig. 349, gs), und wird theilweise von
dem M. trapezius und M. latissimus dorsi bedeckt.
Der M. subscapuJuris (Fig. 349, ss), der die Schulter streckt, geht
von der inneren Fläche des Schulterblattes aus und setzt sich mit
seinen fächerartig geordneten , durch Sehnenblätter getrennten Bün-
deln an den kleinen Knorren des Kopfes des Humerus an.
Die Armmuskeln, Beuger und Strecker, bewegen den Vorder-
arm in dem Ellbogengelenke ; ihre Anfänge sind von den Schulter-
muskeln bedeckt.
Strecker. Der M. extensor antUjracliü (Fig. 349, le) erstreckt
sich als glatter und breiter Muskel von der die Mm. teretes umhüllen-
den Fascie zum hinteren Rande des Olecranon. Die Mm. anconaei,
welche an ihrem Ursprünge getrennt sich in einer Endsehne zusammen-
finden, und so den M. trkeps bilden. Man unterscheidet den M. an-
conaeus longus , der stärkste von den dreien , welcher am Hinterrande
des Schulterblattes neben dem M. teres major entsteht und unter dem-
selben direct zum Acromion geht; etwa in der Hälfte der Länge des
Humerus verbindet er sich mit dem 31. anconaeus curtus. der auf der
Aussenfläche des Armes liegt, und setzt sich mit ihm an das Olecranon
an. Der M. anconaeus internus (ai), theilweise von dem M. anconaeus
longus bedeckt, läuft parallel mit dem Knochen an der Innenseite des
Armes zu demselben Insertionspunkte, bleibt aber auf seiner ganzen
Länge isolirt.
Beuger. Der M. hice2)S hracMi oder M. gleno-uJnaris (bi) ent-
springt mit einer Sehne innen an der Kapsel des Schultergelenkes und
setzt sich mit zwei getrennten Sehnen an den Radius und die Ulna.
Der 31. traclin internus (Fig. 347, hri) entsteht mit zwei Bündeln an .
der inneren und äusseren Leiste des Humerus, läuft dem Knochen ent-
lang und endigt mit einer Doppelsehne, deren Aeste sich an die Knorren
des Radius und der Ulna neben den vorigen ansetzen.
Die spindelförmigen Muskeln des Vorderarmes , welche die Hand
und die Finger bewegen, enden mit langen Sehnen, die sich an die
Knochen der Handwurzel ansetzen. Die Strecker liegen auf der äusseren
872 Wirbeltliiere.
und der dorsalen P'läche des Vorderarmes ; sie entstehen meist an dem
äusseren Gelenkkopfe der distalen Epiphyse des Humerus. Dazu ge-
hören: der M. extensor carpi radialis (Fig. 349, er), der auf der Dorsal-
fläche des Radius liegt; der fleischige Muskelbauch theilt sich in ein
oberflächliches langes und ein kurzes tiefes Bündel, dessen Sehnen sich
an den zweiten und dritten Mittelfussknochen ansetzen ; der M. extensor
digitorum cotmmmis (ecd), der, theilweise von dem vorigen bedeckt, auf
der Uinarseite des Vorderai'mes , etwa in derselben Länge desselben
entsteht; er setzt sich mit vier Endsehnen an die Mittelhandknochen
und Phalangen der vier äusseren Finger; der 31. extensor digitorum
externus (ced) geht nur an die drei äusseren Finger. Die Muskeln des
Daumens liegen tiefer; der 31. äbductor ][)oJliciS (Jap) entsteht auf einer
kleinen Leiste der Ulna einerseits, auf der Aussenfläche des Radius
anderseits; er verläuft in der Rille zwischen den beiden Knochen und
setzt sich mit einer langen Sehne an die Basis des ersten Mittelhand-
knochens; der M. extensor pollicis endet mit zwei Sehnen, von welchen
die bedeutendere sich an den Daumen, die andere an den zweiten Finger
ansetzt.
Die Beuger des Vorderarmes entstehen grossentheils an dem inneren
Gelenkkopfe der distalen Epiphyse des Humerus und verlaufen auf der
inneren und hinteren Fläche des Gliedes. Hierher gehören der 31. Pro-
nator teres (Fig. 349, rp), der sich etwa in der Mitte des Radius auf
dessen ventraler Fläche anheftet, dem Roller des Radius beim Men-
schen entspricht, aber wenig bedeutend ist, da der Radius des Kanin-
chens sich nicht an der Ulna bewegt; der 31. flexor carpi radialis
(Fig. 349, /r), der M. flexor digitorum superficialis und profundus (fs,
fp) sind die Antagonisten der gleichnamigen Streckmuskeln , die wir
erwähnten , und setzen sich an die Unterflächen der entsprechenden
Mittelhandknochen; der 31. palmaris ist ein Beuger der Fusssohle, dessen
Sehne mit der Fascie der Sohle verschmilzt. Die eigenen Muskeln der
Hand sind kleine Bündel, die sich an die vier äusseren Finger an-
setzen; sie liegen alle auf der Sohlenfläche der Hand.
Muskeln der hinteren Extremität. Die Musculatur des Hinter-
fusses ist weit mächtiger, aber auch complicirter, als die des Vorder-
fusses. Namentlich finden sich um das Becken herum manche kleine
Muskeln, die es an die Wirbelsäule heften und deren Beschreibung uns
zu weit führen würde. Wir erwähnen die wichtigsten , machen aber
denjenigen, welcher die Gegend präparirt, auf die anderen, nicht er-
wähnten, aufmerksam. Uebrigens gruppiren sich die Hintermuskeln
entsprechend der nachgewiesenen Homologie der beiden Extremitäten-
paare, in gleicher Weise wie die Muskeln des Vorderfusses.
Die Hüftmuskeln entsprechen den Schultermuskeln. Sie gehen
von den Lenden- und Kreuzwirbeln oder dem Becken selbst aus, au
Säugetliiere, 873
dem übrigens einige sich festsetzen, während die anderen, die länger
und mehr differenzirt sind, sich an den Femur heften.
Auf der Innenseite finden wir den 31. i^soas. Er hat zwei Köpfe;
der vordere (Fig. 350, gps) entspricht dem grossen Psoas, der hintere
{i T) dem M. iJiacus (/ /) , beide vereinigen sich aber zu einem gemein-
schaftlichen Bauche und einer Sehne, die sich an den kleinen Trochanter
festsetzt. Man kann deshalb den Muskel auch den 71/. iliaco-])Soas
nennen. Der Psoaskopf entspringt an den Körpern und Querfortsätzen
der Lendenwirbel, der Darmbeinkopf an dem Kreuzbeine und an dem
Gelenke zwischen diesem und dem Darmbeine. Der M. psoas minor
(p>ps) entsteht an den vier letzten Lendenwirbeln, läuft gerade nach
hinten und inserirt sich mit einer langen Sehne an den Darmbein-
knorren und das Leistenband. Der M. oljtnrator internus geht von
der Umgebung des Foramen olturaiorium aus und heftet sich in einer
Grube am Innenrande des grossen Trochanter an; er zieht den Schenkel
nach innen.
Die äusseren Hüftmuskeln bilden mehrere über einander liegende
Schichten. Aeusserlich findet man, am Vorderrande des Schenkels, den
M. extensor fasciae Jatae (Fig. 347, tfl), der vorn am Rande des Darm-
beinflügels entspringt, schief nach hinten und unten verläuft, theil-
weise mit den Gesässmuskeln verschmilzt und in die Fascia lata, welche
die Schenkelmuskeln umhüllt, ausstrahlt. Zur tieferen Schicht gehören:
der M. pyriforniis oder pyramidalis, der auf der ventralen Fläche des
Kreuzbeines entspringt und mit einer runden Sehne sich an den freien
Kopf des grossen Trochanter festsetzt ; der M. quadrattis femoris , von
rautenförmiger Gestalt, vom oberen Aste des Sitzbeines zur Trochanter-
grube; die kleinen Mm. gemelJi, superior und inferior, welche wie die
vorigen den Schenkel nach vorn ziehen, an dem Sitzbeindorne ent-
stehen und sich an die proximale Epiphyse des Femur ansetzen.
Die Schenkelstrecker liegen an der vorderen , die Schenkelbeuger
an der hinteren Fläche des Oberschenkels. Auf der Innenfläche liegen
die Anzieher oder Adductoren.
Hauptstreckmuskel ist der M. cruralis (puadriceps , ein gewaltiger
Muskel, welcher die Yorderfläche und theilweise die Seitenflächen des
Schenkels überdeckt. Er setzt sich aus vier Köpfen zusammen , die
man mit besonderen Namen belegt hat, die aber eine mächtige Sehne
bilden, in welcher die Kniescheibe eingelagert ist und die als Knie-
scheibenligament sich an die Leiste der Tibia ansetzt. Folgende sind
die einzelnen Köpfe: der M. rectus femoris (Fig. 350, de), der mit einer
Sehne an dem oberen Rande des Darmbeines entspringt; der M. cru-
ralis, der am grossen Trochanter inserirt; der ihn bedeckende M. vastus
externus, der auf der Aussenfläche des Schenkelhalses entspringt, und
der M. vastus internus {vi), der ebenfalls am Schenkelhalse entspringt,
aber auf der Innenfläche.
874 Wirbeltliiere.
Die wesentlichsten Beugemuskeln sind: der Miisc. cruralis hiceps
(Fig. 347, &?'), ein langer und starker Muskel, der die hintere und
äussere Fläche des Gesässes bildet und sich vom Becken bis etwa zur
Hälfte der Tibia erstreckt; seine drei Köpfe entstehen, der eine an den
unteren Fortsätzen des Kreuzbeines und der vorderen Schwanzwirbel,
die beiden anderen an dem Sitzbeinknorren; der gemeinsame Muskel-
bauch läuft gegen das Kniegelenk, beschreibt hier eine Curve, und
setzt sich mit einer breiten Aponeurose , die sich mit der Fascia lata
des Schenkels und der Fascia des Unterschenkels verbindet, an die
Leiste der Tibia.
An der hinteren und inneren Fläche verlaufen: der M. semi-mem-
hranosus (Fig. 347 u. 350, dm), ein runder Muskel, der zwischen dem
Sitzbeinknorren, wo er entsteht, und dem Kniegelenk, unter welchem
er sich an die Tibia ansetzt, eine Curve beschreibt, und der 31. semi-ten-
dinosus (dt), ein langer, fleischiger, zwischen dem M. biceps und dem
vorigen gelegener Muskel, dessen proximales, an dem Sitzbeinknoi-ren
entstehendes Ende auf der Aussenfläche des Schenkels liegt, während das
distale, an dem inneren Gelenkhöcker der Tibia inserirte Ende auf der
Innenseite des Schenkels liegt.
Die Anzieher liegen auf derselben Innenseite. Zu ihnen gehören:
der M. sartorius (Fig. 347, co), der schief vom äusseren Winkel des
Sitzbeines zum inneren Gelenkhöcker der Tibia verläuft; der M. graciUs
(Fig. 350, di), der von der Schambeinfuge entspringt und mit einer
breiten Sehne sich an den inneren Gelenkhöcker der Tibia ansetzt und
unter ihnen, in der tieferen Schicht, der M. pectinatus (Fig. 350, pect),
sowie die drei eigentlichen Anzieher, M. addudor longus, medius (ma)
und curtus (ca). Diese drei Muskeln entstehen an der ventralen Hälfte
des Beckens, namentlich an der Schambeinfuge und gehen, der erste
zum inneren Gelenkhöcker des Femur, die beiden anderen zum Tro-
chanter.
Die Muskeln des Vorderbeines sind spindelförmig, nur an ihrem
proximalen Ursprünge fleischig und enden in lange und dünne Sehnen,
welche die Gelenke des Knies und der Fusswurzel in Bewegung setzen;
sie erstrecken sich bis zu den Zehen und verlaufen namentlich auf
der vorderen , äusseren und hinteren Fläche des Beines , nicht auf der
Innenfläche, wo die Tibia unmittelbar nach dem Abbalgen der Haut
bloss liegt.
Strecker. Der Jf. tibialis anticus (Fig. 350, ta) liegt ganz ober-
flächlich an der Vorderseite ; er entsteht an dem äusseren Gelenkhöcker
und der Leiste der Tibia; seine lange, neben derjenigen des folgenden
Muskels verlaufende Sehne setzt sich an den ersten Mittelfussknochen.
Der M. extensor longus (Je) entsteht, von dem vorigen bedeckt, mit
einer runden Sehne, die über das Kniegelenk läuft, an dem äusseren
Gelenkhöcker des Femur. Der dünne Muskelbauch bildet sich erst
Säugethiere,
875
unterhalb des Knies aus; seine Endsehne spaltet sich auf dem Mittel-
fusse in Zweige, die zu den Zehen gehen.
Auf der äusseren oder seitlichen Fläche liegen die Wadenmuskeln :
der M. xyeroneus longtis (Fig. 347, Z^j) unter dem M. extensor longus,
Fig. 350.
ffpS —
pps---
pe£- _^
^:^,
Le'p. cun. — Muskeln der Innenfläche des Hiutert'usses (nach Cuvier u. Laurillard).
gps, M. psoas major; il, M. iliacus; pps, M. psoas minor; de, M. rectus femoris ;
vi, M. vastus internus; pec, M. pectinatus ; ca, M. adductor brevis ; ma, M. ad-
ductor medius ; di, M. rectus internus; dm, M. semi-membranosus ; dt, M. semi-
tendinosus; h', Ligament der Kniescheibe ;. </?, M. tibialis posterior; ta, M. tibialis
anterior; If, M. flexor longus; le, Sehne des M. extensor communis longus; tl, Tibia;
sul. Sehne des M. solearis; pg, M. plantaris gracilis; gi, M. gastrocnemius internus.
der M. peroneus curtus, der am äusseren Geleukhöcker der Tibia ent-
springt, während die 31m. peroneus tertius und qiiartus an dem ver-
876 Wirbelthiere.
kümmerten Dorne des Peroneum ihren Ursprung nehmen. Alle vier
enden mit dünnen Sehnen auf den Mittelfussknochen und den Pha-
langen der Zehen.
Zu den Beugern des Unterschenkels , die zugleich Strecker des
Fussgelenkes sind, gehören: der oberflächlich an der Hinterseite des
Unterschenkels verlaufende M. cruralis triceps , der , wie sein Name
besagt, aus drei mehr oder minder verschmolzenen Muskeln besteht,
dem M. gastrocnemius internus (Fig. 350, gi), der am inneren Gelenk-
höcker der distalen Epiphyse des Femur entspringt und etwa in der
Mitte der Tibia einerseits mit dem M. gastrocnemius internus, ander-
seits mit dem il£ solearis (sol) sich vereinigt, welcher von dem Kopfe
des Peroneum kommt. Die gemeinschaftliche, sehr starke und feste
Sehne dieser Muskeln bildet die Achillessehne, die sich an den
Höcker des Fersenbeines ansetzt.
Unter den Köpfen des M. triceps finden wir noch auf der Hinter-
fläche den M. plantaris graciUs (pg), welcher am äusseren Gelenkhöcker
des Femur und den benachbarten Sesambeinen entsteht. Seine End-
sehne windet sich um die hintere Fläche des Fersenbeines und theilt
sich auf der Fusssohle in vier Zweige, die sich auf der Plantarseite
der Phalangen ansetzen. Der Muskel beugt das Knie und die Finger
und streckt zugleich das Fussgelenk.
Tiefer liegen: der il£ flexor communis longus digitorum (If); er
füllt den Zwischenraum zwischen Tibia und Peroneum und entsteht
auf der Hinterfläche der Köpfe der beiden Knochen. Die Endsehne
läuft, in eine Sehnenrolle eingeschlossen, über den inneren Knöchel
und theilt sich auf der Fusssohle in vier Zweige, welche sich zwischen
den zweiten und dritten Phalangen der entsprechenden Finger fest-
setzen. Der ihm benachbarte M. tibialis posterior, der aber kürzer und
dünner ist, entsteht auf der Innenseite des Peroneum ; seine sehr lange
und dünne Sehne heftet sich an den zweiten Mittelfussknochen. Der
M. popliteus entspringt in der Kniegelenkkapsel am äusseren Gelenk-
höcker des Femur; er durchbohrt die Kapsel und setzt sich an den
Innenrand der Tibia, die er nach aussen dreht. Wir übergehen einige
kleine Muskeln des Fusses, welche die vorigen in der Streckung und
Beugung der Finger unterstützen.
Nervensystem. — Seines zarten Gewebes wegen verlangt die
Präparation des Nervensystemes besondere Vorsicht. Das in dem Schädel
und dem Rückencanal eingeschlossene Centralnervensystem (Fig. 333,
ce, me) wird mit Hülfe des Meisseis bloss gelegt. Man sprengt, wenn
man von oben her präparirt, die Schädeldecke und öffnet dann den
Rückencanal durch Wegnahme der Neurapophysen von vorn nach hinten.
Um die Nervenursprünge bloss zu legen, arbeitet man von der Schädel-
basis aus und entfernt die Gesichtsknochen, das Keilbein, Grundbein
Säugethiere. 877
und die Wirbelkörper nach vorheriger Erhärtung der Nervenwurzehi
in Weingeist. Die Präparation wird durch Einwirkung von Salpeter-
säure, welche die Knochen erweicht, die Nerven dagegen erhärtet, sehr
erleichtert. Zu weiteren Untersuchungen können Gehirn und Rücken-
mark nach Durchschneidung der abgehenden Nerven herausgenommen
werden.
Centrales Nervensystem. — Das Gehirn macht sich durch
die bedeutende Entwickelung des Vorderhirnes (Prosencephalon) oder
der Hemisphären bemerklich, welche das aus den Sehhügeln, dem grauen
Höcker (Tiiber cinereum) und dem Hirntrichter bestehende Zwischen-
hirn (Thalamencephalon), sowie das aus den Vierhügeln und den Hirn-
schenkeln bestehende Mittelhirn (Mesencephalon) bedecken. In der
That gleitet während der embryonalen Entwicklung die ursprüngliche
Blase des Zwischenhirnes allmählich in das Vorderhirn und wird von
diesem in der Art umschlossen, dass dieses schliesslich gänzlich darin auf-
geht und man beim Erwachsenen die Unterlappen der Hemisphären
aus einander biegen muss, um es zu sehen. Der Boden des Zwischen-
hirnes durchläuft insofern bedeutende Entwicklungsphasen, als der
hohle Hirntrichter mit seinem unteren Ende mit einem dem Gehirne
ursprünglich nicht zugehörenden Organe, der Hypophysis {Glandula
pitwitaria) verschmilzt, das hinter dem Chiasma der Sehnerven liegt.
Das Hinterhirn, Kleinhirn (Metencephalon , Cerebellum), schliesst
sich nicht unmittelbar den Hemisphären an ; bei der Ansicht von oben
sieht man in dem Räume zwischen beiden die Schwellung der Vier-
hügel. Betrachtet man das Hirn von der Ventralseite, so sieht man
deutlich , dass das Kleinhirn mit dem Mittelhirne durch die Varols-
brücke zusammenhängt, deren bedeutende Entwicklung, ebenso wie die
der Hemisphären , das Gehirn der Säugethiere von dem der Vögel
unterscheidet. Anderseits verbindet die Varolsbrücke das Mittelhirn
mit dem Nachhirne oder dem verlängerten Marke, an welchem die
Nackenbeuge sich zeigt.
Um den Bau eines so complicirten Organes, wie des Gehirnes, zu
verstehen, muss man nothwendiger Weise auf seine Entwicklung zurück-
kehren. Wir verweisen zu diesem Behufe auf die Lehrbücher der Ent-
wicklungsgeschichte von KöUiker und Hertwig, und speciell für das
Kaninchen auf die Arbeit von Mihalcowicz (siehe Literatur). Die
Höhlen der ursprünglichen Hirnblasen erhalten sich , freilich sehr ver-
engert, während des ganzen Lebens in ihrem Zusammenhange unter
sich wie mit dem Rückenmarkscan ale. Man unterscheidet aber an
ihnen einzelne Abschnitte: die Rautengrube oder den vierten
Ventrikel im Nachhirne, die Sylvi'sche Wasserleitung im
Hinterhirne, den dritten Ventrikel im Mittelhirne, die Seiten-
ventrikel, welche durch das Monro'sche Loch mit dem dritten
Ventrikel zusammenhängen, im Vorderhirne.
878 Wirbelthiere.
Das Rückenmark (Fig. 333, nie) hat die Gestalt eines von oben
nacli unten etwas abgeplatteten, in der Kreuzbeingegend sich zuspitzen-
den Cylinders. Der Endkegel, der sich durch einen Endfaden bis
in den siebenten Schwanzwirbel fortsetzt, ist von zahlreichen Nerven
umgeben, welche den sogen. Pferdeschweif (Cauda equina) bilden. In
der Höhe des Armgeflechtes zeigt das Rückenmark eine Verdickung,
die Nackenschwellung, und eine ähnliche am Beingeflechte, die
Lendenschwellung. Auf Querschnitten sieht man den Central-
canal in Gestalt einer mit Epithelium ausgekleideten senkrechten
Spalte ; er öfi'net sich vorn in der Rautengrube und endet nach hinten
mit einem blind geschlossenen Endventrikel; es existirt also keine
Lendengrube, wie bei den Vögeln.
Das Rückenmark besteht aus Neuroglie, Nervenfasern und Nerven-
zellen; letztere sind in ähnlicher Weise vertheilt, wie bei dem Men-
schen; sie setzen die graue Substanz zusammen, welche sich um den
Centralcanal herum anhäuft, von weisser Substanz umgeben ist und
in vier Bündel oder Hörner gegen die Peripherie ausläuft, die multi-
polare Nervenzellen enthalten; die dorsalen Hörner strahlen in die
sensitiven Wurzeln der Rückenmarksnerven ajjs, die ventralen Hörner
in die motorischen Wurzeln.
Nach vorn setzt sich das Rückenmark von dem ersten Paare der
Rückenmarksnerven in das verlängerte Mark fort (Fig. 351, ma),
das die Form eines abgestutzten Kegels hat, dessen Basis nach vorn
an die Varolsbrücke (Fig. 352, p^J) anstösst. Die obere und die Seiten-
flächen sind von dem Kleinhirne überdeckt. Auf der ventralen Fläche
des verlängerten Markes, von welcher die hinteren Hirnnerven ab-
gehen, zeigt sich eine Längsrinne, als Fortsetzung der gleichen Bil-
dung auf dem Rückenmarke (Fig. 352, sv). Auf beiden Seiten dieser
ventralen Rinne sieht man längliche Anschwellungen, die Pyramiden,
welche nach vorn durch einen leichten Querhügel, den Rauten-
körper (Fig. 362, py und ctr), und seitlich durch mehr oder minder
vorspringende Leisten , die Oliven (oT), begrenzt sind. Die ange-
schwollenen Seiten des verlängerten Markes tragen den Namen der
Netzkörper (Corpora restiformia\ Fig. 351, er); sie erstrecken sicji
bis auf die dorsale Fläche zu beiden Seiten der Rautengrube. Bei
einigen Individuen sehen wir hier wenig ausgeprägte Längsrinnen,
welche Wülstchen begrenzen, die den Bur dach 'sehen und den
dünnen Strängen der menschlichen Anatomie entsprechen; aber
diese Bildungen sind nur angelegt und häufig unfindbar.
Die dorsale Furche des Rückenmarkes erweitert sich zu der offenen
Rautengrube (sr), die aber durch eine dünne Lamelle Aev pia mater
mit reichlichen Gefässnetzen bedeckt ist, welche den Choroideal-
p lex US bilden. Diese Choroideallamelle zieht sich über das ganze
Säugethiere.
879
verlängerte Mark weg und setzt sich nach vorn mittelst einer ein-
geschlagenen Falte in die pia mater des Kleinhirnes fort.
Die Rautengruhe wird ausserdem noch von dem Wurme (Venms)
des Kleinhirnes (Fig. 351, rm) bedeckt, während ihr Boden theilweise
von dem verlängerten Marke, theilweise von der Varolsbrücke her-
gestellt wird. Nach hinten verengert sie sich, um den Calamus scrip-
tori'US zu bilden; nach vorn verlängert sie sich in einen engen Canal,
den Äquaedticüis Sylvii, der in den dritten Ventrikel führt. Jederseits
sieht man einen kleinen rundlichen Wulst, den Ilörwulst {Tubercuhmi
Fio-. 351.
Fig. 352.
Fig. 351. — Lep. cun. — Dorsale Ansicht des Gehirnes, /o, Riechlappen; Z/, Stirn-
. läppen; loc, Hinterlappen; äc, Grosshirnhemisphären; /"/, Längsspalte; ss, Sj'lvi'sche
Spalte; sp, parallele Furche; tqj, Vierhiigel; j)e, Grosshirnschenkel; vm, Wurm des
Kleinhirnes; hch, Hemisphären des Kleinhirnes; wa, verlängertes Mark; er, Netz-
körper; sr, Rautengrube (vierter Ventrikel); me, Rückenmark; gs, Sympathicus.
Fig. 352. — Lep. cun. — Ventrale Ansicht des Gehirnes, lo, Riechlappen; b of,
Riechstränge; It, Schläfenlappen; ss, Sylvi'sche Spalte; Ih, Pferdefusslappen; sc,
Seitenspalte; ch, Chiasma; no, Sehnerven; ^op., Sehstränge; tc-, grauer Höcker; inf.,
Hirntrichter; cm, Warzenkörper; pc, Grosshirnschenkel; nom, N. oculomotorius; n]],
N. patheticus; po, Varolsbrücke; sb, Basalfurche; ntr, N. trigeminus; nad, N. ab-
ducens; nf, N. facialis; 7iac, N. acusticus; ctr, Rautenkörper; py, Pyramiden; o /,
Oliven; fl, Flocken des Kleinhirnes; nky, N. hypoglossus; nr, Rückenmarksnerven;
SV, Ventralfurche des Rückenmarkes me.
880 Wirbelthiere.
acusticuin, Fig. 353, ta), und hinter diesem ein graues, im Winkel
gebogenes Band, die Lamina cinerea (bc).
Nach vorn wird das verlängerte Mark durch den Ringwulst der
Varolsb rücke (Fig. 352, pv) begrenzt, die aus einem grauen, von
Querfasern umgebenen Kerne besteht. Die Brücke erstreckt sich bis
zu den Hirnschenkeln (p c) , zeigt auf ihrer Unterfläche eine Längs-
furche. Die Basalfurche {sh) ist seitlich von den Flocken des Klein-
hirnes (/?) bedeckt und bildet mit ihrer Dorsalfläche den Boden des
vierten Ventrikels und die Basis der Vierhügel. Mit den Hemisphären
des Kleinhirnes ist sie durch die aufsteigenden Fasern des Klein-
hirn schenkeis (Fig. 353, jjc??) verbunden.
Das verhältnissmässig grosse Kleinhirn liegt über der Brücke,
bedeckt grossentheils das verlängerte Mark und legt sich nach vorn
an die Hemisphären des Vorderhirnes an. Doch bleibt zwischen ihm
und diesen in der Mitte ein dreieckiger Raum, auf dessen Grunde man
die Vierhügel (Fig. 351, tcij) vorragen sieht. Das Kleinhirn zeigt
bei der Ansicht von oben einen vorragenden Mitteltheil, den vorn
schmäleren, hinten breiteren Wurm (Vermis) (vm) und zwei Seiten-
theile, die Kleinhirnhemisphären. Der Wurm zeigt auf seiner
Oberfläche acht Querfalten, die ihm ein gegliedertes Ansehen verleihen;
er ist vorn und hinten frei und hängt nur in der Mitte mit den Hemi-
sphären zusammen. Diese sind selbst durch fünf Querspalten in dicke
Blätter getheilt, welche durch mehr oder minder tiefe Kerben in Lappen
und Läppchen geschieden werden, unter welchen man die Flocken
(flocculi) (fl) unterscheidet, die aus kleinen, abgerundeten Anhangs-
lamellen gebildet sind, welche in tiefe Gruben des Hinterhauptes sich ein-
senken und nur schwer ohne Beschädigung auspräparirt werden können.
Die ganze Oberfläche des Kleinhirnes besteht aus grauer, der
Kern des Organes aus weisser Substanz, welche den Lappen entsprechend
Markblätter gegen die Peripherie hin ausstrahlen lässt, die anfangs
einfach sind, dann aber den Einkerbungen entsprechend sich gliedern
und verästeln, so dass sie auf Sagittalschnitten die Figur eines ver-
zweigten Baumes zeigen, welche von den alten Anatomen der Lebens-
baum (Arhor 'vi(ae) genannt wurde. Die weisse Substanz setzt .sich
continuirlich in diejenige der Brücke dos verlängerten Markes und der
Vierhügel durch die Klein hirn Schenkel (Fig. 353, pc&) fort, die
man durchschneiden muss, wenn man das Kleinhirn isoliren will.
Wir betrachten das Mittelhirn von unten, da es dorsal wärts von
den Hemisphären bedeckt ist. Unmittelbar vor der Varolsbrücke sehen
wir zwei dicke Markstränge, die durch eine Mittelfurche getrennten
Hirnschenkel (Fig. 352, J5c), auf welchen die auf ihrer dorsalen
Fläche durch eine Kreuzfurche in vier Anschwellungen getheilten
Vierhügel (Fig. 351, tqj) aufsitzen. Die beiden vorderen Hügel
(festes der alten Anatomen) sind beim Kaninchen grösser und ab-
Säuffethiere.
881
gerundeter als die hinteren {nates) (Fig. 353, ca, cp). Unter ihnen ver-
läuft die schon erwähnte, von grauer Substanz umgebene Sylvi'sche
Wasserleitung, welche ihre Grenze gegen die Hirnschenkel herstellt.
Das Zwischenhirn besteht wesentlich aus den Sehhügeln
(Fig. 353, co), zwei zusammenstossenden dreieckigen Massen, welche
vor den Vierhügeln und den Hirnschenkeln liegen. Ihre obere gewölbte
Fläche wird ganz von den Hemisphären überdeckt, die man wegnehmen
Fig. 353.
SP ..
. -,- Pd
muss, um sie zur Ansicht zu bringen; auf der
Mittellinie zeigt sich eine vom Choroideal-
plexus überzogene Läugsfurche, die Mon-
ro'sche Furche {sm). Am hinteren Ende
dieser Furche, zwischen den vorderen Vier-
hügeln, zeigt sich ein cylindrischer, grauröth-
licher Vorsprung , die E p i p h y s e oder
Zirbeldrüse {gp).
Die Innenflächen der Sehhügel bilden die
Seitenwände des dritten Ventrikels, eines
engen, in der Mitte etwas erweiterten Ca-
nales, der durch das Monro'sche Loch sich
in die Seitenventrikel der Hemisphären öffnet.
Ein über den Ventrikel gespanntes graues
Bändchen, die mittlere Hirncommissur,
verbindet die beiden Hemisphären an dieser
Stelle. Der Ventrikel stülpt sich vor dieser
Commissur nach unten gegen die Hirnbasis
aus und bildet so den Hirntrichter. An
der Hinterfläche der Sehhügel sieht man
jederseits zwei kleine Erhebungen , die an
die Vierbügel anstossen, die inneren und
äusseren Kniehöcker {Corpora genicnlafa,
Fig. 353, cg). Auf derselben Seite entstehen
zwei weisse Markstränge , welche sich um
den vorderen Kniehöcker herumschlingen,
gegen die Hirnbasis hin convergirend um-
biegen und so die Sehbänder (Tracti optici) bilden. Sie vereinigen
sich in dem Chiasma der Sehnerven (Fig. 352, hop, c/«), wo ihre
meisten Fasern sich kreuzen , um die beiderseits gegen die Augen hin
sich fortsetzenden Sehnerven (?io) zu bilden.
Hinter dem Chiasma sieht man auf dem Boden einer eiförmigen
Anschwellung den grauen Höcker (ic), vor welchem der Hirn-
trichter {inf) sich gegen die Hypophyse einsenkt, die als eine
braunrothe Masse in dem Türkensattel eingesenkt liegt, so dass ihre
Präparation grosse Vorsicht erheischt. Sie besteht aus einem vorderen
und hinteren Lappen. Hinter dem grauen Höcker gewahrt man noch
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. gg
Lep. cun. — Dorsale Ansicht
des Mittel- und Hinterhirnes
nach Wegnahme des Klein-
hirnes und der Hemisphären.
m a , verlängertes Mark ; s ;•,
Rautengrube; /t, lamina ci-
nerea ; < a , Hörknoten ; p ch,
Kleinhirnschenkel ; cp, hintere
Vierhügel (collieuli posterio-
res); Ca, vordere Vierhügel;
CO, Sehhügel; cg, Kniekörper
(corpora geniculata); gp, Epi-
physe; sm, Monro'sche Furche.
882 Wirbelthiere.
eine weisse, runde, äusserlich ungetheilte Anschwellung, welche den
Warzenhügeln {Corpora mamiUaria) des menschlichen Gehirnes ent-
spricht (cm). Die Einsenkung zwischen dieser Anschwellung und den
Hirnschenkeln wird von einer grauen Lamelle ausgefüllt, welche zahl-
reiche Gefässe enthält und die durchlöcherte Lamelle {Lamina per-
forata) genannt wird.
Vor den Sehhügeln liegen zwei birnförmige Wülste, die in die
Hemisphären vordringen, die Streife nkörper {Corpora striata).
Die Hemisphären des Vorderhirnes (Fig. 351, Jic) bedecken,
wie schon bemerkt, alle Hirntheile bis zum Kleinhirne. Sie erscheinen
von dreieckiger Form und sind durch eine Längsspalte (/7) getrennt,
in welche eine Falte der harten Hirnhaut, die Hirnsichel, eindringt.
Wenn auch ihre . Oberfläche im Allgemeinen glatt ist, so sieht man
doch darauf einige seichte Rillen ; die vor ihnen gelegenen keulen-
förmigen Riechlappen (Fig. 351, 1 o) sind deutlich begrenzt; eine
leichte seitliche Einsenkung, der Anfang der Sylvi'schen Spalte {ss)^
lässt allenfalls einen vorderen Stirnlappen ilf) unterscheiden. Auf
der Rückenfläche verläuft , parallel mit der Spalte , eine seichte Rille
{sp). Man bemerkt hier auch die Eindrücke der grösseren, in der pia
mater verlaufenden Gefässe , aber stärker ausgebildete Faltungen der
Hirnrinde, welche die bei den höheren Säugethieren entwickelten Win-
dungen bedingen, fehlen vollständig.
Auf der Unterfläche der Hemisphären fallen besonders in die Augen
die weissen, faserigen Riechstränge (Fig. 352, hof), welche die
Riechlappen nach hinten fortsetzen, ferner die schon erwähnte
Sylvi'sche Spalte (ss), und eine durch die eingelagerte Seiten vene be-
zeichnete Seiten für che (sc), welche den äusseren Schläfenlappen (It)
von dem inneren Pferdefusslappen (Ih) trennt, der sich an den medianen
grauen Höcker anlegt.
Zum Studium der inneren Organisation der Hemisphären muss
man Längs- und Querschnitte zu Hülfe nehmen. Beide Hemisphären
werden durch ein Gebilde von Querfasern mit einander verbunden, durch
den Schwielenkörper (Corpus callosum), den man im Hintergrunde
der Hirnspalte sieht, und durch die vor dem Monro'schen Loche ge-
legene vordere Commissur. Der nach oben gewölbte Schwielen-
körper biegt sich mit seinem vorderen und hinteren Rande nach unten
und bildet so zwei Wülste, von welchen der vordere das Knie genannt
wird; der hintere Wulst legt sich über die Sehhügel und erstreckt sich
bis zu den Vierhügeln. Die Unterfläche des Schwielenkörpers bildet
mit ihrer Vorderhälfte und ihren Seitentheilen die Decke der Seiten-
ventrikel, nach hinten geht sie in das Hirngewölbe, den Fornix, über,
eine dreieckige Platte, welche über die Sehhügel sich legt und theil-
weise das Dach des dritten Ventrikels bildet. Der Fornix fliesst mit
einem in die Seiten Ventrikel vorspringenden Wulste zusammen, der
Säugethiere. 883
wegen seiner gekrümmten Gestalt das Ammonshorn genannt wird.
Für die unter dem Schwielenkörper und vor dem Fornix ausgehöhlten
Seitenventrikel bildet die Marksubstanz der Hirnbasis den Boden;
sie werden nach vorn enger und setzen sich bis in die Riechlappen fort.
