Skip to main content

Full text of "Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie"

See other formats


S^'VV 


LIBRARY 


Oh  THE 


l 


3 


m\mm  of  north  (ärolinä. 


Call  No. 


Endowed   by  the  Dialecfu  and   Philanthropie  Societies 


ioy 


s«^ 


Wilson  Annax 

THE  LIBRARY  OF  THE 

UNIVERSITY  OF 

NORTH  CAROLINA 

AT  CHAPEL  HILL 


ENDOWED  BY  THE 

DIALECTIC  AND  PHILANTHROPIC 

SOCIETIES 

Wilson  Annex 


^% 


QL805 
.V67 
Bd. 2 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2012  witii  funding  from 

University  of  Nortii  Carolina  at  Chapel  Hill 


http://archive.org/details/lehrbuchderprakt2vogt 


LEHRBUCH 

DER 

PRAKTISCHEN  VERGLEICHENDEN 

ANATOMIE. 


Ol) 


ZWEITER    BAND. 


Wilson  Annex 
LEHRBUCH      0J.^ 


PRAKTISCHEN  VERGLEICHENDEN 


ANATOMIE 


VON 


CAKL  V0(4T    ixD   EMIL  YÜNG 

Director  Assistent 

des   Laboraturiums  für  vergleicbeude   Anatomie   und   ^Mikroskopie 

der  Universität   Genf. 


Z  WE 


MIT    373    EIXGED 


'^0  y 


B  R  A  U  X  S  C  H  ^Y  E I G  , 

DRUCK    UND    VERLAG    VON    FRIEDRICH    VIEWEG    UND    SOHN. 

1889  -  1894. 


Alle    Rechte    vorbehalten. 


V  0  E  W  0  R  T. 


Unter  der  Leitung  meines  verehrten  Lehrers  Gr.  Valentin  be- 
gann ich  im  Herbst  1835.  als  Student  der  Medicin  in  Bern,  meine 
vergleichenden  anatomischen  Arbeiten.  Später,  im  Jahre  1839. 
nach  Beendigung  meiner  Universitätsstudien,  lud  mich  L.  Agassiz. 
der  damals  in  Neuchätel  Professor  war.  ein,  zu  ihm  zu  kommen 
und  ihm  bei  der  Ausarbeitung  eines  grossen  "Werkes  über  die 
Süsswasserfische  Mittel  -  Europas  behültlich  zu  sein.  Agassiz 
übernahm  den  zoologischen  Theil.  ich  sollte  embryologische  und 
anatomische  ]\Ionographien  der  wesentlichsten  Typen  bearbeiten. 
Dieses  Werk  ist  unvollendet  geblieben.  Von  dem  zoologischen 
Theile  erschien  nur  eine  Lieferung  von  Farbentafeln  in  Folio,  die 
Salmoniden  enthaltend,  ohne  Text;  die  Ent-ft-icklungsgeschiclite 
der  Palee  {Coregonus  palea)  und  die  Anatomie  der  Forelle  (Salnio 
fario)^  die  ich  für  das  Werk  bearbeitet  hatte,  mussten  sogar 
anderwärts  erscheinen.  Nach  der  Abreise  Agassiz'  nach  Nord- 
amerika im  Jahre  1844  konnte  von  einer  Fortsetzung  des  Werkes 
nicht  mehr  die  Rede  sein. 

Wenn  ich  diese  Daten  hier  erwähne,  so  thue  ich  es.  um  dar- 
zuthun,  dass  ich  schon  damals  begreifen  lernte,  Avelche  Sch^vierig- 
keiten  sich  der  Bearbeitung  einer  anatomischen  Monographie 
eines  noch  so  bekannten  Thieres  in  den  Weg  stellen.  Man  fand 
damals,  wie  später  noch  lange,  in  der  ganzen  Literatur  nur  un- 
vollständige, auf  einzelne  Systeme  bezügliche  NachAveise,  welche 
in  den  systematischen  Lehrbüchern  oder  in  besonderen  Abhand- 
lungen zerstreut  waren;  Monographien,  etwa  ähnlich  den  Lehr- 
büchern der  Anatomie  des  Menschen,  auf  welche  man  sich  hätte 
stützen  können,  fehlten  fast  vollständig. 


VI  Vorwort. 

Ich  gestehe,  dass  mich  der  Gedanke  an  diese  Lücke  während 
allen  meinen  späteren  Arbeiten  verfolgt  hat.  Man  secirt  und 
präparirt,  sagte  ich  mir,  bestimmte  und  concrete  Typen,  aber 
man  hat  keinen  Leitfaden  für  den  Typus  im  Einzelnen.  Bei  den 
]Draktischen  Untersuchungen,  welche  die  vergleichende  Anatomie 
betreffen,  ist  man  in  die  unangenehme  Lage  versetzt,  die  beson- 
deren Thatsachen  aus  den  Allgemeinheiten  herauszuklauben,  statt 
dass  man  den  umgekehrten  Weg  einschlagen  sollte. 

Zu  wiederholten  Malen  besprach  ich  mit  einzelnen  Verlegern 
von  mir  ausgearbeitete  Entwürfe  zu  einem  Werke,  welches  die  ver- 
schiedenen Typen  behandeln  sollte,  deren  man  sich  gewöhnlich 
und  fast  nothwendiger  Weise  bedient,  um  sich  in  die  vergleichende 
Anatomie  praktisch   einzuarbeiten.     Es  blieb  bei  den  Entwürfen. 

Erst  sehr  'viel  später,  als  ein  hinlänglich  ausgerüstetes 
Laboratorium  mir  unterstellt  wurde,  konnte  ich  an  die  Ausführung 
meines  Planes  denken.  Aber  ich  wurde  in  meinen  Anschauungen 
nur  bestärkt,  als  ich  sah,  wie  die  in  meinem  Laboratorium  arbei- 
tenden jungen  Leute  mühselig  in  systematischen,  illustrirten 
Lehrbüchern  die  Angaben  und  Figuren  zusammensuchten,  welche 
sich  auf  das  von  ihnen  zu  untersuchende  Thier  bezogen.  Ich 
beschloss  also,  Hand  ans  Werk  zu  legen.  Das  geplante  Werk 
sollte  in  erster  Linie  anatomische  Monographien  derjenigen 
Thiere  geben,  welche  man  in  den  Laboratorien  zu  benutzen  pflegt; 
aber  diese  Monographien  sollten  durch  andere  ergänzt  werden, 
so  dass  das  Werk  Beispiele  aus  allen  Classen  und  somit  eine 
Gesammtauffassung  des  ganzen  Thierreiches  gab.  Die  Figuren 
im  Texte  sollten  nach  Originalpräparaten  gezeichnet  und  zahl- 
reich genug  sein,  um  besonders  dem  Anfänger  ein  vollständiges 
Studium  des  Thieres  zu  ermöglichen. 

Ich  sah  wohl  ein,  dass  ungeachtet  der  bedeutenden  Menge 
von  Vorarbeiten,  die  ich  im  Laufe  der  Jahre  angesammelt  hatte, 
die  Vollendung  der  Aufgabe  über  die  Kräfte  eines  Einzelnen 
ging.  Herr  E.  Y  u  n  g ,  der  unterdessen  mein  Assistent  im  Labora- 
torium geworden,  entsprach  glücklicher  Weise  meiner  Aufforderung, 
mich  als  Mitarbeiter  zu  unterstützen. 

Ich  muss  hier  ein  Geständniss  ablegen.  Selbst  nachdem  wir 
schon  unsere  Arbeit  begonnen  hatten,  gaben  wir  beide,  Herr  Yung 


Vorwort.  vil 

und  ich,  uns  noch. nicht  vollständig  Rechenschaft  über  die  zu 
überwindenden  Schwierigkeiten  und  über  die  Grösse  der  Aufgabe, 
die  wir  uns  gestellt  hatten.  Wir  glaubten,  naiver  Weise,  wie 
ich  zugestehen  rauss ,  dass  in  Bezug  auf  viele  der  von  uns  zu 
bewältigenden  Monographien,  wir  einfach  die  Arbeiten  unserer 
Vorgänger  benutzen  könnten,  um  sie  in  einzelnen  Punkten  zu 
ergänzen  und  zu  erweitern.  Ein  grosser  Irrthum!  Wir  mussten 
bald  zu  der  Ueberzeugung  kommen,  dass  hinsichtlich  vieler 
organischer  Systeme  Alles  herzustellen  sei;  dass  die  Präparate, 
die  Zeichnungen,  die  Beschreibungen  unserem  Zwecke  anzupassen 
seien;  dass  die  Arbeiten  unserer  Vorgänger  häufig  nur  in  be- 
schränktem Maasse  uns  dienen  konnten. 

Wir  haben  stets  in  Gemeinschaft  gearbeitet,  unsere  Beobach- 
tungen, Untersuchungen  und  Resultate  discutirt.  Ich  darf  wohl 
sagen,  dass  keine  Linie  des  Textes,  keine  Zeichnung  dem  Werke 
einverleibt  wurde,  welche  nicht  von  uns  besprochen  wäre.  Wir 
können  in  Bezug  auf  manche  Theile  nicht  sagen,  welchem  von 
uns  beiden  er  zugesprochen  werden  muss. 

Wenn  aber  dieses  der  exacten  Wahrheit  entspricht,  so  muss 
ich  doch  anderseits  sagen,  dass  wir  insofern  die  Arbeit  unter 
uns  getheilt  haben,  als  jeder  von  uns  speciell  eine  Anzahl  der 
Monographien  bearbeitete,  welche  den  Kern  des  Werkes  bilden. 
Ich  halte  es  demnach  für  zweckmässig,  ja  gewissen  ausgestreuten 
Gerüchten  gegenüber  für  nöthig,  hier  diejenigen  Monographien  zu 
verzeichnen,  für  welche  jeder  von  uns,  als  specieller  Bearbeiter, 
noch  die  besondere  Verantwortlichkeit  übernimmt.  Erst  in  den 
letzten  Jahren  ist  Herr  Dr.  M.  Jaquet,  der  einige  Zeit  lang  mein 
zweiter  Assistent  war  und  mich  auch  bei  der  Bearbeitung  ein- 
zelner Capitel  unterstützt  hatte  (im  Texte  des  Werkes  habe  ich 
diese  von  Herrn  Jaquet  bearbeiteten  Theile  meiner  Mono- 
graphien genau  angegeben);  erst  in  den  letzten  Jahren,  sage  ich, 
ist  Herr  Dr.  Jaquet  so  gütig  gewesen ,  die  selbständige  Bear- 
beitung der  Monographien  des  Amphioxus,  des  Barsches  und  der 
Haustaube  zu  übernehmen. 

Folgendes  ist  die  alphabetisch  geordnete  Liste  der  von  uns 
bearbeiteten  Monographien,  für  welche  wir  die  specielle  Ver- 
antwortuns;  übernehmen. 


VIII 


Vorwort. 


C.  Vogt: 

Actinosphaerium  Eichhorni    . 
Alcyonium  digitatum    .    .    .    . 

Amoeba  terricola 

Antedon  rosaceus 

Astropecten  aurantiacus  .    .    , 

Aurelia  aurita 

Boliua  norvegica 

Brachionus  pala 

Cucumaria  Planci 

Epeira  diadema 

Hyalea  tridentata 

Lacerta  viridis 

Lithobius  forficatus 

Mesostomum  Ehreubergii    .    . 

Peripatus  capensis 

Petromyzon  fluviatilis  .    .    .    . 

Plumatella  repeus 

Salpa   democratica-mucronata 

Sipunculus  nudus 

Strongylocentrotus  lividus  .    . 

Terebratula  vitrea 

Tetrastemma  flavidum     .    ,    . 


3d. 

Seite 

66 

121 

57 

519 

574 

138 

174 

I  420 

I  639 

II  195 

I  819 

II  648 

II  88 


249 

76 

869 

670 


II  271 

I  373 

I  612 

I  690 

I  287 


E.  Yung-: 

Acanthometra  elastica  . 
Anodonta  anatina  .    .    . 
Arenicola  piscatorum    . 
Ascaris  lumbricoides 
Astacus  fluviatilis II 


Bd.  Seite 

I 
I 


73 

726 

I    481 

I    344 

13 


Ciona  intestinalis II  301 

Dicyema  typus I  96 

Distomum  hepaticum    ....    I  226 

Helix  pomatia I  767 

Hirudo  medicinalis I  812 

Lepus  cuniculus II  830 

Leucandra  aspera I  106 

Lumbricus  agricola I  489 

Meloloutha  vulgaris II  137 

Paramecium  aurelia  .....    I  81 

Polystomella  strigilata  ....    I  60 

Rana  esculenta II  552 

Sepia  officinalis I  845 

Taenia  solium I  204 


Die  den  einzelnen  Monographien  eingefügten  Zeichnungen 
wurden  von  jedem  der  Bearbeiter  eigenhändig  nach  selbst- 
gefertigten Präparaten  ausgeführt  und  von  Herrn  Morien  in 
Paris,  den  Originalen  treu  entsprechend,  im  Holzschnitt  wieder- 
gegeben. Wir  haben  jedesmal  sorgfältig  angemerkt,  welche  ein- 
zelne Figuren  von  anderen,  von  uns  namhaft  gemachten  Autoren 
entlehnt  wurden. 

Unserem  Verleger ,  Herren  Fr.  Vieweg  und  Sohn ,  bin  ich 
für  die  Ausstattung  des  Werkes,  sowie  für  vielfach  erwiesene 
Gefälligkeiten  zu  bestem  Danke  verpflichtet. 

Genf,  Ende  August  1894. 


C.  Vogt. 


Kreis    der  Arthropode  n. 


Seitlich  symmetrische  Thiere  mit  heteronomer  Segmentation  und 
einer  durch  Connective  mit  den  Kopfganglien  in  Verbindung  stehenden 
Bauchganglienkette ;  die  Segmente  besitzen  ventrale ,  gegliederte  und 
hohle  Seitenanhänge,  während  das  aus  Chitin  bestehende  Tegument 
die  Ansatzpunkte  für  die  Muskeln  bildet.  Wimperepithelien  fehlen 
gänzlich.  Der  Kreislauf  ist  stets  unvollständig;  das  Herz  dorsal. 
Athmung  durch  die  Haut,  durch  Kiemen  oder  Tracheen.  Der  selten 
gewundene  Darm  hat  einen  gewöhnlich  ventral  stehenden  Mund  und 
endet  mit  einem  After.  Im  Allgemeinen  sind  die  Arthropoden  ge- 
trennten Geschlechts  und  entwickeln  sich  von  einer  Primitivanlage 
aus,  deren  Rückenfläche  gegen  den  Dotter  gewendet  ist. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  in  diesem,  so  zahlreiche  und  verschiedene 
Typen  umfassenden  Kreise  sämmtliche  Hauptcharaktere  Umgestaltungen 
unterworfen  sind,  die  bis  zu  ihrer  vollständigen  Vernichtung  vorgehen 
können.  Einerseits  werden  diese  rückschreitenden  Metamorphosen 
in  den  meisten  Fällen  durch  den  sessilen  oder  parasitären  Zustand, 
andererseits  durch  die  übermässige  Entwicklung  gewisser  Gruppen 
von  Organen  zum  Nachtheile  der  anderen  bedingt. 

Die  bilaterale  Symmetrie,  die  sich  über  alle  Körpertheile 
ohne  irgend  welche  Ausnahme  erstreckt,  wird  immer  im  embryonalen 
und  Larvenzustande  vorgefunden.  Abweichungen  davon  im  erwach- 
senen Zustande  sind  jedoch  nicht  selten  und  können  zuweilen  sogar 
bis  zu  gänzlicher  Asymmetrie  sich  ausbilden ,  wie  es  der  Fall  bei  den 
Rhizocephalen  ist. 

Wir  bemerken  bei  den  Arthropoden  sämmtliche  Durchgangsstadien 
von  einer  fast  homonomen  Segmentation,  aus  ziemlich  gleichen 
Metameren,  bis  zu  einer  heteronomen  Gliederung,  wo  gewisse 
Gruppen  von  mehr  oder  weniger  ähnlichen  und  sogar  mit  einander  ver- 
schmolzenen Metameren  verschiedene  Körperregionen  bilden.  So  bieten 
z.  B.  die  Onychophoren,  die  Myriapoden,  sowie  manche  Larven  eine 
vielen  Anneliden  entsprechende  Segmentation,  bei  denen  man  zwischen 
einem,  meist  aus  mehreren  Ringen  zusammengesetzten  Kopfe  und  einem 
unterschiedenen  Endsegmente  eine  Serie  von  identischen  Segmenten 
•vorfindet.  Bei  gewissen  Crustaceen  und  Arachniden  erscheinen  zwei 
mehr  oder  weniger  deutlich  bezeichnete  Regionen :  ein  vorderer  Cephalo- 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  ^ 


2  Arthropoden. 

thorax  vind  ein  hinteres  Abdomen;  bei  den  Insecten  können  Kopf, 
Thorax  ixnd  Bauch  unterschieden  werden ,  während  bei  einer  Menge 
von  Milben  und  niederen  Crustaceen  die  ursprünglich  vielleicht  au- 
gedeuteten Segmente  in  eine  einzige  Masse  verschmolzen  sind,  in  der 
man  durchaus  keine  Segmentation  mehr  erkennt. 

Mit  Ausnahme  des  Darmes,  welcher  nur  selten  eine  segmentäre  An- 
deutung zeigt,  sind  alle  anderen  Organsysteme  mehr  oder  minder  der 
Segmentation  unterworfen.  Man  kann  als  Regel  annehmen ,  dass  die 
Zahl  der  zur  Bildung  der  einzelnen  Regionen  beitragenden  Metameren 
sich  in  den  höheren  Typen  zu  fixiren  strebt,  während  sie  bei  den  nie- 
deren manchen  Schwankungen  unterworfen  ist. 

Im  Allgemeinen  hängt  die  Theilung  in  Regionen  von  der  ver- 
schiedenen Ausbildung  der  (mit  Ausnahme  der  Flügel)  auf  der  Bauch- 
fläche des  Körpers  symmetrisch  angelegten,  gegliederten  Anhänge 
ab.  Man  kann  behaupten,  dass  ursprünglich  einem  jeden  Metamer 
ein  Paar  dieser  Anhänge  entspricht,  die  sehr  verschiedenen  Functionen 
vorstehen  können,  und  dass  die  Regionen,  wenn  sie  vollkommen  be- 
grenzt sind,  Anhänge  mit  specialisirten  Functionen  tragen.  Es  scheint 
zweifellos ,  dass  die  Arthropodenanhänge  sich  durch  progressive  Ent- 
wicklung aus  den  Parapoden  der  Würmer  hervorgebildet  haben.  Sie 
sind  hohl,  in  den  meisten  Fällen  aus  mehreren  Gliedern  gebildet, 
welche  durch  Articulationen  von  äusserst  complicirten  Formen  in  ein- 
ander gelenkt  sind,  und  enthalten  im  Inneren  in  einzelne  Bündel  ge- 
theilte  Muskeln,  welche  den  Bewegungen  der  Anhänge  im  Ganzen  oder 
ihrer  einzelnen  Artikel  dienen.  Diese,  ursprünglich  meist  zur  Loco- 
motion  bestimmten  Anhänge ,  können  die  verschiedenartigsten  Func- 
tionswechsel  erleiden,  indem  sie  als  Sinnes-,  Mund-,  Athmungs-  oder 
Fortpflanzungswerkzeuge  thätig  sind.  Sie  können  rückschreitende 
Metamorphosen  durchmachen  und  sogar  in  Folge  dieser  vollständig 
verschwinden ,  sowie  sie  zuweilen  Uebergangsformen  zeigen ,  welche 
sich  den  Parapoden  der  Anneliden  nähern.  In  unseren  Monographien 
werden  wir  in  die  endlosen  Discussionen  über  die  Homologie  dieser 
Anhänge  nicht  näher  eintreten ,  und  da  wir  gezwungen  sind,  uns  so 
kurz  wie  möglich  zu  fassen,  überlassen  wir  dieses  Capitel  der  Zoologie, 
welche  sich  speciell  mit  demselben  beschäftigen  muss. 

Die  Organisation  der  Metameren,  sowie  diejenige  der  Anhänge 
erfordert  eine  gewisse  Erhärtung  der  Tegumente,  auf  welchen  die 
Muskeln  ihre  Insertionen  und  Stützpunkte  finden ,  da  ein  inneres 
Skelett,  wie  es  bei  den  Wirbelthieren  ausgebildet  ist,  fehlt;  zwar  ent- 
sendet ifi  einigen  Fällen  das  Tegument  Fortsätza  nach  innen,  welche 
wenig  bedeutende  Gerüste  bilden;  diese  scheinbar  inneren  Skelett- 
bildungen sind  aber  stets  Abhängigkeiten  des  Hautsystems. 

Das  Tegument  besteht  immer  aus  wenigstens  zwei  Schichten, 
einer  äusseren    festen,   wesentlich   aus  Chitin  gebildeten  Schicht,   die 


Arthropoden.  •  3 

sehr  hart  werden  ,  sich  mit  Kalksubstanzen  schwängern  und  so  einen 
festen  Panzer  bilden  kann ,  und  einer  zweiten  unterliegenden  Schicht, 
der  Hypodermis,  die  aus  Zellen  besteht,  welche  die  über  einander 
liegenden  Lamellen  des  chitinöseu  Teguments  erzeugen.  Letzteres  ist 
von  Poren  durchlöchert,  wodurch  die  Hypodermis  sich  nach  aussen 
verlängert,  um  den  zahlreichen,  dasTegument  oft  gänzlich  bedeckenden 
Cuticularanhängseln  (Haare,  Borsten,  Stacheln,  Haken,  Schuppen  u.  s.  w.) 
als  Kern  zu  dienen. 

Die  Bildung  des  chitinösen  Teguments  durcli  über  einander  ge- 
lagerte Schichten,  welche  in  zusammenhängender  Weise  von  den  Hypo- 
dermiszellen  abgesondert  werden,  sowie  die  Starrheit,  welche  diese 
Chitindecke  im  Allgemeinen  darbietet,  haben  wiederholte  Haut- 
wechsel  zur  Folge,  welche  durch  das  Wachsthum  des  Körpers, 
durch  die  Entwicklung  neuer  oder  die  Umbildung  schon  vorhandener 
Anhänge  bedingt  werden.  Ein  neues  chitinöses,  noch  weiches  und 
ausdehnbares  Tegumeut  entsteht  unter  dem  alten,  welches  schliesslich 
wie  eine  todte  Hülle  abgestossen  wird.  Bei  den  höheren  Typen  be- 
schränken sich  diese  Hautwechsel  nach  und  nach  auf  bestimmte  Epochen 
des  Lebens,  während  sie  bei  den  niederen  Typen  in  unbestimmten 
Zeiten,  in  üebereinstimmung  mit  der  Körperzunahme,  auftreten. 

In  mehreren  Fällen  schlägt  sich  das  Tegument  nach  innen ,  um 
die  Auskleidung  verschiedener  Organe ,  z.  B.  des  Darms  oder  der  Tra- 
cheen, zu  bilden;  diese  inneren  chitinösen  Auskleidungen  werden  beim 
Hautwechsel  ebenfalls  abgestossen. 

Ein  Hauptcharakter  der  Arthropoden  ist  der  vollständige  Mangel 
von  Wimperepithelien,  welche  in  allen  übrigen  Kreisen  des  Thier- 
reiches  so  reichlich  vertreten  sind.  Man  hat  nirgends,  weder  bei  Em- 
bryonen noch  bei  erwachsenen  Arthropoden,  sei  es  äusserlich  oder  inner- 
lich, jemals  ein  Wimpergewebe  gefunden.  Es  scheint,  dass  der 
Entwicklungsplan  eines  Arthropoden  mit  der  Existenz  von  Wimpern 
durchaus  unvereinbar  sei. 

Dasselbe  ist  mit  dem  bei  den  Würmern  stets  erkennbaren  Ilaut- 
muskelsystem  der  Fall.  Die  Muskeln  bilden  eigene,  derart  gruppirte 
Bündel,  dass  sie  die  verschiedenen  Bewegungen  der  Metameren  und 
ihrer  Anhänge  vermitteln  können.  Die  Muskelfasern  zeigen  fast  immer 
eine  sehr  deutliche  Querstreifung. 

Das  Nervensystem  der  Arthropoden  geht  aus  demjenigen  der 
Anneliden  hervor,  weicht  aber  durch  eine  bedeutend  grössere  Ent- 
wicklung der  Oberschlundganglien  (Hirn),  sowie  durch  eine  mehr  oder 
weniger  ausgesprochene  Concentration  der  Ganglien  der  Bauchkette 
ab,  welche  durch  die  Verschmelzung  einzelner  Metameren  zur  Bildung- 
gesonderter  Körperregionen  bedingt  wird.  Das  Hirn,  aus  welchem  die 
Nerven  der  wichtigsten  Sinnesorgane  entstammen,  ist  selten  durch 
rückschreitende  Metamorphose  zu  einer  Art  Brücke  zwischen  den  seit- 

1* 


4  Arthropoden. 

liehen  Commissuren  des  Schluadringes  zurückgebildet.  Ursprünglich 
enthält  jedes  Metamer  ein  vermittelst  zweier  Medianstränge  mit  den 
benachbarten  Ganglien  verbundenes  Ganglion,  welches  alle  im  ent- 
sprechenden Segmente  vorhandenen  Organe  mit  Nerven  versorgt;  je- 
doch zeigt  in  Folge  der  Verschmelzung  der  Ganglien  und  der  Ver- 
bindungsstränge die  Bildung  des  centralen  Nervensystems  ungemeine 
Verschiedenheiten  vor,  welche  durch  das  Dasein  eines  zuweilen  sehr 
umfangreichen,  sympathischen  oder  Darmsystemes  noch  complicirter 
werden. 

Augen  existiren  beinahe  überall,  sie  können  aber  bei  fest- 
sitzenden oder  schmarotzenden  Thieren  gänzlich  zurückgebildet  werden; 
häufig  haben  dann  die  Larven  Augen,  die  bei  den  Erwachsenen  fehlen. 
Gewöhnlich  stehen  sie  am  Kopfe ;  man  hat  indessen  einige  Thiere  ge- 
funden, welche  supplementäre  Augen  an  der  Basis  der  Thorax-  oder 
Bauchanhänge  tragen.  Man  unterscheidet  einfache  Augen,  welche  zu- 
weilen einzig  und  median  (Nauplius  der  Crustaceen),  zuweilen  in  der 
Medianlinie  verschmolzen  oder  auch  paarig  am  Kopfe  gelagert  sind, 
und  zusammengesetzte  Augen,  die  bald  einfach  und  median,  bald 
paarig  sind;  letztere  bieten  verschiedene  Complicationsgrade. 

Die  Hörorgane  sind  dagegen  spärlich  verbreitet  und  befinden 
sich  nie  im  Kopfe,  sondern  auf  Anhängen  des  Kopfes  (Krebs)  oder  auf 
anderen  Körpertheilen,  sogar  auf  den  Beinen  (Heuschrecken), 

An  verschiedenen  Orten  stösst  man  auf  Gruppen  von  Sinnes- 
Zellen,  welche  Stäbchen  oder  steife  Haare ,  manchmal  auch  Keulen 
tragen ,  und  deren  inneres  Ende  mit  Nervenfädchen  verbunden  ist. 
In  Folge  ihrer  Stellung  und  je  nach  den  Ergebnissen  physiologischer 
Versuche  werden  diese  Elemente ,  deren  Bildung  wesentlich  identisch 
ist,  als  Riech-,  Geschmacks-  oder  Tastorgane  angesprochen. 

Der  Darm  erscheint  meist  als  ein  röhrenförmiges  Organ,  welches 
mit  einem  Munde  beginnt  und  mit  einem  After  endet;  beide  Oeffnungen 
sind  bauchständig.  Wenn  aber  diese  Röhre  öfters  in  mehr  oder 
weniger  bestimmte  und  verschiedene  Abschnitte  (Schlund,  Kropf,  Magen, 
Dick-  und  Dünndarm  u.  s.  w.)  zerfällt,  so  kann  sie  auch  durch  rück- 
schreitende Metamorphose  bei  gewissen  parasitären  Formen  gänzlich 
verschwinden  oder  in  Folge  von  Mundverschliessung  bei  einigen 
Männchen  von  kurzer  Lebensdauer  unthätig  bleiben.  Mit  Ausnahme 
dieser  Fälle  ist  der  Mund  beinahe  immer  mit  mehrfachen  Stücken  be- 
waffnet, welche  aus  der  besonderen  Anpassung  einer  gewissen  An- 
zahl metamerischer  Anhänge  hervorgehen ,  die  ursprünglich  zur  Be- 
wegung dienten,  wie  es  viele  Crustaceen  und  namentlich  die  Limulen 
beweisen.  Die  Zahl  dieser  Stücke  (Kieferfüsse)  ist  bei  den  niederen 
Typen  höchst  unbeständig,  strebt  aber  ständig  zu  werden ,  so  dass  sie 
bei  den  höheren  (Decapoden ,  Araneiden ,  Insecten)  unwiderruflich 
fixirt  bleibt.    Die  Umwandlungen   dieser  Mundstücke  in  Bezug  auf  die 


Arthropoden.  5 

Nahrung  sind  unzählbar;  man  kann  jedoch  im  Allgemeinen  zwei  grosse 
Kategorien  unterscheiden :  die  primitiven  Kauorgane  und  die  offen- 
bar in  Folge  späterer  Veränderungen  von  diesen  abgeleiteten  Saug- 
organe. 

Die  Absonderungs-  und  Ausscheidungsorgane  sind  im 
Allgemeinen  röhrenförmig  und  gehören  zum  Darm,  wo  man  sie  je  nach 
ihrer  Stellung  und  ihren  Producten  unter  den  Namen  Speicheldrüsen, 
Harndrüsen ,  Leber  u.  s.  w.  unterscheidet.  Seltener  treffen  sich  ein- 
zellige Drüsen  im  eigentlichen  Endothelium  des  Darmes,  oder  eigen- 
thümliche,  specialisirte  Drüsen  an  bestimmten  Stellen  des  Panzers 
oder  seiner  Anhänge.  Man  hat  aber  auch  noch  nicht  mit  Sicherheit 
das  Vorhandensein  von  Ausscheiduugsorganen,  die  den  Segmentar- 
canälen  der  Würmer  homolog  wären,  nachweisen  können,  mit  Ausnahme 
der  Classe  der  Onychophoren,  wo  diese  Organe  durchaus  denjenigen  der 
Ringelwürmer  ähneln. 

Die  Athmung  geschieht  in  vielen  Fällen  durch  das  Tegument 
des  ganzen  Körpers  oder  auch,  bei  höheren  Wasserbewohnern,  durch 
Kiemen,  welche  ursprünglich  wohl  immer  den  gegliederten  Anhängen 
zugehören,  die  aber  auf  verschiedenen  Körpertheilen  als  Büschel,  La- 
mellen, Bläschen  u.  s.  w.  entwickelt  sind.  Endlich  wird  bei  den  höhe- 
ren Luftthieren  die  Athmung  durch  Luftröhren  oder  Tracheen  bewerk- 
stelligt ;  dieselben  öffnen  sich  auf  der  Körperoberfläche  und  dringen  in 
das  Innere  ein,  wo  sie  sich  oft  gefässartig  verzweigen,  aber  stets  am 
Ende  geschlossen  bleiben.  Die  einerseits  bei  den  Kiemen ,  anderseits 
bei  den  Tracheen  vorkommenden  Modificationen  sind  ausserordentlich 
zahlreich.  Bei  einigen  Larven  findet  man  eine  Art  von  Mittelbildung 
zwischen  Kiemen  und  Tracheen  in  Folge  der  Ausbildung  von  ge- 
schlossenen Tracheen  auf  kiemenförmigen  Anhängen. 

Der  Blutkreislauf  ist  immer  lacunenartig  iind  meistens  nimmt 
die  allgemeine  Körperhöhle  einen  grossen  Antheil  daran.  Oefters 
liefert  sie  den  einzigen  Behälter  der  die  Organe  badenden  Nährflüs- 
sigkeit, welche  durch  die  Bewegungen  der  Locomotionsorgane,  des 
Darmes  u.  s.  w.  hin  und  her  bewegt  wird.  Ein  eigentlicher  Kreislauf 
entsteht  durch  die  Bildung  eines  stets  rückenständigen  Herzens,  welches 
gewöhnlich  spaltförmige  Oeffnungen  besitzt,  durch  die  das  immer  un- 
gefärbte, aber  zellenartige  Körperchen  von  verschiedenen  Formen  ent- 
haltene Blut  einfliesst.  Man  kann  annehmen,  dass  die  primäre  Form 
des  Herzens  metamerisch  in  dem  Sinne  sei,  dass  einem  jeden  Segment 
ein  Paar  seitlicher  Spalten  entsprechen  würde;  das  Organ  zeigt  sich 
aber  öfters  concentrirter  und  sogar  auf  eine  einzige  Kammer  redueirt. 
Die  aus  diesem  Herzen  entspringenden  Arterien  verzweigen  sich  mehr 
oder  weniger,  um  sich  schliesslich  in  die  Lacunen  zu  öffnen,  aus 
welchen  bei  gewissen  höheren  Typen  ein  besonderes  Kreislaufsystem 
für  die  Athmungsorgane  sich  entwickelt.    Selten  ist  dieses  System  mit 


6  Arthropoden. 

dem  Herzen  vermittelst  getrennter  Gefässe  verbunden  •,  im  Allgemeinen 
münden  die  Kiemenveuen  in  das  Lacunensystera,  dessen  Blut  durch 
die  seitlichen  Spalten  aufs  Neue  in  das  Herz  zurückgeführt  wird. 

Die  Bildung  der  Geschlechtsorgane  ist  iingemein  mannig- 
faltig. In  der  Regel  sind  sie  auf  zwei  Individuen  vertheilt;  Zwitter- 
bildung trifft  sich  ausnahmsweise  bei  einigen  festsitzenden  Thieren 
oder  Schmarotzern.  Eigentliche  asexuelle  Fortpflanzung  (Knospung, 
Fissiparität  u.  s.  w.)  kommt  nirgends  vor,  dagegen  erscheinen  bei 
Larven  oder  Erwachsenen  Generationsformen,  wo  die  inneren,  ur- 
sprünglich weiblichen  Organe  ohne  irgend  welche  männliche  Befruch- 
tung Keime  erzeugen,  welche  zur  Entwicklung  gelangen  (Partheno- 
genesis  u.  s.  w.),  wie  man  ferner  noch  auf  andere  Fälle  stösst,  wo  die 
weiblichen  Fortpflanzungsorgane  steril  bleiben  (Neutren).  Der  Unter- 
schied zwischen  beiden  Geschlechtern  ist  fast  immer  äusserlich  stark 
augedeutet  und  entwickelt  sich  zuweilen  zu  einem  wirklichen  Dimor- 
phismus; dabei  behalten  die  Männchen  mehr  oder  weniger  larväre 
Formen,  oder  unterscheiden  sich  von  den  Weibchen  durch  die  Ent- 
wicklung von  Bewegungs-,  Greif-  oder  Sinnesorganen,  die  dem 
Weibchen  gänzlich  fehlen.  Die  keimbereitenden  Organe ,  Eierstöcke 
nnd  Hoden,  sind  beinahe  immer  röhi'enförmig  und  paarig,  werden  aber 
auch  zuweilen  in  Folge  von  Verschmelzung  oder  einseitiger  Entwick- 
lung einfach.  Die  Verschiedenheiten  treten  besonders  bei  den  Aus- 
fühi'ungscanälen  und  deren  Nebenorganen,  sowie  bei  den  Begattungs- 
organen hervor.  Die  Männchen  besitzen  meist  Nebendrüsen,  deren 
Producte  sich  mit  dem  Samen  mischen,  ferner  Theile,  worin  mehr  oder 
weniger  complicirte  Spermatophoren  gebildet  werden,  und  endlich  Be- 
gattungsorgane; zuweilen  sind  diese  letzteren  von  den  eigentlichen 
Geschlechtsorganen  vollständig  getrennt  und  werden  vor  der  Begattung 
mit  Samen,  den  sie  den  weiblichen  Organen  zuführen,  beladen.  Oefters 
entstehen  die  Männchen  nur  für  die  Copulation;  manchmal  sind  sie 
sogar  unfähig,  irgend  welche  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen ,  und  leben 
dann  nur  sehr  kurze  Zeit. 

Ueberall  geschieht  die  Befruchtung  innerlich  und  daher  finden 
wir  in  den  weiblichen  Organen  eine  Menge  Anpassungen  zur  Aufnahme 
und  zur  Erhaltung  des  Samens.  Die  fernere  Entwicklung  der  Eier 
erfordert  besondere  Bildungen,  Uterus  genannte  Erweiterungen  u.  s.  w., 
worin  die  Jungen  manchmal  bis  zur  gänzlichen  Vollendung  ihrer 
Metamorphosen  verweilen.  Weitere  Reihen  von  Anhangsorganen  dienen 
zur  Vermehrung  der  Bildungssubstanzen  des  Eies  selbst,  zum  Aufbau 
der  Eihüllen  und  öfters  sehr  complicirten  Schalen,  zur  Lieferung  be- 
sonderer Stoffe,  welche  bestimmt  sind,  die  Eier  zu  fixiren  oder  schweben 
zu  lassen,  kurz,  ihre  Existenz  während  der  Evolutionszeit  oder  die- 
jenige der  Larven  nach  ihrem  Austritte  zu  versichern.  Wenn  gewisse 
männliche  Auhangsorgane   öfters   in  Hinsicht   auf  die  Begattung  seit- 


Arthropoden.  7 

saraer  Weise  modificirt  sind,  erleiden  dagegen  die  weiblichen  nicht 
weniger  wichtige  Veränderungen  für  das  Legen  und  Fixiren  der  von  der 
Mutter,  zuweilen  auch  von  dem  Vater  getragenen  Eier  auf  zu  diesem 
Zwecke  umgebildeten  Anhängen. 

Die  Schilderung  der  embryonalen  und  Larvenentwicklung  werden 
wir  übergehen.  Wir  erwähnen  nur,  dass  die  directe  Entwicklung,  in 
Folge  deren  die  Jungen  die  Eier  unter  einer,  derjenigen  der  Erwachse- 
nen ziemlich  gleichen  Form  verlassen,  verhältnissmässig  selten  statt- 
findet, dass  dagegen  in  den  meisten  Fällen  Reihen  von  Metamorphosen 
durchlaufen  werden,  welche  manchmal  so  weit  gehen,  dass  die  Larven- 
formen sich  nicht  ohne  anhaltende  Beobachtung  an  die  Erwachsenen 
anknüpfen  lassen.  Diese  Formveränderungen  fallen  um  so  mehr  auf, 
als  sie  meistens  in  scheinbar  plötzlicher  Weise  auftreten,  indem  das 
Tegument  und  die  Anhänge,  welche  das  frühere  Stadium  besass,  ab- 
geworfen werden.  Im  Allgemeinen  können  die  larvären  Metamor- 
phosen entweder  progressiv  sein  in  Folge  der  weiteren  Entwicklung 
von  bereits  im  vorhergehenden  Stadium  existirenden  Organen ,  ja 
sogar  durch  das  Erscheinen  neuer  Organe  (zusammengesetzte  Augen, 
Flügel  u.  s.  w.) ,  oder  regressiv  in  Folge  übermässiger  Entwicklung 
gewisser  Theile  (Zeugungsorgane  z.  B.),  durch  Verkümmerung  und 
Verschwinden  anderer  Systeme,  die  unter  dem  Einflüsse  festsitzender 
oder  parasitärer  Zustände  überflüssig  geworden  sind. 

Mit  der  Mehrzahl  der  Autoren  nehmen   wir   folgende  Classen  an : 

1.  Crustaceen.  —  Durch  die  Haut  oder  durch  Kiemen  athmende 
Arthropoden,  welche  im  Allgemeinen  zwei  Fühler,  Kieferfüsse  in 
wechselnder  Anzahl  und  Bauchbeine  besitzen. 

2.  Onych.oph.orerL.  —  Wurmai'tig  gestreckter,  weicher  Körper 
mit  gesondertem  Kopfe  und  einem  Fühlerpaare,  mit  gleich  gebildeten, 
homonomen  Segmenten,  krallentragenden  Fussstummeln  und  Segmen- 
talorganen.     Tracheenathmung. 

3.  Myriapoden.  —  Tracheaten  mit  gesondertem  Kopfe,  der  ein 
einziges  Fühlerpaar  trägt,  und  zahlreichen,  homonomen  Segmenten  mit 
je  einem  oder  zwei  gegliederten  Beinpaaren. 

4.  Insecten.  —  Deutliche  Körpertheilung  in  drei  Regionen : 
Kopf,  Thorax  und  Abdomen.  Der  Kopf  trägt  ein  Fühlerpaar  und 
Mundglieder  in  bestimmter  Anzahl;  der  Thorax  ist  mit  drei  geglieder- 
ten Gliedpaaren  (Hexapoden)  auf  der  Bauchseite  und  meistentheils  mit 
zwei  rückenständigen  Flügelpaaren  versehen.  Das  Abdomen  besitzt 
keine  Anhänge.      Tracheenathmung. 

5.  Aracliniden.  —  Arthropoden  ohne  Fühler  und  Anhänge  am 
Abdomen.  Sie  athmen  durch  die  Haut,  durch  isolirte  oder  auch  durch 
zu   besonderen  Organen  (Lungen)    verbundene   Tracheen    und   besitzen 


8  Arthropoden, 

im  Ganzen  höchstens   sechs  Paare  gegliederter  Anhänge ,   die   alle  am 
Cephalothorax  angeheftet  sind. 

Diese  Eintheilung  ist  jedenfalls  eine  provisorische,  wenigstens  was 
die  Crustaceeu  und  Arachniden  anbetrifft.  Fortgesetzte  emhryologische 
und  paläontologische  Untersuchungen  wei'den ,  wie  mau  jetzt  bereits 
im  Voraus  behaupten  kann,  grosse  Veränderungen  in  der  Classification 
der  Crustaceen  und  der  Arachniden  herbeiführen ,  da  diese  Classen 
einerseits  in  Folge  der  Vereinigung  heterogener  Gruppen  gebildet 
worden  sind,  und  anderseits  einzelne  dieser  Grvippen,  die  jetzt  in 
verschiedenen  Classen  untergebracht  sind,  in  engster  Beziehung  zu  ein- 
ander stehen.  Was  jetzt  schon  sicher  festgestellt  scheint,  ist,  dass  die 
tiefe,  zwischen  den  Branchiaten  (Crustaceeu)  und  den  Tracheaten  (die 
vier  übrigen  Classen)  aufgestellte  Trennung  eine  durchaus  künstliche 
ist,  welche  keineswegs,  besonders  nach  den  paläontologischen  Angaben 
hinsichtlich  der  zwischen  den  älteren  Arthropoden  existirenden  Be- 
ziehungen, aufrecht  erhalten  werden  kann. 

Indem  wir  diese  fünf  oben  genannten  Classen  annehmen,  sind  wir 
genöthigt,  einige  Gruppen  davon  auszuschliessen,  die  wohl  zum  Kreise 
der  Arthropoden  gehören,  jedoch  so  abweichende  Charaktere  zeigen, 
dass  man  sie  nicht  ohne  eine  gewisse  Gewältthätigkeit  in  die  eine  oder 
die  andei'e  der  angenommenen  Classen  unterbringen  kann.  Zu  diesen 
GrujDpen  zählen  wir  mit  Balfour:  die  Linguatuliden,  welche 
durch  Parasitismus  so  ungemein  modificirt  worden  sind,  dass  man  den 
Typus,  von  dem  sie  herstammen,  nicht  mehr  mit  Sicherheit  feststellen 
kann;  ferner  die  Tardigraden,  die  Pantopoden  und  endlich  die 
Xiphosuren,  einer  der  ältesten  und  räthselhaftesten  Typen,  die  es 
giebt.  Wir  kennen  die  embryologische  Entwicklung  einer  jeden  dieser, 
zwischen  den  Crustaceen  uud  den  Arachniden  schwankenden  Gruppen 
genügend,  um  behaupten  zu  können,  dass  das  Studium  dieser  Entwick- 
lung die  Zweifel  über  die  Verwandtschaft  derselben  nicht  nur  nicht  weg- 
geräumt, sondern  im  Gegentheile  noch  verstärkt  hat. 

Wir  werden  also  diese  unbestimmten  Gruppen  besonders  behan- 
deln ,  indem  wir  die  Hauptzüge  ihrer  Organisation  erwähnen ,  ohne 
specieller  daraiif  einzugehen. 


Classe    der   Crustaceeu. 

Die  unter  diesem  Natuen  vereinigten  Arthropoden  sind  in  sehr 
grosser  Anzahl  in  allen  Gewässern  verbreitet.  Beinahe  alle  besitzen 
Kalkablagerungen  in  ihren  chitinösen  Tegumenten,  jedoch  fehlen  bei 
den  mikroskopischen  Formen  öfters  die  Mineralsalze. 

Die  ins  Unendliche  wechselnde  Körperform  zwang  die  Zoologen, 
zahlreiche  Unterclassen  und  Or-dnungen   zu  bilden,   welche   wir  später 


Crustaceen,  9 

kurz  erwähnen  werden.  Im  Allgemeinen  verschmelzen  die  Kopf- 
segmente  mit  einem  oder  mit  mehreren  Brustsegmenten ,  woraus  eine 
mehr  oder  weniger  feste  Vorderregion  entsteht,  der  sogenannte  Cephalo- 
thorax.  Es  giebt  ebenfalls  Beispiele,  dass  eine  gewisse  Anzahl  von 
Thoraxsegmeuteu  mit  denen  des  Abdomens  vereinigt  sind.  Die  Segnien- 
tirung  kann  zuweilen  gänzlich  verschwinden,  wie  bei  den  Lernäen. 
Die  gegliederten  Anhänge  sind  zahlreich  und  werden  zu  allen  mög- 
lichen Functionen  verwendet ,  zur  Bewegung ,  zum  Kauen ,  zum  Er- 
greifen,  als  Sinnesorgane,  zur  Athmung,  zur  Vertheidigung ,  zur  Be- 
gattung, zur  Brutpflege  u.  s.  w.  Die  Thoraxglieder  sind  in  der  Regel 
wenigstens  fünfpaarig  und  werden  zur  Bewegung  benutzt.  Der  Kopf 
besitzt  beinahe  immer  zwei  Fühlerpaare.  Am  Abdomen  heften  sich 
Anhänge  an  (Bauchfüsse). 

Das  Nervensystem  besteht  vorwiegend  aus  einer  in  der  ventralen 
Mittellinie  verlaufenden  Kette  von  Ganglien,  von  denen  je  ein  Paar  einem 
Körpersegmente  angehört.  Die  Doppelkette  wird  durch  Connective, 
welche  den  Schlund  umgeben,  mit  einer  dorsal  gelegenen  Gangiienmasse 
(Gehirn)  verbunden.  Jedoch  wird  die  Zahl  der  Ganglien  öfters  durch 
Verschmelzung  verringert  und  zuweilen  in  solcher  Weise,  dass  nur 
noch  eine  einzige  Gangiienmasse  zurückbleibt,  welche  Hirn-  und  Bauch- 
kette darstellt. 

Die  Sinnesorgane  bestehen  aus  auf  verschiedenen  Punkten  des 
Körpers,  namentlich  auf  den  Fühlern,  verbreiteten  Tast-  oder  Geruchs- 
»haaren;  aus  einfachen  oder  zusammengesetzten,  unpaaren  oder  paa- 
rigen, gestielten  oder  ungestielten,  gewöhnlich  am  Kopfe  stehenden 
Augen ;  ferner  aus  entweder  an  der  Basis  der  Fühler  oder  auf  den 
Schwanzplatten  befindlichen  Hörbläschen. 

Der  Darm  erstreckt  sich  in  gerader  Richtung  und  erweitert  sich 
in  einen  Magen  und  zuweilen  in  einen  Vormagen.  Er  wird  von 
Schlauchdrüsen  umgeben,  welche  einen  Verdauungssaft  absondern. 

Das  Kreislaufsystem  ist  sehr  verschiedenartig.  Höchst  vereinfacht 
bei  den  niederen  Formen,  gelangt  es  zu  grösserer  Vollkommenheit  bei 
den  höheren  Typen.  Man  unterscheidet  dann  ein  dorsal  gelegenes 
Herz  und  stets  durch  Hohlräume  getrennte  Arterien  und  Venen. 

Wenn  Athmungsorgane  vorhanden  sind,  so  sind  es  meistentheils 
an  den  Brust-  oder  Bauchfüssen  befestigte  Kiemen;  bei  den  niederen 
Typen  fehlen  sie  gänzlich. 

Der  Ausscheidungsapparat  ist  entweder  durch  Drüsenschläuche, 
welche  vielleicht  den  Segmentalorganen  der  Würmer  vergleichbar 
sind ,  dargestellt  oder  durch  besondere  in  der  Körperhöhle  liegende 
Drüsen,  die  an  der  Basis  der  hinteren  Fühler  münden. 

Beinahe  alle  Crustaceen  sind  getrennten  Geschlechts.  Zwitter- 
bildungen trifft  man  nur  bei  Schmarotzern.  Parthenogenesis  wurde 
bei   mehreren  Gattungen   nachgewiesen.     Die   Männchen   sind   im  All- 


10  Arthropoden. 

gemeinen  kleiner  als  die  Weibchen,  und  leben  zuweilen  als  Parasiten 
auf  denselben.  Die  Anordnung  der  Geschlechtsorgane  wechselt  un- 
gemein. 

Die  Entwicklung  durchläuft  meist  mehr  oder  weniger  verwickelte 
Metamorphosen.  Die  Beobachtung  der  Larven  erlaubt  uns,  die  ver- 
schiedenen Formen  auf  eine  kleine  Anzahl  primitiver  Bildungen,  viel- 
leicht auf  eine  einzige  Form,  die  Naupliusform,  zurückzuführen. 

Der  Parasitismus  spielt  eine  grosse  Rolle  bei  den  Krustenthieren, 
die  dadurch  oft  bis  aufs  Aeusserste  verkümmern.  Bei  den  Larven 
zeigt  sich  dann  eine  rückschreitende  Metamorphose. 

Die  Crustaceen  werden  in  Hauptgruppen  zusammengestellt,  Ento- 
mostraken,  Leptostraken,  Ai^throstraken,  Thoracostraken,  welche  sich  in 
mehrere  Ordnungen  theilen,  deren  Diagnosen  wir  dem  Lehrbuch  der 
Zoologie  von  Claus  entnehmen.  Wir  werden  auf  diese  Weise  einen 
Einblick  in  die  ausserordentliche  Mannigfaltigkeit  der  Formenvarietät 
dieser  Thiere  gewinnen. 

A.    Entomostraken. 

1.  Ordnung.  —  Die  Phyllopoden  besitzen  Blattfüsse.  Der  ver- 
hältnissmässig  grosse  Körper  ist  deutlich  gegliedert.  Sie  werden  in 
zwei  Unterordnungen  getheilt : 

a)  Die  Branchiopoden  besitzen  einen  Körper,  welcher  von  einer 
einfachen  und  flachen,  zuweilen  abgeplatteten  und  schildähnlichen, 
manchmal  auch  zweiklappigen  und  seitlich  comj)rimirten  Schale  ein- 
geschlossen wird.  Sie  tragen  10  bis  40  gut  entwickelte  blattförmige 
Schwimmfüsse  mit  Kiemenanhängen.  Beispiele:  BrancMpus ,  Apus, 
Esfheria. 

b)  Die  Cladoceren,  mit  einem  seitlich  comprimirten  Körper, 
der  von  einer  zweiklappigen  Schale  umgeben  ist,  sind  mit  grossen 
Schwimmfühlern  und  vier  bis  sechs  Ruderpaaren  versehen.  Beisi^iele : 
Daplmia,  Bosmina,  Leptodora. 

2.  Ordnung.  —  Die  Ostracoden,  deren  Körper  klein  und  seitlich 
comprimirt  ist,  besitzen  eine  zweiklappige,  sogar  den  Kopf  bedeckende 
Schale.  Sie  haben  ausserdem  sieben  als  Fühler,  Kiefer,  Kriech-  und 
Schwimmbeine  fungirende  Paare  von  Anhängen.  Ihr  Abdomen  ist  kurz. 
Beispiele:  Cypridina,  Cypris,  Cyiliere. 

3.  Ordnung.  —  Die  Copepoden  mit  gestreckter  Köi'perform,  ohne 
schalenförmige  Hautduplicatur ,  mit  zwei  Fühlerpaaren ,  einem  Paar 
Mandibeln,  einem  Paar  Kiefer,  zwei  Kieferfusspaaren,  vier  oder  sechs 
Paaren  zweiästiger  Ruderfüsse  und  einem  aus  fünf  Segmenten  be- 
stehenden, aber  gliedmaassenlosen  Abdomen.  Man  unterscheidet  bei 
ihnen  zwei  Unterordnungen : 


Crustaceen.  11 

a)  Die  Eucopepodea.  Thiere  mit  Ruderfüssen  und  zum  Kauen, 
Stechen  oder  Saugen  angelegten  Mundwerkzeugen.  Beispiele:  Cyclops, 
CetucJühls,  und  unter  den  zahlreichen  Schmarotzerformen:  ErgasiJiis, 
ChondraccDitJtuSi  CaVujus,  Lernaeojjoda. 

b)  Die  Branchiuren.  Schildförmiger  Cephalothorax  und  zwei- 
lappiges Abdomen.  Sie  besitzen  vor  dem  Munde  einen  vorstülpbaren 
Stachel  und  vier  längliche,  an  ihrem  Ende  gespaltene  Ruderpaare 
Beispiel:  Arguhis. 

4.  Ordnung.  —  Die  Cirrhipeden.  Der  undeutlich  gegliederte  Kör- 
per ist  von  einer  verkalkten  Hautduplicatur  umschlossen.  Sie  besitzen 
in  der  Regel  sechs  Paare  von  Rankeufüsseu.  Sie  sind  festsitzend  und 
beinahe  alle  Zwitter.     Sie  werden  in  vier  Unterordnungen  getheilt: 

a)  Pedunculata.  Nur  auf  dem  Thorax  segmentirt,  ein  Kalk- 
platten enthaltender  Mantel.  Beispiele:  Lepus,  Pollicqjes,  Baianus, 
Coronula. 

b)  Abdominalia.  Schmarotzer  mit  flaschenförmigem  Mantel. 
Drei  Paare  von  Rankenfüssen.     Beispiele:   Alclppe,  Cri/ptopMahis, 

c)  Die  Apoden.  Parasiten  ohne  Mantelduplicatur  und  Ranken- 
füsse.     Beispiele :   ProteoJepas. 

d)  Die  Rhizocephalen.  Schmarotzer  mit  sackförmigem,  fuss- 
losem  Körper  ohne  Segmentirung.     Beispiele:  Feitogaster,  Sacculina. 

B.    Leptostraken. 

Crustraceen  mit  dünnhäutiger,  zweiklappiger  Schalenduplicatur, 
unter  welcher  sämmtliche  Brustringe  als  freie  Segmente  gesondert 
bleiben,  mit  acht,  denjenigen  der  Phyllopoden  ähnlichen  Beihpaaren 
und  achtgliedrigem,  mit  zwei  Gabelfäden  endigendem  Abdomen.  Sie 
bilden  den  üebergang  von  den  Phyllopoden  zu  den  Arthrostraken.  Sind 
nur  noch   durch    zwei  Gattungen  vertreten:    NebaJia  und  Faranehalia. 

C.    Arthrostraken. 

1.  Ordnung.  —  Die  Amphipoden  mit  seitlich  comprimirtem  Leibe, 
besitzen  sieben,  selten  sechs  freie  Brustringe,  Kiemen  an  den  Brust- 
füssen  und  ein  längliches,  selten  rudimentäres  Abdomen,  dessen  drei 
vordere  Segmente  ebenso  viel  Schwimmfusspaare  tragen.  Die  Fuss- 
paare  der  drei  hinteren  Segmente  sind  nach  hinten  gerichtet.  Man 
theilt  sie  in  drei  Unterordnungen  ein: 

a)  Die  Laemodipoden,  deren  Abdomen  rudimentär  bleibt.  Sie 
besitzen  ein  vorderes,  unter  dem  Halse  gelegenes  Beinpaar.  Beispiele ; 
Capretla,  Cyamus, 


12  Arthropoden. 

b)  Die  Crevettineri.  Kleiner  Kopf,  kleine  Augen;  vielgegliederte, 
das  Aussehen  von  Gehfüssen  besitzende  Kieferfüsse.  Beispiele:  Talitrics, 
Gammarus. 

c)  Die  Hy perinen.  Grosser  Kopf,  grosse  Augen.  Ein  drei- 
lappiges Kieferfusspaar ,  welches  als  Unterlippe  fuugirt,  Beispiele: 
Hyperia,  Phronima. 

2.  Ordnung.  —  Isopoden.  Breiter,  mehr  oder  weniger  gewölbter 
Körper  mit  sieben  freien  Brustringen.  Meistens  reducirtes  Abdomen 
mit  kurzen  Segmenten,  dessen  blattförmige  Beine  meist  als  Kiemen  fun- 
giren.     Sie  theilen  sich  in  zwei  Unterordnungen : 

a)  Die  Anisopoden.  Der  Körper  ähnelt  mehr  oder  weniger 
demjenigen  der  Amphipoden.  Abdomen  mit  zweiästigen,  nicht  als 
Kiemen  fiingirenden  Schwimmfüssen.     Beispiele:    Tanais,  Änceus. 

b)  Die  Euisopoden.  Körper  mit  sieben  freien  Brustsegmenten 
und  ebenso  viel  Beinpaaren.  Abdomen  verhältnissmässig  kurz  und 
breit,  mit  Kiemenlamellen  an  den  Abdominalfüssen.  Beispiele:  CymotJioa, 
Idotliea,  Äsellus,  Oniscus. 

D.    Thoracostraken. 

1.  Ordnung.  —  Cumaceen.  Kleines  Rückenschild,  vier  bis  fünf 
freie  Brustsegmente,  zwei  Paar  Kieferfüsse  und  sechs  Fusspaare,  von 
denen  wenigstens  die  zwei  vorderen  gespalten  sind;  langgestrecktes 
Abdomen  mit  sechs  Ringen,  welches  beim  Männchen,  ausser  den 
Schwanzanhängeu,  noch  zwei,  drei  oder  fünf  Paare  von  Schwimmfüssen 
trägt.     Keine  gestielte  Augen.     Beispiele:  Diastylis,  Leucor. 

2.  Ordnung.  —  Stomatopoden.  Langgestreckte  Thiere  mit 
kurzem,  die  Brustsegmente  nicht  überdeckendem  Kopfbrustschild,  mit 
fünf  Paaren  von  Mundfüssen  und  drei  spaltästigen  Beinpaaren,  mit 
Kiemenbüscheln  an  den  Schwimmfüssen  des  mächtig  entwickelten 
Hinterleibes.     Beispiel:  Squilla. 

3.  Ordnung.  —  Podophtlialmen.  Umfangreicher,  über  den 
Thorax  ausgedehnter  Cephalothorax  mit  drei  oder  zwei  Paaren  von 
Kieferfüssen  und  fünf  oder  sechs  spaltästigen  oder  einfachen  Thoracal- 
beinen.     Sie  theilen  sich  in  zwei  Unterordnungen: 

a)  Die  Schizopoden.  Spaltfüssige  Krebse.  Kleine  Crustaceen 
mit  einem  grossen,  meist  häutigen  Panzer  und  acht  Paaren  gleichartig 
gebildeter  Spaltfüsse,  welche  häufig  frei  vorstehende  Kiemen  tragen. 
Beispiele:  Mysis,  Eiipliausia. 

b)  Die  Decapoden.  Grosses  Rückenschild,  welches  gewöhnlich 
mit  allen  Segmenten  des  Kopfes  und  der  Brust  verwachsen  ist,  mit 
drei   oder   zwei  Kieferfusspaaren    und  zehn  bis   zwölf,   theilweise    mit 


Crustaceen.  13 

Scheeren  bewaflfneten  Gehfüssen.  Man  theilt  sie  in:  Macruren,  dessen 
sehr  entwickeltes  Abdomen  länger  als  das  Rückenschild  ist.  Beispiele: 
Astacus,  PaUnurus,  Pagunis,  und  in  Brachyuren,  deren  kurzes  Ab- 
domen nach  vorn  umgeklappt  ist.   Beispiele:  Maja,  Cancer,  Pinnotheres. 

Typus:  Astacus  fluviafilis.  (Rond.)  Der  Flusskrebs  gehört 
zu  der  Gruppe  der  zehnfüssigen  Makriiren  und  zur  Ordnung  der 
Podophthalmen  (das  Abdomen  wird  gewöhnlich  unrichtiger  Weise 
Schwanz  genannt). 

Der  Flusskrebs  ist  beinahe  in  allen  Gewässern  Europas  verbreitet. 
Seine  von  einer  grossen  Zahl  von  Naturforschern  bearbeitete  Anatomie 
ist  auf  das  Genaueste  bekannt.  Huxley  hat  hierüber  eine  zur  Ein- 
leitung in  die  Zoologie  dienende  Monographie  geschrieben,  welche  als 
ausgezeichneter  Führer  sich  bewährt  und  auf  die  wir  den  Leser  in 
Betreff  der  in  unseren  engen  Rahmen  nicht  passenden  Einzelheiten 
hinweisen  werden.  Man  wird  ebenfalls  in  der  Zoologie  eUmentaire 
von  Felix  Plateau  eine  abgekürzte  und  getreue  Schilderung  des 
Thieres  finden. 

Präparation.  —  Der  Flusskrebs  lebt  vortrefflich  in  einem  Aqua- 
rium mit  laufendem  Wasser  und  kann  sogar  in  einem  breit  geöffneten 
Gefässe  unter  zehn  Centimeter  hohem  Wasser  lange  lebendig  auf- 
bewahrt werden.  Man  tödtet  den  Krebs  durch  Einathmen  von  Aether 
oder  Chloroform  unter  einer  Glocke ,  oder  auch  in  Wasser ,  das  mit 
einigen  Tropfen  von  Chloroform  versetzt  ist;  in  Alkohol  aufbewahrte 
Thiere  können  ebenfalls  in  vielen  Fällen  benutzt  werden. 

Zur  Präparation  des  Skeletts  lässt  man  den  Krebs  während  einiger 
Stunden  in  einer  concentrirten  Kalilösung  kochen,  indem  man  dafür 
sorgt,  dass  das  verdunstende  W^asser  von  Zeit  zu  Zeit  erneuert 
wii'd.  Das  Kali  löst  die  organische  Materie  auf,  während  die  Chitin- 
theile  unversehrt  bleiben.  Mit  dem  Scalpell  trennt  man  die  Segmente 
an  ihren  Articulationsflächen  und  erst  dann  ihre  Anhänge.  Auf  diese 
Weise  erhält  man  eine  sehr  schöne  Präparation  des  gänzlich  desarticu- 
lirten  Skelf^ttes,  dessen  verschiedene  Theile  auf  eine  Glasscheibe  mit 
einem  Tropfen  von  dichtem  Canadabalsam  aufgeklebt  werden.  Die 
Glasplatte  wird  alsdann  mit  einer  zweiten  gleich  grossen  Platte  bedeckt, 
welche  in  einen  Holzrahmen  gefasst  ist.  Den  Anfängern  rathen  wir 
sehr,  sich  solche  Präparate  zu  verfertigen,  und  sich  auf  diese  Weise  mit 
den  äusseren  Hauptorganen  bekannt  zu  machen.  Um  die  in  dem 
Skelett  enthaltenen  Kalkssalze  zu  entfernen ,  digerirt  man  es  in  einer 
Lösung  von  Essigsäure  zum  Drittel,  bis  es  gänzlich  weich  geworden 
ist.  Nachher  wird  mit  Alkohol  gewaschen,  wodurch  das  Pigment  auf- 
gelöst wird.  Man  erhält  so  die  innere  und  äussere  Chitinbedeckung 
in  voller  Reinheit. 

Was  die  Behandlung  der  inneren  Organe  anbetrifft,  so  werdem 
wir  sie  bei  jedem  einzelnen  Organe  erwähnen. 


14 


Arthropoden. 


Skelett,  —  Der  Körper  des  Flusskrehses  (Fig  1,  2)  ist  von  eiuer 
chitinösen,  meistentheils  verkalkten  Schale  bedeckt.  Es  werden  zwei  Re- 
gionen bei  ihm  unterschieden,  eine  vordere,  der  Cephalothorax,  welcher 
durch  eine  aus  einem  Stücke  bestehende  und  in  ein  spitziges  Ende, 
das  Rostrura,  auslaufende  Rückenschale  bedeckt  wird;  ferner  eine 
hintere  Region,  das  Abdomen  oder  unrichtiger  Weise  der  Schwanz  des 
Krebses,  die  segmentirt  ist  und  mit  Schwimmlamellen  endet  (20), 

riß-.  1. 


Astaciis  ßuviatUis.  —  Von  dei"  Riiekenfläche  aus  gesehen  (dem  Werke  von  Huxley 
entnommene  Figur).  A,  Männchen;  B,  Weibchen;  hcg^  die  Grenze  zwischen  dem 
Herzbeutel  und  den  Kiemenhöhlen  bezeichnende  Kiemenherzfurche ;  cg,  Hirnfurche 
(diese  Buchstaben  stehen  auf  der  Schale) ;  r,  Rostruiii ;  t,  t\  die  zwei  Theile  des  Tel- 
sons;  1,  Augenstiele;  2,  kleine  Fühler;  3,  grosse  Fühler;  20,  Seitenlappen  der 
Schwanzflosse ;   XV  bis  XX,  Somiten  des  Abdomens. 


Man  bemerkt  auf  der  Schale  eine  Querfurche  (Fig.  1,  c  g),  welche 
dieselbe  in  eine  vordere  Kopfregion  und  eine  hintere  Thoraxregion 
theilt.  Ausserdem  bezeichnen  zwei  feine  Längsrinnen  die  Lage  des 
Herzens  in  der  Mitte  und  die  der  Kiemen  auf  beiden  Seiten  (Fig.  \^\)cg). 


Crustaceen. 


15 


Ferner  ist  zu  beachten,  dass  die  Schale  sich  rechts  und  links  in  zwei 
breite,  convexe  Platten  krümmt,  deren  ünterränder  frei  bleiben. 
Diese  Verlängerungen  wurden  Branchiostegiten  genannt;  sie  bilden 

Fio;.    2. 


Astaciis  fluviafdis.  —  Von  der  Bauch-  oder  Sternaltläche  aus  gesehen  (Figur  von 
Huxley).  A,  Männchen;  B,  Weibchen;  a,  After;  gg,  OefFnung  der  grünen  Drüse; 
Ib,  Oberlippe  [luhrum);  mt,  Metastom  oder  Unterlippe  ;  od,  EileiteröfFnung  ;  vd,  OefFnung 
des  Samenganges;  1,  Augenstiele;  2,  Antennula;  3,  Fühler;  4,  Mandibel ;  8,  zweiter 
Kaufuss ;  9,  dritter  oder  äusserer  Kaufuss;  10,  Scheere ;  11,  erster  Fuss ;  14,  vierter 
Fuss;  15,  16,  19,  20,  erster,  zweiter,  fünfter  und  sechster  Bauchfuss  ;  X,  XI,  XIV, 
Sternum  des  vierten,  fünften  und  achten  Thoraxsomiten ;  XVI,  Sternum  des  zweiten 
Bauchsomiten.  Bei  dem  Männchen  hat  man  die  Anhänge  4  bis  9  und  16  bis  19  der 
linken  Seite  weggenommen;  beim  Weibchen  (ihr  Basalglied  ausgenommen)  fehlen  die 
Fühler  und  die  Anhänge  5  bis  14  der  rechten  Seite.  Man  sieht  hier  die  auf  der 
linken   Seite   an  den  Schwimmfüssen  ancrehefteten   Eier. 


16 


Arthropoden. 


Fiff.  3. 


die  äussere  Wandung  einer  die  Kiemen  einschliessenden  Kammer, 
deren  innere  Wand  durch  eine  kaum  verkalkte  Chitinlamelle  hei-gestellt 
ist,  welche  die  Kiemeukammer  von  der  Körperhöhle  vollständig  trennt 
(Fig.  4,  Je,  V).  Die  Kiemenkammer  ist  weit  nach  unten  geöffnet,  das 
Athemwasser  kann  also  leicht  darin  circuliren.  Nach  vorn  und  unten 
verlängert  sich  die  Kammer  in  einen  Canal,  der  an  dem  Punkte,  wo 
der  Kopf  an  den  Thorax  eingelenkt  ist,  ausmündet.  In  dem  Canale 
befindet  sich  eine  ovale  Platte,  das  Scaphognathit  (Fig.  22,  6), 
deren  Function  wir  bei  der  Athmung  erörtern  werden. 

Die  Segmentirung  des  Cephalothorax  ist  nur  auf  der  Bauchfläche 
ersichtlich  (Fig.  2  a.  v.  S.).  Man  zählt  hier  ebenso  viel  Segmente  als 
Gliederpaare.  Im  oben  genannten  Werke  von  Hu xley  findet  sich  eine 
eingehende  Beschreibung  der  verschiedenen,  diese  Segmente  bildenden 
Theile,  sowie  derjenigen,  welche  das  Eudophragmalsystem,  das  heisst 

das  ungemein  complicirte  innere 
Skelett  bilden,  welches  den  Ce- 
phalothorax stützt,  die  Einge- 
weide beschützt  und  zahlreiche 
Ansatzpunkte  für  die  Muskeln 
darbietet. 

Das  Abdomen  ist  auf  seinem 
ganzen  Umkreise  scharf  segmen- 
tirt  und  wird  aus  sechs  beweg- 
lichen auf  einander  folgenden 
Ringen  oder  S  o  m  i  t  e  n  und  einer 
Endlamelle ,  dem  T  e  1  s  o  n  (Fig. 
1  und  2,  t,  t')  zusammengesetzt. 
Auf  dem  Querschnitte  eines  So- 
miten  unterscheiden  wir  einen 
gewölbten  Rückentheil,  das  Ter- 
gum  (Fig.  3,  a),  einen  Bauchtheil, 
das  Sternum  (?)) ,  und  endlich 
zwei  seitliche  Theile,  die  Pleuren 
(c);  Epimer  {d)  hat  man  die  ster- 
nale  Region  zwischen  dem  Ver- 
bindungspunkte der  Anhänge  und  der  Pleuren  genannt.  Diese  Ausdrücke 
sind  unbedingt  nothwendig,  um  die  Homologien  der  verschiedenen 
Somiten  des  Cephalothorax  und  der  Abdominalregion  festzustellen. 

Anhänge.  —  An  der  Bauchseite  der  einzelnen  Somiten  sind 
zwanzig  Paare  gegliederter  Anhänge  angeheftet,  welche  die  richtige 
Zahl  der  Körpersegmente  angeben,  mit  Ausnahme  des  Telson,  das 
keine  besitzt.  Es  sind  das  von  vorn  nach  hinten  (siehe  Fig.  2  und  6): 
I.  Die  mit  der  facettirten  Hornhaut  des  Auges  endenden 
Augenstiele. 


Astacus  fluviatUis.  —  Querschnitt  eines  So- 
miten des  Abdomens,  welcher  die  allgemeine 
Anordnung  der  Organe  zeigt  (schematische 
Figur),  a,  Tergum ;  &,  Sternum  ;  c,  Pleu- 
ron ;  d,  Epimer;  e,  Anhang;  /,  Streck- 
muskeln des  Abdomens;  g,  Beugeiiiuskeln ; 
h,  Darm;  i,  Nervenganglion;  h,  obere 
Baucharterie  ;  /,  untere  Baucharterie. 


Crustaceen.  17 

II.  Die  Antennulen  oder  kleinen  Fühler,  welche  zwei  Geissein 
und  das  Hörorgan  in  ihren  Basalgliedern  tragen. 

III.  Die  mit  eiuev  einzigen  Geissei  endenden  grossen  F  il  h  1  e  r.  Die 
ßauchfläche  ihres  Basalgliedes  trägt  "die  OefFnung  der  grünen  Drüse. 

IV.  Ein  Paar  harte  und  auf  dem  inneren  Rande  kräftig  gezahnte 
Mandibeln. 

VundVI.  Zwei  Paar  weichere,  blattförmige  Kiefer  oder  Maxillen. 

VII,  VIII  und  IX.  Drei  Kieferfusspaare  (Maxillipeden),  deren 
hinteres  Paar  das  grösste  ist.  Modificirte,  zum  Ergreifen  der  Nahrungs- 
mittel dienende  Füsse.  Die  beiden  letzten  Paare  tragen  Kiemenfäden 
(siehe  Athmung). 

X.  Ein  Paar  grosser  Füsse,  welche  mit  kräftig  entwickelten 
Scheeren  enden  (Chelae  oder  Raubfüsse  von  Huxley). 

XI,  XII,  XIII  und  XIV.  Vier  Paar  Gehfüsse,  die  zur  Orts- 
veränderung dienen.  Die  beiden  ersten  Paare  enden  mit  Scheeren, 
welche  denjenigen  der  Raubfüsse  ähnlich  sehen,  aber  bedeutend  kleiner 
bleiben.  Die  zwei  Hinterpaare  gehen  in  eine  Kralle  aus."  Zu  bemerken 
ist ,  dass  bei  den  Weibchen  die  Geschlechtsöffnungen  auf  dem  Basal- 
gliede  des  zweiten  Paares  der  Gehfüsse  angelegt  sind ,  während  sie 
bei  den  Männchen  an  der  Basis  des  vierten  Paares  münden  (Fig.  2,  J.,  fc? 
und  JB,  0  d). 

XV,  XVI,  XVII,  XVIII  und  XIX.  Es  kommen  noch  hinzu  fünf 
Paare  von  Bauchfüssen  oder  falschen  Füssen,  welche  dünn  und 
biegsam  sind.  Sie  dienen  dem  Weibchen  zum  Bewahren  der  Eier 
während  der  Brutzeit.  Beim  Männchen  sind  die  beiden  nach  vorn 
gerichteten  Vorderpaare  zur  Entleerung  des  Samens  umgestaltet. 
(Siehe  Geschlechtsorgane,  Fig.  28.) 

XX.  Endlich  trägt  das  letzte  Bauchsegment  ein  Doppelpaar  von 
Ruderplatten,  welche  fächerartig  auf  jeder  Seite  des  Telson  angebracht 
sind.  Das  Ganze  bildet  eine  mächtige  Schwimmflosse,  welche  durch 
die  Abdominalmuskeln  in  Bewegung  gesetzt  wird  und  namentlich  die 
Bewegung  nach  rückwärts  erzeugt  (Fig.  1  und  2,  t,  t'). 

Jeder  Anhang  ist  von  einer  gewissen  Anzahl  in  einander  gelenkter, 
beweglicher  Glieder  gebildet,  deren  Nomenclatur  und  Homologien  man 
in  dem  Werke  von  Huxley  finden  wird.  Die  Beschreibung  eines 
jeden  einzelnen  würde  uns  zu  weit  führen.  Wir  begnügen  uns  deshalb, 
auf  unsere  Figuren  zu  verweisen,  welche  die  Umwandlungen  dieser 
Organe  je  nach  ihrer  Anpassung  zu  den  Sinnes-,  Kau-  und  BeweguDgs- 
functionen  u.  s.  w.  darstellen. 

Die  äussere  Oberfläche  der  Somiten  und  der  Anhänge  ist  beinahe 
glatt;  jedoch  gestaltet  es  sich  anders  mit  der  inneren  Fläche,  wo  man 
Erhöhungen,  Wülste  und  unter  dem  gemeinsamen  Namen  Apodemen 
bekannte  Chitinlamellen  bemerkt,  die  als  lusertionsflächen  der  Muskeln 
fungiren. 

Vogt  u.  Yuiig,   prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  2 


18 


Arthropoden. 


Allgemeine  Lagerung  der  Organe  (Fig.  4).  —  Bevor  wir   in 
die  specielle  Beschreibung  der  verschiedenen  Organe   des  Krebses  ein- 

Fig.  4. 


Astacus  ßiunutlüs.  —  Allgemeine  Ansicht  der  Organe.  Das  Herz  ist  weggenommen. 
Der  Darm  ist  vorn  abgeschnitten  worden  und  nach  rechts  zurückgeschlagen,  um  die 
von  ihm  bedeckten  Organe  zu  zeigen.  Die  Nervenkette  in  der  Bauchregion  ist  nach 
Entfernung  der  Muskeln  blossgelegt  worden.  Fühler  und  Füsse  sind  weggeschnitten, 
um  die  Figur  zu  vereinfachen,  a,  Hirn  ;  b,  Connective  des  Schlundringes ;  c,  Bauch- 
gänglien ;  d,  die  Bauchganglien  verbindende  Connective;  ef,  Apodemen  des  Endo- 
phragmalsystems,  die  Nervenkette  in  ihrem  Brusttheile  bedeckend;  </,  Muskelbündel; 
h,  quer  durchschnittene  Streckmuskeln  des  Abdomens;  ^,  Sternum  der  Bauchsomiten; 
k-i  die  Körperhöhle  von  der  Kiemenhöhle  trennende  Scheidewand  ;  /,  Kiemen;  m,  paarige 
Lappen  der  Hoden ;  n,  unpaarer  Hodenlappen ;  o,  Samencanäle ;  p,  grüne  Drüsen ; 
<7,  Mandibelmuskeln ;  r,  quer  diirchschnittener  Schlund;  s,  Magen;  t,  Darm;  m,  auf 
der  unteren  Fläche  des  Telsons  v  mündender  After ;  a;,  durchscheinendes  Magen- 
skelett; y,  vordere  Magenmuskeln;  z,  hintere  Magenmuskeln;  1,  Pförtnerregion  des 
Magens  ;    2,  Ausführungsgang  der  Verdauungsdrüse  ;    3,  Leber  oder  Verdauungsdrüse. 


Crustaceen. 


19 


Fig.   5. 


gehen,  wollen  wir  einen  Blick  auf  dessen  Anatomie  werfen.  Nachdem 
man  der  Länge  nach  auf  beiden  Seiten  die  Schale  mit  der  Scheere 
aufgeschnitten  hat,  trennt  man  sie  sorgfältig  von  der  unterliegenden 
Hypodermis  ab.  Alsdann  nehmen  wir  das  ausgeschnittene  Stück  weg, 
um  in  die  Körperhöhle  einzudringen.  Die  Hauptmuskeln,  das  Herz, 
die  über  den  Darm  laufenden  Aorten  treten  dann  hervor.  Der  Darm 
zeigt  nach  vorn  einen  weiten  Magen  (Fig.  4,  s),  dessen  Skeletttheile 
durch  seine  Wände  durchscheinen,  und  auf  dessen  beiden  Seiten 
sich  die  Verdauungsdrüse  erstreckt  (3).  Nachdem  man  den  Magen  von 
den  Muskelbändchen,  die  ihn  an  die  Schale  anheften,  gelöst  und  den 
Schlund  durchschnitten  hat,  erblickt  man  das  Hirn  (Fig.  4,  a)  und  die 
grünen  Drüsen  (2)).  Dieses  gethan,  zieht  man  den  Darm  auf  die 
Seite,  wodurch  zugleich  das  Herz  und  die  grossen  Gefässe  ebenfalls 
abgezogen  werden ;  auf  diese  Weise  werden  die  Geschlechtsorgaue 
entblösst  (Fig.  4,  w).  Zuletzt  werden  die  Bauchmuskeln  heraus- 
geschnitten ,  welche  die  auf  der  Medianlinie  der  Bauchfläche  gelegene 
Ganglienkette  verbergen  (Fig.  4,  c,  d) ;  man  legt  diese  letztere  in  dem 
Thorax  bloss,  indem  man  mit  einer  feinen  Scheere  die  sie  bedeckenden 
Apodemen  (Fig.  4,  e,f)  wegschneidet. 

Tegumente.    —   Die    Haut   des    Flusskrebses    (Fig.    5)   besteht 
aus  einer  äusseren  Schicht,  der  Cuticula  von  chitinöser  Natur,  welche 

an  vielen  Orten  von 
Kalksalzen  durchdrun- 
gen ist  und  einer  tiefen 
Schicht,  der  Hypoder- 
mis oder  chitinoge- 
nen  Schicht,  welche 
die  vorige  erzeugt.  Wir 
werden  ihre  Beziehun- 
gen und  Bildung  mit- 
telst Schnitten  auf 
Fragmenten  studiren, 
welche  in  Alkohol  ge- 
härtet und  entweder  in 
Essigsäure  zum  Drittel 
oder  in  1  procentiger 
Chromsäure  entkalkt, 
dann  mit  Cochenille  ge- 
färbt und  in  Paraffin  eingeschlossen  worden  sind.  Das  Aussehen  der 
Schnitte  wechselt  je  nach  ihrer  Dicke  und  nach  den  Körperregiouen. 
Die  chitinöse  Cuticula  bedeckt  nicht  nur  das  äussere  Tegument, 
sondern  kleidet  auch  die  inneren  Organe ,  wie  die  Kiemen  und  den 
Darm  aus.  Hier  ist  sie  äusserst  fein  und  das  Mikroskop  zeigt  in  ihr 
keine    Zellenstructur.       Unter    geringer   Vergrösserung    erscheint    sie 

2* 


Astaciis  fliiviatUls.  —  Querschnitt  der  Haut  der  zuvor 
entkalkten  grossen  Scheere  (Leitz,  Oc.  I,  Obj.  7). 
a,  Periostracum ;  ö,  abwechselnd  helle  oder  dunkle 
Lamellen  der  von  den  porösen  Canälchen  durchsetzten 
Chitinschicht;  c,  chitinogenes  Epithelium ;  c/, "unter- 
liegendes Bindegewebe ;  e,  Scheide  eines  Haares. 


20  Arthropoden. 

homogen.  In  den  Regionen,  wo  sie  eine  grössere  Dicke  erzielt,  aber 
keine  Kalksalze  enthält,  an  den  Gelenken  der  Ringe  z.  B.,  besteht  die 
Cuticula  aus  schichtenweise  gelagerten  Lamellen.  Man  kann  auf  den 
Schnitten  einen  oberflächlichen  gelblichen  und  durchsichtigen  Ueberzug 
beobachten,  das  Epiostracum  (Fig.  5,  a) ,  welches  eine  Serie  von  ab- 
wechselnd dunklen  und  hellen  Lamellen  (fe)  bedeckt,  die  von  feinen 
porösen  Canälchen  durchzogen  werden  und  in  welchen  man  hier  und  da 
Pigmentablagerungeu  findet. 

In  den  harten  Theilen  der  Schale  sind  die  inneren  Schichten  der 
Cuticula  mit  Kalksalzen  (kohlensaurer  und  phosphorsaurer  Kalk) 
gesättigt,  welche  gleichförmig  zerstreut  oder  in  kleinen  unregelraässigen 
Häufchen  abgelagert  sind.  Um  sie  zu  bemerken,  muss  man  selbst- 
verständlich die  Wirkung  der  Säuren  vermeiden  und  auf  einem  feinen 
Polirstein  bis  zur  Durchsichtigkeit  abgeriebene  Fragmente  untersuchen. 

Die  Oberfläche  der  Cuticula  zeigt  stellenweise  Kanten ,  Wärzchen 
und  von  Canälen  durchsetzte  Borsten,  ebenfalls  von  chitinöser  Natur. 
Querschnitte  beweisen,  dass  die  Borstencanälchen  sich  durch  die 
Cuticula  bis  in  die  unterliegende  Schicht  fortsetzen  (Fig.  5,  c)- 

Die  chitinogene  Schicht  oder  Hypodermis  besteht  aus  cylin- 
drischen  Zellen  (Fig.  5,c),  deren  eiförmiger  Kern  sich  mit  Cochenille 
und  im  Allgemeinen  vermittelst  Carminlösungen  ausgezeichnet  färben 
lässt.  An  gewissen  Stellen  enden  diese  Zellen  mit  Verlängerungen 
nach  innen,  welche  in  das  unterliegende  Bindegewebe  eintreten.  Dieses 
letztere  besteht  aus  quer  gekreuzten  Fäserchen,  worin  man  grosse 
rundliche  Zellen  erblickt.  Ferner  enthält  es  in  den  Oberschichten  ein 
röthliches,  in  Alkohol  lösbares  Pigment,  das  unter  dem  Mikroskop 
in  Form  körniger  Ablagerungen  oder  sternartiger  Zellen  erscheint. 
Das  Bindegewebe  wird  ausserdem  von  Nerven  und  Gefässen  durchsetzt. 

Die  Autoren  sind  über  die  Art  der  Entstehung  der  Cuticula  aus 
der  Hypodermis  nicht  einig.  Nach  Vitzou  werden  die  verschiedenen 
Chitinlamellen,  von  denen  wir  gesprochen,  durch  die  allmähliche  Ver- 
dickung des  Obertheiles  der  chitinogenen  Zellen  gebildet,  welcher  sich 
nach  und  nach  vom  Zellenkörper  loslöst.  Das  wechselnde  Aussehen 
dieser  Lamellen  soll  von  der  verschiedeneu  Dichtigkeit  der  Stoffe,  die 
sie  bilden,  herrühren. 

Es  ist  allgemein  bekannt,  dass  der  Krebs  während  seines  Wachs- 
thumes  öfters  seine  Schale  wechselt.  Während  der  Periode,  die  der 
Mauser  vorangeht,  erscheint  bereits  die  junge,  gänzlich  weiche,  sich 
bildende  Schale,  welche  unter  der  alten,  harten  Schale  liegt.  Während 
der  Mauser  selbst  machen  sich  die  thätigen  Cylinderzellen  der  chitino- 
genen Schicht  durch  ihre  Grösse  bemerklich. 

Die  Mauser  beginnt  mit  der  Zerreissung  der  nicht  verkalkten 
Tegumente,  welche  den  Hinterrand  des  Cephalothorax  und  das  erste 
Bauchglied  verbinden.     Durch   diese  Spalte   zieht  sich   das  Thier  aus 


Crustaceen.  21 

seiner  festen ,  zu  eng  gewordenen  Hülle ,  wie  aus  einem  Handschuh 
heraus,  indem  es  die  alte  Schale  unversehrt  und  damit  auch  die 
chitinöse  Umhüllung  der  Kiemen  imd  des  Darmes  zurücklässt,  so  dass 
man  nach  der  Mauser  glauben  könnte,  der  Krebs  habe  sich  verdoppelt. 

Nach  Chantran  wechseltder  Flusskrebs  seine  Schale  achtmal  wäh- 
rend des  ersten  Lebensjahres  und  fünfmal  im  zweiten.  Später  häutet 
sich  das  Thier  nur  zweimal  im  Jahre,  zwischen  Juni  und  September. 

Kittdrüsen.  —  Das  Weibchen  zeigt  auf  der  Ventralfläche  seiner 
Bauchsegmente  (Region  der  Epimeren),  sowie  an  der  Basis  des  letzten, 
in  Schwimmplatten  umgewandelten  Fusspaares ,  zahlreiche  kleine 
Oeffnungen,  durch  welche  ein  klebriger,  weisslicher,  im  Wasser  er- 
härtender und  zur  Fixirung  der  Eier  an  die  falschen  Füsse  dienender 
Stoff  während  der  Ablage  der  Eier  aussintert.  Sie  stellen  die  Oeff- 
nungen der  Unterhautdrüsen  vor,  welche  birnförmig  sind,  mit  den 
Speicheldrüsen  (Fig.  17)  einige  Aehnlichkeit  besitzen  und  aus  runden 
oder  vieleckigen,  einen  eiförmigen  Kern  besitzenden  Zellen  gebildet 
werden.  Braun,  welcher  sie  zuerst  unter  dem  Namen  „Kittdrüsen" 
beschrieben  hat ,  fand  darin  im  November  alle  Elemente  der  oben 
erwähnten  Absonderung,  eine  Beobachtung,  die  ein  Jeder  leicht  durch 
Querschnitte  der  Tegumente  in  dieser  Körperregion  bestätigen  kann. 

Muskeln.  —  Die  Muskeln  des  Flusskrebses  sind  weiss  und  in  Bündel 
zertheilt,  die  aus  quergestreiften  Fasern  bestehen.  Man  untersucht 
sie  frisch  auf  Zupfungspräparaten,  die  den  Muskeln  der  Scheeren  oder 
des  Abdomens  entnommen  sind.  Man  kann  die  allgemeine  Anordnung 
der  Musculatur  sehr  gut  auf  frisch  getödteten  Exemplaren  beobachten. 
Die  Muskelbündel  sind  vermittelst  ihrer  Enden  an  die  Innenfläche  der 
harten  Theile  des  Skeletts  durch  ein  faseriges,  öfters  chitiuöses  Gewebe, 
welches  als  Sehne  fungirt,  angeheftet. 

Die  kräftigen  Bauchmuskeln ,  welche  die  Somiten  der  Hinter- 
region zu  bewegen  haben  und  daher  die  Hauptrolle  beim  Schwimmen 
spielen,  sind  ebenfalls  bemerkenswerth.  Das  Rückenpaar  (Fig.  ß,  em 
a.  f.  S.),  die  Streckmuskeln,  ist  das  schwächste  und  heftet  sich  nach 
vorn  an  den  Seitenwänden  des  Thorax  an.  In  jedem  Ringe  löst  sich  ein 
Bündel  davon  ab  (Fig.  6,  XV  bis  XX),  welches  sich  an  die  innere 
Fläche  des  Tergums  des  entsprechenden  Ringes  anheftet.  Durch  ihre 
Zusammenziehung  schieben  diese  Muskeln  die  Tergums  unter  ein- 
ander, indem  sie  die  sie  verbindende  Zwischenhaut  falten. 

Die  Beugemuskeln  (Fig.  6,  fm)  sind  bedeutend  grösser  als  die 
vorigen;  ihre  Fasern  sind  spiralförmig  gewunden,  wie  die  Drähte 
eines  Kabeltaues.  Sie  setzen  sich  nach  vorn  an  die  Apodemen  an, 
welche  die  Nervenkette  in  der  Thoracalregion  bedecken,  und  heften 
sich  nach  hinten  an  das  Sternum  eines  jeden  Ringes,  indem  sie  sich 
bis  zum  Telson  erstrecken.  Es  ist  klar,  dass  ihre  Zusammenziehung 
eine    Krümmung'    des    Abdomens    nach    unten    bewirkt    und    sein    die 


22 


Arthropoden. 


stösst.       Der    Gegenstoss 


Schwimmflosse    tragendes    Ende    vorwärts 
schleudert  das  Thier  nach  hinten. 

Zwar  erzielt  die  Streckung  des  Abdomens,  welche  der  Krümmung 
sogleich  folgt,  wenn  das  Thier  schwimmt,  eine  gerade  entgegengesetzte 
Wirkung,  das  heisst,  der  Krebs  wird  dadurch  nach  vorn  gestossen. 
Da  aber  die  Beugung  in  Folge  der  kräftigen  Bauchmuskeln  weit 
gewaltiger  ist,  so  giebt  sie  dem  Wasser  einen  entschieden  mäch- 
tigeren Stoss. 

Die  Muskeln  der  Glieder  können  am  besten  an  den  Raubfüssen 
untersucht  werden,   wo   sie  ihren    grössten    Umfang    erreichen     (siehe 

Fig.   fi.  ■ 

e-'^i-  add.m 

XX 


Astacus  fluvlatills.  —  Die  Hauptmuskehi  und  ihre  Verbindungen  mit  dem  Exoskelett 
zeigender  Längsschnitt  des  Körpers  (Figur  von  Huxley).  a,  After;  add.m.  Anzieh- 
muskel  der  Mandibel;  cm,  Streckmuskel;  fm,  Beugemuskel  des  Abdomens;  ces, 
Schlund;  pcj),  Stirnstachel;  f,  l' ,  die  beiden  Segmente  des  Telsons ;  '  XV  bis  XX, 
Bauchsomiten ;  1,  Augen;  2,  Antennulen;  3,  Fühler;  4,  Mandibeln;  5  und  6,  Kiefer; 
7,  8  und  9,  Kieferfüsse ;  10,  Scheeren;  11  bis  14,  Gehfüsse  ;  15  und  16,  Begattungs- 
füsse ;   17  bis   19,  falsche  oder  Bauchfüsse ;   20,  Schwimmblätter. 

die  Arbeit  von  Lemoine).  Die  Myologie  des  Magens  wurde  von 
Mocquard  beschrieben.    Wir  verweisen  auf  diese  beiden  Arbeiten. 

Nervensystem.  —  Der  Flusskrebs  besitzt  wie  alle  Arthro- 
poden eine  Ganglienkette,  die  auf  der  Mittellinie  der  Bauchfläche  ver- 
läuft. Im  Abdomen  legt  sie  sich  unmittelbar  an  die  Tegumente  an, 
so  dass  man  sie  bei  jungen  Thieren  durch  die  Haut  durchschimmern 
sieht.  Die  Ganglien  befinden  sich  auf  dem  Stern  um  eines  jeden  Ringes 
und  werden  unter  einander  durch  Längsbündel  von  Nervenfasern,  so- 
genannte Connective,  in  Zusammenhang  gebracht.  Jedes  Ganglion  ist 
ursprünglich  doppelt,  jedoch  sind  die  beiden  dasselbe  bildenden  Massen 
derart  verschmolzen,  dass  sie  nur  eine  einzige  darzustellen  scheinen. 

Die  Doppelbildung  der  Nervenkette  ist  besonders  auf  der  Höhe 
der  Connective  der  Thoraxi^egion  ersichtlich.  Wenn  man  die  Kette 
hier  unter  einer  schwachen   Linse   beobachtet,   so   sieht  man,   dass  sie 


Crustaceen. 


23 


durch    zwei    in   einer    gemeinsamen   Scheide    eingeschlossene    Stränge 
gebildet    wird,    ausgenommen    am    Durchgangspunkt    der  Brustarterie 
jijo-.  7.  (Fig.  7,Ä;)  und  um  den  Schlund  herum 

in  der  Kopfregion,  wo  die  beiden 
Sträuge  auseinander  gehen  (Fig.  7,h). 
Man  entblösst  die  Ganglienkette, 
indem  man  die  Bauchmuskeln  entfernt, 
worunter  sie  vmmittelbar  auf  den  Te- 
gumenten  freiliegt,  wie  bereits  erwähnt 
wurde.  Diese  Operation  ist  eine  leichte; 
die  Kette  wird  aber  in  der  Thorax- 
region von  den  harten  Apodemen  der 
Sternalbildungen,  welche  an  dieser 
Stelle  eine  Art  Canal,  den  sogenannten 
Brustcanal  bilden,  umschlossen.  Um 
die  Kette  bloss  zu  legen ,  muss  man 
also  die  Wölbung  dieses  Canals  mit 
einer  feinen  Scheere  aufsprengen. 
Die  Präparation  erheischt  einige  Vor- 
sicht, da  das  Nervensystem  leicht  ver- 
letzt wird.  Man  wird  wohl  daran 
thun,  ein  Apodem  nach  dem  anderen 
mit  der  Pincette  aufzuheben ,  bevor 
man  es  zerschneidet.  Ferner  wird  man 
sich  hüten,  die  langen  Connective,  die 
den  Schlund  sehr  nahe  umfassen,  sowie 
die  hinter  ihm  liegenden  Quercommis- 
suren  zu  verletzen.  Dasselbe  gilt  für 
die  kleinen,  die  Wurzeln  des  Magen- 
nerven ausgebenden  Ganglien. 

Alsdann  werden  wir  ersehen  kön- 
nen ,  dass  die  Gesammtzahl  der  Gan- 
glien    dreizehn     beträgt ,     sechs     am 

Astacus  flmiutUls.  —  Etwas  vergrösserte  Ner- 
venganglienkette ;  a,  Hirn ;  h,  Schlundconnec- 
tive ;  c,  Schlundganglion ;  </,  Quercomraissur  ; 
e,  ünterschlundganglion,  die  letzte  Anschwellung 
/  ist  deutlicher  abgegrenzt  als  die  vorhergehen- 
den ;  (j,  erstes  Bauchganglion  ;  ä,  Afterganglion  ; 
/,  Längsconnective  der  Ganglien ;  fc,  Durchgang 
der  Brustarterie;  Z,  durchschnittener  Schlund; 
?n,    Sehnerv ;    w,    Oculomotorius ;    o,  Hautnerv  ; 

p,  Fühlernerv ;  5,  zu  dem  Stamm  des  Magennerven  sich  begebender  unpaarer  Hirnnerv ; 

r,  Wurzeln  des  Magennerven  s ;  t,  aus  den  Connectiven  der  Bauchregion  herkommende 
Nerven ;  v,  unpaarer  Nerv  des  Afterganglions ;  v,  postero-lateraler  Nerv, 


24  Arthropoden. 

Bauche,  sechs  im  Thorax  und  eines  oberhalb  des  Schlundes  (flirn- 
ganglion). 

Die  Thoraxganglieu  sind  grösser  als  die  des  Abdomen,  aber  aus 
allen  entstehen  Nerven  in  wechselnder  Zahl ,  die  Entweder  in  die 
Muskeln  (motorische  Nerven),  oder  in  die  Haut  und  in  die  Sinnes- 
organe (sensitive  Nerven)  treten.  Ganglien  und  Nerven  werden  durch 
Zellen  und  Nervenröhren  gebildet.  Die  Zellen  können  sehr  gross 
werden;  wir  haben  welche  von  einem  Durchmesser  von  0,2  mm  gesehen, 
die  also  mit  nacktem  Auge  erkenntlich  waren.  Was  nun  die  topo- 
graphische Verbreitung  dieser  Elemente  in  den  Ganglien  beti^fFt,  so 
kann  sie  nur  durch  die  Methode  der  Schnitte  auf  zuvor  in  Osmium- 
säure fixirten  Ganglien  nachgewiesen  werden.  Da  wir  hier  nicht  in 
die  mehr  der  Histologie  angehörenden  Einzelheiten  eingehen  können, 
verweisen  wir  den  Leser  auf  die  ausführliche  Arbeit  von  Krieger 
(siehe  Literatur). 

Das  Hirn  (Fig.  7,  a  und  Fig.  8)  besteht  aus  einer  unregelmässig 
trapezoidalen  Masse,  auf  deren  unterer  Fläche  drei  Erhöhungen  sich 
leicht  mit  der  Lupe  erkennen  lassen.  Eine  etwas  stärkere  Ver- 
grösserung  zeigt  in  dieser  Masse  drei  mit  einander  verschmolzene 
Ganglienpaare,  von  denen  jedes  besondere  Nerven  ausgiebt. 

Der  vordere  Hügel,  das  Protocerebrum  (Fig.  8,  a),  um  uns 
der  von  Viallanes  gegebenen  Benennung  zu  bedienen,  entsendet 
die  Seh  nerven  (d),  welche  sich  zu  den  Augenstielen  begeben ,  wo  sie 
mit  einer  Anschwellung  oder  Bulbus,  von  dem  wir  bei  Gelegenheit  der 
Augen  sprechen  werden,  enden.  Die  Fasern  vereinigen  sich  im  Innern 
des  Hirns,  wo  sie  ein  wirkliches  Chiasma  bilden.  Nahe  am  Ursprünge 
dieser  Nerven  erscheint  ein  kleines  Nervenfädchen,  das  ebenfalls  zum  Auge 
sich  begiebt  und  als  OcuJomotorius  beschrieben  worden   ist  (Fig.  8,  c). 

Der  mittlere  Hügel  oder  Deutocerebrum  (Fig.  8,  b)  entsendet 
beiderseits  einen  in  den  benachbarten  Tegumenten  sich  verästelnden 
Hautnerven  (/) ,  und  von  seiner  ventralen  Fläche  entstehen  die 
Antennular nerven,  welche  sich  zu  den  inneren  Fühlern  begeben 
(man  sieht  sie  nicht  in  der  Figur).  Diese  Nerven  enthalten  ohne  Zweifel 
Hörfäserchen,  denn  sie  geben  einige  Aestchen  zum  Hörorgan. 

Endlich  entstehen  aus  dem  hinteren  Hügel  des  Hirnes,  dem  so- 
genannten Tritocerebr  um  (Fig.  8,  c),  die  sich  zu  den  grossen  äusseren 
Fühlern  begebenden  Fühlernerven  (g).  Von  seinem  hinteren  Rande 
entspringen  die  Connective  des  Schluodringes ,  welche  das  Hirn  mit 
dem  ersten  Thoraxganglion  oder  ünterschlundganglion  verbinden 
(Fig.  7,1)0  und  Fig.  8,h). 

Letzteres  besteht  offenbar  aus  fünf  sehr  nahe  an  einander  ge- 
drängten ,  aber  nicht  ganz  verschmolzenen  Ganglieupaaren ,  hinter 
welchen  man  noch  ein  benachbartes,  aber  von  den  fünf  anderen  deutlich 
abgesetztes   sechstes  Paar   (Fig.  7,  /)  antrifft.     Das  Gesammtganglion 


Crustaceen. 


25 


entsendet  zehn  Nervenpaare,  seclis  vom  unteren  und  vier  vom  oberen 
Rande  der  Masse  (Krieger).  Diese  Nerven  begeben  sich  zu  den 
Mandibeln,  den  Kiefern,  den  Kieferfüssen  und  zu  den  Kiemenanhängen 
dieser  letzteren.  Die  oberen  Nerven  sind  sehr  fein  und  schwer  zu 
verfolgen.  Die  Mandibularnerven  legen  sich  während  eines  Theils 
ihres  Verlaufes  eng  an  die  Schlundconnective  an. 

Die  fünf  auf  einander  folgenden  Brtistganglien  stellen  jedes  nur 
ein  Paar  auf  der  Mittellinie  verschmolzener  Ganglien  dar;  die  beiden 
letzten  sind  am  meisten  genähert,  aber  alle  besitzen  beinahe  die  gleiche 
Form  und  Structur.  Jedes  Ganglion  giebt  zwei  Nervenpaare  ab.  Die 
vorderen  Nerven  sind  die  umfangreichsten,  sie  verzweigen  sich  in  den 


Asiacus  fliiviatilia.  —  Durch  Glycerin  aufgeklärtes  Hirn ,  von  der  Rückenfläche  aus 
gesehen  (Gundlach,  Oc.  I,  Obj.  00).  a,  Protocerehrum  ;  Z>,  DeutocereLrum ;  c,  Trito- 
cerebrum ;  d,  Augennerv;  e,  Oculomotorius ; /,  Hautnerv;  g,  Fühlernerv;  li,  SchluuJ- 
connectiv;  i,  Hirnnerv,  der  nach  hinten  zum  Magennervensystem  geht.  Die  von  der 
unteren  Fläche  des  Hirns  ausgehenden  Antennularnerven    sind    nicht    sichtbar. 

Gehfüssen   und   in    den    entsprechenden    Kiemen.      Die    hinteren   sind 
feiner  und  laufen  in  die  benachbarten  Thoraxmuskeln. 

Die  fünf  ersten  Bauchganglien  bestehen  ebenfalls  aus  zwei 
zu  einer  einzigen  Masse  vereinigten  Gaoglien  (Fig.  7,  .9).  Obgleich  sie 
bedeutend  geringer  sind,  als  die  Brustganglien,  so  entsenden  sie  doch, 
wie  diese,  ein  jedes  zwei  Nervenpaare,  von  denen  das  vordere  die 
falschen  Füsse  und  das  hintere  die  Musculatur  des  entsprechenden 
Somiten  versorgt.  Ausser  diesen  beiden  Nervenpaaren  entspringt  noch 
ein  besonderes  aus  den  die  Ganglien  vereinigenden  Connectiven  (Fig.  7,f). 
Die  Fasern  dieser  Paare  stammen  von  demjenigen  Ganglion  her,  welches 
vor  ihrem  Austrittspunkte   liegt   und   gehen   in   die  Bauchmuskeln  ein. 


26  '  Arthropoden. 

Das  letzte  oder  Aftergan  gl  iou  (Fig,  7,/«)  entsendet  eine  grösssere 
Anzahl  von  Nerven.  Es  ist  dicker  als  die  vorigen,  fast  kugelförmig 
und  zeigt  drei  Hügel,  einen  mittleren  und  zwei  seitliche.  Von  seiner 
Hinterfläche  strahlen  rückwärts  zu  den  Schwimmplatten  fünf  Nerven- 
paare aus;  ferner  entspringt  'ein  medianer,  unpaarer  Nerv  von  dem 
hinteren  Rande,  der  sich  gabelt  und  dann  an  dem  Enddarm  und  in 
der  Nähe  des  Afters  verzweigt.  Letzterer  Nerv  wurde  von  Lemoine 
als  die  Hinterportion  seines  „Nervensystems  des  organischen  Lebens" 
angesprochen,  von  welchem  das  später  von  uns  zu  beschreibende 
Mundmagensystem  die  vordere  Abtheilung  bilden  würde.  Die  paarigen 
Nerven  werden  von  Fasern  gebildet,  die  zum  Theil  von  den  After- 
ganglien, zum  Theil  aber  auch  von  den  Längsconnectiven  der  Kette 
herrühren.  Letztere  Fasern  haben  also  ihren  Ursprung  in  dem  oder 
in  den  vorhergehenden  Ganglien. 

Kehren  wir  zu  den  Schlundconnectiven  zurück,  welche  das  Hirn 
mit  dem  unteren  Schlundganglion  verbinden,  so  bemerken  wir,  dass 
sie  ungefähr  in  der  Mitte  ihres  Verlaufes  eine  kleine  Anschwellung, 
das  sogenannte  Schlundganglion  (Fig.  7,  c),  zeigen,  das  seitlich  am 
Schlünde  liegt  (Com  m  i  ssurenganglion  Krieger's).  Aus  diesem 
Ganglion  entspringen  mehrere  Nerven,  von  denen  der  eine,  der  so- 
genannte postero-lateraleNerv,  an  der  Hinterhälfte  der  seitlichen 
Magenwand  sich  verzweigt,  während  ein  anderer,  der  Mandibular- 
nerv,  dessen  Fasern  dem  Unterschlundganglion  entstammen,  zu  den 
Mandibeln  läuft;  nach  diesem  Nerven  wurde  das  Ganglion  auch  das 
Mandibularganglion  genannt.  Wir  ziehen  mit  Mocquard  den  Namen 
Schlundganglion  vor,  der  die  Lagerung  an  der  Seite  des  Schlundes 
bezeichnet.  Aber  die  hauptsächlichsten  Nervenzweige  dieses  Ganglions 
sind  unbedingt  die  paarigen  Wurzeln  des  stomato-gastrischen 
Nerven  (Fig.  7,  r,  s).  Diese  beiden  Wurzeln,  eine  obere  und  eine 
untere,  laufen  nach  vorn  zur  Vorderwand  des  Schlundes  und  dann  bis 
zum  Magen,  auf  dessen  Mittellinie  sie  sich  mit  dem  gleichnamigen 
Nerven  der  anderen  Seite  zur  Bildung  des  genannten  unpaaren  Stammes 
verbinden.  Auf  ihrem  Verlaufe  schicken  diese  Wurzeln  mehrere  die 
Seitenwände  des  Schlundes  und  die  Lippenmuskeln  versorgende  Ver- 
zweigungen aus.  Der  stomato-gastrische  Nerv  begiebt  sich  zur  Ober- 
wand des  Magens ,  wo  er  sich  in  ein  spindelförmiges  Ganglion  aus- 
breitet (stomato-gastrisches  Ganglion),  und  dann  weiter  nach 
hinten  läuft ,  um  sich  seitlich  und  gegen  die  hintere  Magenwand 
zu  verzweigen,  indem  er  Aestchen  zur  Leber  und  wahrscheinlich  auch 
zum  Herzen  abgiebt  (Lemoine). 

Die  Präparation  dieses  stomato-gastrischen  Systems  bietet  wegen 
der  Durchsichtigkeit  und  der  Dünne  seiner  Nervenfasern  grosse 
Schwierigkeiten.  Für  die  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  die  ein- 
gehende Arbeit  von  Mocquard  über  den  Magen  der  Podophthalmen. 


Criistaceen. 


27 


Dieser  giebt  den  Rath,  während  des  Präparirens  die  Stellen,  wo  man 
unter  der  Lupe  einige  Fasern  blossgelegt  hat,  mit  einer  alkoholischen 
Lösung  von  Sublimat  zu  betupfen,  welche  die  Nerven  verdunkelt. 
Auch  kann  man  Thiere  benutzen ,  welche  länger  (mehrere  Monate) 
in  Müll  er 'scher  Flüssigkeit  gelegen  haben.  Diese  färbt  die  um- 
gebenden Gewebe  braun,  während  die  Nerven  durch  hellere,  gelbliche 
Färbung  sich  abheben.  Ferner  wird  die  Präparation  des  ganzen 
Systems    durch   seitliche  Lagerung    des  Thieres  sehr  erleichtert. 

Wir  fügen  hinzu,  dass  das  Mundmagensystem  eine  feine  Wurzel 
vom  Hirn  empfängt  (Fig.  7,  q). 

Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die  Connective  durch  eine 
kurze  Quercommissur  in  kleiner  Entfernung  hinter  den  Schluudgauglien 
mit  einander  verbunden  sind  (Fig.  7,  d). 

Sinnesorgane.  —  Die  Festigkeit  der  Tegumente  erlaubt  es 
uns   nicht,    dem    Thiere   ein    grosses    Empfindungsvermögen    auf  der 

Fig.  9. 

/ 


Astacus  flmiatUis.  —  Haare  der  Cuticula  auf  verschiedenen  Körpertheiien.    A  und   B, 

vom  Saume    der  Schwanzplättchen;    C,  vom  Ende  des  dritten  Paares  der  Kieferfiisse; 

/>,   Gräte  der  Kieferfüsse;   E,  die  gleiche  unter  stärkerer  Vergrösserung ;   F,   Haar   au 

der  Basis  der  Antenuulen. 


Oberfläche  des  Körpers  zuzusprechen.  Jedoch  reagirt  es  sofort  auf 
eine  Reizung  der  zahlreich  auf  den  Fühlern,  den  Kiefertastern,  den 
Schwanzlamellen  und  auf  den  anderen  Anhänsfeu  zerstreuten  Härchen. 


28 


Arthropoden. 


Diese  Borstenhaare  durchsetzen  die  Chitinschicht  der  Haut  und  wur- 
zeln,  wie  bereits  erwähnt  wurde,  in  der  Hypodermis.  Ihre  Form 
und  Grösse  wechseln  je  nach  den  Körperregionen  ungemein;  die 
einen  sind  fadenförmig  (Fig.  9,  C,  a.  v.  S.),  andere  zeigen  feine  Seiten- 
härchen (Fig.  9,  A,  B,  F),  oder  auch  chitinöse  Häkchen  (Fig.  9,  D,  E). 
Die  -meisten  zeigen  doppelte  Contouren  und  einen  inneren  Canal, 
welcher  mit  der  Hypodermisschicht  in  Verbindung  steht  und  in 
welchen  die  letzten  Verzweigungen  der  Hautnerven  eindringen.  Es 
ist  ausser  Zweifel,  dass  sie  als  Tastorgane  fungiren. 

Leydig    hat    als    Riechborsten    eigenthümliche    Haare     be- 
schrieben ,   welche  in  kleinen  Büscheln ,    vier   bis   sechs    au   der  Zahl, 


Aslacvs  ßuviutUis.    —    A,  rechte  Antennula  von  der  inneren  Seite  aus  gesehen  (fünf- 
mal vergrössert) ;   i?,  Theil  der  äusseren  Geissei ;   C,  Eiechborsten  der  äusseren  Geissei, 

a,  von  der  Oberfläche  gesehen ;    6,  im  Profil  (300  mal  vergrössert) ;    a,  Eiechborsten ; 
a  u,  Hörsack,  welcher  durch  die  Wand  des  Basalgliedes  der  Antennula  durchschimmert ; 

b,  Haare;    en,    Endopodit;    ex,  Exopodit ;    sp,    Stachel    des  Basalgliedes    (dem  Werke 

von  Huxley  entnommene  Figur). 


auf  der  Unterfläche  der  äusseren  Geissei  der  kleinen  Fühler  stehen 
(Fig.  10,  A,  ex).  Man  unterscheidet  sie  vortrefflich  unter  einer  Ver- 
grösserung  von  50  D.;  gewöhnlich  stehen  zwei  Büschel  auf  jedem 
Gliede  (Fig.  10,  B,  a,a),  mit  Ausnahme  der  Basalglieder  und  des  End- 


Criistaceen. 


29 


gliedes.  Um  sie  unter  einer  Vergrösserung  von  300  bis  400  Durch- 
messern zu  beobachten ,  scheidet  man  sie  mit  einer  feinen  Scheere 
ab  und  klärt  sie  in  Glyceriu  auf.  Sie  sind  dicker  und  kürzer  als  die 
auf  der  oberen  Fläche  der  Antennula  eingepflanzten  Borsten.  Sie  be- 
stehen aus  zwei  Theilen  (Fig.  10,  C,  ah) :  einem  cylindrischen  Griff  und 
einer  abgeplatteten  Klinge ;  letztere  ist  entweder  abgestumpft  oder 
endet  mit  einer  warzigen  Ausbreitung.  Jedes  Härchen  zeigt  einen  sehr 
deutlichen  doppelten  Umriss;  das  Innere  ist  granulös.  Da  die  noth- 
wendigen  Reagentien  kaum  durch  das  Chitin  eindringen,  so  wird  die 
Beobachtung  der  Nervenenden  in  diesen  Riechborsten  ungemein  er- 
schwert. 

Was  den  Geschmackssinn  anbeti'ifii't,  so  ist  er  nach  Lemoine 
auf  der  von  sehr  feinen  Härchen  bedeckten  Oberlippe  localisirt. 

Hörbläschen.  —  Die  Hörsäckchen  liegen  im  Basalgliede  der 
kleinen,    inneren   Fühler   oder   Antennulen   (Fig.    10,   A,  au).     Wenn 


Fiff.  11 


Astacus  flumutUls.  —  Hörapparat.  J,  Oberfläche  des  Basalgliedes  der  Antennula, 
unter  der  Lupe  gesehen,  und  die  von  einem  Haarbüschel  überdeckte  Hörspalte  h 
zeigend ;  fi,  die  gleiche  nach  Entfernung  der  Beschützungshärchen ;  man  sieht  den 
zu  dem  Hörsack  führenden  dreieckigen  Trichter;  C ,  Hörsack;  a,  Chitinwand  des 
Sackes ;  6,  auf  der  Basis  der  Antennula  mündende  Oeffnung ;  c,  Hörnerv ;  d,  Ver- 
zweigungen des  Hörnerven ;  e,  Hörhaare ;  D,  ein  Beschützungshaar  der  Sacköffnung 
(Gundlach,  Oc.  I,  Obj.  2);  E,  Hörhaar  (Gundlach,  Od,  Obj.5);  F,  Spitze  eines 
Hörhaares  mit  einem  Knötchen  (a)  des  Nerven  (Gundlach,  Oc.  Immersion  7). 


30 


Arthropoden. 


man  dieselben  unter  der  Lupe,  nach  Entfernung  der  sie  bedeckenden 
Augenstiele,  untersucht,  bemerkt  man  auf  der  oberen  Fläche  eine  Reihe 
feiner  kammartiger,  in  Form  einer  abgeplatteten  Bürste  angelegter 
Härchen  (Fig.  11,  A,  B,  a.  v.  S.).  Diese  Haare  verbergen  eine  fast 
dreieckige  Einsenkung,  auf  deren  äusserer  Seite  man  eine  enge  Längs- 
spalte bemerkt  (Fig.  11,  J5,  o) ,  die  in  einen  Sack  führt,  welcher  auf 
dem  Muskel  des  Fühlers  aufliegt  und  dessen  Wände  durch  einen  chiti- 
nösen  Einschlag  der  an  dieser  Stelle  eingestülpten  Cuticula  gestützt 
werden. 

Es  genügt,  mit  einer  feinen  Scheere  die  verkalkte  Hautstelle,  worin 
das  Hörsäckchen  mündet,  abzusprengen,  um  dasselbe  herauszunehmen 
und  unter  der  Lupe  zu  untersuchen.    Dasselbe  ist  eiförmig,  mit  Wasser 

Fig.  12. 


■-:!M-.Vj! 


m:^.m 


I0miik—-ö 


..^m 


Astacus  fluviatilis.    —    Frisches ,    unter  Wasser  beobachtetes  Fragment  des    geöffneten 
Hörsackes  (Gundlach,  Oc.  I,  Obj.  0).     a,  den  Anschein  eines  körnigen  Streifens  zei- 
gender Hörnerv;    b,    seine  Verzweigungen;    c,  Hörhaare;    c/,    Sandkörnchen,    die  Rolle 
von  Otolithen  spielend. 


und  Schleim  gefüllt  und  nach  oben  weit  geöffnet  (Fig.  11,  C,  h).  Die 
durchscheinenden  Wände  des  Säckchens  lassen  im  Inneren  kleine  Sand- 
körncheu  gewahren ,  deren  Zahl  sehr  verschieden  ist.  Sie  sind  der 
umgebenden  Erde  entnommen  und  fungiren  als  Otolithen  (Fig.  12,  c?). 
Diese  Körnchen  sind  lose;  ein  leichter  Druck  setzt  sie  sogleich  in  Be- 
wegung, so  dass  sie  mit  den  Hörborsten  (Fig.  12,  c)  in  Berührung 
kommen. 

Hörborsten   hat   man   äusserst   zarte  Härchen  genannt,   welche  in 
die   Höhlung   des  Sackes    vorspringen    und   einzeln    durch    die    Schall- 


Crustaceen,  31 

wellen  von  aussen  in  Schwingung  versetzt  werden  können  (Hensen). 
Unter  starker  Vergrösseruug  sieht  man,  dass  sie  mit  feinen  Fiederchen 
besetzt  sind,  welche  am  Ende  gedrängter  stehen  als  an  der  Basis; 
ihr  Centralcanal  scheint  mit  einer  zusammenhängenden,  granulösen, 
wahrscheinlich  nervösen  Substanz  gefüllt  zu  sein,  die  an  ihrem  freien 
Ende  eine  kleine,  eiförmige  Anschwellung  bildet  (Fig.  11,  E). 

Die  Hörborsten  stehen  in  doppelter  Reihe  längs  einer  krummen 
Linie  auf  dem  unteren  und  hinteren  Theile  des  Sackes  (Fig.  11,  C,  c 
und  Fig.  12,  c).  Parallel  mit  ihrer  Einsetzungslinie  sieht  man  einen 
körnigen  Streifen,  welcher  nichts  Anderes  ist,  als  die  Verlängerung  des 
Hörnerven,  der  in  das  Hinterende  des  Sackes  dringt  (Fig.  11,  C,  cd 
und  Fig.  12,  a);  seine  Endzweige  verlaufen  auf  der  unteren  Sackfläche 
in  die  Borsten,  Um  diese  Nervenverzweigung  beobachten  zu  können, 
muss  man  den  Sack  in  einer  0,5  procentigen  Osmiumsäurelösung  öffnen 
und  ihn  während  ungefähr  einer  Stunde  darin  lassen.  Das  granulöse 
Aussehen  des  Nervens  im  frischen  Zustande  ändert  sich  unter  dem  Ein- 
flüsse der  Osmiumsäure;  er  erscheint  dann  faserig.  Wir  müssen  aber 
erklären,  dass  diese  Umgestaltung,  deren  Grund  wir  nicht  kennen, 
nicht  immer  eintritt;  warum,  wissen  wir  nicht. 

Augen.  —  Die  das  erste  Paar  Anhänge  bildenden  Augenstiele 
oder  Ophthal miten  stehen  auf  beiden  Seiten  des  Rostrums  (Fig.  1 
u.  2,  1).  Sie  sind  auf  ihrer  Basis  von  oben  nach  unten  und  von  innen 
nach  aussen  beweglich.  Ihre  Form  ist  nahezu  cylindrisch ;  sie  be- 
stehen aus  zwei  an  einander  gefügten  Gliedern  ohne  Gelenk.  Das 
Basalglied  ist  breiter;  seine  Tegumente  sind  verkalkt;  die  unverkalkte, 
aber  doch  harte  Chitinhülle  des  längeren  und  schmaleren  End- 
gliedes wird  nach  vorn  dünner  und  durchsichtig  und  bildet  so 
am  convexen  Vorderende  die  ovale  Hornhaut,  die  in  Facetten  ein- 
getheilt  ist. 

Die  ursprüngliche  Form  der  Facetten  erscheint,  von  der  Fläche 
betrachtet,  viereckig  (Fig.  14,  B).  In  der  mittleren  Region  der  Horn- 
haut bleiben  sie  vollkommen  regelmässig,  während  sie  auf  den  Rän- 
dern derselben  unregelmässig  polygonal  werden  und  vier,  fünf  oder 
sechs  Seiten  zeigen  (Fig.  14,  A). 

Sagittalschnitte  durch  die  Hornhaut  beweisen  den  Parallelismus  der 
beiden  Flächen  (Fig.  13,  B,c,  a.  f.  S.),  obgleich  wir  manchmal  auf  der 
inneren  Fläche  eine  leichte  Wölbung  bemerkt  haben.  Das  sie  bildende 
Chitin  hat  ein  blätterartiges  Aussehen,  wie  in  den  anderen  Körper- 
regionen. 

Um  die  innere  Bildung  der  Augen  zu  untersuchen,  schneidet  man 
das  Auge  eines  lebendigen  oder  kurz  vorher  getödteten  Krebses  an 
dessen  Basis  ab ,  und  nachdem  man  den  Stiel  der  Länge  nach  auf- 
geschlitzt hat,  isolirt  man  den  Inhalt  mit  einer  feinen  Nadel  und 
beobachtet  denselben  zuerst  im  Wasser  oder  noch  besser  im  Blute  des 


32 


Arthropoden. 


Thieres.  Dann  lässt  man  Osmiumsäure,  Chromsäure  oder  irgend  ein 
anderes  Fixativ  einwirken.  Der  Gebrauch  von  Glycerin  muss  ver- 
mieden werden,  da  es  die  Elemente  verunstaltet.  Um  das  undurch- 
sichtige Pigment  zu  entfernen,  welches  bei  manchen  Individuen  in 
solchem  Maasse  angehäuft  ist,  dass  es  die  Stäbchen  verbirgt,  kann 
man  Aetzkali  in  concentrirter  Lösung  anwenden. 

Schnitte  auf  in  Paraffin  eingeschlossene  Augen  erlauben  die  rich- 
tigen Beziehungen  der  Elemente  zu  einander  wahrzunehmen.  Leider 
ist  es  schwierig,  befriedigende  Schnitte  zu  erhalten ;  die  Chitinsubstanz 
ist  sogar  nach  ihrer  Entkalkung  noch  so  hart,  dass  die  Schnitte  unter 
dem  Rasirmesser  zerbröckeln  und  zerreissen.  Das  die  Hornhaut  un- 
gemein erweichende  Javellewasser  giebt   ebenfalls   keine  schöne  Resul- 

Fig.  13. 


^li  äläUJ 


Astacus  fluviatUis.  —  A ,  Sagittalschnitt  des  Augenstieles  (sechsmal  vergrössert) ; 
B,  ein  kleiner  Theil  desselben ,  den  Sehapparat  vergrössert  zeigend,  a,  Hornhaut ; 
b,  äussere  dunkle  Zone ;  c,  äussere  weisse  Zone ;  d,  mittlere  dunkle  Zone ;  e,  innere 
weisse  Zone  ;  /,  innere  dunkle  Zone  ;  c  )• ,  Krystallkegel ;  g,  Sehgauglion  ;  op,  Seh- 
nerv;  Sj9,  gestreifte  Spindeln  (dem  Werke  von  Hnxley  entnommene  Figur). 


täte ,  da  der  Inhalt  des  Stieles  dadurch  bröcklich  wird.  Das  Beste 
ist,  junge  oder  frisch  gemauserte  Exemplare  zu  untersuchen.  Das 
abgeschnittene  Auge  wird  in  einprocentige  Chromsäure  gelegt; 
nach  zwei  oder  drei  Tagen  wird  es  in  Alkohol  gehärtet,  und  dann 
kann  es  nach  der  gewöhnlichen  Methode  in  Paraffin  eingeschlossen 
werden. 

Die   im    frischen    Zustande   vorgenommene   Zerlegung,    sowie   die 
Längsschnitte  zeigen  uns  folgende  Einzelheiten. 


Crustaceen. 


33 


Das  Centrum  des  Augenstieles  wird  von  der  Verlängerung  des 
Sehnerven  eingenommen  (Fig.  13,  Ä,  op).  Dieser  verdickt  sich  nach 
vorn  nnd  bildet  ein  Ganglion,  in  welchem  sich  spindel-  und  stern- 
förmige Nervenzellen  vorfinden,  die  mit  den  Fasern  in  Verbindung 
stehen.  Aus  dem  Sehganglion  entspringt  ein  Bündel  prismatischer 
Stäbchen,  die  nach  der  Hornhaut  ausstrahlen  und  an  ihrer  inneren 
Fläche  enden.  Die  Wurzeln  der  Stäbchen  im  Ganglion  sind  ursprüng- 
lich spindelförmig  und  zeigen  eine  feine  Querstreifung  (gestreifte 
Spindeln  von  Hiixley,  Fig.  13,  i?,  sp).  An  ihrem  Ausgange  aus 
dem  Ganglion  sind  sie  prismatisch.  Jedes  Stäbchen  ist  mit  einer 
Scheide  von  dunkelbraunem  oder  schwarzem  Pigment  umgeben,  dessen 
Menge  je  nach  den  Individuen  wechselt;  das  seiner  Scheide  ent- 
nommene  Stäbchen    zeichnet   sich    durch    eine   röthliche  Färbunsf   aus. 


Fio-.    14. 


Astacits  Jhiriutilis.  —  A,  Facetten  der  Hornhaut,    wie   sie    sieh  auf  den  Rändern   der- 
selben zeigen ;    5,  viereclrige  Facetten    der    Mitte    der  Hornhaut ;    C,  zwei   di^rch   Zer- 
zupfung isolirte  Stäbehen ;   n,  Krystallkegel ;   &,  eigentliches,  von  seiner  Pigmentseheide 
umgebenes  Stäbchen;  c,  faseriger  Theil  (Gundlach,  Oc.  I,  Obj.  T). 


Auf  einem  Längsschnitte  zeigen  das  Ganglion  und  die  Stäbchenschicht 
Reihen  von  abwechselnd  hellen  und  dunklen  Querzonen  (Fig.  13, 
B,  fcclch). 

Das  Oberende  der  Stäbchen  setzt  sich  in  einem  lichtbrechenden 
Theile  fort,  welcher  beinahe  vollständig  pigmentlos,  krystallhell  und  von 
anderer  Bildung  als  die  Substanz  der  Stäbchen  ist.  Dieser  Theil  ist 
unter  dem  Namen  Krystallkegel  bekannt  und  erfüllt  den  Raum 
zwischen  der  inneren  Fläche  der  Hornhaut  und  dem  eigentlichen  Stäb- 
chen (Fig.  14,  C,  a). 

Es  giebt  ebenso  viel  Kegel  und  Stäbchen  als  Facetten  an  der 
Hornhaut;  die  Form  der  Prismen  entspricht  derjenigen  der  Horuhaut- 
facetten,  an  welchen  sie  enden. 

Vogt  n.  Tung,   prakt.   vergl.    Anatomio.     II.  3 


34 


Arthropoden. 


Wir  gehen  auf  die  Homologien  dieser  verschiedenen  Theile  des 
Auges  beim  Krebs  mit  den  Retinaschichten  des  Auges  bei  den  Wirbel- 
thieren  nicht  ein.  Es  herrscht  hierüber  grosse  Verwirrimg  in  der 
Wissenschaft.  Wir  bemerken  nur,  dass  die  Nervenelemente  zur  Bil- 
dung der  Sehstäbchen  beitragen,  die  somit  als  empfindende  Elemente 
angesehen  werden  müssen,  während  die  Krystallkegel  nur  zur  Brechung 
der  Lichtstrahlen  zu  dienen  scheinen.    Uebrigens  können  die  Theorien 

Fig.  15. 


Astacus  fluviutUis.  —  Zergliederung  eines  von  rechts  aus  gesehenen  Mänucliens 
(Huxley'sche  Figur),  o,  After;  aa ,  durchschnittene  Fühlerarterie;  ag,  vordere 
Magenmuskeln',  der  rechte  ist  an  seinem  Insertionspunkte  abgeschnitten ;  h  d,  OefF- 
nung  des  rechten  Gallencanals ;  cm,  Constrictoren  des  Magens;  coe,  Blinddarm; 
cpm,  rechter  Cardiapylorusmuskel ;  es,  Cardiatheil  des  Magens;  cm,  Streckmuskeln 
des  Abdomens;  fm,  Beugemuskeln  des  Abdomens;  g a,  Magenarterie;  gn.l,  Ober- 
schlundganglion; gn.2,  Unterschlundganglion;  g7i.l3,  letztes  Bauchganglion;  ä,  Herz; 
h  a,  Leberarterie ;  h  g,  hinterer  Darm  ;  i  a  d,  untere  Baucharterie  ;  l  a,  rechte  Seiten- 
ötTnung  des  Herzens  ;  Ir,  linke  Leber  ;  mg,  Mitteldarm;  o  «,  Augenarterie ;  oe,  Schlund; 
pg,  hintere  Magenmuskeln,  der  rechte  ist  an  seinem  Lisertionspunkte  abgeschnitten; 
ps,  Pförtnertheil  des  Magens;  s a,  Sternalarterie ;  saa,  obere  Baucharterie;  t  (links), 
Telson ;  t  (in  der  Nähe  des  Herzens),  Hoden;  vd,  Samencanal;  vd',  seine  Oeffnung  ; 
2,  rechte  Antennula ;  4,  linke  Mandibel  ;  9,  linker  äusserer  Kieferfuss ;  10,  linke 
Scheere ;   15,   erster,   16,  zweiter,  20,   sechster  linker  Bauchfuss. 


über   das   Sehvermögen   eines    so  gebildeten  Auges   nur   rein  hypothe- 
tisch sein. 

Der  Leser  wird  eine  Menge  von  histologischen  Einzelheiten  in 
den  in  der  Literatur  angegebenen  Arbeiten  von  Leydig,  Lemoine 
und  Chatin  finden. 

Verdauungscanal.  —  Der  Darm  des  Krebses  beginnt  an  der 
Bauchfläche  des  Cephalothorax  mit  einer  Längsspalte,  dem  Munde;  der- 
selbe wird  auf  beiden  Seiten  von  den  Mandibeln  und  von  den  Kiefern 
(Fig.  2,  4),  nach  vorn  von  einer  schildförmigen  Platte,  der  Ober- 
lippe (Lahruni)  (Fig.  2,  Ib)  und  endlich  nach  hinten  von  zwei  fleischi- 
gen, die  Unterlippe  oder  das  Metastom  (Fig.  2,  mf^  bildenden  Lappen 
umgeben. 


Crustaceen.  35 

Der  Muud  führt  in  eine  verhältnissmässig  weite ,  aber  kurze 
Röhre,  den  Schlund  (Fig.  17,  oes  und  Fig.  15,  oe),  der  beinahe 
senkrecht  zur  Riickenfläche  emporsteigt  und  den  Magen  bildet, 
indem  er  sich  plötzlich  zu  einem  abgerundeten  Sacke  erweitert 
(Fig.  4,  s  und  Fig.  15,  cs,ps).  Beim  Austritt  aas  dem  Magen,  von  dem 
wir  später  sprechen  werden,  nimmt  der  Darm  wiederum  ein  röhren- 
förmiges Aussehen  an,  und  indem  er  auf  der  ganzen  Strecke  beinahe 
die  gleiche  Dicke,  ausser  am  Endtheile,  wo  er  sich  etwas  erweitert, 
beibehält,  geht  er  in  gerader  Linie  nach  hinten,  um  mit  einer  I>ängs- 
spalte,  dem  After,  zu  enden,  welcher  an  der  Bauchfläche  des  Telson 
gelegen  ist  (Fig.  2  und  15,  a;  Fig.  4,  t,  u). 

Wenn  mau  im  Sommer  einen  Flusskrebs  zergliedert,  kommt  es 
zuweilen  vor,  dass  man  an  seiner  Yorderregion,  auf  den  Magenseiten, 
rundliche,   linsenähnliche ,   auf  ihrer  unteren    Fläche   ausgehöhlte    imd 

auf  der  Oberfläche  gewölbte  Kalkconcre- 
tionen  (Fig.  16)  bemerkt,  welche  zwischen 
der  chitinogenen  Zellenschicht  und  der  den 
Magen  innerlich  überziehenden  Chitin- 
lamelle, in  der  Dicke  der  Magenwand 
gelegen  sind.  Diese,  aus  kohlensaurem 
ß  (63  Proc.)  und  phosphorsaurem  (ISProc.) 

Asiacus  fluviafdis.  —  Unter  der  Kalk  gebildeten  Steinchen  zeigen  eine 
Lupe  gesehene  Gastrolithen  oder  fein  gefurchte  Oberfläche  (Fig.  16).  Sie 
Krehsaugen.  A,  convexe  Ober-  gj^d  unter  dem  Namen  Krebsaugen 
fläche;  B,  im  Profil  gesehen.  ^^^^  Gastrolitheu  (Huxley)  bekannt. 
Besonders  gross  sind  sie  vor  der  Mauser;  sie  verschwinden  aber  spur- 
los, sobald  das  Thier  am  Ende  des  Sommers  sich  gehäutet  hat,  wenn 
auch  die  von  ihnen  besetzte  Stelle  ihren  Eindruck  bewahrt.  Die  Gastro- 
lithen sind  Kalkreserven,  welche  zur  Bildung  der  zukünftigen  Schale 
beitragen  sollen.  Während  der  Mauser  fallen  sie  in  die  Magenhöhle, 
wo  sie  zerrieben,  aufgelöst  und  aufgesaugt  werden. 

Der  Magen  (Fig.  15  und  17  a.  f.  S.)  ist  innerlich  durch  eine  starke 
Querfalte  in  zwei  Kammern  eingetheilt,  wovon  die  vordere,  in  welche 
der  Schlund  mündet,  die  Cardiakammer  genannt  werden  kann 
(Fig.  15,  es),  während  die  bedeutend  engere  hintere  Abtheiluug  die 
sogenannte  Pförtnerkammer  bildet  (Fig.  15,  ps).  Die  ganze  innere 
Magenfläche  ist,  wie  diejenige  des  Schlundes,  mit  einer  Chitinlamelle 
überzogen,  welche  die  Fortsetzung  der  nach  innen  eingestülpten  Chitin- 
schicht der  Tegumente  ist.  Die  Chitinschicht  des  Magens  verdickt 
sich  stellenweise  iTngemeiu ,  kann  sich  sogar  verkalken,  und  eine  An- 
zahl von  Skelettstücken  hervorbringen,  welche  zum  Kauen  und  zur 
Zerreibung  der  Nahrungsstoff"e  dienen.  Es  ist  so  mit  den  um  dem 
Mund  herum  gelegenen  Anhängen,  die  wir  bereits  erwähnten,  ein 
wahrer  Luxus   an  Kauinstrumenten   hergestellt,  jedoch   scheint   keines 

3* 


36 


Arthropoden. 


davon  unnützlich  zu  sein.  Unter  dem  Namen  Magenmühle  schildert 
Huxley  ausführlich  dieses  Magenskelett,  von  dem  wir  eine  Zeichnung 
wiedergeben  (Fig.  17). 

Wenn  man  den  Vordertheil  der  Cardiakammer  öffnet,  sieht  man 
an  der  Hinterfläche  mehrere  Zähne  erscheinen,  welche  in  die  Höhlung 
vorspringen  (Fig.  17,  It,  mt).  Sie  werden  durch  gegliederte  und  auf 
einander  verschiebbare  Chitinlamellen  getragen.  Auf  der  äusseren 
Fläche  dieser  Lamellen  setzen  sich  Muskeln  an  (Fig.  15,  cpni),  welche 
die  Aufgabe  haben,  sie  in  Bewegung  zu  setzen,  die  Zähne  von  einander 
zu  entfernen  oder  zu  nähern,  so  dass  der  Mageninhalt  von  ihnen  gefasst 


Fig.  17. 


/  2CG 


Astacus  fluvialllis.  —  A,  der  Magen,  nach  Abnahme  der  äusseren  Bedeckung,  von 
der  linken  Seite  betrachtet;  B,  derselbe  von  der  Fläche  gesehen,  nach  Entfernung 
der  vorderen  Wand;  C,  von  einander  getrennte  Knöchelchen  der  Magenmühle; 
7),  vorderes  Pförtnerknöchelchen  und  Mittelzahn ,  von  rechts  aus  gesehen ;  E,  Quer- 
schnitt der  Pförtnerregion  längs  der  Linie  xy,  in  A  (das  Ganze  zweimal  vergrössert) ; 
c,  Cardiaknöchelchen;  cpv,  Klappe  zwischen  Cardia  und  Pylorus ;  Ip,  seitliche 
Tasche;  It,  seitlicher  Zahn,  in  A  durch  die  Magenwand  gesehen;  ces ,  Schlund; 
p,  Pförtnerknöchelchen;  pc.  Pterocardialknöchelchen ;  pp^  Vorderpförtnerknöchelchen  ; 
MC,  Urocardialapophyse ;  <,  Wölbungen  auf  der  freien  Fläche  ihres  Hinterendes; 
0,     mittlere     Pförtnerklappe;     rc,     Zygocardialknöchelchen     (Huxley    entnommene 

Figur). 


und  zerrissen  wird.  Wir  können  nicht  in  die  Einzelheiten  der  Strnc- 
tur  dieses  so  verwickelten,  von  Huxley  und  namentlich  von  Moequart 
beschriebenen  Apparates  näher  eingehen  (siehe  Literatur).     Moequart 


Crustaceen.  37 

hat  eine  umfaDgreiche ,  sehr  vollständige,  vergleichende  Arbeit  über 
diesen  Gegenstand  geliefert. 

Der  Durchgang  von  der  Cardiakammer  zur  Pförtnerkammer  ist 
sehr  eng.  Ausser  der  erwähnten  Falte  beobachtet  man  an  dieser 
Stelle  ein  konisches,  mit  zahlreichen  Härchen  bedecktes  Zünglein 
(Fig.  17,  JB,  cpv),  welches  die  Oeffnung  in  die  Pförtnerkammer  noch 
mehr  verengert.  Uebrigens  ist  die  Höhle  der  letzteren  ebenfalls  sehr 
eng,  ihre  nach  innen  gewölbten  Wände  sind  ausserdem  mit  Haaren  über- 
zogen, so  dass  die  Nahrungsstoffe  durch  diese  Chitinborsten  so  zu  sagen 
durchgeseiht  werden  und  nur  die  feinsten  Theile  in  den  Dann  eintreten 
können. 

Am  Eingänge  dieses  letzteren  besitzt  die  Pförtnerregion  des 
Magens  einen  Klappenapparat.  Es  sind  dies  dreieckige,  hornige  La- 
mellen, welche  den  Eintritt  der  Nahrungsstoffe  in  den  Darm  gestatten, 
aber  deren  Rückkehr  in  den  Magen  verhindern  (Fig.  17,  A^v). 

Der  Vordertheil  des  eigentlichen  Darmes  zeigt  gleich  hinter  den 
Pförtnerklappen,  auf  der  Rückenfläche,  eine  kurze  Ausstülpung,  einen 
Blinddarm  (Fig.  15,  c  o),  und  auf  seinen  Seitenflächen  sieht  man  die 
verhältnissmässig  weiten  Oeffnungen  der  Gallencanäle  (Fig.  15,  h  d). 

In  diesem  Theile  sind  die  Darmwände  weich  und  gleichförmig, 
der  Chitinüberzug  fehlt  ihnen,  etwas  weiter  falten  sie  sich  der  Länge 
nach.  Diese  tiefen  Falten  erstrecken  sich  bis  zum  After.  Die  Chitin- 
schicht des  Telson  stülpt  sich  in  den  After  hinein  und  erstreckt  sich 
über  die  ganze  gefaltete  Darmregion. 

Querschnitte  durch  die  verschiedenen  Abtheilungen  des  in  Pikriu- 
schwefelsäure  oder  in  Sublimat  fixirten  und  gehärteten  Verdauungs- 
canaies,  lassen  dessen  histologische  Structur  erkennen.  Man  wird  durch 
dieselben  einsehen,  dass  sich  eine  Schicht  cylindrischer  Chitinogenzellen 
unterhalb  der  inneren  Chitinlamelle,  ganz  so  wie  in  der  äusseren  Haut, 
befindet.  Diese  Zellen  bedecken  eine  häutige  Schicht,  welche  Binde- 
und  Muskelgewebe  enthält  und  die  eigentliche  Darmwand  bildet  (siehe 
für  diese  Elemente  die  ausführliche  Arbeit  von  J.  Frenzel).  Diese 
Schicht  lässt  sich  um  den  Magen  herum  leicht  von  der  Chitinschicht 
trennen,  die  sie  wie  ein  Sack  umhüllt. 

Speicheldrüsen.  —  Wenn  man  die  innere  Schlundwand,  be- 
sonders an  ihrem  vorderen  Drittel,  unter  der  Lupe  betrachtet,  bemerkt 
man  kleine  weisse  Pünktchen,  welche  die  Oeffnungen  der  Absonderungs- 
canälchen  der  Drüsenmassen  darstellen,  die  in  der  Membranschicht  des 
Schlundes  rund  herum  gelagert  sind  (Fig.  18,  B,  a.  f.  S.).  Wir  kennen  nur 
wenig  die  Eigenschaften  der  durchsichtigen,  von  diesen  Drüsen  ab- 
gesonderten Flüssigkeit;  sie  wurden  unter  dem  Namen  Speicheldrüsen 
von  Max  Braun  beschrieben.  Besitzen  sie  Verdauungseigenschaften'? 
Wir  wissen  es  nicht.     Wie  dem  auch  sein  mag,   werden  wir  die  Form 


38 


Arthropoden. 


dieser  Drüsen  auf  Querschnitten   und  auf  Zerzupfungen   des  Schlundes 
beobachten. 

Die  Speicheldrüsen  sind  birn-  oder  eiförmig  (Fig.  18,  J.,  c),  und 
unterhalb  der  Cuticula,  in  der  Dicke  des  Bindegewebes  der  eigentlichen 
Schlundwand  gelagert;  sie  enden  mit  einem  langen  Halse  als  Aus- 
führungsgang. Die  Drüsenzellen  sind  gross ,  cylindrisch ,  zuweilen 
spitzig  an  ihrem  gegen  die  Oeifnung  des  Absonderungscanais  gerichte- 
ten Ende.  Sie  enthalten  einen  eiförmigen  Kern ;  ihr  Protoplasma  be- 
sitzt feine  Granulationen,  welche   manchmal   so   massenhaft  aufti-eten, 

Fig.  18. 
A. 


Astacus  flvviatil'is.  —  A,  Querschnitt  des  Schlundes,  der  die  Speicheldrüsen  zeigt; 
«,  Hornschicht ;  b,  Absonderungscanal  der  Drüse,  die  Chitinschicht  durchsetzend  und 
in  c  mündend;  d,  Hals  der  Drüse;  e,  Körper  der  Drüse;  /,  chitinogene  Zellen 
(Vergrösserung :  200  Durchmesser) ;  B,  Querschnitt  des  Schlundes,  fünfzehnmal  ver- 
grössert,  um  die  Anordnvmg  der  Speicheldrüsen  zu  zeigen;  a,  innere  Chitinschicht; 
h,  chitinogene  Schicht;  c,  Drüsen.  Die  anderen  Gewebe  wurden  nicht  dargestellt. 
(Nach  einer  Zeichnung  von  Max  Braun.) 

dass  der  Kern  durch  sie  versteckt  wird.  Diese  Zellen  stehen  in 
kleinen  Gruppen  zusammen,  deren  jede  ein  Absonderungscanälchen 
besitzt,  und  die  Gesammtheit  dieser  Canälchen  mündet  in  den  grossen 
Axialcanal  ein,  von  dem  wir  bereits  gesprochen  haben.  Derselbe 
durchsetzt  die  Chitinschicht  und  öffnet  sich  in  der  Schlundhöhle. 


Crustace'en.  39 

Drüsen,  welche  den  eben  beschriebenen  durchaus  ähnlich  sind, 
wurden  von  Vitzou  in  der  Wand  des  hinteren  Darmtheiles  unter  dem 
Namen  Darmdrüsen  beschrieben. 

Verdauungsdrüse  oder  Leber  (Fig.  4,  3  und  Fig.  15).  —  Diese 
umfangreiche  Drüse,  welche  man  in  Folge  der  physiologischen  Unter- 
suchungen mehrerer,  namentlich  Krukeuberg's,  nicht  mehr  als  Leber 
ansprechen  kann,  da  ihr  Absonderungsproduct  der  Galle  nicht  im  Min- 
desten gleicht,  erscheint  in  zwei  länglichen,  gelblichen  oder  bräun- 
lichen Massen,  welche  auf  beiden  Seiten  des  Darmes  in  der  Höhle  des 
Cephalothorax  gelagert  sind.  Jede  dieser  Massen  ist  mehr  oder  weniger 
in  zwei  Lappen  getheilt,  welche  aus  zahlreichen  Röhren  oder  Blind- 
säcken bestehen,  deren  blindes  Ende  nach  aussen  gewendet  ist,  während 
das  andere  sich  in  ein  in  der  Dicke  der  Drüse  gelegenes  Absonderungs- 
can älchen  öffnet.  Die  Absonderungscanälchen  laufen  gegen  die  Mitte 
des  inneren  Randes  einer  jeden  Masse  zusammen,  wo  sie  sich  in  einem 
breiten  Sammelcanal  vereinigen.  Derselbe  mündet,  wie  wir  es  bereits 
gesehen  haben ,  auf  den  Seiten  des  Darmes ,  unmittelbar  hinter  dem 
Pylorus  (Fig.  15,  h  d). 

Die  histologische  Untersuchung  der  Verdauungsdrüse  geschieht 
durch  Zerzupfung  im  Blute  des  frisch  getödteten  Thieres  und  durch 
Schnitte.  Letztere  lassen  sich  nur  schwer  anfertigen ;  die  Elemente 
werden  durch  sie  fixirende  Osmiumsäure  so  krümlich,  dass  sie  unter 
dem  Rasirmesser  zerstäuben.  Wir  erhielten  bessere  Resultate  mit  einer 
von  Frenzel  angewendeten  concentrirten  Lösung  von  Sublimat  in 
Wasser  oder  Alkohol;  jedoch  darf  der  Aufenthalt  der  in  kleine  Stück- 
chen zerschnittenen  Drüse  darin  nur  ein  kurzer  sein ,  höchstens  eine 
halbe  Stunde ;  eine  längere  Einwirkung  würde  das  Gewebe  krümlich 
machen.  Nach  der  Fixirung  härtet  man  in  Alkohol  zu  70  und 
90  Proc,  und  zuletzt  in  absolutem  Alkohol  und  schliesst  endlich  in 
Paraffin  ein. 

Jede  Leberröhre  wird  durch  eine  feine  Membran  gebildet,  welche 
Muskelfäserchen  und  grosse  durchsichtige,  auf  solche  Weise  angelegte 
Zellen  enthält,  dass  sie,  von  der  Fläche  gesehen,  das  Aussehen  eines 
Fadennetzes  mit  rechtwinkligen  Maschen  bieten. 

Das  absondernde  Endothelium  besteht  aus  mehr  oder  weniger 
cylindrischen ,  äusserst  zarten  Zellen.  Sie  werden  stets  bei  der  Zer- 
zupfung zerrissen ,  so  dass  man  nur  die  verschiedenen  Granulationen 
und  Kügelchen,  die  sie  enthalten,  in  dem  Präparate  sieht. 

Man  kann  zwei  Arten  von  Zellen  unterscheiden,  welche  durch  Form, 
Inhalt  und  die  Art,  wie  sie  sich  der  Osmiumsäure  gegenüber  verhalten, 
verschieden  sind.  Die  einen  sind  in  der  Regel  dunkler  und  enthalten 
unregelmässige  Massen  einer  braunen ,  undurchsichtigen ,  in  Wasser 
löslichen  Substanz,  es  sind  dies  die  Fermentzellen  von  Max  Weber. 
Die  anderen,   Leberzellen   genannt,    sind   heller  und   enthalten   eine 


40  Arthropoden. 

wechselnde  Anzahl  von  stark  lichtbrechenden,  etwas  gelblichen  oder 
bräunlichen  und  unter  dem  Einflüsse  der  Osmiumsäure  schwarz  wer- 
denden Fettkörnchen.  In  den  Arbeiten  von  Max  Weber  und 
Frenzel  wird  man  die  histologische  Beschreibung  dieser  Elemente 
finden. 

Die  mit  Absonderungsproducten  überfüllten  Endothelialzellen 
platzen  und  entleeren  dieselben  in  das  Lumen  der  Röhre,  von  wo  sie 
durch  die  Ausscheidungscan äle  in  den  Darm  ergossen  werden. 

Gefässsystem.  —  Das  Blut  des  Flusskrebses  ist  farblos  oder 
etwas  bläulich ;  wie  in  dem  der  Mollusken,  wurde  Haemocyanin  darin 
nachgewiesen.  Es  enthält  farblose,  durch  Osmiumsäure  leicht  fixir- 
bare  Kügelchen,  die  amöboide  Bewegungen  zeigen.  Diese  Kügelchen 
enthalten  einen  grossen ,  sich  in  Carminlösungen  stark  färbenden 
Kern. 

Das  Blut  circulirt  in  einem  unvollständigen  Gefässsysteme;  sein 
Lauf  wird  durch  die  Zusammenziehungen  des  Herzens  iind  der  Ar- 
terien unterhalten.  Dieselben  leeren  es  in  grosse  Hohlräume  aus,  von 
welchen  aus  es  vor  der  Rückkehr  zum  Herzen  durch  die  Kiemen 
fliesst.  Das  Herz  ist  also ,  wie  bei  allen  Arthropoden ,  auch  hier 
arteriell. 

Obgleich  man  schon  bei  einfacher  Präparation  die  Hauptgefässe 
verfolgen  kann ,  so  bleibt  es  doch  unerlässlich ,  Einspritzungen  zu 
machen,  um  das  gesammte  System  vor  Augen  zu  bringen.  Man  steckt 
das  Röhrchen  in  die  Herzbeutelhöhle  eines  Thieres ,  dessen  Herz  noch 
schlägt,  nachdem  man  eine  kleine  Oeffnung  in  der  Schale  oberhalb  des 
Herzens  gemacht  hat.  Nothwendig  ist  es,  langsam  vorzugehen. 
Allmählich  dringt  die  eingespritzte  Masse  in  das  Herz  ein,  welches  in 
Folge  seiner  Zusammenziehungen  dieselbe  in  alle  Gefässe  treibt.  Ein 
rascheres  Verfahren  besteht  darin ,  dass  man  das  Herz  bloss  legt  und 
die  Spritzröhre  unmittelbar  einsticht.  Die  Injection  kann  nur  mit  der 
grössten  Sorgfalt  gemacht  werden.  Die  mit  chromsaurem  Bleioxyd 
oder  mit  löslichem  Blau  gefärbte  Gelatinemasse  dringt  besonders  gut 
ein,  unter  der  Bedingung  jedoch,  dass  man  das  Thier  zuvor  bis  zu 
30"  C.  erwärmt  hat. 

Das  musculöse  und  pulsirende  Herz  ist  ungefähr  sechseckig 
(Fig.  19);  es  ist  in  der  mit  Blut  getränkten  und  von  einer  peritonealen 
Hülle  umgebenen  Herzbeutelhöhle  eingeschlossen  (Fig.  20,  p), 
und  wird  an  den  Wänden  dieser  Höhle  durch  sechs  Stränge  von  Faser- 
gewebe (Fig.  19,  ac)  befestigt.  Die  aus  ihm  entspringenden  Arterien 
tragen  ebenfalls  zur  Erhaltung  seiner  Lagerung  bei. 

Sechs  knopflochförmige ,  mit  Klappenvorrichtungen  versehene 
Hauptöffnungen  durchlöchern  die  Herzwände;  die  Klappen  gestatten 
den  Eingang  des  Blutes  von  der  Herzbeutelhöhle  aus  in  das  Herz,  ver- 
sperren   aber    den    Rücktritt   desselben;    sie     sind    paarweise   auf  den 


Crustaceen. 


41 


Rücken-,  Baucli-  und  Seitenflächen  angelegt  (Fig.  19,  A,  sa,  B,  ca; 
C,  lä).  Einige  Autoren  wollen  eine  viel  grössere  Anzahl  kleinei'er 
Oefi'nungen  gesehen  haben;  nach  Bela  Dezsö  sollen  sich  sogar  fünf 
Paare  solcher  Löchlein  einzig  auf  der  Rückenfläche  finden.  Wir  wollen 
ihre  Existenz  nicht  läugneu;  jedenfalls  sind  sie  aber  so  winzig  klein, 
dass  es  sehr  schwierig  ist,  sie  zu  sehen.  Uebrigens  bietet  das  Herz 
keinen  grossen  Widerstand;  die  Injectionsmasse  kann,  wenn  der  Druck 
einigermaassen  stark  ist,  seine  Wände  durchsetzen. 

Das  hintere  Herzende  bildet  eine  abgestumpfte  Spitze,  welche  sich 
in  eine  Art  Bulbus  (Fig.  19,  b)  verlängert,  aus  dem  Bauch-  und  Sternal- 
arterie  aussfehen. 


Fio-.  19. 


h.ct. 


Astacus  fluviatilis.  —  Das  Herz ,  viermal  vergrössert.  A,  von  oben ;  B,  von  unten 
C,  von  der  linken  Seite;  aa,  Fühlerarterien;  ac,  Herzfliigel  oder  das  Herz  mit  den 
Wandmigen  der  Herzbeutelhöhle  verbindende  Faserbündel;  h,  Bulbuserweiterung  am 
Ursprünge  der  Sternalarterie  ;  Ä « ,  Magenarterien ;  l ,  seitliche  Klappenöflnungen  ; 
oa,  Augenarterie;  s  o,  obere  Klappenöffnungen;  saa,  obere  Baucharterie  ;  s<a,  Sternal- 
arterie; in   B  ist  sie  an  ihrem  Ursprünge  abgeschnitten  (nach  SLuxley). 


Die  obere  Baucharterie  (Fig.  15,  19,  20,  saa)  verläuft  un- 
mittelbar nach  hinten,  auf  der  Rückenlinie  des  Darmes.  Sie  giebt  iu 
in  jedem  Segment  ein  Paar  Seitenzweige  ab,  welche  sich  in  den  Muskeln, 
in  der  Haut  u.  s.  w.  verästeln. 

Die  ebenfalls  vom  Bulbus  ausgehende  Sternalarterie  (Fig.  15 
und  20,  so)  läuft  senkrecht,  zuweilen  links,  zuweilen  rechts,  vom  Darm 
zur  Nervenkette  hinab,  welche  sie  durchsetzt  (Fig.  7,  7^).  An  der 
Bauchfläche  angelangt,  gabelt  sie  sich  in  einen  vorderen  und  hin- 
teren Ast. 


42 


Arthropoden. 


Der  Vorderzweig  (Fig.  15,  so),  welcher  den  Namen  Sternalarterie 
beibehält  und  auf  der  Mittellinie  des  Thorax  verläuft,  dringt  in  den 
Brustcanal  ein,  bis  er  den  Schlund  erreicht,  um  welchen  herum  er  sich 
gabelt.  An  jedem  Ringe  giebt  er  seitliche  Aeste  ab,  welche  die  Brust- 
füsse,  die  Kieferfüsse,  die  Kiefer  und  die  Mandibeln  versehen  und 
deren  Bedeutung  allerdings  je  nach  der  Grösse  der  Anhänge,  zu  denen 
sie  sich  begeben,  ändert. 

Der  Hiuterzweig  (Fig.  15  und  20,  iaa),  die  untere  Baucharterie, 
läuft  unterhalb  der  Nervenkette  nach  hinten  und  versorgt  ebenfalls  mit 
Aesten  die  Anhänge  der  hinteren  Körperregion. 

Fig.  20. 

/.  em.  'f •  ?•    V-  saa. 


aTl.l2 


Astacits  fluviatilis.  —  Diagramm  eines  Querschnittes  des  Thorax  auf  der  Höhe  des 
zwölften  Ringes,  um  den  Brutkreislauf  zu  zeigen  (viermal  vergrössert).  arh.  12,  untere 
oder  vordere  Arthrobranchie ;  arbJ  12,  obere  oder  hintere  Ai-throbranchie  des 
zwölften  Somiten;  ai',  zuführendes  Kiemengefäss ;  hcv,  Herzkiemengefäss ;  hg.,  Bran- 
chiostegit ;  cm ,  Streckmuskeln  des  Bauches ;  cp,  Epimeralwand  der  Thoraxhöhle ; 
ev,  ausführendes  Kiemengefäss;  fm,  Beugemuskeln  des  Abdomens;  //;,  Boden  des 
Herzbeutels;  ^?i,  fünftes  Thoraxganglion ;  /*,  Herz ;  hg,  Hinterdarm;  caa,  quer  durch- 
schnittene untere  Baucharterie  ;^a,  seitliche  Klappenöftnungen  des  Herzens;  //•,  Leber; 
inp,  bezeichnet  die  Stellung  des  den  Brustcanal  begrenzenden  Mesophragmas;  pii  Herz- 
beutelhöhle; j)db.^2,  Podobranchie ;  plh.12.,  Pleurobranchie  des  zwölften  Somiten; 
sa,  Sternalarterie;  saa,  obere  Baucharterie;  sc,  Sternalcanal ;  t,  Hoden;  XH,  Ster- 
num    des    zwölften    Somiten.      Die    Pfeile    bezeichnen    die    Richtung    des  Blutstromes 

(nach  Huxlej'). 

Von  der  Vorderfläche  des  Herzens  gehen  fünf  Gefässstämme  aus, 
von  denen  drei  am  Rückenrande  und  zwei  am  Bauchrande  entstehen. 
Man  nennt  sie: 


Crustaceen. 


•43 


rio-.  21. 


aa 


Die  Augenarterie  (Fig.  15  und  19,  oci)^  welche  direct  nach 
vorn  über  den  Magen  weg  läuft  und  sich  in  zwei  zu  den  Augen- 
stielen gehende  Zweige  spaltet.  Das  Hirn  wird  ebenfalls  durch  sie 
versorgt. 

Die  Fühlerarterien  (Fig.  15  und  19,  acC)  gehen  schräg  vorwärts 
über  die  Leber.     Auf  der  Höhe   des  Magens    liefern   sie  diesem  Organ 

einen  wichtigen  Zweig,  die 
Magenarterie  (Fig.  1 5, 
(ja).  Zuvor  hatten  sie  au 
die  Geschlechtsdrüsen  und 
die  benachbarten  Tegu- 
mente  Verästelungen  abge- 
geben; sie  enden  in  den 
grossen  und  kleinen  Füh- 
lern. 

Die  Leberarterien 
(Fig.  15  und  19,  ha)  ent- 
stehen aus  d«m  unteren 
und  vorderen  Theil  des  Her- 
zeus und  begeben  sich  di- 
rect zur  Verdauuugsdrüse, 
wo  sie  sich  verzweigen. 

Wie  wir  bereits  bemerkt 
haben ,  entleert  die  Ge- 
sammtzahl  der  ausgiebig 
verästelten  arteriellen  Ge- 
fässe  das  Blut  in  Hohl- 
räume. Dieselben  breiten 
sich  zwischen  den  Einge- 
weiden.aus,  jedoch  sammelt 


Scheraatische    Figur    des    Kreis- 
laufsystems des    Hummers  (nach 
Gegenbaui-).      &,    Augen;    ae, 
Fühler  ;    a  i ,    Antennulen  ;      h  r  , 
Kiemen;    c,     Herz;    pc,    Herz- 
beutel;   ao,    Fühlei-arterie ;    aa, 
Leberarterie ;    ap,    obere  Bauch- 
ai-terie ;    a,  Stamm    der  Sternal- 
arterie,    welcher  senkrecht  nach 
unten   läuft,    und    sich    auf  der 
Bauchfläche    in     die    eigentliche 
nach    vorn    gehende    Sternalarterie     [av]     und    in     die    nach    hinten    sich    begebende 
untere  Baucharterie  gabelt;    f,  Blutsinus    des  Abdomens;    &  ;•,   zutuhrende  Gefasse  der 
Kiemen,  welche  das  Blut  in  den  Bluträumen  schöpfen ;   ;•  h  ?•,  ausiuhrende  Gefässe  der 
Kiemen  oder  das  Blut  in  die  Herzbeutelhöhle  zurücktührende  Kiemenvenen. 


v.br 


44'  Arthropoden. 

sich  das  Blut,  welches  sie  erhalten,  in  drei  im  Cephalothorax  ein- 
gegrabene Haiiptsinus,  von  denen  der  eine  mittlere  auf  der  Bauchlläche 
sich  erstreckt  (Fig.  20,  sc),  während  die  mit  dem  vorigen  im  Zusammen- 
hange stehenden  beiden  anderen  seitlich  an  der  Basis  der  Gehfüsse  und 
der  Kiemen  gelegen  sind. 

Die  gesammte,  durch  die  Systole  des  Herzens  umgetriebene  Blut- 
masse dringt  in  jede  Kieme  mittelst  eines  Zufuhrgefässes  (Fig.  20,  av) 
ein,  welches  bis  zur  Spitze  der  Kieme  läuft  und  kehrt  durch  das  Aus- 
fuhrgefäss  CV  zurück.  Letzteres  mündet  in  die  mit  dem  Herzbeutel 
communicirende  Kiemenkammer.  Wir  wissen  bereits,  dass  bei  jeder 
Diastole  das  Herz  das  Blut,  welches  soeben  geathmet  hat,  aus  dieser 
Kammer  gewissermaassen  einsaugt.  Dasselbe  dringt  durch  die  er- 
wähnten knopflochförmigen  Spalten  in  das  Herz  ein. 