Hirnhäute. — Wie bei den Vögeln und Reptilien, zeigt das
Hirn drei aus Bindegewebe gebildete Hüllhäute; die äussere, feste und
sehnige Hülle ist die harte Hirnhaut {dura niater), die unmittelbar
an den Knochen anliegt und entfernt werden muss, wenn man das Hirn
biossiegen will. Ihr folgt die Spinnwebehaut (araclmoiclea), ein
feines, durchsichtiges Gewebe, das mit der inneren Hülle, der Gefäss-
haut (pia mater), innig zusammenhängt. Die letztere, mit der binde-
gewebigen Grundsubstanz der Hirnmasse in engster Verbindung stehende
Hüllhaut ist besonders an den Gewölbtheilen des Hirnes sehr gefäss-
reich ; sie hängt durch Fäden mit der Spinnwebehaut zusammen nnd
geht an den Austrittsstellen der Nervenwurzeln in die Scheide dieser
Wurzeln über.
Wie schon erwähnt, verbindet sich die pia mater mit der Epithelial-
decke der Rautengrube, um deren Decke zu bilden, an deren Unter-
fläche der Choroidealplexus sich ausbildet und in die Grube vorspringt.
Von dem Kleinhirne aus führt sie die Choroidealnetze durch die Hirn-
höhlen über die Vierhügel und in die Seitenventrikel hinein.
Peripherisches Nervensystem. — Die dem centralen Nerven-
systeme entstammenden Nerven, welche sich zur Peripherie, zu den
Muskeln und den Sinnesorganen begeben , können in zwei Gruppen
getheilt werden, die Rückenmarksnerven und die Hirnnerven.
Wir zählen 37 symmetrische, den Metameren des Körpers ent-
sprechende Paare von Rückenmarksnerven, acht Halsnervenpaare,
zwölf Rückennerven, sieben Lendennerven, vier Kreuznerven und sechs
Steissnervenpaare. Jeder Nerv wird von zwei Wurzeln gebildet, die
selbst wieder aus Nervenfaserbündeln zusammengesetzt sind und, wie
gesagt, aus den Hörnern der grauen Substanz entspringen. Die Wur-
zeln convergiren gegen das Zwischenwirbelloch , wo die obere dorsale
Wurzel ein kleines Spinalganglion bildet. Hierauf vereinigen sich
beide Wurzeln zu einem kürzen, gemischten Nerven, der sich in zwei
Hauptäste theilt, einen dorsalen für die dorsalwärts von der Körper-
axe angebrachten Muskeln und die Haut, und einen grösseren ven-
tralen Ast, welcher die Muskeln der Seiten, des Bauches und der
Extremitäten versorgt. Die ventralen Aeste sind durch einen Visceral-
zweig mit dem Sympathicus und ausserdem noch durch Schlingen
mit einander verbunden. Von diesen so gebildeten Nerven gehen die
peripherischen Zweige aus, welche oft noch mit einander anastomo-
siren und Geflechte bilden.
Die Muskeln, welche von diesen Geflechten versorgt werden, erhalten
somit Fasern, welche mehreren Wurzeln entstammen. Solche Plexus
56*
884
Wirbelthiere.
Fig. 354.
mcL
^fniy Stil'
Lep. Clin. — Ansicht der Halsgegend mit den Hauptstämmen der Hirnnerven (nach
einer Zeichnung von Schneider), am, äussere Kieferarterie; mm, M. mylo-hyoideus;
»IS, M. masseter; mpm, M. pteryoideus internus; st, M. styloglossus; fm. Sehne des
M. mandibularis; sm, abgeschnittenes oberes Ende des M. sterno-mastoideus sm'; al,
Zungenarterie; ch, grosses Hörn des Zungenbeines; acc, Carotis externa; ao, Arteria
occipitalis; aci, Carotis interna; mcl, oberes Ende des durchschnittenen M. cleido-
mastoideus; nh, N. hypoglossus; pv, ganglionartiges Geflecht des Vagus; vji, Vena
jugularis interna; nl, N. laryngeus superior; na, N. auricularis; sy, N. sympathicus;
nv , N. Vagus; nc, dritter Halsnerv; nac, N. accessorius Willisii; ac, Carotis com-
munis; als, Art. thyroidea superior; nc' , vierter Halsnerv; mf , M. trapezius; mbh,
M. basi-humerajis rectus; meo, M. levator scapulae magnus; nc", fünfter Halsnerv;
nc'", sechster Halsnerv; 7)1 d, M. deltoideus; m/j, M. pectoralis minor; cl, Schlüssel-
bein; uph, N. phrenicus; mst, M. sterno-hyoideus; vjt, Vena jugularis transversa;
stni, M. sterno-mastoideus; nc"", sechster Halsnerv; vsc, Vena subcutanea brachii;
vto, V. transversa scapulae; vje, V. jugularis externa; mbh, M. basi -humeralis;
hd, absteigender Ast des N. hypoglossus; vf, V.- facialis posterior; als, Art. laryngea
superior; gp, ventraler Theil der Parotis; vf, V. facialis anterior; rm, V. maxillaris
externa; rsm, Unterkinnvene; gs, Untei-kieferdrüse; ht, membrana hyo -thyroidea.
Säugethiere. 885
werden von allen ventralen Aesten der Rückeuraaiksnerven gebildet,
mit Ausnahme der Nerven 3 bis 12 des Rückens und 1 bis 3 der
Lendennerven, die unabhängig bleiben und sich unmittelbar zu den
Muskeln und der Haut ihres Bezirkes begeben. Wir betrachten jetzt
die einzelnen Plexus und die sie bildenden Nerven.
Das Halsgeflecht {FJexus cervicdlis) wird von den ventralen
Aesten der vier ersten Halsnerven gebildet. Seine Zweige versorgen
die Muskeln des Hinterhauptes und des Vorderhalses; ein Zweig, der
Ohrnerv (Fjg. 354, va), begiebt sich zum äusseren Ohre. Der vierte
Zweig, der bedeutendste (wc'), giebt die Supra-clavicularnerven zu den
Schultermuskeln und den Zwerchfellnerven {N. ])lirenicus, Fig. 354,
nph), der mit den grossen Venenstämmen in die Brusthöhle eindringt
und. sich in dem musculösen Theile des Zwerchfelles verästelt.
Das durch seine zahlreichen Anastomosen sehr complicirte Arm-
geflecht {Plexus hracMcäis) nimmt die vier hinteren Halsnerven
(Fig. 354, n", n'", n""), einen dicken Ast vom ersten Rückennerven und
einen dünnen vom zweiten auf. Es versorgt alle Muskeln der vorderen
Extremität bis zu den Fingerspitzen und verbindet sich durch Zweige
mit dem Zwerchfellnerven. Die bedeutendsten daraus hervorgehenden
Nerven sind: die Brust- und Unterschulterblattnerven zu den
entspi'echenden Muskeln; die Haut nerven des Armes, welche die
Haut der Schulter, des Oberarmes und Vorderarmes versorgen; der
Mittelnerv, welcher der Achselarterie folgt und zahlreiche Aeste an
die Muskeln liefert, die seinem Verlaufe genähert sind; der Radial-
und Cubitalnerv, deren Namen den Verlauf angeben. Diese drei
letzteren Nerven entspringen mit mehreren Wurzeln aus den hinteren
Schlingen des Plexus.
Das Lendengeflecht liegt unter den Querfortsätzen der Lenden- •
wirbel zwischen dem viereckigen Lendenmuskel und dem grossen Psoas-
muskel und wird von den Bauchästen der letzten vier Lendennerven
gebildet. Der vierte und fünfte Nerv bilden die erste Schlinge des
Geflechtes, der fünfte mit dem sechsten die zweite u. s. w. Die drei
ersten Lendennerven nehmen, wie schon bemerkt, an der Bildung des
Geflechtes keinen Antheil; der vierte Lendennerv entsendet Zweige zu
dem viereckigen Lendenmuskel und den beiden Psoasmuskeln; der
fünfte liefert, ausser einigen Verbindungsästen, den N. genito-cruralis,
der bei dem Männchen bis zur Haut des Hodensackes, bei dem Weib-
chen in die Schamlippen und das runde Ligament des Uterus sich er-
streckt. Sein Hauptast aber geht nach hinten und verbindet sich mit
dem Vorderaste des sechsten Nerven zur Bildung des N. cruralis, wäh-
rend sein Hinterast eine der Wurzeln des N. ohturatorius bildet.
Der Schenkelnerv (N. cruralis, Fig. 355, er) giebt einige Aeste
an den 31. iliacus und läuft dann nach unten und hinten, um sich in
dem Schenkel in mehrere Aeste aufzulösen , von welchen der bedeu-
Wirbelthiere.
tendste der N. saphenus (sm) ist. Audere Aeste versorgen andere
Zweige und gehen in die verschiedenen Schenkelmuskeln.
Der Nervus oUiiratorius (o) durchsetzt den grosen Psoasmuskel
und verzweigt sich in der Umgegend des Foramen oUuratoriiim an die
Beckenmuskeln. Der siebente
Lendennerv ist der bedeutendste
von allen ; ausser einigen kleinen
Verbindungsästen zum Schenkel-
und Lochnerven bildet er den
mächtigen Hüft nerven (N.
ischiaticus) , der ausserdem noch
Fasern vom ersten Kreuznerven
erhält. Derselbe giebt zahlreiche
Zweige an die Schenkelmuskeln
(M. tensor fasciae latae, Mm.
glutaei, M. biceps, M. semi-mem-
branosus, M. semi-tendinosus , M.
aääuctor magnus etc.). Im vor-
deren Drittel des Schenkels theilt
sich sein Hauptstamm in zwei
parallel in die Beine bis zu der
Fusssohle und den Zehenspitzen
verlaufende Nerven, N. tibialis
und N. peroneus.
Das Kreuzgeflecht, das an
der ventralen Fläche des Kreuz-
beines gelegen ist, wird von den
vier Kreuznerven gebildet, von
welchen der erste durch Aeste,
die zum Hüftnerven gehen, mit
dem Lendengeflecht in Verbin-
dung steht; der letzte verbindet
sich in ähnlicher W^eise mit den
ersten Nerven des Steissge-
flechtes. Der Hauptnerv des
Kreuzgeflechtes ist der Scham-
nerv (N. pudendus, pu), der aus
der zweiten Schlinge des Plexus
entspringt, hinter dem Abzieh-
muskel des Schwanzes verlaufend,
sich auf die äussere Fläche des
Sitzbeindornes begiebt und von der Beckenfuge aus bei dem Männchen
sich im Penis und dem Scrotum, beim Weibchen in der Clitoris und
den Schamlippen verzweigt. Die beiden letzten Schlingen des Ge-
Lep. cun. — Lenden - und Kreuzgeflecht
(nach Krause), vi, fünfter, sechster und
siebenter Lendenwirbel; s, Kreuzbein; ts,
Kreuzbeinlöcher; il, Darmbein; er, N. cru-
ralis; sm, N. saphenus; o, N. obturatorius;
is, N. ischiaticus; pu, N. pudendi in drei
Bündeln vereinifft.
Säugethiere. 887
flechtes liefern die Hämorrhoidalnerven, welche am After und Rectum
sich verzweigen.
Das von den dünneu Ventralzweigen der sechs Steissnerven ge-
bildete S teissgeflecht ist äusserst zart; die von ihm abgehenden
Zweige versorgen die Muskeln und die Haut des Schwanzes.
Hirnnerven (Fig. 356). — Wir zählen zwölf Paare, von welchen
zehn aus den hinteren Hirntheilen , eines aus dem Zwischenhirne und
eines aus dem Vorderhirne entspringt. Wir besprechen sie der Reihe
nach von hinten her.
Der N. hypogJossus (XII), der Zungenfleischnerv, entspringt an
der Seite der Pyramiden aus dem verlängerten Marke mit mehreren
Wurzelfäden (Fig. 352, nliy)^ welche nach Durchsetzung der dura
mater zwei Bündel bilden, dann aber bald zu einem Stamme zusammen-
fliessen. Der Nerv tritt durch die Gelenklöcher des Hinterhauptes
(Fig. 342, th) aus, legt sich an die innere Carotis an, kreuzt sich uiit
dem Beinerven und dem Vagus, biegt, unter dem M. sterno-liyoideiis
angelangt, nach vorn, schickt einen absteigenden Ast {hd), der
sich durch mehrere Fädchen mit dem ersten Halsnerven und dem Vagus
verbindet und sich in den M^n. sterno-liyoideus und sterno-thyroideus
verzweigt. Der vordere Ast, der Zungenast (Fig. 356, hl), läuft
neben der Zungenarterie nach vorn und verästelt sich in der Zunge.
Der Beinerv {N. accessorius, XI) setzt sich aus etwa zehn sehr
feinen Wurzelfäden zusammen , von welchen die hintersten noch an
dem Rückenmarke zwischen den dorsalen und ventralen Wurzeln der
Nerven entspringen. Die Würzelchen verlaufen nach vorn und ver-
einigen sich noch vor dem Eintritte in das grosse Hinterhauptsloch zu
einem Stamme, der an das ganglionartige Geflecht des Vagus Zweige
abgiebt, und dann einen hinteren oder äusseren Nerven bildet
(Fig. 354, 356, nac), welcher den Hypoglossus kreuzt, an die Mm-
sterno-cleido-mastoidei Zweige giebt und sich schliesslich in dem M.
trapezius verästelt.
Der N. vagus (X) ist weit mächtiger als die vorigen. Er ent-
springt mit mehreren Wurzeln an der Lamina, auf dem Boden des
vierten Ventrikels, und tritt hinter dem N. glossopharyngeus durch das
Jugularloch aus dem Schädel, wo er ein kleines Ganglion bildet. Die
von diesem Knoten ausgehenden Fasern bilden sofort einen dicken,
ganglionartigen Plexus (Fig. 354 und 356, pr). in welchem sich
Ganglienzellen finden, und die Verbindungsfäden vom Beinerven zu-
mischen. Vor diesem, den Hypoglossus umschlingenden Plexus geht ein
Ohrast ab, der in dem Zitzentheile des mittleren Ohres und der Haut
der Ohrmuschel sich verzweigt. Aus dem Plexus gehen einige Schlund-
kopfnerven hervor. Sodann läuft der Stamm am Halse (Fig. 354
und 356, nv) und giebt Zweige ab, die meist längs den Arterien ver-
laufen , was ihre Präparation erleichtert. Beim Austritte aus dem
Wirbelthiere.
Plexus giebt der Stamm deu bedeutenden oberen Kehlkopfnerven
(nl) ab, der sich in der Schleimhaut des Kehlkopfes verzweigt; etwas
hinter diesem geht der Herzast ab, der längs der Carotis verläuft
und dann mit Fäden vom Sympathicus das Herzgeflecht bildet. Von
Fig. 356.
pv
Lep. Clin. — Schematische Figur der Hirnnerven und ihrer Hauptäste. I, in der
Nasenschleimhaut verzweigte Fasern des Riechnerven; H, N. opticus; o, Augapfel;
HI, N. oculo-motorius; rs, sein oberer Ast; IV, N. patheticus; V, N. trigeminus, sein
dicker Theil und daneben der dünnere; G, Gas s er' scher Knoten; no, N. ophthal-
micus; rp, sein Augenlidast; rlc, sein Thränenast; rf, Stirnast; rac, ramus naso-
ciliaris; mx, Oberkieferast; ro, Augenhöhlenast; rsp, ramus spheiio-palatinus; rd,
r. dentalis posterior; rd', r. dent. medius; rd", r. dent. anterior; rb, r. bucci-
nator des ünterkiefernerven ; rm, r. massetericus ; rt, r. temporalis; md, r. man-
dibularis; nl, Zungenast; VI, ab, N. abducens; VII, N. facialis; na, ramus auri-
cularis; zt, r. z3'gomatico -temporalis; bis, r. bucco -labialis superior; bis, r. bucco-
labialis inferior; VIII, N. acusticus; IX, N. glosso-pharyngeus; gp, ganglion petrosum ;
rp, Gaumenast, der mit einem gleichnamigen Zweige vom ganglionartigen Plexus
anostomosirt; rl, Zungenast; X, Wurzeln des N. vagus; pv, plexus gangliformis ; nl,
r. laryngeus superior; nv, N. vagus; XI, N. accessorius; nac, sein hinterer Ast;
XII, N. hypoglossus; hl, sein Zungenast; ha, sein absteigender Ast. Das Gehirn ist
nur durch Conturen angedeutet; A, Grosshirn; B, Kleinhirn; C, verlängertes Mark;
D, Rückenmark.
diesem Punkte an wird der Verlauf auf beiden Seiten ungleich. Der
rechte Vagus legt sich an die gemeinschaftliche Carotis an , giebt in
der Höhe der Arteria subclavia den unteren oder rückläufigen
Kehlkopfnerven ab, welcher zum Kehlkopfe geht, legt sich dann an
den Schlund an , dringt mit diesem durch die Brusthöhle und in die
Säugethiere. 889
Bauchhöhle, auf welchem Wege er die Bronchen, die Lungen und die
dorsale Fläche des Magens reichlich mit Zweigen versorgt. Der linke
Vagus läuft, wie der rechte, längs der Carotis, giebt, wie dieser, einen
Kehlkopfast ab, der aber erst in der Höhe des Bogens der Aorta ab-
geht, läuft dann am Oesophagus und der Luftröhre entlang und ver-
zweigt sich auf der ventralen Fläche des Magens. Die Luftröhren- und
Magenäste des Vagus anastomosiren mit Fasern vom Sympathicus und
bilden mit diesen die sehr complicirten Lungen- und Magengeflechte.
Der G-losso-j)haryngeus (IX) entspringt am Vorderrande des
verlängerten Markes an der Grenze der Varolsbrücke mit zwei kurzen,
bald zu einem Stamme sich vereinigenden Wurzeln, der durch das
Jugularloch den Schädel verlässt. Hier bildet er das kleine Ganglion
petrosum (Fig. 356, gp), von welchem ein feiner Verbindungsast zum
Ohraste des Vagus und der N. tympanicus zum mittleren Ohre abgeht.
Vom Ganglion her setzt sich der Nervenstamm fort, läuft längs der
inneren Carotis und gabelt sich dann in zwei Theile, einen Schlund-
kopfast (Fig. 356, rj)), der sich mit dem gleichnamigen Aste des
Vagus verbindet und mit diesem die Schlundkopfmuskeln versorgt, und
einen Zun genast (r?), der sich auf den Seiten des Pharynx und der
Zungenwurzel verzweigt.
Der Hörnerv (VIII) (Fig. 352, nac) geht ebenfalls von der ven-
tralen Fläche des Vordertheiles des verlängerten Markes ab, dringt
durch den Porus acusticus in das Labyrinth und theilt sich hier in
zwei Aeste, die wir beim Hörnerven besprechen werden, den Vor hof-
nerven und den Schneckennerven.
Der Nervus facialis (VII) (Fig. 352, nf) entspringt sehr nahe
am Hörnerven und tritt mit diesem in den inneren Gehörgang ein, wo er
eine Anschwellung, das knieförmige Ganglion, bildet, von welchem
ein oberflächlicher Felsennerv abgeht. Nach Abgabe des
zum mittleren Ohre gehenden Astes, welchen man die Chorda tym-
pani genannt hat, verlässt der Stamm den Schädel durch das Foramen
stylo-mastoideum und läuft unter der Ohrspeicheldrüse nach vorn, theilt
sich aber am Mundwinkel, hinter dem M, masseter, in viele Aeste, von
welchen die einen zum Ohre gehen. Nervi auriculares profundi, anterior
et posterior (Fig. 356, na), die anderen die Muskeln des Gesichtes und
des Unterkiefers versorgen, N. zygomatico-temporalis (Fig. 356, zt),
N. hucco-lahiaJis superior et inferior (Fig. 356, 6Zs, hli).
Der Nervus ahducens (VI) (Fig. 352, nad) entspringt vom ver-
längerten Marke am Vorderende der Pyramiden , läuft nach vorn an
dem Gass er' sehen Knoten des Trigeminus vorbei, durchbohrt die harte
Hirnhaut an der hinteren Augenhöhlenspalte und vertheilt sich in dem
geraden äusseren Augenmuskel.
Der Nervus tri geminu s (V) (Fig. 352, ntr) ist der stärkste
Hirnnerv; er entspringt am Hinterrande der Varolsbrücke, nahe an
890 Wirbelthiere.
den Kleinhirusclaenkeln und theilt sich sofort in zwei ungleich starke
Stämme. Der grössere dieser Stämme, die sensitive Wurzel des Vagus,
wird aus mehreren , mit Ganglienzellen untermischten Bündeln ge-
bildet, welche den dicken, halbmondförmigen Gasser'schen Knoten
(Fig. 356, G) zusammensetzen. Dieses mächtige Ganglion liegt, von
der dura mater bedeckt, in der seichten Keilbeingrube auf der Innen-
fläche des grossen Flügels des Keilbeines und entsendet drei Nerven-
stämme, den N. ophthahnicus, maxiUaris superior und maxillaris inferior.
Der Bamus oplitlialmicus (Fig. 352, no) läuft neben dem Nervus
trochlearis nach vorn und oben durch die Augenhöhlen spalte und giebt,
in der Orbita angelangt, sofort einen Augenlidnerven ab (rp), der
zwischen dem geraden unteren Augenmuskel und der Unteraugen-
höhlendrüse hindurch sich zum unteren Augenlide begiebt. Etwas
weiter hin giebt der Stamm einen Ramics lacrymdlis (rlc) ab, der sich
in der Thränendrüse und dem oberen Augenlide verzweigt, läuft go-
dann über den Sehnerven zur vorderen Fläche des Augapfels und theilt
sich hier in einen Stirnast (rf), der die Haut der Stirn und des
oberen Augenlides versorgt und einen Ranms naso - ciliaris (rnc),
welcher an den inneren Augenwinkel Zweige sendet, die Siebbeinplatte
durchsetzt und sich in der Haut und der Schleimhaut der Nase ver-
zweigt.
Der Nervus maxillaris (Fig. 356, mx) läuft am Nasentheile des
Gaumenbeines und theilt sich in drei Aeste: a) den Bamus suhcutaneus
malae (ra), der durch den Canal des Jochbeines nach aussen tritt und
sich in der Wange verzweigt; b) den B. sidlieno-palatinus (rsp), der
nach kurzem Verlaufe das kleine, gleichnamige, dreieckige Ganglion
bildet, aus welchem feine Aeste ausstrahlen, Nervus petrosiis, naso-
palatinus und palatinus, deren Namen die Verzweigungsorte angeben,
und schliesslich c) den B. dentalis supero -posterior (rd), welcher sich
in den Alveolen der hinteren Backzähne und den Zähnen selbst ver-
zweigt.
Nach Abgabe dieser drei Aeste setzt sich der Stamm als Nervus
Siib - orbitalis fort und gabelt sich in zwei Zahnnerven, einen mitt-
leren {rd') undi einen vorderen {rd") für die Prämolaren und die
Schneidezähne.
Der Unterkiefernerv {N. nmndihularis) {Fig. 352, md) setzt sich
aus der kleinen Wurzel des Trigerainus und einem aus dem Gasser'-
schen Knoten entspringenden Stamme zusammen. Er ist der grösste
Ast des Trigeminus und theilt sich , wie der vorhergehende , in drei
Zweige: N. huccinator {rh) für die gleichnamigen Muskeln und die
Wange; N. massetericus {rni) für den grossen Kaumuskel und N.
tempor alis {rt) für den Schläfenmuskel und die Haut des Ohres.
Nach Abgabe dieser Aeste bildet das Endstück des Nerven einen
Ramus mandibularis {nid), der sich in der Haut des Kinnes, der
Säugethiere. 891
Unterlippe iiud den Zahnhöhlen des Unterkiefers verzweigt, und einen
Znngenast (nl), der die Schleimhaut der dorsalen Fläche der Zunge
versieht.
Der Nervus trochlearis oder patheticus (IV) (Fig. 352, iix))
entspringt hinter den Vierhügeln, dringt auf seinem Laufe nach vorn
und unten neben dem Augenmuskelnerveu in die Augenhöhle, und ver-
zweigt sich in dem oberen schiefen Augenmuskel.
Der Nervus oculo-motorhis (III) (Fig. o62,nom) entspringt
an den Hirnschenkeln und dringt zwischen den beiden vorderen Augen-
muskelnerven in die Augenhöhle ein. Mit Ausnahme des äusseren
geraden und des unteren schiefen Augenmuskels, die ihre eigenen
Nerven (IV und VI) haben, versorgt er alle übrigen Augenmuskeln.
Am Grunde der Augenhöhle theilt er sich in zwei Aeste, einen oberen
(rs), der sich zum geraden oberen und zum Hebemuskel des oberen
Lides begiebt, und einen unteren, welcher den geraden unteren,
geraden inneren und unteren schiefen Augenmuskel versieht. Letzterer
Ast giebt noch einige feine Fädchen zu dem kleinen Ciliar gangliou
ab, das über ihm, nahe an dem Sehnerven liegt und wesentlich dem
Sympathicus angehört. Der Ciliarknoten entsendet die äusserst feinen
Ciliarnerven.
"Wie schon beim Gehirne bemerkt wurde, entsteht der Nervus
0])ticus (II) (Fig. 352, no) aus den Sehsträngen des Zwischenhirnes.
Die Fasern der beiden Sehnerven kreuzen sieb im Chiasma (ch) und
dringen sodann in den Augapfel durch seine hintei'e Fläche ein , um
sich im Inneren zur Retina auszubreiten.
Der Nervus olfactorius (I) wird durch zahlreiche, aus den
Riechlappen (Fig. 352, lo) kommende Fasern gebildet, welche die Sieb-
beinplatte durchsetzen und sich in der Schleimhaut des Grundes der
Nasenhöhle verzweigen.
Sympathisches Nervensystem. — Es begreift die längs der
Wirbelsäule verlaufenden Grenzstränge, sowie die zahlreichen Gan-
glien und Geflechte, welche an den Eingeweiden und Gefässstämmen
entwickelt sind. Es steht vorn in Verbindung mit den Hirnnerven,
namentlich dem Vagus, und mit den Spinalnerven, die, wie schon ge-
sagt, aus ihren Ventralästen kleine Visceralzweige zur Verbindung
mit dem Sympathicus abgeben. Meist findet sich an der Vereinigung
dieser Nerven mit dem Grenzstrange ein sympathisches Ganglion,
welches zuweilen mit seinen Nachbarn derselben Seite verschmilzt und
so einen grösseren Ganglionkörper herstellt. Solche Bildungen finden
sich vorzugsweise an den Seiten des Halses , während am Thorax die
Ganglien wohl von einander getrennt bleiben. Es gilt also für das
Kaninchen das bei der Taube Gesagte : man kann am leichtesten den
Grenzstrang in der Thoraxgegend biossiegen und seine metamerische
Anordnung nachweisen.
892 Wirbelthiere.
Der Grenzstrang beginnt am Halse mit einem, am Ursprünge
der äusseren Carotis dem Ringknorpel des Kehlkopfes anliegenden
vorderen oder oberen Halsganglion, das nach vorn Zweige ent-
sendet, welche das Carotisgeflecht um die beiden Halsarterien bilden.
Von diesem Plexus ausstrahlende Fäden können bis zu den meisten
Hirnnerveu und den sympathischen Kopfganglien verfolgt werden,
namentlich zu dem mit dem Oculo-motorius verbundenen Ciliarknoten
*
und bis zum Ganglion spheno-palatinum, das mit dem Oberkieferast
des Trigeminus in Beziehung steht (man vergleiche die Beschreibung
dieser Nerven). Ein eigentlicher Grenzstrang lässt sich am Kopfe nicht
nachweisen.
Der Grenzßtrang läuft am Halse parallel mit der gemeinschaft-
lichen Carotis und dem Vagus, mit dem er durch. Fädchen verbunden ist
(Fig. 351,6?/); in der Höhe der ersten Rippe entsendet er einen starken
Ast zum Schlünde und bildet dort das hintere oder untere Hals-
ganglion, das durch zahlreiche Fäden mit dem Vagus und dem das
Armgeflecht bildenden Halsnerven verbunden ist. Auch sendet es Fäden
an die Arteria subclavia und einen Ast zu dem Herzgeflechte. Von
dem Ganglion aus läuft der Grenzstrang im Thorax, bildet dort an dem
Gelenkkopfe einer jeden Rippe ein Brustganglion, so dass der
Grenzstrang hier eine wirkliche Kette von Ganglien herstellt, die bis
zum Zwerchfelle zwölf Ganglien enthält, deren erstes dem hinteren
Halsganglion sehr genähert ist. Hinter dem Zwerchfelle setzt sich die
Kette längs der Bauchaorta, durch die Bauch- und Lendengegend bis
zu dem Kreuzbeine fort und nähert sich stets mehr den Wirbelkörpern,
auf deren ventraler Fläche sie angelagert ist. Man zählt etwa sieben
Ganglien in der Lendengegend und vier am Kreuzbeine; da die Knoten
aber sehr klein und unscheinbar sind, lassen sie sich nur schwer zählen
und ausserdem scheinen auch bedeutende individuelle Verschiedenheiten
Platz zu greifen. In der Steissgegend endet der Grenzstrang mit einem
feinen Faden, der sich mit demjenigen der anderen Seite zu einem
kleinen, terminalen unpaaren Steissganglion vereinigt.
Auf seinem ganzen Verlaufe sendet der Grenzstrang eine Menge
von Nervenfäden aus, welche bald aus den Ganglien, bald aus den
Verbindungssträngen dazwischen entstehen, sich ins Unendliche ver-
ästeln, vorzugsweise die Arterien begleiten und mit diesen in den Ge-
flechten der Eingeweide sich auflösen. Die bedeutendsten Aeste sind
die Herznerven, aus dem hinteren Halsganglion und dem ersten
Thoraxganglion; sie vereinigen sich mit den Herzästen des Vagus und
bilden Geflechte an den grossen Gefässstämmen und im Herzen. Nicht
minder bedeutend sind die Eingeweidenerven, die aus den hin-
teren Thoraxganglien entstehen, Fasern von den Zwischenrippennerven
aufnehmen, die Aorta umspinnen und mit ihr das Zwerchfell durch-
setzen, um das vor den Nebennieren gelegene Ganglion coeliacum
Säugethiere. 898
zu erreichen, hinter welchem sie sich durch einen feinen Zweig bis
zum Nierengeflechte fortsetzen.
Die einzelnen Plexus der Eingeweide stehen in so verwickelten
Beziehungen zu einander, dass man sie nicht scharf begrenzen kann.
Wir erwähnen folgende: a) der Plexus caroticus internus um-
spinnt die innere Carotis bis in den Kopf hinein; b) das Herzge-
flecht liegt zwischen der Aorta und der Lungenarterie und zeigt
ausser den schon erwähnten Aesten ein kleines , über dem Aorten-
bogen zwischen der linken Carotis und Subclavia gelegenes H e r z -
ganglion; der Plexus verbindet sich mit den beiden Lungenge-
flechten und mit den Kranz ge flechten des Herzens, welche in
die Substanz der Ventrikel eindringen; c) die Plexus coeliacus und
mesentericus, welche die gleichnamigen Arterien umspinnen; d) die
Plexus der Leber, der Milz, der Nieren und der Nebennieren; e) das
Beckengeflecht (Plexus hypogastricus), auf der äusseren Becken-
wand gelegen. Es steht mit kleineren Geflechten an den Geschlechts-
organen und dem After in Verbindung, die man Plexus vaginalis,
cleferentialis, haemorrhoidalis etc. genannt hat.
Sinnesorgane. — W^ir besprachen schon bei der Haut (S. 835)
den allgemeinen Tastsinn und die Tasthaare. Es bedarf einer beson-
deren histologischen Untersuchung, um die länglich eiförmigen Körper-
chen zu untersuchen, in welchen die Hautnerven enden. Sie gleichen
sehr den Tastkörperchen der menschlichen Haut, nur ist ihre Structur
einfacher.
Die Geschmacksorgane sind in der Mundschleimhaut, und
namentlich auf der Oberfläche und den Seiten der Zunge zerstreut,
wo sich zahlreiche Papillen finden , die man mit einer starken Lupe
untersuchen kann. Es giebt zugespitzte , federförmige und mehr ab-
gestumpfte, kegel- oder schwammförmige Papillen; zu ihrer Basis
begiebt sich ein Fädchen des Glossopharyngeus , das sich am Ende
zu einer einfachen Nervenfaser reducirt, welche in einer Gruppe
von Geschmackszellen endet, die sich besonders auf den Seiten der
Zungenwurzel bemerklich machen, wo man sie bei der Profilansicht mit
blossem Auge sehen kann. Man hat sie geblätterte Geschmacks-
wärzchen {Papulae foliatae) genannt, weil sie in der That aus einer
mehr oder minder vorspringenden Reihe von Schleimhautfältchen ge-
bildet sind, die durch parallele, tiefe und enge Spalten von einander
getrennt werden, in welchen becherförmige Häufchen von Sinneszellen
angebracht sind. Wir verweisen hinsichtlich der genaueren Unter-
suchung dieser Organe, welche verwickelte histologische Methoden
erheischt, auf die Arbeit von H. v. Wyss und Hermann (siehe
Literatur).
Die Riech Zellen sind auf der Schleimhaut der Nasenhöhle locali-
sirt, die ziemlich gross und von vorn nach hinten in die Länge gezogen
894
Wirbelthiere,
ist. Die knorpelige Scheidewand, welche die beiden Nasenhöhlen von
einander trennt, geht von dem vorderen Rande des Siebbeinkammes
aus und erstreckt sich bis zur birnförmigen Nasenöffnung, wo sie mit
dem Knorpel verschmilzt, der die Nase über die Knochen hinaus ver-
längert. Die ganze Nasenhöhle ist von der Schleimhaut überkleidet,
aber nur im Hintergrunde derselben, in der eigentlichen Riech -
gege nd, wo sie eine bräunliche Färbung besitzt, finden sich die
Sinneszellen, während die blassere vordere Gegend nur zur Athmung
in Beziehung steht.
Die knorpeligen Seitenwände der Nasenhöhle tragen Falten, welche
ihre Oberfläche bedeutend vergrössern und als hintere (Fig. 357, ep),
mittlere {cm) und vordere {ca) Nasenmuscheln bezeichnet werden;
letztere zeigen den verwickeltesten Bau. Die Muscheln theilen die
Fig. 357.
Lep. cun. — Sa'gittalschnitt der Nase (natiirl. Grösse), ca, vordere Nasenmuschel;
mn, Marsupium; om, Nasenbein; cm, mittlere Muschel; cp , hintere Muschel; oj,
Jacobson'sches Organ ; ap, Gaumenfortsatz des Oberkiefers ; c, Vorderhirn ; «m, Zwischen-
kiefer; i, Schneidezahn.
Nasenhöhle in eine Menge secundärer, unter einander communicirender
Höhlen ab und nähern sich der Scheidewand so sehr, dass hier nur
eine enge Spalte, die sogen. Riechspalte übrig bleibt. Alle diese
Verhältnisse lassen sich auf Querschnitten untersuchen.
In dem zwischen der Rinne des Gaumenbeines und dem Zwischen-
kiefer bleibenden Binnenraume liegt ein horizontal verlaufendes Knor-
pelrohr, in welches die Nasenschleimhaut sich fortsetzt. Es ist das
Jacobson'sche Organ (Fig. 357, oj). Seine Structur wurde zu-
letzt von Klein untersucht (siehe Lit.). Es erhält feine Zweige vom
Riechnerven und zeigt körnige Drüsen , die einen eiweissartigen Saft
absondern, welcher durch eine enge, vor dem Nasengaumengange ge-
legene Oeffnung in die Mundhöhle abfliesst.
Das Riechepitheliura wird von mehreren Arten von Zellen
zusammengesetzt: lange, körnige Wimperzellen mit grossen, eiförmigen
Säugethiere.
895
Kernen, runde Basalzellen und eigentliche Sinneszellen, deren Körper
durch einen eiförmigen oder runden dicken Kern aufgeschwollen er-
scheint, und die zwei varicöse Fortsätze zeigen, einen dickeren, der
freien Oberfläche der Schleimhaut zugewendeten und einen sehr feinen,
welcher sich in die Tiefe senkt und wahrscheinlich in ein Fädchen des
Riechnerven ausläuft. Diese Riechzellen gleichen sehr denjenigen des
Frosches (Fig. 247, B, C; S. 582).
Sehorgan. — Es besteht aus dem Augapfel und den zum Schutze
und zur Bewegung dienenden Nebenorganen , Muskeln , Augenlidern,
Drüsen.
Die Augen liegen seitlich, wie bei den Vögeln, in ihren Höhlen,
welche die Gestalt eines abgestutzten Kegels oder einer Pyramide haben,
Fig. 358.
pu
Lep. cun. — Das linke Auge
nach dem Leben in natürlicher
Grösse, ps^ oberes Augenlid;
pi, unteres Lid; inn, drittes
Lid (Nickhaut); ca, Thränen-
carunkel;^«, Pupille; ir, Iris,
durch die Hornhaut durch-
scheinend; sc, vSclerotica.
deren nach aussen gewendete Basis die Pupille
als Mittelpunkt hat; der Gipfel der Pyramide
entspricht dem Eintritte des Sehnerven. Man
unterscheidet vier Flächen der Augenhöhle;
die vordere, hintere, obere und untere. Letztere
ist offen, aber der Augapfel ruht hier auf der
sehnigen Orbitalhaut, die über die Al-
veolen der oberen Backzähne (Fig. 343, a>«s).
und die Unteraugenhöhlendrüse gespannt ist.
Der Augapfel ist fast kugelrund, nach
vorn vorgewölbt durch die Hornhaut, die
relativ grösser ist als beim Menschen und
deren Durchmesser demjenigen der Augenlid-
spalte gleich kommt, so dass man im Leben
bei geöffnetem Auge nur eiuen sehr kleinen
Theil (Fig. 358, sc) oder gar nichts von der weissen Augenhaut sieht.
Es unterscheidet sich vom Vogelauge durch die mehr sphärische Form,
den Mangel eines Knochenringes in der Sclerotica, den Mangel des
Kammes und die Reduction der Nickhaut, die viel von ihrer Beweglich-
keit eingebüsst hat.
Man präparirt das frische Auge unter Wasser, indem man es mit
feinen Scheeren dem Aequator oder dem Meridian nach in zwei Hälften
spaltet. Zur Erhärtung der Augen für feinere Schnitte, welche zum
Studium der Einzelheiten unentbehrlich sind, dient Eintauchen wäh-
rend mehrerer Wochen in Müller'sche Flüssigkeit oder in eine
Lösung von doppeltchromsaurem Kali. Die Herausnahme des Aug-
apfels aus der Höhle bietet keine Schwierigkeiten; man bedient sich
dazu auf das Blatt gekrümmter Scheeren, womit man die Muskeln und
den Sehnerven durchschneidet.
Die äussere der drei Augenhäute, die Sclerotica (Fig. 859, sc),
ist weiss, undurchsichtig imd aus einem dichten Filze fester Binde-
gewebsfasern gewebt. Sie steht in Continuität mit der Sehnenscheide
896
Wirbelthiere.
PIL —
hci, —
des Sehnerven , welche selbst wieder nur eine Fortsetzung der dura
mater des Gehirnes ist, enthält keinen Knorpel und erreicht ihre grösste
Dicke einerseits am Eintrittsloche des Sehnerven, anderseits im Um-
kreise der Hornhaut {co). Hier nehmen ihre Fasern eine andere Rich-
tung an, werden durchsichtig und bilden die Hornhaut. Auf der Grenze
zwischen beiden Häuten liegt ein kreisförmiger Venensinus , der
Schlemm'sche Canal {es).
Auf der Aussenfläche der Hornhaut dehnt sich eine der Haut ent-
stammende Schicht von Bindegewebe mit einem Epithelium aus und
bildet so die Conjunctiva der Hornhaut. Auf der Innenfläche ist sie
mit einer structurlosen,
durchsichtigen Haut, der
Descement' s chen
Haut, ausgekleidet. Die
Hornhaut enthält ver-
kümmerte Blutgefässe,
Lymphräume und Ner-
ven, welche sehr geeig-
nete Objecte für histo-
logische Forschungen
abgeben.
Die zweite Haut, die
Choroidea (ch), kleidet
die Innenfläche der
Sclerotica aus und ist
von dieser durch einen
Lymphraum getrennt,
der von einem Netz-
werke laxer Bindege-
websfasern durchzogen
wird. Sie besteht aus
mehreren, eher braunen
als schwarzen Pigraent-
schichten, in welchen zahlreiche Gefässe verlaufen, die in der inneren
Lage ein dichtes Capillarnetz, memhrana chorio-capülaris, bilden. Man
unterscheidet an der Choroidea zwei durch eine schmale Zone, die
sogen. Ora serrata, getrennte Theile; die hintere Hälfte ist glatt, die
vordere dagegen strahlenförmig gefaltet, und diese Falten erheben sich
gegen das vordere Ende der Choroidea hin, springen mehr vor und
bilden so die Ciliarfortsätze (pc), welche ausser vielem Pigment,
das freilich bei den weissen Kaninchen fehlt, noch glatte Muskelzellen
enthalten, die sich besonders an der Aussenfläche zur Bildung des
Ciliar muskels zusammenlegen, welcher bei der Accommodation des
Auges eine grosse Rolle spielt. Loewe (siehe Literatur) hat eine ins
Lep. Clin. — Sagittalschnitt des Auges, dreifach ver-
gvössert. Schematische Figur, co, Hornhaut; Äa,
vordere Kammer; pw, Pupille; ir, Iris; c?', Linse;
p c, Ciliarfortsätze; et-, hintere Kammer mit dem Glas-
körper; sc, Sclerotica; ch, Choroidea; re, Retina; es,
Schlemm'scher Canal; ps, oberes Augenlid; pi, un-
teres Augenlid; cc, Conjunctivalsack.
Säugethiere. 897
Einzelne gehende Beschreibung der Structur und der Function des
Accommodationsapparates im Auge des Kaninchens gegeben, auf die
wir um so mehr verweisen, als sich in dieser Arbeit auch viele An-
gaben über die Histologie der Augenhäute finden.
Die Choroidea schlägt sich vor der Linse nach innen ein, um die
braune, bei den Albinos rothe Iris zu bilden, welche in der Mitte von
der fast kreisförmigen Pupille (pm) durchbohrt wird, deren verticaler
Durchmesser indessen ein wenig grösser ist, als der horizontale. Die
der Vorderfläche der Linse anliegende innere Fläche der Iris ist mit
einer bedeutenden Pigmentschicht, der Uvea, belegt, an welcher sich
die zahlreichen Radialfalten der Iris besonders bemerklich machen.
Ausser zahlreichen Gefässnetzen, denen der Choroidea ähnlich, enthält
auch die Iris Bündel glatter Muskelfasern, die kreisförmige Anordnung
um die Pupille zeigen und einen Sphincter bilden, dessen Erweite-
rung und Verengerung mit der Intensität des in das Auge fallenden
Lichtes in Wechselwirkung steht.
Die dritte, innerste Hülle ist die Retina (re), welche die innere
Fläche der Choroidea von der Eintrittsstelle des Sehnerven bis zur
Ora serrata auskleidet. "Während des Lebens durchscheinend, trübt
sie sich sofort nach dem Tode und hat dann das Ansehen eines faltigen
Vorhanges mit purpurfarbigen Flecken , der sich sehr leicht von der
Choroidea loslöst. Man fixirt sie mit Osmiumsäure, und untersucht sie
auf Schnitten oder nach Zerfaserung. Wir verweisen hinsichtlich der
Technik auf die Handbücher der Histologie. An der Eintrittsstelle des
Sehnerven zeigt sich ein weissliches Wärzchen , von dessen Spitze die
Gefässe ausstrahlen und dessen Lage nicht ganz dem hinteren Pole
des Auges entspricht, da es etwas nach aussen und unten davon liegt.
Ein gelber Fleck fehlt durchaus.
Die Retina besteht aus Nervenelementen und bindegewebigen Stütz-
gebilden (Fig. 360, ts), die in dem vorderen Theile der Retina einzig
vorhanden sind; der hintere Abschnitt ist demnach allein empfindlich
für das Licht und dort herrschen auch die nervösen Elemente vor und
bilden mehrere Schichten, welche auf in dieser Gegend gefertigten
Schnitten einander in folgender Weise auflagern. Zuerst eine innere
Grenzmembran (li), an welcher Bündel von Bindegewebsfasern (tc)
sich ansetzen; dann die Schicht der Sehnervenfasern (/o), welche
in der Nähe des Wärzchens ziemlich dick ist, aber nach vorn allmäh-
lich abnimmt; hierauf eine Schicht multipolarer Ganglienzellen
(cw?); dann eine innere Körnerschicht (gi), das Hirngeflecht von
Ran vi er; eine Schicht uni- und bipolarer Zellen (cti); eine äussere
Körnerschicht (ge), Ranvier's Basalschicht; eine Schicht von Seh-
zellen (cv), die von der äussersten Stäbchen- und Zapfenschicht
(ch) durch eine feine äussere Grenzmembran (Je) getrennt ist. Die
Stäbchenschicht steckt nach aussen in einer Pigmentschicht, dem Tapetum
Vogt \\. Tung, vergl. prakt. Anatomie. II. gy
898
Wirbelthiere.
tS'
nigrum. Für die Einzelheiten verweisen wir auf das Handbuch der
normalen Histologie von Orth und die citirte Arbeit von Loewe
(siehe Literatur).
I>er Innenraum des Augapfels zerfällt in zwei Abtheilungen, die
vordere Augenkammer (Fig. 359, /m) zwischen der Hornhaut vorn,
der Linse und der Iris hinten, mit
wässeriger Flüssigkeit, liumor aqueus,
erfüllt, und die hintere Kammer
(c v) zwischen der Linse, den Ciliar-
fortsätzen und der Retina, welche
den gelatinösen , durchsichtigen
Glaskörper enthält, der von einer
äusserst feinen Hüllhaut umschlossen
ist; die Linse (er) istbiconvex; die
Radien ihrer beiden "Wölbungen sind
beinahe gleich, doch ist ihre Vorder-
fläche etwas stärker convex, als die
Hinterfläche. Sie besteht wesentlich
aus bandartigen Fasern, welche con-
centrische Schichten zusammen-
setzen , die gegen den Kern der
Linse hin dichter werden, als an der
Peripherie. Sie wird von einer
structurlosen Haut , der Linsen-
kapsel, eingeschlossen, die mit der
Ciliarzone {soniila Zinnii) zu-
sammenhängt, welche von der Innen-
fläche der Ciliarfortsätze ausgeht
und auf dem Aequator der Linse
mit der Kapsel verschmilzt.
Nebenorgane. — Es giebt
sieben Augenmuskeln, die sich
leicht präpariren lassen, da sie nicht
so sehr in Fett eingebettet sind,
wie bei vielen anderen Säugethieren.
Man zählt vier gerade Augenmuskeln,
zwei schiefe und einen Rückzieh-
muskel des Augapfels. Erstere ent-
springen im Grunde der Augenhöhle,
rings um den Eintritt des Sehnerven,
und strahlen gegen die äussere Halbkugel des Auges aus. Es sind
dünne, glatte Muskeln, welche sich mit breiten Sehnenblättern an die
Sclerotica ansetzen; der obere und untere gerade Muskel sind etwas
länger und setzen sich näher an der Cornea an, als der innere und
Lep. Clin. — Verticalschnitt der Eetin.i.
Vergrösserung 300 Durchm. (Nach
Orth.) li, Membrana limitans interna;
fo, Schicht der Sehnervenfasern; cm,
Schicht der multipolaren Ganglienzellen ;
gi, innere Körnerschicht; cu, Schicht
von uni- und bipolaren Ganglienzellen;
g e, äussere Körnerschicht, cv, Sehzellen-
schicht; le, M. limitans externa; cb,
Stäbchen und Zapfenschicht; ts, Stütz-
ffewebe.
Säugethiere. 899
äussere. Der obere schiefe Augenmuskel entspringt am vorderen
Rande des Sehnerveneintrittes, läuft schief nach aussen und hinten über
den vorderen geraden Muskel weg und setzt sich an die Sclerotica
etwas hinter der Sehne des geraden oberen Muskels. Der untere
schiefe Muskel entspringt an der vorderen Unterecke des Thränen-
beines, läuft nach aussen und hinten und setzt sich an die hintere
und untere Fläche des Augapfels. Der Rückzieher ist ein kleiner,
runder Muskel, der unter den geraden Muskeln im Umkreise des Seh-
nerven entspringt, und wie die geraden Miiskeln in vier Bündel aus-
strahlt, welche sich unter den Sehnenblättern der geraden Muskeln an
die Sclerotica anheften. Er zieht den Augapfel als Ganzes in den
Grund der Augenhöhle zurück.
Das obere und untere Augenlid (Fig. 358 und 359) werden
von Hautfalten gebildet, welche den Augapfel decken und durch ihre
Bewegungen die Thränenflüssigkeit ausbreiten. Ihre Aussenfläche ist
stark behaart. Indem sich die Innenschicht im Grunde umschlägt, um
die Aussenfläche des Augapfels zu überziehen , bildet sie die C o n -
junctiva mit dem geschlossenen Bindehautsack (Fig. 359, c). Die
Lidspalte wird von einem zwischen äusserer Haut und Conjunctiva
liegenden, kreisförmigen Schliessmuskel umgeben. Der Heber des
oberen und der Senker des unteren Augenlides sind seine An-
tagonisten. Die Lider zeigen keine Tarsalknorpel. Die freien Ränder
der Lidspalte sind pigmentirt und mit Wimpern besetzt. Sie ent-
halten nur eine Reihe Meibom 'scher Drüsen, welche einen schmalz-
artigen, klebrigen Stoif absondern. Die Drüsen des oberen Augenlides
sind länger, als die des unteren, welches dafür auf seiner Innenfläche
einen von Lyraphsäckchen gebildeten kleinen Längswulst zeigt (siehe
Fig. 361 , //). In beiden Ecken des Lidspaltes verbindet ein dünnes
Band die beiden Lider.
Ausser den beiden verticalen Lidern besitzt das Auge des Kanin-
chens ein drittes Lid (Fig. 358, iiin) , welches der Nickhaut der
Reptilien und Vögel und der halbmondförmigen Falte im Menschen-
auge homolog ist. Es besteht aus einem scheibenförmigen Hautfalze,
welcher eine Knorpellamelle einschliesst (Fig. 361, ca), die aber nur
zwei Di'ittel seiner Länge einnimmt. Der freie häutige Saum des
Lides ist pigmentirt und trägt kleine AVärzchen. In der Nähe findet
sich, den Nasenwinkel des Auges ausfüllend, die Thränenwarze
(caruncula lacrymälis), als wenig vorspringender Drüsenwulst.
Der Augapfel wird von drei Drüsen umgeben, die sich nach Weg-
nahme des Apfels in der Orbita präpariren lassen.
a) Die Thränendrüse (Fig 361, gl) ist länglich, viellappig mit
unregelmässigen Conturen; sie liegt in der Schläfenecke unter dem
gewölbten Dache der Augenhöhle. Ihre feinen Ausführungsgänge,
etwa drei bis fünf an der Zahl, durchsetzen die Conjunctiva des oberen
57*
900
Wirbelthiere.
Augenlides. Die Thränenfeuchtigkeit ergiesst sich über die Hornhaut
und sammelt sich in dem, in der Nasenecke des Auges in der Nähe
des Wärzchens einige Millimeter unter dem freien Rande des unteren
Lides angebrachten Thränenpunkte. Der von einem kleinen Kreis-
wulste umgebene Thränenpunkt ist die obere Mündung des Thränen-
canales, welcher horizontal nach vorn läuft und bald in den Nasen-
thräneugang übergeht. Dieser hat eine Länge von etwa 3 bis 4 cm;
er läuft schief nach vorn und unten und mündet vor der vorderen
Muschel in die Nasenhöhle, in welche
also die Thränenflüssigkeit sich er-
giesst.
b) Die Harder'sch e Drüse
(Fig. 361, gH) ist gross, gelappt,
und da sie an dem Thränenbeine
im vorderen Augenwinkel liegt, bildet
sie gewissermaassen ein Kissen für
die vordere Hälfte des Augapfels.
Sie hat eine Länge von etwa 2 cm;
ihre Oberfläche zeigt zahlreiche Spält-
chen , welche die Läppchen um-
schreiben, deren Ausführungsgänge
in einen Sammelcanal münden, der
Lep.cun. — Der Grund der linken Augen- das viel Fett enthaltende Secret auf
höhle nach Wegnahme des Auges und die Innenfläche der Nickhaut er-
Umstülpung der Augenlider, um die
Drüsen zu zeigen (natürl. Grösse), iis^
Innenfläche des oberen Augenlides; gM,
M e i b o m ' s c h e Drüsen ; 'pi, unteres
Augenlid; fl, seine Lymphfollikel ; mn,
drittes Augenlid; ca, seine Knorpel-
lamelle; gH^ Harder'sche Drüse; gl,
Thränendrüse ; gio , Unteraugendrüse ;
^r, Fett.
giesst. Wir verweisen auf die Ar-
beit von Wen dt (siehe Literatur).
c) Die Unteraugenhöhlen-
drüse (Fig. 361, gio) liegt in dem
unteren Vorderwinkel des Auges vor
und unter der Harder'schen Drüse,
von welcher sie durch die Orbital-
haut getrennt ist. Da sie zu den
Speicheldrüsen gehört, werden wir sie beim Verdauungsapparate näher
betrachten.
Hörorgan. — Es besteht aus einem inneren, mittleren und-
äusseren Ohre. Da nur das erstere Schallempfindungen aufnehmen
kann, die beiden anderen Theile aber nur Leiter der Schallwellen sind,
so kann man sie auch als Nebeuorgane betrachten.
Das äussere Ohr begreift den äusseren Gehörgang, der aus
einer knöchernen, vom Schläfenbeine gebildeten Portion (Fig. 362, ta)
und einer knorpeligen besteht, welche sich in den Knorpel der Ohr-
muschel fortsetzt. Diese findet sich nur bei den Sängethieren und
ist phylogenetisch der jüngste Theil, der zum Auffangen der Schall-
wellen dient. Die Ohrmuschel ist eine sehr grosse Duplicatur der Haut,
Säuffethiere.
901
die durch einen , wie gesagt , vom Hörgange ausgehenden Knorpel
gestützt wird, welcher gegen die Peripherie hin zusehends dünner wird.
Der untere, die eigentliche Muschel, ist trichterförmig hohl; der
äussere Theil, der Lappen (scaj^ha) , fast eben. Auf mehr als der
Hälfte seiner Länge ist der Yorderraud nach innen eingekrempt ;
weniger ist dies am Hinterrande der Fall. Diese Einkrempungen bilden
den vorderen und hinteren Helix; ersterer begrenzt nach unten die
auf der Vorderseite gelegene Muschelgrube (fossn conchae).
Beide Einkrempungen kommen nicht an dem oberen Rande der Muschel
zusammen, die von zahlreichen Muskeln bewegt wird, von welchen die
kleineren auf dem Knorpel selbst sich ansetzen, während die grösseren
von dem Kopfe ausgehen. ^Yir erwähnen unter den letzteren die
Fio-. 362.
Lep. cim. — Felsenzitzentheil des Schläfenbeines, dreifacli vergrössert. A, von aussen.
op, Os petro-mastoideum; tu, äusserer Gehörgang; öf, Blasentheil des Schlätenheines:
ain^ Zitzenfortsatz; is, Foramen stylo-mastoideum. B, von unten, et, Xebentrommel-
höhle; fm^ Muskelgrube; pr, Promontorium; fo, ovales Fenster; //•, rundes Fenster;
am. Zitzentortsatz.
Musculi scididares, welche von der Stirnhaut zum Basaltheile der
Muschel (scutulum) gehen und die Ohrmuschel heben; die Mm.
parotideo- auriculares von der Haut des Halses zum hinteren Helix,
welche die Muschel herabziehen; die Mm. maxillo-awicidares und
temporo-auriculares von der Aussenfläche des Kiefergelenkes und des
Schläfenbeines zur äusseren und inneren Fläche des vorderen Helix,
welche die Oeffnung der Ohrmuschel nach vorn drehen , während die
Mm. cervico-auricidares und occij)ito-auricul.ares die entgegengesetzte
Bewegung vermitteln. Die kleineren Muskeln unterstützen und variiren
diese Bewegungen.
Das mittlere Ohr besteht wesentlich aus der grossen, in dem
Blasentheile des Schläfenbeines ausgehöhlten Trommelhöhle (ht,
Fig. 362, A). Um sie bloss zu legen, muss man den knöchernen Gehör-
gang und das denselben schliessende Trommelfell entfernen. Mittelst
902 Wirbelthiere.
einer feinen Säge gemachte Durclischnitte dui^cli das Schläfenbein lassen
die Beziehungen zu den benachbarten Theilen deutlicher erkennen.
Die Trommelhöhle ist unregelmässig rundlich, hinten enger als vorn.
An ihrer oberen Wand sieht man eine kleine, eiförmige Einsenkung,
die Nebentrommelhöhle (Fig. 362 B, et), die zum Theil in dem
Felsenbeine ausgehöhlt ist. Ihre innere Wand zeigt zwei kleine Oeflf-
nungen: das ovale Fenster (fo), welches zum Vorhofe des Laby-
rinthes, das runde Fenster (fr), welches zur Schnecke führt; beide
sind mit Sehnenhäuten überspannt; vor ihnen findet sich eine kleine
Aufwulstung, Aa,% Promontorium {pr). Die äussere Fläche ist durch
das sehr dünne Trommelfell geschlossen, welches in einem hufeisen-
förmigen, nach oben offenen Knochenringe ausgespannt ist. Zwischen
dem Trommelfelle und dem ovalen Fenster wird eine zur Leitung der
Schallwellen geeignete Verbindung hergestellt durch eine Kette von
in einander gelenkten Knöchelchen , welche aus der Differenzirung
einiger embryonaler Kiemenbogen hervorgegangen ist.
Das erste dieser Knöchelchen, der Hammer (maJIeus), hat einen
dicken Kopf und einen durch einen engeren Hals davon ausgehenden
säbelförmigen Stiel. Die Hinterfläche des Kopfes zeigt eine Gelenk-
fläcbe zur Verbindung mit dem Amboss (incus), von dessen Körper
zwei Foi'tsätze abgehen , ein kurzer nach hinten und ein langer nach
unten, an dessen Spitze das Linsenknöchelchen liegt, welches beim
Embryo noch isolirt ist, später aber mit dem langen Fortsatze des
Ambosses verschmilzt. An das Linsenknöchelchen lenkt sich der Steig-
bügel (stajjes) , der seinen Namen mit Recht trägt, mit seiner Spitze
ein, während sein Bügelstück in die Haut des ovalen Fensters ein-
gesenkt ist.
Die Gehörknöchelchen können nur sehr beschränkte Bewegungen
ausführen, die von zwei kleinen Muskeln bewerkstelligt werden; der
Hammermuskel setzt sich an den oberen Theil des Hammerstieles,
der Steigbügelmuskel an die Hinterfläche des Kopfes des Knöchel-
chens an.
Die Trommelhöhle ist von einer dünnen Schleimhaut ausgekleidet,
deren tiefere Schicht mit dem Periost zusammenfliesst. Sie mündet
durch einen engen Canal, die Eustachi'scbe Trompete, in den
Schlundkopf. Der Canal verläuft zuerst in dem Trommeltheile des
Schläfenbeines und sodann längs des langen Halsmuskels, um den hin-
teren Abschnitt des Schlundkopfes zu erreichen.
Das innere Ohr oder häutige Labyrinth (Fig. 363 und 364)
ist eine geschlossene Blase von sehr unregelmässiger Form, deren binde-
gewebige Wandung mit Pflasterepithel ausgekleidet ist. Es liegt in
dem Felsentheile des Schläfenbeines in seiner Form entsprechenden, von
sehr festem Knochengewebe umgebenen Höhlungen, das knöcherne
Labyrinth genannt, die es aber nicht vollständig ausfüllt. Die Zwischen-
Säugethiere,
903
räume sind mit der flüssigen Perilymphe ausgefüllt, im Gegensatze
zu der Endolymphe, die sich innerhalb des häutigen Labyrinthes
befindet. Die schwierige Präparation kann nur unter der Lupe und
mit Hülfe von Osmiumsäure vorgenommen werden, welche die häutigen
Wände fixirt und festigt.
Das häutige Labyrinth zerfällt in zweiHaupttheile: denütriculus
und den Sacculus, beides kleine Säckchen, die in dem Centraltheile des
Tier, 363.
csp
Lep. CUV. — Das linke häutige Labyrinth von der seitlichen oder äusseren Fläche
gesehen (etwa zehnfach vergvössert , nach G. Eetzius). ss, oberer Sinus des Utri-
culus; sp, hinterer Sinus; ru, Recessus utriculi; aa, vordere Ampulle; ap, hintere
Ampulle; ae, äussere Ampulle; csa, vorderer Halbkreiscanal; csp, hinterer; cse,
äusserer Canal; s, Sacculus; cios, Canalis utriculo-saccularis; li, Schnecke; l, Lagena;
m&, Membrana basilaris; raa, Xerv der vorderen Ampulle; rap, Xerv der hinteren;
rae, Nerv der äusseren Ampulle; nru, Nerv des Recessus utriculi; tas, Hörfleck
des Sacculus.
knöchernen Labyrinthes, dem Vestibulum, eingeschlossen sind. Die
Aussenfläche des Vestibulum ist der Trommelhöhle zugewendet und
zeigt das ovale Fenster, die obere Fläche ist mit dem spiralförmigen
Anhange der Schnecke (Fig. 36.3, //) in Beziehung, und die hintere
setzt sich in die halbzirkelförmigen Canäle fort.
Der Utriculus hat die Gestalt einer unregelmässigen Röhre mit
mehreren Ausbuchtungen, dem oberen Sinus (ss), an der Ver-
einigungsstelle der beiden senkrechten Halbkreiscanäle; dem hinteren
904
Wirbelthiere.
Sinus (sp) an der hinteren Ampulle und dem nach oben und vorn
gewendeten Mecessus utriculi {ru).
An beiden Enden des ütriculus entstehen die drei Halbkreis-
c anale, die an ihrem Ursprünge je eine Erweiterung zeigen, die
drei AmjDullen {aa, ajo, ae). Der obere oder vordere {csa) und
der untere oder hintere Halbkreiscanal {csp) liegen in fast
Fig. 364.
Lep. Clin. — Das linke häutige Labyrinth von der inneren oder medialen Seite
gesehen (etwa zehnfach vergrössert, nach G. Retzius.) u, Ütriculus; ss, oberer
Sinus desselben; sp , hinterer Sinus; ru, Recessus utriculi; aa, vordere Ampulle;
ae, äussere Ampulle; ap , hintere Ampulle; csa^i oberer oder vorderer Halbkreis-
canal; csp, unterer oder hinterer Canal; cse, äusserer Halbkreiscanal; s, Saceulus; ce,
Ductus endolymphaticus; er, Canalis reuniens; ml), Basalmembi-an der Schnecke; tau,
Hörfleck des Ütriculus; tas, Hörfleck des Saceulus; iia, Hörnerv mit dem Schnecken-
ast r&; ra, vorderer Ast des Hörnerven; raa, Nerv der vorderen Ampulle; rap,
Nerv der hinteren Ampulle; rae, Nerv der äusseren Ampulle; nf, Nervus facialis.
verticalen Ebenen und treffen unter einem rechten Winkel zusammen;
der obere Canal ist etwas länger, als der untere. Der dritte, der
äussere Halbkreiscanal (cse), verläuft horizontal und krümmt sich
nach aussen ; er ist kürzer, als die vorigen.
Die beiden senkrecbten Canäle vereinigen sich an ihren Gipfeln,
um einen gemeinschaftlichen Canal zu bilden, der in den oberen Sinus
des ütriculus {ss) mündet. Der äussere Halbkreiscanal bleibt unab-
hängig; er hat nur eine Ampulle, die äussere (ae), und mündet mit
SäugetMere. 905
seinem anderen Ende ohne Erweiterung in den Utriculus etwas über
der Ampulle {ap) des hinteren Canales.
Der Sacculns (s) liegt in Gestalt eines unregelraässig eiförmigen
Säckchens an der inneren Fläche des Utriculus. Von ihm geht ein feiner
conischer Canal aus, Canalis endolymphaticus (ce), der nach unten uod
vorn sich in die Schnecke (?/) fortsetzt und mit ihr durch einen
kurzen Canal, Canalis reuniens Hensenii (er), verbunden ist.
Die Schnecke (li) liegt ausser und vor dem Yestibulum in einer
eigenen Knochenhöhle. Es ist eine lange, spiralförmig aufgewu^ndene
Röhre, die zwei und eine halbe Windung macht und mit einem kleinen
Blindsacke, der Lagena (l), endet. Die Axe des Organes, um welche
sich die Röhre windet, wird die Columella genannt; in ihr verläuft
der Nerv der Schnecke.
Der H ö r n e r V (na) dringt durch das innere Hörloch in das
Labyrinth ein und theilt sich sofort in zwei Aeste. Der vordere dieser
Aeste zerfällt fast unmittelbar in drei Nerven, für den Recessus tdriciili
(nru), die vordere Ampulle (raa) und die äussere Ampulle (rae). Idw
hintere Ast theilt sich ebenfalls in drei Nerven, einen für den Sacculns,
einen für die hintere Ampulle (rap) und einen sehr bedeutenden für die
Schnecke. Somit werden alle Theile des Labyrinthes von diesen Aesten
versorgt, deren zahlreiche und feine Verzweigungen bis zum inneren
Epithelium vordringen. Dieses modificirt sich wesentlich an den En-
digungsstellen; es wird dicker und springt in das innere Lumen des
Labyrinthes vor, in den Ampullen in Gestalt von Hörleisten, im
Utriculus und Sacculns in Form rundlicher Polster, welche man Hör-
flecke genannt hat. Die letzten Fäserchen des Hörnerven enden in
den modificirten Epithelialzellen, den Hörzellen, die an ihrem freien
Ende eine steife Borste tragen. Diese Hörhärchen ragen in die
Endolymphe hinein. Um die Hörflecke sammeln sich Häufchen kleiner
Krystalle aus kohlensaurem Kalk, die Otolithen. Die Endigungen des
Schneckennerven zeigen weit verwickeitere Bildungen, die man das
Corti'sche Organ genannt hat. (Hinsichtlich dieser, sowie über-
haupt für alles auf Histologie Bezügliche, verweisen wir auf das Werk
von R e t z i u s.)
Verdauungssystem. — Es besteht aus dem Darmcauale und
seinen Anhangsdrüsen.
Die Mundhöhle bildet einen langen, vorn engeren, hinten
weiteren gewölbten Gang, dessen Eingangsthor durch die Hautfalten,
welche die Kiefer bedecken, begrenzt wird. Diese Falten, in welche
die Gesichtsmuskeln eindringen, bilden vorn die für die Säugethiere
charakteristischen, bei anderen Wirbelthieren nicht vorhandenen Lippen
und zur Seite die Wangen. Durch die Bildung dieser musculösen
Hautfalten wird vor der eigentlichen, von den Kiefern begreuzten
Mundhöhle eine secundäre Höhle, der Vorhof des Mundes, her-
906 Wirbelthiere.
gestellt, welcher zwischen den Lippen und Wangen einerseits und den
Kiefern anderseits sich ausdehnt. Bei dem Kaninchen stellt die Zahn-
lücke hinter den Schneidezähnen, in welcher die Eckzähne fehlen,
eine weite Verbindung zwischen Vorhof und Mundhöhle her.
Die Oberlippe, welche die grossen, früher beschriebenen Tasthaare
trägt (S. 837), ist in der Mitte gespalten, so dass man durch diese
Hasenscharte die oberen Schneidezähne sieht (Fig. 332, a). Die
Zähne wurden früher (S. 854) behandelt. In dem Milchgebisse neu-
geborener Kaninchen finden sich nur sechzehn Zähne. Erst in der
dritten Woche nach der Geburt brechen die zwölf Backenzähne durch,
so dass das Gebiss auf die Zahl von 28 Zähnen vervollständigt wird.
Das Gewölbe der Mundhöhle, der Gaumen, wird von den Gaumen-
beinen und den Gaumenfortsätzen des Oberkiefers (Fig. 342, ph, apm)
gestützt und von einer sehr dicken Schleimhaut überzogen, welche
tiefe Querfalten (Fig. 373, j)) aufzeigt. Unmittelbar hinter den
kleinen accessorischen Schneidezähnen sieht man eine rundliche Schleim-
hautplatte, an deren Rändern jederseits der Nasengau mengang
(S tenon' scher Canal) in Gestalt einer engen Spalte mündet und so
die vordere Nasenhöhle mit der Mundhöhle in Verbindung setzt (siehe
Fig. 373, cnj)).
Der Hintergrund der Mundhöhle wird von dem Schlundkopfe
durch einen Muskelvorhang, das quere Gaumensegel geschieden,
das zahlreiche körnige Drüsen enthält. Sein freier Rand ist in der
Mitte nicht, wie bei dem Menschen und vielen anderen Säugethieren,
zu einem Zäpfchen ausgezogen, bildet aber seitlich zwei musculöse
Gewölbefalten, die Gaumenpfeiler, welche bei ihrer Contraction das
Gaumensegel herabziehen und verengern. Der vordere Pfeiler (Ärcics
palato-glossus) heftet sich an den Seiten der Zungen wurzel, der hintere
{Arcus p(.ilato-pharyngcus) an dem Schlundkopfe an. Gehoben und er-
weitert wird das Gaumensegel durch einen Hebemuskel (ili. levator veli
palatini) , der an der Unterfläche des Felsentheiles des Schläfenbeines
entspringt und durch einen Spannmuskel (Jf. tensor veli palatini),
welcher an der Aussenfläche des Flügelfortsatzes des Keilbeines sich
festsetzt. Ausser ihrer Wirkung auf das Gaumensegel, dienen auch
beide Muskeln, der ersteige zur Verengerung, der zweite zur Erweite-
rung der Eustachi' sehen Röhre des mittleren Ohres.
Zwischen den beiden Pfeilern des Gaumensegels liegen die übri-
gens sehr kleinen Mandeln {ToritiVae). Jede Mandel bildet eine seichte
Eiusenkung, deren Wände mit zahlreichen Lymphsäckchen gespickt
sind , während auf dem Grunde zahlreiche lappige Schleiradrüschen
münden. Um sie zu untersuchen, muss man feine Schnitte anfertigen.
Die Zunge ist durch eine Schleimhautfalte, das Fremihim, an
dem Boden der Mundhöhle festgeheftet. Sie wird von einer fleischigen
Masse gebildet, welche von der mit Papillen besetzten Schleimhaut
Säugethiere. 907
überzogen wird. Wir haben diese Papillen bei Gelegenheit des Ge-
schmackssinnes erwähnt (Seite 893); der hintere Theil der Zunge ist
durch eine Knorpellamelle (Fig. 373, 7 c) aufgewölbt.
Die Zungenmuskeln lassen sich in vier Gruppen zerlegen. Der
eigentliche Zungenmuskel (M. lingu(dis) steht in keiner A^erbin-
dung mit dem Skelette; er besteht aus verfilzten Längs-, Quer- und Ver-
ticalbündeln , welche sich an die Schleimhaut und das intermusculäre
Bindegewebe anheften. Der M. liyogJossus besteht aus drei Bündeln, welche
an dem Körper und den Hörnern des Zungenbeines entstehen und seitlich
in die Zunge ausstrahlen, wo sie bis in die vordere freie Hafte verfolgt
werden können; sie ziehen die Zunge in die Mundhöhle zurück. Der
M. genioglossus heftet sich in dem Kinnwinkel an der Vereinigungs-
stelle der beiden Unterkiefer an — er strahlt fächerförmig nach hinten
gegen die Rückenfläche der Zunge aus. Die beiderseitigen Muskeln sind
durch eine senkrechte Lamelle von Bindegewebe, das Z ungenseptum ,
getrennt, das sich durch die ganze Länge der Zunge erstreckt. Der
M. stylogj ossus entspringt am Griffelfortsatze des Schläfenbeines,
dringt in die Zungenwurzel ein, von wo aus seine Bündel auf der dor-
salen Fläche nach vorn bis in die Spitze der Zunge sich verfolgen
lassen.
Drüsen der Mundhöhle. — Sie sind sehr zahlreich und haben
verschiedene Functionen. Die kleinsten (Lippen-, Wangen- und Zungen-
drüsen) liegen in der Dicke der Schleimhaut selbst und sondern Schleim
ab. Die grossen, mehr differenzirten Speicheldrüsen liegen ausser-
halb der Schleimhaut, oft in ziemlicher Entfernung von ihr, und ent-
senden den von ihnen abgesonderten Speichel durch Canäle, welche
die Schleimhaut durchbohren. Zwischen diesen beiden extremen Gruppen
finden sich auch Drüsen mittlerer Grösse, welche die beiden Functionen,
Absonderung von Schleim und von Speichel, mit einander zu ver-
einigen scheinen. Zu diesen letzteren gehören: obere und untere
Munddrüsen {Glandulae buccales), kleine Drüsenhäufchen mit kurzen
Ausführungsgängen, die hinter der Schleimhaut der Wangen, zwischen
dieser und dem M. buccinator und in der Nähe der Backenzähne an
dem Rande des Unterkiefers liegen; ferner oberflächliche Man-
dibulardrüsen am äusseren Rande des Unterkiefers in der Nähe
der Schneidezähne, und endlich Intra-orbitaldrüsen im unteren
Innenwinkel der beiden Augenhöhlen (Fig. 361, gio), die wir schon
erwähnten. Diese kleinen, länglichen Drüsen haben einen eigenen,
feinen Ausführungsgang, der in der Höhe des dritten oberen Backen-
zahnes in die Mundhöhle sich öffnet.