Wir  geben  hier  ein  Schema  des  Blutkreislaufes  (Fig.  21,  a.  v.  S.) 
wieder,  welches  diese  Verhältnisse  im  grossen  Ganzen  veranschau- 
licht. 

Kiemen.  —  Auf  beiden  Seiten  des  Cephalothorax  befindet  sich 
eine  längliche  Höhle ,  die  Kiemenkammer,  worin  die  Athmungs- 
organe  angelegt  sind.  Diese  Kammer  wird  auf  ihrer  inneren  Fläche 
durch  eine  mehr  oder  weniger  verkalkte  Chitinlamelle,  die  eigentliche 
Thoraxwand  (Fig.  4,  k),  und  auf  ihrer  äusseren  Fläche  durch  die  Seiten- 
flügel des  Cephalothoraxschildes  oder  die  Branchiostegiten,  von  denen 
wir  bereits  beim  Skelett  gesprochen  haben,  begrenzt.  Der  untere  freie 
Rand  dieser  letzteren  senkt  sich  bis  zur  Basis  der  Füsse,  so  dass  nur  eine 
schmale  Spalte  bleibt,  durch  welche  das  Wasser  in  die  Kiemenkammer 
eindringt  und,  nachdem  es  die  Kiemen  umspült  hat,  durch  eine  Art 
Rinne  ausgetrieben  wird,  welche  auf  der  Mundseite  am  Vorderende  der 
Höhle  gelegen  ist.  Der  Kreislauf  des  Athmungswassers  wird  durch 
die  eigenthümlichen  Bewegungen  der  Kiemen  und  besonders  durch  die 
raschen  Vibrationen  einer  Lamelle  unterhalten,  welche  die  Form  eines 
krummen  Ruders  hat,  am  zweiten  Kiefer  angeheftet  ist  und  in  die 
Rinne  der  Kammer  hervorragt.  Dieses  Stück  ist  unter  dem  Namen 
Scaphognathit  (6,  Fig.  22)  bekannt. 

Nachdem  die  Branchiostegiten  mit  einer  starken  Scheere  ab- 
gesprengt worden  sind,  bemerkt  man  die  Kiemen,  welche  wie  Büschel 
von  der  Basis  der  Kiefer-  und  Gehfüsse  sich  erheben.  Sie  stehen  auf 
verschiedener  Höhe  und  unterscheiden  sich  unter  einander  sowohl  durch 
ihre  Formen  als  durch  ihre  Verbindungen  mit  den  benachbarten 
Skelettheilen. 

Zuerst  bemerken  wir  sechs  Kiemenanhänge,  welche  an  den  Basal- 
gliedern der  beiden  letzten  Kieferfüsse,  der  grossen  Scheere  und  der 
drei  ersten  Gehfüsse  eingelenkt  sind.  Huxley  hat  sie  mit  dem  Namen 
Podobranchien  bezeichnet  (Fig.  22,  pdh,  8  bis^JcZö,  13). 


Crustäceen. 


45 


Sie  sind  mehr  oder  weniger  blattförmig  (Fig.  23,  A  n.  B,  a.  f.  S.)  und 
bestehen  aus  mehreren  Stücken.  Auf  einem  abgeplatteten  Basalgliede  h, 
mit  feinen  gekämmten  Härchen  F,  erhebt  sich  ein  Stiel,  welcher  sich 
au  seiner  Spitze  in  zwei  ungleiche  Theile  spaltet :  eine  blattartige 
Klinge  1,  die  mit  Hakenborsten  G  versehen  ist,  während  der  andere 
mehr  einer  Feder  gleicht  (pl).   Man  wird  ausserdem  an  der  Basis  der 

Fio-.  22. 


j)dh.\3 


•7j.8    arii>   ]Äh.\2     arh.\2  p(6.l3 


arl.B 


am 


Astucns  fluviutUis.  —  A,  die  Kiemen  in  ihrer  natürlichen  Stellung,  nach  Entfernung 
des  Branchiostegiten;  in  B  sind  die  Podobranchien  entfernt  und  die  äussere  Reihe 
der  Arthrobranehien  umgelegt,  um  die  innere  Reihe  in  natürlicher  Stellung  zu  zeigen. 
1,  Augenstiel;  2,  Antennula;  3,  Fühler;  4,  Mandibel ;  6,  Scaphognathit;  7,  erster 
Kaufuss ;  in  B  ist  das  Epipodit,  worauf  die  Linie  zeigt,  theilweise  entfernt ;  8,  zweiter 
Kaufuss;  9,  dritter  Kaufuss;  10,  Scheere ;  14,  vierter  Gehfuss ;  15,  erster  Bauch- 
'fuss;  XV,  erster  und  XVI,  zweiter  Bauchsomit;  arb  S,  arb  9,  arb  13,  hintere 
Arthrobranehien  des  zweiten  und  dritten  Kaufusses  und  des  dritten  Gehfusses ;  arb'  9 
und  0  7-6'  13,  vordere  Ai-throbranchien  des  dritten  Kaufusses  und  des  dritten  Geh- 
fusses; pdb  8,  Podobranchie  des  zweiten  Kaufusses;  pcZö  13,  diejenige  des  dritten 
Gehfusses;  plb  12  und  plb  13,  die  zwei  rudimentären  Pleurobranchien ;  p/b  14, 
fungirende  Pleurobranchie  ;  r,  Rostrum   (nach  H  u  x  1  e  y). 


46 


Arthropoden. 


Podobranchien  und  in  dem  sie  trennenden  Räume  Bündel  von  langen 
unter  sich  verfilzten  Fadenhaaren  bemerken  (Fig.  23,  A,  es),  die 
coxopoditischen  Borsten,  welche  den  Eintritt  fremder  Körper 
in  die  Kiemenkammer  verwehren.  Jedoch  trifft  man  nicht  selten  an 
den  Kiemen  einen  kleinen,  parasitischen  Blutegel,  die  Branchiobdella 
astaci  Od. 

Fia:.  23. 


Astacus  ßuviatilis.  —  A,  eine  von  der  Aussenseite  gesehene  Podobranchie ;  B,  die- 
selbe von  der  inneren  Seite ;  C,  eine  Arthrobranchie ;  D,  Fragment  eines  Haares  von 
einem  Coxopoditen;  lü,  Ende  desselben;  F,  Ende  eines  Haares  von  der  Basis  einer 
Podobranchie;  G,  hakenförmiges  Haar  der  Blattklinge  (^A  bis  C  dreimal  vergrössert, 
D  bis  G  stark  vergrössert);  b,  Basis  der  Podobranchie;  es,  Haare  des  Coxopoditen; 
l,  Blattklinge;  pl,  Feder  und  st  Stiel  der  Podobranchie;  t,  Warze  des  Coxopoditen, 
worauf  die  Haare  eingesetzt  sind  (nach  Huxley). 


Ausser  den  Podobranchien  breiten  sich  sehr  verschieden  gestaltete, 
aber  doch  ebenfalls  der  Athmung  dienende  Anhänge  aus,  die  Arthro- 
branchien   (Fig.  22,  B,  arh).      Statt  an   der  Basis   der   Füsse  sind 


Crustaceen.  47 

sie  auf  der  die  Glieder  mit  dem  Cephalothorax  verbindenden  Zwischen- 
membran eingelenkt  (Fig.  22,  am).  Man  zäblt  deren  elf  auf  jeder 
Seite;  eine,  welche  an  der  Interarticularmembran  des  zweiten  Paares 
der  Kieferfüsse  angeheftet  ist,  je  zwei  an  derjenigen  des  dritten  Kiefer- 
fusspaares,  zwei  an  der  grossen  Scheere,  und  endlich  zwei  an  jedem 
der  drei  vorderen  Gehfusspaare.  Jede  Arthrobranchie  besteht  aus 
einem  mit  zahlreichen  winzigen  Kiemenfädchen  überdeckten  Axenstiel 
(Fig.  23,  C).  Die  Kiemenfäden  sind  hohl  und  gewähren  dem  darin 
fiiessenden  Blute  einen  weiten  Spielraum ;  das  Blut  ist  vom  Wasser 
nur  durch  eine  dünne  Membran  getrennt,  durch  welche  der  Austausch 
der  Gase  stattfindet. 

Endlich  findet  sich  noch  eine  achtzehnte  hintere  Kieme.  Sie  ist 
auf  der  Eigenwand  des  Thorax  eingelenkt,  oberhalb  des  letzten  Geh- 
fusspaares,  bleibt  aber  von  diesem  letzteren,  welches  keinen  Kiemen- 
anhang trägt,  unabhängig.  Huxley  nennt  sie  die  Pleurobranchie 
(Fig.  22,  plh,  14),  und  sieht  zwei  ebenfalls  an  der  Brustwand  oberhalb 
der  zwei  vorhergehenden  Gehfusspaare  sitzende  Chitinfäden  (Fig.  22, 
pZ&,  13  und  14)  als  homologe,  aber  verkümmerte  Bildungen  an.  Die 
Pleurobranchie  hat  eine  gleiche  Form  wie  die  Arthrobranchien. 

Die  Kiemen  nebst  ihren  Verzweigungen  sind  aus  äusserst  zarten 
Chitinlamellen  gebildet,  welche,  wie  überall,  auf  einer  Schicht  chiti- 
nogener  Zellen  ruhen.  Wimpern  trifft  man,  wie  überhaupt  bei  den 
Arthropoden,  nirgends  an, 

Ausscheidungsorgane,  grüne  Drüsen.  —  Zwei  rundliche, 
grüne  Massen  (Fig.  24,  A,  ggs,  a.  f.  S.)  liegen  an  der  Bauchfläche  des 
Yorderendes  der  Cephalothoraxhöhle.  Man  bemerkt  sie  sogleich  nach 
Entfernung  des  Magens,  etwas  nach  hinten  und  unterhalb  des  Hirnes. 
Sie  stellen  Absonderungsorgane  vor,  welche  die  Producte  der  Abnutzung 
der  Stickstoff'substanzen  ausscheiden.  Sie  enthalten  Guanin  und  sind 
unter  dem  Namen  der  grünen  Drüsen  bekannt. 

Man  wird  bei  ihnen  zwei  Theile  erkennen,  einen  oberen,  sack- 
förmigen Behälter  (Fig.  24,  C,  es)  mit  feinen  und  lockeren,  kaum 
gefärbten  Wänden,  und  einen  unteren,  kuchenartigen  (Fig.  24,  C,  gg), 
je  nach  den  Thieren  mehr  oder  weniger  gelbgrünlichen  oder  grünbläu- 
lichen Körper,  die  Drüse.  Dieselbe  ergiesst  ihr  Secretionsproduct  in 
den  Behälter,  welcher  es  nach  aussen  durch  einen  kleinen  chitinösen 
Canal  entleert,  der  vom  Vorderende  des  Behälters  ausgeht,  und 
auf  einer  zarten,  an  der  Basis  des  entsprechenden  grossen  Fühlers 
hervorragenden  Papille  mündet  (Fig.  24,  JB,  x). 

Die  histologische  Untersuchung  des  Organs  wird  mittelst  Zer- 
zupfung im  frischen  Zustande  und  auf  Schnitten,  nach  Fixation  in 
Osmium-  oder  Pikrinsäure  oder  ganz  einfach  in  Alkohol  vorgenommen. 
Die  Schnitte  zeigen  eine  gewisse  Anzahl  von  Hohlräumen,  welche  an 
der  Peripherie  etwas  enger  an  einander  gelagert  sind,  und  einen,  in  der 


48  Arthropoden. 

Mitte  der  Rückenfläche  der  Drüse  gelegenen  Kern.  Die  Oeffnungen 
der  auf  sich  selbst  gewundenen,  mit  cubischen  und  cylindrischen  Endo- 
thelialzellen  überzogenen  Canälchen  geben  der  Drüse  ein  maschiges 
Ansehen. 

Nachdem  der  Behälter  weggenommen  und  die  Drüse  isolirt  ist, 
sieht  man,  dass  dieselbe  aus  drei  verschiedenfarbigen  Zonen  gebildet 
ist,  einer  äusseren  grünen,  einer  mittleren  weissen  und  einer  inneren 
gelbbraunen.  Wir  können  nicht  in  die  Beschreibung  des  Endotheliums 
dieser  Zonen  eingehen,  dessen  Bildung  durch  Grobben  und  Rawitz 
genauer  beschrieben  worden  ist  (siehe  Literatur).  Die  Absonderungs- 
zellen sind  namentlich  in  der  grünen  Zone  angehäuft,  während  der 
Canal    der   weissen   Zone   ausschliesslich   dazu   zu  dienen   scheint,   das 

Fio-.  24. 


Astaciis  fluviatiUs.  —  A,  Vordertheil  des  Körpers  ii;n,h  Abnahme  eines  Theiles  der 
Eiickenschale,  um  die  Lagerung  der  grünen  Drüse  zu  zeigen ;  ß,  Seitenansicht,  nach 
Entfernung  der  linken  Schale ;  C,  isolii-te  grüne  Drüse  im  Profil  (sämmtliche  Figuren 
zweimal  vergrössert) ;  agr,  linker  vorderer  Magenmuskel;  c,  Connective  des  Schlund- 
ringes; c,  Cardialtheil  des  Magens;  gg,  grüne  Drüse,  in  A  ist  auf  der  linken  Seite 
der  Sack  entfernt  und  die  isolirte  grüne  Drüse  von  oben  gesehen;  ima,  Zwischen- 
kiefer- oder  Kopfapodem  ;  ocs,  Schlund,  quer  durchschnitten  (in  A)\  s,  Sack  der 
grünen  Drüse;  x,  durch  die  Oeflfuung  am  Basalgliede  des  Fühlers  in  die  Höhlung 
des  Sackes  eingeführte  Borste  (nach  Huxley). 

Ausscheidungsproduct  in  den  Behälter,  in  welchen  er  mündet,  über- 
zuführen. Die  grüne  Drüse  empfängt  viel  Blut  durch  zwei  Wege, 
durch  einen  von  der  Fühlerarterie  herkommenden  Zweig  und  durch 
einen  Ast  der  Sternalarterie. 

Geschlechtsorgane.  —  Die  Geschlechter  sind  beim  Flusskrebs 
stets    getrennt.       Die    Männchen    lassen    sich     an    ihrem    schmaleren 


Cnistaceen. 


49 


Figr.  25. 


Körper  erkennen;  auch  sind  die  Schwimmblätter  des  Schwanzes  nicht 
so  breit,  als  beim  Weibchen.  Sie  tragen  die  Geschlechtsöffnungen  an 
der  Basis  des  letzten  Paares  der  Gehfüsse  (Fig.  2,Ä,od),  während  die 
Eileiteröffnungen  des  "Weibchens  an  der  Basis  des  zweiten  Paares  der- 
selben Füsse  angebracht  sind  (Fig.  2,  B,  o  d).  Ferner  sind  bei  dem 
Männchen  die  beiden  ersten  Bauchfusspaare  in  Begattungsorgane  um- 
gewandelt (Fig.  2,^,  15  und  16).  Das  erste  Paar  der  entsprechenden 
Füsse  bleibt  beim  Weibchen  verkümmert ,  während  das  zweite  den 
folgenden  gleicht  und  wie  dieselben  dazu  dient,  die  Eier  während  der 
Brütezeit  zu  tragen  (Fig.  2,5, 15  und  16).  So  die  äusseren  Geschlechts- 
charaktere. Die  inneren  Organe  haben  beinahe  die  gleiche  Form,  die 
Hodenlappen  sind  nur  etwas  länger  und  schmäler  als  die  Eierstöcke, 
Man  erkennt  aber  das  Männchen  sofort  nach  Entfernung  der  Schale 
an  den  weisslichen,  unterhalb  und  etwas  hinter 
demHerzen  zusammengeknäuelten  Samengängen. 
Die  Eileiter  sind  im  Gegentheil  sehr  kurz  und 
beschreiben  keine  Windungen. 

Hoden.  —  Die  Hoden  (Fig.  25)  liegen  in 
der  Höhle  der  Cephalothorax,  zwischen  dem 
Magen  und  dem  Herzen ,  oberhalb  des  Darmes ; 
sie  werden  rechts  und  links  von  einer  langen, 
gewundenen  Röhre  gebildet,  welche  zahlreiche, 
nach  allen  Richtungen  hin  ausstrahlende  An- 
hängsel trägt,  deren  blindes  Ende  bläschenartig 
erweitert  ist.  Das  Ganze  ist  von  Bindegewebe 
umzogen  und  bildet  eine  dreilappige  Masse. 
Zwei  Lappen  richten  sich  nach  vorn,  der  dritte 
nach  hinten ;  letzterer  schiebt  sich  unter  die 
Bauchwand  des  Herzbeutelsinus  ein  (Fig.  4,  ))i  n 
und  Fig.  26,01)).  Jeder  Lappen  ist  streng  ab- 
gesondert, mehr  oder  weniger  cylin drisch  und 
rundet  sich  während  der  Begattungszeit  ab,  wenn 
die  Samenzellen  in  Menge  abfallen  und  die 
Drüsencauäle  strotzend  anfüllen. 

Ein  langer,  mehrfach  auf  sich  selbst  ge- 
wundener Samencanal  tritt  auf  der  Bauchfläche 
hervor,  am  Verbindungspunkte  der  beiden  Tor- 
derlappen mit  dem  Hinterlappen.  Bei  Beginn 
ist  er  eng,  wird  aber  bald  breiter  und  kann 
bis  zu  zwei  Millimeter  im  Durchmesser  an- 
schwellen; die  Wände  werden  dicker  und  er  endet,  wie  gesagt,  auf 
dem  Basalgliede  des  vierten  Gehfusspaares.  Der  Inhalt  des  Samen- 
canales  ist  zuerst  flüssig  und  halb  durchsichtig,  aber  je  näher  er 
der  Oeffnung  kommt,  desto  dickflüssiger,  weisser  und  undurchsichtiger 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  _j_ 


AstacusfluviatUls.  —  Unter 
der  Lupe  g-ezeichnete  Ho- 
den und  Samencanäle.  a, 
Vorderlappen;  J,  Hinter- 
lappen ;  c ,  Knäuel  der 
Samencanäle;  d,  Aus- 
spritzungscanal;  e,  an  der 
Basis  des  vierten  Paares 
der  Gehfüsse  ausmündende 
Oeffnung  (siehe  Fig-.  2,  vd). 


50 


Arthropoden. 


wird  er.  Endlich  wird  der  Samen  unter  der  Form  von  weichen,  nach 
dem  Lumen  des  Canales  abgeformten  Cylindern  ausgespritzt,  welche 
bei  der  Berührung  mit  Wasser  erhärten. 

Man  untersucht  die  histologische  Structur  auf  frischen  Zerzupfungs- 
präparaten,  sowie  auf  Schnitten  des  in  Pikrinschwefelsäure  oder  in 
Chrorasäure  fixirten  Hodens,  Osmiumsäure  kann  zur  Fixirung  der 
isolirten  Elemente  benutzt  werden ,  aber  sie  dringt  so  wenig  ein  und 
schwärzt  die  von  ihr  erreichten  Gewebe  so  sehr,   dass   man   sie  kaum 

Fig.  26. 


Astucns  fluviatiUs.  —  A,  Schnitt  durch  ein  Hodenläppchen  (Hartnack,  Oc.  3,  Obj.  8), 
das  Endbläschen  zeigend;  a,  Samenzellen  (Spermatoblasten);  h,  Keimkerne;  c,  Endo- 
thelium  der  Ausführangscanälchen ,  bei  c'  von  der  Fläche  gesehen ;  d,  Muskelfasern ; 
e,  Hüllmembran.  JB,  Querschnitt  der  Drüsenportion  des  Samencanals;  a,  Endo- 
theliumzellen  ;  &,  Längsmuskeln  ;  c,  Kreismuskeln.  C,  Endothelium  des  Ausspritzungs- 
canais ;  a,  lange  Zellen;  6,   Kerne;  c,  Muskelfasern  (nach  C.  Grobben). 


für  Stücke  von  gewisser  Grösse  benutzen  kann.  Die  Samenbläschen 
(«,  Fig.  26)  besitzen  eine  Wand  von  Bindegewebe,  das  zarte  Muskel- 
fasern enthält.  Sie  sind  von  einem,  von  Grobben  sorgfältig  be- 
schriebenen Endothelium  überzogen,   in   welchem  man   zwei  Elemente 


Crustaceen. 


51 


unterscheidet:  umfangreiche  polygonale,  einen  grossen  sphärischen  Kern 
enthaltende  Zellen  (Fig.  26,^«),  die  Samenzellen  oder  Spermato- 
blasten,  und  zahlreiche,  in  einer  Protoplasmaschicht  zerstreute  Kerne 
(&),  in  welcher  es  nicht  möglich  ist,  Zellengrenzen  zu  unterscheiden. 
Diese  Elemente  sitzen  in  dem  angeschwollenen  blinden  Ende  der 
Bläschen;  der  röhrenförmige,  in  den  Samencanal  mündende  Theil 
derselben  wird  von  einem  cylindrischen  oder  cubischen  Endothelium 
bekleidet,  welches  nach  Grobben  absondernder  Natur  zu  sein  scheint- 
Grobben  und  Nussbaum  haben  in  letzter  Zeit  die  Entwicklung  der 
Spermatozoiden  in  den  Spermatoblasten  beschrieben.    Zur  Begattungs- 

Fio-.  27. 


Astacus  fluriuühs.  —  A,  B,  C,  Spermatozoiden  in  verschiedeneu  Entwicklung.sstadien; 
D,  ein  vollständig  reifes  Spermatozoid,  650  mal  vergrössert  (nach  C.  Grobben). 

zeit  vermehren  sich  diese  Elemente  ungemein,  man  trifft  sie  in  jedem 
Entwicklungsgrade  bis  zur  vollständigen  Reife.  In  diesem  Zustande 
(Fig.  27,  D)  bildet  das  Spermatozoid  einen  abgeplatteten,  sphärischen 
Körper,  dessen  Peripherie  in  eine  grosse  Anzahl  von  spitzigen  Fort- 
sätzen ausläuft.  Man  unterscheidet  im  Inneren  des  Körpers  einen 
excentrischen  Kern  und  ein  geringeltes,  mit  feinen,  strahlenden 
Streifen  versehenes  Körperchen.  Die  Autoren  stimmen  über  die  Be- 
deutung dieser  Elemente  nicht  überein. 

Der  Samengang  unterscheidet  sich,  was  die  histologische  Structur 
anbetrifft,   nicht   wesentlich   von    dem    Hodencanal,    die   Wände    sind 

4* 


52 


Artliropoden. 


dicker  in  Folge  der  grösseren  Entwicklung  der  Muskelscliiclit ,  in 
welcher  man  innere  Längsbündel  und  äussere  Kreisbündel  beobachtet. 
Das  den  Canal  auskleidende  Endothelium  kommt  in  seiner  Mitte  zu 
besonderer  Bedeutung,  seine  Cylinderzellen  enthalten  einen  elliptischen, 
in  Carminlösungen  ausgezeichnet  sich  färbenden  Kern ;  das  Protoplasma 
ist  körnig  und  sondert  eine  Substanz  von  kreideartigera  Aussehen  ab, 
die  sich  mit  dem  Samen  mischt  (Fig.  26,  B).  Im  Endtheil  des  Samen- 
ganges (ductiis  ejaciüatorius)  ist  das  Endothelium  nicht  mehr  das 
gleiche;  die  an  einander  gepressten  Zellen  haben  sich  verlängert  und 
ihre  Kerne  haben  sich  an  ihrem  äusseren  Ende  gegen  die  Muskelschicht 
gelagert  (Fig.  26,  C). 

Begattungsorgane.  —  Sie   sind   durch  die  zwei  Paare  modi- 
ficirter  Bauchfüsse  hergestellt.     Diejenigen  des  ersten  Paares   sind  auf 
ein   einziges   gerades  und   schmales,    in   seiner  Mitte   lamellöses  Glied 
-picf.  28.  reducirt.    Der  untere  Theil 

ist  zu  einer  Rinne  ausge- 
höhlt; wenn  sich  diese  bei- 
den Rinnen  gegen  einander 
legen,  bilden  sie  einen  voll- 
ständigen Canal  (Fig. 
28,  A). 

Die  Bauchfüsse  des  zwei- 
ten Paares  (Fig.  28,  B)  be- 
stehen aus  drei  Theilen, 
einem  Basalgliede  (rf),  auf 
welchem  zwei  Anhänge 
eingelenkt  sind ,  die  Bor- 
stenpinsel an  ihrem  Ende 
tragen. 
Astacus    fliwiaüüs.     —     Begattungsanhänge     des  Diese     Anhänge    werden 

Männchens.  A,  das  erste  Paar  mit  seiner  Rinne;  ^^-^^^  -^  ^.^  werbliche  Ge- 
B,  ein  Anhang  des  zweiten  Paares ;  a,  Basalgliecl ;  i  i      i  ,      rp 

h,    lamellöses    Endglied;    c,    fadenförmiges    Seiten-       schlechtsöffnung  einge- 

glied  (nach  Brocchi).  führt,   die  Befruchtung  ge- 

schieht höchst  wahrschein- 
lich äusserlich ;  wir  haben  wenigstens  niemals  Spermatozoiden  im 
Eileiter  angetroffen.  Jedoch  paaren  sich  die  Thiere  von  verschie- 
denem Geschlecht.  Das  Männchen  packt  das  "Weibchen  mit  den 
Scheeren,  wirft  es  auf  den  Rücken  und  bringt  es  plötzlich  unter 
sein  Abdomen.  In  diesem  Momente  sollen,  nach  Gerbe,  die  Bauch- 
füsse sich  nähern;  das  Ende  des  hinteren  Paares  wird  in  die  Rinne 
des  Vorderpaares  eingebracht,  während  der  ductus  ejacidatorius  nach 
aussen  vorspringt  und  den  an  seiner  weissen  Farbe  kenntlichen  Samen 
an  der  Basis  des  Vorderpaares  entleert.  Der  Samen  fliesst  lang- 
sam längs    der   Furche   der   vorderen    Anhänsce    und    wird    durch    sie 


..-& 


Crustaceen. 


53 


Fig.  29. 


an    dem   Sternum    des    Weibchen    entladen ,    wo     er    während  längerer 
Zeit  bleibende  weissliche  Streifen  zurücklässt. 

Eierstock.  —  Der  Eierstock  nimmt  beim  Weibchen  dieselbe 
Stelle  ein,  wie  die  Hoden  beim  Männchen.  Wie  dieser,  ist  das 
Ovarium  dreilappig ,  wenn  auch  die  Lappen  kürzer  und  abgerundeter 
erscheinen  (Fig.  29).  Seine  äusserst  feinen  Wandungen  aus  Binde- 
gewebe sind  innen  mit  Endothelialzellen  überzogen,  welche  eine  dicke 
Schicht  bilden,  an  welcher  zahlreiche,  in  die  Eierstockhöhle  voi'ragende 
Bläschen  sich  zeigen.  Jedes  dieser  Bläschen  wird  in  der  Weise  ein 
Ei  sack  oder  Follikel,  dass  eine  der  Endothelialzellen,  welche  das 
Bläschen  umgeben,  schneller  heranwächst  als  die  anderen  und  das 
Ceutrum  des  Bläschens  behauptet.  Das  Protoplasma  erleidet  Ver- 
änderungen, je  mehr  die  Zelle  sich  vergössert;  nach  und  nach  ent- 
wickelt sich  ein  Nahrungsdotter,  in  welchem 
viele  Fettkügelchen  schwimmen. 

Der  durch  Pikrinschwefelsäure  fixirte  und 
mit  Alkohol  abgehärtete  Eierstock  kann  nach 
Einschliessung  in  Paraffin  in  feine  Schnitte 
zerlegt  werden.  Auf  solchen  Schnitten  kön- 
nen die  Eier  in  allen  ihren  Entwickluugs- 
stadien  beobachtet  werden.  Während  der 
Begattuugszeit  ist  die  Höhle  des  Eierstockes 
mit  grossen  Eiern  gefüllt,  welche  durch 
Gegendruck  eine  polygonale  Form  angenom- 
men haben.  Jedes  Ei  besitzt  ein  Keim- 
bläschen und  mehrere  Keimflecke,  die  sich 
in  Carmin  stark  färben. 

Der  Eileiter  entsteht  an  der  Bauchfläche 
des  Eierstockes,  am  Verbindungspunkte  der 
vorderen  Lappen  mit  dem  hinteren  (Fig. 
29,  c) ;  er  bildet  einen  breiten,  direct  nach 
aussen  und  nach  hinten  laufenden  Canal, 
der  nach  kurzem  Verlaufe  an  der  Basis  des  zweiten  Paares  der 
ßauchfüsse  mündet  (Fig.  2,  o  d).  Während  der  Ablage  werden  die 
Eier  von  der  klebrigen  Flüssigkeit,  welche  aus  den  Hautdrüsen  der 
Bauchregion  abgesondert  wird,  eingehüllt  und  durch  diesen  Stoff  fest 
an  die  Bauchfüsse  angeklebt.  Da  die  Legezeit  in  unseren  Gegenden 
im  November  beginnt  und  die  Brütezeit  sechs  Monate  dauert,  findet 
man  wähi'end  des  ganzen  Winters  Eiertrauben  unter  dem  Abdomen 
des  Weibchens. 

Der  junge  Krebs  hat  beim  Auskriechen  eine  den  Eltern  ähuliche 
Gestalt.  Die  Metamorphosen  des  Embryos  spielen  sich  also  im  Inneren 
des  Eies  ab.  Sie  wurden  von  Rathke,  Lereboullet  und  Reicheu- 
bach  beschrieben  (siehe  Literatur). 


Astacus  ßuviatüis.   —    Unter 
der    Lupe    gezeichneter  Eier- 
stock,    a,    Vorderlappen ;    6, 
Hinterlappen ;  c,  Eileiter. 


54 


Arthropoden. 


Die  äussere  Gestalt  der  Krusteuthiere  wechselt  uneudlich  und  ergiebt 
sich  aus  der  relativen  Entwicklung  und  der  Vereinigung  der  verschiedenen, 
den  Körper  bildenden  Ringe  oder  Somiten.  Das  Hautskelett  ist  in  den 
meisten  Fällen  in  eine  mehr  oder  weniger  grössere  Anzahl  von  Ringen 
getheilt,  welche  entweder  unter  einander  beweglich,  oder  zu  Gruppen 
verschmolzen  sind,  was  erlaubt,  besondere  Regionen,  wie  Kopf,  Thorax, 
Bauch  u.  s.  w.,  zu  unterscheiden,  deren  ursprüngliche  Segmentirung  mehr 
oder  minder  verwischt  ist. 

Selten  ist  der  Kopf  abgesondert  (Amphipoden) ,  noch  seltener  beweglich 
(Squilla).  In  der  Regel  verschmelzen  seine  Segmente  mit  denjenigen  des 
Thorax  zu  einem  einzigen  Cephalothorax  (Brachi/tiren),  dessen  Segmentirung 
auf  der  Bauchfläche  oft  noch  sichtbar  ist  {Macruren}.  Sehr  häufig  wachsen 
Rücken-  oder  Seitenfalten  des  Cephalothorax  zu  einem  Schilde  (Apiis)  oder 
einem  Panzer  aus,  der  dann  entweder  die  ganze  Ko^Df  brustregion  {Schizopoden, 
Decajjoden) ,  oder  nur  ihre  vorderen  Segmente  {Stomatopoden ,  Camaceen) 
bedeckt.  Die  ausserordentliche  Entwicklung  der  Seitenplatten  einer  solchen 
Schale  und  ihre  Ausdehnung  nach  hinten  hat  dann  die  Bildung   einer  zwei- 

klappigen   Hülle    zur  Folge,    in 
^ig*  30.  welche  der  ganze  Körper  zurück- 

e  gezogen  werden   kann   {Eatheria, 

Ostracoden). 

Etwas  Aehnliches  kommt  bei 
den  Cirrhipeden  vor  (Fig.  30). 
Zu  einer  gewissen  Zeit  ihres 
Lebens ,  wo  sich  die  bis  dahin 
bewegliche  junge  Larve  mit  ihren 
Fülllern  festsetzt,  dehnt  sich  der 
Rückentheil  ihrer  Tegumente  in 
einen  breiten  Sack  (d)  aus,  wel- 
cher auf  der  Bauchfläche  offen 
bleibt  und  den  ganzen  Körper 
umgiebt,  aber  nur  an  der  Kopf- 
region ihm  angeheftet  ist.  Uebri- 
gens  kann  diese  Region  beim 
erwachsenen  Thiere  über  den 
Sack  hinaus  in  einen  langen  Stiel 
auswachsen,  mit  welchem  das 
Thier  sich  fixirt,  wie  es  bei  den 
Lepadiden  der  Fall  ist.  La  der 
Dicke  des  Mantelsackes  kommen 
fünf  (Lejja.b),  sechs  {Baianus}  oder 
fünfzehn  bis  zwanzig  {PoUicipes), 
dem  Thiere  eine  harte  Hülle  bildende  Kalkstücke  vor,  welche  die  früheren 
Zoologen  derart  getäuscht  haben,  dass  Cuvier  die  Thiere  noch  zu  den 
Mollusken  stellte. 

Diemeist  abgesonderte  Bauchregion  zeigt  ebenfalls  sehr  verschiedenartige 
Stadien  der  Entwicklung;  sie  kann  die  Grösse  des  Cephalothorax  besitzen 
{Ilacriiren),  oder  auf  eine  unter  dem  Cephalothorax  eingeschlagene  Lamelle 
beschränkt  sein  {Brachytoreii)  oder  endlich  zu  einer  kleinen  Erhöhung  ver- 
kümmert sein  {Caprella,  Cyamus). 

Was  nun  die  Zahl  der  Somiten  anbetriff't,  so  ist  sie  bei  den  Entomo- 
straken  höchst  unregelmässig,  während  sie  bei  den  höheren  Krustenthieren 
meist  auf  zwanzig  sich  beläuft,  wovon  dreizehn  dem  Cephalothorax  und 
sieben  dem  Abdomen  angehören. 


Ansicht  eines  Baianus  nach  weggebrochener 
Schalenhälfte,  a,  Mund  ;  b  h' ,  cirrhenförmige 
Glieder;  c,  Kopftheil  des  Thieres ;  d,  Haut- 
duplicatur,  die  das  Thier  wie  ein  Mantel  be- 
deckt; ee,  zur  Verschliessung  der  Schale  die- 
nende bewegliche  Klappen  ;  //,  äussere  Schale  ; 
m,  Mviskeln  (nach  Darwin,  dem  Handbuche 
von   C.   Gegenbaur  entnommene  Fio'ur). 


Criistaceen.  55 

i)er  eine  so  bedeutende  Rolle  iu  dieser  Artliropodeuclasse  spieleude 
Parasitismus  vei-\vischt  häufig  die  ursprüngliclie  bilaterale  Symmetrie  gänzlich, 
und  verändert  den  Körper  dermaasseu ,  dass  kein  einziger  Charakter  eines 
Krusteuthieres  mehr  übrig  bleibt  [Lernaea,  Sacculina).  Darum  ist  auch  die 
Kenntniss  der  Larvenformeu  nothwendig,  um  diesen  so  verkümmerten  Wesen 
ihren  richtigen  Platz  in  der  Serie  anzuweisen. 

Es  bedürfte  eines  Buches,  wollten  wir  die  vielfachen  Anpassungen  und 
die  Homologien  der  Glieder  bei  den  verschiedenen  Ordnungen  der  Classe 
nachweisen.     Jedes  Somit  kann  ein  Paar  gegliederter  Anhänge  tragen. 

Im  Allgemeinen  tragen  die  Kopfringe  zwei  Fühlerj^aare,  jedoch  ist  das 
hintere  Paar  zuweilen  verkümmert  (Aptis).  Diese  Anhänge  fungiren  beinahe 
immer  als  Sinnesorgane  (Tast-  und  Riechorgane);  bei  einigen  Branchiopoden 
und  Ostracoden  dienen  sie  aber  auch  als  Ruder  und  bei  den  Männchen  der 
Copepoden  ist  es  nicht  selten,  den  einen  dieser  Fühler  in  ein  Greiforgau  zur 
Erfassung  des  Weibchens  umgewandelt  zu  sehen. 

Nach  den  Fühlern  folgen  Mandibeln  und  Kiefer,  v/elche  manchmal  mit 
Palpen  zur  Betastung  der  Nahrung  versehen  sind.  Bei  den  Schmarotzern 
(Argulus)  und  sogar  bei  einigen  frei  lebenden  Copepoden  sind  die  Kiefer  zu 
Stechorganen  umgestaltet  und  in  eine,  durch  die  verlängerten  Vorder-  und 
Hinterlippen  gebildete  Scheide  eingeschlossen. 

Die  hinter  den  Kiefei'n  gelegenen  Thoraxfüsse  werden  noch  iu  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  zur  Mastication  verwendet,  deshalb  der  Name  Kiefer-  oder 
Kaufüsse.  Anstatt  der  drei  bei  Astacus  erwähnten  Paare,  welche  regelmässig 
bei  den  Decapoden  vorkommen,  finden  wir  deren  nur  noch  zwei  Paare  bei  den 
Cumaceen,  während  sie  bei  den  Stomatopoden  bis  zu  fünf  Paaren  gelangen. 
Letztere  besitzen  dagegen  nur  noch  drei  Gehfusspaare  am  Thorax.  Die 
Brustfüsse  dienen  meist  der  Ortsbewegung  (Gehen  oder  Schwimmen),  doch 
können  diese  Organe  auch  zur  Athmung  verwendet  werden  {Phyllojpoden), 
oder,  wie  es  häufig  bei  den  Decapoden  der  Fall  ist,  zu  Hülfsorganeu  der 
Geschlechtsfunction  umgestaltet  werden. 

Die  Bauchgiieder  werden  auch  zuweilen  der  Locomotion  angepasst,  jedoch 
sind  sie  im  Allgemeinen  zu  anderen  Functionen  bestimmt.  Manchmal  breiten 
sich  gewisse  von  ihren  Gliedern  als  Athmuugsblätter  oder  zu  Platten  aus, 
die  einen  Brutraum  umgrenzen  ;  manchmal  sind  sie  bei  den  Männchen  zu 
einfachen,  durch  Rinnen  ausgehöhlten  Stengeln  verkümmert  und  dienen  dann 
als  Begattungsorgane.  Wir  wissen  bereits,  dass  bei  dem  Flusskrebs,  wie  bei 
den  langschwänzigen  Krebsen  überhaupt,  die  Füsse  des  letzten  Bauchgliedes 
in  Schwimmplättchen  umgewandelt  sind. 

DieTegumente  sind  weit  davon  entfernt,  überall  die  Härte  zu  besitzen, 
welche  wir  bei  unserem  Typus  antrafen.  Bei  den  meisten  Entomostraken 
sind  sie  sehr  zart  und  enthalten  nur  ausnahmsweise  Kalkablageruugen.  Die 
Chitinschicht  ist  einfach,  biegsam,  durchsichtig  und  zuweilen  so  fein  gestreift, 
dass  sie  das  Licht  bricht  und  zu  den  lebhaftesten  Diffractionsfarben  Anlass 
giebt  (Sapphirina).  Sie  wird  übrigens  öfters  erneuert,  in  Folge  wiederholten, 
namentlich  während  des  Wachsens  stattfindenden  Mauserus.  Fast  immer 
schmücken  feine  Härchen  diese  zarte  Schale,  welche,  wie  bei  den  Decapoden, 
das  Ergebniss  einer  Ausschwitzung  der  chitinogenen  Oberhautschicht  ist, 
die  aus  cylindrischen  oder  cubischen,  den  oben  von  uns  beschriebenen  ähn- 
lichen Zellen  gebildet  wird. 

Das  Nervensystem  ist  stets  bauchstäudig  und  man  beobachtet  im 
Allgemeinen  bei  ihm  eine  Verminderung  der  Ganglienzahl  der  Kette  im 
Verhältniss  zur  Verschmelzung  der  Somiten.  Wenn  auch  andererseits  die 
Ganglien  ursprünglich  in  jedem  Somit  paarig  und  mit  einander  durch  eine 
Quercommissur  und  ein  Längscounectiv  verbanden  sind,  so  dass  sie,  wie  bei 


56  Arthropoden. 

vielen  BrancliioiDoden,  das  Aussehen  einer  Leiter  haben ,  so  muss  man  doch 
zugeben,  dass  in  den  meisten  Fällen  bei  den  übrigen  Ordnungen  eine  An- 
näherung der  beiden  Ganglien  auf  der  Mittellinie  stattfindet,  welche  bis 
zur  gänzlichen  Verschmelzung  führen  kann.  Die  mikroskopische  Beob- 
achtung, besonders  ar;f  Schnitten,,  erlaubt  jedoch  fast  imnaer,  in  den  scheinbar 
einfachen  Ganglien  die  Spur  ihrer  ursprünglichen  Zwiefältigkeit ,  wie  beim 
riusskrebs,  zu  entdecken. 

Die  grösste  Concentration  des  Nervensystems  kommt  bei  den  schma- 
rotzenden Copepoden  vor.  Hier  kann  von  einer  Nervenkette  keine  Rede 
mehr  sein.  Die  Nervencentren  sind  zu  einer  kleinen ,  dichten  Masse  ver- 
schmolzen, welche  ringförmig  den  Schlund  umgiebt  und  oberhalb  dessen  sie 
mehr  oder  weniger  angeschwollen  ist ,  um  von  da  aus  alle  peripherischen 
Nerven  ausgehen  zu  lassen.  Jedoch  fehlt  zuweilen  auch  die  Hirnanschwellung, 
der  Bückentheil  des  Schlundringes  wird  dann  durch  eine  einfache  Commissur 
dargestellt. 

Die  Hirnentwicklung  steht  übrigens  im  directen  Verhältniss  zu  der- 
jenigen der  Augen  und  der  Tühler.  "Wenn  dieselben  verkümmern,  wie  es  bei 
den  Schmarotzern  geschieht,  vermindert  sich  das  Hirn,  während  es  an  Grösse 
wächst,  sobald  die  Siuuesanhänge  des  Kopfes  sich  entwickeln,  wie  es  die 
grossäugigen  Amphipoden  {Phronima)  z.  B.  beweisen. 

Die  Zahl  der  Bauch  ganglien,  geAvöhnlich  zwölf  bei  den  Schizopoden  und 
bei  den  Macruren,  schwankt  zwischen  sieben  bis  dreizehn  bei  den  Isopoden 
und  den  Amphipoden;  sieben  bei  geAvisseu  Copepoden  (Caiajwc^es),  fünf  bei  den 
Daphniden  u.  s.  w.  Die  höchste  Summe  erlangt  sie  bei  Apus  {Phyllopoden), 
während  sie  bei  einigen  Macruren  {Palaemon,  Palinurus)  in  Folge  der  Ver- 
schmelzung der  Brustganglien  abnimmt.  Bei  vielen  Anomuren  [Pagurus) 
sind  die  Bauchgauglien  in  eine  einzige  Masse  zusammengeflossen,  und  bilden 
in  dieser  Hinsicht  den  Uebergang  zwischen  den  Macruren  und  den  Brachyuren 
(Krabben),  deren  Ganglien  im  Thorax  zu  einer  sternförmigen  Masse  vereinigt 
sind  (Fig.  31,  Ä). 

Ein  aus  den  Connectiven  des  Schlundringes  entstehendes  Darmnerven- 
system ist  bereits  bei  den  Cirrhipeden  unter  den  Entomostraken  vorhanden. 
Seine  Kenntniss  in  den  anderen  Gruppen  lässt  sehr  zu  wünschen  übrig,  mit 
Ausnahme  der  Decapoden ,  wo  es  in  seinen  allgemeinen  Zügen  die  dem 
Flusskrebse  angehörende  Bildung  besitzt. 

Die  Tast-,  Geschmack-  und  E. i e c h o r g a n e  werden  höchst  wahrschein- 
lich bei  sämmtlicheu  Krustern  durch  Härchen  dargestellt,  welche  fast  überall  auf 
dem  ganzen  Körper,  aber  besonders  auf  den  Fühlern  (Tast-  und  Riechhärchen), 
auf  den  Kiefertastern  i\nd  den  Lippen  in  unmittelbarer  Nähe  des  Mundes 
(Geschmackshärchen)  zerstreut  sind.  Zu  bemerken  ist ,  dass  diese  Härchen, 
in  deren  Axen  Nervenfädchen  eindringen ,  bis  zu  den  Copepoden  und  den 
Ostracoden  herab  viel  zahlreicher  auf  den  Fühlern  der  männlichen  Indivi- 
duen als  auf  denjenigen  der  Weibchen  sich  vorfinden.  Dieses  wurde  nament- 
lich für  die  Riechhärchen  beobachtet. 

Im  Basalgliede  der  kleinen  Fühler  befindliche  und  nach  dem  beim 
Flusskrebs  beschriebenen  Typus  gebildete  Hörsäckchen  finden  sich  bei  den 
meisten  Decapoden  vor,  sie  scheinen  aber  bei  den  Stomatopoden  und  den 
anderen  Crustaceen  zu  fehlen.  Neuere  Forschungen  über  diese  wichtigen 
Apparate  sind  sehr  Avünschenswerth  und  es  dürfte  sogar  angemessen  er- 
scheinen, dieselben  auf  die  Gesammtheit  der  Gruppen  auszudehnen. 

Bei  mehreren  Decapoden  sind  die  Hörbläschen  geschlossen ,  ohne  ii'gend 
welche  Verbindung  nach  aussen ,  also  müssen  die  Otolithen,  welche  sie  ent- 
halten, durch  ihr  Endothelium  abgesondert  werden.  Bei  einigen  Gattungen 
{Pinnotheres ,  Platycarcinus)   hat    man    geschlossene  Bläschen  beobachtet,    die 


Crustaceen. 


57 


keine  Spur  von  Otolitlien  enthalten.  Die  Hörsäckclien  sind  mit  sehr  feinen, 
vei'schiedenartigen  Härchen  aasgekleidet,  welche  aber  von  den  Siuneshaaren 
der  anderen  Körperregionen  nicht  sehr  abweichen;  bei  Crangon ,  Hifpolyte 
sind  diese  Borsten  in  sehr  geringer  Zahl  vorhanden.  Bei  den  Mysiden  be- 
finden sich  die  vollständig  geschlosseneu  Hörbläschen  in  der  Dicke  der  dem 
Telson  angehefteten  Schwanzplatten  und  eiiipfangen  vom  Aftergaugiion  einen 
besonderen  Nerven.  Hensen  hat  eine  ausführliche  Beschreibung  derselben 
gegeben  (s.  Literatur). 

Ausser    den     Schmarotzern    (Bopyrus),     den     Höhlenbewohnern    {Asellus, 
Typliloniscus) ,   oder  den  Bewohnerin  der    grossen  Tiefen    {Gammarus,  Xijphar- 

gus)  besitzen   alle   Krusteuthiere 


Fig 


A^  Kervensystem  einer  Krabbe  [Carcinns  mae- 
nas);  gs,  Hirnganglion;  o,  Sehnerv;  a,  Fühler- 
nerv; c,  Sclilundring ;  i,  Quercommissur  des 
Ringes;  gi,  verschmolzene  Bauchkette  (nach 
Milne-Edwar ds) ;  B,  Xervensystem  eines 
Cirrhipeden  {Coronida  dludema),  von  der  Bauch- 
seite gesehen  ;  g  s,  g  i,  wie  in  A  ;  a,  Füliler- 
nerven,  die  sich  im  Mantel  und  an  der  Schale 
verzweigen.  Zwischen  ihnen  liegt  das  mit  dem 
Hirn  verbundene  Augenganglion ;  m,  Mao-en- 
nerv ;  s,  Eingeweidenerv,  welcher  sich  in  einem 
Plexus  s"  mit  einem  zweiten ,  von  dem  Vor- 
dertheil  des  Schlundringes  herrührenden  Vis- 
ceralnerven s'  vereinigt.  Das  Bauchgan2;lion 
sendet  nach  vorn  den  Nerven  des  ersten  Cir- 
rhus  vmd  nach  hinten  diejenigen  der  anderen 
Rankenfüsse  (nach  Darwin,  dem  Handbuche 
von  Gegenbaur  entnommene  Fis-ur). 


Augen.  Zwar  zeigen  diese  Augen 
sehr  verschiedene  Entwicklungs- 
stufen. Die  einfachsten  bestehen 
aus  einem,  in  eine  Pigmentmasse 
eingesenkten  Sehstäbchen ,  wie 
es  der  Fall  bei  Nauplius  ist. 
Diese  Elementarform  verwickelt 
sich  aber  in  Folge  der  Ver- 
mehrung der  Stäbchen.  Die  bei- 
den seitlichen  Sehgruppen  nähern 
sich  auf  der  Mittellinie  des 
Kopfes,  um  an  dieser  Stelle  ein 
unpaares,  x-förmiges  Auge  {Cojpe- 
poden,  Ostracoden,  Branchiopoden) 
zu  bilden,  welchem  sich  noch 
gewöhnlich  zwei  entweder  ein- 
fache [Pontelliden)  oder  zusam- 
mengesetzte {Daphnia  ,  Branchi- 
pus)  Augen  von  späterer  Bildung 
auschliessen.  Wenn  sie  aber  bei 
Branchipus  gänzlich  getrennt 
und  auf  Stielchen  gestellt  sind, 
findet  man  sie  bei  Daphnia  bei- 
nahe zu  einem  einzigen ,  fort- 
während in  Bewegung  befind- 
lichen Auge  verschmolzen.  Bei 
einer  grossen  Anzahl  von  Phyl- 
lopoden  sind  diese  zusammen- 
gesetzten Augen  von  einer  glat- 
ten Hornhaut'  überzogen. 

Zusammengesetzte  Augen  mit 
Facetten  sind  die  Regel  bei  den 
höheren  Crustaceen.  Sie  sind 
festsitzend  bei  den  Edriophthal- 
men  [Ampliipoden,  Isopoden,  C'u- 
maceen),  gestielt  und  beweglich 
bei  den  Podophthalmen  [Deca- 
poden),  oder  können  auch  in 
Augengrübchen  zurückgezogen 
werden  [Brachyuren).  Die  Zahl 
der  Stäbchen,  die  Bedeutung 
des  Endganglions  des  Sehnerven, 
die     Pigmentbildung     und     die- 


58  Arthropoden.  < 

jenige  der  unterhalb  der  Hornhaut  sich  befindüchen  Krystallkegel  ändert  je 
nach  den  Gattungen.  Die  Hornhautfacetten  sind  im  Allgemeinen  viereckig 
{Palaemon,  Palinurus)  oder  sechseckig  {Maja,  Squilla).  Bei  Euphausia  (Schizo- 
poden) bemerkt  man  noch  stark  roth  pigmentirte,  au  der  Basis  des  Thorax 
oder  der  Bauchfüsse  angelegte  Nebenaugen.  Ihre  Anzahl  beläuft  sich  auf 
acht  bei  Thysanojjoda. 

Der  stets  bauchständige  Mund  mit  einer  vorderen  und  einer  hinteren 
Lippe,  die  nur  selten  in  eine,  Stechborsten  enthaltende  Scheide  umgewandelt 
ist,  führt  in  eine  verhältnissmässig  einfache  Darmröhre.  Der  Schlund  ist 
kurz,  senkrecht  oder  nach  vorn  gebeugt  und  erweitert  sich,  indem  er  sich 
nach  hinten  krümmt,  in  einen  mehr  oder  weniger  umfangreichen  Magen, 
welcher  durch  Ausbildung  von  in  der  Höhle  vorspringenden  Chitinstücken 
complicirt  wird.  Sie  bilden  oft  einen  demjenigen  des  Flusskrebses  ähnlichen 
inneren  Kauapparat ,  welchen  man  nicht  nur  bei  den  Decapoden ,  sondern 
auch  bei  den  Isopoden  und  bei  einigen  Amphipoden  [Gammarus)  vor- 
findet. 

Hinter  dem  Magen  verengt  sich  der  Darm  und  läuft  ganz  gerade  bis 
zum  After.  Sein  Vordertheil  ist  bei  den  Copepoden  mit  einem  Drüsenepi- 
thelium  überzogen,  welches  jedenfalls  die  fehlende  Verdauungsdrüse  vertritt. 
Magenblindsäcke  fehlen  den  Copepoden  ebenfalls ,  während  die  meisten  an- 
deren Krustenthiere  in  der  That  einen  (Sida) ,  zwei  [Daplmiden)  (Fig.  32,  h) 
oder  auch  eine  grössere  Anzahl  von  hinter  dem  Pförtner  stehenden  Blind- 
säcken besitzen  {Apus,  Maja).  Ihre  Länge  ist  höchst  veränderlich;  sie  ver- 
zweigen sich  zuweilen  [Argulus).  Man  bemerkt  bei  einigen  Gattungen  von 
Copepoden  und  von  Cladoceren  rhythmische  Bewegungen  des  Kectums,  welche 
vielleicht  eine  Eolle  in  der  Athmung  und  im  Kreislauf  der  Nahrmigsfiüssig- 
keit  spielen. 

Bei  den  Bhizocephalen  [Sacculina)  ist  der  Verdauungsapparat  gänzlich 
verkümmert;  sie  ernähren  sich  durch  Osmose  von  den  ihren  Wohnthieren 
(Krabben)  angehörenden  Nahrungsflüssigkeiten ,  vermittelst  wurzeiförmiger 
Bohren,  welche  in  die  Eingeweidehöhle  dieser  letzteren  sich  verzweigen. 

Einzellige  Speicheldrüsen  wurden  bei  den  Daphniden  sowie  bei  einigen 
Copepoden  unterhalb  der  Vorderlippe  beschrieben.  Jedoch  müssen  wir  uns, 
was  die  Bedeutung  dieser  Drüsen  anbelangt,  mit  Vermuthungen  begnügen; 
im  gleichen  Falle  befinden  wir  uns  hinsichtlich  der  von  Braun  bei  den 
Decapoden  und  bei  Squilla  in  den  Wandungen  des  Schlundes  und  der  Vorder- 
lippe aufgefundenen  Drüsen. 

Die  unter  dem  Namen  Leber  bekannten  Verdauungsdrüsen  existiren 
bei  den  höheren  Typen.  Sie  besitzen  die  Form  von  Röhren,  deren  erweitertes, 
blindes  Ende  allein  drüsenartig  zu  sein  scheint,  während  der  cylindrische, 
in  den  Mitteldarm  einmündende  Böhrentheil  als  Ausführungscanal  fungirt. 
Diese  Röhren  sind  zuweilen  so  weit  geöffnet,  dass  ihre  Höhle  eine  Dependenz 
derjenigen  des  Darmes  zu  sein  scheint.  Man  hat  davon  ein  einziges  Paar 
(Ci/amus,  Caprella)  oder  zwei  (Ganmiarits),  oder  drei  P-Aare  (Idothea,  Ligia)  ge- 
funden.  Aber  bei  allen  Decapoden  vermehren  sich  diese  Röhren  un- 
gemein, verzweigen  sich  und  bilden  im  Cephalothorax,  auf  beiden  Seiten  des 
Darmes,  eine  öfters  viellappige  oder  auch  traubenartige  Masse  (C'rangon, 
Palaemon).  Bei  den  Stomatopoden  sind  solche  Trauben  auf  der  ganzen 
Fläche  des  mittleren  Darmes  zerstreut. 

Das  stets  farblose  und  amöboide  Körj^erchen  enthaltende  Blut  ist  bei 
einigen  wenigen  Gattungen  (Lernanthropus,  Clavella)  von  einer  Hämoglobin 
enthaltenden  rothen  Flüssigkeit  begleitet.  Diese  Flüssigkeit  circulirt  in  einem 
geschlossenen  Gefässsystem ,  welches  Ed.  van  Beneden  Appareil  hematique 
genannt  hat.     Dieser  Autor  vermuthet,  dass  dieser  Apparat  dazu  dient,  dem 


Crustaceen, 


59 


die  Körperhöllleu  füllenden  Blute  den  aufgeuouinienen  Sauerstoff  zuzu- 
bringeu  und  die  Ausscheidung  der  Kohlensäure  zu  erleichtern. 

Das  Herz  fehlt  öfters  bei  deu  niederen  Gruppen,  wie  z.  B.  bei  den 
meisten  Cyclopiden,  Corj-caeiden  u.  s.  w.,  sowie  bei  den  Ostracoden,  mit  Aus- 
nahme der  Cypridinen.  Gefässe  sind  dann  ebenfalls  nicht  vorhanden;  die 
Nahruugsflüssigkeit  circulirt  in  den  Hohlräumen  in  Folge  der  Zusammen- 
ziehungen der  Körperwände,  äßv  Muskeln,  der  Glieder  oder  des  Verdauungs- 
canais. 

Die  erste  Andeutung  eines  Gefässsystems  findet  sich  wohl  bei  den  Dapli- 
niden  (Fig.  32,  c).  Das  lebhaft  sclilagende,  sackförmige  Herz  liegt  oberhalb 
des  Darmes.  Es  empfängt  das  Blut  durch  ein  oder  zwei  Paar  seitlicher 
Spaltöffnungen  und  treibt  es  bei  jeder  Systole  in  eine  einzige,  sehr  kurze 
Aorta,  die  es  in  die  Hohlräume  des  Körpers  ergiesst. 

Bei  den  Phyllopoden  verlängert  sich  das  Herz,  und  erstreckt  sich  bis 
zum  Abdomen  {Branchiinis).  Es  trägt  auf  den  Seiten  zahlreiche ,  den  Seg- 
menten entsprechende  Oeffnuugen,  so  dass  das  Blut  in  Fülle  zuströmen  kann. 
Dagegen  sind  die  ausführenden  Gefässe  noch  sehr  einfach  und  nur  am  vor- 
deren Ende  ausgebildet. 


Organisation   einer  Daplinia ;  die  grossen  Schwimmfühler  sind  abgeschnitten,    ü,  Tast- 

f'ühler;    c,    Hirn;    oc,    Auge;    i,    Darm;    A,    Blinddärme;    (/,    Schalendrüse;    c,    Herz; 

l,  Oberlippe;  ov,   Eierstock;  o,  ein  Ei  in  der  Bruthöhle  o',  die  zwischen  Körper  und 

Mantel  liegt  (nach  Leydig;  dem  Handbuch  von  Gegenbaur  entnommen). 


Bei  den  Arthrostraken  wird  das  röhrenförmige  Herz  noch  länger;  es 
dehnt  sich  weiter  gegen  den  Kopf  hin  aus  bei  den  Amphipoden,  während  es 
bei  den  Isoj)oden  gegen  den  Hinterleib  hin  zurückgeworfen  wird.  Bei  diesen 
letzteren  besonders  scheint  das  arterielle  System  sich  zu  entwickeln ;  das 
Herz  liefert  Gefässe  an  seinem  vorderen  und  hinteren  Ende. 

Unter  den  Thoracostraken  treffen  wir  bei  den  Stomatopoden  noch  ein 
sehr  in  die  Länge  gezogenes  Herz,  welches  sich  an  seinen  beiden  Enden  in 
eine  vordere  und  hintere  Arterie  fortsetzt,  während  es  bei  den  Schizopoden 
und  den  Decapoden  mehr  zusammengedrängt  ist ,  sich  im  Thorax  localisirt 
und  sowohl  nach  vorn  als  nach  hinten  eine  grössere  Anzahl  von  Stämmen 
ausgiebt ,  die  sich  in  dem  Hirn ,  den  Fühlern ,  der  Leber,  den  Geschlechts- 
organen u.  s.  w.  verästeln. 

Aber  bei  keinem  Krustenthiere  besteht  ein  unmittelbarer  Zusammenhang 
der  Gefässe  zwischen  den  Arterien  und  dem  Athmungsorgan.  "Wir  haben 
beim   Flusskrebse    den   höchsten   Grad   der   Entwicklung   des   Blutkreislaufes 


60 


Arthropoden. 


angetroffen  und  wissen,  dass  das  Blut,  nachdem  es  sich  bis  zu  den  letzten 
Zweigen  der  Arterien  ergossen  hat,  in  Hohlräume  (Sinus)  strömt,  die  es  zu 
den  Kiemen  führen.  Nach  der  Hämatose  kehrt  es  durch  Venen,  deren  Zahl 
nach  derjenigen  der  Kiemenanhänge  wechselt,  nicht  direct  zum  Herzen  zu- 
rück, sondern  strömt  in  einen  das  Herz  umgebenden  Sinus,  aus  welchem  die 
Spaltöffnungen  des  Herzens  es  entnehmen. 

Localisirte  Athmungsorgane  fehlen  bei  vielen  niederen  Crustaceen,  welche 
mit  der  ganzen  Körperoberfläche  atlimen.  Bei  den  Copepodeu  und  den 
Ostracoden  bemerkt  man  zuAveilen  mehr  oder  weniger  gefaltete  Hauttheilchen, 
welche  die  Athmungsfläche  vergrössern ;  auf  der  inneren  Mantelfläche  der 
Balanideu  bilden  sich  diese  Falten  zu  wirklichen  Kiemenblättchen  aus. 

Jedoch  im  Allgemeinen  entwickeln  sich  die  eigentlichen  Kiemen  auf  den 
Brust-  oder  Bauchfüssen.    Das  im  Ganzen  oder  nur  theilweise  der  Athmungs- 

Fig.  33. 

Fig.  34. 


Fig.  33.  —  Querschnitte  von  Krustenthieren.  ^-i,  Phyllopodc  (Liranetis  nach  Grube); 
B,  Squilla  (nach  M  i  1  n  e  -  E  d  w  a  r  d  s) ;  c,  Herz  ;  i,  Darm  ;  n,  Ganglienkette  ;  h  r,  Kiemen  ; 
d,  Duplicatur  des  Kückenteguments,  in  ^  eine  Schale  darstellend  (nach  Gegenbaur). 

Fig.  34.  —  Kiemen  eines  Brachyuren.  Die  Rückentegumente  des  Cephalothorax  sind 
entfernt  worden.  Die  Körperhöhle  mit  dem  Kaumagen  v  und  dem  Darm,  der  dai-aus 
entspringt,  zeigt  sich  in  der  Mitte ;  die  seitlichen  Kiemenhöhlen  sind  geöffnet ;  rechts 
die  Kiemen  mit  sechs  Reihen  von  Blättchen ;  linkerseits  sind  vier  davon ,  sowie 
das  Flagellum  /  weggeschnitten,  um  den  Strudelapparat  f,  f  unterhalb  der  Kiemen 
zu  zeigen;  o,  Auge;  d,  Fühler;  ar,  eine  isolirte,  bei  rc  abgeschnittene  Kieme   (nach 

Gegenb  aur). 

function  angepasste  Glied  dient  oft  ausserdem  noch  der  Ortsbewegung;  es 
plattet  sich  au  seiner  Basis  blattförmig  ab. 

So  besitzen  bei  den  Phyllopoden  z.  B.  (Fig.  33,  A,  br),  wie  ihr  Name  es 
übrigens  andeutet,  die  Füsse  die  Form  breiter  und  dünner  Lamellen,  zwischen 
deren  Wänden   der  Austausch  der  Gase    sich    vollzieht,   da   das  Wasser   stets 


Crustaceen.  61 

iu  Folge  ihrei"  beständigen  Bewegung  sicli  um  sie  erneuert.  Alle  Glieder 
können  an  solcher  Umwandlung  theil  nehmen,  sowie  es  hauptsächlich  der 
Fall  bei  den  Branchiopoden  ist.  Bei  den  Isopoden  sind  die  fünf  Paare  der 
Bauchfüsse  auf  diese  Weise  gänzlich  zu  Athmungslamellen  umgewandelt,  und 
es  kommt  manchmal  vor  [Oniscus.  Forcellio) ,  dass  ein  Paar  dieser  Glieder 
sich  als  Deckplatten  entwickelt  und  die  anderen  wie  in  eine  Kammer  ein- 
schliesst. 

Bei  den  Amphipoden  haben  die  Kiemen  die  Form  von  Säcken,  welche 
an  den  Basalgliedern  der  Brustfüsse  angeheftet  sind ;  sie  sii:id  bei  Talitrus, 
Gam-marus  unter  Hautverlängerungen  des  Thorax  versteckt.  Sie  sind  bei  den 
Caprellen  sehr  verkümmert ;  dieselben  besitzen  nur  zwei  kurze  röhrenförmige 
Kiemensäckchen  ,  welche  auf  dem  zweiten  und  dritten  Thoraxsegmente ,  die 
keine  Füsse  tragen,  befestigt  sind. 

Bei  den  Stomatopoden  (Squilla)  (Fig.  33,  B,  hr)  sehen  wir  Büschel  von 
verzweigten,  auf  dem  inneren  Rande  der  fünf  Paare  der  Bauchschwimmfüsse 
angeheftete  Kiemen fädchen. 

Bei  allen  anderen  Thoracostraken,  mit  Ausnahme  der  j^Iysiden,  die  keine 
besitzen,  localisiren  sich  die  Athmungsorgane  auf  den  Kieferfüssen  und  auf  den 
Gehfüssen.  Diese  Organe  stellen  sich  aber  unter  sehr  verschiedenen  Formen 
dar ;  zuweilen  bilden  sie  Büschel  von  röhrigen  Fädchen ,  kammartigeu  Ver- 
längerungen (Macrureu) ,  zuweilen  auch  Eeihen  von  einzelnen  sich  gegen 
das  Ende  verschmälernden  Plättchen  (Fig.  34,  a  r),  welche  an  den  Füssen 
oder  an  der  inneren  \Yand  der  Kiemenkamraer  angeheftet  sind. 

Die  Kiemen  sind  nun  nicht  mehr  von  aussen  sichtbar,  da  sie,  wie 
wir  es  bereits  bei  Astacus  bemerkten,  durch  eine  Duphcatur  des  Kopf- 
brustskelettes überdeckt  sind.  Diese  Duplicatur  begrenzt  äusserlich  eine 
Kiemenhöhle,  welche  vermittelst  einer  zwischen  dem  freien  Bande  der  Dupli- 
catur und  der  Basis  der  Füsse  gelegenen  Spalte  sich  nach  aussen  öffnet.  Bei 
den  Brachyuren  wird  die  Spalte  vollständiger  geschlossen  und  auf  eine  ein- 
fache Ritze  reducirt,  welche  vor  dem  ersten  Fusspaare  gelegen  ist  und  durch 
eine  äussere  Verlängerung  der  Basis  der  Kieferfüsse  geschlossen  werden  kann. 
Eine  derartige  Vorrichtung  erlaubt  den  Landkrabben  {Gecarcinus),  Wasser  in 
ihrer  Kiemenkammer  zu  behalten.  Bei  dem  die  Erde  bewohnenden  Birgus 
latro  finden  sich  noch  auf  dem  Dach  der  Kiemenhöhle  baumförmig  ver- 
zweigte Verlängerungen ,  die  als  eine  Art  von  Lungen  angesehen  wurden 
(Sem per).  Bei  allen  Wasserbewohnern  wird  der  Kreislauf  des  Wassers  in 
der  Höhle  durch  die  eigenen  BeAvegungen  der  Kiemen,  oder  gewisser  von 
der  Basis  der  Kieferfüsse  ausgehender ■  und  nach  hinten  auf  die  Gesammt- 
zahl  der  Kiemen  sich  ausdehnender ,  peitschenartiger  Anhänge  befördert 
(Fig.  34,  f,  f,  f"). 

Endlich  müssen  wir  auch  das  Vorhandensein  von  Luft  in  den  vorderen 
Kiemenlamellen  einiger  landbewohnenden  Isopoden  erwähnen  [Poo-ceUio),  ohne 
dass  die  Form  derselben  sich  wesentlich  von  derjenige]\  der  gleichen  Lamellen 
bei  den  Wasserbewohnern  unterschiede. 

Bei  einigen  Copepodenlarven  hat  man  Zellenmassen  beschrieben  ,  welche 
harte  Ablagerungen  enthalten,  die  Harnconcretionen  zu  sein  scheinen.  Solche 
in  Nebensäcken  des  Darmes  gelegene  Zellen  finden  sich  bei  Ci/clops-ine  castor 
(Leydig).  Bei  den  Amphipoden  wurden  kurze,  an  dem  Enddarm  angehef- 
tete Drüsenröhrclien  als  den  Malpighi'schen  Canälen  der  Insecten  homologe 
Organe  betrachtet.  Mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  gehören  Drüsenknäiiel, 
die  sich  bei  den  meisten  Ordnungen  vorfinden  und  entweder  an  der  Fühler- 
basis (Fühlerdrüsen)  oder  unter  Hautfalten  an  dem  Vordertheil  des  Körpers 
liegen  (Schalendrüsen,  Kopfdrüsen  u.  s.  w.)  (Fig.  32,  g),  den  Absonderungs- 
organen an.     Grobben' s  Forschungen  beweisen,  das  wir  es  hier  mit  gleich- 


62 


Arthropoden. 


artigen  Bildungen  zu  tliun  haben ;  ihre  innere  Structur  ist  bei  Phyllopoden 
und  Copepoden  wesenthch  die  nämliche.  Man  kann  immer  bei  ihnen  ein 
blindes,  sackförmig  erweitertes  Ende  unterscheiden,  welches  der  Drüsen- 
theil  ist  und  dem  Malpighi'schen  Knäuel  in  der  Niere  der  Wirbelthiere 
vergleichbar  wäre ,  und  ein  mehr  oder  weniger  langes ,  auf  sich  selbst  ge- 
Avundenes  Canälchen,  welches  der  Ausführungscanal  ist.  Diese  Bildung  findet 
sich  übrigens    in    der  grünen  Drüse   beim  Fltisskrebs  Avieder,   welche  deshalb 


Fig.  35. 


als  der  Fühlerdi'üse  homolog  be- 
trachtet werden  muss. 

Zwittei'bildung  ist  eine  Aus- 
nahme hei  den  Krustenthieren. 
Es  giebt  einige  Beispiele  davon 
unter  den  Cirrhipeden  und  bei 
Cymothoe  unter  den  Isopoden. 
Bei  einigen  Gattungen  von  Cir- 
rhipeden [Scalpellum)  treten  übri- 
gens, wie  es  scheint,  nur  zu  ge- 
wissen Zeiten  männliche  Indivi- 
duen als  Ergänzungsmännchen 
auf. 

Die  Trennung  der  Geschlechter 
ist  also  die  Regel  und  in  der 
grössten  Mehrzahl  der  Fälle  sind 
die  keimbereitenden  Organe,  Ho- 
den und  Eierstöcke,  nach  dem 
gleichen  Typus  entweder  ein- 
facher oder  verzweigter  paariger 
Röhren  gebaut. 

Die  Männchen  sind  im  All- 
gemeinen kleiner  als  die  Weib- 
chen, manchmal  bleiben  sie  so- 
gar zwergartig  klein  {Cirrhipe- 
den^ schmarotzende  Copepoden, 
Bopyrus ,  Entonisciis  unter  den 
Isopoden)  und  an  die  Geschlechts- 
üfFnung  dieser  letzteren  ange- 
heftet (Fig.  35,  M).  Wir  haben 
bereits  den  Dimorphismus  der 
Männchen  von  einigen  Copepo- 
den {Cydops)  erwähnt,  bei  denen 
der  eine  Fühler  eingeknickt  wer- 
den kann  iind  das  Weibchen  wäh- 
rend der  Begattung  festhält.  Bei 
anderen  ist  es  das  erste  Fusspaar 
(Estheria)  oder  die  Kieferfüsse 
(Cypris) ,  welche  zu  diesem 
Zwecke  umgebildet  sind.  Bei 
den  Cladoceren  unterscheiden 
sich  noch  die  Männchen  von 
den  Weibchen  durch  grössere 
Augen  und  längere  Fühler.  Der 
Angriffsapparat  des  männlichen 
Branchipus  ist  ausserordentlich  complicirt;  das  Hauptstück  ist  spiralförmig- 
gewunden. 


Branchiella  mulleus  (in  der  Mundliiihle  des 
Zitterrochens  ansässig).  Das  Weibchen  trägt 
ein  an  der  Geschlechts'öfTnung  angeklammertes 
Männchen  J\].  i,  Füsse  des  ersten  Paares;  k, 
Füsse  des  zweiten  Paares ;  ???,  Vordertheil  des 
Körpers ;  n,  Hintertheil  ;  r,  Eisack  mit  reifen 
Eiern  ;  s,  Darm ;  /,  Eierstöcke.  — 


Crustaceen.  63 

Bei  den  freien  Copepoden  ist  die  Geschleclitsdrüse  unpaarig;  sie  liegt 
in  der  Mittellinie  des  Köi-pers  oberhalb  des  Mitteldarmes ;  sie  besitzt  aber 
zwei  mehr  oder  weniger  complicirte  Ansführungscanäle  an  ihren  Enden. 
Die  Eileiter  zeigen  öfters'  Erweiterungen ,  welche  als  Samenbehälter  oder 
Bruttaschen  dienen  können.  Die  Eier  werden  indess  meistens  in  Säcke  ab- 
gelegt, welche  beiderseits  am  hinteren  Körperende  angeheftet  sind. 

Die  Geschlechtsdrüsen  der  schmarotzenden  Copepoden  sind  paarig.  Bei 
den  Phjdlopoden  liegen  sie  auf  beiden  Seiten  des  Darmes;  ihre  Ausführungs- 
gänge münden  an  der  Grenze  zwischen  Thorax  und  Abdomen.  Oefters 
fungirt  ein  erweitei-ter  Theil  des  Eileitei-s  als  Uterus.  Bei  den  Daphniden 
bildet  sich  unterhalb  der  Schale  und  am  Hinterende  des  Körpers  eine  Brut- 
kammer (Fig.  32,  o'),  in  welcher  die  Eier  durch  chitinöse  Erhöhungen  des 
Bauches  festgehalten  werden.  Bei  Estheria  entwickeln  sich  die  Eier  ebenfalls 
zwischen  den  Klappen,  auf  besonderen  Anhängen  der  Eüsse. 

Die  paarigen  Drüsen  der  Arthrostraken  sind  im  Allgemeinen  vollständig- 
getrennt.  Die  Eileiter  der  Amphipoden  öffnen  sich  auf  dem  fünften  Brust- 
segment. Bei  den  Isopoden  bildet  sich  eine  Brutkammer,  welche  durch  aus 
den  Thoraxfüssen  stammende,  dachziegel förmig  über  einander  gelegte  Plätt- 
chen begrenzt  wird. 

Unter  den  Thoracostraken  sind  es  die  Schizopocieu,  welche  die  einfachsten 
Geschlechtsorgane  aufweisen.  Das  unpaare  Ovarium  setzt  sich  in  zwei  weite, 
als  Uterus  fungireude  Eileiter  fort  und  blätterige  Ausbreitungen  der  beiden 
letzten  Thoraxfüsse  begrenzen  eine  Brutkammer.  Die  Ansführungscanäle  der 
Männchen  enden  mit  besonderen ,  von  einer  Umgestaltung  der  Bauchfüsse 
herstammenden  Begattungsanhängen. 

Bei  den  Decapoden  compliciren  sich  im  Gegentheil  die  gleichen  Organe. 
Der  Drüsentheil  besteht  aus  einem  sehr  langen  und  sehr  feinen ,  mehrfach 
auf  sich  selbst  gewundenen  Rohr,  welches  eine  mehrlappige,  ausnahmsweise 
bis  in  das  Abdomen  sich  erstreckende  Masse  [Pagurus)  bildet,  wähi-end  sie 
manchmal  sehr  nach  vorn  im  Cephalothorax  gelegen  ist  (Galathea).  Die 
Ausführungscanäle  sind,  besonders  bei  dem  Männchen,  sehr  lang,  schlangen- 
förmig  gewunden  und  stellenweise  drüsenartig.  Die  Drüsen  können  sogar 
davon  getrennt  bleiben ,  unter  der  Form  von  Anhängen  (Maja).  Bei  den 
Brachj'uren  trägt  übrigens  der  Ausführungscanal  bei  einigen  Gattungen  eine 
als  Samenbläschen  dienende  Erweiterung.  Im  Allgemeinen  muss  man  den- 
selben als  die  Fortsetzung  der  Hodenröhre  betrachten  und  in  vielen  Fällen 
giebt  es  keine  streng  gesonderte  Grenze  zwischen  beiden  (Brocchi).  Der 
Endtheil  der  Ausführungscanäle  ist  musculöser,  dicker  und  kann  nach  aussen 
hervortreten,  er  ist  öfters  Ruthe  genannt  worden. 

Die  weiblichen  Geschlechtsöffnungen  finden  sich  beinahe  immer  auf  dem 
Basalgliede  des  zweiten  Paares  der  Gehfüsse  oder  auf  dem  diesen  Füssen 
entsprechenden  Bruststücke  {Brachyuren).  Die  männlichen  Oeffnungen  stehen 
weiter  rückwärts ,  wie  beim  Krebs ,  an  der  Basis  des  vierten  oder  letzten 
Paares  dieser  gleichen  Füsse. 

Mit  Ausnahme  von  einigen  Macruren  (Sci/llarus,  Palaemon)  sind  das  erste 
[Homarus]  oder  die  zwei  ersten  Bauchfusspaare,  bei  den  männlichen  Decapoden, 
zu  Begattungsorganen  umgewandelt.  Die  Metamorphose  ist  deutlicher  und 
allgemeiner  bei  den  Brachyuren  als  bei  den  Macruren. 

Die  Spermatozoiden  sind  unbeweglich  (ausser  bei  den  Cirrhipeden) ,  zeit- 
weilig fadenförmig  und  sehr  lang  (Isopoden,  Amphipoden,  Ostracoden) ,  au 
einem  Ende  hakenförmig  gebogen  (Mysis)  oder  zellenartig  und  mit  aus- 
strahlenden Anhängen  versehen.  Im  Allgemeinen  sind  sie  bei  der  Aus- 
stossung  von  einer  schleimigen  Hülle  umgeben,  die  bei  Berührung  mit 
Wasser  erhäi-tet.     Auf  diese  Weise  werden  Spermatoiohoren    gebildet ,  welche 


64 


Arthropoden. 


das  MäDDchen  manclimal  an  den  Geschlechtsring  des  Weibchens  anheftet 
(Copepoden). 

Fälle  von  Parthenogenesis  sind  bei  den  Ci'ustaceen  nicht  selten  {Cladoceren, 
Ajpus,  Artemia).  So  bildet  z.  B.  der  Eierstock  der  Daphniden  im  Frühling 
und  im  Sommer  Eier ,  die  direct  in  die  Brutkammer  übergehen  und  sich 
darin  ohne  jegliche  Befruchtung  entwickeln.  Im  Herbst  erzeugt  das  gleiche 
Ovarium  zwei  {Daphnia)  oder  mehrere  (Lynceus)  sogenannte  Wintereier,  welche 
befriichtet  werden  und  den  Winter  unter  der  Schale  liegen  bleiben,  um  im 
folgenden  Frühling  sich  zu  entAvickeln.  Die  übrigens  seltenen  Männchen 
treten  nur  im  Herbst  auf.  Bei  einigen  Cladoceren  gehen  den  Männchen 
einige  Zwitter  voran  (Kurz). 

Die  directe  Entwicklung,  in  Folge  welcher  das  junge  Thier  aus  dem  Ei 
mit  einer  beinahe  derjenigen  der  Eltern  gleichen  Form  ausschlüpft,  wie  es 
der  Fall  beim  Flusskrebse  ist,  kommt  nur  äusserst  selten  bei  den  Krusten- 
thieren  vor.     Man  hat   sie  so  zu  sagen   nur  noch  bei  den  Cumaceen  und  bei 

Fig.  36. 


Naupliuslarveii.    A,  von  Lernaeodiscus ;  B,  von  Cj'clops ;  a,  unpaares  Auge ;  b,   Chitin- 
schale;  c,  Oljeriippe;  d,  Darm;   1,  erstes  Paar  von  einfachen  Füssen  ;  2  und  3,  zweites 
und  drittes  Paar  zweispaltiger  Piudevfüsse. 

den  Mysiden  heobachtet.  Bei  den  Isopoden  und  den  Amphipodeu  trifft  man 
ebenfalls  keine  freie  Larvenformen. 

In  der  Regel  machen  die  Jungen  nach  dem  Austritt  aus  dem  Ei  eine 
Reihe  mehr  oder  weniger  complicirter  Metamorphosen  durch.  So  vermochte 
z.  B.  Claus  bei  den  Cypriden  neun  Larvenformen  nachzuweisen.  Diese 
Umwandlungen  sind  regressiv  bei  den  Parasiten ,  wenn  sie  auch  zuweilen 
sehr  verwickelt  sind,  wie  wir  es  bei  der  so  gewissenhaft  von  Delage  beob- 
achteten Sacculina  sehen. 

Die  bis  jetzt  hekanuteu  Larvenformen  sind  zahlreich ;  die  Homologien 
ihrer  Segmente  und  ihrer  Anhänge  sind  noch  lange  nicht  für  eine  jede  dieser 
Formen  festgestellt.  Mit  Ausnahme  einiger  Formen  scheinen  iudess  die 
meisten    von    der    einfachen    Larve    NaupUus    der    Copepoden    herzustammen 


Crustaceen.  65 

(Fig.  36).  Der  in  seiner  Form  sehr  verschiedene  Nauplius,  dessen  Tegumeute 
fein  und  durchsichtig  sind,  wird  theoretisch  in  vier  Segmente  getheilt.  Die 
Abgrenzung  dieser  Segmente  ist  selten  ersichtUch.  Die  drei  ersten  Segmente 
tragen  Anhänge,  das  erste  Paar  dieser  Anhänge  ist  einfach,  die  zwei  letzteren 
zweisj)altig.  Da  diese  Glieder  später  zu  den  zwei  Fühlerpaaren  und  den  Mandibeln 
des  erwachsenen  Thieres  sich  umwandeln,  so  kann  man  die  sie  tragenden  Larven- 
segmente als  die  Kopfregion  des  zukünftigen  Crustaceums  betrachten.  Die 
Durchsichtigkeit  der  Haut  gestattet  bereits  ein  Hirnganglion  bei  Nauplius  zu 
entdecken ,  auf  welchem  ein  einfaches  unpaares  Auge  aufsitzt ;  man  sieht 
ferner  einen  geraden  Darm  und  zwei  an  der  Basis  des  zweiten  Gliedpaares 
gelegene  Fühlerdrüsen. 

Diese  Larvenform  wächst  nun  durch  die  Entstehung  neuer  Segmente 
zwischen  dem  Mandibelsegment  und  dem  von  Anhängen  entblössten  letzten 
Aftersegment  weiter  fort.  Bei  mehreren  höheren  Tj'pen  (meerbewohnende 
Decapoden)  schlüpft  das  Junge  unter  einer  anderen  Larvenform  aus,  die  Zo'ea 
genannt  wird.  Diese  besitzt  sieben  Gliederpaare ,  ist  durch  die  Grösse  ihrer 
Facettenaugen,  zwischen  denen  ein  unpaares  Mittelauge  steht,  und  durch  nadei- 
förmige Stacheln  ihrer  Schale  bemerk enswerth. 

Ausser  Zoea  hat  man  andere  Larvenformen  beobachtet ,  wie  z.  B.  die 
Form  Megalops  der  Brachyuren,  Erichthus  bei  den  Squillen,  Phyllosoma  der 
Langusten  u.  s.  w. 

Wir  können  nicht  in  die  Schilderung  dieser  verschiedenen  Entwicklungs- 
stadien eingehen,  da  das  phylogenetische  Studium  nicht  zu  unserer  Aufgabe 
gehört;  man  wird  in  der  Embryologie  von  Balfour  ihre  Beschreibung  und 
die  ausserordentlich  ausgedehnte  Bibliographie  über  dieselben  finden. 

Literatur.  —  Jurine,  Histoire  des  AJonodes,  Geneve,  1820.  —  H.  Rathke, 
Untersuchungen  über  die  Bildung  und  Entwicklung  des  Flusskrebses,  Leipzig,  1829.  — 
V.  Thompson,  On  the  Metamor pliosis  of  JJecapodoiis  Crustacea.  ZooL  Journ,,  Bd.  II, 
1831,  et  Isis,  1834,  1836,  1838.  —  Milne-Ed  wards,  Histoire  naturelle  des  Crustaces, 
Paris,  1834,  1840.  —  Ders. ,  Observations  sur  le  Systeme  tegumentaire  des  Cnistaces 
Decapodes.  Ann.  des  sc.  nat.,  3.  Serie,  Bd.  XVI.  —  Duvernoy,  Des  organes  exte- 
rieurs  sur  le  squelette  tegumentaire  des  Crustaces  Decapodes.  Memoires  de  VAcad.  des  sc, 
Paris,  Bd.  XXIII.  —  Krohn,  lieber  die  Verdauungsnerven  des  Krebses.  Isis,  1834.  — 
Oesterlen,  lieber  den  Magen  des  Flusskrebses.  Müller's  Archiv,  1840.  —  Lere- 
bouUet,  Recherches  sur  le  mode  de  ßxation  des  oeufs  aux  fausses  pattes  abdominales 
des  Ecrevisses.  Ann.  des  sc.  nat.,  4.  Serie,  Bd.  XIV,  1860.  —  Ders.,  Sur  les 
Crustaces  de  la  famille  des  Cloportides.  Mem.  die  Museum  de  Strassbourg ,  Bd.  IV, 
1850.  —  Ders.,  Recherches  d'embryologie  eomparee  {Brechet,  Perche ,  Ecrevisse), 
Ann.  des  sc.  nat.,  1862.  —  C.  Darwin,  A.  Monograph  of  the  sub-class  Cirripedia, 
London,  1851 — 1854.  —  Leydig,  lieber  Artemia  salina  und  Brauchipus  stagnalis. 
Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  III,  1851.  —  Ders.,  Monographie  der  Daphniden,  Tübingen, 
1860.  —  Ders.,  lieber  Geruchs-  und  Gehörorgane  der  Krebse  und  Jnsecten.  Arch. 
für  Anat.  und  Physiol.,  1860.  —  Ders.,  Das  Auge  der  Gliederthiere,  1864.  —  Ders., 
lieber  Amphipoden  und  Isopoden.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXX;  Supplement,  1878. 
—  E.  Grube,  Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  Arch.  für  Naturgesch. ,  1853, 
1865.  —  Zenker,  Monographie  der  Ostracoden,  ebend.,  1854.  —  Ders.,  System  der 
Crustaceen,  ebend.,  1854.  —  C.  Claus,  Zur  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte 
der  Copepoden,  ebend.,  1858.  —  Ders.,  Zur  Morphologie  des  Copepoden.  Würzb. 
naturw.  Zeitschr.,  1860.  —  Ders.,  Die  frei  lebenden  Copepoden,  Leipzig,  1863.  — 
Ders.,  lieber  die  Organisation  der  Cypridinen.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XV,  1865, 
und  Neue  Beobachtungen  über  Cypridinen,  ebend.,  Bd.  XVIII,  1868.  —  Ders., 
Entwicklungsgeschichte  von  Cypris,  Marburg,  1868.  —  Ders.,  Zur  Kenutniss  des 
Baues  und  der  Entwicklung  von  Branchipus  und  Apus.  Abh.  der  k.  Ges.  d.  Wiss,, 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  5 


66  Arthropoden. 

Göttingen,  1873.  —  Ders.,  Organisation  der  Arguliden.  Zeitschr.  f.  w.  Zool., 
Bd.  XXV,  1875.  —  Ders.,  Untersuchungen  zur  Erforschung  der  genealogischen 
Grundlage  des  Crystaceensystems,  Wien,  1876.  —  Ders.,  Der  Organismus  der 
Phronimiden.  Arb.  aus  dem  Zool.  Instit.,  Wien,  Bd.  II,  1879.  —  Ders.,  Zur  Kennt- 
niss  der  Kreislauforgane  der  Schizopoden  und  Decapoden,  ebend.,  Bd.  V,  1884.  — 
Bruzelius,  Beitrag  zur  Kenntniss  des  inneren  Baues  der  Amphipoden.  Arch.  f. 
Naturgesch.,  Bd.  XXV,  1859.  —  Van  Beneden,  Recherches  sur  la  faune  littorale 
de  la  Belyique,  Bruxelles,  1861.  —  V.  Hensen,  Studien  über  das  Gehörorgan  der 
Decapoden.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XIII,  1863.  —  G.  O.  Sars,  Histoire  naturelle 
des  Criistaces  d^eau  douce  de  Norvege,  Christiania,  1867.  —  Ders.,  Carcinologislce 
Bidrag  til  Norges  Fauna  I.  Mysider ,  Christiania,  1870,  1872.  —  S.  Lemoine, 
Recherches  pour  servir  ä  PMsioire  des  systemes  nerveaiix,  mvsculalres  et  glandulaires 
de  VEcrevisse.  Ann.  des  sc.  nat.,  5.  Serie,  Bd.  IX  et  X,  1868.  —  Gerstäcker, 
Arthropoda  in  Bronn's  Thier- Reich,  Leipzig,    1866,   1884.     (En  cours  de  j^uhlication.) 

—  A.  Do  hm,  Zur  Naturgeschichte  der  Caprellen.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XVI, 
1866.  —  Ders.,  Ueber  den  Bau  und  die  Entwicklung  der  Cumaceen.  Jen.  naturw. 
Zool.,  Bd.  V,  1878.  —  Chantran,  Obserimtions  sur  PJiisioire  naturelle  de  VEcrevisse. 
C.  R.  de  PAcad.  des  sciences,  Paris,  1870,  1871,  1872.  —  Brauer,  Beiträge  zur 
Kenntniss  der  Ph3fllopoden.  Sitzungsber.  der  K.  Akad.  d.  Wiss.,  Wien,  1872,  1874, 
1877.  —  Weissmann,  Ueber  Bau  und  Lebenserscheinungen  von  Leptodora  hyalina, 
Leipzig,  1874.  —  Ders.,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Daphnoiden,  Leipzig,  Bd.  I  und  IV, 
1876  bis  1877.  —  Spangenberg,  zur  Kenntniss  von  Branch'qnis  stagnaUs.  Zeitschr. 
f.  w.  Zool.,  Bd.  XXV,  1875.  —  Max  Braun,  Ueber  die  histologischen  Vorgänge  bei 
der  Häutung  des  Flusskrebses.  Arb.  aus  dem  Zool.  Zoot.  Instit.,  Würzburg,  Bd.  II, 
1875.  —  Ders.,  Zur  Kenntniss  des  Vorkommens  der  Speichel-  und  Kittdrüsen  bei 
den  Decapoden,  ebend.,  Bd.  III,  1876.  —  Dietl,  Die  Organisation  des  Arthropoden- 
gehirns.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXVII,  1876.  —  Richters,  Die  Phyllosomen, 
ebend.,  Bd.  XXIII,  1873.  —  Brocchi,  Recherches  sur  les  organes  genitaux  rnäles  des 
Crustaces  Decapodes.  Ann.  des  sc.  nat.,  6.  Serie,  Bd.  II,  1875.  —  C.  Grobben, 
Die  Geschlechtsorgane  von  Squilla  mant'is.     Sitzungsber.  d.  K.  K.  Akad.,  Wien,   1876, 

—  Ders.,  Die  Antennendrüsen  der  Crustaceen.  Arb.  aus  dem  Zool.  Inst.,  Wien, 
Bd.  III,  1880.  —  H.  Reichenbach,  Die  Embryonalanlage  und  erste  Entwicklung  des 
Flusskrebses.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXIX,  1877.  —  Paul  Mayer,  Zur  Ent- 
wicklungsgeschichte der  Decapoden.  Jen.  naturw.  Zeitschr.,  Bd.  XI,  1877.  —  C.  Vogt, 
Recherches  cütieres  (Copepodes  ]}arasites  ä  males  microscopiques).  Meniolres  de  Plnstitut 
national  genevois,  1877.  —  J.  Chatin,  Recherches  pt>ur  servier  ä  Phistoire  du  hätonnet 
op)tique  chez  les  Crustaces  et  les  Vers.  Ann.  des  sc.  nat.,  6.  Serie,  Bd.  V,  1877,  und 
Bd.  VII,  1878.  —  C.  Semper,  Ueber  die  Lunge  von  Birgits  latro.  Zeitschr.  f.  w. 
Zool.,  Bd.  XXX,  1878.  —  C.  Grobben,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  männlichen 
Geschlechtsorgane  der  Decapoden.  Arb.  aus  d.  Zool.  Instit.,  Wien,  Bd.  I,  1878.  — 
E.  Berger,  Untersuchungen  über  den  Bau  des  Gehirns  und  der  Retina  der  Arthro- 
poden, ebend.,  Bd.  I,  1878.  —  Dietl,  Untersuchungen  über  die  Organisation  des 
Crustaceengehirns.  Sitz.  d.  K.  Akad.,  Wien,  1878.  —  Bela  Deszö,  Ueber  das  Herz 
des  Flusskrebses  und  des  Hummers.  Zool.  Anzeiger,  I.  Jahrg.,  1878.  —  Wassiliew, 
Ueber  die  Niere  des  Flusskrebses,  ebend.,  I.  Jahrg.,  1878.  —  E.  Yung,  Recherches 
sur  la  structure  intime  et  les  fonctions  du  Systeme  nerveux  chez  les  Decapodes.  Arch. 
de  Zool.  exp.,  Bd.  VII,  1879.  —  A.  Grub  er,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Generations- 
organe der  frei  lebenden  Copepoden.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXXII,  1879.  — 
P.  Mayer,  Ueber  den  Hermaphroditisraus  einiger  Isopoden.  Mitth.  aus  d.  Zool. 
Stat.,  Neapel,  1879.  —  Max  Weber,  Ueber  den  Bau  und  die  Thätigkeit  der  sog. 
Leber  der  Crustaceen.  Arch.  f.  mikrosk.  Aaat.,  Bd.  XVII  1880.  —  Ed.  Van 
Beneden,  De  Vexistence  d'uns  ysteme  vasculaire  ä  sang  rouge  dans  quelques  Crustaces. 
Zool.  Anzeiger,  III.  Jahrg.,  1880.  —  Krieger,  Ueber  das  Centralnervensystem  des 
Flusskrebses.      Zeitschr.    f.  w.  Zool.,    Bd.  XXXIII,    1880.    —    Huxley,    VEcrevisse, 


Pantopoden.  67 

Paris,  1880.  —  Y.  Belage,  Appbreil  circidatoire  des  Crustaces  EdriophthaIm.es  marins. 
Arch.  de  Zool.  exp.,  Bd.  IX,  1881.  —  Ders.,  Evolution  de  la  SaccuUne ,  ebend., 
2.  Serie,  Bd.  II,  1884.  • — -  Mocquard,  Eecherches  anatoiniques  sur  Pestomac  des 
Crustaces  podophthalmaires.  Ann.  des  sc.  nat-,  Bd.  XVI,  6.  Serie,  1883.  —  J.  Frenzel, 
Ueber  die  Mitteldarmdrüse  der  Crustaceen.  Mitth.  aus  d.  Zool.  Stat.,  Neapel,  Bd.  V, 
1884.  —  Ders.,  lieber  den  Darmcanal  der  Crustaceen.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat., 
Bd.  XXV,  1885.  —  H.  Viallanes,  Etudes  sur  les  centres  nerveux  des  ardmmix 
artictdeSj  1.  et  5.  Memoires :  le  Ganglion  optique  de  la  Langouste  et  Comparaison  du 
cerveau  des  Insectes  et  des  Crustaces.  Ann.  des  sc.  naf.,  6.  Serie,  Bd.  XVIII,  et 
7.  Serie,  Bd.  IV,  1887.  —  B.  Rawitz,  Ueber  die  grüne  Drüse  des  Husskrebses. 
Arch.  f.   mikrosk.   Anat.,  Bd.   XXIX,   1887. 


Unbestimmte    Gruppen. 

Wir  behandeln  hier  einige  Gruppen,  welche  zu  den  Arthropoden 
gehören,  deren  Classification  aber  noch  zweifelhaft  bleibt,  da  die  Cha- 
raktere ,  welche  die  verschiedenen  Classen  unterscheiden ,  bei  ihnen 
mehr  oder  weniger  verwischt  sind. 


Die  Pantopoden  oder  Pycnogoniden. 

Im  erwachsenen  Zustande  besitzen  diese  kleinen  Seethiere  in  der 
Regel  sieben  Paare  verschieden  gestalteter,  an  einem  etwas  läng- 
lichen Körper  fixirter  Anhänge.  Der  Körper  verlängert  sich  in  eine 
Art  Schnabel  mit  endständigem  Munde  und  endigt  mit  einem  kleinen 
cylindrischen  Abdomen,  welches  manchmal  zu  einer  einfachen  Warze 
reducirt  ist.  Das  erste  vorn  am  Munde  gelegene  Gliederpaar  trägt 
eine  auf  zwei  kurzen  Gliedern  stehende  Zange;  das  zweite,  ungemein 
wechselnde  Paar  fehlt  zuweilen  gänzlich  und  scheint  vielmehr  Tast- 
functionen  zu  besitzen ;  das  dritte  Paar  ist  beim  Männchen  stets 
grösser  als  beim  Weibchen  und  zeigt  bei  ersterem  blätterige  Anhängsel, 
auf  welchen  sich  die  Eier  anheften ,  die  das  Männchen  nach  der  Be- 
frvichtung  mit  sich  trägt;  die  vier  folgenden  Paare  sind  im  Allgemeinen 
die  längsten  und  mit  einer  Endkralle  versehen ,  mit  welcher  diese 
Thiere  sich  an  die  Pflanzen  und  Steine,  worauf  sie  langsam  umher 
kriechen,  anklammern.  Man  kann  die  Pantopoden  nur  am  Meeresufer 
und  im  lebenden  Zustande  beobachten,  da  ihre  geringe  Grösse  keiue 
Zergliederung  gestattet.  Die  Tegumente  zeigen  die  zwei  gewöhn- 
lichen Schichten  der  Arthropoden :  eine  mehr  oder  weniger  erhär- 
tete Cuticula  und  eine  Hypodermis ,  zwischen  deren  Zellen  zahl- 
reiche einfache  Hautdrüsen  sich  vorfinden.  Bei  den  Männchen  trifft 
man  auch  noch  am  vierten  Gliede  der  vier  Hinterbeinpaare  Kittdrüsen, 
welche  zuweilen  in  einen  gemeinschaftlichen  Ausführungscanal  münden. 


68  Arthropoden. 

Stacheln  oder  Haare  mit  centralem  Canal  sind  ebenfalls  vorhanden.  — 
Das  Nervensystem  besteht  aus  einem,  die  Augen  sowie  das  erste 
Gliederpaar  innervirenden  Oberschlundganglion;  ausserdem  liefert  es 
einen  bedeutenden  Nerven  zu  dem  Obertheile  des  Schnabels,  Dieser 
Nerv  besitzt  secundäre  Ganglien.  Zwei  Commissuren  verbinden  das 
Oberschlundganglion  mit  der  Bauchkette ,  deren  Ganglien  durch  Ver- 
schmelzung eine  Reducirung  erleiden  können.  Die  vier  Augen  sind 
in  einer  rückenständigen,  warzenartig  vortretenden  Erhöhung  gelegen 
und  einfach;  man  findet  darin  eine  Krystalllinse,  eine  Choroidea  und 
eine  Retina.  Zwischen  den  Augen  zeigt  sich  eine  in  einen  chitinösen 
Ring  eingeschlossene  Zellenanhäufung,  deren  Function  zweifelhaft  er- 
scheint. Der  dreieckige  Mund  ist  von  drei  weichen,  behaarten  Lippen 
umgeben ,  welche  durch  ein  sehr  verwickeltes ,  chitinöses  Gerüst  ge- 
tragen werden.  Er  führt  in  einen  ziemlich  weiten  Canal,  in  dessen 
Grunde  ein  Reuse nap parat  sich  befindet,  welcher  aus  langen, 
steifen,  feinen  und  spitzigen  Borsten  besteht,  die  mit  ihren  Spitzen 
nach  vorn  frei  hervortreten  und  mit  ihrer  etwas  verbreiterten  Basis,  an 
welche  sich  feine  Muskelfasern  ansetzen ,  in  den  Wänden  des  Canals 
fixirt  sind.  Zuweilen  sind  einige  grössere  Zähne  in  diesen  Apparat 
eingepflanzt.  Von  diesem  derart  vertheidigten  Eingange  erstreckt  sich 
die  Speiseröhre  als  ein  gerader  Schlauch  in  einen  Mitteldarm, 
von  welchem  röhrenförmige  Blinddärme  symmetrisch  ausgehen,  um 
in  allen  Fällen  wenigstens  bis  in  die  vier  Hinterbeinpaare,  sogar 
manchmal  bis  in  das  erste  Paar  und  bis  zum  Schnabel  sich  zu  er- 
strecken. Oefters  verlaufen  diese  durch  bindegewebige  Bänder  in 
ihrer  Stellung  festgehaltenen  Blindsäcke  bis  zur  Spitze  der  Bein- 
paare. Sie  besitzen  dieselbe  Structur  wie  der  Mitteldarin ;  eine 
äussere  Eigenhaut,  eine  aus  zarten  Muskelfasern  bestehende  mittlere 
Haut  und  ein  Zellenendothelium.  Der  ganze  Darmapparat  ist  mit 
durchsichtigen,  in  der  Flüssigkeit  schwimmenden  und  wahrscheinlich 
als  Verdaiiungselemente  fungirenden  blasigen  Körperchen  erfüllt.  Der 
After  befindet  sich  am  Ende  des  Abdomens.  Das  aus  mehreren 
Kammern  bestehende  Herz  zeigt  zwei  Paare  Seitenspalten  und  zu- 
weilen noch  eine  hintere,  mittlere  Endspalte.  Es  bildet  nur  eine  mus- 
culöse  Rinne,  die  mit  ihren  Oberrändern  dem  Tegumente  angeheftet 
ist,  welches  die  obere  Decke  des  Canals  bildet.  Gefässe  giebt  es  nicht. 
Das  Blut  enthält  zahlreiche  amöboide  Körperchen,  durchsichtige 
Bläschen  und  scheibenförmige  Körperchen.  Die  Pygnogoniden  sind 
getrennten  Geschlechts.  Die  Organe  sind  röhrenförmig  und  liegen 
in  dem  Winkel  zwischen  Herz  und  Darm ;  sie  erstrecken  sich  nach 
vorn  bis  zum  Schnabel  und  entsenden  Blindsäcke  in  die  vier  hin- 
teren Beinpaare.  Bei  den  Männchen  erreichen  die  Hodenblindsäcke 
nur  das  dritte  Glied  des  Beines,  während  die  Ovarien  sich  bis  zum 
vierten,  zuweilen  sogar  bis  zum  Eudgliede   ausdehnen.     Die  Eier   ent- 


Xiphosiiren.  69 

stehen  vorzugsweise  in  den  Blindsäcken.  Die  mit  Klappen  versehenen 
Oeffnnngen  der  Ovarien  stehen  an  der  Basis  des  zweiten  Gliedes  eines 
jeden  Beinpaares,  mit  Ausnahme  von  Phoxichilidium,  wo  nur  das  letzte 
Beinpaar  eine  GeschlechtsöflFnung  besitzt.  Die  im  gleichen  Gliede  ent- 
haltenen männlichen  Oeffnungen  variiren  mehr,  was  ihre  Zahl  an- 
betrifft. Das  vierte  Beinpaar  zeigt  nie  eine  Geschlechtsöffnung.  Die 
an  den  blätterigen  Anhängseln  des  dritten  Beinpaares  angeklebten 
Eier  werden  von  den  Männchen  bis  zum  gänzlichen  Auskriechen 
der  Larven,  die  mit  dem  Nauplius  eine  gewisse  Aehnlichkeit  haben, 
getragen. 

Bei  vielen  Pantopoden  findet  sich  eine  zweite  Larvenform  vor, 
welche  in  Hydrarpolypen  schmarotzt.  Sie  nähern  sich  während  ihrer 
ersten  Larvenform  den  Entomostraken,  von  denen  sie  dann  im  er- 
wachsenen Zustande  bedeutend  abweichen. 

Literatur.  —  A.  de  Quatrefages,  Sur  V Organisation  des  Pycnogonides. 
Annales  des  Sc.  naiur.  3.  Serie,  Bd.  IV,  1845.  —  Cavanna,  Studie  e  richerchi  sui 
Picnogonidi.  Firenze  1877.  —  A.  Dohrn,  Fauna  und  Flora  des  Golfes  von  Neapel. 
III.  Monogr.     Die  Pantopoden.     Leipzig  1881, 


Die  Xiphosuren   oder  Po  e  cilopoden. 

Die  heutzutage  einzig  diese  Classe  bildende  Gattung  lAmulus 
findet  man  an  den  Küsten  des  Indischen  Meeres  und  des  Atlantischen 
Oceans  und  in  Nordamerika.  —  Von  oben  betrachtet,  zeigt  der  Körper 
drei  Theile:  ein  grosses  gewölbtes,  vorn  und  auf  den  Seiten  abgerunde- 
tes Schild ,  das  nach  hinten  durch  zwei  dreieckige  Flügel  ^verlängert 
wird,  in  welche  ein  zweites  kleineres,  mit  dem  ersten  durch  eine  Quer- 
linie verbundenes  und  auf  seinen  Seitenrändern  durch  grosse  mobile 
Stacheln  gezacktes  Schild  eingepasst  ist.  Diesem  Stücke  schliesst  sich 
noch  eine  lange,  harte,  einem  dreikantigen  Dolche  ähnelnde  Spitze  an. 
Das  vordere  Schild  trägt  zwei  seitliche,  auf  den  Rändern  eines  durch 
erhabene  Linien  umgrenztenRaumes  gelegene,  zusammengesetzte  Augen 
und  weiter  nach  vorn  zwei  kleine,  der  Mittellinie  näher  stehende,  ein- 
fache Augen.  Auf  der  Bauchfläche  des  Vorderschildes  erscheinen  sieben 
Paare  von  Anhängen,  die  den  ungefähr  im  Centrum  des  Schildes  ge- 
legenen Mund  timgeben.  Das  erste ,  unmittelbar  vor  dem  Munde 
stehende  Paar  ist  kurz,  dünn  und  endigt  mit  einer  Scheere;  die  Hüft- 
glieder der  fünf  folgenden  Paare  sind  mit  einer  aus  starken  Stacheln 
bestehenden  Bürste  bewaffnet;  bei  den  Weibchen  endigen  sie  alle  mit 
Scheeren ,  während  bei  den  Männchen  ein  oder  zwei  Vorderpaare  mit 
Krallen  endigen,  mittelst  welcher  sie  sich  während  der  Begattung  an 
den  Rücken  der  Weibchen  anklammern.  Diese  fünf  Gliederpaare  sind 
wirkliche   Kieferfüsse;    die  am   letzten  Paare   durch   eine  schneidige 


70  Arthropoden. 

Platte  ersetzten  Hüftbürsten  zerreiben  in  der  That  die  Nahrungsstoffe, 
während  das  freie  Ende  zum  Gehen  dient.  Man  betrachtet  als  ein 
siebentes  Paar  zwei  abgeplattete  und  haarige  Spitzen,  die  wohl  hinter 
dem  Munde  gelegen  sind,  sich  aber  nach  vorn  zwischen  die  Hüftglieder 
hineinbiegen,  um  den  Mund  zu  bedecken.  Endlich  setzen  sich  noch 
an  das  zwischen  den  beiden  Schilden  befindliche  Gelenk  zwei  breite, 
dicke,  in  der  Mittellinie  zusammenlaufende  Lamellen  an,  die  sich  über 
die  Bauchseite  des  hinteren  Schildes  hinüberschlagen  und  so  einen 
Deckel  für  fünf  Paare  lamellärer  und  dünner  Anhänge  bilden,  welche 
als  Kiemen  fungiren  und  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  Kiemen- 
beinen der  Phyllopoden  zeigen.  Der  bauchständige  After  tritt  an  der 
Basis  des  Schwanzstachels  hervor. 

Die  Tegumente  zeigen  die  gleiche  Structur  wie  die  der  grossen 
Crustaceen  mit  stark  entwickeltem  Panzer,  doch  mit  dem  Unterschiede, 
dass  bei  ihnen  die  chitinöse  Natur  der  Schichten  vorherrschend  ist, 
und  nur  sehr  wenig  Kalksalze  darin  vorkommen ,  während  knorpel- 
artige Bildungen  stellenweise  sich  erblicken  lassen.  Das  Nerven- 
system zeigt  eine  höchst  sonderbare  Bildung.  Die  centralen  Theile 
sowie  die  Mehrzahl  der  Nerven  liegen  in  der  Axe  von  arteriellen,  sinus- 
artigen Gefässen,  welche  weit  abstehende  Scheiden  bilden,  so  dass  das 
Blut  im  Zwischenraum  zwischen  der  Scheide  und  dem  axialen  Nerven 
circulirt.  Die  sensitiven  Nerven  treten  sofort  nach  ihrer  Entstehung 
aus  dem  Centralsinus  hervor  und  werden  unabhängig,  während  die 
anderen  grösstentheils  im  Inneren  der  Arterien  verlaufen.  Die  Präpara- 
tion des  Nervensystems  wird  in  Folge  dieser  eigenthümlichen  Bildung 
ziemlich  schwierig,  um  so  mehr,  als  die  Nerven  und  die  Centraltheile 
in  ihrer  Stellung  durch  Bänder  von  Bindegewebe  festgehalten  werden. 

Das  centrale  Nervensystem  besteht  aus  zwei  Theilen:  aus 
einem  durch  die  Verschmelzung  aller  unter  dem  Vorderschild  ange- 
legten primitiven  Ganglien  geformten  Schlundring,  und  aus  einer  ab- 
gekürzten ,  aus  kaum  angeschwollenen  Ganglien  bestehenden  Bauch- 
kette, welche  durch  einen  doppelten  Strang,  dessen  Connective  sehr 
nahe  an  einander  liegen,  verbunden  sind.  Am  Schlundring  bemerkt 
man  ein  Vorderganglion,  welches  ein  Nervenpaar  zu  den  Ocellen,  ein 
anderes  bedeutenderes  zu  den  zusammengesetzten  Augen,  und  endlich 
ein  drittes  Stirnnervenpaar  zu  dem  Tegumente  des  Vorderschild- 
randes entsendet.  Unmittelbar  hinter  diesem  Frontalnerven,  aber 
bereits  auf  dem  Anfang  der  seitlichen  Commissuren,  entspringt  ein 
längs  dem  Schlünde  laufendes  Paar  von  Magennerven ,  die  auf  beiden 
Seiten  des  Pförtners  ein  kleines  Ganglion  bilden.  Die  zweifellos  aus 
der  Verschmelzung  von  mehreren  Ganglien  entstandenen  Seiten- 
commissuren  sind  vermittelst  Querbrücken,  deren  Zahl  wechselt,  ver- 
bunden. Der  Schlund  geht  zwischen  dem  vorderen  Mittelganglion 
und   der   ersten   Brücke    durch.      Die   Commissuren   liefern   nach   und 


Xiphosuren.  71 

nach  Nerven  für  die  sieben  an  der  Bauchfläche  des  Vorderschildes 
fixirteu  Beinpaare;  die  Ganglien  der  Bauchkette  innerviren  die  corre- 
spondirenden  Theile  des  hinteren  Schildes  und  die  Kette  endet  mit 
zwei  ziemlich  starken  Nerven,  welche  durch  pinselförmige  Bündel  bis 
zum  Schwanzanhange  gehen.  Die  einfachen  Oc eilen  besitzen  eine 
glatte,  nach  aussen  wenig,  aber  innerlich  sehr  gewölbte  Cornea,  anstatt 
einer  Krystalllinse;  die  zusammengesetzten  Augen  dagegen  haben 
Facetten,  die  nur  im  Inneren  durch  Vorsprünge,  welche  in  die  Pigment- 
schicht eindringen,  angedeutet  sind. 

Der  Darmcanal  zeigt  einen  spaltenförmigen  Längsmund,  der 
sich  in  einen  engen  Schlund  öffnet,  welcher  zuerst  nach  vorn  läuft, 
dann  aber  sich  im  Halbkreis  umbiegt,  um  auf  der  Höhe  der  Ocellen 
einen  Sack  mit  fleischiger  Wandung  zu  erzeugen.  Derselbe  wird 
innerlich  von  einer  dicken  chitinösen  Schicht  ausgekleidet,  welche 
stumpfe,  in  Längsreihen  geordnete  Wärzchen  trägt.  Dieser  Vormagen 
ist  ohne  Zweifel  ein  Kaumagen ;  er  öffnet  sich  in  den  Darmcanal 
mittelst  eines  engen,  gegen  die  Oeffnung  dieses  letzteren  vorspringen- 
den Trichters.  Die  Darmröhre  selbst  ist  durchaus  gerade,  jedoch  zeigt 
ihr  Vordertheil,  in  welchen  der  Trichter  des  Vormagens  mündet,  vor- 
springende Querrunzeln.  Am  Ende  dieses  Theiles,  welchen  man  als 
Magen  betrachten  könnte,  münden  in  die  Röhre  zwei  Paare  von  Aus- 
führungsgängen einer  sehr  umfangreichen  und  lappigen  L  e  b  e  r ,  welche 
die  Seitenräume  zwischen  den  Muskelmassen  der  Beine  und  den  Vorder- 
schildrändern einnimmt.  Das  Rectum  mit  hervortretenden  Längs- 
muskelstreifen  ist  kurz. 

Der  Blutkreislauf  ist  ziemlich  vollständig;  Lacunen  treten 
nur  an  den  letzten  Enden  der  beinahe  capillären  Verzweigungen  auf. 
Das  röhrenförmige,  in  dem  Herzbeiitel  durch  Querbändchen  gehaltene 
Herz  erstreckt  sich  vorn  von  dem  Vormagen  bis  zum  letzten  Drittel 
des  Hinterschildes,  indem  es  sich  von  vorn  nach  hinten  erweitert.  Es 
besitzt  acht  Paare  knopflochartiger,  mit  Klappen  versehener  Seiten- 
spalten, durch  welche  das  vom  Körper  zurückfliessende  und  im  Herz- 
beutelsinus angesammelte  Blut  in  das  Herz  eindringt,  um  dann  aufs 
Neue  durch  elf,  an  die  verschiedenen  Organe  sich  vertheilende  und  die 
Scheiden  um  das  Nervensystem  bildende  Stämme  ausgetrieben  zu 
werden.  Für  die  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  die  Arbeit  von  Alph. 
Milne-Edwards  (siehe  Literatur).  Das  Blut,  welches  in  den  Capillar- 
netzen  und  in  den  Gewebelacunen  circulirt  hat,  sammelt  sich  zuletzt 
in  zwei  grosse  Seitenstämme,  durch  welche  es  zu  den  fünf  Paaren  der 
blattförmigen,  unter  dem  hinteren  Schild  gelegenen  Kiemen,  sowie  zu 
den  Opercularlamellen  fliesst.  Nachdem  es  sich  in  den  Capillarnetzeu 
dieser  Kiemenblätter  oxygenirt  hat,  kehrt  das  Blut  wiederum  zu  dem 
Pericardialsinus  durch  sechs,  in  diesen  Sinus  einzeln  mündende  Gefäss- 
stämme  zurück. 


72  Arthropoden. 

Die  fünf  Kiemenblättclienpaare  sind  an  der  Bauchfläche  des  hin- 
teren Schildes  angeheftet.  Sie  bestehen  ans  zwei  chitinösen ,  sehr 
feinen  Lamellen ,  welche  am  Rande  durch  einen  dickeren  Chitinrand 
verbunden  sind  und  zwischen  sich  zahlreiche,  nach  concentrischen 
Linien  geordnete  Lacunen  lassen ,  in  welchen  das  Blut  circulirt.  Die 
bereits  erwähnten,  alle  diese  Lamellen  bedeckenden  Deckel,  sind  ohne 
Zweifel  verdickte  Kiemenblätter,  die  ihre  Athmungsfunction  verloren 
haben. 

Die  Geschlechter  sind  getrennt.  Die  Männchen  sind  kleiner 
als  die  Weibchen  und  unterscheiden  sich,  wie  bereits  gesagt,  durch 
die  Modification  ihrer  mit  Krallen  anstatt  Scheeren  bewaffneten  Vorder- 
beine. Die  inneren  männlichen  und  weiblichen  Organe  zeigen  ähn- 
liche Gestaltung,  obgleich  die  der  Weibchen  bedeutend  grösser  sind. 
Ovarien  und  Eileiter  stehen  in  directem  Zusammenhang,  sind  röhren- 
förmig und  bestehen  aus  zwei  Seitentheilen,  die  hinten  und  vorn 
mit  einander  communiciren  und  je  nach  ihrem  Entwicklungsgrade 
laterale  Blindsäcke  bilden.  Die  ausführenden  Eileiter  entstehen  vor 
der  Endvereinigung  der  Organe,  die  in  der  Bauchhöhle  über  und  um 
den  Darm  herum  gelagert  sind ;  sie  laufen  schräg  nach  innen  und 
unten,  jim  mit  zwei  spaltförmigen  Oeffnungen  zu  endigen,  nachdem  sie 
durch  ihre  Erweiterung  eine  kleine  Tasche  an  der  Basis  des  Deckels, 
in  der  Nähe  der  Mittellinie  zwischen  den  beiden  zurückgebogenen 
Lamellen  dieses  letzteren,  gebildet  haben. 

Die  Embryonen  durchlaufen  im  Ei  eine  Reihe  von  Stadien,  von 
denen  das  eine  äusserlich  den  Trilobiten  gleicht  (siehe  die  Arbeiten 
von  Dohrn  und  von  Packard). 

Die  Xiphosuren  können  weder  unter  den  Crustaceen  noch  unter 
den  Arachniden  untergebracht  werden.  Sie  gehören  augenscheinlich 
einem  besonderen ,  uralten  Phylum  an ,  welches  einerseits  mit  den 
ausgestorbenen  Merostomen  und  Trilobiten,  andererseits  vielleicht  auch 
mit  den  Scorpioniden  in  sehr  engem  Zusammenhange  steht. 

Literatur.  —  J.  van  der  Hoeven,  RechercJies  sur  PMsioire  naturelle  et 
Vanatomie  des  Limiiles^  Leyde  1838.  —  C.  Gegeubaur,  Anatomische  Untei'suchung 
eines  Limulus  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Gewebe.  Abh.  naturf.  Ges.,  Halle, 
Bd.  IV,  1838.  —  A.  I.  Packard,  On  the  enibryolocjy  of  Limulus  polypliemus,  Pro- 
ceed.  American  Association  1871.  —  Ders.,  Memoirs  of  ihe  Boston.  Soc.  of  nat.  Mst., 
Bd.  II,  1871.  —  Ders.,  Further  oiservations.  American  Natural.  Bd.  VII,  1873.  — 
Ders.,  Devel.  of  the  nervous  System,  ebend.,  Bd.  X,  1875.  —  A.  Dohrn,  Embryol. 
u.  Morpholog.  des  Limulus  polyphemus.  Jena'sche  Zeitschr.,  Bd.  VI,  1871.  —  R.  Owen, 
On  the  anatomy  of  the  American  Kings -crah.  Transact.  Linnean  Soc,  Bd.  XXVIII, 
1872.  —  Alph.  Milne-Edwards,  Recherches  sur  Panat.  des  Lhnules.  Ann.  sc. 
nat.,  5.   Serie,  Bd.  XVII,   1873. 


Tardigraden  oder  Bärthierchen.  73 


Die  Tardigraden  oder  Bärthierchen. 

Diese  kleinen,  im  Meere,  im  Süsswasser,  im  Moose  der  Dach- 
rinnen etc.  lebenden  Thierchen ,  deren  abwechselnd  an  feuchten  oder 
gänzlich  austrocknenden  Orten  sich  aufhaltende  Arten  durch  ihre 
Fähigkeit,  nach  einem  mehrjährigen  Verdorren  wieder  aufzuleben, 
berühmt  geworden  sind,  besitzen  einen  cylindrischen,  undeutlich  seg- 
mentirten  Körper,  welcher  mit  vier  kurzen,  ungegliederten,  stummei- 
förmigen Parapodenpaaren  versehen  ist.  Diese  Glieder  sind  mit  zurück- 
ziehbaren Krallen  bewaffnet,  die  zuweilen  zweispaltig  sind;  meist  finden 
sich  vier  solcher  Krallen  an  einem  Fussstummel,  in  einzelnen  Fällen 
kann  die  Zahl  bis  auf  neun  steigen  {Ecliiniscus).  Das  letzte  Fusspaar  ist 
immer  endständig  und  auf  beiden  Seiten  des  Afters  gelegen.  Der  wenig 
abgesonderte  Kopf  trägt  vorn  den  mit  Stiletten  ausgerüsteten  Saug- 
mund und  manchmal  auch  ein  Paar  einfacher  Augen ,  die  meist  zu 
Pigmentarflecken,  welche  einen  lichtbrechenden  Körper  umgeben,  ver- 
kümmert sind.  Die  Haut,  obgleich  chitinöser  Natur,  ist  biegsam,  aber 
nach  dem  allgemeinen  Plan  der  Arthropoden  gebaut;  sie  zeigt  eine 
äussere  Schicht  mit  Porencanälchen ,  welche  Stacheln  und  Borsten 
trägt  und  zuweilen  so  dick  wird,  dass  sie  eine  Art  von  Panzer  bildet 
(Münesium) ;  die  untere  Schicht  ist  eine  zellige  Hypodermis.  Die 
Muskeln  sind  glatt,  aber  in  besondere  Bündel  getheilt.  Wimper- 
epithelien  trifft  man  nirgends,  weder  äusserlich  noch  innerlich.  Das 
Nervensystem  besteht  aus  einer  Bauchkette,  welche  durch  vier  in  der 
Mitte  verschmolzene  Ganglien  und  durch  lange ,  zuweilen  mittelst 
Querbrücken  verbimdene  Seitencommissuren  gebildet  wird.  Das 
Unterschlundganglion  entsendet  nach  vorn  zwei  Paare  Nerven ,  von 
denen  das  eine  Paar,  das  zuweilen  eine  geringe  Anschwellung  zeigt, 
nach  einem  Orte  der  Haut  sich  wendet,  welcher  zuweilen  warzenförmig 
vorspringt  und  augenscheinlich  mit  einigen  Haarzellen  versehen  ist 
(Tast-  oder  Riechorgan).  Das  zweite,  ebenfalls  zu  einem  Endganglion 
anschwellende  Paar,  geht  zu  den  Augenflecken.  Nach  Greeff  ist 
dieses  Ganglienpaar  durch  eine  feine,  über  den  Schlund  sich  erstreckende 
Faserbrücke  verbunden;  es  würde  somit  den  gänzlich  auf  die  Seite 
verschobenen  Oberschlundgauglien  entsprechen.  Die  drei  anderen 
Ganglien  innerviren  die  Füsse  und  die  Eingeweide.  Der  von  Papillen 
umgebene  Mund  führt  in  eine  steife  Chitinröhre ,  in  deren  Oeffnung 
zwei  lange,  feine,  spitzige,  zuweilen  kalkige  Stilette  sich  befinden, 
welche  in  einen  kugelförmigen  Pharynx  eingepflanzt  sind,  dessen  enge, 
centrale  Höhle  "manchmal  mit  chitinösen  Platten  ausgekleidet  ist. 
Zwei  grosse  birnförmige  Seitendrüsen  entleeren  ihren  wahrscheinlich 
giftigen  Inhalt  in  die  Mundröhre,  unmittelbar  vor  dem  Pharynx.    Aus 


74  Arthropoden. 

demselben  entspringt  die  gerade  cylindrische  Darmröhre.  Der  end- 
ständige After  hat  die  Form  einer  Längsspalte.  Ausscheidungs-, 
Circnlations-  oder  Athmungsorgane  sind  nicht  nachgewiesen.  Die 
Nahrungsflüssigkeit  füllt  die  umfangreiche  Körperhöhle  und  enthält 
sphärische,  granulöse,  ziemlich  grosse  Körperchen. 

Die  Tardigraden  sind  Zwitter.  Das  unpaare,  sehr  bedeutende 
Ovarium  ist  auf  der  Rückenfläche  der  Darmröhre  in  der  Mitte  des 
Körpers  gelegen  und  erzeugt  verhältnissmässig  sehr  grosse  Eier  mit 
einer  festen,  zuweilen  glatten ,  zuweilen  mit  Runzeln  oder  Papillen 
bedeckten  Schale.  Nach  hinten  und  auf  der  Rückseite  des  Ovariums 
trifft  man  ein  mit  zwei  röhrenförmigen  Hoden  zusammenstossendes 
Samenbläschen.  Alle  diese  Theile  münden  mit  dem  Darmcanal  gemein- 
schaftlich in  eine  Art  von  Cloake,  um  welche  zuweilen  kleine  accesso- 
rische  Drüsen  gruppirt  sind.  Einige  Autoren  haben  einen  aus  dieser 
Cloake  heraustretenden  Penis  beobachtet  (Greeff).  Die  Arten  mit 
glatten  Eiern  legen  dieselben  in  ihre,  bei  Gelegenheit  einer  Häutung 
abgestreifte  Haut.  Diese  Eier  zeigen  eine  vollständige  Zerklüftung, 
aus  der  schliesslich  ein  auf  die  Bauchfläche  zurückgebogener,  aus 
Ectoderm  und  Entoderm  gebildeter  Embryo  hervorgeht.  Der  Pharynx 
wird  zuerst  im  Inneren  des  Embryos  angelegt. 

Die  Organisation  der  Tegumente,  sowie  das  gänzliche  Fehlen 
aller  "Wimperformationen  verweisen  wohl  die  Tardigraden  unter  die 
Arthropoden ,  während  hingegen  die  Stellung  ihrer  Glieder  sie  ent- 
schieden von  den  Arachniden  entfernt,  die  keine  abdominalen  Anhänge 
besitzen,  Sie  bilden  ein  besonderes  Phylum,  welches  durch  seinen 
Pharynx  sich  den  Acariden  nähert,  aber  auch  ausgesprochene  Ver- 
wandtschaft mit  den  Anneliden  zeigt. 

Literatur.  —  A.  Doyere,  Memoire  sur  les  Tardigrades.  Ann.  sc.  tiat., 
2.  Serie,  Bd.  XIV,  1840.  —  J.  Kaufmann,  Ueber  die  Entwicklung  und  die 
systematische  Stellung  der  Tardigraden.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zoologie,  Bd.  III, 
1854.  —  R.  Greet'f,  Ueber  das  Nervensystem  der  Bärthierchen.  Archiv  f.  mikrosk. 
Anatomie,  Bd.  I,  1865.  —  Ders. ,  Untersuchungen  über  den  Bau  und  die  Natur- 
geschichte der  Bärthierchen,  ebend.,  Bd.  II.   1866. 


Die  Linguatuliden  oder  Pentastomen. 

Diese  wurmförmigen ,  mehr  oder  weniger  ventral  abgej)latteten 
Thiere  leben  im  entwickelten  Zustande  als  Schmarotzer  in  den 
Athmungsorganen  verschiedener  Erdwirbelthiere.  Der  Körper  zeigt 
zahlreiche  Segmente  mit  vorstehenden  und  zuweilen  zahnartig  aus- 
gezackten Hinterrändern.  Man  unterscheidet  an  dem  Vordertheile 
einige  breitere  und  stärker  angedeutete  Segmente,  welche  vorn  zwei 
Tastwärzchen   und   auf  der   Bauchfläche    den   Mund   zeigen,  der   von 


Pentastomen.  75 

zwei  in  einen  Halbkreis  gestellten  Hakenpaareu  umgeben  ist.  Diese 
Haken  können  in  Hautvertiefungen  zurückgezogen  werden ;  sie  stützen 
sich  auf  ein  chitinöses  Gerüst,  besitzen  eigene  Muskeln  und  können 
als  zweigliedrige,  rudimentäre  Glieder  betrachtet  werden,  so  wie  man 
die  auf  dem  Stirurand  gelegenen  Tastwärzchen  mit  den  Fühlern  der 
übrigen  Arthropoden  vergleichen  kann.  Die  Tegumente  bestehen  aus 
einer  äusseren  chitinösen  Schicht  und  einer  zelligen  Hypodermis. 
In  der  ersteren  bemerkt  man  porenförmige  Canälchen  und  auf  den 
vorderen  Segmenten  runde ,  fälschlich  Stigmen  genannte  Grübchen, 
in  deren  Grunde  die  Hypodermis  angeschwollen  erscheint.  Diese 
Stigmen  sind  wahrscheinlich  zurückgebildete  Hautdrüsen,  welche  während 
der  Larvenzeit  in  Function  waren.  Das  Muskelsystem  liegt  unmittelbar 
an  der  Haut  und  zeigt  von  aussen  nach  innen  zuerst  eine  Schicht  von 
Querfasern,  dann  eine  mittlere  Längsfaserschicht  und  innen  eine  Schicht 
von  schiefen  Fasern.  Die  einzelnen  Muskelbündel  bestehen  aus  sehr 
feinen  und  quergestreiften  Fasern.  Alle  Muskelfasern  sind  mit  grossen 
Kernzellen  umgeben  und  die  schiefen  Fasern  bilden  mit  dieser  Aus- 
kleidung seitliche  Divertikel  des  Cöloms,  die  in  einem  canalförmigen 
Mittelraume  zusammenlaufen.  Das  centrale  Nervensystem  beschränkt 
sich  bei  den  Erwachsenen  auf  ein  einziges  Unterschlundganglion, 
welches  aus  zwei  beinahe  ihrer  ganzen  Länge  nach  verschmolzenen 
Hälften  besteht  und  nach  vorn  einen  dünnen,  einfach  faserigen  Ober- 
schlundring zeigt.  Die  Speiseröhre  läuft  zwischen  diesem  Ringe  und 
dem  Ganglion.  Bei  jungen  Thieren  zeigt  das  Ganglion  Bildungen, 
welche  sein  Verwachsen  aus  zwei  Reihen  von  seitlichen  Ganglien 
beweisen.  Es  bildet  also  eine  verschmolzene  Bauchkette.  Die 
symmetrisch  angeordneten  Nerven  begeben  sich  direct  zu  den  Organen, 
vorzugsweise  zu  den  Tastwärzchen,  zu  den  Gliedern  u.  s.  w.  Einige 
Naturforscher  erwähnen  ein  von  anderen  Autoren  bezweifeltes  sym- 
pathisches Nervensystem.  Ausser  den  Tastwärzchen  giebt  es  keine 
anderen  Sinnesorgane.  Der  unweit  hinter  dem  Vorderende  gelegene 
Mund  ist  von  einem  chitinösen  Ringe  umgeben  und  unbewaffnet.  Ein 
kurzer  Trichter  mit  chitinösen  Wandungen  führt  zum  musculösen 
Pharynx,  welcher  Saugbewegungen  machen  kann.  Die  eigentliche, 
aus  diesem  Pharynx  austretende  Speiseröhre  ist  ziemlich  eng ;  sie 
durchsetzt  den  Nervenring  und  erweitert  sich  sogleich  in  einen  weiten, 
röhrenförmigen,  in  seiner  Vorderhälfte  der  Länge  nach  gefurchten 
Magen ,  der  ohne  äusserliche  Abgrenzung  mittelst  einer  musculösen 
Einschnürung  in  das  Rectum  übergeht,  welches  sich  am  Hinterende 
des  Körpers  öffnet  und  in  seiner  Stellung  durch  Bindegewebsfäserchen, 
die  das  Cölom  in  schiefer  Richtung  durchsetzen,  zurückgehalten  wird. 
Man  findet  keine  Spur  von  eigentlichen  Circulations-  oder  Athmungs- 
organen ;  nirgends  sieht  man  Wimpern.  Die  in  Folge  der  Zusammen- 
ziehungen   des   Körpers     und    der    Muskeldivertikel    des    Cöloms    in 


76  Arthropoden. 

Bewegung  erhaltene  Nahi'ungsflüssigkeit  ist  sehr  dickflüssig,  farblos 
und  enthält  keine  Körperchen.  Gruppen  von  einzelligen,  im  vorderen 
Theile  des  Körpers  gelegenen  Drusen  stellen  das  Ausscheidungssystem 
vor.  Diese  Drüsen  sammeln  ihre  Ausführungsgänge  in  Canälen ,  die 
sich  nach  aussen  an  der  Basis  der  Haken  öffnen.  Bei  einigen  Arten 
(P.  Diesingü)  laufen  die  Absonderungscanäle  neben  der  Speiseröhre 
durch  den  Nervenriug.  Die  Geschlechter  sind  getrennt.  Die  Keim- 
organe (Hoden  und  Ovarien)  haben  die  Form  einer  medianen,  in  die 
Länge  gezogenen,  unmittelbar  unter  der  Rückenhaut  gelegenen  Drüse. 
Der  Hoden  verlängert  sich  nach  vorn  in  ein  Samenbläschen,  aus 
welchem  zwei  Ausführungscanäle  entspringen ,  die  an  ihrer  Basis 
accessorische  Bildungen  besitzen,  welche  als  Ejaculationsapparat  für 
den  Samen  zu  fungiren  scheinen.  Die  Samenleiter  richten  sich  nach 
der  Bauchfläche,  indem  sie  den  Magen  umziehen ;  ein  jeder  erweitert 
sich  zu  einer  bedeutenden  Tasche,  welche  einen  fadenförmigen,  un- 
gemein laugen  und  in  der  Tasche  aufgewickelten  Cirrhus  enthält;  sie 
münden  zuletzt  in  einer  medianen,  am  dritten  Segment,  hinter  dem 
letzten  Hakenpaare  gelegenen  Oeffnung  nach  aussen.  Die  weiblichen 
Organe  sind  bedeutend  einfacher.  Das  unpaare  Ovarium  verlängert 
sich  in  zwei  Eileiter,  die  in  eine  einfache,  sehr  lange  und  geräumige 
Scheide  münden,  welcher  awei  Samenbläschen  angeheftet  sind.  Die 
Scheide  öffnet  sich  nach  aussen  unmittelbar  unter  dem  After. 

Man  weiss,  dass  die  Linguatuliden  eine  Sei'ie  von  Metamorphosen 
durchmachen,  bevor  sie  zur  Reifezeit  gelangen.  Die  erste  Embryönal- 
form  besitzt  ausser  den  beiden  Gliederpaaren  ein  räthselhaftes,  chiti- 
nöses  Organ  auf  der  Mitte  des  Rückens  und  eine  Mundbewaffnung, 
welche  aus  einem  grossen,  bauchständigen  Stilett  und  ein  oder  zwei 
Paaren  von  Seitenstacheln  besteht.  Diese  Stücke  gehen  später  gänzlich 
verloren. 

Diese  Thiere  sind  durch  den  Parasitismus  bis  zum  höchsten  Grade 
degenerirte  Arthropoden.  Wenn  wir  auch  zugeben ,  dass  gewisse 
Charaktere  sie  den  Acariden  nähern ,  so  stimmen  wir  dennoch  mit 
Balfour  überein,  welcher  behauptet,  dass  man  sie  nicht  ohne  Zwang 
bei  dieser  Gruppe  unterbringen  kann.  Fernere  Untersuchungen  werden 
uns  vielleicht  denjenigen  Stamm  der  Arthropoden  nennen,  welchem  sie 
zuzurechnen  sind. 

Literatur.  —  P.  J.  van  Beneden,  Recherches  sur  P Organisation  et  le  deve- 
loppement  des  Linguatules,  Memoires  de  PAcad.  de  Bruxelles,  1849  {Ann.  scienc. 
natur.,  3.  Serie,  Bd.  XI,  1849,  Extrait).  —  Rud.  Leuckart,  Bau  und  Entwicklungs- 
geschichte der  Pentastomen,  Leipzig,   1860. 


Onychophoreii.  77 


C  lasse  der  Onycliop  hören. 

Monographisch  können  wir  diese,  aus  der  einzigen  Gattung 
PeripatiiS  bestehende  Classe,  deren  zahlreiche  Arten  in  den  tropischen 
Zonen  Amerikas,  am  Cap  und  in  Xeu- Seeland  leben,  nicht  behandeln. 
Da  aber  der  Typus  dieser  wurmförmigen  Landthiere  vom  morpholo- 
gischen Standpunkte  aus  höchst  wichtig  ist,  werden  wir  in  eingehender 
Weise  und  weitläufiger  die  bei  ihm  vorgefundenen  Einzelheiten 
besprechen,  als  wenn  es  sich  um  andere  abweichende  oder  Uebergänge 
vermittelnde  Typen  handelte. 

Der  ziemlich  deutliche,  aber  kaum  vom  Körper  getrennte  Kopf 
trägt  vorn  zwei  einfache,  geringelte  Fühler,  zwei  an  der  Basis  derselben 
auf  der  Rückenfläche  gelegene  einfache  Augen  und  auf  der  Bauchfläche 
einen  weiten,  mit  einer  Lippe  umgebenen  Mund,  in  dessen  Hinter- 
grund man  ein  Paar  seitlicher,  mit  kleinen  Häkchen  bewaffneter  Kiefer 
nebst  einem  Paar  tasterartiger  Anhängsel  trifft,  in  welchen  bedeutende 
Schleimdrüsen  münden ,  die  offenbar  in  Hinsicht  auf  eine  specielle 
Function  umgewandelte  Füsse  sind.  Der  Körper  ist  in  eine  grosse, 
bei  den  verschiedenen  Arten  wechselnde  Zahl  von  Metameren  getheilt, 
welche  mit  dem  Alter  bis  zu  einer  bestimmten  Grenze  zunimmt. 
Jedes  dieser  Segmente  besitzt  ein  Paar  geringelter,  aber  nicht 
gegliederter  Anhängsel,  die  ungemein  den  Parapoden  gewisser  Anne- 
liden gleichen,  sich  jedoch  von  diesen  durch  zwei  chitinöse  End- 
krallen unterscheiden,  zu  welchen  noch  zuweilen  zwei  kleine  rudimen- 
täre Seitenkrallen  hinzukommen.  Alle  diese  Krallen  werden  durch 
besondere  Muskelbündel  in  Bewegung  gesetzt,  welche  sich  den  Krallen 
direct  anheften ,  was  immerhin  eine  von  derjenigen  der  Parapoden 
äusserst  abweichende  Structur  bildet,  da  bei  diesen  letzteren  die  Borsten 
in  einer  Tasche  eingepflanzt  sind,  an  deren  Grund  die  Muskeln  sich 
ansetzen.  Am  Körperende  auf  der  Mittellinie  befinden  sich  der  After 
und  etwas  weiter  nach  vorn  die  Geschlechtsöffnung. 

Die  Tegumente  werden  von  aussen  nach  innen  durch  eine 
chitinöse  Oberhautschicht  gebildet,  die  warzenförmige  Erhöhungen  zeigt 
und  auf  einer  Lage  von  umfangreichen,  mit  grossen  Kernen  versehenen 
Zellen  ruht ,  unterhalb  welcher  man  ein  Netz  von  Bindegewebsfasern 
erblickt,  woi'in  die  einen  wellenartig  laufen,  die  anderen  rechtwinklig  auf 
die  Aussenfläche  gestellt  sind.  Dieser  letzteren  Schicht  schliesst  sich  ein 
dicker,  aus  glatten,  sagittalen,  queren  und  schrägen  Muskelfasern  be- 
stehender Hautmuskelschlauch  an;  die  Musculatur  der  Füsse  entsteht 
aus  den  schrägen  Bündeln,  zu  welchen  sich  noch  Längsfasern  gesellen. 
Zuletzt  wird  dieser  Hautmuskelschlauch  von  einer  feinen,  auf  die  im 
Cölom   aufgehängten   Organe    sich  umschlagenden   Peritonealmembran 


78 


Arthropoden. 


ausgekleidet.  Tastorgane  finden  sich  vorzugsweise  in  den  auf  dem 
Rücken  hervortretenden  Oberhautwärzchen;  man  triflft  ausserdem  be- 
sondere Hautdrüsen  an  der  Basis  der  Füsse. 

Das    centrale    Nervensystem    (Fig.    37,    h)    wird    von    zwei 
mächtigen,  im  Vordertheile  des  Kopfes  vor  dem  Munde  gelegenen  und 

Fig.  37. 


Perljniius  capensis.  —  Die  Tegumente  sind  längs  der  dorsalen  Mittellinie  aufgeschlitzt 
und  die  Organe  auf  beiden  Seiten  ausgebreitet  worden ,  um  die  innere  Bauchfläche 
zu  zeigen   (nach  Moseley).     Man    sieht    das    Hirn    mit    den   zwei  seitlichen   Nerven- 


Onyclioplioreii.  79 

durch  eine  unbedeutende  Querbrücke  verbundenen  Ganglienmassen 
gebildet,  von  denen  eine  jede  birnförmig  und  nach  vorn  abgerundet 
ist.  Einige  etwas  vertiefte  Querlinien  scheinen  auf  eine  Verschmelzung 
aus  mehreren  auf  einander  folgenden  und  hauptsächlich  den  Tentakeln, 
den  Augen  und  den  Mundtheilen  angehörigen  Ganglien  hinzuweisen. 
Das  erste  Ganglion  entsendet  zwei  mächtige  Stämme  (?)  zu  den  Fühlern; 
das  zweite  trägt  die  sehr  kurzen  Sehnerven  (k),  während  die  folgenden 
Theile  den  Kiefern,  den  Lippen  und  den  Mundpalpen  Nerven  zukommen 
lassen.  Nachdem  sie  diese  Zweige  abgegeben  haben,  biegen  sich  die 
Massen,  indem  sie  dünner  werden,  gegen  die  Bauchfläche;  sie  nähern  sich 
der  Mittellinie  und,  nachdem  sie  durch  zwei  auf  einander  folgende  und 
bloss  aus  Fasern  bestehende  Querbrücken  verbunden  worden  sind, 
gehen  sie  von  Neuem  aus  einander  und  setzen  sich  gegen  den  Hinter- 
theil  des  Körpers  in  Form  zweier  seitlicher  Nervenstränge  ohne 
Ganglienanschwellungen  fort  (?).  Sie  entsenden  auf  ihrem  Verlaufe 
zahlreiche  Nervenfäden  zu  den  Füssen  und  allen  Organen;  verbinden 
sich  hier  und  da  durch  unregelmässige  faserige  Querbrücken  iind  enden 
schliesslich  mit  einer  im  letzten  Körpersegment  befindlichen  Schlinge. 
Ganglienzellen  sind  auf  dem  ganzen  Verlauf  der  Rindensubstanz  dieser 
Seitenstränge  hier  und  da  zerstreut.  Man  muss  anerkennen,  dass  eine 
sehr  grosse  Aehnlichkeit  zwischen  dieser  Structur  und  derjenigen  der 
Nemertiden  existirt,  während  die  Verwandtschaft  mit  den  aus  einander 
weichenden  Nervensträngen  mehrerer  Anneliden,  z.  B.  der  Serpiiliden, 
weit  weniger  angedeutet  ist. 

Einfache  Augen  von  ziemlich  entwickelter  Bildung  liegen  am 
Rande  der  Rückenfläche  des  Kopfes.  Sie  bestehen  aus  einer  falschen, 
durch  das  verdünnte  Tegument  gebildeten  Hornhaut,  ferner  aus  einer 
verhältnissmässig  kleinen  und  sphärischen  Krystallliuse,  einem  grossen 
Glaskörper,  einer  wenig  entwickelten  Iris,  einer  Choroidea  und  einer 
Retina  in  Form  eines  geöflheten  Kelches,  dessen  Grund  sich  in  einen 
sehr  kurzen,  zum  Hirnganglion  sich  begebenden  Sehnerven  verlängert. 
Ausser  den  bereits  erwähnten  Sinnesorganen  der  Haut  sind  keine 
andere  bei  Peripatus  gefunden  worden. 

strängcB,  den  Pharynx,  die  Seitencanäle  (Speicheldrüsen),  die  mittleren  Längsmuskeln, 
das  Ovarium  nebst  dem  gemeinschaftlichen  Eileiter  und  die  auf  den  Tegumenteu 
fisirten  Tracheenbüschel.  Links  wurde  die  Zone  der  vom  Cölom  zu  den  Beinen  füh- 
renden Spalten  beibehalten,  während  rechts,  nach  Gaffron,  die  Schlingen  der  den 
Füssen  entsprechenden  Segmentalorgane  hinzugefügt  wurden,  a,  Tentakel ;  b,  aus- 
gebreitete Tegumente ;  c,  c,  Hautflächen  mit  Tracheenbüscheln ;  e,  Spaltenzone; /,  Zone 
der  Segmentalcanäle ;  g,  mittlere  Bauchmuskeln;  h,  Hirn;  i,  Tentakelnerven;  k,  Seh- 
nerven ;  /,  Bauchstränge ;  m,  Rückziehmuskel  der  Fühler ;  n,  n,  Speicheldrüsen :  o,  o, 
Schleimdrüsen ;  |j,  Pharynx;  p',  Hebemuskel  des  Pharynx;  p",  Speiseröhre;  q,  Darm; 
r,  Rectum;  s,  Ovarium;  t,  sein  Hängeband;  u,  Haftbündel  am  Rectum;  v,  gemein- 
schaftlicher Eileiter;  ?/■,  2n,  seitliche  Eileiter;  x,  x,  mit  Embryonen  gefüllter  Uterus; 
y,  Endcanäle  der  Uterusse;  z,  After. 


80  Arthropoden. 

Der  bei  einigen  Arten  vollständig  gerade,  bei  den  anderen  wellen- 
förmige Dar  mcanal  beginnt  mit  einem  eiförmigen,  stark  musculösen 
Pharynx  (p),  welcher  mit  Vor-  und  Rückziehmuskeln  (p')  versehen  ist 
und  auf  welchem  zahlreiche  Tracheen  sich  verästeln.  Der  Schlundkopf 
setzt  sich  in  eine  kurze  und  schmale  Speiseröhre  (p")  fort,  die  sich  in 
einen  weiten  Magendarm  mit  dicker  Wandung  ausdehnt,  welche  durch 
ein  Endothelium  von  grossen,  kernigen  und  bräunlichen  Zellen  bedeckt 
ist,  zwischen  denen  einzellige  Drüsen  eingestreut  sind.  Der  Darm 
endet  mit  einem  kurzen,  röhrenförmigen,  in  seiner  Stellang  durch 
zahlreiche  Bindegewebsstränge  und  durch  auf  seinen  Wänden  ver- 
zweigte Tracheen  (to)  befestigten  Rectum  (r).  Bei  gewissen  Arten 
finden  sich  seitliche  Afterdrüsen,  die  bei  anderen  zu  fehlen  scheinen. 
Man  findet  keine  Spur  von  weiteren  accessorischen  Organen,  wie  Leber, 
Malpighi' sehen  Canälchen  u.  s.  w. 

Dagegen  müssen  wir  hier  zwei  drüsenartige,  mit  den  Nahrungs- 
functionen  in  Beziehung  stehende  und  im  Munde  sich  öfi"nende  Drüsen- 
apparate erwähnen.  Der  erste  besteht  aus  zwei  umfangreichen 
Schleimdrüsen  (o),  deinen  verzweigte  Ausscheidungsröhren  bis  zum 
Ende  des  Cöloms  sich  erstrecken  und  um  den  Magen  eine  Art  von 
Maschennetz  bilden.  Diese  Röhren  vereinigen  sich  beiderseits  im 
vorderen  Drittel  des  Körpers  in  einem  weiten,  gewundenen  und  äusserst 
ausdehnbaren  Ausführungscanal  mit  dicken ,  durchsichtigen  und  sehr 
musculösen  Wänden.  Diese  Canäle  werden  um  so  dünner,  je  mehr 
sie  sich  dem  Munde  nähern,  und  münden  durch  eine  kleine  Oeffnung 
am  Ende  der  beiden  Mundpalpen.  Letztere  sind  nach  den  meisten 
Autoren  umgewandelte  Fussstummel.  Diese  Drüsen  sondern  eine 
schleimige  und  klebrige,  an  der  Luft  erstarrende  Flüssigkeit  ab,  welche 
die  Thiere  bis  zu  einer  gewissen  Elntfernung  herausspritzen  können, 
was  ihnen  als  Angriffs-  oder  Vertheidigungsmittel  dient;  man  hat 
beobachtet ,  dass  eine  Fliege ,  deren  sich  der  Peripatus  bemächtigen 
wollte,  damit  bespritzt  wurde. 

Man  findet  noch  ausser  diesen  sehr  grossen  Schleimdrüsen  ein 
Paar  Drüsenschläuche ,  die  parallel  den  beiden  Nervensträngen  auf 
den  Aussenseiten  derselben  laufen  und  welche  Seitencanäle  oder 
Speicheldrüsen  (n)  genannt  worden  sind.  Diese  Schläuche  be- 
ginnen mit  einem  blinden  Ende  am  letzten  Drittel  des  Cöloms;  sie 
sind,  wie  die  Nervenstränge,  durch  innere  Schichten  von  Quermuskeln 
bedeckt  und  in  eine  Längsfurche  der  Muskeln  eingesenkt,  von  welchen 
Fasern  in  die  Musculatur  ihrer  Wandung  eintreten,  welche  im  Inneren 
durch  ein  hohes ,  palissadenförmiges  Säulenepithelium  bekleidet  ist. 
Die  beiden  Schläuche  nähern  sich,  indem  sie  enger  werden,  und  bilden 
dann  in  der  Nähe  des  Mundes  zwei  weite,  mit  einem  Cylinderepithelium 
ausgekleidete  Behälter,  die  mit  einer  einzigen,  spaltenartigen  Oeffnung 
im  Hintergrunde  der  Mundhöhle  münden. 


Onycliophoren.  81 

In  derselben  Rinne,  welche  den  Nervenstrang  und  den  durch  eine 
feine  Bindegewebsmembran  davon  getrennten  Seitencanal  enthält, 
liegen  noch  die  Segmentalorgane  oder  Nephridien  (/),  welche 
für  die  Onychophoren  höchst  charakteristisch  sind.  Einem  jeden 
Metamer  entspricht  ein  Paar  von  diesen  nach  einem  ziemlich  einfachen 
Typus  gebauten  und  in  allem  den  gleichartigen  Organen  der  Anne- 
liden homologen  Nephridien.  Die  äussere  Oeffnung  dieser  Organe  be- 
findet  sich   an  der  inneren  Fläche   der  Fussbasis.     Diese  von  Muskel- 


Fis.  38 


Ziemlich  vergrössertes  Segmentalorgan  des  Peripafus  Edwarsii  (nach  Gaffron), 
a,  Tegument  mit  Muskelbündeln ;  b ,  Blasenhals ;  c ,  Blase  mit  Muskelfasern  und 
Kernen;  d,  Anknüpfungsfädchen  der  Blase;  e,  in  die  Blase  sich  öffnender  heller 
Canal ;  /,  Drüsentheil  des  Canals ;  g,  enge  Muskelportion ;  Ji,  Wimpertriehter  mit  Frau- 
zen ;  h',  der  Blase  angeheftete  Lippe  des  Trichters  ;  i,  Eingang  des  Trichters ;  k,  An- 
knüpfungsstränge des  Canals. 


fasern  umgebene  Oeffnung  (a)  führt  vermittelst  eines  kurzen  und  engen 
Halses  (h)  in  eine  weite,  birnförmige  Blase,  deren  Wände  mit  einander 
anastomosirende  Längsmuskelbündel  zeigen.     Die  Blase  (c)  wird  durch 

Vogt  u.  Tung,   prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  Q 


82  Arthropoden. 

Bindegewebsfasern  (d)  in  ihrer  Lage  fixirt  und  ist  höchst  wahrschein- 
lich contractu.  Im  Inneren  findet  sich  eine  körnige,  grosse  Kerne  ent- 
haltende Substanz,  die  unregelmässige  Wülste  bildet,  welche  auf 
Schnitten  wie  Zotten  hervortreten.  Vom  Grund  der  Blase  geht  ein 
enger  Canal  (c)  mit  sehr  durchsichtiger  Wandung  aus ,  welche  nur 
grosse  Kerne  erkennen  lässt.  Dieser  Canal  beschreibt  eine  Schlinge, 
deren  Wölbung  nach  vorn  gerichtet  ist  und  erweitert  sich  am  Ende 
derselben,  um  sich  in  einen  gleichfalls  schlingenartig  gegen  die  Höhlung 
der  ersten  Schlinge  (/)  zurückgebogenen  Theil  zu  verlängern.  Diese 
Portion  ist  wahrscheinlich  drüsenartiger  Natur,  da  sie  ein  palissaden- 
förmiges  Zellenepitheliüm  besitzt.  Der  Canal  verschmälert  sich  un- 
gemein an  dem  Punkte,  wo  er  sich  dem  Grunde  der  Blase  (g)  nähert, 
er  wird  hier  musculös  und  zeigt  ein  wahrscheinlich  wimperndes  Epi- 
thelium  mit  kleinen  Zellen.  Endlich  öffnet  sich  dieser  enge  Canal  durch 
einen  weiten  Wimpertrichter  mit  gefranzten  Rändern  (h),  von  dem  ein 
Theil  an  der  Blase  angeheftet  bleibt  (^),  frei  in  die  Furche,  welche  nur 
eine  einfache  Fortsetzung  des  Cöloms  bildet.  Diese  auf  jedem  Fuss- 
paare  symmetrisch  angebrachten  Organe  zeigen  also  alle  typischen 
Charaktere  der  einfachen  Nephridien:  einen  im  Cölom  sich  öffnenden 
Wimpertrichter,  einen  theilweise  drüsigen  Canal  und  eine  äussere 
Oeffnung  mit  einem  contractilen  Endbläschen.  Die  Organe  der  ersten 
Segmente  sind  in  Folge  einer  nicht  so  charakterisirten  Schlingenbildung 
des  Canals  ziemlich  verschiedenartig  gebaut  und  Kennel  hat  uach- 
ziiweisen  gesucht  (siehe  Literatur),  dass  die  Schleimdrüsen  im  Grunde 
nur  modificirte  Segraentalorgane  seien. 

Wenn  das  Vorhandensein  von  typischen  Nephridien  die  Ony- 
chophoren  den  Anneliden  nähert,  so  stellt  sie  die  Organisation  der 
Athmungsorgane  im  Gegentheil  in  die  Nähe  der  Traeheaten  und 
namentlich  der  Myriapoden.  Sie  athmen  in  der  That  durch  Tracheen  (o), 
welche  aber  auf  eigenthümliche  Art  geordnet  sind.  Die  Existenz  dieser 
Organe,  welche  den  älteren  Autoren  entgangen  waren,  konnte  nur 
durch  die  Untersuchung  lebender  Thiere  nachgewiesen  werden ,  bei 
welchen  die  mit  Luft  gefüllten  Tracheen  sich  sogleich  unter  Wasser 
in  Folge  ihres  Perlmutterschimmei's  erkennen  lassen. 

Die  Stigmen  sind  winzige,  knopflochförmige  Oefifnungen ,  die 
sehr  zahlreich  und  unregelmässig  auf  der  ganzen  Körperfläche  zer- 
streut sind.  Gaffron  schätzt  ihre  Zahl  für  jedes  Metamer  aiif  75.  Sie 
entstehen  aus  einer  im  Inneren  von  der  Epidermis  bekleideten  und  auf 
Schnitten  das  Aussehen  eines  Flaschenhalses  bietenden  Einstülpung 
des  Tegumentes.  Vom  Grunde  dieses  Halses  gehen  sehr  feine  Röhr- 
chen in  Menge  aus,  welche  zuerst  bündeiförmig  vereinigt  sind,  sich 
aber  dann  trennen,  ohne  Verzweigungen  zu  bilden.  Sie  bestehen  aus 
einer  chitinösen,  der  Wirkung  einer  siedenden  Aetzkalilösung  wider- 
stehenden  Membran,    ei-reichen    eine    bedeutende,    zwei-    oder    dreimal 


Onychophoren,  83 

die  Körperlänge  übertreffende  Ausdehnung  und  verbreiten  sich  auf 
allen  Organen,  am  Bauchfell,  am  Pharynx,  am  Rectum  und  besonders 
am  befruchteten  Uterus  in  solcher  Weise,  dass  sie  um  dieses  letztere 
Organ  eine  Art  von  gefilzter  Hülle  bilden.  Sie  zeigen  öfters  ein  quer 
gestreiftes  Aussehen,  welches  an  die  Spiralfaser  der  Tracheen  bei  den 
Insecten  erinnert.  Weder  die  Art  ihrer  Endigung  noch  ihre  Ent- 
wicklung sind  bekannt,  da  keiner  der  Autoren  sie  bei  den  Em- 
bryonen im  Uterus  hat  beobachten  können ,  während  sie  unmittelbar 
nach  der  Geburt  in  Folge  ihrer  Füllung  mit  Luft  sehr  deutlich  und 
vollständig  ausgebildet  erscheinen. 

Das  Kreislaufsystem  zeigt  ein  centrales  Herz,  das  aus  einer 
abgeplatteten  Röhre  mit  äusserst  feinen  Wandungen  besteht,  die  sich 
in  der  Mittellinie  des  Rückens  über  die  ganze  Körperlänge  erstreckt. 
Dieses  in  allen  Beziehungen  dem  Rückengefässe  der  Myriapoden  ver- 
gleichbare Herz  zeigt  in  jedem  Metamer  ein  Paar  knopflochartiger, 
seitlicher  Spalten,  welche  von  schlingenförmig  gebogenen  Schliess- 
muskelu  umsponnen  sind.  Das  von  einer  besonders  seitlich  ent- 
wickelten Zellenmasse  umgebene  Herz  ist  von  einer  Hülle  umschlossen, 
die  hauptsächlich  nach  der  Bauchfläche  hin  wie  eine  horizontale  Scheide- 
wand das  Ganze  gegen  das  Cölom  abschliesst.  So  wird  um  das  Herz 
herum  ein  weiter  Pericardialsinus  gebildet,  der  durch  zahlreiche  Oeff- 
nungen  mit  dem  Cölom  und  dem  interstitiellen  Lacunarsystem  des 
Körpers  communicirt.  Die  Herzhülle  wird  durch  ein  musculöses 
Maschenwerk  verstärkt.  Die  in  dem  Sinus  angehäuften  Zellen  (Peri- 
cardialzellen  von  Gaffron)  sind  zweierlei  Arten,  von  denen  die  eine 
das  Ende  der  Tracheen  zu  bilden  scheint.  Man  hat  diese  Zellen  mit 
denjenigen  des  Fettkörpers  der  Insecten  verglichen,  deren  Kreislauf- 
system übrigens  der  Structur,  wie  wir  sie  soeben  nach  Gaffron  aus 
einander  gesetzt  haben,  durchaus  entspricht. 

Peripatus  ist  getrennten  Geschlechts.  Die  Männchen,  welche  viel 
seltener  als  die  lebendige  Junge  gebärenden  Weibchen  sind  (ungefähr 
eins  auf  vier),  sind  auch  kleiner  und  besitzen  einige  Segmente  weniger. 
Ausser  dem  Vorhandensein  von  besonderen  Drüsen  an  einigen  Hinter- 
fusspaaren  der  Männchen,  die  aber  sehr  schwer  zu  finden  sind,  giebt 
es  keine  weiteren  äusseren  Verschiedenheiten  zwischen  den  beiden 
Geschlechtern. 

Die  männlichen  Geschlechtstheile  sind  ziemlich  einfach. 
Sie  beginnen  mit  zwei  darmförmigen,  blind  endigenden  Hoden  (Schlauch- 
hoden von  Gaffron)  mit  feiner  Wandung,  die  mit  hyalinen  Sperma- 
zellen gefüllt  sind,  welche  die  ganze  Höhlung  des  Schlauches  ein- 
nehmen, ohne  ein  gesondertes  Endothelium  zu  bilden.  Dieser  Schlauch 
erweitert  sich  in  den  sogenannten  Blasenhoden  von  Gaffron,  der  mit 
dickeren  Muskelwänden  versehen  und  von  einem  Pflasterepithelium 
mit   polygonalen  Zellen   ausgekleidet  ist.      Dieser  Blasenhoden   ist  mit 

6* 


84  Arthropoden, 

Zoospermen  in  allen  Stadien  der  Entwicklung  gefüllt.  Die  ausgebil- 
deten Zoospermen  sind  fadenförmig,  zeigen  aber  stets  am  zweiten 
Drittel  ihrer  Länge  eine  kleine,  ein  sehr  lichtbrechendes  Körperchen 
enthaltende  Protoplasmamasse.  Dieser  Protaplasmaanhang  verliert 
sich  erst  in  den  weiblichen  Organen, 

Die  beiden  hinter  einander  gelegenen  Blasenhoden  öffnen  sich 
mittelst  äusserst  enger  Oeffnungen  in  zwei  Samencanäle,  welche  je  nach 
den  Arten  mehr  oder  weniger  in  Gestalt  einer  Epididymis  verknäuelt 
sind.  Dieser  mit  einem  Säulenepithelium  ausgekleidete  Theil  enthält 
in  seinem  engen  Lumen  nur  fadenförmige  Zoospermen.  Die  beiden 
Canäle  verbinden  sich  zu  einem  gemeinschaftlichen  Ausführungscanal, 
dessen  Länge  bei  den  verschiedenen  Arten  ungemein  wechselt.  Man 
kann  in  demselben  drei  Regionen  unterscheiden:  eine  erste,  mit  zarten 
Wänden  und  mit  freien  Zoospermen  gefüllt;  eine  zweite,  mit  muscu- 
löser,  im  Inneren  an  bestimmten  Stellen  ein  sehr  langes  Wimperepithe- 
lium  und  in  den  Zwischenräumen  ein  Säulenendothelium  mit  kürzeren 
Wimpern  tragender  Wandung.  Diese  Zellen  verwandeln  sich  nach 
und  nach  in  einzellige  Drüsen.  Dieser  Theil  enthält  immer  ein  einziges, 
sehr  langes  Spermatophor,  für  dessen  eingehende  Beschreibung  wir  auf 
Gaffron  verweisen.  Der  dritte,  gewöhnlich  seitlich  gelegene  Theil 
besitzt  sehr  dicke  Wände  mit  kräftigen  Muskelschichten.  Der  Canal 
öffnet  sich  stets  in  der  Mittellinie,  je  nach  den  Arten,  zwischen  dem 
letzten  oder  vorletzten  Fusspaare.  Auf  kleinen  Papillen  endigende 
Schenkeldrüseu  finden  sich  an  der  Basis  einer  wechselnden  Zahl  von 
hinteren  Fusspaaren  des  Männchens ,  ausgenommen  auf  den  beiden 
letzten.  Es  scheint  auch,  dass  die  Männchen  allein  Afterdrüsen  be- 
sitzen, die  auf  beiden  Seiten  des  Afters  auf  der  Bauchfläche  sich  öffnen. 