Es giebt drei Paare von Speicheldrüsen (Fig. 332, ^). Die ziem-
lich grosse Ohrspeicheldrüse (Parotis, gjj) ist eine unregelmässig
gelappte Drüse, welche an der Basis der Ohrmuschel etwas hinter dem
Winkel der Kiefer liegt; ihr verhältnissmässig weiter Ausführungsgang,
908 Wirbeltliiere.
der Stenon'sche Gang, geht von dem oberen Lappen der Drüse
aus , schlägt sich um die Aussenfläche des Kaumuskels herum und
durchbohrt die Schleimhaut der Wange, um dem letzten oberen Backen-
zahne gegenüber zu münden. Die Unterkieferdrüse (Fig. 332, g) ist
fast eiförmig; sie liegt unter der Parotis, nach innen vom Kaumuskel
und über dem M. mylohyoideus, und verschmilzt mit der Drüse der
gegenüberstehenden Seite; ihr Ausführungscanal, der Wharton'sche
Gang, entspringt an ihrem Yorderrande und mündet, nach einem Ver-
laufe von einigen Centimetern Länge, seitlich am Frenulum der Zunge.
Die in die Länge gezogene Unter zungendrüse ruht auf dem
Boden der Mundhöhle; ihre zahlreichen Ausführungsgänge vereinigen
sich meist in einen gemeinschaftlichen Canal, den Bartholin'schen
Gang, der unter der Zunge mündet. (Ueber die physiologischen
Functionen der Speicheldrüsen Näheres bei Krause; siehe Literatur).
Der Schlundkopf (Fig. 333, 373 ph) vermittelt den Uebergang
der Mundhöhle zur Speiseröhre. Seine untere Fläche geht in den
Kehlkopf über, von welchem er durch die Epiglottis (Fig. 373, Cjj)
geschieden ist; das Gaumensegel scheidet ihn von der Nasenhöhle;
seine Rückenwand (fornix) liegt der Schädelbasis an. Er hat die
Gestalt eines mit dem dünneren Ende in den Schlund übergehenden
Trichters und ist von Muskelbündeln umgeben, die ihn verengern
(31. constrictor pliaryngis) oder erweitern (ilf. stylo-pliaryngcus) können.
Der Schlund (Fig. 338, ocs) besteht aus einer langen, zwischen
der Wirbelsäule und der Luftröhre vom Schlundkopfe bis zum Magen
verlaufenden Röhre, welche das Zwerchfell durchbohrt und beim Ein-
tritte in den Magen sich trichterförmig erweitert. Seine ziemlich
dünnen Wände enthalten Schichten von Längs- und Quermuskelfasern;
die schwach längs gefaltete Schleimhaut zeigt viele traubige Drüsen,
welche Schleim absondern , der das Hinabgleiten der Nahrungsmittel
erleichtert.
Der Magen (Fig. 333, e) ist ein weiter und langer, sehr aus-
dehnbarer Quersack, der fast stets von Nahrung erfüllt ist, da das
Kaninchen so zu sagen beständig frisst. Seine grosse Axe ist quer
gerichtet, der Pylorustheil ragt weiter nach vorn, als der Cardialtheil.
Er besitzt eine kleinere vordere und eine grössere hintere Krümmung
(Fig. 365, pc und gc); eine leichte Einschnürung der letzteren (s /)
bildet die Trennungslinie des links gelegenen Cardialtheiles und des
rechts liegenden Pylorustheiles, Links von der Cardia bildet eine nach
vorn gerichtete Aufwulstuug der grossen Curvatur den sogenannten
grossen y^nlsi {Fundus, gt); eine weniger bemerkliche Auftreibung am
Pylorustheile wird der kleine Wulst (Antrum, pt) genannt. Uebri-
gens variirt die Gestalt des Magens je nach dem Grade seiner Füllung
bedeutend; namentlich giebt der Cardialtheil, welcher weit schwächere
Muskelwände besitzt, dem Drucke der darin aufgehäuften Nahrungsstoffe
Säuofethiere.
909
viel mehr nach als der Pylorustheil. Die Muskelhaut besteht wesentlich
aus Längsfasern, die nur längs der Curvaturen zusammenhalten, aber
auf den Wänden sich zerstreuen und vereinzelt verlaufen und aus
Querfasern, welche an der Cardia und dem Pförtner dicke Ringschichten
bilden. An der Uebergangsstelle des Pförtners in den Dünndarm
bildet diese Riflgmuskelschicht nach innen einen kreisförmigen Yor-
sprung, die Pförtnerklappe. Die Schleimhaut des Magens ist sehr
dick, unregelmässig gefaltet und auf ihrer ganzen Ausdehnung mit
röhrigen Drüsen gespickt, deren Zellen aber im Cardialtheile eine
dUy
Fig. 365
P^-
Lep. cun. — Der Magen in natürlicher Grösse, Ton der Ventralfläche aus gesehen.
oes, Schlund; ca, Cardia; gc, grosse Curvatur; pc, kleine Curvatur; gt, grosser
Wulst; pt, kleiner Wulst; rc, Cardialtheil ; rp, Pylorustheil; si, Furche zwischen
beiden Theilen; py, Pylorus; du, Duodenum.
andere Structur zeigen, als im Pylorustheile (Einzelheiten bei Ebstein,
siehe Literatur). Faltenblätter deS Bauchfelles heften den Magen an
die Wirbelsäule und das Zwerchfell (Mesogastrium) , an die Leber, die
Milz und den Dünndarm {Ligamenta gastro -hepaticum , gastro-lienale,
gastro-intestinale). Häufig sind diese Bänder, sowie überhaupt das Ge-
kröse, mit Blasen eines Bandwurmes, des Cysticercus pisiformis, besetzt.
Vom Pylorus an wird das Darmrohr enger und bildet den Dünn-
darm, der etwa zehn- bis elfmal länger ist als der Körper, und somit
eine Menge zusammengelegter Darmschlingen bildet, welche durch
Faltenblätter des Bauchfelles, durch das Gekröse verbunden werden,
in welchem die Blut- und Lymphgefässe verlaufen. Alle diese Gekrös-
falten sind an der dorsalen Wand der Bauchhöhle aufgehängt und
überziehen den Darm selbst, dessen äusserste, sogenannte seröse Wand-
schicht sie bilden. Nach innen von dieser Schicht findet sich die Muskel-
910 Wirbelthiere.
haut, aussen von Längsfasern, innen von Querfasern zusammengesetzt,
dann eine Schicht von ßindegewebe und endlich die Schleimhaut,
welche eine Unzahl von bald vereinzelten, bald zu Gruppen vereinigten
(Peyer'schen Drüsen) Lymphfollikeln und ausserdem noch verschiedene
traubenförmige Drüsen enthält, welche den Darmsaft absondern. Man
untersucht dieselben auf feinen Schnitten, welche durch vorher mit
Osmiurasäure, Pikrinsäure, Alkohol fixirte Darmstückchen gelegt wer-
den und sehr schöne Präparate liefern.
Nach Untersuchung des Darmes in seiner Lagerung entrollt man
ihn auf einem Brettchen, indem man ihn von dem Gekröse abtrennt.
Seine vordere Abtheilung, das Duodenum (Fig. 367, du)^ bildet eine
enge, U- förmige Schlinge, deren Convexität nach hinten gerichtet
ist; die vei-hältnissmässig dicken Wände dieses Theiles werden von
dem Gallengange und dem Bauchspeichelgange durchsetzt, deren Mün-
dungen weit von einander abstehen. Mit Ausnahme dieser Mündungen
und unwesentlicher Verschiedenheiten in der histologischen Structur
der Schleimhaut lassen sich keine besonderen Abschnitte in der ganzen
Länge des Dünndarmes nachweisen , so dass die in der menschlichen
Anatomie gebräuchlichen Unterscheidungen eines Duodenum, Jejunum
uud Ileum hier keine Anwendung finden.
Der mittlere Abschnitt des Dünndarmes ist häufig durch Gas-
ansammlungen ausgedehnt, welche die Dünne und Durchsichtigkeit der
Wände anschaulich machen. Gegen sein Ende hin werden die Wände
bedeutend dicker und bilden hier eine rundliche Auftreibung, den Sac-
culus r ottin dus (Fig. 336, sr), hart an dem Uebergange in den
Dickdarm , an dessen Mündung eine klappenartige Falte vorspringt,
die Valvula ileo-coecalis.
Der Dickdarm zeichnet sich durch die enorme Entwicklung des
Blinddarmes (Fig. 332, z und 366, coe) aus, der auf der rechten
Seite seines Anfanges liegt und bis zu der grossen Curvatur des Magens
nach vorn sich erstreckt. Er enthält stets dicke Kothmassen, und da
seine dünnen Wände leicht zerreissen, muss man bei seiner Präparation
sehr vorsichtig zu Werke gehen. Die Schleimhaut des Anfangstheiles
des Blinddarmes ist glatt; auf der Aussenseite sieht man spiralige
Rinnen {si) in gleichen Abständen, die gegen die Mitte der Länge hin
an Tiefe zunehmen, dann aber allmählich sich verflachen, so dass sie
iin letzten Viertel verschwinden, während zugleich der Blinddarm enger
und seine Wände dicker werden. Schliesslich endet der Blinddarm mit
einem fleischigen, einem Handschuhfinger ähnlichen Anhange, dem
Wurmfortsatze.
Der Dickdarm (Fig. 332, y) zeigt eine besondere Bildung seiner
Muskelschicht, die sich von dem Ursprünge des Blinddarmes an zu
drei Längsbändern (Taeniae coli, Fig. 366, tc) gruppirt, zwischen
welchen die Querfasern in der Weise vorspringen, dass dadurch Quer-
Säugethiere. 911
falten (Fig. 366, rs) gebildet werden, die eine Reihe kleiner, buckeliger
Säcke von einander scheiden. Diese Bildung verschwindet allmählich
gegen das Ende des Dickdarmes hin, so dass dieser ohne scharfe Grenze
in den Afterdarm übergeht, dessen Schleimhaut, wie diejenige des
Dünndarmes, Längsfalten zeigt und der stets runde Kothballen ent-
hält, welche ihm das Ansehen eines Rosenkranzes geben.
Der Endtheil des Afterdarmes (Fig. 370, r) läuft auf der dor-
salen Seite der Harnblase und der Geschlechtscanäle, mit welchen er
durch Bindegewebe verbunden ist, zum After, in dessen Umkreise die
Fig. 366.
Lep. cun. — Das Ende des Dünndarmes und der Anfang des Dickdarmes in natür-
licher Grösse, ig, Ende des Dünndarmes; sr, Sacculus rotundus; ic, Stelle der
Ileo-coecal-Klappe; coe, Anfang des Blinddarmes; si, seine Spiralfurclien ; co, Dick-
darm; tc, Taeniae coli; rs, sigmoidale Falten.
quere Muskelschicht eine bedeutende Mächtigkeit gewinnt, und so den
inneren Schliessmuskel des Afters bildet, der mit Beihülfe des
äusseren, von der Haut abhängigen Sphincters, den Schluss der After-
öflfnung bewerkstelligt. (Wir behandeln die Afterdrüsen bei Gelegen-
heit der Geschlechtsorgane.)
Anhangsdrüsen des Darmes. Leberund Bauchspeicheldrüse
sind ursprünglich Ausstülpungen der Darmwand, die sich canalartig
verzweigen und durch Proliferation ihres Epitheliums das Drüsen-
gewebe bilden. Je mehr sich dieses diflferenzirt, desto mehr entfernen
sie sich von dem Darme, mit welchem sie schliesslich nur durch ihre
Ausführungsgänge in Verbindung stehen.
Die Leber (Fig. 332, r) ist eine grosse Drüse von dunkelbraun-
rother Farbe , welche mit ihrer hinteren eingebogenen Fläche den
912
Wirbelthiere.
Fig. 367.
Idv
Säugetliiere. 913
Magen umscliliesst , während ihre convexe Vorderfläche sich an das
Zwerchfell eng anlegt. Der dorsale Rand ist abgerundet, der ventrale
zugeschärft. Sie hängt mit dem Zwerchfelle durch eine sagittale Falte
des Bauchfelles, das Ligamentum Suspensorium Jiepatis^ zusammen. Tiefe
Einschnitte trennen die Leber in Lappen und Läppchen ; letztere sind
nur auf der gegen den Darm gerichteten Hinterfläche sichtbar; sie
zeigen von einem Individuum zum anderen grosse Verschiedenheiten
in ihrer Ausbildung. Man unterscheidet zwei grosse Hauptlappen,
einen rechten und einen linken, die durch einen tiefen Ausschnitt ge-
trennt sind. Jeder dieser Lappen zerfällt wieder in zwei secundäre
Lappen , einen ventralen und einen dorsalen. Der rechte ventrale
Nebenlappen trägt in einer Querfurche die Gallenblase (Fig. 367, t' 6) ;
an dem Rande des rechten dorsalen Nebenlappens legt sich in eine
ähnliche Einsenkung die rechte Niere ein. Ein grosses Blutgefäss, die
untere Hohlvene (vci), verläuft in dem Einschnitte zwischen dem rechten
und linken Leberlappen und nimmt hier die aus der Drüse herkommen-
den Lebervenen auf. Die durch die Einlagerung der Gallenblase be-
dingte Einsenkung erzeugt auf der Rückenfläche einige Abschnitte,
welche man als Dependenzen des rechten Lappens betrachten kann.
Sie heissen der viereckige und der Spiegel'sche Lappen. Der vier-
eckige Lappen (Fig. 367, 7e) hat eine unregelmässige Gestalt; erliegt
ventralwärts unter der Gallenblase und ist mit dem linken ventx'alen
Läppchen durch eine Substanzbrücke verbunden. Der ebenfalls sehr un-
regelmässig gestaltete Spiegel'sche Lappen (?s) liegt dorsalwärts und
ist mit dem rechten dorsalen Läppchen verbunden; zwischen diesen beiden
Lappen geht die Hohlvene durch. Dorsalwärts zeigt der Spiegel'sche
Lappen einen zungenförmigen Vorsprung, das Tuberculum papilläre {tp).
Die Lebersubstanz setzt sich aus einer Menge polyedrischer Drüsen-
läppchen zusammen, die durch interstitielles Bindegewebe, worin die
Capillaren verlaufen , zu einem Ganzen verbunden sind. Diese Läpp-
chen werden von den Leberzellen gebildet, deren Absonderung, die
Galle, durch Gallencanälchen in Sammelgänge {ch) übergeführt
wird, die aus der Leber austreten und zum Theile (zwei oder drei) in
den Blasen gang {Ductus hepatico - cysticus) oder in den gemeinsamen
Lebergang (Ductus hepaticus, ch) einmünden.
Fig. 367. — Lep. cun. — Die Anhangsdrüsen des Darmes eines jungen Thieres in
natürlicher Grösse. Die Leber ist nach vorn zurückgeschlagen, so dass man ihre
hintere Fläche und ihre Lappen sehen kann. Igv, linker Ventrallappen; Igd, linker
Dorsallappen; Idv, rechter Ventrallappen; Idd, rechter Dorsallappen; Ic, viereckiger
Lappen; Is, Spiegel' scher Lappen; tp , Tuberculum papilläre; vb, Gallenblase in
ihrer Grube fa liegend; cc, Blasengang; ch, gemeinsamer Lebergang; cc/t, Canalis
choledochus; och, seine Mündung in das Duodenum; pa, Pankreas; Im, Mesenterial-
falte; c j9 , Bauchspeichelgang; ocj), seine Oeffnung in die aufsteigende Schlinge des
Duodenums; es, Magen; py, Pylorus; Ihd, Ligamentum hepatico -duodenale; du,
Duodenum (seine Umbiegungsschlinge -ist abgeschnitten); vci, untere Hohlvene.
Vogt u. Yimg, prakt. vergl. Anatomie. H. 5g
914 Wirbelthiere.
Die Gallenblase hat die Gestalt eiuer in die Länge gezogenen
Birne; ihr Hals verlängert sich in einen dünnen Canal, den Blasen-
gang (es), der sich nait dem Lebergauge vereinigt, um den gemein-
samen Gallengang (Ductus choledochus, cch) zu bilden, welcher in
einer Peritonealfalte, dem Ligamentum hejjatico-duodenale, zum Duodenum
verläuft, um dort in der Nähe der Pförtnerklappe einzumünden.
Das Volumen der Gallenblase und der Durchmesser der Canäle
variiren sehr, je nach den Individuen. Bei jungen Thieren ist die
Gallenblase oft so klein, dass sie ganz in der Einsenkung verborgen
und der Blasengang kaum sichtbar ist.
Die Bauchspeicheldrüse (Fig. 367, JJ«) ist eine platte, sehr
verlängerte Traubendrüse mit zerstreuten Drüsenläppchen. Sie breitet
sich in der Gekröslamelle aus (Im), welche die beiden Schenkel der
Schlinge des Duodenums zusammenhält; man erkennt sie leicht an
ihrer losen traubigen Form. Die einzelnen weissen oder leicht rosig
gefärbten Läppchen lassen sich deutlich erkennen, wenn man die sie
enthaltende Gekröslamelle unter Wasser ausbreitet. Jedes Läppchen
hat einen feinen Ausführungsgang, der sich mit den benachbarten
Gängen verbindet, um Sammelcanäle herzustellen, welche sich schliess-
lich zu einem einzigen Canale, dem Bauchspeichelgange oder Wir-
sung'schen Gange (cp), vereinigen, der in einer Entfernung von
etwa 30 bis 40 cm von dem Gallengange in den Schenkel der Duodenal-
schlinge mündet. Diese Anordnung ist für das Kaninchen eigenthümlich.
Hinsichtlich der histologischen Eigenthümlichkeiten der Läppchen
und der absondernden Drüsenzellen des Pankreas verweisen wir auf
die Abhandlung von Lange rh ans (siehe Literatur). /
Athemorgane. — Wir kommen nicht auf das früher (S. 894)
über die Nasenhöhlen Gesagte zurück, welche den Vorhof und Zufuhr-
canal der eigentlichen Athemorgane bilden, die aus dem Kehlkopfe, der
Luftröhre und den Lungen bestehen. Diese sind, wie die Nebendrüsen,
ursprünglich Dependenzen der vorderen Abtheilung des Urdarmes.
Ihre erste Anlage wird von einer Verdickung der ventralen Wand des
Schlundes gebildet (siehe die Lehrbücher der Entwicklungsgeschichte
von Oscar Hertwig und Kölliker).
Der Kehlkopf (Fig. 368) bildet einen etwa 1 cm langen Trichter,
der im Hintergrunde des Schlundkopfes auf der ventralen Fläche liegt.
Er wird wesentlich von Knorpelplatten gebildet, die durch Bänder
und besondere Muskeln verbunden sind, und führt unmittelbar in die
Luftröhre.
Der Schildknorpel (CartUago tJii/roidea, Fig. 368, et) ist ein
dorsal wärts geöffneter Ring, der aus zwei seitlichen liam eilen gebildet
ist, welche unter einem spitzen Winkel in der ventralen Mittellinie
zusammentreffen und eine vorspringende Kante, den Adamsapfel
Säugethiere. 915
(Protuberantia laryngea), herstellen. Beide Lamellen verlängern sich
in zwei obere, nach vorn gerichtete (es) und zwei unterere, kürzere
und nach hinten gerichtete {ci) Hörner, die an dem oberen Rande des
Ringknorpels (CarWago crkoidea) eingelenkt sind. Letzterer bildet
einen geschlossenen, ventralwärts schmalen, dorsalwärts stark ver-
breiterten Ring. Am Vorderrande der dorsalen Platte zeigen sich zwei
kleine Gelenkflächen, in welchen die unregelmässig dreieckigen Giess-
kannenknorpel (Cartilagmes anßenoideae, cä) eingelenkt sind, welche
aussen eine vorragende Muskelleiste zeigen. An ihrer Spitze liegen
die kleinen, hakenförmig gekrümmten Santorini'schen Knorpel-
chen. Endlich finden sich noch zwischen den Giesskannenknorpeln
und der Epiglottis zwei winzige, mit dem Stimmdeckel durch Binde-
Fig. 368.
A B
.,e.p
\l
M/'
3
itl
r^
er..
l'M
-^J--^^
r
d, —
-Ä^
WJ
,.&>
1
cua
1
M-trm.
r
1
m-^
Lep. Clin. — Der Kehlkopf, A die ventrale, B die dorsale Fläche. e_/j, Epiglottis;
gl, Stimmritze; et, Schildknorpel; es, seine oberen Hörner; ci, seine unteren Hörner;
er, Ringknorpel; ca, Giesskannenknorpel; Ic, Ligamentum crico-thyroideum ; tr, Luft-
röhre; ac, ihre Knorpelringe; trm, Quermembran; li, Zwischenbänder der Ringe.
gewebe verbundene Knorpelchen, die keilförmigen oder Wrisberg'-
schen Knorpel.
Der Kehldeckel oder die Epiglottis (Fig. 368, ep) besteht aus
einer verhältnissmässig grossen, aufrecht vor dem Schildknorpel auf-
gestellten Knorpellamelle, deren Innenfläche ausgekehlt ist, während
ihr Hinterrand zwei kleine, nach hinten und unten vorspringende
Hakenfortsätze (HumuJi ejnglottici) trägt.
Die Bänder, welche die einzelnen Kehlkopfknorpel mit einander
verbinden, werden nach diesen benannt; die stärksten sind die Liga-
menta crico-thyroiclea (Ic) und die Ligamenta thyro-hyoidea, welche den
Schildknorpel an das Zungenbein befestigen. In gleicher Weise werden
die zahlreichen, auf der inneren, wie auf der äusseren Fläche des Kehl-
kopfes entwickelten Muskelbündel benannt, von welchen die einen den
Kehlkopf erweitern, die anderen aber ihn verengern.
58*
916 Wirbelthiere.
Die Luftröhre (Fig. 332, Ä;; Fig. 333 und Fig. 368, tr) ist ein
langes, nach hinten sich ein wenig verjüngendes, cylindrisches Rohr,
das parallel mit dem langen Halsmuskel zwischen dem Schlünde und
den ventralwärts angebrachten M. sterno-hyoideus und M. sterno-
tJiyroiäeus dem Halse entlang läuft. Loses Bindegewebe heftet die aus
etwa fünfzig , auf der Rückenfläche unterbrochenen Knorpelringen
(Fig. 368, ac) zusammengesetzte Luftröhre an die ventrale Wand des
Schlundes. Die freien Enden der Knorpelringe sind durch glatte Quer-
muskelbündel zusammengeheftet und die ganze ünterbrechungszone
von einer Bindehaut (Membrana transversa, trm) bedeckt. Diese Bil-
dung ermöglicht eine gewisse Ausdehnungsfähigkeit der Luftröhre,
sowie einiges Ausweichen beim Durchgange grosser Bissen durch den
Schlund. Um die Präparation einzuleiten, blasen wir die Luftröhre
und Lungen mittelst einer eingeführten dicken Glasröhre auf. Die
Knorpelringe sind durch Bindehäute, Ligamenta interannularia (li),
mit einander verbunden. Die Innenwand ist von Schleimhaut aus-
gekleidet. In der Brusthöhle angelangt, theilt sich die Luftröhre in
zwei Bronchen, für jede Lunge einen, welche sich in dem Lungen-
gewebe weiter verästeln.
Bei der Präparation stösst man auf die Schilddrüse {Glandula
tliyroiäea — Fig. 332, ^'; Fig. 373, gl), die wir deshalb hier erwähnen,
weil sie, wie die Luftröhre selbst, sich aus dem Urdarme hervorbildet.
Sie besteht aus zwei platten, länglichen Seitenlappen, die in der Mitte
durch eine Brücke (Isthmus) mit einander verbunden werden; ihre
braunrothe Farbe lässt sie leicht von der helleren Luftröhre unter-
scheiden. Sie hat keine Ausführungsgänge, ebenso wenig wie die
Milchnerdrüse {Grl. thynius) , die bei jungen Thieren bedeutend isj;,
mit zunehmendem Alter aber mehr und mehr schwindet bis zu gänzlicher
Verkümmerung. Sie hat zwei unregelmässige seitliche Lappen, von
welchen der linke stets voluminöser ist als der rechte, und liegt nahe
an der Theilungsstelle der Luftröhre in der Umgebung der grossen,
aus dem Herzen austretenden Gefässe, an welche sie durch loses Binde-
gewebe geheftet ist.
Die verhältnissmässig kleinen Lungen (Fig. 332, l; Fig. 373, p)
bilden zwei weiche und ausdehnbare, in der Brusthöhle gelegene Säcke
aus schwammigem Gewebe. Die rechte, grössere Lunge ist in drei
hinter einander gelegene Lappen getheilt; der hintere Lappen ausser-
dem noch durch eine Einfaltung in einen äusseren und inneren Lappen
geschieden. Die linke, kleinere Lunge besteht aus nur zwei hinter
einander gelagerten Lappen. Alle diese Lappen sind durch tiefe Ein-
schnitte getrennt und zeigen abgerundete Dorsalränder, während ihre
ventralen Ränder zugeschärft sind. Ihre Aussenfläche wird von der
glatten, serösen Pleura gebildet, welche eine senkrechte Scheidewand
herstellt, die von der Wirbelsäule zum Brustbeine geht und das Medi-
Säugethiere. 917
astinum bildet. Die Gipfel der Lungen finden sich an der Eintritts-
stelle der Bronchen; ihre breitere Basis stösst an das Zwerchfell an,
mit dem sie, wie mit der Wirbelsäule, durch Falten der Pleura, Liga-
menta pulmonum, verbunden sind.
Die sonst durchaus getrennten Lungen sind an ihren Gipfeln durch
die Gabelung der Bronchen mit einander verbunden. Jeder Bronchus
vertheilt sich sofort nach seinem Eintritte in mehrere asymmetrische
Aeste. Der rechte Bronchus giebfc einen vorderen Zweig ab, der vor
der rechten Lungenarterie verläuft und sich in dem vorderen Lappen
der rechten Lunge verzweigt; der hintere Ast theilt sich nach kurzem
Verlaufe in mehrere Aeste, welche hinter der Lungenarterie verlaufen
und sich in dem mittleren und hinteren Lungenlappen vertheilen. Da
die Vertheilung das Bild eines Baumes giebt, so sagt man, dass der
Bronchialbaum der rechten Lunge einen eparteriellen und einige hypar-
terielle Aeste habe. Der eparterielle Ast fehlt in der linken Lunge ;
der Bronchus theilt sich hier sofort in zwei hyparterielle Aeste für den
vorderen und hinteren Lappen, die sonach dem mittleren und hinteren
Lappen der rechten Lunge entsprechen. Die Bronchen verzweigen sich
meist dichotomisch und unter spitzen Winkeln bis zu Endzweigen
(BroncMoli), welche in die zahlreichen Läppchen der Lungenmasse ein-
dringen; sie bilden an ihrem Ende Ausbuchtungen, die Alveolen,
setzen sich aber als Alveolargänge weiter fort und enden schliesslich
mit kleinen Bläschen, den Lungenbläschen. Die grossen Bronchen
und ihre Hauptäste besitzen noch Knorpelringe und glatte Muskelfasern,
wie die Luftröhre; erstere schwinden aber nach und nach bei der Ver-
ästelung, und in den Bronchiolen findet sich keine Spur mehr davon.
Die Wände dieser Endzweige bestehen nur noch aus einer dünnen
Bindegewebeschicht, welche innen mit einem Flimmerepithelium aus-
gekleidet ist und sehr dünne, glatte Muskelfasern enthält. Ein äusserst
engmaschiges Netz von Capillaren umspinnt die Alveolen und die
Endbläschen. Da die Wände dieser Haargefässe und das Epithelium
der Endbildungen äusserst dünn sind, so wird der osmotische Aus-
tausch der Gase zwischen dem Blute und der in den Bronchialzweigen
befindlichen Luft sehr befördert, um so mehr, als die respiratorische
Gesammtoberfläche in Folge der Unzahl von Endzweigen, Alveolen
und Endbläschen eine ausserordentliche Ausdehnung besitzt.
Harnorgane. — Die Nieren (Fig. 369, 370) liegen , auf der
Rückenseite der Bauchhöhle jederseits hart an dem Lendenwirbel ausser-
halb des Bauchfelles, das nur ihre ventrale Fläche überzieht. Um sie
blosszulegen , muss man den Darm entfernen. Es sind zwei bohnen-
förmige Körper, die an ihrem inneren Bande einen Ausschnitt, den
Hylus, zeigen, von welchem der Harnleiter ausgeht (Fig. 370, ur) und
in welchem die Blutgefässe der Niere ein- und austreten, Arterien (ar)
und Venen (vr). Bei dem Kaninchen zeigen die Nieren eine glatte,
918
Wirbelthiere.
Fiff. 369.
eZ,..
gleichförmige Oberfläche ohne Lappeneinschnitte; sie sind von einer
faserigen Nierenkapsel umhüllt, die sich in dem Hylus nach innen ein-
schlägt und eine Ausbuchtung des Parenchyms, das Nierenbecken, aus-
kleidet (Fig. 369 , 6 r). Bei alten Thieren besonders enthält das die
Nieren umhüllende Bindegewebe oft sehr viel Fett. Die rechte Niere
liegt etwas weiter nach vorn als die linke, so dass die Nierengefässe
rechterseits in schräger Richtung von hinten nach vorn, linkerseits von
vorn nach hinten verlaufen.
Das Parenchym der Niere ist ziemlich fest; es besteht wesentlich
aus Harncanälchen, die durch knappes interstitielles Bindegewebe
zusammengehalten sind. Die
Anordnung der Harncanälchen
ist in der Rindenschicht
(Fig. 369, cc) des Organes
sehr verschieden von der-
jenigen in der Marksub-
stanz (cjw), so dass man diese
beiden Schichten sehr gut auf
einem Flächenschnitte, welcher
die Niere in zwei Hälften theilt,
unterscheiden kann. In der
Rindenschicht haben die Canäl-
chen einen gewundenen, in
der Marksubstanz einen mehr
gerade gestreckten Verlauf.
Die Harncanälchen sind in
der Marksubstanz derart zu-
sammengestellt, dass sie wenig
geschiedene Bündel in Gestalt
von Kegeln oder Pyramiden
bilden (Malpighi'sche Pyra-
miden), deren Gipfel gegen
den Hylus hin convergiren und in einer von mehreren kleinen OefF-
nungen durchbohrten Papille (p) enden, welche in dem durch die
Ausweitung des Harnleiters (^tr) gebildeten Nierenbecken (&) vor-
springt. Die Grenze der Pyramiden werden durch leere Lücken (eü)
deutlich gemacht, die in der Peripherie der Marksubstanz sich zeigen.
Hinsichtlich der histologischen Structur der Niere verweisen wir
auf die betreffenden Handbücher; man muss zu dieser Untersuchung
besondere Methoden und auch die Injection der Blutgefässe zu Hülfe
nehmen. Die Harncanälchen beginnen, wie beim Menschen, mit einem
in der Rindensubstanz gelegenen Bläschen, der Bowman'schen Kapsel,
die einen Gefässknäuel, den Malpighi'schen Glomerulus, einschliesst.
Von hier aus verlaufen die vielfach geschlängelten Canälchen gegen
icjj. Clin. — Längsschnitt der Niere, doppelt
vergrössert. c c , Rindenschicht ; cm, Kern-
masse, von den strahlenförmig geordneten Harn-
canälen gebildet; eJ, Lückenräume zwischen
den Pyramiden; ip, Papille mit Oeffnungen der
Harncanäle; &, Nierenbecken; ttr, Harnleiter;
sr, Hylus der Niere.
Säugetlnere. 919
die Marksubstanz hin, in welcher sie sich bedeutend verengern. Nach-
dem sie mehr oder minder tief in die Pyramiden eingedrungen sind,
biegen sie in scharfer Windung gegen die Rindensubstanz hin um, so die
Henle'schen Schiingen bildend, und vereinigen sich dann mit benach-
barten Canälchen zu Sammelcanälchen, welche mit anderen zusammen-
fliessen und so die mächtigen Papillarcanäle bilden, die auf dem
Gipfel des Pyramidenwärzchens münden und dort den Urin in das
Nierenbecken ergiessen. Sämmtliche Canäle sind von einer structur-
losen Haut gebildet und mit einem, in den einzelnen Abschnitten
verschieden gestalteten Epithelium ausgekleidet. Ausser diesen Harn-
canälen enthält die Niere zahlreiche Blutgefässe. Die der Aorta ent-
stammende Nierenarterie tlieilt sich in viele Zweige, welche an der
Grenze zwischen Rindenschicht und Marksubstanz sich in complicirte
Capillarnetze auflösen. Viele dieser Zweige gehen zur Peripherie und
bilden hier die erwähnten Gefässknäuel, die nur Wundernetze sind,
indem die kleine Arterie wieder als solche aus der Bowman'schen
Kapsel austritt und dann Capillarnetze um den Anfang der Harncanäl-
chen bildet, aus welchen erst die Venen hervorgehen, welche sich nach
und nach in der grossen Nierenvene sammeln.
Der Harnleiter (Fig. 367, 370, ur) beginnt mit dem Nieren-
becken, das nur eine trichterförmige Erweiterung seines Anfanges
ist, und setzt sich in Gestalt eines engen, weisslichen Canales längs
des Psoasmuskels nach hinten fort. Bei dem Männchen kreuzt er auf
der dorsalen Fläche des Grundes der Harnblase den Samenleiter und
mündet mit einer kleinen spaltförmigen Oeffnung. Die Wandungen
des Harnleiters zeigen eine , innen mit Schleimhaut ausgekleidete
Muskelschicht.
Die Harnblase (Fig. 379, t), welche den Urin ansammelt, hat
die Gestalt einer Birne , die sich nach hinten in den Blasenhals ver-
längert, der über die Symphyse des Beckens sich fortzieht und bei
dem Weibchen mit einer kurzen Harnröhre endet, welche in den Vor-
hof der Scheide mündet. Bei dem Männchen mündet der Blasenhals
in den ürogenitalcanal , von welchem später die Rede sein soll. Wie
der Plarnleiter, besitzt die Blase eine innere Schleimhaut und eine
Muskelhaut. Sie ist bedeutender Erweiterung fähig. Der Harn ist
gelblich und stets trübe.
Die Nebennieren (Fig. 370, es) liegen in Gestalt zweier rund-
licher Körper von gelber Farbe in der Nähe der Nieren, von welchen
sie übrigens gänzlich unabhängig sind. Die rechte Nebenniere liegt
dem oberen Innenrande der Niere und der unteren Hohlvene hart an ;
die linke liegt weiter nach hinten in dem Winkel zwischen der Hohl-
vene und der Nierenvene , berührt aber die linke Niere nicht. Die
Structur dieser Körper ähnelt dei-jenigen der Lymphdrüsen; ihre Func-
tion ist noch nicht befriedigend bekannt.
920
Wirbelthiere.
Fig. 370.
Säugethiere. 921
Die Gesell lechtsorgane muss man bei älteren Thieren unter-
suchen, wo sie vollständig entwickelt sind; bei jüngeren Thieren weichen
sie sehr ab, sowohl hinsichtlich der Beziehungen zwischen ihren ein-
zelnen Theilen, als auch hinsichtlich ihrer Dimensionen.
Männliche Organe. — Die Hoden (Fig. 370, t) bilden erst
lange nach der Geburt zwei vorspringende Wülste zu beiden Seiten
des Afters; sie liegen dann ausserhalb der Bauchhöhle, aus der sie
durch den Leistenring (ai) ausgetreten sind, durch welchen der
Samenleiter, der Samengang (Canal^s deferens) , Nerven und Gefässe
ebenfalls durchgehen. Sie zeigen eine dreifache Umhüllung: eine ihnen
unmittelbar anliegende, feste und weisse Sehnenhaut, die Tunica albu-
ginea; sodann die Scheidenhaut (T. vaginalis), eine vom Bauchfelle
ausgekleidete Ausstülpung der Bauchwand, und endlich den Hoden-
sack, eine Ausweitung der äusseren Haut, welche durch eine ziemlich
dünne Faserhaut, die Tunica dartos, gestützt wird, die dem Unterhaut-
zellgewebe angehört. Die Muskelschicht der Bauchwand setzt sich in
Bündel fort, welche die Scheidenhaut umspannen und so den Hebe-
muskel des Hodens (M. cremaster) herstellen.
Die Hoden sind zwei bohnenförmige , etwa 3 cm lange Körper,
deren Innenwand leicht eingebuchtet ist. Ihr Parenchym wird durch
zahlreiche dünne Scheidewände von Bindegewebe in kegelförmige
Kammern getheilt, deren Spitzen nach dem Einschnitte, dem Hylus,
convergiren , der durch einen dicken Knäuel , das Corpus Highmori,
erfüllt wird. In den durch die Scheidewände hergestellten Kammern
finden sich Knäuel von sehr engen Samencanälchen , die aus einer
structurlosen Haut gebildet und innen mit einem Epithelium aus-
gekleidet sind , in welchem die Spermatozoon sich bilden , die einen
abgeplatteten Kopf und einen langen Schwanz haben und grösser sind,
als beim Menschen. (Ueber die Spermatogenese beim Kaninchen ver-
gleiche man die Abhandlung von Brissaud, siehe Literatur.)
Der Hoden im Ganzen ist eine Drüse von netzförmigen Röhrchen.
Die Samencanälchen sammeln sich, nachdem sie das Corims Highmori
durchsetzt haben, indem sie nach und nach zusammenmünden, zu
Hodencanälchen in dem Nebenhoden.
Der Nebenhoden (Fig. 370, ep) ist ein langes, am Inuenrande
des Hodens entwickeltes Gebilde, das nach vorn und hinten übergreift.
Fig. 370. — Lef. cun. — Geschlechtsorgane eines erwachsenen Männchens, r, Nieren;
CS, Nebennieren; ur, Harnleiter; v, Harnblase; ou, OefFnungen der Harnleiter in die
Blase; cur, Canalis uro-genitalis; mu, Uringang; t, Hoden; tv, Ligamentum vaginale;
tv, Scheidenhaut des Hodens; sc, Hodensack; ep, Kopf des Nebenhodens; q, Schwanz
desselben; csp, Samenstrang; gi. Leistenring, durch welchen der Samenstrang in die
Bauchhöhle eintritt; cd, Caualis deferens; acd, Ampulle desselben; cc, Schwell-
körper; ^y, Penis; gl, Eichel; vs, Samenblase; pr, Prostata; gO, Cowper'sche
Drüsen; gp, Vorhautsdrüsen; r, Mastdarm; a, After; vci, untere Hohlvene; vr,
Nierenvenen; aa, Aorta; ar, Nierenarterien.
922 Wirbel tliiere.
Man unterscheidet an ihm einen dickeren , helmförmigen Kopf (ep)
und einen dünneren Schwanz (q). Die Hodencanälchen begeben sich
zum Kopfe und münden in den vielfach gewundenen Sammelcanal
des Nebenhodens ein, der an dem Schwänze aus dem Knäuel. sich aus-
löst und nun als Vas deferens bezeichnet wird (cd). Dieser, durch
die Dicke und Festigkeit seiner Wände ausgezeichnete Canal läuft
unter Schlängelungen durch den verengerten Theil der Scheidenhaut
nach vorn, durchsetzt gemeinschaftlich mit dem Samenstrange (cp)
den Leistenring, und dringt so in die Bauchhöhle ein, wo er den
Harnleiter kreuzt und auf der Dorsaltläche der Harnblase sich um-
biegt, um in dem Urogenitalcanal (cur) auf einem kleinen Wärz-
chen mit einer verhältnissmässig weiten Oeffnung zu münden. In dem
der Harnblase anliegenden Abschnitte bildet der Canal eine Erweite-
rung, welche die Ampulle des Vas deferens (acd) genannt wird.
Der Urogenitalcanal beginnt am Blasenhalse und setzt sich
nach hinten, zwischen den Schwammkörpern des Penis fort. Man kann
einen hinteren, prostatischen und einen vorderen Ruthenabschnitt unter-
scheiden; er endet auf der Spitze der Eichel der Ruthe durch die Harn-
röhre (mti), welche zur Austreibung des Harnes und des Samens dient.
Auf der dorsalen Wand des prostatischen Abschnittes ist ein langes,
abgeplattetes Bläschen mit dünnen, aber contractilen Wänden ent-
wickelt, die Samenblase (Fig. 370, vs), an deren vorderem, dem
Rectum anliegenden Ende zwei seitliche Ausstülpungen sich finden,
welche den Hörnern des Uterus entsprechen. Die Samenblase endet
nach hinten mit einem kurzen, unter die Prostata sich schiebenden
Halse.
Die in die Länge gezogene gelbliche Prostata (Fig. 370, jps) liegt
quer über dem Beginne des Urogenitalcanales auf der dorsalen Fläche
der Samenblase, und zeigt einen mittleren und zwei Seitenlappen. Sie
besteht aus zahlreichen, von glatten Muskeln umsponnenen Drüsen-
läppchen. Ihre histologische Structur wurde von Leydig untersucht
(siehe Literatur). Die Läppchen münden auf der Schleimhaut des
Urogenitalcanales mit zahlreichen, punktförmigen Oeffnungen, welche
vor den Mündungen der Vasa deferentia liegen. Die Schleimhaut zeigt
hier einen in der Mitte etwas angeschwolleneu, wenig erhabenen Längs-
wulst, welcher dem veru montanum der menschlichen Anatomie entspricht.
Der Penis (Fig. 370, p) erreicht im Zustande der Erection etwa
4 cm Länge. Seine dem Becken angeheftete Wurzel wird von den fast
cylindrischen Schwellkörpern (cc) gebildet, die an der Basis zwiebel-
artig anschwellen, an dem die Eichel berührenden Ende etwas zuge-
spitzt sind. Sie neigen sich von dem Becken aus gegen einander und
berühren sich auf der Rückenfläche des freien Theiles des Penis voll-
ständig. Sie sind von einer dicken Faserhaut umhüllt, welche Fort-
sätze nach innen sendet und so das schwammige Gewebe bildet, das
Säugetbiere. 923
von erweiterten Bluträumen durchzogen wird. Sie wurzeln auf dem
Bogen der Schambeinfuge und werden von den Hebemuskelu des Penis,
Mm. isdiio-cavcmosi, umgeben. Ein Hautfalz, die Vorhaut, umgiebt die
Eichel wie ein Futteral; ihre Oeffnung ist elliptisch; im Zustande der
Ruhe hüllt dieses Futteral den Penis ganz ein.
Ausser der Prostata finden sich noch folgende Drüsen am Penis:
Die Cowper'schen Drüsen (Fig. 370, gC), kleine, in die Länge
gezogene, lappige Drüsen, welche jederseits hinter der Prostata, auf
den Wurzeln der Schwellkörper liegen und ihr Secret in den Uro-
genitalcanal ergiessen.
Die Vorhautdrüsen (Fig. 370, gp), von eiförmiger Gestalt und
brauner Farbe, liegen unter der Umhüllungshaut des Penis und lassen
sich mit dieser abziehen. Ihr auf die Haut sich ergiessen des Secret
hat einen starken Geruch.
Nahe bei den vorigen, aber auf beiden Seiten der Afteröffnung
und des Mastdarmes, liegen die mit den Geschlechtsorganen nicht in
Beziehung stehenden Afterdrüsen; ihr fettartiges Secret erleichtert
den Austritt der Excremente. Sie stammen aber nicht von dem Darme,
sondern sind, wie die Vorhautdrüsen, nur weiter entwickelte Haut-
drüsen (siehe S. 838).
Weibliche Organe. — Die Ovarien (Fig. 371, ov) sind zwei
leicht abgeplattete, eiförmige Körper, deren Oberfläche durch die in
, Form runder, heller Blasen vorspringenden Graafschen Follikel mit
ihren reifen Eiern gebuckelt erscheint. Sie liegen hart an dem grossen
Psoasmuskel in der dorsalen Wölbung der Bauchhöhle einander gegen-
über an dem vierten Lendenwirbel. Sie zeigen einen freien convexen
und einen leicht eingebuchteten geraden Rand, an welchen sich das
breite Haltband (Ligamentum latum, Im) heftet, ein breiter Peritoneal-
falz, welcher dem Eierstocke, den Eileitern und dem Uterus gegenüber
dieselbe Rolle spielt, wie das Gekröse gegenüber dem Darme, indem
es die einzelnen Theile unter sich und an die Bauchwand befestigt.
Zahlreiche glatte Muskelbündel und Blutgefässe, letztere besonders
zahlreich zwischen den Hörnern des Uterus und der Scheide, verlaufen
in dieser sonst zarten, serösen Falte des Bauchfelles. Zur Ranzzeit
und während der Fruchtentwickelung sind diese Gefässe, wie überhaupt
alle Gefässe des Uterus, strotzend mit Blut gefüllt. In Pikrinschwefel-
säure gehärtete Eierstöcke liefern schöne Schnitte zu mikroskopischer
Untersuchung (Bisch off und van Beneden; siehe Literatur).
Die an der Oberfläche des Ovariums austretenden reifen Eier
fallen in den Trichter des Eileiters (Fig. 371, jj), der sie in den
Uterus überführt und etwa 10 cm Länge hat. Der mit Fransen be-
setzte Trichter ist an das breite Band angeheftet und umfasst den
Eierstock bis zu seinem vorderen Rande. Der Abschnitt des Eileiters,
in welchen der Trichter übergeht, ist verhältnissmässig weit, etwas
924
Wirbeltliiere,
Fig. 371.
Säugethiere. ' 925
gewunden und zeigt Erweiterungen oder Ampullen (am), dann wird
der Canal in dem Maasse, als er sich dem Uterus nähert, enger (?s)
und gestreckter in seinem Verlaufe. Die Grenze zwischen diesen beiden
Abtheilungen ist verschwommen. Die Muskelwände des Eileiters sind
innen mit einem Flimmerepithelium ausgekleidet, durch dessen Schwin-
gungen die Eier nach dem Uterus hin befördert werden. Im Uterus
mündet jeder Eileiter durch eine kleine, rundliche Oeffnung (ou).
Der Uterus (iit) ist zweihörnig oder, besser gesagt, zweitheilig
{Uterus hipartitus)^ da jedes der in seinem ganzen Verlaufe unabhängigen
Hörner mit einer gesonderten Oeffnung in die Scheide mündet. Nur
berühren sich die beiden Canäle in der Nähe der Scheide auf der Länge
von einigen Millimetern. Die Hörner sind 8 bis 9 cm lange Röhren,
weit geräumiger als der Eileiter und mit dicken Muskelwänden ver-
sehen, die sich während der Schwangerschaft bedeutend ausdehnen
und dann den Darm nach oben und hinten verdrängen. Die Eier
werden im Uterus befruchtet; die Placenten setzen sich an den Wänden
fest. Die Oeffnungen {os tincae) münden in die Scheide auf zwei mit
Fransen besetzten Papillen, welche dicht neben einander im Grunde
der Scheide vorragen (ovo).
Die Scheide selbst ist eine lange und weite Röhre, die zwischen
der Blase und dem Mastdarme, mit welchem sie durch Bindegewebe
verbunden ist, nach hinten verläuft und zwei Abschnitte unterscheiden
lässt, einen vorderen, den eigentlichen Scheidentheil (v), welcher sich
bis zur Einmündung der Harnröhre erstreckt und Längsfalten der
Schleimhaut im Inneren zeigt, und einen hinteren mit glatter Schleim-
haut, der Scheidenvorhof (vv), der sich bis zur Scham erstreckt und
dem Urogenitalcanal entspricht. Die Harnröhrenmündung (imi) be-
zeichnet also die Grenze der beiden Abschnitte und dort finden sich
auch wenig vorspringende Falten der Schleimhaut, welche man als
Scheidenklappen bezeichnet und die dem Hymen (liy) entsprechen.
Die Vulva (vii) bildet eine weite Spalte unter dem After, die von
Pinseln steifer Haare umgeben ist; die Schamlippen haben eine rosen-
rothe Farbe und schliessen zahlreiche Talgdrüsen ein. An ihrer ven-
tralen Commissur tritt auf einer ventralen Falte die Clitoris (c7) in
Gestalt einer ziemlich festen, etwa 2cm langen Zunge hervor, die
sich mit zwei, den Schwellkörpern des Penis analogen Wurzeln an den
Fig. 371. — Lep. cun. — Geschlechtsorgane eines erwachsenen Weibchens. Man hat
auf der Ventralseite der Scheide und des Uterus Lücken geschnitten, um die OeiTnun-
gen zu zeigen, ov , Eierstöcke; ^, Trichter des Eileiters; am, Ampulle desselben;
is, Isthmus desselben; Im, Ligamentum latum (Mesometrium); o«, Oeffnung in den
Uterus; ut. Hörner des Utei-us; itc, Winkel ihres Zusammentreffens; ova, Oeffnungen
der Uterushörner in die Scheide; v. Scheide; vv, ihr Vorhof; liy , Scheidenklappe
(Hymen); v^l, Vulva; cl, Clitoris; ur, Harnleiter; ■», Harnblase; cv, Blasenhals; m,u,
Harngang; cu, Urogenitalcanal; v ci, untere Hohlvene; aa, Bauchaorta; r, Mastdarm.
926 Wirbelthiere.
Beckenrand festsetzt. Die Eichel au ihrem Ende misst im Zustande
der Erection nur einige Millimeter und zeigt eine stumpfe Endspitze.
Die Cowper'schen, die Vorhaut- und Afterdrüsen finden sich wie
beim Männchen vor. Von den Milchdrüsen, welche sich während
der Schwangerschaft bedeutend entwickeln, haben wir schon (S. 838)
gesprochen.
Kreislauf. — Das aus zwei Vorkammern und zwei Kammern
bestehende Herz liegt in der ventralen Mittellinie des Körpers auf dem
Brustbeine in der Höhe der ersten Rippen (Fig. 332, «, o; Fig. 373, av).
Es hat die Form eines Kegels, dessen Basis von den Vorkammern her-
gestellt wird, während die nach hinten gerichtete und etwas auf die
linke Seite geneigte Spitze von den Kammern gebildet wird. Auf der
ventralen Seite zeigt sich zwischen den Vorkammern die Kranz-
furche (Fig. 373, sc), über welche der Stamm der Lungenarterie
verläuft; ausserdem sieht man dort eine seichte, oft kaum bemerkbare
Längs für che, welche der Scheidewand der beiden Herzkammern
entspricht. Diese Furche verläuft etwas schräg nach rechts, so dass
die Spitze des Herzens selbst nur von der linken Kammer gebildet
wird.
Die Muskelsubstanz des Herzens (Myocardium) wird aussen von
einem Umschlage des serösen Herzbeutels (Pericardium) überzogen,
während die inneren Höhlen mit einer Bindegewebeschicht (Endo-
cardium) ausgekleidet sind. Die Muskelwand der Vorhöfe ist weit
dünner als diejenige der Kammern; überhaiipt entspricht die Dicke
der Wandung der Kraft, welche die Theile entwickeln müssen, um das
Blut weiter zu treiben. Aus diesem Grunde ist auch die Muskelwand
der linken Herzkammer weit mächtiger als diejenige der rechten Kammer,
wovon man sich leicht auf einem durch die Kammern geführten Quer-
schnitt (Fig. 372) überzeugen kann.
Die Scheidewand der Kammern (Fig. 372, iv) ist schief von
vorn und rechts nach hinten und links gerichtet; sie ist vollständig
und zeigt keine Unterbrechung, ebenso wenig als die Scheidewand
zwischen den Vorhöfen. Dagegen finden sich zwischen Vorkammern
und Kammern weite, mit sehnigen Klappen versehene Oeffnungen. An
diese Klappen , welche den Durchtritt des Blutes von den Vorhöfen in
die Kammern bei der Systole der ersteren gestatten , aber die Rück-
stauung bei der Zusammenziehung der Kammern und der Diastole der
Vorhöfe verhindern, setzen sich von den Kammern her Sehnenfäden
(et) an, welche von starken Muskelfortsätzen der Kammerwände, den
Warzenmuskeln (wp), ausgehen, deren Zusammenziehung die Klappen
in die Kammer hineinziehen und so den Weg öffnen.
Die rechte Vorkammer (Fig. 372, od) umgiebt den Ursprung
der Aorta und zeigt auf ihrer ventralen Seite eine, in unserer Fig. 372
weggeschnittene Ausbuchtung, das rechte Herzohr, in dessen Nähe
Säugetliiere.
927
die Hohlvenen (vcs) mit gesonderten Oeffnungen einmünden, welche
mit Klappen versehen sind.
Die linke Vorkammer (og), in welche die Lungenvenen (vp)
einmünden, zeigt ebenfalls eine Ausweitung, das linke Herzohr,
welches sich um den Stamm der Lungenarterie herumschlägt.
Die rechte Herzkammer (Fig. 372, vcl) liegt der linken
Kammer in der Weise an, dass sie dieselbe theilweise umgiebt; auf
rie;. 372.
od-^
ct^-
Tjd
— et
TTVp^'
Lep. Clin. — Das Herz in doppelter Grösse. Seine ventralen Wandungen sind weg-
genommen, um die Hohlräume im Inneren zu zeigen, iv, Scheidewand zwischen den
beiden Herzkammern; vd, rechte Kammer; vg, linke Kammer; et, Sehnenstränge;
mp, Warzenmuskeln; vav, Yalvula bicuspis oder mitralis; vav', Valvula tricuspis;
od, rechte Vorkammer; og, linke Vorkammer; ves, obere Hohlvene; i'j:), Lungen-
venen; ap, Lungenarterien; ao, Aorta.
einem Querschnitte zeigt ihre Höhlung die Gestalt eines Halbmondes,
die aber weniger ausgesprochen ist, als bei den Vögeln; wegen der
Dünne ihrer Wände scheint ihre Höhlung bei der Leiche weit grösser
als diejenige der linken Kammer. Gegen ihr dorsales Ende hin bildet
die Kammer eine Art Trichter, den Arterienconus, der sich in die
Lungenarterie fortsetzt, an deren Ursprung drei halbmondförmige
Klappen angebracht sind. Die Segelklappe an der Oeffnung zwischen
928 Wirbelthiere.
rechter Kaminer und Vorkammer besteht aus drei Segellappen {Välvula
tHcuspis, vav').
Die linke Herzkammer {vg), deren Höhlung in Folge der
Dicke ihrer Wände weit geringer erscheint, lässt an ihrem Vorder-
rande den Stamm der Aorta entstehen, an dessen Ursprung ebenfalls
drei halbmondförmige Klappen angebracht sind. Die Segelklappe der
linken, nahe an der Aortenöffnung liegenden Atrio-ventricular-Oeflfnung
(Valvula mitralis, vav) hat dagegen nur zwei Segellappen.
Das Herz liegt in dem Herzbeutel, der eine innere seröse und
eine äussere fibröse Schicht zeigt. Er liegt dem Brustbeine und dem
Zwerchfelle an und setzt sich auf der dorsalen Seite an die grossen
Gefässstämme an , mit deren Wänden seine Faserschicht verschmilzt.
Er enthält eine geringe Menge einer serösen, wasserhellen Flüssigkeit.
Blutgefässe. — Sie begreifen die Arterien, in welchen das
Blut in centrifugaler Richtung von dem Herzen aus zu den Organen
strömt; die Venen, worin es in entgegengesetzter Richtung nach dem
Herzen zurückgeführt wird, und das Zwischenreich der Capillaren, das
von den letzten Zweigen der Arterien und den ersten der Venen gebildet
wird. Wir verweisen hinsichtlich der Verschiedenheiten in der Structur
dieser drei Arten von Gefässen auf die Lehrbücher der menschlichen
Anatomie; ihre Structur ist überall dieselbe bei allen Säugethieren,
nur ihr Verlauf variirt. Die grossen Gefässstämme können ohne weitere
Injection an dem getödteten Thiei'e präparirt werden; um feinere Zweige
verfolgen zu können , muss man sie einspritzen , wozu wir eine mit
Chromgelb, Carmin oder Berliner Blau gefärbte, warme Gelatinelösung
benutzen. Bei langsamem , stetigem Drucke mittelst einer Spritze
dringt die Masse an durch Chloroform getödteten und noch warmen
Thieren leicht in die feineren Zweige ein. Man spritzt durch die Aorta
ein für den Körperkreislauf, durch die Lungenarterien für den kleinen
Kreislauf; für die Injicirung des Veuensystems sucht man die Venen
so weit als möglich vom Herzen auf. Feinere Injectionen einzelner
Organe gewinnt man, wenn man dieselben von ihren besonderen Ge-
fässen aus einspritzt.
Grosser oder Körperkreislauf. Arterien. — Der gemein-
same Stamm aller diesem Abschnitte zugehörenden Arterien , die alle
Organe, mit Ausnahme der Lungen, speisen, ist die Aorta (Fig. 373, ao),
welche aus der linken Kammer entspringt und an ihrer Wurzel seichte
Eindrücke {Sinus Valsalvae) zeigt, die den drei halbmondförmigen
Klappen entsprechen, welche wir bei Beschreibung des Herzens er-
wähnten. Noch vor ihrem Austritte aus dem Herzbeutel giebt die
Aorta zwei Kranzarterien des Herzens ab, welche sich in den Vor-
kammern und Kaiumern verzweigen. Die linke Kranzarterie ist weit
stärker als die rechte; bisweilen haben beide einen kurzen, gemein-
schaftlichen Stamm.
Säugethiere, 929
Die Aorta läuft zuerst neben der Lungenarterie nach vorn, wendet
sich dann aber nach links und beschreibt den Aortenbogen {ca),
dessen Fortsetzung sich au die Wirbelsäule anlegt und die absteigende
Aorta {Aorta descendens) bildet, an welcher man den bis zum Zwerch-
fell sich erstreckenden Brustabschnitt (adt) und den hinter dem
Zwerchfelle gelegenen Bauchabschnitt unterscheiden kann.
Der Aortenbogen liegt hinter dem Handgriffe des Brustbeines; auf
seiner Convexität, die nach vorn gerichtet ist, entspringen die Arterien
des Kopfes und der Vorderglieder, der Kopfarm stamm (Truncus ano-
nymiis) und die linke Schlüsselbeinarterie (Suhclavia sinistra). Der
anonyme Stamm (Fig. 373, ta) liegt etwa in der Mittellinie; er ist
sehr kurz und theilt sich sofort in drei Hauptäste, die rechte Sub-
clavia (ascd) und die rechte und linke gemeinsame Carotis
(card und carg). Uebrigens variirt der gemeinsame Stamm sehr je
nach den Individuen; er ist zuweilen so kurz, dass die Carotiden direct
aus dem Bogen zu entspringen scheinen; in anderen Fällen entspringt
die rechte Subclavia gesondert aus dem Aortenbogen neben der linken
(Krause).
Die beiden gemeinsamen Carotiden verzweigen sich jederseits
in derselben Weise: der Stamm läuft neben der Luftröhre unter den
Mm. sterno-hyoideus und sterno -thyroideus bis zum Winkel des Unter-
kiefers und zu dem Hinterrande der Parotis, wo er sich in zwei Haupt-
äste , die innere und äussere Carotis , theilt. Vor der Theilung giebt
er aber einen nach innen und oben umbiegenden Ast zur Schilddrüse,
die Arteria tliyroidea (Fig. 373, at), welche ausserdem noch Zweige an
die Luftröhre und den Schlundkopf abgiebt.
Die äussere Carotis (Fig. 373, ce) die aus der Gabelung der
gemeinsamen Carotis hervorgeht, ist stärker als die innere. Sie ver-
sorgt hauptsächlich das Gesicht; giebt zuerst nahe an ihrem Ursprünge
eine kleine Ari. taryngea superior (Fig. 354, als) und hierauf von
ihrem inneren Rande die Zungenarterie [Art. liiigualis, Fig. 354, a?),
die in die Zungenwurzel eindringt und die ganze Zunge bis zu ihrer
Spitze mit Zweigen versieht; sodann die Art. maxillaris interna (am),
welche, dem unteren Rande des Unterkiefers entlang laufend, die
benachbarten Theile, besonders die Kaumuskeln und die Speicheldrüsen
versorgt und ausserdem Aeste an die Haut der Wange, der Nase und
der Lippen giebt. Von ihrem dorsalen Rande entsendet sie die A)i.
occipitalis (Fig. 354, av), die bis zu dem Querfortsatze des Atlas
emporsteigt und die Haut des Halses mit Zweigen versieht, dann aber
sich in eine Art. temporaJis superficialis und eine ^r^ maxillaris interna
gabelt. Erstere biegt um die Blase des Schläfenbeines herum und
giebt die vordere und hintere Ohrrauschelarterie (Art. aitri-
cidaris anterior und posterior) ab, deren Verlauf und Pulsationen man
deutlich sehen kann, wenn man die Ohrmuschel des lebenden Thieres
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. qQ
930 Wirbelthiere.
gegen das Licht hält. Sodann steigt der Stamm gegen die obere
Fläche des Kopfes hinan, entsendet zuerst einen bedeutenden Ast, die
quere Gesichtsarterie, die unter dem Jochbogen verläuft und die
Gesichtshaut und. das untere Augenlid versorgt. Die Art. maxillaris
Säugethiere. 931
interna läuft auf der Innenseite des M. pterygoideus, giebt Zweige an
die Backzähne und gabelt sich in eine Art. infraorhitalis, welche die
Intermaxillargegend, die Augendrüsen und die Nickhaut versieht, und
in eine Art. pterygo-imJutina , die sich an dem Gaumen und der Nasen-
höhle verzweigt. Vor der Gabelung sendet der Stamm noch Zweige
an das Trommelfell, die Zähne, die dura niater des Gehirnes und eine
Art. opJithahnica inferior, welche an die Thränendrüse , die Augen-
muskeln etc. Zweige giebt und mit der aus der inneren Carotis ent-
springenden Art. ophthalmica superior communicirt.
Die innere Carotis (Fig. 373, ci), welche aus der Gabelung des
gemeinsamen Stammes am Unterkieferwinkel hervorgeht, gehört wesent-
lich dem Gehirne an. Sie wird durch den M. styloglossus von der
äusseren Carotis geschieden , läuft nach vorn und dringt durch den
Carotidencanal des Schläfenbeines in die Schädelhöhle ein, Sie ent-
sendet sofort die Art. comniunicans posterior, welche nach hinten zum
Hirntrichter umbiegt und mit der Art. cerehraJis posterior anastomosirt,
die aus dem später zu erwähnenden Truncus cervico-vertehralis stammt.
Ferner giebt sie ab: die Art. ophtliahnica superior, welche durch das
Foramen opticum in die Augenhöhle dringt, in dem Sehnerven verläuft
und die Ciliar -arterien sowie die centrale Arterie der Netzhaut bildet.
Hierauf theilt sich die innere Carotis in zwei Aeste, eine Art. cerehralis
anterior, welche den Sehnerven kreuzt und die Siebbeingegend sowie
die Stirnlappen der Hemisphären versorgt, und eine Art. cerehraJis
media, welche in der Mittelgegend der Hemisphären sich verzweigt.
Die rechte Subclavia (Fig. 373, ascd), die aus dem Truncus
anonymus entspringt, wendet sich direct zu dem entsprechenden Vorder-
gliede und verästelt sich in demselben in gleicher "Weise, wie die direct
aus dem Aortenbogen entspringende linke Subclavia (ascg) in dem
Arme ihrer Seite, so dass die gleiche Beschreibung für beide gilt. Der
erste Ast, die Art. cervico-vertehralis, entspringt an dem dorsalen Rande
und theilt sich bald in zwei Zweige, von welchen der eine, Ad. verte-
Fig. 373. — Lep. tun. — Das Herz und die Haupt-Gefässstämme in halber Grösse.
Die rechte Hälfte des Unterkiefers mit der Zunge ist auf die Seite geschlagen , um
den Schlundkopf und den Kehldeckel zu zeigen. Die linke Unterkieferhälfte, nii, ist
in ihrer Lage belassen, a, linkes Herzohr; v, linke Herzkammer; sc, Kranzfurche;
sl, Längsfurche; ac, Kranzarterien; vc, Kranzvenen; ap, Lungenarterie; ao, Ursprung
der Aorta; ca, ihr Bogen; ta, Truncus anonymus; ascg, linke Subclavia; ascd,
rechte Subclavia; card, rechte gemeinsame Carotis; carg, linke gemeinsame Carotis;
af, Arterie der Schilddrüse; cV, innere Carotis; ce. äussere Carotis; adt, absteigende
Brust-Aorta; vcd, rechte obere Hohlvene; vcg, linke obere Hohlvene; vsc, Yenae
subclaviae; vje, äussere Jugularvene; vf, hintere Gesichtsvene; vf', vordere Gesichts-
vene; vme, äussere Maxillar-Yene; vmi, innere Maxillar-Yene ; vji, innere Jugular-
vene; vci, untere Hohlvene; C7ip, OefFnung des Nasengaumenganges; sp , quere
Gaumenfalten; din, Backzähne; ini, linke Unterkieferhälfte; mi' , zurückgeschlagene
rechte Unterkieferhälfte; Ic, Knorpellamelle der Zunge; pf, blattartige Geschmacks-
wärzchen; phi Schlundkopf; ep, Epiglottis; p, Lungen.
59* -
932 Wirbelthiere.
hniUs, in das Nervenloch des sechsten Halswirbels eindringt, nach vorn
verlaufend an das Rückenmark gebende Art. spwaJes abgiebt, an dem
Atlas die dura water durchsetzt, auf der Unterfläche des verlängerten
Markes umbiegt und dort sich mit der gleichnamigen Arterie der
anderen Seite zur Bildung der unpaaren Art. hasüaris vereinigt, welche
sich in allen hinteren Abschnitten des Gehirnes, namentlich auf der
Varolsbrücke und dem Kleinhirn verzweigt. Der andere Ast, Art.
cervicalis superficialis, dringt nicht ein, sondern verzweigt sich in den
Halsmuskeln.
In der Nähe der Art. cerrico -vertehralis entspringen aus der Sub-
clavia noch einige Zweige für den Hals und die benachbarten Thorax-
gegenden, die wir hier nur" erwähnen, da ihre Namen hinlänglich ihre
Verzweigungsbezirke, ja sogar den Weg andeuten, welchen sie zu den-
selben einschlagen: Art. maxiUaris, intercostaUs superficialis, cervicalis
superficialis, transversa colli etc. Die Zweige dieser einzelnen Aeste
anastomosiren vielfach mit einander.
Nach Abgabe dieser Aeste geht die Subclavia weiter zum Arme
und tritt in die Achselhöhle ein , wo sie den Namen Art. axillaris
annimmt. Dort giebt sie Aeste {Art. thoracica., suh-scapularia, circum-
flexa etc.) an die Brustmuskeln, die Muskeln des Schulterblattes und
des Oberarmes. Als Art. Immeralis oder hracMalis läuft sie dem Arme
entlang, die Muskeln speisend und collaterale Aeste abgebend bis zum
Ellbogen, wo sie sich in zwei Aeste gabelt, die Art. radialis am Radius,
die Art. ulnaris oder cubitdlis an der Ulna. Erstere versorgt die an
der Innenseite des Vorderarmes gelegenen Muskeln; einer ihrer Haupt-
äste ist die Art. recurrens radialis, welche sich auf die Aussenseite des
Ellbogengelenkes herumschlägt. Am Handgelenke geht sie auf die dor-
sale Fläche der Hand über, schickt in die Tiele Zweige zum Daumen
und Zeigefinger und liefert einen Theil der Palmar- Arterien {Art.
princeps und volaris). Die Art. cubitalis speist zuerst die äusseren
Muskeln des Vorderarmes, {Ati. ciibitcüis recurrens, interossea, anti-
hrachicdis), giebt dann in der Handfläche Zweige an die äusseren Finger
und biegt endlich gegen die Radial-Arterie ein, um mit dieser im Arcus
volaris zusammenzufliessen , von welchem auch die Zweige ausgehen,
welche die Dorsalfläche der Finger speisen.
Die Aorta descendens (Fig. 373, adt) bildet den grossen Stamm,
welcher die Aeste für den Thorax, den Bauch und die hinteren Ex-
tremitäten liefert. Ihr Brusttheil erstreckt sich vom Aortenbogen bis
zum Schlitze {hiatus aorticus) des Zwerchfelles, hinter welchem sie als
Aorta ahdominalis bezeichnet wird. Sie liegt anfänglich auf der dor-
salen Fläche des Herzbeutels, kreuzt den Schlund linkerseits, läuft auf
der dorsalen Fläche desselben weiter nach hinten , parallel mit dem
Lymphstamme, von welchem später die Rede sein wird, und zwar auf
der linken Seite desselben.
Säugethiere. 933
Die Aorta ahdomin alis (Fig. 370, «a) läuft zwischen den Psoas-
muskeln in der von diesen gebildeten Rinne auf der haemalen Fläche
der Lendenwirbel bis zu dem Kreuzbein und wird auf diesem Wege
rechterseits von der unteren Hoblvene (vci) begleitet. Sie liefert
Arterien (Art. ^parietales, viscerales^ terminales) an die Bauchwände, dann
an die Eingeweide und die Hinterglieder in folgender Ordnung:
Die Eingeweidearterie {Art. coeJiaca) entspringt unmittelbar
hinter dem Zwerchfellschlitze von der ventralen Seite. Dieser unpaare
Stamm theilt sich in drei Aeste für die Leber, den Magen und die Milz.
Die Art. liepatica, läuft rechterseits von der Cardia zur Leber, an
deren Lappen, sowie an die Gallenblase {Art. cystica) sie Zweige giebt.
Bevor sie aber die Leber erreicht, giebt sie rechterseits die Art. coro-
naria stomachi dextra an die Cardia und die kleine Curvatur des Magens
und eine Art. gastro-duodenaUs, die an den Anfang des Duodenums
Zweige sendet und sich -in zwei Aeste theilt: Ati. gastro-epiijJoica für
die grosse Magen-Curvatur und Art. pancreatico-duodenalis siiperior für
das Pancreas und den benachbarten Abschnitt des Duodenums.
Die der rechten weit überlegene Art. coronaria stomachi sinistra,
die aus der jiri. liepatica entspringt, verzweigt sich an der kleinen
Curvatur, an der Cardia und dem unteren Abschnitte des Schlundes,
sie anastomosirt mit der gleichnamigen rechten Arterie.
Nach Abgabe der Art. gastro-eptiptoica sinistra an die grosse Magenr
Curvatur verästelt sich die Art. splenica in der Milz und dem Gekröse
der Umgebung.
In geringer Entfernung hinter der Art. coeliaca entspringt die
Art. mesenterica anterior. Sie giebt zahlreiche Aeste an den
Dünndarm und den Dickdarm, deren Verzweigungen in dem Gekröse
dieser Darmabschnitte man leicht verfolgen kann. Kurz nach ihrem Ur-
sprünge entsendet sie eiue Art. p)ancreatico-diiodencdis inferior, welche mit
der gleichnamigen oberen, aus der Art. gastro-duodenalis entspringenden
Arterie anastomosirt und denselben Verbreitungsbezirk versorgt.
Die Nierenarterien (Fig. 370, ar) gehen in fast rechtem Winkel
seitlich von der Aorta ab, die rechte etwa in ein Centimeter Entfernung
von der linken. Jede Nierenarterie läuft direct zum Hilus, um sich in
der Nierensubstanz zu verzweigen; bevor sie aber denselben erreicht,
giebt sie einen Ast an die Bauchwand, welcher einen Zweig zu den
Nebennieren entsendet.
Die sechs Paare von Lendenarterien verhalten sich ebenso wie
die Intercostal- Arterien der Aorta tJioracica; sie verlaufen als kleine
Gefässe zwischen den Lendenwirbeln und verästeln sich in den benach-
barten Muskeln.
Die Art. sper maticae entstehen wie die Nierenarterien, hinter
einander, laufen nach hinten, kreuzen den Harnleiter, treten durch
den Leistenring und verzweigen sich in den Hoden und Neben-
934 Wirbelthiere,
hoden. Beim Weibchen durchlaufen sie das Mesometrium und speisen
die Eierstöcke und die Eileiter.
Nicht weit hinter dieser Arterie entspringt die unpaare Art. me-
senterica posterior, die sich in der Höhe des sechsten Lenden-
wirbels in zwei Aeste theilt: Art. coli sinistra (die gleichnamige rechte
entspringt aus der Art. mesenterica anterior), welche sich an den Dick-
darm verzweigt, und die Art. haenwrrhoidcdis interna, welche den End-
abschnitt des Dickdarmes und den Anfang des Mastdarmes versorgt.
Die Art. sacralis media, die man als die vei-küramerte Schwanz-
fortsetzung der Aorta betrachten kann, entspringt nahe an der Gabelung
derselben , giebt Aeste zum letzten Lendenwirbel und setzt sich als
unpaares Gefäss auf der Ventralfläche der Schwanzwirbel fort.