Weibliche  Organe.  Die  im  hinteren  Abschnitte  des  Cöloms 
befindlichen  Ovarien  (Fig.  37,  s)  liegen  unmittelbar  an  der  pericar- 
dialen  Scheidewand  und  werden  durch  einen  Einschlag  des  durch  zwei 
Muskelbündel  verstärkten  Peritoneums  daran  geheftet.  Dieses  Liga- 
ment (t)  zieht  sich  ungemein  aus  und  bildet  bei  den  erwachsenen 
Weibchen  zwei  in  die  Länge  gezogene  Bändchen,  welche  einerseits 
sich  beim  fünften  Hintersegment  an  die  pericardiale  Scheidewand 
heften,  und  mit  dem  anderen  Ende  das  Ovarium  umgeben  und  ihm> 
eine  eigene  Muskelhülle  bilden.  Die  zwei  sackförmigen  oder  zu  kurzen 
Röhren  mit  Querscheidewänden  ausgezogenen  Ovarien  sind  durch  eine 
Bindegewebehülle  vereinigt,  so  dass  sie  vorn  nur  ein  einziges  spindel- 
förmiges, durch  eine  innere  Längswand  getrenntes  Organ  vorstellen. 
Die  inneren  quer  gefalteten  Wände,  welche  sie  in  auf  einander  folgende 
Kammern  abtheilen,  sind  mit  einem  Keimepithelium  bekleidet,  dessen 
Zellen  in  zwei  verschiedenen  Richtungen  sich  entwickeln:  die  eiinen 
wachsen  aus  und  werden  Eier,  während  die  anderen  sich  in  Follikel- 
hülleu  um  diese  Eier  verwandeln. 


Onycliophoren.  85 

Die  Höhlungen  der  beiden  Ovarialsäcke  fliessen  am  Voi-derende 
zusammen  und  lassen  bei  den  ameinkanischen  Arten  zwei  kurze,  quere 
Eileiter  entstehen,  welche  zwei  spitze,  warzenförmige  Anhänge  tragen, 
über  deren  Organisation  Gaffron  und  Kennel  nicht  vollständig  über- 
einstimmen. Beide  Autoren  erkennen  wohl  einen  stark  musculösen 
Verbin dungscanal  mit  dem  Eileiter,  der  sich  in  einen  weiten,  zart- 
wandigen  Trichter  fortsetzt;  während  aber  Gaffron  diesen  Trichter 
in  das  Cölom  geöffnet  und  mit  Pericardialzellen  gefüllt  findet,  be- 
hauptet Kennel,  dass  er  nur  den  Hals  eines  Bläschens  mit  ungemein 
feinen  und  leicht  zerstörbaren  "Wändchen  darstelle,  welches  reife,  aus 
dem  Ovarium  austretende  Eier  enthalte,  die  den  Augenblick  ihres 
Uebertrittes  in  den  Uterus  abwarten.  Da  Kennel  Gelegenheit  hatte, 
die  Thiere  im  frischen  Zustande  zu  beobachten,  wird  er  wahrscheinlich 
Recht  haben.  Jedoch  sind  die  beiden  Autoren  über  die  Bedeutung 
dieser  Anhänge  einverstanden ,  indem  sie  dieselben  als  umgestaltete 
Nephridien  ansehen,  eine  Ansicht,  welche  durch  die  Thatsache  gestützt 
wird,  dass  vollkommene  Nephridien  in  den  letzten  Segmenten  nicht 
vorhanden  sind.  Nach  Kennel  fehlen  diese  von  ihm  „Eibehälter" 
genannten  Anhänge  den  Arten,  bei  welchen  alle  Eier  auf  einmal  in 
den  Uterus  eintreten,  während  man  sie  bei  denjenigen  entwickelt  findet, 
wo  dieser  Uebergang  allmählich  geschieht. 

Nachdem  sie  diese  Anhänge  gebildet  haben,  wenden  sich  die  Ei- 
leiter plötzlich  nach  vorn  und  zeigen  zwei  ziemlich  weite,  runde  An- 
hangsblasen, deren  jede  mit  dem  entsprechenden  Eileiter  durch  zwei 
kurze,  gegen  das  Lumen  des  Eileiters  hin  divergirende  Canälchen  com- 
municirt.  Diese  Bläschen  entstehen,  wie  die  Embryogenie  bewiesen 
hat,  aus  einer  Schlinge  des  Eileiters,  deren  an  einander  stossende 
Wände  mit  einander  verwachsen.  Die  Function  dieser  Bläschen  kann 
nicht  zweifelhaft  sein ;  es  sind  Samenbehälter,  die  nach  der  Begattung 
mit  lebenden  Zoospermen  gefüllt  erscheinen. 

Diese  beiden  Anhänge,  welche  als  Ei-  und  Samenbehälter  fuugiren, 
fehlen  bei  dem  von  Moseley  beschriebenen  Peripatus  capensis,  bei 
welchem  man  zuerst  einen  gemeinschaftlichen  Eileiter  (Fig.  37,  v)  findet, 
der  sich  später  in  zwei  seitliche  Eiergänge  {lo)  theilt. 

Vom  Anheftungspunkte  des  Samenbehälters  aus  breiten  sich  die 
Eileiter  ungemein  aus  und  zeigen  bei  den  Weibchen  während  der 
Tragezeit  knotige  Auftreibungen,  welche  den  im  Inneren  enthaltenen 
Embryonen  entsprechen.  Diese  Theile  wurden  Uterus  genannt  (Fig.  37,  x). 
Sie  setzen  ihren  Weg  nach  vorn  fort,  indem  sie  den  Darm  in  unregel- 
mässiger Weise  umschlingen,  und  wenden  sich  zuletzt  nach  hinten,  um 
unweit  von  der  Geschlechtsöffnung  in  einer  kurzen,  gemeinschaftlichen, 
stark  musculösen  Vagina  zusammenzutreffen. 

Hier  treten  ebenfalls  grosse  Verschiedenheiten  zwischen  den  afrika- 
nischen   und    den    amerikanischen    Arten    hervor.      Bei    den    ersteren 


86  Arthropoden. 

bleiben  die  Eier  und  die  Embryonen  frei  und  können  also  nach  und 
nach  in  der  Höhle  des  Uterus  bis  zur  Scheide  vordringen;  deshalb 
trifft  man  bei  diesen  Arten  alle  im  Organ  befindlichen  Embryonen  etwa 
auf  dem  gleichen  Entwicklungsstadium.  Bei  den  amerikanischen  Arten 
hingegen  tritt  das  befruchtete  Ei  sogleich  in  enge  Beziehung  zu  der 
Uteruswand,  an  welcher  es  durch  einen  Stiel  angeheftet  bleibt,  der 
einer  Nabelschnur  vergleichbar  ist.  Später,  wenn  einmal  dieser  Zu- 
sammenhang geschwunden  ist,  bleibt  der  Embryo  in  eine  durch  das 
Uterusepithelium  hergestellte  Hülle  eingeschlossen.  Die  Embryonen 
versperren  gänzlich  die  innere  Höhle  des  Uterus,  welcher  durch  Wachs- 
thum  sich  in  dem  Maasse  verlängern  muss,  als  andere  durch  die  Zoo- 
spermen des  Behälters  befruchtete  Eier  sich  zwischen  dem  Behälter 
und  dem  in  der  Entwicklung  begriffenen  Embryo  fixiren.  Daravis 
folgt,  dass  man  bei  den  amerikanischen  Gattungen  Embryonen  in  den 
verschiedensten  Phasen  ihrer  Entwicklung  findet,  die  älteren  in  der 
Nähe  der  Vagina,  die  jüngeren  nahe  am  Behälter  und  am  Ovarium. 

Wir  werden  nicht  in  die  so  meisterhaft  von  Kennel  behandelte 
Entwicklungsgeschichte  des  Peripatus,  welche  übrigens  höchst  inter- 
essant ist,  eingehen. 

Im  Ganzen  genommen  ,  bilden  die  Onychophoren  einen  sehr  be- 
lehrenden Uebergangstypus  zwischen  den  Anneliden  einerseits  und  den 
Myriapoden  andererseits;  denn  wenn  sie  die  Segmentalorgane  der  ersteren 
besitzen,  so  zeigen  sie  auch  Tracheen,  wie  die  letzteren.  Wir  erwähnen 
hier  nur  diese  beiden,  am  meisten  hervortretenden  Charaktere;  man 
kann  leicht  in  der  Anordnung  der  verschiedenen  Organe  zahlreiche 
Parallelen  mit  den  in  den  beiden  genannten  Kreisen  vorkommenden 
Bildungen  nachweisen. 

Literatur.  —  Ed.  Grube,  üeber  den  Bau  von  Peripatus  Edwardsii.  Müller's 
Archiv,  1853.  —  H.  N.  Moselej',  On  ihe  strucfnre  and  developpment  of  Peripatus 
capensis.  Philosoph.  TransacL,  Bd.  CLXIV,  1874.  —  F.  W.  Hutton,  On  Peripatus 
Novae-Zelandiae.  Annais  and Alagaz.  Nat.  Eist.,  IV,  18,  1876.  —  Fr.  Balfour,  On 
certain  points  in  the  anatomy  of  Peripatus  capensis.  Quarter.  Journ.  of  microscop. 
Science,  Avril  1883.  —  J.  Kennel,  Entwicklungsgeschichte  von  Peripatus  Edwardsii 
Bl.  und  P.  torquatus  nov.  sp.  Arbeiten  aus  dem  Zool.  Institut  von  Würzburg,  von 
Semper,  I.  Theil,  Bd.  VII,  1884.  II.  Theil,  Bd.  VIU,  1886.  —  Ed.  Gaffron,  Bei- 
träge zur  Anatomie  und  Histologie  von  Peripatus.  Zoologische  Beiträge  von 
A.  Schneider,  Bd.  I,  Heft  I,   1883;  Heft  III,  1885. 


Myriapoden.  87 


Classe    der    Myriapoden. 

Diese  nicht  besonders  zalilreiche  Classe  bietet  bei  scharf  umschrie- 
benen Charakteren  nichtsdestoweniger  ziemlich  mannigfaltige  Varia- 
tionen im  Einzelnen.  Der  wurmartige  Köiper  zeigt  zuweilen  eine  sehr 
grosse,  in  anderen  Fällen  eine  geringere  Anzahl  von  Segmenten;  er 
ist  abgeplattet  oder  cylindrisch  und  trägt  gegliederte  Anhänge  an 
allen  Leibesringen.  Der  vollständig  gesonderte  Kopf  ist  durch  Ver- 
schmelzung von  mehreren  Metameren  gebildet;  er  zeigt  ein  einfaches, 
an  der  Stirn  stehendes  Fühlerpaar  und  an  der  unteren  Fläche  einen 
Mund,  welcher  von  mehreren  Paaren  gegliederter  Anhänge  umgeben 
ist,  deren  Zahl  und  Anordnung  je  nach  den  Ordnungen  wechselt.  Auf 
den  Seitenrändern  des  Kopfschildes  finden  sich  die  meistentheils  ein- 
fachen, beinahe  immer  nahe  an  einander  liegenden ,  aber  in  verschie- 
dener Weise  gruppirten  Augen.  Bei  gewissen  Gattungen  erscheinen 
zusammengesetzte  Augen,  während  solche  bei  anderen  gänzlich  fehlen. 
Eine  Abgrenzung  von  verschiedenen  Regionen,  unter  anderen  von 
Thorax  und  Abdomen,  ist  bei  den  folgenden  Leibesringen  meist  nicht 
möglich;  manchmal  unterscheiden  sich  die  ersten  und  die  letzten  Seg- 
meute etwas  von  den  übrigen  durch  Form  und  Anhänge,  während  es 
zuweilen  auch  abwechselnde,  grössere  und  kleinere  giebt,  die  ebenfalls 
gegliederte,  mit  Krallen  bewaffnete  Füsse  tragen. 

Das  Nervensystem  besteht,  wie  bei  den  Ringelwürmern  oder 
den  Insecten,  aus  einer,  die  Fühler  und  Augen  versorgenden  Ober- 
schlundmasse (Hirn)  und  aus  zwei,  den  Schlund  umgebenden  und  in 
ein  Unterschlundganglion  auslaufenden  Verbindungsfäden ;  von  letzte- 
rem treten  die  für  die  Mundwerkzeuge  bestimmten  Nerven  aus.  Dieses 
Ganglion  bildet  den  Anfang  der  Bauchganglienkette,  welche  ebenso 
viel  Anschwellungen  aufweist,  als  es  Ringe  giebt,  und  die  vermittelst 
Längsconnectiven  mit  einander  verbunden  sind.  Diese  Bauchkette 
liegt  unmittelbar  der  inneren  Fläche  der  Tegumente  in  der  Mittel- 
linie an.  Der  Schlundring  scheint  aus  mehreren  zusammengeschmolze- 
nen, im  Embryo  jedoch  getrennten  Ganglienpaaren  zu  bestehen.  Bei 
gewissen  Arten  wurde  beobachtet,  dass  die  die  Fühler  versorgenden 
Ganglien  von  der  Hirnmasse  mehr  oder  weniger  unabhängig  sind. 
Das  Eingeweide-  oder  sympathische  System  ist  im  Allgemeinen  ziemlich 
gut  entwickelt,  da  es  durch  paarige  Seitennerven  und  einen  unpaaren, 
auf  dem  Magen  ein  Ganglion  bildenden  Nerven  zusammengesetzt  ist. 
Gewöhnlich  erscheint  der  Darm  als  eine  gerade,  in  drei  Abschnitte, 
Munddarm,  Mitteldarm  und  Rectum,  getheilte  Röhre;  der  After  liegt 
stets  am  Ende  des  Körpers.  Ferner  wurden  Speichel-,  Leber-  und 
Harndrüsen  entdeckt,  welche  in  den  Darm  münden  und  im  Allgemeinen 


88  Arthropoden. 

röhrenförmig  sind.  Giftdrüsen  öffnen  sich  bei  den  fleischfressenden 
Chilopoden  in  den  Kralleu,  und  beinahe  alle  Gattungen  sondern  durch 
Hautdrüsen  übelriechende  Flüssigkeiten  ab.  Die  Athmung  geschieht 
meistentheils  vermittelst  chitinöser  Tracheen,  welche  im  ganzen  Körper, 
sei  es  in  isolirten  Gruppen ,  sei  es  durch  seitliche  und  Längsstämme 
verbi;nden ,  vertheilt  sind.  Sie  nehmen  die  Luft  durch  Oeffnungen 
(Stigmen)  auf,  die,  einige  Fälle  ausgenommen,  symmetrisch  auf  den 
Seiten  des  Thieres  im  Verhältuiss  mit  den  Metameren  angebracht  sind. 
Der  Blutkreislauf  ist  immer  unvollständig;  die  Körperhöhle  und  die 
zwischen  den  Organen  bestehenden  Räume  nehmen  einen  wichtigen 
Antheil  daran.  Das  stets  rückenständige  Herz  ist  nach  dem  gleichen 
Typus,  wie  bei  den  Insecten,  gestaltet;  es  erstreckt  sich  längs  der 
Mittellinie  fort,  indem  es  sich  der  ganzen  Körperlänge  nach  unmittel- 
bar an  die  Tegumente  anlehnt  und  in  jedem  Segment  eine  leichte,  An- 
schwellung und  ein  paar  Seitenspalten  zeigt,  durch  welche  das  von 
den  Organen  zurückfliessende  Blut  eindringt.  Das  arterielle  System 
ist  mehr  entwickelt  als  bei  den  Insecten,  ausser  seitlichen  und  segmen- 
talen Arterien  findet  sich  auch  noch  eine  verästelte  Kopfaorta,  die 
einen  den  Nervenstrang  umschlingenden  Zweig  abgiebt,  wie  dies  bei 
vielen  Anneliden  der  Fall  ist.  Seitliche  Flügelmuskeln,  die  das  Herz 
in  seiner  Lage  erhalten,  erinnern  dagegen  an  ähnliche,  bei  den  In- 
secten vorkommende  Bildungen. 

Die  Geschlechter  sind  immer  getrennt;  die  Männchen  sind  im 
Allgemeinen  kleiner  und  seltener  als  die  Weibchen.  Parthenogenesis 
ist  unbekannt.  Die  inneren  Organe  sind  nach  einem  und  demselben 
Plan  gebaut;  Hoden  und  Eierstöcke  entwickeln  sich  als  eine  Mittel- 
röhre ,  von  der  meistens  zwei  Ausscheidungscanäle  ausgehen.  Die 
Organisation  dieser  Canäle,  Eileiter  und  Samenleiter,  die  Ausbildung 
der  Nebenorgane,  die  Stellung  der  äusserten  Oeffnungen  und  die  Struc- 
tur  der  Begattungsorgane  wechselt  ungemein. 

Die  Myriapoden  legen  Eier.  Es  kann  aber  sein,  dass  einige  exo- 
tische Scolopender  lebendige  Junge  gebären.  Der  Embryo  schlüpft 
gewöhnlich  aus  dem  Ei  mit  einer  geringen  Anzahl  von  Segmenten. 
Es  ist  bekannt,  dass  die  Embryonen  der  Chilognathen  nur  drei  Fuss- 
paare  besitzen,  während  bei  den  jungen  Chilopoden  noch  weitere  Füsse 
angelegt  sind.  Die  drei  ersten ,  denjenigen  der  Insecten  homologen 
Fusspaare  sind  jedoch  auch  bei  den  Chilopoden  während  längei'er  Zeit 
mehr  entwickelt,  als  die  anderen,  welche  gleich  wie  die  Metameren 
mit  dem  Wachsthum  sich  vermehren. 

Wir  theilen  im  Einverständniss  mit  der  Mehrzahl  der  Autoren 
die  Myriapoden  in  zwei  Ordnungen: 

Die  Chilopoden  besitzen  nur  ein  einziges  Fusspaar  an  jedem 
Segmente.  Sie  sind  fleischfressend  und  haben  ein  kräftiges  Kiefer- 
zangenpaar,  welches  mit  einem  starken,  mit  einer  giftigen  Drüse  ver- 


Myriapoden.  89 

sehenen  Haken  bewaffnet  ist.  Die  Geschlechtsöffnungen  liegen  am 
Ende  des  Körpers.     Seolopendra,  Lifhohiits,  Scutigera. 

Die  pflanzenfressenden  Chilognathen  zeichnen  sich  durch  ein 
Fusspaar  an  jedem  der  drei  ersten  Ringe  und  durch  zwei  Paare  auf 
jedem  der  folgenden  Metameren  aus.  Die  Geschlechtsöffnungen  befin- 
den sich  in  der  Nähe  des  Kopfes.  Polyzoniuni ,  Jalus ,  Pohjdesmus, 
Glomeris. 

Den  Chilognathen  sehr  nahe,  stehende  Myriapodenformen  zeigen 
sich  bereits  im  oberen  Silur. 

Typus:  Lithobiits  forficatus  (L.).  —  Dieser  Chilopode  ist 
in  ganz  Europa  verbreitet.  Man  findet  ihn  in  Menge  bereits  im  ersten 
Frühling  unter  Steinen,  Moos  und  dürren  Blättern.  Den  Winter  bringt 
er  unter  der  Erde  zu.  Man  kann  ihn  sehr  lange  in  einem  Gefäss, 
worin  Erde  mit  feuchtem  Moos  ist,  aufbewahren.  Er  verbirgt  sich 
immer  in  den  dunklen  Ecken  und  läuft  ziemlich  schnell.  Man  er- 
nährt ihn  mit  Fliegen  und  wenn  dieselben  nicht  vorhanden  sind,  mit 
kleinen  Stückchen  von  frischem  oder  gekochtem  Fleische. 

Wir  wurden  in  unserer  Untersuchung  vortrefflich  von  Herrn 
Dr.  Jacquet  unterstützt,  welcher  sich  namentlich  mit  den  mikroskopi- 
schen Nachforschungen  beschäftigte. 

Präparation.  —  Die  Lithoben  sind  gross  genug,  um  unter  der 
Lupe  zergliedert  werden  zu  können.  Man  tödtet  das  Thier  in  einem 
Gläschen ,  in  das  man  ein  mit  Chloroform  benetztes  Papier  bringt. 
Einige  Minuten  genügen,  um  es  zu  lähmen  und  dann  in  vollkommener 
Ausdehnung  des  ganzen  Körpers  zu  tödten.  In  diesem  Zustande  kann 
die  äusserliche  Gestaltung  leicht  beobachtet  werden.  Zunächst  wird 
es  unterm  Wasser  geöffnet,  indem  man  die  Spitze  eines  feinen  Scalpells 
oder  einer  Staarnadel  seitlich  unter  ein  Rückenschild  einstösst  und 
dann  die  Incision  weiter  gegen  den  Kopf  hin  fort  führt.  Bei  Führung 
der  Spitze  des  Instrumentes  darf  man  nicht  unterlassen ,  die  innere 
Fläche  der  Schilde  abzukratzen,  was  in  Folge  der  Durchsichtigkeit  der 
Tegumente,  die  es  erlaubt,  diese  Operation  mit  dem  Auge  zu  verfolgen, 
nicht  besonders  schwierig  ist.  Schlingen  des  Darmes  und  der  Ge- 
schlechtsröhren werden  oft  nach  dem  ersten  Einschnitte  ausgepresst; 
es  braucht  einiger  Sorgfalt,  um  sie  nicht  zu  verletzen.  Nachdem  die 
Rückentegumente  umgelegt  und  mit  Stecknadeln  befestigt  worden  sind, 
setzt  man  die  Zergliederung  mit  feinen  Staarnadeln  weiter  fort;  unter 
stärkerer  Vergrösserung,  wenn  es  sich  darum  handelt,  zarte  Theile,  wie 
das  Nervensystem  oder  das  Herz  z.  B.,  bloss  zu  legen. 

Zur  Beobachtung  der  Chitintheile  ist  Aetzkali  anzurathen,  welches 
die  inneren  Organe,  sowie  die  Fettkörper,  Muskeln  u.  s.  w.  auflöst  und 
die  Chitintheile  durchsichtig  macht.  Wenn  es  sich  um  die  ungemein 
dauerhaften  Tegumente  handelt,  kann  eine  concentrirte  Lösung  und 
längere  Behandlung   während  24  Stunden    und   mehr  in  einer  Tempe- 


90  Arthropoden. 

ratur  von  60°  angewandt  werden.  Um  jedoch  zartere,  innere,  chitinöse 
Organe,  wie  die  Tracheen  z.  B.,  darzustellen,  deren  Wandungen  sich 
mit  der  Zeit  auflösen,  sind  schwächere  Lösungen  anzuwenden.  In 
diesen  Fällen  ist  es  gerathen,  eine  oder  zwei  Oeffnungen  an  den  Seiten 
des  Thieres  anzubringen ,  um  den  Eintritt  des  Kalis  in  das  Innere  zu 
befördern.  Mit  leichtem  Drucke  kann  man  durch  diese  Oeffnungen 
Fettmassen,  sowie  den  nicht  immer  durch  das  Kali  aufgeklärten  Darm- 
inhalt herauspressen.  Auf  diese  Weise  haben  wir  sehr  schöne  Präpa- 
rate erhalten,  welche  die  stärksten  Vergrösserungen  gestatten  und  die 
Einzelheiten  der  Bildung  mit  der  grössten  Klarheit  zeigen.  Die  An- 
wendung der  Scbnittmethode  hat  mit  bedeutenden  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen.  Die  fixirenden,  erhärtenden  und  färbenden  Flüssigkeiten 
dringen  nur  sehr  langsam  ein,  so  dass'  die  inneren  Organe  manchmal 
vor  der  vollständigen  Durchdringung  bereits  zersetzt  sind.  Wenn  man 
die  Thiere  in  mehrere  Stücke  zerschneidet  oder  Oeffnungen  ausschnei- 
det, so  ruft  man  Veränderungen  in  der  Lagerung  der  Organe  in  Folge 
von  Zusammenziehungen  hervor.  Endlich,  da  die  Tegumente  sehr  hart 
und  die  Organe  äusserst  zart  sind,  so  lassen  sich  gleichmässige ,  für 
die  Topographie  unumgängliche  Schnitte  nur  sehr  schwer  herstellen. 
Man  kann  indessen  doch  genügende  Präparate  erhalten ,  wenn  man 
die  Thiere  während  einer  mehr  oder  weniger  langen  Zeit  mit  den  ver- 
schiedenen gewöhnlichen  Reagentien  behandelt.  Andere  Reagentien, 
wie  Eau  de  Javelle  u.  s.  w.,  gaben  uns  nur  negative  Resultate.  Subli- 
mat ,  Alkohol  in  verschiedenen  Stärkegraden ,  und  zur  Färbung  die 
Carminlösungen  genügen;  jedoch  erfordert  ihre  Einwirkung  sowie  die 
EinSchliessung  in  Paraffin  oft  eine  mehrtägige  Dauer. 

Allgemeine  Beschreibung.  —  Wenn  man  den  Lithobius 
von  der  Rückenseite  aus  betrachtet,  so  kann  man  folgende  äussere 
Theile  unterscheiden : 

1.  Ein  vorn  und  seitlich  abgerundetes  Kopfschild,  welches  nach 
hinten  durch  ein  beinahe  gerades  Quergelenk  endet.  Dieses  Schild 
ti'ägt  auf  den  Seiten  der  Stirnfläche  die  Fühler  mit  zahlreichen  cylin- 
drischen,  von  starren  Borsten  oder  Dornen  ringsum  überdeckten  Glie- 
dern. Diese  Fühlerglieder  können  sich  an  ihren  Gelenken  ein  wenig 
in  einander  schieben.  Das  Basalglied ,  welches  mächtiger  ist  als  die 
sieb  allmählich  verkleinernden  übrigen ,  ist  unter  dem  Rande  des 
Schildes  in  eine  Vertiefung  eingelenkt,  auf  deren  Rückenfläche  man 
ein  Grübchen  mit  starker,  von  steifen  Haaren  überdeckter  Chitin- 
wandung bemerkt.  Unmittelbar  hinter  der  Fühlereinsetzung,  und  zwar 
auf  dem  Schildrande,  befindet  sich  das  Augenfeld,  worauf  ungefähr 
20  einfache,  in  zwei  oder  drei  über  einander  liegenden  Längslinien 
gruppirte  Augen  stehen. 

2.  Ein  sehr  schmales,  mit  dem  Kopfschild  eingelenktes  Segment, 
welches  an  seiner  unteren  Fläche  die  Giftklauen  trägt. 


Myriapoden.  91 

3.  Nach  diesem  Segment  folgen  14  je  mit  einem  Fusspaar  ver- 
sehene Segmente.  Dieselben  sind  von  starken  viereckigen  Platten 
bedeckt,  deren  Breite  nach  der  Mitte  des  Körpers  hin  sich  kaum  ver- 
grössert,  während  sie  sich  gegen  das  Schwanzende  hin  nach  und  nach 
verschmälert.  Diese  Platten  sind  nicht  von  gleicher  Länge;  die  1.,  3., 
5.,  7.,  8.,  10.,  12.  und  14.  sind  grösser  als  die  anderen.  Alle  diese 
langen  oder  kurzen  Segmente  tragen  Füsse,  jedoch  besitzen  nur  die- 
jenigen mit  langen  Platten,  das  erste  ausgenommen,  Stigmen  auf  den 
Seiten. 

4.  Endlich  kommt  noch  das  letzte  fnsslose  Segment,  welches  wir 
später  beschreiben  werden. 

Ausser  dem  Kopfe ,  dem  Klauensegment  und  dem  hinteren  End- 
ring  treffen  wir  noch  auf  der  Bauchfläche  der  fusstragenden  Segmente 
den  Rückenplatten  ähnliche  Platten,  welche  aber  bedeutend  feiner  und 
biegsamer  sind.  Es  ist  auch  noch  zu  bemerken,  dass  die  auf  der 
Rückenseite  so  deutliche  Verschiedenheit  zwischen  langen  und  kurzen 
Platten  hier  beinahe  vollständig  verschwindet;  die  Leibesringe  sind 
gleichmässig  und  verkürzen  sich  allmählich  von  der  Körpermitte 
gegen  das  Schwanzende  hin. 

Die  Bauch-  und  Rückenplatten  sind  auf  den  Seiten  diirch  eine 
äusserst  zarte  und  dehnbare,  vielfach  gefaltete  Chitinhaut  verbunden, 
welche  sich  bedeutend  ausdehnt,  wenn  der  Darm  gefüllt  oder  die 
Geschlechtsorgane  entwickelt  sind.  In  dieser  Seitenhaut  liegen  die 
Stigmen. 

Die  Füsse  sind  in  der  ganzen  Reihe  gleichartig  ausgebildet.  Sie 
werden  grösser  von  vorn  nach  hinten  und  nehmen  zugleich  eine  mehr 
parallele  Stellang  zur  Körperaxe  ein,  so  dass  die  zwei  oder  drei  Hinter- 
paare entschieden  nach  hinten  gerichtet  sind,  während  die  Yorderpaare 
rechtwinkelig  vom  Körper  ausgehen.  Sie  sind  auf  den  Bauchplatten 
in  unmittelbarer  Nähe  der  Mittellinie  eingelenkt,  und  bestehen  jedes 
aus  sechs  Artikeln.  Die  Gelenke  der  Glieder  sind  mehr  oder  weniger 
Ginglymen ;  nur  in  den  zwei  ersten  Gelenken  sind  seitliche  Bewegungen 
möglich.  Die  Füsse  sind  zusammengedrückt,  bogenartig  nach  der 
Erde  gekrümmt  und  das  letzte  Glied  ist  mit  einer  mächtigen,  in  der- 
selben Richtung  gebogenen  Kralle  bewaffnet.  An  der  Basis  dieser 
Kralle  befindet  sich  eine  kleine  Nebenkralle.  Auf  den  Füssen  er- 
scheinen einige  spärliche  Haare  und  an  den  Gliedern  ziemlich  starke 
Dornen. 

Die  vier  letzten  Fusspaare  zeigen  in  beiden  Geschlechtern  eine 
besondere  Bildung  (Fig.  39,  a.  f.  S.).  Auf  den  inneren  Rändern  ihrer 
Hüftglieder  befindet  sich  eine  Längsreihe  von  fünf  bis  sechs  Vertiefun- 
gen, welche  von  dichten,  in  ziemlich  zarte  gefranzte  Ränder  aus- 
laufenden Erhöhungen  umgeben  sind.  Diese  Vertiefungen  sind  eiförmig 
und    ihre    grosse   Axe   steht   im   rechten    Winkel    zu    derjenigen     des 


92 


Arthropoden, 


Gliedes;  sie  sind  gemeinschaftlich  durch  einen  verdickten  Wulst  oder 
durch  eine  stärkere,  in  der  Richtung  des  Gliedes  verlängerte  Chitin- 
leiste umzogen.  Der  Grund  dieser  Grübchen  erscheint  glatt  und  wird 
durch  eine  feine  Chitinplatte  gebildet ,  in  welcher  wir  keine  Spur  von 
Oeffnungen  entdecken  konnten.  Innerlich  ist  diese  Lamelle  von  einer 
feinkörnigen  Substanz  bedeckt,  zu  welcher  sich  stets  eine  kleine, 
äusserst  dünne  Luftröhre  begiebt.  Wir  haben  uns  die  Frage  gestellt, 
ob  diese  Grübchen  vielleicht  nicht  Hörorgane  seien,  ähnlich  den- 
jenigen der  Heuschrecken ;  es  Hessen  sich  aber  keine  dahin  laufende 
Nervenverzweigungen  erblicken.  Jedenfalls  sind  es  keine  Drüsen,  wie 
mehrere  Autoren  behauptet  haben. 

Unter  dem  Kopfschilde  lassen  sich  die  Anhänge  erblicken,  welche 
den  auf  der  Mitte  der  Bauchfläche  des  Schildes  gelegenen  Mund  um- 
geben. Wir  wollen  sie  hier  behandeln  und  geben  den  verschiedenen  Thei- 
len  die  Benennungen,  welche  ihnen  Plateau  in  seiner  ausgezeichneten 


Fig.  39. 


Diese  wie  alle  folgenden  Figuren  beziehen  sich 
auf  Lithohius  foi'ficatus.  Kalipräparat  der 
Hüfte  eines  Hinterbeines  mit  der  Reihe  von 
Vertiefungen  ,  von  der  Seite  gesehen  (Z  e  i  s  s  , 
Oc.  1,  Obj.  2,  Camera  htcida).  a,  Borsten 
und  kleine  Hautdrüsen  in  Menge  auf  der  La- 
melle;  ö,  Chitinrand  eines  Loches,  von  oben 
gesehen;  c,  innerer  Grund;  d,  Chitinstütze; 
e,  die  Spalte  umgebender  gefranzter  Rand. 


Monographie  der  Verdauung 
bei  Lithobius  ertheilt  hat 
(s.  Literatur).  Diese  meisten- 
theils  H.  Milne-Edwards 
entnommenen  Namen  ent- 
scheiden nicht  im  Geringsten 
im  Voraus  die  Frage  über  die 
Parallelisirung  dieser  Anhänge 
mit  denjenigen  der  Crustaceen 
oder  Insecten ;  wir  haben  die- 
sen Gegenstand  hier  nicht  zu 
besprechen.  Wir  werden  diese 
Bildungen  der  Reihe  nach  von 
vorn  nach  hinten,  wie  sie 
unter  dem  Schilde  eingelenkt 
sind  (Fig.  40),  behandeln. 

Gleich  hinter   dem   umge- 
bogenen Rande  der  nach  vorn 


für  die  Einlenkung  der  Fühler 
etwas  eingeschnittenen  Kopfplatte  zeigt  sich  eine  enge ,  hufeisen- 
förmig gestaltete  Chitinlamelle  (Fig.  40,/),  welche  wir  die  Vormund- 
lamelle nennen.  Sie  trägt  auf  ihrem  gegen  die  Stirn  etwas  vor- 
gezogenen Mitteltheile  (/')  einige  starre  Borsten  und  ist  unbeweglich 
fest.  Sie  dient  wohl  auf  der  Bauchfläche  zum  Schutze  des  darüber 
gelegenen  Hirnes. 

Hinter  diesem  Bogen  zeigt  sich  ein  zweiter,  welcher  schmäler 
aber  dicker  ist,  die  Vorderlippe  (Labrum)  der  Autoren  {g).  Diese 
Vorderlippe  ist  an  ihrem  Vorderrande  angelöthet,  während  der  Hinter- 
rand frei  bleibt  und  eine  zugeschärfte  Schneide  bildet,  welche  um  den 


Myriapoden.  93 

Mund  herum  von  feinen  Auszackungen  umrahmt  ist,  die  zu  zierlich 
sind,  um  in  unserer  Zeichnung  dargestellt  werden  zu  können.  Diese 
Zäckchen    erscheinen    unter    einer    stärkeren    Vergrösserung    aus    zwei 

Fig.  40. 


a.  y 


9 '. 


Kalipräparat,  von  der  Bauchfläche  aus  gesehen  (Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  00,  Camera 
lucida).  Man  hat  die  Giftzangen  mit  ihrer  Basis  abgetrennt ,  um  sie  nach  hinten 
zurückzuschieben  und  auf  diese  Weise  die  von  ihnen  bedeckten  anderen  Mundorgane 
hei'vortreten  zu  lassen,  a ,  Stirnrand  des  Kopfschildes ;  ö,  Fühler ;  c,  Augenfeld ; 
d,  am  Kopfe  eingelenktes  Segment,  die  Giftzangen  tragend;  e,  Hinterrand  dieses 
Segments,  Schnittlinie  ;/,  Vormundlamelle  ; /',  ihr  mit  Haaren  bedeckter  Vordevrand; 
f^,  ihr  hinterer  Schenkel ;  g,  Vorderlippe  mit  fünf  Chitiuzähneu  in  der  mittleren 
Ausbuchtung ;  g',  ihr  hinterer  Schenkel ;  h ,  Mundkegel ;  i,  Deutognath ,  Endtheil ; 
i'.  Basaltheil  des  Deutognathes ;  Tc,  Tritognath ;  h',  sein  BasalgrifF;  /,  Protognath  oder 
Mandibel ;  /',  sein  Gelenkhöcker ;  m,  Taster,  Basaltheil ;  m' ,  erster  Artikel ;  nfi,  End- 
glied mit  Fiederborsten  ;  n^  bis  ?i*,  Segmente  der  Giftzangen;  o,  innere,  zur  Insertion  der 
Muskeln  dienende  Chitingräte;  p,  Hüften  der  Giftzangen;  p^,  Zähnchen  der  Hüften; 
p2,  Articulation ;   p^,    Mitteluaht ;    q,    Siebcanal  der    Giftdrüse ;    2',    glatter    Theil    des 

Ausführungsganges. 


94  Arthropoden. 

Arten  von  modificirten  Härchen  gebildet.  Auf  den  Rändern  des 
Bogens  stehen  in  mehreren  gedrängten  Reihen  gefiederte  Borsten ,  die 
einen  kurzen,  nach  der  Peripherie  hin  beinahe  vollständig  verschwin- 
denden Stiel  und  einen  längeren  Endtheil  zeigen,  der  spitzige  Höcker- 
chen trägt,  deren  freies  Ende  nach  vorn  gerichtet  ist.  Es  sind  dies 
wahrscheinlich  Tasthaare,  wie  wir  sie  auch  auf  anderen  Stücken  des 
Mundapparates  antreffen  werden.  Vor  diesen  Barthärchen  erblickt 
man  eine  Reihe  von  starren  Fädchen,  welche  palissadenförmig  an  ein- 
ander gereiht  sind.  Im  Centrum  der  Austiefung  der  Vorderlippe  stehen 
unmittelbar  vor  dem  Munde  fünf  mächtige  schwarze,  an  den  Spitzen 
abgestumpfte  Zähne,  von  denen  der  eine  in  der  Mitte  und  die  anderen 
paarig  auf  den  Seiten  des  Ausschnittes  hervortreten.  Gegen  diese 
Zähne  reiben  sich  diejenigen  der  Mandibeln  (?).  Im  Grunde  des  nach 
vorn  durch  die  Vorderlippe,  seitlich  und  nach  hinten  durch  die  paari- 
gen Stücke  begrenzten  Raumes  befindet  sich  die  auf  einer  Erhöhung  {h) 
sich  öffnende  Mundspalte.  Wir  werden  dieselbe  bei  den  Verdauungs- 
organen  beschreiben. 

Was  nun  die  nächstfolgenden  Stücke  anbetrifft,  so  stimmen  wir 
nicht  ganz  mit  Herrn  Plateau  überein.  Im  Ceutrum  bemerken  wir 
zwei  kleine,  höchst  feine,  auf  ihren  Flächen  mit  einigen  Härchen  und 
an  ihrer  Spitze  mit  Bartbüscheln  versehene  Kegel,  die  Deutognathen 
(«),  welche  auf  zwei  breite,  in  der  Mittellinie  sich  berührende  Basal- 
platten (^')  eingelenkt  sind. 

Ausserhalb  dieser  Theile  lassen  sich  auch  noch  zwei  Anhänge 
in  Form  von  Schabeisen,  die  Tritognathen  {¥),  erkennen,  welche  uns 
unabhängig  von  den  vorigen  scheinen  und  die  auf  einem  langen  und 
dünnen  Stiele  (Ji')  eingelenkt  sind.  Diese  Klingen  besitzen  einen 
dickeren  gewölbten  Aussenrand  und  einen  mit  feinen  gefiederten,  in 
mehrfachen  Reihen  eingepflanzten  Härchen  umgebenen  Innenrand.  An 
dieser  Stelle  erreichen  diese  Fiederborsten  ihre  grösste  Entwicklung. 
Piateaii  betrachtet  diese  Klingen,  welche  er  deutlich  gesehen  hat,  als 
integrirende  Theile  der  Deutognathen.  Alle  diese  Theile  sind  in  der 
Normalstellung  durch  die  Mandibeln  gänzlich  überdeckt.  Man  muss 
letztere,  um  die  darunter  liegenden  Anhänge  zu  erblicken,  auf  die 
Seite  legen,  wie  dies  in  unserer  Figur  geschehen  ist. 

Die  Mandibeln  oder  Protognathen  (J)  müssen,  wie  Plateau 
bewiesen  hat,  als  die  wichtigsten  Kauorgane  angesehen  werden;  sie 
zerreissen  die  Beute  in  Stücke,  welche  dann  geschluckt  wenden  können. 
Sie  bilden  zwei  spateiförmige  Stücke,  welche  breit  und  abgerundet 
gegen  den  Mund,  nach  hinten  stielartig  verdünnt  und  im  Ruhezustande 
derartig  gestellt  sind,  dass  ihr  Vorderrand  der  inneren  Wandung  der 
Vorderlippe  anliegt  und  ihre  ausgebreiteten  Enden  sich  auf  der  Mittel- 
linie berühren,  um  auf  diese  Weise  den  Mund,  die  Deutognathen  und 
die  Tritognathen  zu  bedecken.     Eine  aus  dem  sehr  verdickten  Vorder- 


Myriapoden.  95 

rande  entspringende  Warze  (?')  legt  sich  im  Ruhezustände  auf  eine 
kleine  entsprechende  Fläche  des  inneren  Randes  der  Vorderlippe.  Das 
breite  Mundblatt  der  Mandibeln  ist  auf  seinem  inneren  und  abgerun- 
deten Rande  mit  kräftigen,  schwarzen,  schneidenden  und  abgerundeten 
Zähnen  besetzt,  welche  von  vorn  nach  hinten  an  Grösse  zunehmen  und 
im  Ruhezustände  in  diejenigen  der  entgegengesetzten  Mandibel  eingreifen. 
Eine  dichte,  aus  winzigen  Zähnchen  gebildete  Bürste  befindet  sich  am 
Hinterwinkel  des  Gliedes  als  Fortsetzung  der  Reihe  der  starken  Zähne. 
Auf  dem  Hinterraude  desselben  freien  Randes  trifft  man  einen  Büschel 
oder  vielmehr  eine  Reihe  langer,  kammartiger,  feiner  und  biegsamer, 
eine  Bürste  darstellender  Borsten.  Etwa  zwanzig  eigenthümliche  An- 
hänge sind  im  oberen  und  äusseren  Rande  dieser  Bürste  eingepflanzt. 
Es  sind  dies  sehr  lange,  etwas  gebogene,  gelbliche,  vorn  abgestumpfte 
Stäbchen,  welche  auf  der  distalen  Hälfte  ihres  inneren  Randes  feine, 
nach  vorn  gerichtete  Spitzen  tragen.  Die  beiden  Mandibeln  können 
auseinander  gehen  und  sich  erheben,  wie  wir  sie  dargestellt  haben ;  sie 
schlagen  sich  wie  zwei  menschliche  Hände  ohne  Finger  über  die  Mund- 
öffnung herüber. 

Hinter  den  Mandibeln,  deren  Basalglieder  sie  theilweise  verdecken, 
sind  die  Palpen  (erste  Kieferfüsse  J£  iJ)  eingelenkt.  Sie  bestehen  aus 
einem  einzigen  engen ,  bogenartig  nach  vorn  gekrümmten  Basal- 
theil (m)  und  zwei  freien  Zweigen ,  die  an  Füsse  erinnern ,  welche 
mit  einigen  starken  Borsten  bedeckt.  Auf  jedem  freien  Zweige  articulirt 
ein  kurzes  behaartes,  von  dem  spitzigen  Endgliede  (^m^)  gefolgtes  Glied. 
Letzteres  trägt  auf  seiner  gegen  den  Mund  gedrehten  Fläche  gefiederte, 
denjenigen  der  Mandibeln  ähnelnde  Borsten,  während  die  äusseren 
Flächen  mit  steifen  Doi-nen  besetzt  sind.  An  der  Endspitze  der  Palpen 
sind  kleine,  denjenigen  der  Füsse  ähnliche  Krallen  angebracht,  was  für 
uns  der  Beweis  ist,  dass  diese  Organe  nichts  Anderes  als  modificirte 
Gehfüsse  darstellen.  Nach  Plateau  dienen  diese  Organe  in  der  That 
dazu,  die  gepackte  Beute  zu  betasten  und  die  von  den  Mandibeln 
zerrissenen  Stücke  der  Muudöffnung  zuzuführen. 

Die  Kieferzangen  oder  Gift  klauen  (Forcipula)  ()?)  bilden  ein 
zweites  Paar  von  modificirten  Füssen,  welches  an  einem  besonderen, 
vom  Kopfschilde  getrennten  Segmeute  eingelenkt  ist.  Am  Hinter- 
rande des  Kopfschildes  ist  der  Basaltheil  fest  angelöthet.  Letzterer 
(23),  auch  Unterlippe  genannt,  wird  durch  zwei  ziemlich  grosse, 
viereckige,  bei  den  Erwachsenen  nach  hinten  auf  der  Mittellinie 
vereinigte,  bei  den  Jungen  getrennte  und  nach  vorn  durch  einen 
grossen  Einschnitt  ihres  freien  Theiles  eingekerbte  Lamellen  gebildet. 
Die  Verbindungsnaht  (p^)  zeigt  sich  auch  noch  bei  den  erwachsenen 
Thieren.  Der  freie  Vorderrand  einer  jeden  Lamelle  trägt  schwarze, 
conische  Zähne,  deren  Zahl  mit  dem  Alter  wächst.  Wir  besitzen  in 
der  That  Präparate  von  jungen  Lithoben,   wo  jede  Lamelle   nur   zwei 


96  Arthropoden. 

Zähne  aufzuweisen  hat,  also  vier  im  Ganzen,  während  bei  anderen  sehr 
grossen  bis  zu  sieben  Paar  Zähne  wahrgenommen  werden ;  ferner 
haben  wir  noch  einige  getroffen,  die  eine  ungleiche  Zahl  von  Zähnen 
auf  den  beiden  Seiten  zeigten.  Einige  kleine  Borsten  sind  auf  der 
Fläche  des  freien  Theiles  zerstreut,  welcher  über  den  Mund  sich  vor- 
streckt, so  dass  er  mit  seinen  Zähnen  die  gezahnten  Ränder  der 
Vorderlippe  berühren  kann. 

Diese  Basallippe  ist  durch  sehr  starke  Rippen  (p^)  an  der  eigent- 
lichen, aus  vier  Gliedern  bestehenden  Gift  klaue  eingelenkt.  Die 
beiden  Klauen  sind  derart  gebogen,  dass  sie  den  Kopf  umgeben  und 
ihre  Haken  vor  dem  Munde  zusammenstossen  können.  Sie  bewegen 
sich  seitlich  gegen  einander. 

Das  Basalglied  (#)  ist  ungemein  gross.  Es  enthält  im  Inneren 
einige,  in  die  folgenden  Glieder  sich  fortsetzende  Chitinlamellen  (o), 
auf  welche  sich  fächerförmig  die  Bündel  der  mächtigen  Muskeln,  die 
das  Organ  bewegen,  ansetzen.  Das  zweite  und  dritte  Glied  {n^,  n^) 
sind  sehr  kurz,  breit  und  scheibenförmig;  sie  können  sich  in  ihren 
Gelenken  etwas  in  einander  schieben.  Das  Endglied  (n')  ist  durch 
einen  sehr  kräftigen,  nach  innen  gebogenen  und  mit  sehr  dicken  und 
schwarzen  Wandungen  versehenen  Haken  gebildet.  Man  bemerkt  auf 
der  äusseren  Fläche  des  Hakens  bei  stärkerer  Vergrösserung  unregel- 
mässige Längsfurchen  mit  etwas  erhöhten  Rändern,  welche  im  All- 
gemeinen zu  hellen,  runden,  durchsichtigem  Hautgrübchen  führen,  in 
deren  Mitte  man  eine  kleine  circuläre  Oeffnung  beobachtet.  Das  Gift 
scheint  durch  die  Furchen  zu  laufen;  ferner  stellen  die  Poren  wahr- 
scheinlich nicht  gänzlich  entwickelte  Borsten  dar.  Man  bemerkt  in 
der  That  zwischen  einigen  am  Anfange  des  Hakens  stehenden  Haaren 
und  den  Poren  verschiedene  Haarstümpfe.  Im  Inneren  dieser  drei 
Glieder  befindet  sich  die  Giftdrüse,  welche  sich  nur  theilweise  in  den 
mit  Kali  behandelten  Präparaten  erhält.  Der  chitinöse  Ausführungs- 
canal ,  welchen  man  in  solchen  Präparaten  deutlich  sieht,  zerfällt  in 
zwei  Theile.  Der  erste  Theil  {(/)  bildet  einen  walzenförmigen  Canal 
mit  homogener  Wandung,  der  mit  einer  feinen  Spaltöffnung  auf  der 
Hakenspitze  mündet.  Dieser  glatte  Canal  nimmt  in  seiner  Fortsetzung 
nach  hinten,  indem  er  der  Krümmung  des  Hakens  bis  zu  seiner  Basis 
folgt,  unter  schwacher  Vergrösserung  ein  körniges  Aussehen  an.  Bei 
stärkerer  Vergrösserung  und  besser  noch  auf  Längsschnitten  des 
Organs  lässt  sich  dieser  Theil  (q)  als  die  etwas  erweiterte  Fortsetzung 
des  Ausführuugscanals  erkennen,  welche  von  kleinen  Oeffnungen  mit 
etwas  verdicktem  Umfange  durchlöchert  ist.  Wir  werden  ihn  den  Sieb- 
canal  nennen.  An  jedes  dieser  winzigen  Löchlein  heftet  sich  eine 
durchsichtige  Röhre  mit  sehr  feinen  Wänden  an,  die  ohne  Zweifel 
drüsenartiger  Natur  ist,  da  ihr  peripherisches  Ende  bedeutend  körnig 
ist.     Diese  Röhren  strahlen  vom  Siebcanale   aus   und   bilden  in  ihrem 


Myriapoden. 


97 


Ganzen  eine  grosse  Drüse,  die  Giftdrüse,  welche  den  inneren  Eaum 
der  Hakenbasis  und  der  beiden  Zwischenglieder  der  Kieferzangen  fast 
vollständig  einnimmt,  indem  sie  nur  einen  sehr  engen  Platz  für  die 
Muskelsehnen,  für  einen  Zweig  der  Tracheen  und  für  den  Nerven 
frei  lässt.  Es  ist  leicht,  die  Beobachtungen  von  Plateau  zu  be- 
stätigen, welcher  auseinandergesetzt  hat,  dass  die  Lithoben  nach 
Durchstechung  der  Beute  mittelst  der  Haken  sie  mit  der  aus  diesem 
Canal  austretenden  Flüssigkeit  vergiften.  Sie  halten  die  getödtete 
Beute  zwischen  den  Giftklauen  fest,  bis  die  durch  die  Mandibeln  be- 
werkstelligte Zerstückelung  beendigt  ist. 

Tegumente.  —  Wie  wir  bereits  bemerkt  haben,  wird  die  Haut- 
bedeckimg  durch  zwei  Schichten  gebildet,  die  äussere  Chitinschicht  und 
die  innere  Hypodermis. 

Fio;.   41. 


Theil  eines  Querschnittes  eines  Fühlers  (Verick,  Oc.  3,  Obj.  7,  Camera  heida), 
a,  Cuticula ;  &,  geschichtete  Chitinlage ;  c,  Hypodermis ;  r/,  Xervenschicht ;  e,  Borste ; 
e^,  ihr  Schaft ;  e^,  mit  homogenem  Protoplasma  gefüllter  Canal ;  e^.  Gelenkwärzchen  ; 
e^,  Verlängerung  der  körnigen  H}-podermis ;  /,  äusserer  Perus ;  f,  Zickzackeanäle ; 
</,  Nervenfaden ;  /(,  helle  Kerne,  die  dem  Eintritt  der  Nerven  entsprechen. 


Die  Chitinschicht  besteht  ihrerseits  aus  zwei  über  einander  liegen- 
den Lagen.  Die  äussere,  welcher  man  den  Xamen  Cuticula  (a,  Fig.  41) 
ertheilen  kann,  ist  wohl  die  dünnere,  scheint  jedoch  fester  als  die 
andere  zu  sein;  die  Präparate  zeigen  sie  gelblich  gefärbt.  Sie  ver- 
schwindet  auf    den   Seiten    des    Thieres    zwischen    den    verschiedenen 

Vogt  u.  Tung,   prakt.   vergl.    Aijatomie.     II.  7 


98  Arthropoden. 

Ringen,  um  einer  weicheren  Substanz  den  Platz  einzuräumen,  welche 
zahlreiche  kleine,  diirchsichtige  Erhöhungen  trägt.  Die  untere  Chitin- 
lage (h,  Fig.  41)  ist  dicker  und  weicher  als  die  erstere;  sie  fehlt 
nirgends;  auf  in  Balsam  präparirten  Schnitten  erblickt  man  zahlreiche 
Linien,  welche  parallel  ihrer  Oberfläche  laufen  und  etwas  dunkler  als 
der  übrige  Theil  der  Masse  sind,  was  auf  Bildung  durch  über  einander 
liegende  Lamellen  schliessen  lässt.  Diese  Linien  sind  sehr  fein  und  in 
sehr  genäherten  Zwischenräumen  durch  Canäle  unterbrochen,  welche 
sie  gänzlich  durchsetzen.  Diese  Canäle  (/,  Fig.  41)  verlaufen  im 
Zickzack  durch  die  oben  genannten  Lamellen  und  münden  nach  aussen 
durch  kleine  Oeffnungen,  aus  welchen  zuweilen  Tröpfchen  abgesondert 
werden.  Die  äussere  Chitinschicht  zeigt,  wenn  man  sie  von  der  Ober- 
fläche aus  betrachtet  und  namentlich,  wenn  sie  mit  sehr  verdünnter 
Kalilösung  behandelt  worden  ist,  unregelmässige  polyedrische  Felder, 
deren  Ränder  durch  Linien  mit  doppelten  Conturen  begrenzt  sind. 
Häufig  trifft  man  an  dem  Einsetzungspunkte  zweier  Linien  eine  win- 
zige, schmale  Oeffnung,  die  nur  schwer  nachzuweisen  ist.  Unterhalb 
der  beiden,  das  eigentliche  Chitin  bildenden  Schichten  zieht  sich  die 
Hypodermisschicht  (c,  Fig.  41)  oder  die  Mutterschicht  des  Chitins 
hin.  Auf  Schnitten  stellt  dieselbe  meistens  eine  körnige  Masse  dar,  in 
welcher  man  viele  eiförmige  Zellkerne  bemerkt.  Auf  den  Fühlern 
bildet  diese  Schicht  eine  zarte  Masse,  in  welcher  vereinzelte  Kerne 
sich  finden.  Uebrigens  giebt  es  grosse  Verschiedenheiten  in  der  Dicke 
der  Hypodermisschicht;  manchmal  besitzt  sie  eine  höchst  feine  Be- 
schaffenheit, während  sie  zuweilen  auch  grosse  Massen  bildet,  welche 
die   innere  Chitinfläche  überziehen. 

■  Der  ganze  Körper  ist  von  sehr  unregelmässigen  und  ungleichen 
Haaren  bedeckt.  Man  bemerkt  sie  besonders  auf  den  Rändern 
der  Chitinplatten ;  sie  sind  auf  der  Rückenfläche  zahlreicher  vor- 
handen als  auf  der  Bauchfläche.  Fühler  und  Füsse  besitzen  deren 
in  grosser  Anzahl.  "Wo  die  Haut  weich  bleibt,  zwischen  den  Chitin- 
platten ,  an  den  Gelenken ,  sind  die  Haare  seltener  und  fehlen  sogar 
zuweilen.  Auf  den  Mundtheilen  sind  gefiederte  Haare  angebracht, 
von  denen  wir  bereits  gesprochen  und  welche  wir  beim  Verdauungs- 
system von  Neuem  behandeln  werden.  Die  Füsse  tragen  zwei  Arten 
von  Anhängen:  feine  Haare,  welche  denen  auf  dem  ganzen  Körper 
zerstreuten  vollständig  gleich  sind,  und  Borsten,  welche  bedeutend 
grösser  sind  und  eine  conische  Form  besitzen.  Die  ersten  findet 
man  auf  allen  Fussgliedern ;  sie  scheinen  in  den  beiden  letzten 
Segmenten  eine  regelmässige  Stellung  in  Längsreihen  einzunehmen. 
Am  Ende  eines  jeden  Fussgliedes  ragen  viel  dickere  Borsten  hervor, 
die  man  sogar  als  Stacheln  bezeichnen  könnte.  Sie  fehlen  im  ersten 
Glieds;  auf  den  anderen  sind  sie  im  Kreise  gestellt;  gewöhnlich  be- 
schränkt sich  ihre  Zahl   auf  fünf;   im   letzten  Segmente   erscheinen   sie 


Myriapoden. 


99 


in  geringerer  Anzahl,  im  Allgemeinen  drei  im  Ganzen,  von  denen  eine 
gebogen  und  zu  einer  Kralle  umgebildet  ist.  Wie  auch  Form  und  Grösse 
dieser  Anhängsel  beschaffen  sein  mögen,  so  bleibt  doch  ihre  Structur 
die  nämliche.  Sie  stellen  eine  mehr  oder  weniger  conische  und  hohle 
Verlängerung  der  Cuticula  dar  (e,  Fig.  41),  welche  durch  ihre  Basis 
in  eine  besondere ,  von  einem  Randwulst  umgebene  Vertiefung  der 
Haut  eingebettet  ist.  Der  Canal,  welcher  das  Haar  bis  zu  seinem 
freien  Ende  durchzieht,  verlängert  sich  durch  die  Chitinschicht  nach 
innen  bis  auf  die  Hypodermis.  Letztere  entsendet  in  das  Haar  feine 
Verlängerungen,  die  während  des  Durchganges  durch  das  Tegument 
noch  körnig  sind ,  während  die  den  Haarcanal  füllende  Protoplasma- 
masse gänzlich  homogen  und  ungekörnt  erscheint. 

In   der   Hypodermisschicht   der   Fühler    und    der    beiden   langen 
Hinteranhänge  des  Körpers  zeigen  sich  Nervenendigungen,  die  in  einer 

Fiff.  42. 


Theil  eines  Querschnittes  des  Endgliedes    eines  Hintertusses  (Verick,  Oc.  3,  Obj.  7, 

Camera  lucida).    a,  Cuticula ;  6,  geschichtetes  Chitinlager ;  c,  äussere  Oeftnungen  von 

Absonderungscanälen ;  d,  Drüsenwände ;  e,  Höhle  des  Drüsensacks. 

feinkörnigen  Schicht  enden,  in  welcher  wir  keine  eigene  Zellenwände 
bemerken  konnten.  Dagegen  enthalten  sie  grosse  rundliche,  homogene 
Körperchen,  welche  wie  Hohlräume  oder  Vacuolen  aussehen,  die  in  der 
körnigen  und  dunkeln  Nervensubstanz  eingebettet  wären.  Jedem 
Eintritt  eines  Nervenfädchens  entspricht  ein  derartiges  Körperchen. 
Unserer  Ansicht  nach  sind  diese  Körperchen  Kerne  und  eine  ein- 
gehendere Untersuchung  würde  vielleicht  gewisse  Aehnlichkeiten 
zwischen  diesen  Bildungen  der  inneren  Nervenschicht  der  Fühler  mit 
den  Endplatten  von  gewissen  Nerven  aufweisen,  wie  diese  bei  anderen 
Thiei'gattungen  nachgewiesen  sind. 

An  den  vier  letzten  Gliedern  der  zwei  Hinterfusspaare  finden  sich 
auf    der   inneren    Fläche    eine    ungemeine   Anzahl   regellos    gestellter 

7* 


100  Arthropoden. 

Oeffnungen,  welche  bereits  unter  geringer  Vergrösserung  sichtbar  sind; 
es  sind  Ansgangsöffnungen  von  Hautdrüsen.  Um  genau  ihre 
Organisation  zu  beobachten,  ist  es  nothwendig,  Querschnitte  dieser 
Glieder  zumachen.  Die  Figur  42  (a.  v. S.)  stellt  einen  Querschnitt  des  vor- 
letzten Gliedes  des  letzten  Fusses  dar.  Jede  Drüse  besteht  aus  einer 
Tasche  (e,  Fig.  42),  welche  in  der  Dicke  der  Hypodermisschicht  ein- 
gebettet ist;  sie  wird  innen  durch  eine  feine  Membran  begrenzt;  die 
Wandung  der  Tasche  (d)  wird  durch  ein  Gewebe  gebildet,  in  welchem 
man  unter  starker  Vergrösserung  kleine,  mit  einander  vermittelst 
höchst  feiner  Linien  verbundene  Granulationen  bemerkt;  das  Ganze 
bildet  ein  Netzwerk  mit  sehr  dichten  Maschen.  Was  nun  den  Inhalt 
der  Drüse  anbetrifft,  so  stellt  er  eine  körnige  Masse  vor;  zuweilen 
erblickt  man  in  ihrem  Inneren  kleine,  stark  lichtbrechende  Kugeln, 
die  im  Centrum  ein  undurchsichtiges  Körperchen  enthalten.  Jede 
Drüse  mündet  nach  aussen  durch  einen  kurzen  Gang  (c,  Fig.  42), 
welcher  mehr  oder  weniger  conisch  ist  und  die  Chitinschichten 
durchsetzt. 

Muskelsystem.  —  Wenn  auch  die  Muskeln  des  Lithobius  in 
einzelne  getrennte  Bündel  zerfallen,  so  bilden  sie  nichtsdestoweniger 
in  ihrer  Gesammtheit  eine  Hülle  um  die  Eingeweide,  einen  Hautmuskel- 
schlauch, der  unmittelbar  unter  der  Chitinhaut  liegt,  an  deren  innerer 
Fläche  die  Bündel  sich  festsetzen.  Man  kann  die  Anordnung  der 
Muskelbündel,  die  in  jedem  Leibessegment  regelmässig  die  gleiche 
bleibt,  in  folgender  Weise  veranschaulichen.  (Besondere  Anordnungen 
zeigen  sich  nur  in  den  Segmenten  des  Kopfes  und  des  Körperendes.) 
Nachdem  man  die  Thiere  in  Chloroformdampf  oder  einfach  in  Wasser 
getödtet  hat,  stösst  man  die  Spitze  der  Röhre  einer  mit  absolutem 
Alkohol  angefüllten  Spritze  unter  die  Haut  zwischen  zwei  Leibesringen 
und  treibt  die  Flüssigkeit  in  den  Hohlraum  des  Cöloms  ein.  Um 
die  Füllung  zu  erleichtern,  schneidet  man  die  Fühler  an  der  Basis  ab; 
eine  Flüssigkeit  rinnt  daraus  hervor,  welche  eine  Menge  von  weissen 
Kügelchen  enthält  und  nichts  Anderes  ist,  als  das  die  ganze  Körper- 
höhle füllende  Blut.  Am  Schluss  der  Einspritzung  läuft  der  Alhohol 
ebenfalls  aus  diesen  Oeffnungen ;  man  lässt  dann  das  Thier  während 
ungefähr  einer  Stunde  unberührt.  An  einem  Exemplar  wird  man 
einen  Längsschnitt  nach  der  Rückenmittellinie,  an  einem  zweiten  längs 
der  Bauchlinie  und  zuletzt  an  einem  dritten  längs  den  Seiten  machen; 
das  Individuum  wird  nun  auf  dem  Kork  einer  Zergliederungsschale 
ausgebreitet  und  Eingeweide  nebst  Fettschicht  können  dann  sorgfältig 
unter  Wasser  oder  in  schwachem  Alkohol  entfernt  werden. 

Es  giebt  zwei  lange  musculöse  Bauchstreifen;  sie  befinden  sich 
auf  beiden  Seiten  der  Nervenkette  und  werden  durch  von  einander 
getrennte  Muskelbündel  gebildet,  deren  Mehrzahl  sich  zur  Fuss- 
basis,   andere  zu   den  Seiten  begeben;    ausserdem   bleibt    zwischen   je 


Myriapoden.  101 

zwei  Ganglien  eine  kleine  quere  Muskelbrücke,  welche  die  inneren 
Ränder  der  Bauchmuskelstreifen  in  Verbindung  setzt  und  über  die 
Nervenkette  verläuft.  In  jedem  Segment  findet  man  unter  der  Haut 
der  Rückenfläche  kräftige,  die  Segmente  unter  sich  verbindende  Längs- 
muskelstreifen ;  von  der  Rückenfläche  gehen  ebenfalls  Bündel  aus,  die 
sich  an  der  Basis  der  Füsse  anheften.  Die  verschiedenen  Fussglieder 
besitzen  eigene,  zur  Vorwärtsbewegung  oder  zur  Krümmung  des  Fusses 
dienende  Längsmuskeln.  Die  verschiedeneu  Mundglieder  besitzen 
ebenfalls  ihre  eigenen  Muskeln,  welche  öfters  gewaltige  Massen  bilden, 
wie  z,  B.  in  den  Basalgliedern  der  Giftzangen. 

Alle  Muskeln  des  Thorax,  sowie  die  der  verschiedenen  Anhängsel 
sind  quer  gestreift,  was  leicht  erkenntlich  ist  und  sich  in  mit  Borax 
und  Carmin  gefärbten  Schnitten  ausserordentlich  gut  beobachten  lässt; 
auch  die  Kerne  färben  sich  intensiv. 

Fettkörper.  —  Dieses  Gewebe  bildet,  wie  bei  den  Insecten,  ge- 
waltige Massen,  welche  entweder  unregelmässig  sind  oder  wurstförmige 
Bündel  darstellen,  die  sich  in  allen  Richtungen  kreuzen.  Diese 
Massen  umziehen  innerlich  die  Muskeln  und  trennen  so  diese  letzteren 
von  den  verschiedenen,  im  Cölom  aufgehängten  Organen.  Ihre  Bildung 
ist  überall  die  gleiche;  man  unterscheidet  eine  wahrscheinlich  structur- 
lose  äussere  Hülle  und  einen  einerseits  von  sehr  hellen,  öligen  Zellen, 
andererseits  von  einer  Menge  kleiner  sphärischer  Körper,  deren  Fett- 
natur nicht  mit  Bestimmtheit  nachgewiesen  werden  kann ,  gebildeten 
Inhalt.  Im  Gewebe  laufen  ungemein  viele  feine  Tracheenröhren, 
welche  sich  immer  mehr  verzweigen.  Oefters  zeigt  sich  das  Fettgewebe 
blauviolett  gefärbt;  man  trifft  es  stets  in  unmittelbarer  Nähe  der 
Nervenkette,  unter  den  Seitenrändern  der  chitinösen  Rückenplatten, 
längs  der  Seiten  des  Thieres,  ebenso  wird  es  auch  oft  an  der  Basis  der 
Füsse  angetroffen. 

Allgemeine  Anordnung  der  Organe.  —  Bei  Oeffnung  des 
Thieres  vom  Rücken  aus  geht,  wie  wir  bereits  bemerkten,  nothwendig 
das  unmittelbar  am  Tegumente  anliegende  Herz  verloren;  dieses  Organ 
bedarf  also  einer  eigenen  Präparation.  Nachdem  man  die  Haut  ab- 
genommen, was  immerhin  grosse  Sorgfalt  erfordert,  namentlich  an  den 
beiden  Körperenden,  sieht  man  alle  Organe  mehr  oder  weniger  von 
Tracheennetzen  und  den  Massen  des  Fettkörpers  umgeben,  von  denen 
man  sie  sorgfältig  ablöst.  Ist  diese  Operation  geglückt,  so  erblickt  man 
im  Vordertheil  des  Kopfes  an  der  Rückenfläche  das  Hirn  (Fig.  43, /,a.  f.  S.), 
welches  seitlich  Nerven  an  die  Fühler  und  zu  dem  Augenfelde  abgiebt 
und  nach  hinten  die  den  Schlund  umgebende  Connective  (Fig.  43,  li) 
aussendet,  die  sich  unter  dem  Schlünde  auf  der  Bauchfläche  im 
Unterschlundganglion  vereinigen,  von  welchem  die  Connective  der 
Bauchganglienkette  {g)  ausstrahlen.  Letztere  ist  während  ihres  Ver- 
laufes längs  der  Mittellinie  tief  in  die  Muskelmassen  eingegraben;  um 


102 


Arthropoden. 


Vierfach  vergrössertes  Präparat  eines  Männchens  von  Lithobius.  Das  Individuum  ist 
auf  den  Bauch  gelegt  j^  die  Kiickentegumente  sammt  dem  Herzen  und  den  Neben- 
theilen  sind  abgenommen  und  die  Hauptorgane  so  ausgebreitet  worden ,  dass  man 
leicht  ihre  Lagerung  in  der  allgemeinen  Körperhöhle  errathen  kann.  Tracheen  und 
Muskeln  wui'den  vollständig  vernachlässigt,  die  Segmentation  nur  durch  die  Fuss- 
wurzeln  angedeutet,  a,  abgeschnittene  Fühler ;  b,  Rand  des  Kopfschildes ;  c,  Gift- 
zangen ;  d,  Körperrand  mit  abgeschnittenen  Fusswurzeln ;  e ,  Afterende ;  /,  Hirn ; 
g,  Bauchnervenkette ;  h,  Schlund;  i,  Mitteldarm;  h,  Rectum;  /,  Speicheldrüsen; 
TO,  Mal pighi' sehe  Gefässe;  «,  unpaarer  Hoden  ;  n',  sein  Endfilament ;  o,  paadge  Hoden ; 
p,  grosse  Nebendrüsen;  q,  kleine  Nebendrüsen;  r,  Rückenplatte;  s,  Geschlechts- 
platten; t,  äussere  Geschlechtsplatten;  n,  Penis  (?) ;  /',  durchlöcherte  Hüften  der 
Hinterfüsse;   w,  Perinealplatte. 


Myriapoden.  103 

sie  bloss  zu  legen,  ist  man  genöthigt,  dieselben  theilweise  zu  entfernen. 
Im  Kopfe  befinden  sich  noch,  auf  beiden  Seiten,  die  Ausführungs- 
canäle  und  die  Vorderlappen  der  Speicheldrüsen  (?),  deren  Hauptmasse 
in  den  ersten  Ringen  entwickelt  ist.  Der  Mitteldarm  nimmt  die  Mitte 
der  allgemeinen  Körperhöhle  ein;  man  muss  ihn  zur  Seite  biegen, 
um  die  unterhalb  liegende  Nervenkette  bloss  zu  legen.  Der  Darm  ist 
von  den  zwei  nach  hinten  auf  der  Grenze  zwischen  dem  erweiterten 
Darm  und  dem  etwas  mehr  verengten  Afterdarm  (Je)  ausmündenden 
Malpighi' sehen  Röhren  (ni)  umgeben.  Ungefähr  in  der  Gegend  des 
dritten  Fusspaares  erscheint  beim  Männchen  das  geschlossene  Vorder- 
ende der  unpaaren  Hodenröhre  (n),  welche  die  Mittellinie  unterhalb 
des  Herzens  einnehmen  sollte,  aber  gewöhnlich  rechts. oder  links  vom 
Darm  gelegen  ist.  Etwas  mehr  nach  hinten  zeigen  sich  die  zwei 
paarigen  Hodencanäle  (ö).  Diese  drei,  je  nach  der  Entwicklung  ihrer 
Producte  unregelmässig  angeschwollenen  Canäle  vereinigen  sich  in  der 
Afterregion,  wo  ebenfalls  die  zwei  Paare  von  Nebendrüsen  münden. 
Diese  Drüsen  sind  im  Allgemeinen  derart  an  einander  geklebt,  dass 
man  sie  nur  mit  Mühe  von  einander  trennen  kann.  Die  grossen 
Drüsen  Qj)  nehmen  den  Grund  des  Cöloms  auf  beiden  Seiten  der 
Nervenkette  ein,  während  die  kleineren  Drüsen  (q)  namentlich  an  den 
Darmseiten  anliegen.  Hinsichtlich  der  specielleren  Angaben  über  diese 
verschiedenen  Organe  verweisen  wir  auf  den  Abschnitt,  welcher  die 
Geschlechtsorgane  behandelt. 

Die  Organe  sind  beim  Weibchen ,  wenigstens  in  dem  vorderen 
Theile  des  Körpers,  ebenso  gelagert,  wie  beim  Männchen,  Verschieden- 
heiten treten  nur  in  den  mittleren  und  hinteren  Regionen  hervor.  Der 
Eierstock  entspricht  der  Lage  nach  dem  unpaaren  Hoden  auf  der 
Rückenfläche  des  Darmes;  er  nimmt  jedoch  zuweilen,  je  nach  der  Ent- 
wicklung der  Eier,  den  ganzen  mittleren  Theil  des  Cöloms  ein,  indem 
er  allseitig  den  Darm  umgiebt.  Nach  hinten  findet  man  zwei  Drüsen- 
paare, welche  genau  die  gleiche  Stellung  einnehmen,  wie  die  Neben- 
drüsen der  Männchen,  aber  deutlicher  getrennt  sind,  und  auf  der 
Bauchfläche  zwei  sackförmige  Behälter,  welche  den  zwei  paarigen 
Hoden  homolog  zu  sein  scheinen.  Wir  verweisen  hier  ebenfalls  auf 
das  Capitel  der  weiblichen  Geschlechtsorgane. 

Verdauungssystem.  —  Dieses  System  besteht  aus  drei  Theilen; 
es  sind  dies:  der  Darmcanal,  die  Ma Ipighi' sehen  Gefässe  und  die 
vorderen  oder  Speicheldrüsen. 

Der  Darmcanal  (Fig.  43,  h,  i,  Je)  verläuft  in  gerader  Linie  in 
der  Mittelaxe  des  Körpers  von  einem  Ende  zum  anderen.  Man 
unterscheidet  auf  den  ersten  Blick  drei  Abschnitte:  eine  nicht  sehr 
ansehnliche  Vorderregion,  den  Munddarm;  ferner  den  beinahe  die 
ganze  Länge  der  Darmröhre  bildenden  Mitteldarm  (^),  welcher  von 
einigen  Autoren   auch   Chylusmagen    genannt  worden    ist    und  hinter 


104 


Arthropoden. 


der  Einmündungsstelle  der  Malpighi' sehen  Gefässe  (m)  aufhört,  und 
zuletzt  einen  Enddarm  oder  Rectum  (Ä;),  welches  von  den  Malpighi'- 
schen  Gefässen  bis  zum  After  geht.  Letzterer  öffnet  sich  am  Hinter- 
ende des  Körpers. 

Der  Mund  (Fig.  40,  h)  liegt  unter  den  seitlichen  Mundanhäügen 
im  Centrum  der  Bauchfläche  des  Kopfschildes  verborgen  und  erscheint 
im  Ruhezustande  als  eine,  auf  einer  conischen,  aus  höchst  feinen  und 
ausdehnbaren  Wänden  gebildeten  Erhöhung  angelegte  Längsspalte. 
Er  kann  sich  bedeutend  axisdehnen  und  wir  besitzen  Präparate ,  wo 
sich  der  Mund  zu  einem  breiten ,  eiförmigen  Trichter  mit  welligen 
Rändern  erweitert  hat.  Die  Warze  besteht  aus  einer  feinen  Chitin- 
lamelle, welche  dem  nicht  zu.  lange  dauernden  Einfluss  einer  ver- 
dünnten Kalilösung  widerstehen  kann.  Auf  der  erweiterten  Spitze  der 
Spalte  befindet  sich  ein  dichtes  Büschel  sehr  feiner  Borsten.  Die  Ober- 
fläche des  Wärzchens  ist  mit  kurzen  Fiederhärchen  ohne  Stiel  bedeckt, 
welche  nach  und  nach   gegen  die  Peripherie  hin    in  kleine  rundliche, 

pigmentirte  und  gegen  ein- 
ander gepresste  Körperchen 
übergehen.  Auf  den  beiden 
Aussenrändern  der  Warze  ragt 
jederseits  eine  Reihe  gelber 
Chitinstacheln,  deren  Spitzen 
schräg  nach  vorn  gerichtet 
sind  und  die  sich  von  hinten 
nach  vorn  zu  erneuern  schei- 
nen.     Man    bemerkt    in    der 


Fig.  44. 


i—  A 


Querschnitt  eines  Schlundwulstes  (G  und  lach, 
Oc.  0,  Obj.  V,  Camera  lucida).  a,  Zähnchen; 
b,  innere  Chitinschicht;  c,  Zellenschicht;  d, 
Hohlraum ,  welcher  durch  Bindegewebe  und 
Muskelfasern ,  die  durchschnittene  Bündel  (/) 
der  Längsmuskeln  enthalten,,  durchsetzt  wird ; 
e,  Kreismuskelschicht ;  g,  in  der  Kreisschicht 
eingebettete  Längsbündel;  k,  äussere  Perito- 
neallamelle. 


That  auf  den  Hinterrändern 
der  Warze  in  der  Entwick- 
lung begriffene,  farblose  und 
kleinere  Stacheln.  Der  ganze 
Mundkegel  ist,  wie  bereits 
gesagt ,'  sehr  zart ,  durchsich- 
tig und  verschiedenartig  in 
seiner  Ausdehnung,  so  dass 
es  einer  aufmerksamen  Präparation  bedarf,  um  seine  Bildung  anschau- 
lich zu  machen. 

Der  Munddarm  oder  Schlund  (Fig.  43,  li)  steigt  bogenförmig 
zur  Rückenfläche  des  Kopfschildes  empor.  Er  bildet  eine  nach  hinten 
etwas  erweiterte  Röhre,  welche  einige  kaum  angedeutete  Längsstreifen 
zeigt.  Auf  Querschnitten  beobachtet  man,  dass  die  Wände  verhältniss- 
mässig  dick  sind  und  ziemlich  hervorstehende  innerere  Längswülste 
bilden.  Innerlich  ist  die  Wand  von  einer  feinen,  durchsichtigen  und 
leicht  erkenntlichen  Chitinlamelle  überzogen  (Fig.  44,  &).  Die  Längs- 
wülste   entstehen    aus  Erhebungen    der   angeschwollenen   Zellenschicht 


Myriapoden,  105 

und  tragen  iu  der  Mitte  des  Schlundes  kleine,  den  kurzen  Borsten  der 
Haut  ähnelnde  Zähne  (a).  Die  Spitze  derselben  ist  gegen  die  Darm- 
hohle  gerichtet;  sie  verhindern  wahrscheinlich  die  Rückkehr  der 
Nahrungsmittel  zum  Munde. 

Man  bemerkt  unterhalb  der  Cuticula  eine  Schicht  von  durch- 
sichtigen, scharf  von  einander  getrennten  Zellen  (Fig.  44,  c);  sie  sind 
zuweilen  ungemein  in  die  Länge  gezogen,  cylindrisch,  in  anderen 
Fällen  aber  auch  rund;  ihr  Kern  bleibt  immer  schön  ersichtlich  und 
färbt  sich  ausgezeichnet.  In  Folge  ihrer  Aufwulstung  bildet  diese 
Schicht  in  den  Längswülsten  Hohlräiime  (Fig.  44 ,  d) ,  in  welchen 
Muskel-  und  Bindegewebsstreifeu ,  sowie  einige  isolirte  Bündel  der 
Längsmuskeln  der  Darmwand  (/)  sich  erkennen  lassen.  Aeusserlich 
wird  der  Schlund  von  einer  feinen  Peritoneallamelle  (Ji)  und  im  Inneren 


Fiy-.  45. 


Theil  eines  Querschnittes  des  Mitteldarmes  (Verick,  Oc.   1,  Oljj.   7,   Camera   luc'ida). 

a,  innere  Hyalinschioht ;  6,  Endotheliumzellen;  c,  Granulationen ;   rf,  Bündel  von  glatten 

Längsmuskelfasern;  e,  Fettgewebe  am  Darm. 

derselben  von  einer  Muskelschicht  umgeben ,  in  welcher  man  in  den 
Hohlraum  ausstrahlende  Kreisfasern  (e)  unterscheidet,  welche  einzelne 
Längsmuskelbündel  (g)  umgeben. 

Den  umfangreichsten  Theil  des  Verdauungscanais  bildet  der 
Mitteldarm  (Fig.  43,  i),  welcher  sich  auf  den  ersten  Anblick  von 
den  beiden  anderen  Regionen,  der  vorderen  und  hinteren,  deutlich 
imterscheiden  lässt.  Oefters  können  an  ihm  Anschwellungen  oder 
gewisse  unregelmässige  und  ziifällige  Aufblähungen  wahrgenommen 
werden ,  welche  von  der  Anfüllung  mit  Nahrungsstoffen  abhängen. 
Der  Mitteldarm  zeigt  eine  besondere  Bildung  seines  Endotheliums. 
Zuerst  lässt  sich  bemerken,  dass  die  innere  Wand  sehr  dick  ist  und 
scheinbar  der  feinen  Chitinlamelle  entbehrt,  die  wir  für  den  Munddarm 
beschrieben   haben.      In   der    vorderen    Hälfte    dieses   Darmes   kommt 


106 


Arthropoden. 


äusserlieh  auf  Querschnitten  eine  feine  umliüllende ,  aus  musculÖBen 
Querfasern  bestehende  Membran  zum  Vorschein,  in  welcher  stellenweise 
sehr  leicht  erkenntliche  Bündel  von  Längsmuskeln  (Fig.  45,cl,  a.  v.  S.)  ein- 
gebettet sind.  Im  Inneren  sehen  wir  eigentliche  Endothelialzellen  (h); 
sie  sind  länglich,  palissadenförmig  in  mehreren  Reihen  über  einander 
aufgestellt;  die  Membranen  der  Zellen  sind  nur  schwer  erkenntlich, 
während  der  Kern  deutlich  hervortritt.  Dieses  Endothelium  wird 
von  einer  kaum  unterscheidbaren  Hyalinschicht  (Fig.  45,  a)  begrenzt, 
welche  sich  leicht  ablöst  und  dabei  einige  Kerne  der  Zellen  mit  sich 
fortreisst.  Diese  Schicht  scheint  eine  modificirte  Fortsetzung  der 
Chitinschicht  des  Schlundes  zu  bilden.  Mau  bemerkt  ausserdem,  dass 
in  der  Nähe  dieser  Membran  sich  zahlreiche  Granulationen  ansammeln 
(Fig.  45,  c),   welche   sehr  klein,   rund   und   stark  lichtbrechend  sind; 

Fig.  46. 


(i    - 


StÜL'k  eines  Querschnittes  des  Darmes  in  der  Nähe  der  Einmündung  der  Malpighi'schen 
Getasse  (Verick,  Oc.  l,0bj.-7,   Camera  luclda).    a,  Modificirte  Hyalinschicht;  ö,  Zellen- 
endothelium ;    &',  abgelöste    und    modificirte  Endothelialschicht ;    c,   Granulationen  ent- 
haltende Kernchen  iind  Kellen ;  d,   Muskelschicht  mit  Querfasern. 


diese  Körnerballen  dringen  häufig  in  die  Schicht  der  Längszellen  ein 
und  stammen  vermuthlich  aus  den  Malpighi'schen  Gefässen.  Solche 
Ablagerungen  befinden  sich  ebenfalls  in  den  Substanzen,  die  das  Thier 
eingenommen  hat.  Die  Hiuterregion  des  Darmes  zeigt  sich  öfters  ver- 
schieden (Fig.  46).  Die  Zellen  sind  sehr  gross  geworden,  ordnungslos 
aufgestellt  und  lösen  sich  mit  der  grössten  Leichtigkeit,  sei  es  einzeln, 
sei  es  gruppenweise,  ab,  um  mit  den  eingenommenen  Substanzen  und 
mit  der  schwammig  aufgetriebenen  Hyalinschicht  (Fig.  46,  a)  ein  netz- 
artiges Gewebe  zu  bilden  (b').  Nur  die  in  der  Nähe  der  Muskelschicht 
sitzenden  Zellen  zeigen  dann  eine  etwas  regelmässigere  Anordnung. 
Ausser  den  erwähnten  Granulationen  trifft  man  auch  noch  in  dem 
schwammigen  Netzgewebe  häufig  von  den  übrigen  gänzlich  verschiedene 


Myriapoden. 


107 


Riesenzellen,  welche  im  Allgemeinen  eiförmig  sind,  einen  deutlichen 
Kern  und  Kernkörperchen  besitzen  und  mit  zahkeichen  Granulationen 
gefüllt  sind;  man  triift  sie  sowohl  in  der  Nähe  der  äusseren  Schicht  als 
in  der  Nähe  der  Darmhöhle.  Ausserdem  scheinen  sie  sich  mit  den 
eingenommenen  Nahrungsmitteln  zu  vermengen.  Es  giebt  auch  noch 
andere  höchst  sonderbare  Körper,  aus  zahlreichen  kleinen  Scheibchen 
gebildet,  die  in  einer  gemeinsamen  Membran  eingeschlossen  sind. 
Alle  diese  Elemente  rühren  ohne  Zweifel  von  den  Malpighi'schen 
Gefässen  her. 

Der  Enddarm  oder  das  Rectum  (k,  Fig.  43j  erstreckt  sich  von 
den  Malpighi'schen  Gefässen  bis  zum  After.  Er  hat  eine  etwas 
conische  Gestalt ;  der  breitere  Theil  sitzt  dem  Mitteldarme  an.  Einige 
Autoren   haben   in   der  Nähe  des  Afterendes   einen  von   uns  nicht    ge- 

Fis:.  4-7. 


n^-b 


Theil  eines    Eectumwulstes    im   Querschnitt   (Veriek,   Oc.   1,    Obj.   7,    Camera  Ivcidu). 

«,    äussere    Qiiermuskelschicht ;    h ,    Endothelium    mit    einzelligen    Drüsen ;    c ,    innere 

Chitiiischicht ;  d,  einzellige   Drüse;  e,  Trachea. 

fundenen  Blinddarm  beschrieben.  Oft  ist  diese  Darmregion,  sowie  der 
Munddarm,  violett  gefärbt;  diese  Färbung  erhält  sich  sogar  noch  eine 
Zeit  lang  im  Weingeist.  Aeusserlich  werden  Querfalten  der  Wan- 
dungen beobachtet.  Die  histologische  Bildung  des  Enddarmes  nähert 
sich  derjenigen  des  Munddarmes.  Die  Längsmuskeln  sind  sehr  spär- 
lich vertreten,  während  die  Kreismuskeln  mächtiger  entwickelt  sind 
(a,  Fig.  47).  Wir  finden  hier  die  feine,  deutlich  abgesetzte  Cuticular- 
schicht  (c,  Fig.  47)  wieder,  die  wir  im  Inneren  des  Munddarmes  an- 
trafen. Das  Epithelium  (b)  ist  aus  Cylinderzellen  gebildet,  deren 
Inhalt  sehr  durchsichtig  ist;  der  stark  hervortretende  Kern  liegt  ge- 
wöhnlich am  inneren  Ende  an  der  deutlich  erkennbaren  Zellenwand 
an.  Zwischen  diesen  Zellen  findet  man  einzellige,  birnförmige  Drüsen 
(cl,  Fig.  47),   deren  Ausführungscanal   zuweilen  deutlich  wahrnehmbar 


108  Arthropoden. 

ist.  Wie  beim  Munddarme,  zeigt  die  innere  Oberfläche  des  Rectums 
Längswülste,  welche  einzig  und  allein  von  den  Erhebungen  des  Endo- 
theliums  herrühren;  letzteres  trennt  sich  von  der  Muskelschicht,  in- 
dem es  einen  durch  Muskelfasern  durchzogenen  Hohlraum  hinterlässt 
(/,  Fig.  47).  Auf  diesen  Wülsten  verdickt  sich  die  Chitinschicht  be- 
deutend und  in  jedem  Hohlräume  verläuft  an  der  Spitze  ein  Tracheen- 
zweig (e,  Fig.  47).  Im  Rectum  allein  treten  uns  solche  in  der  Dicke 
der  W^andungen  zwischen  der  Muskelschicht  und  dem  Endothelium 
eingebettete  Tracheen  entgegen.  Beim  Ende  des  Rectums  erheben 
sich  die  Wülste  immer  mehr  und  tragen  sogar  an  ihrer  Spitze  kleine 
Stacheln.  Der  Hohlraum  nimmt  an  dieser  Stelle  und  in  der  Nähe  des 
Afters  auf  den  Schnitten  eine  sternartige  Form  an. 

Malpighi'sche  Gefässe  (w,  Fig.  43).  —  Es  sind  ihrer  zwei;  sie 
entstehen  jederseits  am  Hinterende  des  Mitteldarmes.  Am  Anfang 
sind  sie  zuweilen  in  Form  länglicher  Taschen  erweitert,  deren  Wände 
verhältnissmässig  dünn  sind,  aber  in  den  Canälen  werden  die  Wan- 
dungen dicker.  Man  sieht  sie  in  Gestalt  von  zwei  nach  vorn  sich 
richtenden  weisslichen  Fäden,  die  verschiedene  Biegungen  und  Schlingen 
zwischen  den  Eingeweiden  beschreiben.  Sie  sind  länger  als  der  Körper 
des  Thieres  und  ihr  freies,  blindes  Ende  erstreckt  sich  bis  in  die  Nähe 
der  Vorderdrüsen.  Die  Zusammensetzung  ihrer  Wandungen  ist  von 
derjenigen  der  Wände  des  Mitteldarmes  verschieden.  Nach  aussen 
unterscheidet  man  eine  ziemlich  feine  Kreismuskelschicht,  auf  welcher 
das  aus  Cylinderzellen  mit  scharf  gezeichneten  Wänden  gebildete  Endo- 
thelium sich  anlegt.  Der  Inhalt  dieser  Zellen  ist  ungemein  körnig 
und  in  der  Nähe  des  äusseren  Randes  befindet  sich  ein  in  die  Länge 
gezogener  Kern.  Die  innere  Höhlenöflfnung  ist  öfters  mit  zahlreichen 
Anhäufungen  von  sehr  kleinen,  rundlichen,  denen  des  Mitteldarmes 
vollständig  ähnlichen  Körperchen  erfüllt.  Nach  Plateau  enthalten 
die  Malpighi'schen   Gefässe  keine  Harnsäure. 

Vorderdrüsen  (?,  Fig.  43).  —  Sie  sind  im  Allgemeinen  unter 
dem  Namen  Speicheldrüsen  bekannt  und  besitzen  eine  Länge  von 
sieben  bis  acht  Millimetern.  Auf  beiden  Seiten  des  Schlundes  angelegt, 
erscheinen  die  beiden  Vorderdrüsen  in  Form  von  Trauben,  die  hinten 
etwas  dicker  sind  als  vorn.  Gewöhnlich  sind  sie  lebhaft  violett  ge- 
färbt. Ueber  die  Oeffnung  ihres  Sammelcanales  ist  mehrfach  gestritten 
worden.  Einige  Autoren,  mit  Unrecht  glauben  wir,  finden  ihn  in 
den  Giftzangen,  andere  in  der  Mundhöhle  oder  auf  der  Bauchfläche,  in 
unmittelbarer  Nähe  der  Mundöffnung.  Wir  sind  dieser  letzteren  An- 
sicht. Ebenso  unklar  ist  ihre  physiologische  Bedeutung;  sie  wurden 
bald  als  Giftdrüsen,  bald  als  Speicheldrüsen  betrachtet.  Ihre  Lage- 
rung entspricht  derjenigen  der  Speicheldrüsen,  jedoch  erfahren  wir 
durch  die  Untersuchungen  Plateau's,  dass  ihr  Absouderungsstoff  von 
dem  Speichel  der  Insecten  abweicht.     Jeder  Lappen  der  Speicheldrüse 


Myriapoden. 


109 


Fig.  48. 


ist  von  einer  AnzaU  von  langen  Läppclien  gebildet,   welche  vinter  ein- 
ander durch  Canäle  verbunden    sind ,   die  in   einen   gemeinschaftlichen 

Sammelcanal  einmünden.  Jeder 
Lappen  besitzt  in  seinem  Inne- 
ren einen  Canal  und  ist  von 
einer  sehr  feinen  Membran  um- 
hüllt. Die  Zellen  der  Drüse 
sind  strahlenförmig  um  den 
Canal  geordnet  und  enthalten 
eine  Menge  kleiner,  durchsichti- 
ger, runder  Granulationen  und 
einen  leicht  erkennbaren  Kern. 
Die  beiden  Drüsenlappen  wer- 
den von  zahlreichen  Tracheen- 
röhren durchzogen. 

Nervensystem.  —  Man  wird 
sich  die  Präparation  dieses 
Systemes  bedeutend  erleichtern, 
wenn  man  die  frisch  getödteten 
und  auf  dem  Rücken  aufgeschlitz- 
ten Thiere  während  wenigstens 
zwei  Tagen  im  Wasser  liegen  lässt. 
Das  Nervengewebe  widersteht 
vortreflFlich,  während  die  anderen 
Gewebe  erweichen  und  anfangen 
sich  zu  zersetzen.  Wenn  man 
den  richtigen  Zeitpunkt  trifft,  so 
kann  man  die  ganze  Nervenkette 
mit  dem  Hirn  und  allen  Nerven 
mittelst  eines  leisen  Zuges  mit 
der  Pincette  ohne  weitere  Prä- 
paration ablösen. 

Die  gleiche  Widerstandsfähig- 
keit zeigt  sich,  wenn  anstatt 
reinen  Wassers  eine  verdünnte 
Lösung  von  Aetzkali  angewendet 
wird.  Die  Formelemente  werden 
durch  diese  verschiedenen  Ver- 
fahrungsmethoden  kaum  ange- 
griffen. Die  auf  diesem  Wege  er- 
haltenen Nervenketten  lassen  sich 
färben,  erhärten  und  schneiden. 
Das  Nervensystem  (Fig.  48)  besteht  aus  einem  Schlundring 
und  aus  einer  Ganglienkette.     Letztere  verläuft  in  der  Mittellinie  des 


Isolirte  Nervenkette,  ungefähr  vierfach  ver- 
oTÖssert. 


110  Arthropoden. 

Bauches,  unmittelbar  über  dem  Tegument.  Sie  besitzt  sechszehu  unter 
sich  durch  zwei  Längsconnective  und  kurze  Quercommissuren  ver- 
einigte Ganglien,  welche  jedes  auf  der  Höhe  der  Fiisswurzeln  liegen, 
und  namentlich  in  der  Mitte  des  Körpers  eine  bandartig  abgeplattete 
Form  zeigen,  die  auf  Querschnitten  erkenntlich  ist.  Von  jedem  Ganglion 
entspringen  seitlich  drei  zu  den  Füssen  und  zu  den  Muskeln  sich  be- 
gebende Nerven.  Das  letzte  Ganglion  verlängert  sich  nach  hinten  in 
einen  kleinen,  cylindrischen  Anhang,  welcher  vielleicht  ein  ver- 
kümm,ertes  Ganglion  darstellt;  jedoch  scheinen  keine  Nerven  daraus 
hervorzutreten.  Das  erste  in  dem  die  Giftzangen  tragenden  Ringe 
gelegene  Bauchganglion  versorgt  dieses  Organ  mit  Verästelungen. 
Der  Schlundring  steht  beinahe  senkrecht;  er  besteht  aiTS  zwei  Connec- 
tiven,  welche  um  so  mehr  anschwellen,  je  näher  sie  in  die  Nähe  des 
Oberschlundganglions  treten.  Letzteres,  das  Hirn,  ist  verhältnissmässig 
gross ,  es  steht  auf  der  Höhe  der  Augen  und  verlängert  sich  in  die 
Quere.  Die  beiden  Hälften  werden  durch  eine  ziemlich  tiefe  Ein- 
kerbung des  Vorderrandes  auf  der  Mittellinie  getrennt.  Ein  grosser 
Sehnerv  entspringt  jederseits  aus  dieser  Hirnmasse.  Von  dem  Hirn 
werden  nach  vorn  zwei  an  ihrer  Basis  ziemlich  dicke,  zu  den  Fühlern 
laufende  Zweige  abgegeben,  es  sind  dies  die  Fühlernerven. 

In  dem  Räume  zwischen  den  beiden  Längscommissuren  und  in  den 
seichten  Mittelfurchen  der  Ganglien  kreuzen  sich  zahlreiche  Tracheen- 
röhren.     Fettablagerungen  umhüllen  die  Kette. 

In  Bezug  auf  die  Histologie  bemerken  wir  auf  Querschnitten 
(Fig.  49)  zuerst  eine  feine  Umhüllungsmembran  (a) ,  welche  sich  zu- 
weilen, besonders  in  den  Mitteltheilen ,  merklich  von  der  Ganglion- 
masse abhebt.  In  dem  so  hergestellten  Räume  verlaufen  die  Tracheen- 
zweigchen  («) ,  die  meist  eine  Längsrichtung  zeigen.  Die  Hülle 
verlängert  sich  als  Scheide  über  die  Nerven. 

Die  grosse  Masse  der  Ganglien  besteht  aus  äusserst  feinen  Nerven- 
fasern, welche  im  Allgemeinen  Längsrichtung  zeigen  und  im  Verein 
mit  einer  besonderen  Körnchensubstanz,  wie  man  sie  bei  den  Insecten 
genannt  hat,  auf  Querschnitten  eine  feine  Punktirung  (d)  erzeugen. 
In  den  Nervenwurzeln  allein  wird  eine  Querrichtung  der  Fasern  be- 
obachtet, welche  sich  vereinigen,  um  diese  Wurzeln  zu  bilden  (g).  In 
der  oberen  Rinne  der  Vereinigungsstelle  der  Ganglien  werden  noch 
öfters  senkrecht  eingebettete  Fasern  (e)  bemerkt,  die  aus  Bindegewebe 
zu  bestehen  scheinen   u.nd  wahrscheinlich  nur   zur  Ausfüllung  dienen. 

In  der  faserigen  Punktmasse  sind  zweierlei  Zellen  zerstreut. 
Die  einen  (c)  sind  an  der  Rückenfläche  der  Ganglien  angehäuft; 
sie  sind  verhältnissmässig  sehr  gross,  eiförmig  oder  auch  in  den 
abgeplatteten  Ganglien  quer  in  die  Länge  gezogen  und  zeigen  sehr 
feine  Wände,  kleine  an  der  Wand  anliegende  Kerne  und  ein  so 
helles  und  homogenes  Protoplasma,   dass  diese  Zeilen  unter  schwacher 


Myriapoden. 


111 


Vergrösserung  wie  Holllrä^^me  aussehen.  In  unseren  Präparaten  hat 
sich  dieses  Protoplasma  nie  gefärbt,  während  im  Gegentheil  die  Kerne 
sich  intensiv  färbten.  Die  anderen  Zellen  (/)  sind  kleiner,  rund  und 
mit  sehr  grossen,  körnigen  Kernen  versehen;  sie  häufen  sich  an  den 
Bauchflächen  der  Ganglien  an  und  lassen  sich  leicht  im  Ganzen  färben. 
Wir  haben  weder  an  den  einen  noch  an  den  anderen  dieser  Zellen 
Ausläufer  beobachten  können. 

Wir  haben  keine  eingehende  Studie  des  Hirnes  versucht ,  in 
welchem  man  nur  kleine  Zellen  mit  grossen  Kernen  erblickt,  welche 
sich  auf  die  Connective  und  die  Seh-  und  Fühlernerven  fortsetzen. 
Die  grossen,  hellen  Zellen  fehlen  im  Hirne  gänzlich.  Uebrigens  zeigt 
das  Hirn  mehrere  Lappen,  worunter  besonders  ein  Sehlappen  sich  auf 
den  Querschnitten  des  Kopfes  auszeichnet. 

Fio;.  49. 


^-. 


f 


'3' 


T 


-3 


Querschnitt  eines  der  Hinterregion  des  Köi-pers  entnommenen  Ganglions  (Verick,. 
Oc.  3,  Obj.  7,  Camera  lucida).  a,  Hülle;  &,  Tracheen;  c,  grosse,  helle  Zellen; 
d,  granulöse  Masse  mit  durchschnittenen  Längsnervenfasern;  e,  Gruppe  von  Fasern, 
wahrscheinlich  Bindegewebefasern,  in  der  obei-en  Mittelrinne ;/.  gewöhnliche  Ganglien- 
zellen ;  cj,  Wurzeln  der  Seitennerven. 


Wir  haben  keine  Visceralnerven  noch  Ganglien  in  Verbindung 
mit  dem  Hirn  deutlich  erkennen  können.  Jedenfalls  findet  man  bei 
Lithobius  keine  Spur  des  von  Newport  (siehe  Literatur)  bei  Julus 
beschriebenen,  so  complicirten  Visceralnervensystems. 

Sinnesorgane.  —  Wir  haben  hier  nur  mit  den  am  Kopfe  befind- 
lichen Organen  zu  thun. 

Die  Augen  sind  auf  beiden  Seiten  des  Kopfes  angebracht;  sie 
stehen  auf  einem  länglichen,  nach  vorn  durch  die  Einlenkung  des 
Fühlers    und    nach    hinten     durch    diejenige    des    Tasters    begrenzten 


112 


Arthropoden. 


Fig.  50. 


Räume;  wir  nennen  diese  Stelle  das  Augenfeld  (</,  Fig.  50).  Dieses 
Feld  bildet  den  Rand  des  Kopfschildes,  welches  gegen  die  Bauchseite 
hin  eingebogen  ist,  so  dass  ein  Theil  der  Augen  sich  auf  der  Bauch- 
seite, ein  anderer  auf  dem  Rande  und  ein  dritter  auf  der  Rückenfläche 
befindet.  Man  zählt  dreissig  bis  vierzig  in  bogigen  Längsreihen  an- 
einander gereihte  Augen;  das  letzte  am  Hinterende  des  Feldes  hervor- 
tretende Auge  ist  immer  das  grösste. 

Man   bemerkt   auf  frischen   oder  mit   Aetzkali  behandelten  Prä- 
paraten,  sowie  auf  Schnitten,   dass  die   gewölbten  und  durchsichtigen 

Augencentren  durch  die  dicke  und 
wie  überall  auf  dem  Rückeuschild 
gelb  gefärbte  Cuticula  umgeben  und 
getrennt  werden ;  diese  Einfassung 
bildet  eine  Einrichtung  ähnlich  der- 
jenigen einer  Brille.  Bei  näherer 
üntersu.chung  und  namentlich  auf 
Schnitten  kann  man  sich  über- 
zeugen ,  dass  die  Cuticula  durch- 
sichtig und  ungemein  zart  wird, 
während  sie  sich  über  die  äussere 
gewölbte  Augenfläche  erstreckt  und 
hier  in  sehr  enger  Verbindung  mit 
einer  beinahe  sphärischen ,  jedoch 
auf  ihrer  inneren  Fläche  gewölb- 
teren Krystalllinse  steht.  Die  Linse 
ist  ohne  Zweifel  chitinöser  Natur, 
da  sie  sich  trotz  Anwendung  von 
Aetzkali  vortrefflich  erhält;  sie  ent- 
spricht wahrscheinlich  der  inneren 
Schicht  des  Chitintegumentes.  Die 
Krystalllinse  taucht  mit  den  Rän- 
dern ihrer  inneren  Fläche  in  eine 
sehr  schwarz  pigmentirte  Masse 
ein ,  die  wie  ein  länglicher  Kelch 
aussieht,  dessen  Grund  nach  innen 
gedreht  ist  und  der  eine  sehr  helle 
und  durchsichtige  Höhle  umgiebt. 
Bei  Behandlung  mit  Aetzkali  wird 
dieses  Pigment  wie  alle  übrigen 
inneren  Elemente  vernichtet. 

Das  ist  alles,  was  sich  auf  Prä- 
paraten und  auf  Schnitten  ersehen 
lässt,  die  in  der  gewöhnlichen  Weise 
gemacht    werden.       Um    genauere 


Kalipräparat.  Der  umgebogene  Rand 
des  Kopfschildes  ist  von  der  Bauch- 
fläche gesehen  und  zeigt  das  Augenfeld 
zwischen  der  Einlenkung  der  Fühler 
nach  vorn  und  dem  Rande  des  Tasters 
nach  hinten  (Gundlach,  Oc.  1,  Obj .  4, 
Camera  luc.ida).  a,  mit  Stacheln  ver- 
versehener Hinterrand  des  Basalgliedes 
des  Fühlers ;  b ,  Chitinstücke ,  die 
einen  Raum  umgeben,  in  welchen  sich 
der  Fühler  zurücklegen  kann  und  der 
nach  aussen  durch  den  Rand  (c)  des 
sehr  verdünnten  Kopfschildes  begrenzt 
wird;  d,  innerer  Rand  der  eingebogenen 
Lamelle  des  Kopfschildes ;  e,  äusserer 
Rand ;  /,  Vorderrand  des  Tasters ;  g,  zwei 
Hornhautreihen  zeigendes  Augenfeld,  die 
übrigen  befinden  sich  auf  der  Rücken- 
fläche des  Schildes;  /;.,  Tömösvary'- 
sches  Organ. 


Myriapoden.  113 

Kenntnisse  über  die  Structur  des  Auges  zu  erhalten ,  muss  man  das 
Pigment  durch  Säuren,  wie  z.  B.  durch  Salzsäure,  Salpetersäure  oder 
noch  besser  durch  Oxalsäure,  zerstören.  Jedoch  greifen  alle  zu  diesem 
Zwecke  angewandten  Reagentien  mehr  oder  minder  die  inneren  Gewebe 
an.  Um  befriedigende  Ergebnisse  zu  erhalten,  muss  man  also  die  auf 
verschiedenen  Wegen  gewonnenen  Resultate  combiniren.  Deshalb 
befinden  sich  die  Autoren  in  vollständigem  Widerspruch;  wir  folgen 
hier  der  Beschreibung  von  Gren  acher  (siehe  Literatur),  die  uns  der 
Wahrheit  am  nächsten  zu  kommen  scheint.  Die  Krystalllinse  ruht 
auf  dem  inneren  Becher,  welcher  von  einer  zarten  Cuticularlamelle  um- 
geben ist,  die  von  den  Fasern  des  Sehnervens  durchbohrt  wird.  Aiif 
ihrem  Umkreise  und  im  Centrum  lassen  sich  einzelne  Kernzellen, 
Ueberbleibsel  der  Hypodermis  und  des  gänzlich  fehlenden  Glaskörpers, 
bemerken.  Der  Cylinderhals  des  Bechers  ist  mit  langen  Zellen  mit 
sehr  grossen  Kernen  besetzt,  deren  Wände  kaum  ei'sichtlich  sind  und 
die  auf  ihrem  inneren  Ende  feine,  kaum  lichtbrechende,  gegen  die 
Axe  des  Cylinders  gerichtete  Härchen  tragen.  Der  hintere,  halb- 
kugelige Theil  des  Bechers  wird  von  etwa  zwanzig  Zellen  der  Netz- 
haut eingenommen,  die  strahlenförmig  gestellt  sind  und  so  sehr  den 
Haarzellen  gleichen,  dass  letztere  eine  einfache  Modification  der  Retina- 
zellen zu  sein  scheinen.  Mit  ihren  Hinterenden  stehen  diese  Retina- 
zellen in  Verbindung  mit  den  Fasern  des  Sehnerven,  während  sie  auf 
.  ihren  freien  Enden  den  Hohlraum  erfüllende  Stäbchen  tragen,  welche 
so  zart  sind,  dass  Grenacher  wohl  ihr  Dasein  behaupten,  jedoch 
nichts  Näheres  über  ihre  Form  oder  Structur  sagen  kann. 

Ein  seltsames  Organ,  welches  wir  nach  dem  Namen  des  Entdeckers 
das  Tömösvary'sche  Organ  nennen,  befindet  sich  am  inneren  Vorder- 
winkel des  Augenfeldes,  in  unmittelbarer  Nähe  der  Einlenkung  des 
Fühlers.  Kaum  kann  man  es  auf  Kalipräparaten  (h,  Fig.  50)  in  Form 
einer  sehr  dünnen  Scheibe  erkennen,  in  deren  Mitte  eine  kleine,  von 
einem  concentrischen  Kreiswülstchen  umgebene  Oeffnung  sich  zeigt. 

Die  winzigen  Chitinwärzchen,  welche  sich  überall  auf  dem  Kopf- 
schilde vorfinden,  sind  besonders  auf  der  Scheibe  des  Organs  entwickelt. 
Schnitte  (Fig.  51  und  52,  a.  f.  S.)  können  uns  über  seine  Organisation 
Auskunft  geben.  Im  Centrum  der  Scheibe  befindet  sich  eine  becher- 
förmige Vertiefung  mit  enger  OefiFnung,  welche  jedoch  gegen  den  Grund 
hin  sich  erweitert  und  mit  starken  Chitinrändern  umgeben  ist.  Der 
Grund  dieser  becherförmigen  Aushöhlung  ist  nicht  ganz  eben ;  er  ist  von 
einem  tieferen  Graben  umgeben  und  zeigt  in  der  Mitte  eine  Oeffnung. 
Die  Wände  des  Bechers  sind  mit  sehr  aneinander  gepressten,  undurch- 
sichtigen Granulationen  bedeckt,  welche  sogar  reihenförmig  aufgestellt 
scheinen  imd  vielleicht  durch  kleine ,  kurze  und  dicke  Borsten  ge- 
bildet sind.  Aus  der  centralen  Oeffnung  ragt  ein  kleines,  körniges 
Wärzchen  hervor  (c,  Fig.  52),  von  welchem  körnige  und  wellige  Nerven- 

Vogt  u.  Tuug,   prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  3 


Fio-,  51. 


114  Arthropoden. 

fasern  ausstrahlen,  welche  man  bis  in  die  körnige  Masse  des  Sehlap- 
pens der  Hirnmasse  verfolgen  kann.  In  einem  unserer  Schnitte 
(d,  Fig.  51)  haben  wir  noch  ein  getrenntes,  gegen  die  Peripherie  des 
Bechers  hinlaufendes  Bündel  dieses  Nerven  beobachtet. 

Wir  sind  der  Meinung, 
dass  das  Organ  von  Tö- 
m  ÖS  Vary  ein  Riech- 
Organ  ist. 

Man  findet  bei  Lithobius 
keine  Hörorgane,  es  wäre 
denn ,  dass  man  die  auf 
Seite  92  beschriebenen 
Bildungen  der  Hüftglieder 
der  Hinterfüsse  als  solche 
ansehen  wollte. 

Das  Tastgefühl  scheint 
bei  den  Myriapoden  an  den 
Fühlerborsten  concentrirt; 
sie  besitzen  keine  eigene 
Form;  man  findet  aber  an 
ihrer  Basis  ein  vom  Fühler- 
nerven herrührendes  Ner- 
vengewebe. 

Wir  haben  gesehen,  dass 
auf  den  verschiedenen 
Mundgliedern  zahlreiche 
Fiederborsten  stehen,  deren 
Formen  und  Grössen  ver- 
schiedenartig sind;  sie 
vermitteln  wahrscheinlich 
Geschmacksempfindungen. 


Fio;.   52. 


d ü- 


<^ 


Fig.  51.  —  Sagittalsehnitt,  wel- 
cher    die     Nähe     des    CentTums 
des  Tömijs  Vary 'sehen  Organes 
streift  (Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  5, 
Camera    lucida).      a,    Grenzlinie 
des    Kopfsehildes;    i,    Grenzlinie 
des   Organschildes ;   c,   körniges  Wärzchen  in  der  Mitte  der  Kelchvertiefung ;  c',   Chitin- 
rand des  Kelches ;  d,  isolirtes,  von  dem  Grunde  des  Kelches  ausgehendes  Faserhündel ; 
e,  Hauptbiindel ;  _/",  körnige  Substanz  (Nervensubstanz  ?) ;  </,  Linse   eines  angeschnittenen 
Auges  ;   /;  7;,   angeschnittene   Choroidea. 

Fig.  52.  —  Das  Tömösvary '  sehe  Organ.  Streifender  Sagittalsehnitt  (Verick, 
Oc.  3,  Obj.  7,  Camera  lucida).  a,  Chitinrand  des  Kopfschildes;  h,  Grenzlinie  des 
Organschildes;  r,  Chitinhülle  des  Bechergrundes;  d,  Rand  der  Becheröffnung;  e,  cen- 
trales  Nerven  (?)  Wärzchen;    /,    gegen    das    Wärzchen     sich    erstreckendes    Bündel    von 

Nervenfasern. 


Myriapodeu. 


115 


Doch  müssen  wir  bemerken,  dass  nach  den  Versuchen  von  Plateau 
(siehe  Literatur)  die  Fiederhaare  der  Palpen  sich  nicht  an  der  Ge- 
schmacksempfindung betheiligen. 

Athemorgane.  —  Die  überall  gleichartigen  Tracheenöffnuugeu, 
die  Stigmen,  finden  sich  auf  den  Seitenfiächen  des  Körpers,  in  der 
feinen,  biegsamen  Verbindungsmembran  zwischen  den  Rücken-  und 
Bauchplatten;  sie  stehen  unmittelbar  an  den  Hinterrändern  der  ent- 
sprechenden Fiissgelenke.  Um  sie  in  ihrer  Stellung  zu  erblicken, 
braucht  man  nur  einen  chloroformirten  und  auf  die  Seile  gelegten 
Lithobius  zu. beobachten.  Schon  mit  blossem  Auge  bemerkt  man  die 
Stigmen,  wie  sie  sich  aiif  der  weissen  Verbindungsmembran  als  kleine, 
glänzende  Pünktchen  von  brauner  Farbe  abheben. 

Um   das   Respirationssystem    des  Lithobius   in   seinem  Ganzen  zur 
Anschauung  zu  bringen,  rathen  wir  vorsichtige  Anwendung  von  Aetz- 
Fio-.  53.  kali.      Da    die    Stigmen    und 

die  Tracheen  chitinöser  Na- 
tur sind,  so  erhalten  sie  sich 
vortrefflich ,  während  die  an- 
deren inneren  Organe  durch 
das  Kali  zerstört  werden.  Die 
Tegumente  werden  durch 
diese  Behandlung  aufgehellt, 
so  dass  man  unter  dem  Mi- 
kroskop sämmtliche  Tracheen- 
verästelungen im  Inneren  des 
Körpers  verfolgen  kann.  Wählt 
man  kleinere  Individuen  aus, 
deren  Tegumente  völlig  durch- 
sichtig werden,  so  kann  man 
die  feinsten  Verästelungen 
der  Tracheen  erspähen ,  be- 
sonders wenn  die  Präparate 
sorgfältig  gewaschen  und  in 
Glyceriu  eingesetzt  worden 
sind. 

Die  Stigmen  (Fig.  53) 
stehen  paarweise  auf  beiden 
Seiten  des  dritten,  fünften, 
achten,  zehnten,  zwölften  und 
vierzehnten  fusstragenden  Segmentes.  Sie  erscheinen  als  enge,  knopf- 
lochförmige,  etwas  schräg  von  oben  und  vorn  nach  unten  und  hinten 
gerichtete  Spalten  und  sind  auf  einem  kleinen,  runden  Schildchen  oder 
"Wärzchen  angebracht,  welches  aus  einer  Verdickung  des  Chitintegu- 
mentes  gebildet  ist  und  einige  stai-re,  wohl  zur  Vertheidigung  dienende 

8* 


\  «• 


Ein  abgelöstes,  mit  Aetzlvali  behandeltes  Stigma 
(Zeiss,  Oc.  1,  Obj.  2,  Camera  lucida).  a,  ver- 
dickter Eand  der  borstigen ,  das  Stigma  tra- 
genden Chitinlamelle ;  &,  Lippe  der  Spalte  mit 
Reihen  von  kleinen  Häkchen ;  c,  Spaltöffnung 
des  Stigmas;  cZ,  Sack  mit  emporstehenden 
Körnern ;  e,  Gruppe  der  aus  dem  Sack  aus- 
laufenden ,  dorsalen  Tracheen ;  /,  Gruppe  der 
ventralen  Tracheen;  g,g-i  feine,  oberflächliche 
Tracheen  ,  die  beinahe  unmittelbar  von  der 
Spaltöffnung  ausgehen. 


116  Arthropoden. 

Borsten  trägt.  Das  Knopfloch  selbst  bildet,  von  der  Fläche  aus  ge- 
sehen, eine  linsenförmige  Spalte  mit  zwei  wulstigen  Lippen  von  sehr 
dickem,  beinahe  schwarzem  Chitin.  An  den  beiden  Ecken  des  Knopf- 
loches verbinden  sich  die  beiden  Lippen  durch  Bogen,  auf  welchen 
man  wie  auf  den  Lippen  parallelle ,  schwarze  Streifen  erblickt.  Diese 
Streifen  gehen  auf  der  Peripherie  der  Wülste  in  ein  kleines,  mit 
schwarzen  Granulationen  bedecktes  Feld  über. 

Die  Structur  giebt  sich  deutlicher  in  der  Profilansicht  zu  erkennen. 
Jeder  Wulst  ist  in  der  Mitte  angeschwollen,  so  dass  er  einen  stumpfen 
Winkel  bildet.  Die  parallelen  Streifen  sind  erhabene  Rippen,  auf 
deren  freien  Rändern  abgestumpfte,  nur  unter  sehr  starker  Vergrösse- 
rung  erkennbare  Zähnchen  eingesetzt  sind.  Diese  zahntragenden 
Rippen,  die  in  die  Knopflochöffnung  vorspringen,  bilden  ohne  Zweifel 
einen  Apparat,  welcher  die  in  der  Luft  schwebenden  Unreinlichkeiten 
zurückhält. 

Die  Spalte  öff'net  sich  in  eine  Art  von  Sack  oder  Behälter  (d), 
welcher  sehr  kurz  ist  und  die  gleichen  Dimensionen  wie  die  Spalte 
zeigt.  Die  Zähnchen  sind  immer  noch  auf  der  inneren  Fläche  dieses 
Säckchens,  von  welchem  sogleich  die  Tracheen  ausgehen,  entwickelt, 
gehen  aber  nach  und  nach  in  eine  Art  Netzgewebe  und  schliesslich  in  den 
Spiralfaden  der  Tracheen  über.  Ausser  einigen  grossen  Stämmen  (e,/), 
welche  sich  bald  verzweigen,  um  in  das  Innere  zu  laufen,  findet  man 
an  allen  Stigmen  eine  gewisse  Anzahl  von  feinen  und  oberflächlichen 
Tracheen  ((/),  die  ebenfalls  aus  dem  Sacke  und  zwar  unmittelbar  hinter 
der  Stigmenöff'nung  entstehen  und  in  der  nächsten  Nähe  desselben  sich 
verästeln. 

Die  Tracheen  besitzen  durchaus  die  gleiche  Structur  wie  die- 
jenige der  Insecten.  Der  Spiralfaden  ist  leicht  darin  erkenntlich; 
man  trifft  ihn  zuweilen  auf  Zerreissungen  mehr  oder  weniger  aus  ein- 
ander gerollt  und  getrennt,  während  er  sonst  in  der  Normalstellung 
äusserst  enge  Windungen  bildet.  Er  ist  bekanntlich  an  eine  feine 
Chitinhülle  angelehnt,  welche  sich  allein  in  die  feinsten  Verästelungen 
mit  der  kernreichen  Mati'ix  fortsetzt ,  die  man  aber  auf  frischen  oder 
nur  durch  Glycerin  erhellten  Individuen  beobachten  mqss,  da  das  Kali 
diese  Schicht  von  verschmolzenen  Zellen  vernichtet. 

Die  Vertheilung  der  Tracheen,  die  aus  den  fünf  hinteren  Stigmen- 
paaren entspringen,  ist  ziemlich  einfach.  Man  findet  immer  zwei 
Hauptgruppen  von  Stämmen,  eine  oberflächlichere  (e,  Fig.  53),  deren 
Zweige  in  querer  Richtung  bis  zum  entgegengesetzten  Rande  des 
Segmentes  verlaufen,  und  eine  tiefere  Gruppe  (/,  Fig.  53),  welche 
sich  gegen  die  Bauchfläche  wendet,  indem  sie  namentlich  den  Hinter- 
theil  des  Segmentes  und  das  folgende  Segment  versorgt,  wenn  sich 
in  diesem  keine  Stigmenöffnung  vorfindet. 

Einen  weit  verwickeiteren  Verlauf  besitzen   die  Tracheen ,  welche 


Myriapoden. 


117 


vom  ersten,  an  der  Basis  des  dritten  Fusspaares  gelegenen  Stigmeu- 
paar  ausgehen,  da  sie  nicht  nur  den  Kopf,  das  Giftzangensegment 
lind  die  drei  folgenden  fusstragenden  Segmente,  sondern  auch  noch  das 

stigmenlose,  vierte  fuss- 
tragende  Segment  mit 
Luft  versorgen  müssen. 
Ausser  den  feinen  ober- 
flächlichen Tracheen,  die 
auch  an  den  übrigen 
Stigmen  vorkommen  {g, 
Fig.  53),  finden  wir  noch 
zwei  grosse  Kopfstämme : 
der  eine  rückenständig 
(b,  Fig.  54)  und  der  an- 
dere bauchstäudig  (/<, 
Fig.    54).       Die    beiden 

Von  der  Eiickeufläclie  aus 
gesehenes  Kalipräparat ,  um 
die  Anordnung  der  Haupt- 
tracheen im  Vorderkörper 
vom  ersten  Stigma  an  zu 
zeigen  (Gundlach,  Oc.  1, 
Obj.  00,  Camera  lucida).  Die 
Segmente  mit  ihren  Anhäng- 
seln sind  nur  durch  Linien 
angedeutet,  mit  Weglassung 
der  Borsten,  Stacheln  u.  s.  w. 
Die  oberflächlichen  Stämme 
und  Hauptzweige  der  Tra- 
cheen sind  durch  Querschraf- 
firungen  schattirt  worden ; 
die  tieferen  Zweige ,  welche 
\  sich     nach     der    Bauchfläche 

richten,  sind  nur  mit  Strichen 
angedeutet.  Die  feinen  Endverästelungen  wurden  gänzlich  vernachlässigt,  und  um  die 
Zeichnung  nicht  allzu  sehr  zu  überladen,  wurden  öfters  die  Tracheen  nur  auf  einer 
Seite  gezeichnet.  Da  das  System  durchaus  symmetrisch  ist,  so  ist  es  leicht,  das  Ganze 
zu  ergänzen.  A,  Eand  des  Kopfschildes;  5,  Fühler;  C,  das  Schild  überragender  Rand 
der  Palpen;  D,  Giftzangen;  E,  Augen;  F,  Segment  der  Giftzangen;  G,  weiches 
Tegument  der  Seiten ;  I  bis  IV,  die  vier  ersten  Fusspaare  mit  ihren  entsprechenden 
Segmenten ;  a,  erstes  Stigma ;  6,  dorsaler  Kopftracheenstamm ;  c,  die  Tracheen  der 
Giftzangen  liefernder  äusserer  Ast ;  d,  den  Fühlerzweig  (e)  abgebender  aufsteigender 
Ast,  welcher  sich  ni  einen  Pinsel  (/)  auflöst,  von  dem  die  Zweige  zum  Nervensystem 
und  zu  den  Mundorganen  ausstrahlen ;  ij,  feine  oberflächliche  Tracheen,  die  direct  vom 
Stigma  abgehen ;  7i,  tiefer  Kopfstamm,  welcher  sich  in  i  mit  demjenigen  der  anderen 
Seite  kreuzt  und  Verzweigungen  zu  den  Mundorganen,  dem  Darm  und  einen  zweiten 
Fühlerzweig  (k)  abgiebt ;  /,  das  dritte  Körpersegmeut  nach  vorn  versorgender  Stamm  ; 
m,  zurücklaufender  Stamm,  der  einen  Zweig  zu  dem  vierten  P'usspaare  abgiebt; 
71,  tiefer,  hinterer  Stamm  des  Segmentes. 


118  Arthropoden. 

dorsalen  Stämme  nähern  sich  der  Mittellinie,  indem  sie  sich  nach  vorn 
richten  und  berühren  sich  beinahe  auf  der  hinteren  Grenze  des  ersten  fuss- 
tragenden  Segmentes.  An  diesem  Punkte  trennen  sie  sich  von  Neuem  und 
entsenden  einen  Zweig  zu  dem  zweiten  Fusspaare.  Indem  sie  ihren  Lauf 
parallel  der  Mittellinie  fortsetzen,  verzweigen  sie  sich  bald  in  zwei  Ver- 
ästelungen, von  denen  die  äussere  (c)  sich  zu  den  Giftzangen  begiebt, 
während  die  innere  (d)  sich  im  Centrum  der  Kopfplatte  in  einen  sehr 
verwickelten  Pinsel  von  Verzweigungen  auflöst  (d),  welche  zu  den  Augen, 
zum  Oberschlundganglion  und  zu  den  benachbarten  Theileu  laufen. 
Einer  dieser  Zweige  setzt  seinen  welligen  Gang  zum  Fühler  (e)  fort, 
welchen  er  mit  einem  anderen,  von  dem  tiefen  Stamm  (h)  gelieferten 
Zweige  (k)  bis  zu  seinem  Ende  durchsetzt.  Der  tiefe  Stamm  folgt  im 
Allgemeinen  dem  dorsalen  Stamme,  indem  er  ebenfalls  Zweige  zum 
ersten  Fusspaar  vmd  den  Giftzangen  sendet  und  sich  schliesslich 
pinselartig  auflöst.  Seltsamerweise  kreuzen  sich  die  beiden  tiefen 
Stämme  vor  ihrer  Kopfverzweigung  (?)  so ,  dass  durch  den  rechten 
Stamm  die  Kopftheile,  das  Nervensystem,  die  Mundorgane  u.  s.  w.  der 
linken  Seite  besorgt  werden  und  umgekehrt. 

Die  Tracheen  vertheilen  sich  in  alle  Organe,  indem  sie  zuweilen 
ziemlich  verwickelte  Netze  bilden.  Es  ist  uns  nicht  möglich  gewesen, 
sie  bis  zu  ihren  letzten  Verzweigungen  zu  verfolgen  und  wir  wissen 
nicht,  wie  sie  enden.  W^ir  können  nur  behaupten,  dass  wir  nirgends 
Anastomosen  gefunden  haben ;  die  feinsten  Verzweigungen  bleiben  stets 
von  einander  getrennt.  Einige  innere  Organe  zeigen  ziemlich  com- 
plicirte  und  reichlich  entwickelte  Tracheennetze ;  unter  diesen  wollen 
wir  den  Muuddarm,  das  Rectum,  die  Connective  der  Nervenkette  und 
die  kleinen  Endzangen  des  weiblichen  Geschlechtsapparates  hervor- 
heben. Im  Rectum  dringen  die  längs  laufenden  Zweige  zwischen  die 
Peritonealhülle  und  die  Schleimhaut  ein,  so  dass  man  auf  Querschnitten 
die  kleinen  Tracheen  wie  Löcher  erblickt  (e,  Fig.  47);  auf  der  Gang- 
lienkette verlaufen  die  Zweige  zwischen  den  Strängen  der  Connective, 
während  sie  sich  auf  den  Ganglien  nicht  so  zahlreich  vorfinden.  End- 
lich findet  man  immer  zwischen  dem  Herz  und  den  Tegumenten  feine 
Längstracheen  (g,  Fig.  55),  welche  dem  Herzen  in  seiner  allgemeinen 
Richtung  folgen. 

Kreislaufs  Organe.  —  Das  Blutgefässsystem  bei  Lithobius  ist 
zum  grossen  Theil  lacunär,  oder  mit  anderen  Worten,  das  Blut  fliesst 
nicht  immer  durch  Canäle  mit  eigenen  Wandungen.  Es  giebt  zwei 
Längscanäle,  einen  dorsalen  und  einen  ventralen;  der  erste  ist  längst 
unter  dem  Namen  Herz  bekannt  und  leicht  aufzufinden.  Bei  vielen 
Exemplaren  sieht  man  das  Herz  durch  die  Tegumente  der  Rücken- 
fläche durchschimmern  als  einen  hellen ,  an  verschiedenen  Stellen  an- 
geschwolleneu Streifen.  Die  Contractionen  des  Herzens  lassen  sich 
leicht   bei   einem  Thiere  beobachten ,   das    gerade   hinreichend    chloro- 


Myriapoden.  119 

formirt  ist,  um  keine  Bewegungen  mehr  machen  zu  können  ;  das  Rücken- 
gefäss  dehnt  sich  abwechselnd  auf  seiner  ganzen  Länge  aus  und  zieht 
sich  wieder  zusammen ;  man  zählt  ungefähr  80  Pulsationen  in  der 
Minute.  Das  diesen  Canal  füllende  Blut  ist  farblos  ixnd  enthält  eine 
Menge  weisser  Kügelchen. 

Das  Herz  erstreckt  sich  ungefähr  von  einem  Ende  des  Körpers 
zum  anderen.  Es  haftet  an  der  inneren  Fläche  derTegumente  an  und 
bildet  keine  einfache  Röhre,  sondern  zeigt  15  Anschwellungen  oder 
Kammern,  welche  mit  Ausnahme  der  ersten  und  der  letzten  unter  sich 
gleich  sind.  In  der  folgenden  Beschreibung  der  Gefässverzweigungen 
folgen  wir  hinsichtlich  einzelner  Punkte  der  Arbeit  von  Xewport 
(siehe  Literatur).  Hinter  dem  Kopfsegment  befindet  sich  die  erste 
Herzkammer;  sie  theilt  sich  nach  vorn  in  drei  Aeste,  einen  mittleren 
und  zwei  seitliche.  Der  erste  ist  sehr  fein  und  läuft  in  gerader  Linie 
zum  vorderen  Ende  des  Kopfes;  er  giebt  Zweige  an  die  Mundglieder  ab 
und  steht  durch  einige  Verästelungen  mit  dem  ventralen  Blutcanal  in 
Verbindung.  Die  beiden  vom  Herzen  ausgehenden  Seiteuzweige  laufen 
zuvor  rechtwinkelig  von  diesem  an  der  Rückenüäche ,  biegen  sich 
dann  zur  Bauchfläche  hinab  und  bilden  so  einen  Ring,  indem  sie  sich 
auf  der  Mittellinie  zur  Bildung  des  Bauchgefässes  vereinigen, 
welches  unrichtiger  Weise  von  einigen  Autoren  Supraspinalarterie 
genannt  worden  ist.  Letztere  wurde  von  uns  einmal  von  dem  Cölom 
aus  eingespritzt.  Die  zu  diesen  Einspritzungen  geeignetste  Masse  ist 
flüssige  chinesische  Tusche,  wie  man  sie  zum  Zeichnen  gebraucht.  Mit 
einer  kleinen  Pravasspitze  treibt  man  die  Tusche  in  das  Cölom  ein, 
ohne  einen  starken  Druck  auszuüben.  Man  hält  das  Instrument  mög- 
lichst parallel  zum  Köi-per  des  Thieres;  dasselbe  erstarrt  und  die 
Flüssigkeit  dringt  in  die  Fühler,  in  die  Giftzangen  und  in  die  Basis 
der  Füsse  ein ;  ein  einziges  Mal  wurde  auch  das  Supraspinalgefäss 
bei  dieser  Behandlung  gefüllt.  Der  Canal  lässt  sich  auch  ziemlich 
leicht  auf  in  Paraffin  gemachten  Querschnitten  erblicken ;  er  liegt 
obei'halb  der  Xervenkette,  gewöhnlich  zwischen  den  beiden  Strängen 
und  ist  immer  von  zahlreichen  Tracheenröhren  umgeben.  Das  Blut 
wird  durch  die  Contractionen  des  Rückengefässes  in  die  vorderen  Ver- 
zweigungen und  durch  diese  in  die  Supraspinalarterie  getrieben  und, 
indem  es  dieses  Gefäss  von  vorn  nach  hinten  durchläuft ,  circulirt  es 
im  ganzen  Körper,  in  den  Muskeln  und  in  der  Umgebung  der  Tracheen- 
röhren durch  kleine,  von  der  Arterie  auf  ihrem  Verlaufe  ausgesandte 
Verzweigungen.  Hinter  dem  14ten  Ganglion  der  Nervenkette  theilt  sich 
nach  Newport  die  Arterie  in  zwei  parallele  Stämme,  welche  Zweige 
zu  den  Geschlechtsorganen  abgeben.  Das  Blut  ergiesst  sich  in  die 
Körperhöhle,  umspült  die  Oi'gane,  die  Tracheenstämme  nebst  ihren 
Verästelungen  und  fliesst  schliesslich  zum  Herzen  zurück,  in  welches 
es  durch  kleing,  auf  den  Seiten  dieses  Organs   gelegene  Spaltöffnungen 


120 


Arthropoden. 


eindringt.  "Was  nun  die  histologische  Bildung  der  Blutcanäle  betrifft, 
so  bemerken  wir  zuerst,  dass  die  Wände  des  Herzens  (Fig.  55)  durch 
zwei  öfters  eng  aneinander  geheftete  Membranen  gebildet  sind.  Die- 
selben bestehen  aus  äusserst  zarten  Muskelfasern.  An  dem  Punkte, 
wo  die  Seitenwände  in  die  ventrale  Wand  (/)  des  Gefässes  übergehen, 
bemerkt  man ,  dass  die  beiden  Membranen  sich  von  einander  trennen 
und  zu  den  Seiten  des  Thieres  verlaufen.  Nach  einem  kurzen  Ver- 
laufe vereinigen  sie  sich  alsdann  wieder  und  setzen  sich  in  die  Peri- 
tonealmembran  fort.  Die  Fasern  bilden  auf  diese  Weise  seitliche 
Muskelflügel  des  Rückeng efässes  und  erzeugen  durch  die  Trennung 
der  beiden  Lamellen  einen  dreieckigen  Raum  auf  beiden  Seiten  des 
Gefässes,  der  stets  mit  Fettgewebe  (Ii)  angefüllt  ist.  Einige  Fäserchen 
verbinden    ebenfalls    das   Rückengefäss     mit    der   unteren    Fläche   der 


Querschnitt    des    Herzens   (Verick,   Oc.   1,    Obj.  2,    Camera  lucidu).     a,  Cuticula  der 
Rückenfläche ;  h,  Hypodermis ;    c,  c,  von  Muskeln  eingenommene  Hohlräume ;    d^  Herz- 
höhle ;  e,  ihre  Seitenwände ;  /",  Bauch  wand  des  Herzens  ;  ij,  Durchschnitt  einer  Trachee  ; 
h  h.  Massen  des  Fettgewebes ;  i,  Darmwand. 


Cuticula.  Während  auf  Querschnitten  das  Rückengefäss  stets  offen 
klafft,  zeigt  das  Supraspinalgefäss  im  Gegentheil  zusammengefallene, 
verhältnissmässig  dicke  Wandaugen,  die  zahlreiche  Fasern  enthalten, 
welche  indessen  bindegewebiger  Natur  zu  sein  scheinen  und  durchaus 
nicht  contractu  sind. 

Geschlechtsorgane,  —  Männliche  Organe  (Fig.  43,  56).  Sie 

bestehen   bei   Lithohius  aus   drei   Hodenröhren  und  zwei  Paaren  von 

Nebendrüsen.  Sie  zeigen  sich  besonders  im  Frühling  entwickelt,  von 
April  und  Mai  bis  Juni. 


Myriapoden.  121 

Die  Hodencanäle  besitzen  das  gleiche  Aussehen  {ii,  o,  Fig.  43). 
Sie  erscheinen  als  ziemlich  steife,  um  den  Darm  bis  zum  vierten  Fuss- 
paare  gewundene  Röhx'en  von  kreideweisser  Farbe,  welche  von  der 
Färbung  der  übrigen  Organe  absticht.  Ihre  Schlingen  sind  besonders 
um  das  Hinterende  des  Mitteldarmes  entwickelt.  Die  mittlere  Röhre  (n) 
ist  bedeutend  länger  als  die  seitlichen  (o).  Ihr  Volumen  variirt  je 
nach  dem  Füllungsgrade. 

Die  beiden  Seitencanäle  (o)  enden  frei  im  Cölom  mit  einem  ab- 
gerundeten, gewöhnlich  etwas  gebogenen  Ende;  sie  werden  in  ihrer 
Stellung  nur  durch  die  Schlingen  der  Malpighi'schen  Gefässe  und 
einiger  weniger  Tracheen  erhalten.  Der  Mittelcanal  {)i)  dagegen  ver- 
dünnt sich  ungemein,  indem  er  sich  auf  sich  selbst  zurückbiegt,  und 
scheint  mit  nacktem  Auge  oder  unter  der  Lupe  in  ein  feines  durch- 
sichtiges Fädchen  (w')  zu  enden,  welches  sich  gegen  die  Körperwand 
wendet  und  sich  zwischen  den  Massen  der  Muskeln  und  des  Fett- 
körpers verliert.  Man  kann  aber  unterm  Mikroskop  leicht  nachweisen, 
dass  der  etwas  schlanker  werdende  Canal  in  gleicher  Weise  wie  die 
Seitencanäle  blind  endet,  ungefähr  auf  der  Höhe  des  Vorderendes  der 
Nebendrüsen,  und  dass  seine  scheinbare  Fortsetzung  nur  durch  eine 
Trachee  und  ein  Ligament  des  Bindegewebes  gebildet  wird. 

Die  beiden  Seitencanäle  vereinigen  sich  auf  der  Rückenfläche  des 
Rectums  in  einen  Quercanal,  in  Mitte  dessen  die  unpaare  Röhre  mündet 
(Fig.  43).  Von  dem  Einsetzungspnnkte  dieses  Quercauals  ab  setzen 
die  Seitenröhren  ihren  Verlauf  nach  unten  fort,  indem  sie  seitlich  das 
Rectum  umschlingen  und  auf  dessen  Bauchfläche  schlüpfen ,  wo  sie 
eine  Art  gemeinschaftlicher  Tasche  bilden,  in  welche  auch  die  Aus- 
scheidungscanäle  der  Nebendrüsen  münden.  Diese  Tasche  öffnet  sich 
sichtlich  nach  aussen  durch  eine  vor  dem  After  gelegene  mediane 
Spalte,  ist  aber  so  eng  an  das  Rectum  angeheftet,  dass  eine  Trennung 
nicht  möglich  ist  und  wir  sogar  im  Zweifel  sind ,  ob  nicht  eine  Ver- 
bindung zwischen  ihr  und  dem  Rectum  existirt. 

Die  beiden  Paare  der  Nebendrüsen  sind  meist  beiderseits  so  eng 
an  einander  angeheftet,  dass  man  leicht  glauben  könnte,  es  sei  nur 
ein  einziges  Paar  vorhanden.  Sie  bestehen  aus  Läppchen,  die  um 
einen  Centralcanal  geordnet  sind,  und  man  triff"t  Exemplare,  bei 
welchen  eine  oder  mehrere  dieser  Drüsen  nach  vorn  in  einer  blind 
geschlossenen  Fortsetzung  des  Canals  enden ,  auf  welcher  einzelne 
Läppchen  eingepflanzt  sind.  Je  nach  dem  AnfüUuugsgrade  haben 
die  Drüsen  eine  kreideweisse  oder,  wenn  sie  nicht  sehr  thätig  sind, 
eine  violettblaue  Farbe.  Sie  bilden  zusammen  zwei  den  Darm  auf 
beiden  Seiten  und  auf  der  Bauchfläche  umfassende  Massen.  Die 
grossen  Drüsen  (p,  Fig.  43;  /,  Fig.  56,  a.  f.  S.)  nehmen  wesentlich 
das    ganze    hintere    Drittel    des   Cöloms    in    der    Nähe    der    ventralen 


122 


Arthropoden. 


Mittellinie  ein,  während  die  kleinen  Drüsen  (g,  Fig.  43;  c,  Fig.  56) 
mehr  auf  die  Seiten  rücken.  Die  Ausscheidungscanäle  dieser  Drüsen 
münden  jederseits  in  die  Eudtasche  durch  eine  gemeinschaftliche  Oeff- 
nung,  in  der  nächsten  Nähe  der  Sammelcauäle. 

Um  die  histologische  Structur  dieser  Theile  mit  genügender  Ge- 
nauigkeit zu  kennen,  müsste  man  junge  oder  überwinternde  Individuen 
untersuchen,  die  uns  nicht  zu  Gebote  standen.  Während  der  lebhaften 
Thätigkeit  der  Organe  ist  die  Structur  immer  mehr  oder  weniger  durch 
die  bedeutende  Entwicklung  der  Producte  geändert  oder  sogar  ver- 
wischt. 

Alle  drei  Hodeucanäle  besitzen  eine  ähnliche  Structur.  Eine  feine 
Peritoneallamelle,   welche  von  einer  Schicht  von  Kreismiiskelfasern  ge- 


Mänuchen  von  Lithobius.  Querschnitt  des  Körpers  (Verick,  Oc.  1,  Obj.  0,  Camera 
luclda).  a,  Rückentegument ;  6,  Bauchtegument ;  c,  unpaarer  Hoden;  d,  seitliche 
Hodenröhren  ;  e,  kleine  Nebendrüse  ;  /,  grosse  Nebendrüse ;  g,  Fettmassen  ;  h,  Darm ; 
i,  Absonderungscanal  der  Geschlechtsnebendrüsen;  h  ,  M  a  1  pi  gh  i'sche  Gefässe  ; 
l,  Nervensystem;  m,  Herz ;  w,  Bauchgefäss;  o,  die  iintere  Fläche  der  Rückenhaut 
bedeckende  Muskeln ;  p,  das  Bauchchitin  überziehende  Muskeln ;  q,  Seitenmuskeln ; 
r,   durchschnittene  Tracheenröhren. 


folgt  ist,  umgiebt  sie.  Diese  Schicht  ist  dicker  in  der  Nähe  der 
Cloakenöffuung  und  in  den  zusammengeschnürten  Theileu,  wo  nicht 
so  viel  Producte  in  der  Röhre  angesammelt  sind ;  dagegen  verdünnt 
sie  sich  ungemein  auf  den  durch  innere  Anhäufungen  ausgedehnten 
Theilen.     Auf  der  unpaaren  Röhre  haben  wir  ausserdem  von  einander 


Myriapoden. 


123 


getrennte    und    auf  der  äusseren   Fläche   der   Kreisschiebt   verlaufende 
Längsfasern  bemerkt. 

Was  nun  das  Endothelium  anbetrifft,  so  wechselt  es  ungemein 
sein  Aussehen,  je  nach  den  Stellen  und  je  nach  der  Entwicklung  der 
Zellen.  Auf  den  der  Cloake  benachbarten  Theilen,  welche  gewöhnlich 
leer  sind,  erblickt  man  sehr  verlängerte,  mit  deutlichen  Kernen  ver- 
sehene Zellen ,  die  mehrere  Schichten  bilden ,  Körner  und  zuweilen 
Vacuolen  auf  ihren  inneren  Enden  zeigen.  Eine  gleiche  Bildung  des 
Eudotheliums  ist  uns  auf  Querschnitten  der  paarigen  Röhren  (Fig.  57) 
aufgefallen,  wo  die  Oeffnung  nur  noch  eine  schleimige ,  in  Folge  der 
Reagentien  körnig  gewordene  Masse  mit  Bündeln  von  reifen  Zoospermen 
enthielt.  Im  Mittelcanal  dagegen ,  wo  die  Zellenkuospuug  in  voller 
Thätigkeit  vorgeht,  ist  die  Anordnung  eine  ganz  andere.  An  die 
Muskelschicht  schliesst  sich  eine  Schicht  von  Zellen  mit  grossen  Kernen 
an,   welche   successiv  in  Schichten   von  anderen   Zellen  übergeht,   die 

ungemein  anwachsen,  sich  nach  und 
nach  von  den  Wänden  ablösen  und 
allmählich  in  Bündel  von  Zoospermen 
sich  umwandeln,  welche  jedoch  nicht 
in  Scheiden  eingeschlossen  werden 
und  keine  Spermatophoren  bilden, 
wie  man  sie  bei  anderen  Myriapo- 
den findet.  Wir  geben  hier  zwei 
Figuren,  wovon  die  eine  (Fig.  58,  J., 
a.  f.  S.)  einen  Theil  eines  Quer- 
schnittes, die  andere  einen  Theil 
eines  Längsschnittes  (Fig.  58,  B) 
darstellt,  aus  welchen  der  Anfänger 
die  Mannigfaltigkeit  der  Anorduun- 


Fio-.   57. 


Theil  eines  Querschnittes  einer  tseitlichen 
Hodenröhre  (Verick,  Oc.  3,  Obj.  7.  Ca- 
mera lucida).  a,  äussere  Schicht  von 
Kreismuskelfasern ;  b,  Enclothelialzellen; 
c,  ihre  Kerne. 


gen  ersehen  kann.  Immerhin  muss 
man  bedenken ,  dass  alles  in  eine 
schleimige ,  durch  die  Reagentien 
körnig  gewordene  Substanz  einge- 
hüllt ist.  Die  Entwicklung  der 
Spermatocyten ,  auf  welche  wir  hier  nicht  eingehen  können,  wurde  in 
allen  ihren  Einzelheiten  von  Gilson  und  Pernant  (s.  Literatur)  dar- 
gelegt. Die  reifen  Zoospermen  des  Lithobius  und  im  Allgemeinen  der 
Chilopoden  sind  sehr  lang  und  fadenförmig.  Man  kann  an  ihnen  drei 
verschiedene  Regionen  unterscheiden :  einen  vorderen  spiraligen  Theil, 
einen  mittleren  cylindrischen  Theil  und  einen  feineu,  aber  kurzen 
Endfaden. 

Die  grossen  Nebendrüsen  zeigen  innerhalb  einer  zarten  Hülle 
nur  ein  abgeplattetes  Pflasterepithelium ,  dessen  Zellen  mit  den 
Kernen     deutlich     hervorstehen.       Sämmtliche    Höhluogen     sind    mit 


124 


Arthropoden. 


feinen,  im  frischen  Zustande  bereits  vorhandenen  Granulationen  über- 
füllt. 

Jedes  Läppchen  der  kleinen  Nebendrüsen  ist  ebenfalls  mit  einer 
feineu  Hülle  vimzogen ,  an  welcher  die  Zellen  haften ,  die  aber  ver- 
schiedene Formen  zeigen ;  die  einen  sind  fast  rund  mit  deutlichem 
Nucleus  und  Kernchen ,  während  die  anderen  vollständig  durchsichtig 
sind  und  einen  an  der  Wand  sitzenden  Kern  besitzen.  Das  Innere 
des  Läppchens  zeigt  eine  coagulirte  Masse,  in  welcher  man  zuweilen 
Kerne  antrifft.  Der  Absonderungscanal  der  Drüse  besitzt  verhältniss- 
mässig  dicke  Wandungen,   welche  aus  grossen,   länglichen,  stark  kör- 

Fig.  58. 


Stücke  von  Durchschnitten  der  mittleren  Hodenröhre  (Verick,  Oc.  3,  Obj.  7,   Camera 

lucida).    A,   Querschnitt ;   i?,  Längsschnitt.    «,  Schicht  von  Quermuskelfasern  ;  6,   dieser 

Schicht    aufgesetztes  Endothelium ;    c,    Samenbildungszellen    in    verschiedenen    Stadien 

der  Entwicklung ;  cZ,  Bündel  von  Zoospermen ;  e,  äussere  Längsmuskelfiisern. 


nigen  Zellen  bestehen,  die  alle  einen  eiförmigen  Kern  zeigen ,  welcher 
dem  freien  Ende  der  Zelle  genähert  ist. 

Sämmtliche  histologische  Untersuchungen  werden  durch  die  Zart- 
heit der  Zellen  und  der  Menge  des  klebrigen ,  von  kleinen  Körnchen 
überfüllten  und  beinahe  immer  die  Läppchen  verstopfenden  Secretes 
sehr  erschwert.  Diese  Körnchen  scheinen  bei  durchfallendem  Licht 
schwarz;  sie  zeigen  Brown'sche  Bewegungen. 

Wir  wollen  hier  das  Endglied  des  Körpers  der  Männchen  (Fig.  43) 
besprechen. 


Myriapoden.  125 

Die  verschiedenen  erwähnten  Canäle  münden  in  eine  Art  Yon 
röhrenförmiger  Cloake,  welche  sich  nach  aussen  mit  einer  von  meh- 
reren Chitinbildungen  bedeckten  Spalte  öffnet.  Das  Cloakenende  wird 
in  der  That  auf  der  Bauchseite  durch  eine  nach  hinten  abgerundete 
Platte  überdacht,  auf  deren  beiden  Seiten  sich  eng  an  einander  die 
Basalglieder  des  letzten  P"'usspaares  (r)  anlegen ,  so  dass  die  durch- 
löcherten Coxalschilde  dieser  Griieder  die  Endtheile  umfassen.  Man 
findet  ferner  in  der  Mitte  zwei  kleine,  mit  einigen  Haaren  (s)  versehene 
Chitinplatten,  welche  durch  einen  weichen  und  durchsichtigen,  me- 
dianen Streifen  vereinigt  sind.  Sie  könnten  die  Gesclilechtsplatten 
genannt  werden.  An  dieser  Yereinigungsstelle  erhebt  sich  ein  cen- 
trales Wärzchen  in  Form  eines  abgestumpften  Kegels  («),  auf  welchem 
einige  starre  Borsten  eingepflanzt  sind  und  dessen  Aussenseiten  von 
zwei  starken  und  gebogenen  Chitinlamellen  (t),  den  äusseren  Geschlechts- 
platten, umgeben  sind.  Unter  der  Lupe  würde  man  glauben  zwei 
Haken  zu  sehen,  deren  freie  Spitzen  gegen  die  Mittellinie  gerichtet 
wären.  Dieses  derbe  Wärzchen  ist  auf  der  Bauchfläche  der  Geschlechts- 
öffnung gelegen  und  es  würde  vielleicht  nicht  unrichtig  sein ,  es  als 
ein  Reizungsorgan,  als  einen  Penis,  zu  betrachten. 

Die  Geschlechtsöffnung  wird  von  der  Afteröffnuug  durch  eine 
horizontale,  schwax'ze,  starke  Platte  (ic)  getrennt,  deren  Ende  beinahe 
rechtwinklig  abgeschnitten  ist.  Man  könnte  sie  die  Perinealplatte 
nennen.  Zuletzt  wird  die  Afteröffnung  von  der  Rückseite  durch  eine 
einzige,  in  der  Mitte  etwas  ausgebreitete  Platte  (r)  überdeckt,  die  voll- 
ständig das   Aussehen  einer  gewöhnlichen  Rückenplatte  besitzt. 

Mit  Ausnahme  der  beschriebenen  Warze  giebt  es  also  keine  Be- 
gattungsorgane, die  man  als  solche  bezeichnen  könnte. 

Leon  Dufour  hat  den  männlichen  Apparat  bei  Lithobius  ziemlich 
gut  beschrieben  und  abgebildet:  er  begeht  nur  den  Irrthum,  die  Xeben- 
drüsen  als  die  eigentlichen  Hoden  und  die  Hodenröhren  als  Samen- 
bläschen zu  betrachten. 

Weibliche  Organe  (Fig.  59  und  60).  —  Das  Verhalten  dieser 
Organe  wechselt  ungemein,  je  nach  dem  Zeitpunkt,  wo  man  sie  beob- 
achtet. \Yir  haben  sie  im  Mai  untersucht ,  als  die  Eier  theil weise 
reif  waren. 

Der  auf  der  Rückenfläche  des  Darmes  gelegene  Eierstock 
(Fig.  59,  «,  a.  f.  S.)  erstreckt  sich  in  dieser  Zeit  bis  zum  Kopfe,  und  eine 
Verletzung  desselben  ist  bei  Oeffnung  des  Thieres  schwer  zu  vermeiden. 
Seine  Wände  sind  ausserordentlich  zart  und  bestehen  aus  einer  feinen 
Peritonealscheide ,  in  welcher  Pikrocarminfärbung  zahlreiche  körnige 
Kerne  unterscheiden  lässt.  Auf  der  Innenfläche  dieser  Hülle  lagern 
Eier  in  sehr  verschiedeneu  Entwicklungsstadien.  Die  kleinsten  lassen 
sich  nicht  von  runden  Epithelialzellen  mit  durchsichtigem  Protoplasma, 
Kern    und  Kernkörperchen,    unterscheiden;    während    des  Wachsthums 


126 


Arthropoden. 


wird    das    Protoplasma    körnig,    milchweiss    und    zuletzt    werden    die 
anderen    Theile    des   Eies    durch    seine    Undurchsichticrkeit    der    Beob- 


Fio-.  59. 


Dreifach  vergrösserte  weibliche  Organe,  von  der  Rückenfläche  aus  gesehen.  Man  hat 
die  verschiedenen  Organe  besonders  auf  der  rechten  Seite  ausgebreitet  und  den  Darm, 
der  in  der  Normalstellung  die  Mittellinie  einnimmt,  zur  Seite  geschoben,  oj,  Eier- 
stock; a^,  reifes  Ei;  a^,  Ende  des  Eierstocks  im  Eileiter;  b,  Eileiter;  c,  seine  Aus- 
breitung; c',  das  Rectum  umschlingende  und  zur  Cloake  sich  erstreckende  Canäle ; 
d,  Kittdrüsen;  d^,  Ausführungscanal ;  d^,  Behälter;  e,  Schleimdrüsen;  e',  ihre  Aus- 
führung'scanäle ,  welche  sich  unter  dem  Rectum  vereinigen  und  in  die  Cloake 
münden ;  /,  Samenbehälter ;  /',  Hals  dieser  Behälter ;  g,  theilweise  mit  dunklen  Gra- 
nulationen gefüllter  Mitteldarm;  7i,  Malpighi'sche  Gefässe ;  h',  Erweiterungen  der- 
selben an  ihrer  Einmündung,  -die  mit  schwarzen  Granulationen  gefüllt  sind  (in  diesem 
Exemplar  allein  haben  wir  diese  Ausweitungen  bemerkt) ;  i,  Rectum  ;  Je,  Theil  des 
Endsegmentes  des  Körpers  ;  l,  letztes  Fusspaar  ;  m,  After;  ?i,  Afterscheide  ;  o,  Perineal- 
platte;  />,  ventrale  Geschlechtsplatte;  q,  Geschlechtszange;    r,  zweispaltiger  Endhaken 

der  Zansre. 


Myriapoden.  127 

achtung  entzogen.  Die  reifen  Eier  bilden  sowohl  nach  innen  als  nach 
aussen  vorspringende  Erhöhungen.  Wenn  man  unter  dem  Mikroskop 
frische,  durch  Pikrocarmin  gefärbte  Eierstöcke  beobachtet,  sieht  man, 
dass  die  ursprünglichen,  überall  auf  der  Wand  sich  vorfindenden  Eier 
eine  höchst  feine  Dotter membran  und  ein  ziemlich  grosses,  wasserhelles 
Keimbläschen  besitzen,  welches  ungefähr  zwanzig  zerstreute  Kernchen 
mit  stark  lichtbrechenden  Wänden  enthält.  Je  mehr  die  Eier  wachsen, 
um  so  dicker  scheinen  ihre  Hüllenmembranen  zu  werden ,  die  ein 
flockiges  Ansehen  bekommen.  Die  Ursache  dieses  Aussehens  beruht  in 
der  Anhäufung  von  Zellenmassen  auf  der  Dotterhaut,  welche  mit  ein- 
ander verschmelzen,  so  dass  sich  schliesslich  nur  noch  körnige,  sich 
stark  färbende  Kerne  unterscheiden  lassen.  Die  Epithelialzellen  des 
Eierstockes,  welche  nicht  grösser  werden,  bilden  demnach  durch 
ihre  Verschmelzung  vollkommene,  das  Ei  umgebende  Follikel.  Letzteres 
behält  seine  homogene  Dotterhaut,  während  das  Dotterprotoplasma 
immer  mehr  mit  feinen  Granulationen  sich  füllt.  Das  Keimbläschen 
bleibt  anfangs  hell;  jedoch  lösen  sich  die  lichtbrechenden  Nucleolen 
ebenfalls  nach  und  nach  in  sehr  feine ,  denen  des  Dotters  ähnliche 
Körnchen,  die  sich  stark  färben,  und  zuletzt  in  Granulationen  auf, 
die  das  Keimbläschen  vollständig  erfüllen. 

Das  histologische  Aussehen  des  Eierstockes  verändert  sich  un- 
gemein auf  Schnitten,  in  Folge  der  Einwirkung  der  Reagentien,  welche 
die  verschiedenen  Elemente  zusammenziehen.  Die  Epithelialzellen  wer- 
den deutlicher,  indem  sie  sich  abplatten  und  in  dem  durch  ihre  Ver- 
schmelzung gebildeten  Stroma  erscheinen  gewundene  Canäle,  die  uns 
nur  durch  Contractionen  hervorgebrachte  Hohlräume  zu  sein  scheinen. 
Eier  und  Eichen  nehmen  unregelmässige  Formen  an;  die  Follicular- 
schicht,  welche  sie  umgiebt,  löst  sich  mehr  vom  Stroma  ab;  der  Inhalt 
wird  vollständig  opak  und  zeigt  in  den  grossen  reifen  Eiern  kugelige 
Massen  von  verschiedener  Grösse,  welche  durch  sehr  lichtbrechende 
Granulationen  gebildet  werden,  mit  einem  Fetttröpfchen  im  Centrum. 
Die  Eihülle  allein  bleibt  durchsichtig,  obgleich  sie  dicker  wird. 

Der  Eiersack  setzt  sich  in  einen  engeren  Hals  fort,  worin  man 
junge,  auf  unregelmässigen  Querwülsten  sitzende  Eichen  findet,  und 
endet  im  Eileiter  (b)  als  geschlossener  Blindsack.  Man  kann  diese 
Thatsache  auch  auf  Serien  von  Querschnitten  feststellen.  Von  der 
Peritoneallamelle  des  Eierstockes  löst  sich  nach  und  nach  eine  feine 
Lamelle  ab,  welche  das  Eierstockende  umgiebt  und  eine  Röhre  mit 
sehr  feiner  Wandung  bildet.  Die  reifen  Eier  finden  sich  immer  dem 
Kopfende  des  Eierstockes  genähert,  und  da  letzterer  einen  geschlossenen 
Sack  darstellt,  so  müssen  die  reifen  Eier  nach  ihrer  Ablösung  zwischen 
den  entstehenden  Eichen  die  Sackhöhle  durchgehen,  um  endlich,  nach 
Zerreissung  des  Blindsackes,  in  den  Eileiter  zu  fallen.  Die  Wände 
desselben,  zuvor  ungemein  dünn,  werden  aber  allmählich  dicker  und  sind 


128 


Arthropoden. 


am  Ende  und  bei  ihrer  Ausbreitung  mit  Längsmuskelfaeern  versehen. 
Hier  und  da  erblickt  man  grosse  Drüsenmassen  mit  einem  klebrigen 
Inhalt,  die  in  die  Höhlung  des  Eileiters  vorspringen.  Man  kann  auf 
Schnitten  constatiren  (Fig.  60),  dass  in  der  Mitte  seines  Verlaufes  der 
Eileiter  den  ganzen  Raum  zwischen  dem  Herzen  nach  oben  und  dem 
Rectum  nach  unten  einnimmt;  unter  letzterem  finden  sich  die  End- 
ganglien der  Nervenkette,  während  die  Nebendrüsen  mit  den  Muskel- 
massen und  mit  den  Tracheen  die  seitlichen  Räume  des  Cöloms  ein- 
nehmen. 

Der  Eileiter  liegt  während  des  beschriebenen  Verlaufes  auf  der 
Rückenfläche  des  Rectums.  Ungefähr  in  der  Mitte  der  Länge  dieses 
letzteren  aber  theilt  er  sich  in  zwei  Arme  (Fig.  59,  c'),  die  das  Rectum, 

Fig.  60. 


Weibchen  von  Lithohiiis.  Senkrechter  Querschnitt  im  vorletzten  Körpersegment 
(Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  0,  Camera  fecicZa).  Man  hat  nur  den  Mitteltheil  des  Schnittes 
gezeichnet  und  die  seitlichen  Muskelmassen  weggelassen,  a,  Rückentegument ;  &,  Bauch- 
tegument ;  c,  Eileiter,  mit  einigen  drüsenartigen  Erhöhungen  am  Darm  ;  links  sieht 
man  die  Mündung  (c^)  in  die  Cloakenhöhle ;  d,  die  inneren  Falten  seiner  Endothelial- 
schicht  zeigendes  Rectum ,  mit  durchschnittenen  Tracheen  in  den  Faltenräumen ; 
e,  Kittdrüse;  e'-,  ihr  Ausführungscanal,  durchschnitten;  /,  Schleimdrüse;  _/'■'■,  ihr 
Ausführungscanal ,  quer  durchschnitten ;  g^  Peritonealhülle  des  Samenbehälters ,  die 
Wand  der  Cloake  bildend;  ^'^  zurückgebogener  Theil  dieser  Membran;  9^,  Cloaken- 
höhle, li^,  eigene  Drüsenwand  des  Samenbehälters ;  ?!,  Smegma  im  Innern  des  Behälters.; 
h,  körnige  Schicht  des  Fettkörpers  ;  /,  sehr  nahe  an  den  Ganglien  durchschnittene  Nerven- 
stränge ;    m,    zu    den    Füssen    gehende    Nerven ;    m,    untere    Fettschicht ;    o,    ventraler 

Quermuskel. 

über  dem  sie  eine  Art  Brücke  bilden,  umfassen,  zu  beiden  Seiten  des- 
selben auf  die  Bauchfläche  hinabgleiten,   wo    sie   in  einen  weiten  Sack 


Myriapoden.  129 

mit  sehr  dünner  Wandung,  in  eine  Cloake  ziisanimenfliessen,  in  welclie 
die  Canäle  der  Nebendrüsen  ausmünden.  Dieser  Sack  ist  in  seinen 
Mitteltheilen  so  zart  und  durchsichtig  und  haftet  so  sehr  an  den  be- 
nachbarten Theilen  an,  dass  man  eine  Verbindung  mit  dem  das  Cölom 
auskleidenden  Peritoneum  kaum  verneinen  dai-f.  Auf  unseren  Schnitten 
lassen  sich  die  auf  dem  Rectum  laufenden  Seitencanäle  erblicken 
(Fig.  60,  c');  über  ihre  Fortsetzung  bleibt  man  jedoch  im  Zweifel,  und 
die  Thatsache,  dass  man  bei  den  befriTchteten  Weibchen,  trotz  aller 
Vorsicht  in  der  Behandlung,  Eier  im  Cölom  vorfindet,  scheint  für  eine 
Verbindung  der  Cloake  mit  der  allgemeinen  Körperhöhle  in-  dieser 
Region  zu  sprechen. 

Wie  dem  auch  sei,  so  bleibt  der  Sack  auf  seinen  Seiten,  wo 
er  die  OefFnungen  der  verschiedenen  Anhangsdrüsen  erhält,  gut  be- 
grenzt und  endigt  in  der  Vulva,  die  „rechts  und  links  von  einem 
zweigliedrigen  Hakenstücke  umgeben  ist,  welches  in  eine  doppelte,  an 
der  Basis  mit  zwei  kurzen  Zähnen  bewaffnete  Spitze  ausläuft"  (L.  Du- 
four).     Wir  werden  später  diese  Bildung  besprechen. 

Die  histologische  Untersuchung  des  Eileiters  bietet  zahlreiche 
Schwierigkeiten.  Die  äusserst  feinen  Wände  scheinen,  so  weit  sie  das 
Eierstockende  umfassen,  nur  aus  der  Peritoneallamelle  und  aus  einem 
sehr  abgeplatteten  Epithelium  zu  bestehen.  Die  ganze  Höhlung  des 
Canals  ist  mit  einem  klebrigen  Schleim  erfüllt,  welcher  unter  dem  Ein- 
flüsse der  Reagentien  zu  freien  Fettkörnchen  gerinnt.  Die  Wände 
werden  sehr  schnell  dick  und  zeigen  dann  zahlreiche  Längsfalten, 
welche  zuweilen  sich  dermaassen  erhöhen ,  dass  sie  die  gegenüber 
stehende  Wand  berühren  und  das  Lumen  des  Canals  in  mehrere  Längs- 
rinnen zu  theilen  scheinen.  Auf  den  Schnitten  zeigen  sich  diese  Falten 
als  Zotten,  die  sogar,  besonders  an  der  Verzweigung  des  Canals,  drüsen- 
artiger Natur  zu  sein  scheinen.  Ausser  diesen  Theilen  zeigen  die  Ei- 
leiterwände ein  Endothelium,  welches  aus  eiförmigen,  mehrschichtigen 
Zellen  gebildet  ist,  auf  welchen  eine  feine  Hyalinschicht  sich  innerlich 
ausbreitet.  In  dieser  Hyalinschicht  lässt  sich  eine  feine  Kreisstreifung 
erblicken. 

Die  verschiedenen  Nebendrüsen  liegen  auf  den  Seiten  und  auf  der 
Bauchfläche  des  Rectums. 

Die  der  Mittellinie  am  meisten  genäherte  Drüse  (Fig.  59,  ä; 
Fig.  60,  c)  ist,  wie  die  zweite,  bedeutend  in  die  Länge  gezogen,  und 
aus  unregelmässigen,  abgerundeten  Läppchen  zusammengesetzt.  Im 
frischen  Zustande  beobachtet,  erscheint  sie  durchsichtig,  von  bläulicher 
Farbe  (die  Farbe  des  Blutes)  und  mit  einem  schleimigen  Inhalte  gefüllt, 
welcher  bereits  durch  den  Einfluss  des  W^assers  und  noch  mehr 
durch  die  Reagentien  gerinnt.  Wir  werden  diese  Drüse  die  Kitt- 
drüse nennen.  Der  Ausführungscanal  {d')  zeigt  einen  wellenförmigen 
Verlauf  und  in  allen  Fällen  eine  gegen  die  Mittellinie  gedrehte  Schleife; 

Vogt  u.  Yuug,   prakt.   vergl.    Anatomie.     II.  9 


130  Arthropoden. 

er  läuft  über  die  äussere  Seite  der  Cloake.  Zunächst  aus  ziemlich 
dicken  Wänden  mit  einem  aufgewulsteten  Endothelium  gebildet,  er- 
weitert er  sich  in  eine  lange  Blase  (d^),  welche  sich  bald  mit  der 
Cloake  vereinigt  und  mit  derjenigen  der  anderen  Seite  in  einer  quer- 
spaltigen  Oeffnung  mündet. 

Die  zweite  Drüse,  die  Schleimdrüse  (Fig.  59,  ß;  Fig.  60,/), 
besitzt  beinahe  die  gleiche  Form  wie  die  vorige  und  besteht  wie  sie 
aus  abgerundeten  Läppchen.  Jedoch  zeigt  ihr  Inhalt  bereits  im 
frischen  Zustande  das  kreidige  und  körnige  Aussehen ,  welches  der- 
jenige der  anderen  Drüse  nur  durch  Reagentien  erhält.  Der  Aus- 
scheidungscanal  ist  steifer,  hat  einen  geraden  Verlauf  ohne  wellen- 
artige Biegungen  und  dickere,  weissgelbliche  Wände.  Der  Canal  (c') 
biegt  sich  gegen  denjenigen  der  anderen  Seite  hin  und  öffnet  sich  mit 
demselben  in  der  Nähe  der  Mittellinie,  in  der  Rückenwand  der  Cloake, 
unweit  vom  After. 

Zuletzt  trifft  man  ein  gänzlich  auf  der  Bauchfläche  gelegenes 
drittes  Paar  von  Organen  (Fig.  59,  /;  Fig.  60,  «'),  welche  viel  umfang- 
reicher sind  als  die  eigentlichen  Drüsen.  Diese  durch  ihre  gelbliche  Fär- 
bung stark  hervortretenden  Körper  haben  die  Gestalt  von  Keulen  oder 
von  Spindeln  mit  abgerundeten  Enden.  Ihre  Wände  sind  sehr  dick, 
elastisch,  durchsichtig,  ihr  Inhalt  ein  zäher,  dicker  Brei.  Diese  beiden 
Säcke  oder  sackförmigen  Drüsen,  welche  wir  die  Samenbehälter 
nennen  werden,  nähern  sich  der  Mittellinie  und  öffnen  sich  in  der 
Cloake  auf  ihrer  Bauchfläche,  vor  den  Ausscheidungscanälen  der 
vorigen  Drüsen. 

Die  histologische  Structur  der  Kitt-  und  Schleimdrüsen  ist  beinahe 
die  gleiche.  Die  Läppchen  sind  von  einer  sehr  feinen  Peritonealhülle 
umzogen,  auf  welcher  ein  pflasterförmiges,  zuweilen  in  Folge  der  Ge- 
rinnung des  Inhalts  durch  die  Reagentien  kaum  erkennbares  Endo- 
thelium ruht.  Man  unterscheidet  in  dieser,  alle  Hohlräume  der  Drüsen 
füllenden  Masse  zahlreiche  Vacuolen  und  zerstreute,  manchmal  in  der 
Schleimdrüse  von  durchsichtigen  Ringen  umgebene  Kerne.  Die  Ab- 
sonderungscanäle  sind  von  einem  hohen  Endothelium  mit  conischen 
Zellen  ausgekleidet,  welche  auf  Schnitten  wie  Radspeichen  erscheinen 
und  deren  Kerne  dem  inneren  Ende  der  Zelle  genähert  sind.  In  der 
Erweiterung  des  Ausscheidungscanales  der  Kittdrüse  zeigen  die  Endo- 
thelialzellen  nicht  mehr  die  gleiche  regelmässige  Anordnung;  sie  werden 
hier  bedeutend  länger  und  ihr  innerer  Rand  scheint  nicht  mehr  streng 
begrenzt  zu  sein;  er  zeigt  kurze  Franzen,  wodurch  dieses  Ende  das 
Aussehen  eines  feinen  Spitzengewebes  annimmt. 

Die  dicke  und  durchsichtige  Hülle  der  Samenbehälter  färbt  sich 
sehr  schwer.  Ihre  Hauptmasse  enthält  sehr  feine,  glatte  Muskelfasern, 
welche  sich  ziemlich  leicht  trennen  lassen  und  sowohl  Längsschichten 
wie  Kreisschichten  bilden.     Diese  Muskelwände   sind   von  einer  feinen 


Myriapoden.  131 

Peritoneallamelle  umzogen.  Der  Inhalt  besteht  aus  reifen  Zoospermen, 
die  durch  eine  klebrige  Masse  derart  unter  einander  verbunden  und 
verfilzt  sind,  dass  in  Folge  eines  massigen  Druckes  die  Masse  als 
Ganzes  auf  einmal  austritt.  Vor  der  Begattung  wird  im  Behälter  nur 
dieser  formlose  Klebstoff  angetroffen. 

Welches  sind  nun  die  Functionen  dieser  Nebenorgane?  Wir  ge- 
stehen, immer  noch  im  Zweifel  über  diese  Frage  zu  sein,  wenigstens 
was  die  eigentlichen  Drüsen  betrifft.  Wir  nennen  jedoch  die  ersten 
Drüsen  Kittdrüsen,  obgleich  wir  mehrfach  in  ihren  Behältern  (d-)^  in 
P'olge  einer  vorhergehenden  Begattung,  Zoospermenbündel  angetroffen 
haben,  während  wir  weder  im  Ausführungscanal  {d^)  noch  im  Körper 
der  eigentlichen  Drüse  jemals  welche  gefunden  haben.  Die  Drüse 
liefert  nur  eine  klebrige  und  durchsichtige  Absonderung,  welche  viel- 
leicht zur  Bildung  einer  eiweissartigen  Hülle  des  Eies  während  seiner 
Ablagerung  dient.  Man  muss  hierbei  bemerken,  dass  die  Anwesenheit 
von  Zoospermen  eine  ganz  zufällige  ist,  da  wir  sie  nur  nach  vollstän- 
diger Füllung  der  Cloake  vind  der  Samenbehälter  darin  gesehen  haben. 

Der  körnige  Inhalt  der  zweiten  Drüsen  (c)  kann  uns  keine  Aus- 
kunft über  ihre  Function  geben ;  wir  geben  ihnen  den  indifferenten 
Namen  Schleimdrüsen. 

Leon  Dufour  nennt  die  sackförmigen  Drüsen  die  Talgdrüsen  (/) 
(glandes  sebacees),  und  diese  Benennung  scheint  nach  dem  Inhalte  eine 
richtige  zu  sein ,  da  letzterer  vor  der  Begattung  an  eine  verdickte 
Salbe  erinnert.  Es  ist  aber  von  uns,  namentlich  auch  auf  Schnitten, 
festgestellt  worden,  dass  diese  Säcke  nach  der  Begattung  immer  Haufen 
von  Bündeln  gut  entwickelter  Zoospermen  enthalten,  welche  denen  der 
männlichen  Organe  ähneln  und  besonders  in  der  Nähe  der  Cloake 
eingebettet  liegen.  Das  Smegma  ist  dann  in  das  distale  Ende  des 
Sackes  zurückgedrängt  und  diese  Thatsache  führt  uns  zu  der  Ansicht, 
dass  das  Smegma  nur  vor  der  Befruchtung  gebildet  und  resorbirt 
wird,  wenn  sich  das  Organ,  in  Folge  der  Begattung,  mit  Zoospermen 
füllt.  Die  Säcke  nehmen  übrigens  die  Stelle  ein ,  wo  sich  bei  den 
meisten  weiblichen  Insecten  der  oder  die  Samenbehälter  befinden  und 
scheinen  also  diesen  Bildungen  der  Insecten  homolog  zu  sein.  Wir 
werden  sie  deswegen  Samenbehälter  nennen,  um  ihre  Füllung  mit 
Zoospermen  nach  der  Begattung  zu  constatiren. 

Das  letzte  Segment  des  weiblichen  Körpers  hat  eine  andere  Form 
als  dasjenige  des  Männchens.  Von  der  Rückenfläche  aus,  wie  es  die 
Fig.  59  darstellt,  findet  man  eine  Schutzplatte  (w),  deren  Ränder  sich 
nach  unten  biegen,  um  so  eine  wirkliche  Scheide  um  die  Afteröffnung  (m) 
zu  bilden.  Unterhalb  dieser  Scheide  und  unmittelbar  an  ihre  Bauch- 
fläche angelegt,  findet  sich  eine  kleine  horizontale  Platte,  welche  wir 
als  Perinealplatte  bezeichnen,  da  sie  die  Geschlechtsöffnung  vom  After 
trennt.     Endlich  ist  das  Ganze  von  der  Bauchseite  her  von  einer  ober- 

9* 


132  Arthropoden. 

flächlichen  Platte  (p)  bedeckt.  Zwischen  derselben  und  der  Perineal- 
platte  zeigt  sich  die  von  zwei  seitlichen  Zangen  (q)  eingeschlossene 
Geschlechtsöffnung.  Jede  dieser  Geschlechtszangen  wird  von  drei 
Gliedern  gebildet;  ein  sehr  breites  und  kurzes  Basalglied,  welches 
gegen  die  innere  Ventralfläche  vorspringt  und  auf  dem  freien  Hinter- 
rande zwei  kleine,  abgerundete  Zähnchen  trägt,  die  so  gestellt  sind,  dass 
der  Eingang  zur  Scheide  auf  der  Bauchseite  durch  einen  Halbkreis 
von  vier  starken  Chitinzähneu  vertheidigt  wird.  Das  zweite,  kürzere 
und  dünnere  Glied  ist  mit  starken  Borsten  bekleidet  und  zeichnet  sich 
durch  einen  grossen  Reichthum  von  sehr  feinen  Tracheen  aus,  welche 
in  seinem  Inneren  ein  höchst  verwickeltes  Netz  bilden.  Endlich  bildet 
das  Endglied  (r)  einen  kräftigen  Chitinhaken  mit  zwei  abgestumpften 
und  sehr  nahe  an  einander  gerückten  Spitzen.  Die  beiden  Haken  sind 
mit  ihren  concaven  Flächen  nach  innen  gedreht  und  bilden  so  eine 
seitliche  Zange,  mit  welcher  das  Weibchen  während  der  Begattung  das 
Ende  der  männlichen  Organe  ergreifen  und  halten  kann. 

Wir  kennen  weder  die  Art  der  Begattung  bei  Lithobius,  noch  die 
Bildung  der  gelegten  Eier  oder  die  Entwicklung  des  Embryo  im  Ei. 
Die  jüngsten  im  April  und  Anfangs  Mai  gefundenen  Thierchen  besassen 
eine  Länge  von  3V2  Millimeter  und  eine  helle,  durchsichtige,  gelbliche 
Färbung.  Die  drei  ersten  Fusspaare  waren  allein  ausgebildet,  die 
anderen  Füsse  waren  nur  Stummel,  welche  auf  der  Bauchfläche  in  der 
Nähe  der  Mittellinie  angeheftet  waren. 

Wenn  auch  die  Cliilopoden  zahlreiche,  für  die  verschiedenen  Sj'steme  be- 
sonders interessante  Verschiedenheiten  in  den  Einzelheiten  bieten,  so  kann  man 
doch  behaupten,  dass  die  allgemeinen  Züge  ihi-er  Organisation  die  nämlichen 
bleiben  und  dass  diese  Ordnung  eine  grosse  innere  und  äussere  Einförmigkeit 
der  Structur  zeigt.  Mag  der  Körper ,  wie  bei  Geophilus ,  aus  einer  sehr 
grossen  Anzahl  von  Leibessegmenten  gebildet  oder  abgekürzt  sein,  wie  bei 
den  Scolopendern  und  Lithobius,  so  wird  man  dennoch  immer  ein  Fusspaar 
für  jeden  Ring,  die  gleichen  in  ihren  Formen  mehr  oder  weniger  veränderten 
Mundtheile  tmd  die  gleiche  Anordnung  der  inneren  Organe  vorfinden.  Auf- 
fallendere Verschiedenheiten  kommen  nur  bei  den  Augen  vor;  die  Geophiliden 
haben  keine ,  die  Scolopendriden  besitzen  nur  vier  isolirte  Augen ;  ferner 
zeigen  die  Lithobiden  dieselben  auf  mehreren  Reihen  verbunden ,  während 
die  Sentigeriden  Facettenaugen  wie  die  Insecten  tragen.  Die  Verminderung 
der  Sehganglien  auf  dem  Hirn  hält  mit  der  Verkümmening  der  Augen 
gleichen  Schritt.  Die  Familie  der  Sentigeriden  nimmt  übrigens  eine  ganz 
eigenthümliche  Stelle  ein,  sowohl  in  Bezug  auf  die  äussei'e  Anordnung  als 
auch  auf  die  Bildung  gewisser  innerer  Apparate.  Die  Tarsen  sind  zwei- 
spaltig und  sehr  lang;  auf  dem  Munde  zeigt  sich  zwischen  den  Kiefern  ein 
besonderes  Organ  (Maxillarorgan) ,  welches  vermuthlich  ein  Sinnesorgan  dar- 
stellt und  von  Haase  genau  beschrieben  worden  ist  (siehe  Literatur),  dessen 
Function  aber  noch  problematisch  erscheint.  Das  Athmungssystem  zeigt  die 
grössten  Verschiedenheiten.  Man  sollte  annehmen,  dass  jedes  Segment,  sogar 
des  Kopfes,  ursprünglich  sein  Stigmenpaar  hätte  besitzen  sollen,  jedoch  ist 
dies  nicht  der  Fall,  da  Eeductionen  in  den  verschiedenen  Körpertheilen ,  im 
Kopf,    Thorax  und  Abdomen   vorkommen.     Die    Gattung   Scolopendra    allein 


Myriapoden.  133 

hat  nur  noch  ein  Paar  von  auf  eleu  Seiten  und  an  dem  vorderen  Eande  des 
Kopfes  gelegenen  Stigmen  aufzuweisen;  die  Mehrzahl  der  anderen  Gattungen 
haben  ihre  Kopfstigmeu  verloren;  viele  zeigen  nur  noch  mehr  oder  weniger 
abwechselnde  Stigmen,  wie  unser  Typus,  während  andere  ein  Stigmenpaar 
auf  jedem  Leibesringe  besitzen.  Scutigera  zeigt  eine  ähnliche  Anordnung  wie 
die  der  Arachniden.  Auf  der  Mittellinie  des  Eückens  stehen  sieben  Stigmen 
in  Form  länglicher  Knopflöcher,  die  zu  einer  Höhle  führen,  von  welcher  un- 
gefähr sechshundert  kurze,  mehrfach  sich  theilende  Tracheen  ausgehen,  die 
blind  enden.  Dieselben  bilden  in  ihrem  Ganzen  ein  nierenförmiges  Organ, 
das  im  lebenden  Thiere  einen  durch  die  Ansammlung  der  Luft  iu  diesen 
Eöhren  hervorgebrachten  Metallglanz  besitzt.  (Für  die  Einzelheiten  siehe 
die  Arbeit  von  Haase.) 

Die  Organisation  der  Chüognathen  ist  im  Allgemeinen  mannigfaltiger.  Die 
dieser  Ordnung  angehörenden  Mj'riapodeu  haben  immer  drei  Vordersegmente, 
die  nur  ein  einziges  Fuss^^aar  tragen  und  so  einen  Thorax  bilden,  der  vom 
Abdomen  getrennt  ist,  wo  in  den  meisten  Fällen  jeder  Leibesring  zwei  Fuss- 
paare  trägt.  Was  letztere  anbetrifft,  giebt  es  jedoch  Unterschiede.  So  hat 
Polyxenus  lagurus  nach  Bode  (sielie  Literatur)  vier,  nur  ein  Fusspaar  tragende 
Vordersegmente,  vier  folgende,  jedes  mit  zwei  Füssen,  und  ein  hinteres  mit 
einem  Fusspaare.  Die  Mundorgane  zeigen  eine  grosse  Verschiedenheit.  Bei 
den  kauenden  Gattungen,  welche  sich  von  allerlei  verfaulten  thierischen  und 
pflanzlichen  Substanzen  ernähren,  fehlen  die  Giftzangen  immer,  während 
die  anderen  Organe,  Oberlippe,  Deutognatlien  und  Tritoguathen,  zwar  nach 
dem  gleichen  Typus  wie  bei  den  Chilognathen  angeordnet  sind,  aber  immer- 
hin sehr  verschiedenartige  Formen  und  Abänderungen  vorzeigen.  Doch 
herrscht  der  durchgreifende  Unterschied,  dass  die  Mandibelu  sich  durch  ihre 
sehr  erweiterten  Basaltheile  mit  einem  Mittelstück,  der  Unterlippe,  verbinden, 
um  einen  grossen,  den  Mund  schützenden  Deckel  zu  bilden,  dessen  Structur 
oft  sehr  complicirt  erscheint.  Durch  die  successive  Verminderung  der  Kiefer 
und  Mandibelu  gestaltet  sich  zuweilen  diese  Bildung  zu  einem  röhrenförmigen 
Saugapparate  um  {Polyzoniden), 

Die  Geschlechtsorgane  zeigen  die  grössten  Verschiedenheiten,  sogar  in  den 
beiden  Ordnungen.  Die  männlichen  Organe  der  Cliilopoden  sind  nach  dem 
gleichen  Plan  wie  bei  Lithobius  gebildet;  überall  trifft  man  den  un paaren 
Hoden  und  die  beiden  Paare  der  sehr  verschiedenartigen  Nebendrüsen ;  die 
paarigen  Hodeuröhren  dagegen  fehlen  meistens.  Die  Oeffnung  dieser  Organe 
steht  immer  am  Hinterende  des  Körpers,  vor  dem  After.  Bei  den  Chilo- 
gnathen dagegen  trefl^en  wir  stets  zwei  männliche  Geschlechtsöffnungen,  welche 
wie  die  der  Weibchen  am  Vordertheile  des  Körpers,  zuweilen  am  Basalgliede 
des  als  Geschlechtsfuss  fungirenden  zweiten  Fusses  (Polgdesmus),  zuweilen 
zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Fusse  (Julus)  angelegt  sind.  Die  Oeffnungen 
beflnden  sich  ohne  Ausnahme  auf  einer  speciellen  Erhöhung;  die  Ausscheidungs- 
canäle  treffen  auf  der  Mittellinie  in  einem  mehr  oder  weniger  verlängerten 
Theile  zusammen,  welcher  sich  bis  in  das  hintere  Ende  des  Körpers  erstreckt, 
bei  den  einen  als  ein  einfacher  Sack,  auf  -welchem  Hodenbläschen  {Glomeris} 
beiderseits  aufgereiht  sind.  Bei  anderen  da'gegen  theilt  sich  der  Sack  in  zwei 
Eöhren,  von  denen  eine  jede  nur  eine  einzige  Eeihe  von  Bläschen  trägt,  die 
aber  durch  zahlreiche  Q.uerstreifen  mit  einander  verbunden  sind  (Julus).  Die 
Nebendrüsen  fehlen  gewöhnlich.  Den  Palpen  der  Arachniden  hinsichtlich 
der  Function  ähnelnde  Begattungsorgane  wurden  von  Fahre  bei  Polydesmus, 
Craspedosoma,  Julus  auf  dem  siebenten  oder  achten,  sehr  modificirten  Fuss- 
paare nachgewiesen.  Diese  Organe  werden  vor  der  Begattung  mit  Samen 
angefüllt  und  dann  mit  den  weiblichen  Oefl'nungen  in  Berührung  gebracht. 
Die  weiblichen  Organe  der  Chiloxooden  zeigen  immer  einen  einzigen  Eierstock 


134  Arthropoden. 

der  manchmal  in  einen  einzigen  Eileiter  (Crt/ptops,  Geophilus)  oder  in  zwei, 
das  Rectum  umschlingende  Zweige  {Lithobius,  Scolopendra)  endet.  Die  Ei- 
leiter münden  stets  am  Hinterende  des  Körpers  in  eine  Cloake ,  in  welche 
mannigfaltig  variirte  Samenbehälter  und  wenigstens  ein  Nebendrüsenpaar  sich 
öffnen.  Zwei  Paare  von  diesen  Drüsen  finden  sich  bei  Scolopendra  wie  bei  Litho- 
bius. Bei  den  Chilognafhen  stehen  die  weiblichen  Oeffuungen  wie  bei  den  Männ- 
chen am  zweiten  Fusspaare,  zuweilen  auf  einem  Näpfchen,  in  dessen  Inneren 
man  als  Samenbehälter  dienende  Bildungen  sieht  {Julus,  Pohjclesmus),  während 
bei  anderen  {Craspedosoma)  getrennte  Samenbehälter  existiren.  In  anderen 
Fällen  sind  keine  Behälter  vorhanden  (Glomeris).  Die  beiden  Eileiter  ver- 
binden sich  wie  die  Samenleiter  in  einem  Mittelcanal,  von  dem  zwei  ge- 
trennte Ovarialsäcke  (Craspedosoma)  oder  ein  einziger  Sack  (Polyxenus ,  Glo- 
meris ,  Julus ,  Polydesmus)  ausgehen.  Im  letzteren  Falle  bildet  aber  das 
eiertragende  Stroma  zwei  Längswülste,  welche  auf  eine  Verschmelzung  von 
zwei  primitiven  Ovarien  hindeuten.  Für  die  Einzelheiten  verweisen  wir  auf 
die  ausgezeichnete  Arbeit  von  Fahre  (siehe  Literatur). 

Literatur.  —  Leon  Dufour,  Recherches  anatomiques  sur  le  Lithobius  forßcahis 
et  la  Scutigera  lineata.  Ann.  scienc.  natur.,  Bd.  II,  1824.  —  Georges  Newport, 
On  the  Organs  of  reproductlon  and  the  development  of  Myrlapoda.  Philosoph.  Trans- 
actions,  1841.  —  Ders.,  On  the  striicture,  relations  and  development  of  the  nervous 
and  circulatory  Systems,  ebend.,  1843.  —  Ders.,  On  the  reproductlon  of  tost  parts  in 
Myrlapoda  and  Insecta,  ebend.,  1844.  —  Stein,  De  Myrlapodum  partibus  genltalibus. 
Müller's  Archiv,  1842,  —  Fabre,  Recherches  sur  Panatomie  des  organes  reproducieurs 
et  sur  le  developpement  des  Myrlapodes.  Ann.  sc.  nat.,  4.  Serie,  Bd.  III,  1855.  — 
E.  Metschnikoff,  Embryologie  der  Chilognatha.  Zeitschr.  wissensch.  Zooh,  Bd.  XXIV, 
1874.  —  Ders.,  Embryologisches  über  Geophilus,  ebend.,  Bd.  XXV,  1875.  — 
J.  Plateau,  Recherches  sur  les  phenomenes  de  la  dlgestlon  et  sur  la  struciure  de 
Vappareil  digestlf  des  Myriapodes.  Mem.  Acad.,  Brüssel,  Bd.  XLIl,  1876.  —  Ders., 
Recherches  experlmentales  sur  la  vislon  chez  les  Arthropodes.  Brüssel,  1887  bis  1888. — 
E.  Voges,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Juliden.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zooh,  Bd.  XXXI, 
1878.  —  Ders.,  Das  Respirationssystem  der  Scutigeriden.     Zoolog.  Anzeiger,  5.  Jahrg., 

1882.  —  J.  Bode,  Polyxenus  lagurus,  Beiträge  zur  Anatomie,  Morphologie  und  Ent- 
wicklungsgeschichte der  Chilognathen.  Halle,  1888.  —  Grenacher,  Ueber  die  Augen 
einiger  Mj'riapoden.  Archiv  f.  mikroskopische  Anat.,  Bd.  XVIII,  1880.  ■—  Sograf, 
Anatomie  des  Lithobius  forficatus.  Arb.  Mus.  Zool.  Univ.  Moskau,  Bd.  I,  1880 
(russisch).  —  Ders.,  Der  Bau  der  Augen  bei  den  Tausendfüssern.  Zoolog.  Anzeiger, 
4.  Jahrg.,  1881.  —  Ders.,  Ueber  das  centrale  Nervensystem  -von  Lithobius  forßcatus. 
Soc.  des  amis  de  la  nuture  de  Moscou,  1881  (russisch).  —  Passerini,  Süll  organo 
ventrale  del  Geophilus  Gahielis.  Bollet.  Soc.  Entomol.  Itallana,  14.  Jahrg.,  1882.  — 
Alois  Humbert,  Etudes  sur  les  Myrlapodes.  Archiv.  Sc.  natur.,  Genf,  1882.  — 
Chatin,  Observations  sur  les  orlgines  de  V arter e  recurrente  chez  les  Myrlapodes.  Bidl. 
Soc.  Philomath.  Bd.  VII,  1883.  —  Karlinski,  Ueber  die  Giftdrüsen  in  den  Kiefer- 
füssen  der  Lithobiidae.  Kosmos  von  Lemberg ,  1883  (polnisch).  —  Meinert, 
Caput  Scolopendrae,  Kopenhagen,  1883.  —  Ders.,  De  formeentlige  Aandetratsredskaber 
og  deres  Mundiger  (Stomata)  hos  Slägien  Scutigera.      Meddel.  Nat.  For.,    Kopenhagen, 

1883.  —  Erik  Haase,  Das  Respirationssystem  der  Symphilen  und  Chilopoden. 
Zoolog.  Beiträge  von  A.  Schneider,  Bd.  I,  1884.  —  Ders.,  Schlundgerüst  und 
Maxillarorgan  von  Scutigera,  ebend.  —  E.  Tömösvary,  Eigenthümhche  Sinnes- 
organe der  Myriapoden.  Mitth.  naturw.  Ber.  Ungarn,  Bd.  I,  1882.  —  Ders.,  Ueber 
den  Bau  der  Spinndrüsen  der  Geophiliden,  ebend.,  Bd.  II,  1884.  —  G.Gilson,  Etüde 
comparee  de  la  Spermatogenese  chez  les  Arthropodes.  La  Cellide.  Recueil  de  Cytologie 
et  d'' Histologie  generale,  Bd.  I.  —  A.  Pernant,  Obs.  cytol.  sur  les  elements  seminaux 
du  Scolopendra  morsltans  et  du  Lithobius  forficatus,  ebend.,  Bd.  III. 


Insecten.  135 


C 1  a  s  s  e    der    Insecten    (Hexapo da). 

Die  in  dieser  Classe  zusammengefassten  Arthropoden  unterscheiden 
sich  äusserlich  hauptsächlich  durch  die  Vereinigung  der  sie  bildenden 
Ringe  in  drei  leicht  erkenntliche  Abtheilungen,  den  Kopf,  den  Tho- 
rax und  das  Abdomen.  Nur  die  beiden  vorderen  Abtheilungen  tragen 
gegliederte  Anhänge:  ein  Paar  Fühler  und  zwei  Paare  von  Kiefern  am 
Kopfe,  drei  Paare  von  Füssen  am  Thorax.  Ausserdem  unterscheiden 
sie  sich  von  allen  übrigen  Arthropoden  durch  die  häufige  Anwesen- 
heit von  zwei  Paar  Flügeln ,  die  auf  der  Rückenfläche  der  beiden 
letzten  Brustringe  angebracht  sind. 

Der  Körper  besteht  höchstens  aus  17  Ringen,  wovon  vier  dem 
Kopfe,  drei  dem  Thorax  und  zehn  dem  Abdomen  angehören. 

Das  centrale  Nervensystem  wird,  wie  bei  den  meisten  Arthropoden 
und  Anneliden,  von  einer  Kette  von  Ganglien  gebildet,  deren  Zahl 
sehr  veränderlich  ist  und  die  zu  den  einzelnen  Organen,  besonders  zu 
den  Gliedern  und  den  Sinneswerkzeugen,  Nerven  abgeben.  Die  Augen 
sind  besonders  bei  den  fliegenden  Insecten  sehr  ausgebildet;  die 
anderen  Sinneswerkzeuge  stehen  zurück. 

Der  Verdauungsapparat,  der  zuweilen  sehr  entwickelte  Neben- 
drüsen besitzt,  verkümmert  nur  bei  wenigen,  sehr  kurzlebigen  Gat- 
tungen. Die  Malpighi 'scheu  Gefässe,  welche  nie  fehlen,  entleeren 
in  den  hinteren  Abschnitt  des  Darmes  ihre  Absonderungsproducte,  die 
durch  den  After  ausgestossen  werden. 

Der  Athemapparat  besteht  aiis  einer  wechselnden  Zahl  von  mit 
Luft  gefüllten  Canälen ,  Tracheen ,  welche  sich  an  alle  Organe  ver- 
zweigen und  mit  ihren  letzten  Aesten  in  dieselben  eindringen.  Die 
Tracheenstämme  münden  nach  aussen  durch  besondere  Oeff'nungen, 
Stigmen. 

Da  in  Folge  dieses  Eindringens  von  Luft  in  den  ganzen  Körper 
das  Blut  nicht  zu  einem  localisirten  Athemorgane  geleitet  zu  werden 
braucht,  so  ist  das  Gefässsystem  nur  sehr  wenig  entwickelt.  Das  Herz 
wird  von  einer  rückenständigen,  pulsirenden  Röhre  gebildet,  in  welche 
das  Blut  durch  seitliche  Spalten  eindringt,  die  sich  in  mehreren  Bauch- 
ringen paarig  wiederholen.  Nach  vorn  verlängert  sich  das  Herz  in 
Form  eines  einzigen  Aortenstammes,  der  das  Blut  in  die  allgemeine 
Körperhöhle  ergiesst,  die  somit  einen  weiten  Blutraum  darstellt.  Nur 
ausnahmsweise  finden  sich  nach  hinten  vom  Herzen  abgehende  Ge- 
fässe, die  aber  stets  sehr  kurz  sind. 

Alle  Insecten  sind  getrennten  Geschlechts.  Parthenogenese  kommt 
häufig  vor.  Eierstöcke  und  Hoden  sind  röhrenförmig  und  nach  dem- 
selben   Plane   gebaut.      Fast   allgemein    finden    sich   zahlreiche    Neben- 


136  Arthropoden. 

Organe ,  Drüsen  ,  Samen-  und  Eibehälter  u.  s.  w.  Die  Jungen  durch- 
laufen verscliiedene ,  oft  zahlreiche  Metamorphosen,  die  nur  selten 
fehlen. 

Wir  nehmen  mit  Claus  und  den  meisten  Autoren  folgende  Ord- 
nungen an: 

1.  Geradflügler  (0  rthopter  a).  —  Mit  unvollkommener  Meta- 
morphose (Hemimetabola).  Beissende  Mundwerkzeuge;  zwei  Paare 
von  Flügeln,  von  welchen  die  vorderen  meist  fester  als  die  hinteren 
sind  und  sie  bedecken.  Freier,  beweglicher  Prothorax.  Blatta,  Lo- 
custa,  Ternies,  EpJiemera,  Libellula. 

2.  Netzflügler  {Neuroptera).  —  Mit  vollkommener  Metamorphose 
(Metabola).  Beissende,  zuweilen  zum  Saugen  rückgebildete  Mund- 
theile.  Vier  gleiche,  häutige  und  netzförmig  gegitterte  Flügel.  Freier 
Prothorax.     Panorpa,  Hemerohiiis,  Myrmeleon,  Phryganea. 

3.  FäGh.evß.üglev  {Strepsij}t er a).  —  Die  Larven  parasitisch  auf 
Ilymenopteren.  Die  während  ihres  ganzen  Lebens  schmarotzenden 
Weibchen  haben  weder  gegliederte  Anhänge  noch  Sinnesorgane.  Die 
Männchen  mit  stummeiförmigen ,  aufgerollten  Vorderflügeln  und  der 
Länge  nach  gefalteten  Ilinterflügeln.  Mundtheile  verkümmert.  Xeuos, 
StyJopis. 

4.  Schnabelkerfe  (Ilemijjtera,  Bliynchota). —  Mit  unvoll- 
kommener Metamorphose.  Flügellos  oder  mit  vier,  bald  ungleichen 
(Hemiptera) ,  bald  gleichen  Flügeln  (Homoptera).  Ein  Stechschnabel. 
Prothorax  frei.     Fedicuhis,  Äpliis,  Coccus,   Gicada,  Acanthia. 

5.  Zweiflügler  (Diptera).  —  Mit  vollkommener  Metamorphose. 
Saugende  und  stechende  Mundwerkzeuge.  Hinterflügel  verkümmert, 
zu  Schwingkolben  (Halteres)  umgebildet.  Prothorax  festsitzend. 
Musca,  Culex,  Piilex. 

6.  Schmetterlinge  {Lepidoptera).  —  Mit  vollkommener  Ver- 
wandlung, Mundwerkzeuge  zu  einem  in  der  Ruhe  spiralig  aufgerollten 
Saugrüssel  umgebildet.  Vier  mit  Schuppen  bedeckte  Flügel.  Pro- 
thorax festsitzend.     Pyrcdis,  Geometra,  Bomhyx,  SpMnx,  Vanessa. 

7.  Käfer  [Coleo2)tera).  Vollkommene  Metamorphose.  Beissende 
Mundtheile.  Vorderflügel  zu  Flügeldecken  (Elytren)  umgewandelt, 
unter  welche  die  quer  gefalteten  HinterÜügel  in  der  Ruhe  untergeschlagen 
werden.  Sehr  entwickelter  freier  Prothorax  (Halsschild).  Ceranibyx, 
Geotrupes^  liydrophüus,  Carahus. 

8.  Hautflügler  {Mymenoptera).  —  Vollkommene  Verwandlung. 
Mundtheile  zum  Beissen  und  Lecken  eingerichtet.  Festsitzender  Pro- 
thorax.    Sirex,  Cynips^  Ichneumon,  Apis,  Formica. 

Typus:  Melolontha  vulgaris,  Fahr.  —  Der  Maikäfer.  In 
ganz   Europa   gemein,    im    Frühjahre    auf  Bäumen,    deren   Blätter  er 


Insecten.  137 

frisst.  Die  Gattung  gehört  zu  der  Ordnung  der  Coleopteren ,  zur 
Gruppe  der  Pentameren  mit  fünfgliedrigem  Tarsus  und  zur  Familie 
der  Lamellicornier  mit  geblätterten  Fühlhörnern.  Strauss-Dürck- 
heim  hat  eine  grosse,  anatomische  Monographie  des  Insects  aus- 
gearbeitet und  mehrere  Jahre  seines  Lebens  auf  diese  Arbeit  ver- 
wendet, die  den  Stempel  ihrer  Epoche  trägt,  sich  in  Einzelheiten  über 
die  Muskeln  z.  B.  verliert,  die  übrigen  Organsysteme  aber  nur  sehr  kurz 
behandelt  und  die  mikroskopische  Anatomie  fast  ganz  bei  Seite  lässt. 
Es  bedürfte  einer  längeren  Arbeit,  um  die  Einzelheiten  zu  bestätigen, 
welche  das  "Werk  über  das  Chitinskelett  und  die  sich  daran  ansetzenden 
Muskeln  giebt.  Wir  haben  dasselbe  indessen  vielfach  beniitzt  bei 
Ausarbeitung  der  makroskopischen  Anatomie. 

Die  Larve  des  Maikäfers  ist  unter  dem  Namen  „Engerling"  be- 
kannt. Sie  lebt  drei  Jahre  lang  unter  der  Erde,  nährt  sich  von  Wur- 
zeln und  verwandelt  sich  im  vierten  Jahre  in  eine  unbewegliche  Puppe 
oder  Nymphe.  Das  vollkommene  Insect  (Imago)  findet  sich  schon  im 
Herbste  in  der  Puppe  und  kriecht  in  Ausnahmefällen  bei  warmer  Wit- 
terung im  September  oder  October  aus.  Meist  aber  verharrt  es  den 
Winter  hindurch  xind  erscheint  in  Mitteleuropa  zwischen  dem  15.  April 
und  15.  Juni.  Man  muss  seine  Untersuchung  zu  dieser  Zeit  in 
frischem  Zustande  vornehmen,  denn  die  kräftigsten  Fixirungsmittel 
der  Gewebe  dringen  nur  sehr  schwer  in  das  Innere  des  Körpers  ein. 
Die  inneren  Organe  von  Individuen,  die  mehrere  Wochen  lang  in 
Pikrin-  oder  Pikrinschwefelsäure  gelegen  hatten,  waren  oft  gänzlich 
zersetzt.  Die  Reagentien  zur  Fixirung  der  Gewebe,  von  welchen  wir 
sprechen  werden ,  müssen  stets  in  alkoholischen  Lösungen  angewandt 
werden.  Wässerige  Lösungen,  z.B.  von  Osmiumsäure,  Sublimat u.  s.  w., 
dringen  kaum  ein. 

Wir  haben  den  Maikäfer  als  Typus  der  Insectenclasse  sowohl 
seiner  Häufigkeit  als  auch  seiner  Grösse  wegen  gewählt.  Seine  Unter- 
suchung bietet  weniger  Schwierigkeiten  als  z.  B.  diejenige  der  Schabe 
oder  der  Biene.  Letztere  wäre  ihrer  höheren  Organisation  wegen 
wohl  vorzuziehen  gewesen,  aber  hier  stösst  man  auf  die  Schwierigkeit, 
sich  Königinnen  (fruchtbare  Weibchen)  zur  Untersuchung  zu  ver- 
schaffen. 

Aeussere  Anatomie.  —  Der  Körper  des  Maikäfers  ist  im 
Ganzen  eiföjmig,  vorn  abgerundet,  hinten  in  einer  Spitze  ausgezogen 
(Fig.  61,  g,  a.  f.  S.).  Wie  bei  den  meisten  Insecten  zerfällt  er  in  drei 
Abtheilungen,  Kopf,  Thorax,  Abdomen  (Fig.  61,  Ä,  B,  C),  jede 
aus  mehreren  Ringen  (Somiten)  zusammengesetzt,  die  in  dem  Kopfe 
verschmolzen ,  im  Hinterleibe  aber  frei  beweglich  sind.  Der  erste 
Brustring,  das  Halsschild,  ist  ebenfalls  frei  beweglich  und  von 
den  beiden  folgenden  Ringen  so  verschieden ,  dass  manche  Forscher 
wie  Strauss-Dürckheim,  ihn  als  eine  besondere  vierte  Abtheilung 


138 


Arthropoden. 


beschreiben.  Obgleich  er  keine  Flügel  trägt,  ist  er  aber  doch  den 
anderen  Brustringen  homolog  und  wir  werden  ihn  in  unserer  Beschrei- 
bung nicht  davon  trennen. 

Nachdem  man  sich  mit  diesen  allgemeinen  Punkten  vertraut  ge- 
macht hat,  trennt  man  die  drei  Körperregionen  mittelst  eines  feinen 
Scalpels  und  untersucht  sie  einzeln  unter  der  Lupe ,  um  ihre  Form 
und  ihre  Beziehungen  zu  den  Organen,  besonders  auch  am  Kopfe  und 
der  Brust,  zu  den  gegliederten  Anhängen  dieser  Theile  genauer  kennen 
zu  lernen.  Man  kann  zu  dieser  Untersuchung  mit  Vortheil  Exem- 
plare benutzen,  die   man   in   einer  Lösung   von  Aetzkali   gekocht  hat. 


Fiff.  61. 


Doppelt  vergrösserter  inämilicher  Maikäfer,  vom  Rücken  aus  gesehen.  Rechterseits 
sind  die  beiden  Flügel  ausgebreitet  worden,  um  die  Abdominalringe  1  bis  8  zu  zeigen. 
A,  der  Kopf  mit  den  seitlichen  Augen;  ß,  der  Thorax;  C,  das  Abdomen,  b,  Stirn; 
c,  Kiefertaster;  d,  die  Fühler  mit  sieben  Lamellen;  e,  Halsschild  oder  Prothorax; 
/,  erstes  Fusspaar ;  g,  Schildchen  oder  Mesothorax ;  h,  zweites  Fusspaar ;  «',  linker 
Flügeldeckel  in  der  Ruhe;  l',  rechter  Flügeldeckel,  zum  Fluge  gehoben;  k,  Mittel- 
furche des  Metathorax;  l,  Metathorax ;  m,  drittes  Fusspaar;  n,  der  rechte  häutige 
Flügel  ausgebreitet;    o,   sein    Gelenk;   p,  tei'minale  Flügeladern;    q,    das    spitze    Ende 

des  Hinterleibes. 


welches  die   übrigen  Organe  zerstört,   die  Chitinbildungen   aber  nicht 
angreift. 

Kopf.  —  Er  bildet  die  kleinste  Region  des  Körpers  (Fig.  61,  A) 
und  besteht  aus  vier,  bei  dem  erwachsenen  Thiere  zu  einem  einzigen 
Stücke,    dem    Kopfschilde,   verschmolzenen    Somiten.      Man    kann 


Insecten, 


139 


daran  den  Scheitel  unterscheiden  (Fig.  62,  A,  a,  h) ,  der  sich  auf 
jeder  Seite  mit  scharfer  Biegung  nach  unten  krümmt  und  nach  vorn 
sich  in  eine  Chitinlamelle,  die  Stirn  (c),  fortsetzt,  die  von  ihm  durch 
eine  seichte  Furche  geschieden  ist.  Von  oben  gesehen  (Fig.  61)  zeigt 
der  Kopf  vorn  die  Kiefertaster  (/),  die  Fühler  (d)  und  auf  beiden 
Seiten  die  vorgewulsteten  Augen  (Fig.  62,  d). 

Die  Unterseite  des  Kopfes  (Fig.  62,  £)  zeigt  mannigfaltigere  Bil- 
dungen. Ausser  den  seitlich  herabgekrümmten  Wangen  des  Kopf- 
schildes, welche  die  hintere  Fläche  einnehmen,  sieht  man  vorn  ein 
unpaares  Stück,  das  Basalschild  (h),  welches  seitlich  an  das  Kopf- 
schild und  nach  vorn  an  ein  zweites,  unpaares  Stück,  das  Kinn  (Men- 
tum)  (/),  anstösst,  an  dessen  Vorderrand  die  Unterlippe,  Labium 
(m),  eingelenkt  ist.  Diese  letztere  besteht  aus  einer  starken  Chitin- 
platte, deren  vorderer,   fx'eier  Rand   sich  gegen   die  Kiefer  anlegt ;  sie 

Fig.  62. 


Der  Kopf  des  Maikäfers,  sechsfach  vergrös.sert.  A,  Ansicht  von  oben ;  a,  Seitentheil 
des  Kopfschildes  (Wangen) ;  h,  vorderer  Rand  des  Kopfschildes ,  c,  Stirn ;  d,  Augen ; 
e,e,  Kante  der  Hornhaut;/,  Kiefertaster;  g,  Basalglieder  der  Antennen.  B,  der  ab- 
geschnittene Kopf  von  unten;  a,  Unterfläche  des  Kopfschildes;  b,  das  Basalstück ; 
c,  Rand  der  Stirn ;  d,  Augen ;  e,  OeflFnung  zum  Durchtritt  des  Schlundes,  der  Nerven- 
kette u.  s.  w. ;  /,  Präbasilarstück ;  fj,  die  abgeschnittenen  Fühler;  A,  Lappen  der 
Oberlippe;  i,  Mandibeln;  k,  Maxillen ;  l,  Kiefertaster;  m,  Unterlippe;  n,  die  Zunge; 
o,  die  Lippentaster  (nach  Strauss-Dürckheim). 


trägt  auf  jeder  Seite  einen  kurzen,  aus  drei  Gliedern  bestehenden,  mit 
einigen  kurzen,  steifen  Haaren  besetzten  Anhang,  den  Lippen- 
taster  (o),  dessen  letztes,  verlängertes  Glied  spitz  endigt.  Die  Unter- 
lippe (Fig.  63,  B,  a.  f.  S.)  trägt  auf  ihrer  Innenseite  in  der  Mittellinie 
einen  kegelförmigen ,  mit  einem  Büschel  kleiner,  stabförmiger  Haare 
besetzten  Anhang,  in  welchem  man,  ohne  genügende  Beweise,  ein  Ge- 
schmacksorgan hat  finden  wollen.  Dieser  behaarte  Fortsatz,  der  in 
die   Mundhöhle   vorspringt,    ist    die    Zunge   (6),    die    man   unter   dem 


140 


Arthropoden. 


Mikroskope  uutersuchen  muss,  nachdem  man  die  Unterlippe  mit  einer 
Staarnadel  abgelöst  hat.  Der  Unterlippe  gegenüber,  vorn  an  der 
Bauchseite  des  Kopfes,  liegt  unmittelbar  unter  der  Stirn  die  Vorder- 
lippe, labrum  (Fig.  62,  B,  h).  Sie  begrenzt  die  Mundöffnung  nach 
vorn  und  zeigt  an  ihrem  Vorderrande  eine  tiefe  Einkerbung,  welche 
von  zwei  runden ,  mit  grossen ,  steifen  Haaren  besetzten  Lappen  ein- 
geschlossen ist  (Fig.  63,  A,  a).  In  der  Verlängerung  der  Kerbe  trägt 
die  Oberlippe  auf  der  Innenseite  eine  lancettförmige  Membran 
(Fig.  63,  A,  &),  die  mit  kurzen  Haaren  besetzt  ist. 

In  dem  Räume  zwischen  den  beiden  Lippen  bewegen  sich  seitlich 
die   zwei   Paare    von    Kiefern.      Die   Oberkiefer   oder   Mandibeln 


Fio-.  63. 


Mundtheile  des  Maikäfers.  A,  Oberlippe  (LaLrum),  von  unten  gesehen,  so  dass  man 
die  Lappen  «  und  die  behaarte  Mittelhaut  h  sieht.  B,  Unterlippe  (Labium) ;  o,  ihre 
Taster;  6,  die  Zunge.  C,  der  Unterkiefer  (Masilla)  von  oben  gesehen;  a,  Haken; 
ö,  Zähne;  c,  Kiefertaster;  d,  e, /,  Stielglieder.  Z>,  der  Oberkiefer  (Mandibula)  von 
unten ;  a,   der  schneidende  Inneurand ;  &,  die  Bürste ;  c,  die  Kaufläche. 


(Fig.  62,  B.  i;  Fig.  63,  D)  liegen  noch  unter  der  Stirn  und  sind  einer- 
seits in  einen  Ausschnitt  der  Wangen  und  anderseits  an  dem  Vorder- 
rande des  Basalschildes  eingelenkt.  Sie  werden  von  einem  einzigen, 
sehr   harten  Stücke   gebildet,   das   die  Gestalt   einer  dreiseitigen  Pyra- 


Insecten.  141 

mide  hat.  Die  nacli  innen  gedrehte  Kante  hat  einen  schneidenden, 
eingekerbten  Vorderrand  (Fig.  63,  7),  a)  und  trägt  auf  ihrem  Hinter- 
rande  ein  rundes  Schild  (c),  das  gegen  dasjenige  des  gegenüber- 
stehenden Kiefers  reibt.  Die  Mahlfläche  (Mola)  ist  mit  verticalen, 
schneidenden  Rippen  besetzt  und  von  einer  Art  Bürste  umgeben  (h), 
deren  kurze  Haare  dicht  zusammengedrängt  sind. 

Die  Unterkiefer  oder  Maxillen  (Fig.  62,  B,  Ic-  Fig.  63,  C), 
die  sich  ebenfalls  von  der  Seite  her  gegen  einander  bewegen,  bestehen 
aus  mehreren  Gliedern,  die  Strauss  sehr  eingehend  beschrieben  hat. 
Das  Basalglied,  die  Angel  (d)  (Cardo),  lenkt  an  dem  Basalschilde  ein; 
auf  ihr  sitzt  der  mit  langen  Haaren  besetzte  Stiel  (Stipes)  (e),  von 
pyramidaler  Form.  Dieser  ist  mit  einem  ebenfalls  dreieckigen  Stücke  (/) 
verbunden,  dessen  innerer  Rand  mit  einem  abgestumpften  Haken  (n) 
endet.  Auf  dem  freien  Rande  sitzt  ein  wenig  bewegliches  Stück ,  der 
Helm  (Galea)  (b),  der  scharfe,  krumme  Reisszähne  trägt. 

An  dem  Aussenwinkel  des  Vorderrandes  einer  jeden  Maxille  ist 
der  viergliedrige ,  schief  nach  aussen  und  vorn  gerichtete  Kiefer- 
taster (Palpus  maxillai'is)  (Fig.  63,   C,  c),  eingelenkt. 

Die  verschiedenen  Mundwerkzeuge  können  sehr  leicht  an  mit 
Aetzkali  präparirten  Exemplaren  losgelöst 'und  einzeln  genauer  unter- 
sucht werden.  Um  Präparate  zum  Studium  und  zur  Demonstration 
zu  erhalten,  legt  man  sie  in  Canadabalsam  ein. 

Die  Fühler  oder  Antennen  (Fig.  61,  d;  Fig.  64  a.  f.  S.)  sind 
in  seitlichen  Gruben  des  Kopfschildes  vor  den  Augen  eingelenkt.  Diese 
Anhänge,  welche,  wie  wir  später  sehen  werden,  sehr  wichtige  Sinnes- 
wei'kzeuge  sind ,  bestehen  aus  zehn  Gliedern ,  deren  erstes  an  seinem 
distalen,  bedeutend  verdickten  Ende  die  Gelenkhöhle  für  das  zweite 
Glied  trägt.  Die  drei  ersten  Glieder  bilden  zusammen  den  Stiel  der 
Antenne.  Hierauf  folgen  bei  dem  Männchen  sieben,  bei  dem  Weibchen 
sechs  sehr  kurze  Ringe,  welche  sich  nach  vorn  hin  zu  lancettförmigen 
Blättchen  ausdehnen ,  die  in  der  Mitte  am  breitesten ,  am  Ende  ab- 
gerundet sind  (Fig.  64,  A,  B,  h).  Diese  Lamellen  können  ausgespreizt 
oder  mit  den  Flächen  zusammengelegt  werden.  Sie  sind  bei  den 
Männchen  weit  länger  und  breiter  als  bei  den  Weibchen  tind  dienen 
als  hauptsächlichstes  Unterscheidungsmerkmal  der  beiden  Geschlechter, 
welche  im  Uebrigen  einander  ziemlich  gleich  sehen.  Jede  Lamelle 
zeigt  eine  Unzahl  kleiner,  unregelmässig  rundlicher  Grübchen  (Fig.  64,  C), 
von  welchen  später  noch  die  Rede  sein  wird.  Haus  er  (s.  Literatur) 
schätzt  ihre  Zahl  auf  39  000  bei  dem  Männchen  und  35  000  bei  dem 
Weibchen  für  jede  Antenne.  Wir  nehmen  diese  Schätzung  unbesehen 
an.  Endlich  sieht  man  noch  hinter  jeder  Antenne  die  vorgewölbten,  zu- 
sammengesetzten Augen,  die  wir  bei  den  Sinnesorganen  behandeln 
werden. 


142 


Arthropoden. 


Thorax.  —  Das  Bruststück  besteht  aus  drei  Ringen,  Pro- 
thorax, Mesothorax  und  Metathorax.  Wir  geben  nur  eine  sum- 
marische Beschreibung  und  verweisen  für  die  Einzelheiten  auf  die 
Monographie  von  Strauss,  der  sie  sehr  erschöpfend  behandelt  hat. 

Das  erste,  auf  den  folgenden  beweglich  eingelenkte,  längste  Glied, 
der  Prothorax,  wird  von  den  Entomologen  das  Halsschild  genannt.  Es 
hat  die  Form  einer  di'eiseitigen ,  vorn  abgestutzten  Pyramide,  die  mit 
ihrer  Basis  auf  dem  folgenden  Gliede  aufsitzt;  die  Rückenfläche  (Pro- 
notum)  ist  breit  gewölbt  und  aussen  glatt.  Das  Halsschild  krümmt 
sich  auf  den  Seiten  nach  unten  und  wird  hier  durch  ein  unpaares, 
schmales  und  dickes  Stück  geschlossen,   die  Vorbrust  (Prosternum). 

Fig.  64. 


Die  Antennen,  etwa  15  fach  vergrössert.    A,  Antenne  des  Männchens;  a,  Stielglieder; 

b,  die  Lamellen  der  sieben  Endglieder.     B,  Antenne  des  Weibchens.    Die  Theile  sind 

mit  denselben  Buchstaben  bezeichnet.    C,  die  Kiechgrübchen  von  der  Fläche  gesehen. 

Gundlach,   Obj.  V,   Camera  dura. 

An  der  Anschlussstelle  des  Halsschildes  mit  der  Vorbrust  findet  sich 
jederseits  vorn  ein  Grübchen,  in  welchem  das  erste  Fusspaar  (Fig.  61,/) 
eingelenkt  ist;  an  dem  hinteren  Rande  dieser  Stelle  und  in  der  chiti- 
nösen  Haut,  welche  den  Prothorax  mit  dem  Mesothorax  verbindet, 
sieht  man  jederseits  eine  von  einem  verdickten  Ringe  umgebene, 
eiförmige  Oeffnung,  das  erste  Paar  Stigmen. 

Auf  den  Seiten  und  an  der  Unterfläche  sind  die  beiden  folgenden 
Ringe,  Mesothorax  und  Metathorax,  mit   einander  verschmolzen,   aber 


Insecten. 


143 


auf  der  Riickenfläche  unterscheidet  man  leicht  ihre  Grenze  in  einer 
mit  ihrer  Convexität  nach  hinten  gerichteten  Bogenlinie.  Der  Meso- 
thorax  ist  sehr  kurz,  sein  Rückentheil  (Mesonotum)  hat  die  Gestalt 
eines  Dreiecks  mit  abgerundeter,  nach  hinten  gerichteter  Spitze  und 
etwas  ausgeschweifter  Basis.  Es  ist  das  Schildchen  (Fig.  61,  g)  der 
Entomologen.  Eine  seidhte  Querfurche  trennt  das  Schildchen  in  zwei 
Theile;  der  vordere  ist  behaart;  der  hintere,  vollkommen  glatt,  tritt 
zwischen  den  beiden  Flügeldecken  hervor,  die  an  den  Seiten  des  Schild- 
chens eingelenkt  sind. 

Auf  der  Bauchseite  verschmelzen  die  umgebogenen  Ränder  des 
Schildchens  in  ähnlicher  Weise  wie  das  Halsschild ,  mit  einem  mitt- 
leren, flügelförraig  nach  den  Seiten  ausgezogenen  Stücke,  die  Mittel- 
brust  (Mesosternum)  (Fig.  65,  a,  a,  l),h).  Dieselbe  zeigt  auf  jeder 
Seite  einen  tiefen  Ausschnitt  (d) ,  in  welchen  die  Hüfte  des  zweiten 
Beinpaares  eingelenkt  ist.     Wie  die  anderen    Bruststücke,   zeigt  auch 

die   Mittelbrust    auf  der   Innen- 
^'       ■  fläche    in    die   Körperhöhle   vor- 

springende Fortsätze,  an  welche 
sich  die  Brustmuskeln  festsetzen. 
Die  Fassungsringe  des  zwei- 
ten Stigmenpaares  liegen  an  dem 
hinteren  Rande  des  Mesothorax. 
Der  M  e  t  a  t  h  0  r  a  X  ist  fast 
doppelt  so  gross  als  der  Meso- 
thorax. Er  besteht  aus  acht- 
zehn mehr  oder  minder  mit  ein- 
ander verschmolzenen  Stücken ; 
sein  Metasternum  (Fig.  65,  c) 
ist  breit  vierseitig;  an  seinem 
hinteren  ,  etwas  ausgeschweiften 
Rande  sind  die  Hüften  des  drit- 
ten Beinpaares  eingelenkt  und 
auf  der  Mittellinie  seiner  Innen- 
fläche erhebt  sich  eine  grosse, 
senkrechte,  dreieckige  Platte,  die 
in  drei  Fortsätze  ausläuft,  an  welche  sich  Muskeln  ansetzen.  Die 
Rückenfläche  (Metanotum)  ist  gewölbt,  wie  das  Schildchen  behaart  und 
zeigt  eine  Mittelfurche  ('Fig.  61,  1t).  Das  Rückenstück  ist  durch  be- 
sondere Seitenstücke,  Pleuren,  auf  welchen  die  dem  Metathorax  an- 
gehörigen,  häutigen  Flügel  eingelenkt  sind,  mit  dem  Metasternum  ver- 
bunden. 

Bevor  wir  uns  mit  dem  Abdomen  beschäftigen,  wollen  wir  die 
Beine  und  Flügel  besprechen,  welche,  wie  bei  allen  Insecten,  an  dem 
Thorax  eingelenkt  sind. 


Meso-  und  Metathorax  des  Maikäfers,  etwa 
vierfach  yergrössert,  von  der  Unterseite 
(nach  Strauss-Dürckheim).  a,  a,  b,  b, 
Mesosternum  ;  c,  c,  Metasternum ;  d,  d,  Aus- 
schnitte, in  welche  die  Hüften  des  zweiten 
Fusspaares  eingefügt  sind;  e,  e,  Ausschwei- 
fung des  Hinterrandes  zur  Einlenkung  des 
dritten  Fusspaares. 


144 


Arthropoden. 


Fiff.  66. 


Beine.  —  Jedem  Brustringe  gehört  ein  Paar  von  Gangbeinen 
an,  deren  jedes  aus  neun  beweglich  mit  einander  eingelenkten  Gliedern 
besteht.  Sie  sind  bei  dem  Männchen  verhältnissmässig  etwas  länger 
als  bei  dem  Weibchen.  In  der  Ruhe  (Fig.  61)  ist  das  vordere  Bein- 
paar nach  vorn,  die  beiden  anderen,  von  welchen  das  Hinterpaar  das 
längste  ist,  nach  hinten  gerichtet.  Sonst  zeigäii  sie  keine  wesentlichen 
Verschiedenheiten ,  so  dass  wir  uns  mit  der  Beschreibung  des  ersten 
Paares  begnügen  und  dem  Beobachter  die  Constatiruiig  der  geringen 
Modificationen  überlassen  können ,  welche  die  beiden  hinteren  Paare, 
namentlich  in  der  Gestaltung  der  Tibia  zeigen. 

Das  erste  Glied,  die  Hüfte  (Coxa)  (Fig.  66,  a)  ist  cylindrisch 
und  zeigt  auf  seiner  inneren,  dem  Halsschilde  anliegenden  Fläche  eine 
Längsspalte,  die  seine  Höhlung  mit  derjenigen  des  Prothorax  in  Ver- 
bindung setzt;  seine 
Einlenkung  in  eine 
Grube  des  Prosternums 
gestattet  nur  geringe 
Drehbewegungen  um 
seine  Axe. 

Das  zweite  Glied,  der 
Trochanter  (Fig.  66, 
a ),  ist  sehr  klein  und 
derart  mit  dem  distalen 
Ende  der  Hüfte  ver- 
schmolzen, dass  es  nur 
einen  Theil  derselben  zu 
bilden  scheint. 

Hierauf  folgt  ein  lan- 
ges, an  seinem  inneren 
Rande  zugeschärftes 
Glied,  der  Schenkel 
(Femur)  (&),  der  auf  dem 
Trochanter  frei  einge- 
lenkt ist  und  am  ande- 
ren Ende  mit  der  etwa  gleich  langen  Schiene  (Tibia)  (c)  articulirt. 
Die  Tibia  des  ersten  Beinpaares  ist  stark  seitlich  zusammengedrückt 
und  trägt  am  Innenrande  ihres  distalen  Endes  drei  starke  Dornen. 
Das  Bein  endet  mit  einer  Reihe  von  fünf  kleirlen  Fingergliedern,  Pha- 
langen, welche  den  Fuss  (Tarsus)  bilden  (f?).  Das  letzte  Glied  endet 
mit  zwei  starken  Doppelkrallen  (e) ,  mit  welchen  der  Maikäfer  sich  an 
den  Zweigen  festklammert. 

Die  verschiedenen  Beinglieder  sind  theilweise  mit  einfachen,  innen 
hohlen  Haaren  besetzt,  von  welchen  bei  dem  Tegumente  die  Rede 
sein  wird. 


Füsse  des  Maikäfers,  vierfach  vergrössert.  A,  rechter 
Vorderfuss;  B,  rechter  Mittelfuss ;  a,  Hüfte  (Coxa); 
b,  Trochanter ;  c,  Schenkel  (Femur) ;  c,  Schienbein  (Tibia) ; 
d,  Tarsus,  aus  fünf  Gliedern  bestehend;  e,  Endkrallen. 


Insecten.  145 

Flügel.  —  Sie  sind,  wie  bei  allen  Käfern,  sehr  verschieden  gebaut; 
das  Vorderpaar  ist  dick,  hornig,  zu  Flügeldecken  (Elytren)  um- 
gewandelt; sie  decken  in  der  That  in  der  Ruhe  vollständig  die  häu- 
tigen Hinterflügel,  die  allein  zum  Fluge  tauglich  sind. 

Die  Flügeldecken  (Fig.  61,  ?')  sind  auf  dem  Mesothorax  mit- 
telst kleiner,  horniger  Schaltstücke  so  eingelenkt,  dass  sie  sich  in 
schiefer  Richtung  bewegen  können.  Sie  bestehen  aus  zwei  grossen,  harten, 
etwas  elastischen,  nach  aussen  gewölbten  Platten,  die  sich  mit  ihren 
geraden  Innenrändern  in  der  Ruhe  so  eng  an  einander  legen,  dass  sie 
den  Metathorax  und  sämmtliche  Bauchringe  mit  Ausnahme  des  letzten 
bedecken.  Sie  krümmen  sich  mit  ihrem  äusseren  und  auch  mit  ihrem 
Hinterrande  in  der  Weise  nach  unten,  dass  sie  sich  vollständig  an  die 
Flächen  des  Abdomens  anschmiegen.  Ihre  gewölbte  Oberfläche  zeigt 
sechs  wenig  vorspringende  Längsrippen ,  in  welchen  Tracheenstämme 
verlaufen ,  die  zahlreiche  Verästelungen  nach  allen  Richtungen  aus- 
senden und  in  den  Präparaten  leicht  erkenntlich  sind,  da  sie  mit  Luft 
gefüllt  bleiben. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  lässt  auf  der  Aussenfläche  der 
Flügeldecken  verschiedene  Cuticularbildungen  erkennen.  An  ihrer 
Basis  finden  sich  kleine,  schuppenartige  Rauhigkeiten ,  zwischen  wel- 
chen hier  und  da  mehr  oder  minder  lange  Haare  eingefügt  sind,  welche 
ganz  denjenigen  gleichen ,  die  wir  fast  überall  auf  den  Tegumenten 
des  Maikäfers  verstreut  finden.  Die  einen  sind  dünn,  scharf  zugespitzt 
und  zeigen  an  ihrem  Ende  feine,  nach  vorn  gerichtete  seitliche  Zähn- 
chen; andere  haben  die  Form  von  Lancetten.  Diese  Haare  fallen  bei 
der  Behandlung  mit  Aetzkali  leicht  ab,  so  dass  man  auf  solchen  Prä- 
paraten nur  die  Oeff'nungen  der  Poren  sieht,  auf  welchen  sie  eingepflanzt 
sind.  Ausserdem  sieht  man  zahlreiche  rundliche  Körperchen ,  die  un- 
regelmässig in  der  Dicke  der  Flügeldecken  eingebettet  sind,  eine  feine, 
concentrische  Streifung  zeigen  und  im  Centrum  eine  kleine  OefFnung 
zu  besitzen  scheinen.  Vielleicht  Drüsen  ?  Wir  haben  uns  dessen  nicht 
vergewissern  können,  da  Schnitte,  senkrecht  auf  die  Fläche  der  Flügel- 
decken geführt,  uns  keine  befriedigenden  Resultate  gegeben  haben. 
Die  Consistenz  der  Decken  ist  so  bedeutend,  dass  sie  unter  dem  Rasir- 
messer  splittern,  und  wir  wissen  aus  Erfahrung,  dass  die  Reagentien, 
welche  das  Chitin  erweichen ,  in  solchem  Maasse  zerstörend  auf  die 
Weichtheile  einwirken,  dass  der  Histologe  sich  von  ihrer  Anwendung 
keine  Vortheile  versprechen  kann.  Doch  konnten  wir  auf  einigen  in 
Paraffin  gemachten  Schnitten  uns  überzeugen ,  dass  das  Hornblatt, 
welches  die  Flügeldecke  bildet,  aus  zwei  äusseren  Chitinlamellen 
besteht,  zwischen  welche  eine  dünne  Hypodermschicht  eingeschoben 
ist,  in  welcher  die  Tracheen  und  Nerven  verlaufen  und  worin  einzelne 
Kerne  zerstreut  sind ,  welche  sich  durch  alkoholische  Cochenillelösung 
leicht  färben. 

Vogt  u.  Tung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  10 


146 


Arthropoden. 


Fig.  67. 


Die  Unterfläcbe  der  Flügeldecken  ist  der  Oberfläche  ähnlich,  nur 
zeigt  sie  weit  längere  und  biegsamere  gezähnte  Haare. 

Die  häutigen  Hinter  flu  gel  (Fig.  61,  n  ;  Fig.  67),  die  zwischen 
dem  Metanotum  und  den  Metapleuren  eingefügt  sind,  zeigen  sich  als 
zwei  dünne,  durchsichtige  Lamellen,  die  während  des  Fluges  hori- 
zontal ausgestreckt  werden.  In  der  Ruhe  werden  sie  in  der  Weise 
zusammengeschlagen,  dass  ihr  distaler  Theil  sich  schief  unter  den 
Basaltheil  schiebt  und  so  der  ganze  Flügel  unter  seiner  entsprechenden 
Decke  versteckt  ist. 

Sie  bestehen  aus  zwei  sehr  zarten,  einander  eng  anliegenden 
Hautlamellen,  die  man  nur  an  der  Basis  des  Flügels  in  der  Nähe  seiner 
Einlenkung  von  einander  trennen  kann.  Sie  zeigen  zahlreiche  Falten, 
welche  durch  die  Reibung  der  Flügel  gegen  ihre  Decken  in  der  Ruhe 
entstehen,  und  werden  durch  verzweigte  Chitinröhren,  die  Flügel- 
adern oder  Flügelnerven  (Fig.  67,  3  bis  9),  gesteift,  deren  Durch- 
messer von  der  Basis  zum  Rande  allmählich  abnimmt.  Einige  Nerven 
entsenden  Aeste,  die  sich  mit  entsprechenden  Aesten  der  benachbarten 
Nerven  verbinden  und  so  Räume  umgrenzen ,  welche  von  den  Ento- 
mologen Zellen  genannt 
werden  und  für  die  Bestim- 
mung der  Gattungen  und 
'  (5  Arten  Bedeutung  haben.  Die 
-.cL  Randader,  die  stärkste,  ver- 
"■e-  läuft  am  Vorderrande  des 
Flügels  (/) ;  alle  übrigen  sind 
weit  schwächer.  Die  drei 
Hauptadern  sind  etwa  am 
ersten  Drittel  des  Flügels  ge- 
knickt (</,  li)  und  mittelst  die- 
ser Gelenke  kann  sich  das 
Ende  unter  die  Basis  des 
Flügels  und  der  ganze  Flügel 
unter  die  Decke  einschlagen.  Die  Nerven  sind  an  ihrem  centralen 
Eude  mittelst  beweglicher  Stückchen  (Achselstückchen  nach  Strauss) 
mit  dem  Metathorax  in  Verbindung  gebracht  (&,  fl,  e). 

In  den  grossen  Längsadern  der  Flügel  verlaufen  Tracheenstämme 
und  Aeste  der  Flügelnerven,  die  sich  zwischen  den  beiden  Lamellen 
verzweigen.  Ferner  sieht  man  in  den  Lückenräumen  an  der  Basis 
der  Flügel  eine  körnige  Flüssigkeit  kreisen ,  die  nichts  Anderes  als 
Blut  ist;  wir  konnten  aber  auch  bei  wiederholten  Beobachtungen 
lebender  Thiere  ein  weiteres  Vordringen  des  Blutes  nicht  zur  An- 
schauung bringen. 

Die  Oberfläche  des  Flügels  trägt  zerstreute,  kleine  Dornen,  die 
auf  den  Adern  grösser  werden. 


aus- 
nach 


Der  linke  häutige  Flügel  des  Maikäfers 
gestreckt  und  sechsfach  vergrössert 
Strau  ss-Dürckheiin).  «,  Vorderader;  &,  cZ,  e, 
Achselstücke,  durch  welche  der  Flügel  am 
Metathorax  befestigt  ist;  /,  Randader;  gr,  Ä, 
mittleres  Gelenk  des  Flügels;  3  bis  9,  Mittel- 
adern ;   l'  bis  4',  Endadern. 


Insecten. 


147 


Fio;.   68. 


Auch  bei  dieser  Gelegenheit  müssen  wir  die  Schwierigkeiten,  die 
sich  der  Anfertigung  guter  Querschnitte  entgegenstellen,  betonen.  Das 
Chitin  der  Flügeladern  zersplittert  sehr  leicht  vor  dem  Rasirmesser, 
selbst  nach  Einschluss  in  Paraffin. 

Abdomen.  —  Diese  hinterste  und  mächtigste  Abtheilung  des 
Körpers,  die  horizontal  nach  hinten  gerichtet  ist  und  mit  ihrer  ganzen 
Breite  dem  Metathorax  anhängt,  hat  die  Gestalt  einer  dreiseitigen, 
leicht  nach  der  Bauchseite  hin  gekrümmten  Pyramide.  Sie  besteht 
aus  acht  Ringen,  die  von  vorn  nach  hinten  an  Umfang  abnehmen  und 
deren  letzter  sich  mit  einer  abgestumpften  Spitze  nach  unten  biegt 
(Fig.  61,  C;  Fig.  68).  Jeder  Ring  besteht  aus  einem  Rückenstücke, 
Notum  (Fig.  68,  1  bis  8),  und  einem  Bauchstücke,  Sternum  (1  bis  S'). 
Diese  Halbringe  sind  auf  den  Seiten  durch  eine  weiche  und  dünne 
Chitiulamelle  verbunden,  welche  xlusdehnungsbewegungen,  namentlich 
der  ersten  sechs  Ringe  (Respirationsbewegungen)  ermöglicht.  Xotum 
und  Sternum  der  beiden  letzten  Ringe  verbinden  sich  direct;   ihre  Te- 

gumente  sind  consisten- 
ter  als  diejenigen  der 
vorhergehenden  Ringe, 
und  dieser  Unterschied 
ist  namentlich  auf  der 
Ptückenfläche  zu  erken- 
nen, die  nicht  mehr  von 
den  Elytren  bedeckt  ist. 
Der  erste  und  zweite 
Bauchring  (Fig.  68,  1 
und  2)  sind  sehr  kurz; 
ihre  Sternalbogen  sind 
zu  einem  schmalen  Horn- 
faden  (2 )  verschmol- 
zen ,  so  dass  das  Ab- 
domen bei  der  Ansicht 
von  unten  nur  aus  sie- 
ben Ringen  zu  bestehen 
scheint.  Die  übrigen 
Ringe  greifen  auf  der  Unterseite  etwas  über  einander,  wie  Dachziegel: 
die  Verbindungshaut  ist  hier  gefaltet. 

Der  letzte  Ring,  das  Pygidium  (Fig.  68,  8).  verlängert  sich  in  eine 
nach  unten  gebogene  Spitze  (b).  Bei  dem  Mäniichen  trägt  dieser  Ring 
auf  der  Innenfläche  einen  an  dem  Sternaltheil  sitzenden,  spatei- 
förmigen Fortsatz,  der  sich  nach  vorn  bis  zum  viei'ten  Ringe  erstreckt. 
während  bei  dem  Weibchen  dieser  Fortsatz  zu  zwei  viereckigen 
Plättchen  verkümmert  ist ,  die  in  dem  unteren  Theile  der  Cloake  vor- 
springen. 

10* 


2'J'^' 


Der  Hinterleib  (Abdomen)  des  Maikäfers,  von  der 
linken  Seite  gesehen  und  dreifach  vergrössert  (nach 
Strauss-Dürekheim).  1  bis  8,  die  Rückenschilder 
der  Semiten  :  l'  bis  8',  die  Baufhschilder  (die  beiden 
ersten  sind  Yerschmolzen) ;  u,  OefFnung  der  Cloake ; 
6,  Stachel  des  Endschildes  (Pvgidium);  c,  c.  die  Luft- 
löcher (Stigmen). 


148  Arthropoden. 

Die  quere  Afterspalte  (Fig.  68,  a)  öffnet  sich  zwischen  dem 
in  eine  Spitze  ausgezogenen  Rückentheile  und  dem  Sternaltheile  des 
achten  Ringes. 

Man  kann  bei  Exemplaren ,  die  mit  Aetzkali  behandelt  wurden, 
die  einzelnen  Abdominalringe  leicht  mit  der  Scheere  von  einander 
trennen.  Man  findet  dann  im  Inneren  beim  Männchen  die  verhornte 
Penisscheide,  von  welcher  später  die  Rede  sein  soll  und  die  durch  eine 
Einstülpung  des  achten  Ringes  gebildet  ist. 

Tegumente.  —  In  ihren  grossen  Zügen  ist  die  Haut  des  Mai- 
käfers ebenso  gebaut,  wie  die  von  Lithobius,  die  wir  eingehend 
behandelt  haben  (S.  97).  Wir  verweisen  also  darauf.  Je  nach  den 
Körpergegenden  wechselt  die  Dicke  der  Haut  sehr;  sie  ist  dünn  auf 
den  Seiten  und  besonders  auf  der  Rückenfläche  der  Bauchringe,  soweit 
diese  von  den  Elytren  bedeckt  werden,  dicker  auf  dem  Pygidium,  dem 
Thorax  und  den  Beinen  und  wird  an  einzelnen  Stellen,  wie  auf  dem 
Halsschild  und  den  Flügeldecken,  so  fest,  dass  man  nur  schwer  Schnitte 
anfertigen  kann. 

Diese  Verschiedenheiten  in  Dicke  und  Consistenz  werden  haupt- 
sächlich durch  die  äussere  Schicht,  die  chitinöse  Cuticula,  bedingt, 
welche  aus  einer  grösseren  oder  geringeren  Zahl  homogener,  über 
einander  geschichteter  Lamellen  gebildet  wird,  die  an  der  Oberfläche  meist 
lebhaft  braiin  oder  selbst  schwärzlich  gefärbt  sind,  während  die  unteren 
Lager  eine  schwach  gelbliche  Färbung  zeigen.  Diese  Lamellen  werden 
von  zahlreichen,  senkrecht  zur  Fläche  stehenden  Porengängen  durch- 
setzt, die  man  auf  allen  Schnitten  sieht  und  die  an  der  Oberfläche  mit 
rundlichen,  seltener  eiförmigen  Poren  münden,  auf  welchen  Haare  von 
sehr  verschiedener  Form  stehen,  die  von  der  Hypodermis  ausgehen. 
Die  Rückenfläche  des  Metathorax  ist  mit  einem  Pelz  von  langen,  bieg- 
samen Fiederhaaren  besetzt,  deren  Endtheil  seitliche  Zähnchen  trägt 
(Fig.  69,  D).  Aehnliche  Haare  finden  sich  an  mehreren  Stellen;  sie 
sind  besonders  stark  auf  dem  Vorderrande  der  Basalglieder  der  An- 
tennen und  die  seitlichen  Fortsätze  gleichen  hier  den  Bärtchen  einer 
Feder.  Die  auf  den  Rändern  der  Fühlerblättchen  stehenden  Haare 
sind  im  Gegentheil  einfach  und  von  einem  feinen  Canälchen  durch- 
setzt, welches  bei  einigen  fast  bis  zur  Spitze  reicht  (Fig.  69,  JP).  Ausser- 
dem finden  sich  blattförmige ,  lancettförmige  und  schuppenähnlich 
über  einander  liegende  Anhänge,  namentlich  auf  den  weissen  Flecken, 
die  zu  beiden  Seiten  des  Bauches  unmittelbar  unter  dem  Rande  der 
Flügeldecken  sich  finden  (Fig.  69,  JE).  Diese  Schuppen  sind  mit  feinen, 
ein  kreideweisses  Licht  zurückwerfenden  Körnchen  bedeckt.  Auch  auf 
den  Flügeldecken  finden  sich  etwelche. 

Von  der  Fläche  gesehen,  erscheint  die  Chitindecke  nicht  glatt. 
Auf  der  Rückenseite  des  Bauches  zeigt  sie  starke,  dunkle  Linien,  welche 
vieleckige,  etwas    erhabene  Felderchen  begrenzen   (Fig.   69,  A).     Auf 


Insecten. 


149 


den  Rändern  der  Bi'ust-  und  Bauchringe  trägt  sie  eine  Unzahl  spitzer 
Zähnchen,  die  nur  von  der  äussersten  Chitinlamelle  gebildet  werden 
(Fig.  69,  B,  C).  Anderwärts  zeigt  die  Cuticula  parallele,  gewellte 
Linien,  die  nur  unter  starken  Vergrösserungen  sich  zeigen  und  ohne 
Zweifel  den  besonderen  Glanz  erzeugen,  den  man  bei  vielen  Indi- 
viduen sieht. 

Die  Hypodermis  lässt  sich  nur  selten  auf  Schnitten  beobachten. 
Sie  scheint  meist  aus  einer  structurlosen  Masse  körnigen  Protoplasmas 
zu  bestehen,  in  welcher  eiförmige  Kerne  zerstreut  liegen,  die  sich  leb- 
haft färben.     Ihre  Mächtigkeit  wechselt  und  steht  im  Verhältniss   zu 

Fi?.  69. 


Haut  und  Anhänge  derselben.  J,  Stück  eines  Päickenscliildes  (Notum)  des  Bauches 
von  der  Fläche  gesehen ,  um  die  init  dunkelbraunen  Linien  begrenzten  polygonalen 
Felder  und  die  Einfügung  der  Haare  zu  zeigen  (Gundlach,  Obj.  EI,  Camera  clara); 
B,  kleine  Dornen  auf  dem  Rande  derselben  Eückenschilder;  C,  grössere  Dornen  eben- 
daselbst (Gundlach,  Obj.  V,  Caviera  clara);  D,  Spitze  eines  Fiederhaares  vom 
Notum  des  Metathorax;  E,  lancettförmige  Schuppen  auf  den  Seiten  des  Abdomens; 
F,  Spitze  eines  einfachen,  von  einem  Canal  durchsetzten  Haares  vom  Rande  einer 
Fühlerlamelle   (Gundlach,  Obj.  IV,   Camera  clara). 


der  Dicke  der  von  ihr  abgeschiedenen  Chitinschicht.  Wir  verweisen 
hinsichtlich  ihres  Aussehens  auf  die  bei  Lithobius  gegebene  Figur  -41, 
S.  97. 

Muskeln.  —  Das  Muskelsystem  ist  sehr  entwickelt.  Die  aus 
gestreiften  Muskelfasern  zusammengesetzten  Bündel  zeigen  verschiedene 
Formen ;  sie  sind  conisch ,  pyramidal ,  spindelförmig  etc.  und  setzen 
sich ,  nachdem  sie  sich  in  feine  Fäserchen  getheilt  haben ,  welche  die 
Hypodermis  durchsetzen ,  an  die  Chitinlamellen  an.  Ihre  Insertions- 
stellen  oder  Sehnenplatten  sind  meist  umfangreicher  als  die  Muskeln 
selbst.  Wir  gehen  in  die  Beschreibung  der  einzelnen  Muskeln  der 
Ringe  und  ihrer  Anhänge  nicht  ein,  sondern  verweisen  in  dieser  Hin- 


150  Arthropoden. 

sieht  auf  die  Monographie  von  Strauss.  Ihre  Prcäparation  ist  eine 
Geduldsprobe,  die  aber  an  frischen  Individuen  vorgenommen  werden 
muss ,  da  der  Weingeist  und  überhaupt  alle  härtenden  Reagentien  die 
Fasern  sehr  brüchig  machen.  Die  Pikrinschwefelsäure  dürfte  in  erster 
Linie  zu  empfehlen  sein. 

Makroskopisch  lassen  sich  am  leichtesten  präpariren :  die  mäch- 
tigen Muskeln ,  welche  den  Kopf  mit  dem  Halsschilde  verbinden  und 
ersteren  heben  und  senken  können;  die  nicht  minder  mächtigen  Bündel, 
welche  das  Halsschild  mit  den  folgenden  Brustringen  und  diese  mit 
den  Bauchringen  verbinden,  und  endlich  die  grossen  Längsmuskeln, 
welche  an  der  Rückenfläche  des  Abdomens  angebracht  sind.  In  den 
gegliederten  Anhängen  finden  wir  Beuge-  und  Streckmuskeln  als  Anta- 
gonisten. 

Auf  den  Schnitten  zeigen  sich  die  Muskelbündel  als  parallele 
Cylinder,  die  durch  ein  lockeres  Bindegewebe  von  einander  geschieden 
werden.  Querschnitte  des  Thorax  zeigen  sehr  schön  die  grossen  Rücken- 
muskeln .  und  die  schiefen  dorsoventralen  Bündel,  welche  sich  an  die 
inneren  Apophysen  der  Brustringe  ansetzen. 

Allgemeine  Lagerung  der  inneren  Organe,  —  Um  diese 
zur  Anschauung  zu  bringen,  befestigt  man  den  Körper  des  Maikäfers 
nach  Ablösung  der  Deckel  und  Flügel  unter  Wasser  mittelst  feiner 
Stecknadeln  auf  einer  Kork-  oder  W^achstafel  und  löst  dann  mit  einer 
feinen  Scheere,  von  hinten  anfangend,  die  Rückenbogen  der  einzelnen 
Ringe  nach  einander  ab.  Das  Rückengefäss,  welches  unmittelbar  dem 
Tegumente  des  Bauches  anliegt,  muss  sorgfältig  geschont  werden. 
Zieht  man  dasselbe  zur  Seite,  so  sieht  man  unmittelbar  darunter  im 
Bauche  den  auf  sich  selbst  gewundenen  Darm ,  die  Tracheenstämme; 
im  Thorax  die  grossen  Muskeln  und  im  Kopfe  das  weisse  Gehirn  und 
die  davon  ausgehenden  grossen  Augennerven.  Wir  entrollen  den  Darm 
und  fixiren  ihn  rechts  mit  Stecknadeln.  Nun  kommen  im  Thorax  die 
auf  der  Ventralseite  liegenden  grossen  Ganglienmassen  und  die  langen, 
von  ihnen  ausgehenden  Nervenstämme  zum  Vorschein ,  die  in  das  Ab- 
domen ausstrahlen.  Im  Abdomen  sieht  man  unter  dem  Darme  die 
Geschlechtsorgane;  die  Ruthe  mit  ihrer  voluminösen  Chitinscheide  fällt 
beim  Männchen  besonders  auf.  Die  verschiedenen  Organe  sind  von 
Tracheen,  Bindegewebe  und  dem  weisslichen  Fettkörper  umhüllt, 
welcher  bei  den  einzelnen  Individuen  mehr  oder  weniger  umfangreiche 
Massen  bildet.  Wir  gehen  zur  Beschreibung  der  einzelnen  Organ- 
systeme über. 

Das  Nervensystem  verläuft,  wie  bei  allen  Arthropoden,  in  der 
Mittellinie  der  Ventralseite.  Es  ist  verhältnissmässig  stark  reducirt, 
indem  alle  Abdominalganglien  in  eine  einzige  Masse  verschmolzen 
sind  (Fig.  70,  r),  die  noch  in  dem  Metathorax,  unmittelbar  an  dem 
hinteren    Rande    des    diesem    Ringe    entsprechenden    Ganglions   so   fest 


Insecten. 


151 


Fior.  70. 


anliegt,  dass  sie  nur  durch  eine  Furche  von  ihm  getrennt  ist.  In  dem 
Abdomen  finden  sich  nur  die  langen  Nerven,  welche  paarweise  von 
dieser  Masse  ausstrahlen. 

Die   Präparation    des  Nervensystems   wird    unter    der   Lupe   vor- 
genommen;   die    Verfolgung    der    einzelnen,    oft    sehr   feinen    Nerven 

erheischt  viele  Geduld. 
Nach  Wegnahme  des 
Darmes  und  des  Kopf- 
schildes treten  die  weis- 
sen Thoraxganglien  und 
das  Gehirn  sehr  deutlich 
hervor.  Die  Nerven 
sind  hier  auch  fester. 
Wie  bei  den  Myriapo- 
den,  kann  man  sich  die 
Präparation  erleichtern, 
indem  man  die  Käfer 
einige  Tage  im  Wasser 
macerirsn  lässt,  in  Folge 
dessen  die  anderen  Or- 
gane sich  leichter  ab- 
lösen lassen.  Die  Prä- 
paration der  peripheri- 
schen Nei'ven  lässt  sich 
an  in  Weingeist  conser- 
virten  Individuen  kaum 
durchführen. 

Totalansicht  des  centralen 
Xervensystemes  und  der  von 
ihm  ausgehenden  Hauptner- 
ven, a,  Hirn ;  h ,  Fiihler- 
nerven ;  c,  Sehnerven ;  d, 
Connective  des  Schlundringes ; 
e  ,  ünterschlundganglion  ;  /. 
Connective  von  diesem  zum 
ersten  Brustganglion  rj  \  h, 
Nerven  des  ersten  Bein- 
paares; i,  Connective  vom 
ersten  zum  zweiten  und  drit- 
ten Brustganglion ;  k ,  die 
nur  durch  eine  seichte  Furche 
getrennte ,  verschmolzene 

Masse  dieser  beiden  Ganglien ;  /,  Nerven  der  Flügeldecken  ;  ni,  Nerven  des  zweiten  Bein- 
paares; n,  Nerven  der  häutigen  Flügel ;  p,  Nerven  des  dritten  Beinpaares  ;  q,  erstes  Nerven- 
paar des  Bauches,  vom  Ganglion  des  Metathorax  entspringend  ;  r,  verschmolzenes  Bauch- 
ganglion ;  s,  Nerven  des  Abdomens,  die  zu  den  Segmenten  gehen  und  sich  in  einen  vorderen 
(t)  und  einen  hinteren  Ast  (?()  theilen  ;  v,  Nerven  der  Geschlechtsorgane  ;  x,  Stirnganglion. 


152 


Arthropoden. 


Fiff.  71. 


Das  Gehirn-  oder  Oberschlundganglion  (Fig.  70  und  72,  a) 
liegt  unmittelbar  auf  dem  Schlünde.  Es  lässt  sich  mit  blossem  Auge 
erkennen  und  nimmt  fast  die  Hälfte  des  Kopfes  ein.  Unter  der  Lupe 
sieht  man ,  dass  es  aus  zwei  seitlichen  Anschwellungen  besteht ,  die 
halbkugelig  nach  oben  gewölbt  sind.  Es  setzt  sich  quer  nach  beiden 
Seiten  in  die  mächtigen  Augennerven  fort,  die  nur  Verlängerungen  von 
ihm  zu  sein  scheinen. 

Aus  ihm  entspringen,  von  vorn  nach  hinten,  drei  Paare  von  Nerven. 
Die  Fühlernerven,   das   erste  Paar  (Fig.  70  und  72,  &),   ent- 
springen an  seinem  Vorderrande  und  verlaufen  schief  über  die  Anzieh- 
muskeln der  Mandibeln   zur  Basis  der  Antennen.    Sie  durchsetzen  die 
verschiedenen  Glieder  der  Fühler  und  verzweigen  sich  besonders   aus- 
giebig in  den  Lamellen  derselben, 
die,  wie  wir  sehen  werden,  sehr 
wesentliche  Sinnesorgane  sind. 

Die  Augennerven  (Fig.  70 
und  72,  c)  bilden  das  zweite 
Paar.  Sie  sind  nur  sehr  kurz, 
da  sie  sich  unmittelbar  von  dem 
Gehirn  zu  den  benachbarten,  zu- 
sammengesetzten Augen  begeben, 
aber  dafür  um  so  dicker.  Wir 
besprechen  sie  bei  Gelegenheit 
der  Sehorgane. 

Das  dritte  Nervenpaar,  die 
Oberlippennerven,  entspringt 
vorn  auf  der  Unterfläche  des 
Gehirns  und  verzweigt  sich  in 
der  Oberlippe.  Diese  Nerven 
sind  sehr  dünn  und  schwer  zu 
präpariren.  Zwischen  ihnen  sieht 
man  ein,  ebenfalls  an  der  Unter- 
fläche entspringendes ,  unpaares 
Stämmchen,  das  zum  Stirngan- 
glion (Fig.  70,  x)  sich  begiebt. 
Zwei  kurze  Connective  (Fig. 
70,  d)  verbinden  das  Gehirn  mit 
dem  Unterschlundganglion  (Fig.  70,  e),  einem  kleinen,  eiförmigen 
Knoten,  von  dessen  vorderer  und  unterer  Fläche  vier  Nervenpaare  ent- 
springen, welche  sich  in  den  Mundwerkzeugen  verästeln. 

Die  Unterlippennerven  (Fig.  71,  g)  bilden  das  erste  und 
dünnste  Paar ;  sie  verzweigen  sich  in  der  Unterlippe  und  ihren  Tastern. 
Das  zweite  Paar,  dieMaxillarnerven  (/),  geht  zurMaxille  und  deren 
Tastern;    das  dritte,   die  Mandibularnerven  (c),  zu  den  Mandibeln 


Das  Untersclilundganglion  mit  den  von  ihm 
entspringenden  Nerven,  a,  ünterschlund- 
ganglion  ;  h,  abgeschnittene  Connective  des 
Schlundringes  zum  Hirn ;  c,  Mandibelnerven ; 
cZ,  Ast  derselben  zu  den  Kaumuskeln ;  e, 
Nerven  zu  den  Muskeln  der  beiden  Kiefer- 
paare ;  /,  Maxillarnerven ;  */,  Nerven  der 
Unterlippe ;  ä  ,  i ,  Connective  zum  ersten 
Brustganglion,  abgeschnitten  (nach  B 1  au- 
ch ard). 


Insecten.  153 

Dieses  letztere  Paar  lässt  sich  nur  schwer  in  den  Kaumuskeln  ver- 
folgen, in  welchen  es  sich  verliert.  Vom  hinteren  Rande  des  ünter- 
schlnndganglions  entspringen  zwei  lange  Connective  (Fig.  70,/),  welche 
es  mit  dem  ersten  Brustknoten,  dem  Halsschildganglion  (Fig.  70,  ^r), 
in  Verbindung  setzen.  Dieses  hat  die  Gestalt  eines  abgestutzten  Doppel- 
kegels, dessen  Spitzen  sich  nach  hinten  richten;  es  lässt  sich  leicht 
biossiegen  und  von  den  folgenden  Ganglien  unterscheiden,  welchen  es 
sehr  genähert  ist.  Von  seinen  vorderen  Ecken  entspringt  ein  Nerven- 
paar (Fig.  70,  /i),  welches  sich  bald  verzweigt.  Die  nach  vorn  gerich- 
teten Aeste  verästeln  sich  in  den  Muskeln  des  Prothorax  und  senden 
auch  Zweige  zu  den  Rückziehmuskeln  des  Kopfes;  die  stärkeren,  hin- 
teren Aeste  begeben  sich  in  das  erste  Beinpaar,  in  dessen  Muskeln 
sie  sich  bis  zur  Spitze  hin  verbreiten. 

Zwei  kurze  Connective  (Fig.  71,  i)  verbinden  das  Prothorax- 
ganglion mit  einem  grossen,  eiförmigen  Knoten,  der  aus  den  verschmol- 
zenen Ganglien  des  Meso-  und  Metathorax  gebildet  ist.  Man  sieht 
nur  noch  auf  der  Oberseite  dieser  Masse  eine  sehr  seichte  Trennungs- 
furche (Fig.  70,  Je).  Die  von  diesem  Knoten  ausgehenden  Nerven 
verbreiten  sich  in  den  Anhängen  der  beiden  genannten  Ringe,  Flügeln 
und  Beinen. 

Das  erste  Paar  verläuft  zu  den  Flügeldecken  (Fig.  70,  ?).  Es 
entsteht  am  vorderen  Rande  des  Ganglions  und  steigt  unmittelbar  zur 
Einlenkung  der  Flügeldecken  empor.  Das  zweite  Paar  (Fig.  70,  in) 
geht  in  das  zuva  Mesothorax  gehörende  Beinpaar  und  zu  den  Seiten- 
muskeln, das  dritte  (n)  zu  den  häutigen  Flügeln  und  das  vierte  (p)  zu 
den  Hinterbeinen.  Diese  letzteren  Nerven  biegen  sich  stark  nach 
hinten  und  geben  auf  ihrem  Verlaufe  wichtige  Zweige  an  die  Flügel- 
muskeln und  die  Seitenmuskeln  des  Metathorax. 

Endlich  legt  sich  an  den  hinteren  Rand  dieser  verschmolzenen 
Ganglienmasse  ein  halbkugelförmiger,  etwas  in  die  Länge  gezogener 
Knoten  an,  welcher  allein  die  ganze  Bauchkette  repräsentirt  (Fig.  70,  r). 
Bei  dem  Engerlinge,  der  Larve  des  Maikäfers,  besteht  diese  Kette, 
nach  der  von  Blanchard  gegebenen  Abbildung  (siehe  Literatur),  aus 
■  sechs  von  einander  getrennten  Ganglien.  Bei  dem  Käfer  aber  sind 
dieselben  vollständig  verschmolzen ,  so  dass  man  keine  Spur  mehr  von 
der  früheren  Segmentirung  entdeckt.  Nach  dem  Ursprünge  des  ersten 
Paares  der  Bauchnerven  (Fig.  70,  q)  zu  schliessen,  sollte  man  sogar 
glauben,  dass  noch  ein  Theil  der  Bauchganglien  der  Larve  in  die  Bil- 
dung der  Nervenmasse  des  Metathorax  eingegangen  wäre ,  denn  diese 
Nerven  scheinen  von  dort  auszugehen.  Genauere  histologische  Unter- 
suchungen von  Schnittserien  wären  nöthig,  um  diesen  Ursprung  fest- 
zustellen. 

Die  übrigen  sieben  Nervenpaare,  welche  sich  an  die  einzelnen 
Abdominalringe  begeben,  entstehen  aber  ohne  Zweifel  aus  der  verschmol- 


154 


Arthropoden. 


zenen  Nervenmasse  der  Bauchknoten.  Diese  Nerven  (Fig.  70,  s,s),  die 
von  Anfang  an  sehr  dünn  sind,  laufen  anfangs  parallel  mit  einander 
nach  hinten  und  drängen  sich  so  dicht  zusammen,  dass  sie  nur  ein 
einziges  Bündel  darzustellen  scheinen ,  von  welchem  sich  nach  und 
nach  die  einzelnen  Aeste  zu  den  betreffenden  Segmenten  abzweigen. 
Der  äusserste,  sehr  dünne  Ast  geht  zn  dem  zweiten  Bauch-  und  die 
folgenden  sofort  in  die  übrigen  Segmente,  wo  sie  sich,  wie  unsere 
Figur  zeigt  (Fig.  70,  t,  u),  regelmässig  in  zwei  Aeste  theilen,  welche 
die  Muskeln  der  Ringe  versorgen. 

Endlich  gehen   von   den  hinteren  Zipfeln   des  Knotens   noch  zwei 
dickere  Nervenstämme  ab  (Fig.  70,  v),  welche  sich  zu  den  Geschlechts- 
organen und  den  Begattungs- 
werkzeugen   begeben    und   in 
diesen  verzweigen. 

Zu  dem  Kopfe  zurückkeh- 
rend, bemerken  wir  in  der 
Nähe  des  Gehirnes  und  auf 
dem  Vorderdarme  drei  kleine, 
uupaare  Ganglien,  welche  das 
viscerale  oder  sympa- 
thische Nervensystem  dar- 
stellen. Das  erste  dieser 
Ganglien,  das  Stirnganglion 
(Fig.  70,  ic  und  Fig.  72,  e),  hat 
eine  dreieckige  Form  und 
liegt  unmittelbar  auf  dem 
Schlünde  vor  dem  Gehirn. 
Von  seinen  vorderen  Ecken 
gehen  zwei  feine  Nerven  aus, 
welche  sich  im  Bogen  nach 
vorn  und  aussen  wenden, 
jeder  ein  Aestchen  an  den 
Pharynx  geben  und  unter 
einer  starken  Lupe  bis  auf 
die  Unterfläche  des  Gehirnes 
verfolgt  werden  können,  in 
welche  sie  einzugehen  schei- 
nen. Aus  der  hinteren  Ecke  des  Stirnganglions  entspringt  ein  un- 
paarer  Nerv  (Fig.  62,  g),  der  Nervus  recurrens  der  älteren  Autoren, 
der  direct  nach  hinten  zwischen  dem  Schlünde  und  der  Unterfläche 
des  Gehirnes  durchläuft  und  dann  ein  kleines  Schlundganglion  bildet, 
das  auf  der  Rückenfläche  des  Schlundes  aufliegt.  Hinter  diesem  Knoten 
theilt  sich  der  Nerv  in  zwei  dünne  Aeste,  die  auf  der  Rückenfläche  des 
Schlundes  bis    zum  Kröpfe  verlaufen   und   hier   das  Schlundmagen- 


Vordertheil  des  Centralnervensystemes  mit  den 
verschiedenen  Visceralganglien.  a,  Hirn ;  h, 
Fühlernerven;  c,  Sehnerven;  d,  Nerven  der 
Oberlippe ;  e,  Stirnganglion  ;  /,  Schlundmageu- 
ganglion;  g,  Aeste  des  rütklaufenden  Nervens 
nach  seiner  Theilung;  /<,  Herzganglien  ;  i,  davon 
ausgehende,  längs  des  Eückengefässes  laufende 
Nerven ;  h,  l,  Ganglien  und  Nerven  der  Tra- 
cheenstänime  des  Kopfes.    (Nach  Blanchard.) 


Insecten.  *  155 

Ganglion  (Fig.  72,  f)  bilden,  welches  ebenfalls  eine  di-eieckige  Ge- 
stalt hat  und  an  die  Darmwände  äusserst  feine  Zweige  abgiebt,  die 
sich  nur  unter  dem  Mikroskope  verfolgen  lassen. 

Ausser  diesen  winzigen  Nervenknötchen  finden  sich  noch  zwei 
Ganglienpaare,  welche  das  Rückengefäss  und  die  Tracheenstämme  des 
Kopfes  innerviren. 

Die  Herzganglien  (Fig.  72,  h)  liegen  unmittelbar  hinter  dem  Ge- 
hirne, das  sie  mit  ihrem  Vorderrande  berühren;  sie  sind  durch  eine 
dünne  Quercommissur  mit  einander  verbunden.  Die  aus  ihnen  ent- 
springenden Nerven  verzweigen  sich  an  der  Kopfaorta.  Blanchard 
zeichnet  und  beschreibt  ausserdem  zwei  seitlich  aus  dem  Ganglion  ent- 
springende Aestchen,  welche  sich  mit  den  Mandibularnerven  des  Unter- 
schlundganglions verbinden  sollen;  wir  haben  sie  nicht  zur  Anschauung 
bringen  können.  Dagegen  kann  man  leicht  zwei  kurze ,  von  ihnen 
ausgehende  Connective  erkennen ,  welche  den  Schlund  umkreisen  und 
in  zwei  etwa  gleich  grosse  Ganglien  eingehen,  welche  auf  der  Unter- 
fläche des  Darmes  liegen  (Fig.  72,  Ji,  1)  und  Zweige  zu  den  Tracheen- 
stämmen des  Kopfes  abgehen  lassen. 

Das  in  dem  Kopfe  des  Maikäfers  gelegene  viscerale  Nervensystem 
besteht  demnach  aus  drei  unpaaren  Ganglien,  welche  zu  dem  Vorder- 
darm in  Beziehung  stehen,  und  zwei  Ganglienpaaren,  welche  das 
Rückengefäss  und  die  Tracheen  versorgen.  Wahrscheinlich  finden 
sich  weiter  nach  hinten  noch  ähnliche  Ganglien,  welche  mit  den 
Brustknoten  in  Verbindung  stehen,  da  man  aber  zur  Zeit  keine 
frischen  Maikäfer  haben  konnte,  war  es  uns  unmöglich,  weitere  Nach- 
forschungen anzustellen.  An  conservirten  Exemplaren  ist  nichts  zu 
sehen. 

Sinnesorgane.  —  Ueber  die  Localisiruug  des  Geschmackes 
und  des  Gehörs  wissen  wir  nichts  Bestimmtes.  Man  glaubte  früher 
mit  Leon  Dufour  und  besonders  mit  Lespes  den  Antennen  den 
Gehörsinn  zusprechen  zu  dürfen,  musste  aber  dann  in  Folge  genauerer 
Untersuchungen  diese  Ansicht  aufgeben.  Die  Grübchen  in  den  La- 
mellen der  Antennen,  in  welchen  Lespes  Otolithen  gefunden  zu  haben 
glaubte,  enthalten  in  der  That  nichts  Aehuliches. 

Anderseits  ist  es  wohl  möglich,  dass  die  zahlreichen,  vonCanälchen 
durchsetzten  Haare,  welche  auf  den  Lippen  sich  finden,  Nervenfädchen 
erhalten ,  welche  Geschmacksempfindungen  vermitteln ,  aber  Beweise 
für  diese  Möglichkeit  sind  bis  dahin  nicht  geliefert  worden  und  es  ist 
demnach  gerathen,  keine  voreiligen  Schlüsse  zu  ziehen. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  den  Geruchsempfindungen, 
die  in  Folge  anatomischer  und  physiologischer  Untersuchungen  in  den 
Lamellen  der  Antennen  unzweifelhaft  ihren  Sitz  haben.  Ein  Maikäfer, 
dem  man   beide  Fühler  abgeschnitten   hat,  ist   unempfänglich   für   Ge- 


156 


Arthropoden. 


rüche.  Wir  müssen  deshalb  hier  auf  die  feinere  Structur  dieser  La- 
mellen der  Fühler  näher  eingehen. 

Unter  stärkeren  Vergrösserungen  sieht  man  auf  den  beiden  Flächen 
jeder  Lamelle  eine  grosse  Anzahl  von  kleinen,  unregelmässig  be- 
grenzten Grübchen,  auf  deren  Grunde  man  zwei  concentrische  Ringe 
erblickt,  die  nichts  Anderes  sind,  als  die  Conturen  einer  Anschwellung 
des  Bodens  des  Grübchens  und  der  Basis  eines  Sinnesstäbchens,  welches 
darin  sitzt. 

Um  die  Structur  dieser  Riechgrübchen  (Fig.  64,  (7;  Fig.  73) 
genauer  darzulegen,  muss  man  die  Lamellen  bei  einem  lebenden  Thiere 
abschneiden,  in  Pikrinschwefelsäure  oder  Osmiumsäure  fixiren,  in  Pa- 
raffin einschliessen  und  dann  Schnitte  anfertigen,  die  senkrecht  auf  die 
Oberfläche  der  Lamellen  geführt  sind. 

Auf  solchen  Schnitten  (Fig.  73)  sieht  man,  dass  die  Cuticula  frei 
nach  aussen   geöffnete   Grübchen  (a)  trägt,  die   eine   engere  Oeffnung 

Fig.  73. 


Senkrechter  Querschnitt  einer  Fühlerlamelle,    450  fach    vergrössert.     Von  F.  Ruland 

combinirte  Figur.     «,  Riechgriibchen ;   b,  Centralwärzchen,  das  auf  seinem  Gipfel  eine 

schüsseiförmige  Vertiefung  trägt;    c,  stärker  vorragendes  Wärzchen;    d,  Nervenfaser; 

e,  Axenfaden ;  /,  Ganglienzellen ;  g,  Eiechhärchen. 

und  einen  ausgeweiteten  Innenraum  zeigen ;  ihre  Tiefe  ist  nicht  überall 
die  gleiche.  Der  Boden  dieser  Grübchen  ist  stets  in  der  Mitte  warzen- 
förmig gehoben  und  öfter  sieht  man  auf  der  Spitze  dieser  Warze  eine 
kleine,  becherförmige  Vertiefung  (b,  c).  Die  Axe  des  Wärzchens  wird 
von  einem  Porencanale  durchsetzt,  in  welchen  ein  körniges  Fädchen 
eindringt,  wahrscheinlich  ein  Nervenfädchen  (d,  e).  In  der  That  findet 
man  in  dem  unterliegenden  Bindegewebe  Zellen  (/),  welche  Ganglien- 
zellen ähnlich  sehen.  Wir  müssen  jedoch  gestehen,  dass  wir  auf  keinem 
unserer  Schnitte  einen  directen  Zusammenhang  dieser  Zellen  mit  dem 
Fädchen  nachweisen  konnten.  Auf  dem  Gipfel  der  Wärzchen  findet 
man  öfter  ein  steifes  Härchen ,  ein  spitzes  Nervenstäbchen,  aufsitzend, 
das  manche  Forscher  nicht   nachweisen  konnten ,   vermuthlich  weil  es 


Insecten. 


157 


äusserst  zerbrechlich  ist.  Auf  unseren  Schnitten  fehlt  es  meistens; 
auf  einigen  aber  sehen  wir  es  ganz  in  der  Weise,  wie  Kräpelin  und 
Kuland  (siehe  Literatur)  es  nachgewiesen  haben  (Fig.  73,  g).  Das 
körnige  Nervenfädchen  verlängert  sich  in  dieses  Stäbchen. 

Diese  Organe  scheinen  also  die  Geruchsempfindungen  zu  vermit- 
teln. \Yir  machen  aber  darauf  aufmerksam,  dass  auf  den  Rändern  der 
Lamellen  grosse ,  von  Canälen  durchsetzte  Haare  stehen  (Fig.  68,  F), 
welche  wahrscheinlich  Tastwerkzeuge  sind.  Die  Tastempfindungen  sind 
indessen  nicht  ausschliesslich  auf  die  Antennen  localisirt.  Wahrschein- 
lich erhalten  die  zahlreichen  Haare,  welche  auf  verschiedenen  Körper- 
theilen  zerstreut  sind ,  wenigstens  theilweise  Aestchen  von  den  Haut- 
nerven und  vermitteln  so  Tastempfindungen. 

Augen.  —  Der  Maikäfer  besitzt  zwei  zusammengesetzte  Augen 
mit    gut    entwickelten   Krystallkegeln    (Euconer   Typus   nach   Gre- 

Fiff.  74. 


B 


A,  30 fach  vergrösserter  Längsschnitt  des  Auges,  a,  a',  Hautfalten,  die  eine  Sclero- 
tica  bilden;  b,  Hornhaut;  c,  von  Pigment  umgebene  Zone  der  Krystallkegel ;  d,  Reti- 
nula ;  e,  tiefere  Zone  derselben,  von  Pigment  umgeben ;  /,  vom  Sehnervenganglion  aus- 
strahlende Nervenbündel;  g,  Sehganglion;  h,  Sehnerv.  B,  sechseckige  Facetten  der 
Cornea,  von  der  Fläche  sjesehen. 


nacher),  die  in  seitlichen  Gruben  des  Kopfschildes,  unmittelbar  hinter 
den  Antennen  liegen  und  von  einer  Falte  der  Cuticula  (Fig.  74,  a,  a) 
in  Art  einer  Sclerotica  umgeben  werden.     Jedes  Auge  wird  von  einer 


158  Arthropoden. 

coDvexen  Cornea  von  eiförmigem  Umriss  überwölbt,  die  in  sechseckige 
Facetten  geschliffen  ist  (Fig.  74,  B) ,  deren  Zahl  nach  der  Schätzung 
von  Strauss  etwa  8820  beträgt. 

Die  Untersuchung  der  Elemente  der  Augen  in  frischem  Zustande 
wird  durch  das  sie  umgebende  Pigment  sehr  erschwert;  bei  der  Zer- 
gliederung mit  feinen  Nadeln  wird  man  nur  selten  isolirte  Krystall- 
kegel  und  Retinastäbchen  finden,  von  welchen  das  Pigment  losgeschält 
ist.  Um  die  Structur  dieser  Elemente  und  ihre  Beziehungen  klar  zu 
legen,  muss  man  also  zu  Schnitten  seine  Zuflucht  nehmen,  deren  Rich- 
tung derjenigen  der  optischen  Axe  des  Auges  entspricht.  Diese  Be- 
dingung lässt  sich  nicht  leicht  erfüllen,  da  man  in  dem  Paraffin  nicht 
leicht  die  Lagerung  des  Aiiges  erkennt,  das  in  Folge  seiner  schwarzen 
Farbe  sich  nicht  von  den  umgebenden  Tegumenten  unterscheiden  lässt. 
Folgende  Härtungsmethode  hat  uns  für  die  Untersuchung  der  Nerven- 
elemente die  besten  Resultate  gegeben. 

Man  trennt  mit  der  Scheere  den  Kopf  eines  lebenden  Maikäfers 
vom  Thorax,  schneidet  die  Antenne  ab  und  theilt  durch  einen  Längs- 
schnitt mit  dem  Rasirmesser  den  Kopf  in  zwei  Hälften,  die  man  in 
eine  einprocentige  Lösung  von  Chromsäure  oder  Osmiumsäure  fallen 
lässt,  worin  sie  drei  bis  vier  Stunden  liegen  bleiben.  Dann  härtet  man 
in  Weingeist,  schliesst  jede  Kopfhälfte  in  Paraffin  ein  und  fertigt  so 
feine  Schnitte  als  möglich.  Das  Paraffin  dringt  nur  sehr  langsam  ein, 
weshalb  man  die  Theile  lange  im  geschmolzenen  Paraffin  halten  muss. 
Die  Cornea  springt  leicht  unter  dem  Rasirmesser  ab;  solche  Schnitte 
sind  indessen  nicht  verloren,  da  man  sie  leicht  nach  anderen  Schnitten, 
wo  sie  erhalten  blieb,  ergänzen  kann. 

Wir  haben  (Fig.  74,  A)  einen  Längsschnitt  des  Auges  dargestellt, 
der  etwa  durch  die  Axe  desselben  geht.  Der  Schnitt  wird  aussen  von 
der  durchsichtigen  Hornhaut  begrenzt  (&),  an  welche  innen  die  Kry- 
stallkegel  (f)  sich  anlegen ,  die  meist  von  dichtem  Pigment  umgeben 
sind.  Nach  dieser  dunklen  Zone  folgt  eine  helle,  durchsichtige  (d), 
welche  von  den  Stäbchen  der  Retinula  gebildet  wird,  deren  Basaltheil 
in  einer  zweiten  Pigmentschicht  (e)  steckt.  In  diese  dringen  Bündel 
von  Nervenfasern  (/)  ein ,  welche  von  dem  Sehganglion  (g)  aus- 
strahlen. Wir  sehen  auf  allen  unseren  Schnitten  diese  Faserbündel 
in  Gestalt  von  Säulchen ,  die  durch  leere  Zwischenräume  von  ein- 
ander getrennt  sind.  Mehrere  sind  gerissen  in  Folge  der  Präpara- 
tion und  der  nicht  ganz  conformen  Lage  des  Schnittes.  Je  nach  der- 
selben erscheint  auch  das  Sehganglion  mehr  oder  minder  geschwollen 
in  seiner  Mitte;  der  von  ihm  ausgehende  Nerv  ist  fast  so  breit  als 
das  Gehirn. 

Wenn  man  die  Beschreibung  und  den  Durchschnitt,  die  wir  von 
der  Structur  des  Krebsauges  gegeben  haben  (S.  32,  P'ig.  13),  ver- 
gleichen will,   so  wird  man  finden,  dass  das  Auge  des  Maikäfers  nicht 


Insecten. 


159 


3- .- 


sehr  bedeutend  davon  abweicht.  Die  Vertbeilung  des  Pigmentes,  die 
übrigens  bei  einzelnen  Individuen  beider  Arten  ziemlich  variiren  kann, 
ist  etwa  die  gleiche. 

Gehen  wir,  wenn   auch  nur  kurz,  in  die  genauere  Betrachtung  der 
Structurelemente  eines  einfachen  Theilauges  ein.    Man  fasst  ja  gewöhn- 
lich das  zusammengesetzte  Auge  als  eine   Vereinigung   von  ebenso  viel 
Theilangen  auf,   als  die  Hornhaut  Facetten  hat,  und  die   alle  in  einem, 
Fig.  75.  durch    das    Sehgauglion    dargestellten    Mittel- 

punkte zusammenlaufen. 

So  hat  man  wenigstens  bis  jetzt  allgemein 
das  zusammengesetzte  Auge  aufgefasst.  Wir 
werden  weiter  unten  bei  den  allgemeinen  Be- 
trachtungen sehen,  weshalb  diese  Auffassung 
nicht  mehr  den  neueren  Arbeiten  über  das  Arthro- 
podenauge  entspricht.  Wenn  wir  sie  noch  pro- 
visorisch hier  behalten,  so  geschieht  es,  weil  sie 
die  anatomische  Beschreibung  erleichtert  und 
auch,  weil  wir  am  Maikäferauge  nicht  die  Rich- 
tigkeit der  Thatsachen  controliren  können,  auf 
welche  sich  die  neuere,  besonders  von  Patten 
(s.  Literatur)  lebhaft  vertheidigte  Anschauungs- 
weise stützt. 

Geht  man  von  der  Peripherie  aus  nach 
innen,  so  findet  man  zuerst  das  sehr  durch- 
sichtige, sechsflächige  Hornhautprisma  (a, 
Fig.  75),  das  von  einer  dem  Aetzkali  wider- 
stehenden Chitinschicht  gebildet  ist.  Die 
äussere  Fläche  ist  leicht  convex,  die  innere, 
weit  gewölbtere  Fläche  ist  parabolisch.  Dieser 
Theil  wird  schon  von  dem  Pigment  umgeben, 
das  auch  die  Krystallkegel  umhüllt;  auf  nicht 
sehr  feinen  Schnitten  erscheint  es  als  eine  fort- 
laufende, dunkle  Linie  (b,  Fig.  75).  In  der 
That  bilden  die  Pigmentzellen  eine  Scheide  um 
die  unmittelbar  hinter  den  Hornhautprismen 
säure,  die  beiden  anderen  gelegenen,  sehr  lichtbrechendeu  K ry stall k egel 
nach  vorgängiger  Zerstö-  (e,  Fig.  75),  deren  nach  innen  gerichtete  Spitze 
leicht  abgerundet  ist,  während  ihre  Basis  sich 
an  die  Wölbung  des  Hornhautprismas  anlegt. 
Sie  sind  von  feinen  Fädchen  umgeben,  die  sie 
aus  dem  vorderen   Ende   der   Retinulen    er- 

,   ,,        „  halten,    welche    den    Stäbchen    der    Crustaceen- 
wurde;  d,  kleine  Pigment-  -n     •      i 

Zellen ;  fZ',  grosse  Pigment-  ^ugen    entsprechen.      An   den  Retinulen   unter- 

zellen;  e, /,  g,  Retinulen.  scheiden   wir   mit  Grenacher  drei  Abschnitte. 


Melolontha  vulgaris.  — 
Längsschnitt  dreier  ein- 
facher Theilaugen  (Z  e  i  s  s , 
Oc.  .II,  Obj.  E).  Das 
linke  Auge  ist  vor  der 
Entfärbung  durch  Salpeter- 


rung  des  Pigmentes  ge- 
zeichnet worden,  a,  Pris- 
men der  Hoi'nhaut ;  &,  Pig- 
ment um  den  Krystall- 
kegel;  c,  Krystallkegel, 
deren      Pi2;ment      zerstört 


160  Arthropoden, 

Der  vordere  (e,  Fig.  75),  keulenförmig  angeschwollene  Abschnitt  zeigt 
lange,  durchsichtige  Zellen,  jede  mit  einem  Kerne ;  der  längere ,  mitt- 
lere Abschnitt  (/)  ist  verengert  und  homogen ;  der  hintere  oder  innere 
Abschnitt  {g)  hat  die  Gestalt  eines  geriefelten  Cylinders  mit  glänzenden 
Rippen,  die  nach  beiden  Enden  hin  convergiren.  Man  sehe  über  wei- 
tere Einzelheiten  Grenacher  (s.  Literatur). 

Während  der  vordere  und  mittlere  Abschnitt  jeder  Retinula  pig- 
mentlos bleiben,  taucht  der  hintere  Abschnitt  wieder  in  eine  mächtige 
Pigmentschicht,  deren  Färbung  aber  nicht  so  dunkel  erscheint,  wie  um 
die  Krystallkegel.  Oft  ist  die  Farbe  eher  röthlich  oder  braun,  statt 
schwarz;  sie  dehnt  sich  nach  hinten  über  die  vom  Sehganglion  aus- 
strahlenden Nervenfäden  aus,  die  im  Ganglion  selbst  mit  zahlreichen 
Zellenkernen,  kleinen  Körnerhaufen  und  lichtbrechenden  Tröpfchen 
untermengt  sind.  Wir  haben  auf  Schnitten  im  Ganglion  keine  deut- 
lichen, mit  den  Fasern  in  Verbindung  stehende  Nervenzellen  sehen 
können,  jedoch  existiren  sie  wahrscheinlich,  da  man  in  Zerzupfungs- 
präparaten  welche  sieht.  Der  sehr  bedeutende  Nerv,  welcher  das 
Ganglion  mit  dem  Hirn  verbindet,  ist  fast  so  breit  als  das  Hirn  selbst. 
Auf  Querschnitten  des  Kopfes  kann  man  ihn  bis  zum  Mittelpunkte  des 
Hirnes  verfolgen. 

Verdauungscanal.  —  Der  Darm  bildet  ein  cylindrisches  Rohr, 
das  sechs-  bis  siebenmal  länger  als  der  Körper  ist.  Er  beginnt  an 
der  Unterfläche  des  Kopfes  mit  dem  Munde,  der  nach  vorn  von  der 
Oberlippe  begrenzt  ist,  deren  Chitinlamelle  sich  nach  innen  einschlägt, 
die  Wölbung  der  Mundhöhle  auskleidet  und  sich  in  den  Schlund  fort- 
setzt. Seitlich  ist  der  Mund  von  den  Mandibeln  und  Maxillen  um- 
stellt, die  wir  schon  bei  Gelegenheit  der  äusseren  Organe  (Fig.  63) 
behandelt  haben.  Die  Mandibeln  zerstückeln  und  zerreiben  die  Nah- 
rung, welche  von  den  Maxillen  während  dieser  Operation  festgehalten 
und  dann  in  den  Mund  geschoben  wird.  In  dieser  Function  werden 
die  Maxillen  von  dem  Anhange  der  Unterlippe,  der  sogenannten  Zunge, 
unterstützt,  die  nach  allen  Seiten  beweglich  ist  und  bis  zwischen  die 
Mandibeln  vorgestreckt  werden  kann. 

Vom  Munde  aus  läuft  der  Darm  zuerst  geradeaus  nach  hinten 
durch  den  Thorax  und  bildet  im  Abdomen  mehrere  Schlingen.  Der 
kurze  und  enge  Schlund  (a,  Fig.  76)  tritt  durch  den  Nervenring 
und  erweitert  sich  hinter  demselben  in  eine  Art  Kropf;  der  vor  dem 
Nervenringe  gelegene  Theil  ist  ebenfalls  etwas  erweitert  und  wurde 
von  Strauss  als  Pharynx  bezeichnet;  er  besitzt  kleine,  eigene  Mus- 
keln, welche  ihn  bei  der  Aufnahme  der  Nahrung  nach  vorn  ziehen 
können. 

Von  dem  Brustschilde  an  wird  der  Darm  weiter  und  behält  diese 
Dimensionen  auf  einer  bedeutenden  Erstreckung  in  dem  Bauche,  wo 
er  die  erwähnten  Schlingen  bildet.    Wir  nennen  diesen  grössten  Darm- 


Insecten. 


161 


abschnitt  den  Mitteldarm  (Fig.  76,  h).  Er  ist  der  wesentlich  ver- 
dauende Theil,  zeichnet  sich  durch  seine  braune  Farbe  aus  und  wurde 
von  Dufour  Chylusmagen  genannt  (Jahot  succenttnie  von  Stvanss). 
Seine  wenigstens  im  Anfange  längsgefalteten  Wände  sind  innen  mit 
Zellen  ausgekleidet,  die  braune  Körnchen  enthalten,  über  die  wir 
aber  nicht  näher  berichten  können  ,  da  wir  sie  nur  an  in  Weingeist 
conservirten  Individuen  untersuchen  konnten.  Auf  der  Aussen- 
Fig.  76.  fläche  ist  der  Mitteldarm  mit 

^  feinen,   bräunlichen    und    ge- 

fiederten Röhrchen  überzogen, 
den  Aesten  der  Malpighi'- 
schen  Gefässe  (li ,  Fig.  76), 
von  welchen  später  die  Rede 
sein  soll.  Nach  hinten  setzt 
sich  der  Mitteldarm  in  einen 
dünneren  Theil  fort,  den 
Dünndarm  (c,  Fig.  7  6),  wie 
ihn  L.  Dufour  genannt  hat. 
In  diesen  münden  die  Mal- 
pighi' sehen  Röhren  ein. 

An  den  Dünndarm  schliesst 
sich  der  Enddarm  an,  in 
welchem  wir  zwei  Abschnitte 
unterscheiden  können.  Den 
vorderen,  bedeutend  erweiter- 
ten und  braunen  Abschnitt, 
der  dicke,  fleischige  Wände 
besitzt,  bemerkt  man  bei  Er- 
öffnung, des  Hinterleibes  so- 
fort über  den  Geschlechts- 
organen. Er  nimmt  die  vier 
letzten  Segmente  ein  und 
krümmt  sich  nach  der  Wöl- 
bung derselben  mit  der  con- 
vexen  Seite  nach  rechts  und 
hinten.  Dieser  Theil  (Colon 
nach  Dufour,  Gesier  nach 
Strauss)  zeigt  innen  sechs 
Längsreihen  stark  vorsprin- 
gender Wülste  (d,  Fig.  76) 
drüsiger  Natur,  welche  ausser- 
dem noch  die  Ausstossung  der 
Producte  und  Verdauung  zu 
verhindern  scheinen. 
11 


Melolontha  vulgaris.  —  Anatomie.  Das  Herz 
ist  mit  dem  Riickentegumente  entfernt ,  der 
Darm  abgewickelt  und  nach  rechts  geschoben 
worden.  Man  hat  nur  ein  M  alpighi'sches  Ge- 
fäss  gezeichnet  und  der  grösseren  Deutlichkeit 
wegen  seine  Dimensionen  im  Verhältniss  zum 
Darme  etwas  vergrössert.  «,  Schlund ;  &,  Mittel- 
darm ;  c,  Dünndarm ;  tZ,  erweiterter  Theil  des 
Enddarmes ;  e ,  verengerter  Theil  desselben ; 
/,  Rectum ;  g,  Abschnitt ,  womit  die  M  a  1  - 
pighi' sehen  Röhren  in  den  Darm  münden;  /;, 
Abschnitt  der  Federröhren  (braune  Röhren); 
i,  Abschnitt  der  einfachen  M  a  1  p i  gh  i  'sehen  Röh- 
ren (weisse  Röhren) ;  Ä;,  Penis ;  /,  Samengang ; 
m ,  Hodengänge ,  die  zahlreiche  Windungen 
neben  dem  Penis  machen;  n,  Tracheen  mit 
Luftblasen;  o,  schiefe  Thoraxmuskeln  ;  p,  andere 
Thoraxmuskeln ;  q,  Hirn ;  r,  s,  t,  Ganglien  der 
Brust  und  des  Hinterleibes;  u,  davon  aus- 
gehende Nerven. 
Vogt  u.  Yung,   prakt.  vergl.  Anatomie.     II. 


162  Arthropoden. 

Der  hintere  Abschnitt  des  Enddarmes  verengert  sich  wieder  und 
bildet  so  das  Rectum,  welches  in  die  obere  Fläche  eines  runden  Muskel- 
sackes, in  die  Cloake  (/,  Fig.  76),  sich  öffnet,  in  welche  auch  die  Aus- 
führuugsgänge  der  Geschlechtsdrüsen  einmünden. 

Wir  haben  die  histologische  Structur  des  Darmcanales  nicht  ge- 
nauer untersucht.  Querschnitte  zeigen  indessen,  dass  die  beiden  End- 
portionen, vordere  und  hintere,  innen  mit  einer  dünnen  Chitinlamelle 
ausgekleidet  sind,  die  eine  Endothelialschicht  mit  undeutlichen  Zellen 
überzieht,  welche  auf  einer  äusseren,  aus  Längs-  und  Querfasern  be- 
stehenden Muskelhaut  aufsitzt,  die  ohne  Zweifel  durch  peristaltische 
Bewegungen  die  Nahrungsballen  weiter  bewegt.  Im  Rectum  werden 
diese  Muskelbündel  besonders  stark. 

Der  Maikäfer  besitzt  weder  Speicheldrüsen  noch  andere  Neben- 
drüsen des  Darmes,  wie  man  sie  bei  vielen  Insecten  antrifft.  Eine 
genaue  Untersuchung  des  histologischen  Baues  der  verschiedenen  Darm- 
regionen würde  manches  Interesse  bieten  und  gestatten,  diesen  Elementen 
die  verschiedenen  Functionen  zuzuweisen,  welche  F.  Plateau  in  seiner 
Abhandlung  über  die  Verdauung  der  Insecten  kennen  gelehrt  hat. 

Malpighi'sche  Röhren.  —  Man  ist  jetzt  allgemein  darüber 
einig,  dass  diese  Canäle  nur  Ausscheidungsorgane  sind  und  mit 
der  Verdauung,  etwa  durch  Gallenabsonderung,  nichts  zu  thuu 
haben.  Wir  beschreiben  sie  indessen  hier  wegen  ihrer  engen  Verbin- 
dung mit  dem  Darmcanale ,  den  sie  im  grössten  Theile  seiner  Er- 
streckung umspinnen.  Bei  dem  Maikäfer  bilden  sie  vier  lange,  sehr 
dünne  und  gewundene  Röhren ,  die  der  äusseren  Wand  des  Darmes  so 
eng  anliegen,  dass  man  sie  nur  mit  grösster  Schwierigkeit  isoliren 
kann,  ohne  sie  zu  zerreissen.  Die  Abwicklung  gelingt  noch  am  leich- 
testen von  ihrer  Einmündungsstelle  in  den  Dünndarm  aiis  {g,  Fig.  76). 
Von  dort  erstrecken  sie  sich  nach  vorn  über  den  ganzen  Mitteldarm 
und  biegen  am  Vorderrande  desselben  um,  indem  sie  bis  auf  den  End- 
darm sich  fortsetzen. 

Auf  diesem  letzten  Abschnitte  ihres  Verlaufes  nehmen  die  Röhren 
eine  weisse  Farbe  an ,  während  ihr  Vorderabschnitt  braun  gefärbt  ist 
und  sich  aiif  dem  ebenfalls  braunen  Darm  weniger  leicht  unterscheiden 
lässt.  Doch  wechselt  diese  Färbung  bei  den  verschiedenen  Individuen; 
bei  den  einen  haben  sie  überall  dieselbe  Farbe,  während  bei  anderen 
auch  einzelne  Stellen  ihrer  Erstreckung  auf  dem  Mitteldarme  weiss 
erscheinen.  Wir  können  deshalb  dieser  Färbung  nicht  das  Gewicht 
beilegen ,  wie  es  ältere  Beobachter  thaten ,  die  zum  Theil  nicht  den 
Zusammenhang  zwischen  den  braunen  und  weissen  Röhren  erkannt 
hatten  und  die  ersteren  für  Galle  absondernde  Organe,  die  letzteren  für 
Harnorgane  ansahen.  Leydig  ist  noch  neuerdings  in  diesen  Irrthum 
verfallen,  der  von  F.Plateau  und  Schindler  (s.  Literatur)  endgültig 
zurückgewiesen  wurde. 


Insecten. 


163 


In  anatomischer  Hinsicht  kann  man  an  den  Malpighi'schen 
Röhren  einen  Abschnitt  unterscheiden,  auf  dessen  Erstreckung  sie  eine 
Menge  kleiner  seitlicher  Blindröhreu  tragen  (h,  Fig.  76;  A,  Fig.  77). 
Diese  Seitenröhrchen  sind  von  ungleicher  Länge,  zuweilen  verzweigt, 
und  geben  dem  Gange  das  Ansehen  einer  Feder  (Federröhrchen  von 
Leydig).  Sie  finden  sich  vorzugsweise  auf  dem  braun  gefärbten  Theile 
der  Röhren,  wo  diese  dem  Mitteldarm  anliegen.  Die  weissen  Röhren 
dagegen,  welche  dem  Enddarm  anliegen  (5»,  Fig.  76;  ^,  Fig.  77),  zeigen 
keine  seitlichen  Blindröhrchen ,  sondern  nur  hier  und  da  knotige  Ver- 
dickungen, die  durch  eine  bedeutendere  Anhäufung  der  Escretions- 
stoffe  im  Inneren  des  einfachen  Rohres  erzeugt  werden. 

Die  Malpighi'schen  Röhren  zeigen  eine  äussere  Hüllhaut 
(C,  a,  Fig.  77),   in  welcher  man  hier   uud   da  Kerne  trifft  (h).     In  den 


Melolontha  vulgaris.  —  Malpighi'sclie  Röhren.  A,  Fragment*  einer  verästelten, 
braunen  Röhre.  B,  Fragment  einer  einfachen,  ^veissen  Röhre  (Gundlach,  Oc.  1, 
Obj.  2,  Camera  dura).  C,  Fragment,  welches  den  Uebergang  einer  braunen,  ver- 
ästelten zu  einer  einfachen,  weissen  Röhre  zeigt  (nach  Schindler);  a,  Eigeuhülle ; 
6,  Kern    der  Hülle ;    c,   Epithelialzellen    der    braunen  Röhre ;    d,  dieselben  der  weissen 

Röhre. 


gefiederten  Röhren  ist  diese  Hülle  von  einem  aus  grossen,  polyedrischen 
Zellen  mit  grossen  Kernen  gebildeten  Epithelium  ausgekleidet,  deren 
Protoplasma  Anhäufungen  von  braunen  Körnchen  zeigt,  die  man  in 
der  klebrigen  Flüssigkeit,  welche  die  Röhre  füllt,  mit  stark  licht- 
brechenden  Kügelchen  vermengt  wiederfindet  {C,  c,  Fig.  77). 

11* 


164 


Arthropoden. 


Fie.  78. 


Das  Epithelium  des  nicht  verästelten  Abschnittes  der  Malpighi- 
schen  Röhren  zeigt  kleinere  Zellen  {C,  d,  Fig.  77).  Der  Inhalt  der 
Röhren  ist  opak,  dick,  mit  braunen  Concretionen  und  fettartigen 
Kügelchen  gespickt.  Wir  haben  keine  Krystalle  gefunden,  wie  sie  bei 
anderen  Insecten  vorkommen  und  die  aus  Harnsäure  bestehen. 

Rückenge fä SS,  Herz.  —  Das  Kreislaufsystem  ist  auf  ein  ein- 
ziges Gefäss  beschränkt,   welches  in   der  Mittellinie   der   Rückenfläche 

verläuft.  Im  Hinterleibe 
liegt  es  unmittelbar  der 
Innenfläche  der  Tegumente 
an  und  ist  durch  Muskel- 
bänder daran  befestigt. 
Wir  rathen  es  von  der 
Bauchseite  aus  zu  präpa- 
riren ,  nachdem  man  alle 
übrigen  Organe  entfernt 
hat. 

Von  dem  ersten  Bauch- 
ringe an  beugt  sich  das 
Rückengefäss  leicht  nach 
unten  und  setzt  sich  in 
einen  Aorten  canal  fort 
(.4,  B,  a,  Fig.  78),  der  in 
dem  Thorax  gerade  nach 
vorn  verläuft  und  unmittel- 
bar auf  dem  Darm  auf- 
liegt. So  dringt  der  Canal 
bis  in  den  Kopf  vor,  wo  er 
plötzlich  mit  offener  Mün- 
dung aufhört,  ohne  sich  zu 
verzweigen.  Nach  hinten, 
bei  &,  schliesst  das  Herz 
mit  einer  stumpfen  Spitze 
ab,  ohne  Seitengefässe  ab- 
zugeben. 

Wir  haben  also  eine 
cylindrische  Röhre  mit 
dünnen ,  und  wenigstens 
im  Abdomen  contractilen 
Wänden  vor  ixns,  die  man 
als  ein  Herz  betrachten 
kann,  da  sie  die  Nähr- 
flüssigkeit, das  Blut,  umtreibt.  An  jedem  Segmente  ist  diese  Röhre 
durch  eine  Einstülpung  ihrer  Seitenwände  verengt,  so  dass  sie  aus  acht 


y^-J 


Melolontha    vulgaris 


A,    das    Herz     von    der 


Rückenseite.  B,  sein  vorderer  Theil  mit  der  Ein- 
biegung; der  Aorta  an  ihrem  Ursprünge.  «,  Aorta ; 
h,  letzte  geschlossene  Kammer  am  hinteren  Ende ; 
c-,  die  durch  Einstülpungen  der  Wände  [d)  ge- 
trennten Herzkammern ;  e,  grosse  Zellen  des  Peri- 
cardialgewebes ;  /,  Flügelmuskeln;  </,  Peritoneal- 
lamelle. 


Insecten.  165 

hinter  einander  folgenden  Kammern  besteht  (c,  c,  Fig.  78),  die  sich 
theilweise  in  einander  schieben  können,  um  den  Bewegungen  des  Ab- 
domens zu  folgen. 

Der  eingestülpte  Theil  der  Herzwände  (d,  d,  Fig.  78)  zeigt  die 
Gestalt  einer  halbmondförmigen  Doppellamelle,  an  deren  hinterem  Ende 
eine  Oeffnung  angebracht  ist,  durch  welche  das  Blut  bei  jeder  Diastole 
aus  der  Pericardialhöhle  in  das  Herz  übertreten  kann.  Es  giebt  dem- 
nach ebenso  viele  Paare  von  Oeffnungen  als  seitliche  Einstülpungen  der 
Wände,  und  da  diese  in  die  Herzhöhle  vorspringen,  so  bilden  sie  einen 
Klappen apparat,  der  das  Blut  in  der  auf  unserer  Figur  durch  einen 
Pfeil  bezeichneten  Richtung  bei  der  Systole  vorwärts  treibt  und  seine 
Rückstauung  während  der  Diastole  verhindert. 

Grab  er  findet,  dass  die  Herzwände  aus  drei  Schichten  bestehen: 
einer  structurlosen  Intima,  einer  Mittelschicht  aus  musculösen  Längs- 
und Querfasern  und  einer  äusseren  Adventitia  aus  Bindegewebe.  ^N^ir 
verweisen  auf  seine  Abhandlung  (siehe  Literatur)  in  Bezug  auf  die 
Histologie  des  Herzens  und  namentlich  auf  das  dasselbe  umgebende 
Pericardialgewebe  (e,  Fig.  78),  welches  aus  grossen  Zellen  mit  zwei 
Kernen  besteht.  Wir  fügen  nur  bei ,  dass  das  Rückengefäss  auf  einer 
Peritoneallamelle  ruht,  die  eine  Reihe  von  Muskelbündeln  zeigt,  welche 
einerseits  an  den  Seitenwänden  der  Herzkammern ,  anderseits  an  den 
oberen  Bogen  der  Tegumente  des  xA.bdomens  enden.  Da  diese  Bündel 
am  Herzen  sich  ausbreiten  und  an  dem  Tegument  spitz  enden,  haben 
sie  eine  dreieckige  Gestalt,  weshalb  die  älteren  Autoren  sie  dieFlügel- 
muskeln  des  Herzens  nannten  (/,/,  Fig.  78).  Die  Untersuchungen 
von  Grab  er  haben  gezeigt,  dass  diese  Flügelmuskeln  bei  der  Diastole 
der  Herzkammern  keine  active  Rolle  spielen,  wie  Strauss  glaubte 
und  viele  Handbücher  nach  ihm  wiederholten. 

Aus  dem  vorderen  Ende  der  Aorta  ergiesst  sich  das  Blut  in  die 
allgemeine  Leibeshöhle,  wie  man  leicht  durch  Einspritzungen  in  das 
Herz  nachweisen  kann,  und  von  da  in  den  ganzen  Körper.  Wir  haben 
die  Vertheilung  des  Blutes  in  diesem  weiten  Sinus  nicht  genauer  ver- 
folgen können,  aber  aus  der  Analogie  mit  durchsichtigen  Insectenlarven, 
die  man  unter  dem  Mikroskope  beobachten  kann,  dai-f  man  schliessen, 
dass  der  Blutstrom  in  regelmässiger  Weise  zwischen  den  Organen  und 
um  die  zahlreichen  Tracheenstämme  kreist.  Das  Blut  durchsetzt  das 
von  zahlreichen  Lacunen  durchbohrte  Pericardialgewebe  um  das  Herz 
und  tritt  schliesslich  in  dasselbe  durch  die  erwähnten  Oeffnungen 
zwischen  den  Kammern  ein.  Das  Blut  selbst  ist  farblos  und  führt 
amöbenartige  Körperchen,  von  welchen  man  oft  Ansammlungen  in  den 
Herzkammern  findet. 

Athemorgane.  —  Der  Maikäfer  athmet  durch  Tracheen  (Fig.  80 
und  81  a.  S.  168  u.  170),  d.  h.  durch  in  allen  Organen  verzweigte 
Luftröhren,    die    von    Luftlöchern   oder   Stigmen   entstehen,    welche 


166 


Arthropoden. 


auf  den  Seiten  des  Körpers  angebracht   sind   und   deren  wir  schon  bei 
Beschreibung  des  äusseren  Skelettes  gedachten  (c,  c,  P'ig,  68). 

Die  in  der  Zahl  von  acht  Paaren  vorhandenen  Stigmen  sind  äusser- 
lich  von  einem  ovalen  Chitinring  umsäumt  (a,  Fig.  79),  von  welchem 
mehr  oder  minder  starke  Chitinstäbchen  {a)  ausgehen,  die  reusenartig 
eine  feine  Haut  stützen,  welche  eine  becherförmige  Vertiefung  (e) 
bildet,  auf  deren  Grunde  die  Spalte  sich  öffnet,  welche  die  Luft  in  die 
Trachee  einlässt  {A^  b,  Fig.  79).  Diese  in  der  Richtung  der  grossen 
Axe  des  Stigmas  orientirte  Spalte  ist  sehr  eng  und  ihre  Lippen  sind 
mit  kurzen,  dünnen  Härchen  besetzt,  welche  das  Eindringen  des  Staubes 
verhüten.  Die  Wände  der  Bechergrube  zeigen  vieleckige,  von  kleinen 
Chitinleisten  bedingte  Zeichnungen.  Man  untersucht  die  Structur  der 
Stigmen  an  Kalipräparaten  und  zieht  die  an  dem  Stigma  entstehenden 

Fiß-.  79. 


Melolontha  vulgaris.  —  Stigmen.  A,  Thoracalstigma.  B ,  letztes  Abdominalstigma. 
C,  das  erste  Bauchstigma  von  innen  gesehen,  um  seinen  Verschliessuugsapparat  zu 
zeigen,  a,  Chitinrahmen;  a',  Chitinstäbchen;  ö,  spaltförmige  OefFnung  des  Wurzel- 
stammes der  Tracheen ;  c,  Wand  des  Stigmenbechers ;  d,  Chitinstücke,  an  welche  sich 
Schliessmuskeln  inseriren ;  e,  Schliesslamelle ; /,  Tracheenstamm. 

Tracheenstämme  bei  der  Ablösung  des  Luftloches  mit  heraus.  Man 
wählt  vorzugsweise  die  Stigmen,  welche  am  Thorax  oder  an  den  ersten 
Bauchringen  gelegen  sind,  weil  sie  eine  bedeutendere  Grösse  besitzen. 
Die  Stigmen  der  letzten  Bauchringe  haben  eine  kleinere,  fast  runde 
Oeffnung  (i?,  Fig.  79).  Jedes  Stigma  besitzt  an  seiner  inneren  Fläche 
einen  Verschliessungsapparat  (C,  e,  Fig.  79),  der  wesentlich  aus  einer 
halbmondförmigen  Chitinlamelle  besteht,  welche  sich  an  die  "Wurzel 
der  Trachee  anlegt  und  mit  ihren  beiden  Enden  an  der  Basis  zweier 
conischer  Lamellen  {d)  eingelenkt  ist,   die  dem  Schliessmuskel  zur  An- 


Insecten.  167 

heftiing  dienen.  Letzterer  ist  so  gelagert,  dass  er  durch  seine  Con- 
traction  die  beiden  Lamellen  auf  die  Stigmeuöffnung  herabzieht  und 
deren  Lippen  einander  nähert.  Erschlafft  der  Muskel,  so  wird  das 
Luftloch  durch  die  Elasticität  des  Chitins  wieder  geöffnet,  wodurch  die 
Theile  in  ihre  normale  Lage  zurückkehren.  Wir  verweisen  hinsichtlich 
der  Einzelheiten  auf  Landois  und  Thelen  (siehe  Literatur).  Es 
versteht  sich  von  selbst,  dass  man  an  Kalipräparateu,  die  beim  Oeffnen 
und  Schliessen  der  Stigmen  mitspielenden  Elemente  nicht  untersuchen 
kann,  da  das  Kali  die  Muskeln  zerstört. 

Man  kann  ohne  Schwierigkeit  den  Verlauf  der  grösseren  Tracheen- 
stämme unter  der  Lupe  verfolgen,  da  die  Füllung  mit  Luft  ihnen  unter 
Wasser  einen  Silberglanz  giebt.  Wir  erwähnen  hier  nur  die  wich- 
tigeren Stämme  und  verweisen  hinsichtlich  der  feineren  Aeste  auf  die 
Monographie  von  Strauss,  der  eine  sehr  in  das  Einzelne  gehende 
Beschreibung  des  Tracheensystemes  gegeben  hat. 

Man  spaltet  nach  Fixirung  des  Thieres  sorgfältig  das  Rücken- 
tegument  über  dem  ersten  Thoracalstigma,  das  in  der  weichen  Haut 
zwischen  Prothorax  und  Mesothorax  liegt,  entfernt  die  Rückenbogen 
des  Mesothorax  und  des  Bauches  und  legt  damit  die  Längsstämme 
bloss,  welche  zu  beiden  Seiten  des  Körpers  verlaufen.  Es  ist  übrigens 
gleichgültig,  von  welcher  Seite  her  man  operirt,  da  in  der  ganzen  An- 
ordnung die  sti-engste  Symmetrie  herrscht. 

Jedes  Stigma  führt  in  einen  Wurzelstamm  (C,/,  Fig.  79),  der  sich 
bald  in  Aeste  spaltet. 

Der  dem  ersten  Thoracalstigma  entsprechende  Wurzelstamm 
(a,  Fig.  80  a.  f.  S.)  ist  sehr  geräumig  und  erweitert  sich  zu  einer  runden 
Blase,  von  welcher  mehrere  bedeutende  Aeste  ausgehen.  Zwei  der- 
selben durchsetzen  das  Halsschild  und  dringen  in  den  Kopf  ein.  Der 
obere  Stamm  (i>,  Fig.  80)  fliesst  sofort  nach  seinem  Eintritte  in  die 
Kopfhöhle  mit  dem  entsprechenden  Stamm  der  anderen  Seite  zu- 
sammen, trennt  sich  aber  bald  wieder  und  läuft  in  schiefer  Richtung 
zu  dem  Auge.  Von  der  Dorsalfläche  der  Vereinigung  der  beiden 
Stämme  entsteht  ein  unpaarer  Ast,  der  zum  Hirne  verläuft  und  zahl- 
reiche Seitenzweige  abgiebt,  welche  sich  in  den  Muskeln  und  den 
übrigen  an  der  Oberfläche  des  Kopfes   gelegenen  Organen    verzweigen. 

Der  untere  Kopfstamm  (c),  welcher  von  der  Vorderseite  des  Wurzel- 
stammes entspringt,  dringt  unter  dem  Schlünde  in  den  Kopf  ein,  ver- 
einigt sich  mit  dem  entsprechenden  der  anderen  Seite  mittelst  eines 
ansehnlichen  Querstammes  und  setzt  seinen  Weg  nach  vorn  zu  der 
Antenne  fort,  die  er  mit  Aesten  versorgt.  Er  giebt  auf  diesem  Wege 
zahlreiche  Seitenäste  an  die  Mundwerkzeuge  und  deren  Muskeln  ab. 

Ein  dritter  Stamm  (d),  die  Schenkeltrachee  von  Strauss,  geht 
zum  ersten  Beinpaare  und  giebt  zahlreiche  Zweige  auf  seinem  Ver- 
laufe bis   in   den   Tarsus   ab.      Er   entspringt    an   der   ünterfläche   des 


168 


Arthropoden. 


Wurzelstammes  und  ist  weniger  ansehnlich  als  die  beiden  vorher- 
gehenden. Acht  kleinere  Stämmchen,  von  welchen  nur  zwei  auf  unserer 
Figur  sichtbar  sind  (e,  /,  Fig.  80),  vertheilen  sich  noch  in  den  Muskeln 
des  Beines  (/<,  i). 

Von  der  oberen  Fläche  der  Tracheenblase  entspringt  noch  ein 
Sttarker  Stamm  (g) ,  der  sich  nach  oben  und  hinten  richtet ,  in  den 
Mesothorax  eindringt  und,  in  den  Wurzelstamm  des  zweiten  Stigmas 
einmündend ,  eine  Verbindung  zwischen  den  beiden  vorderen  Stigmen 
herstellt.  Dieser  Stamm  trägt  mehrere  Tracheenblasen,  welche  sich  an 
die  Innenfläche  des  Halsschildes  anlegen;  er  giebt  ausserdem  drei  Aeste 
an  die  Flügeldecken. 

ländlich  entspringen  noch  von  der  Hinterfläche  des  ersten  Wurzel- 
stammes drei  Stämme  (k  1,  m),  welche  alle  mit  Blasen  besetzt  sind  und 
sich  in  den  Mesothorax  begeben,  mit  dessen  Stigmen  sie  ebenfalls  Ver- 

Fig.   80. 


Melolontha  vulgaris.  —  Die  rechte  Körperhälfte,  mit  Ausnahme  des  Kopfes,  von  innen 
gesehen,  um  die  hauptsächlichsten  Tvacheenstämme  zu  zeigen.  Vierfache  Vergrösse- 
rung.  J,  Prothorax  oder  Halsschild.  B,  Mesothorax  und  Metathorax.  C,  Abdomen. 
a ,  Erweiterung  des  Wurzelstammes  des  ersten  Stigmas ;  b ,  obere  Kopftrachee ; 
c,  untere  Kopftrachee ;  cl,  e,  Tracheenstämme  zum  ersten  Beinpaar ;  /,  in  den  Beuge- 
muskeln der  Hüfte  sich  verzweigende  Tracheen ;  g ,  Trachee  der  Flügeldecken ; 
h,  i,  Beugemuskeln  der  Hüfte ;  k,  l,  m,  Tracheen,  die  mit  denen  des  zweiten  Stigmas 
communiciren  ;  n,  o,  Communicationstracheen  mit  zahlreichen  Blasen ;  p,  q,  Wurzel- 
stämme der  Bauchstigmen ;  r,  r,  s,  s,  die  sie  verbindenden  Stämme ;  t,  Trachee  der 
Geschlechtsorgane ;  u,  mit  einer  Blasentraube  it'  endender  absteigender  Stamm  des 
unteren  Bogens;  v,  v,  verbindende  Querstämme,  die  sich  in  to  vereinigen;  x,  x,  längs 
der  Rückenbogen  aufsteigende  Stämme  mit  zahlreichen  Blasen.  (Reduetion  nach  einer 
Zeichnung  von   Strauss-Dür ckheim.) 

bindungen  herstellen.  Einer  von  ihnen  (l)  beugt  sich  zur  Bauchseite, 
dringt  in  die  Hüfte  des  zweiten  Beinpaares  ein  und  verzweigt  sich  in 
diesem  bis  zum  Tarsus. 


Insecten.  169 

Wenn  wir  nun  von  dem  ersten  Stigma  zu  demjenigen  zwischen 
dem  Meso-  und  Metathorax  und  den  an  dem  Hinterleibe  gelegenen 
Stigmen  übergehen,  so  bemerken  wir,  dass  ihre  Wurzelstämme  von 
geringerem  Umfange  sind  und  eine  kleinere  Anzahl  von  Stämmen  aus- 
gehen lassen.  Es  begreift  sich  dies  leicht,  da  das  von  ihnen  versorgte 
Feld  weit  geringere  Ausdehnung  besitzt,  während  die  von  dem  ersten 
Stigma  ausgehenden  Stämme  nicht  nur  das  Halsschild,  sondern  auch 
den  ganzen  stigmenlosen  Kopf  versehen  müssen. 

Die  von  dem  zweiten  Stigma  ausgehenden  Tracheen  verlaufen 
longitudinal,  gehen  mit  den  Stämmen  der  benachbarten  Stigmen  Ver- 
bindungen ein  (h,  o)  und  sind  mit  zahlreichen  Bläschen  besetzt.  Sie 
entsenden  Seitenzweige  zu  den  Muskeln  der  beiden  letzten  Beinpaare, 
des  Thorax,  zu  dem  Darme  und  den  häutigen  Flügeln. 

Die  von  den  sechs  Paaren  der  Abdominalstigmen  entstehenden 
Tracheen  zeigen  ziemlich  gleiche  Anordnung.  Sie  sind  an  ihrem  Ur- 
sprünge (q)  kaum  erweitert  und  theilen  sich  fast  unmittelbar  in  zwei 
kurze,  gebogene  Aeste,  einen  oberen  und  einen  unteren.  Jeder  dieser 
Aeste  verbindet  sich  mit  dem  entsprechenden,  aus  dem  vorhergehenden 
und  folgenden  Stigma  entspringenden  Aste.  Die  hinteren  Aeste  des 
Wurzelstammes  vom  letzten  Stigma  verlängern  sich  nach  hinten  und 
münden  in  einander.  Aus  ihrer  Vereinigung  entspringt  ein  starker 
Mittelstamm  (t),  welcher  sich  in  den  Geschlechtsorganen  verzweigt; 
er  ist  in  unserer  Figur  nahe  an  seinem  Ursprünge  abgeschnitten. 

Es  finden  sich  demnach  im  Hinterleibe  jederseits  zwei  über  ein- 
ander liegende  Längstracheenstämme,  die  eine  Reihe  von  Bogen  bilden 
und  an  jedem  Stigma  zusammenmünden.  Da  nun  die  von  den  Brust- 
stigmen entstehenden  Wurzelstämme  sowohl  unter  sich  als  auch  mit 
dem  des  ersten  Stigma  communiciren,  so  folgt  daraus,  dass  die  Luft, 
welche  durch  irgend  ein  beliebiges  Stigma  eindringt,  sich  in  dem 
Tracheensysteme  des  ganzen  Körpers  vertheilen  kann. 

Jeder  Tracheenstamm  des  Hinterleibes  lässt  acht  bis  zehn  lose 
Aeste  entspringen,  welche  sich  nach  innen  wenden  und  an  den  Ein- 
geweiden sich  verzweigen.  Der  zweite  untere  Tracheenast  liefert  einen 
langen  Zweig  (i(),  der  nahe  am  ersten  Bauchstigma  entspringt,  längs 
dem  ventralen  Bogen  des  zweiten  Abdominalringes  bis  gegen  die 
Mittellinie  vordringt  und  hier  einen  Strauss  von  grossen  Blasen 
trägt  (tc). 

Die  folgenden  sechs  Längsstämme  lassen  ähnliche  Aeste  (v)  ent- 
stehen, die  alle  gegen  den  hinteren  Rand  des  fünften  Bauchringes  hin 
convergiren ,  und  auf  der  ventralen  Mittellinie  sowohl  unter  sich  (iv) 
als  auch  mit  den  entsprechenden  Aesten  der  gegenüberstehenden  Seite 
anastomosiren.  So  wird  eine  Verbindung  zwischen  den  zu  beiden 
Seiten  gelegenen  Stigmen  hergestellt.  Alle  diese  Aeste  tragen  Luft- 
bläschen. 


170 


Arthropoden. 


Die  oberen  Längstracheeu  (r)  erzeugen  ihrerseits  je  einen  Ast  (a;), 
welcher  dem  dorsalen  Bogen  eines  jeden  Segmentes  bis  zur  Mittellinie 
entlang  läuft.  Aber  diese  Aeste  bleiben  frei ;  sie  tragen  zahlreiche 
lose  Blasen,  die  durch  ihren  Silberglanz  sich  sofort  bemerklich  machen, 
sobald  man  das  Abdomen  öffnet. 

Die  Tracheen  (0,/,  Fig.  79  und  81)  bestehen  wesentlich  aus 
einem  dui'chsichtigen  Chitinrohre,  welches  von  einer  umhüllenden  chi- 
tinogenen  Haut  gebildet  wird,  die  nur  an  den  Endverzweigungen  fehlt. 
Die  innere  Chitinlamelle,  die  Intima,  zeigt  anscheinend  einen  Spiral- 
faden, welcher  den  Tracheen  ein  charakteristisches  Ansehen  giebt,  aber 
nur  eine  Verdickung  ist.  Dieser  Spiral  faden  verstärkt  die  Elasticität 
der    Trachee    und    hält    ihr   Lumen    stets    offen.      Zerzupft    man    eine 

Fig.  81. 


Melolonfha  vulgaris.  —    Tracheen.     A,  Tracheenblase  im   Banche.      a,  PeritonealhüUe ; 

5,  ihre  bei  b'   vorspringenden  Kerne ;  c,  Trachee.      B,  Trachee  ,    deren  Spiralfaden  bei 

a    entrollt    ist;     a,    «',    Kerne.      C,    verästelter    Spiralfaden    eines    grossen    Tracheen- 

stamines.      D,  Fragment  einer  durch  Behandlung  mit  Aetzkali  gefalteten  Trachee. 


Trachee ,  so  rollt  sich  der  Faden  in  einer  gewissen  Länge  wie  eine 
Spiralfeder  ab,  weil  die  Intima  in  den  Zwischenräumen  zwischen  den 
Verdickungen  weit  dünner  ist  und  leichter  reisst  {B,  a,  Fig.  81).  Der 
Faden  ist  indess  nicht  immer  auf  seiner  ganzen  Länge  einfach.  Hier 
und  da  theilt  er  sich  und  die  Zweige  enden  spitz  auslaufend.  Man 
bemei-kt  dies  besonders  auf  den  grossen  Tracheenstämmen  (C,  Fig.  81). 
Aetzkali  erweicht  die  Intima,  ohne  sie  vollständig  zu  zerstören;  die  auf 
diese  Weise  behandelten  Tracheen  verlieren  ihre  Elasticität  und  die 
Wände  fallen  leicht  zusammen  (D,  Fig.  80). 


Insecten.  171 

Die  chitinogene  oder  peritoneale  Hülle  besteht  aus  mehreren 
Schichten  abgeplatteter  Zellen,  deren  eiförmige  Kerne  sich  leicht  mit 
Carminlösuugen  färben  lassen  (J.,  B,  b,  Fig.  81).  Die  Kerne  sind  so 
dick,  dass  sie  auf  der  Aussenfläche  der  Hülle  vorspringen,  wie  man 
leicht  sehen  kann,  wenn  man  den  Rand  einer  Trachee  beobachtet 
(Ä,  JB,  l)').  An  den  Endzweigen  der  Trachee  scheint  diese  Hülle  zu 
fehlen;  man  sieht  dort  nur  die  Chintinröhre  der  lutima,  die  in  ein 
homogenes  Röhrchen  ausläuft  und  keinen  Spiralfaden  mehr  erkennen 
lässt.  Um  die  Peritonealbülle  zeigt  sich  noch  eine  sehr  feine  äussere 
Grenzmembran  (Graber's  Basalmembran),  die  so  fein  und  homogen  ist, 
dass  sie  sich  nur  erkennen  lässt,  wenn  sie  sich  durch  die  Einwirkung 
von  Reagentien  abhebt. 

Die  Tracheenblasen  sind  nur  Erweiterungen  der  Tracheeu- 
röhren ,  welche  meist  eiförmige  Gestalt,  aber  genau  dieselbe  Structur 
wie  die  Tracheen  besitzen ,  nur  sind  die  Wandungen  sehr  verdünnt 
und  der  Spiralfaden  im  Inneren  fehlt;  wenigstens  haben  wir  ihn  in 
einigen  vergeblich  gesucht;  dagegen  treten  die  Kerne  der  Peritoneal- 
bülle meist  deutlich  hervor.  Diese  Erweiterungen  sind  keine  End- 
blasen, wie  man  glauben  könnte;  sie  finden  sich  auf  dem  Verlaufe  der 
Trachee,  welche  sich  darüber  hinaus  fortsetzt. 

F.  Plateau  hat  in  seiner  schönen  Arbeit  über  die  Athem- 
bewegungen  der  Insecten  den  Mechanismus  der  Respiration  beim  Mai- 
käfer eingehend  behandelt  (siehe  Literatur). 