Der durch die Abgabe der oben erwähnten grossen Gefässe sehr
verringerte Stamm der Aorta gabelt sich am Kreuzbeine in zwei Haupt-
stämme, Art. iliacae communes, zwei sehr kurze Stämme, deren jeder,
nach Abgabe einer Art. ileo-lumharis zu den Beckenmuskeln, einer
Art. vesicalis superior zur Blase und dem Samengange und, beim
Weibchen, einer Art. interna zum Uterus und zur Harnblase, sich
wieder in zwei Stämme gabelt, Art. iliaca interna oder hypogastrica
und Art. iliaca externa.
Die Art. iliaca interna verästelt sich an dem Becken und den
darin eingeschlossenen Organen. Ihre Hauptäste sind: Art. haemor-
rhoidalis media zum Rectum , der Prostata beim Männchen und der
Scheide beim Weibchen; Art. ohturatoria zu den Muskeln in der Um-
gebung des Foranien oUuratorium: Art. ischiatica zu den Steissrauskeln;
Art. sacralis lateralis an der Seite des Schwanzes und Art. pudenda
interna, zu den Begattungsorganen, Penis, Clitoris etc.
Die Art. iliaca externa oder Art. femoralis läuft nach Aussen
und Hinten von der Innenfläche des Psoas, tritt aus dem Becken an
den Oberschenkel (Art. cruralis), giebt aber vorher eine Art. epigastrica
inferior an die Bauchmuskeln, und aus dieser eine Art. spermatica
externa, die beim Männchen an der Scheidenhaut des Hodens und dem
Hodensacke, beim Weibchen an den Schamlippen sich verzweigt.
Die Fortsetzung der Art. iliaca externa, die J.r^. cruralis, bildet
den Hauptstamm für die hintere Extremität; sie läuft anfangs in der
Furche zwischen den Adductoren und dem M. vastus internus, durch-
setzt den grossen Adductor und erreicht die Kniekehle , wo sie den
Namen Art. poplitea erhält. Auf dem Wege dorthin giebt sie an die
benachbarten Schenkelmuskeln Zweige ab: Art. femoralis profunda,
Art. circumflexa femoris und Art. saphena. Letztere setzt sich bis in
den Fuss fort, wo sie auf die Rückenfläche einen Ast sendet, der sich
dort verästelt.
Nach Abgabe einiger Zweige zum Kniegelenke (Art. articiüares)
theilt sich die Art. poplitea in einen Ast längs des Schienbeines , Art.
Säugethiere. 935
tibiäfis anterior und einen weit kleineren für das Wadenbein. Art.'
peronea , beide verästeln sich an allen Theilen des Fusses , Tarsus,
Metatarsus und Zehen.
Venen. Im xlllgemeinen verlaufen die Venen neben den Arterien
und tragen dieselben Namen, so dass wir ihre Anordnung nicht weiter
zu beschreiben brauchen. Alle Venen vereinigen sich zwar in den
oberen und unteren Hohlvenen, die in die rechte Vorkammer einmünden,
aber bei dem Kaninchen findet sich, den meisten Säugethieren und
dem Menschen gegenüber, die Eigeuthümlichkeit, dass die beiden Kopf-
Arm -Venen sich nicht zu einer gemeinsamen oberen Hohlvene ver-
einigen, sondern gesondert in die rechte Vorkammer einmünden, so
dass das Blut aus der vorderen Körperhälfte durch zwei Hohlvenen,
eine rechte und eine linke, in das Herz zurückkehrt, während es aus
dem Stamme und der hinteren Körperhälfte sich in die einzige untere
Hohlvene sammelt. Es giebt also drei grosse Sammelstämme des
venösen Blutes.
Die rechte obere Hohlvene (Fig. 37.3, vcd) bildet sich aus
dem Zusammenflusse der äusseren und inneren rechten Jugularvene
{vji, vje) und der rechten Schlüsselbein vene, so wie sich die linke
obere Hohlvene aus denselben Zuflüssen der linken Seite bildet; aber
die rechte Vene erhält noch besondere, ihr allein zukommende Zuflüsse,
worunter namentlich die Vena azygos , welche noch innerhalb der
Brusthöhle, in der Nähe des Herzens, einmündet und sich aus Zweigen
zusammensetzt, welche von den Lenden, den hinteren Rippen und
Rückenwirbeln herstammen. — Anderseits erhält die linke obere
Ho hl vene, die etwas hinter der vorigen in die Vorkammer einmündet,
als Zuflüsse in der unmittelbaren Nähe des Herzens die Kranzvene
(Fig. .373. vc) desselben und einige Venen aus dem Thorax, wie die
obere Zwerchfellvene und einige kleine Wirbelvenen von der linken Seite.
Indessen bleiben, wie schon gesagt, die Jugular- und Achsel-Venen
die wesentlichsten Zuflüsse der oberen Hohlvenen.
Die äussere Jugularvene (Fig. 354 und Fig. 373, vje) fällt
ihrer Dicke und ihres oberflächlichen Verlaufes wegen sofort auf, wenn
man die Haut vom Halse abzieht. Sie bildet sich etwas hinter dem
Kehlkopfe durch den Zusamraenfluss der vorderen und hinteren Ge-
sichtsvenen (Fig. 354 und Fig. 373, vf, vf') und läuft zwischen der
Luftröhre und dem M. sierno -mastoideus am Halse herab. Vor der
Spitze des Brustbeines sind die äusseren Jugularvenen der beiden Seiten
durch eine quere Jugularvene mit einander verbunden. (Fig. 354, vjt.)
Die vordere Gesichtsvene (Fig. 373, ff'), der grösste Zustrom
der äusseren Jugularis , setzt sich zusammen aus der äusseren (v ni e)
und inneren (vmi) Maxillarvene. Erstere sammelt das Blut aus dem
Gesichte (Lippen, Wangen etc.), letztere aus den inneren Theilen unter
der Zunge, dem Kinne u. s. w.
936 Wirbelthiere.
Die hintere Gesichtsvene {vf) geht hinter dem Unterkiefer-
winkel durch und sammelt namentlich aus den leicht sichtbaren Venen
der Ohrmuschel das Blut auf, sowie von den Schläfen und einer un-
paaren Wirbelvene.
Die innere Jugularis (Fig. 354 und Fig. 373, vji) wird durch
zahlreiche Zuflüsse von den venösen Bluträumen des Gehirnes gespeist;
sie ist weit enger und weniger auffällig als die äussere, da sie an dem
Halse hinter der Carotis verläuft. Sie fliesst erst bei der Achselvene
mit der äusseren Jugularis zusammen.
Die Achselvene geht aus der Vereinigung sämmtlicher ober-
flächlicher und tiefer Venen der vorderen Extremität hervor; sie läuft
neben der Armarterie und setzt sich in der Vena subclavia (Fig. 354
und Fig. 373, vsc) fort, welche ausser dem Blute des Armes und der
Schulter auch noch andere oberflächliche Zuflüsse erhält, wie z. B. die
V. mammaria externa.
Der grösste Venenstamm des Körpers wird von der unteren
Hohlvene (Fig. 373, vci) hergestellt, die auf dem Kreuzbeine aus
der Vereinigung der beiden F. iliacae entsteht. Sie läuft auf der dor-
salen Seite der Bauchhöhle an der rechten Seite der Bauchaorta,
durchsetzt das Zwerchfell durch eine besondere Spalte (foramen venae
cavae), läuft in der Brust rechterseits neben dem Schlünde und ergiesst
sich in die Rückenwand der rechten Vorkammer. Sie nimmt die Zu-
flüsse aus der hinteren Körperhälfte und den Eingeweiden auf. Wir
erwähnen nur die wesentlichsten Stämme in ihrer Reihenfolge von
hinten nach vorn.
Die F. iliaca communis^ die nur sehr kurz ist und aus
der F. iliaca externa und interna sich zusammensetzt, vereinigt sich
zur Bildung der Hohlvene mit dem Stamme der anderen Seite vor
dem Promontorium (s. S. 843), in dem durch das Zusammentreffen
des Kreuzbeines mit dem letzten Lendenwirbel gebildeten stumpfen
Winkel.
Die F. iliaca interna nimmt auf: die vom. Rectum und den be-
nachbarten Theilen kommende F. haemorrhoidalis, die F. ischiatica vom
Becken und die F. pudenda von den Geschlechtsorganen.
In die F. iliaca externa münden: die F. ilio-lunibalis von den
Lenden , die F. vesicalis von der Harnblase und den benachbarten
Theilen, Mastdarm, Geschlechtscanälen. Aber ihr Hauptzufluss wird
von der F. cruralis gebildet, deren, Zuflüsse das Blut aus der hinteren
Extremität zurückführen und die auf ihrem Laufe die oben beschrie-
benen Arterien begleiten, deren Namen sie auch führen.
Nachdem durch diese Zuflüsse die Hohlvene gebildet ist, empfängt
dieselbe unmittelbar auf ihrem Laufe nach vorn die Venen, welche aus
den Eingeweiden und den Bauchwänden kommen und den gleich-
namigen Arterien entsprechen: F. spefmaticae, renales, suprarenales,
Säugethiere. 937
phrenicae posteriores von der hinteren Fläche des Zwerchfelles und
fünf V. hepaticae aus den verschiedenen Leberlappen.
Letztere führen der Hohlvene das Blut zu, welches vorher in dem
Pfortadersysteme circulirt hat.
Die Pfortader sammelt in der That das Blut nur aus dem Darme
und dem Gekröse durch die F. mesenterica superior und inferior^ die
F. coronaria stowachi, V. pyloricci; ihr Stamm verläuft in dem Uga-
mentum Jiepatico- duodenale (Fig. 367, thd), geht hinter dem Gallen-
gange durch und theilt sich dann in zwei Hauptäste, einen für die
rechten, einen für die linken Leberlappen. Diese verästeln sich in der
Lebersubstanz, wie Arterien, zu einem dichten Capillarnetze, das die
ganze Leber durchzieht und aus welchem sich nach und nach die
erwähnten Lebervenen zusammensetzen, welche sich in die Hohlvene
ergiessen.
Kleiner oder Lungenkreislauf. Die ihn bildenden Gefässe
leiten das Blut aus der rechten Herzkammer in die Ljingen und führen
es in die linke Vorkammer zurück.
Die Lungenarterie (Fig. 372, Fig. 373, ap) entspringt am
oberen Rande der rechten Herzkammer, krümmt sieb sofort zwischen
dem Bogen der Aorta und der linken Vorkammer ebenfalls in einem
Bogen nach links und hinten und theilt sich an dem Theilungswiukel
der Luftröhre in einen rechten und linken Hauptast für je eine Lunge,
Die Aeste und Zweige dieser Lungenarterien folgen den Verästelungen
der Bronchen bis zu den Lungenbläschen, in deren Wänden sie ein
äusserst reiches Capillarnetz bilden. Aus diesem Netze sammeln sich
die Gefässe zu grösseren Stämmen, welche schliesslich in den Lungen-
venen zusammenkommen. Deren giebt es zwei für jede Lunge, die
getrennt für sich auf der rechten und linken Seite der Hohlvene zum
Herzen laufen und sehr nahe bei einander in die linke Vorkammer
münden. Zuweilen verschmelzen sie mit einander auf ihrem Verlaufe
innerhalb des Herzbeutels.
Lymphgefässsystem. Die Gefässe dieses Systemes, welche das
in allen Lücken der Gewebe sämmtlicher Organe und den Capillar-
gefässen ausschwitzende Plasma des Blutes aufnehmen, also überall
entstehen, vereinigen sich in Aeste, welche im Allgemeinen den Venen
folgen und schliesslich in den grossen Sammelcanal, Cancüis tlioracicus,
münden. Auf ihrem Wege finden sie aber mehr oder minder ansehn-
liche Zellenhaufen, die sogenannten Lymphdrüsen, in welchen die
Lymphköi'perchen gebildet werden.
Die peripherischen Lymphgefässe lassen sich nur schwer darstellen.
Ueberall in ihrem Verlaufe finden sich Klappen, welche einer Injection
von den Stämmen aus gegen die Peripherie hindernd in den Weg
treten; ihre ausnehmende Dünne gestattet keine Präparation an dem
fi'ischen Thiere, so dass wir uns auf die Erwähnung der Hauptsammei-
938 Wirbelthiere.
gänge beschränken , die man durch ihre helle Farbe und die Zartheit
ihrer Wände von anderen Gefässen unterscheiden kann. Die Jugular-
stämme, die neben den gleichnamigen Venen verlaufen, bringen die
Lymphe vom Kopfe und Halse, der grosse Brustgang sammelt die
Lymphe von den hinteren Körpertheilen , den Elingeweiden und dem
Chylus vom Darmsysteme.
Der unpaare Brustgang bildet sich in der Lendengegend der
Bauchhöhle aus den seitlichen und hinteren Zuflüssen und beginnt mit
einer Erweiterung, Oisterna chyJi; er verläuft zur rechten Seite der
Aorta und über derselben nach vorn , durchsetzt mit ihr das Zwerch-
fell und ' mündet in die linke Schlüsselbeinvene , F. subclavia sinistra,
wo sein Inhalt, Lymphe und Chylus, sich mit dem Blute mischt.
Sein Durchmesser wechselt sehr bei den einzelnen Individuen , ist aber
geringer, als derjenige der Aorta. Die Chylusgefässe des Gekröses, die
sich in ihn ergiessen , lassen sich durch ihre milchweisse Farbe un-
mittelbar nach Beendigung der Verdauung im Darme leicht erkennen.
Die Lymphdrüsen sind meist kleine Knötchen von rosenrother
Farbe, oft sehr inconstant. Die wesentlichsten sind: die Halsknoten,
die oberflächlichen liegen unter der Haut an der äusseren Jugularvene,
in der Gegend des ersten Lufti'öhrenringes , die tieferen unter dem
M. sterno-mastoideus auf der Aussenseite des N. vagus und der Caro-
tiden; die Kieferdrüsen au dem Winkel des Unterkiefers, nahe an
dem Ansätze des Kaumuskels; die Achseldrüsen in der Achselhöhle
unter der Vene; die Bronchialdrüsen an dem Thejlungswinkel der
Luftröhre; die meist grossen oberen Mesenterialdrüsen {Pan-
creas Äselli) an der Wurzel des Gekröses; die unteren Mesenterial-
drüsen an den unteren Gekrösarterien im Niveau des absteigenden
Dickdarmes; die oberen und unteren Leistendrüsen, erstere in der
Leistenfalte, letztere am Anfange des Schenkels u. s. w.
Wir erinnern zum Schlüsse, dass die Milz (Fig. 332, x), die man
meist bei Gelegenheit des Verdauungscan als zu behandeln pflegt, mit
diesem ursprünglich keine Beziehungen hat, wohl aber sehr innige mit
dem Blutgefäss - und Lymphsysteme. Die Milz ist ein Organ von
dunkelrother oder brauner Farbe , in Gestalt eines platten , länglichen
Kuchens, das an dem hinteren Rande der grossen Curvatur des Magens
liegt und in dieser Lage durch eine Mesenterial falte, das Ligamentum
gastro-splenicum^ erhalten wird. Sie enthält eine Menge von Lymph-
follikeln {Corpuscula Malpighii) und spielt eine bedeutende Rolle in
der Bildung und Zerstörung der Blutkörperchen.
Die Schilddrüse , die Thj^mus und die Nebennieren , welche wir
schon abgehandelt haben, gehören ebenfalls in die Categorie der
Gefässdrüsen.
Säugetliiere. 939
Wir sagten schon im Anfange dieses Capitels, dass die Säugethiere zwar
eine bestimmte Anzahl von Charakteren besitzen, welche sie unter allen Um-
ständen als Säugethiere kennzeichnen , dass sie aber zugleich sich an zahl-
reiche und verschiedene Existenzbedingungen angepasst haben, wodurch ihre
vergleichende Anatomie äusserst verwickelt wird.
Das Tegument zeigt stets dieselbe fundamentale Organisation aus zwei
Schichten : die Oberhaut mit der äusseren Hornschicht und der inneren
Zellenschicht des Malpighi'schen Netzes; sodann die aus Bindegewebe ge-
filzte Leder haut, die von Nerven, Blut- und Lymphgefässen durchzogen
wird, meist glatte, seltener gestreifte Muskelbündel und häufig in den unteren
Schichten bedeutende Ansammlungen von Fett aufweist.
Die mehr oder minder dicke Epidermis lässt die vielfachsten Bildungen
entstehen: die Nägel (welche nur den Cetaceen und den langen Flügelfingern
der Fledermäuse abgehen), aus welchen die, zuweilen zurückziehbaren (Katzen)
Krallen und die Hufe hervorgehen , die Hornscheiden der Wiederkäuer , die
Hörner der Nashörner, die Gesässschwielen vieler Affen, die Hornschuppen,
welche bald nur klein sind, wie an den Schwänzen mancher Nager (Mus,
Castor) , bald sehr gross werden , sich ziegelartig übereinander lagern und
den Rücken und die Seiten bedecken (Schuppenthiere).
Die Malpighi'sche Schicht enthält häufig Pigmente, welche zur Färbung
der Haut beitragen.
Die Lederhaut treibt gegen die Epidermis hin warzenförmige Erhöhungen,
Papillen, welche bald nur Capillarnetze enthalten (Gefässpapillen), häufig
aber Nerven und Tastkörperchen zeigen (Tastpapillen). Diese Papillen fehlen
oder sind nur wenig in den mit Haaren bedeckten Hautstellen entwickelt;
bei den nackten Säugethieren (Walthiere) dagegen Averden sie enorm gross.
Der Lederhaut gehören die Knochenstücke an, welche den Panzer der Gürtel-
thiere bilden und theilweise auch die Geweihe vieler Wiederkäuer (Hirsche).
Die Hautdrüsen gehören zwar alle ursprünglich der Epidermis an,
dringen aber meist mehr oder minder tief in die Lederhaut und über diese
hinaus ein. Ausser den röhrenförmigen Schweissdrüsen, die nur selten (Mäuse,
Maulwurf, Wassersäugethiere) fehlen, und den lappigen Talgdrüsen können
wir den Hautdrüsen zuzählen: die Afterdrüsen, welche besonders bei
Fleischfressern, Nagern, Edentateu ausgebildet sind; die Präputialdrüsen
der Biber und Ratten, welchen auch der ungeheure Drüseusack des Moschus-
thieres angehört ; die Hinter hauptsdrüsen der Kameele, die Wangen-
dr üsen der Cerviden, die Schläfendrüsen der Elephanten, die Schenkel-
drüsen der männlichen Monotremen , die Kreuzbeindrüse der Pecaris,
die Meibom'scben Drüsen der Augenlider, die Schmalzdrüsen des
äusseren Gehörganges und die von Weber (s. Lit.) bei dem Känguruh und
der Zwerg-Antilope beschriebenen Drüsen, die ein gefärbtes Secret liefern.
Die Milchdrüsen gehören ebenfalls den Hautdrüsen an. Bei den
Monotremen, wo sie eine äusserst einfache Structur zeigen, bilden sie sich
nach Gegenbaur (s. Lit.) aus Schweissdrüsen hervor, während sie bei den
übrigen Säugethieren weiter entwickelte Talgdrüsen sind. Zitzen fehlen bei
den Monotremen vollständig. Die von den Drüsen abgesonderte Flüssigkeit
ist noch keine wahre Milch ; sie ergiesst sich über die den Drüsenöffnungen
benachbarten Haare, bald auf der Oberfläche der Haut selbst (Schnabelthier),
bald im Grunde einer Tasche (Echidna) und Avird von dem Jungen aufgeleckt,
aber nicht gesaugt. — Bei allen übrigen Säugethieren finden sich Zitzen, die
bald in Gestalt von Warzen das ganze Feld besetzen, auf welchem die Drüsen-
gänge ausmünden (Beutelthiere , Primaten), oder auch von einer Hautfalte,
welche das Drüsenfeld umgiebt, eingeschlossen werden, so dass sich die Oeflf-
nungen auf dem Grunde einer Art von Trichter öffnen (Carnivora, Einhufer).
940 Wirbeltbiere.
Die Zahl der Zitzen entspricht meist der Zahl der Jungen , welche geworfen
werden. Ihre Lagerung vai'iirt sehr; auf dem ganzen Bauche der Kaub-
thiere, der Schweine etc. findet man zwei Längsreihen von Zitzen nahe der
Mittellinie; bei den Hufthieren und d en Walthieren liegen sie in den Weichen;
an der Brust bei den Sirenen, Fledermäusen und Primaten. Bei den Halbaffen
und den Fledermäusen finden sich ausser den gut entwickelten Brustzitzen,
welche allein functioniren , häufig noch rudimentäre Zitzen am Bauche oder
den Weichen.
Die Haare sind durchaus charakteristisch für die ganze Classe. Zu-
weilen ist die Behaarung beim Embryo dichter als beim Erwachsenen und
in Form eines feinen Wollhaares (lanugo) ausgebildet; meist sind die Haare
beim Erwachsenen über den ganzen Körper in regelmässiger Anordnung aus-
gebreitet und nur selten auf einige Stellen beschränkt (Lippen der Walthiere,
Rücken der Rüsselthiere). Der Durchmesser der Haare, ihre Dicke, wechselt
mannigfaltig und sie tragen danach verschiedene Bezeichnungen: Flaum,
Haare, Stichelhaare, Borsten, Stacheln, die sich alle auf demselben Individuum
vorfinden können. Die Stacheln des Stachelschweines und des Stacheligels
mögen die dicksten sein. Auch ihre Gestalt wechselt in weiten Grenzen ; meist
sind sie glatt mit rundem oder etwas ovalem Durchschnitt, oder plattgedrückt
und gekräuselt (Wollhaare); zuweilen knotig (Marder) oder geriefelt (Fleder-
mäuse) u. s. w. Tasthaare, wie wir sie beim Kaninchen beschrieben haben,
kommen sehr häufig, besonders an den Lippen vor und bilden einen Schnurr-
bart. Ein periodischer Haarwechsel (Mauserung) kommt bei den Säugethieren
kälterer Länder vor und ist, namentlich in den Polargegenden, mit einem
Wechsel der Färbung verknüpft.
Die Phylogenie der Haare ist neuerdings mehrfach behandelt worden.
Maurer leitet sie von den Hautsinnesorganen der Wasserthiere ah. Ihre
Beziehungen zu den Schuppen, Zähnen etc. sind jetzt allgemein anerkannt.
Bevor wir die Haut verlassen, müssen wir noch die mächtigen Fett-
ablagerungen erwähnen , welche sich in dem Unterhautzellgewebe entwickeln
und theils localisirt sein können (Buckel der Kameele und Buckelochsen),
theils auch, wie bei Wasserthieren, eine continuirliche Speckschicht bilden,
welche den ganzen Körper einhüllt.
Das Skelett ist niemals pneumatisch — an Stelle der Luftcanäle der
Vögel treten, mit einem eigen thümlichen Fette, dem Knochenmarke, er-
füllte Räume.
Die Wirbelsäule der Säugethiere zeichnet sich durch die scharfe
Trennung der verschiedenen Regionen, Hals-, Brust-, Lenden-, Kreuzbein- und
Schwanzgegend aus. Nur bei den Walthieren, die keine- Hinterglieder be-
sitzen , bildet sich kein Kreuzbein aus. Die Wirbelkörper tragen keine Ge-
lenkflächen; sie sind durch faserknorplige Zwischenscheiben mit einander
verbunden; die Gelenke werden auf den Wirbelbogen und besonderen Fort-
sätzen derselben entwickelt. Im Gegensatze zu den Vögeln ist die Zahl der
Halswirbel normirt, während diejenige der S cli wanzwirbel in sehr
weiten Grenzen variirt. Mit Ausnahme des Manati, der nur sechs Hals-
wirbel besitzt, und einiger Faulthiere, die acht oder selbst neun zeigen, haben
alle anderen Säugethiere sieben Halswirbel, mag nun der Hals so lang wie
der der Giraffe, oder so kurz wie der des Walfisches sein.
Die Halswirbel, welche sich durch die sehr geringe Ausbildung ihrer
Dornfortsätze und Rippen-Rudimeute im Allgemeinen auszeichnen, sind meist
sehr beweglich gegen einander, jedoch bei den Walen und einigen Zahnarmen
(Chlamydophorus) im Gegentheil mit einander verwachsen. Wie bei dem
Kaninchen, dreht sich der erste, der Atlas, um den Dornfortsatz des zweiten,
des Epistropheus , bei den seitlichen Bewegungen des Kopfes , während die
Sängethiere. 941
verticalen Bewegungen, Nicken und Aufrichten, zwischen dem Atlas und den
seitlichen Gelenkhöckern des Hinterhauptes stattfinden.
Die Dorufortsätze der Rückenwirbel stehen im Verhältuiss zum
Gewichte des Kopfes und der Länge des Halses. Bei den Pferden, Kameelen,
Giraften, Hirschen u. s. w. sind sie deshalb ungemein mächtig. Alle Rücken-
wirbel tragen Rippen, die mit ihrem ventralen Ende sich entweder mit dem
Brustbeine verbinden (wahre Rippen), oder auch frei bleiben (falsche Rippen).
Meist finden sich zwölf oder dreizehn Rückenwirbel; einige Fledermäuse und
Gürtelthiere haben weniger, während bei anderen die Zahl auf 18 (Equus),
19 bis 20 (Nashorn, Elephant) oder gar auf 23 bis 24 (Bi'adypusj steigen kann.
Die Lendenwirbel, welche entweder gar keine oder nur rudimentäre
Rippen entwickeln , die schon in der Embryonalzeit sich an die ventrale
Fläche der Querfortsätze anlegen und mit diesen verschmelzen (Rosenbergj,
zeigen meist die Zahlen sechs bis sieben; bei Ornitliorhynchus und Myrmeco-
phagus finden sich mir zwei , bei Stenops dagegen sogar neun und mehr.
Die schwankenden Zahlen beruhen besonders auf dem Antheile, welchen die
hinteren Lendenwirbel an der Bildung des Kreuzbeines nehmen, während an
den vorderen sich dagegen Rippen entwickeln, die sie als Rückenwirbel be-
trachten lassen.
Die Fauhhiere und Gürtelthiere besitzen die grösste Zahl von Kreuz-
beinwirbeln, acht oder neun. Die Zusammensetzung des Kreuzbeines
variirt indessen sehi*. Ursprünglich besteht es nur aus zwei Wirbeln, ver-
längert sich aber durch die Heranziehung einer mehr oder minder grossen
Zahl von Schwauzwirbeln, die in den weitesten Grenzen variiren. Die
geringste Zahl von Schwanzwirbeln findet sich bei den anthropoiden Affen,
wie beim Menschen; die grösste (30 und mehrj bei einigen amerikanischen
Affen. Stets zeichnen sich die Schwanzwirbel durch die geringe Ausbildiing
ihrer Fortsätze aus, die schliesslicii ganz verschwinden, so dass am Ende
des Schwanzes nur noch cylindrische Wirbelkörper vorhanden sind.
Das Skelett des Koi^fes zeichnet sich vor dem der Yögel und der
meisten Reptilien durch drei voi ragende Charaktere aus; die Nackenbeuge
zwischen der Wirbelsäule und dem Kopfe ist weit ausgebildeter; der Schädel
ist voluminöser durch die bedeutendere Entwickelung der Schädelwölbung
und drittens ist der Hirnschädel weit inniger mit dem Gesichtsschädel ver-
bunden. Namentlich dieses letztere Verhältniss ist sehr bemerkenswerth :
der Mandibularbogen dient nicht mehr als Suspensorium des Unterkiefers,
sondern wird in seiner oberen Hälfte zur Bildung des Hammers und des Amboss
in dem mittleren Ohre verwendet, während die obere Hälfte des zweiten Vis-
ceralbogens , des Hyoidbogen . sich spaltet, um einerseits das dritte Gehör-
knöchelchen, den Steigbügel, und anderseits den Griffelfortsatz des mit dem
Schläfenbeine verschmolzenen Zitzenbeines zu bilden.
Ferner sind die Schädelknochen meist weit fester mit einander ver-
bunden , als bei den übrigen Wirbelthieren. Die Nähte , in welchen sie
zusammenstossen , bleiben zwar meist zeitlebens sichtbar, können aber doch,
wie bei den Monotremen, und alten Individuen vieler Arten, so mit einander
verschmelzen, dass die ganze Schädelkapsel nur aus einem einzigen Stücke
zu bestehen scheint.
Die vier Stücke des Hinterhauptsbeines verschmelzen immer. Jedes
der seitlichen Hinterhauptsbeine trägt einen Gelenkhöcker für den Atlas und
häufig (Artiodactyleu, Solipeden) noch einen absteigenden Fortsatz, apophysis
paramastoidea.
Die bei dem Embryo getrennten Knochenkerne des Prae - , Epi - und
Opisthoticum verschmelzen stets zu einem Knochen, dem Felsenbeine, auf
welches sich eine Deckplatte, das Schuppeubeiu, auflegt und meist mit dem
942 Wirbelthiere.
Felsenbeine zu einem Knochen, dem Schläfenbeine, verschmilzt, dessen
Schuppe die Deckplatte bildet und einen Portsatz nach vorn entsendet, welcher
sich mit dem Os jugale zur Bildung des Jochbogens vereinigt. Schon bei
den Cetaceen und Wiederkäuern nimmt die Schuppe des Schläfenbeines einigen
Antheil an der Bildung der inneren Schädelwand^ der bei den höheren Typen
grösser wird und bei den Primaten sein Maximum erreicht. Mit dem
Schläfenbein tritt ausserdem noch der Trommelfellring in Verbindung, der
bei den höheren Säugethieren sich röhrenförmig auszieht und den äusseren
Glehörgang darstellt.
Das Keilbein zeigt im Ganzen wenig Modificationen; es besteht meist,
wie beim Kaninchen , aus seinen zwei Abschnitten mit ihren seitlichen
Flügeln (alisphenoidalia). Aehnlich verhalten sich die Deckknochen des Hirn-
schädels, die Scheitel- und Stirnbeine, deren Dimensionen der Grösse des
Gehirnes angepasst sind. Bei Wiederkäuern, Pferden und anderen verschmelzen
die Scheitelbeine zu einem Stücke. Das bei dem Kaninchen getrennte
Zwischenscheitelbein verschmilzt meist mit dem Hinterhauptsbein, zu-
weilen auch (Wiederkäuer) mit den Scheitelbeinen. Die ursprünglich stets
paarigen Stirnbeine verschmelzen sehr häufig (Fledermäuse, Elephanten,
Primaten etc.) und bilden bei den Säugethieren, welche Hörner oder Geweihe
tragen, Knochenzapfen, x\m welche sich die Scheiden der Hörner ausbilden
oder auf welchen die Geweihe aufsitzen. Zuweilen (Elephanten) werden die
zu den Nasenhöhlen gehörenden Stirnhöhlen ganz enorm.
In Folge der mannigfachen Ausbildung der Kiefer- und Nasengebilde
zeigt der vordere Abschnitt des Schädels zahlreiche Variationen. Die Hirn-
höhle ist vorn durch die Siebplatte des Ethmoideum geschlossen, deren
zahlreiche Löcher die Fasei-bündel der Riechnerven durchtreten lassen. Nur
beim Schnabelthiere finden sich , wie bei den niederen Wirbelthieren , zwei
einfache Löcher zum Durchtritte der beiden Riechnerven. Meist ist das
Siebbein gänzlich von Unten her durch die Gaumen- und Kieferknochen so
bedeckt, dass es erst nach Entfernung dieser Knochen sichtbar wird. Nur
bei einigen Edentaten und den Primaten existirt das Papierblatt des Sieb-
beines , welches an der Bildung der Innenwand der Orbita Antheil nimmt.
Die aus der Vereinigung der seitlichen Theile mit dem Körper des Siebbeines
hervorgegangene senkrechte Platte, unter welcher der ursprünglich doppelte
Vom er liegt, stützt meistens die Zwischenwand der Nasenhöhlen. Man
homologisirt meist die Seitentheile des Siebbeines, welche mehr oder minder
entwickelte Sinus und Muscheln zeigen , mit den vorderen Stirnbeinen der
Fische.
Die Thränenbeine, welche jederseits dem Siebbeine vorliegen, sind
bei den Pinnipeden und einigen Cetaceen (Delphinus), mit den benachbarten
Knochen verschmolzen.
Die Nasenbeine, die über dem Siebbeine liegen , sind ursprünglich
stets paarig, verschmelzen aber bei einigen Aifen. Ihre Entwicklung richtet
sich nach der Länge der Schnauze ; bei den Cetaceen und Primaten sind sie
nur klein.
Bei den höheren Typen bleiben die kleinen Flügelbeine getrennt.
Sie werden aber bei einigen Zahnarmen (Dasypus) und Cetaceen sehr lang,
nehmen dann einen bedeutenden Antheil an der Bildung des Gaumengewölbes
und vereinigen sich sogar, um wie bei manchen Reptilien, die stark nach
hinten gerückten hinteren Nasenöffnungen (Choanen) zu umfassen.
Aber meist wird das G a u m e n g e w ö 1 b e von den Gaumenbeinen
und ihren Fortsätzen gebildet , die sich seitlich mit den Oberkiefern und
vorn mit den Zwischenkiefern verbinden und so die Nasenhöhle von
der Mundhöhle scheiden. Die Zwischenkiefer werden bei Edentaten und
Säugethiere. 943
Fledermäusen rudimentär; sie verschmelzen bei den Primaten mit den
Oberkiefern.
Das Jochbein fehlt nur selten (Sorex), meist verbindet es sich mit
dem Jochfortsatze des Schläfenbeines zur Bildung des Jochbogens , der bei
Myrmecophaga , Bradypus und anderen unvollständig wird, indem das mit
dem Oberkiefer verbundene Jochbein den Fortsatz des Schläfenbeines nicht
erreicht. Bei den Pferden, Wiederkäuern und anderen verbindet sich das
Jochbein ausserdem noch mit dem Stirnbeine und scheidet so die Orbita von
der Schläfengi'ube ab.
Der Unterkiefer setzt sich stets aus zwei Deckplatten zusammen, welche
sich um den unteren Abschnitt des ersten Visceralbogens, den Meckel'schen
Knorpel, herum lagern. Die Kiefer bleiben bei den niederen Typen getrennt,
sie verschmelzen in der Symphyse bei den Fledermäusen und den Primaten.
Wir haben oben die Umbildung des proximalen Abschnittes dieses ersten
Visceralbogens zu Hörknöchelchen erwähnt. Der zweite Tisceralbogen , der
Hj'oidbogen , verbindet sich (mit Ausnahme des kleinen Stückchens, welches
sich zum Steigbügel ausbildet) am Schädel mit dem Boden der Gehörkapsel
und bildet dort den Griffelfortsatz des Felsenbeines; sein distaler Theil ver-
bindet sich mit dem Körper des Zungenbeines und bildet die kleinen Zungen-
beinhörner. Der mittlere Abschnitt verknöchert nur selten, er bildet das
lAgamentum stylo-hyoideum. Der Körper des Zungenbeines ist breit
und platt; er wird durch ein Band (ligamenhim thyro-hyoideum) an den
Vorderrand des Kehlkopfes befestigt. Bei den mit Kehlsäcken ausgestatteten
Affen zeigt dieser Theil besondere Bildungen. Er stellt die C'opula eines
Bogens dar, dessen Seitentheile von den grossen Zungenbeinhörnern gebildet
werden, und zeigt zahlreiche Modificationen , hinsichtlich welcher, wie hin-
sichtlich der unzähligen Variationen der einzelnen Knochen wir auf die
speciellen Lehrbücher der vergleichenden Osteologie und besonders auf
Giebel's Werk: Die Säugethiere, in Bronn's Thierreich verweisen.
Zum Schlüsse machen wir noch auf die eigenthümliche Tendenz auf-
merksam, welche der Gesichtsschädel zeigt, der nach und nach unter den
Hirnschädel unterschlüpft, statt vor demselben zu lagern. Bei den Primaten
zeigt sich dieses Verhalten auffallend, und bei dem Menschen liegt fast der
ganze Gesichtsschädel unter und nicht vor dem Hirnschädel.
Ein vollständiger, aus den drei getrennten Knochen: Schulterblatt,
Schlüsselbein und Eabenbein gebildeter Schulte rgürtel findet sich nur
hei den Monotremen. Bei allen anderen Säugethieren verschmilzt das, übrigens
aus einem selbständigen Knochenkerne entstehende Eabenbein mit dem Schulter-
blatte, von dem es dann nur einen, über dem Schultergelenke entwickelten
Fortsatz, processus coraeoideus, bildet. Nur ausnahmsweise (Sorex) finden sich
Spuren des sternalen Endes des Eabenbeines in Gestalt von Knorpelfortsätzen
des Brustbeinstieles. Das Schlüsselbein bildet sich bei den Säugethieren,
deren Vorderglieder nur dem Gange (Ungulaten, Carnivoren) oder dem
Schwimmen (Cetaceen) gewidmet sind, nicht aus und wird meistens durch
eine Sehne ersetzt. Bei den fliegenden (Fledermäuse^, kletternden oder
grabenden Säugethieren dagegen (Edentaten, Nager, Insectivoren . Halbaften)
entwickelt sich das Schlüsselbein in sehr bedeutendem Grade. Das Schulter-
blatt ist stets vorhanden und stützt meist allein das Glied; es verbreitert
sich oft bedeutend, entwickelt einen, bei den Monotremen angelegten, Kamm
zum Ansatz der Muskeln , der mit einem mehr oder minder vorspringenden
Fortsatze über dem Schultergelenke, dem Acromion, endet.