Geschlechtsorgane.  —  Wie  bei  allen  Insecten  sind  die  Ge- 
schlechter beim  Maikäfer  getrennt.  Wir  wissen  bereits,  dass  das  im 
Uebrigen  dem  Weibchen  ähnliche  Männchen  sich  von  diesem  durch 
die  Structur  der  Fühler  unterscheidet,  die  sieben  grosse  Lamellen  statt 
sechs  kleiner  beim  Weibchen  tragen. 

Männliche  Geschlechtsorgane.  —  Sie  liegen  im  Hinterleibe 
und  bestehen  aus  zwei  Gruppen  sehr  kleiner  Hoden  (a,  Fig.  82  a.  f.  S.) 
mit  ihren  Ausführungsgängen,  zwei  Nebendrüsen  (e,  e)  und  einem  sehr 
complicirten  und  voluminösen  Begattungsorgan  {m). 

Jederseits  im  vierten  und  fünften  Abdominalsegmente  liegen  sechs 
kleine,  abgeplattete  Hodenkuchen  mit  unregelniässigen  Rändern,  die, 
wie  L.  Dufour  richtig  bemerkt,  Samen  von  Malvaceen  ähnlich  sehen. 
Ihre  Oberfläche  zeigt  strahlige  Streifen ,  die  den  Grenzen  der  zahl- 
reichen kurzen  Hodenröhrchen  entsprechen,  aus  welchen  der  Hoden 
besteht  und  die  gegen  einen  Centralpunkt  convergiren  ,  von  welchem 
der  Hodencanal  ausgeht.  Das  blinde  Ende  dieser  länglichen  Bläschen 
oder  Röhrchen  ist  gegen  die  Peripherie  gerichtet,  das  Innere  mündet 
in  den  Anfang  des  Hodencanals.  Innen  sind  die  Wände  mit  dem  Epi- 
thelium  ausgekleidet,  welches  die  Samenzellen  liefert. 

Das  Ansehen  der  Orgaue  wechselt  je  nach  dem  Reifezustande.  In 
voller  Thätigkeit,  wenn  sie  viel  Samen  erzeugen,   erscheinen  die  Röhr- 


172 


Arthropoden. 


eben  wie  ihre  Ausführungsgänge  geschwollen,  von  weisser  Farbe  und 
lassen  sich  bei  Individuen,  die  einen  bedeutenden,  ebenfalls  weissen 
Fettkörper  haben,  nicht  leicht  präpariren.  Bei  in  Weingeist  conser- 
virten  Thieren  sind  die  Hoden  sehr  verschrumpft.  Man  muss  sie  also 
an  frischen  Exemplaren  untersuchen. 

Aus  dem  Centrum  der  Unterfiäche  jedes  Hodens  entspringt  der 
feine  und  sehr  dünnwandige  Hodengang,  dessen  Inhalt  weissliche  Farbe 
hat.  Die  sechs  Hodengänge  vereinigen  sich  jederseits  in  einen  ge- 
meinsamen Ausführungsgang,  den  Samengang  (vas  deferens).  Dieser 
(c,  Fig.  82)  bildet  eine  sehr  lange,  enge,  vielfach  gewundene  Röhre, 
die  sich  so  zusammenknäuelt,  dass  sie  sich  nur  mit  Mühe  entfalten 
lässt.     Gegen   das  hintere  Ende   hin  erweitert  sich  der  Samengang  zu 


Fie    82 


Melolontha  vulgaris.  —  Männliche  Geschlechtsorgane,  vmter  der  Lupe  gezeichnet. 
a,  Hoden;  b,  Hodengänge;  c,  verknäuelte  Samengänge;  d,  ihre  erweiterten  Enden 
(spindelförmige  Samenbläschen);  e,  Nebendriisen ;  /,  ihr  etwas  angeschwollener  Ank- 
lang ;  g,  ihr  erweitertes  Ende ;  h,  Spritzcanal,  der  bei  i  die  Samengänge  und  die  Aus- 
führungscanäle  der  Nebendriisen  aufnimmt;  k,  Theil  der  Penisscheide ,  die  gespalten 
und  bei  p,  am  Ende  des  Penis,  ausgebreitet  ist;  /,  Gipfel  des  Penis,  wo  der  Spritz- 
canal eindringt;  m,  Peniskapsel;  n,  ihre  in  der  Rinne  o  gelegene  Endöffnung. 

einer  spindelförmigen  Samen  blase  (d)  mit  sehr  ausdehnbaren  Wänden, 
die  meist  von  Samen  geschwellt  ist.  Sodann  mündet  jeder  Samengang 
nahe  dem  der  entgegengesetzten  Seite  in  den  Anfang  des  Spritz- 
eana 1  e  s  {h). 

Dieser  nimmt  fast  an  demselben  Punkte  die  Mündungen  zweier 
Nebendrüsen  auf  (e),  die  in  Gestalt  dünner  Röhren,  welche  etwa 
zehnmal  so  lang  sind  als   der  Körper,   sich   zwischen  dem   vierten  und 


I 


Insecten.  173 

siebenten  Bauchsegmente  verknäuelu.  Diese  Knäuel  lassen  sich  noch 
schwieriger  entwirren  als  die  der  Samengänge.  Die  Röhren  sind  an 
ihrem  distalen,  blinden  Ende  (/)  etwas  angeschwollen  und  an  dem 
anderen  (g)  bedeutend  erweitert.  Sie  entleeren  in  den  Spritzcanal  eine 
weissliche  Flüssigkeit,  die  sich  mit  dem  Samen  mengt  nnä  denselben 
zu  verdünnen  scheint. 

Die  histologische  Structur  der  Samengänge  und  der  Xebendrüsen 
scheint  ziemlich  dieselbe.  Ihre  dünnfaserige  Wand  wird  von  einer 
feinen  Peritoneallamelle  von  aussen  und  von  einem  zelligen  Epithelium 
von  innen  ausgekleidet.  Da  wir  im  Augenblicke,  wo  wir  dieses  schrei- 
ben, keine  frischen  Exemplare  zur  Hand  haben  und  conservirte  Exem- 
plare keine  deutliche  Resultate  geben,  können  wir  über  die  histologische 
Structur  keine  eingehendere  Bemerkungen  mittheilen. 

Der  Spritzcanal  {ductus  ejaculuiorius)  (Ji,  Fig.  82),  der  die 
erwähnten  vier  Ausführungsgänge  etwa  auf  demselben  Punkte  (/)  auf- 
nimmt, läuft  schief  von  rechts  nach  links  und  vorn,  und  kreuzt  die 
Peniskapsel  {>) ,  deren  häutige  Scheide  (k)  ihn  eiuschliesst.  Er  dringt 
in  die  Spitze  des  Penis  (/)  ein  und  durchsetzt  diesen  der  Länge  nach. 
Seine  Wände  sind  dick,  sein  Durchmesser  unregelmässig  und  im  Inneren 
des  Penis,  wo  er  sich  erweitert,  mehr  oder  minder  stark,  so  dass  er 
den  Bewegungen  des  Begattungsorganes  sich  anschmiegen  kann. 

Der  Penis  (k,  Fig.  76;  7,  m,  Fig.  82)  ist  ein  mächtiges,  halb- 
cylindrisches  und  doppelt  gekrümmtes  Organ,  das  sich  an  beiden  Enden 
verengt.  Er  füllt  den  grössten  Theil  der  Bauchhöhle  aus  und  ist  von 
den  Windungen  des  Darmes  und  zahlreichen  Tracheen  umgeben.  Eine 
häutige  Scheide  (Je),  die  das  Organ  umhüllt,  schliesst  auf  der  Unter- 
fläche zwei,  von  dem  Sternum  des  echten  Bauchsegmentes  ausgehende 
Chitinstücke  ein,  welche  den  Penis  stützen.  Xach  vorn  wird  die  Scheide 
dicker  und  chitinös. 

Die  verschiedenen  Hüllen  des  Penis,  welche  wie  die  Stücke  eines 
Fernrohres  in  einander  geschoben  werden  können,  sind  übrigens  als 
Ringe  eines  einzigen  Canales  anzusehen,  welcher  durch  die  Einstülpung 
der  Tegumente  des  letzten  Bauchringes  gebildet  wird.  Der  äussere, 
braune  und  glatte  Chitinring  bildet  die  Kapsel  des  Penis;  die  innere, 
häutige  Einfaltung  wird  von  Strauss  Präputium  genannt. 

Zwischen  diesen  Einfaltungen  sind  kleine  Muskelbündel,  die  Spritz- 
muskeln, angebracht,  deren  eingehende  Beschreibung  bei  Strauss 
nachzusehen  ist. 

Im  Ruhezustande  ist  die  Peniskapsel  gänzlich  in  den  Hinterleib 
zurückgezogen,  auf  dessen  Unterfläche  sie  mit  ihrer  rechten  Seite  auf- 
lagert, so  dass  ihre  untere  Oeffnung  nach  links  gewendet  ist  (»i,  Fig.  82). 
Bei  der  Begattung  wird  aber  der  Penis  durch  seine  Ausziehmuskeln, 
welche  sich  an  seinem  vorderen  Ende  anheften,  aufgerichtet. 


174 


Arthropoden. 


Der  Penis  mündet  vor  dem  Rectum  in  die  Cloake.  Das  Ende  des 
Spritzcanales  wird  bei  der  Begattung  nach  aussen  vorgeschoben  und 
in  die  Begattungstasche  des  Weibchens  eingeführt. 

Die  weiblichen  Organe  bestehen  aufe  den  Eierstöcken,  ihren 
Ausführungsgängen,  einer  Begattuugstasche,  einer  Samenblase  und 
zwei  Nebendrüsen. 

Die  Ovarien  (a,  a,  Fig.  83)  bestehen  aus  zwei  pyramidenförmigen 
Bündeln  von  Eiröhren ,    welche   von   einer  PeritouealhüUe   umschlossen 


Fior.  83. 


Melolontha  vulgaris.  —  Unter  der  Lupe  gezeichnete  weibliche  Geschlechtsorgane. 
Rechts  sieht  man  den  normalen  Eierstock,  links  sind  die  Eiröhren  von  einander 
getrennt  und  ausgehreitet  worden.,«,  Eierstock;  a',  Keimlager;  ö,  AulTiängeband  des 
Eierstockes ;  c,  Eier  in  Reihen ;  d,  netzförmiger  Abschnitt  der  Eiröhren ;  e,  Eileiter ; 
/",  Vagina ;  g,  Schliessmuskel  der  Vulva ;  h,  Nebendi'üsen ;  *',  Begattungstasche ;  k,  ihr 
Ausführungsgang ;  /,  Samentasche ;  m,  birnförmiges  Bläschen ;  n,  Rectum  ;  o,  Theil 
der  Rückenwand  der  Cloake. 

und  von   zahlreichen  Tracheen   umsponnen    werden ,   die   grösstentheils 
dem   unpaaren    Stamme    entsprossen   (f,   Fig.  81).     Häufig  findet   man 


lusecten.  175 

auch  in  ihrer  Umgebung  Fetthläschen,  Ueberreste  des  Fettkörpers. 
Sie  ruhen  auf  der  Bauchfläche  der  Leibeshöhle  und  erstrecken  sich  vom 
ersten  zum  sechsten  Segmente. 

Die  zugespitzten  Enden  der  zu  Bündeln  yereinigten  Eiröhren 
convergiren  in  der  Spitze  der  Pyramide,  welche  durch  ein  Faserbündel, 
das  Aufhänge  band  (b),  an  der  Rückenfläche  des  ersten  Bauch- 
segmentes angeheftet  ist. 

Jedes  Ovarium  wird  von  sechs  Eiröhren  zusammtengesetzt ,  die 
man  leicht  mit  der  Nadel  trennen  kann,  wie  wir  es  auf  der  linken  Seite 
unserer  Figur  83  dargestellt  haben  und  die  alle  denselben  Bau  haben. 
In  dem  ausgezogenen  spitzen,  aber  geschlossenen  Ende  (a),  das  man 
auch  die  Keirakammer  genannt  hat,  entstehen  durch  Differen- 
zirung  im  auskleidenden  Endothelium  die  Eikeime,  welche  sich  los- 
lösen, in  die  Höhle  der  Eiröhren  fallen  und  in  dem  Maasse,  als  sie  gegen 
den  Eileiter  hin  vorrücken,  sich  mit  Nahrungsdotter  umgeben,  der  von 
den  Wänden  derEiröhre  abgesondert  wird.  Durch  ihr  fortschreitendes 
Wachsthum  dehnen  die  Eier  die  sie  umschliessenden  Röhren  aus.  Es 
scheint  sogar,  als  ob  das  Endothelium  der  Röhren  sich  um  die  Eier 
herumlege  und  so  einen  Zellenfollikel  um  sie  bilde;  wir  haben  indess 
diese  Phase  der  Eibildung  nicht  eingehender  verfolgt.  Zwischen  je 
zwei  Eiern  schnürt  sich  die  Wand  der  Eiröhre  ringförmig  ein,  so  dass 
die  Eiröhre  einer  Perlenschnur  gleicht,  deren  Perlen  um  so  kleiner 
sind,  je  näher  sie  dem  geschlossenen  Ende  liegen.  Jede  Eiröhre  ent- 
hält zugleich  vier  bis  fünf  Eier  (r,  e,  Fig.  83),  um  welche  Haufen  von 
Nährzellen  angehäuft  sind. 

Der  untere  Abschnitt  der  Eiröhren  ist  mit  einer  krümeligen, 
grauen  Substanz  von  netzartigem  Aussehen  erfüllt  (d,  Fig.  83).  Viel- 
leicht wird  hier  schon  die  Schale  des  Eies  gebildet,  wie  ältere  Beobachter 
annehmen? 

Die  sechs  Eiröhren  vereinigen  sich  jederseits,  um  einen  Canal  mit 
dicken,  musculösen  Wänden,  den  Eileiter  (e,  Fig.  83),  zu  bilden,  der 
mit  leichter  Krümmung  nach  aussen  gegen  die  Mittellinie  sich  wendet 
und  mit  dem  Eileiter  der  anderen  Seite  zu  einem  gemeinschaftlichen 
Gange,  der  Vagina  (/),  sich  vereinigt,  die  gerade  nach  hinten  läuft 
und  vor  dem  Rectum  mit  einer  Querspalte,  der  Vulva,  in  die  Cloake 
mündet. 

Die  Oeffnung  ist  von  einem  Schliessmuskel  (g)  umgeben.  An  ihr 
inseriren  sich  ausserdem  vier  von  Strauss  beschriebene  Muskeln,  die 
bei  der  Eiablage  die  Vulva  nach  hinten  ziehen  und  der  Cloakenöffnung 
näher  bringen. 

Die  untere  Lippe  der  Vulva  trägt  zwei  kleine  Chitinstücke,  deren 
hinteres  Ende  in  die  Cloake  vorspringt.  Jederseits  vom  Schliessmuskel 
liegt  eine  kleine,  eiförmige,  in  die  Bauchhöhle  vorragende  Drüse,  die 
mit  einem  kurzen  aber  weiten  Ausführungsgange  in  die  Vulva  mündet. 


176  Arthropoden. 

Diese  Nebendrüsen  (h,  Fig.  83)  sind  von  einer  dünnen,  hornigen 
Lamelle  übezogen.  Sie  sondern  eine  ölige  Schmiere  ab,  welche  wahr- 
scheinlich dazu  dient,  die  Oeffnung  der  Vulva  schlüjji'rig  zu  erhalten 
und  so  die  Ablage  der  Eier  zu  befördern.  Strauss  vermuthete,  dass 
der  Geruch  dieser  Absonderung  zur  Anziehung  der  Männchen  dienen 
könne. 

Die  Vagina  trägt  auf  ihrer  Rückenfläche  vor  der  Vulva  eine  grosse, 
nierenförmige 'Blase  von  weisser  Farbe,  deren  Volumen  je  nach  den 
Individuen  sehr  variirt.  Dies  ist  die  B  egattungstasche  (^,  Fig.  83), 
in  welche  das  Ende  des  Penis  bei  der  Begattung  eingeführt  wird,  wie 
man  leicht  constatiren  kann,  wenn  man  den  Hinterleib  des  Männchens 
bei  der  Begattung  rasch  mit  der  Scheere  abschneidet. 

Die  Begattungstasche  liegt  nach  rechts  geneigt,  zwischen  den 
Windungen  des  Darmcanales;  ihr  dicker  Ausführungsgang  (k)  mündet 
mit  weiter  Oeffnung  in  die  Vagina.  Die  dicken  Wandungen  enthalten 
eine  äussere  Ringmuskelschicht  und  eine  innere  Längsmuskelschicht;  sie 
sind  mit  einer  längsgefalteten,  dicken  Schleimhaut  ausgekleidet,  die 
von  einer  dünnen  Chitinlamelle,  einer  Fortsetzung  der  die  Cloake  aus- 
kleidenden Chitinschicht,  überzogen  ist.  Die  Höhlung  ist  mit  weiss- 
lichem  oder  grauem  Schleime  erfüllt. 

Vor  der  Begattungstasche  und  ebenfalls  auf  der  Rückenfläche  der 
Vagina  mündet  ein  zweiter  Anhang,  die  Samen tasche  (7,  Fig.  83), 
ein.  Es  ist  eine  lange,  cylindrische,  an  ihrem  gekrümmten  Ende  ab- 
gerundet geschlossene  Röhre ,  die  mit  der  Vagina  durch  einen  dünnen 
Stiel  mit  engem  Canale  verbunden  ist.  Dieser  Canal  zeigt  eine  kleine 
birnförmige  Anhangsblase  (m),  die  ein  ausgestülpter  Blindsack  ist.  Die 
Wände  der  Samentasche  zeigen  wie  die  der  Begattungstasche  eine 
äussere  Muskelschicht  und  eine  innere,  längsgefaltete  Zellenschicht. 
Die  Höhlung  enthält  ausser  der  Begattungszeit  eine  weissliche,  coagu- 
lirte  Masse. 

Trotz  der  ausserordentlich  grossen  Mannigfaltigkeit  der  äusseren  und 
innerän  Orgaue,  die  sich  bei  den  so  unendlich  zahlreichen  Repräsentanten 
der  Classe  der  Insecten  vorfindet,  lässt  sich  doch  bei  allen,  vielleicht  mit 
Ausnahme  einiger  stark  modificirten  Schmarotzer,  der  allgemeine  Grundplau 
des  Baues  wiedei-erkennen ,  der  die  Classe  selbst  mit  gi'osser  Bestimmtheit 
definirt. 

Man  unterscheidet  stets,  wie  bei  dem  Maikäfer,  die  drei  Körperregionen : 
Kopf,  Thorax,  Abdomen.  Nur  wechselt  das  Verhältuiss  dieser  Regionen  zu 
einander  ungemein.  Meist  ist  der  Kopf  der  kleinste  Abschnitt ,  doch  kann 
er  zuweilen ,  wie  beim  Hirschkäfer  [Lucanus  cervus) ,  sogar  grösser  als  der 
Thorax  werden. 

"Wenn  wir  die  Zahl  der  Anhänge  in  Anschlag  bringen ,  so  erscheint  der 
Kopf  ans  vier  verschmolzenen  Somiten  gebildet.  Er  trägt  in  der  That  stets 
ein  Paar  Antennen,  ein  Paar  aus  einem  Gliede  bestehender  Mandibeln,  ein 
Paar  Maxillen  von  complicirterem  Bau  und  ein  zweites  Kiefei-paar,  das  in 
den    meisten   Fällen    durch  Verschmelzung    in    der  Mittellinie   zu    einem   ein- 


Insecten.  177 

zigen  unpaaren  Stücke,  der  Unterlippe,  umgebildet  ist.     Bei  den  Orthopteren 
bleiben  aber  die  beiden  Hälften  getrennt. 

Vor  den  Mandibeln  liegt  ausserdem  ein  stets  unpaares  Gebilde,  die  Ober- 
lippe (Labrum). 

Der  Thorax  besteht  immer  aus  di-ei  Segmenten,  dem  mit  dem  Kopfe 
durch  ein  enges  Stück  zusammenhängenden  Prothorax,  dem  Meso-  und  Meta- 
thoi-ax.  Alle  drei  Brustsegmente  tragen  je  ein  Beinpaar  (Hexapoden)  und 
die  zwei  hinteren  je  ein  Paar  Flügel.  Diese  in  die  Augen  fallenden  Charak- 
tere unterscheid^en  die  Insecten  sofort  von  allen  anderen  Arthropoden. 

Zuweilen  (Hymenopteren,  Dipteren)  ist  das  erste  Bauchsegment  noch  mit 
dem  Thorax  verschmolzen.  Anderseits  bleibt  der  Prothorax  häutig  frei  be- 
weglich; er  wird  dann  das  Brustschild  genannt  (Ooleoptere)i,  Orthopteren, 
Nevropteren  und  ein  Theil  der  Rhi/nchoten). 

Das  Abdomen  ist  aus  neun  bis  elf  meist  sehr  deutlichen  und  unter  sich 
beweglichen  Segmenten  gebildet.  Seine  weicheren  und  dehnbaren  Tegumente 
können  sich  ausdehnen  und  den  Zusammenziehungen  der  Athemmuskeln  zur 
Ausführung  der  rhythmischen,  von  F.  Plateau  genau  untersuchten  Athem- 
bewegungen  nachgeben.  Ebenso  dehnen  sie  sich  zur  Zeit  der  Eireife  aus, 
zuweilen  in  ausserordentlichem  Maasse  [Termes). 

Nur  sehr  ausnahmsweise  trägt  das  Abdomen  Bewegungsanliänge  [Japyx, 
PodureUa),  auch  im  vollkommenen  Zustande.  Bei  vielen  Larven  aber  finden 
sich  normale  Baachfüsse  oder  falsche  Füsse  (Raupen  der  Schmetter- 
linge, Afterraupen  einiger  Hymen optereu) ,  die  den  Parapoden  der  Anneliden 
einigermaassen  ähnlich  sind,  aber  bei  der  Metamorphose  verschwinden. 

An  dem  letzten  Bauchringe  (Afterring)  oder  dem  vorletzten  (Genital- 
ring) finden  sich  oft  sehr  verschiedenartig  gebildete,  chitinöse  Verlänge- 
rungen :  Zangen  zum  Festhalten  {Forficula) ,  Begattungsanhänge  bei  den 
Männchen,  Legeröhren,  Legebohrer  etc.  bei  den  Weibchen  zur  Ablage  der 
Eier  in  der  Erde,  im  Holz  u.  s.  w.  Die  Homologie  dieser  Bildungen  mit 
Gliedern  ist  sehr  problematisch,  meist  sind  es  nur  Umbildungen  des  Körper- 
tegumentes. 

Die  gegliederten  Anhänge  des  Kopfes  und  des  Thorax  sind  durcli  An- 
passung an  die  Lebensbedingungen  den  mannigfaltigsten  Umbildungen  unter- 
worfen . 

Die  stets  nur  in  der  Zahl  eines  Paares  vorhandenen  Antennen  sind 
wenigstens  aus  drei,  oft  aber  bis  dreissig  und  mehr  Gliedern  zusammen- 
gesetzt, die  einander  ähnlich  oder  unähnlich  und  meist  unter  sich  beweglich 
sind.  Sie  sind  fadenförmig ,  borstenartig ,  gekrümmt ,  keulenförmig ,  ge- 
blättert u.  s.  w.  (Fig.  84  a.  f.  S.) ,  aber  stets  an  der  Vorderseite  oder  auf  der 
Oberfläche  des  Vorderkopfes  in  der  Nähe  der  Augen  eingelenkt. 

Die  Muudtheile  der  kauenden  Insecten  {Orthopteren,  Coleopteren,  Xevrop- 
teren)  sind  mehr  oder  minder  denjenigen  des  Maikäfers  ähnlich,  werden  aber 
bei  den  saugenden  Insecten  (Lepidopteren,  Dipteren),  den  leckenden  [Hy- 
menopteren)  und  den  stechenden  {Rhynchoten)  in  bedeutender  und  sehr  ver- 
schiedenartiger Weise  umgebildet.  Indessen  bleibt  der  von  Savigny  zuerst 
formulirte  Satz  zu  Eecht  bestehen :  Welche  Gestalt  auch  der  Mund 
der  Insecten  annehmen  mag,  so  ist  er  unter  allen  Umständen 
doch  stets  aus  denselben  Elementen  zusammengesetzt.  Sa- 
vigny hat  nachgewiesen,  dass  die  Schmetterlinge  zwei  liippen  besitzen,  eine 
obere  und  eine  untere,  die  Taster  trägt;  ferner  zwei  sehr  kleine  Mandibeln 
imd  zwei  Maxillen,  deren  jede  in  eine  lange,  biegsame  Halbrinne  verlängert 
ist,  aussen  abgerundet,  innen  ausgekehlt,  welche  durch  die  Zusammenlegung 
ihrer  Ränder  eine  Röhre,  den  spiralig  aufroUbaren  Rüssel,  bilden.  Diese 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  ]2 


178 


Arthropoden. 


Halbrinnen  {A,  c,  Fig.  85)  tragen   zwei-  oder  dreigliedrige  Taster,  die  in  der- 
selben Weise  eingelenkt  sind,   wie  auf  den  Maxillen   der   kauenden  Insecten. 

Fie.  84. 


Verschiedene    Formen    von    Antennen.      A,    Aeschna    (Pseudo-Nevropteren) ;    B,   Volu- 

cella  (Dipteren);   C,  Sargus  (Dipteren);    D,  Necrophorus;    E,  Ctenocerus ;  F,  Prionus; 

G,   Ciirculio   (Coleopteren). 

Fig.   85. 


d^"' 


Mundwerkzeuge  verschiedener  Insecten,  zur  Demonstration  ihrer  Umwandlungen  durch 
Anpassung.  A,  Kopf  einer  Noctua  von  unten.  Die  Lippentaster  sind  abgeschnitten 
(nach  Savigny).  «,  Oberlippe;  b,  Mandibeln ;  c,  Maxillarrinnen,  den  Rüssel  bildend; 
d,  Maxillarpalpen ;  e,  Insertion  der  abgeschnittenen  Lippentaster.  B,  Mundtheile  eines 
Weibchens  von  Culex  nemorosus  (nach  Becher).  a,  Oberlippe;  b,  Mandibeln; 
c,  Maxillen ;  d,  Unterlippe,  zum  Rüssel  umgebildet ;  e,  Lippentaster ;  /,  Hypopharynx. 
C,  Mundtheile  von  Anthophora  retusa  (nach  Newport).  a,  Antennen;  b,  Man- 
dibeln; c,  Maxillen;  d,  Maxillartaster ;  e,  Lippentaster;  /,  Zunge;  g,  Nebenzungen 
(Paraglossen) ;  h,  einfache  Augen   (Stemmata). 


Insecten.  179 

Bei  den  ßhynclioten  sind  die  Mandibeln  und  Maxillen  in  Stilette  zum  Stechen 
und  die  Unterlippe  in  eine  Saugröhre  umgewandelt.  Bei  deu  Hymenopteren 
(Anthophora)  zeigen  die  Oberlippe  und  die  Mandibeln  etwa  dieselbe  Bildung 
wie  bei  den  Coleopteren ;  die  Maxillen  und  die  Unterlippe  und  namentlich 
die  Zunge  sind  zu  einem  Schöpfrüssel  umgebildet.  (Man  sehe  die  Abhand- 
lungen von  S  avigny  und  Gerstfeld.)  Einige  Typen,  wie  z.B.äie]Phryganiden, 
zeigen  Uebergänge  zwischen  kauenden  und  saugenden  Mundtheilen. 

Auch  die  Beine  modeln  sich  nach  den  ihnen  zustehenden  Functionen, 
namentlich  das  erste  und  dritte  Paar.  Die  Zahl  ihrer  einzelnen  Glieder  ist 
zwar  ziemlich  constant ,  aber  ihre  verhältnissmässige  Entwicklung  sehr  ver- 
schieden. So  werden  z.  B.  bei  den  Springern  {Locusta,  Pulex) ,  Schenkel 
(Femur)  und  Schiene  (Tibia)  ausserordentlich  laug  und  stark ,  während  sie 
im  Gegentheile  bei  den  Grabern  {Gryllotalpa ,  Ateuchiis)  kurz  und  massiv 
werden.  Bei  den  Schwimmern  {Di/fiscits ,  Gyrinics ,  Xotonecfa)  platten  sich 
die  Tarsen  zu  scheibenförmigen  Eudern  ab,  die  mit  feinen  Haaren  besetzt 
sind.  Bei  den  Fliegen  tragen  die  Tarsen  am  Ende  kleine  Spornen  und  Pol- 
ster, die  mit  mikroskopischen  Saugnäpfen  besetzt  sind,  wodurch  sie  sich  an 
glatte  Flächen  anheften  können. 

Die  Flügel  fehlen  den  Thysanuren  und  Apteren.  Meist  finden  sich  zwei 
Paare ,  die  sich  erst  bei  dem  vollkommenen  Insect  (Image)  entwickeln ;  aus- 
nahmsweise findet  man  schon  bei  einigen  Larven,  von  Orthopteren  besonders, 
Rudimente  davon  in  Gestalt  einfacher  Hautfalten  {Blatta,  Termes).  Die  vier 
Flügel  zeigen  gleiche  Bildung  bei  den  Xevropteren ,  Lepidopteren;  Hymenop- 
teren. Bei  den  Dipteren  ist  das  hintere  Flügelpaar  zu  zwei  Sehwingkolben 
{Halteres)  verkümmert ,  die  sogar  bei  einigen  Gattungen  gänzlich  zu  Grunde 
gegangen  sind.  Dagegen  sind  hei  den  männlichen  Strepsipteren  nur  die 
Hinterflügel  ausgebildet,  und  wir  wissen  vom  Maikäfer,  dass  sie  auch  bei  den 
Coleopteren  meist  weitaus  grösser  sind  als  die  Vorderflügel  und  allein  zum 
Fluge  dienen,  während  sie  sich  in  der  Ruhe  unter  die  Yorderflügel  ein- 
schlagen. 

Die  Yorderflügel  sind  bald  häutig,  dünn,  durchsichtig,  geädert  {Hyrnenop- 
teren)  oder  fein  genetzt  [Xevropteren),  bald  dicker ,  pergamentartig,  undurch- 
sichtig oder  Halbdecken  (Orthopteren,  Ehynchoten],  bald  endlich  harte  Flügel- 
decken [Coleopteren),  wie  beim  Maikäfer.  Bei  einigen  Coleopteren  (Gihhium) 
sind  die  Decken  in  der  Mittellinie  verwachsen  und  die  Hinterflügel  ver- 
kümmert, so  dass  die  Decken  nur  eine  feste  Schutzbrücke  über  den  Hinter- 
leib bilden.  Bei  den  Lepidopteren  und  Phryganiden  sitzen  auf  den  Flügeln 
Chitinblättchen  in  Form  feingestreifter  Schüppchen. 

Die  Flügeladern  enthalten  die  Nerven  und  Tracheen.  Ihre  Anordnung 
ist  bei  Arten  und  Gattungen  eine  constante ,  so  dass  sie  den  Entomologen 
vortreffliche  Anhaltspunkte  zur  Unterscheidung  liefern. 

Yiele  Insecten  bringen  durch  Reibung  eines  Körpersegmentes  gegen  das 
benachbarte  Töne  hervor  (Coleopteren).  Bei  den  Heuschrecken  und  Grillen 
wird  der  Ton  durch  Geigen  des  Beines  an  dem  Rande  der  Flügeldecken 
erzeugt.  Die  raschen  Schwingungen  der  Flügel  verursachen  bei  Fliegen 
und  Hummeln  wenigstens  zum  TheU.  das  Summen.  Aber  bei  vielen  Gat- 
tungen steht  der  tönende  Apparat  in  enger  Beziehung  zu  dem  Tracheen- 
systeme (siehe  unten)  imd  die  Cicaden  besitzen  einen  sehr  ausgebildeten ,  an 
den  ersten  Bauchringen  angebrachten  musikalischen  Apparat,  der  früher 
von  Reaumur  und  neuerdings  von  Carle t  genau  beschrieben  wurde  (siehe 
Literatur). 

Die  Tegumente  aller  Insecten  sind  nach  demselben  Plane  gebaut: 
Wir  flnden  stets  eine  äussere  Chitinlage  und  eine  innere,  chitinogene  Hypo- 
dermis.     Letztere    zeigt    aber   nicht    immer    deutliche   Zellen ,    sondern  häufig 

12* 


180 


Arthropoden. 


nui*  eine  Protoplasmaschicht  mit  zerstreuten  Kernen.  Einzelne  Elemente 
dieser  Schicht  differenziren  sich  niclit  selten  zu  drüsigen  Orgauen,  die  bald 
einfache ,  flas;henförmige  Drüsenzellen ,  deren  Hals  die  Chitinschicht  durch- 
setzt, bald  auch  kleine  Gruppen  bilden.  Diese  Hautdrüsen  sondern  bei  den 
Blattläusen  oft  einen  Wollüberzug  von  wachsartiger  Substanz  ab;  bei  den 
Bienen  und  Hummeln,  wo  sie  auf  den  zarten  und  durchsichtigen  Hautblättern 
zwischen  den  Bauchringen  localisirt  sind,  erlangen  sie  durch  Absonderung 
des  Wachses  eine  besondere  Bedeutung  (Wachsdrüsen).  Die  Afterdi'üsen, 
von  welchen  beim  Darme  die  Rede  sein  wird,  gehören  derselben  Kate- 
gorie au. 

Die  Mächtigkeit  der  Chitinhaut  wechselt  ungemein.  Während  sie  bei 
vielen  wasserbewohnenden  Larven  äusserst  dünn  und  durchsichtig  ist,,  setzt 
sie  sich  bei  vielen  Coleopteren,  besonders  den  Rüsselkäfern,  aus  vielfachen, 
sehr   harten  Lagen    zusammen.     Mit  Ausnahme    der    Larven    von    Stratiomys 

Fig.  86. 


Verschiedene    Nervensysteme.     J,  Termes  (nach  Lespes).      B,    Dytiscus.     C,    Fliege 

(nach  Blanchard);    g s^  Oberschlundganglion    (Hirn);    9«,    Unterschlundganglion;  (/^, 

(/^,  (/^,  Bauchganglien;   0,   Augen   (dem  Handbuche  von  Gegenbaur  entnommen). 


(L  e  j' d  i  g)' findet  man  in  der  Chitinschicht  niemals  Kalkconcretioneu,  wie  bei 
Crustaceen  und  einigen  Myriapoden ,  wohl  aber  sehr  häufig  Pigmentiiblage- 
rungen,  welche  zur  Eärbtiug  der  Insecten  beitragen. 

üebrigens  finden  sich  auf  der  Oberfläche  häufig  Streifen  und  Riefen, 
welche  das  Licht  in  verschiedener  Weise  brechen,  und  fast  immer  Anhänge 
in  Gestalt  von  Schuppen,  Borsten,  Haaren  u.  s.  w.  Bei  den  Schmetter- 
lingen dringen  Fortsetzungen  der  eigentliümlich  gestalteten  grossen  Hypo- 
dermiszellen  in  das  Innere  der  die  Flügel  bedeckenden  Schuppen  ein  (Sem  per, 
siehe  Literatur).  Bei  vielen  Wasserbewohnern  (Notonecta,  Hi/dromefra)  wird 
die  Chitinschicht  von  Poren  durchsetzt ,  die  Luft  enthalten  und  so  das 
Schwimmen  fördern. 


Insecten.  181 

Wir  können  hinsichtlich  des  Nervensystemes  das  bei  den  Crustaceen 
Gesagte  wiederholen.  Die  ursprünglich  paarige  Gauglienkette  variirt  von 
einer  Ordnung  und  selbst  Familie  zur  anderen  je  nach  dem  Grade  der  Ver- 
schmelzung der  einzelneu  Ganglien.  Die  Kette  ist  bald  sehr  gedehnt  und 
zählt  bis  zii  zAvölf  Ganglieupaaren  {Carabus ;  die  meisten  Larven],  zuweilen 
sind  alle  Ganglien  in  eiue  im  Thorax  gelegene  Masse  vereinigt  [Piqjiparen, 
Strepsipteren).     Fig.  86  stellt  einige  Fälle  dar. 

Mau  kann  fast  immer  die  allmähliche  Verschmelzung  der  ursprünglich 
getrennten  Ganglien  von  der  Larve  zu  der  Imago  verfolgen;  die  drei  Thorax- 
gangiien  vereinigen  sich  und  ebenso  die  Bauchganglien ;  in  extremen  Fällen 
verschmilzt  sogar  die  Bauchmasse  mit  dem  Thoraxganglion.  Doch  findet  die 
Verschmelzung  zuweilen  schon  im  Larvenzustande  statt,  namentlich  bei  Co- 
leoptei'en.  So  liegen  z.  B.  die  elf  Ganglien  der  Larve  von  C'alandra  dicht 
gedrängt  bei  einander  im  ersten  Einge. 

Das  Hirnganglion  zeigt  namentlich  bei  den  geselligen  Insecten  (Bienen) 
einen  sehr  verwickelten  Bau.  Sein  Volumen  hängt  mit  demjenigen  der  Seh- 
nerven zusammen,  die  ihrerseits  wieder  von  der  Grösse  der  Augen  ab- 
hängen. Bei  den  Libellen,  Dipteren  und  Lepidopteren  mit  grossen  Augen 
ist  es  sehr  voluminös.  Die  Untersuchungen  von  Viallanes  haben  festgestellt, 
dass  das  Hirn  aus  drei  Abschnitten,  Proto-,  Deuto-  und  Tritocerebron  besteht, 
die  den  gleichnamigen  Abschnitten  des  Hirnes  der  Krebse  homolog  sind, 
und  jeder  eine  speeielle  Kategorie  von  Nerven  (Sehnerven,  Fühlernerven  etc.) 
entstehen  lässt.  Die  Masse  ist  durch  zwei  Connective  mit  dem  Unterschluud- 
ganglion  verbunden ,  das  die  Nerven  für  die  Mundorgane  abgiebt  und  meist 
von  den  folgenden  Ganglien  streng  geschieden  ist,  mit  Ausnahme  der  Schma- 
rotzer {Piqnparen,  Strepsipteren). 

Bei  den  Insecten  mit  beweglichem  Prothorax  bleiben  die  Brustganglien 
meist  getrennt.  Bei  den  Hymenopteren  uud  einigen  Coleopteren  [Lamelli- 
cornier)  finden  sich  nur  zwei  Brustganglien.  Sie  sind  um  so  bedeutender, 
je  mehr  die  Flügel  und  Füsse,  deren  Nerven  sie  liefern,    entwickelt  sind. 

In  der  Regel  sind  die  Bauchganglien  um  so  besser  getrennt ,  je  mehr 
der  Hinterleib  in  die  Länge  gezogen  ist.  Man  zählt  fünf  bis  neun  Ganglien 
bei  Orthopteren  und  Pseudo-Neoropteren  und  bis  zu  zwölf  bei  einigen  Th}-- 
sanuren  [Lepisma).  Bei  Dipteren  uud  Hj'menopteren  trifft  man  nicht  selten 
sechs  Bauchganglien;  bei  den  Coleopteren  variirt  die  Zahl  ungemein,  denn 
während  Carabus  und  Cerambyx  acht  Ganglien  aufweisen,  findet  sich  bei 
Curculioniden  iind  Blatthörnern  nur  eines ,  das  unmittelbar  den  Thorax- 
gauglien  sich  anlegt.  Viele  Ehynchoten  verhalten  sich  wie  die  Strepsip- 
teren; die  Bauchganglien  sind  durch  Verschmelzung  mit  den  Brustganglien 
verschwunden.  Da  jedes  Ganglion  wenigstens  ein  Paar  Nerven  entstehen 
lässt,  so  kann  man  aus  der  Zahl  der  von  einer  verschmolzenen  Masse 
ausstrahlenden  Nerven  auf  die  Zahl  der  ursprünglichen  Ganglien  schliessen, 
die  in  die  Masse  eingegangen  sind  —  es  sei  denn ,  dass  die  Verschmelzung 
so  weit  gegangen  sei,  wie  bei  den  erwähnten  Schmarotzern. 

Das  sympathische  oder  Eiugeweidenerv  ensy  stem  scheint  bei  den 
meisten  Insecten  doppelt  zu  sein.  Der  eine  Theil  besteht  aus  zwei  Stämmen,  die 
an  der  hinteren  Fläche  des  Hirns  entstehen ,  an  dem  Schlünde  nach  hinten 
laufen  uud  beiderseits  eine  Kette  kleiner  Ganglien  bilden  {s.s,  Fig.  87  a.  f.  S.). 
Der  andere ,  unpaare  Theil  entsteht  aus  einem  vor  dem  Hirne  gelegenen 
Stirngauglion  und  steht  mit  dem  Hirn  durch  einige  feine  Zweige  in  Ver- 
bindung. Der  davon  ausgehende  unpaare  Nerv  (r,  Fig.  87)  läuft  auf  der 
Piückenfläche  des  Schlundes  nach  hinten  bis  zum  Magen ,  wo  er  sich  mit 
einigen  Magenganglieu  verbindet,  die  auch  mit  den  Ganglien  des  paarigen 
Systemes  in  Beziehung  stehen. 


182 


Arthropoden. 


Untersucht  man  die  Bauchnervenkette  mit  dem  Mikroskope,  so  gewahrt 
man  auf  der  Rückenfläche  derselben  einen  sehr  feinen ,  unpaaren  Nerven, 
der  hei  jedem  Ganglion  zwei  Zweige  abgiebt,  die  sich  zu  den  Muskeln  der 
entsprechenden  Stigmen  und  deren  Tracheen  stammen  begeben.  Dies  sind 
die  queren  accessorischen  Nerven  oder  Athemnerven  von  Ne  wport  (cZ,  Fig.  88). 

Fast  alle  lusecteu  zeigen  auf  der  Haut  Haare  verschiedener  Gestalt, 
Stäbchen,  in  deren  Axe  ein  den  Hautnerven  entstammendes  Fädchen  ein- 
tritt. Diese  Anhänge  sind  ohne  Zweifel  sensitiver  Natur  und  vermitteln,  je 
nach  ihrer  Stellung,  verschiedene  Sinneseindrücke.  Aber  man  schliesst  weit 
mehr  aus  dieser  Lage,  als  aus  den  Ergebnissen  von  methodischen  Versuchen, 
dass  die  einen,  auf  den  Anteimen,  Tastorgane,  die  anderen,  auf  den  Mundwerk- 
zeugen, Geschmacksorgane  seien.  Trotz  der  zahlreichen  Arbeiten,  die  in  den 
letzten  Jahren  über  diese  Sinneshaare  gemacht  Avurden,  sind  wir  über  die 
Natur  der  Eindrücke,  welche  sie  vermitteln,    nicht  völlig  im  Reinen.     Es  ist 

Fig.   88. 


Fisf.  87. 


Ä,. 


Fig.  87.  —  Oberschkindgiingjion  und  Eingeweideiiervensystem  des  Seidenschmetter- 
lings (Bombyx  morio).  gs,  Oberschlundganglion  (Hirn);  fl,  Antennennerv;  o,  Seh- 
nerv ;     r ,    unpaarer    Stamm    des    Eingeweidenervensystems ;     r',    seine    Hirnwurzeln ; 

s,  paarige  Eingeweidenerven  mit  ihren  Ganglien  s'  und  s"  (nach  Brandt); 
Fig.   88.   —   Larve  der  Heuschrecke  (Locusta  viridissima).    Stück  der  Bauchnervenkette. 
a,  Längsconnective ;    b,  Ganglien;    c,    seitliche  Nerven;    f/,    sympathischer  Nerv  (nach 

Ley  di  g). 

wohl  wahrscheinlich,  dass  die  von  Wolff  beschriebenen  haarigen  Cuticular- 
gebilde  auf  den  Rändern  der  Mundhöhle  der  Bienen  und  die  Nervenendigungen 
auf  dem  Hypopharynx  der  Orthopteren  und  Coleopteren  Geschmacksempfin- 
dungen vermitteln ;  aber  es  fehlen  noch  immer  experimentelle  Resultate, 
welche  die  Richtigkeit  dieser  Vermuthung  beweisen. 

Dagegen  thun  viele  Versuche  unwiderleglich  dar,  dass  die  Geruchs- 
empfindung bei  vielen  Insecten,  namentlich  Schmetterlingen,  Ameisen  u.  s.  w., 
in  den  Antennen  ihren  Sitz  hat. 


Insecten.  183 

Viele  Insecten  (Ameisen)  sind  vollständig  taub;  andere  (OrtJiopferen) 
hüi'en.  Bei  letzteren  betrachtet  man  als  Hörorgane  besondere  Apparate ,  die 
entweder  hinter  dem  Metathorax  auf  dem  ersten  Bauchringe  (Acridiiwi)  oder 
auf  den  Schienbeinen  des  ersten  Fusspaares  (Locusta,  Gryllus)  gelegen  sind 
und  wesentlich  aus  einer  Haut,  einem  Tympan,  bestehen,  die  über  einen 
Chitinring  gespannt  ist.  Die  innere  Fläche  dieses  Paukenfelles  ist  mit  kugel- 
förmigen Vorsprüngen  besetzt,  in  welchen  Nervenfasern  enden.  Eine  grosse, 
an  die  Haut  angelehnte  Tracheenblase  bildet  den  Resonanzapparat.  Hin- 
sichtlich der  sehr  verwickelten  histologischen  Structur  dieser  Apparate  ver- 
weisen wir  auf  Grab  er  (siehe  Literatur).  Derselbe  beschreibt  als  chor- 
dotonale  Sinnesorgane  eigenthümliche,  bei  vielen  Insecten  an  der  Haut 
gelegene  Bildungen,  die  er  ebenfalls  als  Hörorgane  anspricht.  Endlich  scheinen 
sich  diesen  Organen  die  eigenthünilichen  porösen  Scheiben  anzuschliessen 
welche  an  der  Basis  der  Halteren  der  Fliegen  liegen  und  die  Zweige  von 
den  Nerven  der  Halteren  erhalten.  Diese  Platten  stehen  mit  Verlängerungen 
von  Sinneszellen  in  Verbindung.  Bolles  Lee,  der  ihre  Histologie  sehr  ein- 
gehend untersucht  hat  (siehe  Literatur) ,  spricht  sich  mit  Recht  nicht  end- 
gültig über  ihre  Function  aus ,  sondern  stellt  sie  unter  die  sehr  vage  Kate- 
gorie der  aeroskopischen  Organe ,  welche  die  Schwingungen  der  Luftwellen 
zur  Empfindung  zu  bringen  scheinen,  ohne  dass  man  diese  Empfindung  näher 
definiren  könnte. 

Mit  Ausnahme  einiger  Höhlenbewohner  {AnopMhalmus)  besitzen  alle  voll- 
kommenen Insecten  fest  in  den  Tegumenten  des  Kopfes  eingelassene  Augen. 
Bei  Diopsis  freilich  stehen  die  Augen  auf  zwei  seitlichen,  stielförmigen  Aus- 
breitungen des  Kopfes,  die  aber  unbeweglich  sind. 

Wir  haben  bei  dem  Maikäfer  nur  zusammengesetzte  Augen  vorgefunden. 
Es  giebt  aber  bei  vielen  Insecten  ausserdem  noch  einfache  Augen ,  Ocellen 
oder  Stemmata,  die  weit  kleiner  sind,  oben  auf  dem  Kopfe  stehen  und 
eine  biconvexe  Cuticularlinse  besitzen,  die  nicht  facettirt  ist.  Ihre  innere 
Structur  ist  meist  verwickelter,  als  ihr  äusseres  Ansehen  es  vermuthen  lässt. 
Unter  der  Horuhautlinse  finden  sich  durchsichtige  HA'podermiszellen,  die  man 
als  Glaskörper  bezeichnet  hat.  Darunter  folgen  Sinneszellen ,  Retinazellen 
oder  Retinophoren  genannt.  Diese  Zellen  versammeln  sich  zu  kleinen  Grup- 
pen, Ommatidien,  welche  so  gestellt  sind ,  dass  sie  mit  ihren  Spitzen  gegen 
die  optische  Axe  des  Auges  couvergiren.  Jede  Retinazelle  endet  mit  einem 
Stäbchen,  in  welchem  die  letzten  Fäserchen  des  Sehnerven  zu  enden  scheinen, 
so  dass  also  die  Stäbchen  die  eigentlichen  empfindenden  Elemente  wären. 

Ocellen  sind  bei  den  mit  Füssen  versehenen  Larven  sehr  verbreitet.  Bei 
vollkommenen  Insecten  {Orthopteren,  Nevropteren ,  Dipteren,  Hymenopteren) 
finden  sie  sich  meistens ,  zugleich  mit  den  zusammengesetzten  Augen,  in  der 
Dreizahl.  Die  sinnreichen  Versuche  von  F.  Plateau  haben  bewiesen,  dass 
die  Larven  (Raupen)  mit  ihren  Ocellen  auf  eine  kleine  Entfernung  (1  cm) 
Objecte  sehen  können,  dass  aber  ihr  Nutzen  bei  vollkommenen  Insecten  nicht 
in  das  Gewicht  fällt,  da  solche,  nach  Blendung  der  Ocellen,  sich  völlig  ebenso 
betragen  wie  normale  Individuen. 

Die  zusammengesetzten  Facettenaugen  sind  verhältnissmässig  gross  und 
stehen  seitlich  am  Kopfe.  Ihre  Hornhaut  ist  wie  bei  dem  Maikäfer  in 
Facetten  geschliffen ,  deren  Zahl  zwanzigtausend  übersteigen  kann.  Die 
ältere  Ansicht,  wonach  diese  Augen  als  eine  Zusammenstellung  von  einzelnen 
Augen  anzusehen  seien,  scheint  nach  und  nach  aufgegeben  werden  zu  sollen. 
Das  zusammengesetzte  Auge  entsteht  und  entwickelt  sich  in  der  That  genau 
in  derselben  Weise  wie  das  einfache,  und  Patten  (siehe  Literatur)  hat  in 
seiner  vergleichenden  Arbeit  gezeigt,  dass  in  beiden  sich  dieselben  Structur- 
elemente  vorfinden.    Demnach  unterscheidet  sich  das  zusammengesetzte  Auge 


184 


Arthropoden. 


von  dem  einfachen  nar  dnrcli  die  grössere  Zahl  und  strengere  Geschieden- 
heit seiner  Retinaelemente;  die  Krystallkegel  entsprechen  den  Stäbchen,  in 
welchen  die  Fäserchen  des  Sehnerven  enden,  und  wären  ebenso,  wie  diese 
Stäbchen  der  Ocellen,  empfindende  Organe  für  die  Lichtwellen  und  nicht 
lichtbrechende  Organe,  wie  man  bisher  annahm. 

"Wie  dem  auch  sei ,  so  ist  das  zusammengesetzte  Auge  überall  hei  den 
Insecten  nach  demselben  Plane  gebaut.  Wir  verweisen  diejenigen ,  welche 
die  secundären  Unterschiede,  die  dieser  Bau  bei  den  einzelnen  Ordnungen 
zeigt,  kennen  lernen  wollen,  auf  die  Monographie  von  Grenadier  (siehe 
Literatur)  und  fügen  nur  bei,  dass  diesem  Forscher  zufolge  die  Schicht  der 
Krystallkegel  bei  einigen  Typen  (Schrecken,  Wanzen)  zu  fehlen  scheint. 

Nach  den  Versuchen  von  F.  Plateau  erlauben  die  zusammengesetzten 
Augen  keine  genaue  Auffassung  der  Form  der  Gegenstände,  in  deren  Nähe 
sie  sich  befinden ,  wenn  diese  unbeweglich  sind.  Wohl  aber  werden  die  I!e- 
wegungen  der  Objecte  in  der  Sehweite  mit  grosser  Schärfe  aufgefasst. 

Je    nach    der    Nahrung    und    der   Lebensepoche    zeigt   der    Darmcanal 

sehr   bedeutende    Verschiedenheiten.     Bei    den   Fleischfressern    ist    der    Darm 

jij,,.    gg  kürzer    als     bei     den    Pflanzenfressern. 

Er    verkümmert    bei    einigen    Insecten, 

die    im    vollkommenen    Zustande     nur 

eine  sehr  kurze  Lebensdauer  haben. 

Den  Ephemeren  und  männlichen 
Blattläusen  fehlt  die  Mundöffuung  und 
bei  den  Larven  von  Dytiscus ,  Myr- 
meleo,  Hemerohius  etc.  ist  sie  durch 
Canäle  ersetzt,  welche  sich  in  den 
Greifzangen  befinden  und  an  deren 
Spitze  öffnen.  Bei  den  stacheltragen- 
den Hj^menopteren  und  den  Pupiparen 
endet  der  Mitteldarm  blind  und  hat 
keine  Communication  mit  dem  Rec- 
tum, das  nur  zurAusstossung  der  Pro- 
ducte  der  Malpi  ghi'schen  Röhren 
dient. 

In  dem  vollständig  ausgebildeten 
Darme  kann  man  stets  drei  Abschnitte, 
Vorderdarm ,  Mitteldarm  und  Hinter- 
darm, unterscheiden  (Fig.  89).  Bei  den 
Pseudo-Nevropteren  ist  er  am  ein- 
fachsten. 

Der  meist  enge  Schlund  ist  bei  den 
Hemipteren  sehr  kurz,  bei  den  Schmet- 
terlingen im  Gegentheile  sehr  lang. 
Die  Speicheldrüsen,  wenn  sie  überhaupt 
vorhanden  ,  münden  in  ihn  und  häufig  zeigt  er  eine  seitliche  oder  am  Ende 
gelegene  Anschwellung  in  Gestalt  einer  Blase,  die  man  den  Saugmagen 
genannt  hat  {vs,  B,  Fig.  89),  die  zuweilen  [Clirysis)  doppelt  ist  und  stets 
sehr  dünne  Wände  hat.  Ein  Theil  der  Nahrungsstofife  wird  in  dieser  Blase 
länger  zurückgehalten  und  der  Einwirkung  des  Speichels  ausgesetzt.  Bei 
Musca ,  Hemerohius  und  einigen  Schmetterlingen  ist  der  Saugmagen  gestielt 
und  bildet  einen  besonderen  Anhang  des  Darmes.  Wenn  die  Speicheldrüsen 
fehlen ,  werden  sie  durch  ein  besonderes  drüsiges  Epithel  des  Schlundes 
ersetzt,  das  eine  verdauende  Flüssigkeit  absondert. 

In    manchen    Fällen    dehnt   sich    der  Schlund    aus  und  erweitert   sich  zu 


Verdauuiigsoi'gane :  A^  einer  Grille;  />, 
einer  Fliege.  oe,  Schlund;  i,  Kropf; 
(',  Magen  ;  c,  Blinddärme ;  r,  Rectum ; 
«'  m,  M  a  1  p  i  g  h  i '  sehe  Röhren ;  v  s,  Saug- 
magen   (von  Gegenbaur    entnommen). 


Insecten.  185 

einem  Kröpfe ,  wie  man  ihn  bei  vielen  Orthopteren  (^4,  i,  Fig.  89)  und 
Coleopteren  antrifft.  Bei  Grt/llotalpa  ist  der  Kropf  durch  eine  deutliche 
Einschnürung  von  dem  Schlünde  getrennt  und  hei  manchen  Hymenop- 
teren,  wie  Bienen  und  Wespen,  wird  er  musculös  und  scheint  zum  Saugen  zu 
dienen. 

Bei  Fleischfressern  folgt  auf  den  Kropf  eine  Erweiterung,  deren  Innen- 
fläche mit  chitinöseu  Wülsten  oder  Leisten  versehen  ist ,  die  zum  Zerreiben 
der  Nahrung  dienen.  Coleopteren  (Caraius,  Dijtiscus) ,  Nevropteren,  Orthop- 
teren und  einige  Hymeuopteren  [Cynips,  Formica)  haben  einen  solchen  Kau- 
oder  Yormagen. 

Der  Mitteldarm  oder  Chylusmagen  setzt  die  im  Kröpfe  begonnene  Ver- 
dauung fort.  Die  innere  Chitinlamelle  fehlt  in  diesem  Theile,  der  mit  einem 
Drüsenepithelium  ausgekleidet  ist,  dessen  verdauende  Wirkung  nicht  überall 
dieselbe  ist  (Plateau).  Bei  vielen  Coleopteren  liegen  diese  Drüsen  in  zahl- 
reichen kleinen  Blindsäcken.  Bei  den  Orthopteren  sind  sie  in  Ausweitungen 
localisirt,  die  am  Anfange  des  Mitteldarmes  liegen  und  in  die  Bauchhöhle 
vorspringen.  Bei  einigen  {Gryllofaljpa,  Loeusta)  finden  sich  zwei  solcher  Aus- 
buchtungen, bei  Acridium  sechs,  noch  mehr  bei  Mantis  und  Blatta.  Zu- 
weilen ist  der  Mitteldarm  so  lang,  dass  er  mehrere  Windungen  macht  {Di]}- 
teren,  Hemipteren). 

Der  Enddarm  beginnt  in  der  Regel  an  der  Einmündungssteile  der  Mal- 
pighi' sehen  Röhren.  Man  hat  oft  mehrere  Abschnitte  an  ihm  unter- 
schieden: Dünndarm,  Dickdarm,  Rectum.  Er  ist  meist  am  Ende  erweitert 
und  zeigt  zuweilen  {Di/tiscus,  Nepa,  Ranatra)  einen  ziemlich  grossen  Blind- 
darmanhang, in  welchem  sich  das  Secret  der  BI  al  p  ighi' sehen  Röhren  an- 
häuft.    Zuweilen  finden   sich    darin    ganz    ansehnliche  Harnsteine  (Plateau). 

Der  Endtheil  des  Darmes  enthält  oft  drüsige  Wülste  oder  Warzen,  soge- 
nannte Rectaldrüsen,  die  mit  cj^lindrischen  Zellen  besetzt  sind,  welche  ander- 
wärts im  Darme  fehlen.  Die  E.xistenz  starker  Tracheenbündel  im  Inneren 
dieser  Wülste  bietet  eine  gewisse  Analogie  mit  an  demselben  Orte  gelegenen 
Tracheenkiemen,  von  welchen  später  die  Rede  sein  soll.  Bei  den  im  Wasser 
lebenden  Libellenlarven  finden  sich  in  der  That  im  Rectum  längsgefaltete 
Blätter,  welche  zur  Athmung  dienen. 

Die  am  Vorderdarme  gelegenen  Speicheldrüsen  fehlen  beim  Maikäfer, 
wie  bei  E])hemera,  Libellula,  Aphis  etc.,  sind  nur  sehr  wenig  entwickelt  bei 
Sialis,  Myrmeleo,  dagegen  bedeutend  bei  Blattei,  Apis;  bald  röhrig  [Coleop- 
teren, Dipteren),  bald  traubeuförmig  [Orthopteren,  Hemipteren).  Bei  den  Wan- 
zen und  den  Hymeuopteren  findet  man  oft  mehrere  Paare.  Ihre  immer  in 
den  Schlund  mündenden  Ausführungsgänge  zeigen  öfter  mehr  oder  minder 
bedeutende  Erweiterungen,  in  welchen  sich  das  Secret  sammelt  [Mantis, 
Blatta),  welches,  wie  der  Speichel  der  höheren  Thiere,  auf  stärkemehlige 
Substanzen  wirkt.  Wie  wir  später  sehen  werden,  wandeln  sich  die  Speichel- 
drüsen oft  in  Gift-  oder  Spinndrüsen  um. 

Wie  schon  bemerkt,  haben  die  Malpighi' sehen  Röhren  nichts  mit 
der  Verdauung  zu  thun.  Ihre  rein  absondernde  Natur  scheint  uns  endgültig 
nachgewiesen.  Die  mannigfaltigen  Versuche  von  F.  Plateau  und  die  über 
alle  Insectenordnungen  ausgedehnten  Beobachtungen  von  Schindler  haben 
wohl  den  Discussionen  über  die  mehrfache  Function  dieser  Organe  ein  Ziel 
gesetzt.  Ihre  constante  Einmündung  am  hinteren  Abschnitt  des  Darmes,  wo 
die  Verdaiumg  längst  beendet  ist,  ihr  drüsiger  Bau  und  die  chemische  Zu- 
sammensetzung ihres  Secretes  beweisen,  dass  die  Malpighi'schen  Röhren 
Harnröhren  sind. 

Sie  treten  stets  unter  der  Gestalt  von  mehr  oder  minder  laugen ,  gelben 
oder  weissen,  einfachen  oder  verästelten  Röhren  auf  und  münden  meist,  wie 


186  Arthropoden. 

bei  dem  Maikäfer,  am  hinteren  Ende  des  Mitteldarmes.  Bei  einigen  Hemiit- 
teren  münden  sie  unmittelbar  vor  dem  After  in  das  Eectum. 

Bei  den  Poduriden  sind  sie  noch  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen ; 
meist  steht  ihre  Länge  in  umgekehrtem  Verhältuiss  zu  ihrer  Zahl.  Oft  zählt 
man  zwei  Paare  (Dipteren,  Hemipteren)  oder  drei  Paare  (Scbmetterliuge, 
einige  Käfer) ;  zuweilen  sind  sie  sehr  zahlreich,  mebr  als  hundert  [Hymenop- 
teren,  Orthopteren)  (A,  vm,  Fig.  89).  Im  letzteren  Falle  vereinigen  sie  sich 
oft  in  einen  einzigen  Canal,  einen  Harnleiter,  der  jederseits  in  den  Afterdarm 
mündet  {Gryllotalpa). 

Ihre  Structur  ist  im  Grunde  überall  die  gleiche;  ihr  Epithelium  variirt 
nur  hinsichtlich  der  Gestalt  und  Grösse  der  Zellen,  sowie  hinsichthch  der 
Structur  und  Farbe  der  in  ihrem  Protoplasma  enthaltenen  Concretionen. 
Die  absondernden  Zellen  platzen  und  entleeren  ihren  Inhalt  in  die  Röhre, 
woraus  er  in  das  Rectum  übergeführt  und  durch  den  After  ausgestossen 
wird.  Im  Puppenzustande,  während  der  Bildungsperiode  vieler  Organe,  sind 
sie  in  vollster  Thätigkeit.  Hinsichtlich  des  Mechanismus  der  Ausstossung 
vergleiche  man  die  Abhandlung  von  Schindler  über  die  Grillen  (siehe 
Literatur). 

Den  Ausscheidungsorganen  stellen  sich  besondere  Drüsen  zur  Seite,  die 
zur  Vertheidigung  dienen.  Dahin  gehören  die  Stinkdrüsen  der  Ameisen, 
einiger  Schmetterlinge  (besonders  Männchen)  und  Käfer,  die  Brustdrüsen 
der  Wanzen,  deren  stinkendes  und  ätzendes  Secret  zwischen  den  Beinen  des 
dritten  Fusspaares  hervorquillt  u.  s.  w. 

Viele  Larven  besitzen  meist  röhrige  Spinndrüsen,  die  meist  in  der  Nähe 
des  Mundes  liegen  und  umgewandelte  Speicheldrüsen  sind.  Sie  treten  be- 
sonders zur  Zeit  der  Verwandlung  in  die  Puppe  in  Thätigkeit  und  liefern 
die  Seide,  womit  die  Larve  ihren  Cocon  spinnt.  Bei  den  Larven  von  Heme- 
robius  und  Myrmeleon  finden  sich  solche  Spinndrüsen  im  Rectum.  Wir 
wissen  schon,  dass  die  weisse  Wachswolle,  welche  oft  den  Körper  gewisser 
Blattläuse  (Schizoneura  lanigera)  einhüllt,  das  Product  besonderer  Haut- 
drüsen ist ,  die  bei  den  Bienen  die  Wachsplättchen  zum  Bau  der  Zellen 
liefern. 

Die  Giftdrüsen  verschiedener  Hymenopteren  finden  sich  nur  bei  den 
Weibchen;  sie  liegen  im  Hinterleibe  und  münden  in  den  Stachel. 

In  der  Umgebung  des  Darmes  und  der  Eingeweide  schliesst,  besonders 
im  Larvenzustande,  das  Bindegewebe  grosse  Zellen  mit  Pettbläschen  im  Proto- 
plasma ein.  Mau  nennt  dieses  Gewebe ,  das  ohne  Zweifel  eine  bedeutende 
Rolle  in  der  Ernährung  spielt,  den  Fettkörper.  Es  ist  eine  Aufspeicherung 
von  Nahrungsmaterial  zur  Bildung  der  Organe  des  vollkommenen  Insects 
und  deshalb  auch  posteiübryonaler  Dotter  genannt  worden  (Künckel  d'Her- 
culais).  Bei  den  vollkommenen  Insecten  finden  sich  meist  noch  Reste  davon; 
bei  den  Larven  aber  ist  der  Fettkörper  oft  in  solcher  Masse  angehäuft,  dass 
er  die  Präparation  der  Organe  sehr  erschwert. 

Die  oft  so  lebhafte  Phosphorescenz  mancher  Insecten  (Lampyris,  Elater, 
Fulgord)  beruht  auf  der  Erzeugung  besonderer  Leuchtstoffe  im  Protoplasma 
absondernder  Zellen,  die  an  verschiedenen  Stellen  angehäuft  sind,  am  Thorax 
(Pyrophorus)  oder  am  Bauche  auf  besonderen  Paaren  von  Blättchen,  die 
sehr  reichliche  Netze  von  Tracheen-  und  Nervenästchen  erhalten  (Lain- 
pyris).  Die  bei  dem  Leuchten  selbst  sich  abspielenden  chemischen  Vorgänge 
sind  neuerdings  von  Raphael  Dubois  sehr  eingehend  untersucht  worden 
(siehe  Literatur). 

Das  Blut  der  Insecten  ist  wie  das  der  übrigen  Arthropoden  farblos  und 
enthält  amöboide  Körperchen.  Die  Reduction  des  Gefässsystemes  ist  weiter 
fortgeschritten   als   in   den   anderen   Classen.     Das  Herz    bildet   überall,  wie 


Insecten.  187 

bei  dem  Maikäfer,  ein  contractiles  Rohr,  das  stellenweise,  den  Segmenten 
entsprechend ,  durch  Einstülpungen  seiner  Wände  eingeschnürt  ist  und  so 
eine  Reihe  von  Kammern  bildet  (acht  im  höchsten  Falle),  die  durch  Klappen- 
falten getrennt  sind ,  welche  dem  Elutstrome  die  Richtung  von  hinten  nach 
vorn  geben.  Jede  Kammer  zeigt  ein  Paar  seitlicher,  ebenfalls  mit  Klappen 
versehener  Spaltöffnungen ,  durch  welcbe  das  vom  Körper  kommende  Blut 
bei  der  Diastole  in  das  Herz  eintritt. 

Das  Rückengefäss  ist  mit  kurzen  Muskelbäudern  an  die  Rückenbogen 
der  Segmente  angeheftet  und  von  einem  eigenthümlichen  Gewebe  (Peri- 
cardialgewebe  nach  Grab  er)  umgeben,  in  welchem  die  Flügelmuskeln  ein- 
gebettet sind,  die  nach  Gräber  eine  Art  von  Diaphragma,  eine  Scheide- 
wand zwischen  der  Eingeweidehöhle  und  der  Herzhöhle  bilden.  Diese  Mus- 
keln sollen  durch  ihre  Zusammenziehung  auf  die  unterliegenden  Organe 
einen  Druck  ausüben  und  so  das  Blut  in  die  Pericardialhöhle  treiben,  wäh- 
rend sie  bei  ihrer  Erschlaffung  den  Pericardialsinus  verengen  und  den  Ein- 
tritt des  Blutes  in  das  Herz  erleichtern  sollen.  Man  kann  bei  G  r  a  b  e  r  die 
Beobachtungen  nachlesen ,  auf  welche  sich  diese  Ansicht  stützt  (siehe  Lite- 
ratur). 

Die  vorderste  Herzkammer  verlängert  sich  in  ein  meist  enges  Rohr,  die 
Aorta ,  welches  dieselbe  Structur  wie  das  Herz,  aber  keine  Einschnürungen 
noch  Seitenspalten  besitzt.  Die  Aorta  erstreckt  sich  bis  zum  Hirn ,  wo  sie 
bei  einigen  Insecten  sich  zu  theilen  scheint.  Ausnahmsweise  finden  sich 
auch  bei  einigen  Larven  {PtycJioptera,  Ephemera)  kurze  Gefässe  im  hinteren 
Theile  des  Körpers. 

Das  Blut  strömt  aus  der  Aorta  in  den  vorderen  Abschnitt  des  Cöloms, 
das  im  Ganzen  einen  weiten  Blutsinus  darstellt.  Das  Blut  scheint  darin 
in  bestimmten  Bahnen  zu  circuliren ,  wie  die  directe  Beobachtung  bei 
durchsichtigen  Larven  zeigt.  Ein  Strona  läuft  dorsal ,  ein  anderer  ventral, 
zwei  parallele  Ströme  folgen  dem  Darme,  secundäre  Bahnen  führen  in  die 
Beine  u.  s.  w. 

Man  begreift  den  Grund  der  Einfachheit  eines  solchen  Kreislaufsystemes, 
wenn  man  die  Anordnung  der  Athemorgane  kennt,  die  bei  allen  Insecten 
von  Tracheen  oder  Luftröhren  gebildet  werden,  welche  bald  ganz  geschlossen 
sind  (wasserbewohnende  Larven)  oder,  wie  beim  Maikäfer  und  in  den  meisten 
Fällen  durch  besondere  Luftlöcher,  Stigmen,  mit  der  Aussenluft  in  Verbin- 
bindung  stehen. 

Die  Tracheenstämme  sind  meist  in  der  Nähe  der  Stigmen  ziemlich 
weit,  werden  aber  enger  in  dem  Maasse ,  als  sie  sich  verästeln.  Sie  ver- 
zweigen sich  in  alle  Organe  und  bis  in  das  Innere  der  Gewebe  und  bringen 
Luft  in  den  ganzen  Körper,  so  dass  das  Blut  nicht  durch  Gefässe  in  ein 
specielles  Athemorgan  gebracht  zu  werden  braucht ,  um  mit  dem  Sauerstoif 
der  Luft  in  "Wechselwirkung  zu  treten.  Cuvier  hatte  schon  gesagt,  dass 
bei  den  Insecten  das  Blut  nicht  die  Luft  aufsucht ,  sondern  dass  die  Luft 
dem  Blute  zu  begegnen  sucht. 

Die  Vertheilung  der  Tracheen  variirt  natürlich  ungemein  je  nach  den 
Lebensbedingungen  und  besonders  je  nach  der  Flugfähigkeit.  Bei  den 
guten  Fliegern,  die  lange  aushalten  oder  einen  gewichtigen  Körper  besitzen, 
sind  die  Tracheen  mehr  oder  minder  mit  Ausweitungen,  mit  Tracheenblasen, 
besetzt,  welche  hinsichtlich  ihrer  Function  den  Luftsäcken  der  Vögel  ver- 
glichen werden  können.  Diese  Tracheenblasen,  die  um  so  zahlreicher,  je 
kleiner  sie  sind ,  finden  sich  in  Menge  bei  grossen  Coleopteren  (LanielU- 
cornier) ,  während  man  bei  vielen  Dipteren  nur  zwei  antrifft,  welche  aber 
den  grössten  Theil  der  Bauchhöhle  einnehmen. 

Bei    den    tauchenden    Insecten    {Hydrophihis)    bilden    die    Tracheenblasen 


188 


Arthropoden. 


eiu  hydrostatisches  Element  iu  ähnlicher  Weise ,  wie  die  geschlossenen  Tra- 
cheen bei  manchen  Avasserbe wohnenden  Larven,  bei  welchen,  nach  Gegen- 
baur,  die  hydrostatische  Function  ursprünglich  die  bedeutendste  gewesen 
wäre  und  sich  erst  allmählich  aus  dieser,  in  ähnliclier  Weise  wie  bei 
der  Schwimmblase  mancher  Fische,  die  Beziehung  zur  Athmung  entwickelt 
hätte. 

Wie  dem  auch  sei ,  so  finden  sich  die  Tracheen  der  Wasserlarven  bald 
unmittelbar  ausgebreitet  unter  der  Haut  {Tipolülen) ,  bald  mehr  concentrirt 
auf  beiden  Seiten  des  Körpers  in  blätterigen  (Ephemera,  A,  c,  Fig.  90)  oder 
fadenförmigen  Anhängen  (Sialis).  Solche  Ausstülpungen  der  Haut,  in  welchen 
sich  Tracheenbündel  verzweigen  und  durch  deren  dünne  Haut  der  Austausch 
der  Gase  leicht  vor  sich  gehen  kann,  werden  Tracheenkiemen  genannt.  Bei 
den  Larven  der  Ephemeriden  zählt  man  ein  Paar  Tracheenkiemen  auf  jedem 


A,  Hintertheil  des  Körpers  einer  Larve  von  Ephemera  vulgata.  u,  Längstraclieeii- 
stamm;  6,  Darmcanal ;  c,  Tracheenkienien ;  d,  t'ederartige  Schwanzanhänge.  B,  Larve 
von  Aeschna  grandis  nach  Wegnahme  der  Rückentegumente.  «,  obere  Längstracheen- 
stämme;  i,  ihr  vorderes  Ende;  c,  ihr  hinteres,  auf  dem  Eertum  verzweigtes  Ende; 
o,  Augen.  Die  Figur  C  in  der  Glitte  stellt  denselben  Darmabschnitt  im  Profil  dar; 
a,  /;,  c,  wie  in  B;  d,  unterer  seitlicher  Tracheenstamm;  e,  Verbindungstracheen  zum 
oberen  Stamm.     (Von  Gegenbaur  entnomiuen.) 


der  sieben  Bauchringe,  während  bei  den  Perliden  nur  drei  oder  vier  Kiemen- 
büschel auf  dem  Thorax  und  dem  Ende  des  Bauches  ansitzen. 

Bei  einigen  im  Wasser  lebenden  Larven  [Lihellula,  Aeachna)  ist  das  Eec- 
tum  bedeutend  erweitert  i;nd  innen  mit  blätterigen  Falten  besetzt ,  in  deren 
Innerem  sich  zahlreiche  Tracheeubündel  verzweigen.     Die  musculöseu  Wände 


Insecten,  189 

des  Mastdarmes  machen  rliytlimische  Bewegungen,  um  Wasser  ein-  und  aus- 
zupumpen, so  dass  der  Mastdarm  als  Athemorgan  fungirt,  wie  Reaumur 
dies  sclion  beobachtet  hatte  (c,  Fig.  90). 

Mit  Ausnahme  einiger  Schmetterliugsraupeu ,  welche  Rudimente  von 
Stigmen  am  Kopfe  tragen,  fehlen  solche  Luftlöcher  gemeinhin  am  Kopfe  und 
dem  ersten  Brustringe.  Bei  den  Holopueusten  zählt  man  gewöhnlich  zwei 
Stigmenpaare  auf  den  hinteren  Brustringen  und  acht  auf  den  Bauchringen ; 
der  letzte  trägt  keine  Stigmen.  Die  Insecten,  welche  nur  auf  den  Brust- 
ringen Stigmen  tragen,  werden  Hemipueusten,  die,  welche  nur  auf  den  Bauch- 
ringen welche  besitzen,  Peripneusten  genannt  (Larven  der  Käfer  und  Schmetter- 
linge). Bei  manchen  wasserbewohnenden  Rhynchoten  {Nepa,  Ranatra)  sind 
die  Stigmen  auf  zwei,  an  den  hinteren  Bauchriugen  angebrachte  Paare  redu- 
cirt,  welchen  die  Luft  durch  eine  aus  zwei  Halbrinnen  bestehende,  chitinöse 
Röhre  zugeführt  wird ,  die  das  Insect  meist  an  der  Oberfläche  des  Wassers 
hält.     Für  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  Palmen  (siehe  Literatur). 

Der  Schlussapparat  der  Stigmen  variirt  sehr.  Bei  den  Fliegen  ist  die 
Oeffnung  mit  vibrirenden  Lamellen  besetzt,  welche  beim  Summen  mitwirken; 
bei  den  Orthopteren  und  Nevropteren  dienen  diese  Lamellen  auch  zum  Ver- 
schliessen  der  Oeffnung ,  die  sie  von  aussen  bedecken.  Bei  den  Käfei-n  liegt 
der  Schliessapparat  hinter  der  Oeffnung ,  die  oft  durch  Büschel  von  Haaren 
und  Borsten  geschützt  wird.     Einzelheiten  bei  Landois  (siehe  Literatur). 

Die  Structur  der  Tracheen  ist  überall  etwa  gleich.  Ihre  Wände  zeigen 
meist  drei  Schichten,  von  denen  die  innere  functionell  die  Avichtigere  ist. 
Sie  besteht  aus  einem  von  der  mittleren  chitinogenen  Schicht  abgesonderten 
Chitiurohr ,  das  nur  in  den  feinen  Verzweigungen  homogen  ist.  Auf  ihrer 
sonstigen  Erstreckung,  mit  Ausnahme  der  Tracheenblasen,  verdickt  sich  die 
Chitiühaut  zu  einem  festeren  Spiralfaden,  der  zuweilen  schwarz  pigmentirt 
ist  (Dytiscus) ,  übrigens  sonst  in  Beziehung  auf  Länge ,  Dicke  und  Gestalt 
sehr  variirt,  indem  er  bald  rund,  bald  bandartig  abgeplattet,  verzweigt  u.  s.  w. 
ist.  Bei  vielen  Insecten  [Lcunpijris,  Ceramhyx)  trägt  der  Faden  feine  Haare 
oder  Borsten ,  welche  in  die  Höhle  der  Trachee  vorspringen.  Die  äussere 
Schicht  (Basalmembran,  äussere  Cuticula  von  Graber)  ist  stets  sehr  dünn 
und  homogen. 

Die  drei  Schichten  erhalten  sich  in  den  Tracheenblasen ,  nur  wird  hier 
die  Intima  sehr  fein  und  glatt  und  bildet  keinen  Spiralfadeu. 

Die  Tracheen  enden  spitz  verschlossen  in  den  Geweben.  An  den  Enden 
erhält  sich  nur  die  glatte  Innenhaut  ohue  Spiral  faden. 

Alle  Insecten  sind  getrennten  Geschlechtes.  Die  von  S  i  e  b  o  1  d  und 
Westwood  bei  Lepidox^teren  und  Hj'menopteren  beobachteten  Fälle  von 
Hermaphroditismus  können  als  zufällige  Anomalien  betrachtet  werden.  Die 
Geschlechter  sind  häufig  dimorph;  bei  einigen  Schmetterlingen  giebt  es  sogar 
mehrere  Formen  von  Weibchen,  also  Polymorphismus.  Die  Männchen  unter- 
scheiden sich  meist  durch  lebhaftere  Farben  und  stärkere  Ausbildung  der 
Sinnes-  und  Bewegungsorgane.  Die  Weibchen  von  Lampyris,  Coccu^ ,  den 
Strepsipteren  zeigen  im  vollkommenen  Zustande  noch  Larvenformen  und 
bleiben  ungeflügelt. 

Mit  Ausnahme  einiger  Blattläuse,  Staphilinen  (Käfei')  und  der  Strepsip- 
teren, die  lebendige  Junge  gebären,  legen  alle  Insecten  Eier.  Parthenogenese 
kommt  hüufig  vor;  normal  bei  Psyche,  Solenobia,  den  Cocciden,  Aphiden, 
Bienen,  Wespen,  Gallwespen  etc.,  ausnahmsweise  bei  einigen  Schmetterlingen 
(Bomhyx  inorio).  Bei  den  geselligen  Hymenopteren  entstehen  aus  den  un- 
befruchteten Eiern  nur  Männchen.  Bei  den  Blättläusen  findet  man  abwech- 
selnde parthogenetische  Generationen  (im  Sommer)  und  geschlechtliche  Gene- 
rationen (im  Herbst)  und  innerhalb    dieser   oft    noch  polymorphe  Reihen  von 


1 90  Arthropoden. 

ludividuen  {Ohermes).  Vou  vielen  Gattungen  sind  die  Männchen  ausser- 
ordentlich selten  oder  selbst  ganz  unbekannt. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  bei  beiden  Geschlechtern  nach  demselben 
Plane  gebaut.  In  der  Kegel  sind  nur  die  vollkommenen  Insecten  fort- 
pflanzungsfähig; doch  kennt  man  Fälle,  wo  Larven  wiederum  junge  Larven 
erzeugen  [Gecidomyia,  Miastor)  oder  wo  Nymphen  Junge  hervorbringen  {Chi- 
ronoinus).  Die  Arbeiterinnen  der  Bienen  und  Ameisen  sind  Weibchen  mit 
verkümmerten  Fortpflanzungsorganen. 

Die  Hoden  bestehen  aus  langen,  geschlossenen,  vielfach  verwickelten 
Röhren  von  sehr  wechselnder  Zahl.  Meist  bilden  sie  jederseits  in  der  Bauch- 
höhle compacte  Massen,  die  zuweilen  mit  einander  verschmelzen  (Schmetter- 
linge). Die  Röhren  setzen  sich  in  gewundene  Samengäuge  fort,  deren  Ende 
oft  zu  einer  Samenblase  erweitert  ist.  Meist  vereinigen  sich  die  beiden 
Samengänge  in  einen  unpaaren  Spritzcanal,  wie  beim  Maikäfer,  dessen  Ende 
in  eine  hornige  Rinne  ausläuft,  welche  den  Samen  in  die  Geschlechtsöffnung 
des  Weibchens  bringt.  Der  Spritzcanal  stülpt  sich  bei  der  Begattung  nach 
aussen  vor;  er  passt  sich  an  Chitinstücke  an,  die  ihn  stützen  und  zur  inni- 
geren Vereinigung  der  Individuen  dienen  und  die  dem  letzten  Bauchringe 
angehören. 

Bei  den  Libellen  liegen  die  Begattungsorgaue  weit  von  der  Geschlechts- 
öffnung entfernt  auf  der  Ventralseite  des  zweiten  Bauchringes. 

Bei  vielen  Insecten  werden  kleine,  compacte  Spermatophoren  durch  die 
Einhüllung  des  Samens  in  die  schleimige  Absonderung  der  Nebendrüsen 
gebildet,  welche  in  den  Anfang   des  Spritzeanales  münden. 

Die  Eierstücke  sind  ebenfalls  röhrenförmig.  Die  Zahl  und  Anordnung 
dieser  Eiröhren  wechselt  ungemein ;  am  einfachsten  sind  sie  bei  Lepidopteren 
und  Rhynchoten.  Die  Eiröhren  münden  stets  in  Eileiter  zusammen,  die  sich 
meist  au  ihrem  Ende  zu  einer  Vagina  erweitern,  in  welche  die  Nebendrüsen 
ihre  zur  Umhüllung  der  Eier  dienenden  Seerete  ergiessen. 

Fast  immer  finden  sich  zweierlei  Anhangsgebilde  an  dem  weiblichen  Be- 
gattungsappai'ate :  eine  Begattungstasche,  in  welche  der  Penis  des  Männchens 
eindringt,  und  eine  einfache  oder  doppelte  Samentasche,  in  welcher  der 
Samen  sich  oft  lange  Zeit,  sogar  mehrere  Jahre  (Bienenkönigin)  befruchtungs- 
fähig erhält. 

Ausnahmsweise  liegt  (bei  den  Strepsipteren)  die  weibliche  Geschlechts- 
öffnung vorn  auf  der  Rückenfläche ,  sonst  am  Ende  des  Hinterleibes  und 
wird  hier  von  paarigen  und  unpaaren  Verlängerungen  der  letzten  Bauch- 
segmente umgeben,  die  mancherlei  Formen  annehmen  (Legeröhre,  Lege- 
stachel, Stachel  etc.) ,  aber  stets  nach  demselben  Grundplane  gebaut  sind 
(Lacaze-Duthiers). 

Die  meist  von  einer  harten  Hülle  (Chorion)  umgebenen  Eier  zeigen 
eine  oder  mehrere  Micropylen ,  durch  welche  die  Zoospermeu  eindringen 
können. 

Die  Entwicklung  der  Insecten  variirt  ungemein.  Selten  verlassen  die 
Jungen  das  Ei  in  einer  den  Eltern  ähnlichen  Gestalt,  wie  bei  den  Apteren, 
wo  keine  Metamorphose  Platz  greift  (Ametabolen).  Meist  durchgeht  das 
Insect  mehrere  Metamoi'phosen  als  Larve  und  Nymphe,  bevor  es  vollkommen, 
Imago ,  wird.  Indessen  bieten  diese  Stadien  mancherlei  Verschiedenheiten. 
Bei  den  Hemimetabolen  ist  das  Nymphenstadium  weggefallen  (Orthopteren, 
Rhynchoten);  der  Uebergaug  von  der  Larve  zur  Imago  wird  durch  mehrere 
Häutungen  bewerkstelligt,  durch  welche  die  Bewegungs-  und  Fortpflanzungs- 
orgaue nach  und  nach  vervollkommnet  werden.  ■ 

Bei  den  Metabolen  mit  vollkommener  Verwandlung  geht  die  meist  durch 
homonome  Gliederung  des  Körpers  ausgezeichnete  Larvenform  in  eine  zweite 


Insecten.  191 

Mittelform  (Nymphe,  Puppe)  über,  welche  meist  unbeweglich  ist,  keine 
Nahrung  aufnimmt  und  die  inneren  Organe  auf  Kosten  des  im  Larven- 
zustande  angesammelten  Materials  ausbildet.  Indessen  sind  bei  Tipida,  Phry- 
ganea  und  einigen  anderen  Gattungen  die  Nymphen  während  der  ganzen  oder 
während  einiger  Zeit  dieses  Zustandes  beweglich. 

Einige  wenige  Insecten  (Meloiden,  Pteromaliden)  zeigen  eine  Uebermeta- 
morphose,  indem  die  Larven  nach  und  nach  mehrere  Formen  annehmen. 

Literatur.  —  Savigny,  Memoires  sur  les  Auimaux  sans  Vertebres,  Paris 
1816.  —  Audouin,  Recherches  imaiomlques  sur  le  thorax  des  Insectes,  Ann.  des  sc. 
oiat.,  I.Serie,  Bd.  I,  1824.  —  Leon  Dufour,  Recherches  anatomiques  sur  les  Cara- 
biques,  ebend.,  Bd.  III,  1824;  Recherches  svr  les  Hemiptires,  les  Orthopteres,  les  Hy- 
menopteres ,  les  Nevropteres  et  les  Dipteres ,  Memoires  de  l'Acad.  des  sc.  de  Paris, 
Bd.  IV,  1833;  Bd.  VII,  1841;  Bd.  XI,  1851.  —  Ders. ,  Zahlreiche  Monographien 
in  den  Annales  des  Sciences  naturelles.  —  Strauss-Dürckheim,  Considerutions  gtine- 
rales  sur  t Anatomie  comparee  des  animaux  articules;  Anatomie  descriptive  du  Melo- 
lontha  vulgaris,  Paris,  in  4".,  avec  atlas,  1828.  —  Westwood,  Hermaphrodite  Tn- 
sects,  London  Magaz.  Nut.  Bist.,  Bd.  IV,  1831.  • —  R.  Wagner,  lieber  den  Kreislauf 
des  Blutes  und  den  Bau  des  Rückengefässes  bei  den  Insecten,  Isis,  1832.  —  Mac 
Leay,  Exposition  de  l'anatomie  comparee  du  thorax  dans  les  Insectes  alles,  accom- 
pagnee  de  notes  par  Audouin,  Ann.  des  sc.  nat. ,  1.  Serie,  Bd.  XXV,  1832.  — 
F.  J.  P  i  c  t  e  t ,  Recherches  pour  servir  ä  Phistoire  et  ä  Panaiomie  des  Phryganides, 
Geneve,  1 834.  —  V.  S  i  e  b  o  1  d ,  Ueber  das  Stimm-  und  Gehörorgan  der  Orthopteren, 
Arch.  f.  Naturgesch.,  1844.  —  Blanchard,  Du  Systeme  nerveux  des  Insectes,  Ann. 
des  sc.»  nat. ,  3.  Serie,  Bd.  V,  1846,  und  „Les  Insectes^''  im  „Regne  Animal^  yon 
Cuvier.  —  Lacaze-Duthiers,  Recherches  suv  Parmure  genitale  des  Insectes,  Ann. 
des  sc.  nat.,  3.  Serie,  Bd.  XII,  XIV  et  XIX,  1849—1854.  —  Stein,  Die  weiWichen 
Geschlechtsorgane  der  Käfer,  Berlin,  1847.  —  Dujardin,  Memoires  sur  le  Systeme 
nerveux  des  Insectes,  Ann.  sc.  nat.,  1850.  - — -  Gerstfeld,  Ueber  die  Mundtheile  der 
saugenden  Insecten,  Leipzig,  1853. —  Leuckart,  Ueber  die  Mikropyle  und  den  feineren 
Bau  der  Schalenhaut  bei  den  Insecten,  Müller's  Archiv,  1855.  —  Ders.,  Die  Fort- 
pflanzung und  Entwicklung  der  Pupiparen,  Halle,  1858.  —  Brülle,  Recherches  sur 
les  transformutions  des  Appendices  dans  les  Articules,  Ann.  des  sc.  nat..  3.  Serie, 
Bd.  XIX,  1854.  —  J.  Lubbock,  On  the  ova  and  pseudova  of  Insects,  Philos. 
Transact.,  1857.  —  Ders.,  On  the  Distribution  of  the  tracheae  in  Insects,  Trans. 
Linn.  Soc,  Bd.  XXIII.  —  Semper,  Ueber  die  Bildung  der  Flügel,  Schuppen  und 
Haare  bei  den  Lepidopteren,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  VJII,  1857.  —  Leydig,  Zur 
Anatomie  der  Insecten,  Müller's  Archiv,  1851.  —  Ders.,  Zum  feineren  Bau  der 
Arthropoden,  ebend.,  1855.  —  Ders.,  Anatomisches  und  Histologisches  über  die 
Larve  von  Corethra  plumicornls,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  III.  —  Ders.,  Der  Eierstock 
und  die  Samentasche  der  Insecten,  Dresden,  1866.  —  D  ers.,  Bemerkungen  über  Farben 
der  Hautdecken  und  Nerven  der  Drüsen  bei  Insecten,  Arch.  f.  mikroskopische  Anat., 
Bd.  XII,  1876.  —  Kölliker,  Zur  feineren  Anatomie  der  Insecten,  Verhandlungen  d. 
medicin.  Gesellsch.  in  Würzburg,  Bd.  III,  1857.  —  Ed.  Claparede,  Sur  les  pre- 
tendus  organes  auditifs  des  Coleopteres  lamellicornes  et  d'autres  Insectes,  Ann.  des  sc. 
nat.,  4.  Serie,  Bd.  X,  1858.  —  H.  Rathke,  Anatomisch -physiologische  Unter- 
suchungen über  den  Athmungsprocess  der  Insecten ,  Schriften  der  Phys.  Gesellschaft 
Königsberg,  1.  annee,  1861.  —  Weissmann,  Die  Entwicklung  der  Dipteren,  Leipzig, 
1864.  —  Ders.,  Die  Metamorphose  der  Corethra  plumicornis,  ebend.,  1866.  —  Lan- 
dois,  Die  Ton-  und  Stimmapparate  der  Insecten,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XVII, 
1867.  —  Ders.,  Thierstimmen,  Freiburg,  1874.  —  Landois  und  Thelen,  Der 
Tracheenverschluss  bei  den  Insecten,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XVII,  1867.  — 
Hensen,  Ueber  das  Gehörorgan  von  Locusta,  ebend.,  Bd. XVI,  1866.  —  Ch.Lespes, 
Recherches  anatomiques   sur    quelques   Coleopteres  aveugles ,    Ann.  des  sc.  nat.,  Bd.  IX, 


192  Arthropoden. 

1868.  —  Bütschli,  Ueber  Bau  und  Entwicklung  der  Samenfäden  bei  Insecten  und 
Krebsen,  Zeitschr.  f.  \v.  Zool.,  Bd.  XXI,  1871.  —  V.  Graber,  Ueber  den  propul- 
satorischen  Apparat  der  Insecten,  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  IX,  1873.  —  Ders., 
Ueber  eine  Art  fibrinoiden  Bindegewebes  der  Insectenhaut  und  seine  locale  Bedeutung 
als  Tracheensuspensorium,  ebend.,  Bd.  X,  1874.  —  Ders.,  Ueber  den  pulsirenden 
Bauchsinus  der  Insecten,  Bd.  XII,  1876.  —  Ders.,  Ueber  neue  otocystenartige  Sinnes- 
organe der  Insecten,  ebend.,  Bd.  XYI,  1878.  —  Ders.,  Das  unicorneale  Tracheaten- 
auge,  ebend.,  Bd.  XVII,  1879.  —  Ders.,  Die  chordotonalen  Sinnesorgane  und  das 
Gehör  der  Insecten,  ebend.,  Bd.  XX,  1882.  —  Ders.,  Die  tympanalen  Sinnesorgane 
der  Orthopteren,  Denkschr.  d.  k.  Akad.  Wien,  1875.  —  Ders.,  Die  Insecten,  München, 
1877. —  Gerstäcker,  Ueber  das  Vorkommen  von  Kiementraeheen  bei  ausgebildeten 
Insecten,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXIV,  1874.  —  De  la  Valette  St. -Georges, 
Ueber  die  Genese  der  Samenkörper,  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  X,  1874.  —  Eabl- 
Rückhard,  Studien  über  Insectengehirne,  Müller's  Archiv,  1875.  —  Wolff,  Das 
Riechorgan  der  Biene,  Nova  Acta  Acad.  Leop.  CaroL,  Bd.  XXXVIII,  1875.  —  C.  Chun, 
Ueber  den  Bau  der  Rectaldrüsen  bei  den  Insecten,  luaug.-Dissert.,  Frankfüi't,  1875. — 
C.  Gr  ebben,  Ueber  bläschenförmige  Sinnesorgane  von  Ptychoptera,  Sitzb.  d.  k.  k. 
Akad.  Wien,  1875.  —  F.  Plateau,  Recherches  sur  /es  pkenomenes  de  la  digestion 
cJiez  les  Insectes,  Mem.  de  l'Academie  des  Sciences  de  Belgique,  Bd.  XLI,  1875.  — 
Der  s.,  Recherches  expirimentales  sur  les  mouvements  respirutoires  des  Insectes,  ebend., 
Bd.  XLV,  1884.  —  Ders.,  Palpes  des  Insectes  broyeurs,  Bulletin  de  la  Soc.  zoologlgtie 
de  France,  Bd.  X,  1S85.  —  Ders.,  Recherches  sur  la  vision  chez  les  Arthropodes 
(3.  et  4.  parties),  Bulletins  de  V  Acadiimie  royale  de  Belgique,  S.Serie,  Bd.  XV,  1888. — 
J.-A.  Palmen,  Zur  Morphologie  des  Tracheensystems,  Helsingfors,  1877.  —  Carlet, 
Memoire  sur  Pappareü  musical  de  la  cigale,  Ann.  des  sc,  nat.,  6.  Serie,  Bd.  V,  1877. — 
J.  D  i  e  1 1 ,  Organisation  des  Arthropodengehirns,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXVII,  1877.  — 
E.Schindler,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Malpighi'schen  Gefässe  der  Insecten,  ebend., 
Bd.  XXX,  1878.  —  A.  Forel,  Der  Giftapparat  und  die  Analdrüsen  der  Ameisen, 
ebend.,  Bd.  XXX,  Suppl.,  1878.  —  Flögel,  Ueber  den  einheitlichen  Bau  des  Ge- 
hirns in  den  verschiedenen  Insectenordnungen ,  ebend.,  Bd.  XXX,  Suppl.,  1878.  — 
E.  B  e  r  g  e  r ,  Untersuchungen  über  den  Bau  des  Gehirns  und  der  Retina  der  Arthro- 
poden, Arb.  a.  d.  Zool.  Inst.  Wien,  Bd.  I,  1878.  —  H.  Grenadier,  Untersuchungen 
über  das  Sehorgan  der  Arthropoden,  Göttingen,  1879.  —  Ed.  Brandt,  Mehrere  Ab- 
handlungen über  das  Nervensystem  der  Insecten ,  Horae  Soc.  Entom.  rossic,  Peters- 
burg, 1879.  —  G.-E.  Adolph,  Ueber  Insectenflügel,  Noim  Acta  Acad.  Leop.  CaroL, 
Bd.  XLI,  1880.  —  J.  Mac-Leod,  La  striicture  des  trachces,  Brüssel,  1880.  —  G.  Hauser, 
Physiologische  und  histologische  Untersuchungen  über  das  Geruchsorgan  der  Insecten, 
Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXXIV,  1880.  —  G.  Dimmock,  The  Anatomy  of  tke  Mouth-Parts 
and  of  the  Sucklny  Apparatus  of  some  Dlpters,  Inaug.-Dissert.,  Boston,  1881.  — 
0.  Kraucher,  Der  Bau  der  Stigmen  bei  den  Insecten,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXXV, 
1881.  —  H.  Viallannes,  Recherches  sur  Phlslologle  des  Insectes,  Ann.  des  sc.  nat.,  6.  Serie, 
Bd.  XIV,  1882,  und  Mehrere  Abhandlungen  über  das  Hirn  der  Insecten  (Libelle,  Wespe, 
Heuschrecke),  ebend.,  1887.  —  Bolles-Lee,  Bemerkungen  über  den  feineren  Bau  der 
Chordotonalorgane,  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XXIII,  1883.  —  Ders.,  Les  hulanciers 
des  Dipteres,  Recueil  zoologique  suisse ,  Bd.  II,  1885.  —  K.  Kräpelin,  Ueber  die 
Geruchsorgane  der  Gliederthiere,  Hamburg,  1883.  —  Will,  Das  Geschmacksorgan  der 
Insecten,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XLII,  1885.  —  Ritter  v.  Wielowiej  ski,  Ueber  das 
Blutgewebe  der  Insecten,  ebend.,  Bd.  XLIII,  1886.  —  J.  Frenzel,  Einiges  über  den 
Mitteldarm  der  Insecten,  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XXVI,  1886.  —  Faussek,  Beiträge 
zur  Histologie  des  Darmcanals  der  Insecten,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XLV,  1887.  — 
Knüppel,  Ueber  Speicheldrüsen  von  Insecten,  Inaug.-Dissert.,  Berlin,  1887.  —  Ruland, 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  antennalen  Sinnesorgane  der  Insecten,  Zeitcchr.  f.  w.  Zool., 
Bd.  XLVI,  1888.  —  0.  vom  Rath,  Ueber  die  Hautsinnesorgane  der  Insecten,  ebend.,  1886. 


Arachniden.  193 


Classe    der   Arachniden. 

Die  dieser  Classe  zugetheilten  Arthropoden  lassen  sich  leicht  auf 
den  ersten  Blick  durch  den  Mangel  eigentlicher,  auf  der  Stirn  ein- 
gelenkter Antennen  von  den  Gliedern  der  übrigen  vier  Classen  unter- 
scheiden. Der  Mangel  von  gegliederten  Anhängen  am  Bauche  unter- 
scheidet sie  von  den  Crustaceen,  Onychophoren  und  Myriapoden  und 
nähert  sie  den  Insecten,  von  welchen  sie  sich  durch  zahlreiche  Cha- 
raktere absondern,  unter  welchen  der  auffallendste  die  Verschmelzung 
des  Kopfes  mit  der  nachfolgenden  Region,  dem  Thorax,  ist. 

Mit  Ausnahme  der  Acariden ,  bei  welchen  der  ganze  Körper  zu 
einer  einzigen,  ungegliederten  Masse  verschmolzen  ist,  unterscheidet 
man  bei  allen  anderen  Arachniden  zwei  Hauptregionen  des  Körpers, 
den  Cephalothorax,  welcher  die  rückenständigen  Augen  und  auf  der 
Bauchfläche  den  Mund  und  sämmtliche  gegliederte  Anhänge  trägt,  und 
ein  Abdomen,  an  welchem  der  meist  endständige  After,  ^owie  die  Oeff- 
nungen  der  Athem-  und  Geschlechtsorgane  angebracht  sind. 

Es  giebt  im  Ganzen  sechs  Paare  von  gegliederten  Anhängen.  Die 
drei  hinteren  Paare  sind,  mit  Ausnahme  einiger  Milben,  meist  sehr 
gleichartig  gebaut,  bestehen  aus  einer  Reihe  von  einzelnen  Gliedern 
(bis  zu  sieben),  sind  Bewegungsorgane,  Beine,  und  am  Ende  meist  mit 
Krallen  bewaffnet.  Das  diesen  Beinen  vorstehende  Gliederpaar  vaiüirt 
schon  mehr;  es  kann  die  Gestalt  von  Antennen,  Palpen  oder  Greif- 
organen haben  und  keine  Klauen  tragen ;  meist  aber  ist  es  den  drei 
hinteren  Paaren  ähnlich  als  Bewegungsorgan  gebildet,  so  dass  man 
mit  Recht  sagen  kann,  dass  die  meisten  Arachniden  vier  Paare  von 
Gangfüssen  besitzen. 

Die  zwei  vorderen  Gliederpaare  variiren  in  grösserem  Maasse. 

Das  vorderste  Paar  ist  an  dem  Vorderrande  des  Cephalothorax, 
aber  noch  auf  der  Bauchfläche  eingelenkt.  Da  es  seine  Nerven  direct 
von  dem  Gehirne  erhält,  entspricht  es,  seiner  Innervation  nach,  den 
Antennen  der  übrigen  Arthropoden;  aber  seiner  Function  nach  gehört 
es  zu  den  Mundwerkzeugen  und  seiner  Lagerung  nach  lässt  es  sich 
mit  den  Mandibeln  der  Insecten  vergleichen.  Wir  nennen  diese  vor- 
deren Anhänge,  mit  den  meisten  Autoren,  die  Cheliceren;  sie  stellen 
mächtige  Klauen,  horizontale  oder  verticale  Scheeren  dar  und  sind  zu- 
weilen in  Stechborsten  umgewandelt. 

Das  zweite  Paar,  welches  immer,  wenigstens  mit  seinem  proxi- 
malen Segmente,  in  inniger  Beziehung  zu  dem  Munde  steht,  ist  nicht 
minder  variabel.  Die  proximale  Basis  spielt  meistens  die  Rolle  eines- 
Kiefers  oder  einer  Maxille;  das  distale  Ende  kann  mehr  oder  minder 
unabhängig  werden  und   als  Taster  (Palpus)  bezeichnet   werden.     Es 

Vogt  u.  Yung,   prakt.  veigl.  Anatomie.     II.  23 


194  Arthropoden. 

kann  die  Gestalt  einer  einfachen  Antenne,  eines  Tastwerkzeuges  hahen 
oder  auch  in  Klauen  oder  Scheeren  umgewandelt  sein.  Bei  den  Männ- 
chen der  Spinnen  übernimmt  es  die  Rolle  eines  Befruchtungswerk- 
zeuges. 

Endlich  findet  man  auch  noch  in  manchen  Fällen  am  Hinterrande 
des  Mundes  eine  mittlere  Unterlippe,  welche  den  Mund  wie  ein  Klapp- 
deckel schliessen  kann  und  zuweilen  von  zwei  seitlichen,  nicht  mit  ein- 
ander verschmolzenen  Stücken  gebildet  wird. 

Die  inneren  Organe  sind  sehr  verschieden  ausgebildet.  Wir  be- 
trachten sie  später,  nachdem  wir  uns  mit  der  Anatomie  der  typischen, 
ausgewählten  Art  beschäftigt  haben  werden. 

Die  Geschlechter  sind  stets  getrennt  und  häufig  sehr  verschieden 
in  Form  und  Grösse. 

Wir  nehmen  folgende,  grossentheils  auf  den  äusseren  Bau  gestützte 
Classifikation  an. 

1.  Ordnung.  Spinnen  (Aranehla).  —  Cephalothorax  und  Ab- 
domen ungegliedert.  Cheliceren  in  Form  gewaltiger  Giftklauen.  Mit 
Bürsten  versehene  Maxillen  und  geisselförraige,  unabhängige  Palpen, 
die  beim  Männchen  Begattungswerkzeuge  darstellen.  Tracheenlungen 
und  ausserdem  noch  meist  Tracheen.  Spinnwarzen  am  hinteren  Theile 
des  Abdomens. 

Unterordnung  der  Vierlunger  (Tefrapneicmones).  Vier  Lungen- 
säcke und. vier,  selten  sechs  Spinnwarzen.     MygaJe^  Ctenisa. 

Unterordnung  der  Zweilunger  {Dipneumones).  Zwei  Lungen- 
säcke, sechs  Spinn  Warzen.  Salticus,  Lycosa^  Tegenaria,  Epeira,  Se- 
gestria. 

2.  Ordnung.  G-liederbäuehe  (Arthrogasfra).  —  Gegliedertes 
Abdomen.    Keine  Spinnwarzen,  mit  Ausnahme  der  Afterskorpione. 

Unterordnung  der  Pedipalpen.  Ungegliederter  Cephalothorax; 
Cheliceren  mit  Klauen ;  Palpen  in  Gestalt  von  Klauen  oder  Zangen ; 
das  dritte  Gliederpaar  antennenförmig,  eine  lange  Geissei  darstellend; 
drei  Paar  Gangbeine.     Vier  Lungensäcke.      Thelyplionus,  Phrynus. 

Unterordnung  der  Weberspinnen  (Phalangida).  Cephalothorax 
ungegliedert;  Cheliceren  zangenförmig;  lange  Palpen  mit  kleinen 
Klauen;  vier  Paare  sehr  langer  Gangbeine.  Tracheen,  die  in  zwei  Stig- 
men münden.     PhäJangium,  Gonylepies. 

Unterordnung  der  Afterskorpione  (Pseudoscotpiones) .  Cephalo- 
thorax ungegliedert;  horizontale,  zangenförmige  Cheliceren;  grosse, 
scheerenförmige  Palpen;  vier  Paar  Gangbeine.  Athmung  durch  Tra- 
cheen.   Kein  Giftstachel.      Chelifer,  Ohishmi. 

Unterordnimg  der  Skorpione  {Scorpiones).  Gliederanhänge 
wie  bei  den  vorigen;  Cephalothorax  ungegliedei't;  das  Abdomen  in 
zwei   Regionen  getheilt,   ein  vorderes,   dickeres  Abdomen  und  ein  hin- 


Arachniden.  195 

teres,  cylindrlsches  Postaldomen,  das  mit  einem  Giftstachel  endet.    Acht 
Lungen  sacke.     Seorpio,  Builms. 

Unterordnung  der  Skorpiousspinnen  (Solifiiga).  Cephalo- 
thorax  gegliedert;  scheerenförmige,  verticale  Cheliceren;  gangbein- 
artige,  sehr  lange  Palpen,  die  aber,  wie  das  folgende,  kurze  Beinpaar, 
keine  Klauen  tragen;  drei  Paare  klauentragender  Gangbeine.  Tracheen. 
Solpuga  {G-aleodes). 

3.  Ordnung.  Milben  {Acarida)  —  Ungegliederter  Körper  in 
einer  Masse.  Cheliceren  und  Palpen  sehr  variabel.  Athmung  durch 
Tracheen  oder  durch  die  Haut.  Demodex,  Sarcoptes,  G-amasus,  Trom- 
hidium,  Uydrachna,  Oribates. 

Typus:  Die  Kreuzspinne  {Epeira  diadema  L.).  —  Wir  haben 
diese  grosse,  zu  der  Unterordnung  der  Zweilunger  und  der  Familie 
der  Radspinnen  (Orbitelae)  gehörige  Spinne  deshalb  gewählt,  weil  sie 
in  ganz  Centraleuropa  im  Sommer  und  Herbste  sehr  gemein  ist.  Man 
findet  überall  in  Gärten  und  Weinbergen  die  senkrecht  gestellten,  rad- 
förmigen  Netze  dieser  Spinnen ,  die  mit  dicken  Fäden  befestigt  und 
aus  kreisförmigen  Ringfäden  gebildet  sind ,  welche  durch  speichen- 
artige Strahlen  zusammengehalten  werden.  Die  weibliche  Spinne, 
deren  Hinterleib  die  Grösse  einer  Haselnuss  erreicht,  hält  sich  im 
Mittelpunkte  des  Netzes.  Die  Männchen  sind  weit  kleiner,  haben  einen 
mageren,  länglichen  Hinterleib,  viel  längere  Beine  als  die  Weibchen 
und  knopfförmig  angeschwollene  Palpen.  Sie  sind  seltener  anzutreffen 
als  die  Weibchen,  weil  sie  meist  nicht  in  dem  Netze,  sondern  in  der 
Nähe  desselben  auf  der  Unterseite  der  Blätter  von  Gesträuchen  sitzen, 
wo  man  sie  bei  einigem  Suchen  finden  kann.  Unsere  Arbeit  ist  durch 
ausgiebige  Unterstützung  von  Dr.  M.  Jaquet  wesentlich  gefördert 
worden. 

Aeussere  Bildung.  —  Die  Untersuchung  der  äusseren  Theile 
wird  sehr  durch  die  Behandlung  mit  Aetzkali  erleichtert,  wovon  später 
die  Rede  sein  wird. 

Auf  allen  Körpertheilen  finden  sich  Haare ,  die  indessen  auf  dem 
Rückenschilde  des  Cephalothorax  und  dem  Abdomen  zerstreut  und 
weniger  entwickelt  sind ,  als  auf  dem  Brustschilde ,  den  Palpen  und 
namentlich  auf  den  Kiefern. 

Der  eiförmige  Cephalothorax  ist  nach  vorn  etwas  verengert, 
und  wesentlich  aus  zwei  Stücken  zusammengesetzt,  dem  härteren 
Rücken  Schilde  (a,  Fig.  91  a.  f.  S.)  und  dem  etwas  kleineren  und 
weniger  festen  Brust  Schilde  {g)\  zwischen  diesen  Schildern  sind 
die  verschiedenen  Anhänge  eingelenkt.  Das  Rückenschild  krümmt 
sich  auf  allen  Seiten  nach  unten  und  bildet  so  die  abgerundeten  Seiten- 
kanten ,  die  auf  Querschnitten  flügelartig  vorstehen.  Es  trägt  auf 
der  vorderen    Stirnfläche    die  acht  Augen,   von   welchen   vier   nahe   an 

13* 


196 


Arthropoden. 


der  Mittellinie  in  den  Ecken  eines  Quadrates  stehen,  die  beiden  vor- 
deren an  dem  umgebogenen  Stirnrande,  die  hinteren  auf  der  Höhe  der 
Stirn  (Ji,  Je,  Fig.  91).  Die  seitlichen  Augenpaare  (?')  stehen  am  Rande 
des  Rückenschildes;  jedes  Paar  ist  nach  oben  und  hinten  von  einer 
erhöhten,  bogenförmig  gekrümmten  Chitinleiste  eingefasst. 

Auf  der  Bauchfläche  des  Cephalothorax  treten  nach  vorn  die  Che- 
liceren  vor  (c,  Fig.  91  und  92),  zwei  mächtige,  bei  dem  Männchen 
etwas  schmälere  und  yerhältnissmässig  längere  Anhänge,  deren  ver- 
dicktes Basalglied  bei  der  Ansicht  von  oben  den  Stirnrand  des  Rücken- 
schildes überragt.  Diese  Basalglieder  krümmen  sich  leicht  nach  unten 
und  auf  ihrem  freien  Ende  ist  eine  scharfe,  säbelförmig  gekrümmte, 
fein    zugespitzte   Klaue    eingelenkt ,    die    sich    in    der   Ruhe  gegen   das 

Fiof.  91. 


TJ     Ul 


II    ci      I 


Epeira  diadema.  —  Junges  Männchen  im  Profil.  Pas  Afterfeld  mit  den  Spinnwarzen 
ist  etwas  in  Dreiviertelansicht  gedreht.  Kalipräparat.  Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  00. 
Camera  Jucida.  I  bis  IV,  die  vier  Beinpaare,  abgeschnitten.  a,  Cephalothorax, 
Piückenschild;  a',  sein  unterer  Piand ;  ?>,  Hinterleib;  c\  Chelicere ;  d,  Kiefer;  e,  Taster; 
/,  Unterlippe;  «7,  Brustschild  des  Cephalothorax;  h,  oberes  oder  hinteres  Mittelauge; 
i,  vereinigte  Seitenaugen;  Ic,  vorderes  Mittelauge  ;  /,  Lunge;  m,  Genitalspalte;  ?«,  n, 
vordere  Spinnwarzen,  zwischen  welchen  man  das  Wärzchen  des  rudimentären  Cri- 
bellum  sieht;  0,  o,  hintere  Spinnwarzen;  in  dem  Räume  zwischen  vorderen  und 
hinteren  Spinnwarzen  sieht  man  die   mittleren;  p,  Afterdeckel. 


Basalglied  wie  die  Klinge  eines  Messers  gegen  den  Stiel  einschlägt 
und  sich  von  aussen  nach  innen  bewegt.  Die  Basis  der  Klaue  ist  in 
eine  Rinne  des  Basalgliedes  eingelenkt,  in  welche  sie  sich  einschlägt. 
xVuf  dem  Aussenrande  dieser  verdickten  Chitinrinne  steht  eine  Reihe 
von  vier  grösseren,  auf  dem  Innenraude  eine  von  fünf  kleineren,  ab- 
gestumpften Chitin  Zähnen. 

Die  weit  weniger   mächtigen   Kiefer   {d)  bestehen    ebenfalls    aus 
zwei  Gliedern  und  sind   mit  ihrem   freien   Ende   gegen   den  Mund    hin 


Arachniclen. 


197 


Fiff.  92. 


eingekrümmt,  den  sie  gänzlich  bedecken.  Das  bei  der  Ansicht  von 
unten  dreieckig  erscheinende  Endglied  ist  auf  seinem  Rande  mit  einer 
Menge  dicker  und  etwas  krummer  Haare  besetzt,  wie  eine  Bürste. 
Die   äusseren  Haare  dieser  Bürste   sind   einfach,   die   hinteren,   welche 

sich  unmittelbar  auf 
den  Mund  legen,  sehen 
wie  lange  Federchen 
aus,  die  kurze,  spitze 
Bärteichen  tragen.  Auf 
der  unteren  Fläche  des 
Endgliedes  bemerkt 

mau  ein  ziemlich  an- 
sehnliches ,  von  Haaren 
entblösstes  Feld,  wel- 
ches ein  fein  getüpfeltes 
Ansehen  hat.  Der  Vor- 
derrand dieses  Feldes 
ist  scharf  schneidend 
und  mit  einer  dicht  ge- 
drängten Reihe  höchst 
feiner  Chitinzähnchen 
besetzt,  die  ihrer  Win- 
zigkeit wegen  auf  un- 
serer Zeichnung  (Fig. 
92)  nicht  dargestellt 
werden  konnten. 

Hinter  dem  Basal- 
gliede  der  Kiefer,  aber 
durchaus  unabhängig 
von  demselben ,  treten 
die  Taster  (e)  hervor, 
welche  bei  beiden  Ge- 
schlechtern sehr  ver- 
schieden gestaltet  sind. 
Die  Taster  des  Weib- 
chens (Fig.  92)  sind 
cylindrisch,  lang,  aus 
sechs  Gliedern  zusam- 
mengesetzt. Ihr  ver- 
längertes, gleichförmig 
zulaufendes  und  mit 
dicken  Haaren  besetztes 
Endglied  trägt  an  der 
Spitze  eine  kleine  Kralle, 


Kpiflra  diudenia.  —  Junges  Weilxhen,  von  der  Bauch- 
fläche aus  gesehen.  Kalipräparat.  Gundlach,  Oc.  1, 
Obj.  00.  Camera  dura.  I  bis  IV,  die  vier  Beinpaare, 
abgeschnitten  ;  a,  Rand  des  Cephalothorax ;  J,  Hinter- 
leib ;  c,  Basalglied  des  Chelicers ;  c',  der  Gifthaken ; 
d,  Kiefer;  e,  Taster;/,  Unterlippe;  (/,  Brustschild  des 
Cephalothorax ;  /?,  Vorderlippe  oder  Schnabel ;  /,  Seiten- 
augen; h,  Mundkegel;  /,  Lunge;  «i ,  äussere  Ge- 
schlechtstheile ;  w,  vordere  Spinn^varzen ;  o,  hintere 
Spinnwarzen  ;  p,  Afterwai'ze  ;  5,  Schlundrinne  ;  r,  Saug- 
magen ;  s,  Stachel  des  Afterfeldes ;  <,  rudimentäres 
Cribellum ;   h,  mittlere  Spinnwavzen. 


198  Arthropoden. 

welche  durch  ihre  Besetzung  mit  Nebenzinken  den  an  den  Enden  der 
Füsse  befindlichen  Kämmen  sehr  ähnlich  ist.  Die  Zahl  und  relative 
Grösse  der  einzelnen  Glieder,  sowie  der  Kamm  an  der  Spitze  dürften 
wohl  darauf  hinweisen ,  dass  der  Taster  der  weiblichen  Kreuzspinnen 
nur  ein  sehr  wenig  modificirtes  Gangbein  und  kein  secundärer  Anhang 
der  Kiefer  ist.  Die  Weibchen  tragen  den  Taster  wagerecht  nach  vorn 
gerichtet.  —  Der  Taster  des  Männchens  ist  sehr  verschieden  gestaltet. 
Sein  stark  behaartes  und  meist  sehr  dunkel  gefärbtes  Endglied  ist 
kolbenartig  verdickt.  Bei  den  jungen  Männchen  (Eig.  91)  sieht  man 
nur  einen  einfachen  Endkopf  von  ziemlicher  Dicke,  aber  bei  den  ge- 
schlechtsreifen  Männchen  zeigt  dieser  Knopf  eine  sehr  verwickelte 
Organisation,  von  welcher  wir  bei  Gelegenheit  der  Geschlechtsorgane 
handeln  werden.  Die  Männchen  tragen  die  Taster  meist  nach  unten, 
gegen  den  Mund  hin,  eingeschlagen. 

Man  muss  die  Kiefer  stark  zur  Seite  biegen ,  um  ein  zwischen 
ihnen  verborgenes  Mittelstück,  die  Vorderlippe  oder  den  Schnabel 
(i,  Eig.  92)  zur  Anschauung  zu  bringen,  das  den  Mund  von  vorn  her 
deckt.  Es  ist  eine  fleischige,  vorspringende  Stummelwarze,  die  bei  der 
Ansicht  von  unten  die  Gestalt  eines  Dreiecks  zeigt.  Die  hintere  Fläche 
des  Schnabels,  welche  den  aufsteigenden  Schlundkopf  begrenzt,  ist  mit 
einer  starken  Chitinlamelle  belegt ;  die  anderen  Flächen  zeigen  ein 
dünnes,  weiches  Tegument.  Der  Schnabel  schliesst  Muskeln  und  eine 
besondere  Drüse  ein. 

Die  quere  Mundspalte  wird  von  unten  her  durch  eine  dünne,  drei- 
eckige Chitinlaraelle  geschlossen ,  deren  nach  vorn  gerichtete  Spitze 
fester  ist  und  deren  Basis  auf  dem  Brustschilde  eingelenkt  ist.  Diese 
Unterlippe  (/')  erfüllt  den  leeren  Baum  zwischen  den  Enden  der 
Kiefer;  sie  trägt  auf  ihrer  Vorderfläche,  welche  die  Hinterwand  des 
Pharynx  bildet,  besondere  Chitinbildungen,  auf  die  wir  bei  Gelegenheit 
der  Verdauungswerkzeuge  zurückkommen  werden. 

Das  stark  behaarte  B  r  u  s  t  s  c  h  i  1  d  (g)  hat  etwa  die  Form  eines 
Wappenschildes,  es  bedeckt  die  Bauchfläche  des  Cephalothorax 
zwischen  der  Unterlippe,  den  Hüften  der  Beine  und  dem  Bauchstiele. 
Es  zeigt  seitliche,  den  Basalgliedern  der  Beine  entsprechende  Aus- 
schnitte, und  da  diese  von  vorn  nach  hinten  der  Mittellinie  näher 
treten,  ist  es  vorn  breiter  und  läuft  nach  hinten  in  eine  mit  einigen 
Zähnchen  besetzte  Spitze  aus,  welche  das  Gelenk  des  Hinterleibes 
trägt. 

Die  vier  symmetrischen  Beinpaare  (Ibis  IV)  zeigen  eine  durch- 
weg übereinstimmende  Bildung  und  unterscheiden  sich  nur  durch  ihre 
relative  Länge  und  Dicke.  Das  dritte  Paar  ist  kürzer  und  dünner  als 
alle  übrigen.  Jedes  Bein  trägt  an  seinem  distalen  Ende  zwei  kamm- 
förmige  Seitenklauen ,  die  auf  ihrem  schneidenden ,  eingeschweiften 
Rande   eine  Reihe  von  Zinken  zeigen ,    deren  Länge   von   aussen   nach 


Arachniden.  199 

innen  abnimmt.  Zwischen  den  Wurzeln  dieser  seitlichen  Kämme  erhebt 
sich  eine  etwas  weiter  nach  hinten  eingelenkte,  hakenförmige  Klaue, 
welche  nur  eine  Zinke  an  ihrer  Basis  trägt.  Diese  Endklauen  sind  von 
einem  Büschel  starker  Stachelhaare  umgeben,  unter  welchen  sich  be- 
sonders zwei  S-förmig  gekrümmte,  mit  feinen  Zähnchen  besetzte  Dornen 
bemerklich  machen,  welche  man  als  Hülfskämme  bezeichnet  hat. 

Der  kugel-  oder  eiförmige  Hinterleib  ist  mittelst  eines  dünnen 
Stieles  mit  dem  Cephalothorax  verbunden,  zeigt  ein  sehr  weiches,  aus- 
dehnbares ,  einförmiges  Tegument ,  das  indessen  der  Einwirkung  von 
Aetzkali  widersteht.  Auf  seiner  Bauchfläche  sieht  man,  nahe  an  dem 
Verbindungsstiele  in  der  Mittellinie  die  Geschlechtsöffn  ung  (w),  die 
bei  beiden  Geschlechtern  verschieden  gestaltet  ist  und  in  dem  betreffen- 
den Capitel  behandelt  werden  soll. 

In  der  Verlängerung  der  queren  Geschlechtsspalte  sieht  man  zu 
beiden  Seiten  einen  grossen ,  etwas  schief  gerichteten  Schlitz ,  welcher 
in  den  betreffenden  Lungensack  (/)  führt. 

Endlich  gewahrt  man,  am  hinteren  Ende  etwas  ventral  gelegen, 
eine  bedeutende  Bildung,  das  Afterfeld,  welches  von  den  Spinn- 
warzen  (n,o,ii)  und  dem  A  f  ter  deckel  (j:>)  eingenommen  wird.  Die 
sechs  Spinnwarzen  stellen  verlängerte,  mit  den  abgerundeten  Spitzen 
nach  innen  gebogene  Hügel  dar,  hinter  welchen  sich  die  Afteröffnung 
befindet,  die  von  einer  complicirt  gebauten,  mit  dichten,  kurzen  Haaren 
besetzten  Warze  überragt  wird,  welche  sich  wie  ein  Klappdeckel  dar- 
über schlagen  kann. 

Präparation.  —  Um  die  makroskopische  Untersuchung  vor- 
zunehmen, öffnet  man  den  Hinterleib  der  frisch  getödteten  Spinnen  unter 
Wasser  mittelst  eines  seitlichen  Eiuschnittes  und  löst  allmählich  mit  einer 
feinen  Scheere  das  Tegument  der  Rückenfläche  ab,  indem  man  Sorge 
trägt,  das  einigermaassen  in  die  Lebermasse  eingesenkte,  in  der  Mittel- 
linie gelegene  Herz  nicht  zu  verletzen.  Man  schlägt  die  Haut  zurück 
und  geht  gegen  den  Cephalothorax  vor,  dessen  Rückenschild  man  am 
besten  mit  einem  scharfen  Rasirmesser  so  abträgt,  dass  die  Augen 
erhalten  bleiben.  Nachdem  man  so  das  ganze  Tegument  des  Rückens 
entfernt  hat,  sucht  man  mittelst  feiner  Nadeln  und  Pinsel  unter  der 
Lupe  die  Organe  zu  entwirren;  was  besonders  im  Hinterleibe  äusserst 
schwierig  ist.  In  Weingeist  aufbewahrte  Exemplare  eignen  sich  durch- 
aus nicht  zu  solchen  Untersuchungen;  man  muss  sie  während  etwa 
24  Stunden  in  Wasser  erweichen ,  dem  man  einige  Tropfen  Salmiak- 
geist zugefügt  hat.  Ohne  diese  vorgängige  Behandlung  ist  es  unmög- 
lich, die  durch  den  Weingeist  zusammengeklebten  und  brüchig  gewor- 
denen Organe  zu  entfalten.  Für  das  Studium  der  chitinösen  Bildungen 
können  wir  nicht  genug  die  Behandlung  mittelst  einer  concentrir- 
ten  Lösung  von  Aetzkali  in  der  Wärme  empfehlen.  Immerhin  muss 
man  bei  Behandlung  ganzer  Thiere  einen   oder  mehrere  seitliche  Ein- 


200  Arthropoden. 

schnitte  am  Hinterleibe  machen,  um  das  Eindringen  des  Aetzkalis  und 
das  Austreten  der  in  einen  Brei  zersetzten  organischen  Stoffe  zu  erleich- 
tern. Man  setzt  diese  Behandlung  unter  Erneuerung  des  Lösungsmittels 
so  lange  fort,  bis  sich  die  Flüssigkeit  nicht  mehr  braun  färbt.  Dann 
wäscht  man  sorgfältig  mit  destillirtem  Wasser  aus  und  bewahrt  die 
Präparate  in  Glycerin.  —  Die  Schnittmethode  mit  vorgängiger  oder 
nachträglicher  Färbung  stöt^st  hier  auf  dieselben  Hindernisse  wie  bei 
den  übrigen  Arthropoden;  jede  Operation  bedarf  langer  Zeit.  Färbung 
mit  Boraxcarmin  lieferte  uns  die  besten  Kesultate.  Bei  Gelegenheit  der 
Kreislaufsorgane  werden  wir  die  Injectionsmethoden  besprechen. 

Allgemeine  Lagerung  der  Organe.  —  Nach  Wegnahme  des 
Teguments  sieht  man  in  dem  Cephalothorax  nur  ein  Gewirre  von 
Muskelbündeln ,  die  sich  zum  Theil  an  innere  Sehnenplatten  ansetzen 
und  sich  nach  allen  Richtungen  hin  kreuzen.  In  den  Zwischenräumen 
der  Muskeln  sieht  man  die  Enden  der  Giftdrüsen,  Bliudsäcke  des 
Darmes,  begleitet  von  Blutgefässen.  Die  Muskelbündel,  welche  sich 
zu  den  verschiedenen  gegliederten  Anhängen,  zum  Vorderdarme  u.  s.  w. 
begeben ,  müssen  sorgfältig  getrennt  und  entfernt  werden ,  um  das 
Centralnervensystem  zur  Anschauung  zu  bringen,  das  aber  so  mit  den 
Nebendärmen  des  Magens  und  den  Gefässen  verfilzt  ist,  dass  man 
keines  dieser  Systeme  isoliren  kann,  ohne  die  anderen  Organe  zu  ver- 
letzen oder  zu  zerstören.  Gleiche  Schwierigkeiten  findet  man  bei  der 
Untersuchung  der  Abdominalorgane.  Die  Leber  bedeckt  die  ganze 
Rückenfläche  und  ihre  äusserst  zarten  Läppchen  dringen  in  alle 
Zwischenräume  der  anderen  Organe  ein.  Nachdem  man  die  stets 
braune  Leber  so  gut  als  möglich  entfernt  hat,  sieht  man  auf  dem 
Grunde  der  Bauchhöhle  die  Geschlechtsorgane,  den  darüber  verlaufenden 
Darm  mit  dem  Rectum  ,  die  Spinndrüseu  mehr  nach  hinten  und  ganz 
in  der  Tiefe,  unmittelbar  an  der  Haut  anliegend,  die  Lungensäcke. 
Das  Studium  der  Circulationsapparate  erheischt  eine  besondere  Prä- 
paration. 

Um  zu  einem  besseren  Verständniss  der  Lagerung  und  des  Inein- 
andergreifens  der  Organe  zu  gelangen,  wird  man  sich  mit  Vortheil  an 
Sagittal-  und  Querschnitte  wenden,  deren  Resultate  mau  combiniren 
kann.  So  sieht  man  auf  einem  sagittalen,  der  Medianlinie  sehr  ge- 
näherten Schnitte  des  Cephalothorax  (Fig.  93)  die  fast  in  dem  Mittel- 
jaunkte  gelegene  MundöfFnung  (d),  die  vorn  von  dem  Schnabel  (/;), 
hinten  von  der  Unterlipjje  (/)  begrenzt  wird  und  in  einen  vertical 
stehenden  Schluudkopf  führt,  welcher  sich  plötzlich  in  rechtem  Winkel 
nach  hinten  umbiegt  und  in  den  Schlund  (<:?'),  den  Saugmagen  (r/)  und 
den  Vorderdarm  ([/)  fortsetzt,  die  fast  horizontal  nach  hinten  verlaufen. 
Einer  der  grossen  Rückeublinddärme  des  Magens  (/)  ist  angeschnitten 
und  an  der  Unterseite  sieht  man  die  Durchschnitte  der  in  die  Beine 
sich  erstreckenden    Blinddärme   (w) ,    welche   von    den    zu   den   Beinen 


Arachniden. 


201 


gehenden  Nerven  (h')  und  Gefässen  (r)  begleitet  werden,  lieber  diesen 
Blinddärmen  breitet  sich  die  unter  dem  Schlünde  gelegene  Masse  des 
Centralnervensystemes  (b)  aus,  welche  sich  nach  hinten  in  den  von 
seiner  Arterie  (s)  begleiteten  xlbdominalnerven  (&-)  fortsetzt.  Die 
Arterie  entspringt  von  einem  schlingenförmig  zurückgebogenen  Aste 
der  Aorta  (o)  und  von  dem  Gipfel  desselben  Bogenastes  entspringt  die 
Kopfaorta  (|j) ,  welche  zu  allen  weiter  nach  vorn  gelegenen  Organen 
und  Gliedern  Zweige  entsendet.  Zwischen  dem  grossen  Rückenblindsack 

Fig.  93. 


Epeira  cUudeina.  —  Sagittalschtiitt  des  Cephalothorax ,  fast  genau  in  der  MrttelHnie. 
Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  00.  Camera  dura.  «,  das  Hirn  (Oberschlundmasse),  an  der 
Basis  vom  Schlünde  durchbohrt;  b,  Uuterschlundmasse,  mit  den  seitlich  abgehenden 
Beinnerven  b^  und  den  Bauchnerven  b^  nach  hinten  ;  c,  Chelicer  der  Länge  nach 
durchschnitten,  so  dass  man  die  inneren  Muskeln  und  das  Chitinblatt  sieht,  au  welches 
sie  sich  ansetzen ;  c^^  die  von  spiraligen  Muskelfasern  umsponnene  Giftdrüse  ;  c,  die 
Knickung  des  Giftcanales  beim  Eintritt  in  das  Chelicer  ;  c^,  Fortsetzung  des  Giftcanales  ; 
rf,  der  Mund;  rZ\  der  Schlund;  d^,  Saugmagen;  e,  an  den  Schnabel  li  angelehnte  vor- 
dere Chitinlamelle  des  Pharynx;/,  Unterlippe;  jr,  Fortsetzung  des  Darmes  vom  Saug- 
magen nach  hinten;  //,  Schnabel;  /<■'■,  Muskeln;  A^,  Drüse  des  Schnabels;  /,  vorderes 
Mittelauge ;  k.  hinteres  Mittelauge  mit  ihren  Nerven,  die  sich  bis  zum  Hirne  verfolgen 
lassen;  l,  grosser  rückenständiger  Blinddarm;  w,  untere,  in  die  Beine  gehende  Blind- 
därme ;  m,  Kopfaorta ;  o,  Aortenbogen ;  p,  vordere  Kopfaorta ,  die  das  Hirn  und  alle 
vorliegenden  Theile  versorgt;  q,  rückläufiger  Ast  des  Aortenbogens,  welcher  Zweige 
an  die  Unterschlundmasse  und  r,  an  die  Beine  giebt;  s,   rückläufige  Arterie ;  t,   oberer 

Schlundrauskel. 


und  dem  Schlünde  sieht  man  die  Oberschlundmasse  des  Centralnerven- 
systemes, das  Gehirn  (a) ,  von  welchem  die  beiden  getroffenen  Nerven 
entspringen ,    die    sich   zu    den    mittleren   Augen    (?,    li)   begeben.     Im 


202 


Arthropoden. 


Schnabel  sieht  man,  ausser  den  durchschnittenen  Quermuskeln  (h^)  die 
Schnabeldrüse  (/i^)  und  in  dem  weiter  vorn  gelegenen  Chelicer  (c)  den 
Ausführungsgang  (c^)  der  Giftdrüse,  welche  sich  in  der  vorderen 
Rückengegend  des  Cephalothorax  ausbreitet. 

Ein  durch  die  Hüften  des  zweiten  Beinpaares  gelegter  Querschnitt 
(Fig.  94)  zeigt  zwischen  den  verschiedenen  Muskelbündeln  die  Lumina 
der  Giftdrüsen  (w),  zweier  Paare  rückenständiger  Magenblindsäcke 
(l,  l^),  auf  der  Bauchseite  diejenigen  eines  seitlichen  Paares  (ni)  und 
eines  mittleren  unpaaren  Blindsackes  (»»'),  sowie  der  in  die  Beine  sich 
erstreckenden  Blindsäcke  (m^,  m^).  Im  Mittelpunkte  des  Schnittes, 
etwas  mehr  nach  der  Ventralseite,  sieht  man  die  centrale  Nervenmasse, 
welche    der    durch    seine   dicken  Chitinwände  ausgezeichnete    Schlund 

Fig.  94. 


^  jp  l 


0'  a-  m'd'  cL'm.  b  t  t 


Epeh-a  diadema.  —  Durch  die  Unterschlundmasse  gelegter  Querschnitt  des  Cephalo- 
thorax. Vergrösserung  wie  die  vorherige  Figur ,  deren  Bezeichnungen  man  so 
viel  als  möglich  beibehalten  hat.  a,  Hirn ;  a^,  seine  obere  Zellenschicht ;  b,  Unter- 
schlundmasse ,  mit  ihren  Ausdehnungen  nach  beiden  Seiten  gegen  die  Beine  hin ; 
b^,  ihre  untere  Belegschicht  von  Ganglienzellen :  d^,  Durchschnitt  des  die  Nerven- 
masse durchbohrenden  Schlundes ;  /,  Durchschnitt  der  grossen  dorsalen  Blindsäcke ; 
l'^,  dorso-laterale  Blindsäcke ;  m,  ventrale  seitliche  Blindsäcke ;  m^,  mittlerer  ventraler 
Blindsack ;  m^,  Blindsäcke  in  den  Beinen ;  m^,  zurückgebogenes  Ende  eines  Bein- 
Blindsackes  ;  t ,  Muskeln ;  i(, ,  Tegument  des  Rückens ;  v ,  Tegument  der  Beine ; 
IV,  Durchschnitte  der  Giftsäcke. 


durchsetzt  ((U).  Man  unterscheidet  sehr  gut  die  von  Ganglienzellen 
gebildete  Rindenschicht  der  Oberschlundmasse  (a^) ,  sowie  diejenige, 
welche  die  Unterfläche  (h^)  der  Unterschlundmasse  überzieht  und  sich 
seitlich  auf  die  Wurzeln  der  Fussnerven  (b)  fortsetzt. 


Arachniden. 


203 


■Fio-.  95. 


Der  sehr  kurze  und  enge  Bauchstiel,  welcher  Cephalothorax 
und  Abdomen  verbindet,  enthält  die  Fortsetzung  der  Aorta  zu  dem 
im  Bauche  gelegenen  Herzen,  die  Darmröhre,  die  beiden  Bauchnerven 
und  Muskeln  mit  einer  Sehnenplatte,  wovon  bei  dem  Muskelsysteme 
die  Rede  sein  wird. 

Wie  schon  bemerkt,  wird  die  Untersuchung  der  Ab  dorn  inal- 
organe  sehr  durch  die  Leber  erschwert,  deren  Läppchen  alle  anderen 
Organe  umhüllen  und  selbst  in  die  Lücken  zwischen  denselben  auf  der 
Bauchfläche  sich  eindrängen.  Nach  Entfernung  des  Tegumentes  sieht 
man  nur  die  braunen  Leberläppchen,  die  an  den  Stellen,  welche  den 
äusseren  Zeichnungen  entsprechen,  mit  einer  weissen ,  aus  stark  licht- 
brechenden,  glänzenden  Körperchen  zusammengesetzten  Substanz  be- 
deckt sind.  Nachdem  man  mit- 
telst des  Pinsels  und  behutsam 
geleiteter  Bespritzungen  mit 
einer  Kautschukpipette  die  obe- 
ren Leberläppclien  entfernt  hat, 
sieht  man  in  der  Mittellinie  das 
der  Wölbung  des  Abdomens  ent- 
sprechend gekrümmte  Herz  mit 
den  seitlich  und  nach  hinten 
davon  abgehenden  Gefässen.  Man 
schneidet  das  Herz  an  dem 
Bauchstiele  ab  und  entfernt  es 
durch  leichten  Zug  mit  der  Pin- 
cette,  wobei  meistens  die  Leber- 
läppchen zwischen  ihm  und  dem 
Darme  mitgehen.  Man  reinigt 
in  der  angegebenen  Weise  die 
Umgebung  des  ebenfalls  bogen- 
förmig gekrümmten  Darmes  und 
sieht  dann  die  Organe  in  der 
Lage,  wie  sie  unsere  Figur  95 
wiedergiebt.  In  der  Mittellinie 
verläuft  der  gelbliche  Darm  e  und 
endet  mit  einer  oft  durch  spin- 
delförmige ,  braune  Kothballen 
sehr  ausgedehnten  Cloake  (/). 
Zu  beiden  Seiten  zeigen  sich 
die  Malpighi'schen  Gefässe,  deren  inneres,  längeres  Paar  (c)  fast 
bis  zum  Bauchstiele  reicht.  Diese  Theile  ruhen  auf  dem  Eier- 
stocke (/) ,  der  zur  Fortpflanzungszeit  eine  enorme  Grösse  erreicht. 
Man  muss  den  Darm  mit  dem  Eierstocke  oder  den  Hoden  weg- 
nehmen,  um   die  Lagerung   der  Spinndrüsen  und   der   unteren  Bauch- 


Epeiru  dlademu.  —  Rückenansicht  der  Unter- 
leibsorgane. Das  Herz  mit  den  es  einhül- 
lenden Leberläppchen  ist  weggenommen,  um 
den  Dai-m  und  die  umgebenden  Theile  bloss 
zu  legen.  Zeichnung  unter  der  Lupe  mit 
Camera  clara.  a,  Tegument;  b,  ä,  Leber, 
die  anderen  Organe  umhüllend;  c,  inneres 
Paar  der  M  a  1  p  i  g  h  i '  sehen  Röhren  ;  g, 
äusseres  Paar  ;  d,  cylindische  Spinndrüsen  ; 
e,  Darm  ;  /,  Eierstock ;  /,   Cloake. 


204 


Arthropoden. 


muskeln  zu  untersuchen.  Zuweilen  sieht  man  einige  Schlingen  der 
grossen  cylindrischen  Spinndrüsen  (ä)  unter  dem  Eierstocke  hervor- 
ragen. Um  die  Anschauung  der  Lagerung  der  Bauchorgane  zu 
vervollständigen,  gehen  wir  einen  medianen  Sagittalschnitt  des  Baxiches 
(Fig.  96),  auf  dem  man  alle  erwähnten  Theile  und  ausserdem  noch 
unter  einem  von  den  Längsmuskeln  gehildeten  Dache  die  verschiedenen 
Arten  von  Spinndrüsen  sieht,  welche  zwischen  Leberläppchen  ein- 
gebettet sind,  die  sich  auf  die  Bauchseite  erstrecken.  Man  sieht  auch 
vorn    an     diesem    Durchschnitte     den    vor    der    Geschlechtsspalte    an- 


./:- 


/'^' 


Epeira  diadema.  —  Medianer  Sagittalschnitt  des  Hinterleibes.  Lupe  und  Camera  clara. 
u,  AfteröfFnuDg ;  h,  Spinnwarzen;  c,  birntormige  Spinndrüsen;  d,  Muskelbündel  zu 
den  Spinnwarzen;  e,  Durchschnitte  cylindrischer  Spinndrüsen;/,  untere  Leberlappen; 
f^,  obere ; /^,  mittlere  Lebcrlappen  zwischen  Herz  und  Eierstock;  g,  unterer  Längs- 
muskel  des  Bauches ;  h,  Genitalspalte ;  i,  Samenbeliälter ;  h,  Spitze  des  Bauchstieles ; 
/,  Darm ;  /^,  Cloake ;  in,  in  den  Bauchstiel  eintretende  Aorta ;  m^,  Vordertheil  des 
Herzens,  den  der  Schnitt  nur  gestreift  und  die  Kreismuskeln  blossgelegt  hat;  m^j 
Seitenspalten  des  Herzens  ;  iir^,  hintere  Aorta  ;    w,  Pericardialhöhle ;    o,   Eierstock. 


gebrachten  Samenbehälter  (/).  Zu  beiden  Seiten  dieser  Spalte  befinden 
sich  die  abgeplatteten  Lungensäcke,  die  mit  grossen  Querspalten  nach 
aussen  münden. 

Tegument.  —  Die  Haut  der  Kreuzspinnen  besteht,  wie  bei 
allen  übrigen  Arthropoden,  aus  drei  Schichten  :  einer  äusseren  Chitin- 
schicht oder  Cuticula,  einer  tieferen  Chitinschicht  und  einer  Hypo- 
dermis.  Die  Cuticula  ist  gelblich ,  färbt  sich  nicht  und  besteht  an 
einzelnen  Orten  aus  zwei  Lagern,  deren  sehr  dünnes  und  äusserstes 
Erhöhungen  auf  der  Oberfläche  bildet.     Auf  den  Kiefern,   den  Palpen, 


Aracliiiiden.  205 

den  Beinen,  der  Rückfläche  des  Cephalothorax  und  des  Abdomens 
bilden  diese  Erhöhungen  ziemlich  regelmässige  Rhomben;  auf  dem 
Brustschilde  parallele,  geschwungene  Linien.  Die  Cuticula  ist  auf  der 
Rückenfläche  des  Cephalothorax,  den  Cheliceren  und  den  Beinen  sehr 
verdickt,  dagegen  äusserst  zart  an  den  Gelenken.  An  der  Basis  der 
Haare  bildet  sie  hohle  Schüsselchen ,  in  welchen  die  etwas  verdickte 
Basis  eingelenkt  ist.  Die  untere  Hälfte  eines  solchen  Schüsselchens 
ruht  auf  einem  Ringe,  durch  dessen  Oeffnung  die  feinkörnige  Substanz, 
welche  den  Centralcanal  des  Haares  oder  Stachels  erfüllt,  mit  der  Hypo- 
dermis  communicirt.  Zuweilen  haben  wir  ein  feines  Fädchen  gesehen, 
welches  sich  weiter  nach  unten  fortsetzt  und  das  wir  für  ein  Nerven- 
fädchen  halten,  obgleich  wir  seinen  weiteren  Verlauf  nicht  verfolgen 
konnten. 

Die  innere  Chitinschicht  färbt  sich,  freilich  nur  wenig,  durch 
Boraxcarmin  oder  Cochenille.  Auf  Schnitten  sieht  man  in  ihrer  Masse 
feine  Parallelstreifen,  die  auf  eine  Zusammensetzung  aus  dünnen  La- 
mellen hinweisen.  Unter  dem  Einsätze  eines  Haares  wird  die  Schicht 
von  einem  senkrechten  Canale  durchbohrt;  man  sieht  auch,  wenn  auch 
selten,  unabhängige  Canälchen  im  Zickzack. 

Die  chitinogene  Hypodermisschicht  lässt  sich  bei  Epeira  leicht 
nachweisen,  zeigt  aber  sehr  verschiedenen  Aufbau.  An  manchen  Stellen 
sieht  man  nur  Züge  von  zerstreuten  Kernen;  an  anderen  Orten  werden 
die  Zellen  deutlicher,  verlängern  sich  und  stehen  wie  Palissaden  neben 
einander;  in  anderen  Fällen  endlich  erreichen  sie,  wie  wir  sehen  werden, 
eine  bedeutende  Grösse  und  nehmen  drüsenartige  Formen  an.  An 
den  Ansatzstellen  der  Muskeln  gehen  von  der  Hypodermis  feine  Mem- 
branen ab,  die  zwischen  die  Muskelfasern  eindringen  und  sie  scheiden- 
artig umgeben. 

Die  Haare  und  Stacheln,  welche  dem  Teguuiente  aufsitzen,  unter- 
scheiden sich  wesentlich  nur  durch  ihre  Grösse.  Haare  finden  sich 
besonders  am  Bauche,  dem  Cephalothorax  und  den  Beinen;  Stacheln 
mit  streifigem  Ansehen  an  den  Beingelenken.  Auf  den  verschiedenen 
Mundanhängen  trifft  man  gefiederte  Haare  und  auf  dem  Brustschilde, 
sowie  namentlich  auf  den  Palpen  welche  mit  sehr  feinen,  rauhen  Vor- 
sprüngen, die  ohne  Ordnung  vertheilt  sind. 

Die  Haare,  ganz  besonders  aber  die  steifen  Stacheln,  brechen  oder 
reissen  leicht  von  ihren  Einlenkungen  ab.  Man  sieht  dann,  namentlich 
auf  den  Beinen ,  die  erwähnten  Schüsselchen  und  Ringe  der  Cuticula 
leer  stehen. oder  zuweilen  auch  ein  feines,  kurzes,  sich  regenerirendes 
Haar  in  der  Gelenkgrube,  aber  gewöhnlich  in  excentrischer  Lage. 
Dahl  (siehe  Literatur)  hat  diese  Bildungen  als  Hörorgane  an- 
gesprochen. 

Wenn  man  hier  Dahl  widersprechen  muss,  so  kann  man  dagegen 
sich  leicht  von   der  Richtigkeit  eines    anderen    Fundes   desselben   For- 


206  Arthropoden. 

Sehers  überzeugen,  nämlich  von  der  Existenz  feiner  Spalten,  die  sich 
in  der  Nähe  aller  Beiugelenke  und  auch  auf  den  Cheliceren,  nicht  aber 
auf  den  Palpen  finden.  Diese  etwas  S-förmig  geschwungenen  Spalten, 
die  zuweilen  in  der  Mitte  eine  punktförmige  Erweiterung  zeigen, 
stehen  in  Gruppen  bis  zu  einem  Dutzend  etwa  vereinigt  auf  der 
Rückenfläche  der  Beine  auf  kleinen  schildförmigen,  schwach  begrenzten 
Feldchen  und  zeigen  sehr  verschiedene  Richtungen,  schiefe,  quere, 
meist  aber  der  Axe  der  Beine  parallele  Längsrichtung.  Sie  durchsetzen 
die  Chitinschichten,  wie  man  sich  auf  Schnitten  überzeugen  kann  und 
sind  von  dem  Blutgefässe  der  Beine  nur  durch  die  in  der  Gegend  der 
Gelenke  äusserst  dünne  Hypodermis  getrennt.  Sind  sie  vielleicht 
Hülfsorgane  der  Athmung,  durch  welche  hindurch  ein  Austausch  der 
in   dem  Blutgefässe    enthaltenen  Gase   mit    der  Luft  stattfinden  kann? 

Muskelsystem.  —  Die  Präparation  der  stets  quer  gestreiften 
Muskeln  der  Kreuzspinne  lässt  sich  unter  der  Lupe  durchführen.  Man 
lässt  ein  grosses  Exemplar  einige  Zeit  in  absolutem  Weingeist  und 
entfernt  dann  mit  einem  feinen  Scalpel  das  Tegument  des  Rückens, 
indem  man  die  Schneide  hart  an  der  Innenfläche  des  Tegumentes  hin- 
führt und  so  die  Muskelansätze  durchschneidet.  Führt  man  die  Ope- 
ration gut  durch ,  so  zeigen  sich  die  durch  den  Weingeist  etwas 
erhärteten  Muskeln  in  unveränderter  Lage.  Man  gewahrt  dann  sofort, 
dass  viele  unter  ihnen  sich  an  eine  breite,  horizontal  unter  dem  Saug- 
magen und  dem  Darme  gelegene  Sehnenplatte  anheften  {g,  Fig.  93), 
die  bei  der  Ansicht  von  oben  die  Gestalt  eines  Schildes  mit  rückwärts 
gerichteter  Spitze  hat.  Von  den  seitlichen  und  vorderen  Rändern  der 
Platte  strahlen  Sehnenbündel  aus,  welche  sich  in  die  Sehnen  der  Muskel- 
bündel fortsetzen.  Die  Platte  selbst  ist  nur  durch  die  Verschmelzung 
dieser  Sehnenbündel  gebildet  und  hat  durchaus  keine  Beziehung  zu  dem 
Tegumente,  kann  also  auch  nicht  dem  inneren  Skelette  des  Krebses  z.  B. 
verglichen  werden.  Nur  im  hintersten  Theile  des  Cephalothorax  findet 
sich  eine  Umkrempung  des  Randes  der  Tegumente,  an  welche  sich  die 
Längsmuskeln  festsetzen  und  welche  einen  Theil  der  Aorta  überdeckt. 
Dagegen  steht  die  grosse  Platte  des  Cephalothorax  durch  einige  kurze 
und  steife  Fasern  mit  einer  kleinen  Sehnenplatte  in  Verbindung,  die 
auf  der  Rückenseite  des  Bauchstieles  liegt  und  hier  die  Aorta  über- 
dacht. Dl  dem  Zwischenräume  zwischen  ihr  und  dem  Tegumente  setzen 
sich  Längsmuskeln  fest. 

Die  Hauptmuskeln  des  Cephalothorax  und  seiner  Anhänge  sind 
die  folgenden: 

Die  Muskeln  der  Cheliceren  (f,  Fig.  93)  bilden  eine  dicke,  das 
Basalglied  fast  gänzlich  erfüllende  Masse;  man  unterscheidet  darin 
sechs  mehr  oder  minder  deutlich  getrennte  Bündel,  die  am  Tegumente 
entspringen  und  sich  an  einer  im  Inneren  des  Gliedes  angebrachten 
Sehnenplatte  schief  ansetzen.    —    Die  Muskeln    des  Schnabels  sind  nur 


Arachniden.  207 

klein;  die  einen  laufen  horizontal,  die  anderen  in  schiefer  Richtung;  die 
einen  sollen,  nach  Einiger  Meinung,  die  Drüse  zusammenpressen,  um 
ihren  Inhalt  zu  entleeren,  während  die  anderen  ihre  OefFnung  schliessen 
sollen.  —  Die  Kiefermuskeln,  die  auf  Schnitten  sehr  gut  sich  sehen 
lassen,  entfernen  oder  nähern  die  Kiefer;  die  letzteren  setzen  sich  an 
die  grosse  Sehnenplatte  an. 

Pharynxmuskeln.  —  Auf  Sagittalschnitten  (Fig.  93)  tritt  eine 
grosse,  dreieckige  Muskelraasse  stark  hervor,  die  sich  an  den  oberen  Theil 
des  Pharynx  inserirt  und  den  Pharynx  erweitert.  Die  Bündel  heften 
sich  sowohl  an  der  vorderen,  als  an  der  hinteren  Chitinplatte  des  Pha- 
rynx an.  Hinter  dieser  Platte  sieht  man  auf  Längsschnitten  einen 
langen  Muskelstreifen,  den  Rückzieher  der  Unterlippe  (h ,  Fig.  93), 
der  sich  vom  Vorderende  des  Schlundes  bis  zur  Spitze  der  Lippe  er- 
streckt. 

Wir  werden  die  den  besonderen  inneren  Organen  eigenen  Mus- 
keln bei  diesen  erwähnen.  Einige  derselben ,  wie  z.  B.  die  des  Saug- 
magens, sind  sehr  bedeutend. 

Das  Muskelsystem  des  Bauches  beginnt  im  Bauchstiele ,  wo  wir 
parallel  mit  dem  Darme  zwei  bedeutende  Längsbündel  finden,  welche 
sich  vorn  an  die  grosse  Sehnenplatte  des  Cephalothorax  heften  und 
nach  hinten  mit  dem  vorderen  Rückenmuskel  des  Abdomens  ver- 
schmelzen. Dünnere  Bündel  vexdaufen  auf  der  Bauchseite  und  ver- 
schmelzen dort  mit  den  ventralen  Längsmuskeln  des  Hinterleibes 
(g,  Fig.  96). 

Ln  Hinterleibe  finden  sich  drei  Muskelsehnen ,  die  aus  der  Ver- 
schmelzung der  vorderen  Enden  der  verschiedenen  Muskeln  hervorgehen. 
Sie  liegen  hinter  einander  in  der  Mittellinie,  die  beiden  vorderen  in  der 
Nähe  des  Bauchstieles,  die  hinteren  in  der  Gegend  der  Spinnwarzen. 
Sie  spielen  den  Muskeln  gegenüber  etwa  die  gleiche  Rolle,  wie  die 
Sehnenlamelle  im  Cephalothorax ,  zeigen  aber  eine  verschiedene  Struc- 
tur.     Folgende  Hauptmuskeln   setzen  sich   an   diese  Sehnenbänder  an. 

Ein  Muskel  an  der  Vorderwand ,  der  sich  über  den  Bauchstiel 
hinüberschlägt.  Er  hat  eine  schiefe  Richtung,  ist  kurz  und  dick  und 
hebt  wohl  den  Bauch  im  Ganzen  in  die  Höhe.  —  Ein  sehr  langer, 
dünner  Muskel  mit  welligem  Verlaufe  erstreckt  sich  von  seinem  vor- 
deren Ansatzpunkte  an  der  dorsalen  Wand  des  Bauchstieles  schief 
nach  hinten  und  heftet  sich  etwa  am  Ende  des  ersten  Drittels  des 
Bauches  an  das  dorsale  Tegument  desselben  an. —  Ein  anderer  Muskel, 
sehr  breit  aber  dünn,  umgiebt  das  Ende  des  Bauchstieles;  er  heftet 
sich  ventral-  und  dorsal wärts  in  der  Mittellinie  an  die  Tegumente.  — 
Ein  kurzer,  schiefer  Muskel  geht  vom  Bauchstiele  zu  der  vorderen 
Lippe  der  Geschlechtsspalte.  —  Der  vom  Cephalothoi'ax  her  den 
Bauchstiel  durchsetzende  Längsmuskel  inserirt  sich  an  der  vorderen 
Sehne,    von    welcher    noch    drei    Muskelstreifen    ausgehen,    die    schief 


208  Arthropoden. 

gegen  die  Bauchfläcbe  verlaufen ;  der  vordere  dickere  verläuft  gegen 
die  Lungen,  die  beiden  anderen  zu  der  Genitalspalte, 

Mit  der  mittleren  Sehne  steht  die  vordere  durch  verhältnissmässig 
kleine  und  kurze  Muskeln  in  Verbindung,  die  häufig  verschmelzen. 
Sodann  entstehen  von  ihr  dorsale,  longitudinale  und  ventrale  Muskeln. 
Die  ersteren  sind  sehr  dick,  cylindrisch,  haben  ein  sehniges  Aussehen 
und  inseriren  sich  unmittelbar  an  das  dorsale  Tegument.  An  den  In- 
sertionsstellen  erscheint  die  Chitinhaut  verändert;  sie  bilden  haarlose 
Flecken ,  die  aus  sehr  kleinen  Maschen  gebildet  scheinen  und  ein  ge- 
körntes Aussehen  haben.  Frühere  Beobachter  hielten  diese  Flecken 
für  Stigmen.  Man  sieht  zwei  solcher  Stellen  symmetrisch  zu  beiden 
Seiten  der  dorsalen  Mittellinie. 

Die  von  der  mittleren  Sehne  ausgehenden  Längsmuskeln  treten 
bei  der  Präparation  des  Bauches  sofort  hervor;  sie  verlaufen  als  dicke 
Längsbündel  längs  der  ventralen  Mittellinie  bis  zu  den  Spinnwarzen, 
in  welche  sie  ausstrahlen.  —  Die  ventralen  Muskeln ,  fünf  bis  sechs 
an  der  Zahl ,  verlaufen  schief  von  vorn  nach  hinten  und  setzen  sich 
direct  an  die  Tegumente  an;  sie  heben  die  Bauchspitze  und  üben  so 
einen  Druck  auf  die  Spinnwarzen  aus ,  der  wohl  die  Austreibung  der 
Seide  befördert. 

Die  hintere  Sehne  liegt  im  Bereiche  der  Längsmuskeln  ;  zwei  dorso- 
ventrale  Muskeln'  setzen  sich  an  sie  an ,  welche  ähnliche  Ansatzstellen 
an  der  Chitinhaut  zeigen,  wie  die  vorderen  Muskeln. 

Beinmuskeln.  —  In  das  Hüftglied  eines  jeden  Beines  treten 
sehnige  P]nden  von  Muskeln  ein,  die  entweder  an  dem  Rückentegumente 
des  Cephalothorax  oder  an  der  inneren  Sehnenplatte  desselben  ihren 
Ursprung  nehmen.  Die  ersteren  sind  sehr  mächtig  und  treten  be- 
sonders auf  Querschnitten  hervor.  Sie  haben  die  Form  von  Dreiecken, 
deren  verlängerte  Spitzen  sich  an  der  Basis  des  ersten  Fussgliedes 
festsetzen.  Jedes  Bein  hat  zwei  solcher  Muskeln.  Ebenso  viel,  aber 
weit  schmächtigere  Muskeln  gehen  von  der  Sehnenplatte  aus.  Diese 
Muskeln  sind  jedenfalls  Heber  und  Senker  der  Beine.  Ausserdem  be- 
sitzt jedes  Glied  der  Füsse  seine  Beuge-  und  Streckmuskeln  in  Gestalt 
langer  und  feiner  Bündel,  die  von  dem  distalen  Ende  des  vorher- 
gehenden Segmentes  auslaufen. 

Die  Musculatur  der  Taster  des  Weibchens  verhält  sich  ganz  wie 
diejenige  der  Füsse.  Die  zu  Begattungsorganen  umgewandelten  männ- 
lichen Taster  zeigen  aber  bedeutende  Abweichungen.  In  der  That 
findet  man  in  dem  terminalen  Apparat  dieser  Taster  eine  bedeutende 
Anzahl  kleiner  Muskeln,  welche  den  Apparat  im  Gange  heben  und 
senken ,  die  Löffel  bew^egen  oder  als  breites  Band  den  Samenbehälter 
umgeben  und  dessen  Entleerung  befördern.  Wir  können  dieselben 
nicht  im  Einzelnen  behandeln. 

Die  histologische  Structur  der  Muskeln  lässt  sich  verhältnissmässig    ^ 


Arachniden.  209 

leicht  auf  Schnitten  untersuchen,  da  sich  diese  gut  färben.  Die 
Bündel  bestehen  aus  einzelnen  Fasern,  welche  durch  sehr  feine  und 
durchsichtige  Scheiden  von  einander  getrennt  sind.  Die  in  diesem  Sar- 
colemma  regellos  zerstreuten  Kerne  findet  man  vorzugsweise  da,  wo 
sich  die  Scheiden  berühren.  Die  Querstreifen  der  Fäserchen  selbst 
treten  stets  deutlich  hervor;  die  dunklen  Zonen  sind  etwas  breiter  als 
die  hellen ,  in  deren  Innerem  man  noch  eine  unter  starken  Vergrösse- 
rungen  erkennbare  Schattenlinie  sieht.  Auf  Querschnitten  sieht  man 
im  Inneren  der  durch  das  Sarcolemma  getrennten  Fasern  einen  mit 
feinkörniger  Substanz  erfüllten  Raum ,  von  welchem  aus  sehr  feine 
und  dicht  gedrängte  Streifen  gegen  die  Peripherie  der  Faser  hin  aus- 
strahlen. 

Nervensystem  (Fig.  93,  94,  97,  98).  —  Das  Centralnerven- 
system  ist  vollständig  im  hinteren  Theile  des  Cephalothorax  und  wesent- 
lich auf  der  ventralen  Seite  desselben  concentrirt  (Fig.  93,  a,  h).  Es 
besteht  eigentlich  nur  aus  einer  ziemlich  abgeplatteten  Masse;  da  diese 
aber  von  dem  Schlünde  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  durch- 
bohrt wird,  so  kann  man  daran  einen  kleinen  dorsalen  Theil,  das  Ober- 
schlundganglion oder  Hirn,  unterscheiden,  welches  sich  mit  zwei 
Schenkeln  um  den  Schlund  herum  krümmt  und  so  mit  der  weit 
grösseren  ünterschlundmasse  verbindet. 

Die  Oberschlund  masse  (a,  Fig.  93,  94,  98)  hat  die  Gestalt  eines 
Würfels  mit  horizontaler  Oberfläche  und  etwas  nach  innen  geneigten 
Seitenflächen.  Oben  grenzt  sie  an  die  grossen  dorsalen  Magenblind- 
säcke (1,  Fig.  93,  94),  vorn  an  den  oberen  Schlundmuskel  (f,  Fig.  93), 
unten  an  den  Schlund  (d^,  Fig.  93,  94)  und  hinten  an  den  Saugmagen 
(d'^,  Fig.  93).  Vorn  zeigt  sie  eine  schwache  Einkerbung,  die  zwei 
birnförmige  Vorsprünge  trennt,  aus  welchen  oben  die  Augennerven  und 
weiter  unten  die  Nerven  der  Cheliceren  entspringen. 

Die  den  Schlund  auf  beiden  Seiten  umfassenden  Schenkel  ent- 
sprechen den  Connectiven  der  übrigen  Arthropoden;  sie  sind  nur  ver- 
dickte Fortsetzungen  des  Hirnes  nach  unten  und  lassen  keine  Nerven 
entspringen. 

Die  Unterschlundmasse  (Fig.  97  a.  f.  S.;  h,  Fig.  93  und  94)  hat 
die  Gestalt  eines  zwischen  den  aus  ihr  hervortretenden  Nerven  eingeschnit- 
tenen Kuchens.  Sie  wird  nach  oben  von  dem  Schlünde  und  dem  Saug- 
magen,  nach  vorn  von  dem  Pharynx  begrenzt  und  ruht  mit  ihrer 
Unterfläche  grossentheils  auf  den  ventralen  Magenblindsäcken,  welche 
sich  in  die  Beine  erstrecken.  Von  ihren  Seitenrändern  entspringen 
fünf  Nervenpaare;  das  erste,  etwas  dünnere  Paar  (n,  Fig.  97)  ver- 
zweigt sich  vorzugsweise  an  die  Taster,  aber  auch  an  die  Kiefer  und 
Lippen;  die  vier  folgenden,  an  ihrer  Wurzel  zwiebelartig  verdickten 
Paare  (1  bis  4,  Fig.  97)  verlaufen  längs  den  Blindsäcken  zu  den  Beinen. 
Nach   hinten  verlängert   sich    die   Masse    in   zwei   Nerven    (b,  Fig.  97), 

Vogt  u.  Yung,   prakt.  vergl.  Anatomie,     II.  J^. 


210  Arthropoden. 

welche  durch  den  Baiichstiel  hindurch  in  das  Abdomen  treten.  Im 
Bauchstiele  legen  sich  diese  beiden  Nerven  so  eng  an  einander,  dass 
man  nur  einen  Nerven  zu  sehen  glaubt. 

Das  ganze  System  ist  von  einem  sehr  feinen,  hier  und.  da  ab- 
geplattete Kerne  zeigenden  Nevrilemma  überkleidet,  das  sich  über  die 
Nervenwurzeln  hinzieht  und  ausserdem  noch  Fortsätze  in  das  Innere 
der  Nei'venraasse  entsendet,  die  auf  manchen  Horizontalschnitten  der 
Masse  ein  Ansehen  gebeo,  als  sei  sie  durch  Scheidewände,  welche  von 
den  Zwischenräumen  der  Nervenwurzeln  ausgehen ,  abgetheilt.  Das 
Nevrilemma  begleitet  auch  die  Gefässe,  welche  von  oben  nach  unten 
die  Unterschlundmasse  in  der  Mittellinie  durchsetzen  (e,  Fig.  97)  und  in 
den  hinteren  Theilen  dieser  Masse  dringt  es  auch  zwischen  den  Faser- 
kern derselben  und  die  aus  Ganglienzellen  bestehende  Belegungsschicht 

ein ,    so    dass    auf    senkrechten, 
Fig.    97.  i-, 

durch   den   Saugmagen    gelegten 

f,  a-  Querschnitten    (Fig.    102)    diese 

Belegschichten  sowohl  an  der 
Centralmasse,  wie  an  den  von  ihr 
abgehenden  Nervenwurzeln  gänz- 
lich von  den  Faserkernen  ge- 
2  trennt  scheinen  Qj  und  p^,  q 
und  g^). 

Wir   finden   in    der    Central- 
—  5       nervenmasse,     wie     gewöhnlich, 
zwei      verschiedene       Elemente, 
Ganglienzellen       und        Fasern, 
^-^4.  welche  in  die  peripherischen  Ner- 

\  l  ven  ausstrahlen. 

\l  Man  kann  grosse  und  kleine 

i  Ganglienzellen         unterscheiden. 

r.    ■        T    1  TT    ■         ,    ,    .       ,  I^ie   ersteren   (/  Fig.  98)  finden 

Apetra    diudema.    —    Honzontalschiiitt    der  .   ,  i        i->      •       i 

unteren  Nervenmas.e  des  Cephalothorax.  ^^^'^  ^^'^  ^^^  ^er  BasiS  der  Unter- 
Gundlach,  ObJ.  1,  Oc.  0.  Camera  dar a.  Schlundmasse  und  der  von  ihr 
a,  Tasternerven;  1  bis  4,  Nerven  der  vier  ausgehenden  Nervenwurzeln.  Sie 
Beinpaare;  J,  Bauchnerven ;c,  äussere  Beleg-  Jjaben  nicht  überall  genau  die- 
schieht   von    Gancrlienzellen ,    die    sich  auch  n        <-■    •■  ■     i  i         i 

p  ,.    T,T  1    i-  ••,      .  ,.     ,  ,.  selbe    (jrosse,     sind    rund    oder 

aut  die  Nervenwurzeln  huiuberzient ;  c?,  fase- 
rige Centralmasse,    die  Nervenwurzeln    bil-       eiförmig  und  besitzen  einen  deut- 
dend;     e,    Durchschnitte    von    Blutgefässen,        liehen  Centralen   Kern.      Ihr  sehr 
welche  in    der  Mittellinie    die  Nervenmasse        feinkörniger     Inhalt      färbt     sich 
senkrecht  durchsetzen.  j^^^,^    ^^^.^^    Boraxcarmin    und 

verlängert  sich  in  Form  eines 
Fadens  in  das  Innere  der  Nervenmasse.  Wir  haben  stets  nur  einen 
solchen  Faden  gefunden,  nie  mehr.  —  Die  kleinen  Zellen  (e,  Fig.  98) 
sind  sehr  zahlreich,  dicht  zusammengedrängt  und  bilden  eine  continuir- 


Arachniden. 


211 


liehe  Belegungsschicht  um  die  ganze  Centralmasse.  Sie  färben  sich 
lebhaft  durch  Boraxcarmin  und  sind  besonders  mächtig  an  der  oberen 
und  den  Seitenflächen  des  Hirnes  angehäuft,  während  sie  auf  der 
Vorder-  und  Hinterfläche,  sowie  auf  den  vom  Hirn  ausstrahlenden 
Nerven  nur  wenig  entwickelt  sind.  Auf  der  Unterfläche  der  Unter- 
schlundmasse und  den  von  ihr  ausstrahlenden  Nervenwurzeln  sind  sie 
wieder  ungemein  stark  angehäuft  und  schliessen  hier  die  grossen 
Ganglienzellen  ein,  während  sie  auf  der  Dorsalfläche  derselben  nur 
schwach  entwickelt  sind.  Mit  sehr  starken  Vergrösserun gen  kann  man 
eine  feine  Hüllmembran  unterscheiden ,  die  ein  stark  gekörntes  Proto- 
plasma einschliesst ,  das  sich  lebhaft  färbt,  aber  keine  Fortsätze  ent- 
stehen lässt.  Der  Kern  liegt  central  und  wird  oft  im  Yerhältuiss  zur 
Zelle  ungemein  gross. 

Die  Nervenfasern,    welche    die  Kerne    der   beiden  Massen  und  der 
von   ihnen    ausgehenden    Wurzeln  bilden    (r/,  Fig.  98),    sind   ungemein 

Fio-.  98. 


cL 


y 


Epeira  diademu.  — ■  Medianer  Sagittalschnitt  durth  die  centrale  Xervenmasse.  Verick, 
Oc.  1,  Obj.  0,  mit  ausgezogenem  Tubus,  Camera  dura,  a,  Oberschlundmasse;  5,  Unter- 
schlundmasse ;  c,  Abdominalnerv ;  d,  d,  häutige  Hülle ;  e,  Belegschicht  von  kleinen 
Ganglienzellen  auf  den  Flächen  des  Hirnes;  e^,  id.  auf  der  ünterschlundmasse ;  e^,  id. 
auf  den  Bauchnerven  ;  f,  grosse  Ganglienzellen  ;  7,  Züge  von  Längsfasern;  fi,  Schlund; 
i,  Gefäss,  den   Schlund  begleitend. 


zart  und  fein.  Ihre  Bündel,  deren  Verlauf  wir  nicht  eingehender  ver- 
folgt haben,  kreuzen  sich  in  verschiedenen  Richtungen. 

Das  peripherische  Nervensystem  lässt  sich  wegen  der 
Feinheit  der  Nerven  nur  schwer  verfolgen.  Meist  folgen  diese  in 
ihrem  Verlaufe  den  Arterien. 

Das  erste  Paar,  die  Sehnerven,  entspringt  an  der  Ober. 
Schlundmasse  aus  zwei  birnförmigen  Anschwellungen.  Die  aus  dem 
Ganglion    hervortretende    Wurzel    ist    seitlich    abgeplattet,    bandartig; 

14* 


212  Arthropoden. 

sie  theilt  sieb  fast  unmittelbar  in  vier  Nerven,  von  welcbeu  die  zu  den 
seitlicben  Augen  gehenden  bedeutend  kleiner  sind  als  die  zu  den  Mittel- 
augen. Diese  letzteren  nähern  sich  so  sehr  der  Mittellinie,  dass  wir 
sie  auf  dem  Sagittalschnitt  Fig.  93  darstellen  konnten.  Die  beiden 
Nerven  schlüpfen  zwischen  den  Bündeln  der  Hebemuskeln  des  Pharynx 
und  der  Cheliceren  hindurch  unter  der  Giftdrüse  weg  nach  vorn  und 
kreuzen  sich  einigermaassen  auf  ihrem  Verlaufe,  indem  der  für  das 
hintere  Mittelauge  bestimmte  Nerv  anfangs  tiefer  liegt  als  der  andere, 
welcher  das  vordere  Mittelauge  versorgt.  Ills  schien  uns,  als  trenne 
sich  von  dem  letzteren  ein  feiner  Zweig  für  den  Rollmuskel  des  Auges 
ab,  doch  konnten  wir  seinen  Lauf  nicht  genauer  bis  zum  Ende  ver- 
folgen. Beim  Eintritte  in  das  Auge  breiten  sich  die  Sehnerven  etwas 
aus,  ohne  indess  Sehganglien  zu  bilden. 

Unmittelbar  unter  den  Sehnerven  geht  von  denselben  Vorder- 
anschwellungen der  Oberschlnndmasse  ein  zweites  Nervenpaar  aus,  das 
dem  Sehnerven,  etwas  mehr  nach  innen  gelegen,  bis  zur  Basis  der 
Cheliceren  folgt,  dann  aber  in  diese  einbiegt  und  in  die  Muskeln  der 
Gifthaken  und  an  die  Giftdrüse  selbst  feine  Zweige  abgehen  lässt.  Dieser 
Ursprung  der  Chelicerennerven  stimmt  mit  demjenigen  der  Fühler- 
nerven bei  den  Insecten  überein. 

Wir  erwähnten  schon  die  fünf  Nervenpaare,  die  nach  vorn  und 
den  Seiten  von  der  Unterschlundmasse  abgehen  und  die  Anhänge  des 
Cephalothorax ,  sowie  den  Magen  und  die  übrigen  Eingeweide  be- 
sorgen. 

Die  nach  hinten  von  der  Unterschlundmasse  abgehenden  Bauch- 
nerven sind  zwei  ziemlich  ansehnliche  Stämme,  die  unmittelbar  in 
den  Bauchstiel  eintreten  und  auf  ihrem  Verlaufe  durch  denselben  so 
nahe  an  einander  gedrängt  sind,  dass  man  nur  einen  medianen  Nerven 
zu  sehen  glaubt.  Dieselben  wenden  sich  gerade  nach  hinten ,  geben 
zuerst  zwei  bedeutendere  Aeste  zu  den  Lungen ,  mehrere  sehr  feine 
Aeste  zu  den  übrigen  Organen  und  lassen  sich  endlich  mit  zwei  feinen, 
vielfach  verästelten  Zweigen  bis  in  die  Nähe  der  Spiunwarzen  ver- 
folgen. Ein  an  dem  Eintritte  in  den  Bauch  gelegenes  Ganglion,  wie 
es  Treviranus  bei  den  Hausspinnen  beobachtet  hat,  haben  wir  bei 
der  Kreuzspinne  nicht  sehen  können.  Die  beiden  Nerven  nehmen 
allmählich,  nach  Maassgabe  der  Verzweigung,  an  Mächtigkeit  gegen 
das  Ende  hin  ab  und  liegen  auf  den  ventralen  Längsmuskeln  des 
Hinterleibes. 

Sinnesorgane.. —  Mit  Bestimmtheit  kennen  wir  bei  Epeira, 
wie  bei  allen  anderen  Spinnen,  nur  Augen  und  Tastorgane.  Gehör-, 
Geschmacks-  und  Geruchsorgane,  deren  Existenz  bald  behauptet,  bald 
bestritten  wurde,  sind  noch  immer  sehr  problematisch.  Wir  haben 
S.  205  bemerkt,  dass  wir  die  Hörorgane,  die  Da  hl  beschrieb,  nicht  als 
solche  anerkennen  können.     Anderseits   kann    man  nicht  wohl  leugnen. 


Araclmiden. 


213 


dass  die  verschiedenen  Fiederhaare,  welche  sich  in  so  grosser  Zahl 
auf  den  die  Mundöffnuug  umgebenden  Gebilden  finden,  zu  Empfin- 
dungen von  Geruchs-  und  Geschmackseindrücken  in  Beziehung  stehen. 
Aber  nach  dem  heutigen  Stande  unserer  Kenntnisse  ist  es  unmöglich, 
diese  Empfindungen  auf  bestimmte  Bildungen  zu  localisiren.  Das  Tast- 
gefühl wird  ohne  Zweifel  durch  die  auf  den  Tegumenten  und  nament- 
lich auf  den  Beinen  und  Tastern  zerstreuten  Haare  vermittelt,  zu 
welchen,  wie  bei  den  Myriapoden,  ein  Nervenfäserchen  tritt. 

Die  Augen  (Fig.   99)  stehen,    wie  schon  bemerkt,   auf  dem  vor- 
deren Theile  des  Cephalothorax   und    können   mit  blossem  Auge  leicht 

Fig.  99. 
ha,  c 


,««' 

Ljj  - 

-- 

_  h 

>  v,^ 

"-- 

-e 

B^? 

--' 

-/ 

^, 

V 

/ 

^'^^ 

S     ,  '  ■;, 

'j  "■ 

•^         ■  ;, 

-.i 

Epeira  diadema.  —  Sagittalschnitt  eines  vorderen  Jlittelaug-es.  Verick,  Or.  3, 
Obj.  2.  Camera  clara.  Wir  haben  es  vorgezogen,  liier  einen  auf  gewöhnliche  Weise 
gemachten  Schnitt  darzustellen  ,  ohne  vorgängige  Zerstörung  des  Pigmentes,  welches 
die  Basen  der  Retinalen  umhüllt  und  dadurch  die  Kerne  derselben  y  sowie  ihre  Fort- 
setzungen in  die  Nervenfasern  unsichtbar  macht,  a,  gewölbter,  äusserer  Tlieil  der 
Hornhaut  (chitinöses  Tegument);  a^,  Fortsetzung  in  das  Körpertegument ;  b,  innerer, 
blätteriger  Theil  der  Hornhaut ;  c,  Hypodermisschicht  (Glaskörper) ;  c^,  Fortsetzung 
der  Schicht  unter  das  Körpertegument;  c'^,  Kernzone  der  Schicht;  d,  Stäbchenschicht; 
e,  Becher  der  Retinulen  ;  ./',  Pigment;  (/,  Sehnerv;  h,  Rollmuskel  des  Auges;  /,  Binde- 
gewebszellen, welche  den  Sehnerven  und   den   Hintergrund  des  Bulbus  umgelien. 

erkannt  werden.     Der  Mittellinie  genähert  stehen  vier  grössere  Augen 
im  Quadrat  und  jederseits  zwei  kleinere  näher   dem  Rande ,   die   durch 


214  Arthropoden. 

eine   Chitinleiste  mit   einander   verbunden   werden.      Die   histologische 
Structur  der  Augen  ist  ziemlich  mannigfaltig. 

Das  Tegument  setzt  sich  über  die  Augen  fort,  indem  es  sich  be- 
deutend verdickt  und  eine  ansehnliche  Masse  bildet,  die  nach  aussen 
sich  weit  weniger  vorwölbt  als  nach  innen  gegen  den  Grund  des 
Bulbus  hin.  Auf  dem  ganzen  Umkreise  des  Auges  geht  diese  fast 
birnförmige  Masse  ohne  deutliche  Grenze  in  das  Tegument  über  (a^). 
Sie  widersteht,  wie  alle  Chitinbildungen,  der  Einwirkung  von  Aetz- 
kali,  färbt  sich  nicht  und  bildet,  in  functioneller  Hinsicht,  zugleich  eine 
Hornhaut  und  eine  Linse.  Im  hinteren  Theile  dieser  Masse  sieht 
man  auf  Schnitten  (&)  concentrische  Streifen  als  Ausdruck  einer  lamel- 
lösen  Structur,  die  man  auch  an  anderen  Stellen  in  den  Verdickungen 
der  Chitinschieht  wiederfindet. 

DieHypodermisschicht  (c)  lässt  sich  leicht  erkennen.  Sie  über- 
zieht die  innere  Fläche  der  Hornhautlinse  und  setzt  sich  deutlich  im 
Umkreise  des  Bulbus  in  die  Hypodermis  des  umgebenden  Tegumentes 
fort.  Man  hat  diese  Grenzschicht  zwischen  den  Netzhautbildungen 
und  der  Hornhautlinse  auch  den  Glaskörper  genannt.  Die  Zellen, 
welche  sie  zusammensetzen ,  haben  ganz  dieselbe  Bildung  wie  an 
anderen  Theilen  des  Körpers;  sie  sind  durchsichtig,  etwas  gestreckt 
und  besitzen  einen  deutlichen  Kern,  der  sich  lebhaft  färbt. 

Da  nach  der  Entdeckung  von  Grenacher  die  Spinnenaugen  in- 
sofern dimorph  sind ,  als  ihre  Netzhantelemente  sehr  verschieden  ge- 
staltet sind,  so  müssen  wir  dieselben  für  die  einzelnen  Augen  besonders 
behandeln.  Das  vordere  Mittelauge,  dessen  Durchschnitt  wir  in 
Fig.  99  geben,  zeigt  dieselbe  Structur  wie  die  Seitenaugen;  das  hin- 
tere Mittelauge  ist  abweichend  gebaut. 

Man  sieht  auf  unserem  Durchschnitte  (Fig.  99)  unmittelbar  unter 
dem  Glaskörper  eine  äusserst  fein  gestreifte  Schicht,  die  in  der  Mitte 
des  Retinabechers  mächtiger  als  an  den  Rändern  ist.  Dies  ist  die 
Stäbchensch  i  cht  (f^).  Nach  Grenacher  sind  die  Stäbchen  der 
Länge  nach  in  der  Mitte  in  zwei  Hälften  getheilt  und  von  Verlänge- 
rungen der  Retinulen  scheidenartig  umgeben.  Demnach  würden  einem 
Stäbchen  fünf,  wenn  nicht  sechs  feine  Striche  entsprechen.  "Wir  haben 
die  Behauptung  von  Grenacher  nicht  mit  völliger  Gewissheit  be- 
stätigen können,  aber  so  viel  ist  sicher,  dass  der  Dicke  eines  jeden 
Netzhautelementes  eine  grössere  Anzahl  feiner  Linien  in  der  Stäbchen- 
schicht entspricht. 

Die  Retinasch  i  cht  (e)  ist  aus  langen  Cylinderzellen  gebildet, 
die  von  der  Mitte  des  Bechers  nach  den  Rändern  hin  bedeutend  an 
Länge  abnehmen  und  fast  vollständig  in  dunklen  Pigmentscheiden 
stecken,  die  sich  nach  hinten  zu  noch  zwischen  die  Faserbündel  des 
Sehnerven  erstrecken.  In  diesem  hinteren,  von  Pigment  völlig  um- 
sponnenen Theile  der  Zellen  liegt,  von  einer  leichten  Anschwellung  der 


Ärachniflen.  215 

Zellen  umgeben,  der  grosse,  ovale  Kern.  Je  nach  den  Umständen  ist 
der  den  Stäbchen  zugewendete  Theil  der  Retinulen  oft  gänzlich  von 
Pigment  entblösst. 

Das  vordere,  mittlere  Auge  besitzt  allein  einen  Rollmuskel 
(/;),  der  aus  einigen  deutlich  quer  gestreiften  Faserbündeln  besteht, 
die  in  dem  Zwischenräume  zwischen  den  beiden  Mittelaugen  sich  am 
Tegumente  iuseriren  und,  sehr  fein  werdend,  den  Bulbus  umgreifen. 
Nach  der  Richtung  des  Muskels  zu  schliessen,  rauss  er  das  Auge  um 
seine  Axe  rollen. 

Das  hintere  Mittelauge  unterscheidet  sich  von  dem  vorderen 
durch  das  Fehlen  des  Muskels  und  die  Strnctur  der  empfindenden 
Elemente  der  Retina,  die  im  Allgemeinen  dicker  und  kürzer  sind.  Die 
der  fein  gestreiften  Stäbchenschicht  der  anderen  Augen  entsprechende 
Zone  besteht  aus  den  kaum  etwas  verschmälerten  freien  Enden  der 
Retinulen  und  enthält  die  Kerne  derselben.  Eine  zweite  der  vorigen 
concentrische  Zone  enthält  die  breiten  und  kurzen  Stäbchen.  Die 
Grundzone  der  Retinulen,  welche  allein  von  Pigment  umsponnen  ist, 
zeigt  ebenfalls  kurze  und  deutlich  getrennte  Elemente.  Man  hat  die 
Augen,  welche  diese  Structur  besitzen  und  die,  wie  es  scheint,  bei  den 
meisten  Spinnen  vorkommen,  postbaciUäre,  dagegen  diejenigen 
Augen,  wo  die  Kerne  in  der  Basis  der  Retinulen  liegen,  pr ab a ciliare 
Augen  genannt. 

In  ihrem  hinteren  Umfange  sind  die  Augen  von  grossen  Binde- 
gewebszellen umgeben  (/,  Fig.  99),  die  bald  kurze  und  dicke,  bald  lange 
und  sehr  dünne  B'ortsätze  nach  allen  Richtungen  hin  aussenden,  deren 
Enden  sich  oft  mit  einander  verbinden  und  eine  Art  Netzwerk  dar- 
stellen.     Der  Inhalt  dieser  Zellen  ist  feinkörnig. 

Verdauungsapparat.  —  Im  Ganzen  besteht  dieser  Apparat 
in  erster  Linie  aus  einer  Anzahl  gegliederter  Anhänge,  den  Cheliceren 
und  den  Kiefern ,  deren  Gestalt  und  äussere  Organisation  wir  schon 
beschrieben  haben,  deren  innere  Structur  und  Beziehungen  zur  Er- 
nährung aber  noch  zu  erörtern  sind.  Der  eigentliche  Darmcanal  be- 
ginnt mit  dem  vorn  durch  den  Schnabel,  hinten  durch  die  Unterlippe 
begrenzten  Munde  und  setzt  sich  durch  zwei  Hauptabschnitte  fort,  von 
welchen  der  vordere  im  Cephalothorax,  der  hintere  im  Abdomen  ge- 
legen ist. 

Die  Cheliceren  (Fig.  91  bis  93 j  enthalten  die  Ausführungs- 
gänge der  Giftdrüsen  (c^,  Fig.  93).  Der  von  einem  Blutgefässe 
begleitete  Ausführungsgang  öffnet  sich  an  der  Spitze  des  Hakens  mit 
einem  engen,  rundlichen  Pörus,  steigt  durch  den  Haken  und  das  Basal- 
glied des  Organes  bis  zu  dessen  Einlenkung  empor,  bildet  hier  einen 
knieförmigen  Bogen  (c",  Fig.  93)  und  erweitert  sich  allmählich  in  den 
Drüsensack  (c'^),  der  an  der  Rückenfläche  des  Cephalothorax  nahe  der 
Mittellinie  sich  nach  hinten  ausdehnt.      Die  hintere  Spitze  des  spindel- 


216  Arthropoden. 

förmigen  Sackes  liegt  dem  Tegumente  unmittelbar  an.  Er  ist  aussen 
von  einer  feinen  Bindegewebsmembrau  mit  zerstreuten  Zellen  um- 
geben, die  nach  innen  dünne  Blättchen  sendet,  welche  die  Muskel- 
fasern von  einander  trennen  und  sich  auf  deren  innerer  Fläche  zu 
einer  Stützmembrau  für  das  Drüsenendothelium  ausbreiten.  Die  Muskel- 
schicht besteht  aus  Spiralfasern  mit  zahlreichen  Kernen,  die  ausser  der 
Querstreifung  noch  feine  Läugsstreifen  zeigen  und  sich  mit  ihren 
spitzen  Enden  so  an  einander  legen,  dass  nur  eine  einzige  Spiralfaser 
den  ganzen  Drüsensack  zu  umspinnen  scheint,  mit  Ausnahme  einer 
kleinen  Stelle  an  der  Kuiebiegung  in  den  Ausführungsgang,  auf  welchem 
man  übrigens  ebenfalls  einige  spiralige  Muskelfasern  findet.  Die 
inneren  Drüsenzellen  zeigen  grosse  Unregelmässigkeiten  in  Form  und 
Gruppirung.  Meist  sind  sie  cylindrisch,  sehr  lang,  mit  Granulationen 
an  ihrem  Grunde,  wo  der  Kern  liegt,  und  hellem  Inhalt  gegen  ihr 
freies  Ende.  Sie  stellen  sich  zu  warzenförmigen  Gruppen  zusammen, 
welche  in  das  Lumen  des  Drüsensackes  vorragen,  der  als  Behälter  für 
das  flüssige  Gift  iüngirt.  Auf  Durchschnitten  zeigen  diese  Gruppen 
die  Form  von  Dreiecken,  in  deren  Mitte  oft  zwei  grosse  und  lange 
Zellen  stehen,  an  welche  sich  kleinere  Zellen  mit  abnehmender  Grösse 
anlehnen;  in  anderen  Fällen  sieht  man  eine  Axialzelle  von  kleineren 
Zellen  umgeben.  Das  Endothelium  des  x'^usführüngsgauges  zeigt  ähn- 
lichen Bau. 

Auf  der  hinteren  Fläche  des  Basalgliedes  der  Chelicereu  sieht  man 
im  Tegumente  zahlreiche  feine  Poren,  welche  die  Chitinschicht  durch- 
setzen und  unter  welchen  die  Hypodermis  aus  homogenen  Cylinder- 
zellen  besteht,  die  drüsiger  Natur  zu  sein  scheinen.  Die  Kiefer  zeigen 
ein  ähnliches  Porenfeld. 

Kiefer  {d,  Fig.  91  und  92).  —  Wir  haben  gelegentlich  dgr 
äusseren  Beschreibung  (S.  196)  die  Gestalt  dieser  Anhänge,  ihren  Besatz 
mit  langen ,  gefiederten  Haaren  und  auf  ihrem  Vorderrande  einen 
schmalen  Kamm  feiner,  dicht  an  einander  gedrängter  Chitinzähnchen 
beschrieben,  die  diesem  Rande  ein  ähnliches  Aussehen  geben,  wie  die 
Zahnsäge  auf  den  Kiefern  der  Blutegel  es  zeigt.  Die  Spinnen  schnei- 
den wohl  mit  diesen  Sägen  die  Haut  der  durch  die  Giftklauen  ge- 
tödteten  Opfer  an,  um  sie  dann  auszusaugen. 

In  der  Umgebung  dieses  Zahnrandes  ist  der  Kiefer  von  Haaren 
entblösst  und  das  nackte  Feld  erstreckt  sich  noch  ziemlich  weit  nach 
hinten.  Es  zeigt  dieselbe  Structur  wie  das  nackte  Feld  der  Cheli- 
cereu; eine  Unzahl  von  Porencanälen  durchsetzt  die  Chitinschicht, 
unterhalb  welcher  die  Hypodermis  aus  langen,  palissadenförmig  an 
einander  gereihten  Cylinderzellen  besteht,  welche  nach  innen  in  ein 
feines  Fädchen ,  wahrscheinlich  ein  Nervenfädchen ,  auslaufen.  Eine 
Cylinderzelle  entspricht  stets  mehreren  Porencanälen.  Im  Widerspruche 
gegen   Dahl,    der    diese   Bildung    für   ein    Geruchsorgan    erklärt. 


Arachniden. 


217 


sehen  wir  sie  als  eine  Drüse  an,  die  vielleicht  einen  klebrigen,  nicht 
flüssigen  Stoff  absondert.  Die  Zellen ,  welche  diese  Hautdrüse  bilden, 
gleichen  nicht  im  Geringsten  Sinueszellen,  namentlich  fehlen  ihnen 
durchaus   die   charakteristischen    Sinnesstäbchen   auf  dem  freien  Ende. 

Auf  Längsschnitten  der  Kiefer  sieht  man  in  ihi'em  Inneren  Drüseu- 
säckchen ,  deren  inneres  Ende  etwas  angeschwollen  ist  und  die  sich 
nach  aussen  öffnen.  Man  zählt  vier  oder  fünf  solcher  mit  ihren  Enden 
verschlungener  Drüsenkörnchen.  Das  Endothelium  der  sie  bildenden 
Röhrchen  besteht  aus  Cylinderzellen.  Die  Drüse  ist  unter  dem  Namen 
der  Kieferdrüse  bekannt. 

Der  Schnabel  {h,  Fig.  92,  93)  zeigt  auf  seinem  Vordt  rrande 
eine  sehr  bedeutende  Drüse,  die  Schnabeldrüse  (/t-,  Fig.  93),  die 
auf  einem  Längsschnitte  die  Gestalt  eines  C  zeigt  (Fig.  100).    Die  sehr 

Fig.   100. 


c    f 


Epeira  diadema.  —  Sagittalj^cbnitt  der  Sclmabeldrüse.  Verick,  Oc.  3,  Obj.  2. 
Camera  clara.  w,  mit  Stacheln  besetztes  Tegument  des  Sehnabels ;  h,  Fortsetzung  des 
Tegumentes  unter  der  Drüse;  c,  innere  Höhle  der  Drüse;  d,  oberes  Blatt  des  in  die 
Drüse  eingebogenen  Tegumentes,  vorn  fein  gezähnelt;  e,  unteres,  bei  e^  mit  Stacheln 
besetztes  Blatt;  /",  untere  Schicht  des  Endotheliums ;  f^,  Umschlag  des  Endotheliums ; 
f^,  obere  Schicht  desselben;  <7,  körniges,  zusammengezogenes  Bindegewebe;  /;,  Binde- 
gewebe mit  grossen  Zellen. 


regelmässigen,  langen  und  cylindrischen  Zellen,  welche  die  Drüsen- 
wand auskleiden,  sind  offenbar  nur  modificirte  Hypodermiszelleu ; 
sie  zeigen  ein  körniges  Protoplasma  und  eiförmige  Kerne,  die  sich 
leicht  färben.  Lti  Hintergrunde  der  Drüsenhöhle  sind  sie  am  längsten 
und  nehmen  gegen  die  Ränder  derselben  allmählich  an  Länge  ab. 

Der  vordere,  in  dem  Cephalothorax  gelegene  x4bschnitt  des  Darm- 
tractus  lässt  sich  leicht  im  Ganzen  in  folgender  Weise  isoliren.  Mau 
schneidet  den  Hinterleib  am  Stiele  ab,  entfernt  das  dorsale  Tegument 
mit   einem    scharfen,    horizontal  geführten    Rasirmesser    und    erwärmt 


218  Arthropoden. 

den  Cephalothorax  während  einer  Stunde  in  einer  sehr  verdünnten 
wässerigen  Lösung  von  Aetzkali.  Nach  vorsichtiger  Auswaschung, 
welche  die  gelösten  und  erweichten  Muskeln  entfernt,  liegt  der  ganze 
vordere  Darmabschnitt  vollständig  isolirt  vor  den  Augen. 

Der  bauchständige  Mund  (d,  Fig.  93)  bildet  in  geschlossenem 
Zustande  eine  Querspalte,  die  vorn  vom  Schnabel,  seitlich  von  den 
Kiefern,  hinten  von  der  UnterlijDpe  begrenzt  wird.  Er  führt  in  einen 
ebenfalls  quer  gespaltenen  Pharynx,  dessen  vordere  und  hintere  Wand 
von  starken  Chitinlamellen  gebildet  werden ,  die  in  den  Ecken  der 
Spalte  durch  eine  dünne,  durchsichtige  Chitinhaut  verbunden  sind. 
Der  geräumige  Pharynx  steigt  seilkrecht  empor  (Fig.  93)  und  ver- 
bindet sich  in  rechtem  Winkel  mit  dem  horizontal  verlaufenden,  eben- 
falls chitinösen  Schlünde  (cP),  der  auf  Kalipräparaten  eine  enge,  auf 
der  Ventralseite  der  Länge  nach  offene  Rinne  darstellt,  welche  das 
Hirn  durchbohrt  (Fig.  95)  und  sich  hinter  demselben  in  den  Saug- 
magen (rf^,  Fig.  93)  erweitert.  Wir  beschreiben  später  die  ziemlich 
verwickelte  Structur  des  ebenfalls  chitinösen  Saugmagens,  der  sich  in 
den  verhältnissmässig  sehr  kleinen  Magen  fortsetzt,  von  welchem 
zahlreiche  Blindsäcke  (?)  ausgehen,  unter  welchen  besonders  zwei 
grosse  dorsale  Blindsäcke  (I,  Fig.  94)  auffallen,  die  sich  unter  dem 
Rückentegument  nach  vorn  krümmen  und,  stets  enger  werdend ,  unter 
den  Giftdrüsen  enden.  Die  ventralen  Blindsäcke  (m)  gehen  seitlich 
vom  Magen  aus,  biegen  sich  nach  unten,  treten  in  die  Hüftglieder 
der  Beine,  welchen  sie  an  Zahl  entsprechen,  krümmen  sich  mit  scharfer 
Wendung  zurück  und  lagern  sich  mit  ihren  geschlossenen  Enden 
zwischen  die  Unterschlundmasse  des  Nervensystemes  und  das  Tegument 
des  Brustschildes.  Der  Magen  setzt  sich  nach  hinten  in  einen  cylin- 
drischen  Darm  fort  (g,  Fig.  93),  der  in  den  Bauchstiel  eintritt,  den- 
selben der  Länge  nach  durchsetzt  und  im  Hinterleibe  einen,  der  Wöl- 
bung desselben  entsprechenden,  nach  oben  convexeu  Bogen  beschreibt 
(1,  Fig.  96).  Auf  seinem  Wege  durch  den  Hinterleib  zeigt  der  Darm 
einige  in  die  Leber  dringende  Aeste,  die  man  als  erweiterte  Gallen- 
gäuge  betrachten  kann,  und  mündet  schliesslich  in  eine  weite 
Cloake  (?',  Fig.  96),  die  sich  durch  den  an  der  Spitze  des  Hinter- 
leibes zwischen  den  Spinnwarzen  gelegenen  After  nach  aussen 
öffnet. 

Gehen  wir  nun  in  eine  genauere  Untersuchung  des  Baues  der 
soeben  erwähnten  Abschnitte  des  Verdauungscanales  ein,  wofür  wir, 
hinsichtlich  der  chitinösen  Theile,  zu  der  Behandlung  mit  Aetzkali, 
sowie  zu  Schnitten  in  den  drei  Richtungen,  besonders  aber  in  sagit- 
taler  Richtung,  unsere  Zuflucht  nehmen.  Um  gute  Schnitte  der  im 
Cephalothorax  gelegenen  Theile  zu  erhalten,  wird  man  gut  thun ,  vor 
der  Erhärtung  das  Rückenschild  mit  einem  scharfen.  Rasirmesser  ab- 
zulösen. 


Arachniden. 


219 


Fiff.  101. 


Die  beiden,  den  Pharynx  einschliessenden  Chitiulamellen  haben 
zwar  gleiche  Grösse,  aber  sehr  verschiedene  Structur.  Die  vordere, 
dem  Schnabel  anliegende  Lamelle  (Fig.  101)  zeigt  eine  mittlere  Längs- 
rinne (/),  die  sich  um  so  mehr  vertieft,  je  näher  sie  dem  Schlünde  (/) 
kommt,  in  welchen  sie  sich  direct  fortsetzt.  Auf  ihrem  breitesten 
Theile  tragen  die  Ränder  dieser  Rinne  kleine  Chitinstacheln  (g).  Die 
Oberfläche  der  Lamelle  ist  mit  zahlreichen  Rauhigkeiten  besetzt, 
welche  sich  zu  rhombischen  Figuren  ordnen  (c).  Auf  Querschnitten 
sieht  man ,  dass  diese  Rauhigkeiten  von  kleinen  Häkchen  gebildet 
werden,  die  auf  einer  Chitinlamelle  aufsitzen,  unter  welcher  sich  eine 
stark   pigmentirte,   ziemlich   dicke  Schicht   ausbreitet   (d),   welche   aus 

langen ,  drüsigen  Zellen  mit  deut- 
lichen Kernen  besteht,  die  offenbar 
nur  modificirte  Hypodermiszellen 
sind. 

Die  hintere,  der  Uuterlipppe  an- 
liegende Lamelle  des  Pharynx  hat 
einen  weit  einfacheren  Bau;  sie  ist 
sehr  dünn,  durchscheinend;  ihre 
Oberfläche  ist  leicht  gewölbt,  ohne 
Längsrinne,  und  zeigt  zahlreiche, 
an  einander  gedi'ängte,  etwas  dunk- 
lere Querlinien.  Diese  Lamelle  ruht 
ebenfalls  auf  einer  Schicht  von  drü- 
sigen Hypodermiszellen,  welche  ge- 
wöhnlich noch  mehr  Pigmentkörner 
enthalten ,  als  die  der  vorderen  La- 
melle. 

Der  Schlund  (d\  Fig.  93)  bil- 
det, wie  gesagt,  eine  enge  Chitin- 
rinne, die  ventral  der  Länge  nach 
geöftnet  scheint.  Auf  Querschnitten 
(d^,  Fig.  94)  sieht  mau  aber,  dass 
die  nach  unten  genäherten  Wände 
der  Rinne  durch  eine  sehr  fein  ge- 
faltete Haut,  die  nicht  chitinöser 
Natur  ist,  zu  einem  Rohre  geschlos- 
sen werden.  Man  bemerkt  ferner, 
dass  die  dorsale  Wölbung  des 
Schlundes  der  Länge  nach  gespal- 
ten ist,  dass  aber  die  verdickten 
Chitiulippen  des  Spaltes  sich  berüh- 
ren. Die  Wände  des  Schlundes  sind 
der  Länge   nach   gestreift  und  von 


Epelra  diademu.  —  Das  vordere  Pha- 
ryngealblatt,  von  seiner  inneren  Fläche 
gesehen.  Veri  ck,  Oc.  3,  Obj.  0.  Camera 
c/aru.  u,  Fiederhaare,  die  auf  dem  Ende 
des  Blattes  b  stehen  ;  c,  rauhe  Fläche  mit 
Rhomben ;  d,  durch  unterliegende,  pig- 
mentirte Hypodermiszellen  verdunkeltes 
Feld ;  e,  chitinöse  Ränder  der  Rinne  /; 
g,  kleine,  hintere  Stacheln;  h,  glattes 
Feld  ohne  Rhombenzeichnung ;  /,  Schlund. 


220  Arthropoden. 

einer  dünnen  Zellenlage  bedeckt,  deren  Kerne  sehr  deutlich  sind.  In  Folge 
dieser  Structnr  ist  der  Schlund  gewiss  sehr  ausdehnbar,  besonders  in 
seinem  vorderen  Theile,  wo  nur  die  obere  Wölbung  chitinös,  die  seitlichen 
und  unteren  Wände  aber  häutig  sind.  Hier  an  diesem  vorderen  Theile 
tiuden  sich  auch  zahlreiche  grosse  Zellen  von  drüsigem  Aussehen.  Ihr 
Protoplasma  ist  stark  körnig,  der  runde  Kern  sehr  deutlich;  sie  färben 
sich  stärker  als  die  benachbarten  Zellen  und  stellen  sich  oft  in  Gruppen 
von  drei  oder  vier  zusammen. 

Der  dem  Schlünde  unmittelbar  nach  seinem  Austritte  aus  dem 
Hirne  folgende  Saugmagen  (d-,  Fig.  93)  hat  eine  diesem  ähnliche, 
aber  weit  verwickeitere  Structnr.  Seine  sehr  festen  Chitinwände  sind, 
wie  man  auf  Querschnitten  (Fig.  102)  sehen  kann,  aus  vier  getrennten 
Stücken,  einem  oberen  und  unteren  medianen  und  zwei  seitlichen  zu- 
sammengesetzt. Das  Oberstück  (a,  Fig.  102)  zeigt  eine  mittlere  Ein- 
senkung  und  zwei  seitliche  Längswölbungen ,  die  sich  plötzlich  an 
ihren  Räudern  hakenförmig  nach  unten  krümmen.  Auf  diesen  Um- 
krempungen können  die  einen  engen  Isthmus  begrenzenden  Seiten- 
stücke (&)  gleiten.  Diese  Seitenstücke  enden  mit  scharfem  Rande  an 
den  aufsteigenden  Schenkeln  des  schmalen  Ünterstückes  (c),  das  in  der 
Mitte  gekielt  erscheint.  Alle  diese  unter  einander  beweglichen  Wand- 
stücke werden  auf  ihrer  Aussenfläche  von  einer  chitinogenen  Schiebt 
mit  hohen  Zellen  übeizogeu  (k)  und  dienen  mächtigen  Muskelmassen 
zum  Ansatz,  deren  Bündel  aus  sehr  deutlich  quer  gestreiften  Fasern 
bestehen.  An  das  Oberstück  heften  sich  bedeutende,  anderseits  am 
Tegumente  des  Rückens  (;W,F\g.93)  inserirte  Ilebemuskeln  (e,  Fig.  102), 
die  durch  Anziehen  der  Decke  gegen  das  Tegument  die  Höhluug  des 
Saugmagens  erweitern.  In  gleicher  Weise  wirken  erweiternd  schiefe 
Muskeln  (/,  Fig.  102),  welche  sich  einerseits  an  die  Seitenstücke,  ander- 
seits an  die  innere  Sehnenplatte  des  Cephalothorax  ansetzen.  Endlich 
findet  man  noch  tiefere  Queiinuskeln  (h),  die  von  einer  Wölbung  des 
Oberstückes  zur  anderen  gehen,  und  schwache,  schiefe  Muskeln  (f), 
welche  sich  an  dem  Haken  des  Oberstückes  befestigen.  Alle  diese 
Muskeln  dienen  ohne  Zweifel  zur  Erweiterung  des  Saugmagens  nach 
verschiedenen  Richtungen  hin;  die  mit  der  Erschlaffung  der  Muskeln 
statthabende  Vei'engerung  wird  durch  die  Elasticität  der  Chitinwände 
bedingt,  welche  ihre  normale  Stellung  einzunehmen  suchen. 

In  einem  kleineren,  zwischen  den  Seitenmuskeln  (/,  Fig.  102),  den 
dorsalen  Magenblindsäcken  (m)  und  der  Umkrempung  des  Oberstückes 
gelegenen  Räume  sieht  man  kleine,  einzellige  Drüsen  (?) ,  welche  der 
chitinogenen  Schicht  angehören  und  deren  Secret  dazu  bestimmt 
scheint,   die  Gleitflächen  zwischen  den  Stücken   schlüpfrig   zu   erhalten. 

Die  Wände  des  eigentlichen  Magens,  sowie  der  von  ihm  aus- 
gehenden Blindsäcke  (?,  Fig.  93,  94;  w,  Fig.  102)  sind  weisslich  und 
weich;   sie   enthalten   keine    Chitinschicht,    zerreissen    sehr    leicht  und 


Arachniden. 


221 


zeigen  innerliallj  einer  Hülle  von  platten ,  polyedrischen  Zellen  ein 
Endotheliura  ans  sehr  grossen,  unregelmässigen  Zellen  mit  feinen 
Wänden,  durchsichtigem  Protoplasma  und'  am  Grunde  gelegenen  Kernen. 
Zwischen  den  Wurzeln  der  Blindsäcke  einerseits  und  dem  Hirne  ander- 
seits finden  sich  grosse,  runde  oder  ovale,  mit  reichlichen  Granulationen 
erfüllte  Zellen,  die  drüsiger  Natur  scheinen  und  vielleicht  bei  der  Ver- 
dauung eine  Rolle  spielen. 

Der  unmittelbar   auf  den  Magen  folgende,   geradlinige  Darmtheil, 
der  den  Bauchstiel  durchsetzt,   zeigt  eine   dünne,  äussere  Muskelschicht 

Fig.   102. 

k 


Eptira  dladema.  —  Theil  eines  verticaleu ,  durch  den  Siiugmagen  gelegten  Quer- 
schnittes. Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  4.  Camera  dura,  a,  obere,  auf  den  Seiten 
hakenartig  herabgekrümmte  Chitinlamelle  des  Saugmagens  ;  b,  Seitenlamellen  ;  c,  untere 
Lamelle;  d,  Höhle  des  Saugmagens;  e,  obere  Erweitevungsmuskeln ,  die  sich  an  das 
dorsale  Tegument  ansetzen;/,  seitliche  Erweiterungsmuskeln,  die  sich  an  die  grosse 
innere  Sehnenplatte  o  ansetzen;  g,  an  derselben  Platte  angeheftete  Muskeln  der 
Beine;  h,  obere  Quermuskeln  des  Saugmagens;  t,  schiefe  Seitenmuskeln  desselben; 
k,  chitinogeue  Zellenschicht,  welche  die  Chitinlamellen  des  Saugmagens  von  aussen 
umgiebt;  /,  kleine  Wmkeldrüsen;  vi,  obere  Magenblinddärme ;  m\  untere  Blinddärme; 
o,  grosse,  horizontale,  innere  Sehnenplatte ;  p,  mittlere  Ganglien  der  üuterschlund- 
masse ;  /A,  Rindensehicht  von  grossen  Ganglienzellen,  die  durch  eine  Lamelle  der  Um- 
hüllungshaut von  dem  Kerne  getrennt  ist;  q,  Seitentheile  der  Masse,  in  die  Bein- 
nerven übergehend:  q'^,  getrennte  Rindensehicht  der  Seitenmassen ;  r,  Kerne  führende 
Bindegewebshülle  der  Nervenmasse,  in  der  Mitte  angeschwollen  und  in  die  Trennungs- 
rinne der  Ganglien    eingeschoben;    r^,    untere   Lamelle    dieser  Hülle,    bei    r-  verdickt. 


222  Arthropoden. 

und  ein  aus  bohen ,  körnigen  Zellen  gebildetes  Endotbelium ,  deren 
ovaler  Kern  an  der  Basis  der  Zellen  liegt. 

Im  Baucbe  bildet  der  Darm  ein  gleicbmässiges  Robr  mit  weiss- 
licben  Wänden,  das  unter  dem  Herzen  liegt,  von  diesem  nur  durch 
eine  dünne  Schiebt  von  Leberläppcben  getrennt  ist  und  einen  der  Wöl- 
bung des  Hinterleibes  entsprechenden  Bogen  in  der  Mittellinie  be- 
schreibt bis  zur  Nähe  der  Cloake,  unter  welche  der  Darm  mit  einem 
nach  vorn  gerichteten  Bogen  schlüpft,  um  auf  der  Unterfläche  der 
Cloake  zu  münden.  Seine  Wände  sind  hier  und  da  von  Kothballen 
ausgedehnt.  Mit  der  Leber  steht  das  Darmrohr  durch  wenigstens 
vier  jederseits  abgehende,  weite  Ausstülpimgen  in  Verbindung,  die 
in  die  Lebermasse  eindringen  und  sich  in  derselben  verzweigen. 

Die  Cloake  oder  Kothkammer  (?',  Fig.  96)  ist  eine  weite, 
birnförmige  Tasche,  die  etwa  den  sechsten  Theil  der  Bauchhöhle  ein- 
nimmt, mit  ihrem  dicken,  abgerundeten  Ende  nach  vorn  schaut  und 
nach  hinten  schmäler  wird.  Der  Darm  mündet  nicht  in  das  vordere, 
blind  geschlossene  Ende  ein,  wie  manche  Forscher  behauptet  haben, 
sondern  nahe  dem  hinteren  Ende  auf  der  Bauchseite;  er  läuft  längs 
dieser  Fläche  nach  hinten,  ist  aber  so  eng  mit  der  unteren  Cloakenwand 
verbunden,  dass  man  ihn  nicht  leicht  trennen  kann.  In  der  Cloake 
finden  sich  fast  immer  grosse,  schwarze,  spindelförmige  Kothballen. 

Der  die  Cloake  endende  Mastdarm  (a,  Fig.  96)  ist  sehr  kurz 
und  eng,  er  mündet  mit  dem  in  dem  Spinnfelde  gelegenen,  von  einer 
Klappenwarze  bedeckten  After.  Die  histologische  Structur  der  erwähn- 
ten Theile  ist  nicht  überall  dieselbe.  Die  Darmwand  zeigt  ein  Endo- 
tbelium von  hohen,  gleich  langen  Cylinderzellen,  deren  Wände  be- 
sonders an  ihrem  freien  Ende  deutlich  sind;  ihr  Protoplasma  ist  mit 
schwärzlichen  Granulationen  überfüllt,  die  besonders  an  ihrer  Basis 
so  überhand  nehmen,  dass  sie  den  Kern,  der  nach  Schminkewitsch 
mehrere  Nucleolen  enthalten  soll,  meist  gänzlich  verdecken. 

Die  Cylinderzellen  der  Cloake  sind  weit  niedriger,  als  diejenigen 
des  Darmes ;  sie  ruhen  auf  einer  wahrscheinlich  musculösen  Faser- 
schicht. 

Im  Rectum  sind  die  Zellen  des  Endotheliums  ausserordentlich 
lang,  in  mehreren  Schichten  geordnet;  sie  besitzen  eiförmige,  sehr 
deutliche  Kerne  und  ruhen  auf  einer  ansehnlichen  Muskelschicht. 
Mit  gewöhnlichen  Vergrösserungen    sieht  man   keine   chitinöse  Intima. 

Die  Leber,  auch  Verdauungsdrüse  oder  Bauchdrüse  genannt,  ist 
eine  grosse  braune  Masse,  welche  alle  Organe  des  Hinterleibes  um- 
hüllt, mit  Ausnahme  der  Lungensäcke,  welche  sie  nur  theilweise  be- 
deckt. Wenn  man  den  Hinterleib  eines  frisch  getödteten  Thieres  an- 
schneidet, so  tritt  meist  Lebermasse  hervor,  die  sich  ausbreitet  und 
deiunacb  unter  einem  bedeutenden  Drucke  zu  stehen  scheint,  der  zur 
Zeit   der  Reife   der  Eier  recht  gi-oss    sein   muss.      Unter  geringer  Ver- 


Arachniden.  223 

grösserung  zeigt  sich  die  Leber  aus  Läppchen  zusammengesetzt.  Auf 
den  Läppchen  der  dorsalen  Seite  liegt,  der  kreuzförmigen  Zeichnung 
des  Hinterleibes  entsprechend,  eine  kreideweisse  Pigmentmasse,  die  aus 
einer  grossen  Menge  ausserordentlich  feiner  Körnchen  besteht,  welche 
das  Licht  lebhaft  brechen  und  im  Wasser  Brown'sche  Bewegungen 
zeigen. 

Die  Leberläppchen  sind  hohl;  ihre  Höhlungen  communiciren  mit 
einander  und  münden  schliesslich  in  der  oben  angegebenen  Weise  in 
den  Darm.  Ihre  Umrisse  sind  wellig;  zwischen  ihnen  verästeln  sich 
die  Endzweige  der  Malpighi' sehen  Röhren;  ein  maschiges  Binde- 
gewebe trennt  die  einzelnen  Läppchen. 

Man  findet  in  den  Leberläppchen  folgende  Formelemente:  1)  eine 
feinkörnige  Substanz,  deren  Körnchen  denen  des  erwähnten  Pigmentes 
ähneln;  2)  lebhaft  braun  gefärbte,  meist  runde  Zellen,  die  einen  sehr 
dunklen  Kern  enthalten;  3)  gelbe,  runde  Körper  von  sehr  wechselnder 
Grösse,  mit  homogenem  Inhalte,  welche  Oeltröpfchen  zu  sein  scheinen. 
Schminkewitsch  schliesst  aus  der  Vergleichung  dieser  Elemente  mit 
den  in  der  Leber  des  Krebses  vorkommenden,  dass  die  Leber  der 
Spinnen  als  eine  hepato-pankreatisclie  Drüse  anzusehen  sei. 

Es  giebt  zwei  Paare  Malpi  ghi's  ch  er  Röhr  en  (c,  9,  Fig.  95),  die 
sich  als  feine ,  weisse  Fäden  darstellen ,  welche  sich  an  der  Einmün- 
dungsstelle  des  Darmes  in  die  Cloake  öffnen.  Sie  vei-laufen  zu  beiden 
Seiten  des  Darmes  zwischen  den  Leberläppchen  und  verästeln  sich 
hier.  Diese  Verästelungen  sind  zu  fein,  als  dass  wir  sie  in  unserer 
Zeichnung  hätten  darstellen  können,  die  nur  den  Verlauf  der  Stämme 
zeigt;  man  kann  sie  aber  leicht  bei  der  Präparation  einer  Kreuzspinne 
unter  Wasser  zur  Anschauung  bringen.  Hat  man  das  Thier  eine  Zeit 
lang  geöffnet  im  Wasser  gelassen ,  so  treten  überall  aus  der  Leber- 
masse feine,  weisse  Fädchen  hervor,  die  nichts  Anderes  sind,  als  die 
blind  geschlossenen  Endzweige  der  Malpighi' sehen  Röhren,  deren 
Wände  mit -einem  Pflasterepithelium  ausgekleidet  sind,  dessen  Zellen 
ovale  Kerne  haben.  Das  Lumen  der  Röhren  ist  mit  braunrothen 
Körnchen  in  Menge  erfüllt,  welche  das  Licht  stark  brechen. 

Athemorgane.  —  Die  Kreuzspinne  hat,  wie  wohl  alle  anderen 
Spinnen,  zwei  Arten  von  Athemorganen,  Lungen  und  Tracheen,  die 
beide  im  Hinterleibe  liegen.  Der  Cephalothorax  nimmt  keinen  Antheil 
daran. 

Die  beiden  Lungen  (?,  Fig.  92)  liegen  symmetrisch  vorn  auf 
der  ventralen  Fläche  des  Abdomens  in  der  Nähe  des  Bauchstieles  und 
zu  beiden  Seiten  der  Genitalorgane,  welche  die  Mittellinie  einnehmen. 
Es  sind  zwei  etwas  abgeplattete  Hohlsäcke,  welche  etwa  die  Gestalt 
eines  quer  durchschnittenen  Eies  haben ,  dessen  stumpfes  Ende  nach 
vorn  gerichtet  ist,  während  die  Schnittfläche  der  etwas  schief  gerich- 
teten Eingangsspalte  zur  Höhle,  dem  Stigma,  entsprechen   würde.     Die 


224 


Arthropoden. 


beiden  Stigmen  sind  in  der  Mittellinie  durch  das  Genitalschild  unter- 
brochen,  hinter  welchem  sie  sich  durch  einen  dorsal  vom  Schilde  ge- 
legeneu Quercanal  verbinden,  dessen  Lippen  in  einander  greifende 
Fältelungen  zeigen.  Mit  Ausnahme  der  Ränder  der  Eintrittsspalte  ist 
die  Lungenhöhle  auf  allen  Seiten  von  einer  besonderen  Chitinlamelle 
umzogen,  die  sich  von  dem  Teguraente  her  einschlägt  und  in  Folge 
der  Abplattung  eine  Decke  (/,  Fig.  103)  herstellt,  welche  die  Lungen- 
höhle von  den  Eingeweiden  abtrennt  und  einen  Boden  (g),  welcher 
mit  dem  Tegumente  parallel  sich  erstreckt,  und  einen  mit  Blut  erfüllten 
Sinus  von  der  Höhle  abgrenzt. 

Auf  der  ganzen  Ausdehnung  des  Lungensackes  zeigt  das  Tegu- 
ment  eigenthümliche  Bildungen,  die,  von  der  Fläche  aus  gesehen, 
gekrümmten    Wülsten    mit    welligen   Conturen   ähnlich    sehen ,    welche 

Fig.   103. 


.--p 


Epeira  dladema.  —  Stück  eines  durch  das  Abdomen  geführten  Sagittalschnittes,  der 
die  Lunge  getrotFen  hat.  Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  II.  Camera  Incida.  a,  ventrales 
Tegument  des  Vordertheiles  des  Bauches;  ö,  chitinöse  Stützverdickungen,  die  in  den 
Blutsinus  vorspringen ;  c ,  Vereinigungspunkt  der  die  Lungenkammer  umgebenden 
Chitinlamellen  mit  dem  Tegumente  in  der  Nähe  des  Bauchstieles ;  d,  hintere  Lippe 
des  Stigmas,  mit  Stacheln  besetzt;  e,  die  Hinterwand  der  Lungenhöhle,  durch  einen 
Einschlag  des  Tegum^nts  gebildet  und  mit  baumförmigen  Borsten  besetzt;  /,  Fort- 
setzung des  Einschlages ,  die  Decke  der  Lungenhöhle  bildend ;  g,  Chitinfalte ,  eine 
Scheidewand  zwischen  dem  Blutsinus  und  der  Lungenhöhle  bildend;  h,  geronnene 
Blutmassen  im  Sinus ;  i,  Stigma,  Eingang  der  Lungenhöhle  ;  k,  vordere  Kammer  dieser 
Höhle ;  l,  Kammer ;  in,  quer  durchschnittene  und  durch  den  Druck  des  Messers  etwas 
auseinander  gelegte  Lungenlamellen:  ra,  oberer  Theil  der  Lungenlamellen,  durch  ge- 
ronnenes Blut  verdeckt;  o,  o,  Durchschnitte  cylindrischer  Spinndrüsen;  />,  zwischen 
die  Organe  eindringende  Leberläppchen ;  q,  durchschnittener  Quermuskel  ;  »•,  Bündel 
des   Läng-smuskels  des  Bauches. 


Arachniden. 


225 


sich  bisweilen  gabeln  und  den  Rändern  parallele  Linien  zeigen,  wo- 
durch das  Gebilde  das  Ausehen  gewundener  Spalten  erhält,  die  von 
verdickten  Chitinlippen  umzogen  sind.  Einige  Forscher  haben  sich 
auch  durch  dieses  Ansehen  täuschen  lassen;  auf  Schnitten  (Fig.  103) 
kann  man  sich  indessen  überzeugen,  dass  diese  Bildungen  nach  innen 
in  den  Blutsinus  vorspringenden  Chitinwülsten  entsprechen,  die  ohne 
Zweifel  dazu  dienen,  dessen  Wände  zu  spreizen  und  den  Sinus  gegen 
Druck  offen  zu  erhalten. 

Die  von  der  Oeffnung  des  Stigmas  aus  nach  innen  eingefaltete 
Chitinlamelle,  welche  die  hintere  Wand  der  Lungenhöhle  bildet 
(e,  Fig.  103),  zeigt  unter  geringen  Vergrösserungen  ein  rauhes  An- 
sehen, als  wäre  sie  mit  feinen  Zähuchen  besetzt.  Unter  starken  Ver- 
grösserungen (Ä,  Fig.  104)  sehen  diese  Zähnchen  wie  Zwergbäumchen 
aus,  welche  auf  einem  einfachen  Stamme  zahlreiche,  nach  allen  Rich- 
tungen sich  ausdehnende  Aeste  tragen ,  die  zuweilen  mit  ihren  Enden 
verschmelzen.  Aehnliche  Bildungen  finden  sich ,  wenn  auch  weit 
weniger  entwickelt,  auf  der  Vorderlippe  des  Stigmas.    Auf  dem  ganzen 

Fi^.  104. 


A  B 

Epeira  diadema.  —  Einzelheiten  des  Athemapparates.  Yerick,  Oc.  3,  Obj.  7.  Camera 
lucida.  A ,  baumartige  Besetzungen  der  Hinterwand  der  Lungenhölile.  B,  Längs- 
schnitte der  freien  Enden  zweier  Lungeublättchen.  a,  dorsale ,  mit  verzweigten 
Haaren  besetzte  Lamelle  ;  b,  glatte,  ventrale  Lamelle  ;  c,  Vereinigung  beider  Lamellen 
am  freien  Ende ;   fZ,  Blutsinus  im  Inneren  des  Blättchens ;  e,  quere  Verbindungsbrücke 

der  beiden  Lamellen. 


übrigen  Umfange  der  Lungenhöhle  sind  die  einfassenden  Chitin - 
lamellen  einfach ,  nur  an  der  Decke  sieht  man  einige  unbedeutende 
Hervorragungen  (/,  Fig.  103),  welche  zwischen  die  umgebenden  Ein- 
geweide eingreifen. 

Etwa  zwei  Drittel  des  Raumes  der  Lungenhöhle  werden  von  etwa 
fünfzig  horizontal  über  einander  gelagerten  Lungenblättern  ein- 
genommen, welche  mit  ihren  vorderen  und  seitlichen  Rändern  an  den 
Wandungen  der  Höhle  befestigt  und  nur  an  ihrem  hinteren,  quer  ab- 
geschnittenen Rande  frei  sind  und  hier  in  die  Lungenhöhle  hinein- 
ragen. Diese  ist  nur  in  ihrem  hinteren  Drittel  leer,  mit  Ausnahme 
einer  Art  Vorkammer  auf  der  Unterfläche,  wo  die  Lungenblätter  den 
Boden  nicht  berühren  (A;,  Fig.  103).  Schnitte,  welche  diese  Vorkammer 
getroffen  haben,  zeigen  häufig  die  Lungenblätter  durch  den  Druck  des 

Vogt  u.  Yung,   prakt.  versfl.  Anritomie.     II.  25 


226  Arthropoden. 

Messers  etwas  aus  einander  gezerrt,  wie  dies  auf  unserem  Schnitte  ge- 
schehen ist. 

Die  histologische  Structur  der  Lungenblätter  ist  nicht  ganz  ein- 
fach. Jedes  Blättchen  besteht  aus  zwei  sehr  feinen,  parallelen  Lamellen 
chitinöser  Natur,  in  welchen  man  keine  Zellenstructur  erkennen  kann. 
Am  hinteren  freien  Ende  des  Blattes  gehen  diese  beiden  Lamellen  in 
einander  über.  Die  dorsale  Lamelle  trägt  auf  ihrer  fi'eien  Oberfläche 
eine  Unzahl  kleiner,  verästelter  Härchen,  deren  Zweige  sich  berühren 
und  mit  einander  verfilzen.  Die  ventrale  Lamelle  dagegen  ist  voll- 
kommen glatt.  Diese  nur  auf  der  Decklamelle  entwickelten  Härchen 
verhindern  ohne  Zweifel  das  Ankleben  der  über  einander  geschichteten 
Lungenblätter  und  sichern  so  die  Circulation  der  Luft  zwischen  den- 
selben. Die  beiden  Lamellen  werden  durch  Pfeiler  gestützt,  die  hier 
und  da  ohne  Regel  entwickelt  und  bei  der  Anlage  an  die  Lamellen  etwas 
verdickt  sind.  So  wird  zwischen  den  beiden  Lamellen  ein  stets  often 
gehaltener,  sehr  platter  Blutraum  hergestellt,  der  die  ganze  Aus- 
dehnung des  Lungenblattes  einnimmt  und  in  dem  man  auf  allen  Prä- 
paraten und  Schnitten  Häufchen  geronnenen  Blutes  sieht. 

Die  Musculatur  der  Lungen  ist  äusserst  einfach.  Li  der  Hinter- 
lippe des  Stigmas  sieht  man  einen  kurzen  Rückzieher,  der  dem  Tegu- 
mente  unmittelbar  aufliegt  und  sich  weiter  hinten  an  dasselbe  ansetzt. 
An  die  dorsale  "Wand  der  Lungenhöhle  setzt  sich  ein  anderer,  von  der 
Sehne  des  abdominalen  Längsmuskels  ausgehender,  kleiner  Muskel  an. 
Endlich  findet  sich  noch  ein  über  die  Rückenwand  gespannter  Quer-, 
muskel,  der  mit  derselben  Sehne  in  Beziehung  steht. 

Die  Tracheen  der  Kreuzspinne  (a,  &,  Fig.  109)  bestehen  aus  vier 
geraden,  sehr  feinen  und  zarten  Röhi-en,  welche  aus  einem  centralen 
Sacke  entspringen,  der  unmittelbar  vor  den  vorderen  Spinnwarzen  und 
dem  Chitindorne  liegt,  welcher  vorn  in  der  Mittellinie  das  Spinnfeld 
stützt.  Das  Stigma,  welches  in  diesen  Sack  führt,  ist  ein  enger,  ziem- 
lich langer  Querspalt,  den  man  nur  mit  Mühe  zwischen  den  Runzeln 
des  Chitinwalles  auffinden  kann,  welcher  das  Spinnfeld  umgiebt.  Man 
kann  an  dem  Sacke  einen  Mitteltheil  in  Gestalt  einer  zweispitzigen 
Pyramide  unterscheiden ,  deren  Spitzen  sich  in  die  beiden  mittleren 
Tracheen  fortsetzen  (rt,  Fig.  109)  und  zwei  Seitenflügel,  von  welchen  die 
seitlichen  Tracheen  (&)  ausgehen,  die  an  ihrer  Basis  die  Form  einer  etwas 
bauchigen  Posaune  haben  und  deren  Oeffnungen  in  den  Sack  von  zwei 
ziemlich  starken,  an  ihren  Enden  knopfartig  verdickten  Chitinstützen 
umgeben  sind,  die  mit  einander  eingelenkt  zu  sein  scheinen.  Der 
Sack  mit  seinen  Seitenflügeln  ist  stark  von  oben  nach  unten  ab- 
geplattet, während  die  Tracheen  selbst  einen  runden  Durchschnitt 
zeigen. 

Die  vier  unmittelbar  dem  Tegumente  anliegenden  Röhren  ver- 
laufen in  gerader  Richtung,    etwas  divergirend,   nach  vorn  und  lassen 


Aracliniden.  227 

sich  bis  in  die  Nälie  der  Lungen  verfolgen ,  wo  sie  blind  zu  enden 
scheinen.  Wir  haben  auf  ihrem  ganzen  Verlaufe  keine  Verästelungen 
oder  Nebenzweige  entdecken  können ;  sie  sind  überall  dieselben  ein- 
förmigen Röhren. 

Die  Tracheen  bestehen  grösstentheils  aus  chitinösen  Elementen. 
Nach  Mac  Leod,  dessen  Arbeit  (siehe  Literatur)  wir  nicht  genug  zu 
genauerem  Studium  empfehlen  können ,  besteht  die  Wand  der  Tra- 
cheen aus  einer  inneren  und  einer  äusseren  Chitinschicht,  zwischen 
welchen  eine  chitinogene  Zellenschicht  sich  befindet.  Die  innere  Chitin- 
schicht, die  nur  eine  Fortsetzung  der  äusseren  sein  soll ,  zeigt  auf  der 
Innenfläche  der  Röhren  wie  des  Sackes  eine  Menge  feiner,  rauher  Vor- 
sprünge, die  in  den  äusseren  Tracheen  stärker  entwickelt  sind  und  an 
deren  Enden  fast  stachelartig  werden.  —  Au  die  Chitiustützen  der 
Seitenöffuungeu,  von  welchen  oben  die  Rede  war,  heften  sich  einige 
feine  Muskelbündel,  die  sich  mit  ihrem  anderen  Ende  an  das  Tegu- 
ment  ansetzen. 

Kreislaufsorgane.  —  Das  Herz  ()u,  Fig.  9(3)  ist  ein  im  Ab- 
domen gelegenes  conisches  Rohr,  das  von  dem  Darme,  über  welchem 
es  verläuft,  nur  durch  eine  unbedeutende  Schicht  von  Leberläppchen 
getrennt  ist.  Es  wird  durchaus ,  auch  auf  seiner  oberen  Fläche, 
von  der  Leber  umhüllt  und  liegt  dem  Tegumeute  nicht  unmittelbar 
an ,  wie  dies  bei  den  meisten  Arthropoden  der  Fall  ist.  Seine  vor- 
dere Hälfte  erscheint  bauchig  erweitert;  nach  hinten  verschmälert 
es  sich  allmählich  und  endet  spitz ,  indem  es  in  einige  feine  Gefässe 
ausläuft.  In  der  Gegend  der  dorso- ventralen  Muskeln  biegt  es  in 
einem  scharfen,  nach  vorn  convexen  Bogen  nach  unten,  um  in  den 
Bauchstiel  einzutreten  und  ist  auf  dieser  verticalen  Krümmung  von 
den  beiden  genannten  Muskeln  eingefasst.  In  dem  Bauchstiele  selbst 
verminderet  sich  der  Durchmesser  bedeutend  zu  einem  Gefässe ,  der 
Kopfbrust  -  Aorta ,  deren  Verzweigung  uns  später  beschäftigen  wird. 
Auch  von  den  im  Hiuterleibe  abgehenden  Gefässen  wird  dann  die 
Rede  sein. 

Betrachtet  man  das  Herz  in  seiner  normalen  Lage  von  oben  nach 
Wegnahme  der  es  bedeckenden  Lebermassen,  so  sieht  man  auf  der 
Höhe  der  Seitenflächen  drei  Paare  warzenartiger  Hervorragungen,  von 
welchen  das  erste  Paar  auf  dem  Gipfel  der  Bogenkrümmung,  die  beiden 
anderen  in  dem  hinteren  Drittel  des  Herzens  angebracht  sind.  Jedes 
dieser  Wärzchen  zeigt  auf  dem  Gipfel  eine,  innen  von  winzigen,  halb- 
mondförmigen Klappen  eingefasste  Spaltöffnung,  durch  welche  diis  Blut 
aus  dem  Pericardialsinus  in  das  Herz  übertritt,  um  dann  durch  die 
Pulsationen  in  die  Gefässe  getrieben  zu  werden. 

In  der  That  liegt  das  Herz  in  einem ,  von  einem  Herzbeutel 
(e,  Fig.  105  a.  f.  S.)  gebildeten  Hohlräume  (/)  iind  das  Pericardium  selbst 
ist  seinerseits    von   einem  Lacunenraume    (d)    umgeben,    der    von    den 

15* 


228 


Arthropoden. 


Fie;.  105. 


Lebermassen  umhüllt  wird.  Namentlich  auf  Längsschnitten  zeigen  sich 
diese  Verhältnisse  in  der  Art,  wie  wir  sie  in  Fig.  105  dargestellt 
haben.  Zuweilen  ist  dieser  meist  weite  Lacunenraura  durch  die 
Lebermassen  sehr  eingeengt,  so  dass  diese  das  Pericardium  fast  un- 
mittelbar berühren. 

Die  Membran,  welche  den  Herzbeiitel  bildet,  ist  äusserst  fein, 
zeigt  aber  hier  und  da  einige  längliche  Kerne.  Auch  sieht  man  an 
einzelnen  Stellen  feine,  zuweilen  in  Bündel  vereinigte  Fäserchen  (i), 
welche  von  der  Muskelhaut  des  Herzens  ausgehen,  die  Pcricardialhöhle 
durchsetzen  und  theils  sich  an  dem  Tegumente  inseriren,  theils  zwischen 
den  Leberläppchen  verlieren.  Einzelne  Fasern  vom  Pericardium  selbst 
gesellen  sich  oft  zu  ihnen. 

Auf  in  verschiedenen  Richtungen  gelegten  Schnitten  kann  man 
sich  überzeugen  ,   dass   die  Wand    des  Herzens   aus   vier   verschiedenen 

Schichten  besteht,  einer 
äusseren  Hüllhaut,  einer 

Längsmuskelschicht, 
einer  Schicht  von  Kreis- 
muskelfasern  und  einer 

inneren   Auskleide- 
schicht. 

Die  äussere  Hüllhaut 
besteht  aus  Bindege- 
websfasern mit  zerstreu- 
ten, länglichen  Kernen. 
Die  Längsmuskelschicht 
ist  sehr  dünn,  aber  con- 
tinuirlich;  sie  sendet 
einige  Fasern  nach 
innen.  Die  Kreismus- 
keln dagegen  bilden 
eine  mächtige  Schicht, 
die  sich  bei  grossen 
Exemplaren  sogar  mit 
blossen  Augen  erkennen 
lässt.  Die  Muskelfasern 
sind  quergestreift  und 
zu  Bündeln  vereinigt, 
die  wie  Reifen  um  das 
Herz  sich  in  kleinen 
Abständen  schmiegen. 
An  den  drei  Paaren  von  Wärzchen,  die  oben  erwähnt  wurden,  weichen 
diese  Querbündel  aus  einander  und  bilden  so  die  knopflochartigen 
Oeffnungen,  durch  welche  das  Blut  einströmt.     Streifende  Längsschnitte 


A. 


Epeira  diadema.  —  Stück  eines  Längsschnittes  des  Her- 
zens. Verick,  Oc.  0,  Obj.  3.  Camera  liicida.  Auf 
der  linken  Seite  der  Figur  hat  der  Schnitt  die  Quer- 
muskeln in  ihrer  ganzen  Erstreckung  blossgelegt,  wäh- 
rend er  auf  der  rechten  Seite  sie  tiefer  getroffen 
und  so  das  mascheuartige  Aussehen  einiger  Stellen  be- 
wirkt hat.  a,  Rückentegument ;  b,  Pigment;  c,  Leber; 
d,  Lacuneuraum ;  e,  Herzbeutelwand ;  /,  Pericardial- 
sinus,  mit  geronnenem  Blute  gefüllt;  g,  Längsmuskel- 
schicht des  Herzens  ;  h.  Kreismuskeln  ;  h^,  Stellen  mit 
maschigem  Ansehen  ;  l,  vom  Herzen  ausgehende  Muskel- 
fasern, die  sich  bei  k  an  das  Tegument  anheften. 


Arachnideii.  229 

des  Herzens  lassen  weite  Zwischenräume  zwischen  einzelnen  Quer- 
bündeln gewahren,  die  ein  maschiges  iiusehen  haben,  deren  Xetzgewebe 
mit  den  Längsmuskelfasern  zusammenhtängt.  In  den  Maschen  selbst 
findet  sich  geronnenes  Blut.  Dieses  Ansehen,  welches  Anfänger  täuschen 
könnte,  ist  offenbar  durch  Runzelungen  der  Herzwand  bedingt,  wo- 
durch die  verschiedenen  Schichten  der  Muskeln  nicht  in  gleicher  Höhe 
getroffen  werden.  Die  innere  Auskleidungsschicht  ist  äusserst  fein 
und  kaum  zu  erkennen. 

Das  Herz  wird  in  seiner  Lage  durch  Flügelrauskeln  erhalten,  die 
man  leicht  auf  Querschnitten  des  Abdomens  zur  Anschauung  bringen 
kann.  Sie  sind  von  dreieckiger  Form  und  inseriren  sich  einerseits 
an  die  oberen  Seitenränder  des  Herzens,  anderseits  an  das  Tegu- 
ment. 

Die  Untersuchung  des  peripherischen  Gefässsystemes  wird 
besonders  im  Hinterleibe  sehr  durch  den  Umstand  erschwert,,.|dass  hier 
die  Gefässe  sehr  zarte  Wandungen  besitzen ,  sich  in  den  weichen 
Organen,  besonders  der  Leber,  vei'lieren  oder  bald  in  Lacunenräume 
mit  unbestimmten  Grenzen  übergehen.  Die  Arterien  im  Cepbalothorax 
lassen  sich  dagegen  weit  leichter  auf  Schnitten  verfolgen.  Wenn  das 
arterielle  System  in  Folge  der  Localisirung  der  Athemorgane  weit 
ausgebildeter  ist,  als  bei  den  Insecten,  so  lässt  sich  anderseits  nicht 
leugnen,  dass  das  Venensystem  sowohl  durch  die  allgemeine  Körper- 
höhle wie  durch  Lückenräume  zwischen  den  Organen  und  Geweben 
ersetzt  ist. 

Bei  sehr  jungen,  noch  durchsichtigen  Spinnen  kann  man,  wenn 
auch  nicht  ganz  vollständig,  die  Richtungen  der  Blutströme  unter  dem 
Mikroskope  verfolgen.  Das  Blut  selbst  ist  farblos;  es  enthält  grössere, 
helle  und  runde  Zellen  in  geringer  Menge  i;nd  viele  amöboide  Körper- 
chen, deren  Protoplasma  mit  zahlreichen  dunklen  Granulationen  erfüllt 
ist,  die  sich  lebhaft  färben. 

Die  Kopfbrustaorta  (n,  Fig.  93)  ist  nur  die  Fortsetzung  des 
Herziohres  nach  vorn;  sie  hat  anfangs  dieselbe^histologische  Structur, 
aber  keine  Seitenöffnungeu.  Der  Oberfläche  des  Darmrohres  eng  an- 
liegend, durchsetzt  sie  den  Bauchstiel,  theilweise  von  der  Sehnenplatte 
bedeckt  und  giebt  auf  diesem  Verlaufe  einige  feine  Zweige  ab,  die  sich 
in  den  hinteren'^Muskeln  des  Cepbalothorax  verästeln.  So  gelangt  sie, 
stets  dem  Darme  folgend,  bis  zum  Saiigmagen ,  wo  sie  sich  in  zwei 
einander  sehr  genäherte  Stämme  (o,  Fig.  93)  theilt,  die  hinter  der  Ober- 
schlundmasse einen  Bogen  nach  hinten  und  unten  schlagen  und  auf  der 
Unterschlundmasse  weiter  nach  hinten  laufen.  Von  der  Spitze  des 
Bogens  gehen  mehrfache  Zweige,  die  Kopfarterien  (p),  aus,  die  zwischen 
den  Giftsäcken  nach  vorn  in  den  Cephalothorax  dringen  und  die 
sämmtlichen  dort  gelegenen  Theile,  Augen,  Schnabel,  Kiefer  und  Cheli- 
ceren,  mit  ihren  Muskeln  versorgen. 


230  Artliropoclen. 

Die  beiden  Aortenbogen  laufen,  sobald  sie  auf  der  Unterschlund- 
masse angelangt  sind,  parallel  zur  Mittellinie  nach  hinten  (q)  und  folgen, 
stets  dünner  werdend,  den  beiden  von  der  Masse  nach  hinten  ab- 
gehenden Bauchnerven  bis  zum  Bauchstiele.  Auf  diesem  Verlaufe 
geben  sie  von  ihrem  Aussenrande  die  Fussarterien  (r)  ab,  die  sich  eng 
an  die  Nerven  der  Beine  anschmiegen  und  mit  diesen  in  die  Beine 
etwa  bis  zur  Hälfte  des  dritten  Gliedes  vordringen. 

Die  Unterschlundmasse  erhält  keine  Zweige  von  den  Aortenbogen, 
sondern  besitzt  eine  eigene,  unpaare,  rücklaufende  Arterie  (s) ,  welche 
genau  in  der  Mittellinie  auf  der  Masse  nach  hinten  läuft  und  senk- 
rechte Zweige  abgiebt,  welche  die  Nervenmasse  durchbohren  (e,  Fig.  97) 
und  in  den  Scheidewänden  derselben  sich  verzweigen.  Diese  unpaare 
Arterie  sendet  zugleich  einen  Stamm  nach  vorn ,  der  unter  dem 
Schlünde  verläuft  und  zu  der  Unterlippe  und  den  ventralen  Darm- 
blindsäcken Zweige  abgiebt. 

Nach  Claparede,  dessen  an  jungen  durchsichtigen  Lycosen  an- 
gestellte Beobachtungen  (s.  Literatur)  auch  für  Epeira  gelten  können, 
haben  alle  genannten  Arterien  eigene  Wände,  ergiessen  aber  schliess- 
lich das  Blut  in  Lückenräume  zwischen  den  Organen,  wo  es  in  be- 
stimmten Bahnen  kreist  und  schliesslich  sich  in  zwei  Hauptlacunen, 
eine  ventrale  und  eine  dorsale,  sammelt,  die  in  den  Bauchstiel  ein- 
gehen und  dann  sich  in  einen  grossen,  an  der  Basis  des  Hinterleibes 
angebrachten  Sinus  ergiessen.  In  den  Beinen  behält  die  im  Centrum 
verlaufende  Arterie  ihre  eigenen  Wandungen  etwa  bis  zur  Hälfte  des 
dritten  Gliedes  und  ist  soweit  überall  vom  venösen  Strome  umgeben. 
Von  dem  angegebenen  Punkte  an  verschwinden  aber  die  Wandungen 
und  der  arterielle  Strom  verläuft  auf  der  Beugeseite,  der  venöse  auf 
der  Streckseite  des  Beines ,  wo  auch  die  bei  den  Tegumenten  (S.  206) 
erwähnten  Spalten  angebracht  sind.  Beide  Ströme  sind  durch  eine 
sehr  feine ,  structurlose  Membran  getrennt ,  die  an  bestimmten  Orten 
kleine  Oeffnungen  vom  Durchmesser  eines  Blutkörperchens  hat,  wo- 
durch diese  schlüpfen-  (Für  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  Cla- 
p  a  ]■  e  d  e.) 

Das  Kreislaufsystem  des  Abdomens  ist  von  demjenigen 
des  Cephalothorax  durch  den  Bauchstiel  getrennt  und  unterscheidet 
sich  durch  den  Umstand,  dass  alle  Arterien,  mit  Ausnahme  der 
Lungengefässe ,  direct  vom  Herzen  ausgeben  und  paarweise  sich  in 
den  Organen  verzweigen.  Sie  lassen  sich  nur  schwer  verfolgen, 
weil  sie  äusserst  dünnwandig  sind,  iinmittelbar  in  die  braunen  und 
weichen  Leberlappen  eintauchen  und  sich  wahrscheinlich  nach  sehr 
kurzem  Verlaufe  in  Lückenräume  ergiessen.  Man  zählt  drei  bis  vier 
Paare  solcher  seitlich  abgehender  Gefässe.  Das  Hinterende  des  Her- 
zens löst  sich  gewissermaassen  in  einen  Pinsel  feiner  Gefässe  auf,  die 
unter  spitzen  Winkeln  von  verschiedenen  Niveaus  abgehen  und  zu  den 


Arachniden.  231 

Spinn  Warzen  und  der  Cloake  ausstrahlen.  Zwischen  diesen  End- 
gefässen  zeigt  die  Herzspitze  eine  Oeffnung,  durch  welche  das  Blut 
sich  direct  in  eine  Lacune  ergiesst,  die  dorsal  an  der  Basis  der  After- 
warze liegt. 

Der  Lungenkreislauf  gestaltet  sich  in  eigenthümlicher  "Weise. 
Unter  der  Lupe  wie  auf  Schnitten  kann  man  die  Existenz  zweier  ziem- 
lich ansehnlicher  Gefässe  nachweisen ,  die  nahe  an  der  Krümmung  der 
Aorta  entspringen  und  der  Wölbung  der  Tegumente  folgend  sich  in 
einen  weiten  Sinus  ergiessen,  der  die  Lungen  überall  an  den  Ansätzen 
der  Lungenblätter  umgiebt.  Wir  haben  bei  Behandlung  der  Lungen 
den  oberen  und  unteren  Theil  dieses  Sinus  beschrieben  und  abgebildet 
(Fig.  103)  und  gezeigt,  dass  der  letztere  durch  eigenthümliche  Pfeiler 
vom  Tegumente  aus  stets  oflPen  gehalten  wird.  Nun  setzt  sich,  nach 
Claparede,  der  Endsinus,  in  welchen  die  hintere  Herzspitze  sich 
öffnet,  in  zwei  Längssiuus  fort,  die  unmittelbar  auf  den  Längsmuskeln 
des  Bauches  liegen  und  in  welchen  das  Blut  von  hinten  nach  vorn 
strömt.  Am  hinteren  und  inneren  Winkel  der  Lungen  trifft  dieser 
Strom  auf  einen  anderen,  der  in  entgegengesetzter  Richtung  von  vorn 
nach  hinten  läuft.  Beide  Ströme  vereinigen  sich  in  einem  queren 
Sinus,  der  den  hinteren  Lungenrand  umgiebt  und  mit  dem  den  äusseren 
Lungenrand  umgebenden  Sinus  sich  vereinigt.  Dieser  laterale  Sinus 
biegt  im  Winkel  nach  oben  um  und  öffnet  sich  in  den  Pericardialsinus 
in  der  Nähe  des  ersten  Paares  der  seitlichen  Herzöffuungen.  Die 
Lunge  taucht  mithin  auf  dem  ganzen  Umfange  der  Anheftungen  ihrer 
Blätter  in  diese  Hohlräume,  die  ein  zusammenhängendes  Ganzes  bilden 
und  fast  alles  im  Körper  circulirende  Blut  kreist  durch  diese  Hohl- 
räume und  die  Lungenblätter,  die  nur  hohle  Anhänge  derselben  dar- 
stellen. 

Der  Spinnapparat.  A.  Aeussere  Theile.  —  Um  die  Be- 
schaffenheit der  äusseren  Theile  des  Spinnapparates  zu  untersuchen, 
wird  man  sich  mit  Vortheil  der  Behandlung  mit  Aetzkali  bedienen 
und  jüngere  Thiere  wählen ,  bei  welchen  die  Haare  und  Spinnröhren 
weniger  zahlreich  sind  und  das  Pigment  weniger  dunkel  ist,  als  bei 
den  erwachsenen  Individuen. 

Wir  sagten  schon  (S.  199),  dass  das  Afterfeld  (Fig.  106, 
a.  f.  S.)  die  sechs  Spinnwarzen  und  die  Afterwarze  einschliesst.  Man 
muss  aber  den  Schüler  auf  den  Umstand  aufmerksam  machen ,  dass 
er  in  den  meisten  Fällen  im  Ruhezustande  und  ohne  vorgängige 
Behandlung,  sowohl  bei  der  Profil-  wie  bei  der  Flächenansicht  nur 
vier  Spinnwarzen,  die  vorderen  und  die  hinteren,  sowie  die  After- 
warze sehen  wird.  Diese  fünf  Theile  krümmen  sich  in  der  That 
so  gegen  die  Mitte  des  Feldes  zusammen ,  dass  sie  die  tiefer  und 
der  Mittellinie  näher  gelagerten  mittleren  Spinnwarzen  gänzlich  ver- 
decken. 


232  Arthropoden. 

Das  Afterfeld  ist  in  seinem  ganzen  Umfange  von  einem  etwas 
verdickten  Cliitinringe  des  Tegumentes  umgeben  (J?,  Fig.  106).  In 
diesem  Ringe  sieht  man  vorn  in  der  Mittellinie  zwei  besondere  Bil- 
dungen:  einen  starken  inneren  Stachel  (A) ,  der  mit  seiner  kurzen 
Spitze  in  die  Leibeshöhle  vorspringt  und  in  dem  Raiime  zwischen  den 
Basen  der  vorderen  Spinnwarzen ,  ein  scheinbar  in  der  Mitte  durch- 
löchertes rundliches  Schildchen  (C).  In  der  Flächenansicht  erscheint 
es  wie  eine  von  der  Leibeshöhle  her  eingetiefte  Untertasse  mit  starken 
Chitinrändern,  die  in  der  Mitte  einen  hellen  herzförmigen  Fleck  zeigt, 
in  dessen  beiden  Elcken  zwei  starke  Stachelhaare  stehen.  In  der 
Profilansicht  sieht  man,  dass  es  eine  vorspringende,  kurze  und  etwas 
spitzige   Warze   ist,   die    einige  Haare   trägt.     Da    diese  Warze  genau 

Fig.  106. 


Epelra  diadema.  —  Das  Afterfeld  eines  Weibchens,  von  der  Bauchfläche  aus  gesehen. 
Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  2.  Camera  clara.  Kalipräparat.  A,  Stützstachel;  B,  Rand- 
wall des  Feldes;  C,  rudimentäres  Cribellum ;  D,  vordere,  E,  mittlere,  F,  hintere 
Spinnwarzen;  G',  Afterwarze,  o,  Basis  der  vorderen  Spinnwarze;  6,  unterer  heller  Ring 
ders.elben ;  c,  chitinöser  Halbring  in  diesem  Ringe;  d,  oberer  heller  Ring;  e,  oberer 
Chitinring;/,  Gipfel  mit  dem  Spinnfelde ;  g,  Basis  der  mittleren  Spinnwarze  ;  ä,  heller 
Ring;  i,  Spiunfeld  desselben;  k,  Basis  der  hinteren  Spinnwarze;  l,  heller  Ring; 
m,  oberer  Chitinring;  ?i,  Spinnfeld  desselben;  o,  äusserer  unterer  Chitinring  der 
Basis  der  Afterwarze;  p,  innerer  Ring;  q,  unterer  heller  Ring;  r,  oberer  Chitinring; 
s,  oberer  heller  Ring ;  t,  Endwärzchen  der  Afterwarze. 


denselben  Platz  einnimmt,  wo  sich  bei  anderen  Spinnen  eine  sieb- 
förmige  Platte,  das  sogenannte  Cribellum,  befindet,  welches  durch 
Tausende  von  feinen  Löchlein  einen  feinen  Seidenfilz,  wohl  zum  Schutze 


Arachiiiden.  233. 

der  Eier,  absondert,  so  stehen  wir  nicht  an,  in  dieser  Warze  eine  dem 
Cribellum  homologe  Biklung,  eine  verkümmerte  Spinnwarze  zu  er- 
blicken, die  aber  freilich  weder  Splnnrölirchen  noch  Spinnporen  ge- 
wahren lässt. 

Die  vorderen  (D,  Fig.  106)  und  hinteren  (F)  Spinnwarzen  sind 
nach  demselben  Grundplane  gebaut.  Es  sind  kurze,  an  der  Spitze  ab- 
gerundete schiefe  Kegel,  welche  von  abwechselnden  Chitinringen  gebildet 
sind,  die  einen  hart,  mit  dicken  geriefelten  Wänden  und  zahlreichen 
Haaren,  die  zwischen  diesen  liegenden  Ringe  weich,  dünn  und  haarlos. 
Der  Grundring  der  vorderen  Warze  (a)  ist,  wie  die  ganze  Warze,  höher 
und  breiter  als  derjenige  der  hinteren  Warze  (/j) ;  dagegen  ist  der 
Endring  der  hinteren  Warze  (l)  nach  aussen  hin  breiter  als  derjenige 
der  vorderen  Warze  (e) ,  da  die  hintere  Warze  schiefer  abgestutzt  ist. 
Der  untere  helle  Ring  der  vorderen  Warze  (b)  ist  sehr  breit  und  in 
seinem  äusseren  Umfange  von  einer  sehr  starken ,  aber  schmalen 
Chitinspange  (c)  gestützt,  die  eine  Reihe  meist  hakenförmig  gekrümmter 
Borsten  trägt;  diese  Spange  fehlt  in  dem  unteren  hellen  Ringe  der 
hinteren  Spinnwarze  (Z).  Der  obei'e ,  dunkle  Chitinring  der  beiden 
Warzen  ist  von  dem  Spinnfelde  durch  einen  zweiten  hellen  Ring  ge- 
trennt, der  bei  der  vorderen  Spiunwarze  ziemlich  breit  (d) ,  bei  der 
hinteren  aber  nur  wenig  ausgebildet  ist. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  die  Afterwarze  (G-,  Fig.  106)  genau 
nach  demselben  Plane  gebaut  ist.  Wir  finden  an  ihr  die  beiden  harten, 
geriefelten,  mit  Haaren  besetzten,  dunklen  Ringe  (o,  jJ,  r)  und  die 
beiden  hellen  Zwischenringe  (q,  s);  jedoch  ist  der  Basalring  in  zwei 
concentrische  Ringe  (o,  ]))  gespalten  und  statt  des  terminalen  Spinn- 
feldes findet  sich  ein  harter,  mit  starken  Haaren  besetzter,  chitinöser 
Endhügel  (t). 

Die  mittleren  Spiunwarzen  (E,  Fig.  106)  sind  anders  ge- 
staltet. Im  turgescirenden  Zustande  bilden  sie  zwei  dünne  Kegel  mit 
chitinöser  Basis,  aber  ohne  weitere  Chitinringe.  Man  sieht  sie  aber 
selten  in  diesem  Zustande;  meist  liegen  sie  in  dem  von  den  anderen 
Bildungen  frei  gelassenen  Räume  platt  auf  der  Haut  mit  ihren  Spitzen 
nach  hinten,  so  dass  sie  bei  der  Flächenansicht  wie  zwei  Dreiecke  sich 
darstellen ,  deren  innere  Seiten  sich  berühren.  In  dieser  von  uns  ge- 
zeichneten Lage  ist  das  Spinnfeld  fast  ganz  auf  die  untere  Bauch- 
fläche gedreht,  während  es  im  Turgor  gegen  die  Mittellinie  ge- 
richtet ist. 

Die  Spinnfelder  zeigen  sehr  verschiedene  Anordnungen,  welche 
von  Buchholz  und  Landois  genau  beschi'ieben  worden  sind  (siehe 
Literatur). 

Das  Spinnfeld  der  vorderen  Warzen  (/,  Fig.  106)  ist  beinahe 
kreisförmig,  in  der  Mitte  etwas  gewölbt  und  so  auf  die  Spitze  der 
Warze   gestellt,    dass   es   bei   der  Flächenansicht   fast   vollständig   zur 


234 


Arthropoden. 


Anschauung  kommt.  Sehr  kurze  Spinnröhrchen ,  60  bis  70  an  der 
Zahl,  stehen  auf  diesem  Felde  in  regelmässiger  Anordnung  nach 
Linien,  die  radienartig  vom  Mittelpunkte  ausgehen.  Auf  der  Innen- 
seite zeigt  das  Feld  einen  kleinen  Ausschnitt,  der  in  den  oberen  dunklen 
Ring  eingekerbt  ist  und  in  dieser  Kerbe  steht  ein  mächtiger  Spinn- 
kegel mit  chitinöser,  verdickter  Basis,  neben  welchem  wir  stets  einen 
gleich  gestalteten,  aber  weit  kleineren  Ersatzkegel  sehen.  Auf  Prä- 
paraten, die  nicht  zu  lange  in  Aetzkali  gelegen  haben,  kann  man 
leicht    den    Ausführungsgang     einer    cylindvischen    Drüse     verfolgen, 


Fig.  107. 


Epeira  diadema.  —  Linke  mittlere  Spinnwarze ,  von 
der  ventralen  Fläche  gesehen.  Kalipräparat.  Gund- 
lach,  Oc.  1,  Obj.  IV.  Camera  dura.  A,  vorderer 
Rand  der  angehefteten  Basis ;  B,  äusserer  Rand ;  C, 
innerer  Rand ,  der  sich  an  den  entsprechenden  der 
gegenüberstehenden  Warze  anlegt ;  D,  Gipfel  der  Warze, 
a,  Fiederhaare  auf  demselben ;  h,  Ersatzkegel ;  c,  hin- 
terer Spinnkegel ';  d,  grosser  mittlerer  Spinnkegel; 
e,  kurze  und  dicke  Spinnröhren ,  in  Papillen  über- 
gehend; /,  Mittelfeld  mit  dünnen,  aber  kurzen  Spinn- 
röhrchen;  f/,  Spitzen  der  langen  Spinnröhrchen;  h, 
geschlossene  Reihen  sehr    langer  Spinnröhrchen. 


welche  in  diesem  Spinn- 
kegel endet.  Der  Gang 
läuft  längs  der  band- 
artigen Sehne  eines 
grossen,  in  der  Basis 
der  Spinnwarze  gelege- 
nen Muskels,  der  durch 
seine  Zusamraenziehung 
die  Warze  nach  hinten 
und  innen  beugt,  so 
dass  sie  diejenige  der 
anderen  Seite  berührt. 

Die  ganze  ventrale 
Fläche  der  mittleren 
Spinnwarzen  (Fig. 
107)  bildet  nur  ein  fast 
dreieckiges  Feld,  das 
mit  einer  grossen  An- 
zahl von  Spinnröhrchen, 
etwa  150  nach  Buch- 
h  0 1  z  und  L  a  n  d  o  i  s  , 
bedeckt  ist,  zwischen 
welchen  wir  nur  zwei  iso- 
lirte  Spinnkegel  unter- 
scheiden konnten.  Die 
auf  dem  Umkreise  des 
Feldes  sitzenden  Röhr- 
chen sind  sehr  lang, 
dünn  und  mit  ihren  lan- 
gen und  spitzen  Enden 
gegen  die  Mitte  des 
Feldes  gerichtet,  wo  die 


Röhren  kürzer  werden 
und  nicht  so  gedrängt  stehen.  Die  nach  hinten  gerichtete  Spitze  der 
Warze  trägt  keine  Spinnröhrchen,   wohl   aber  einige   gefiederte   Haare. 


Arachniden. 


235 


Etwas  rückwärts  vom  Ende  steht,  noch  von  einzelnen  Röhrchen  um- 
geben, ein  grosser  Spinnkegel  (d)  mit  stark  chitinöser  Basis  und  nach 
unten  gerichteter  Spitze,  in  welchen  der  Ausführungsgang  einer  baum- 
förmigen  Drüse  mündet,  dessen  Verlauf  man  selbst  auf  Kalipräparaten 
leicht  verfolgen  kann.  Am  inneren  Rande  der  Warzenspitze  sieht  man 
einen  kleineren  Kegel  (c)  mit  einem  winzigen  Ersatzkegel  an  der 
Basis  (b).  Wir  haben  hier  nicht,  wie  Buch  holz  und  Landois, 
zwei  gleich  grosse  Spinnkegel  sehen  können ,  wohl  aber  finden  wir, 
vor  dem  grossen  Kegel,  zwei  grössere  Spinni'öhren ,  die  kurz  und  dick 
sind  (e),  eine  Uebergangsform  zwischen  Kegeln  und  Röhren  darstellen 
und  in  welche  cylindrische  Drüsen  münden. 

Um  das  Spinnfeld  der  hinter  en  War  ze  (Fig.  108)  ganz  über- 
schauen  zu   können ,   muss  man   sie   in  Dreiviertelstellung  beobachten, 

Fig.  108. 


e     e-^    e-'       A- 


Epeira  diudema.  —  Rechte  hintere  Spinnwarze ,  von  der  Innenfläche  gesehen.  Kali- 
präparat. G  und  lach,  Obj.  1,  Oc.  V.  Camera  dara.  A,  YorJerrand;  B,  Hinter- 
rand ;  C,  Gipfel  mit  einem  Ersatzkegel,  a,  b,  c,  drei  am  Vorderrand  stehende  Spinn- 
kegel mit  abgestumpfter  Spitze;  c^  Ausführungsgang,  der  in  einem  der  Kegel  endet; 
d,  Spinnkegel  am  Rande  mit  lans^r  Spitze;  e,  grosser  Spinnkegel  nahe  am  hinteren 
Rande ;  e^,  seine  Spitze ;  e^,  Basalstiel ;  e^,  Einsetzungsring  der  Basis ;  e*,  in  den 
Kegel  mündender  Ausführungsgang ;  /,  Spinnpapillen ;  g,  bei  den  Erwachsenen  mit 
langen  Spinnröhren  besetzter  Raum  ;  //,  punktirte  Linie ,  welche  die  Grenze  dieses 
Raumes  gegen  die  Basis  der  Spinnwarze  hin  ungefähr  umschreibt. 


wie  unsere  Zeichnung  sie  giebt.  Man  sieht  dann  freilich  nur  das 
Spinnfeld  der  einen  Warze  und  von  der  gegenüberstehenden  nur  die 
chitinöse,  stark  behaarte  Ausseufläche.  Das  Spinnfeld  selbst  ist  keil- 
förmig zugeschnitten   und  nur  auf  der  Innenfläche    entwickelt,   die   im 


236  Arthropoden. 

Ruhezustande  unmittelhar  auf  der  mittleren  Spinnwarze  aufliegt.  Man 
sieht  auf  diesem  Felde  Kegel,  kurze  und  lange  Spinnröhren.  Letztere 
aber  scheinen  sich  nur  bei  der  letzten  Häutung  zu  entwickeln.  Wir 
haben  wenigstens  Kreuzspinnen  gesehen ,  wo  sie  vollkommen  fehlten, 
so  dass  man  mit  grosser  Leichtigkeit  die  Anordnung  der  beiden  anderen 
Elemente  untersuchen  konnte.  Unsere  Zeichnung  (Fig.  108)  stellt  ein 
solches  Feld  dar.  Wir  haben  den  Raum ,  den  die  langen  Spinn- 
röhrchen  bei  älteren  Exemplaren  einnehmen,  mit  einer  punktirten 
Linie  umgrenzt. 

Auf  der  Mitte  des  Feldes  sieht  man  19  kurze  Spinnpapillen  (/) 
mit  breiter  Basis,  kurzer  Spitze,  die  kaum  so  hoch  ist  als  die  Basis 
und  dieser  mit  einem  verdickten  Ringe  aufsitzt.  Sie  stehen  etwas  un- 
regelmässig in  drei,  der  Axe  des  Spinnfeldes  parallelen  Reihen.  Am 
vorderen  Rande  des  Feldes  stehen  vier  grosse  Spinukegel,  von  welchen 
drei  (a,  b,  c)  eine  kurze,  etwas  nach  innen  eingestülpte  Spitze  haben, 
während  der  dritte  in  der  Reihe  (d)  eine  sehr  lange,  feine  Spitze  zeigt. 
Nach  Buch  holz  und  Landois  münden  in  diesen  Kegel  eine  baum- 
förmige,  in  die  anderen  cylindrische  Drüsen,  deren  Ausführungsgänge  (c^) 
sich  leicht  verfolgen  lassen. 

Hinter  den  Spinnpapillen,  nahe  am  Rande  der  Warze,  findet  sich 
ein  enorm  grosser  Spinnkegel  (e)  mit  umfassender  Kegelbasis  (e^)  und 
stumpfer  Spitze  (e^) ,  in  welchen  der  weite  Ausführungsgang  (e^)  einer 
cylindrischen  Drüse  mündet. 

In  dieser  Weise  stellt  sich  das  Spinufeld  bei  Exemplaren  dar, 
welche  noch  nicht  die  letzte  Mauser  überstanden  haben.  Aber  bei 
den  alten  Kreuzspinnen  findet  sich  noch  ein  wahrer  Wald  von  langen 
Spiunröhren,  denjenigen  der  mittleren  Spiunwarzen  ähnlich,  welche 
nicht  nur  den  auf  der  Figur  umschriebenen  Raum  (]i) ,  sondern  auch 
den  Platz  zwischen  den  Papillen  und  dem  Rande  der  Warze  {g)  so 
dicht  besetzen ,  dass  man  den  grossen  hinteren  Spinnkegel  e  kaum 
herausfinden  kann.  Wir  machen  ganz  besonders  auf  diesen  Unter- 
schied zwischen  jüngeren  und  älteren  Individuen  aufmerksam,  den  wir 
auf  zahlreichen  Exemplaren ,  die  alle  in  derselben  Weise  behandelt 
waren,  constatiren  konnten. 

Buchholz  und  Landois  unterscheiden  drei  Arten  äusserer 
Spinnwerkzeuge,  die  langen  Spinniöhrcheu,  die  kurzen,  die  wir  Spinn- 
papillen genannt  haben,  und  die  Spinnkegel  oder  Spinnzapfen.  Man 
kann  diese  Eintheilung  wohl  annehmen ,  aber  immerhin  mit  der  Ein- 
schränkung, dass  Uebergänge  zwischen  diesen  verschiedenen  Bildungen 
vorkommen. 

Die  Spinn  röhren,  die  man,  wie  gesagt,  auf  den  mittleren  und 
hinteren  Warzen  antrifft,  sind  wie  alle  anderen  aus  zwei  Theilen,  einer 
Basis  und  einer  Spitze  zusammengesetzt.  Der  Basaltheil  gleicht  einem 
Glasröhrchen  mit  dicken  Wänden;   man   sieht   in  ihm  die  Fortsetzung 


Aracliniden.  237 

eines  Ausführungsganges  einer  birnförmigen  Drüse.  Das  Röhrchen 
endet  plötzlich  ringförmig  abgeschnitten  und  trägt  auf  dem  etwas  ein- 
geschlagenen Ringe  die  feine  Endspitze,  deren  Höhlung  die  Fort- 
setzung des.Drüsenganges  ist,  der  mit  einem  kaum  erkenntlichen  Löch- 
lein auf  der  Spitze  endet.  Das  Basalröhrchen  kann  sich  aber  be- 
deutend verkürzen  und  in  der  Mitte  des  Spinnfeldes  der  mittleren 
Warze  findet  man  solche  Röhrchen  ,  die  zu  einem  Ringe  geschwunden 
sind. 

Wenn  dieser  Ring  sich  etwas  verbreitert  und  einen  abgestumpften 
Kegel  bildet,  so  haben  wir  die  Spinnpapillen,  wie  sie  sich  auf  der 
vorderen  und  im  Centrum  des  Spinnfeldes  der  hinteren  Warze  finden. 
Die  abgestumpfte  Kegelbasis  ist  am  distalen  Ende  etwas  nach  innen 
eingebogen  und  auf  diesem  Riugkragen  sitzt  die  oft  leicht  gekrümmte 
Spitze,  die  auf  den  Röhrchen  stets  gerade  ist.  Man  sieht  auf  dem 
Ende  der  mittleren  Spinnwarze  hier  und  da  Bildungen,  welche  eine 
Mittelform  zwischen  Röhren  und  Papillen  darstellen. 

Die  Kegel  zeigen  eine  den  Papillen  ähnliche,  aber  weiter  ent- 
wickelte Strtictur.  Ein  abgestumpfter,  sehr  dicker  Kegel  bildet  die 
Basis;  der  distale  Ringkragen  ist  nach  innen  eingestülpt  und  bildet 
so  einen  beutelartigen  Fang  für  die  massive  Basis  der  Spitze,  welche 
meist  distal  abgestutzt  scheint.  Mit  Immersionslinsen  glauben  wir 
gesehen  zu  haben,  dass  die  Spitze  sich  nach  innen  einstülpt.  Wir 
glauben  deshalb ,  dass  die  einzelnen  Theile  des  Spinnkegels,  etwa  wie 
die  Theile  eines  Fernrohres,  in  einander  geschoben  werden  können, 
wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  die  Spitze  in  ihren  Hohlraum 
und  der  ganze  Endtheil  in  den  basalen  Kegel, 

Wir  zählen  auf  jeder  vorderen  Spinnwarze  einen  Kegel,  je  zwei 
auf  jeder  mittleren,  je  vier  auf  jeder  hinteren  Spinnwarze,  also  14  im 
Ganzen,  in  welche  sich  die  Ausführungsgänge  der  baumartigen  und 
cylindrischen  Drüsen  vertheilen.  Die  anderen  Bildungen,  Röhrchen 
und  Papillen,  nehmen  die  Gänge  der  birnförmigen  Drüsen  auf.  Wir 
haben  an  den  Ersatzkegeln  auf  den  vorderen  und  mittleren  Spinn- 
warzen keine  sich  zu  ihnen  begebende  Ausführungsgänge  entdecken 
können. 

B.  Innere  Theile  (Fig.  109  a.  f.  S.).  —  Die  Spinndrüsen 
bilden  einen  bedeutenden  Theil  der  Eingeweide  des  Bauches.  Sie  füllen 
fast  gänzlich  den  Raum  zwischen  dem  Tegumente  der  Unterfläche  und 
den  grossen  Längsmuskeln,  erstrecken  sich  bis  in  die  Nähe  des  Bauch- 
stieles und  verknäueln  sich  in  fast  unentwirrbarer  Weise.  Buchholz 
und  Landois  haben  sie  sehr  genau  untersucht  (1.  c).  Wir  unter- 
scheiden mit  ihnen  drei  Arten  von  Spinndrüsen. 

Die  birnförmigen  Drüsen  (Glandulae  aciniforuies,  H.Meckel) 
(k,  7,  m,  Fig.  109)  bilden  jederseits  drei  Packete,  eines  für  jede  Spinn- 
warze.    Sie  sind  in  der  That  biruförmig,  am  distalen  Ende  abgerundet 


238 


Arthropoden. 

Fm.  109. 


E]jeira  diadema.  —  Gesammtpräparat  der  Spinndrüsen  und  der  Tracheen.  G  u  n  d  - 
lach,  Oc.  1,  Obj.  00.  Combinirte  Figur,  welche  die  Organe  von  der  ventralen  Seite 
her  zeigt.  Man  hat  nur  das  Tegument  des  Aft^rfeldes  belassen  und  die  inneren 
Organe  ausgebreitet.  Um  den  Ueberblick  zu  erleichtern,  hat  man  auf  der  rechten 
Seite  nur  die  cylindrischen  und  birnförmigen  Drüsen  gezeichnet,  die  Packete  der  letz- 
teren nur  angedeutet  und  die  Spinnwarzen  dieser  Seite  ausgeführt.  Linkerseits  sind 
nur  drei  baumförmige  Drüsen  vollständig  und  von  zweien  nur  die  Ansführungsgänge 
dargestellt  und  die  Spinnwarzen  nur  durch  Conturen  angedeutet.  a ,  mittleres 
Tracheenpaar ;  6,  seitliches  Tracheenpaar ;  c,  Tracheenvorhof  mit  seinen  seitlichen 
Chitinstützen  und  der  Oeffnung  in  Form  einer  Quersjialte ;  cZ,  Chitiudorn ;  e,  Warze 
(rudimentäres  Cribellum);  /,  vordere  Spinnwarzen;  g,  mittlere;  ä,  hintere;  z,  After- 
warze ;  Ä-,  vorderes  Packet  von  birnförmigen  Drüsen ;  /,  mittleres  Packet ;  m,  hinteres 
Packet  (alle  diese  Gruppen  sind  weit  zahlreicher,  aber  um  Verwirrung  zu  verhüten, 
hat  man  nur  wenige  Drüsen  gezeichnet) ;  n ,  der  vorderen  Spinnwarze  angehörige 
Cylindei'drüse ;  o,  p,  q,  zu  der  mittleren  und  hinteren  Spinnwarze  gehörige  Cylinder- 
drüsen ;  r,  baumförmige  Drüsen ;  r',  Ausführungsgänge  von  zwei  nicht  dargestellten 
«  baumförmicjen  Di'üsen. 


Arachniden.  239 

und  gehen,  sich  zuspitzend,  in  einen  sehr  feinen  Ausführungsgang  über, 
der  sich  nach  kurzem,  meist  geradem  Verlaufe  zu  einer  Spinnröhre 
oder  Papille  hegiebt.  Die  zu  je  einer  Spinnwarze  gehörenden  Canäle, 
die  eine  feine  Hülle  haben,  bilden  zusammen  ein  Bündel.  Der  Drüsen- 
körper zeigt  sich,  je  nach  seiner  Füllung,  mehr  oder  minder  ge- 
schwollen ;  das  relativ  sehr  mächtige  Epithelium  bildet  eine  Art  Kappe 
um  ihn,  die  mit  scharfer  Grenze  an  dem  Ausführungsgange  aufhört. 
Die  Seide,  welche  die  Höhle  des  Drüsenkörpers  und  den  Gang  ausfüllt, 
erscheint  unter  dem  Mikroskope  als  ein  homogener,  stark  lichtbrechen- 
der Stoff,  Wir  müssen  hier  den  Anfänger  vor  einer  Täuschung 
warnen,  welcher  er  leicht  verfallen  kann.  Das  Epithelium  löst  sich 
sehr  leicht  von  dem  Drüsenkörper  ab,  von  dem  dann  nur  die  Aus- 
füllung mit  erhärteter  Seide  zurückbleibt.  Ein  solcher  Abguss  zeigt 
eine  Menge  kleiner,  warziger  Erhöhungen,  welche  beweisen,  dass  das 
Ei^ithelium  auf  seiner  Innenseite  entsprechende  hohle  Eindrücke  zeigt. 
Diese  Abgüsse  haben  oft  eine  verlängerte,  cylindrische  Form  (einige 
solcher  Abgüsse  sind  in  dem  hinteren  Packete  [m,  Fig.  109]  dar- 
gestellt) ,  wenn  die  Drüse  nicht  sehr  voll  war.  Jedes  Packet  enthält 
bis  zu  hundert  Drüsenkörper. 

Die  cylindrischen  Drüsen  (»,  0,  }),  q,  Fig.  109)  sind  jeder- 
seits  vier  an  der  Zahl,  je  eine  für  die  vordere  und  mittlere  und 
zwei  für  die  hintere  Spinnwarze.  Diese  sehr  langen  und  in  ihrer 
distalen  Hälfte  weiten  Röhren  haben  einen  sehr  gewundenen  und  unter 
sich  verschlungenen  Verlauf.  Man  kann  keinen  Schnitt  durch  den 
Hinterleib  legen,  ohne  einige  Schlingen  derselben  zu  treffen.  Sie  be- 
ginnen mit  einem  abgerundeten  blinden  Ende,  bleiben  auf  der  grössten 
Strecke  ihres  Verlaufes  cylindrisch  und  erweitern  sich  unmittelbar  vor 
dem  Uebergange  in  den  Ausführungscan al  zu  einer  meist  spindel- 
förmigen Sammelblase ,  die  je  nach  dem  Grade  der  Füllung  mit  Seide 
mehr  oder  minder  bauchig  erscheint  und  zuweilen  (n,  Fig.  109)  auf 
sich  selbst  gewunden  erscheint.  Wir  haben  diese  Erweiterung  stets 
vorgefunden,  zuweilen  aber  so  wenig  entwickelt,  dass  die  Röhre  fast 
überall  die  gleiche  Weite  besass.  Auch  bei  diesen  Drüsen  hört  das 
Epithelium  mit  scharfer  Grenze  am  Beginne  des  Ausführungsganges 
auf.  Der  Gang  selbst  zeigt  eine  auffallende  Bildung.  Er  wird  rasch 
sehr  eng,  zeigt  sich  nur  von  einer  feinen  Haut  umgeben  und 
steigt,  oft  Schlingen  bildend,  zu  der  ihm  zugetheilten  Spinnwarze 
herab.  In  der  Nähe  derselben  angelangt,  bildet  er  immer  in  der- 
selben Hülle  eine  scharfe  Schlinge,  steigt  wieder  bis  zum  Drüsen- 
körper empor,  schlägt  sich  aber  dort  von  Neuem  nach  unten,  um  nun 
direct  zur  Spinuwarze  zu  gehen.  Man  sieht  also  auf  dem  grössten 
Theile  der  Erstreckung  des  unter  geringen  Vergrösserungen  schein- 
bar einfachen  x^usführungsganges  drei  Canäle  in  der  gemeinschaft- 
lichen Hülle. 


240 


Arthropoden. 


Die  bäum  form  igen  oder  lappigen  Drüsen  (r,  r  ,  Fig.  109) 
sind  ziemlich  voluminös  und  scheinen  auf  den  ersten  Blick  sehr  ab- 
weichend von  den  anderen  gestaltet.  Es  finden  sich  fünf  auf  jeder 
Seite,  eine  für  die  mittlere,  die  vier  anderen  für  die  hintere  Spinn- 
warze. Es  sind  gehäufte  Drüsen  mit  hohlen  Läppchen  und  secundären 
Ausbuchtungen,  die  sich  um  einen  weiten  Innenraum  gruppiren,  in 
welchem  der  Ausführungsgang  plötzlich  mit  etwas  trichterförmig 
erweitertem  Eingange  beginnt.  Dieser  ziemlich  weite  und  geschlän- 
gelte Ausführungsgang  ist  auf  seinem  ganzen  Verlaufe  von  einer  Fort- 
setzung des  Drüsenepitheliums  umgeben,  das  einzelne  Buckel  und  war- 
zige Erhöhungen  bildet,  die  eine  gelblichbraune  Färbung  zeigen. 
Durch  diesen  Ueberzug  lassen  sich  die  Ausführungsgänge  der  baum- 
förmigen  Drüsen  leicht  unterscheiden. 

Wenn  auch  die  Spinndrüsen  hinsichtlich  ihrer  äusseren  Gestaltung 
sehr  verschieden   sind,  so    zeigen   sie    doch   viel  Uebereinstimmung  in 

Fig.   110. 


A  B 

Epeira  dladema.  —   Querschnitte  der  Wand  einer  cylindrischen  Drüse.    Leitz,  Oc.  1, 
Obj.  7.      Camera   lucida.      A,    Füllungszustand;    B,    leerer    Zustand,     a,  äussere  Hüll- 
haut ;   b,  Zellenschicht ;  c,  Kerne ;    d,  innere  Grenzmembran ;    e,  Tröpfchen,  die  Zellen 
füllend  ;  /,  feinere  Granulationen. 


ihrem  inneren  Bau.  Man  unterscheidet  in  ihren  Wänden  drei  Schich- 
ten:  eine  sehr  dünne,  äussere  Hülle  (a,  Fig.  110),  in  welcher  man  hier 
und  da  abgeplattete  Kerne  antrifft  und  dann  eine  mittlere  Zellen- 
schicht von  sehr  wechselndem  Ansehen  und  Dicke.  Auf  den  distalen 
Enden  der  cylindrischen  Drüsen  ist  die  Schicht  besonders  mächtig, 
ebenso  auf  den  birnförmigen,  wenn  ihre  Form  noch  cylindrisch  und 
ihre  Innenhöhle  noch  nicht  durch  die  Absonderung  bauchig  aufgetrieben 
ist.  Meist  ist  diese  Schicht  mit  kleinen ,  tropfenartigen  Körperchen 
oder  Bläschen  von  etwa  gleichem  Durchmesser,  die  sich  lebhaft  färben, 
so  sehr  überfüllt  (J,  Fig.  110),  dass  von  einer  weiteren  Structur  nichts 
zu  erkennen  ist.     Doch  stehen  diese  Tröpfchen  meist  in  radienförmiger 


Arachniden. 


241 


Fig.  111. 


Anordnung  von  dem  Centrum  nach  aussen,  wo  sie  feiner  werden. 
Wenn  aber  die  Tröpfchen  fehlen,  so  sieht  man,  dass  die  Mittelschicht 
(B,  Fig.  110)  aus  sehr  langen  Zellen  besteht,  deren  Grenzen  sich  sehr 
deutlich  erkennen  lassen;  ihr  Protoplasma  ist  dann  feinkörnig  und  an 
dem  inneren,  der  Drüsenhöhlung  zugewendeten  Ende  liegt  ein  ovaler 
Kern,  dessen  grosse  Axe  derjenigen  der  Zelle  parallel  läuft.  Die  innere 
Auskleidung  der  Zellenhöhle  (d,  Fig.  110)  ist  chitinöser  Natur  und 
lässt  keine  weiteren  Structurelemente  erkennen.  Man  sieht  oft  in  ihr 
die  erwähnten  Grübchen ,  welche  durch  den  Absonderungsstoff  aus- 
gegossen werden.  In  den  birnförmigen  Drüsen  hört  diese  Chitinschicht 
in  geringer  Entfernung  von  dem  Beginne  des  Ausführungsganges  her 
auf.  Man  kann  dies  V^erhältniss  leicht  durch  Behandlung  mit  einer 
schwachen  Lösung  von  Aetzkali  darthun,  wodurch  die  äussere  und 
mittlere  Schicht  aufgelöst  wird  und  die  innere  in  Gestalt  eines  Trich- 
ters übrig  bleibt,  der  sich  in  den  Ausführungs- 
canal  fortsetzt.  Solche  Präparate  ähneln  einiger- 
niaassen  einem  nicht  mit  Aetzkali  behandelten 
Ausführungsgange  der  baumförmigen  Drüsen, 
wenn  man  von  dessen  Belag  absieht,  der  aus 
Epithelialdrüsenzellen  besteht,  welche  kleiner 
und  runder  sind,  als  die  der  eigentlichen  Drüse 
und  sich  mit  bräunlichen  Körnchen  gefüllt 
zeigen. 

H.  Meckel  (siehe  Literatur)  hatte  noch 
knotige  Drüsen  erwähnt,  die  jederseits  aus 
einem  dicken ,  verästelten  und  hier  und  da 
knotig  aufgetriebenen  Stamme  bestehen  sollten. 
Buchholz  und  Landois  leugnen  die  Exi- 
stenz dieses  Drüsenpaares.  Wir  haben  bei  etwa 
fünfzig  untersuchten  Exemplaren  eines  gefun- 
den, wo  ein  Paar  dicker,  knotiger  Röhren  ohne 
Verästelungen  sofort  durch  ihre  Grösse  und  ihre 
schmutzig  gelbbraune  Farbe  auffielen.  Wir 
halten  dieselben  für  pathologische  Veränderun- 
gen cylindrischer  Drüsen. 
Männliche  Geschlechtsorgane.  A.  Innere  Organe.  — 
Die  Hoden  bilden  zwei  längliche,  im  vorderen  Theile  des  Ab- 
domens zwischen  dem  Teguraente  und  den  unteren  Längsmuskeln  des 
Bauches  gelegene  Säcke.  Ihr  hinteres  blindes  Ende  hat  die  Form 
einer  Keule  und  erstreckt  sich  etwa  bis  in  das  Drittel  der  Länge  des 
Bauches.  Die  beiden,  im  Durchschnitte  runden  Säcke  sind  vollständig 
von  einander  getrennt,  verlaufen  parallel  mit  der  Mittellinie  nach 
vorn,  indem  sie  sich  allmählich  verengern  und  gehen  ohne  bestimmte 
Grenze  in  die  Samenleiter  über,  die  bis  in  die  Nähe  der  beiden  Lungen- 

Vogt  11.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  IQ 


Epeira  diudema.  —  Skizze 
der  inneren  männlichen  Or- 
gane, achtfach  vergrössert. 
a,  Hoden;  h-,  Samenleiter; 
c,  Sammeltasche  ;  d,  deren 
Oeflfüunc!;. 


242  Arthropoden. 

spalten  sich  erstrecken.  Hier  angekommen ,  biegen  die  beiden  Canäle 
plötzlich  in  scharfem  Bogen  gegen  die  Mittellinie  ein  und  vereinigen 
sich  in  einer  flascheuförmigen,  gemeinsamen  Tasche,  deren  mit  stark 
chitiuösen  Lippen  ausgestattete  Oeffnung  nach  hinten  gerichtet  ist, 
während  die  Samengänge  in  den  nach  vorn  gerichteten  Boden  der 
Sammeltasche  münden.  Ein  querer  Chitinwulst  zieht  sich  von  einer 
Lungenöffnung  zur  anderen  über  die  Oeffnung  hin. 

Man  unterscheidet  in  der  Wand  des  Hodens  drei  Schichten,  von 
welchen  zwei,  die  äussere  und  innere,  stets  sehr  deutlich  sind,  während 
die  mittlere,  eine  structurlose  Lamelle,  sich  an  vielen  Stellen  nicht 
erkennen  lässt.  Die  äussere  ist  eine  aus  platten,  schwach  granulirten 
Zellen  bestehende  PeritonealhüUe;  die  innere  Epithellalschicht  zeigt 
grössere  Zellen,  die  stellenweise  mit  Granulationen  überfüllt  sind. 

Nach  Bertkau  (siehe  Literatur)  kann  man  darin  zwei  Arten  von 
Zellen  unterscheiden:  grosse  helle  Samenzellen  mit  einem  Kerne,  die 
vorzugsweise  im  blinden  Ende  des  Sackes  augehäuft  sind  und  nach 
Schminkewitsch  (siehe  Literatur)  zu  gigantischen  Zellen  mit 
mehreren  Kernen  stellenweise  anwachsen,  und  Körnchenzellen,  die  sich 
besonders  in  der  Nähe  des  Ausganges  des  Sackes  finden  xind  allein  das 
Epithelium  des  Samenganges  bilden. 

Nach  Bertkau  sind  die  Zoospermen  stecknadelförmig  mit  kurzem 
Schwanzanhang. 

Der  Muskelapparat  der  Sammeltasche  lässt  sich  leicht  auf  Schnitten 
untersuchen;  die  Muskeln  sind  sehr  klein  und  bestehen  oft  nur  aus 
wenigen  Fasern.  Auf  der  Seite  der  Tasche  befindet  sich  ein  kurzer 
Muskel,  der  sich  vor  der  Genitalsjjalte  an  das  Tegument" ansetzt. 
An  die  beiden  Lippen  der  Spalte  setzen  sich  feine  Bündel  an ;  die  der 
oberen  Lippe  gehen  vom  Tegumente  aus ,  die  der  hinteren  Lippe 
verschmelzen  mit  den  Bündeln  des  grossen  Längsmuskels  des  Bauches. 

B.  Begattungsorgane.  Taster  des  Männchens  (Fig.  112). — 
Wir  brauchen  auf  die  Taster  des  Weibchens  nicht  zurückzukommen, 
da  sie  bei  der  Begattung  keine  Rolle  spielen.  Wohl  aber  sind  die 
Taster  des  Männchens  zur  Ueberführung  des  Samens  in  die  weib- 
lichen Organe  sehr  bedeutend  modificirt  und  verlangen  demnach  eine 
eingehendere  Betrachtung. 

Man  kann  im  Zweifel  sein,  ob  diese  Taster  aus  fünf  oder  sechs 
Gliedern  bestehen.  Bei  den  jungen  Männchen ,  welche  die  letzte 
Mauser  noch  nicht  bestanden  haben,  sind  sie  ebenso  wie  die  weiblichen 
Taster  deutlich  aus  sechs  Gliedern  gebildet  (Fig.  91),  deren  letztes  eine 
birnförmige  Gestalt  hat,  an  seiner  Basis  stark  verdickt  ist  und  an  seiner 
Spitze  plötzlich  mit  einem  etwas  gekrümmten  Wärzchen  endet,  das 
keine  Kralle  trägt.  Dieses  Endglied  ist  rundum  mit  kurzen ,  ziemlich 
dicken  Haaren  besetzt  und  zeigt  keine  Spur  jener  complicirten  Bil- 
dungen, welche,  wie  Bertkau  (siehe  Literatur)  sehr  klar  auseinander- 


Arachniden. 


243 


gesetzt  hat,  erst  mit  der  letzten  Häutung  auftreten.  Diese  Bildungen 
überwuchern  aber  die  beiden  letzten  Glieder  des  Tasters  in  solcher 
Weise,  dass  man  diese  als  ein  Ganzes  ansehen  kann,  das  wir  den  Be- 
gattungsapparät  nennen. 

Das  Basalsegment  des  Tasters,  welches  am  Thorax  zwischen  dem 
Kiefer  und  dem  ersten  Beinpaare  eingelenkt  (I,  Fig.  112)  ist,  hat  eine 
fast  kugelförmige  Gestalt.  Das  zweite  Glied  (II)  dagegen  ist  sehr 
lang,  cylindrisch  und  trägt  einige  wenige  steife  Haare  am  Aussenrande. 
Im  Innern    zeigt   es   eine  chitinöse  Längslamelle  zum  iVnsatz  der  Mus- 

Fig.   112. 


V» 


Epeira  diadema.  —  Linker  Taster  des  Männchens,  von  der  ventvaleu  Fläche  gesehen. 
Kalipräparat.  Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  2.  Camera  clara.  I — IV,  die  vier  Stiel- 
glieder, vom  Cephalothorax  aus  numerirt ;  V,  Basalsegment  des  Begattungsapparates 
(fünftes  Glied) ;  Y',  Einlenkung  mit  dem  folgenden  Gliede ;  V",  Lamelle ;  V'",  be- 
haarter Stachel;  a,  äusserer  Löffel,  Nagelglied;  ö,  Zünglein;  c,  Gelenk;  d,  innerer 
Löffel;  d' ,  sein  zum  Gelenke  von  a  laufender  Rand  ;  e,  Haken ;  _/",  äussere  Mündung  des 
mit  g  bezeichneten  Canals  ;  Ä,  Haarwald  auf  dem  Behälter  ;  i,  äussere  Hälfte  ;  h,  innere 
Hälfte  des  Behälters ;  /,  angeiförmiger  Canal  zwischen  beiden ;  »i,  seine  OefFnung ; 
n,  obere,  von  einem   körnigen  Wulste  umgebene  Oeffnung. 

16* 


244  Arthropoden. 

kein.  Das  dritte  Glied  (IIT)  ist  wieder  kurz,  gekrümmt  mit  der  con- 
vexen  Seite  nach  hinten,  das  vierte  (IV)  etwas  länger,  ist  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  gekrümmt. 

Auf  diesem  vierten  Gliede  sitzt  mit  schmaler  Basis  der  Begat- 
tun  g  sapparat  (V)  auf,  der,  in  seinem  Ganzen  betrachtet,  die  Gestalt 
einer  dicken,  mit  ihrem  Stiele  auf  dem  vierten  Gliede  eingelenkten 
Birne  hat  und  an  dem  wir  drei  Theile  unterscheiden,  die  Basis,  den 
mittleren  Behälter  und  die  distalen  Löffel. 

Wir  beschreiben  zuerst  die  Organisation,  wie  sie  sich  auf  Kali- 
präparaten darstellt.  Es  bedarf  einer  langen  Behandlung  in  der 
Wärme,  um  die  Menge  gesättigt  braunen  Pigmentes,  die  eine  genauere 
Untersuchung  erschwert,  wegzuschaffen.  Nachdem  man  solche  Prä- 
parate studirt  hat,  untersucht  man  in  verschiedenen  Richtungen  gelegte 
Schnitte.  Die  Untersuchung  lebender  Thiere  kann  wegen  des  Pig- 
mentes keine  genauere  Aufschlüsse  geben;  doch  kann  man  bei  ihnen 
die  Gegenwart  von  Spermatozoen,  von  Muskeln  und  die  Ausstülpung 
der  Theile  bei  der  Begattung  nachweisen. 

Der  distale  Löffeltheil  besteht  in  der  That  aus  zwei  Chitin- 
bildungen, die  -unter  einander  und  mit  dem  Behälter  eingelenkt  sind 
und  die  Gestalt  von  zwei  Löffeln  oder  gegenüberstehenden  Backen 
einer  Kornzange  zeigen.  Der  äussere  Löffel  {a,  Fig.  112),  auch 
teguhim  genannt,  ist  weitaus  der  giösste;  er  hat  die  Gestalt  eines 
krummen ,  innen  hohlen  Nagels  und  wird  von  einer  dicken  Chitin- 
lamelle gebildet,  die  auf  der  Oberfläche  schwarze  Längsstreifen  zeigt, 
welche  unter  starken  Vergrösserungen  als  erhabene,  mit  kleinen  Körn- 
chen besetzte  Rippen  sich  darstellen.  An  seiner  hohlen  Lmenfläche 
erhebt  sich  ein  rundliches  Kissen,  mit  starken  aber  durchsichtigen  Chitin- 
wänden, welches  wir  das  Zünglein  (5)  nennen  wollen.  Der  Löffel  nebst 
dem  mit  seiner  Basis  verwachsenen  Zünglein  ist  an  der  äusseren  Fläche 
des  Behälters  (c)  so  eingelenkt,  dass  er  sich  in  die  Aushöhlung  des 
inneren  Löffels  (d)  einlegen  kann.  Dieser  letztere  ist  dünn,  häutig, 
aber  weit  und  setzt  sich  mit  seiner  Basis  zu  beiden  Seiten  (d')  um 
den  äusseren  Löffel  nach  hinten  bis  zur  Einlenkungsstelle  desselben 
fort.  Er  umschreibt  auf  diese  Weise  eine  weite  Höhlung,  die  mit  dem 
äusseren  Löffel,  wie  mit  einem  Deckel,  geschlossen  werden  kann. 

Der  äussere  Löffel  wird  noch  durch  einen  grossen  Haken  (e) 
verstärkt,  den  Embolus  der  Autoren,  dessen  feste  Wände  aus  schwarzer 
Chitinmasse  gebildet  sind  und  der  so  gebogen  ist,  dass  er  bei  der 
Niederlegung  sich  genau  in  die  Ausbuchtung  des  inneren  Löffels  ein- 
legt. Die  Basis  dieses  Hakens  hängt  mit  derjenigen  des  Züngleins 
zusammen.  Er  wird  in  seiner  ganzen  Länge  von  einem  Canale  (g) 
durchsetzt,  der  in  seinem  erweiterten  Theile  den  Samen  enthält,  al#o 
Samenbehälter  {Heceptacuhmi  semims)  ist.  Es  scheint  uns,  als  ob 
dieser  Canal  unterhalb  des  Löffelgelenkes  mit  einer  Oeffnung  (/)  nach 


Arachniden.  245 

aussen  münde,  die  von  einem  etwas  aufgewulsteten  Chitinringe  um- 
geben ist.  Nacti  Wagner  (siehe  Literatur)  ist  dieser  Behälter  nach 
hinten  geschlossen  und  nur  durch  den  feinen  Porus  an  der  Spitze  des 
Hakens  nach  aussen  geöffnet.  Durch  diese  Oeffnung  soll  der  Samen 
durch  Capillarität  aus  der  Sammeltasche  des  Genitalapparates  auf- 
gepumpt werden.  Es  will  uns  scheinen,  als  ob  die  erwähnte  Oeffnung 
zu  diesem  Zwecke  diene,  dass  sie  aber  mechanisch  geschlossen  werde, 
sobald  bei  der  Ausstülpung  während  der  Copulation  der  Nagel  sich  hebt.' 

Die  Organisation  der  Behälterregion  lässt  sich  nur  schwer 
entwirren,  da  sie ,  namentlich  auf  ihrer  Innenfläche,  mit  einem  Walde 
steifer,  langer  Haare  bedeckt  ist  (/*),  während  die  Löffel  durchaus 
haarlos  sind.  Sie  hat  die  Gestalt  eines  Kegels,  auf  dessen  Basis  die 
Löffel  eingelenkt  sind.  Die  distale  Hälfte  des  Kegels  zeigt  auf  der 
Innenseite  Verdickungen  in  Gestalt  spiralförmiger  Chitinfäden  (/), 
welche  an  die  Spiralfäden  der  Tracheen  bei  den  Insecten  erinnern, 
aber  in  der  That  chitinisirte  Muskelfasern  sind.  Zwischen  den  Bün- 
deln dieser  Fäden  sieht  man  an  der  Basis  des  inneren  Löffels  eine 
körnige,  gelappte  Masse,  welche  eine  Oeffnung  (n)  umgiebt.  Am 
proximalen  Ende  der  äusseren  Bündel  tritt  ein  Caual  (?)  hervor,  welcher 
sich  wie  eine  Angel  nach  vorn  krümmt  und  mit  einer  von  einem  Wulste 
umgebenen  Oeffnung  (m)  in  die  von  den  inneren  Faserbündeln  um- 
gebene Höhlung  mündet. 

Nach  diesen  an  Kalipräparaten  gemachten  Beobachtungen  besteht 
der  Behälter  aus  zwei  Theilen:  einem  grösseren  dorsalen,  welcher  eine 
weite  Oeffnung  auf  dem  Grunde  der  zwischen  den  beiden  Löffeln  aus- 
geweiteten Höhlung  besitzt  und  durch  einen  gekrümmten  Canal  mit 
dem  kleineren,  ventralen  Sacke  coramunicirt.  Nach  Wagner  ist  der 
ganze  Behälter  eine  weite  Blutlacune,  die  durch  chitinöse  Scheide- 
wände in  mehrere  Abtheilungen  getrennt  ist  und  bei  der  Begattung 
durch  den  Druck  des  in  ihr  enthaltenen  Blutes  den  Haken  und  die  be- 
nachbarten Theile  nach  aussen  vorstülpen  soll. 

Mit  seinem  verengten  Stiele  ruht  der  Behälter  aiif  dem  Basal- 
stücke (V),  welches  zugleich  die  Rolle  einer  Deckschuppe  spielt.  Nach 
vorn  verbreitert  sich  dieses  Stück  in  eine  dünne ,  durchsichtige  und 
ausgehöhlte  Lamelle  (V")  und  sendet  nach  vorn  einen  starken,  eben- 
falls gekrümmten  Dorn  aus  (V"),  der  mit  langen,  starren  Haaren  be- 
setzt ist.  Wenn  die  vorderen  Theile  des  Tasters  etwas  zurückgezogen 
sind,  legt  sich  dieser  Deckapparat  dicht  auf  ihre  äussere  Fläche  an  und 
vervollständigt  so  mit  den  auf  der  inneren  Fläche  und  dem  Gelenke 
des  Behälters  entwickelten  Haaren  den  Borstenbesatz   des  Tasters. 

Weibliche  Geschlechtsorgane.  A.  Innere  Organe.  — 
Der  Eierstock  hat  die  Gestalt  eines  von  oben  nach  unten  etwas  ab- 
geplatteten Sackes,  der  unter  dem  Darme  auf  den  ventralen  Längs- 
muskeln liegt;   seitlich   ist   er  von  Spinndrüsen   und   Leberlappeu   um- 


246  Arthropoden. 

geben.  Sein  blindes  Ende  verschmälert  sich  allmählich  nach  hinten. 
Auf  der  Rückenfläche  zeigt  sich  eine  seichte  Längsrinne,  die  sich 
nach  vorn  hin  mehr  und  mehr  vertieft,  während  die  unmittelbar 
auf  den  Längsmuskeln  ruhende  Unterfläche  etwas  gewölbt  erscheint. 
Durch  die  Vertiefung  der  Längsrinne  wird  der  Sack  in  zwei  vor- 
dere Zipfel  getheilt,  die  sich  ganz  trennen  und  in  die  Eileiter  fort- 
setzen. 

Das  Volumen  des  Eierstockes  wechselt  ausserordentlich,  je  nach 
der  Jahreszeit;  zur  Zeit  der  Reife  der  Eier  erfüllt  er  grossentheils  die 
Leibeshöhle  und  drückt  die  übrigen  Organe  in  der  Weise  zusammen, 
dass  die  Leber  bedeutend  schwindet.  Da  sein  Gewebe  durch  die  här- 
tenden Reagentien  sehr  spröde  und  krümlich  wird,  ist  es  nur  schwer, 
gute  Schnitte  zu  erhalten. 

Die  Wände  des  Ovariums  zeigen  oft  nach  innen  vorspringende 
Falten,  welche  die  innere  Höhle  in  einzelne  Kammern  theilen,  die  in- 
dessen niemals  vollständig  abgeschieden  sind.  Man  sieht  aufschnitten 
innerhalb  einer  feinen  Peritonealhülle  eine  Schicht  cylindrischer  Zellen 
von  fast  gleicher  Höhe,  die  eine  körnige  Masse  bedecken,  welche  aus 
kleinen,  runden,  braunen  Körnchen  besteht.  Die  Zellenschicht  bildet 
die  Falten,  welche  sich  nach  innen  einschlagen;  sie  ist  von  einer  feinen 
Grenzmembran  bedeckt  und  häufig  durch  dieselben  braunen  Körnchen 
gefärbt.  Die  Eichen  individualisiren  sich  nach  und  nach  in  der  Zellen- 
schicht an  der  Wand,  mit  der  sie  noch  lange  Zeit  durch  einen  breiten 
Stiel  zusammenhängen.  Man  unterscheidet  deutlich  in  ihnen  eine 
äussere  Eigenwand  und  einen  centralen  Kern  mit  einem  Kernkörperchen 
im  Inneren,  das  meist  mit  dunklen  Körnchen  erfüllt  ist;  zuweilen 
erblickt  man  aiTch  einen  oder  zwei  helle  runde  Kerne  ohne  Kern- 
körperchen.  Das  Protoplasma  ist  höchst  fein  granulirt.  Ein  Dotter- 
kern, wie  er  sich  bei  anderen  Spinnen  findet,  entwickelt  sich  niemals 
in  den  Eiern  der  Kreuzspinne. 

Das  Ausführungssystem  ist  ziemlich  complicirt. 

Die  Eileiter  sind  verengerte  Fortsetzungen  der  Wand  des  Eier- 
stockes, die  unten  an  der  Vorderfläche  desselben  sich  loslösen  und  nach 
kurzem  Verlaufe  in  einen  queren  Uterus  (a,  Fig.  113)  eintreten,  in  dessen 
Höhle  sie  an  der  Hinterfläche  der  seitlichen  Zipfel  einmünden.  Von 
der  Unterfläche  dieser  dickwandigen  Sammelhöhle  geht  ein  Canal  ab, 
der  Scheidengang  (?)),  der  sich  nach  unten  gegen  die  Ventralfläche 
des  Abdomens  wendet,  nachdem  er  vorher  noch  eine  kleine  ventrale 
Ausbuchtung  gebildet  hat,  die  drüsiger  Natur  scheint  und  sich  dann  in 
zweiCanäle  theilt,  von  welchen  der  eine,  der  Scheid enc anal  (c),  die 
Richtung  nach  unten  beibehält,  hart  an  dem  Strahlenpolster  des  I^e- 
gattungsapparates,  von  dem  wir  später  sprechen  werden,  vorbeistreicht 
und  sich  in  einem  stai-k  chitinisirten  Wärzchen  nach  aussen  öffnet. 
Nach  Schimkewitsch  soll  dieser  Gansf  seitlich  sich  in  das  Strahlen- 


Arachniden. 


247 


polster   öfiFnen.      Wir   haben    uns    von    dieser   Yerbindnng    nicht   über- 
zeugen können. 

Der  zweite,  sehr  kurze  Ast  des  Scheidenganges  öffnet  sich  in  die 
Scheide  (/)  selbst,  etwa  in  der  Hälfte  ihrer  Erstreckung.  Denn  diese 
spaltförmige  Höhle,  die  nach  unten  in  der  medianen,  queren  Genital- 
spalte nach  aussen  mündet,  setzt  sich  nach  oben  tief  in  die  Gewebe 
des  Abdomens  in  Form  einer  Spalte  fort,  die  anfangs  sehr  eng  und 
von  stark  gefalteten  Chitinwänden  eiugefasst  ist,  dann  sich  aber 
erweitert  und  schliesslich   eng   endet.     Die  Wände   dieser  Scheiden- 


d.    o 


Fig. 

113. 

a 

a 

n. 

^55>^ 

Sagittalschuitt  der  weibliclieu  Oi'gane.  Leitz,  Oc.  1,  Obj.  0.  Cameva  lucida. 
a,  Uterus ;  «',  braunrothe  Körner  in  seiner  Höhle ;  b ,  Scheidengang ;  c,  mittlere 
Drüsenausstülpung,  gestreift ;  d,  Scheidenbucht ;  e,  Scheidencanal ;  e',  seine  äussere 
OefFnung;  _/",  Genitalspalte  (Scheide);  g.  Chitin  warze ;  7^,  Samenbehäller ,  gestreift; 
i,  Strahlenpolster;  Ä-,  /,  m,  Muskeln;  «,  n,  Leberlappen;  o,  crlindrische  Spinndrüsen, 
durchschnitten ;  p,  Tegument  der  hinteren  Abtheilung  des  Abdomens ;  q,  der  vorderen 
Abtheilung;  r,  äussere  Schicht  des  Tegumentes,    durch  den  Druck  des  Messers  etwas 

abcjelöst. 


bucht  ((?)  zeigen    sehr  eigenthümliche   Chitinbildungen,    von   welchen 
weiter  unten  die  Rede  sein  wird. 

Die  Wand  des  Uterus  wird  von  einer  Schicht  sehr  hoher  und 
gleichförmiger  Zellen  gebildet,  welche  dicht  zusammengedrängt  eine 
dicke    Schleimhaut    erzeugen.       Die    Wände    dieser    Zellen     sind    sehr 


248' 


Arthropoden. 


deutlich,  das  Protoplasma  schwach  körnig,  der  in  der  Mitte  gelegene 
Kern  oval  mit  seiner  Längsaxe  derjenigen  der  Zelle  parallel.  In  den 
Höhlen  des  Eileiters  wie  des  Uterus  findet  sich  stets  eine  krümliche, 
aus  braunrothen  runden  Körnern  von  gleicher  Grösse  gebildeten  Masse. 
Der  Uterus  ist  von  einer  Muskelhaut  umgeben,  deren  Bündel  in  fast 
gleichen  Abständen  von  einander  gelagert  sind. 

Die  Wände  der  verschiedenen  Canäle  des  Scheidensysteras  haben 
nicht  überall  den  gleichen  Bau.  Die  Vorderwand  des  Scheidenganges 
zeigt  sich  auf  einem  Längsschnitte  (jB,  Fig.  114)  stark  gefaltet  und  ein- 

Fio-.  114. 


a.         b      c 


Eipdra  diadema.  ■ —  Einzelheiten  der  weiblichen  Organe.  Leitz,  Oc.  3,  Obj.  7. 
Camera  lucida.  A,  Wand  des  Uterus,  Querschnitt.  u,  äussere  Hülle ;  6,  innere 
Grenzmembran ;  c,  Zellen ;  d,  Kerne.  B,  Scheidengang,  Längsschnitt,  a,  chitinogene 
Schicht;  b,  innere  Falten.  C,  Scheidenbucht,  Querschnitt,  a,  chitinogene  Schicht; 
&,   lamellöse  Chitinschicht ;  c,  innere  baumartige   Chitinbildungen. 


gebuchtet;  vielleicht  halten  sich  die  Zoospermen  in  diesen  Buchten 
zwischen  den  Chitinblättern  auf,  welche  aiif  einer  lamellösen  Chitin- 
schicht aufsitzen.  Die  chitinogene  Schicht  darunter  zeigt  sehr  lange 
Zellen ,   die   zuweilen   fächerförmig   gestellt  sind.     Die  Hinterwand  des 


Arachniden.  249 

Ganges  ist  ebenfalls  chitinös ,  aber  vollkommen  glatt  und  oliue  Aus- 
buchtungen ,  während  die  chitinogene  Schicht  hohe  Zellen  von  gleicher 
Länge  zeigt,  die  einen  leicht  erkenntlichen,  in  der  Mitte  gelegenen, 
dorsalen  Kern  besitzen,  dessen  grosse  Axe  horizontal  gerichtet  ist. 

Die  Scheidenbucht  ist  auf  ihrer  ganzen  Erstreckung  mit  einer 
dicken  Chitinhaut  ausgekleidet,  die  verästelte  Bäurachen  trägt,  deren 
Zweige  oft  mit  denen  der  benachbarten  Bäumchen  verschmelzen.  Die 
ganze  Bildung  gleicht  vollkommen  derjenigen,  welche  man  auf  den 
Wänden  der  Lungenhöhle  findet.  Die  chitinogene  Schicht  zeigt  hohe 
Cylinderzellen. 

Die  Muskeln  des  Genitalapparates  sind  wenig  zahlreich.  Einige 
Forscher  haben  zarte  Muskelfasern  in  der  Wand  des  Eierstockes  selbst  zu 
sehen  geglaubt.  Jedenfalls  steckt  der  Uterus  gewissermaassen  in  einem 
musculösen  Sacke.  Ein  langes  Muskelband  zieht  sich  von  der  Scheiden- 
bucht zur  Bauchwand  hin  längs  der  Hinterwand  der  Genitalspalte.  In 
der  Vorderwand  dieser  Spalte  unterscheidet  man  einen  Quermuskel 
und  einen  senkrechten  Muskel ,  der  sich  nach  oben  an  den  Scheiden- 
canal,  nahe  am  Austritte  desselben  aus  dem  Uterus  und  nach  uuteu 
an  die  Genitalplatte  festsetzt. 

B.  Die  äusseren  Geschlechtsorgane  des  Weibchens 
(Fig.  115  a.  f.  S.)  liegen  auf  der  ventralen  Fläche  des  Hinterleibes  in  ge- 
ringer Entfernung  von  dem  Stiele  und  den  Hüften  des  letzten  Bein- 
paares, zwischen  dessen  Hüften  der  Samenbehälter  sich  mit  seiner 
Spitze  im  höchsten  Grade  der  Erection  einlegt.  Dieser  geht  von  einem 
kegelförmigen,  in  der  Mittellinie  gelegenen,  stark  vorspringenden  Hügel 
aus,  an  dessen  Rand  die  beiden,  zu  den  Lungeusäcken  führenden 
Querspalten  reichen. 

Zur  Untersuchung  dieser  Theile  muss  man  reife  Weibchen  aus- 
wählen, welche  die  letzte  Mauser  überstanden  haben.  Bei  jüngeren 
Thieren  sind  die  Organe  noch  rudimentär.  Aetzkali  dient  zur  Auf- 
hellung der  stark  pigmentirten  Theile. 

Der  Genitalhügel  ist  von  einem  starken  Chitinwalle  (D,  Fig.  115) 
rings  umgeben,  mit  Ausnahme  des  hinteren  Schlusses,  wo  der  Wall 
sich  in  zwei  Schlingen  (g)  krümmt,  die  einen  dreieckigen  Raum  (?j  frei 
lassen,  der  in  den  Samenbehälter  führt.  Die  Eintrittsstelle  wird  von 
einer  abgerundeten,  sehr  dicken  Chitinlippe  (h)  überdeckt,  deren  Ecken 
sich  flügeiförmig  erweitern  und  nach  innen  gegen  die  Mitte  der 
Strahlenpolster  (/)  sich  fortsetzen.  Diese  Polster  bilden  in  der  That 
dicke  Massen,  die  von  radienartig  gestellten  Porencanälen  durchbohrt 
sind  und  auf  der  Mitte  des  Polsters,  wo  man  sie  von  oben  sieht,  als 
Punkte  sich  darstellen,  während  man  im  Umkreise  die  strahlige  An- 
ordnung der  Canäle  sieht.  Indessen  ist  diese  Peripherie  nicht  voll- 
ständig, da  der  entsprechende  Schenkel  des  Lippenwulstes  sich  in  eine 
Kerbe  einsenkt.    In  der  Profilansicht  sieht  man,  dass  das  beschriebene 


250 


Arthropoden. 


Polster  nach  innen  und  etwas  nach  hinten  von  dem  Apparate  gelegen 
ist,  welcher  die  beiden  Oeffnungen  der  Scheidencanäle  urngiebt.  Die 
beschriebene  Lippe  mit  den  beiden  Polstern  scheinen  einen  elastischen, 
federnden  Apparat  zu  bilden,  welcher  im  Ruhezustande  die  in  den 
Samenbehälter  führende  Oeflfuung  schliesst.  —  Dieser  Behälter 
(C,  Fig.  115)  bildet  einen  langen,  an  der  Basis  etwas  weiteren,  aus- 
dehnbaren Schlauch   mit   dicken  Wänden,   der  sich  gegen   sein   blind 

Fig.  115. 


i--«^ 


Epeira  dladema.  —  Aeussere  weibliche  Geschlechtstheile  von  der  Bauchfläche.  Kali- 
präparat. Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  2.  Camera  clara.  Auf  der  linken  Seite  des  Ge- 
schlechtsschildes hat  man  die  Theile  so  gezeichnet,  wie  sie  sich  bei  niedrig  gestelltem 
Fociis  zeigen,  während  ^uf  der  rechten  Seite  die  Theile  bei  oberflächlich  gestelltem 
Focus  gezeichnet  sind.  A,  ümriss  der  Körperwand;  B,  weit  geöffnete  Athemspalte 
mit  Andeutung  der  Lunge;  C,  Samenbehälter;  X*,  Geschlechtsschild,  von  einem  Chitin- 
wulste umgeben,  a,  Oeffiiung  des  Scheidencanales ;  b,  chitinöse  Deckplatte  desselben 
mit  einem  Innenflügel  d  und  einem  nach  innen  umgekrempten  Rande,  der  einen  zahn- 
förmigen  Vorsprung  c  trägt;  e,  halbmondförmiges  Porenpolster;  /,  inneres  Strahlen- 
polster ;  g ,  krumme  Handhabe  des  das  Genitalscliild  umgebenden  Chitinwulstes ; 
h,  starke  Chitinlippe,  die  nach  vorn  die  Eingangsöffnung  deckt  und  mit  zwei  seit- 
lichen Handhaben  sich  mit  dem  Strahlenpolster  verbindet;  k,  Basis  des  Samen- 
behälters ;  i,  seine  etwas  gebogene  Spitze. 


Arachniden.  251 

geschlossenes  Ende,  das  meist  etwas  gegen  den  Baacli  gekrümmt  ist, 
allmählich  verengert.  Die  ^Yände  zeigen  starke  Querfalten ,  die  wie 
vorspringende,  um  den  Schlauch  gelegte  Reifen  aussehen.  Auf  der 
dem  Bauche  zugewendeten  Fläche  und  an  der  Spitze  des  Organes 
stehen  einige  steife  Haare.  Das  Volumen  und  die  Ausdehnung  des 
Schlauches  wechseln  ungemein;  wir  haben  ihn  bei  einzelnen  Individuen 
in  Form  eines  sehr  kurzen  und  dicken  Kegels ,  eines  Kerzenlöschers, 
bei  anderen  wieder  in  der  gezeichneten  Gestalt  gesehen.  Meist  ist  die 
Spitze  des  Schlauches  nach  vorn  gerichtet  und  reicht  zuweilen  fast  bis 
auf  die  Mitte  des  Brustschildes;  in  anderen  Fällen  ist  er  nach  hinten 
übergeschlagen.  In  einem  Präparate,  welches  wir  besitzen,  ist  das 
Gebilde  so  zusammengefaltet,  dass  man  zwei  au  ihrer  Basis  zusammen- 
hängende Schläuche  sieht,  welche  der  Figur,  die  Bertkau  (siehe 
Literatur)  von  dem  angeblich  doppelten  Samenbehälter  von  Lini/phia 
macrognatha  gegeben  hat  (Taf.  7,  Fig.  16  von  Bertkau),  so  ähnlich 
sehen,  dass  man  glauben  könnte,  diese  Figur  sei  unserem  Präparate 
entnommen. 

Die  beiden  runden  Scheidencanalöffnungen  (fl)  liegen  seitlich 
vor  der  Eingangsspalte  des  Samenbehälters,  mit  dessen  Stützgebilden  sie 
durch  ein  sehr  complicirtes  Chitingerüst  verbunden  sind.  Der  vor- 
tretende Ring,  der  eine  jede  dieser  Oeffnungen  umgiebt,  erweitert  sich 
zu  einer  durchsichtigen  Platte  (5),  welche  die  Oeff'uung  grossentheils 
deckt  und  krümmt  sich  nach  innen  ein,  um  eine  Art  Tasche  zu  bilden, 
deren  Rand  ein  scharfes,  spitzes  Zähnchen  zeigt  (c).  Der  Ring  erweitert 
sich  noch  gegen  die  Mittellinie  hin  in  eine  dünne,  runde  Platte  (f?) 
und  stützt  sich,  nach  hinten  und  aussen,  auf  eine  halbkreisförmige, 
punktirte  Platte  (e),  deren  Umwallung  mit  ihm  in  directer  Verbindung 
steht.  Ausserdem  verbindet  sich  noch  der  Ring  an  seinem  hinteren 
Innenrande  mit  der  Schlinge  des  Umfassungswalles  {g) ,  die  wir  oben 
beschrieben  haben,  durch  einen  starken,  gekrümmten  Chitinstab,  den 
man  bei  der  Seitenansicht  sehr  gut  verfolgen  kann. 

Die  verschiedenen  Hautwechsel  sind  von  mannigfaltigen  Modifica- 
tionen  dieses  Apparates  begleitet.  Bei  sehr  jungen  Weibchen  haben 
wir  nur  eine  Querspalte  gesehen,  die  mit  ihren  Ecken  fast  mit  den 
Athemsj^alten  zusammenfiel;  dann  fanden  wir  bei  anderen  Exem- 
plaren chitinöse  Bogenspangen  am  Rande  dieser  Spalte,  von  welchen 
die  mittlere  einen  Raum  umschrieb,  welcher  der  Eingangsöffnung  des 
Samenbehälters  entsprach,  während  zwei  seitliche  Kreisbildungen  den 
Polstern  und  den  Scheidencanalöffnungen  entsprachen  ;  bei  noch  anderen 
sahen  wir  diese  Bildungen  von  einem  noch  sehr  kleinen,  zarten,  aber  doch 
schon  quergefalteten  Behälter  in  Form  eines  Kegels  überragt.  In  allen 
diesen  Fällen  ist  der  Behälter  leer,  während  er  in  dem  entwickelten 
Zustande,  den  unsere  Figur  darstellt,  kurze,  stecknadelförmige  Sperma- 
tozoen  enthält. 


252  Arthropoden. 

Die  Araneiden,  zu  welchen  unsere  typische  Kreuzspinne  geliört,  zeigen 
im  Allgemeinen  keine  sehr  bedeutende  anatomische  Verschiedenheiten.  Wenn 
die  Haken  der  Cheliceren  sich  bei  der  Kreuzspinne ,  wie  bei  allen  Dipneio- 
monen,  von  aussen  nach  innen,  oder  wie  bei  Mygale,  von  oben  nach  unten 
einschlagen ,  so  bedingt  dies  ebenso  wenig  bedeutende  Unterschiede  in  der 
Organisation,  als  die  grössere  oder  geringere  Entwicklung  der  Giftdrüsen. 
Die  Kiefer,  Taster  und  Beine  zeigen  überall  denselben  Grundplan  des  Baues 
mit  durch  die  verschiedene  Lebensart  bedingten  Abweichungen.  So  haben 
alle  Orhitelen ,  die  regelmässige  Netze  spinnen,  zwei  Ersatzkämme  an  den 
Füssen,  wie  Epeira,  wälirend  diejenigen,  welche  filzige  Netze  machen,  statt 
dessen  eine  Bürste  von  steifen  Haaren  besitzen.  Grössere  Verschiedenheiten 
zeigen  sich  im  Spinn  apparate  selbst.  Die  Mygaliden  haben  meist  nur  zwei 
grosse  und  ein  Paar  kleinere  Spinnwarzen.  Bei  vielen  Dipneumonen  {Filis- 
tata,  Aynaurohius,  Eresus  etc.)  findet  man  vorn  zwischen  dem  ersten  Spinn- 
warzenpaare eine  von  zahlreichen ,  sehr  feinen  Poren  durchsetzte  Doppel- 
platte, die  ohne  Zweifel  ein  äusserst  feines  Eilzgewebe  absondert  und  be- 
sonders bei  den  "Weibclien  entwickelt  ist.  Jeder  Porus  stellt  auf  einem 
dünnen,  sehr  kurzen  Spinnröhrchen,  in  welches  der  Ausführungsgaug  einer 
winzigen ,  im  Bau  den  birnförmigen  Drüsen  ähnlichen  Drüse  niündet.  Das 
Cribellum,  Avie  man  diese  Bildung  genannt  hat,  besteht  demnach  aus  zwei 
abgeplatteten,  von  einem  Chitinring  umschlossenen  Spinnwarzen  und  da  die 
unpaare ,  nur  mit  Haaren  besetzte  Warze ,  welche  wir  bei  Epeira  nach- 
gewiesen haben,  genau  denselben  Platz  einnimmt,  betracliten  wir  diese  Warze 
als  eine  dem  Cribellum  homologe  aber  verkümmerte  Bildung.  Bei  denjenigen 
Spinnen,  welche  ein  Cribellum  besitzen,  findet  sich  noch  eine  eigenthüniliche 
Bildung  des  vorletzten  Gliedes  des  hintersten  Fusses ,  der  auf  seiner  oberen 
Fläche  eine  Art  Rinne  zeigt,  auf  deren  Rändern  starke,  krumme,  abgeplattete 
und  gefiederte  Haare  in  zwei  Reilien  stehen.  Zuweilen  (Dictyna,  Dioti?na) 
wird  die  Rinne  durch  eine  vorspringende  Kante  ersetzt ,  die  nur  eine  Reihe 
solcher  Fiederhaare  trägt.  Man  hat  diese  Bildung  das  Calamistrum  genannt ; 
seine  Entwicklung  steht  immer  in  genauem  Verhältniss  zu  derjenigen  des 
Cribellum. 

Das  Nervensystem  zeigt  stets  dieselbe  Anordnung :  eine  ohne  Zweifel 
aus  der  Verschmelzung  mehrerer  primitiver  Ganglienpaare  hervorgegangene 
Centralmasse,  welche  vom  Schlünde  durchbohrt  wird,  zu  allen  am  und  im 
Cephalothorax  gelegenen  Organen  Aeste  und  auch  an  den  Magen  einige 
feine  Zweige  sendet  und  eine  Verlängerung  in  den  Hinterleib  treibt,  die  sich 
in  zwei  parallele  Zweige  spaltet,  welche  die  Abdominalorgane  versorgen  und 
bis  zu  den  Spinnwarzeu  sich  verfolgen  lassen.  —  Die  Augen  zeigen  grössere 
Variationen.  Ausser  den  bei  Epeira  erwähnten  Verschiedenheiten  zwischen 
den  mittleren  und  den  seitlichen  Augen  findet  sich  noch  bei  den  Springern 
[Salticus ,  Lycosa)  ein  metallisch  glänzendes  Tapetum ,  ähnlich  demjenigen 
vieler  Säugethiere. 