Der Beckengürtel ist nur bei den Cetaceen, welche keine hintere
Extremität besitzen , rudimentär und durch zwei kleine . in den Muskeln
verlorene und nicht mit der Wirbelsäule verbundene Knochenstückchen ver-
944 * Wirbelthiere.
treten. Bei allen übrigen Säugethieren ist der ursprünglich aus drei paarigen,
getrennten Knochen gebildete Beckengürtel vorhanden. Bei der Geburt sind
diese Knochen meist noch durch Zonen von Knorpel getrennt , deren Spuren
sich meist in der Nähe des Hüftgelenkes, wo sie zusammenstossen, erhalten,
während sonst die Knochen miteinander verschmelzen. Das Darmbein
(Ilium) heftet sich stets an das aus einer variabelen Menge von verschmol-
zenen Wirbeln gebildete Kreuzbein an; nur bei den Faulthieren und Gürtel-
thieren verbindet sich auch das Sitzbein {Ischion) mit dem durch diese
Verbindung stark verlängerten Kreuzbeine. Bei den Beutelthieren und den
meisten Hufthieren vereinigen sich die Sitzbeine in der ventralen Mittellinie
durch eine Symphyse {S. ischiatica) , während bei den übrigen der Schluss
nur durch eine Symphyse der Darmbeine (S. pubis) hergestellt wird. Bei
einigen Insectivoreu und Fledermäusen wii-d die Symphyse durch ein nach-
giebiges Band ersetzt. Im Allgemeinen erhält der Beckengürtel durch das
Verschmelzen der Knochen unter einander und mit der Wirbelsäule eine weit
grössere Stabilität und Tragfähigkeit, als der Schultergürtel. Bei den Mono-
tremen und Beutelthieren stehen auf dem Vorderrande der Schambeine in
der Nähe der Symphyse zwei nach vorn gerichtete Knochen, die eigeu-
thümlichen Beutelknochen, die durchaus für diese beiden Gruppen
charakteristisch sind und sonst nirgends vorkommen. Sie sind vielleicht
homolog mit den bei den Amphibien voi'kommenden Vorknorpeln des Beckens
{Cartilagines epipubiales). Man vergleiche Wieder sheim's Anatomie der
Wirbelthieie.
Die vordere Extremität fehlt nie, ist aber, je nach ihrer speciellen
.Bestimmung sehr verschieden gestaltet. Bei den Schwimmern (Cetaceen) ist
sie sehr kurz und wenig beweglich, da alle sie bildenden Knochen fest mit-
einander verbunden sind ohne Gelenke. Die Sirenen besitzen schon ein
Ellbogengelenk , und bei den Pinnipeden , wo die Hand noch ein plattes
Ruder darstellt, wird der Arm beweglich genug, um. eine Fortbewegung auf
dem Boden möglich zu machen.
Bei den Säugethieren, wo das Vorderglied nur zum Stützen und Gehen
benutzt wird, verbinden sich Radius und Ulna in unbeweglicher Weise (Artio-
dactylen), oder verschmelzen sogar miteinander (Einhufer). Wenn aber zu
diesen primitiven Functionen weitere , specialisirte hinzukommen , wie das
Ergreifen oder Fliegen, so wächst die gegenseitige Beweglichkeit der Knochen,
was wir von den Beutelthieren bis zu den Primaten bestätigen können. Nicht
nur wird dann der Radius vollkommen unabhängig von der Ulna, er dreht
sich auch um dieselbe, so dass sein distales Ende einen Kreis beschreibt und
die an ihn eingelenkte Hand jene Bewegungen ausführen lässt, die wir als
Pronation und Supination bezeichnen und die mit einer Torsion des distalen
Endes des Humerus (Martins), sowie mit einer Abweichung der Axe seines
Kopfes (Sabatier) zusammenfallen, die besonders bei den Primaten und
dem Menschen sehr ausgesprochen ist.
Bei den Wühlern wird das Oberarmbein kurz , dick und mit starken
Muskell eisten ausgestattet; zuweilen (Talpa) wird es sogar kürzer als die
Vorderarmknochen. Bei den Springern ist die vordere Extremität stets weit
kürzer als die hintere. Bei den Läufern (Einhufer) und den Fliegern (Fleder-
mäuse) verlängert sich der Arm; doch bieten sich hier manche Differenzen.
Die Zahl der Knochen des Carpus variirt mit derjenigen der Pinger;
sie liegen gewöhnlich in zwei Reihen geordnet. Bei allen Pentadactylen
kann während der Embryonalzeit ein Centrale constatirt werden , das aber
häufig (Primaten) schon vor der Geburt mit dem Carpo-radiale verschmilzt,
um das Scaphoideum zu bilden (Leboucq, s. Lit.). Die Maximalzahl der
Finger ist fünf, sie können aber successiv bis auf zwei (der dritte und vierte,
Säugethiere. 945
Wiederkäuer), oder selbst auf einen (Einhufer), reducirt werden durch Atrophie
der ursprünglich angelegten seitlichen Finger, von welchen man öfter noch
Rudimente findet. Bei den Artiodactylen fehlt stets der Daumen; der zweite
und fünfte Finger erreichen oft den Boden nicht (Suiden); das Gewicht des
Körpers wird also vom dritten und vierten Finger getragen. Bei den Perisso-
dactylen wiegt stets der dritte, der Mittelfinger vor, und trägt schliesslich
allein. Die Paläontologie lehrt uns die Uebergangsformen zwischen penta-
dactylen und monodactylen Typen kennen. Die Emhrj'ologie zeigt uns bei
den letzteren die Anlagen von fünf Fingern, die sich aber nicht entwickeln;
sie liefert den definitiven Beweis, dass die Eeduction der Finger ein Resultat
der Erwerbung ist. Vielleicht waren Hand und Fuss ursprünglich nicht
fünf-, sondern siebenfingerig (Wiedersheim).
Die hintere Extremität fehlt nur den Cetaceen und Sirenen. Bei
Balaenoptera hat man im Fleische ein Rudiment des Femur, bei Balaena ein
solches der Tibia vorgefunden. Sonst findet sich das Hinterglied allgemein,
aber ebenfalls in sehr verschiedener "Weise ausgebildet. Bei den Pinnipeden
dient es als Ruder , ist der Körperaxe parallel nach hinten gerichtet und
seine Finger sind durch eine strafte Memhran mit einander verbunden. Bei
den Springern (Känguruh , Springmaus) ist es im Verhältniss zum Vorder-
beine sehr lang. Meist ist der Femur kürzer aber stärker , als die Unter-
schenkelknochen; bei den Perissodactjden besitzt er einen dritten Trochanter.
Die Tibia ist stets weit stärker als das Wadenbein; häufig (Nager, Insecten-
fresser) sind beide Knochen mit einander verlöthet oder auch (Wiederkäuer,
Einhufer) wird das Wadenbein rudimentär. Dagegen sind bei manchen
Beutelthieren die beiden Knochen so unabhängig von einander , dass die
Tibia um das Wadenbein gerollt werden kann. Die als Sesambein in der
äusseren Strecksehne des Beines entwickelte , dem Kniegelenke aufliegende
Kniescheibe ist sehr constant; sie fehlt nur den Fledermäusen und ver-
schmilzt bei einigen Beutelthieren mit dem Wadenbeine.
Der Fuss ist mit dem Unterschenkel durch das Calcaneum und den
Astragalus eingelenkt, die zuweilen sehr verlängert sind (Tarsius). Die
distale Reihe der Tarsalknochen bietet, je nach der Reduction der Zehen,
manche Schwankungen. Die Reductionen der Zehen entsprechen denjenigen
der Finger, doch nur hinsichtlich der Art und Weise, nicht hinsichtlich der
Zahl, die verschieden sein kann; so haben Tapj'rus, Hyrax vier Finger vorn,
und drei Zehen hinten , während bei manchen Affen (Colobus) der Daumen
an der Hand fehlt, am Fusse dagegen gut entwickelt ist. Uebrigens ist bei
vielen Primaten , besonders Krallenaffen und Plattnasen , der Daumen des
Hinterfusses mehr entgegensetzbar als derjenige der Hand. Bei dem Menschen
kann bekanntlich nur der Daumen der Hand den übrigen Fingern entgegen-
gesetzt werden, während derjenige des Fusses nur abgezogen werden kann.
Wir verweisen hinsichtlich der zahllosen , in speciellen Arbeiten dar-
gelegten Modificationen des Muskelsystems auf das Resume, das Giebel
in B r o n n ' s Thierreich gegeben hat, und erwähnen hier nur die wichtigsten
Eigen thümlichkeiten. Im Allgemeinen sind die Muskeln bei den Säugethieren
mehr specialisirt und hesser definirt, als bei den übrigen Wirbelthieren , wie
dies bei dem Hautmuskel der Fall ist, welcher bei den Arten, die sich
zusammenrollen können (Echidna, Dasypus, Erinaceus) , ausserordentlich ent-
wickelt ist; sein vordei'er Abschnitt persistirt bei den Primaten auf den
Seiten des Halses {Platysma myoides) und greift selbst auf das Gesicht über
(Troglodytes, Satj'rus).
Ebenso sind die mimischen Gesichtsmuskeln, von welchen man
bei den niederen Wirbelthieren nur Spuren findet , bei den Primaten und
dem Menschen hoch entwickelt: um die Ohren, den Mund, die Nase, die
Vogt u. Yung, prakt. vergl. Anatomie. II. 60
946 Wirbelthiere.
Augen, auf den Schläfen und der Stirn; sie stammen alle vom Hautmuskel
des Halses ab.
Die beim Kaninchen beschriebenen Stammmuskeln finden sich mit be-
sonderen Anpassungen fast überall wieder. Der gerade Bauchmuskel zeigt
eine variable Anzahl von Myokommen; die langen Halsmuskeln (M. sterno-
hyoideus , sterno - thyreoideiis etc.), welche ihn bei den niederen Wirbelthieren
fortsetzen, sind hier unabhängig geworden.
Bei den Monotremen und den Beutelthieren findet sich ein grosser
Pyramidenmuskel auf der äusseren Fläche des geraden Bauchmuskels; er
entspringt am Innenrande der Beutelknochen und ist um so mächtiger, je
grösser der Brutbeutel für die Jungen ist. Bei den Placentalen finden sich
nur Rudimente dieses Muskels.
Die Muskeln der Glieder sind um so zahlreicher und differenzirter , je
ausgebildeter die Functionen sind, während mit der Vereinfachung dieser
letzteren , wie bei den Walthieren , sich auch die Muskeln vereinfachen. Bei
den Säugethieren , welclie den Radius rollen können , finden sich Pronatoren
und Supinatoren , die bei den übrigen nicht vorkommen. Erstere entstehen
von den Beugern, letztere von den Streckern der Hand.
Bei allen Säugethieren zeigt das Gehirn eine bedeutende Entwicklung
der vom Prosencephalon ausgehenden Hemisphären , welche stets das ganze
Mittelhirn und wenigstens noch einen Theil des Kleinhirnes überdecken. Die
Knielappen liegen stets an der IJnterfläche der Hemisphären. Durch diese
Charaktere unterscheidet sich das Gehirn der Säugethiere wesentlich von dem
aller anderen Wirbel thiere. Doch muss bemerkt werden, dass von den Mono-
tremen bis zum Menschen sich eine aufsteigende Vervollkommnung nach-
weisen lässt, deren Stufen bei den verschiedenen Ordnungen ausgebildet sind.
Das Hirn der Monotremen ist demjenigen der Vögel näher verwandt, als
demjenigen der Primaten.
Die allmähliche Vervollkommnung zeigt sich besonders deutlich in dem
Systeme der Commissureu , welche das Corpus callosum bilden und in der
Zunahme der grauen Substanz der Hirnrinde, welche die unter dem Namen
der Hirnwindungen bekannten Palten in Folge ihrer Ausdehnung wii'ft.
Das Corpus callosum ist bei den Monotremen und den Beutelthieren noch
rudimentär, wie in dem Vogelhirn; es bildet sich stufenweise bei den Zahn-
armen , Nagern und Insectivoren aus , um schliesslich bei den Raubthieren
und besonders den Primaten den Höhepunkt seiner Entwicklung zu erreichen.
Die Monotremen, Beutelthiere und Zahnarmen haben noch ein glattes Gehirn;
wenig zahlreiche und symmetrische Windungen treten bei den Nagern, Insecti-
voren und Fledermäusen auf; bei den Halbaffen sind sie noch selten , ver-
mehren sich aber bedeutend bei den Raubthieren, Walthieren, Flossenfüssern,
Primaten und Rüsselthieren. Ihre Anordnung unterliegt gewissen Gesetzen
und ihr Studium bildet einen bedeutenden Vorwurf der vergleichenden Ana-
tomie des Gehirnes (s. Wieder sheim, Lehrbuch). Wenn aber auch bei
den einzelnen Gruppen sich bestimmte charakteristische Anordnungen zeigen,
so dai-f doch nicht vergessen werden, dass die Ausbildung der Furchen und
Windungen auch wesentlich von der Grösse der Thiere abhängt , so dass
man sagen kann: je grösser das Thier, desto windungsreicher sein Hirn.
Das Mittelhirn ist regelmässig durch eine, nur bei den Monotremen
wenig ausgebildete Kreuzfurche in die Vierhügel getheilt. Die Zirbel-
drüse, welche bei den erwachsenen Thieren nur aus Epithelialgebilden
besteht, ist regelmässig durch stielartige Verlängerungen an das Zwischen-
hirn geheftet, dem sie angehört. Dieses zerfällt in zwei Massen, die Sehhügel,
welche den dritten Ventrikel umgeben und sich nach hinten und unten verlängern,
um den Hirntrichter zu bilden, an welchen sich die Hypophyse anlegt.
Säugethiere. 947
Das Kleinhirn zeigt immer drei Lappen, den mittleren "Wurm und
die beiden seitlichen Kleinhirnhemisphären, die hei den höheren Typen an
Grösse zunehmen. Der Wurm ist noch verhältnissmässig bedeutend und die
Hemisphären klein bei den Mouoti-emen, Beutelthieren, Zahnarmen und Fleder-
mäusen; die Hemisphären werden bei den Fleischfressern grösser und erreichen
den Höhepunkt ihrer Entwicklung bei den Primaten. Die auf der unteren Fläche
entwickelte Quercommissur , welche sie vereinigt, die Varolshrücke,
bildet sich im Verhältniss zu den Hemisphären aus ; sie ist sehr schmal bei
den Monotremen , am mächtigsten bei den Primaten. Die Windungen des
Kleinhirns , welche den sogenannten Lebensbaum bilden , zeigen bei den
Wiederkäuern, wo sie, wie bei manchen anderen Hufthiereu, asymmetrisch
sind, eigenthümliche Anordnungen.
Die senkrechten und horizontalen Falten der festen Hirnhaut, welche
als H i r n s i c h e 1 die beiden grossen Hemisphären und als H i r n z e 1 1 die
Hemisphären des Grosshirnes von dem Kleinhirne trennen , sind den Säuge-
thieren eigenthümlich. Das Hirnzelt verknöchert zuweilen (Delpbinus).
Das verlängerte Mark variirt wenig; seine Seitenstränge, die Oliven
und die Netzkörper, sind bei den höheren Typen am besten entwickelt.
Das Rückenmark, welches nur selten bis zum Ende des Eücken-
canales reicht und bei Insectenfressern und Fledermäusen ganz besonders
kurz ist, bildet fast immer am Ende eine C'auda eqxdna, welche die Nerven
der hinteren Extremitäten begreift, die noch eine Strecke weit im Eücken-
canal verlaufen. Die Anschwellungen des Eückenmarkes entsprechen der
Entwicklung der Extremitäten; bei den Cetaceen fehlt demnach die Lenden-
anschwellung. Ebenso verhalten sich die von den Extremitätennerven ge-
bildeten Plexus hinsichtlich der Zahl der an ihnen Antheil nehmenden
Nervenstämme.
Die zwölf Paare der Hirnnerven sind meist vorhanden. Nur bei
den Monotremen vereinigen sich die Bündel des Riechnerven zu einem
gemeinsamen Stamme; bei allen anderen treten die Bündel gesondert durch
die Löcher des Siebbeines in die Nasenhöhle. Der Facialis ist ausschliesslich
motorisch, er versorgt die mimischen Muskeln des Gesichtes. Der Hypo-
glossus wird besonders bei denjenigen Säugethieren sehr mächtig, deren
Zungenmusculatur für andere Functionen (Greiforgan) ausgebildet ist. Trige-
minus und Vagus zeigen keine bedeutenden Variationen.
Ebenso zeigt das sympathische Nervensystem hinsichtlich seiner
Ganglien und Geflechte, sowie seiner Verbindungen mit dem Trigeminus und
Vagus dieselbe fundamentale' Anordnung überall.
Die Organe der fünf Sinne sind überall ausgebildet. Der Tastsinn
zeigt oft grosse Feinheit und localisirt sich vorzugsweise an den haarlosen
Hautstellen (Schnauze , Handteller) oder an den mit Tasthaaren besetzten
Gegenden (Obei-lippe).
Die Flügelhaut der Fledermäuse, der Eüssel des Maulwurfes, des Ele-
phanten, des Tapirs zeichnen sich durch ein ausserordentlich feines Tast-
gefühl aus. Bei den Fledermäusen haben die Tastkörperchen die Gestalt
einer Keule (Vater'sche oder Pacini'sche Körperchen), ähnlich denjenigen,
welche sich im Gekröse und dem Pankreas einiger ßaubthiere (Katzen) finden.
Die Endknospen, welche als Geschmacksorgane fungiren und in den
am Eingange des Verdauungsorganes entwickelten Papillen sich finden , die
auf der Zunge und anderen Theilen der Eachenschleinahaut stehen , variiren
nur hinsichtlich ihrer Zahl, kaum in Beziehung auf ihren Bau.
Die Endapparate der Geruchsnerven finden sich stets im Hinter-
grunde des oberen Abschnittes der Nasenhöhlen , auf den oberen und mitt-
leren Nasenmuscheln und dem oberen Theile der Scheidewand. In Folge der
60*
948 Wirbelthiere.
verwickelten Bildung des Nasenlabyrintlies, sowie des Zusammenhanges mit
den Nebenhöhlen im Stirnbein, Keilbein und dem Oberkiefer, wo sich eben-
falls Endapparate finden können, bietet die Eiechgegend bei den Säugethieren
eine weit grössere Oberfläche , als bei allen übrigen Wirbelthieren. Am
wenigsten sind in dieser Hinsicht die Monotremen und Cetaceen bedacht.
Bei den Cetaceen ist der Eiechapparat durchaus verkümmert und geschwunden ;
die zuführenden Nasenhöhlen sind Spritzrohre geworden, welche sogar
bei einigen (Delphinus) nur eine einzige äussere Oeffhung zeigen. Bei den
Flossenfüssern und einigen anderen Wasserthiereu können die Nasen Öffnungen
beim Tauchen durch Klappen geschlossen werden (Zuckerkandl, s. Lit.).
Die Knorpelstücke, welche die Nasenhöhlen umgeben und an welche die
äusseren Nasenmuskeln sich ansetzen, verlängern sich bei den Eüsselthieren
zu einem zugleich als Tast- und Greiforgan dienenden Eüssel; kürzere
Verlängerungen der Art , die besonders zum Wühlen dienen , finden sich bei
Tapirus, Sus etc. und werden bei unterirdischen "Wühlern (Maulwürfen) oft
durch besondere Knorpel gestützt.
Das Jacobson'sche Organ ist bei den niederen Typen besser ent-
wickelt, als bei den höheren. Es besteht aus zwei, in der Basis der Nasen-
scheidewand liegenden , von Knorpel umgebenen Bohren , welche durch die
Schneidecanäle des Zwischenkiefers vorn in die Mundhöhle münden.
Die Gestalt der Augen variirt je nach dem Wohnorte. Bei den
Wasserthiereu ist die horizontale Axe verkürzt, die Hornhaut weniger gewölbt,
als bei den Landthieren; doch ist bei den Wiederkäuern der Breitendurch-
messer etwas grösser, während bei den Fledermäusen das Gegentheil der
Fall ist. Meist hat der Augapfel eine der Kugel genäherte Gestalt. Seine
Grössenverhältnisse variiren sehr; bei den unterirdischen Wühlern (Talpa)
werden die Augen sehr klein und können selbst ganz unter der Haut ver-
borgen sein (Spalax , Chrysochloris). Meist liegen sie , wie beim Kaninchen,
mehr seitlich am Kopfe, rücken aber, besonders bei den Primaten, mehr und
mehr auf die Vorderfläche.
Unter den bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten des Baues der
Augen erwähnen wir bei den Cetaceen die ausserordentliche Dicke der Scle-
rotica, die übrigens niemals einen Knochenring zeigt, wie bei den Vögeln.
Die Augen der Eaubthiere, Wiederkäuer, Einhufer etc. leuchten im Dunkeln
in Folge der Ausbildung einer, Interferenzerscheinungen bedingenden Stelle
in der Choroidea , welche das Tapetum genannt wird. Die Farbe der Iris
variirt. Meist ist die Pupille rund; horizontal - oval ist sie im Allgemeinen
bei Thieren der Ebene (Hufthiere , einige Beutelthiere) , senkrecht -oval bei
Kletterthiereu (Katzen). Die Kr3stalllinse ist kugelrund bei den Wasser-
thiereu ; bei den anderen ist ihre Vorderfläche stärker gewölbt als die Hinter-
fläche. Die Eetina zeigt stets dieselben Formelemente wie beim Kaninchen,
ohne bedeutende Variationen.
Die beiden senkrechten, mit Wimpern ausgestatteten Augenlider
fehlen nie. Die Nickhaut ist bei den Cetaceen nicht ausgebildet und bei
den Primaten auf die halbmondförmige Falte im inneren Augenwinkel reducirt.
Bei den Aplacentariern ist sie noch verhältnissmässig gross, hat aber keine
besonderen Muskeln , die man übrigens unter den Piacentariern noch beim
Elephanten nachgewiesen hat.
Die T h r ä n e n d r ü s e n fehlen ganz bei den Cetaceen und Elephanten
und sind sehr verkümmert bei anderen Wassei'bewohnern (Phoca, Lutra,
Hippopotamus). Bei den Elephanten scheinen sie durch die verhältnissmässig
sehr grosse Harder'sche Drüse ersetzt, welche übrigens in gleichem
Maasse abnimmt, Avie die Nickhaut, und bei den Primaten vollständig ver-
kümmert.
Säugethiere. 949
Die äussere Ohrmuschel fehlt den Monotremen , Cetaceen , Sireuen
und Seehunden , bei welchen der äussere Gehörgang sehr kurz ist und das
Trommelfell nahe an der Oberfläche liegt. Uebrigens ist die Ohrmuschel
sehr verschieden ausgebildet. Sehr klein bei den Otarieu und den Wühl-
thieren, wird sie bei Einhufern, Elephanten und vielen anderen, wie Eaub-
thieren, Nagern und Wiederkäuern sehr gross und bietet besondere Eigen-
thümlichkeiten bei manchen Nachtthieren (Fledermäuse, Halbaffen). Der oft
sehr entwickelte Muskelapparat der Ohrmuschel verkümmert bei den Primaten,
kann aber selbst noch bei dem Menschen in einzelnen Fällen fanctionsfähig
bleiben.
Das mittlere Ohr besitzt stets die Kette der Gehörknöchelchen, die
bei den Monotremen noch sehr an die Columella der Eeptilien erinnert.
Doch tritt der Steigbügel niemals direct, sondern nur durch Vermittlung
des Hammers und Amboss mit dem Trommelfelle in Verbindung; bei den
Wiederkäuern und Einhufern lüthet er sich an den Eand des ovalen Fensters
an. Die Paukenhöhle ist sehr geräumig bei den Cetaceen; sie mündet stets
durch die Eustachi' sehe Eöhre in den Pharj'nx , zuweilen auch in die
Nasenhöhle (Cetaceen). Bei den Einhufern ift diese Eöhre sehr weit.
Der wesentliche Charakter des inneren Ohres beruht auf der
UmAvandlung der Lagena in eine spiralförmig aufgewundene Eöhre , die
Schnecke, die bei den Monotremen noch sehr unscheinbar ist. Sie bildet
von anderthalb (Cetaceen , Igel) bis zu fünf Windungen (Coelogenys). Die
Zweige des Astes des Hörnerven, welcher diese Verlängeftmg des Sacculiis
durchläuft, enden in eigenthümlichen Bildungen, in sogenannten Corti'schen
Organen. Die Gestalt des Sacculus variirt in ziemlich weiten Grenzen;
weniger diejenige der halbkreisförmigen Canäle , welche bei den Cetaceen
sehr klein , bei den Nagern dagegen sehr gross sind. Ueber die Einzelheiten
vergleiche man das Werk von Eetzius, und über die Kreislaufsverhältnisse
in der Schnecke des Kaninchens Schwalbe (s. Lit.).
Das Verdauungssystem bietet mannigfache Modificationen. ' Bei
den Wurmzünglern ist die Mundhöhle sehr eng , bei manchen Cetaceen
(Balaena, Physeter) ungeheuer weit und geräumig. Mit Ausnahme der Mono-
tremen und Cetaceen, wo die Kieferränder zugleich die Mundränder bilden,
finden sich bei allen übrigen Säugethieren bewegliche , mit 3Iuskeln ausge-
stattete Hautfalten, die Lippen, die eine Art Vorhof umschliessen und
zuweilen selbst (Wiederkäuer) zum Ergreifen der Nahrungsmittel dienen können.
Seitliche Erweiterungen und Einstülpungen der Lippen lassen die bei vielen
Nagern und Primaten entwickelten Backentaschen entstehen, die zu-
weilen (Hamster) eine solche Grösse erlangen , dass sie sich unter der Haut
der Brust und des Bauches weit nach hinten erstrecken.
Die in der Mundschleimhaut entstehenden Zahne sind stets auf dem
freien Kieferrande in Alveolen eingepflanzt, was wir bis jetzt nur bei den
Krokodilen gesehen haben. Mit Ausnahme von Delphinus, wo alle Zähne
gleiche Gestalt haben, zeigen sich verschiedene, speciellen Functionen ange-
passte Formen (heterodonte Bezahnung). Sie fehlen nur bei den Ameisen-
fressern (Echidna, Manis, Myrmecophaga). Beim Schnabelthiere , wo die
erwachsenen Thiere nur Hornplatten epithelialer Natur besitzen, und bei den
Walfischen , wo Fischbeinplatten vorkommen , hat man bei den Embryonen
Anlagen echter Zähne entdeckt, die sich nicht ausbilden. Als Monophyo-
donten bezeichnet man die Säugethiere, bei welchen die erste Bezalmung
definitiv für das ganze Leben hergestellt wird (Cetaceen, Edentaten), währejid
man die übrigen, wo ein Milchgebiss existirt , das in einer gewissen
Periode der Jugend durch ein anderes, definitives Gebiss ersetzt wird, Diphyo-
donten genannt hat. Mit geringen Ausnahmen (Schneide- oder Stosszähne
950 Wirbelthiere,
der Elephanten , Schneidezähne der Nager) sind es die vorderen Zähne,
welche ersetzt werden. Die eigentlichen Mahlzähne , welche hinten in den
Kiefern stehen , gehören erst dem zweiten , definitiven Gebisse an. Bei den
Beutelthieren wird meist nur ein Zahn in jeder Kieferhälfte ersetzt und bei
den Fledermäusen vollzieht sich die Abstossung des Milchgebisses und der
Ersatz durch das definitive Gebiss noch vor der Geburt.
Sobald die Zähne ihre vollständige Entwicklung erreicht liaben , ver-
engert sich ihre anfänglich weite Innenhöhle und verAvandelt sich an der
Wurzel in einen eugen Canal, durch welchen Gefässe und Nerven zur Zahn-
pulpa treten. Die Zähne wachsen dann nicht mehr. Die Schneidezähne,
zuweilen auch die Backzähne der Nager, machen eine Ausnahme von dieser
Regel; sie wachsen beständig fort und ersetzen so die Abnutzung ihrer
freien Krone. Während der Schmelz , der nur selten fehlt (Stosszähne der
Elephanten), die Zahnkronen gewöhnlich von allen Seiten umgiebt, entwickelt
er sich an den Schneidezähnen der Nager nur auf der äusseren Fläche.
Die meist meisselartigen Schneidezähne fehlen in beiden Kiefern
der Zahnarmen [Dasypus scxcinctiis ausgenommen) und im Oberkiefer der
Wiederkäuer. Bei dem Narwal (Monodon) verkümmert der Schneidezahn
der einen Seite, während der andere sich zu einem langen und spitzen,
spiralig gewundenen Stosszahn ausbildet; bei dem Dugong (Halicore) werden
die starken oberen Schneidezähne zu Hauern, die abwärts gerichtet sind,
während die homologen Stosszähne der Elephanten sich nach oben krümmen.
Die Eckzähne fehlen den Nagern , Elephanten , den meisten Wieder-
käuern und Edentaten ; sie bleiben rudimentär bei den weiblichen Einhufern,
wie sie denn überhaupt bei dem männlichen Geschlechte meist stärker aus-
gebildet sind. Bei den Raubthieren und grossen Affen werden sie gefährliche,
hakenförmig gekrümmte und schneidende Waffen.
Die Backzähne zeigen die meisten Variationen, sowohl in Hinsicht
der Form ihrer Kronen als auch der Zahl ihrer Wurzeln. Faltungen der
Zahn'sabstanz bilden verwickelte Formen , welche bei den Elephanten die
höchste Ausbildung erreichen; sie zeigen Furchen, Höcker etc.
Hinsichtlich der Zahl der Zähne dieser verschiedenen Kategorien ver-
weisen wir auf die zoologischen Handbücher; die Zahl und Anordnung,
welche man durch eine Zahnformel ausdrückt, spielen eine wesentliche
Rolle in der Classification. In den entsprechenden Kieferhälften sind Zahl,
Form und Anordnung durchaus symmetrisch; dagegen kann die Bezahnuug
des Unterkiefers von derjenigen des Oberkiefers sehr verschieden sein. Im
Allgemeinen kann man sagen , dass die fortschreitende Entwicklung eines
Typus durch die zunehmende Reduction der Zahl der Zähne documentirt
wii'd. (Man vergleiche die Arbeiten von Owen, Blainville, F. Cuvier,
Tomes, He n sei, Pulton u. A.)
Die von dem Zungenbeine gestützte und mit eigenen Muskeln ver-
sehene Zunge variirt sehr je nach den ihr zukommenden Functionen und
ihrer Theilnahme an dem Ergreifen der Nahrung. Meist abgeplattet und
beAveglich, wird sie bei den Cetaceen unbeweglich an den Boden der Mund-
höhle angeheftet, während sie bei manchen Wiederkäuern (Giraffe) ein
äusserst bewegliches Greiforgau und endlicli bei den Wurmzünglern (Echidna,
Myrmecophaga) rund, lang, wurmförmig und selbst erectil wird. Die
Spitze ist meist abgerundet; die Basis auf der dorsalen Fläche bei Nagern
und Wiederkäuern Avulstig verdickt und erhaben. Bei Halbaffen und Fleder-
mäusen zeigt sich auf der Unterfläche eine einfache oder gespaltene Unter-
zunge. Die ohere Fläche ist mit Papillen besetzt, die meist bi-eit und
glatt , zuweilen aber auch kegelförmig und spitz werden , so verhornen , dass
die Zunge einer Raspel gleicht , deren Sägezähnchen ebenfalls verhornten
Säugethiere. 951
Querfalten des Gaumens entsprechen (Katzen , Wiederkäuer). Ein einfacher
oder doppelter Vorsprung bildet bei einigen Insectivoren eine sogenannte
Nebenzunge. Die Gaumenwölbung communicirt vorn mit den Nasenhöhlen
durch den Gaumen-Nasengang (Stenon' scher Gang), der bei Suiden und
"Wiederkäuern voll ausgebildet ist, bei den höheren Typen und dem Menschen
dagegen rudimentär wird und fast spurlos verschwindet (Leboucq, s. Lit.).
Die Speicheldrüsen fehlen den Cetaceen, sind rudimentär bei den
Flossenfüssern , dagegen sehr entwickelt bei den Gras - und Blattfressern
(Wiederkäuer, Edentaten). Bei Ecliidna stehen die weit hinten am Halse
liegenden, sehr grossen Parotiden mit der Mundhöhle durch einen sehr langen
und weiten Gang in Verbindung; die Unterkieferdrüsen sind hier ebenfalls
sehr voluminös.
Der Schlund köpf ist meist geräumig, der Schlund, je nach der
Länge des Halses , mehr oder minder gestreckt und innen längsgefaltet , der
Magen, je nach der Ernährungsweise ausserordentlich vielgestaltig. Seine
Bildung ist einfach bei den Fleischfressei-n , complicirter bei den Pflanzen-
fressern. Seine Gestalt ist im Allgemeinen die eines Dudelsackes mit quer
gerichteter grosser Axe (längsgerichtet bei Phoca), an dem man zwei Ab-
schnitte unterscheiden kann, die oft sehr erweiterte Cardialhälfte und die
engere Pylorushälfte. Diese schon bei den Eaubthieren deutliche Schei-
dung spricht sich noch mehr bei den Nagern, Zahnarmen und Aplacentariern
aus , wo dev Magen häufig durch eine tiefe Einbuchtung der grossen Cur-
vatur in zwei getrennte Kammern geschieden wird. Die Vergrösserung der
Cardialkammer und ihre Theilung in zwei oder mehrere Abschnitte führt
dann zur Bildung eines zusammengesetzten Magens, wie man ihn im
höchsten Grade der Ausbildung bei den Wiederkäuern findet. Die Bildung
wird durch die Cetaceen eingeleitet, wo viele drei Mägen besitzen; der vor-
derste ist einfach eine Erweiterung des unteren Endes der Speiseröhre , der
zweite entspricht der Cardialkammer der Nager, der dritte der Pjlorushälfte.
Letztere aber bildet häufig Blindsäcke und Erweiterungen , so dass manche
Forscher bis zu sieben Mägen gezählt haben. Bei den Wiederkäuern zählt
man meist vier Mägen, die, von der Cardia angefangen, heissen: Pansen
(ßumen) , Netzmagen (Eeticulum) , Blättermagen (Omasus) , Labmagen (Ab-
omasus). Der Blättermagen fehlt den Tylopoden und den Moschiden. Hin-
sichtlich der Specialitäten in der Bildung des Magens der Wiederkäuer vei'-
weisen Avir auf die Arbeit von Cordier (s. Lit.). Jedenfalls sind sie nicht
die einzigen Säugethiere, Avelche eine solche Vervielfältigung zeigen: eine
Schlundrinne, welche den dritten Magen in directe Verbindung mit der Cardia
bringt und zu dem Wiederkäuen in engster Beziehung steht, findet sich schon
beim Känguruh und einigen Edentaten.
Der Dünndarm ist bei den Fleischfressern weit kürzer als bei den
Pflanzenfressern; seine drei Abschnitte, welche man in der menschlichen
Anatomie anzunehmen pflegt, unterscheiden sich besonders durch die Bildung
der Schleimhaut und deren Drüsen. DerEnddarm ist meist sehr geräumig,
daher der Name Dickdarm; sein Anfangsabschnitt zeigt zahlreiche Win-
dungen , sein Endabschnitt (Rectum) verläuft meist in gerader Linie. Der
am Anfange des Dickdarmes meist vorhandene Blinddarm fehlt den
Mustelideu, Ursiden, den carnivoren Beutelthieren, vielen Edentaten (Bradypus),
Insectivoren , Fledermäusen , Walthieren etc. Bei den meisten Carnivoren ist
der Blinddarm vorhanden, aber nur kurz; er verlängert sich bei den Frucht-
fressern und wird sehr gross bei den Grasfressern (Wiederkäuer, Einhufer).
Sein blindes Ende verengert sich oft (Nager , Halbaffen) und verkümmert
endlich bei den Primaten und dem Menschen zu dem sogenannten Wurm-
fortsatze. Bei allen, mit Ausnahme der Cloakenthiere, mündet das Eectunj
952 Wirbelthiere.
durch eine von dem Urogenitalapparate getrennte Oeffnung, den After,
nacli aussen.