Der  Verdauungsapparat  mit  seinen  Anhängen  (Saugmagen,  Blinddärme, 
Leber,  Malpighi'sche  Gefässe  etc.)  zeigt  nur  unbedeutende  Variationen. 
Um  so  bedeutender  treten  diese  bei  den  Athemorganen  hervor.  Bei  den 
Tetrapneumonen  {Mygale,  Cteniza)  finden  wir  zwei  Paare  von  Lungen  statt 
eines,  die  hinter  einander  liegen,  übrigens  aber  in  gleicher  Weise  gebaut 
sind,  wie  bei  Epeira  und  jedes  seine  eigenen,  unabhängigen  Spaltöfthungeu 
besitzt.  Dagegen  besitzen  diese  Vierlunger  keine  Tracheen  oder  Atheni- 
röhren,  wie  alle  anderen  Spinnen  sie  besitzen.  Nach  Bertkau  (siehe  Lite- 
ratur) zeigen  diese  Tracheen  sehr  verschiedene  Entwicklungsstufen.  Bei 
den  meisten  sind  sie,  wie  bei  der  Kreuzspinne,  einfache,  mit  Körnchen  ge- 
füllte Röhrchen  ,    welche  in  einem  gemeinsamen ,    sehr  engen,  queren  Stigma 


Äracliniden.  255 

unmittelbar  vor  den  Spinnwarzen  ausmünden.  Meist  finden  sich  zwei  solclier 
Eöhrchen  jederseits,  welche  sich  im  Abdomen  verzweigen  (?) ;  zuweilen  ver- 
schmelzen die  mittleren  mit  einander  und  werden  nach  vorn  hin  weiter. 
Dieses  sehr  einfache  Traclieensystem  complicirt  sich  bei  den  Thomisiden,  wo 
die  Tracheen  sich  baumartig  verästeln  und  bei  den  Aftisiden,  wo  sie  seitliche 
Pinsel  bilden,  die  sich  in  zahlreiche  feine  Zweige  auflösen.  Endlich  findet 
mau  hei  den  Dysderiden  und  bei  Argyronda  zwei  getrennte  Stigmen,  die 
weiter  nach  vorn  hinter  den  Spaltöffnungen  der  Lungensäcke  angebracht 
sind  und  von  welchen  vordere  und  hintere  Aeste  abgehen,  die  sich  in  Pinsel 
von  sehr  zahlreichen,  feinen  Zweiglein  endigen.  Bei  diesen  Gattungen 
ersti'ecken  sich  die  vorderen  Tracheenäste  bis  in  die  Vordergegend  des  Ce- 
phalothorax.  —  Der  Kreislauf  ist  bei  den  verschiedenen  Familien  noch  nicht 
in  vergleichender  Hinsicht  untersucht  worden  —  unsere  Kenntniss  von  dem- 
selben ist  fast  ganz  auf  dasjenige  beschränkt,  was  Claparede  von  Lyrosa 
gezeigt  hat,  deren  Bau  in  dieser  Hinsicht  dem  von  Epeira  im  Wesentlichen 
gleicht  (siehe  Literatur). 

Die  inneren  Geschlechtsorgane  zeigen  geringe  Verschiedenheiten.  Die 
Endschläuche  der  Hoden  gehen ,  allmählich  dünner  werdend .  in  die  Samen- 
gänge über,  wie  bei  unserer  Kreuzspinne ,  oder  die  Schläuche  schnüren  sich, 
wie  in  den  meisten  Fällen,  plötzlich  gegen  die  Samengänge  ab.  Die  Zoo- 
spermen haben  meist  die  Form  kurzer,  dicker  Stecknadeln  mit  gekrümmten 
Schwänzen;  bei  Pholcus ,  ■  Oleterus ,  Tefragnathiis  sind  sie  kugelförmig.  Bei 
Segestria  allein  hat  man  auch  kugelförmige  Spermatophoren  gefunden.  — 
Die  Ovarien  zeigen  im  Wesentlichen  überall  denselben  Bau  :  die  Eier  tragenden 
Theile  sind  bei  Segestria  und  Oleferus  zu  einem  Ringe  verschmolzen.  —  Die 
äusseren  Begattung'sorgane  dagegen ,  die  Taster  des  Männchens  und  die 
Samenbehälter  zeigen  die  auffallendsten  Verscliiedeiiheiten ,  über  deren  Ein- 
zelheiten wir  auf  die  Schriften  von  Menge,  Bertkau  und  Her  man  ver- 
weisen (siehe  Literatur). 

Die  Entwicklung  der  Eier  und  der  Embryonen  ist  von  Herold,  Clapa- 
rede, Balbiani,  Barrois  und  Balfour  untersucht  worden  (siehe  Lite- 
ratur). 

Die  grosse,  vielgestaltige  Gruppe  der  Arihrogastra  zeigt  zahlreiche  Varia- 
tionen ,  welche  sich  im  Allgemeinen  auf  die  Gestaltung  des  deutlich  ge- 
gliederten Hintei'leibes  beziehen ,  der  mit  breiter  Basis  dem  Cephalotliorax 
ansitzt.  Die  inneren  Organe ,  Nervensystem ,  Herz ,  Darm  etc.  verlängern 
sich  in  der  That  um  so  mehr,  je  mehr  der  Hinterleib  sich  auszieht;  bei  den 
Phalangiden.  und  Solifugen,  die  in  dieser  Beziehung  mehr  den  Spinnen  gleichen, 
bleiben  die  Organe  kurz  und  gedrängt,  während  sie  bei  den  anderen  sich 
ausdehnen  und  bei  den  Scorpionen  Gestaltungen  annehmen,  die  an  diejenigen 
der  langgeschwänzten  Krebse  erinnern.  Die  Pedipalpen  besitzen  noch  Cbeli- 
ceren  mit  Klauen,  ähnlich  denjenigen  der  Araneiden,  und  es  ist  wahrschein- 
lich, dass  dieselben  mit  Giftdrüsen  in  Verbindung  stehen,  da  der  Biss  dieser 
Thiere  in  ihrer  Heimath  sehr  gefürchtet  ist ;  bei  den  anderen  sind  die  Cheli- 
ceren  in  Scheeren  umgewandelt,  die  bei  den  Solifugen  vertical ,  bei  den 
übrigen  aber  horizontal  gestellt  sind.  Wir  überlassen  der  Zoologie  die  Be- 
schreibung der  äusseren  Theile  und  erwähnen  hier  nur,  dass  die  Arthro- 
gastern  meist  keine  Spinnwarzen  besitzen  und  dass  die  Palpen  der  Männchen 
niemals  bei  ihnen  zu  Begattungswerkzeugen  umgewandelt  sind. 

Die  innere  Organisation  der  Pedipalpen  ist  nur  dürftig  bekannt  und  ver- 
diente eine  genauere  Specialuntersuchung.  Der  Darm  ist  gerade  gestreckt, 
ohne  Blinddärme ;  das  Nervensystem  dagegen  schliesst  sich  durch  seine  Con- 
centration  an  dasjenige  der  Araneiden  an.  Bei  der  Gattung  Thelyphonus 
setzt  sich   das  Bectum    durch    das   dreigliedrige,    röhrenförmige  Postabdomen 


254  Arthropoden. 

fort.  Man  fiudet  bei  ihnen  Mal p i gli  i' sehe  Röhren,  wie  bei  allen  ArthrO' 
gastern.  Sie  haben,  wie  die  tetrapnenmonen  Spinnen,  zwei  Paare  von  Lungen- 
säcken ;  die  Stigmen  liegen  auf  dem  zweiten  und  dritten  Segmente  des 
Hinterleibes  und  die  Lungen  selbst  bestehen  aus  einer  sehr  grossen  Anzahl 
von  abgeplatteten  Tracheenröhren.  Man  weiss  nichts  Genaues  über  die 
Kreislaufs-  und  Geschlechtsorgane.  Die  Gattung  Phrynus  bringt  lebendige 
Junge  zur  Welt. 

Die  Phalangiden,  die  in  den  gemässigten  Klimaten  weit  verbreitet  und 
zahlreich  sind ,  wurden  häufig  und  genau  untersucht.  Die  Cheliceren  bilden 
zweiflngerige  Scheeren;  die  überaus  laugen  und  dünnen  Beine  lösen  sich 
leicht  ab.  Die  Palpen  sind  lang ,  birnförmig  und  oft  mit  Klauen  bewaffnet. 
Man  bemerkt  in  den  Tegumenten  zweierlei  Arten  von  Drüsen.  Ein  grosses, 
braunes  Drüsenpaar,  das  seitlich  am  Cephalothorax  liegt,  wurde  von  einigen 
Autoren  für  ein  supplementäres  Augenpaar  gehalten.  Diese  Drüsen  sondern 
einen  übelriechenden  Stoif  ab  und  wurden  deshalb  auch  als  Stinkdrüsen 
bezeichnet.  Die  anderen  als  Hautdrüsen  betrachteten  Bildungen  finden  sich 
auf  der  Basis  des  letzten  Beinjjaares ;  man  konnte  aber  keine  Ausführungs- 
gänge nachweisen.  Das  Nervensystem  ist  wie  bei  den  Spinnen  concentrirt; 
es  besteht  aus  einem  auf  dem  Schlünde  gelegenen  verschmolzenen  Ganglien- 
paare ,  das  mit  der  Unterschlundmasse  durch  dicke ,  kurze  Connective  ver- 
bunden ist,  so  dass  der  Durchtritt  für  den  Schlund  sehr  eng  ist.  Das  obere 
Ganglion  entsendet  einen  dicken  Sehnerven,  der  sich  bald  theilt,  um  zu 
den  beiden  Augen  zu  gehen  und  zwei  Seitennerven  zu  den  erwähnten  Stink- 
drüsen. Die  Unterschlundmasse  ist  gross ,  abgerundet ;  von  ihrem  voi-deren 
Rande  gehen  die  Nerven  für  die  Mundtheile ,  von  den  Seitenrändern  die  für 
die  Beine  und  nach  hinten  drei  Nerven,  ein  unpaarer  und  zwei  seitliche,  für 
den  Darm  und  die  übrigen  Organe  des  Bauches  ab.  Letztere  verästeln  sich 
bald  und  bilden  ein  netzartiges  Geflecht ,  in  welchem  kleine  Ganglien  mit 
unregelmässigen  Umrissen  zerstreut  liegen.  —  Die  geräumige  Mundhöhle  ist 
mit  feinen  Haaren  besetzt;  sie  führt  nach  Plateau  (siehe  Literatur)  in  einen 
senkrechten  engen  Schlund,  der  eine  Muskelhaut,  Eigenhaut,  eine  Epithelial- 
schicht  und  eine  innere  Cuticula  zeigt,  die  sechs  verdickte  LängsriiDpen  besitzt, 
an  welche  sich  strahlenförmige  Erweiterungsmuskeln  ansetzen.  Der  Pharynx 
ist  von  einer  dicken  Kreismuskelschicht  umgeben,  deren  Zusammenziehung 
ihn  verengt.  Diese  Schicht  verdünnt  sich  auf  dem  ziemlich  langen  Oeso- 
phagus und  endet  am  Eintritte  desselben  in  das  Nervensystem.  Die  anderen 
Schichten ,  sowie  die  Längsrippen  setzen  sich  über  den  engen  Schlund  fort, 
der  mit  einer  geringeren  Erweiterung  in  den  Mitteldarm  übergeht,  welcher 
einen  weiten  birnförmigen  Sack  bildet,  von  dessen  oberen  und  Seitenflächen 
zahlreiche  Bliudsäcke  ausgehen,  die  mit  sechs  Paaren  von  Oeffnungeu  in  den 
Sack  münden.  Die  Blindsäcke  besitzen  keine  Muskelschicht,  wohl  aber  ein 
mehrschichtiges,  cylindrisches  Endothelium,  dessen  Zellen  sich  mit  Granula- 
tionen füllen,  schliesslich  aber  sich  ablösen  und  in  die  Höhlung  des  Blindsackes 
fallen.  Das  Endothelium  des  Mitteldarmes  ist  ähnlich ,  aber  weniger  hoch ; 
seine  Zellen  platzen  und  ihr  Inhalt  bildet  Kothballen  in  dem  hinteren  Theile  des 
Darmes;  das  Rectum  bildet  ebenfalls  einen  weiten  Sack  mit  dünner  Muskel- 
schicht und  in  Büscheln  gestellten  Endothelialzellen.  Es  hängt  mit  dem 
Mitteldarm  durch  einen  engen  Darm  zusammen,  der  zuerst  schief  und  dann 
senkrecht  nach  der  Bauchfläche  hin  verläuft ;  der  After  mündet  in  einer 
chitinösen  Einstülpung  des  Tegumentes.  —  Die  M  alpighi' sehen  Röhren 
liegen  zwischen  den  vorderen  Blindsäcken  des  Mitteldarmes  auf  der  Rücken- 
seite neben  dem  Herzen  und  münden  nach  zahlreichen  Windungen  in  zwei 
ventral  gelegene  häutige  Säcke,  aus  denen  zwei  engere  Canäle  entspringen, 
welche    sich    bis   in    die  Nähe    der   Stinkdrüsen    verfolgen    lassen.     Ihr    Ende 


Araclmiden.  255 

konnte  noch  nicht  gefunden  werden  ;  sowohl  L  o  m  a  n  wie  R  ö  s  s  1  e  r  (siehe 
Literatur)  gelang  es  nicht,  es  zu  entdecken.  —  Der  Athemapparat  entspricht 
demjenigen  der  Insecten.  Es  existirt  nur  ein  einziges  Stigmenpaar,  das 
zwischen  den  Hüften  des  letzten  Beinpaares  liegt.  Jedes  Stigma  kann  mit 
einem  Deckel  geschlosseii  werden  ;  sie  führen  in  zwei  Tracheenstämme,  die 
längs  der  Mittellinie  verlaufen,  vielfach  mit  einander  anastomosiren  und  sich 
zu  allen  Organen,  hesonders  aber  den  Geschlechtstheilen,  verzweigen,  auf 
welchen  sie  engmaschige  Netze  bilden.  —  Das  ziemlich  lange  Herz  hat  drei 
Kammern  mit  Seitenspalten;  es  öffnet  sich  nach  vorn  in  die  Hohlräume 
zwischen  den  Organen,  in  welchen  das  Blut  wie  bei  den  Insecten  circulirt.  — 
Die  Geschlechtsorgane  zeichnen  sich  durch  sehr  grosse,  äussere,  chitinöse. 
Gebilde  aus ,  die  in  der  Mittellinie  zwischen  den  Hüften  des  letzten  Bein- 
paares hervortreten ;  ein  Penis  bei  den  Männchen ,  eine  Legeröhre  bei  den 
Weibchen.  Die  iuneren  Organe  sind  nach  demselben  Grundplaue  wie  bei 
den  Spinnen  gebaut.  Der  unpaare ,  halbmondförmige  Hoden  liegt  quer  in 
der  Bauchhöhle  und  geht  mit  seinen  Enden  in  zwei  sehr  feine  Samengänge 
über ,  die  sich  in  der  Mittellinie  in  einem  Knäuel  vereinigen ,  der  einem 
-Nebenhoden  gleicht.  Aus  diesem  Knäuel  geht  ein  gewundener,  anfangs  enger, 
dann  aber  sich  allmählich  durch  Anlage  von  Muskelschichten  verdickender 
Samenleiter  hervor ,  dessen  Ende  so  einen  Spritzcanal  bildet.  Dieser  Canal 
tritt,  sehr  eng  werdend,  in  den  chitinösen  Penis  über,  in  welchem  vorn  auch 
baumförmige  Nebendrüsen  münden.  Wir  verweisen  hinsichtlich  der  Einzel- 
heiten auf  die  Arbeit  von  Bö  ssler  (siehe  Literatur).  Die  Zoospermen  sind 
kugelig  und  fast  bewegungslos.  —  Der  Eierstock  bildet,  wie  bei  vielen 
Spinnen,  einen  mit  Träubchen  besetzten  Ring;  der  Eileiter  erweitert  sich 
zuerst  zu  einer  Art  Uterus,  mündet  aber  als  enger  Canal  in  die  Legeröhre, 
die  ähnlich  wie  der  Penis  gebaut  ist  (Rössler).  Man  hat  häufig  Eier- 
träubchen  auf  den  Hoden  der  Männchen  gefunden. 

Trotz  ihrer  äusseren ,  besonders  durch  die  Bildung  ihrer  Cheliceren  und 
ihrer  scheerenförmigen  Taster  bedingten  Aehnlichkeit  mit  den  Scorpionen 
nähern  sich  doch  die  Afterscorpionen  durch  ihre  Anatomie  weit  mehr 
den  Spinnen  und  Phalaugiden.  Der  gegliederte  Hinterleib  ist  kurz  und  trägt 
keinen  Giftstachel,  wohl  aber  zwei  nacli  vorn  an  dem  zweiten  Hinterleibsringe 
gelegene  Spinuwarzen.  Das  Nervensystem  ist  nach  dem  T3'pus  der  Spinnen 
gebaut;  einfache  Augen  in  geringer  Zahl,  in  einem,  höchstens  zwei  Paaren 
vorhanden.  Der  Verdauungscanal  ähnelt  dem  der  Scorpionen;  Blinddärme 
fehlen ,  dagegen  findet  sich  eine  gelappte  Leber ,  die  den  Darm  einhüllt, 
welcher  vor  seinem  Eintritte  in  die  erweiterte  Cloake  eine  Schlinge  bildet. 
Diese  kleinen  Raubthiere,  die  sich  hauptsächlich  von  Milben  nähren,  athmen 
durch  wenig  verzweigte  Tracheen,  die  von  zwei,  auf  den  beiden  vordersten 
Bauchringen  angebrachten  Stigmen  ausgehen.  Der  Kreislauf  ist  nach  v.  Da- 
da y  (siehe  Literatur)  sehr  unvollständig.  Das  nach  vorn  lang  gestreckte  Herz 
ti'ägt  hier  vier  Paare  seitlicher  Spaltöffnungen  und  endet  im  fünften  Bauch- 
ringe mit  einer  Art  Rosette  von  vier  paarigen  Erweiterungen,  die  ebensoviel 
Paare  von  Spalten  zeigen,  welche  den  vier  letzten  Hinterleibsringen  entsprechen. 
Im  Cephalothorax  endet  das  Herz  mit  einer  kurzen  Aorta ,  welche  das  Blut 
in  die  Hohlräume  des  Körpers  ergiesst.  Der  Eierstock  ist  einfach,  aber  mit 
zwei  Eileitern  ausgestattet,  welche  auf  der  Mittellinie  des  zweiten  Bauch- 
ringes zwischen  den  Spinnwarzen  münden.  Die  Hoden  ähneln  denen  der 
Araneiden.  Die  Weibchen  tragen  die  Eier  bis  zur  vollständigen  Entwicklung 
der  Jungen  unter  dem  Bauche.  Die  Eier  durchgehen  eine  vollständige 
Furchung. 

Die  Scorpionen  fallen  durch  ihre  äussere  Bildung  und  die  Härte  ihrer 
Tegumente  a\\f,  die  den  Krebsen  nahe  kommt.     Der  verhältnissmässig  kleine 


256  Arthropoden. 

Cephalothovax  hat  die  Form  eines  nacli  vorn  verschmälerten  Trapezes  und 
trägt  auf  seiner  ßückenfläche  zwei  fast  in  der  Mitte  stehende  grosse  Augen 
und  eine  wechsehide  Anzahl  kleiner,  paarig  vereinigter  seitlicher  Nebenaugen. 
Unter  dem  Stirnraude  stehen  zwei  kurze,  starke,  scheerenförmige  Cheliceren, 
deren  Backen  gezähnelt  sind  und  die  zum  Zerkleinern  der  lebenden  Thiere 
dienen ,  von  •  welchen  die  Scorpione  sich  nähren.  Hinter  diesen  Cheliceren 
stehen  am  Rande  fünf  Paare  gegliederter  Anhänge,  deren  erstes  Paar  grosse 
Scheereu  bildet,  während  die  vier  folgenden  Paare  mit  doppelten  Endkrallen 
versehene  Gangbeine  sind.  Zwischen  den  Schenkeln  des  letzten  Paares  findet 
sich  die  von  zwei  chitinösen  Plättchen  bedeckte  Geschlechtsöffnung,  neben 
.welcher  ein  Paar  kammförmiger  Anhänge  befestigt  ist,  deren  Function  nicht 
sicher  gestellt  ist.  Diese  Kämme  finden  sich  bei  beiden  Geschlechtern  imd 
sind  mit  einer  verschiedenen  Zahl  von  Zähnen  oder  vielmehr  Blättchen  aus- 
gestattet. Das  aiis  sieben  kurzen,  aber  breiten  Ringen  zusammengesetzte 
Abdomen  sitzt  mit  breiter  Basis  der  Kopfbrust  an  und  trägt  auf  dem  dritten 
bis  sechsten  Ringe  vier  Paare  schräg  gestellter  Spalten,  welche  in  ebensoviel 
Lungensäcke  führen.  Der  siebente  Ring  verschmälei't  sich  bedeutend.  An 
ihn  setzt  sich  ein  sechsgliedriges,  fast  cylindrisches  Postabdomen,  dessen  End- 
ring blasenartig  angeschAvoUen  ist  und  in  dieser  Blase  zwei  Giftdrüsen  birgt, 
die  auf  einem  scharfen,  gekrümmten  Stachel  nach  aussen  münden.  Am  Ende 
des  fünften  Ringes ,  vor  der  Giftblase ,  mündet  der  After.  Die  Scorpione 
tragen  beim  Laufen  das  Postabdomen  über  den  Vorderleib  herüber  ge- 
krümmt und  schleudern  beim  Angriffe  den  Stachel  nach  vorn  über  den 
Kopf  weg. 

Trotz  ihrer  Dicke  und  Starrheit  unterscheiden  sich  die  Tegumente  durch 
ihre  Structur  nicht  von  denjenigen  der  übrigen  Arachniden.  Wohl  aber 
finden  sich  zahlreiche  innere  Fortsätze  und  Apodemen ,  die  in  die  Leibes- 
höhle vorspringen,  sehr  regelmässige  Anordnung  zeigen  und  den  mächtigen 
Muskeln,  welche  die  Leibesringe  und  die  gegliederten  Anhänge  bewegen,  als 
Stützpunkte  dienen. 

In  Uebereinstimmung  mit  der  langgestreckten  Körpergestalt  zeigt  auch 
das  Nervensystem  eine  weit  geringere  Concentration  als  bei  den  Araneiden. 
Der  im  Ceijhalothorax  gelegene  Theil  besteht  aus  zwei  kleinen  Hirnganglien 
über  dem  Schlünde,  welche  die  Nerven  für  die  Augen  und  die  Cheliceren 
entsenden  und  durch  zwei  kurze  Connective  mit  der  Unterschlundmasse  ver- 
bunden sind,  die  wenigstens  aus  zwei  verschmolzenen  Ganglienpaaren  besteht 
und  den  Thorax  und  dessen  Anhänge  innervirt.  Von  den  Hirnganglien 
gehen  noch  einige  sehr  feine  Nerven  zu  dem ,  auf  seinem  Durchtritte  sehr 
verengerten  Schlünde  und  bilden  auf  demselben  ein  kleines  Ganglion.  Die 
Unterschlundmasse  entsendet  nach  hinten  zwei  einander  sehr  genäherte  Con- 
nective ,  welche  durch  sieben  oder  acht  Ganglien  zu  einer  longitudinalen 
Bauchkette  verbunden  werden.  Vier  dieser  Ganglien  liegen  im  Vorderbauche 
und  liefern  Zweige  für  die  dort  befindlichen  Organe  und  namentlich  für  die 
Lungensäcke.  Die  folgenden  Ganglien  liegen  in  den  vordersten  Ringen  des 
Postabdomens;  in  den  hinteren  Ringen  desselben  verlaufen  nur  die  Fort- 
setzungen der  Connective ,  deren  Eiadzweige  sich  bis  zu  den  Giftdrüsen  im 
Stachel  verfolgen  lassen.  —  Die  Augen  sind  wie  bei  den  Spinnen  gebaut; 
andere  Sinnesorgane  kennt  mau  nicht  mit  Bestimmtheit.  —  Der  sehr  enge 
Schlund  steigt  von  dem  ventral  gelegenen  Munde  senkrecht  nach  oben,  durch- 
bohrt die  Nervenmasse  und  erweitert  sich  dann  zu  einem  Phai-ynx ,  der 
rundum  von  Speicheldrüsen  umgeben  ist,  welche  die  freien  Räume  des  Ce- 
phalothorax  erfüllen,  nach  hinten  musculöse  Sammelbläschen  zeigen  und  mit 
mehreren  seitlichen  Ausführungsgängen  in  den  Pharynx  münden.  Nach  dem 
Pharynx    verengert    sich    die    Darmröhre    wieder,    verläuft    auf   der    Rücken- 


Arachniden.  257 

fläche  des  Vorderbauches  unmittelbar  unter  dem  Herzen  und  nimmt  auf 
dieser  Strecke  zahlreiche  Ausführungsgänge  der  Leber  oder  Verdauungs- 
drüse auf,  die  einen  gelappten  Bau  zeigt  und  alle  leeren  Räume  des  Vorder- 
bauches zwischen  den  anderen  Organen  ausfüllt.  Nach  hinten  münden  in 
diesen  Theil  zwei  geringe  M  a  1  p  i  g  h  i '  sehe  Röhren.  Der  im  Postabdomen 
gelegene  Darmtheil  ist  weiter,  den  Segmenten  entsprechend  etwas  aufgeblasen 
und  endet  in  dem  vor  der  Giftblase  gelegenen  After  auf  der  Bauchseite.  — 
Die  vier  Paare  von  Lungen  unterscheiden  sich  von  denen  der  Spinnen  durch 
die  geringe  Anzahl  abgeplatteter  Röhrchen,  woraus  sie  gebildet  sind.  —  Das 
Kreislaufsystem  ist  sehr  entwickelt;  nach  der  BehauiJtuug  von  Newport  ist 
es  sogar  vollkommen  geschlossen.  Wenn  dies  richtig  wäre,  so  könnte  man 
die  Existenz  von  Seitenspalten,  die  das  aus  dem  Cölom  kommende  Blut  auf- 
nehmen ,  nicht  wohl  begreifen.  Wie  sich  aber  auch  die  Gefässendigungen 
verhalten  mögen,  so  findet  sich  doch  ein  rückenständiges  Herz,  welches  die 
ganze  Länge  des  Vorderbauches  einnimmt  und  acht  erweitei'te  Kammern 
zeigt,  welche  durch  horizontale  Flügelmuskeln  in  ihrer  Lage  gehalten  werden. 
Das  Herz  ist  von  einem  Pericardium  umschlossen  und  zeigt  ebensoviel  seit- 
liche, mit  Klappen  versehene  Spaltöffnungen,  als  Kammern  vorhanden  sind. 
Die  Klappen  sind  so  gestellt,  dass  sie  den  Eintritt  des  Blutes  in  das  Herz 
erlauben ,  aber  sich  gegen  einen  Rückfluss  desselben  bei  den  Zusammen- 
ziehungen stemmen.  Kleine  Gefässe  verzweigen  sich,  direct  aus  dem  Herzen 
kommend,  in  die  Leber  und  die  benachbarten  Organe.  Das  Herz  setzt  sich 
an  beiden  Enden  in  eine  vordere  und  eine  hintere  Aorta  fort.  Die  hintere  ver- 
läuft dorsal  längs  der  Mittellinie  nach  hinten  bis  zum  Schwanzstachel  und 
versorgt  auf  diesem  Wege  die  Organe  des  Postabdomens  mit  Zweigen.  Die 
vordere  Aorta  hat  einen  complicirteren  Verlauf.  An  dem  Nervensysteme 
angelaugt,  theilt  sich  der  Stamm  in  zwei  Aeste,  die  einen  Ring  um  den 
Schlund  bilden,  von  welchem  die  bedeutendere!!  Zweige  für  die  Organe  und 
Anhänge  des  Cephalothorax  entspringen.  Ausser  diesen  entsendet  sie  einen 
rückläufigen  Ast,  die  Supraspinalarterie  der  Autoren,  die  sich  eng  an  die 
ventrale  Gauglienkette  anlegt,  derselben  bis  zur  Spitze  des  Hinterleibes  folgt 
und  auf  diesem  Wege  die  Luugenarterien  abgiebt.  Das  Blut  läuft  durch 
mediane  Venen  vom  Kopfe  und  Bauche  her  zu  den  Lungensäcken ,  circulirt 
in  den  Blättchen  derselben  i!nd  kehrt  durch  sieben  Paare  von  Gefässstämmen, 
die  längs  den  Zwischengelenken  der  Vorderbauchringe  verlaufen,  zum  Herzen 
zurück.  Ueber  die  Einzelheiten  vergleiche  man  die  Arbeiten  von  Newport 
und  B  1  a  n  c  h  a  r  d  (s.  Literatur).  —  Die  männlichen  und  weiblichen  Geschlechts- 
organe sind  nach  demselben  Grundplane  gebaut  und  aus  zwei  seitlichen  Röhren 
gebildet,  die  im  Vorderbauche  von  den  Leberlappen  umhüllt  werden  und  nach 
der  zwischen  den  Hüften  des  letzten  Beinpaares  gelegenen  Geschlechtsöffnung 
convergireu.  Diese  seitlichen  Röhren  lassen  Queräste  abgehen,  die  sich  beim 
Männchen  mit  zwei  der  Mittellinie  genäherten  Längsröhren  verbinden,  wäh- 
rend sie  beim  Weibchen  in  eine  einzige  Mittelröhre  münden.  Die  Samen- 
gänge sind  an  ihrem  convergirenden  Theile  mit  röhrenförmigen  Nebendrüsen 
besetzt.  Unmittelbar  vor  der  Mündung  zeigen  sie  eine  spindelförmige,  mit 
einem  eigenthümlichen  Chitingerüst  ausgestattete  Erweiterung ,  die  von 
Blanchard  für  einen  Penis,  von  Anderen  für  eine  ausstülpbare  Samenblase 
erklärt  wurde.  Alle  Ovarialröhren ,  seitliche,  quere  und  mittlere,  sind  mit 
vorspringenden  Eifollikeln  besetzt.  Die  Eileiter  sind  an  den,  den  spindel- 
förmigen Samengangerweiterungen  entsprechenden  Stellen  ebenfalls  an- 
geschwollen und  münden  in  einen  km-zen ,  trichterförmigen  Vagiualcanal. 
Die  Scorpione  bringen  lebendige  Junge  zur  Welt ;  der  Vorderbauch  ist  zur 
Zeit  der  Trächtigkeit  übermässig  ausgedehnt.  Die  Eier  durchlaufen  alle 
Stadien  der  Entwicklung  bis  zur  vollständigen  Ausbildung  der  den  Eltern 
Vogt  u.  Yung,   prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  J^J 


258  Artliropoden. 

älinlieben    Jungen    entweder   in    den   ursprünglichen    Follikeln    oder    in    den 
Ovarialröhren. 

Die  SoUfugen  (Solpuyiden  oder  Galeodiden)  unterscheiden  sich  von  allen 
übrigen  Arachniden  durch  die  Segnientirung  ihres  durch  ein  Quergelenk 
deutlich  in  zwei  Tlieile  getrennten  Cephalothorax.  Die  Vorderhälfte  trägt 
auf  der  Stirn  zwei  grosse,  einfache  Augen,  vorn  die  an  ihrer  Basis  sehr  an- 
geschwollenen Cheliceren,  die  mit  einer  stark  bezähnten,  senkrecht  gestellten 
Scheere  bewaffnet  sind  und  dahinter  zwei  Paare  beinartiger  Anhänge,  die 
keine  Klauen  am  Ende  tragen.  Das  erste  Paar  dieser  Anhänge ,  das  man 
auch  Taster  genannt  hat,  trägt  an  seinem  Ende  eine  kleine,  birnförmige 
Anschwellung,  in  welcher  ein  Chitingerüst  entwickelt  ist.  Da  diese  An- 
schwellung bei  beiden  Geschlechtern  sich  findet,  kann  sie  nicht  mit  der  Aus- 
bildung der  Taster  der  Spinnenmännchen  in  Parallele  gestellt  werden.  Die 
Hinterhälfte ,  die  dem  Thorax  der  ungeflügelten  Insecten  verglichen  werden 
kann,  besteht  aus  drei,  durch  Querlinien  deutlich  gezeichneten  Segmeuten, 
die  aber  unbeweglich  mit  einander  verbunden  sind.  Jeder  dieser  Einge 
trägt  ein  Paar  sehr  langer,  mit  Klauen  bewaffneter  Gehfüsse.  Die  Hüften 
des  letzten  Beinpaares  sind  mit  schlagnetzförmigen  Blättchen  versehen, 
deren  Stiel  besonders  reich  mit  Muskeln  und  Tracheen  ausgestattet  ist,  wäh- 
rend die  Lamellen  selbst  sehr  dünn  und  zart  sind.  Diese  Hüftlamellen  sind 
wahrscheinlich  den  Kämmen  der  Scorpione  homolog.  Der  Hinterleib  zeigt 
keine  Spinnwarzen  und  besteht  aus  zehn  Segmenten.  Körper  und  Beine 
sind  mit  langen,  steifen  Haaren  dicht  besetzt.  Das  Nervensystem  ähnelt 
dem  der  Spinnen.  Die  in  der  Vorderhälfte  des  Cephalothorax  gelegene 
Hauptmasse  wird  von  dem  sehr  engen  Schlünde  durchbohrt.  Die  Ober- 
schluudmasse  ist  verhältuissmässig  klein  und  giebt  Zweige  zu  den  Augen, 
den  Cheliceren  und  vielleicht  auch  Wurzeln  zu  dem  sympathischen  Systeme 
ab.  Die  kurzen  und  dicken  Connective  leiten  zu  einer  mächtigen  Unter- 
schlundmasse ,  welche  die  Nerven  für  die  übrigen  Anhänge  und  die  Organe 
des  Hinterleibes  entsendet  und  mit  einem  dünnen  Mittelfaden  endet,  auf  dem 
eine  kleine ,  spindelförmige  Anschwellung  als  Eudiment  eines  Abdominal- 
ganglions  sich  findet.  Der  Mund  liegt  auf  der  Bauchseite  zwischen  den 
Basen  der  Cheliceren ;  er  hat  die  Gestalt  eines  seitlich  zusammengedrückten 
Kegels  und  wird  von  einigen  kleinen  Anhängen  umgeben ,  über  deren  Be- 
deutung man  nicht  einig  ist.  Der  Schlund  ist  äusserst  eng ,  wie  ein  Haar- 
röhrchen; er  erweitert  sich  nach  seinem  Durchtritte  durch  die  Nervenmasse 
und  nimmt  hier  von  unten  her  die  Ausführungsgänge  zweier  seltsamer, 
schlauchförmiger  Drüsen  auf,  deren,  eines  Paar  sich  bis  zur  Haut  ersti-eckt 
und  blind  auf  einer  kleinen  Warze  zwischen  der  Basis  der  Cheliceren  und  der 
Palpen  endet.  Dieser  erweiterte  Darmtheil  (Magen)  entsendet  ausserdem 
drei  Paare  langer ,  seitlicher  Blindsäcke.  Hierauf  wird  der  Darm  röhren- 
förmig, ist  auf  dieser  Strecke  von  einer  wenig  entwickelten  Leber  umgeben 
und  endet  mit  einem  kurzen  Rectum,  das  vor  der  Ausmündung  in  den 
After  sich  zu  einer  Cloake  erweitert.  Die  weissen  Maljaighi'schen  Röhren 
bilden  zwei  Gruppen  sehr  vei'zweigter,  die  ganze  Bauchhöhle  durchziehender 
Gefässe,  Avelche  schliesslich  sich  jederseits  in  zwei  in  den  Darm  mündende 
Ausfülirungsgänge  sammeln.  —  Die  Solifugen  athmen  durch  Tracheen, 
welche  sich  im  ganzen  Körper  verzweigen.  Ein  grosses  Stigmenpaar  unter 
dem  Thorax,  zwei  weit  kleinere  Stigmenpaare  unter  dem  Hinterleibe  und 
ein  unpaares  Stigma ,  das  einen  dorsalen  Tracheenstamm  entstehen  lässt, 
führen  die  Luft  in  das  Tracheensj^stem ,  dessen  hohe  Ausbildung  eine  Ver- 
kümmerung des  Ki'eislaufsystemes ,  ähnlich  wie  bei  den  Insecten ,  nach  sich 
zieht.  In  der  That  fiiKlet  sich  nur  ein  dorsales ,  in  Kammern  mit  seitlichen 
Spalten  getheiltes  Herz,    welches    das  Blut  darch  eine  kurze,    vordere  Aorta 


Arachniden,  259 

in  die  Hohlräume  ergiesst.  —  Die  äussere  Geschleclitsöffnung  ist  bei  beiden 
Geschlechtern  gleich  gebaut  und  von  einem  fleischigen  Wulste  umgeben.  Die 
weiblichen  Organe  bestehen  aus  zwei  weiten  Ovarialsäcken,  auf  deren  äusseren 
Rändern  einzelne  Follikel  mit  breiter  Basis  aufsitzen,  deren  jeder  ein  Ei  ent- 
hält. Die  Solifugen  gebären,  Avie  die  Skorpione ,  lebendige  Junge ,  die  sich 
im  Follikel  entwickeln,  dann  in  den  Ovarialsack  fallen  und  durch  zwei  kurze 
Canäle  ausgestossen  werden,  die  in  der  äusseren  Oeffnung  zusammeumünden. 
Die  männlichen  Organe  bestehen,  nach  Leon  Dufouv,  aus  vier  sehr  laugen 
Hodenröhren,  die  in  der  Bauchhöhle  zahlreiche  Schlingen  bilden  und  sich  in 
ebensoviel  Samengänge  fortsetzen,  deren  jeder  ein  Sameubläschen  trägt  und 
schliesslich  in  einen  Spritzcanal  enden,  der  vielleicht  nach  aussen  hervor- 
gestülpt werden  kann.  Die  Solifugen  gelten  überall  in  den  heissen  Sand- 
gegenden ,  die  sie  bewohnen ,  für  ausserordentlich  giftig.  Indessen  giebt  es 
ganz  gewiss  keine  Giftdrüsen  in  den  Cheliceren  ;  vielleicht  finden  sich  welche 
in  den  angeschwollenen  Endkuöpfen  der  Palpen,  die  ein  complicirtes  Chitin- 
gerüste im  Inneren  bergen.  Weitere  Untersuchungen  über  diesen  Punkt 
sind  sehr  wünschenswerth. 

Der  Körper  der.Müben  oder  Acariden  ist  zwar  meist  kugel-  oder 
eiförmig,  kann  sich  aber  doch  in  einzelnen  Fällen  so  verlängern ,  dass  man 
einen  wirklichen  Cephalothorax,  an  dem  die  Muudtheile  und  die  vier  Bein- 
paare angebracht  sind ,  und  einen  Hinterleib  ohne  Anhänge  unterscheiden 
kann  [Demodex).  Meist  sind  indessen  alle  Köi'perregionen  in  ein  Ganzes 
verschmolzen'und  das  letzte  Beinpaar  Aveit  nach  hinten  gestellt,  so  dass  man 
kein  Abdomen  unterscheiden  kann.  Zuweilen  freilich  gewahrt  man  eine 
Querfurche,  die  den  Kopf  vom  Thorax  oder  den  Cephalothorax  vom  Hinter- 
leibe abgrenzt.  —  Die  erwachsenen  Weibchen  haben  stets  vier  Beinpaare, 
die  in  sehr  verschiedener  Weise  ausgebildet  sind,  indem  sie  bei  den  laufenden 
oder  schwimmenden  Gattungen  Krallen  oder  Borsten ,  bei  den  Schmarotzern 
dagegen  oft  Klebscheiben  oder  gestielte  Saugnäpfe  tragen.  Die  stets  chiti- 
nösen  Tegumente  zeigen  alle  Grade  von  Härte,  zwischen  sehr  weichen  und 
zarten  Bedeckungen  bei  vielen  Schmarotzern ,  bis  zur  Bildung  von  harten 
und  spröden  Panzern,  die  aus  mehreren  Schildern  zusammengesetzt  und  bei 
einigen  so  angeordnet  sind,  dass  sich  die  Thiere  zusammenrollen  und  alle 
Körperanhänge  unter  diesen  Schildern  bergen  können  [Hoplophora).  Zu- 
weilen sind  diese  Schilder  auf  den  Seiten  flügelartig  verbreitert  (Oribates). 
Die  Tegumente  sind  meist  mit  Haaren  bedeckt,  von  welchen  die  einen  nur 
Schutzorgane  sind,  während  andere  Tastempfindungen  vermitteln.  Die  nach 
dem  allgemeinen  Plane  der  Arthropoden  angeordneten  Muskeln  zeigen  deut- 
liche Querstreifung.  —  Das  Nervensystem  besteht  aus  einer  einzigen ,  zu- 
weilen ziemlich  bedeutenden  Ganglienmasse  (Atax) ,  die  in  der  Vorderregion 
des  Körpers  auf  der  Hückenseite  liegt.  Man  hat  die  davon  ausstrahlenden 
Nerven  nicht  mit  wünschenswerther  Genauigkeit  verfolgen  können ,  aber 
doch  so  viel  festgestellt,  dass  keine  Spur  von  einer  Uuterschlundmasse  oder 
einer  Bauchkette  existirt.  —  Bei  frei  lebenden  Larven  und  ausgebildeten 
Thieren  finden  sich  häufig  bis  zu  drei  Paaren  am  Rande  des  Kopfes  stehender 
einfacher  Augen,  die  bei  den  höhereu  Arten  eine  gewölbte  Hornhaut,  eine  Krj'- 
stalllinse  und  einen  häufig  roth  gefärbten  Pigmentkörper  erkennen  lassen.  Bei 
den  Parasiten  und  vielen  an  dm:iklen  Orten  lebenden  Arten  fehlen  die  Augen. 
Ein  Gehörorgan,  welches  Haller  in  dem  Endgliede  des  ersten  Beinpaares 
der  Zecken  {Ricinus)  gefunden  haben  wollte,  ist  sehr  iDroblematisch.  —  Nach 
demselben  (siehe  Literatur)  sind  die  Mundorgane  bei  allen  Milben  nach  dem- 
selben Plane  gebaut.  Ein  Epistom,  welches  nur  der  eingekrempte  Rand  des 
Kopfschildes  ist,  deckt  die  beweglichen  Theile  von  oben.  Ihm  entspricht 
eine  aus    zwei  Hälften    zusammengeschmolzene ,    Taster    tragende    Unterlippe, 

17* 


260  Arthropoden. 

welche  die  Theile  von  unten  und  den  Seiten  her  einschliesst.  Man  hat  den 
so  gebildeten  Eüssel  Camerostom  genannt.  In  ihm  befinden  sich  drei  Paare 
beweglicher  Anhänge.  Das  erste  Paar,  vor  welchem  man  oft  noch  eine 
rudimentäre  Oberlip^ae  ei'kennen  kann ,  ist  meist  kräftiger  als  die  anderen ; 
man  homologisirt  es  mit  den  Cheliceren  der  übrigen  Arachniden.  Das  zweite 
Paar  trägt  die  Kiefertaster  auf  sehr  verschiedenartig  gestalteten  Basal- 
stücken; das  dritte  ist  meist  rudimentär.  Man  muss  indessen  zugestehen, 
dass  dieser  Grundplan,  wenn  er  überhaupt  existirt,  die  auffallendsten  Varia- 
tionen hinsichtlich  der  Bildung  und  Entwicklung  der  einzelnen  Theile  zu- 
lässt.  Die  Nahrung  der  Milben  ist  äusserst  mannichfaltig.  Einige  benagen 
harte  Stoffe,  selbst  Holz  (Oribatiden)  und  in  diesem  Falle  bilden  die  Cheli- 
ceren kurze,  kräftige  Zangen;  andere  fangen  lebendige  Beute,  mit  klauen- 
förmigen  Cheliceren;  wieder  andere  saugen  Blut,  nachdem  sie  mit  rückzieh- 
baren Stiletten  gestochen  haben.  Bei  den  Saugern  bilden  in  den  meisten 
Fällen  die  Grundstücke  der  Kiefertaster,  indem  sie  sich  umkrempeln,  eine 
Scheide  um  die  Stilette.  Vordere  Drüsen ,  die  in  die  Chelicei'en  münden, 
sind  wahrscheinlich  Giftdrüsen,  während  andere,  Avelche  sich  in  die  Mund- 
höhle öffnen,  als  Speicheldrüsen  betrachtet  werden  können.  In  noch  anderen 
Fällen  {Tetranychus)  münden  solche  Vorderdrüsen  in  den  Palpen  und  sind 
wahrscheinlich  Spinndrüsen.  Der  häufig  mit  besonderen  Saugvorrichtungen 
ausgestattete ,  kurze  und  enge  Schlund  erweitert  sich  bald  zu  einem  ge- 
räumigen Magen  ,  der  häufig  durch  eine  Querfalte  in  zwei  Hälften  getheilt 
ist.  Der  Magen  entsendet  in  den  meisten  Fällen  seitliche,  geräumige  und 
drüsige  Blindsäcke  (Ixodes);  in  anderen  Fällen  zeigt  er  nur  unbedeutende 
Ausbuchtungen  (Proctojjht/Uodes)  oder  bleibt  auch  ein  einfacher  Sack  (Atax). 
Die  Ausbildung  einer  Verdauungsdrüse  oder  Leber  scheint  in  umgekehrtem 
Verhältniss  zu  derjenigen  der  Blindsäcke  zu  stehen;  sie  ist  sehr  bedeutend 
bei  Atax  und  fehlt  gänzlich  bei  Ixodes.  Der  Mitteldarm  ist  gerade  und 
mündet  durch  ein  Eectum  in  eine  ventral  am  Kör^^erende  gelegene  After- 
spalte, die  häufig  durch  besondere  chitinöse  Bildungen  gedeckt  wird.  Bei 
Tromhidium  scheint  der  Mitteldarm  nicht  in  Continuität  mit  dem  Rectum ; 
er  mündet  in  dasselbe  durch  zwei  sehr  feine,  seitliche  Spaltöffnungen.  Häufig 
findet  man  einen  Fettkörper  oder  Hautdrüsen  mit  fettiger  Secretion.  Ab- 
sonderungsorgane sind  weit  verbreitet,  bald  in  Form  zweier  Malpighi' scher 
Röhren,  die  in  das  Rectum  münden  (C?«)?iasM?en)  oder  in  Gestalt  eines  weiten, 
Y-förmigen,  dorsalen  Sackes,  der  in  eine  cloakenartige  Erweiterung  des  Rec- 
tums  einmündet,  und  dessen  Absonderuugsköi'uer  von  kreideweisser  Farbe 
die  Zeichnung  der  Milbe  bedingen  [Atax).  Oberflächliche,  mit  heller  Flüssigkeit 
gefüllte  Canäle ,  die  Claparede  (siehe  Literatur)  bei  Atax  gesehen  hat, 
stehen  vielleicht  auch  mit  der  Absonderungsfunction  in  Verbindving.  —  Bei 
den  meisten  Milben  hat  man  weder  Herz  noch  Gefässe  gefunden ;  das  amö- 
boide Körperchen  führende  Blut  erfüllt  die  Hohlräume  des  Körpers.  In  der 
letzten  Zeit  wurde  indessen  von  Win  kl  er  (siehe  Literatur)  bei  einigen 
Gamasiden  und  Ixodiden  ein  rückenständiges,  einkammeriges  Herz  mit  zwei 
seitlichen  Spaltöffnungen  nachgewiesen,  das  in  eine  Aorta  ausläuft.  —  Athem- 
organe  fehlen  meist  bei  den  Schmarotzern;  wenn  vorhanden,  werden  sie  von 
kurzen,  zuweilen  blasigen  Tracheen  hergestellt,  die  keinen  Spiralfaden  zeigen 
und  meist  in  einem  einzigen  Stigmenpaare  ausmünden ,  das  gewöhnlich  in 
der  Vorderhälfte  des  Körpers  vor  oder  hinter  den  Hüften  des  letzten  Bein- 
paares,  zuweilen  aber  auch  an  den  Vorderbeinen  oder  selbst  an  der  Basis 
der  Cheliceren  angebracht  ist.  Ausnahmsweise  findet  sich  hei  Tetranychus 
nur  ein  einziges,  nahe  dem  Vorderrande  des  Körpers  auf  dem  Rücken 
gelegenes,  unpaares  Stigma.  Bei  den  wasserbewohnenden  Hydrachniden,  die 
keine  Tracheen  besitzen,  dienen  vielleicht  grosse,  unmittelbar  unter  der  Haut 


Aracliniden.  261 

gelegeue  Blasen,  au  deueu  man  aber  keine  Oeffuungen  uacliweisen  konnte, 
zur  Athmung.  —  Die  Gesclilechter  sind  getrennt.  Die  stets  kleineren  Männ- 
eben belialten  in  vielen  Fällen  gewisse  Larvencliaraktere  (Abwesenheit  von 
Tracheen  etc.)  durch  das  ganze  Leben.  Sie  zeigen  uaeist  auf  der  Bauchfläche 
cliitinöse  Saugnäpfe  ,  die  zur  Anklammerung  bei  der  Begattung  dienen.  In 
manchen  Fällen  sind  aber  auch  die  Weibchen  mit  solchen  Saugnäpfen  aus- 
gestattet. Meist  findet  sich  ein  Paar  Hoden  (drei  Paare  bei  Afax) ,  deren 
Drüseutheil  in  gewundene  Samengänge  ausläuft ,  welche  zuweilen  Erweite- 
rungen zeigen  und  in  der  Nähe  der  Geschlechtsöfifuung  in  einen  weiteren 
Sack  oder  Canal  münden,  an  welchen  oft  sehr  bedeutende  Kebendrüsen  ent- 
wickelt sind  (Argas).  Die  Geschlechtsöffuung  ist  stets  auf  der  Bauchseite 
weit  nach  vorn  gerückt,  fern  von  dem  After  und  zuweilen  zwischen  den 
Hüften  der  Füsse  gelegen.  Oft  kann  ein  Penis  aus  der  Oeffnung  vorgestülpt 
werden.  Die  Zoospermen  sind  kugelförmig  und  unbeweglich.  —  Die  beiden 
Eierstöcke  sind  zuweilen  in  eine  Masse  verschmolzen,  aus  welcher  aber  immer 
zwei  Eileiter  hervorgehen,  die  in  einen  gemeinsamen  Sack  oder  Canal  münden, 
der  sich  oft  zu  einem  Uterus  erweitert ,  in  Avelchem  die  Eier  längere  Zeit 
verweilen.  In  solchen  Fällen  finden  sich  oft  an  dem  Uterus  Nebendrüsen 
oder  auch  Samenbehälter.  Zuweilen  (Sarcopfes)  ist  der  Samenbehälter  gänz- 
lich von  den  anderen  Organen  getrennt  und  besitzt  eine  besondere  Oeffnung 
hinter  der  Yulva,  welche  übrigens  in  ihrer  Lagerung  ebenso  grosse  Ver- 
schiedenheiten zeigt,  wie  die  männliclie  Oeffnung.  Ausnahmsweise  findet 
sich  sogar,  nach  Claparede,  bei  Myolia  die  weibliche  Oeffnung  auf  der 
Dorsalfläche  des  Hinterleibsendes.  Nach  demselben  Beobachter  fehlen  die 
ausleitenden  Canäle  vollständig  bei  beiden  Geschlechtern  der  Gattung  Aiax, 
wo  die  äusseren  Oeffnungen  einfach  in  das  Cölom  münden  sollen,  in  welchem 
die  von  den  keimbereitenden  Orgauen  losgelösten  Eier  und  Zoospermen  sich 
wie  in  einem  Behälter  ansammeln.  Die  Milben  legen  Eier  und  zwar  ver- 
einzelt. Während  aber  die  Jungen  der  Oribatiden,  die  sich  in  dem  Uterus 
der  Mutter  entwickelten,  fast  unmittelbar  nach  der  Ablage  die  Eischale  ver- 
lassen ,  bedürfeu  andere  Arten  weit  längerer  Zeit  zur  Entwicklung  im  Ei. 
Auch  unterscheiden  sich  die  Milben  von  den  übrigen  Arachuiden  durch  den 
Umstand,  dass  die  meisten  von  ihnen  nach  dem  Ausschlüpfen  noch  mehrefe 
Larvenstadien  durchlaufen ,  in  welchen  sie  den  Eltern  mehr  oder  weniger 
unähnlicli  sind.  Gewöhnlich  hängen  diese  Formen  von  den  veränderten 
Lebensbedingungen  ab,  in  welchen  die  Larven  leben.  Es  kommen  manchmal 
drei  oder  vier  verschiedene  Larvenstadien  vor,  und  fast  regelmässig  findet 
sich  darunter  eine  Form  mit  nur  sechs  Beinen.  Wir  können  auf  diese  Ent- 
wicklungen,  die  von  vielen  Forschern  beobachtet  und  untersucht  wurden, 
hier  nicht  näher  eingehen. 

Literatur.  —  Treviranus,  Ueber  den  hmeren  Bau  der  Arachuiden,  Zeitschr. 
f.  Physiol.,  1812.  —  Ders.,  Vermischte  Schriften  anatomischen  und  physiologischen 
hihalts,  Göttingen,  1816.  —  Ders.,  Ueber  das  Nervensystem  des  Scorpions  und 
der  Spinne,  Treviranus'  und  Tiedemann's  Zeitschr.,  Bd.  IV,  1831.  —  A.  Duges, 
Recherches  sur  l^ordre  des  Acariens,  Ann.  sc.  nat.,  2.  Serie,  Vol.  I,  1834.  —  J.  van 
der  Hoeven,  Bijärarjen  tot  de  Kennis  van  het  geslacht  Phr't/nus,  Tijdshrift  v.  nutur. 
Geschied. 1  Bd.  9,  1842.  —  Newport,  On  the  structure  etc.  of  the  nervoiis  and  cir~ 
culatory  Systems  in  Mt/riapoda  and  macrums  Arachnida,  Philos.  Transact.,  1843.  — • 
Dujardin,  J\lem.  svr  les  Acariens,  Ann.  sc.  natiir.,  3.  Serie,  Vol.  III,  XII  u.  XV, 
1843 — 1855. —  H.  Meckel,  Mikrographie  einiger  Drüsenapparate  der  niederen  Thiere. 
Müller's  Archiv,  1846. —  E.  Blanchard,  Orgnnisation  du  Regne  animal,  Aruchnides. 
Paris,  18Ö3  — 1860.  —  L.  Dufour,  Anatomie,  physioIogie  et  hist.  nat.  des  Galeodes, 
Comptes  rendus  Vol.  XLVI,   1858.    —   C.  Heller,  Zur  Anatomie  \ot\  Argas  persicus, 


262  Arthropoden, 

Wiener  Sitzungsberichte,  Bd.  XXX,  1858.  —  L  e  y  d  i  g  ,  Ueber  HaarfsackmilLeii  vind 
Krätzmilben,  Arch.  f.  Katurgescliichte,  1859.  —  Ders.,  Ueber  das  Nervensystem 
der  Afterspinne  {Phalangium) ,  Arch.  f.  Anatom.,  1862.  —  Ch.  Robin,  Memolrts 
sur  la  farnille  des  SarcojJtides ,  Bullet,  soc-  imp.,  Moskau,  1860.  —  Ders.  u.  Fu- 
mouse,  Sur  les  Acariens  des  genres  Cheyletus ,  Glyzijjhacjiis  et  Tyroylyphus ,  Journ. 
Anat.  Physiol.,  Vol.  IV,  1867.  —  Ders.  u.  Megnin,  Mem.  sur  les  Sarcoptldes 
plumicoles,  ebend.,  Vol.  XIV,  1877.  —  Pagenstecher,  Beiträge  zur  Anatomie  der 
Milben,  Leipzig  1860  u.  1861.  —  Fürstenberg,  Die  Krätzmilben  der  Menschen  und 
der  Thiere,  Leipzig,  1861.  —  J.  Lubbock,  Notes  on  the  generative  Organs  of  Annu- 
losa,  rhilos.  Trunsaci.,  1861.  —  Cl  aparede,  Etudes  sur  la  circulatlon  du  sang  chez 
les  Aranees  du  genre  Lycose,  Genf,  1862.  —  Ders.,  Reclierches  sur  Devolution  des 
Araignees,  Genf,  1862.  —  Ders.,  Studien  an  Acariden,  Zeitschr.  wissensch.  Zoologie, 
Bd.  XVIII,  1868.  —  Gudden,  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Scabies,  Würzburg, 
1863.  —  Krohn,  Zur  näheren  Kenntniss  der  männlichen  Zeugungsorgane  von  Pha- 
laiiplum,  Arch.  f.  Naturgesch.,  1865.  —  Ders.,  üeber  die  Anwesenheit  zweier  Drüsen- 
säcke im  Cephalothoras  der  Phalangiden,  ebend.,  1867.  —  Büchholz  und  Landois, 
Ueber  den  Spinnapparat  Yon  Epeira  diadema,  Müller's  Archiv,  1868.  —  Donnadieu, 
Recherch.  anat.  et  physiol.  sur  le  genre  Trichodectes,  Ann.  sc.  nat.,  3.  Ser.,  Vol.  X, 
1868.  —  Ph.  Bertkau,  Ueber  die  Eespirationsorgane  der  Araneen,  Arch.  f.  Natur- 
geschichte, 38.  Jahrg.,  1872.  —  Ders.,  Ueber  den  Generationsapparat  der  Spinnen, 
ebend.,  41.  Jahrg.,  1875.  —  Ders.,  Ueber  das  Cribellum  und  Culamistruin,  ebend., 
48.  Jahrg.,  1882.  —  Ders.,  Ueber  den  Bau  und  die  Function  der  sogenannten  Leber 
bei  den  Spinnen,  Arch.  Mikrosk.  Anat.,  Bd.  XXIII,  1882.  —  Ders.,  Ueber  den  Ver- 
dauungsapparat der  Spinnen,  ebend.,  Bd.  XXIV,  1883.  —  Ders.,  Entomologische 
Miscellen,  Verhandl.  d.  naturw.  Vereins  der  Kheinlande ,  Bonn,  41.  Jahrg.,  1885.  — 
P.  Megnin,  iJhn.  sur  les  metumorphoses  des  Acariens  etc.,  Ann.  sc.  not.,  6.  Serie, 
Vol.  IV,  1876.  —  Ders.,  Sur  le  Demodex  folliculorum ,  Journ.  de  PAnat.  et  d.  la 
Physiologie,  1877.  —  F.  Plateau,  Sur  les  phenomenes  de  la  digestion  et  sur  la 
structure  de  Vappareil  digestif  chez  les  Phalangides,  Brüssel,  1876.  —  0.  Hermann, 
Ungarns  Spinnenfauna,  Budapest,  1876 — 1879.  — •  Croneberg,  Ueber  den  Bau  von 
Trorahidiuin,  Bull.  soc.  imp.  31oscou,  l8Tä.  —  Ders.,  Ueber  die  Mundtheile  der  Arach- 
niden,  Arch.  f.  Naturgesch.,  46.  Jahrg.,  1882.  —  Csokor,  Ueber  Haarsackmilben  etc., 
Verhandl.  zool.  botan.  Gesellsch.,  Wien,  Bd.  XXIX,  1879.  —  Grenacher,  Untersuch, 
über  das  Sehorgan  der  Arthropoden,  Göttingen,  1879.  —  Grab  er,  Ueber  das  uni- 
corneale  Tracheatenauge  etc.,  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XVII,  1879.  —  E.  von 
Daday,  Ueber  den  Circulationsapparat  der  Pseudoscorpione,  Naturhist.  Hefte,  4  Bde., 
Budapest,  1880.  —  Blanc,  Anat.  et  Physiol.  de  PajJpareil  sexuel  male  des  Phalan- 
gides, Bull.  soc.  Vuttdoise,  Vol.  XVII,  1880.  —  G.  Haller,  Zur  Kenntniss  der  Tyro- 
glyphen,  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  XXXIV,  1880.  —  Ders.,  Acarinologisches,  Arch. 
f.  Naturgesch.,  46.  Jahrg.,  1880.  —  Ders.,  Vorläufige  Bemerkungen  über  das  Gehör- 
organ der  Ixodiden ,  Zoolog.  Anzeiger,  4.  Jahrg.,  1881.  —  Ders.,  Die  Mundtheile 
und  systematische  Stellung  der  Milben,  ebend.  —  Ders.,  Ueber  den  Bau  der  vögel- 
bevvohnenden  Sarcoptiden ,  Zeitschr.  f.  Wissenschaft.  Zool.,  Bd.  XXXVI,  1881.  — 
E.  R  ay-L  an  k  e  s  t  er ,  Limulus  an  Arachnid,  Quarterly  Journ.  Microsc.  soc,  Nr.  83 
u.  84,  1881.  —  J.-C.  Loman,  Bijdrage  tot  de  Auatumie  der  Phalangiden,  Amster- 
dam, 1881.  —  H. -W.  de  Graaf,  Sur  la  construction  des  organes  genitau\K  chez  les 
Phalangides,  Leyden,  1882.  —  Richard  Rössler,  Beiträge  zur  Anatomie  der  Phalan- 
giden, Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.,  Bd.  XXXVI,  1882.  —  Schimkevitsch,  Sur  Pana- 
tomie  de  PEpeire,  Zool.  Anzeiger,  4.  Jahrg.,  1881.  —  Ders.,  Dass. ,  Ann.  sc.  nat., 
5.  Serie,  Vol.  XVII,  1884.  —  Ders.,  Sur  un  organe  des  sens  des  Araignees,  Zool. 
Anz.,  8.  Jahrg.,  1885.  —  H.  Henking,  Beiträge  zur  Anatomie  etc.  von  Troinbidium, 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.,  XXXVII.  Bd.,  1882.  —  Mac-Leod,  Notice  sur  Pappareil 
venimeux  des  Araneides,  Arch.  de  Biol.,  Vol.  I,  1880.  —  Ders.,  Plusietirs  memoires 
dans  le  Bulletin  de  PAcud.  de  Bekjiques,  Vol.  III,  VII  u.  Vlli,   1884—1885.  —  Ders., 


Tunicaten.  263 

Recherches  sur  la  structure  et  la  slgnification  de  Pappareil  respiratoire  des  Aracltnides, 
Arch.  de  Biologie,  Vol.  V,  1884.  —  Trouessart  et  Megnin,  Sur  le  pohjmorphisme 
sexuel  et  larvuire  des  Sarcopiides,  Coinptes  reiidus,  Vol.  XCVII,  1883.  —  Michael, 
Observat.  on  tlie  Anatomie  of  Oribafidae,  Journ.  microsc.  soc. ,  Vol.  III,  1883.  — 
Kräpelin,  Ueber  die  Geruchsorgane  der  Gliederthiere ,  Hamburg,  1883.  —  Ray- 
Lankester  und  G.  Bourne,  The  minute  structure  of  tlie  central  and  lateral  eyes  of 
Scorpio  and  Linndus,  Quarterl.  Journ.  microsc.  soc,  Vol.  XXIII,  1883.  —  Dahl,  Das 
Gehör-  und  Geruchsorgan  der  Spinnen,  Arch.  mikrosk.  Anatomie,  Bd.  XXIV,  1884.  — 
Ders.  ,  Zur  Anatomie  der  Araneen,  Zool.  Anz.,  8.  Jahrg.,  1885.  — '  Natepa,  Die 
Anatomie  des  TjTCOglyphen ,  Sitzungsber.  Akad.  Wien,  Bd.  XC ,  1884  u.  1885.  — 
Kramer,  Ueber  Halarachne  Halichoeri ,  Zeitschr.  f.  Naturwiss.,  Halle,  Bd.  LVHI, 
1885.  —  W.  Wink  1er,  Das  Herz  der  Acarinen ,  'Arbeiten  a.  d.  Zool.  Institut  von 
Wien  und  Triest,  Bd.  VII,  1888.  —  Wol.  Wagner,  La  mue  des  Araignees ,  Ann. 
sc.  nat.,  7.  Serie,  Vol.  VI,   1888. 


Kreis   der  Mantelthiere   (Tunicata). 

Wir  sind  mit  der  Mehrzahl  der  neueren  Forscher  darüber  ein- 
verstanden ,  dass  die  Mantelthiere  einen  besonderen  Kreis  bilden ,  der 
mit  den  Wirbelthieren  in  engerer  Beziehung  steht,  aber  nur  wenig 
Aehnlichkeiten  mit  den  Bryozoen  und  Brachiopoden  gemein  hat,  mit 
welchen  man  früher  die  Mantelthiere  unter  dem  Xamen  der  Mollus- 
coiden  vereinigte. 

Der  sehr  verschiedenartig  gestaltete ,  meist  symmetrische  Körper 
wird  von  einer  äusseren,  bald  weichen  und  fast  zerfliessendeu,  bald 
knorpelartig  harten  Hülle  umgeben,  deren  Grundsubstauz  eine  der 
Cellulose  der  Pflanzen  ähnliche  chemische  Zusammensetzung  zeigt  und 
ursprünglich  wohl  von  Zellen  gebildet  wird,  welche  aber  meistens  so 
mit  einander  verschmelzen,  dass  eine  structurlose  Masse  entsteht,  in 
welcher  sich  zuweilen  noch  Kerne ,  Fädchen  und  verschiedene  andere 
Zellenreste  nachweisen  lassen.  Dieser  sogenannte  äussere  Mantel 
zeigt  zwei  Oeffuungen ,  eine  zum  Eintritt,  eine  zum  Austritt  des 
Wassers,  die  bald  einander  genähert  sind  (Ascidieii)  ,  bald  gegenüber 
stehen  (Thaliaden).  Im  Umkreise  dieser,  häufig  von  Läppchen  um- 
stellten Oeffnungeu  geht  der  äussere  in  den  inneren  Mantel,  die 
eigentliche  Körperwand,  über,  in  deren  Dicke  das  Centralnerven- 
system  eingebettet  ist,  welches  bei  den  erwachsenen  Thieren  aus 
einem  einzigen  Ganglion  besteht,  von  dem  die  Nerven  ausstrahlen  und 
dem  bei  den  frei  schwimmenden  Formen  ein  oder  mehrere  Augen  auf- 
sitzen. In  der  Körperwand  sind  ausserdem  die  Muskeln  eingebettet, 
welche  entweder  eine  zusammenhängende  Schicht  (Ascidioi)  oder  ein- 
zelne Bänder  (Thaliaden)  bilden.  Die  grössere  Hälfte  des  Körpers 
wird  von  einer  weiten  Höhle  eingenommen,  in  welcher  sich  das  Athem- 


264  Tunicaten. 

Organ  findet,  dessen  Bildung  sehr  bedeutende  Verschiedenheiten  zeigt, 
auf  die  wir  später  näher  eingehen  werden.  Im  Hintergrunde  dieser 
Körperhöhle  öffnet  sich  der  Mund,  welcher  in  einen  stets  henkeiförmig 
umgebogenen  Darm  führt,  der  meist  durch  seine  Verknäuelung  einen 
sogenannten  Nucleus  bildet  und  mit  einem  After  endet,  welcher  in  einer 
mehr  oder  minder  von  der  Körperhöhle  getrennten ,  aber  stets  mit 
dieser  in  Communication  bleibenden  Cloakenhöhle  nach  aussen  mündet. 
Auf  der  ventralen  Mittellinie  der  Körperhöhle  verläuft  eine  drüsige 
Flimmerrinne,  der  Endostyl,  der  sich  von  der  Eintrittsöffnuug  gegen 
den  Mund  hin  erstreckt.  Das  Kreislaufsystem  ist  stets  in  eigenthüm- 
licher  Weise  ausgebildet.  Ein  schlauchförmiges,  musculöses  Herz  fehlt 
nie;  es  besitzt  aber  die  nur  in  diesem  Kreise  und  sonst  nirgends  in 
der  Thierwelt  vorkommende  Eigenthümlichkeit,  dass  die  Richtung 
seiner  Zusammenziehungen  und  somit  auch  die  des  Blutstroraes  ge- 
wöhnlich wechselt.  Nachdem  das  Herz  eine  Zeit  lang  das  Blut  von 
vorn  nach  hinten  getrieben  hat,  steht  es  still  und  treibt  dann  das  Blut 
in  entgegengesetzter  Richtung  von  hinten  nach  vorn.  Das  Blut 
selbst  ist  vollkommen  farblos  und  enthält  kleine  Blutkörperchen  von 
wechselnder  Form.  Wenn  man  bei  einigen  Mantelthieren  noch  von 
Gefässen  reden  kann,  so  giebt  es  dagegen  andere,  bei  welchen  das 
Blut  nur  in  Lacunen  circulirt. 

Alle  Mantelthiere  sind  Hermaphroditen ,  besitzen  aber  nur  die 
inneren,  keimbereitenden  Organe,  Ovarien  und  Hoden,  die  meist  die 
Schlinge  des  Darmes  umgeben  und  mit  ihm  den  Nucleus  bilden.  Meist 
reifen  die  Producte  dieser  Organe,  Eier  und  Zoospermen,  nicht  zu 
gleicher  Zeit.  Die  Beziehungen  der  Eier  wechseln  ungemein;  während 
die  Ascidien  meist  Eier  in  grosser  Anzahl  erzeugen,  bringen  die  meisten 
Thaliaden  nnv  ein  einziges  zur  Reife.  Bei  den  letzteren  bleibt  auch 
das  Ei  bis  zur  vollständigen  Entwicklung  des  Embryos  mit  dem 
mütterlichen  Organismus  durch  ein  besonderes  Organ  (Placenta)  in 
Verbindung,  während  bei  den  anderen  das  noch  von  seinen  Hüllen 
vimgebene  Ei  oder  eine  Larve  ausgestossen  wird ,  welche  meist  mit- 
telst eines  Ruderschwanzes  umher  schwimmen  kann. 

Ausser  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  kommt  auch  noch  Kno- 
spung in  verschiedenen  Formen  vor.  Bei  den  einen  hat  die  Knospung, 
mag  sie  nun  auf  dem  Körper  oder  auf  besonderen  Wurzel gebilden 
(Stolonen)  stattfinden,  die  Erzeugung  von  Jungen  zur  Folge,  die  dem 
Mutterthiere  ähnlich  sind  und  entweder  frei  bleiben  oder  durch  einen 
gemeinsamen  Mantel  eingehüllt  werden  (Synascidien,  Pyrosomen)  und 
so  Colonien  verschiedener  Art  bilden.  In  allen  diesen  Fällen  sind  die 
Knospen  aiich  geschlechtlich.  Bei  anderen  dagegen  sind  Knospung 
und  geschlechtliche  Fortpflanzung  verschiedenen  Individuen  zugewiesen, 
indem  die  knospenden  Thiere  Geschlechtsthiere  und  diese  wieder  kno- 
spende Thiere   erzeugen.     Endlich   können    in    einzelnen    Fällen    diese 


Thaliaden.  265 

Verhältnisse  durch  das  Auftreten  mehrerer  knospender  Generationen 
und  die  Ausbildung  von  heteromorphen  Individuen  noch  mehr  ver- 
wickelt werden. 

Alle  Mantelthiere  leben  im  Meere ;  die  Ascidien  sitzen  meist  fest, 
während  die  Thaliaden  frei  umher  schwimmen.  Sie  nähren  sich  von 
kleinen,  im  Wasser  aufgeschwemmten  Organismen. 

Wir  nehmen  mit  den  meisten  Autoren  zwei  Classen  an ,  die  wir 
indessen  etwas  anders  als  gewöhnlich  umgrenzen,  indem  wir  die  Pyro- 
somen,  welche  man  meist  wegen  der  Bildung  ihrer  Kiemen  zu  den 
Ascidien  stellt ,  den  Thaliaden  zugesellen ,  bei  welchen  sie  gewisser- 
maassen  den  Synascidien  entsprechen. 

Erste  Classe.  ^  Thaliaden.  Durchsichtige,  pelagische  Mantel- 
thiere, die  einzeln,  in  Gesellschaften  oder  in  Colonien  leben  und  die 
beiden  Oeffuungen  an  den  einander  entgegengesetzten  Körperenden 
tragen.  Körpermuskeln  in  einzelne  Bänder  getheilt.  Relativ  hoch 
entwickeltes  Nervenganglion  mit  aufgesetzten  Augen.  Sinnesorgane 
(Riechorgane V)  vor  dem  Nervensystem  gelegen.  Athemorgane  sehr 
verschieden  gestaltet.  Knospang  auf  einem  urspiünglich  inneren 
Stolon.     Meist  nur  ein  Ei. 

1.  Ordnung.  —  Salpen.  Cylinderförmige  Kieme,  welche  die 
Körperhöhle  schief  durchsetzt,  indem  sie  vorn  an  der  Rückenwand 
hinter  dem  Nervensysteme,  hinten  an  der  Bauchwand  in  der  Nähe  des 
Mundes  angeheftet  ist.  Augen  bei  den  beiden  Erscheinungsformen  der 
Art,  der  knospenbildenden  und  geschlechtlichen  Form,  verschieden  ge- 
staltet. Die  geschlechtliche  Form  knospt  in  Doppelreihen  auf  einem 
bauchständigen,  in  der  Nähe  des  Herzens  beginnenden  Stolo  und  bleibt 
während  des  ganzen  Lebens  in  Ketten  vereinigt.  Die  ungeschlechtige, 
knospenbildende  Form  bleibt  isolirt.  Reifenförmige  Muskelbänder  um 
den  Körper ,  die  häufig  auf  der  Bauchseite  sich  nicht  schliessen ,  da- 
gegen auf  der  Rückenseite  oft  in  einem  Punkte  zusammenlaufen.  Meist 
findet  sich  ein  Nucleus;  nur  selten  {S.  pinnatd)  ist  der  Darm  abgerollt 
und  gestreckt.  Der  Embryo  bleibt  bis  zur  Reife  in  engster  Verbin- 
dung mit  der  Mutter.  Die  in  Doppelreihen  oder  ringförmig  geord- 
neten Ketten  bestehen  aus  vollkommen  isolirten,  nur  an  einander 
haftenden  Individuen.  Beispiele:  Salpa  dcmocratka-tiuicronüta,  ofri- 
cana-maxii)ia,  innnaia. 

2.  Ordnung.  —  Tönnchen  (Doliolida).  Die  häutige  und  mit 
Spalten  versehene  Kieme  ist  nur  in  einem  Theile  der  Körperhöhle  ent- 
wickelt. Der  Körper  ist  von  vollständigen  isolirten  Muskelreifen  oder 
auch  nur  von  einer  Muskelschleife  umgeben.  Bei  einer  Form  der  Gat- 
tung Doliolum  seitliche  Otocysteu.  Eingeweide  knieförmig  gebogen, 
nicht  zu  einem  Nucleus  geballt;  Eierstock  mit  mehreren  Eiern.  Com- 
plicirte  Wechselgeneration.    Beider  allein  in  dieser  Beziehung  bekannten 


206  Tunicaten. 

Gattung  Doliolum  finden  sich  bei  den  freien  geschlechtlichen  Individuen 
Eier,  die  zu  geschwänzten  Larven  sich  ausbilden,  deren  tonnenförmiger 
Körper  nach  und  nach  verschiedene  Arten  von  heteromorphen  Indi- 
viduen erzeugt,  wovon  später  die  Rede  sein  vrird.  Beispiele:  Doliohim, 
Ancliinia. 

3.  Ordnung.  —  Feuerwalzen  {Pyr osomida).  Schwimmende 
Colonien  in  Form  eines  hohlen  Tannenzapfens.  Die  in  einem  ge- 
meinschaftlichen Mantel  eingeschlossenen  Individuen  stehen  im  Kreise, 
die  Eintrittsöffnung  nach  aussen,  die  Auswurfsöffnung  in  die  Höh- 
lung des  Zapfens  mündend.  Der  mit  Spalten  versehene  Kiemensack 
nimmt  fast  die  ganze  Körperhöhle  ein.  Sehr  schwach  entwickelte 
Muskelbänder  auf  der  Rückenseite.  Eingeweide  einen  Nucleus  bil- 
dend. Die  Geschlechtsthiere  besitzen  einen  ventralen  Keimstock  und 
erzeugen  ein  Ei,  aus  welchem  ein  Individuum  (Cyathozoid)  sich 
bildet,  welches  nach  Bildung  von  vier  Knospen -Individuen  (Ascidio- 
zoiden)  abstirbt.  Letztere  bilden  die  neue  Colonie,  die  sich  durch 
Knospen  vermehrt,  welche  auf  einem  ventralen  Keimstock  sprossen. 
Ex.  Pyrosoma. 

Typus:  SaJpa  democratica-mitcronata,  Forsk.  — "Wir  haben 
diese  kleine,  etwa  einen  Centimeter  lang  werdende  Salpe  deshalb 
gewählt,  weil  sie  nicht  nur  im  Mittelmeere ,  sondern  auch  in  den  nor- 
dischen Meeren  häufig  vorkommt,  während  die  anderen  grösseren  Arten 
meist  nur  beschränkte  Verbreitungsbezirke  zeigen.  Man  fischt  sie  mit 
dem  feinen  Netze  und  unterscheidet  sie  leicht  durch  die  schöne  blaue 
Farbe  ihres  Nucleus.  Sie  erhält  sich  ziemlich  lange  lebend  in  grossen 
Glasgefässen ,  deren  Wasser  man  häufig  erneuert.  Da  die  beiden 
Formen  der  Art  sehr  verschiedene  Gestalt  zeigen,  so  müssen  wir  sie 
besonders  beschreiben. 

Die  ungeschlechtliche,  knospenbildende  und  solitäre 
Form  {SaJpa  democratica)  (Fig.  116)  hat  einen  fast  cylindrischen, 
länglichen  Körper,  der  indessen  von  oben  nach  unten  etwas  abgeplattet 
ist,  so  dass  man  zwei  breitere,  Rücken-  und  Bauchfläche,  und  zwei 
schmälere  Seitenflächen  unterscheiden  kann.  Das  abgestutzte  Vorderende 
wird  von  der  sehr  breiten  Eingangs  Öffnung  (Ji)  eingenommen,  die 
von  zwei  Lippen  mit  mächtigen  Schliessmuskeln,  einer  ventralen  und 
einer  dorsalen,  eingeschlossen  wird.  Nach  hinten  verschmälert  sich  der 
Körper  und  endet  mit  einer  breiten  ventralen  Kegelspitze,  in  deren 
Basis  der  längliche,  strohgelb  gefärbte  Nucleus  (s)  eingeschlossen  ist. 
Der  ventralen  Spitze  entspricht  auf  der  dorsalen  Seite  eine  kleinere, 
warzenförmige.  An  den  Seiten  des  Hinterendes  entspringen  zwei 
Paar  dui-chsichtiger,  schmiegsamer  Anhänge;  die  vorderen  (e)  sind 
kürzer,  die  hinteren  (e')  erreichen  oft  die  Hälfte  der  Körperlänge. 
Diese   Anhänge    werden    von    dem    äusseren   Mantel   (rt)   gebildet,    der 


Thaliaden. 


267 


ziemlicli   fest,  aber  vei'liältnissmässig   wenig   mächtig    ist.     Man    sieht 

an  der  Innenfläche  des  äusseren  Mantels  in  der  Körperwand  sechs  von 

einander  unabhängige,  abgeplattete  Muskelbänder  (g),  welche  reifartig 

pio-.  116.  von     der    Rückenfläche 

^  über    die    Seitenflächen 

\  \  auf  die  Bauchfläche  sich 

krümmen,  wo  sie  enden 
und  ein  mittleres  Feld, 
das  keine  Muskelbildun- 
gen zeigt,  gänzlich  frei 
lassen.  Zwei  Längsfal- 
ten ((?) ,  welche  dieses 
Feld  begrenzen,  treten 
besonders  bei  der  Zu- 
sammenziehung deut- 
lich hervor.  Der  vor- 
derste Muskelreif  zieht 
an  dem  Centralner- 
vensystem  vorbei,  das 
aus  einem  einzigen,  fast 
kugelförmigen  Ganglion 
(/)  besteht  und  an 
seinem  Vorderrande 

einen  dunkelrothen,  huf- 
eisenförmigen      Augen- 

Salpa  democrutlca,  nach  dem 
Leben  und  von  der  Endo- 
stylseite  aus  in  sechsfacher 
Grösse  mit  der  Camera  hi- 
cida  gezeichnet.  «,  äusserer 
Mantel;  h,  Zwischenmantel- 
raum ;  c,  innerer  Mantel ;  c?, 
Längsfalte,  das  von  Muskeln 
entblösste  Feld  begrenzend ; 
e,  vordere  Seitenanhänge;  e', 
hintere  Anhänge ,  in  welche 
eine  Ausstülpung  e^  des  inne- 
ren Mantels  eindringt ;  J\ 
mittlerer  Hinterstachel ;  </,  </, 
Muskelreifen  (die  dorsalen 
Fortsetzungen  dieser  Reifen, 
welche  man  durchscheinen 
sieht ,  sind  nur  durch  Con- 
turen  angegeben);  /;,  Eintrittsöflfnung  ;  i,  Austrittsöftnung  ;  Ä:,  Sinnesorgan ;  /,  centrales 
Nervenganglion;  m,  Flimmerlinie,  von  der  Kieme  zum  Endostyl  verlaufend;  n,  Kieme; 
o,  drüsiger  Endostyl;  o^,  seine  Fortsetzung -zum  Darmmunde  p;  q,  Darm;  ?•,  Anfang 
des  Stolo ;  r'^,  dessen  Ende;  s,  Nucleus ;  <,  Herz. 


268  Tuuicaten. 

fleck  trägt.  Vor  diesem  Nervenknoten  liegt  ein  Sinnesorgan  (k), 
das  bei  dem  lebenden  Thiere  durch  seine  mächtigen  Wimpercilien  sich 
bemerkbar  macht  und  von  einem  zipfelförmigen  Anhange  überragt 
wird.  Die  cylindrische  Kieme  (w)  nimmt  fast  unmittelbar  hinter  dem 
Ganglion  aus  der  Vereinigung  zweier  Flimmerlinien  (m)  ihren  Ur- 
sprung, welche  die  EiutrittsöfFnung  umsäximen.  Die  Kieme  ist  sehr 
lang;  sie  heftet  sich  unmittelbar  vor  dem  Nucleus  an  die  Bauchfläche 
an.  Der  bauchständige  Endostyl  (o)  erstreckt  sich  von  der  Eintritts- 
öffnung bis  zu  dem  vierten  Muskelreifen.  Die  halbmondförmige  Aus- 
tr  i  ttsöffn  un  g  (/),  deren  Convexität  nach  hinten  schaut,  findet  sich 
fast  am  Ende  des  Körpers ,  aber  noch  auf  der  Rückenfläche.  Der 
schwach  gefärbte  Nucleus  (s)  hat  eine  längliche  Gestalt;  von  ihm 
geht  der  Stolo  (r)  aus,  der  bei  den  reifen  Individuen  sehr  beträchtlich 
ist,  zwei  Reihen  von  Knospen  trägt,  die  in  mehreren  Entwicklungs- 
stadien aufeinander  folgen,  und  den  Nucleus  mit  einem  zierlichen 
Doppelkranze  umgiebt.  Das  Thier  schwimmt  vereinzelt  im  Meere, 
indem  es,  wie  alle  Salpen,  Wasser  in  Menge  einschluckt  und  durch 
die  Austrittsöffnung  ausstösst.     Es  schwimmt  sehr  lebhaft. 

Die  geschlechtliche  Kettenform  (Salpa  mucronata) 
(Fig.  117)  zeigt  im  Ganzen  einen  eiförmigen  Körper,  der  nach  hinten 
in  eine  stumpfe  Spitze  ausgezogen  ist,  in  welcher  der  schön  himmel- 
blau gefärbte  Nucleus  geborgen  ist.  Die  blaue  Farbe  erstreckt  sich 
häufig  noch  auf  die  Kieme,  den  Endostyl  und  die  Flimmerlinie.  Der 
äussere  Mantel  (a)  ist  sehr  dick,  aber  weich  und  klebrig  an  seiner 
Oberfläche.  Zungenförmige  Vorsprünge  (d)  finden  sich  am  Vorder- 
rande und  an  der  rechten  oder  linken  Seite,  je  nach  der  Stellung  des 
Thieres  in  der  Kette.  Sie  dienen  zur  Verbindung  mit  den  im  Uebrigen 
freien  Individuen,  welche  die  Kette  bilden.  Die  quere  Eintritts- 
öffuung  (/*)  liegt  hinter  dem  Vorderende  auf  der  Rückenfläche;  der 
Endostyl  (o)  erstreckt  sich  bei  horizontaler  Lage  über  sie  hinaus  nach 
vorn.  Das  wie  bei  der  vorhergehenden  P^orm  gelagerte  Central- 
gangliou  (?)  trägt  auf  seiner  Vorderfläche  drei  vollkommen  von  ein- 
ander getrennte  Augenflecke.  Die  Form  besitzt  nur  vierMuskel- 
reifen((/),  von  welchen  drei  sich  in  einem  auf  der  Rückenfläche  hinter 
dem  Anheftungspunkte  der  Kieme  gelegenen  Punkte  vereinigen,  wäh- 
rend der  hinterste  Reifen  isolirt  bleibt.  Von  dem  Vereinigungspunkte 
erstreckt  sich  der  vordere' Muskelreif  schief  nach  vorn,  der  zweite 
quer,  der  dritte  schief  nach  hinten  gegen  die  Bauchfläche.  Der  unab- 
hängige hinterste  Muskelreif  biegt  sich  stark  nach  vorn;  seine  Enden 
schliessen  sich  nicht  auf  der  Bauchfläche.  Der  Endostyl  (o^)  ist  ver- 
hältnissmässig  weit  kürzer  als  bei  der  Einzelform ;  er  erstreckt  sich 
nach  hinten  nur  bis  zu  dem  Vereinigiingspunkte  der  Mnskelreifen. 
Auch  die  Kieme  (j))  ist  weit  kürzer,  der  Nucleus  (s)  dagegen  weit 
voluminöser  als   bei   der  Einzelform.      Rechts   von   ihm ,   in    der   Ver- 


Thaliaden. 


2G9 


Fig.   117. 


Salpa  niucyonata,  in  derselben  Lage  wie  die  vorhergehende  Form,  neunfach  ver- 
grössert.  Die  Buchstaben  haben  meist  dieselbe  Bedeutung.  a ,  äusserer  Mantel ; 
a^,  seine  Innengrenze ;  b,  Zwischenmantelraum  ;  c,  innerer  Mantel ;  d,  Haftfortsätze ; 
e,  seitlicher  Anhang;  f,  Hinterstachel;  g,  Muskelreifen;  /(,  EintrittsötFnung ;  i,  Aus- 
trittsöffiiung ;  k,  Sinnesorgan;  k^,  dessen  Haube;  l,  Nervenknoten;  m,  Flimmerlinie; 
n,  Kieme ;  n^,  Punkt,  wo  die  beiden  Flimmerlinien  zur  Bildung  der  Kieme  zusammen- 
treffen; 0,  Endostyl;  o^,  Fortsetzung  desselben  zum  Darmmunde;  o'^,  vor  dem  Munde 
gelegene  Kieme ;  /;,  Darmmund ;  q,  Enddarm  ;  r,  Hoden  ;  s,  Nucleus  ;  s^,  Blutlacune 
desselben ;  t.  Herz :   ^^  Ei. 


270  Tunicaten. 

längerung  des  Darmmundes,  sieht  man  bei  jüngeren  Individuen  den 
nur  aus  einem  einzigen  Ei  gebildeten  Eierstock  (u).  Bei  älteren  Indivi- 
duen sieht  man  an  dieser  Stelle  mehr  oder  minder  ausgebildete  Em- 
bryonen, die  im  Zustande  der  Reife  fast  gänzlich  die  Leibeshöhle  der 
Mutter  ausfüllen. 

Diese  geschlechtliche  Form  findet  sich  immer  in  Ketten,  welche 
stossweise  schwimmen;  die  einzelnen  Individuen  lösen  sich  oft  selbst 
in  Weingeist  nicht  von  einander;  sie  sind  schief  zur  Axe  der  Kette 
gelagert,  die  Eintrittsöflfnuugen  alle  nach  vorn  vind  zur  Seite  gei'ichtet. 
Man  fischt  sie  mit  dem  feinen  Netze. 

Beide  Formen  sind  phosphorescirend;  das  bläuliche  Licht  geht 
nur  von  dem  Nucleus  aus. 

Präparation.  —  Salpen  von  der  Grösse  unserer  typischen  Art 
lassen  sich  am  besten  lebend  unter  der  Lupe  oder  dem  Mikroskop 
untersuchen.  Unter  letzterem  kann  man  sie  stundenlang  bei  durch- 
fallendem Lichte  beobachten,  wenn  man  sich  Glaszellen  von  genügender 
Weite  und  Höhe  herstellt.  Die  Athem-  und  Herzbewegungen  dauern 
ungestört  fort  und  die  Durchsichtigkeit  der  Gewebe  ist  so  gross,  dass 
man  z.  B.  die  Blutströme  bis  in  die  geringsten  Verzweigungen  auf 
diese  Weise  verfolgen  kann.  Gewisse  Einzelheiten  der  Structur  lassen 
sich  durch  Zerzupfung  oder  durch  Schnitte  feststellen,  zu  welchen  fast 
alle  Fixationsmittel  sich  eignen.  Die  grösseren  Arten  (S.  pinnata, 
maxima  etc.)  können  makroskopisch  zergliedert  und  auch  injicirt 
werden.  Zu  letzterem  Zwecke  sticht  man  eine  feine  Canüle  in  das 
Herz  ein  und  treibt  die  Masse  sehr  langsam  voran.  Das  fortschlagende 
Herz  übernimmt  die  Einspritzung  in  die  feineren  Blutbahnen. 
Dr.  M.  Jacquet  hat  uns  auf  diese  Weise  sehr  schöne  Injectionen 
gefertigt.  Die  Thiere  leben  noch  mehrere  Tage  fort,  auch  wenn 
das  ganze  Gefässsystem  mit  Masse,  z.  B.  Chromgelb,   dicht  gefüllt  ist. 

Die  von  Einem  von  uns  im  Jahre  1851  in  Villefranche  begonnene 
Arbeit  wurde  daselbst  im  Frühjahre  1889  weiter  geführt  und  durch 
Untersuchung  von  Schnitten  vervollständigt,  zu  welchen  die  Zoo- 
logische Station  in  Neapel  ausgezeichnet  conservirtes  Material  lieferte. 

Der  äussere  Mantel  (a,  Fig.  116  und  117),  der  bei  der  Einzel- 
form dünner  und  fester,  bei  der  Kettenform,  wo  vielfache  Unreinheiten 
daran  ankleben,  dicker  und  weicher  ist,  erscheint  vollkommen  durch- 
sichtig und  structurlos.  Weder  bei  lebenden  ,  aioch  bei  mit  verschie- 
denen Fixativen  behandelten  Exemplaren  haben  wir  das  mindeste 
Anzeichen  einer  Structur  entdecken  können.  Er  hängt  mit  der  Körper- 
wand, welche  man  gewöhnlich  den  in  neren  Man  tel  (c)  nennt,  nur 
im  Umkreise  der  beiden  Oeffnungen  zusammen,  ist  aber  sonst  von  ihr 
durch  einen  Zwischenraum  (b)  getrennt,  der  namentlich  bei  den  Con- 
tractionen  der  Muskeln  deutlich  hervortritt.  Dieser  Raum  enthält 
w^ahrscheinlich  nur   durch  Osmose   eingedrungenes   Meerwasser;   meist 


Thaliaden.  271 

liegen  sogar  die  beiden  einander  zugekehrten  Flächen  eng  aneinander. 
Blut  circulirt  sicher  nicht  in  diesem  Räume.  Bei  der  Kettenform  sieht 
man  vorn  an  der  Eintrittsöffuung  zwei  zungenförmige  Fortsätze  des 
äusseren  Mantels  (d,  Fig.  117)  und  drei  audei'e  auf  der  einen  oder 
anderen  Körperseite,  je  nach  der  Stellung  des  Individuums  in  der 
Kette.  Sie  erscheinen  wie  zei'rissen  an  dem  Ende,  mit  welchem  sie 
an  die  beiden  benachbarten  Individuen   in    der   Reihe   verbunden  sind. 

Der  innere  Mantel  (c)  ist  ziemlich  dünn  und  fest,  sehr  elastisch, 
denn  er  bildet  den  Antagonisten  der  Ringmuskeln  in  der  Körperwand. 
Er  ist  structurlos ,  wie  der  äussere  Mantel;  seine  Inneufläche,  welche 
die  grosse  Körperhöhle  begrenzt,  ist  mit  einer  düunen  Epithelialschicht 
von  abgeplatteten  Pflasterzellen  bekleidet.  Seine  Dicke  lässt  sich  be- 
sonders leicht  an  der  Einzelform  erkennen  ,  wo  durch  die  Contraction 
der  Muskeln  eine  Längsfalte  (d,  Fig.  116)  entsteht. 

Die  Muskeln  liegen  an  der  Aussenfläche  des  inneren  Mantels;  sie 
haben  die  Form  von  sehr  abgeplatteten  Bändern  oder  Reifen,  in  welchen 
die  ebenfalls  platten  Fasern  parallel  neben  einander  gelagert  sind.  Die 
Fasern  sind  sehr  fein  quer  gestreift  und  schon  bei  dem  lebenden 
Thiere  sieht  man  in  ihrer  Längsaxe  eine  Reihe  feiner  Körnchen. 

Wir  haben  schon  oben  bei  Darlegung  der  unterscheidenden  Cha- 
raktere der  beiden  Formen  die  Verschiedenheit  in  der  Anordnung  der 
Muskelreifen  erwähnt,  welche  indessen  den  gemeinsamen  Charakter 
zeigt,  dass  die  Reifen  auf  der  Bauchseite,  längs  des  Endostyles  sich 
nicht  vereinigen,  sondern  einen  freien  Raum  lassen.  In  der  Substanz 
des  Mantels  selbst,  aber  an  seiner  inneren  Fläche,  sind  die  zahlreichen 
verzweigten  Lacunencanäle  für  den  Blutlauf  augebracht ,  die  einem 
capillaren  Gefässsysteme  gleichen  und  von  dem  bei  Gelegenheit  des 
Kreislaufes  die  Rede  sein  soll. 

Bei  der  Beobachtung  lebender  Salpen  kann  man  sich  sehr  gut 
von  dem  Wechselspiel  zwischen  den  Muskelreifen  und  dem  inneren 
Mantel  Rechenschaft  geben,  welches  zugleich  zur  Athmung,  Ernährung 
und  Bewegung  dient.  Die  Muskelreifen  verengern  durch  ihre  Zu- 
sammenziehung die  grosse  Körperhöhle,  deren  Füllwasser  durch  die 
AustrittsöfPnung  gewaltsam  ausgestossen  wird ,  während  die  Eintritts- 
öffnung geschlossen  wird.  Das  Thier  wird  durch  den  Rückstoss  des 
Wassers  nach  vorn  getrieben.  Bei  der  Erschlaffung  der  Muskeln  strebt 
der  innere  Mantel  durch  seine  Elasticität  sein  früheres  normales  Vo- 
lumen wieder  zu  gewinnen  und  durch  Aufsperren  der  Eintrittsöffnung 
füllt  sich  die  Körperhöhle  aufs  Neue  mit  Wasser,  das  Sauerstoff  und 
aufgeschwemmte  Nahrungstheile  mit  sich  führt. 

Der  innere  Mantel  ist  offenbar  die  eigentliche  Körperwand,  denn 
ausser  den  Muskeln  und  den  Gefässen  umschliesst  er  auch  in  seiner  Sub- 
stanz alle  übrigen  Eingeweide,  mit  Ausnahme  der  Kieme,  die  indessen 
an  ihren   beiden  Enden    mit    ihm   verwachsen    ist.      Er    bildet    so    die 


272  Tunicaten. 

grosse  allgemeine  Körperhöhle  und  durch  besondere  Umwachsungen 
umschliesst  er  das  Herz  und  die  in  dem  Nucleus  gelagerten  Ein- 
geweide. 

Die  beiden  Oeffnungen  für  den  Ein-  und  Austritt  des  Wassers 
sind  bei  den  beiden  Formen  etwas  verschieden  gestaltet.  Beide  sind 
von  mächtigen  Schliessmuskeln  umgeben ,  welche  wie  Sphincteren  an- 
geordnet sind,  und  zeigen  ausserdem  Längsbündel,  welche  die  Lippen 
öffnen.  Die  Eintrittsöffnung  der  Einzelform  (//,  Fig.  116)  bildet  eine 
breite,  fast  am  Körperende  gelegene  Querspalte  und  ihre  beiden  Lippen 
biegen  sich  nach  innen  ein,  indem  sie  so  eine  Art  Klappe  bilden. 
Die  Eintrittsöffnung  der  Kettenform  (Ji,  Fig.  117)  ist  weiter  geöffnet, 
queroval  und  gänzlich  auf  der  Riickenfläche  gelegen.  Die  Austritts- 
öffnungen, ganz  besonders  die  der  Kettenform,  können  bei  heftiger 
Ausstossung  des  Wassers  wie  eine  Röhre  vorgestülpt  werden ;  in  ihren 
Wänden  wiegen  die  Eingfasern  vor. 

Nervensystem.  —  Wie  schon  oben  (S.  263)  bemerkt  wurde,  be- 
sitzen die  Salpen  nur  einen  einzigen  centralen  Nervenknoten ,  der  in 
der  Substanz  des  inneren  Alantels  in  geringer  P^ntfernung  vor  der 
vorderen  Anheftungsstelle  der  Kieme  eingebettet  liegt  (?,  Fig.  116 
und  117).  Man  kann  an  jedem  Centralganglion  zwei  eng  verbundene 
Theile  unterscheiden,  den  mehr  nach  vorn  und  oben  gewendeten  Seh- 
theil  und  das  eigentliche,  mehr  nach  unten  land  hinten  gelegene 
Ganglion ,  welches  fast  kugelförmige  Gestalt  hat.  Nur  dieser  letztere 
Theil  sendet  die  Nerven  aus;  beide  Theile  sind  aber  so  innig  mit 
einander  verschmolzen,  dass  man  sie  nicht  von  einander  trennen  kann. 

Centraler  Nervenknoten  der  Einzel  form  (Fig.  116  und 
118).  —  Derselbe  liegt  in  der  Mitte  eines  Dreieckes  {Ä,  Fig.  118), 
dessen  Basis  von  dem  vordersten  Muskelreifen  ,  die  beiden  Seiten  von 
den  beiden  Flimmerlinien  (?)  gebildet  werden,  welche  sich  in  der 
Mittellinie  vereinigen,  um  den  Anfang  der  Kieme  (?)  zu  bilden.  Das 
eigentliche  Ganglion  ist  rund,  etwas  abgejolattet  von  oben  nach  unten 
und  auf  seiner  Mitte  ruht  der  Sehtheil.  Man  sieht  nur  schwer,  sei 
es  beim  Lebenden  oder  auf  Schnitten  [B,  Fig.  118),  die  einzelnen 
Formelemente.  Mit  starken  Vergrösserungen  sehen  wir  sehr  feine 
Fasern  in  querer  Richtung  zur  Oberfläche  verlaufend,  während  im 
Inneren,  in  einer  feinen  Punktsubstanz,  etwas  hellere,  runde  Räume 
mit  verwaschenen  Conturen  sich  zeigen,  die  wohl  von  Ganglienzellen 
herrühren  mögen.  Auf  mehr  oberflächlichen  Schnitten  sieht  man  eine 
von  kleinen  Zellen  mit  verhältnissmässig  grossen  Kernen  gebildete 
Rindenschicht,  die  bis  in  die  Nervenwurzeln  selbst  sich  erstreckt.  Von 
dem  Ganglion  strahlen  zwölf  Nervenpaare  aus.  Das  der  Mittellinie 
zunächst  gelegene  innerste  Nervenpaar  lässt  sich  bis  zu  dem  Sinnes- 
organe  (g,   Fig.    118,  A)   und    über    dasselbe    hinaus   verfolgen.      Allei 


Thaliaden. 


273 


diese  Xei'ven  sind  ausserordentlich  fein  und  zart  und  wir  müssen  ein- 
gestehen ,  dass  wir  weder  bei  den  Lebenden  noch  auf  mit  Osmium- 
oder Chromsäure  behandelten  Präparaten  sie  weit  über  das  angegebene 
Dreieck  hinaus  haben  verfolgen  können. 

Der  Sehtheil  (Fig.  118)  ist  von  dem  Ganglion  deutlich  durch  eine 
gewölbte,  durchsichtige  Hülle  abgehoben  (a,  Fig.  118,5),  die  man  mit 
einer  Hornhaut  vergleichen  kann.  Ein  kleiner  Vorsprung  der  Xerven- 
masse  schlägt  sich  etwas  über 
den  hinteren  Rand  dieser 
Hornhaut  hinüber ,  an  deren 
Innenfläche  sich  unmittelbar 
die  dunkelbraunroth  gefärbte 
Pigmentmasse  anlegt,  welche 
die  Gestalt  eines  nach  vorn 
geöffneten  Hufeisens  hat.  Nach 


Fig. 
A. 


118. 


Sulpa  democratica.  —  J,  das  Centralganglion  mit  seiner  Umgebung ,  von  oben  ge- 
sehen. Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  2.  Camera  dura.  a.  Spitze  der  Haube  des  Sinnes- 
organes; h,  die  Seitenflügel;  c,  basale  Erweiterung;  d,  Flimmerrand  des  Bechers; 
e,  seine  mit  Haaren  besetzte  Höhle  ;  /,  seine  Wand ;  g,  erstes  Xervenpaar,  das  unter 
dem  Sinnesorgane  durch  zum  Munde  verläuft;  h,  Muskelreif;  {,  Flimmerlinie;  i-,  Ver- 
einigungspunkt der  beiden  Flimmerlinien;  /,  Anfang  der  Kieme;  ?h,  pigmentirter  Seh- 
theil des  centralen  Nervenknotens ;  n,  eigentliches  Xervenganglion.  B,  Horizontal- 
schnitt des  Nervenknotens.  Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  V.  Camera  heida,  a,  Hornhaut; 
h,  Schenkel  der  hufförmigen  Pigmentmasse  ;  b',  der  dickere  Mitteltheil  des  Hufeisens  ; 
c,  c,  innere  Warzenhiigel ;  d,  Innenhöhle ;  e,  Nervensubstanz  des  Ganglions ;  /,  Hülle 
desselben ;  g,  ausstrahlende  Nerven. 
Vogt  11.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  ig 


274 


Tunicaten, 


hinten  ist  diese  Masse  dicker;  die  nach  vorn  gerichteten  krummen 
Schenkel  des  Hufeisens  sind  dünner.  An  Organen,  die  durch  einen 
raschen  Schnitt  der  Scheere  am  Lebenden  abgetrennt  waren ,  sehen 
wir  die  Pigmentmasse  aus  einzelnen  rundlichen  Ballen  zusammen- 
gesetzt; wohl  Zellen,  deren  Bildung  sich  aber  nicht  weiter  erkennen 
Hess.  Auf  Schnitten  zeigt  sich  die  körnige  Pigmentmasse  zusammen- 
hängend, wohl  in  Folge  der  Contraction  durch  die  Eeagentien.  Im 
Ganzen  bildet  die  Pigmentmasse  einen  nach  vorn  offenen  Becher,  der 
sich  eng  an  die  Innenwand  der  Hornhav^t  anlegt.  Im  Inneren  dieses 
Bechers  springen  fein  gekörnte,  übrigens  durchsichtige  Warzenhügel 
vor  (c,  Fig.  118,  i?) ,  welche  sich  nach  einer  inneren  Höhlung  ein- 
biegen (d).  Wir  haben  zuweilen  in  diesen  Warzenhügeln  eine  feine, 
ihrer  Krümmung  parallele  Streifung  zu  sehen  geglaubt,  was  auf  ihre 
Zusammensetzung  aus  verlängerten,  den  Retinuleu  anderer  Thiere  ana- 
logen Zellen  hindeuten  würde;  aber 
in  anderen  Schnitten  haben  wir  ver- 
gebens uns  von  dieser  Structur  zu 
vergewissern  gesucht.  Wenn  sie 
sich  bestätigte ,  so  würde  das  Auge 
der  Einzelform  ein  einfaches  Auge 
darstellen,  bestehend  aus  einer  Horn- 
haut, einer  Pigmentschicht  (Choroi- 
dea)  und  einer  massiven,  becher- 
förmigen Retina, 

Das  Centralnervensystem 
der  Ketten  form  (Fig.  119)  hat 
genau  dieselbe  relative  Lagerung, 
wie  dasjenige  der  Einzelform;  es 
zeigt  dieselbe  Anzahl  ausstrahlen- 
der Nerven  und  die  gleiche  innere 
Structur.  Die  Gestalt  des  eigent- 
lichen Ganglions  scheint  je  nach 
der  Lage,  in  welcher  man  es  sieht, 
etwas  verschieden,  weniger  abge- 
plattet und  an  dem  Uebergauge 
zum  Sehtheile  etwas  eingeschnürt. 
Der  Sehapparat  ist  durchaus  ver- 
schieden und  aus  drei  getrennten 
Pigmentmassen  aufgebaut,  die  man  schon  unter  der  Lupe  unterscheiden 
kann  und  von  denen  die  eine  nach  vorn,  die  andere  nach  hinten,  die 
dritte  nach  der  rechten  Seite  gewendet  ist.  Jede  dieser  Massen  wird 
von  einer  Hornhaut  überwölbt,  in  welcher  wir  auf  einigen  Schnitten 
gleich  weit  von  einander  abstehende,  senkrechte  Streifen  bemerkt 
haben    {cl,   Fig.   119),    die    vermuthlich    eine    Zellenstructur    andeuten. 


Su/pa  nmcronula.  —  Horizoiitalsclinitt 
des  Ganglions.  G  u  n  d  1  a  c  li ,  Oc.  1 , 
Obj.  V.  Camera  luc'ida.  I,  vorderes 
Auge  ;  n,  hinteres ;  III,  seitliches  Auge. 
a,  aus  clem  Ganglion  ausstrahlende  Ner- 
ven ;  i,  Hülle  des  Ganglions ;  c,  Nerven- 
masse ;  f/,  Hornhaut- ,  e,  Pigment-,  /, 
Zellenschicht  des  vorderen  Auges  ;  </,  Pig- 
ment-,  /i ,  Zellenschicht  des  hinteren 
Auges;  /,  Pigment-,  k,  Zellenschicht 
des  Seitenauo;es. 


Thaliaden.  275 

Von  der  Fläche  gesehen,  zeigen  die  Pigmentmassen  deutliche,  kugelige 
Elemente  (/) ,  runde  Pigmentzellen.  Jeder  dieser  Zellen  scheint  im 
Inneren  eine  sehr  durchsichtige,  stark  in  die  Länge  gezogene  Zelle  zu 
entsprechen,  die  deutlich  von  ihren  Nachbarn  getrennt  ist  (/,  /;, 
Fig.  119).  In  ihrer  Gesammtheit  sehen  diese  gegen  die  Pigmeutballen 
convergirenden  Zellen  wie  Stützen  derselben  aus.  An  ihrer  Basis  be- 
merkt man  eine  scharf  accentuirte  Grenzlinie.  Die  Kettenform  hat 
demnach  drei  von  einander  unabhängige  Augen ,  die  unmittelbar  auf 
der  Nervenmasse  aufsitzen  und  verschiedene  Sehaxen  haben. 

Sinnesorgan.  —  Vor  dem  Ganglion  liegt  in  der  Mittellinie  der 
Rückenwand  ein  eigenthümliches  Organ  (Ä-,  Fig.  116  und  117),  das  aus 
zwei  Theilen  besteht:  einem  hinteren  in  Gestalt  eines  engen  Bechers 
oder  Trichters  mit  aufgewulsteten  Zellenwänden,  dessen  ausgeweitete 
Oeifnung  nach  vorn  schaut  und  einem  vorderen  mit  häutigen  Wänden 
in  Form  einer  Zipfelmütze  oder  Kapuze,  deren  spitzes  Ende  gegen  die 
Eintrittsöffnung  gerichtet  ist  und  frei  in  der  Körperhöhle  schwimmt. 
Der  einzige  Unterschied,  welchen  dieses  Organ  bei  den  beiden  Formen 
zeigt,  besteht  darin,  dass  die  Zipfelmütze  bei  der  Kettenform  (Fig.  117) 
weit  länger  ausgezogen  ist,  als  bei  der  Einzelform  (Fig.  116);  ab- 
gesehen von  dieser  geringfügigen  Verschiedenheit  ist  das  Organ  bei 
beiden  Formen  vollständig  gleich  gebaut. 

Der  Becher  oder  Trichter  (e,  Fig.  118,  A)  besteht,  wie  gesagt, 
aus  einer  aufgewulsteten  Verdickung  des  inneren  Mantels.  Die  nach 
aussen  weit  auseinander  weichenden  Wände  schliessen  sich  nach  hinten 
zusammen  und  umschreiben  so  eine  enge,  innere  Höhlung,  in  welcher 
man  Längsstreifen  als  optischen  Ausdruck  von  starren  Haaren  erblickt, 
die  gegen  die  Mitte  der  Höhlung  convergiren.  Zwischen  diesen 
Haaren  sieht  man  sehr  kleine,  aber  scharf  begrenzte  Granulationen, 
die  vielleicht  noch  unentwickelte  Härchen  sind.  Die  Haare  sind  starr 
und  zeigen  keine  Bewegung;  dagegen  zeigt  sich  auf  der  ausgeweiteten 
Mündung  des  Bechers  ein  zwar  feiner,  aber  sehr  lebhafter  Flimmer-  • 
besatz  (d).  Ueber  dieser  Oeffnung  erhebt  sich  der  häutige  Sack  (a), 
an  dessen  Basis  zw^ei  seitliche,  flügelartige  Ausweitungen  angebracht 
sind  {l>,  Fig,  118,  Ä),  die  sich  in  die  Körperhöhle  öffnen.  Die  Wände 
dieses  Sackes  sind  häutig,  zart,  sehr  durchsichtig,  aber  ziemlich  steif 
und  elastisch.  Mau  sieht  an  ihnen  Zeichnungen,  die  durch  Faltungen 
oder  unregelmässige  Rauhigkeiten  hervorgebracht  scheinen. 

Welche  Function  hat  dieses  Organ?  Eine  bestimmte  Antwort 
auf  diese  Frage  lässt  sich  nicht  geben.  Man  kann  das  erste  mitt- 
lere Nervenpaar,  welches  aus  dem  Centralnervenknoten  hervortritt 
(g,  Fig.  118,  A) ,  leicht  bis  zum  Grunde  des  Bechers  verfolgen,  sich 
aber  ebenfalls,  wenn  auch  mit  etwas  mehr  Mühe,  überzeugen,  dass 
die  Nerven  unter   dem  Becher  durch    nach   vorn   gegen    den  Mund  hin 


276  Tunicaten. 

verlaufen  und  nicht  in  das  Organ  selbst  eintreten.  Auch  einen  Seiten- 
zweig zu  dem  Organe  sucht  man  vergebens.  Die  starren  Haare  im 
Inneren  des  Bechers,  die  Flimmerorgane  auf  seiner  Mündung  sprechen 
für  eine  Sinnesfunction.  Wir  haben  während  mehrerer  Stunden  Salpen 
in  Wasser  mit  aufgeschwemmtem  Carmin  gehalten ;  die  Farbstoff- 
theilchen  sammelten  sich  in  der  wdmpernden  Mündung  des  Bechers 
wohl  in  noch  grösserer  Menge  als  am  Endostyl;  wir  haben  aber  nie- 
mals, weder  in  dem  Becher,  noch  in  dem  Zipfelsacke  des  Organes, 
Farbtheilchen  gefunden.  Man  kann  vermuthen ,  dass  das  Organ 
ein  Geruchsorgan  sei,  aber  bewiesen  ist  diese  Function  noch  gar 
nicht. 

Verdauungssystem.   —   Man   kann   an   diesem  Systeme  zwei. 
Abschnitte  unterscheiden,  den  zuführenden  und  den  verdauenden. 

Die  Eintrittsöffnung  lässt  in  der  That  bei  jeder  Oeffnung  einen 
Wasserstrom  eintreten,  der  die  ganze  Körperhöhle  erfüllt  und  eine 
Menge  aufgeschwemmter  Theile,  Thierchen  xxnd  einzellige  Pflanzen, 
mit  sich  führt,  die  in  der  Körperhöhle  umherwirbeln  imd  sich  all- 
mählich gegen  ein  besonderes  Organ  hin  versammeln,  welches  mit 
blossem  Auge  in  der  Medianlinie  der  Bauchfläche  leicht  erkannt  werden 
kann  und  allgemein  der  Endostyl  (o,  Fig.  116,  117)  genannt  wird. 
Dieses,  bei  der  Einzelform  mehr  in  die  Länge  gezogene  Organ  erstreckt 
sich  bei  beiden  Formen  über  die  Eintrittsöflfnung  hinaus  bis  zur  Unter- 
lippe derselben.  Es  ist  eine  tiefe,  auf  der  Kante  einer  in  die  Körper- 
höhle vorspringenden  Längsleiste  ausgehöhlte  Rinne.  Die  Kante 
selbst  ist  durch  seitliche  Bänder  (o'-,  Fig.  116)  mit  dem  inneren  Mantel 
verbunden.  Diese  Bänder,  in  welchen  zahlreiche  Blutströme  verlaufen, 
vereinigen  sich  hinter  dem  Drüsentheile  des  Endostyls  in  der  Mit^iel- 
linie  und  setzen  seinen  Verlauf  bis  zur  Kieme  hin  fort. 

„Man  kann  in  diesem  Organe",  sagte  Einer  von  uns  vor  Jahren 
(Vogt,  s.  Literatur),  „mehrere,  gewissermaassen  von  einander  unab- 
hängige Formationen  unterscheiden:  die  Wimperauskleidung,  die  Bil- 
dungen des  Gefässsystemes  und  die  innere  Rinne,  die  sich  durch  ihre 
weissliche  Farbe  auszeichnet."  Beobachtungen  am  Lebenden  wie  an 
Schnitten  zeigen ,  dass  diese  Unterscheidung  aufrecht  erhalten  werden 
muss.  „Die  Lippen  der  Rinne  sind  mit  sehr  lebhaft  wimpernden,  langen 
Flimmerhaaren  besetzt.  Wenn  die  beiden  Lippen  sich  aneinander 
legen,  so  kleiden  die  Wimpern  den  Grund  aus  und  trennen  denselben 
von  dem  Innenraume  der  Rinne.  Dieser  ist  von  drüsiger  Natur,  mit 
grossen  hellen  Zellen  ausgekleidet,  welche  in  der  Tiefe  einige  Längs- 
wülste bilden,  die  gegen  die  Auskehlung  der  Rinne  vorspringen.  Diese 
Zellen  sondern  einen  durchsichtigen,  klebrigen  Schleim  ab.  An  ihren 
beiden  Enden  erweitert  sich  die  Rinne  und  erscheint  hier  zugeschnitten 
wie  die  Spitze  einer  Schreibfeder;  in  diesen  Erweiterungen  ist  die 
Flimmerbewegung  am  lebhaftesten." 


Thaliaden.  277 

Die  beiden  durchsichtigen  Seitenbänder,  welche  den  Drüsentheil 
auf  seiner  ganzen  Länge  einfassen ,  entstehen  aus  der  Vereinigung 
zweier  Flimmerlinien  (m,  Fig.  116,  117),  die  an  der  vorderen  Au- 
heftungsstelle  der  Kieme  ihren  Anfang  nehmen,  allmählich  auseinander 
weichen,  die  Eintrittsöffnung  umkreisen  und  sich  etwas  von  der  aus- 
gekehlten Spitze  des  Endostyls  wieder  in  der  Mittellinie  vereinigen. 
Die  Wimperbeweguug  verläuft  auf  diesen  Linien  in  der  Richtung  von 
der  Kieme  zum  Endostyl  und  setzt  sich  auf  dessen  Kinne  selbst  von 
vorn  nach  hinten  fort.  Die  in  dem  Wasser  der  Körperhöhle  auf- 
geschwemmten Theilchen  werden  ziemlich  schnell  in  dieser  Richtung 
fortbewegt,  und  während  ihres  Fortgleitens  mit  dem  in  Menge  von 
den  Drüsen  Wülsten  der  Rinne  abgesonderten  Schleime  umhüllt,  wobei 
sie  die  Gestalt  von  gedrehten  Fäden  oder  Tauen  annehmen.  Die 
neueren  Untersuchungen  h^ben  demnach  einfach  bestätigt,  was  der 
Eine  von  uns  schon  im  Jahre  1854  festgestellt  hatte,  nämlich,  dass 
dieser  beständig  von  vorn  nach  hinten  gehende  Wimperstrom  die 
Nahrungsmittel  dem  Darmmunde  zuführe. 

Indessen  findet  sich  bei  unserer  tj'pischen  Art  ein  ziemlich  be- 
deutender Zwischenraum  zwischen  dem  hinteren  Ende  des  drüsigen 
Endostyls  und  dem  Darmmunde  und  dieser  Zwischenraum  ist  relativ 
sehr  gross  bei  der  Kettenform  (o^,  Fig.  11(3).  Auf  diesem  setzen  sich 
nur  die  beiden  bewimperten  Lippen  der  Rinne  fort,  eng  verschmolzen 
und  bedeutend  abgeplattet.  Man  kann  also  mit  Recht  sagen,  dass  der 
Endostyl  eine  mediane  Wimperrinne  darstellt,  welche  auf  einem  Theile 
ihrer  Erstreckung  eine  drüsige  Beschaffenheit  hat. 

Am  hinteren  Ende  dieses  Flimmerstreifens,  auf  welchem  die  zur 
Nahrung  bestimmten  Schleimknöllchen  dahingleiten,  liegt  auf  dem 
Halse  des  zugespitzten  Nucleus  der  Darmmund  (j),  Fig.  116,  119), 
der  die  Gestalt  einer  abgeplatteten  und  etwas  gewundenen  Trichter- 
öffnung hat.  Die  etwas  verdickten  Wülste,  welche  die  Lippen  dieses 
Mundes  bilden,  erstrecken  sich  bei  der  Kettenform  (Fig.  117)  etwas 
weiter  nach  vorn  auf  die  Flimmerrinne.  Dieser,  auf  seiner  ganzen 
Fläche  flimmernde  Mund  führt  in  einen  kurzen,  trichterförmigen  und 
abgeplatteten  Schlund  (c,  Fig.  123),  dessen  Innenfläche  ebenfalls  ein 
Wimperepithelium  trägt.  Die  Einzelform  eignet  sich  zum  Studium 
des  Darmcanales ,  der  allein  den  Nucleus  füllt,  besser  als  die  Ketten- 
form, bei  welcher  der  Darm  von  den  Blindsäcken  des  Hodens  umgeben 
ist.  Der  aus  festen ,  von  cylindrischen  Zellen  gebildeten  Wänden 
(c,  Fig.  123)  bestehende  Schlund  mündet  in  einen  ziemlich  weiten, 
blind  nach  hinten  geschlossenen  Magensack,  der  einer  spitz  endenden 
Flasche  gleicht,  aiif  deren  nach  vorn  gerichteter  Basis  zwei  Hälse  auf- 
gesetzt sind,  einerseits  der  Schlund,  anderseits  das  kurze  Rectum. 
Die  ganze  Bildung  gleicht  sehr  derjenigen  der  Bryozoen.  Im  Inneren 
seiner  dünnen  Eigenhülle  zeigt  der  Magen    eine  dicke  Endothelschicht, 


278  Tunicateii. 

die  aus  langen,  palissadenartig  neben  einander  stehenden  Cylinder- 
zellen  gebildet  ist,  welche  runde,  grosskernige  Drüsenzellen  (cf,  Fig.  123) 
umgeben.  Die  Wände  des  Magens  setzen  sich  in  das  Rectum  fort, 
wo  sie  wenig  nach  innen  vorspringende  Längswülste  bilden,  aber  eine 
abweichende  Structur  zeigen.  Sie  bestehen  aus  feinen  Cylinderzellen, 
die  aufschnitten  einen  inneren  Ueberzug  gewahren  lassen  (/,  Fig.  123), 
welcher  verklebten  Wimperzellen  ähnlich  sieht.  Das  Rectum  öffnet 
sich  nicht  in  einen  Cloakenraum  ,  sondern  direct  in  die  Körperhöhle 
am  Anfange  der  meist  etwas  röhrenförmig  ausgezogenen  Austritts- 
öffnung. Bei  lebenden,  namentlich  bei  mit  Carmin  gefütterten  Salpen 
kann  man  leicht  den  Austritt  der  Excremente  in  Form  kleiner  Würst- 
chen beobachten.     Anhangsorgane  des  Darmes  fehlen  durchaus. 

Athemorgane.  —  Man  kann  auch  hier  zwei  Abtheilungen  an- 
nehmen: die  schon  erwähnten  Flimmerlinien  (;«,  Fig.  116,  117) 
und  die  Kieme  (») ,  welche  schief  durch  die  allgemeine  Köi'perhöhle 
gespannt  ist  und  vorn  an  der  Rückenseite  in  geringer  Entfernung 
hinter  dem  Centralgauglion,  hinten  dagegen  an  der  Bauchseite  im  Be- 
ginne des  Nucleus  angeheftet  ist. 

Die  Flimmerlinien  zeigen  bei  beiden  Formen  dieselbe  An- 
ordnung. Wie  schon  bemerkt,  beginnen  sie  am  Vorderende  des  Endo- 
styls,  weichen  auseinander,  um  die  Ecken  der  Eintrittsöffnung  zu  um- 
kreisen und  Tereinigen  sich  auf  der  Mittellinie  der  Rückenseite  am 
Anheftungspunkte  der  Kieme.  Da  diese  letztere  bei  der  Einzelform 
(Fig.  116)  länger  ist,  so  bildet  die  Flimmerlinie  bei  ihr  fast  einen 
Kreis,  während  bei  der  Kettenform  (Fig. -117)  ihr  Verlauf  gestreckter 
ist.  Auf  dem  grössten  Theile  ihrer  Erstreckung  sind  die  Wimpern 
auf  einem  von  sehr  feinen  Fasern  zusammengesetzten  Bande  au- 
gebracht. Aber  an  den  beiden  Enden,  sowohl  gegen  den  Endostyl 
wie  gegen  die  Kieme  hin,  erhebt  sich  diese  bandförmige  Grundlage 
allmählicli  und  bildet  schliesslich  eine  nach  innen  vorspringende  Falte, 
so  dass  wir  z.  B.  am  Anfange  der  Kieme  (Fig.  118,  A,  IS)  zwei  starke, 
etwas  umgekrempelte  Falten  sehen,  welche  durch  ihre  Vereinigung 
eine  Art  dreieckiger  Höhle  bilden ,  in  welcher  die  Wimperbewegung 
äusserst  lebhaft  ist.  Die  Bewegung  geht  von  der  Kieme  zum  Endo- 
style  und  ist  nur  die  Fortsetzung  des  an  der  Oberfläche  der  Kieme 
aufsteigenden  Wimperstronies.  Hiernach  stellt  sich  die  Kieme  ge- 
wissermaassen  als  ein  aus  der  Verschmelzung  der  beiden  Flimmer- 
linien hervorgegangenes  Organ  dar  und  die  Spur  dieser  Verschmelzung 
lässt  sich  noch  längs  der  ganzen  Kieme  in  Gestalt  einer  Linie  er- 
kennen, in  welcher  die  queren  Wimperwülste  der  Kieme  unter- 
brochen sind. 

Die  Kieme  selbst  besteht  aus  zwei  wesentlichen  Theilen,  einem 
festen  Cylinder,   der  längs   seiner   dorsalen  Mittellinie  in  der  Art  aus- 


Thaliaden.  279 

gekehlt  ist,  dass  er  auf  Querschuitten  einem  dicken,  wie  ein  Circumflex 
gebogenen  Bande  gleicht,  und  einem  AnheftungsLaude,  welches  sich 
an  den  Ansatzstellen  der  Kieme  bedeutend  erweitert.  Der  Cylinder 
wird  von  einer  Substanz  gebildet,  die  ebenso  fest  und  homogen  ist, 
als  diejenige  des  Mantels;  aber  auf  seiner  gegen  die  Körperhöhle  ge- 
wendeten Aussenfläche  gewahrt  man  besondere  Bildungen,  rippenartig 
erhabene,  mit  Wimpern  besetzte  Querwülste,  die  mit  leicht  aus- 
gekehlten, etwas  breiteren  Zwischenräumen  abwechseln.  Die  Wimper- 
wülste bilden  etwas  schief  gegen  die  Kiemenaxe  mit  der  Convexität 
nach  hinten  gerichtete  Bogen ;  sie  verflachen  sich  etwas  gegen  die  ven- 
trale Mittellinie  hin,  die  sie  nicht  ganz  erreichen,  so  dass  hier  die 
oben  erwähnte  Längslinie  frei  bleibt,  welche  auf  Querschnitten  sich 
als  eine  erhabene  Kante  darstellt.  Bei  der  Profilansicht  (Fig.  120 
a.  f.  S.)  stehen  die  Flimmerlinien  wulstartig  vor.  Die  sie  bildenden 
Wimperzellen  sind  cylindrisch  und  schwach  begrenzt;  sie  tragen  an 
ihrem  freien  Ende  ein  Büschel  kurzer,  ziemlich  dicker  Wimpern.  Die 
Thäler  zwischen  den  Flimmerwülsten  (?)  sind  mit  einem  Pflasterepithe- 
lium  ausgekleidet,  dessen  unregelmässige  Kerne  sich  leicht  fäi-ben. 
Die  specielle  Stromrichtung  auf  den  Wimperwülsten  läuft  ihrer  Länge 
nach  gegen  die  Mittellinie;  die  Gesammtrichtung  verläuft  längs  der 
Kieme  vom  Nucleus  gegen  die  vordere  Anheftungsstelle,  also  in  einer 
der  Bewegung  auf  dem  Endostjd  entgegengesetzten  Richtung. 

Das  Haltband  besteht  aus  zwei  sehr  dünnen,  häutigen  Blättern, 
die  eng  aufeinander  liegen,  sich  bei  der  Annäherung  an  den  Cylinder 
etwas  verdicken  und  mit  den  Seitenrändern  desselben  zusammen- 
fliessen.  Wir  haben  diese  Bildung  mit  grösster  Deutlichkeit  sowohl 
auf  Schnitten  als  auch  bei  mit  Tusche  injicirten  Salpen  bestätigen 
können  und  aus  den  Injectioneu  die  Ueberzeugung  geschöpft,  dass 
das  Haltband  das  eigentliche  Respirationsorgan  ist ,  wo  der  Austausch 
der  Gase  zwischen  dem  Blute  und  dem  umgebenden  Wasser  stattfindet, 
während  der  Wimpercylinder  nur  ein  zur  Herstellung  eines  beständigen 
Stromes  dienendes  Hülfsorgan  ist.  Um  dieses  Verhältniss  zu  veran- 
schaulichen, müssen  wir  in  einige  Einzelheiten  über  Kiemen,  die  mit 
Tusche  injicirt  wurden,  eingehen.  W^ir  haben  in  Fig.  120  ein  Stück 
einer  so  injicirten  Kieme  der  grossen  Kettenform  S.  maxima  gegeben, 
deren  Einzelform  als  S.  africana  bekannt  ist.  Die  Injection  ist  leichter 
bei  solchen  grossen  Arten,  aber  die  Organisation  der  Kieme  ist  genau 
wie  bei  unserer  typischen  Art. 

Man  sieht  auf  diesem  Präparate,  dass  der  mit  Wiraperwülsten 
besetzte  Cylinder  nur  einige  wenige  Nährgefässe  (?')  besitzt,  welche 
aus  einem  engen  Maschennetze  (g)  entspringen,  das  an  dem  Cylinder 
sich  hinzieht  uud  in  einen  dünnen  Sammelcanal  (Ji)  mündet,  der  längs 
den  Enden  der  Wimperwülste  verläuft.  Das  Gefässnetz  zeigt  weitere 
Maschen    in    der  Nähe   des    grossen,   mittleren    Sammelcanales  (e),   auf 


280 


Tunicaten. 


riß-.  120. 


ab  c 


welchem  die  zahlreichen  Stämme  entspringen,  die  in  dem  Maschen- 
netze sich  verzweigen  und  mit  einander  anastomosiren.  Dieser  grosse 
mediane  Längscanal  verläuft  auf  der  Trennungslinie  der  beiden  Blätter 
des  Haltbandes.  In  jedem  dieser  Blätter  ist  wieder  ein  Maschennetz 
entwickelt,  ähnlich  dem  der  vorderen  Seite.  Um  die  Figur  nicht  zu 
verwirren,  haben  wir  nur  das  eine  dieser  Blätter  gezeichnet,  aber  durch 
abwechselndes  Erhöhen  und  Niederlassen  des  Focus  kann  man  sich 
leicht  überzeugen,  dass  in  der  Substanz  eines  jeden  der  beiden  über 
einander  liegenden  Blätter  ein  Gefässnetz  entwickelt  ist.  Diese  ana- 
stomosirenden    Gefässe    fliessen   endlich    in    einem    fast    randständigen 

Samraelcanale  (c)  zu- 
sammen, der  längs  des 
Bandes  verläuft  und 
dessen  Existenz  auch 
beweist,  dass  hier  die 
beiden  Blätter  mit  ein- 
ander verschmolzen 
sind.  Die  auf  Quer- 
schnitten deutlich  sicht- 
baren freien  Ränder 
unterscheiden  sich  auch 
hier  durch  zwei  Längs- 
linien (a,  h). 

Beobachtet  man  eine 
lebende  Salpe,  so  sieht 
man  leicht  die  Blut- 
körperchen in  dem  gros- 
sen mittleren  Sammel- 
caual  sich  vorwärts  be- 
wegen; es  ist  uns  aber 
niemals  gelungen,  Blut- 
körperchen in  dem  Ma- 
schennetze oder  in  den 
kleinen  Sammelcanälen 
sich  bewegen  zu  sehen. 
Es  scheint,  als  Hessen 
die  Maschennetze  ebenso 
wenig  die  relativ  gros- 
sen Blutkörperchen,  als 
etwas  grobkörnige  In- 
jectionsmassen  passiren, 


Stück  einer  mit  Tusche  injicirten  Kieme  von  Salpa 
maxima  [afrlcana).  Verick,  Oc.  1,  Obj.  0.  Camera 
dura.  A,  häutiger  dorsaler  Rand ;  B,  ventraler  Rand 
des  Cylinders.  a,  b,  Nahtlinien  der  beiden  das  Halt- 
band bildenden  Blätter;  c,  kleiner  dorsaler  Sammel- 
canal ;  d,  Capillarnetz  auf  den  Blättern;  e,  grosser 
mittlerer  Sammelcanal ;  /,  Gefässnetz  mit  weiten 
Maschen;  g,  engniaschiges  Gefässnetz;  h,  kleiner, 
längs  dem  Cylinder  verlaufender  Sammelcanal  ;  i,  Nähr- 
gefässe  des  Cylinders;  Ä,  Flimmerwülste  ;  /,  Zwischen- 
■thäler  mit  Pflasterepithelium. 


wie  z.  B.  Chromgelb, 
während  Tusche  leicht  eindringt.  Demnach  würde  nur  das  Blutplasma 
in  diesen  Netzen  circuliren  und  sich  oxydiren. 


Thaliaden.  281 

Kreislauf.  —  Man  kann  den  Kreislauf  auf  zweierlei  Weise  unter- 
suchen: unmittelbar  durch  Transparenz  unter  dem  Mikroskope  bei 
kleinen  Arten ,  wie  unsere  typische ,  oder  bei  grösseren  Arten  mittelst 
Injection.  Die  erste  Methode  bietet  Schwierigkeiten  durch  die  un- 
gemeine Durchsichtigkeit  und  Fai'blosigkeit  des  Plasmas,  wie  der  ver- 
hältnissmässig  seltenen  Blutkörperchen.  Diese  sind  ziemlich  gross, 
von  unregelmässiger,  aber  doch  meist  rundlicher  Form  und  legen  sich 
hcäufig  in  Form  kleiner  AVürstchen  zusammen.  Man  kann  dann  leicht 
die  Strömung  solcher  Würstchen  verfolgen ;  da  die  Blutkörperchen 
aber  ihrer  Grösse  wegen  nicht  in  die  feineren  Verzweigungen  und  die 
Capillareu  eindringen,  so  kann  mau  auf  diese  Weise  sich  nur  über  die 
grösseren  Blutbahnen  Rechenschaft  geben. 

Die  Injection  lebender  Individuen  der  grösseren  Arten  ist  ziemlich 
leicht.  Man  stösst  die  Spitze  einer  feinen,  in  ein  Kautschukrohr  ein- 
gelassenen Glascanüle  in  das  Herz  und  treibt  durch  langsames  und 
bemessenes  Einblasen  die  Masse  in  das  Organ.  Das  Herz  treibt  selbst 
die  Masse  weiter ;  es  fährt  fort  zu  schlagen ,  und  wir  haben  Thiere 
drei  oder  vier  Tage  mit  beständig  pulsirendem  Herzen  lebend  erhalten, 
bei  denen  nicht  nur  sämmtliche  grosse  Gefässe,  sondern  theilweise 
auch  die  Capillaren  mit  Injectionsmasse  gefüllt  waren.  Die  Massen 
zeigen  hinsichtlich  des  Eindringens  Verschiedenheiten.  Frisch  ge- 
fälltes Chromgelb  füllt  sehr  leicht  das  ganze  System  des  Endostyls, 
dringt  aber  nicht  so  leicht  in  die  von  der  Kieme  abhängenden  Bahnen 
ein.  Man  empfindet  eine  Art  Widerstand,  als  existire  an  der  Herz- 
mündung der  Kiemengefässe  ein  Klappenapparat,  dessen  Existenz  wir 
indessen  nicht  auf  andere  Weise  nachweisen  konnten.  Dagegen  dringt 
chinesische  Tusche  leicht  in  das  Kiemensystem  ein.  Die  feinen 
schwarzen  Theilchen  kleben  an  den  Wänden  der  Blutbahnen  an  und 
bringen  so  die  feinen  Capillaren  zur  Anschauung.  Man  kann  so- 
gar, zu  flüchtiger  Anschauung,  Luft  einblasen,  die  indessen  bald  durch 
Osmose  wieder  aus  den  Gefässen  verschwindet. 

Wir  halten  unbedingt  die  von  Einem  von  uns  (s.  Literatur)  vor 
Jahren  aufgestellte  Behauptung  aufrecht,  dass  der  gesammte  Kreis- 
lauf in  Lacnnen  vor  sich  geht,  welche  in  der  Substanz  des  inneren 
Mantels  ausgehöhlt  sind,  und  dass  man  trotz  der  grossen  Regelmässig- 
keit der  Stämme,  Aeste  und  Capillaren  keine  besonderen  Wände  der- 
selben nachweisen  kann.  Man  kann  diese  Ansicht  leicht  an  der 
grossen  Lacune  erhärten,  welche  den  Nucleus  einnimmt  und  in  welche 
Darm  und  Hoden  eingetaucht  sind.  Man  sieht  hier  (h,  Fig.  123) 
Bindegewebsstränge,  welche  unregelmässige  Räume  umgrenzen,  in 
welchen    die    Blutkörperchen   um    diese  Brücken   und  Stränge   kreisen. 

Das  Herz  (f,  Fig.  116,  117,  121;  jj,  Fig.  122)  liegt  auf  der 
Rückenfläche  in  einer  Höhle,  die  in  einer  Fortsetzung  der  fast  knor- 
peligen   Substanz    des    Nucleus    ausgegraben    ist,    die     als    Herzbeutel 

18* 


282  Tunicaten. 

fiingirt.  Es  bildet  einen  kurzen,  ziemlicli  breiten  Schlauch,  der  nur 
an  beiden  Enden  an  dem  Pericardium  angeheftet  ist ,  und  scheint 
wesentlich  musculöser  Natur.  Doch  müssen  wir  bemerken,  dass  wir 
niemals  wirkliche  Muskelfasern  zur  Anschauung  bringen  konnten ; 
man  sieht  nur,  wenn  man  die  Wände  des  sich  zusammenziehenden 
Herzens  scharf  im  Profil  beobachtet.  Kerbungen,  die  durch  Fasern 
bedingt  scheinen.  Die  Zusammenziehungen  sind  wurmförmig  und 
gehen  bald  von  hinten  nach  vorn,  bald  in  umgekehrter  Richtung,  und 
diese  Aenderungen  der  Richtung,  die  von  einer  kleinen  Ruhepause 
unterbrochen  werden,  scheinen  in  ganz  regelmässigen  Intervallen  sich 
zu  folgen.  Es  kann  also  von  Arterien  und  Venen  keine  Rede  sein; 
in  jeder  Blutbahn,  die  man  unter  dem  Mikroskope  fixirt,  kann  man  die 
Blutkörperchen  sehen,  wie  sie  während  einiger  Zeit  in  einer  gegebenen 
Richtung  strömen,  mit  einigen  Schwankungen  innehalten  und  dann  in 
entgegengesetzter  Richtung  sich  bewegen.  Um  aber  unsere  Beschrei- 
bung zu  erleichtern,  fixiren  wir  den  Augenblick,  wo  das  aus  dem 
Herzen  getriebene  Blut  in  die  Kieme  eindringt,  um  dann  durch  das 
System  des  Endostyls  wieder  in  das  Herz  zurückzukehren;  das  Blut 
stj-ömt  in  diesen  beiden  Organen  thatsächlich  stets  in  entgegengesetzter 
Richtung. 

Der  Kiemen  ström  geht  aus  dem  vorderen  Ende  des  Herzens 
hervor  (Fig.  121,  122)  und  tritt  an  das  hintere  Ende  der  Kieme 
heran,  indem  er  der  Falte  folgt,  welche  die  Kieme  an  dem  Nucleus 
befestigt.  Bei  lebenden  Thieren  kann  man  nur  den  grossen  Mittel- 
canal  der  Kieme  sehen  {x,  Fig.  122),  in  welchem  zahlreiche  Blut- 
körperchen dicht  gedrängt  strömen ;  die  seitlichen  Sammelcanäle  und 
die  Capillarnetze,  welche  wir  oben  bei  Gelegenheit  der  Kieme  be- 
schrieben und  in  Fig.  120  abgebildet  haben,  entziehen  sich  am  Lebenden 
der  Beobachtung.  Wir  verweisen  also  bezüglich  ihrer  auf  die  dort 
gegebene  Beschreibung  (S.  280). 

Am  vorderen  Ende  der  Kieme  vereinigen  sich  die  seitlichen  Canäle 
mit  dem  mittleren  Hauptstrom,  der  allein  seinen  Weg  zu  dem  Central- 
ganglion  des  Nervensystemes  fortsetzt  (Fig.  121),  das  ebenso  wohl, 
wie  die  Flimmergrube,  allseitig  von  einem  weiten  Blutsinus  umgeben 
ist,  in  welchem  die  Blutkörperchen  nach  allen  Richtungen  hin  herum- 
wirbeln. Der  Stamm  sendet,  bevor  er  sich  zur  Bildung  des  Sinus 
erweitert,  Aeste  in  das  Haftband  der  Kieme  («',  Fig.  122),  welche  gegen 
den  dort  gelegenen  Vereinigungspunkt  der  Muskelbänder  verlaufen 
und  in  diesen  ihren  Weg  fortsetzen.  Von  dem  die  Flimmergrube  um- 
gebenden Sinus  aus  gabelt  sich  der  Strom  in  zwei  Aeste  (w^,  Fig.  121),  fl 
die  zu  den  Ecken  der  Eintrittsöffnung  emporsteigen  und  einen  ge- 
schlossenen Kreis  um  dieselbe  bilden.  Aber  am  Austrittspuukte  aus 
der  Kieme  entsendet  der  Mittelcanal  noch  zwei  andere  Seitenäste, 
welche    einen    weiteren    Kreis    beschreiben    und    den    Flimmerlinien 


Thaliaclen. 

Fig.  121. 


283 


Salpa  mucroHuta.  —  Nach  Beobachtungen  am  Lebenden  combinirtes  Schema  des 
Kreislaufes.  Man  hat  zur  Anhige  der  Zeichnung  die  Pause  der  Fig.  117  und  die- 
selben Buchstaben  zur  Bezeichnung  der  Organe  benutzt.  Nur  die  Hauptströmungen 
sind  gezeichnet ,  dagegen  die  Seitenäste  and  Capillarnetze  ganz  weggelassen  v^'orden. 
a,  äusserer  Mantel;  c,  innerer  Mantel;  g,  Muskelreifen;  h,  Eintrittsöffnung;  i,  Aus- 
trittsöffnung ;  k,  Sinnesorgan ;  /,  Centralganglion ;  m,  Flimmerstreifen ;  n,  Kieme ; 
n^,  ihr  Aufhängeband;  7i^,  centraler  Kiemenstrom  zum  Nervenknoten;  7i^,  Gabelung 
dieses  Stromes  zur  Qmspannung  der  Eintrittsöffnung;  o,  drüsiger  Endostyl ;  o^,  Fort- 
setzung desselben  zum  Munde ;  p,  Darmmund;  q,  Nucleus;  s,  Blutlacune  im  Nucleus ; 
f,  Herz ;  n,  Ei :  ?.<i,  Blutgefäss  zum  Ei. 


284  Tunicaten. 

(m,  Fig.  121)  bis  zum  Vorderende  des  Endostyls  folgen,  wo  sie  sich 
unter  einander  zur  Bildung  des  Endostylstromes  vereinigen  und  mit 
diesem  zum  Herzen  zurückkehren. 

Man  kann  auf  dem  Drüsentheile  des  Endostyls  zwei  seitliche  und 
einen  Mittelstrom  unterscheiden;  jedoch  ist  der  letztere  nur  stellen- 
weise entwickelt.  Die  Seitencanäle  gehen  auf  ihrem  Verlaufe  nach 
dem  Herzen  hin  Seitenäste  an  die  Verhindungszungen  (d,  Fig.  122) 
und  an  die  Muskelhänder.  Am  hinteren  Ende  des  Drüsentheiles 
(m\  Fig.  122)  setzen  die  Ströme  ihren  "Weg  in  dem  häutigen  Theile 
in  Gestalt  eines  Wundernetzes  fort,  indem  sie  sich  vielfach  theilen  ■ 
lind  mit  einander  anastomosiren.  Man  kann  vielleicht  zwei  parallele 
Hauptströme  (o,  Fig.  122)  in  diesem  Wundernetze  unterscheiden,  aber 
sie  heben  sich  nicht  scharf  hervor  und  Injectionen  zeigen  Capillaren 
mit  ebenso  engen  Maschen ,  wie  in  den  Lungen  eines  Wirbelthieres. 
Schliesslich  vereinigen  sich  alle  diese  Ströme  und  münden ,  neben  der 
Einmündung  des  Kiemenstromes,  in  das  vordere  Ende  des  Herz- 
schlauches. Wir  haben  häufig  Blutkörperchen  gesehen ,  die  aus  dem 
Endostylstrome  fast  unmittelbar  in  den  Kiemenstrom  hinüber  schlüpf- 
ten, indem  sie  nur  die  äusserste  Spitze  des  Herzens  durchsetzten.  Auf 
dem  ganzen  Verlaufe  des  Wundernetzes,  das  wir  auf  unserer  Fig.  122 
nur  durch  einige  Linien  andeuteten,  gehen  Seitenzweige  ab,  die  im 
Allgemeinen  den  Muskelbändern  folgen  und  auf  der  ganzen  Innen- 
fläche des  Mantels  ein  weitmaschiges  Capillarnetz  versorgen ,  dessen 
Vertheilung  ziemlich  unregelmässig  ist,  das  aher  durch  zahlreiche 
Anastomosen  mit  den  von  der  Kiemenströmung  abgehenden  Zweigen 
verbunden  ist. 

"Wir  müssen  hier  einer  das  Ei  betreffenden  Eigenthümlichkeit  Ei'- 
wähnung  thun.  Das  Ei  ist  stets  auf  der  rechten  Bauchseite  der  Leibes- 
höhle angeheftet  und  kann  deshalb  als  leitendes  Merkmal  für  die  Lage 
einer  Salpe  benutzt  werden  ,  indem  es  auf  der  linken  Seite  erscheint, 
wenn  man  diese,  wie  in  unseren  Figuren  117  u.  121,  von  der  Bauch- 
fläche her  betrachtet.  Beobachtet  man  nun  eine  lebende  Salpe  in  dieser 
Lage,  so  sieht  man  sofort  einen  Strom  («fi,  Fig.  121),  der  sich  von  dem 
längs  des  letzten  Muskelbandes  verlaufenden  Gefässe  abzweigt,  in  den 
Hals  des  Ovariums  (u)  eindringt,  dort  eine  scharfe  Biegung  macht  und 
damit  in  die  Eikammer  selbst  eindringt ,  aus  der  er  durch  die  ab- 
gerundete, dem  Herzen  zugewendete  Spitze  austritt,  um  dann  in  das 
hintere  Ende  desselben  einzumünden.  Diese  Eierstocksströmung  ver- 
bindet demnach  den  Kreislauf  in  der  vorderen  Körperhälfte  mit  dem- 
jenigen im  Nucleus. 

Man  kann  in  der  That  den  Nucleolar- Kreislauf  von  dem  eben 
beschriebenen  Körperkreislauf  trennen,  weil  er  fast  gänzlich  auf  den 
Nucleus  beschränkt  ist  und  aus  dem  hinteren  Ende  des  Herzens  ent- 
springt,   aus    welchem    mehrere   grosse    Ströme    austreten,     die     sich 


i 


Thaliaden. 


285 


unmittelbar  in  die  weite  Laciine  ergiesseu ,  in  welche  die  Eingeweide 
eingetaucht  sind.  Mag  nun  der  Körperstrom  von  der  Kieme  oder  von 
dem  Endostyl  aus  in  das  Herz  übergehen,  stets  sieht  man  den  grössten 


Fig.  122. 


Salpa  miicronata,  im  Profil.  Verick,  Oc.  1,  Obj.  0.  Camera  clara.  Man  hat  uur 
den  inneren  Mantel  in  Conturen  und  die  Hauptblutströme  gezeiclmet,  dagegen  die 
Verästelungen  und  Capillaren  weggelassen.  Nach  dem  Leben,  a,  Einlrittsöffnung; 
i,  AustrittsöfFnung ;  c,  innerer  Mantel;  rf,  Anheftungszunge ;  /,  /,  Muskelreifen; 
(j,  Flimmerbecher  (Sinnesorgan)  mit  seiner  in  der  Körperhöhle  schwimmenden  Haube  ; 
Ä,  Centralnervensystem ;  z,  Anheftungspunkt  der  Kieme;  i ,  Wimpercylinder  der 
Kieme;  /,  Rand  des  Anheftungsbandes  der  Kieme;  m,  Vorderende,  m^,  Hinterende 
des  drüsigen  Endostyls  ;  n,  Haltband  des  Endostyls  ;  h^,  seine  Fortsetzung  zum^Munde; 
0,  Hauptgefässe  dieses  Bandes ;  ;j,  Herz ;  q,  Ei ;  r,  Darmmund ;  s,  Piectum ;  <,  Hoden  ; 
?(,  Hülle  des  Nucleus  ;  r,  Blutlacune  desselben;  w,  die  EintrittsöfFnung  umschlingender 
Gefässbogen,   der  den   Kiemenkreislauf  mit   demjenigen   des  Endostyls   verbindet. 


286  Tunicaten. 

Theil  der  zugeführten  Blutmasse  das  Herz  durchströmen  und  in  die 
Lacune  eintreten ,  wo  sich  die  Strömungen  durchkreuzen  und  durch 
einen  Theil  der  Hohlräume"[in  das  Herz  zurückkehren.  Wir  haben 
zwar  nicht  mit  völliger  Sicherheit  feststellen  können,  ob  zwischen  den 
Lacunenräumen  der  dorsalen  und  ventralen  Seite  des  Nucleus  eine 
constante  Opposition  besteht,  doch  schien  uns  die  erstere  vorzugsweise 
mit  der  Kieme,  die  letztere  mit  dem  Endostyle  in  Beziehung  zu  stehen. 
Wenn  sich  dies  so  verhalten  sollte,  so  könnte  man  bei  den  Salpen 
einen  kleinen  Nucleolar- Kreislauf  und  einen  grossen  Körperkreislauf 
unterscheiden. 

Doch  sind_^  diese  beiden  Abtheilungen  nicht  vollständig  getrennt. 
In  der  That  liefert  die  Lacune  des  Nucleus  Zweige,  welche  die  Aus- 
trittsöifnung  umgeben  und  mit  den  Aesten  der  Kreismuskelgefässe 
anastomosiren,  und  eine  ähnliche  Verbindung,  wie  an  dem  Eierstocke 
der  Kettenform,  findet  an  dem  Gefässe  statt,  welche  bei  der  Einzelform 
den  Stolo  versorgt. 

Mit  Ausnahme  dieses  letzteren  zeigt  der  Kreislauf  bei  der  Einzel- 
form genau  denselben  allgemeinen  Plan ,  wie  der  beschriebene  bei  der 
Kettenform.  In  Folge  der  verschiedenen  Proportionen  der  Kieme  iind 
des  Endostyles,  sowie  der  abweichenden  Anordnung  der  Muskelbänder 
zeigen  sich  freilich  einige  secundäre  Verschiedenheiten  ohne  grössere 
Bedeutung. 

Fortpflanzungsorgane.  —  Wie  wir  in  der  allgemeinen  Be- 
schreibung sagten,  zeigt  sich  unsere  typische  Art,  gleich  allen  anderen 
Salpen,  unter  zwei  verschiedenen  Formen.  Die  Einzelform  ist  un- 
geschlechtig  und  erzeugt  Knospen ,  die  Kettenform  ist  geschlechtig 
und  erzeugt  Zwitter.   Beide  Formen  sind  demnach  auseinander  zu  halten. 

Einzel  form.  —  Der  Stolo,  auf  welchem  die  geschlechtlichen 
Ketteuthiere  knospen,  zeigt  sich  bei  dem  lebenden  Thiere  in  Gestalt 
einer  vollständig  durchsichtigen,  am  distalen  Ende  geschlossenen  Röhre 
mit  dicken  Wänden,  die  an  ihrem  proximalen  Ende  mit  der  Kieme,  dem 
Nucleus  und  dem  Herzen  in  Verbindung  steht.  Der  Stolo  erscheint  schon 
früh  bei  dem  Embryo,  wo  ernach  Seeliger  (s.  Literatur)  durch  eine 
Ausstülpung  der  Körperwand  gebildet  ist,  deren  Innenhöhle  von  einer 
Fortsetzung  des  hinteren  Kiemendarraes  ausgekleidet  wird.  Zwischen 
diesen  beiden,  dem  Ectoderm  und  Entoderm  entsprechenden  Schichten 
finden  sich  indifferente,  eingewanderte  Zellen,  die  dasMesoderm  reprä- 
sentiren  sollen.  Wie  sich^dies  auch  verhalten  mag,  so  viel  steht  fest, 
dass  di3  Wände  des  Stolo  zur  Zeit,  wojer  in  Function  tritt,  vollkommen 
solide  sind,  dass  er  im  Inneren  hohl  ist  und  von  einem  mächtigen 
Blutstrome  durchlaufen  wird,  der  bei  vielen  Salpen  direct  aus  dem 
hinteren  Herzende,  bei  anderen  dagegen  in  unmittelbarer  Nähe  des 
Herzens  sich  von  der  Lacune  des  Nucleus  auf  der  ventralen  Seite 
abzweigt. 


Thaliaden.  287 

Die  Entwicklung  der  Knospen  auf  dem  Stolo  gehört  nicht  in  den 
Rahmen  unseres  Werkes;  wir  verweisen  hinsichtlich  dieses,  noch  sehr 
umstrittenen  Gegenstandes  auf  die  zahlreichen,  in  dem  Literatur- 
verzeichnisse aufgeführten  Abhandlungen.  Wir  bemerken  nur,  dass 
die  Knospen  sich  bei  unserer  typischen  Art  in  zwei  abwechselnden 
Zeilen  längs  dem  Stolo  und  in  drei  Abtheilungeu  entwickeln,  die  drei 
besondere  Ketten  bilden,  und  dass  in  dem  Maasse,  als  die  Knospen 
wachsen ,  der  anfänglich  gerade  Stolo  bei  seiner  Verlängerung  eine 
zierliche  Curve  bildet,  welche  sich  um  den  Nucleus  heruraschlingt 
(r,  Fig.  116).  Ein  so  entwickelter  Stolo  zeigt  vier  Abschnitte:  einen 
ersten ,  sehr  kurzen ,  der  unmittelbar  an  das  Herz  stösst,  durchaus 
glatt  ist,  wie  der  Stolo  des  Embryo  (>•'),  und  aus  drei  Doppelreihen  von 
Knospen,  die  um  so  grösser  sind,  je  weiter  von  dem  Stiele  sie  sich 
befinden.  Die  distale  Reihe  (r")  löst  sich  nach  vollständiger  Aus- 
bildung ab  und  tritt  als  Kette  durch  einen  Schlitz  an  der  Rückenfläche 
hervor.  In  der  im  Meere  schwimmenden ,  losgelösten  Kette  hängen 
die  einzelnen  Individuen  nur  durch  die  erwähnten  zungenförmigen 
Fortsätze  zusammen. 

Kettenform.  —  Das  Ei  (Fig.  117.  ^l)  liegt  auf  der  rechten 
Körperseite,  nahe  an  dem  Mundtrichter,  eingeschlossen  in  der  inneren 
Schicht  der  Körperwand,  wo  es  einen  kleinen  Yorsprung  gegen  die 
Körperhöhle  bildet.  Es  tritt  schon  sehr  früh  bei  den  Knospen  in  die 
Erscheinung,  bleibt  aber  nahezu  unverändert,  bis  die  Kette  sich  vom 
Stolo  ablöst.  In  diesem  Zeitpunkte  besteht  der  weibliche  Geschlechts- 
apparat bei  unserer  Art  in  einer  Art  Kapsel  oder  Follikel,  der  gegen 
die  Mittellinie  hin  geschlossen ,  seitlich  in  einen  anfangs  engen ,  dann 
erweiterten  Hals  sich  fortsetzt,  der  eine  kreisförmige  Oeffnung  um- 
giebt,  in  welche  der  oben  erwähnte  Blutstrom  eindringt.  Mit  Aus- 
nahme dieses  Blutcanales,  der  eine  knieförmige  Biegung  macht,  um 
aus  dem  Hals  in  die  Kap)sel  einzutreten,  ist  das  ganze  flaschenförmige 
Gebilde  ringsum  geschlossen  durch  ziemlich  dicke  Wände,  die  aus 
Cylinderzellen  bestehen.  Es  liegt  in  einer  von  zwei  wulstigen  Lippen 
knopflochartig  umgebenen  Vertiefung,  deren  bildende  Zellen  höher 
sind  als  die  Pflasterzellen ,  welche  in  der  Umgebung  die  Körperhöhle 
auskleiden.  Im  Inneren  des  in  der  Kapsel  eingeschlossenen  Eies  unter- 
scheidet man  ein  rundes,  helles  Keimbläschen  mit  einigen,  wenig  deut- 
lichen Keimflecken. 

Wir  gehen  in  die  Beschreibung  der  einzelnen  Phasen,  welche  das 
Ei  bis  zur  Entwicklung  des  reifen  Embryos  durchläiift,  Klüftung,  Bil- 
dung der  Keimblätter  und  der  einzelnen  Organe,  nicht  ein;  man  wird 
darüber  die  zahlreichen  Schriften  von  Todaro,  Salensky,  Barrois  etc. 
zu  Rathe  ziehen ,  die  im  Literaturverzeichnisse  angeführt  sind.  Wir 
bemerken  nur,  dass  der  Embryo  zur  Reifezeit  eine  verhältnissmässig 
enorme  Grösse  erreicht,   die  Leibeshöhle  der  Mutter  fast  gänzlich  aus- 


288  Tunicaten. 

füllt  und  ausser  den  dem  erwachsenen  Zustande  zukommenden  Organen 
noch  zwei  provisorische  Organe  besitzt,  die  beide  auf  der  Endostylseite 
des  Embryos  liegen  und  die  Verbindung  mit  der  Mutter  vermitteln, 
während  die  entgegengesetzte  Seite  mit  dem  Nervensystem  und  den 
beiden  Körperöffnungeu  vollkommen  frei  ist.  Das  eine  dieser  Organe, 
die  Placenta,  ist  unmittelbar  an  der  Körperwand  der  Mutter  an- 
geheftet ;  es  sieht  einem  hohlen  Kuchen  ähnlich,  in  welchen  zwei  mäch- 
tige Blutströme  von  der  mütterlichen  Seite  her  eindringen,  die  aus 
der  Theilung  des  ursprünglich  in  die  Eikapsel  eintretenden  einfachen 
Stromes  herrühren.  Sie  vertheilen  sich  in  dem  ganzen  mit  Spindel- 
zellen erfüllten  Organe,  das  ausserdem  vom  Embryo  her  einen  be- 
deutenden, aus  dem  System  des  Endostyls  abgezweigten  Blutstrom 
erhält.  Die  beiden  Strömungen  vertheilen  sich  in  weitmaschige  Räume, 
ohne  direct  mit  einander  zu  communiciren,  da  sie  durch  Scheidewände 
und  Brücken  getrennt  werden,  die  von  den  erwähnten  Spindelzellen 
gebildet  sind. 

Hinter  der  Placenta  und  wie  diese  von  einer  Verdickung  des  inneren 
Mantels  des  Embryos  umhüllt,  die  hier  mit  der  Körperwand  der  Mutter 
verschmilzt,  liegt  der  Eläoblast,  ein  birnförmigcr,  grossentheils  aus 
Fettzellen  zusammengesetzter  Körper.  Dieses  Organ ,  welches  sich 
weit  später  als  die  Placenta  entwickelt,  steht  in  keiner  directen  Ver- 
bindung mit  dem  Körper  der  Mutter;  es  ist  wahrscheinlich  zur  Auf- 
speicherung von  Ernährungsmaterial  bestimmt.  Ursprünglich  ist  der 
Embryo  fast  mit  seiner  ganzen  Bauchfläche  und  besonders  durch  die 
Umgebung  der  beiden  genannten  Organe  an  die  Körperwaud  der 
Mutter  befestigt,  aber  während  seines  Wachsthumes  verringert  sich 
diese  Anheftungsfläche  mehr  und  mehr  und  zwar  hauptsächlich  von 
dem  Eläoblast  her,  dessen  Umgebung  sich  nach  und  nach  abrundet 
und  sich  gänzlich  loslöst.  Schliesslich  haftet  der  Embryo  nur  noch 
durch  die  Placenta  an  der  Mutter  und  seine  Anheftungsstelle  zieht 
sich  so  zusammen,  dass  sie  um  den  mütterlichen  Blutstrora  einen 
hohlen  Stiel  bildet,  auf  welchem  der  Embryo  balancirt  und  sich  sogar 
so  weit  drehen  kann,  dass  seine  Eintrittsöffnung  gegen  die  Austritts- 
öffuung  der  Mutter  gewendet  ist,  während  die  umgekehrte  Lage  die 
normale  ist.  Endlich  reisst  dieser  hohle  Stiel  ab  und  der  Embryo 
wird  als  Salpa  demoer atica  ausgestossen.  Aber  auch  im  freien  Zu- 
stande trägt  er  noch  lange  die  beiden  provisorischen  Organe  hinter 
dem  Endostyle  mit  sich  herum,  die  nach  und  nach  und  zwar,  wie  es 
scheint,  im  Verhältniss  zum  Anwachsen  des  Stolo  und  seiner  Knospen 
resorbirt  werden. 

Der  Hoden  (r,Fig.  117)  ist  gänzlich  auf  den  Nucleus  beschränkt, 
dessen  Lacune  er  gemeinschaftlich  mit  dem  Darmcanale  ausfüllt.  Er 
besteht  aus  einem  breiteren ,  den  Mund-  und  Afterdarm  umgebenden 
Theile  und   öffnet  sich  durch   einen,   von    sehr    dünnhäutigen  Wänden  | 


Thaliaden. 


289 


gebildeten  Samenleiter  (^r,  Fig.  123)  mit  etwas  erweiterter  Mündung 
neben  dem  Rectum  in  die  Röhre  der  Austrittsöffnung.  Es  ist  uns 
geglückt,  in  dem  Fig.  123  abgebildeten  Querschnitte  den  Samenleiter 
seiner  ganzen  Länge  nach  bloss  zu  legen.  Die  in  einer  Enderweite- 
rung (g^,  Fig.  123)  und  vor  der  Mündung  angehäuften  Zoospermen 
lassen  keinen  Zweifel  über  die  Deutung  dieses  Canales,  der  eine  schlitz- 
artige Gestalt  hat,  horizontal  verläuft  und  am  vorderen  Theile  der 
verbreiterten  Hodenmasse  entspringt  (/).  Von  dieser  Masse  gehen 
nun   Blindschläuche   aus,    die  etwas    spitz    enden   und  gegen  das  Ende 

Fig.  123. 


..fv 


Salpa  viacronata.  —  Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Nucleus  unmittelbar  hinter 
dem  Darmmunde.  Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  IT.  Camera  clara.  a.  Innenwand  der 
Körperhöhle ;  h,  Substanz  des  Nucleus ;  c,  Schlundwand ;  c^,  Xahrungsstofife  in  seiner 
Höhle;  f7,  Magenwand;  d^,  Magenhöhle;  e,  Rectum;  e^.  Höhle  desselben;  /,  mit 
Zoospermen  gefüllter  Hodenschlauch,  quer  durchschnitten;  /^,  ein  solcher,  ange- 
schnitten; 7,  Samenleiter;  g^,  Zoospermen  in  seiner  Erweiterung;  g-,  ausgestossene 
Zoospermen    vor    der  Mündung;    Ä,  ä,  Bindegewebebrücken,    welche    die  Lacunen  des 

Nucleus  durchziehen. 


des  Nucleus  gerichtet  sind.     Diese  Hodenschläuche,  deren  Zahl  je  nach 
der  Entwicklung  des  Organes  wechselt  (wir  haben  auf  einzelnen  Quer- 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  19 


290  Tunicaten. 

schnitten  bis  zu  einem  Dutzend  gezählt),  umgeben  den  Verdauungs- 
apparat von  allen  Seiten  und  ihre  Enden  ragen  noch  nach  unten  über 
den  Darm  hinaus  in  die  Lacune  vor,  deren  Blut  sie  allseitig  umspült. 
Die  Blindschläuche  wie  der  gemeinsame  Theil  zeigen  sich  beim  Leben- 
den wie  auf  Schnitten  anfangs  aus  ziemlich  dicken,  steifen  Wänden 
gebildet,  welche  von  einer  continuirlichen  Schicht  runder  Zellen 
ausgekleidet  sind.  Etwas  später  sind  die  Innenräume  mit  solchen 
runden,  durchsichtigen  Zellen  erfüllt,  die  in  einer  schleimigen  Flüssig- 
keit schwimmen,  während  eine  Schicht  derselben  noch  an  der  Wand 
haftet.  Schliesslich  sind  alle  Räume  mit  ausgebildeten  Zoospermen 
erfüllt,  während  die  Wände,  wie  auf  unserer  Figur,  äusserst  dünn  und 
zart  erscheinen. 