Die Leber ist stets ursprünglich zweilappig , aber bei vielen Säuge-
thieren (Camivoren , Nager , Primaten) zerfallen diese Lappen in secundäre,
so dass vielfache Formverschiedenheiten erzeugt werden. Sie ist bei den
Fleischfressern grösser, als bei den Pflanzenfressern. Die Ausführungsgänge
variiren ungemein. Eine Gallenblase fehlt bei manchen Nagern (Dipus, Castor),
bei den Einhufern , einigen Cetaceen (Balaena) und Wiederkäuern (Camelus,
Cervus) etc. Wenn sie vorhanden, finden sich Blasengänge und Gallengänge,
welche mancherlei verschiedene Combinationen eingehen.
Das Pankreas liegt stets als köi-nige Drüse in der Schlinge des Dünn-
darmes; es ist besonders ausgebreitet bei den Nagern; sein Ausführungsgang,
der W i r s u n g ' sehe Gang , der sich auch gabeln kann , mündet bald un-
mittelbar neben dem Gallengange, oder, wie bei dem Kaninchen, in grösserer
Entfernung von demselben.
Der Athemapparat variirt im Ganzen nur unbedeutend. Die ein-
zelnen Kehlkopfknorpel mit ihren Muskeln sind schärfer differenzirt , als bei
den übrigen Wirbelthieren. Besonders ist der Schildknorpel stets gut
auf der ventralen Seite entwickelt. Der Kehldeckel verkümmert bei den
Sirenen, verlängert sich aber bei den Walthieren, gemeinschaftlich mit den
Giesskannenknorpeln , zu einer Röhre, welche sich in die Choanen einlegt
und so einen ringsum vollständig geschlossenen Luftweg herstellt. Zuweilen
stellen sich seitliche Erweiterungen, Kehlkopfsäcke, her, welche theils
als Luftsäcke (Balaena), theils als Eesonanztrommeln für den Schall dienen
(einige Affen: M3'cetes, Anthropoiden). Nur bei Bradypus bildet die Luft-
röhre eine Schlinge, sonst läuft sie überall gerade am Halse herab, durch
Knorpelringe gestützt, die gegen den Schlund hin unvollständig sind (bei
Balaena auch auf der ventralen Seite) und zuweilen (Cetaceen, Sirenen) eine
spiralige Anordnung zeigen. Von ihrer Theilstelle aus sendet die Luftröhre
in jede Lunge einen Bronchialstamm, von welchem aus die seitlichen Bron-
chen abgehen , die theilweise über (eparterielle Bronchen) , theilweise unter
(hyparterielle Bronchen) der betreffenden Lungenarterie abgehen. Meist
zeigen diese Bronchen nur am Anfange Knorpelringe; nur bei den Cetaceen
gehen die Ringe bis zu ihren Enden, während sie im Gegentheile bei den
Beutelthieren und einigen Piacentariern ganz fehlen. Der eparterielle Bron-
chialbaum fehlt häufig auf der linken Seite, ebenso wie der ihm entsprechende
Lungenlappen, so dass dann die rechte Lunge einen Lappen mehr hat, als
die linke. Die Bronchen verästeln sich in immer feinere Zweige (Bronchiolen)
und enden mit bläschenförmigen Erweiterungen (Lungenbläschen), Avelche bei
den Cetaceen sehr geräumig werden.
Man findet stets auf der ventralen Seite des Kehlkopfes und der Luft-
röhre die Schilddrüse [Gl.thyroidea), welche bei den Monotremen und Eden-
taten aus zwei gänzlich getrennten, seitlichen Lappen besteht, die aber bei
den übrigen durch eine Mittelbrücke vereinigt werden. Etwas weiter nach
hinten, an der Gabelung der Luftröhre und um die grossen Gefässe liegt die
besonders bei Jungen stark entwickelte Thymusdrüse, die nur bei Flossen-
füssern und einigen Cetaceen während des ganzen Lebens persistirt, bei den
übrigen aber nach der Säugungsperiode nach und nach gänzlich schwindet.
Die Nieren liegen ganz allgemein in der Lendeugegend zu beiden
Seiten der Wirbelsäule ausserhalb des Bauchfelles, das nur ihi'e ventrale
Fläche überzieht. Während der Embryonalperiode sind sie in Lappen ge-
theilt, die bei den Cetaceen, Flossenfüssern und einigen Baubthieren (Ursus,
Lutra) während des ganzen Lebens persistiren, bei anderen (Bos, Elephas)
nur durch buckelartige Erhöhungen noch angedeutet bleiben, bei den meisten
Säugethiere. 953
aber zu einer einzigen Masse verschmelzen, wie beim Kaninchen. In diesem
Falle deuten nur noch die in dem Nierenbecken convergirenden Pyramiden
die ursprüngliche Lappenbildung an. Die Harnleiter münden immer auf
der dorsalen Seite der Harnblase, die nach Gestalt und Grösse sehr variirt.
Die Hoden liegen ursprünglich stets vor den Nieren , behalten aber
diese embryonale Lage nur bei den Monotremen ; bei den Cetaceen , den
Eüsselthieren und einigen Edentaten gleiten sie hinter die Nieren, bleiben
aber noch in der Bauchhöhle , aus welcher sie bei den meisten Eaubthieren,
Halbaffen, Primaten durch den vom Bauchfell ausgekleideten Leistencanal
nach aussen wandern, um in einem Hautsacke, dem Hodensacke, getragen
zu werden. Bei vielen Beutelthieren , Nagern , Fledermäusen und anderen
bleibt der Leistencanal wegsam, so dass die Hoden nur zur Brunstzeit hervor-
treten und nachher in die Bauchhöhle zurücktreten. Bei den Primaten und
anderen schliesst sich der Leistencanal derart, dass die Lagerung im
Hodensacke definitiv bleibt. Ausnahmsweise liegt dieser bei Beutelthieren
vor dem Penis.
Die aus einer Umwandlung der "Wolf f sehen Gänge hervorgehenden
Samenleiter bleiben bei den Aplacentariern und den Cetaceen einfach,
treiben aber meist gegen ihr Ende hin drüsige Samenblasen hervor, welche
bei vielen Nagern und Insectenfressern ungemein gross werden, bei den Ein-
hufern aber einfach bleiben. Die Samenleiter münden in den Urogenital-
sinus, in die Harnröhre, umgeben von den Prostatadrüsen, die bald einen
vollständigen Ring um sie bilden (Fledermäuse), bald nur auf der dorsalen
Seite entwickelt sind (Primaten), oder auch grosse, getrennte und durch die
Ausführungsgänge mit einander verbundene Lappen aufzeigen (Erinaceus).
Der Urogenitalsinus mündet bei den Monotremen in die Cloake , bei allen
übrigen gesondert nach aussen. Im ersten Falle liegt der, übrigens sehr
kurze, beim Schnabelthier in zwei, beim Schnabeligel in vier Warzen ge-
theilte Penis in einer auf der Grenze zwischen LTrogenitalsinus und Cloake
angebrachten Tasche , bei allen anderen Säugethieren ist die Oelfnung von
der Afteröffnung getrennt. Freilich sind beide Oeffnungen bei den Beutel-
thieren einander noch ausserordentlich genähert und von einem gemeinsamen
Sphincter umgeben, aber bei allen Piacentariern ist die Trennung vollständig.
Der Urogenitalcanal verlängert sich dann in den Penis und öffnet sich an
dessen Ende, der Eichel, mit einer, nur ausnahmsweise (einige Beutelthiere)
mit zwei Mündungen, wo dann auch die Eichel gespalten erscheint. Form,
Grösse und Anheftung des Penis und der Eichel variiren ungemein. Bei
Fledermäusen , Baubthieren , Primaten bildet sich in der Scheidewand der
Schwellkörper ein Penisknochen aus.
Die Neben drüsen, Avelche an dem Urogenitalsinus sich finden (Cow-
p er 'sehe und Vorhautdrüsen etc.), kommen fast allgemein vor: sie fehlen
nur bei den Cetaceen; bei den Beutelthieren finden sich mehrere Paare.
Die Eierstöcke sind meist paarig und symmetrisch zu beiden Seiten
der Lendenwirbelsäule gelegen; nur bei den Monotremen verkümmert, ähnlich
wie bei den Vögeln, das rechte Ovarium , während das linke, das einer
Traube ähnlich sieht , allein Eier entwickelt. Die Monotremen haben auch
keine Vagina; die Eileiter sind in ihrem ganzen Verlaufe unabhängig und
.münden gesondert in den mit der Cloake zusammenhängenden Urogenital-
sinus. Eine einigermaasseu ähnliche Bildung findet sich noch bei einigen
Beutelthieren (Didelphys), wo zwei getrennte Eileiter, Uteri und Scheiden-
canäle (Vagina) existiren. Bei den übrigen Beutelthieren versishmelzen die
Müller'schen Canäle, aus welchen die Eileiter hervorgehen, auf eine gCAvisse
Strecke , um sich dann wieder zu trennen , so dass die beiden Uteri in eine
gemeinsame Tasche münden, aus welcher zwei Scheidencanäle hervorgehen,
954 Wirbelthiere.
welche getrennt in den Urogenitalcanal sich öffnen. An dem Vereinigungs-
punkte der Müller' sehen Gänge bildet sich oft noch ein vaginaler, nach
hinten gerichteter, mittlerer Blindsack (Phalangista, Phascolomys) , der sogar
bei Macropus Bennettii sich bis zum Urogenitalsinus erstreckt und in diesen
mündet, so dass dann drei Scheidencanäle vorhanden sind.
Bei allen anderen Säugethiereu bedingt die von hinten her fortschrei-
tende Verschmelzung der Müller 'sehen Gänge die Bildung einer einfachen
Vagina. Erstreckt sich die Verschmelzung weiter nach vorn, so bewirkt sie
schliesslich die Bildung eines einfachen Uterus, aber der Anfangsabschnitt
der Müller 'sehen Gänge bleibt unter allen Umständen unabhängig, so dass
stets zwei Eileiter mit ihren Trichtern vorhanden sind, die sich von dem
Uterus und der Scheide durch engeres Lumen und dünnere Wände untev-
scheiden. Die Verschmelzung zeigt verschiedene Stadien. Bei vielen Nagern
findet sich, wie beim Kaninchen, ein doppelter Uterus; beide Hälften münden
mit gesonderten Oeffnuugen in die Scheide ein; bei anderen Nagern (Cavia,
Mus) vereinigen sich die beiden Hälften am Ende zu einer gemeinsamen
Mündung. Dies führt zu dem zweihornigen Uterus (Uterus bicornis) der
Insectivoi-en , Carnivoren, Cetaceen, Hufthiere etc., bei welchen sich ein un-
paarer Uterus in zwei Hörner theilt, in deren Spitzen die Eileiter einmünden.
Bei den Fledermäusen und Halbaffen werden schon die Hörner sehr kurz im
Vei'hältniss zu dem gemeinsamen Uterus, und endlich finden wir bei den
Primaten und dem Menschen nur den gemeinsamen Theil, in dessen Ecken
die Eileiter gesondert münden.
Die musculösen Wände und die Schleimhaut des Uterus bleiben bei
den Monotremen und Beutelthieren sehr einfach, bei den Piacentariern dagegen
entstehen Complicationen durch die Verbindungen, welche die modificirte
Eihaut (Choriou) und später die Harnhaut (Allantois) des Embryo mit der
Schleimhaut des Uterus eingehen. Die Placenta, welche aus diesen Ver-
bindungen hervorgeht, zeigt bei den einzelnen Ordnungen sehr bedeutende
Vei'schiedenheiten in ihrer Bildung ; wir verweisen in dieser Hinsicht auf das
im Eingange des Capitels Gesagte, sowie auf das Lehrbuch der Embryologie
von 0. Hertwig und die Abhandlungen von Turner (s. Lit.).
Die unpaare Vagina mündet in den Urogenitalsinus (Scheidenvorhof)
und diese Mündung ist bei den Primaten von einer ringförmigen Falte der
Schleimhaut, dem Hymen, umgeben, von der sich Spuren auch bei einigen
Carnivoren und Wiederkäuern vorfinden. Die Vulva ist von Schamlippen
(meist nur den kleinen Schamlippen der menschlichen Anatomie) eingefasst
und zeigt eine aus Schwellkörpern und einer Eichel zusammengesetzte Clitoris,
die dem Penis der Männchen homolog ist. Zuweilen (Nager, Halbaffen) wird
die Clitoris von der Harnröhre durchsetzt; sie ist stets weit kleiner als der
Penis , erreicht aber doch bei einigen Affen (Ateles) eine ziemliche Grösse.
In den Scheidenvorhof münden Nebendrüsen (D u verney ' sehe und Bar-
tholin'sehe Drüsen), die den Cetaceen und auch einigen Carnivoren abgehen.
Das Gefässsystem zeigt im Allgemeinen eine grosse Uniformität bei
den Säugethiereu. Das vom Herzbeutel umgebene |Herz liegt stets in der
Brustgegend in der Mittellinie; seine hintere Spitze richtet sich bei den
höheren Typen nach links hin. Es ist meist kegelförmig; bei den Rüssel-
thieren und einigen Cetaceen (Delphinus) wird es aber rautenförmig, von
vorn nach hinten abgeplattet , und eine tiefe Einne trennt , auch bei den
Sirenen, an seinem hinteren Rande die Spitzen der beiden Herzkammern.
In den Scheidewänden zwischen Kammern und Vorkammern finden sicii
zuweilen Knorpelbildungen (Wiederkäuer); sonst sind dieselben, sowie die
Atrio - Ventricularklappen (Valvula mitralis und tricuspidalis) durchaus in
derselben Weise angeordnet, wie beim Kaninchen.
Säugethiere. 955
Der Bogen der Aorta ist als DauerbilduDg des linken embrj-onalen
Kiemenbogens stets nach links gerichtet tind setzt sich in die Bauchaorta
fort, die je nach der Entwicklung der Eingeweide, der Hinterglieder, des
Schwanzes etc. mancherlei Anpassungsvariationen zeigt, auf die Avir hier
nicht eingehen können. Mehr Verschiedenheiten zeigen sich in der Art und
Weise, wie die Armkopfarterien von dem Aortenbogen entspringen. Bald
entstehen sie aus einem gemeinschaftlichen Armkopfstamm , von welchem
symmetrisch zuerst die beiden Art. suhclaviae für das Vorderglied , dann die
beiden Carotiden für den Kopf abgehen (die meisten Hufthiere); bald finden
sich zwei Armkopfstämme, deren jeder die Subclavia und Carotis seiner
Seite liefert (Fledermäuse); bald zeigt sich rechterseits nur ein Armkopfstamm,
welcher die Subclavia dieser Seite und die beiden Carotiden liefert, während
unabhängig von ihm die linke Carotis direct aus dem Aortenbogen ihren
Ursprung nimmt (die meisten Nager, wie das Kaninciien, Carnivoren, einige
Halbaffen); endlich findet sich rechterseits ein Armkopfstamm für die rechte
Subclavia und Carotis, während die linke Subclavia und linke Carotis direct
aus dem Aortenbogen entspringen (Monotremen, einige Beutelthiere , Eden-
taten etc.).
Die oberen Hohlvenen zeigen mancherlei Variationen; sie bleiben
nur bei den Monotremen und Beutelthieren , den meisten Nagern und In-
sectenfresseru paarig und symmetrisch. Bei den anderen Säugethieren ergiesst
eine Quercommissur einen grösseren oder geringeren Theil des in der oberen
linken Höhlvene strömenden Blutes in die rechte Vene, die dadurch ein be-
deutendes Uebergewicht bekommt, so sehr, dass die linke Hohlveue zu
schwinden beginnt (Wiederkäuer, Einhufer) und gänzlich verödet bei den
Cetaceen, Carnivoren, Primaten, wo nur noch eine obere Hohlvene, die rechte,
übrig bleibt , die durch die Vereinigung der beiden Jugularveuen gebildet
wird. Dieser Schwund der linken oberen Hohlvene zieht auch Veränderungen
im Laufe der Vena azygos nach sich; die linke V. azygos ergiesst sich durch
eine Anastomose in die rechte, ihr centraler Theil schwindet vollständig;
man hat sie deshalb auch als F. hemi- azygos bezeichnet. Bei den Cetaceen
und Sirenen wird die fehlende V. azygos durch intravertebrale Venen ersetzt,
die in dem Eückencanal verlaufen und ihr Blut in die stets unpaare, untere
Hohlvene ergiesseu; welche alles Blut aus den Eingeweiden und den hinteren
Körpertheilen sammelt.
In einigen Fällen constatirt man die Bildung von Wundernetzen,
welche die Bestimmung haben , den Blutlauf in einzelnen Gefässbereichen zu
verlangsamen; so in den Gliedern von kletternden und grabenden Arten (Mono-
tremen, Bradypus, Myi'mecophaga) , oder im Verlaufe der inneren Carotis
(Wiederkäuer, Suideu) , oder auch an den intercostalen Arterien (Delphinus).
Das Lymphsystem ist überall etwa nach demselben Plane wie beim
Kaninchen entwickelt; seine Gefässe enthalten, wie bei den Vögeln, zahl-
reiche Klappen , dagegen fehlen pulsirende Lymphherzen durchaus , während
zahlreiche Lymphdrüsen an den einzelnen Gefässen fast in allen Theileu des
Körpers ausgebildet sind. Diese Drüsen oder Ganglien, in welchen sich die
Lymphkörperchen bilden, beginnen schon im Anfange der Verdauungswege
mit den Mandeln; sie sind sehr zahlreich im Dünndarme und dort unter
dem Namen der Peyer'schen Drüsen bekannt; ferner finden sie sich in
grosser Anzahl im Gekröse (Mesenterialdrüsen) und vereinigen sich hier zu-
weilen zu einer Masse, welche man Pancreas Aselli genannt hat.
Die Milz, welche viel mit den Lymphdrüsen gemein hat, fehlt niemals.
Vielleicht muss man auch zu diesen Organen die sogenannte Fettdrüse
vieler Insectenfresser (Igel), Nager (Murmelthier) und der Fledermäuse zählen,
welche Winterschlaf halten. Sie findet sich als eine gelappte Masse in der
956 Wirbelthiere.
Brusthöhle , von wo aus sie sich iu den Hals , die Achselhöhlen und selbst
bis auf den Bücken erstreckt; sie enthält viel Fett und schwindet während
des Winterschlafes bedeutend zusammen.
Litteratur. — G eo f f ro y-Sai n t-Hi la i r e, Philosophie anatomiqiie. Paris,
1818. — F. Cuvier, Les Dents des Mammiferes. Paris, 1825. — Georges Cuvier,
Le^ons d'Anatomie comparee. Paris, 1835 bis 1846. — G. Cuvier et Laurillard,
Anatomie cotnparee {Recueil de ■plavches de myologie). Paris, 1849. — I. Geoffroy-
Saint-Hilaire, Memoire sur les Monotremes. Ann. des Sc. nat. 2. Ser., T. II,
1834. — Fan der und d' AI ton. Vergleichende Osteologie. Bonn, 1838. — D. de
B 1 ai n V i 1 1 e , Osteographie ou description comparee du squelette et du Systeme dentaire
des Mammiferes recents et fossiles {avec Atlas de 323 planches). Paris, 1839 bis
1864. — R. Owen, Odontographie. London, 1840 bis 1845. — Ders. , Artikel:
Mammalia, Marsupialia , Monotremata, Teeth, in Cyclopedia of Anatomy and
Physiology. London, 1843. — Ders., On the characters , principles of division
and primary groups of the class Mammalia. Journ. Proc. Linn. Soc. , T. II,
1858. — Ders., On the Anatomy of Vertehrates (T. III, Mammals). London,
1866. — Vrolik,- Recherches d'' Anatomie comparee sur le Chimpanze. Amsterdam,
1841. — Bischoff, Entwicklungsgeschichte des Kaninchens. München, 1842. —
H. Rathke, Ueber die Entwicklung der Arterien, welche bei Säugethieren von den
Bogen der Aorta ausgehen. Müller's Archiv, 1843. — Leydig, Zur Anatomie der
männlichen Geschlechtsorgane und Analdrüsen der Säugethiere. Zeitschr iür wiss.
Zool. , Bd. II, 1850. — 0. Gumoens, De systemate nervorum Sciuri vulgaris.
Inaug.-Dissert. Bern, 1852. — Ders., Ueber die äusseren Bedeckungen der Säuge-
thiere, Müller's Archiv, 1859. — Gegenbaur, Untersuchungen über die Tasthaare
einiger Säugethiere. Zeitschr. für wiss. Zool., Bd. III, 1851. — Ders., Ueber die
Drehung des Humerus. Jenaische Zeitschr., Bd. IV. — Ders., Zur genaueren Kennt-
niss der Zitzen der Säugethiere. Morphol. Jahrb., Bd. I, 1876. — Ders., Zur Kennt-
niss der Mammarorgane der Monotremen. Leipzig, 1886. — Ders., Lehrbuch der vergl.
Anatomie, 1870. — W. von Rapp, Anatomische LTntersuchungen über die Edentaten,
Tübingen, 1852. — Dareste, Memoires sur les circonvolidions du cerveau chez
les Mammiferes. Ann. des Sc. nat., 1852 bis 1854 bis 1855. — P. Gervais,
Histoire naturelle des Mammiferes. Paris, 1854 bis 1855. — Duvernoy, Des
characteres anatomiques des Singes Anthropomorphes. Arch. du Museum, T. VIII,
1855. — Ch. Martins, Comparaison des membres pelviens et thoraciques chez
VHomme et les Mammiferes. Mem. de VAcad. des Sc. et Lett. de Montpellier,
1857 et 1862. — Gratiolet, Memoire sur les plis cerehraux de VHomme et des
Primates. Paris, 1854. — Leuret et Gratiolet, Anatomie comparee du Systeme
nerveux. Paris, 1857. — Gurlt, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haus-
säugethiere. Berlin, 1860. — E. Pflüger, Die Eierstöcke der Säugethiere und des
Menschen. Leipzig, 1863. — G. Mivart, Notes on the crania and the dentition
of Lemurida. Proc. Zool. Soc, 1864. — W. Peters, Ueber die Säugethiergattung
Clüromys, Abb. der Berliner Akad., 1865. — W. Müller, Ueber den feineren Bau
der Milz. Leipzig, 1865. — Lucae, Die Hand und der Fuss. Abhandl. d. Senkenb.
naturf. Gesellsch., Bd. V, Frankfurt, 1866. — Ders., Zur Morphologie des Säugethiei'-
schädels, ebend., Bd. VIII, 1872. — Ders., Die Robbe und die Otter, ebend., Bd. VIII,
1872. — Schneider, Topographische Anatomie des Vorderhalses beim Kaninchen,
Inaug.-Dissert.,' Berlin, 1867. — Goette, Zur Morphologie der Haare, Arch. f.
mikrosk. Anat. , Bd. IV, 1868. — H. et A. Milne-Edwards, Recherches pour
servir ä l'histoire naturelle des Mammiferes. Paris, 1868 bis 1870. — Arloing,
Etüde comparative sur les organes genitaux du lievre, du lapin et du leporide.
Journ. de Vanat. et de la physiol., T. V, 1868. — W. K. Parker, Monography
on the structure and development of the Shoulder Girdte and Sternum in the Ver-
tebrata. London, 1868. — Van Beneden et Gervais, Osteographie des Cefaces.
Säugethiere. 957
Paris, 1868 bis 1880. — Schwalbe, lieber die Geschmacksorgane der Säugethiere
und des Menschen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. IV, 1868. — Langerhans, Beiträge
zur mikroskopischen Anatomie der Bauchspeicheldrüse. Berlin, 1869. — H. von
Wyss, Die becherförmigen Organe der Zunge. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. ü, 1870. —
Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere. Zeitschr. f. wiss.
Zool., Bd. XX, 1870. — Hyrtl, Das Nierenbecken der Säugethiere und des Menschen.
Denkschr. d. k. Akad. Wien, Bd. XXXI, 1870. — Waldeyer, Eierstock und Ei.
Leipzig, 1870. — Ders. , Atlas der menschlichen und thierischen Haare etc. Lahr,
1884. — Schöbl, Die Flughaut der Fledermäuse. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. VII,
1871. — L. Frank, Anatomie der Hausthiere. Stuttgart, 1871. — W. Turner,
De la 'placentation des Cetaces comparee ä celle des autres Mammiferes. Journ.
de Zoologie, T. I, 1872. — Ders., Lectures on the Anatomy of tlie placenta. Edin-
burg, 1876. — Jobert, Etiides d'anatomie comparee sur les organes du toucher.
Ann. Sc. nat. 5. S^r. T. XVI, 1872. — M. Duval, Vaisseaux et substance
meditUaire des poils. Journ. de VAnat. et de la physiol., T. IX, 1873. —
A. Sabatier, Etudes sur le coeur et la cireulation centrale dans la serie des
Vertebres. Montpellier et Paris, 1873. — Ders., Observations sur les transformations
du Systeme aortique dans la serie des Vertebres. Ann. des Sc. nat., 5. Ser., T. XIX,
1874. — Ders., Comparaison des ceintures et des membres dans la serie des
Vertebres. Montpellier et Paris, 1880. — J. Chatin, Recherches sur Vanatomie des
glandes odorantes des Mammiferes {Carnassiers et Rongeurs). Ann. des Sc. nat.,
T. XIX, 1874. — C. G. Giebel, Die Säugethiere in Bronn's Thien-eich, Bd. VI, 1874
(im Druck begriffen). — H. George, Monographie du genre Daman. Ann. des Sc.
nat., 6. Ser., T. n, 1875. — Merkel, Tastzellen und Tastkörperchen bei den Haus-
thieren und beim Menschen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. IX, 1875. — Ders., lieber
die Endigung der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Kostock, 1880. —
Fürbringer, Beiträge zur Kenntniss der Kehlkopfiiiusculatur. Jena, 1875. — ■
W. H. Flower, Introduction to the Osteology of the Mammalia. London, 1876. —
Kosenberg, lieber die Entwicklung der Wirbelsäule und das Centrale carpi des
Menschen. Morphol. Jahrb., Bd. I, 1876. — Solger, Zur Anatomie der Faulthiere.
Morphol. Jahrb., Bd. I, 1876. — Wendt, lieber die Harder'sche Drüse der Säuge-
thiere. Inaug.-Dissert. Strassburg, 1877. — L. Döderlein, lieber das Skelett des
Tapirus Pinchacus. Inaug.-Dissert. Bonn, 1877. — Mihalkovics, Entwicklungs-
geschichte des Gehirns. Leipzig, 1877. — Afanassiew, üeber Bau und Entwicklung
der Thymus der Säugethiere. Arch. f. Mikrosk. Anat., Bd. XIV, 1877. — R. Bonnet,
Studien über die Innervation der Haarbälge der Hausthiere. Morphol. Jahrb., Bd. IV,
1878. — L. Loewe, Bemerkungen zur Anatomie der Tasthaare. Arch. f. Mikrosk.
Anat., Bd. XV, 1878. — Ders., Beiträge zur Anatomie des Auges. Ebend., Bd. XV,
1878 (behandelt speciell das Kaninchenauge). — Ders., Histogenese der Retina. Ebend.,
Bd. XV, 1878. — J. Krueg, lieber die Furchung der Grosshirnrinde der Ungulaten.
Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool., Bd. XXXI, 1878. — P. Maisonneuve, Etudes
anatomiques sur le Vespertilio m,urinus. Paris, 1878. — Rüge, Entwicklungs-
vorgänge an der Musculatur des menschlichen Fusses. Morphol. Jahrb., Bd. TV,
1878. — Ders., Zur vergleichenden Anatomie der tieferen Muskeln in der Fusssohle.
Ebend. — Ders., Untersuchungen über die Extensorengruppe am Unterschenkel und
Fuss des Menschen und der Säugethiere. Ebend. — P. Broca, Anat. comp, des
circonvolutions cerebrales. Revue d^ Anthropologie, Paris, 1878. — A. Pansch,
Beiträge zur Morphologie des Grosshirns der Säugethiere. Morphol. Jahrb., Bd. V,
1879. — R. Hensel, Ueber Homologien und Varianten in den Zahnformen einiger
Säugethiere. Morphol. Jahrb., Bd. V, 1879. — A. M. Marshall, Morphology of
the Vertebrate Olfactory Organ. Quart. Journ. of microsc. Science, T. XIX,
1879. — A. Rauber, Ueber den Ursprung der Milch u. s. w. Leipzig, 1879. —
Brissaud, Etüde sur la Spermatogenese chez le Lapin. Arch. de Physiologie,
2. Ser., T. VI, 1880. — H. Leboucq, Recherches sur le mode de disparition de la
958 Wirbelthiere.
eorde dorsale chez les Vertebres superieurs. Arch. de biologie, T. I, 1880. — Ders.,
Le canal naso-palatin chez VHomme. Ebend., T. II, 1881. — Ders., Recherches sur
la morpJwlogie du carpe chez les Mammiferes. Ebend., T. V, 1884. — Ch. Aeby,
Der Bronchialbaum der Säugethiere und des Menschen. Leipzig, 1880. — A. Brass,
Beiträge zur Kenntniss des weiblichen ürogenitalsystems der Marsupialen. Inaug.-
Dissert,, Leipzig,. 1880. — Mac Leod, Contributions ä Vetude de la structure de
Vovaire des Mammiferes. Arch. de biologie, T. I etil, 1880 bis 1881. — H. Schulin,
Zur Morphologie des Ovariums. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XIX, 1881. — G. Rein,
Untersuchungen über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. Arch,
f. mikrosk. Anat., Bd. XX, 1882. — Ders., Beiträge zur Kenntniss der Reifungs-
erscheinungen und Befruchtungsvorgänge am Säugethierei. Ebend., Bd. XXII, 1883. —
W. Leche, Zur Anatomie der Beckenregion bei Insectivoren u. s. w. Acad. royale
de Stockholm, T. XX, 1882. — Cattaneo, Sugli organi riproduttori femmini
delV Halmaturus Benetti Qould. Mailand, 1882. — W. Harz, Beiträge zur Histo-
logie des Ovariums der Sängethiere. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XXII, 1883. —
G. Born, Ueber die Derivate der embryonalen Schlundbogen und Schlundspalten bei
Säugethieren; Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XXII, 1883, — Klaatsch, Zur Mor-
phologie der Säugethierzitzen. Morphol. Jahrb., Bd. IX, 1883. — W, Krause, Die
Anatomie des Kaninchens. 2. Aufl. Leipzig, 1884, — L. Testut, Les anomalies
miisculaires chez VHoynme expliquees par V Anatomie comparee. Paris, 1884. —
Carl Vogt, Die Säugethiere in Wort und Bild. München, 1884, — G, Retzius,
Das Gehörorgan der Wirbelthiere, Bd. II, Stockholm, 1884. — Weldon, On the
suprarenal bodies of Vertebrata. Quart. Joiorn. of mikrosk. Sc, 1885. — G. Baur,
Bemerkungen über den Asti-agalus und das Intermedium der Säugethiere. Morphol,
Jahrb., Bd. XI, 1885. — Boas, Ein Beitrag zur Morphologie der Nägel, Ki-allen,
Hufe u. s. w. Morphol. Jahrb., Bd. XI, 1885, — Bardeleben, Ueber neue Be-
standtheile der Hand- und Fusswurzel der Säugethiere, Jenaische Zeitsclir,, 1886. —
G, Schwalbe, Ein Beitrag zur Kenntniss der Circulationsverhältnisse in der Gehör-
schnecke, Festschrift zu Carl Ludwig's 70. Geburtstag, Leipzig, 1886. — Ders,,
Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen, 1887. — Tafani, Sülle con-
dizioni uteroplacentari della vita fetale. Florenz, 1886. — Sardemann, Die
Thränendrüse. Bericht der naturforsch. Gesellschaft zu Freiburg i. B. 1887. —
E. Zuckerkandl, Das peripherische Geruchsorgan der Säugethiere. Stuttgart,
1887. — Tatar off, Ueber die Muskeln der Ohrmuschel, Arch. für Anat. und
Physiol., 1887. — Rüge, Untersuchungen über die Gesichtsmusculatur der Primaten.
Leipzig, 1887, — W. Haacke, Ueber die Entstehung des Säugethiers. Biol. Ceutral-
blatt, Bd. VIII, 1888. — E. Martin, Ueber die Anlage der Urniere beim Kaninchen.
Arch. für Anat, und Physiol,, 1888. — V. von Ebner, Zur Spermatogenese der
Säugethiere. Arch, f. mikrosk. Anat,, Bd. XXXI, 1888. — E, Poulton, The true
teeth and the horny plates of Ornithorhynchus. Quart. Journ. of mikrosk Sc,
T. XXIX, 1888. . — A. Cuenod, L^articulation du coude. Internationale Monats-
schrift für Anat. und Physiol., Bd. V, 1888. — M. Weber, Ueber neue Hautsecrete
bei Säugethieren. Arch. für miki-osk. Anat., Bd. XXXI, 1888. — Hermann, Studien
über den feineren Bau der Geschmacksorgaue. Sitzungsber. d. k. bayer. Akad., 1888. —
Van Bambeke, Sur des follicules de Vepiderme de la mächoire superieure chez
le Tursiops tursio. Bull. Acad., Belgique, 1888. — Ran vi er, Traite techiiique
d'histologie. 2, edit., Paris, 1889, — Ellenberger und Baum, Systematische und
topographische Anatomie des Hundes, Berlin, 1891, — Oudemans, Die accesso-
rischen Geschlechtsdrüsen der Säugethiere, Haarlem, 1892, — Cordier, Recherches
sur Vanatomie comparee de Vestomac des Ruminants. Ann. des Sc. nat., 8. Ser.,
T, XVI, 1893. — M. Weber, Bemerkungen über den Ursprung der Haare und über
Schuppen bei Säugethieren. Anat. Anzeiger, 1893. — C, Emery, Ueber die Verhält-
nisse der Säugethierhaare zu schuppenartigen Hautgebilden. Anat. Anzeiger, 1893.
INHALTSVERZEICHNISS.
Seite
Arthropoden im Allgemeinen 1
Classe der Crustaceen 8
Astacus ßuviatilis 13
Pantopoden oder Pycnogoniden 67
Xiphosuren oder Poecilopoden 69
Tardigraden 73
Linguatuliden oder Pentastomen 74
Classe der Onyelioplioren (Peripatus) 77
Classe der Myriapoden 87
LitJiobius forßcatus 89
Classe der Hexapoden oder Inseeten 135
Melolontha vulgaris • 136
Classe der Araehniden 193
Epeira diadetna 195
Tunieaten im Allgemeinen 263
Classe der Thaliaden . 265
Salpa democratica-mucronafa 266
Classe der Aseidien 296
Ciona infestinalis • . . . . 297
Wirbelthiere im Allgemeinen 328
Classe der Aeranier oder Leptoeardier 335
Amphioxus lanceolatus 335
Classe der Cyelostomen 379
Petromyzon fluviatilis 381
Classe der Fische 470
Perca fiuviatilis 475
Classe der Amphibien 543
Rana esculenta 544
Classe der Reptilien 628
Lacerta viridis 633
Classe der Vögel 730
Columha domestica 732
Classe der Säugethiere 826
Lepus cuniculus 830
ALPHABETISCHES VERZEICHNISS
der in diesem Bande gegebenen Monographien und ihrer Verfasser.
Name Classe Verfasser
A^nphioxus lanceoJatus (Yarrell) .... Acranier . . . M. Jaquet
Astacus fluviatilis (Rondelet) Crustaceum . E. Yung .
Ciona intestinalis (Linne) Tunicate . . . E. Yung .
Columha domestica (Linue) Vogel . . . . M. Jaquet
Epeira diadema (Linne) Arachnide . . C. Vogt .
Lacerta viridis (Linne) Eeptil . . . . C. Vogt .
Lejpus cuniculns (Linne) Säugetbier . . E. Yung .
Lithohius forficatus (Linne) Myriapode . . C. Vogt .
Melolontha vulgaris (Fabricius) Inseet . . . . E. Yung .
Perca fluviatilis (Linne) Fiscb . . . . M. Jaquet
Peripatus capensis (Grube) Ouyc.bopbore . C. Vogt .
Petromyzon fluviatilis (Linne) Cyclostome . . C. Vogt .
Rana esculenta (Linn^) Amphibium . E. Yung .
Salpa democratica-miicronata (Forskai) . Tunicate . . . C. Vogt .
Seite
. 335
. 13
. 297
. 732
. 195
. 633
. 830
. 89
. 136
. 475
, 77
, 381
. 544
. 266
m^i
Qf
Ost
J^% ^.