Der  Hode  tritt  erst  in  Thätigkeit,  wenn  der  Embryo  vollständig 
ausgebildet  ist.  Nur  bei  Individuen  mit  reifem  Embryo  oder  noch 
besser  bei  solchen,  wo  er  schon  ausgestossen  war,  sahen  wir  aus  der 
Mündung  des  Samenleiters  eine  wolkige,  weisse  Substanz  austreten, 
die  wie  ein  dünner  Faden  sich  längs  der  Röhre  der  Austrittsöffnung 
hinzog  und  nach  dem  Austreten  sich  bald  auflöste.  Unter  stärkerer 
Vergrösserung  zeigte  sich  die  Substanz  aus  einer  Unzahl  von  Zoo- 
spermen zusammengesetzt,  die  schwankende  Bewegungen  zeigten.  Man 
kann  an  den  übrigens  sehr  kleinen  Zoospermen  einen  vorderen  cylin- 
drischen ,  einem  verdickten  Stäbchen  ähnlichen  Theil  und  ein  langes, 
sehr  feines  Schwänzchen  unterscheiden ,  das  etwa  die  dreifache  Länge 
des  Stäbchens  hat  und  nur  unter  sehr  starken  Vergrösserungen  oder 
Immersionslinsen  deutlich  erkennbar  wird. 

Unsere  an  lebenden,  frei  im  Meere  schwimmenden  Thieren  ge- 
machten Beobachtungen ,  die  uns  durch  die  weisslichen  Flecken  auf- 
gefallen waren,  welche  an  der  Aussenfläche  ihres  Mantels  klebten, 
bestätigen  somit  die  von  Anderen  gemachten  Erfahrungen,  wonach  dies 
Hoden  erst  in  Function  treten,  wenn  die  Bildung  des  Embryos  schon 
weit  vorgeschritten  ist.  Selbstbefruchtung  ist  demnach  bei  den  Salpen 
vollkommen  ausgeschlossen  ;  die  Befruchtung  muss  durch  Zoospermen 
bewerkstelligt  werden,  welche  von  anderen  Individuen  herrühren  und  mit 
dem  Athemwasser  eingeschluckt  wurden.  Vielleicht  ist  dies  der  Fall  mit 
Individuen,  die  ihi-en  Embryo  ausgestossen,  sich  aber  auch  zugleich 
von  ihrer  Kette  losgelöst  haben  und  von  welchen  man  fast  immer 
eine  gewisse  Anzahl  frei  schwimmend  zwischen  den  jüngeren  Ketten 
findet,  deren  Glieder  nur  noch  unentwickelte  Eier  besitzen. 

Die  Salpen  zeigen  eine  grosse  Einförmigkeit  in  ilirer  Organisation. 
Wenn  aucli  zalilreiche  Variationen  im  Einzelnen  vorkommen,  so  trifft  man 
doch  die  Organe  stets  in  denselben  Beziehungen  zu  einander.  Etwas  be- 
deutendere AbAveichuugen  sind  in  der  Anordnung  der  Muskeln,  der  Gestalt 
und  dem  Baue  des  Sinnesorganes  (Flimmergrube)  und  der  Augen ,  ganz 
besonders    aber    in    der   Bildung    des  Darmcanales    zu    finden,    der    bei  Salpa 


Thaliaden.  ■  291 

pinnata,  keinen  Nucleus  bildet.  Hier  zeigt  sicli  nahe  beim  Munde  ein  mit 
zwei  abgeplatteten  Blindsäckeu  versehener  Magen ,  von  Avelchem  aus  der 
an  der  Körperwand  anliegende  Darm  gerade  in  die  Höhe  steigt ,  um  in 
der  Nähe  der  Eiugangsöffnuug  mit  einem  schlitzförmigen  After  zu  enden. 
Bei  der  Einzelform  ist  der  Darm  der  Eückenwand  angeschmiegt  und  der 
After  liegt  in  der  Nähe  des  Anheftungspuuktes  der  Kieme,  v^ährend  er  bei 
der  Kettenform  an  dem  Endostj'l  verläuft  und  der  After  ebenfalls  auf  der 
Bauchseite  liegt.  Eine  einigermaassen  ähnliche  Bildung  zeigt  sich  bei  Salpa 
virgida;  nur  erstreckt  sich  der  ebenfalls  mit  einem  Blindsacke  versehene 
Darm  nicht  so  weit  nach  vorn.  Die  beiden  genannten  Arten  unterscheiden 
sich  auch  durch  die  Anordnung  ihres  Stolo's,  dessen  erwachsene  Knospen 
sich  nicht  wie  bei  den  anderen  Arten  in  Gestalt  einer  doppelreihigen, 
schiefen  Kette  ablösen,  sondern  einen  Kranz  bilden,  dessen  Circumfereuz  von 
den  Thieren  gebildet  wird,  die  im  Mittelpunkte  des  Kranzes  mittelst  eines 
einzigen  Fortsatzes  zusammenhängen.  Wir  erwähnen  noch  als  wesentliche 
Verschiedenheiten  die  Bildung  des  Hodens  bei  Salpa  virgula ,  der  einen 
grossen ,  keulenförmigen  Körper  mit  zahlreichen  Blindsäckchen  und  einem 
lang  ausgezogenen  Samengange  darstellt  und  die  Entwicklung  von  mehreren 
Eiern  bei  Salpa  zonaria,  deren  jedes  unabhängig  vom  anderen  in  einem  be- 
sonderen Follikel  eingeschlossen  ist. 

Doliolmn,  die  typische  Gattung  der  zweiten  Ordnung,  ist  durcli  die 
neueren  Untersuchungen  von  Grobben  und  Uljanin  (s.  Literatur)  ziemlich 
genau  bekannt.  Die  Geschlechtsform  hat  einen  sehr  dünnen  ,  äusseren  und 
einen  etwas  faserigen,  inneren  Mantel  mit  acht  schmalen  Muskelreifen  ,  von 
welchen  die  beiden  endständigen  zugleich  die  Schliessmuskeln  für  die  mit 
Läppchen  umgebenen  Körperöffmingen  bilden.  Das  centrale  Nervenganghon 
setzt  sich  nach  vorn  in  einen  Zapfen  fort,  der  zu  einem  Canale  wird,  welcher 
sich  bis  zur  Flimmergrube  hinzieht,  aber  nicht  nervöser  Natur  scheint.  In 
der  Haut  finden  sich  an  verschiedenen  Stellen,  namentlich  aber  an  der  Basis 
der  die  Oeffnungen  umgebenden  Läppchen,  Gruppen  von  Sinneszellen,  die 
einen  Kern,  eine  Vacuole  und  ein  zartes,  steifes  Sinneshärchen  besitzen.  Die 
Flimmerlinien  rollen  sich ,  bevor  sie  die  Eiutrittsöffnung  umgeben ,  spiral- 
förmig in  einander  und  vereinigen  sich  dann  am  Anfange  des  Endostyls, 
dessen  Drüsentheil  sehr  kurz  ist  und  sich  in  eine  Wimperrinne  fortsetzt,  welche 
in  schiefer  Richtung  zum  Darmmunde  vei'läuft.  Dieser  ist  im  Grunde  einer 
trichterförmigen ,  von  der  Kieme  gebildeten  QuerscheideAvand  der  Körper- 
höhle gelegen,  Avelche  so  den  vorderen  Theil  (Pharj^ngealhöhle)  von  dem 
hinteren  Theile ,  der  Cloakenhöhle  ,  abschliesst.  Die  asymmetrische ,  knie- 
förmig  eingeknickte ,  häutige  Kieme  erstreckt  sich  mit  ihrer  einen  Seiten- 
hälfte bis  in  die  Nähe  der  Eintrittsöffnung,  während  die  andere  Hälfte  weit 
zurückbleibt.  Im  erwachsenen  Zustande  zählt  man  etwa  45  knopflochförmige 
Kiemenspalten,  welche  in  die  Cloakenhöhle  führen  und  auf  ihren  Rändern 
vorspringende  Wimperbüschel  tragen.  Die  vom  Endostyl  herkommende 
Flimmerriune  setzt  sich,  nach  einer  schlingenförmigen  Windung ,  durch  den 
Mund  und  den  Schlund  in  den  Magen  und  den  Darm  fort.  Der  Darm 
■'krümmt  sich  hakenförmig  um  und  zeigt  an  seinem  Ursprünge  eine  Anhangs- 
drüse. Das  Herz  ist  ein  länglicher,  mit  einfachen  Muskelfasern  ausgestatteter 
Sack,  der  mit  dem  Herzbeutel  an  seinen  beiden  Endöffuungen  verwachsen 
ist,  durch  welche  das  Blut  in  Lacunenräume  getrieben  wii-d,  die  zAvischen 
dem  inneren  Mantel  einerseits  und  den  die  Pharyngeal-  und  Cloacalhöhlen 
auskleidenden  Membranen  andererseits  offen  geblieben  sind.  Hode  und  Eier- 
stock sind  getrennt ;  ersterer  zeigt  die  Gestalt  einer  länglichen  Keule ,  letz- 
terer ZellenfoUikel  um  die  Eier,  die  nach  G robben  gleichzeitig  mit  dem 
Hodeuinhalte    reifen    sollen,    während    Uljanin    im    Gegentheil    behauptet, 

19* 


292  Tunicaten. 

dass    uugleichzeitige     Reifung     der    Producte    wie    bei     den    Salpen    Platz 
greife. 

Die  Eier  entwickeln  sicli  zu  geschwänzten  Larven,  welche  denjenigen 
der  Ascidien  ähneln;  der  Vorderkörper  zeigt  die  Gestalt  eines  Tönnchens, 
an  dessen  Ventralseite  ein  an  seiner  Basis  blasenförmig  aufgetriebener  Schwanz 
sitzt,  in  dessen  dünnerem  Hiuterende  sich  ein  fester  Zellenstrang  (Chorda), 
aber  keine  Nervenröhre  bemerken  lässt.  Die  Larve  ist  von  einer  dünnen 
Haut  (Dotterhaut  nach  Uljanin)  gänzlich  umhüllt  und  liegt  am  Boden. 
Nach  Aufsaugung  des  Schwanzes  und  Durchbrechung  der  Dotterhaut  schwimmt 
dasTönuchen  frei  im  Wasser.  Es  wird  von  Grobben  Amme  der  ersten 
Generation,  von  Uljanin  einfach  Amme  genannt. 

Die  Amme  ist  länglicher  als  das  Geschlechtsthier ,  hat  neun  breite 
Muskelreifen,  einen'  dickereu,  äusseren  Mantel,  zahlreiche  Gruppen  von 
HautsinneszeUeu  und  zeigt  auf  der  linken  Seite  ein  aus  Otocyste  und  Otolith 
bestehendes  Gehörorgan,  das  durch  einen  langen  Nerven  mit  dem  wie  bei 
dem  Geschlechtsthiere  gebildeten  Gauglion  in  Verbindung  steht.  Der  Endo- 
styl,  die  Ehmmerlinien ,  die  Elimmergrube  und  die  Mundrinne  zeigen  keine 
bem'erkenswerthen  Unterschiede.  Dagegen  ist  die  Kieme  weit  unvollstän- 
diger, das  Herz  kürzer,  der  Darm  reducirt,  die  Anhangsdrüse  länger. 
Die  Geschlechtsorgane  fehlen  durchaus,  sind  aber  durch  zwei  Anhänge  er- 
setzt. Der  ventrale,  unmittelbar  am  Herzen  gelegene  Anhang  erzeugt  End- 
knospen ,  die  sich  nach  und  nach  ablösen  und  mit  Pseudopodien  versehen 
sind.  Es  ist  also  ein  ventraler  Keimstock,  ein  echter,  aus  sieben  Zellen- 
sträugen  zusammengesetzter  Stolo,  an  dessen  Bildung  nach  Uljanin  Aus- 
stülpungen des  Pharyngeal-  und  Cloacalsackes,  das  Mesoderm  und  Ectoderm 
Antheil  nehmen,  so  dass  die  sich  von  ihm  abschnürenden  Ur knospen  aus 
allen  diesen  Elementen  zusammengesetzt  sind.  Die  älteren  Forscher  nannten 
diesen  Keimstock  das  rosettenf  ö  r  m  ige  Organ. 

Die  losgelösten  Urknospen  kriechen  mittelst  ihrer  Pseudopodien  auf  der 
Aussenfläche  der  Amme  zu  dem  dorsalen  Anhang,  der  ausserordentlich  lang 
auswachsen  kann  xmä  nach  Uljanin  nur  aus  der  Haut  und  einem  inneren, 
durch  eine  Längsscheidewand  in  zwei  Canäle  getrennten  Blutraume  besteht, 
in  welchem  das  Blut  lebhaft  kreist.  Die  Urknospen  setzen  sich  mittelst 
ihrer  Pseudopodien  auf  der  Eückenfläche  des  Anhanges  fest,  wo  die  Zellen 
des  die  Körperhöhlen  auskleidenden  Pflasterepitheliums  sehr  hoch  und  cylin- 
drisch  werden  und  einen  Nährboden  für  die  Urknospen  bilden,  die  sich  zwar 
festsetzen,  aber  nicht  mit  dem  Gewebe  verwachsen.  Die  Urknospen  vermehren 
sich  durch  Theiluug;  sie  werden  nur  durch  Osmose  genährt.  Nach  Uljanin 
waren  die  Forscher,  welche  diesen  Eückenanhang  für  einen  Stolo  hielten, 
im  Irrthume. 

Während  der  Anhang  sich  verlängert  und  mit  Urknospen  besetzt  wird, 
die  sich  durch  Theiluug  vermehren,  erleidet  die  Amme  wesentliche  Um- 
bildungen. Das  Nervensystem  mit  seinen  Anhangsorganen  bleibt  unverändert; 
die  Muskelreifen  verbreitern  sich  aber  in  der  Art,  dass  ihre  Ränder  zu- 
sammenstossen  und  die  vegetativen  Organe ,  Kieme ,  Endostyl ,  Flimmerlinie 
und  Verdauungsapparat,  verkümmern  entweder  gänzlich  oder  bis  auf  un- 
bedeutende Reste.  Schliesslich  ist  die  Amme  nur  ein  beweghches,  mit  einem 
Herzen  versehenes  Sinnenthier,  welches  einen  ventralen  Keimstock  und  einen 
dorsalen,  röhrenförmigen  Nährboden  für  die  von  ersterem  gelieferten  Ur- 
knospen herumschleppt,  sich  aber  nicht  selbst  ernähren  kann. 

Die  ersten  auf  dem  Rückenanhang  anlangenden  Urknospen  setzen  sich 
auf  beiden  Seiten  desselben  fest  und  Avachsen  zu  besonders  gestalteten  Indi- 
viduen aus,  die  Uljanin  Nährthiere,  Grobben  Lateralknospen 
nennt.    Später  setzen  sich  Urknospen  auch  auf  der  Mittellinie  fest  und  bildeu 


Thaliaden.  293 

hier   die  Pflegetliiere    (Uljanin),    Medianknospeu    oder    Ammen    der 
zweiten  Generation  (Grobben). 

Die  ausgebildeten  Nälirthiere  oder  Seitenknospen  besitzen  die  Gestalt 
eines  abgeplatteten  LöiTels  mit  langer ,  ■  schmaler  Eingangsötfnung  und  einem 
verdickten  Kiel  gegenüber.  Sie  sitzen  auf  dem  Fortsatze  mit  einem  dicken, 
kurzen  Stiele  und  haben  weder  Ausgangsöffuung  noch  Cloacalhöhle;  der 
After  mündet  unmittelbar  nach  aussen  hinter  dem  Eückenkiele.  Ganglion, 
Wimperbogen  und  Sinneszellen  iind  vorhanden,  dagegen  fehlt  jede  Spur 
eines  Gehörorgaues.  Die  achtzehn  sehr  grossen,  knopflochförmigen  Spalten 
der  den  ganzen  Hintergrund  der  Körperhöhle  einnehmenden  Kieme  durch- 
brechen, nach  Grobben,  die  Körperwand  und  münden  direct  nach  aussen. 
Der  hakenförmig  gekrümmte  Darm  und  das  Herz  sind  ausgiebig  entwickelt. 
Diese  festsitzenden  Knospeuthiere ,  welche  weder  Geschlechtsorgane  noch 
Stoloneu  besitzen ,  werden  wohl  mit  Recht  als  Ernährungs-  und  Athmungs- 
thiere  betrachtet,  deren  Thätigkeit  nicht  nur  für  die  Existenz  der  ganzen 
Knospencolonie ,  sondern  auch  der  Amme  nöthig  ist ,  welche  dieselbe  auf 
ihrem  Fortsätze  herumschleppt. 

Die  auf  der  Mittellinie  des  Fortsatzes  festgesetzten  Urknospen  werden 
nach  Vermehi'ung  durch  Theilung  und  weitere  Ausbildung  schliesslich  Pf  leg  e- 
thiere  oder  Ammen  der  zweiten  Generation,  welche  in  ihrer  Form  und 
Organisation  durchaus  den  Geschlechtsthiereu  ähnlich  sind  mit  dem  einzigen 
Unterschiede,  dass  sie  keine  Geschlechtswerkzeuge  besitzen.  Dagegen  sind 
sie,  wie  die  Nährthiere ,  mittelst  eines  Stieles  befestigt,  der  nach.  Uljanin 
genau  dieselbe  Organisation  wie  der  Eückenanhaug  der  Amme  besitzen,  also 
ein  Blutcanal  sein  soll.  Wie  dort ,  setzt  sich  eine  wandernde  Urknospe  an 
dem  Stiele  fest,  vermehrt  sich  durch  Theilung  und  so  gewinnt  der  Stiel 
nach  und  nach  das  Ansehen  eines  knospenerzeugenden  Stolos,  wofür  er  von 
allen  Forschern,  Grobben  einbegriffen,  gehalten  wurde.  Die  auf  dem  An- 
heftungsstiele  der  Pflegethiere  angesiedelten  Urknospen  Avachsen  nun ,  nach 
Uljanin,  zu  Geschlechtsthieren  aus,  wodurch  der  Entwicklungsmodus  der 
Art  geschlossen  wird. 

Wir  können  nicht  in  Einzelheiten  über  die  Gattung  Anchinia  eingehen. 
Man  kennt  bis  jetzt  zwei  Hauptformen :  eine  Geschlechtsform,  welche  an 
jeder  Körperöfifnung  einen  langen,  rothen  Anhangsfaden  trägt,  seitliche,  rothe 
Pigmentflecken  zeigt  und  wenige  grosse  Eier  erzeugt  (meist  drei  von  ver- 
schiedener Grösse).  Diese  Form  wurde  von  Kowalevsky  und  Barroi s  in 
Villefranche  gefischt  (s.  Literatur).  Sie  scheint  in  gewissen  Fällen,  durch 
frühzeitige  Verödung  der  in  der  Knospe  angelegten  Geschlechtsorgane,  steril 
zu  werden  (Korotneff).  Die  zAveite,  mehr  kugelrunde  Form  ist  durchaus 
steril,  zeigt  viel  rothes  Pigment  im  Grunde  der  Körperhöhle  und  keinen  An- 
hangsfaden und  wurde  von  G.  Vogt  in  Villefranche  und  N.  Wagner  in 
Neapel  gefunden  (s.  Literatur).  Man  hat  auch  hier  wandernde  Urknospen 
gefunden,  aber  die  Verbindung  zwischen  den  einzelnen  Formen  ist  noch 
nicht  nachgewiesen ,  sondern  nur  aus  den  sehr  lückenhaften  Thatsachen  er- 
schlossen. Die  Organisation  der  Anchinien  gleicht  sehr  derjenigen  von  Do- 
liolum,  unterscheidet  sich  aber  durch  die  enorme  EntAvicklung  des  sehr 
weichen ,  klebrigen  Aussenmantels  und  die  Eeduction  des  Muskelsystemes 
auf  zwei  seitliche ,  S-förmig  gekrümmte  Bänder  und  einige  Faserzüge  um 
die  Oefifnungen  des  Körpers. 

Die  Bildung  von  Colonien  in  der  vollen  Bedeutung  des  Wortes  unter- 
scheidet die  Pyrosomen  von  den  übrigen  Familien  der  Classe.  Diese  Colonien 
haben  die  Gestalt  eines  hohlen,  an  dem  breiten  Ende  geöffneten  Tannen- 
zapfens, in  welchem  die  Einzelthiere  in  der  Weise  sitzen ,  dass  ihre  runde, 
mit    einem    in    Läppchen    getheilten  Diaphragma    versehene   Eiutrittsöffuung 


294  Tunicaten. 

au  der  Aussenfläclie  mündet,  während  die  gegeuüber^teliende  Austrittsöffnung 
in  der  Höhle  des  Zapfens  endet.  Die  ziemUch  harte,  vollkommen  durch- 
sichtige Substanz,  in  welche  die  Einzelthiere  eingesenkt  sind,  besteht  aus 
einer  homogenen  Grandmasse ,  in  welcher  zahlreiche ,  glänzende  Sternzellen 
und  feine,  wahrscheinlich  musculöse  Fäserchen  eingeAvebt  sind,  die  sich  in 
verschiedenen  Eichtungen  kreuzen.  Ausserdem  sieht  man  darin  gewundene 
Canäle  und  Höhlungen,  die  von  einzelnen  Individuen  ausgehen,  und  unserer 
Ansicht  nach  zur  Aufnahme  von  hineinwachsenden  Knospen  vorgebildet  sind. 
Die  halbwüchsigen  Knospen,  deren  Kiemen  noch  nicht  vollständig  entwickelt 
sind,  gleichen  sehr  den  Anchinien ;  bei  den  erwachsenen  Thieren,  deren  Ein- 
gangstheil  halsförmig  ausgezogen  ist,  überwuchert  die  Kieme  die  ganze 
Körperhöhle.  Diese  erwachsenen  Einzelthiere  sind  seithch  etwas  zusammen- 
gedrückt. Das  Centralganglion ,  der  Endostyl,  das  Herz  und  der  Darm  be- 
haupten die  gewöhnliche  Lagerung.  Auf  der  Hinterfiäche  des  Ganglions 
ruht  ein  rother  Pigmentfleck  in  Gestalt  eines  dicken  Hufeisens,  dessen  Con- 
vexität  nach  hinten  gerichtet  ist,  wahrscheinlich  ein  Auge;  auf  der  Unter- 
fläche des  Ganglions,  unmittelbar  der  Nervensubstanz  angelagert,  zeigt  sich 
die  nach  hinten  geöffnete  Flimmergrube,  von  welcher  sehr  kurze  Wimper- 
streifen zu  der  benachbarten  Kieme  gehen.  Letztere  überkleidet,  wie  schon 
bemerkt,  die  ganze  Körperhöhle  mit  Ausnahme  des  röhrenförmigen  Eingangs- 
theiles ;  sie  besteht  aus  zwei,  von  sehr  zahlreichen,  gegitterten  Spalten  durch- 
brochenen Hälften,  welche  an  dem  Ganglion  auseinander  weichen  und  hier, 
sowie  längs  des  Endostyles  an  der  Körperwaud  angeheftet  sind.  So  werden 
durch  die  Kiemenhaut  zwei  seitliche  Peribranchialräume  gebildet,  in  welche 
durch  die  Kiemenspalten  das  Athemwasser  einströmt,  um  dann  durch  die 
Cloacalöffnung  ausgestossen  zu  werden.  Der  Darmcanal  lässt  einen  ge- 
krümmten Schlund,  einen  Aveiten ,  drüsigen  Magen  und  einen  ebenfalls  ge- 
bogenen Afterdarm  unterscheiden.  Als  besondere  Organe  müssen  zwei  vor 
der  Kieme  im  Niveau  des  Ganglions  gelegene,  seitliche  Zellenhaufen  er- 
wähnt werden,  von  welchen  das  stark  phosphorescirende  Licht  des  Thieres 
ausgeht. 

Die  Einzelthiere  pflanzen  sich  zugleich  auf  geschlechtlichem  Wege  und 
durch^  Knospung  fort.  Unter  dem  Darme  und  unmittelbar  vor  der  Aus- 
trittsöffnuug  hegt  der  Eierstock,  welcher  ZAvar  mehrfache  Eier  erzeugt, 
von  welchen  aber  immer  nur  eines  den  anderen  vorauseilt  und  eine  im  Ver- 
hältnisse enorme  Grösse  erreicht.  Auf  diesem  umfangreichen  Nahrungs- 
dotter ^bildet  sich  zuerst  ein  mittleres  Individuum,  ein  Cyathozoid  (na'ch 
Huxley>nd  Kowalevsky),  welches  sich  niemals  vollständig  entwickelt, 
aber  sofort  vier  Knospen,  die  Ascidiozoiden,  erzeugt,  welche  auf  Kosten  des 
Nahrungsdotters  weiter  wachsen  und  sich  zu  voUstäudigen  Individuen  aus- 
bilden, während  das  Cyathozoid  nach  und  nach  verkümmert  und  zuletzt 
gänzlich  verschwindet.  Die  vier,  in  eine  gemeinsame  Hülle  eingeschlossenen 
Ascidiozoiden  werden  dann  ausgestossen  und  bilden  die  Grundlage  einer 
neuen, 'jdurch  Knospung  sich  vermehrenden  und  wachsenden  Colonie.  Vor 
dem  Eierstocke  liegt  der  umfangreiche,  aus  grossen,  dicken  Blindsäcken  zu- 
sammengesetzte Hode,  der  während  der  fortdauernden  Eibildung  in  Thätig- 
keit  zu  sein  scheint.  Vor  diesem  und  unmittelbar  an  dem  hinteren  Ende 
des;*HerzensJtritt  ein  kurzer,  ventraler  Stolo  hervor,  der  ganz  Avie  derjenige 
der  Salpen  gebildet  ist  und  wie  dieser  Knospen  erzeugt,  die  sich  in  die 
gemeinsame  Mantelhülle  einbetten  und  nach  und  nach  von  dem  Mutterthiere 
abschnüren.  Ueber  die  weiteren  Einzelheiten,  Bildung  und  EntAvicklung 
der  Knospen  ziehe  man  die  Arbeiten  von  KoAvalevsky  und  Joliet  und 
Seeliger  (s.  Literatur)  zu  Rathe. 


Thaliaden.  295 

Literatur.  —  A.  Je  Cliamisso,  Z>e  animalibiis  quibusduni  e  classe  Vermium, 
Berlin,  1819.  —  H.  Milne-Edwards,  iSitr  la  circidatwn  du  sang  cliez  les  Pyrosomes, 
Ann.  scienc,  nat.,  2.  Serie,  Vol.  XJI,  1839.  —  D  e  r  s.,  Regne  animal  de  Ciivier,  Hol- 
lusques.  —  Eschricht,  Anut.  phijsiol.  Undersügelser  over  Salperne,  Acad.  danoise, 
Kopenhagen,  Vol.  VIII,  1841.  —  Krolin,  Ohs.  sur  la  generation  et  de  developpe- 
ment  des  Blphores  (Salpa) ,  Ann.  scienc.  nut. ,  3.  Serie,  Vol.  VI,  1841.  —  Ders., 
Ueber  die  Gattung  Doiioliim  und  ihre  Arten.  Arch.  f.  Naturgesch.,  1852.  —  Huxley, 
Observ.  lipon  the  anatomy  and  physiol.  of  Salpa  and  Pyrosoma,  Philosoph.  Transact., 
1851.  —  H.  Müller,  Ueber  die  anatomische  Verschiedenheit  der  zwei  Formen  bei 
den  Salpen,  Verhandl.  Würzburger  med.-zool.  Gesellseh.,  Bd.  III,  1853.  —  Ders., 
Dass.,  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Zoologie,  Bd.  IV,  1853.  —  C.  Vogt,  Les  Tuniciers 
nageants  de  la  mer  de  Nice,  Mem.  de  P Institut  genevois,  1854.  —  E.  Leuckart, 
Zoologische  Untersuchungen,  Giessen,  1854.  —  C.  Gegenbaur,  tJeber  den  Ent- 
wicklungscyclus  von  DoHolum,  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Zoologie,  Bd.  VII,  1855.  — 
Huxley,  Anatomy  and  develop.  of  Pyrosoma ,  Transact.  Linnean  Soc,  Vol.  XXIII, 
1859.  —  Keferstein  u.  Ehlers,  Zoologische  Beiträge  (/Jo/io/Mm),  Leipzig,  1861.  — 
A.  Hancock,  Anatomy  and  jjhyslol.  of  Tunicata ,  Journ.  Linnean  Soc,  Vol.  IX, 
1867.  —  Kowalevsky,  Entwicklungsgeschichte  der  Tunicaten,  Abhandl.  d.  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften,  Göttingen,  1868.  —  Ders.,  Ueber  die  Entwicklungs- 
geschichte der  Pyrosomen,  Arch.  f.  mikroskop.  Anatomie,  Bd.  XI,  1875.  —  Ders.  ii. 
J.  Barrois,  Materiaux  poiir  servir  u  Phistoire  de  PAnchinie ,  Journ.  de  P Anatom., 
19.  annee,  1883.  —  Pavesi,  Tutor no  ulla  circolazione  nel  Pyrosoma,  Rendiconii, 
Accad.  NapoUt,  1872.  —  Todaro,  Sopra  lo  sviluppo  e  Panatomia  d'elle  Salpe-,  Eom, 
1875.  —  Ders.,  Dass.,  Ricerche  fatte  nel  laboratorio  dl  notomia  normale,  Eom, 
Vol.  II,  1878.  —  Ders.,  Sui  prhnl  fenomeni  dello  sviluppo  delle  Salpe,  Accad.  del 
Lincei,  ser.  3a,  Vol.  IV,   1880.    —    Ders.,  Dass.,  ebend.,  Vol.  VI,   1882  u.  Vol.  VII, 

1883.  —  Ders.,  Sopra  i  canuli  e  le  fessure  branchiali  delle  Salpe,  ebend.,  Vol.  VIII, 

1884.  —  Ders.,  Studi  xdteriori  sullo  sviluppo  delle  Salpe,  Atti Accad.  Lincei  Memor., 
Vol.  I,  1886.  —  Ders.,  SidP  omologia  della  Branchia  delle  Salpe,  Rendiconti 
Accad.  Lincei,  Vol.  IV,  1888.  —  W.  Salensky,  Neue  Untersuchungen  über  die 
embryonale  Entwicklung  der  Salpen.  Zoolog.  Anzeiger,  4.  Jahrg.,  1881.  —  Ders., 
Dass.,  Mittheilungen,  Zoolog.  Station  Neapel,  Bd.  IV,  1883.  —  Ders.,  Folliculäre 
Knospuug  der  Salpen,  Biolog.  Centralblatt,  Bd.  V,  1885.  —  B.  Uljanin,  Ueber  die 
embryonale  Entwicklung  des  Doliolum ,  Zool.  Anzeiger,  4.  Jahrg.,  1881.  —  Ders., 
Zur  Naturgeschichte  des  Doliolum,  ebend.,  5.  Jahrg.,  1882.  —  Ders.,  Die  Arten  der 
Gattung  Doliolum,  Fauna  und  Flora  des  Golfes  von  Neapel,  10.  Monogr.,  1884.  — 
J.  Barrois,  Mem.  sur  les  membranes  embryonnaires  des  Salpes,  Journ.  de  V Ana- 
tomie, Vol.  XVII,  1881.  —  Ders.,  Recherches  sur  le  cycle  genetique  et  le  bourgeonne- 
ment  de  PAnchinie,  ebend.,  21.  annee,  1885.  —  W.-K.  Brooks,  The  origin  of  the 
eggs  of  Salpa,  Stud.  biol.  Labor.  John  Hopkins^  Univ.  Baltimore,  Vol.  II,  1882.  — 
Ders.,  The  anatomy  and  development  of  the  Salpa-Chain,  ebend.,  Bd.  III,  1886.  — 
C.  Grobben,  Do/iolum  und  sein  Generationswechsel,  Arbeit.  Zool.  Instit.  Wien, 
Bd.  IV,  1883.  —  E.  Joliot,  Sur  le  Pyrosome,  Comptes  rendus,  1881,  1882  u.  1883. — 
Ders.,  Müdes  aiiaiom.  et  embryogen.  sur  le  Pyrosoma  giganteum,  Paris,  1888.  — 
A.  Korotneff,  Die  Knospung  der  Anchinia,  Zeitschr.  wissenschaftl.  Zool.,  Bd.  XL 
1884.  —  0.  Seeliger,  Die  Knospung  der  Salpen.  Jenaische  Zeitschr.,  Bd.  XIX,  1885.  — 
Ders.,  Die  Entstehung  des  Generationswechsels  der  Salpen,  ebend..  Vol.  XXII,  1888. — 
Ders.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Pyrosomen,  Jenaische  Zeitschr.  für  Naturw., 
Bd.  XXIII,  1889.  —  N.  Wagner,  Sur  quelques  points  de  Porganisation  de  PAnchinie, 
Arch.  Zool.  experim.,  2.  Ser.,  Vol.  III,  1885.  —  Dolley,  On  the  histology  of  Salpa, 
Proc.  Acad.  Nat.  Scienc,  Philadelphia,   1887. 


296  Tunicaten. 


Classe   der  Seescheiden  {AscicUacea,  Tethyodea). 

Die  Mantelthiere,  welche  diese  Classe  bilden,  unterscheiden  sich 
im  Allgemeinen  durch  ihren  sackförmigen  Körper,  dessen  eines  Ende 
sich  an  den  Meeresboden  oder  darin  untergetauchte  Körper  anheftet. 
Der  Körper  zeigt  zwei  Oeffnungen:  eine  vordere  Eintrittsöffnung, 
durch  welche  das  "Wasser  in  eine  weite  Kiemenhöhle  eindringt,  und 
eine  rückenständige  Austrittsöffnung,  durch  welche  das  Athemwasser, 
die  Excremente  und  Geschlechtsproducte  entleert  werden  und  die  man 
die  Cloakenöffnung  nennen  kann. 

Zwischen  diesen  beiden  Oeffnungen  liegt  auf  der  dorsalen  Mittel- 
linie das  meist  nur  aus  einem  einzigen  Ganglion  bestehende  Central- 
nervensystem,  von  welchem  die  peripherischen  Nerven  ausstrahlen. 

Der  Körper  wird  von  einem  zweischichtigen  Mantel  umhüllt. 
Der  meist  feste  und  durchscheinende  äussere  Mantel  kann  eine  sehr 
bedeutende  Dicke  erreichen;  der  ihm  anliegende  innere  Mantel,  die 
Körperwand,  wird  von  zahlreichen  verfilzten  Muskelfasern  durch- 
zogen. Die  dem  Darme  stets  vorliegende  Kieme  nimmt  den  grössten 
Theil  der  Körperhöhle  ein.  Die  übrigen  Eingeweide,  Darm,  Herz  und 
Geschlechtstheile  liegen  hinter  oder  neben  dem  Kiemensacke.  Der 
Darm  ist  fast  immer  auf  sich  selbst  zurückgebogen,  so  dass  der  After- 
darm nach  vorn  gerichtet  ist.  Uebrigens  variirt  die  allgemeine  An- 
ordnung der  Organe  einigerraaassen,  je  nachdem  die  Individuen  isolirt 
bleiben  (einfache  Ascidien)  oder  sich  zu  Colonien  vereinigen 
(Synascidien).  Der  zu  einem  Kiemensacke  umgewandelte  vordere  Ab- 
schnitt des  Darmes  wird  bei  allen,  mit  Ausnahme  der  Appendicularien, 
von  einer  Peribranchialhöhle  umgeben. 

Das  im  Hintertheile  des  Körpers  an  der  Urabiegungsstelle  des 
Darmes  gelegene  Herz  ist  ein  einfacher  Schlauch,  der  das  Blut  ab- 
wechselnd bald  nach  vorn,  bald  nach  hinten  treibt.  Ein  vollständiges 
Gefässsystem  existirt  nicht.  Das  farblose,  amöbenartige  Körperchen 
enthaltende  Blut  circulirt  in  engen  und  oft  sehr  genäherten  Lacunen- 
canälen ,  die  in  dem  überall  vorkommenden  Bindegewebe  ausgehöhlt 
sind. 

Die  Seescheiden  sind  Zwitter,  Die  Ausführungsgänge  der  Hoden 
und  der  Eierstöcke  münden  in  die  Cloake,  in  welcher  meist  die  Be- 
fruchtung stattfindet. 

Sie  durchgehen  ein  Larvenstadium ,  während  welchem  das  junge 
Thier  mit  einem  Euderschwanze  ausgerüstet  ist  und  frei  umher- 
schwimmt. Die  Axe  dieses  Larvenschwanzes  wird  von  einem  Zellen- 
stabe gebildet,  in  welchem  man  ein  der  Chorda  der  Wirbelthiere  ho- 
mologes Gebilde  gefunden  hat,    zumal   da  auf  seiner  Rückenfläche  sich 


Ascidien.  297 

das  Centralnervensystem  verlängert.      Die  Larve   besitzt   allein  Sinnes- 
organe, namentlich  Seh-  und  Hörorgane. 

Die  Classe  theilt  sich  naturgemäss  in  drei  Ordnungen. 

1.  Ajipendicularien  (Ascidiae  copelidue).  Meist  kleine  Thiere, 
deren  Larvenschwanz ,  Nervenstrang  und  Sinnesorgane  das  ganze 
Leben  hindurch  fortbestehen.  Ihr  Kiemensack  öffnet  sich  durch  nur 
zwei  Spalten  direct  nach  aussen.  Ihre  Gesammtorganisation  nähert 
sie  den  Larven  der  übrigen  Seescheiden.  Ex.  Appendkularia,  Fri- 
Üllaria. 

2.  Einfache  A  sc  idie  n.  Begreift  alle  Seescheiden,  welche  ent- 
weder vereinzelt  bleiben  oder  gesellschaftlich  leben ,  indem  sie  in 
beschränkter  Anzahl  auf  einem  Stolo  knospen.  Ex.  Äscidia,  Molgiüa, 
Clavellina. 

3.  Zusammengesetzte  Seescheiden,  Synascidien.  Aus 
einer  mehr  oder  minder  grossen  Zahl  von  Individuen  gebildete  Colo- 
nien,  die  in  einen  gemeinschaftlichen  Mantel  eingehüllt  sind.  Elx.  Bo- 
tryllus,  Didemniim,  Amaroeeium. 

Typus:  Cioua  intestinalis ,  L.  Die  einfache  Ascidie ,  die 
wir  ausgewählt  haben ,  gehört  zur  Familie  der  Phallusiden.  Sie  ist 
vor  einigen  Jahren  von  Roule  (s.  Literatur)  in  einer  vortrefflichen 
Monographie  behandelt  worden,  der  wir  einige  gute  Figuren  ent- 
nehmen und  auf  die  wir  häufig,  besonders  hinsichtlich  mikroskopischer 
Einzelheiten  verweisen  werden,  auf  welche  wir  nicht  näher  eingehen 
können. 

Ciona  intestinalis  ist  in  allen  ruhigen  Buchten  des  Mittelmeeres 
einheimisch.  Ihre  überall  umherschwimmenden  Larven  dringen  gern 
in  die  Aquarien  der  Stationen  ein  und  vermehren  sich  oft  dort  in 
solcher  Menge,  dass  sie  die  Entwicklung  anderer  Organismen  ver- 
hindern und  man  Mühe  hat,  sich  ihrer  zu  entledigen.  Dies  ist  z.  B. 
in  Neapel  der  Fall,  woher  wir  vortrefflich  conservirte  Exemplare 
erhalten  haben.  Unsere  Präparate  sind  meist  von  grossen  Individuen 
aus  der  Bucht  von  ViHefranche  hergestellt,  welche  Dr.  M.  Jaquet  an 
Ort  und  Stelle  mittelst  Sublimat  fixirt  hat. 

Die  Existenz  einer  hinteren  Körperhöhle,  welche  unsere  typische 
Art  den  Synascidien  näher  stellt,  die  verhältnissmässig  nicht  schwie- 
rige Präparation,  die  weite  Verbreitung  der  Art,  welche  einen  leichten 
Bezug  von  Material  ermöglicht  und  die  Durchsichtigkeit  der  jüngeren 
Individuen  sind  die  Gründe,  welche  uns  in  unserer  Wahl  der  typischen 
Art  bestimmt  haben. 

Allgemeine  Beschreibung.  —  Der  Körper  der  Cione  (Fig.  124 
und  125  a.  f.  S.)  bildet  einen  von  dem  durchsichtigen  äusseren  Mantel 
umgebenen    Cylinder,    der   mit   dem    unteren   Ende   festsitzt   und  nach 


298 


Tiinicaten. 


oben  in   zwei  Röhren    oder  Siphonen   sich    endet.      Der   grössere  Sipho 

liegt  etwa  in  der  Axe  des  Cylinders,  der  kleinere  auf  der  Rückenseite. 

Die  grössere  Röhre,  der  Mundsipho  (a),  ist  mit  acht  rundlichen 

liäppchen    eingefasst,   zwischen    welchen    man    kleine,    lebhaft   rothe 

Fig.  124.  Fig.  125. 


d- 


.A 


Fig.  124.  —  C'ioiia  intestinalis.  Junges  Tliicr,  nach  einem  in  Canadabalsara  auf- 
gehellten Präparate  unter  der  Lnpe  gezeiihnet.  Die  Organe  schimmern  durch. 
a,  Mundsipho  ;  b,  Randlappen  desselben ;  c,  rothe  Augenflecken  ;  d,  Aftersipho,  eben- 
falls mit  Augenflecken ;  e ,  f,  Centralganglion  und  Untergangliendrüse ;  g,  durch- 
sichtiger Cellulosemantel  ;  h,  Körperwand  ;  i,  Tentakelkranz  ;  Je,  Kranzrinne  ;  /,  Kiemen- 
sack ;  m,  Bauchraphe  (Endostyl) ;  n,  Riickenraphe  ;  o,  Peritoneallamelle  ;  p,  Längsmuskeln ; 
p',  Quermuskeln ;  q,  Darmcanal  (Magen-  und  Darmschlinge) ;  r,  Eierstock ;  s,  Rectum  ; 
i,  After;  u,   GeschlechtsöfFnungen  ;   v,  Wurzehiusläufer  zur  Befestigung  des  Thieres. 

Fig.  125.  —  Ciona  intcstlnuUs.  Schematiseher  Durchschnitt  (nacliRoule).  «,  Mund- 
sipho; &,  Tentakelkranz;  c,  Kiemensack;  d,  Endostyl;  e,  Riickenraphe;/,  Peritoneal- 
lamelle, eine  verticale  Scheidewand  zwischen  der  vorderen  Peribranchialhöhle  Ic  und 
der  hinteren  p]inge-weidehöhle  l  herstellend;  g,  Darm  mit  den  in  seinen  Wänden  ein- 
geschlossenen Hodenläppchen ;  Ä,  Magen ;  z,  Rectum ;  m,  Eierstock ;  n,  Gesehlechts- 
gänge ;  o,  Centralganglion;  jh  Herz;  q,  Cellulosemantel,  r,  innerer  Mantel. 


Ascidieii.  299 

Pigmentfleckchen  siebt.  Er  dient  zum  Eiulass  des  Wassers  und  der 
darin  aufgeschwemmten  Xahrungstheilchen.  Wenn  man  ihn  der  Länge 
nach  spaltet,  so  sieht  mau  an  der  Ansatzstelle  der  Kieme  eine  Kreis- 
falte, die  Kranzrinne  (c,  Fig.  129),  vor  welcher  ein  mit  Fäden  be- 
setzter ringförmiger  Vorsprang,  der  Fühl  er  kränz  {b,  Fig.  129),  au- 
gebracht ist.  Die  andere  kürzere  Röhre,  der  Cloakensipho 
(d,  Fig.  124;  Je,  Fig.  125),  ist  ebenfalls  von  Läppchen  mit  rothen 
Pigmentflecken  dazwischen  eingefasst;  dieselben  haben  aber  eine  läng- 
liche Form  uud  sind  nur  in  der  Sechszahl  vorhanden.  Der  Cloaken- 
sipho dient  zur  Ausfuhr  des  Athemwassers  und  sämmtlicher  Körper- 
producte. 

Zwischen  beiden  Siphonen  bemerkt  man  sofort  das  centrale 
Ganglion  (/,  Fig.  124;  o,  Fig.  125)  und  unter  demselben  eine  drü- 
sige Masse,  die  U  nt  e  r  gan  glien  dr  üs  e.  Etwas  davor  liegt  das 
Wim  per  Organ,  das  man  besonders  bei  jungen,  lebenden  Individuen 
direct  unter  dem  Compressoriun:^  beobachten  kann.  Die  ganze  ^'order- 
region  des  Körpers  wird  von  einem  weiten  Kiemen  sacke  ein- 
genommen (/,  Fig.  124),  dessen  Wände  eine  Unzahl  von  Spalten  zeigen, 
durch  welche  das  Wasser  aus  dem  Sacke  in  die  Peribranchialhöhle 
(//,  Fig.  125)  überströmt. 

In  dem  hinteren ,  weit  geringeren  Körperabschuitte  sind  der  auf 
sich  selbst  zurückgekrümmte  Darm,  das  Herz  und  die  Fortpflauzungs- 
Organe  eingelagert,  und  zwar  in  der  eigentlichen  Körperhöhle,  die  von 
der  Peribranchialhöhle  durch  einen  durchsichtigen  Einschlag  der  Haut, 
die  Peritoneallamelle  (o,  Fig.  124  und  125),  geschieden  wird.  Auf 
der  Seite  dieses  Einschlages  liegt  der  Darmmund,  der  aus  dem 
Kiemensacke  in  den  Darm  führt.  Wir  bemerken  ausserdem  noch 
an  den  Wänden  des  Kiemensackes  zwei  Längsrinnen  -oder  Nähte ; 
die  untere,  die  weit  deutlicher  ausgebildet  ist,  heisst  der  Endost yl 
(n,  n,  Fig.  124;  r/,  e.  Fig.  125). 

Mit  den  meisten  Autoren  orientiren  wir  die  Cione  in  der  Art, 
dass  wir  den  Mundsipho  nach  vorn,  die  Ansatzstelle  des  Körpers  mit 
dem  Darme  nach  hinten,  den  Cloacalsipho  uach  oben  richten,  so  dass 
die  beiden  Nähte  des  Kiemenkorbes  in  der  Mittellinie  verlaufen;  der 
Endostyl  ist  ventral ,  die  andere  Naht  dorsal.  Das  Centralganglion 
liegt  dann  ebenfalls  dorsal  in  der  senkrechten  Mittelebene,  welche  den 
Körper  in  zwei  symmetrische  Hälften,  eine  rechte  und  eine  linke, 
trennt. 

Präparation.  —  Man  fixii-t  die  Gewebe  durch  Eintauchen  des 
ganzen  Thieres  in  Sublimat,  Chromsäure,  Pikrinschwefelsäure ;  diese 
gewöhnlichen  Fixationsmittel  geben  gleich  gute  Resultate.  Die  Cione 
zieht  sich  zwar  meist  etwas  zusammen,  doch  nicht  so  weit,  dass  dadurch 
die  Zergliederung  der  erwachsenen  Thiere  gehindert  würde.  Man  prä- 
parirt  sie  unter  Wasser,  indem  man  sie,  wie  in  Fig.  124  und    125,  auf 


I 


300 


Tunicaten. 


Fig.   126. 


die  rechte  Seite  legt.  Man  trägt  zuerst  den  äusseren  Mantel,  dann 
die  Haut  ab,  um  den  Kiemensack,  den  Darm  u.  s,  w.  bloss  zu  legen. 
Bei  Gelegenheit  der  einzelnen  Organe,  zu  deren  Untersuchung  oft 
Schnitte  nöthig  sind,  werden  wir  die  speciellen  Behandlungsweisen 
derselben  erörtern.  Die  zum  Schneiden  bestimmten  Exemplare  wurden 
in  Sublimat  oder  Pikrinschwefelsäure  fixirt,  mit  Boraxcarmin  gefärbt 
und  in  Paraffin  geschnitten.  Mit  Pikrocarmin  gefärbte  und  zwischen 
zwei  Glasplatten  comprimirte  junge  Exemplare  können  in  Canada- 
balsam  eingeschlossen  werden.  Man  erhält  so  schöne  Präparate,  die 
durchsichtig  genug  sind,  um  die  Untersuchung  der  wesentlichsten 
Organe  unter  der  Lupe  zu  gestatten. 

Tegumente.   —  Wie  schon  bemerkt,  wird  der  Körper  der  Cione 
allseitig  von   einer  Muskelhavit  umhüllt,   die   man   auch  den  inneren 

Mantel  genannt  hat  xind 
die  aus  zwei  Schichten, 
einer  Oberhaut  (Epider- 
mis) und  der  L  e  d  e  r  h  a  u  t , 
gebildet  ist,  die  man  nach 
Fixirung  in  Osmium-  oder 
Pikrinsäure  auf  Schnitten 
untersucht.  Ueber  dieser 
Haut  breitet  sich  der 
äussere  Cellulosem  an- 
tel  aus,  welchen  mau  wohl 
als  ein  Absonderungspro- 
duct,  ähnlich  der  Chitin- 
hülle der  Arthropoden  be- 
trachten kann;  nur  ist 
dieser  Mantel  weich,  etwa 
von  der  Consistenz  einer 
Gelatine  oder  coagulirten 
Eiweisses. 

Die  tiefere  Hautschicht 
oder  Lederhaut  (B,  Fig. 
126)  wird  wesentlich  von 
einem  laxen  Bindegewebe 
gebildet,  in  welchem,  wie 
überhaupt  im  Bindegewebe 
des  ganzen  Körpers,  zahlreiche  Lückenräume  ausgehöhlt  sind.  Man 
findet  darin  ausserdem  eine  Menge  verschiedener,  meist  amöbenartiger 
Körperchen  und  eine  intercelluläre  Fasersubstanz.  Ausserdem  sind 
in  dieser  Schicht  besonders  auffällige ,  aus  glatten  Fasern  gebildete 
Muskelbündel  entwickelt,  die  sich  in  allen  Richtungen  kreuzen  und 
mit  einander   anastomosiren.     Die   äusseren  Bündel  (d)  verlaufen  mehr 


Ciona  intestinuHs.  —  Senkrechter  Querschnitt  der 
Tegumente.  Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  5.  a,  durcli- 
sichtiger  CeUulosemantel,  hier  und  da  vereinzelte 
Kerne  und  Zelltrümmer  b  einschliessend ;  c,  zellige, 
den  CeUulosemantel  absondernde  Epidermis ;  d, 
Längsmuskeln  der  Haut,  durchschnitten;  e,  Quer- 
niuskeln ;  y,  peritoneales  Ejtithelium ,  die  Körper- 
höhle  auskleidend ;  </,  Lacunen. 


Ascidien.  301 

der  Länge  nach,  parallel  der  Körperaxe,  die  innersten  (e)  haben  quere 
Richtung;  erstere  sind  dicker  und  lassen  sich  leichter  zerzupfen;  ihre 
bedeutende  Entwicklung  erklärt  die  ausserordentliche  Contractilität 
-der  Thiere  und  zeigt  den  Grund ,  weshalb  die  Muskelschicht  sich  von 
dem  äusseren,  nicht  contractilen  Cellulosemantel  ablöst,  wenn  man  die 
Thiere  plötzlich  in  Weingeist  z.  B.  wirft.  Wir  verweisen  hinsichtlich 
der  Vertheilung  der  Muskelbündel  im  Einzelnen  auf  Roule  (s.  Lite- 
ratur), der  sie  genau  verfolgt  hat;  wir  erwähnen  hier  nur,  dass  die 
Längsmuskeln  besonders  um  die  Siphonen ,  die  Quermuskeln  an  dem 
Tentakelkranze  entwickelt  sind ,  wo  sie  eine  Art  Sphincter  bilden, 
welcher  die  Oeffnung  schliessen  kann.  Diese  Schliessung  wird  noch 
vervollständigt  durch  die  fingerförmigen  Tentakeln,  welche  der  Muskel 
auf  seinem  ganzen  inneren  Rande  trägt.  Dieselben  bestehen  aus 
Bindegewebe,  sind  quer  zur  Axe  des  Sipho  nach  innen  gerichtet  und 
lang  genug,  um  gegenseitig  in  einander  zu  greifen. 

Die  Epidermis  (c,  Fig.  126),  welche  die  Aussenfläche  der  Haut 
überzieht,  besteht  aus  einer  einfachen  Schicht  von  würfelförmigen  oder 
Pflasterzellen ,  deren  runde  Kerne  sich  ausgiebig  mit  Carmin  färben. 
Das  Protoplasma  dieser  einförmigen  Zellen  ist  fein  gekörnt  und  zeigt 
stellenweise  am  Rande  der  Siphonen  die  erwähnten  rothen  Augeuflecke, 
auf  die  wir  zurückkommen  werden. 

Der  äussere  Mantel  (Ä,  Fig.  126),  ein  Absonderungsproduct 
der  erwähnten  Epidermiszellen ,  ist  verhältnissmässig  dick  und  bieg- 
sam. Er  kann  also  durch  Faltung  den  Zusammenziehungen  des 
inneren  Mantels  folgen ,  wenn  diese  nicht ,  wie  schon  bemerkt ,  allzu 
plötzlich  geschehen.  Bei  jungen  Individuen  ist  er  so  durchsichtig, 
dass  man  alle  inneren  Organe  sehen  kann;  bei  zunehmender  Ver- 
dickung im  Alter  dagegen  wird  er  trübe  durch  Ankleben  fremder 
Körper,  Saudkörnchen ,  Eindringen  von  Algen  u.  s.  w.,  und  färbt  sich 
gelblich  oder  grünlich.  Meist  ist  er  in  der  hinteren  Körperrinne  weit 
dicker  als  in  der  vorderen ;  man  wird  also ,  um  seine  Structur  oder 
vielmehr  seine  Structurlosigkeit  zu  uniersuchen.  Schnitte  der  hinteren 
Körperregion  wählen. 

Der  äussere  Mantel  besteht  in  der  That  aus  einer  homogenen 
Substanz,  in  welcher  sich  nur  hier  und  da  feine  Fäserchen  erkennen 
lassen.  Geformte  Elemente,  wie  Kerne,  zerfallende  Sternzellen,  die 
mau  da  und  dort  findet,  sind  nur  Trümmer  der  Epidermis,  die  in  die 
Ablagerung  gerathen  sind.  Mau  erkennt  sie  leicht  durch  Färbung 
der  Schnitte,  denn  sie  färben  sich  leicht,  während  die  homogene  Giuud- 
substanz  sich  gar  nicht  oder  doch  nur  sehr  wenig  färbt.  Auf  ungefärbten 
Schnitten  sieht  man  ausserdem  noch  gelbliche  Körperchen  (ö,  Fig.  126), 
welche  vielleicht  parasitische  Algen  oder  abgestorbene  Blutkörperchen 
sind ,  die  aus  den  in  den  äusseren  Mantel  verlängerten  Lacunen  der 
Haut    ausgetreten    sind. 


302 


Tunicaten. 


In  den  äusseren  Mantel  dringen  in  der  That  von  der  Haut  aus 
hohle,  röhreuartige  Verlängerungen  ein,  wodurch  Ijeide  Schichten  zu- 
sammengehalten werden  und  die  man  durchschneiden  muss,  um  sie  von 
einander  zu  trennen.  Sie  sind  besonders  in  der  hinteren  Körperregion 
zahlreich,  leisten  aber  nur  geringen  Widerstand. 

Wenn  eine  junge  Cione  sich  festsetzt,  so  treibt  der  Mantel  un- 
regelmässige Zotten,  welche  sich  den  Unebenheiten  des  Bodens  an- 
schmiegen. Dieselben  gehen  von  der  hinteren  Körperregion  aus  und 
sind,  wie  der  übrige  Mantel,  ein  Secretionsproduct  der  Epidermis. 

Nervensystem.  —  Der  dem  Ectoderm  angehörige,  auf  der 
Rückenlinie  der  Larve  verlaufende  Nervenstrang  verkümmert  allmählich 
in  der  Weise,  dass  bei  dem  erwachsenen  Thiere  nur  ein  einziges 
Ganglion  übrig  bleibt,  welches  unter  der  Epidermis  in  dem  Binde- 
gewebe   des    kleinen    Zwischenraumes    zwischen   den    beiden    Siphonen 

Fis;.  127. 


Ciona  iatestinulis.  —  Centralganglion  und  Untergangliendrüse.      A,  von  oben  ;   B,  von 
der  rechten  Seite,     o,    Ganglion ;    6,  Drüse.      C,    Isolirte    Nervenzellen,     a,    der    Peri- 
pherie;  h,  Sternzellen  aus  der  Mitte  des  Ganglions   (Gundlach,  Oc.   1,  Obj.   5). 


liegt.  Dieses  Ganglion  mit  den  von  ihm  ausstrahlenden  Nerven  bildet 
das  ganze  System.  Bei  Betrachtung  mit  blossem  Auge  bildet  es  mit 
der  unmittelbar  darunter  Hegenden  Drüse,  die  man  nicht  davon  unter- 
scheiden kann,  eine  kleine,  undurchsichtige,  weissliche  Masse  (Fig.  124). 
Unter  dem  Mikroskope  zeigt  es  eine  ovale  Form,  deren  Längsaxe  mit 
derjenigen  des  Körpers  zusammenfällt  (Fig.  127).  Es  entsendet  vier 
Nervenstämme,  zwei  nach  vorn,  zwei  nach  hinten  {A,  Fig.  127),  die 
sich  bald  theilen.  Jeder  vordere  Nervenstamm  bildet  drei  Zweige, 
von  welchen  einer  nach  vorn  in  dem  Mundsipho  sich  verzweigt;  der 
zweite  geht  zur  Basis  des  Mundsipho   und   der   dritte  verästelt  sich  in 


Ascidien.  303 

der  Wand  der  Peribranchialhöhle  seiner  Seite.  Das  hintere  Nerven- 
paar theilt  sich  ebenfalls  in  je  drei  Zweige,  die  sich  dem  Cloacalsipho 
gegenüber    in  ähnlicher  Weise  verhalten. 

üebrigens  scheint  der  Verlauf  der  Nerven  im  Bindegewebe  und 
ihre  Verzweigung  zu  den  einzelnen  Organen  bei  den  einzelnen  Indi- 
viduen etwas  zu  variiren.  Man  erhält  kaum  zwei  völlig  gleiche  Prä- 
parate und  die  Aeste  zerfallen  so  schnell  in  äusserst  feine  Fäserchen, 
dass  man  sie  nicht  weit  von  ihrem  Ursprünge  verfolgen  kann.  Be- 
handlung mit  Osmiumsäure  leistet  gute  Dienste  und  erlaubt  diese 
Fäserchen  bis  zu  ihren  Enden  an  den  Muskelfasern  zu  verfolgen. 
Auch  die  in  der  Nähe  des  Ganglions  in  den  Siphonen  z.  B.  sich  ver- 
zweigenden Aeste  lassen  sich  leichter   durch  Osmiumsäure  nachweisen. 

Schnitte  durch  das  mit  Chromsäure  gehärtete  Ganglion  ,  die  auch 
nothwendig  die  ihm  anliegende  Untergangliendrüse  mit  begreifen 
(Fig.  128),  dienen  zur  histologischen  Untersuchung,  die  auch  durch 
Zerzupfung  gefördert  wird.  Die  Nervenzellen  sind  verhältnissmässig 
gross ,  oval  oder  rund ,  mit  körnigem  Protoplasma  und  einem  stark 
lichtbrechenden  Kerne  (C,  Fig.  127);  sie  zeigen  häufig  eine  proto- 
plasmatische Verlängerung.  Wir  haben  keine  multipolaren  Zellen  ge- 
funden; diejenigen,  welche  keinen  Fortsatz  zu  haben  scheinen,  mögen 
ihn  bei  der  Zerzupfung  eingebüsst  haben;  doch  möchten  wir  in  Be- 
tracht der  Rundung  der  Conturen ,  die  keinerlei  Verletzung  zeigen, 
glauben,  dass  auch  apolare  Zellen  vorkommen,  wie  bei  vielen  anderen 
Wirbellosen.  Die  Zellen  liegen  stets  an  der  Peripherie  des  Ganglions, 
dessen  Centrum  von  einer  Unzahl  einander  kreuzender  Fäserchen  ge- 
bildet wird,  zwischen  welchen  man  sternförmige  Zellen  zerstreut  findet, 
die  weit  kleiner  als  die  pei-ipherischen  und  in  der  Form  sehr  verschieden- 
artig sind  (b,  C,  Fig.  127). 

Die  Nerven  bestehen  aus  elementaren  Remak'schen  Fasern,  wie 
sie  sich  bei  den  Embryonen  der  Wirbelthiere  vorfinden.  Da  die  aus 
Bündeln  dieser  Fasern  zusammengesetzten  Nervenstärame  nur  sehr 
kurz  sind ,  so  findet  man  in  sehr  geringer  Entfernung  von  dem  Gan- 
glion nur  noch  feine,  durch  das  Bindegewebe  sich  schlängelnde  Fasern, 
welche  sich  nur  sehr  schwer  verfolgen  lassen. 

Sinnesorgane.  —  Ciona  besitzt  keine  differenzirten  Sinnes- 
organe. Die  dreieckigen,  rothen  Pigmentflecke,  welche  in  den  Zwischen- 
räumen der  Randläppchen  der  beiden  Siphonen  liegen  (c,  e,  Fig.  124), 
sind  wegen  ihrer  Lage  am  Vorderende  des  Körpers  in  einer  sehr 
nervenreichen  Gegend  als  Augen  flecken  betrachtet  worden.  Sie 
sind  ausserdem  sehr  constant  und  finden  sich  bei  vielen  Seescheiden. 
Das  rothe  Pigment  ist  indessen  nicht  vollständig  darin  concentrirt; 
man  findet  es  ausserdem  bei  vielen  Individuen  in  der  Umgegend  der 
Hauptflecken  in  Gestalt  mikroskopischer  Tröpfchen.  W"enn  dieses  Pig- 
ment also  mit  Gesichtseindrücken  in  Beziehung  stehen  sollte,   so  muss 


k 


304 


Tunicaten. 


man  zugestehen ,  dass  diese  nur  sehr  unbestimmter  Natur  sein 
können. 

Das  vor  der  Unterganglien drüse  liegende  Wimperorgan  ist  häufig 
als  Riechorgan  angesehen  worden,  scheint  aber,  wie  wir  sogleich  sehen 
werden,  andere  Functionen  zu  besitzen.  Die  aus  Bindegewebe  be- 
stehenden Kranztentakel  des  Mundsiphos  scheinen  eher  als  Sieb  zur 
Abhaltung  grösserer,  in  den  Kiemensack  eindringender  Fremdkörper, 
denn  als  Sinnesapparat  zu  dienen.  Roule  hat  sie  mit  der  Spitze  einer 
feinen,  durch  den  weit  geöffneten  Sipho  eingeführten  Nadel  berührt 
und  sich  überzeugt,  dass  sie  weit  weniger  Empfindlichkeit  zeigen,  als 
die  benachbarten  Theile,  wie  z.  B.  die  Mundwärzchen.  Von  dem 
Gehörorgan  der  Larve  findet  sich  beim  erwachsenen  Thiere  keine  Spur 
mehr  vor. 

Unterganglien  drüse  und  Wimperorgan.  —  Wir  sprechen 
hier  von    diesen  Organen ,   weil   sie    dem   Centralganglion   unmittelbar 


Fis:.  12 


Cioiia    iidestinalis.     —     Läiigsdurchschnitt    des    Ganglions    und     der    Di-üse ,     50  fach 
vergrössert  (nach  Roule).    «,  Cellulosemantel ;   b,  Epidermis;  c,  Muskelfasern;  d,  La- 
eunen  in  der  Körperwand  ;  e,  zellige  Rindenschicht    des  Ganglions ;  /,  centrale  Faser- 
masse desselben;    g,  Untergangliondrüse;    Ji,  Ausführungsgang    derselben,  dessen  auf-    J 
gewulstete    und     umgekrempte   Wände    das  Wimperorgan    i    bilden ;     k ,    Franse    der  ^ 
Dorsalraphe;  l,  Kiemenepithel.  . 


anliegen    und    weil   die    von    Hancock    entdeckte    Drüse    durch    die 
neueren    Ai-beiten   von   Julin    (s.  Literatur)   in   phylogenetischer  Hin-j 


Ascidien.  305 

sieht  und  in  Beziehung  auf  die  Verwandtschaft  zwischen  Mantelthiereu 
und  Wirbelthieren  eine  gewisse  Bedeutung  gewonnen  hat,  wovon  später 
im  allgemeinen  Abschnitte  noch  die  Rede  sein  soll. 

Die  Untergangliendrüse  {b,  Fig.  127,  A  und  Jj)  bildet  einen 
rundlichen,  auf  der  Oberfläche  warzigen  Körper,  der  zwischen  dem 
Ganglion  und  der  Kiemenwaud  an  der  Stelle  liegt,  wo  die  Rücken- 
raphe  in  der  Kranzrinne  endet.  Wir  wissen  schon,  dass  sie  dem  Gan- 
glion so  enge  anliegt,  dass  man  beide  nicht  ohne  Verletzung  von  ein- 
ander trennen  kann.  Längs-  und  Querschnitte,  welche  beide  Organe 
einbegreifen,  sind  zur  genaueren  Untersuchung  unerlässlich.  Zer- 
zupfuugen  führen  zu  keinem  Resultate  und  Präparate  der  Drüse  im 
Ganzen  geben .  wenn  sie  auch  durchsichtig  sind ,  doch  kein  klares, 
vollständiges  Bild.  Um  gute  Schnitte  zu  erhalten,  trennt  man  mit 
einem  raschen  Scheerenschuitt  die  ganze ,  zwischen  den  Siphonen  ge- 
legene Gegend  bei  einem  lebenden  Individuum  ab  und  lässt  das  Stück 
in  Pikrinschwefelsäure  fallen,  um  es  nach  Fixirung  mit  Boraxcarmin 
zu  färben  und  nach  Erhärtung  in  Paralfin  zu  schneiden. 

Die  Drüse  besteht  aus  mehreren  verzweigten  Röhrchen,  die  in 
eine  bindegewebige  Grundmasse  eingebettet  und  innerlich  mit  einem 
Epithelium  von  kleinen,  cubischen  Zellen  ausgekleidet  sind,  welche 
sich  loslösen  und  in  die  Höhle  der  Röhre  fallen.  Meist  ist  diese  mit 
solchen,  in  allen  Stadien  des  Zerfalles  befindlichen  Zellen  derart  aus- 
gefüllt, dass  deren  mit  Carmin  stark  gefärbten  Kerne  der  Untersuchiing 
des  Drüsenepithels  selbst  hinderlich  sind. 

Die  Drüsenröhren  vereinigen  sich  in  einem  Sammelcanal 
(h,  Fig.  128),  der  an  der  oberen,  dem  Ganglion  zugekehrten  Fläche 
der  Drüse  in  der  Mittellinie  verläuft  und  anfänglich  mit  einem  Epi- 
thelium ausgekleidet  ist,  das  demjenigen  der  Drüse  gleicht.  Aber  der 
von  oben  nach  unten  abgeplattete  Canal  verlängert  sich  nach  vorn 
über  die  Drüse  hinaus  und  hier  trägt  er  kleine  Cylinderzellen  mit 
langen  Wimperhaaren,  deren  Bewegung  von  innen  nach  aussen,  also 
in  der  Richtung  der  Ausführung  der  Producte  thätig  ist. 

Dieser  bewimperte  Ausführungscanal  öffnet  sick  nicht  weit  von 
der  Drüse  nach  kurzem  Verlauf  auf  der  Rückenseite  des  Mundsiphos 
in  der  Mittellinie  vor  einer  kleinen,  hier  angebrachten  Erweiterung 
der  Kranzrinne  in  einer  kegelförmigen  Papille  (/,  Fig.  128),  deren 
Spitze  der  Drüse  zugewendet  ist.  Ihre  nach  vorn  gerichtete  Basis 
trägt  eine  halbmondförmige  Spaltenöflfnung,  deren  Form  übrigens  je 
nach  den  Concentrationszustäuden  etwas  wechselt.  Diese  Spalte  wird 
von  in  die  Höhle  des  Siphos  vorspringenden  Lippen  eingefasst,  welche 
mit  sehr  lebhaft  schlagenden  Wimpern  besetzt  sind.  Man  hat  diese 
Papille  das  Wimperorgau  genannt  und  häufig  als  ein  Geruchsorgan 
angesprochen,  obgleich  die  auskleidenden  Zellen  keine  Aehnlichkeit 
mit  Sinneszellen   haben.      Die  bindegewebigen  Wände   sind   sehr   dick, 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  veigl.  Anatomie.     II.  9Q 


306  .  Tunicateil. 

von  Lacunen  durchzogen  (d,  Fig.  128)  und  nach  aussen  hin  mit  dem- 
selben Epithelium  überzogen,  welches  den  Caual  des  Siphos  innen  aus- 
kleidet. Schliesslich  scheint  diese  Warze  nur  das  bedeutend  erweiterte 
Endstück  des  x\usführungsganges  der  Untergangliendru.se  zu  sein ; 
eine  weitere  Bedeutung  lässt  sich  ihr,  dem  heutigen  Stande  unserer 
Kenntnisse  nach,  nicht  beimessen. 

Das  Gesamratorgan  verhält  sich  in  der  beschriebenen  Weise. 
Welches  ist  aber  seine  Function  ?  Man  hat  vielfach  darüber  gestritten, 
ohne  zu  einem  positiven  Resultate  zu  kommen.  Ed.  van  Beneden 
spricht  die  Drüse  als  Harnorgan  an;  Roule  hält  sie  für  eine  Schleim- 
drüse. In  Anbetracht  der  engen  Beziehungen  des  Organes  mit  der 
benachbarten  Kranzrinne  und  durch  diese  mit  den  Raphen  nimmt 
Roule  an,  dass  die  Drüse  wenigstens  einen  Theil,  wenn  nicht  allen 
Schleim  absondere,  der  längs  der  Raphen  fortgeführt  wird,  die  Nah- 
rungstheile  umhüllt  und  dem  Darmmunde  zuleitet. 

Kiemensack  und  Darm.  — Wir  wissen,  dass  der  Mundsipho  in 
den  Kiemensack  führt,  welcher  nichts  Anderes  als  der  sehr  erweiterte 
Vorderdarm  ist  und  wesentlich  mit  der  Athemfunction  betraut  ist. 
Indessen  durchlaufen  ihn  die  im  Wasser  aufgeschwemmten  Nahrungs- 
theilchen  und  während  diese  dem  Darm  munde  zugeleitet  werden, 
strömt  das  Atherawasser  durch  zahlreiche  Spalten  in  den  Raum 
zwischen  der  Aussenfläche  des  Kiemensackes  und  der  Innenfläche  der 
Körperwand,  den  wir  Peribranchialhöble  genannt  haben. 

Der  Kiemensack  ist  an  der  Basis  des  Mundsiphos  längs  einer 
Kreislinie  befestigt,  welche  durch  die  auf  ihrem  ganzen  Verlaufe  flim- 
mernde und  an  beiden  Enden  an  den  Raphen  erweiterte  Kranzrinne 
als  Grenze  zwischen  Sipho  und  Kieme  bezeichnet  wird  (c,  Fig.  129). 
Ausserdem  heftet  er  sich  längs  der  ventralen  Mittellinie  an  die  Körper- 
wand an.  An  dieser  Auheftung  zeigt  sich  ein  verdickter  Längswulst 
von  Bindegewebe,  der  von  einem  bedeutenden  Blutcanal,  dem  Brauchio- 
cardialsiuus,  durchsetzt  wird,  von  welchem  später  die  Rede  sein 
wird.  Diese  Naht  sieht  wie  ein  hyalines  Stäbchen  aus  und  wird  als 
Endostyl  bezeichnet  (m,  Fig.  124).  Ausserdem  steht  der  Kiemen- 
sack durch  eine  Menge  von  Bindegewebsbrücken ,  in  welchen  Blut- 
canäle  verlaufen  und  die  man  die  Kiera  e  n  hautcan  äle  (r,  Fig.  132) 
genannt  hat,  mit  der  Körperwand  in  Beziehung.  Um  den  Kieniensack 
los  zii  präpariren ,  muss  man  diese  Brücken  trennen.  Wir  spalten 
hierauf  den  Kiemensack  der  Länge  nach,  um  seine  Innenfläche  zu 
untersuchen.  Der  Endostyl  oder  die  Bauchraphe  (in,  Fig.  124; 
/,  Fig.  129)  fällt  sofort  in  die  Augen;  das  Gebilde  erstreckt  sich  nach 
vorn  bis  zur  Kranzrinue  und  bildet  hier  einen  kleinen  Blindsack 
(e,  Fig.  129).  Die  in  die  Höhle  des  Kiemensackes  vorspringenden 
Lippen  der  Raphe  sind  mit  einem,  kurze  Wimpern  tragenden  Epithe- 
lium  ausgekleidet,    während    im    Grunde    der    Rinne    ausserordentlich 


Ascidien. 


307 


lange  Cilien  sich  finden.  Alle  diese  ^Yimperu  schlagen  in  der  Rich- 
tung von  vorn  nach  hinten  und  befördern  so  die  schleimigen  Massen 
weiter,  welche  die  Rinne  ausfüllen  und  über  deren  Herkunft  man  noch 
nicht  ganz  einig  ist,  indem  die  Einen  sie  von  der  Rinne  selbst  ab- 
sondern lassen,  während  die  Anderen  sie  von  der  Untergaugliendrüse 
herleiten. 

Dem  Eudostyl  gegenüber  verläuft  auf  der  dorsalen  Mittellinie 
des  Kiemensackes  ebenfalls  ein  dünner  Längswulst,  die  Rückenraphe 
()i,  Fig.  124;  //,  Fig.  129),  die  eine  Reihe  kleiner,  in  die  Kiemenhöhle 
vorspringender  Zotten  trägt. 

Durch  die  beiden  genannten  Nähte  wird  die  Kieme  in  eine  rechte 
und  linke  Hälfte  getheilt.  Die  Rückenraphe  verkümmert  gegen  die 
Kranzrinne  hin;  die  Zotten  werden  sehr  kurz  und  verschwinden  sogar 

Fig.   129. 


Ciona  iräestuialis.  —  Innenfläche  des  ^lundsiplios  und  des  Kiemensackes,  unter  der  Lupe 
gezeichnet.  «,  Mundsipho  ;  i,  Tentakelkranz ;  c,  Kranzrinne  ;  rZ,  deren  Erweiterung  am 
Uebergange  in  die  Rückenraphe ;  e,  Verlängerung  derselben  in  die  Bauchraphe  / 
(Endostyl);  </,  Kiemenspalten;  h.  mit  Fransen  besetzte  Rückenraphe :  i.  Unterganglien- 
drüse,   durch    die    Kiemenwand    durchschimmernd;    /',    Wimperorgan;    Ic^    Bündel  von 

Läncfsmuskeltasern. 


ganz.  Nach  hinten  geht  sie  in  die  Rinne  des  Darmmundes  über,  der 
in  den  eigentlichen  Darm  mündet.  Der  Eudostyl  dagegen  endet  nach 
hinten  in  einen  ziemlich  bedeutenden  Blindsack,  der  sogar  in  Gestalt 
eines  coutractilen,  zungenförmigen  Foitsatzes  in  die  hintere  Körper- 
höhle vorspringt  (f/,  Fig.  1.30  a.  f,  S.).  Im  Grunde  des  Kiemeusackes 
werden  die  beiden  Raphen  durch  eine  kurze  Rinne,  die  Hinterraphe, 
mit  einander  verbunden,  die  parallel  mit  der  Peritoueallamelle,  welche 
das  erwähnte  Blindsäckchen  befestigt,  bis  zum  Darmmunde  sich  er- 
streckt (c,  Fig.  130).  Die  Krauzrinne,  die  beiden  Längsraphen  und 
die  Hinterraphe   bilden    also   um    den   Kiemensack  herum    einen  Kreis- 

20* 


Tiinicaten. 


Fio-.  130. 


-3 


weg,    welcher    im    Gri^iide     des    Kieraensackes    au    dem    Darmmunde 
endet. 

Die  Wand  des  Kiemensackes  besteht  aus  einer  Lamelle  von  Binde- 
gewebe, welche  aiif  ihren  beiden  Flächen  mit  einer  epithelialen  Zellen- 
schicht bekleidet  ist.  Diese  Lamelle  wird  von  einer  grossen  Anzahl 
von  Blutcanälen  durchsetzt,  die  sich  in  rechten  Winkeln  kreuzen,  da 
die  einen  quer,  die  anderen  längs  verlaufen  und  deren  aus  Bindegewebe 
gebildeten  Wände  gegen  die  Kiemenhöhle  vorspringen.  Die  grösseren 
Quercanäle  sind  sogar  mächtig  genug,  um  auch  gegen  die  Peri- 
branchialhöhle  vorzuspringen.  So  geben  denn  diese  Canäle  im  Ganzen 
das  Bild  eines  Netzes  von  Stäbchen,  welche  auf  der  dünnen  Grund- 
lamelle der  Kieme  Reihen  von  viereckigen  Maschen   abgrenzen,   deren 

Boden  von  knopflochförmigen 
Spalten  (/,  Fig.  131)  durch- 
bohrt wird,  dui'ch  welche  das 
Wasser  aus  der  Kiemenhöhle 
in  die  Peribranchialhöhle  ab- 
fliesst. 

Die  Längscanäle  (rt,  Fig. 
131)  erstrecken  sich  ohne 
Unterbrechung  von  der  Kranz- 
riune  bis  zum  hinteren  Ende 
des  Kiemensackes.  Die  mehr 
nach  aussen  vordrängenden 
Quercanäle  (?>,  c,  Fig.  131) 
laufen  auf  jeder  Seite  des 
ßo/.«  mte^;««&.  -  Hintere  Plälfte  des  Kiemen-  '  Sackes  von  einer  Raphe  zur 
sackes  und  vordeve  Hälfte  der  Eingeweideliöhle.  anderen.  Sie  sind  nicht  alle 
Die  Körperwand  ist  linkerseits  abgetragen  Avor-  gleich  weit.  Nur  die  Quer- 
canäle erster  Ordnung 
(Roule)  springen  gegen  die 
Peribranchialhöhle  vor  (b,  Fig. 
131).  Sie  wechseln  mit  den 
engeren  Qiiercanälen 

zweiter  Ordnung  ab  (c, 
Fig.  131).  Ausser  diesen 
Hauptcanälen  sieht  man  noch 
weit  feinere  Quercanälchen  (c,  Fig.  131),  welche  nur  in  der  Dicke  der 
Kiemenlamelle  ausgehöhlt  sind,  nicht  vorspringen,  aber  auf  gefärbten 
Präparaten  sich  leicht  erkennen  lassen  und  so  das  Bild  des  Mascheu- 
netzes,  das  einem  Damenbrette  gleicht,  etwas  verwirren. 

An  jedem  Kreuzungspunkte  der  Längs-  und  Quercanäle  erhebt 
sich  ein  dem  Läugscanal  zugehöriger,  warzen-  oder  zungenförmiger 
Vorsprung,    der    frei    in     die    Kieraenhölde    hineinragt    (f/,    Fig.    131). 


den,  ebenso  die  Mittelportion  der  Darmschlinge 
mit  dem  Eierstock,  um  das  Herz  bloss  zu  legen, 
a,  Kieme;  i,  Körperwand;  c,  Bauchraphe ; 
rf,  ihr  hinterer  Blindsack,  der  zungentormig  in 
die  Eingeweidehöhle  vorspringt;  c,  hintere 
Raphe;  /,  dorsale  Raphe;  (/,  Darmmund;  A, 
Schlund  ;  »",  Magen,  quer  durchschnitten;  /i,  Herz- 
beutel;  /,  Herz;  ?« ,  in  der  Pericardialhöhle 
schwimmender   Körper. 


J 


Ascidien. 


309 


Diese  Vorsprünge  sind  hohl  und  ihre  Höhle  steht  mit  dem  Längscanale 
in  Verbindung,  so  dass  sie  also  die  ohnehin  schon  bedeutende  Athem- 
fläche  der  Kieme  noch  vergrössern. 

Wie  schon  bemerkt,  hängt  die  Aussenfläche  des  Kiemensackes  mit 
der  Innenfläche  der  Körperwand  durch  eine  IMeuge  von  Hautkieraen- 
canälen  (r,  Fig.  133)  zusammen,  die  von  den  Qnercanälen  der  Kieme 
ausgehen,  die  Peribranchialhöhle  durchsetzen  und  so  eine  Gefäss- 
verbindung  zwischen  Kieme  und  Körperwand  herstellen.  Diese  Ver- 
bindungscanäle  sind  meist  einfach,  eng  und  kurz. 

Die  Kiemenspalten  sind  kleine,  ovale  Längsspalten,  die  sich 
von  einem  Quercanal  erster  Ordnung  zum  anderen  oder  auch  nur 
von  einem  solchen  bis  zu  einem  Quercanal  zweiter  Ordnung  erstrecken 


Fig.   131. 


A 


--f 


Ciuna   inttstliiulis.  —  Structur  der  Xienieiiwandung.      A,  Ansicht    von   innen,    B.  von 

aussen.      Giindlaeh,    Olij.   0.   .  Camera   dura,      a,  Längseanäle ;    b,   Quercanäle   erster 

Ordnung;     c,    Quercanäle    zweiter    Ordnung;     c7,    warzenförmige    Vorsprünge     in    die 

Kiemenhühle  ;  e,   Quercanäle  dritter  Ordnung;/,   Kiemenspalten. 


(/,  Fig.  131,  i?);  sie  sind  ausserordentlich  zahlreich  (30000  bis  -40000 
bei  einer  erwachsenen  Ciona  nach  Roule)  und  derart  gegen  einander 
gedrängt,  dass  die  Lheile  der  Wände  des  Kiemensackes,  durch  welche 
sie  getrenut  werden,  dünneu  Längsstäbchen  gleichen  (g,  Fig.  131). 
Kiemenwand  und  Canäle  sind  mit  Epithelien  von  zweierlei  Art  aus- 
gekleidet: mit  kleinen,  cubischen  oder  Pflasterzellen,  die  keine  Wim- 
pern tragen,  und  mit  grösseren,  cylindrischen  Wimperzellen.  Letztere 
sitzen  namentlich  auf  den  Seiten  der  Canäle  und  an  den  Ptänderu  der 
Spalten.  Sie  unterhalten  einen  beständigen  Strom  des  Wassers  von 
innen  nach  aussen.  Die  (iesammtstructur  der  Kieme  verwirklicht  so 
in  hohem  Grade  der  Athmung  günstige  Bedingungen.  Das  Blut  ist 
auf  einer  relativ  sehr  grossen  Fläche  ausgebreitet,   überall  vou  Wasser 


310 


Tunicaten. 


umspült  und   die  Wände   der  Canäle   sind   dünn   genug,   um   den   aus- 
giebigsten Austausch  der  Gase  durch  sie  hindurch  zu  gestatten. 

Der  ganze    beschriebene  Theil    der  Kieme    ist   wesentlich    respira- 
torisch,  was   nicht   hindert,    dass    die   in    dem   eigentlichen  Darme   zu 


Fig.  132. 


Cloaa  i?ile.stinulis.  —  Ansicht  von 
der  Rücken  fläche  nach  Wegnahme 
des  Cellulosemantels.  Die  Kör- 
penvandung  ist  von  Leiden  Seiten 
her  über  die  Kieme  umgeschlagen 
und  üljer  den  in  der  Körper- 
hölile  eingeschlossenen  Eingewei- 
den weggenommen  (nachRoule). 
a,  Kiemensack ;  i,  Peribranchial- 
liöhle;  c,  Schlund;  cl,  Magen; 
e,  Darmschlinge ;  f,  Rectum  ;  rj, 
Afterkegel;  h,  Eierstock;  i,  Sa- 
menleiter; fc,  Eileiter;  l,  End- 
papille  der  Geschlechtsgänge;  m, 
Kiemendarmsinus ;  n,  Herzbeutel; 
o,  Aftersipho ;  p,  Basis  des  Mund- 
siphos ;  q ,  Körperwandung ;  r, 
Hautkiemencanäle. 


verdauenden  Nahrungstheilchen  ihren  Weg 
durch  den  Kiemensack  nehmen.  Die- 
selben werden  durch  den  Schleim  um- 
hüllt, welcher  wahrscheinlich  von  dem 
Endostyl  abgesondert  wird  und  in  Ge- 
stalt hyaliner  Fäden  auf  der  ganzen  In- 
nenfläche der  Kieme,  besonders  im  vor- 
deren Theile,  anzutreffen  ist.  Man  findet 
häufig  im  Kiemensacke  grössere,  gelb 
oder  braun  gefärbte  Schleimbündel,  diei 
au  dem  Rande  der  Rückenraphe  gegen 
den  Darmmund  hin  fortbewegt  wei'den. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigt, 
dass  sie  zahlreiche  Infusorien,  Diatomeen 
und  von  Schleim  umhüllte  Zelltrümmer 
enthalten.  Alle  diese  Nahrungstheile 
werden  durch  das  Spiel  der  Wimperhaare 
aiif  zwei  Wegen,  von  dem  Endostyl  und 
von  der  Rückenraphe  aus,  gegen  den 
Darmmuud  hin  fortbewegt. 

Der  Ver  dauun  gscan  al  (Fig.  132) 
liegt  grösstentheils  in  der  hinteren  oder 
Eingeweidehöhle  des  Körpers  hinter  der 
Peritoneallamelle.  Er  beginnt  mit  einer 
kreisförmigen,  contractilen  Oeffnimg,  dein 
Darmmunde  (g,  Fig.  130),  der  auf  der 
dorsalen  Mittellinie  der  Peritoneallamelle 
liegt.  An  den  Rändern  dieser  Oeffnung 
enden  die  Wimperrinuen  der  beiden 
Raphen,  welche  in  der  oben  besprochenen 
AVeise  die  Schleimballen  init  Nahrungs- 
stoffeu  dem  Munde  zuleiten.  Die  Wand 
des  Kiemensackes  setzt  sich  über  die  Oeff- 
nung hinaus  direct  in^  die  Schlundwand 
fort.  Der  Schlund  selbst  (c,  Fig.  132) 
ist  eine  kurze,  enge  und  durclisichtige 
Röhre ,  die  sich  leicht  im  Bogen  krümmt 
und  ausserdem  um  ihre  Längsaxe  ge- 
wunden ist,  wie  die  spiraligen  Streuen 
beweisen,   welche   sich  an  ihr  bemerklich; 


Ascidien.  311 

machen  (I,  Fig.  132).  Nach  hinten  erweitert  sich  der  Schlund  plötz- 
lich in  einen  eiförmigen,  gekrümmten  und  weiten  Sack,  den  Magen 
(ä,  Fig.  132),  von  dem  er  durch  eine  innere,  wenig  vorspringende 
Cardialfiilte  geschieden  ist.  x'^usser  an  seiner  Form  erkennt  man  den 
Magen  auch  an  seiner  gelblichen  Färbung;  sein  hinterer  Theil  erscheint 
weiss  getüpfelt  durch  die  Hodenkörner,  die  sich  an  seine  Oberfläche 
fest  anlegen  und  sogar  in  die  Peritonealhülle  des  auf  den  Magen  fol- 
genden Darmes  eindringen.  Zur  Zeit  der  Reife  sind  diese  Hoden- 
läppchen so  zahlreich  und  derart  angeschwollen,  dass  sie  sogar  in  die 
Darmhöhle  vorspringen  und  der  Darm  selbst  weisse  Farbe  zeigt.  Un- 
mittelbar hinter  dem  Magen  krümmt  sich  der  Darm  von  links  nach 
rechts  auf  sich  selbst  zurück,  bildet  innerhalb  der  Körperhöhle  die 
Darmschlinge  (e) ,  durchsetzt  hierauf  die  Peritoneallamelle  und  ver- 
läuft in  der  Peribrauchialhöhle  direct  in  gerader  Linie  nach  vorn. 

Dieser  letzte  Darmabschnitt,  das  Rectum  (/),  verläuft  an  der 
Rückenfläche  der  Kiemenwand  längs  dein  Blutsinus.  Die  Ausführuugs- 
gänge  der  Zeugungsorgane  laufen  dem  Rectum  parallel,  verlängern 
sich  aber  über  den  After  hinaus  (i,  k.  ?,  Fig.  132).  Wenn  zur  Reife- 
zeit die  Geschlechtsgänge  prall  mit  Producten  gefüllt  sind,  drücken 
sie  die  Wände  des  Rectunis  so  zusammen,  dass  dieses  auf  (,)uerschnitten 
die  Form  eines  Halbmondes  zeigt.  Die  Wände  des  Rectums  sind  so 
dünn  und  durchsichtig,  dass  man  die  braun  gefärbten  Kothballen  in 
der  Röhre  sieht.  In  der  Nähe  seines  Endes  ti'ennt  sich  das  Rectum 
von  den  Geschlechtsgängen  und  erhebt  sich  in  Gestalt  einer  kegel- 
förmigen Afterwarze  (g,  Fig.  132),  die  in  die  Cioakenhöble  vor- 
springt und  auf  der  Spitze  die  Afteröffnurg  trägt,  welche  von 
einigen  muscalösen  Riugfasern  umgeben  wird,  die  einen  Schliess- 
muskel  bilden. 

Querschnitte  geben  Aufschlüsse  über  die  histologische  Structur 
des  Darmes;  die  Epithelialzellen  werden  im  Einzelnen  in  Zerzupfangs- 
präparaten  untersucht,  die  man  vorher  in  Osmiumsäure  fixirt  hat.  Die 
Grundraembran  besteht  aus  einer  Bindeaewebslamelle ,  welche  auf 
beiden  Flächen  mit  Epithelialzellen  ausgekleidet  ist;  aussen  mit 
Pflasterzellen,  denjenigen  ähnlich,  welche  die  Peritonealhöhle  überhaupt 
auskleiden,  und  innen  mit  Wimperzellen  von  Cylinder-  oder  Becher- 
form in  wechselnder  Grösse.  Die  Bindegewebslamelle  ist  von  zahl- 
reichen Blutcanälen  durchzogen,  deren  Weite  nach  den  Regionen 
wechselt;  iti  der  Nähe  des  Schlundes  sind  sie  weit  beträchtlicher  als 
weiter  hinten,  wo  sie  enger  werden  und  Netze  bilden.  ]Man  wiid  in 
der  Monographie  von  Roule  alle  nur  wünschbaren  Nachweise  über  die 
histologische  Structur  der  vier  Darmabschnitte,  Schlund,  Magen,  Darm- 
schlinge und  Rectum,  linden.  Wir  erwähnen  hier  nur,  dass  Muskel- 
fasern in  den  vorderen  Abschnitten  gänzlich  fehlen  ,  die  mithin  nicht 
contractu   sind   und   in    welchen   die  Fortschaft\ing   der   NahrungsstoITe 


312  Tunicaten. 

nur  durch  die  Thätigkeit  der  Wimpern  bewerkstelligt  wird.  Dagegen 
finden  sich  Muskelfasern  längs  des  Rectums  und  am  After.  Der  Ver- 
dauungssaft  wird  wahrscheinlich  durch  das  innere  Darmepithel  ab- 
gesondert, denn  es  findet  sich  keine  Nebendrüse,  welcher  diese  Function 
zugeschrieben  werden  köcnte. 

Kreislauf  und  Lacunensystem.  —  Das  Blut  der  Ciona  ist 
weisslich;  es  enthält  zahlreiche,  sehr  kleine,  amöbeuartige  Körperchen 
und.  ausserdem  bräunliche  oder  gelbe  Gebilde,  welche  in  Rückbildung 
begriffene  Blutkörperchen  zu  sein  scheinen. 

Wie  bei  den  übrigen  Mantelthieren,  circulirt  das  Blut  grössten- 
theils  in  Lacunen,  welche  ein  in  dem  Bindegewebe  des  ganzen  Körpers 
verbreitetes  System  von  Hohlräumen  bilden,  das  von  dem  Cölom  durch- 
aus unabhängig  ist.  Das  von  dem  Herzen  getriebene  Blut  circulirt  in 
diesen  Räumen  in  abwechselnd  entgegengesetzter  Richtung.  Die  La- 
cunen besitzen  keine  eigenen  Wandungen;  an  einigen  Orten,  wie  in 
der  Haut  und  der  Kieme,  sind  sie  zwar  so  regelmässig  angeoidnet,  dass 
man  glauben  könnte,  wirkliebe  Gefässe  vor  Augen  zu  haben;  aber  an 
den  meisten  übrigen  Stellen  ändern  sie  sich  von  einem  Augenblick  zum 
anderen  während  des  Lebens  und  zeigen  sich  auch  verschieden  je  nach  der 
Art  der  Injection ,  so  dass  man  keine  genaue  Beschreibung  von  ihnen 
geben  kann.  Auf  Durchschnitten  sieht  man  sie  meist  klaff'end  offen 
in  Folge  der  Elasticität  des  Bindegewebes,   worin    sie  ausgehöhlt  sind. 

Das  Herz  (l,  Fig.  130)  bildet  einen  Schlauch  in  Form  eines 
Halbmondes,  dessen  Hörner  nach  vorn  gerichtet  sind.  Bei  erwachsenen 
Thieren  ist  es  stärker  gekrümmt  als  bei  jungen.  Es  liegt  im  Hinter- 
grunde der  Eingeweidehöhle  zwischen  der  Darmschlinge  und  dem 
Eierstocke  rechterseits  vom  Magen  und  wird  von  einem  feinen,  durch- 
sichtigen Herzbeutel  (Je)  umschlossen,  der  mit  einer  klaren  Flüssig- 
keit angefüllt  ist.  Ausser  zahlreichen,  mikroskopischen  Körperchen 
schwimmt  in  dieser  Flüssigkeit  des  Herzbeutels  ein  opaker,  weiss- 
licher  Körper  von  etwa  einem  Millimeter  Durchmesser,  der  bei  den 
Contractionen  des  Herzens  die  Stelle  wechselt  und  nach  dem  Tode  meist 
an  irgend  einer  Stelle  des  Herzbeutels  angeklebt  bleibt  (m,  Fig.  130). 
Die  beiden  nach  vorn  gerichteten  Herzhörner  durchsetzen  den  Herz- 
beutel und  verlängern  sich  nach  vorn  auf  die  Seiten  des  Kiemen- 
sackes. Nur  an  diesen  beiden  Punkten  steht  die  Herzwand  mit  dem 
Herzbeutel  in  Verbindung;  im  Uebrigen  ist  der  Herzschlauch  voll- 
kommen frei  und  schwimmt  gewissermaassen  in  der  Herzbeutel- 
üüssigkeit. 

Die  auf  beiden  Flächen  mit  einem  Zellenepithelium  bekleideten 
Herzwände  sind  sehr  contractil;  sie  zeigen  nach  aussen  eine  Schicht 
von  quergestreiften  Längsmuskelfasern.  Dies  sind  die  einzigen  ge- 
streiften Muskeln  im  Körper  der  Ciona.  Die  innere  Schicht  wird  von 
einem  elastischen  Gewebe  gebildet,   welches   in    der  Diastole  seine  pri- 


Ascidien.  313 

mitive  Gestalt  annimmt  und  so  als  Antagonist  der  einzig  die  Systole 
erzeugenden  Längsmuskeln  auftritt. 

Wie  bei  den  übrigen  Mantelthieren,  wechselt  das  Herz  der  Ciona 
periodisch  die  Richtung  seiner  Contractionen,  was  man  bei  jungen, 
durchsichtigen  Individuen  leicht  constatiren  kann.  Die  Dauer  dieser 
Wechselströmungen  ist  nicht  ganz  gleich;  die  Contractionen  folgen 
sich  schneller,  wenn  das  Blut  in  der  Richtung  von  der  Kieme  durch 
das  Herz  zu  den  Eingeweiden  ,  als  wenn  es  in  umgekehrter  Richtung 
von  den  Eingeweiden  durch  das  Herz  zu  der  Kieme  geht  (Roule). 
Indessen  ist  der  Unterschied  bei  den  erwachsenen  Thieren  geringer 
als  bei  den  jungen. 

Daraus  folgen  grosse  Unregelmässigkeiten  im  Blutlaufe,  die  durch 
den  Mangel  von  zu-  und  abführenden  Gefässen  noch  vermehrt  wird. 
Wie  bei  den  Salpen,  lassen  sich  weder  Arterien  noch  Venen  unter- 
scheiden ,  und  da  mit  Ausnahme  der  Hauptcanäle  die  Richtung  des 
Blutstromes  in  den  Lacunen  sich  mit  jedem  Augenblicke  ändern  kann, 
so  hält  es  sehr  schwer,  sich  eine  Gesammtanschauung  des  Kreislaufes 
zu  bilden.  Die  von  dem  Herzen  aus  gemachten  Injectionen  gefärbter 
Massen  liefern  nicht  zweimal  identische  Resultate  und  schliesslich  ist 
es  am  vortheilhaftesten ,  den  Kreislauf  an  der  Bewegung  der  im  Blute 
aufgeschwemmten  Köi-perchen  beim  lebenden  Thiere  zu  untersxichen. 
Auf  diese  Weise  erkennt  man  wenigstens  eine  gewisse  Anzahl  von 
Hauptströmen  in  den  grossen  Canälen,  welche  vom  Herzen  zur  Kieme, 
zu  den  Eingeweiden  und  von  diesen  zur  Kieme  oder  umgekehrt  sich 
begeben. 

So  erkennt  man  leicht  einen  grossen  Bauchcanal  (p,  Fig.  133 
a.  f.  S.),  der  unter  der  Bauchraphe  längs  der  ganzen  Kieme  sich 
erstreckt;  er  sieht  wie  ein  compacter  Glasstab  aus  und  ist  deshalb 
auch  als  ein  Stützgebilde  der  Bauchrinne  angesehen  und  als  Endostyl 
bezeichnet  worden.  Dieser  Canal  ist  in  einem  bindegewebigen  Wulste 
ausgehöhlt,  der  in  der  ventralen  Mittellinie  die  Kiemenwand  mit  der 
Körperwand  verbindet.  Er  steht  mit  den  Lacunen  des  Mundsiphos, 
der  benachbarten  Theile  der  Körperwaiid  und  mit  den  Quercanälen 
der  Kiemen  in  directer  Verbindung  und  nimmt  deren  Blut  auf.  Nach 
hinten  durchsetzt  er  die  Peritoneallamelle,  den  Herzbeutel  und  mündet 
in  das  Herz,  nachdem  er  noch  das  in  den  Lacunen  der  Peritoneal- 
lamelle und  der  Wurzelausläufer,  die  das  Thier  befestigen,  circulirende 
Blut  aufgenommen  hat.  Das  Blut  läuft  in  ihm  meist  in  centripetaler 
Richtung  zu  dem  Herzen  hin,  weshalb  man  ihn  auch  Kiemenherz- 
canal  genannt  hat;  er  enthält  meist  frisch  geathmetes  Blut,  aber  in 
Folge  der  Umdrehung  der  Herzcontractionen  tritt  auch  periodisch  die 
entgegengesetzte  Richtung  auf. 

Ein  zweiter,  weit  hellerer  Canal  kann  der  He  r  z  einge  wei  de- 
canal  (r,  Fig.  133)  genannt  werden.    Er  verläuft  durch  die  Peritoneal- 


314 


Tunicaten. 


Fio-.    133. 


-dy 


lamelle  vom  Herzen  zu  den  Eingeweiden  und  steht  mit  den  Lacunen 
des  Magens,  des  Darmes,  der  Geschlechtsorgane  u.  s.  w.  in  directer 
Verbindung.  Er  kann  als  eine  Fortsetzung  des  vorigen  Canals  über 
das  Flerz  hinaus  betrachtet  werden;  der  Blutstrom  verläuft  in  ihm  in 
centrifugaler  Richtung,   weshalb  er  auch  von  Lacaze-Duthiers  die 

Eingeweide-Aorta  genannt 
wurde.  Bei  Umdrehung 
der  Herzcontractionen  er- 
hält er  freilich  nur  venöses 
Blut  von  den  Eingeweiden, 
welches  er  durch  das  Herz 
zu  der  Kieme  leitet. 

Der  dritte  Hauptcanal  ist 
derEingeweidekiemen- 
canal  oder  Dorsalcanal 
((/,Fig.  133).  Er  führt  das 
Blut,  welches  in  den  Ein- 
geweiden circulirt  hat,  zur 
Kieme,  verläuft  also  in  einer 
den  beiden  vorigen  ent- 
gegengesetzten Richtung 
unmittelbar  unter  der  dor- 
salen Raphe  und  steht  in 
seiner  ganzen  Erstreckung 
in  unmittelbarer  Vei-bin- 
dung  mit  den  Kiemencanä- 
len.  Er  nimmt  das  von  den 
Geschlechtsorganen ,  dem 
Darm  und  den  benachbar- 
ten •  Körpertheileu  kom- 
mende Blut  durch  kleine 
Seitencanäle  auf. 

Das  in  den  Kiemencanä- 
len  angesammelte  Blut  ver- 


7t- 


versdiolien  ,  wäliveiul  sie  in  Wirklichkeit  li 
sipho ;  <:,  Teiitakelkranz ;  d,  Aftersiplio ;  . 
(],  EingevveidelKible ;  A,  Peritoneallamelle; 
«,   Kieme;  ??!,  Mao-en  ;   w,   Eierstock;   o,   Herz 


Clona     intcstluuUs.     —     Schema 

des     Kreislaufes     nach      Roule. 

Der  Darm  und    die  Geschlechts- 

gänge   sind  nicht  gezeichnet,  das 

Herz    und     der    Herzeingeweide- 

canal    nach    rechts    vom    Magen 

nks  liegen.      «,   Kintrittsüti'nung;   6,  Mund- 

',    Cellulosemantel ;    /',    Peribranchialhöhle ; 

/',    Centralganglion ;    k,    Wurzelausläufer; 

/),  Ventralcanal ;  5,  Dorsalcanal ;  r,  Herz- 


eingeweidecanal  (Aorta) ;  s,  Herzmantelcanal ;  t,  Magenmantclcanal. 


Ascidien.  315 

bleibt  dort  mebr  oder  minder  lange,  bis  es  durcb  den  Baucbcanal  zum 
Herzen  zurückkehrt. 

Die  drei  soeben  beschriebenen  Canäle  bilden  die  wesentlichsten 
Wege  des  Kreislaufes,  an  welche  sich  die  in  den  übrigen  Organen  aus- 
gebildeten Laeunen  anschliessen.  Wir  können  diese  letzteren  nicht  in 
ihrem  weiteren  Verlaufe  verfolgen,  sondern  verweisen  hinsichtlich  der 
Einzelheiten  auf  die  Arbeit  von  Roule.  Wir  begnügen  uns,  noch 
einmal  auf  die  zahlreichen  Unregelmässigkeiten  des  Kreislaufes  in 
diesen  Laeunen  hinzuweisen,  die  durch  die  Wandlungen  der  Cou- 
tractiouen  des  Herzens  bedingt  werden.  Namentlich  in  der  Körper- 
wand ist  die  Unbestimmtheit  in  der  Richtung  der  Blutströmungen 
ausserordentlich,  da  sie  von  einer  Unzahl  kleiner,  zwischen  den  Muskel- 
fasern bestehender  Laeunen  wie  ein  Sieb  durchlöchert  ist,  welche  ihr 
Blut  aus  dem  Darme,  der  Kieme  u.  s.  w.  durch  die  erwähnten,  das 
Cölom  und  die  Peribranchialhöhle  durchsetzenden  Brücken  erhalten. 
Das  Blut  läuft  hier  stossweise  bald  in  dieser,  bald   in  jener  Pachtung. 

Absonderungsorgane;  Nieren.  —  Man  findet  bei  den  Asci- 
dien keine  differeuzirte  Niere.  Die  mit  Auswurfsstoff'eu  erfüllten  Zellen 
sind  an  verschiedenen  Stellen  des  Bindegewebes  und  in  einzelnen  La- 
cujien  in  Gestalt  kleiner,  brauner  oder  gelber  Massen  abgelagert.  Bei 
Ciona  finden  sich  solche  Zellen  fast  überall ;  sie  häufen  sich  aber  vor- 
zugsweise unter  dem  Epithelium  des  angeschwollenen  Endtheiles  des 
Samenganges  und  noch  mehr  in  den  Wänden  der  cylindrischen  Pa- 
pillen (l,  Fig.  132)  am  Ende  dieses  Ganges  an,  die  wir  später  be- 
schreiben werden.  Diese  Papillen  fallen  bei  Oeflfnung  der  Cloakenhöhle 
sofort  durch  ihre  lebhaft  rothe  Farbe  auf;  wir  werden  später  sehen, 
dass  sie  von  kleineu  Oeffnungen  durchbohrt  sind,  durch  welche  der 
Samen  austritt,  und  dass  die  orangerothen  Auswurfszellen  sich  in  meh- 
reren Schichten  unter  ihrem  Epithelium  anhäufen.  Man  kann  diese 
Zellen  durch  Zerzupfung  isoliren;  sie  hal)en  meist  rundliche  Gestalt 
und  ilir  Protoplasma  ist  mit  gefärbten  Körnchen  angefüllt.  Man  hat 
durch  mikrochemische  Analyse  darin  Harnsäure,  harnsaure,  oxalsaure 
und  phosphorsaure  Scilze  nachgewiesen;  sie  scheinen  also  die  Function 
einer  Niere  zu  besitzen.  Aber  sie  besitzen  keinen  Ausführungsgang 
im  Ganzen;  wahrscheinlich  werden  die  Auswurfsstoffe,  die  sie  ent- 
halten, mittelst  Diffusion  durch  das  Epithelium  in  die  Poren  der  erwähn- 
ten Papillen  des  Samengauges  gebracht  und  so  in  die  Cloake  entleert. 
Sie  sind  von  einem  reich  entwickelten  Lacunennetze  umgeben,  so  dass 
also  das  Blut  stets  neue  Zersetzungsproducte  ihnen  zuführen  kann. 
Aehnliche  gefärbte  Massen  von  geringer  Bedeutung  finden  sich  stellen- 
weise in  dem  Lacunensysteme;  wir  haben  die  von  Roule  in  dem 
Wimperorgane  angezeigte  Ansammlung  nicht  wiederfinden  können. 
Dagegen  ist  die  beschriebene  Anhäufung  im  Samengange  durchaus 
constant  und  verdient  deshalb  besondere  Beachtuns'. 


316 


Tiinicaten. 


Fortpflanz  iiugsorgan  e.  —  Ciona  ist  Hermaphrodit;  Hoden 
und  Eierstock  liegen  nahe  bei  einander.  Das  an  der  Darmschlinge 
angelagerte  ei-  oder  birnförmige,  stets  deutlich  begrenzte  Organ  ist 
der  Eierstock  {li,  Fig.  132).  Die  Hoden  dagegen  sind  diffus  und  in 
der  Darmwand  ausgegraben;  mit  blossem  Auge  oder  unter  der  Lupe 
sieht  man  nur  ihre  Ausführungscanälchen  und  auch  diese  nur  bei  Indi- 
viduen,  wo  sie  mit  weisseui  Samen  gefüllt  sind.  Man  kann  die  Ge- 
schlechtsorgaue als  im  Bindegewebe  ausgehöhlte  Lacunen,  ähnlich  den 
Blutlacunen,  betrachten,  die  aber  mit  einem  Epithelium  ausgekleidet 
sind,  welches  sich  zu  Samenzellen  oder  Eiern  differeuzirt. 

Die  Hoden  (^4,  Fig.  134)  muss  man  auf  durchsichtigen  Stücken 
der  Darmwand  oder  auf  Schnitten  der  Darraschlinge  untersuchen.     Sie 


Tis-.  184. 


Ciona  hitesüiudh.  —  ^4,  Stück  der  Darm\v:iiiJung  mit  den  darin  eingeschlossenen, 
durchschimmernden  Hodenröhrchen  (Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  O).  a,  Hodenläppchen; 
h,  Samencanälchen ;  c,  Bindegewebe  der  Darmwandung..  i>',  Samenelemente  (Gund- 
lach, Oc.  1,  Oljj.  6,  Immersion),  a,  in  Theilung  begriffene  Samenzellen;  h,  u.  c,  Sper- 
matozoen,   mit  Sublimat  fixirt. 


bilden  zahlreiche,  meist  durch  ihren  Inhalt  prall  ausgedehnte  Canälchen 
von  wechselnder  Form;  ihr  blindes  Ehide  ist  meist  augeschwolleo.  Sie 
liegen  in  der  Dicke  der  Bindegewebeschicht  des  Darmes  zwischen  dem 
Pylorus  und  dem  Anfange  des  Rectums;  zerstreut  findet  man  zuweilen  • 
noch  einige  auf  dem  Rectum  selbst,  während  sie  an  der  Darmschlinge 
oft  in  mehreren  Schichten  dicht  gedrängt  anzutreffen  sind.  Von  der 
Fläche  gesehen ,  unterscheiden  sie  sich  durch  ihren  dunklen,  körnigen 
Inhalt    von    den    zahh-eichen    Blutlacunen,    die    zwischen    ihnen    ver- 


Ascidien. 


317 


Fio-.  135. 


^- 


laufen.  Die  Bläschen  stehen  unter  einander  in  Verbindung;  die  Zeu- 
gungsstofFe  entstehen  in  den  angeschwollenen,  blinden  Enden,  häufen 
sich  an  und  gelangen  dann  in  das  spitze  Ende,  das  sich  in  ein  feines 
Samencanälchen  (Ä,  Fig.  134;  d,  Fig.  136)  auszieht.  Die  Samen- 
canälchen  haben  nicht  überall  denselben  Durchmesser;  sie  erweitern 
sich  stellenweise,  verlaufen  in  den  oberflächlichen  Schichten  der  Binde- 
gewebslamelle des  Darmes  unmittelbar  unter  dem  inneren  und  äusseren 
Epithelium  und  vereinigen  sich  mit  einander,  indem  sie  an  Weite  zu- 
nehmen. In  prall  gefülltem  Zustande  springen  sie  sogar  gegen  die 
Darmhöhle  vor. 

Schliesslich  vereinigen  sich  alle  diese  Samencanälchen  zu  einem 
gemeinsamen  Sammelcauale ,  der  aus  der  Darmwand  hervortritt,  sich 
dem  Gipfel  des  Eierstockes  nähert  und  von  diesem  Punkte  an  gemein- 
sam mit  dem  Eileiter,  dem  er  sich  sehr  eng  anschliesst,  nach  vorn  ver- 
läuft. 

Dieser  Sameugang  (/,  Fig.  132  ;  c,  Fig.  13li)  folgt  nun  dem  Rectum 
und  dem  dorsalen  Blutcaual,  mit  welchen  zusammen  er  einen  die  Peri- 

toneallamelle  durchsetzenden  und  in  die  Peri- 
branchialhöhle  vorragenden  Längswulst,  den 
Afterwulst,  bildet.  Aber  die  Geschlechts- 
canäle  verlängern  sich  über  den  After  hin- 
aus und  der  Samengang  erweitert  sich  ziem- 
lich an  seinem  Ende  und  trägt  hier  ein 
Büschel  von  einem  Dutzend  cylindrischer 
Wärzchen  (c,  Fig.  135),  in  deren  Wänden 
die  oben  besprochenen  rothen  Xierenzellen 
abgelagert  sind.  Jedes  Wärzchen  trägt  an 
seiner  Spitze  eine  enge  Oeffuung  (d),  diirch 
welche  der  Samen  entleert  wird.  Zuweilen 
ist  diese  Euderweiterung  durch  die  darin 
angehäufte  Samenmasse  so  aufgeschwollen, 
dass  sie  die  Wände  des  Eileiters  zusammen- 
drückt. 

Die  Samencanälchen  sind  von  einem  Epi- 
thelium ausgekleidet,  dessen  cubische  Zellen 
unmittelbar  dem  Bindegewebe  ansitzen,  in 
welchem  die  Canäle  ausgegraben  sind.  Zur 
Zeit  der  Geschlechtsreife  sind  die  Hoden- 
bläschen mit  durchsichtigen  Zellen  angefüllt, 
die  grosse  Kerne  haben  und  sehr  an  Grösse  variiren.  Sie  sind  in 
mehreren  concentiiscben  Schichten  abgelagert  und  stark  in  Vermeh- 
rung begriffen  (B,  Fig.  134),  meist  warzig  oder  im  Begriffe,  sich  zu 
theilen.  Nach  manchen  verwickelten  Ausbildungsstadieu  erzeugen 
diese   Zellen   Zoospermen    mit   sehr   langem    Faden    und    einem    Kopfe, 


Cionu  lutestiiudh.  —  l)ie  Eiul- 
papille  der  (Jcsfhlechtsgänge, 
vergrössert.  «,  Eileiter;  h. 
Samenleiter ;  c ,  rotlic  EnJ- 
wärzclien  desselben ;  (/,  deren 
OetYnungen  ;  e,  Mündung  des 
Eileiters  in  die  Cloake,  durch 
welche  die   Eier  austreten. 


318 


Tunicatcn. 


der  durch  die  Fixationsmittel  eiförmig  wird,  während  er  im  Leben 
einem  cylindrischen  Stäbchen  gleichen  soll  (B,  Fig.  134). 

Der  Eierstock  (/;,  Fig.  132;  a,  Fig.  136)  ist  stets,  mit  Aus- 
nahme der  Jageudzustände,  ein  gesondertes  Organ,  eine  rundliche 
Masse  aus  Bindegewebe  von  gelblicher  Farbe,  in  welcher  Laciiuen  aus- 
gehöhlt sind,  die  mit  Eiern  in  allen  Entwicklungsstadien  sich  anfüllen. 
Seine  warzige  Oberfläche  ist  von  dem  Epithelhrm  des  Peritoneums 
überzogen,  während  die  Lacunen  mit  einem  Endothelium  ausgekleidet 
sind,  das  sehr  demjenigen  der  Hodenbläschen  ähnelt,  aber  sich  zu 
Eiern  ausbildet. 

Bei  der  Zerzupfung  eines  reifen  Eierstockes  findet  man  eine  Unzahl 
Eier  in  allen  Grössen;  um  aber  eine  Anschauung  des  Organes  zu 
gewinnen,  muss  mau  zu  Schnitten  seine  Zuflucht  nehmen,  Roule 
empfiehlt,  den  Eierstock  in  Osmiumsäure  zu  fixiren,  mit  Chromsäure  zu 
härten,  in  Paraffin  zu  schneiden  und  die  Schnitte  mit  Grenacher's 
Fig.  136.  Fig.  137. 

b 


Fig.   136.    —    C'ioiui    inlef^tiiia/is.     Darmschlinge    und  Eierstock,      a,   Eierstock;    b,   Ei- 
leiter;   c,   Samenleiter;   d,   weisse  Samencanälchen,  auf  der  Darmwandung  verlaufend; 

e,  Magen  ;  /,  Darmschliuge ;  g,  Darm. 

Fig.   137.    —    dona    intestinnlis.     a  und  h,    Eier    in    der    Entwicklang;    c,   reifes   Ei; 

u,    dessen    Follikel;    &,   Testazellenschicht;    c,   Keimbläschen;    (/,    Nucleolus ;    e,   Dotter 

(Gundlach,  Oc.    1,  Obj.   4). 


Boraxcarmin  zu  färben.  Wir  haben  nicht  minder  gute  Resultate  durch 
Fixirung  in  Sublimat  und  Färbung  des  Organs  im  Ganzen  erhalten. 
Die  Durchschnitte  zeigen,  dass  die  Lacunen,  worin  die  Eier  enthalten 
sind,  durch  dünne,  bindegewebige  und  mit  Endothelium  ausgekleidete 
Wände  von  einander  geschieden  werden. 

Die  Eier  der  Ascidien  zeigen  eine  eigenthümliche  Structur,  welche 
auch  bei  unserer  Ciona  sehr  deutlich  hervortritt.  Sie  besitzen  nämlich 
eine  doppelte  Zellenhülle.  Die  äussere  Schicht  (a,  Fig.  137)  ist  als 
F  ollikelhülle,  die  innere  (h)  als  Testazellenschicht  bekannt.  Die 
Zellen  der  Testa  sind  körnig  und  kleiner  als  diejenigen  des  Follikels; 
sie  entstammen,  wie  die  neueren  Untersuchungen  nachgewiesen  haben, 


Ascidien.  319 

der  inneren  Dottermasse,  woher  sie  an  die  Oberfläche  wandern.  ^Vir 
können  auf  die  verwickelten  Fragen ,  die  sich  bei  der  Untersuchung 
der  Entstehung  des  Eies  der  Seescheiden  aufwerfen,  hier  um  so  weniger 
eingehen,  als  die  Forscher  nicht  ganz  einig  darüber  sind,  und  ver- 
weisen in  dieser  Beziehung  auf  die  im  Capitel  Literatur  aufgeführten 
Arbeiten  von  Sabatier,  Semper,  Roule,  Fol,  Davidoff. 

Die  reifen  Eier  lösen  sich  ab ,  fallen  in  die  Höhle  des  Eierstockes 
und  werden  durch  einen  relativ  weiten  Caual,  den  Eileiter  (&,  Fig.  136), 
ausgeführt,  der  vom  vorderen  Ende  des  Eierstockes  abgeht  und  neben 
dem  Sainengange  längs  des  Rectums  nach  vorn  verläuft,  Yon  dem 
Samenleiter  unterscheidet  sich  der  Eüeiter  durch  seinen  weitereu  Durch- 
messer und  durch  die  Eier,  die  man  durch  seine  Wände  durchschimmern 
sieht.  Seine  Wände  bestehen,  wie  die  des  Samenleiters,  aus  einer 
Bindegewebslamelle  ohne  Muskelfasern;  nur  nahe  seiner  Oeffnung  zeigen 
sich  einige  Muskelbündel  zur  xiustreibung  der  Eier.  Innen  ist  der 
Canal  mit  einem  Pflasterepithelium  ausgekleidet,  dessen  Zellen  Wim- 
pern tragen,  welche  im  Samenleiter  nicht  vorkommen. 

Der  Eileiter  mündet  vor  der  Afterwarze  an  der  Wurzel  des 
Cloakensiphos,  unmittelbar  neben  dem  Samenleiter:  seine  einfache 
Mündung  (e,  Fig.  135)  liegt  etwas  hinter  den  oben  erwähnten  rothen 
Papillen.  Die  Befruchtung  kann  demnach  in  der  Cloake  selbst  statt- 
finden. Die  Entwicklung  der  Eier  beginnt  sofort;  doch  müssen  wir 
bemerken,  dass  wir  in  der  Cloake  der  Ciona  niemals  weit  vor- 
geschrittene Larven  gefunden  haben ,  wie  dies  häufig  bei  anderen 
Ascidien  der  Fall  ist. 

Im  Ganzen  zeigen  die  Ascidien  einen  gemeinscliaftlichen  Organisations- 
plan, der  bei  den  einfachen  Seesclieid.en  nur  geringe  und  untergeordnete 
Modificationen  zeigt,  so  dass  eine  typische  Art,  wie  die  Ciona,  wohl  als  Bild 
der  ganzen  Gruppe  gelten  kann.  Grössere  Verschiedenheiten  treten  bei  den 
Sj'uascidien  und  noch  bedeutendere  bei  den  Appendicularien  auf. 

Der  Körfier  hat  stets  mehr  oder  minder  die  Form  eines  Sackes  mit 
zwei  Oeft\iungen,  einer  Eintritts-  oder  Mundöffnung,  durcli  welche  das  Wasser 
mit  den  Nährstoffen  eindringt,  und  eine  Austritts-  oder  Cloakenöffnung,  durch 
welche  es  mit  den  Auswurtsstoffen  abfliesst.  Indessen  vaiiirt  die  allgemeine 
Körperform  sehr  bedeutend,  namentlicli  in  Folge  der  Entwicklung  des  äusseren 
Cellulosemantels ,  der  sehr  dick  werden ,  unregelmässig  auswachsen,  Warzen 
treiben  und  sogar  sich  auf  sich  selbst  zurückbiegen  kann ,  so  dass  er  den 
Körper  wie  mit  zwei  Schalenklappen  umhüllt.  Auch  wird  die  äussere  Form 
durch  die  wechselnde  Lage  der  beiden  Siphonen,  die  Ausbildung  des  Kiemen- 
sackes, die  Verlängerung  der  hinteren  Körperregion  u.  s.  w.  beeinflusst. 

So  ist  der  Körper  bald  ein  einfacher  Sack ,  fast  ebenso  breit  als  lang 
(PhaUusia),  bald  cylindrisch  oder  keulenförmig,  vorn  breit  und  nach,  hinten 
fadenföi'mig  ausgezogen,  so  dass  man,  wie  bei  Clavellina  und  noch  mehr  bei 
vielen  Synascidien  [Dideniniini,  Amaroecitim),  eine  Kiemenregion,  eine  Darm- 
region und  eine  mehr  oder  minder  verlängerte  Fuss-  oder  ^^'urzelreg■ion 
unterscheiden  kann. 

üebrigens  setzen    sich    alle  Seescheiden  fest,    nachdem  sie  eine  Zeit  lang 


320  Tunicateri. 

als  Larven  frei  umherschwammen,  mit  Ausnahme  der  Appendicularien,  die 
während  ihres  ganzen  Lebens  mit  Hülfe  des  permanenten  Larvenschwanzes 
schwimmen.  Die  Gruppe  der  Appendicularien  zeigt  überhaupt  mehrere,  wäh- 
rend des  ganzen  Lebens  sich  erhaltende  Larvencharaktere  und  wir  werden 
ihnen  oft  eine  Ausnahmestellung  anweisen  müssen ,  namentlich  wegen  des 
Mangels  einer  Cloake  und  einer  Peribranchialhöhle.  Das  Athemwasser  strömt 
aus  dem  Kiemensacke  durch  zwei  unmittelbar  die  Körperwandung  durch- 
setzende Spaltöffnungen ;  der  After  mündet  ebenfalls  direct  an  der  Bauch- 
fläche. 

Den  grössten  Einfluss  auf  die  äussere  Gestaltung  übt  indessen  die  Bil- 
dung von  Colonien  durch  Knospung.  Die  Neigung  dazu  zeigt  sich  schon 
bei  der  kleinen  Gruppe  der  socialen  Ascidien  {Clavellina),  wo  die  Einzei- 
thiere  in  geringer  Zahl  auf  wurzelförmigen  Ausläufern  oder  Stolonen  sitzen. 
Ihre  höchste  Ausbildung  erreicht  die  Knospung  bei  den  zusammengesetzten 
Ascidien  oder  Sj'nascidien,  wo  eine  grössere  oder  geringere  Anzahl  von  Lidi- 
viduen  unter  einem  gemeinsamen  Mantel  sitzen  oder  vielmehr  in  eine  ge- 
meinschaftliche Mantelmasse  eingebettet  sind ,  die  bald  schildförmig  {Botryl- 
lus),  kugelförmig  yPolydinum)  ist  oder  selbst  einem  Blumenkorbe  oder  einer 
Himbeere  ähnlich  sieht  (Fragariwn). 

Die  Structur  der  Tegumente  ist  überall  dieselbe.  Eine  zellige  Epidermis 
erzeugt  den  äusseren  Cellulosemantel,  der  meist  glasartig  hell,  aber  von  sehr 
wechselnder  Consistenz  und  Dicke  ist.  Er  ist  oft  warzig,  mehr  oder  minder 
mit  Rauhigkeiten  bedeckt;  bald  hart  wie  Knorpel  [Synoecum) ,  bald  weich 
und  fast  gallertartig  [Molgula,  Botryllu^).  Dieser  Cellulosemantel  ist  oft  in 
Folge  von  Piginentablagerungen  sehr  lebhaft  gefärbt;  auch  parasitische  Algen, 
die  sich  manchmal  in  grosser  Menge  einfinden ,  tragen  zur  Färbung  bei. 
Man  findet  ferner  darin,  wie  bei  unserer  tj'pischen  Art,  degenerirte  Zellen, 
die  oft  mehr  oder  minder  grosse  Vacuolen  bilden  (Phalhisia),  sowie  amöben- 
artige Zellen.  Letztere  sollen  nach  den  neueren  Beobachtungen  von  Cli.  Mau- 
rice namentlich  bei  den  Sj'nascidien  eine  bedeutende  Bolle  als  Zellenfresser 
(Phagocj'ten)  spielen.  Diesem  Forscher  zufolge  zeigen  diese  Zellen  intra- 
celluläre  Verdauungserscheinungen  und  sollen  die  Aufgabe  haben,  die  Körper 
der  todten  Einzelthiere ,  Avelche  durch  ihre  Zersetzung  die  Colonie  schädigen 
würden,  durch  ihi-e  Verdauung  wegzuschaffen.  Zuweilen  findet  man  auch 
bei  den  Synascidien  im  äusseren  Mantel  Kalkconcretionen,  die  bei  Didemnum, 
Leptoclinum  sehr  häufig  werden  und  bei  einzelnen  Arten  eine  so  constante 
Form  annehmen,  dass  man  sie  als  Speciescharaktere  benutzen  kann 
(Giard). 

Die  Körperwand  oder  Haut  wird  immer  von  einer  Bindegewebslamelle 
hergestellt,  die  von  zahlreichen  Lacunen  durchzogen  wird  und  Muskelbündel 
von  Längs-  und  Querfasern  enthält. 

Das  Centralganglion  findet  sich  immer  dorsal  zwischen  den  beiden 
Siplionen  imd  die  vorderen  und  hinteren  Nerven,  welche  von  ihm  ausgehen, 
verlaufen  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  Ciona.  Sie  verästeln  sich  grossentheils 
in  den  Siphonen  und  ihre  Länge  hängt  von  der  Grösse  des  Zwischenraumes 
zwischen  den  beiden  Bohren  ab.  Sie  sind  übrigens  allgemein  sehr  fein  und 
lassen  sich  nur  schwer  in  den  Geweben  verfolgen. 

Kowalevsky  hat  bei  Didemnum  styliferum  und  einigen  anderen  Synas- 
cidien ein  Eingeweidenervens3'stem  nachgewiesen,  welches  von  Ed.  van  Be- 
neden und  Julin  auch  bei  Molgtda  ampulloides,  Clavellina  Brissoana  u.  s.w. 
wiedergefunden  wurde.  Es  besteht  aus  einer  Ganglienkette  (Eingeweide- 
strang) ,  die  von  dem  Hinterrande  des  Centralganglions  abgeht,  längs  der 
Eückenraphe  verläuft,  dann  nach  rechts  abbiegt  und  plötzlich  in  der  Ein- 
geweidemasse endet.    Wir  haben  es  bei  Ciona  nicht  zur  Anschauung  bringen 


Ascidien.  321 

können;  es  scheint  aber  ziemlich  allgemein  verbi'eitet,  wenn  es  auch  in 
vielen  Fällen  (Perophora,  ClaveUina)  auf  einige  wenige  Zellen  reducirt  ist. 
Wahrscheinlich  ist  es  ein  Rest  des  bei  der  Larve  vorkommenden  Nerven- 
stranges und  zwar  des  mittleren  Theiles ,  der  sich  während  des  Lebens 
erhält,  während  nur  der  Schwanztheil  des  Nervenstranges  der  Larve  abstirbt 
und  spurlos  verschwindet. 

Bei  den  Appeudicularien ,  die  einen  sehr  beweglichen  Schwirnmschwanz 
besitzen,  finden  sich  wenigstens  zwei  Ganglien  ;  das  eine  liegt,  wie  dasjenige 
der  Ascidien,  auf  der  Rückenseite  in  der  Nähe  des  Mundes,  das  andere  da- 
gegen auf  der  linken  Seite  der  Chorda  an  der  Basis  des  Schwanzes.  Dieses 
letztere  Ganglion  entsendet  nach  hinten  einen  dicken  Schwanznerven,  der 
eine  veränderliche  Zahl  kleiner  Ganglienknötchen  zeigt.  Die  beiden  Haupt- 
gauglien  werden  durch  einen  Nerven  verbunden,  der  mehrere  Zweige  aus- 
sendet und  wie  die  Ganglien  selbst  im  Inneren  einen  feinen  Caual  zeigt, 
der  sie  der  Länge  nach  durchsetzt  (Fol). 

Sinnesorgane  fehlen  den  erwachsenen  Ascidien,  finden  sich  aber  bei 
den  Larven  und  den  Appeudicularien.  Zu  den  Tastorganen  werden  wohl 
grosse,  an  dem  Muudrande  der  Appeudicularien  entwickelte  Zellen  zu  rechnen 
sein,  die  eine  abgeplattete,  steife  Wimper  tragen,  denen  sehr  ähnlicli,  welche 
man  bei  den  Embryonen  der  Ctenophoren  in  den  Ruderkämmen  antrifft:  in 
diesen  Zellen  enden  feine,  von  dem  Yorderrande  des  Mundganglions  aus- 
gehende Nervenfädchen  (Fol). 

Bei  den  Appeudicularien  wie  bei  den  Larven  der  anderen  Ascidien  findet 
sich  auch  ein  Gehörorgan ,  eine  runde  Otocyste,  innerlich  mit  steifen  Haaren 
ausgekleidet,  die  einen  grossen  kugeligen  Otolitlien  schwebend  erhalten.  Das 
Organ  liegt  auf  der  linken  Seite  des  Mundganglions. 

Bis  in  die  Neuzeit  betrachtete  man  als  Riechorgan  die  in  der  Pliaryngeal- 
wand  vor  dem  Ganglion  gelegene  Wimpergrube.  Jetzt  weiss  man,  dass  sie 
als  die  etwas  modificirte  Endverlängerung  des  Ausführungsganges  der  Unter- 
ganglieudrüse  angesehen  werden  muss.  Die  Gestalt  dieser  Wimpergrube 
Avechselt  sehr,  sogar  bei  Individuen  derselben  Species;  sie  hat  also  nicht  die 
Bedeutung  für  die  Classification,  welche  ihr  einige  Zoologen  beimessen  wollten. 

Als  Sehorgan  dürfte  wohl  ein  mit  einer  Art  Linse  ausgestatteter  Pigment- 
fleck anzusprechen  sein,  welcher  auf  dem  Mundganglion  der  Larven  auf- 
sitzt. Hinsichtlich  der  Pigmentflecken  zwischen  den  Läppchen  der  Siphonen, 
welche  bei  vielen  erwachsenen  Thieren  vorkommen ,  darf  man  deshalb  im 
Zweifel  sein,  weil  Nervenfädchen,  die  sich  zu  ihnen  begeben  müssten, 
kaum  nachzuweisen  sind.  Einige  Forscher  wollen  indess  solche  Fädchen 
gesehen  haben  und  aus  diesem  Grunde  betrachtet  man  sie  ziemlich  allgemein 
als  Augenflecken. 

Bei  allen  Ascidien,  einfachen  wie  zusammengesetzten,  findet  sich  die 
Unterganglien drüse,  über  deren  Bedeutung,  wie  über  die  der  Wimper- 
grube zahlreiche  Discussionen  gepflogen  worden  sind.  Julin  (s.  Literatur) 
betrachtet  sie  als  der  Hypophysis  der  cranioten  Wirbelthiere  homolog.  Ihre 
Lage,  die  stets  dieselbe  ist  (ausgenommen  bei  Molgida  ampulloides),  unmittel- 
bar unter  dem  Centralganglion,  ihre  Beziehungen  zur  Mundhöhle,  welche  den- 
jenigen gleichen,  die  man  bei  den  Embryonen  der  Wirbelthiere  zwischen  der 
primitiven  Mundhöhle  und  der  Tasche  der  Hypophysis  nacliweisen  kann,  und 
ihre  Schlauchform  sprechen  für  diese  Annahme,  welcher  freilich  der  Umstand 
entgegensteht,  dass  der  Ursprung  aus  dem  Ectoderm  für  die  Drüse  der 
Ascidien  nicht  so  sicher  nachgewiesen  ist,  als  für  den  Blindsack  der  Hypophysis 
bei  den  Wirbelthieren.     Hier  sind  noch  weitere  Untersuchungen  nöthig. 

Wir  können  hier  auf  die  theoretischen  Betrachtungen  nicht  eingehen, 
welche  die  meisten  Autoren  veranlassten,  Julin' s  Anschauungen  nach  der 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.   Anatomie.     U.  21 


322  '  Tunicaten. 

einen  oder  anderen  Seite  bin  zu  kritisiren.  Wir  machen  liier  nur  auf  den 
Umstand  aufmerksam ,  dass  die  embryologischen  Untersuchungen ,  welche 
Ed.  van  Benedeu  und  Julin  an  ClavelUna  lepadiformis  und  Ch.  Mau- 
rice an  Fragaroides  aurantiacum ,  einer  Synascidie ,  angestellt  haben,  den 
gemeinsamen  Ursprung  der  Untergangliondrüse  und  des  Wimperorganes  un- 
widerleglich festgestellt  haben.  Beide  entstehen  als  eine  gemeinsame  Anlage 
aus  einer  Ausstülpuag  der  Kiemenwand  in  ähnlicher  Weise  ,  wie  die  Hypn- 
phj'sis  der  VN'irbelthiere  aus  einer  Ausstülpung  der  primitiven  Mundhöhle 
entsteht.  Diese  Ausstülpung  durchsetzt  deu  häutigen  Primordialschädel,  in 
welchen  die  Tasche,  die  sich  von  der  Wand  des  Phar3'nx  abgeschnürt  hat, 
schliesslich  eingeschlossen  wird. 

Die  Unterganglioudrüse  hat  meist  die  Gestalt  einer  Birne  und  erreicht 
etwa  die  Grösse  des  Ceutralganglions.  Meist  besteht  sie  aus  verzweigten 
Eöhrcheu ;  bei  einigen  Syuascidien  {Fragaroides)  verkümmert  sie  zu  einem 
Häufchen  körniger  Zellen.  Ihr  Ausführungsgang  verläuft  stets  an  ihrer 
oberen  Fläche,  parallel  mit  der  Axe  des  Ceutralganglions,  dem  er  unmittelbar 
anliegt.  Er  beginnt  mit  einer  Art  Rinne,  die  in  einiger  Entfernung  vor 
dem  Ganglion  sich  zu  einer  Röhre  schliesst,  welche  in  das  Wimperorgan 
mündet.  Dieses  trägt  seinen  Namen  wegen  der  langen  Wimpern,  die  auf 
dem  seine  Höhle  auskleidenden  Zellenepithelium  aufsitzen. 

Der  Kiemen  sack  zeigt  manche  bemerkenswerthe  Eigenthümlich- 
keiten.  Er  beginnt  stets  an  der  Basis  des  Mundsiphos  und  ist,  mit  Ausnahme 
der  Appendicularien ,  von  der  Körperwaud  durch  eine  mehr  oder  minder 
geräumige  Peribranchialhöhle  getrennt.  Nur  bei  den  Appendicularien  fehlt, 
wie  gesagt,  diese  Höhle,  und  die  beiden  einzigen  Kiemenspalten  münden 
direct  nacli  aussen.  Diese  Spalten  bestehen  aus  je  zwei,  in  ihrer  Mitte  durch 
einen  Wimperkranz  eingeschnürten  Canälen,  welche  durch  eine  Ausstülpung 
der  Pharynxwand  und  eine  Einstülpung  des  Teguraentes  gebildet  werden,  die 
einander  begegnen  und  an  der  Begegnunj);sstelle  zasainmenmünden. 

Bei  allen  anderen  Ascidien  bildet  die  Kieme  einen  gesonderten  Sack,  der 
bald  die  ganze  Länge  des  Körpers  {Phallusia),  bald  nur  einen  Theil  desselben 
einnimmt  (ClavelUna).  Der  Kiemensack  steht  mit  der  Körperwand  durch 
die  erwähnten  Hoblbrücken  aus  Bindegewebe,  die  Hautkiemencanäle,  in 
Verbindung,  in  welchen  das  Blut  kreist;  ausserdem  finden  sich  noch  die 
beiden  Verbindungsuähte  der  Längsi-aphen ,  welche  dorsal  und  ventral  in 
einer  senkrechten  Ebene  liegen,  die  den  Sack  in  zwei  Hälften,  eine  linke  und 
eine  rechte,  theilen  würde.  Die  Wände  des  Kiemensackes  sind  von  einer 
meist  nur  dünnen  Bindegewebslamelle  hergestellt,  wie  bei  Ciona,  die  von 
Lacnnencanälen  durchzogen  wird ,  welche  sich  sowohl  bei  den  socialen  See- 
scheideu  wie  bei  den  Syuascidien  unter  rechte. i  Winkeln  treffen.  Bei  den 
einfachen  Ascidien  vermehren  sich  diese  Canäle  und  bilden  complicirte  Metze, 
in  welchen  man  geräumigere  und  engere  Canäle  unterscheiden  kann  (Cyn- 
thia,  Phallusia).  Sie  nehmen  dann  ganz  das  Aussehen  von  Gefässeu  an  und 
erreichen  ihre  höchste  Ausbildung  bei  den  MolgiiUden,  wo  Lac.aze-Duthiers 
sie  im  Einzelnen  beschrieben  hat  (s.  Literatur). 

Die  Wand  des  Kiemeusackes  ist  übrigens  oft  gewellt  oder  sogar  tief 
gefallet,  aber  stets  von  einer  Menge  von  Spalten  durchbrochen,  die  zwar 
meist  knopflochartige  Form  haben ,  aber  nach  Gestalt  und  Grösse  vielfach 
variiren,  so  dass  die  Zoologen  ihre  Anordnung  als  Charaktere  benutzen 
konnten. 

Die  ventrale  Raphe,  Bauchrinne  oder  Endostyl,  bildet  stets  eine  an  beiden 
Enden  blindsackartig  geschlossene,  in  der  Wand  des  Kiemensackes  aus- 
gegrabene, mediane  Riune.  Doh  rn  (s.  Literatur)  hat  ihre  verschiedenen  Gestal- 
tungen beschrieben.  Bei  den  Appendicularien  sind  ihre  beiden  Lippen,  ohne  sich 


Ascidien,  323 

zu  vereinigen,  docli  so  nahe  geschlossen,  dass  sie  eine  nur  au  beiden  Enden 
geöffnete,  im  Inneren  wimpernde  Eöhre  bildet.  Die  Wimpern  finden  sich 
überall  hei  den  Ascidien  ausgebildet,  sie  befördern  die  Schleimmassen,  welche 
die  Raphe  füllen.  Dieser  Schleim  wird  gewiss  bei  vielen  Arten  von  eigenen 
Driisenzellen  abgesondert,  die  zwischen  den  Flimmerzellen  im  Epitlielium 
der  Rinne  sich  finden.  Wie  wir  schon  wissen,  umhüllen  diese  Schleiramassen 
die  Nahrungsstoffe,  welche  durch  die  Wimpern  dem  Darmmunde  zugetrieben 
werden. 

Die  dorsale  Raphe  oder  Epibranchialrinne  findet  sich  ebenfalls  coustant 
vor,  aber  während  sie  bei  den  einen,  wie  bei  Ciona,  einen  mit  zungen förmigen 
Anhängseln  besetzten  Längswulst  darstellt,  bildet  sie  bei  den  meisten  anderen 
{Cynthia,  Molgula)  eine  der  ventralen  ähnliche  Rinne.  Bei  den  Synascidien 
hinwieder  ist  die  Eildung  der  dorsalen  Raphe  ähnlich  derjenigen  bei  Ciona, 
nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  die  Anhänge  weniger  lang  sind  und  kaum 
in  die  Kiemenhöhle  vorspringen.  Die  Rolle  dieser  Rinne  ist  uns  durch  Fol 
bekannt  geworden ,  dessen  Resultate  meist  von  den  Nachfolgern  bestätigt 
wurden ;  die  Rinne  leitet  den  von  dem  Endostj'l  ausgehenden  Schleimfaden 
mit  den  Nahrungsstoften  dem  Darmmunde  zu. 

Auch  die  hintere  Raphe  oder  Ret r ©pharyngeal rinne,  die  auf  dem 
Grunde  des  Kiemensackes  von  dem  blimlen  Ende  der  ventralen  Raphe  zu 
dem  Darmmunde  läuft,  ist  überall  ausgebildet. 

Der  Darmcanal  hegt  nicht  immer,  wie  bei  Ciona,  in  der  directen  Ver- 
längerung des  seinen  Vorhof  bildenden  Kiemensackes.  Diese  bei  den  socialen 
Ascidien  und  den  Synascidien  ziemlich  allgemein  herrschende  Bildung  ist 
nicht  mehr  möglich  bei  den  einfachen  Ascidien,  deren  Kiemensack  sich  über 
die  ganze  Länge  des  Körpers  erstreckt.  Hier  schiebt  sich  der  Darm  bald 
auf  die  linke  (Ascidia,  Phalliisia),  bald  auf  die  rechte  {Corella)  Seite  des 
Kiemeusackes.  Welches  aber  auch  seine  Lage  im  Verhältniss  zur  Kieme 
sein  mag,  stets  bildet  er  eine  mehr  oder  minder  gewundene  Schlinge. 

Bei  den  Ascidien  mit  langgestrecktem  Körper  [Clavdlina,  Amoroecium) 
kann  man  bis  zu  fünf  Abschnitten  des  Darmes  unterscheiden:  Schlund, 
Magen,  Duodenum,  Chylusmagen  und  Afterdarm  (Milne-Edwards).  Mit 
Ausnahme  des  Chylusmagens  haben  wir  diese  Abtheilungeir  bei  Ciona  wieder- 
gefunden, denn  das  sogenannte  Duodenum  der  Clavellina  entspricht  dem 
Theile,  den  wir  bei  Ciona  die  Darmschlinge  genannt  haben. 

Bei  den  Appendicularien  ist  der  sehr  kurze  Schlund  weit  in  den  Kiemen- 
sack geöffnet ,  von  dem  er  sich  nicht  deutlich  sondert ;  er  mündet  in  einen 
mit  sehr  grossen  Zellen  ausgekleideten  Magen;  der  Darm  und  das  birn- 
förmige  Rectum  zeigen  ein  inneres  Flimmerepithelium  und  der  After  öffnet 
sich  direct  auf  der  Mittellinie  der  Bauchfläche. 

Bei  den  übrigen  Ascidien  beginnt  der  Oesophagus  mit  dem  in  dem  Grunde 
des  Kiemensackes  in  der  senkrechten  Mittelebene  gelegenen  Darmmunde. 
Dieser  bald  runde,  bald  ovale  Darmmund  steht  meist  weit  offen.  Der  darauf 
folgende  Schlund  ist  eng  und  mit  Wimpern  ausgekleidet;  er  erweitert 
sich  zu  einem  bald  cj'liudrischen,  bald  kugeligen  Magen,  der  häufig  durch 
die  seine  Wände  auskleidenden  Zellen  gelb  oder  braun  gefärbt  ist.  Selten 
ist  die  Magen  wand  glatt  (Phallusia) ;  meist  zeigt  sie  Längsfalten.  Diese 
Falten  erheben  sich  bei  vielen  Sjmascidien  so  sehr,  dass  sie  förmliche  Rinnen 
bilden  (cannelirte  Mägen  nach  Giard).  Zuweilen  verschmelzen  die  Lippen 
dieser  Rinnen  stellenweise ,  so  dass  förmliche  Röhren  gebildet  werden ,  die 
nur  durch  ein  Loch  in  ihrer  Mitte  mit  der  Magenhöhle  communiciren  {Fra- 
garoides). Es  ist  dies  offenbar  eine  Anbahnung  zur  Bildung  getrennter,  ab- 
sondernder Magenblindsäcke,  die  Ausstülpungen  der  Magenwand  bilden  und 
mit  farbigen  Zellen    ausgekleidet    sind.      Solche   Blindsäcke   wurden    bei  Cya- 

21* 


324  Tunicaten, 

thiadeeii  rnad  Molgididen  als  Lebei-  beschrieben.  Die  Bildimg  von  differen- 
zirten,  specialisirten  Verdanungsdi-iisen  wird  auf  diese  Weise  eingeleitet.  Wie 
wir  gesehen  haben,  ist  dies  bei  Ciona  nicht  der  Fall ;  die  absondernden  Ele- 
mente sind  hier  zwischen  den  Epithelialzellen  des  Magens  zerstreut. 

Der  bei  Ciona  ebenfalls  fehlende  Chylusmagen  bestellt  nur  in  einer 
Erweiterung  der  Darmschlinge  nach  ihrer  Umbiegung;  seine  von  Milne- 
Edwards  behauptete  drüsige  Natur  wurde  neuerdings  von  Ch.  Maurice 
bestritten.  Er  findet  sich  gewöhnlich  bei  den  socialen  und  zusammengesetzten 
Ascidien. 

Das  Rectum  ist  meistentheils  geräumig,  sein  Durchmesser  bedeutender 
als  derjenige  des  Mitteldarmes.  .  Es  läuft  nach  vorn  und  mündet  durch  den 
After  in  eine  besondere  Abtheilung  der  Peribrauchialhöhle,  die  Cloakenhöhle, 
an  der  Basis  des  Aftersiphos.  Der  After  bildet  gewöhnlich  eine  runde,  dem 
Darmniuude  ähnliche  Oeflfnung,  liegt  aber  auf  einer  in  die  Cloake  mehr  oder 
minder  vorspringenden  Afterwarze  und  zeigt  im  Umkreise  der  Oeffnung  zu- 
weilen feine,  zungenförmige  Zotten  {Phalliisiden)  oder  ist  auch  wie  eine 
Schreibfeder  schief  abgeschnitten  [Molgula).  In  anderen  Fällen  hat  er  die 
Form  eines  Trichters  {Fragaroides). 

Wir  müssen  hier  noch  besonderer,  drüsiger  Auhangsgebilde  des  Darmes 
erwähnen ,  die  sich  in  oder  an  den  Darmwänden  entwickeln  und  bei  einigen 
Gattungen  sehr  bedeutend  werden.  Es  ist  ein  aus  einfachen  oder  verzweigten 
Eöhren  gebildetes  Organ,  das  bei  den  Synascidien  und  den  socialen  Seescheiden 
sehr  verbreitet  ist  und  unter  den  Namen  Darmdrüse,  Lebei'pankreas- 
drüse ,  lichtbrechendes  Organ  beschrieben  wurde.  Die  Röhren  münden  ent- 
weder in  den  Magen  oder  in  den  unmittelbar  auf  den  Pylorus  folgenden 
Darmtheil;  ihre  absondernde  Natur  kann  nicht  zweifelhaft  sein. 

Ausserdem  müssen  wir  der  Nieren  Organe  erwähnen,  die  sich  bei  vielen 
Ascidien  in  enger  Beziehung  zu  dem  Darme  finden.  Es  sind  mit  Concre- 
tionen  vollgepfropfte  Zellen ,  die  sich  haufenweise  in  den  Darmwänden,  den 
Schlund  und  Afterdarm  ausgenommen,  ablagern.  Bei  den  Phallusiden  erkennt 
mau  sie  leicht  an  ihrer  grüngelben  Farbe.  Sie  besitzen  keine  besonderen 
Ausführungsgänge;  ihr  Inhalt  vermehrt  sich  mit  dem  zunehmenden.  Alter 
und  scheint  sich  in  den  Darmwänden  anzuhäufen  und  dort  zu  bleiben,  wes- 
halb man  sie  auch  Samnielnieren  genannt  hat. 

Man  darf  sie  nicht  mit  demjenigen  Organe  verwechseln,  A\elches  Lacaze- 
Duthiers  bei  den  Molguliden  als  Bojanus'sches  Organ  beschrieben  hat, 
das  aber  noch  unvollständig  bekannt  ist.  Dieses  sogenannte  Bojanus'sche 
Organ  ist  vom  Darme  durchaus  unabhängig  und  besteht  aus  einem  grün- 
lichen, cylindrischen,  an  beiden  Enden  abgerundeten  Hohlkörper,  der  auf  der 
linken  Seite  über  dem  Eierstocke  in  der  unmittelbaren  Nähe  des  Herzens 
liegt.  Seine  innere  Höhle  besitzt  keine  Ausfuhrötifnungen  und  ist  mit  Flüssig- 
keit und  krystallinischen  Concretionen  angefüllt,  die  Harnsäure  enthalten. 
Der  Sack  mag  demnach  wohl  als  Niere  functioniren. 

Der  Kreislauf  complicirt  sich  im  Verhältuiss  zum  Bau  der  Kieme.  Bei 
Kowalevskaja  soll  das  Herz  fehlen;  bei  den  übrigen  Appendicularien  ist  es 
ein  quer  gelegener  Schlauch  an  der  Schwanzbasis  mit  zAvei  Oeffnungen,  durch 
welche  das  Blut  direct  in  das  Lacuneusj'stem  überströmt,  in  welchem  das 
Cölom  mit  einbegriffen  ist.  Nichtsdestoweniger  sieht  man  bei  ihnen  eine 
gewisse  Stetigkeit  in  den  Blutbahnen ,  die  man  bei  der  Durchsichtigkeit  der 
Thiere  beobachten  kann ;  eine  auf  der  ventralen  Mittellinie  dem  Endostyl 
entlang,  von  dem  zwei  Ströme  ausgehen,  welche  den  Anfang  des  Schlundes 
umfassen  und  sich  auf  der  dorsalen  Mittellinie  vereinigen ;  einen  Strom, 
welcher  den  Darm  und  die  Geschlechtsorgane  versorgt,  und  endlich  einen 
Strom    im    Schwänze ,    welcher   längs    der  Chorda    unter   der    Haut    verläuft. 


Ascidien.  325 

Die  Richtung  der  Strömung  in  diesen  Canälen  Avechselt  natürlich  mit  den 
Pulsationeu  des  Herzens ,  das  wie  bei  den  übrigen  Mantelthieren  zeit- 
weise die  Eichtang  ändert.  Bei  den  Sj-nascidien  hegt  der  stark  im  Bugen 
gekrümmte  Herzsclilauch  tief  im  Hintergrunde  des  Postabdomens;  es  wird 
von  einem  ebeufahs  röhrenförmigen  Pericardium  eingeschlossen  und  ver- 
längert sich  mit  seinen  Höi'nern  in  der  ventralen  und  dorsalen  Hälfte  des 
Hinterleibes ,  wo  zahlreiche,  im  Bindegewebe  ausgehöhlte  Lacunen  das  Blut 
aufnehmen. 

Bei  den  PhaUusideu  verhält  sich  der  Kreislauf  etwa  wie  bei  Ciona,  nur 
mit  dem  Unterschiede ,  dass  in  Folge  der  seitlichen  Verwerfung  der  Ein- 
geweide die  relative  Länge  der  einzelnen  Hauptcanäle  modificirt  wird.  Bei 
den  MolgulicUn  zeigt  der  Kreislauf  die  höchste  Stufe  der  Ausbildung.  Der 
cylindrische  Herzschlauch  liegt  auf  der  linken  Seite  eingebettet  in  den  Mantel 
und  in  unmittelbarer  Nähe  des  sogenannten  Bojanus' sehen  Örganes.  Seine 
Wände  sind  wie  die  des  umgebenden  Herzbeutels  dünn  und  durchsichtig. 
Nach  der  sehr  in  das  Einzelne  gehenden  Beschreibung,  die  Lacaze -Duthiers 
(s.  Literatur)  gegeben  hat,  soll  das  Blut  in  eiuera  geschlossenen  Gefässsjteme 
kreisen.  Wir  haben  gesehen,  dass  bei  Ciona  die  Lacunen  stellenweise  das 
Ansehen  von  Gefässen  annehmen.  Bei  Molgula  findet  dies  merkwürdiger- 
weise überall  statt.  Indessen  sind  die  Beobachter  nicht  einig  über  die  Frage, 
ob  diese  gefässartigen  Lacunen  auch  wirklich  den  Blutgefässen  der  Wirbel- 
thiere  gleichzustellen  seien?  Was  wir  über  die  histologische  Structur  wissen, 
spricht  keinenfalls  für  diese  Annahme. 

Mit  Ausnahme  der  Appendicularien  führt  das  Blut  mehr  oder  minder 
zahlreiche  Körperchen  von  sehr  variabler  Gestalt,  die  zuweilen  sehr  lebhaft 
gefärbt  sind  {Botryllus). 

Die  Ascidien  sind  Zwitter,  aber  die  Anordnung  der  männlichen  und  weib- 
lichen Zeugungsorgane  bietet  sehr  mannigfaltige  Modificationen.  Sehr 
häufig  reifen  die  Hoden  lange  vor  den  Ovarien ,  so  dass  dann  Selbstbefruch- 
tung ausgeschlossen  ist. 

Bei  den  Appendicularien  kann  man  bald  paarige  Hoden  und  Ovarien, 
die  aus  getrennten,  symmetrischen  Hälften  bestehen,  bald  nur  unpaare  Organe 
unterscheiden;  es  kommt  sogar  vor,  dass  der  Eierstock  unpaar,  der  Hode 
dagegen  paarig  ist  (Fol).  Die  Organe  liegen  immer  hinter  den  Eingeweiden 
und  der  Einlenkung  des  Schwanzes  in  einem  übergewölbten  Theile  des 
Hintevkörpers.  Bei  den  Sj'nascidien  finden  sich  die  Organe  ebenfalls  in  der 
hinteren  Körperregion;  sie  sind  meist  getrennt  und  jede  Hälfte  besitzt  einen 
Ausl'ühruugsgang ,  der  sich  innig  an  den  anderen  anschmiegt  und  mit  ihm 
in  die  Cloakalhöhle  mündet.  Ei-  und  Samenleiter  verlaufen  längs  der  dor- 
salen Mittellinie;  sie  sind  sehr  dünn,  besonders  der  letztere.  Der  Hode  be- 
steht meist  aus  mehreren  mit  Samenzellen  gefüllten  Röhrcheu.  Der  Eierstock 
ist  kugelig  und  erscheint  anfangs  als  eine  hintere,  blasenförmige  Erweite- 
rung des  Eileiters;  er  erhält  seine  definitive  Form  erst  während  der  Aus- 
reifung der  Eier ;  bei  Botryllus  ist  der  Eierstock  doppelt. 

Bei  den  PhaUusideu  verhalten  sich  die  Geschlechtsorgane  etwa  wie  bei 
Ciona.  Die  Hoden  bestehen  aus  zahlreichen,  in  die  Darmwand  eingeschlossenen 
Röhreben;  sie  wandern  sogar  zuweilen  in  die  benachbarte  Körperwand  hin- 
über. Der  Eierstock  ist  ein  viellappiger,  zwischen  den  beiden  Schenkeln 
der  Darmschlinge  gelegener  Körper.  Die  Ausführungsgänge  laufen  dem 
Rectum  parallel  und  münden  mit  ihm  in  die  Cloake. 

Bei  den  Molguliden  wie  den  anderen  höheren  Ascidien  sind  die  Geschlechts- 
organe symmetrisch  doppelt  und  bilden  zwei  eiförmige  Massen;  die  rechte 
Masse  liegt  hinter  der  Darmschlinge ,  die  linke  etwas  weiter  hinten  unter 
dem  Boj  anus'schen  Organ.     In  jeder   dieser  Massen  umgreift  der  Hode  den 


326  Tunicaten. 

Eierstock,  den  man  durcli  seine  dunklere,  gellae  oder  brännliclie  Farbe  unter- 
scheiden kann.  Der  Hode  besteht  aus  mehreren,  den  Eierstock  umspannen- 
den Läppchen,  deren  Acini  zur  Zeit  der  ßeife  bedeutend  anschwellen.  Jedes 
Läppchen  besitzt  einen  kurzen  Ausführuugsgang ,  der  auf  dem  Eierstocke 
mit  einer  kurzen ,  cylindrischen  Warze  mündet.  Es  besteht  also  keinerlei 
Verbindung  zwischen  Samengängen  und  Eileitern;  beide  sind  vollständig  un- 
abhängig. Das  in  den  Hodenlappen  eingeschlossene  Ovarium  entleert  seine 
Eier  durch  einen  verhältnissmässig  langen  Eileiter,  welcher  der  inneren 
Fläche  des  Mantels  anklebt  und  neben  dem  Cloakalsipho  mündet.  Seine 
Mündung  ist  von  einem  Wulste  umgeben ,  dessen  Gestaltung  einen  guten 
Speciescharakter  liefert. 

Bei  den  jungen  Ascidien  sind  die  Zeugungsorgane  schwer  zu  unter- 
scheiden; in  manchen  Fällen  erscheinen  sie  nur  zur  Fortpflanzungszeit. 

Meist  sammeln  sich  die  Eier  in  der  Cloake  an ,  werden  dort  befruchtet 
und  beginnen  ihre  Entwicklung  bis  zur  Ausbildung  der  Larvenform. 

Da  die  Embryogenie  nicht  in  den  Rahmen  unseres  Werkes  passt ,  so 
begnügen  wir  uns,  auf  die  ungemeine  Wichtigkeit  der  Entwicklung  der 
Ascidien  aufmerksam  zu  machen,  welche  dieselbe  durch  die  Arbeiten  von 
Kowalevsky  gewonnen  hat.  Mit  Ausnahme  der  Molgulen,  deren  Larven 
schwanzlos  sind,  haben  alle  Ascidienlarven  einen  Schwimmschwanz,  in  dessen 
Axe  sich  ein  Zelleustab  befindet,  welchen  man  der  Chorda  der  Wirbelthiere 
um  so  mehr  gleichwerthig  erklärt  hat,  als  auf  seiner  Rückenseite  das  Nerven- 
rohr verläuft.  Dieser  Schwanzanhang,  der  sich  auf  die  ventrale  Seite  biegen 
kann  und  durch  seine  Bewegungen  das  Schwimmen  erzeugt,  verkümmert 
später  (mit  Ausnahme  der  Appendicularien),  sobald  die  Larve  sich  festsetzt, 
bei  welcher  Gelegenheit  auch  andere  Organe  (Nervensystem,  Sinnesorgane) 
zurückgebildet  werden. 

Die  ungeschlechtige  Vermehrung  durch  Knospung  findet  sich  bei  den 
socialen  Ascidien  und  den  Synascidien.  Zuweilen  beginnt  die  Knospung 
schon  während  des  Larvenlebens  [Didemnum).  Bei  den  socialen  Ascidien 
treiben  die  Thiere  Stolonen,  auf  welchen  sich  die  Knospen  entwickeln  {Cla- 
vellina,  Pero.phora) ;  bei  den  Synascidien  bleiben  die  Knospen  in  einer  ge- 
meinsamen Mantelhülle  eingeschlossen  und  bilden  Colonien  von  bestimmter 
Form. 

Literatur.  —  G.  Cuvier,  Memoire  sur  les  Ascidies,  Mim.  du  Museum,  Paris, 
Vol.  II,  1815.  —  Savigny,  Memoires  sur  /es  Animaux  sans  vertebres,  Vol.  II,  1816, 
et  Tableau  systematique  des  Ascidies,  Paris,  1830.  —  H.  Milne-Ed wards,  Obser- 
vutions  sur  les  Ascidies  composees  des  cöies  de  la  'Manche ,  Mem.  Acad,  des  sclences 
de  Paris,  Vol.  XVIII,  1841.  —  C.  Löwig  et  A.  Kolli cker.  De  la  composltlon  et 
de  la  structure  des  enveloppes  des  Tunlclers,  Ann.  sc.  nat.,  3.  Serie,  Vol.  V,  1845.  — 
Van  Beiieden,  Recherches  sur  Vembrijogenle,  Panutomie  et  la  physiologie  des  Ascidies 
simples,  Mem.  Acad.  de  Belgique,  Vol.  XX,  1846.  —  A.  Krohn,  Ueber  die  Ent^ 
Wicklung  von  Phallusla  mummillata ,  Müller's  Archiv,  1852.  —  Ders.,  Ueber  die 
Fortpflanzungsverhältnisse  bei  den  Botrylliden  und  über  die  früheste  Bildung  der 
Botryllusstöeke,  Bd.  XXXV,  1869.  —  Leuckart,  Zoologische  Untersuchungen, 
dessen,  1854.  • —  Gegenbaur,  Bemerkungen  über  die  Organisation  der  Appendicu- 
larien, Zeitschr.  f.  w.  ZooL,  Bd.  VI,  1855.  —  Ders.,  Ueber  Didemnum  (/elatlnosum, 
Müller's  Archiv,  1862.  —  F.  E.  Schulze,  Ueber  die  Structur  des  Tunicatenraantels, 
Zeitschr.  f.  wiss.  ZooL,  Bd.  XII,  1863.  - —  Lacaze-D  uthiers,  Sur  un  novvel  Asci- 
dien (ChevreuUus),  Ann.  des  sc.  nat.,  5.  Serie,  Vol.  IV,  1865.  —  Ders.,  Les  Ascidies 
simples  des  cutes  de  France,  Arch.  de  ZooL  experim..  Vol.  III,  1874,  u.  VI,  1877.  — 
Kowalevsky,  Entwicklungsgeschichte  der  einfachen  Ascidien,  Mem.  Acad.  Petersburg, 
Bd.  VII,   1866.  —  Ders.,  Weitere  Studien  über  die  Entwicklung  der  einfachen  Asci- 


1 


Ascidien.  327 

dien,  Arch.  niikr.  Anat.,  Bd.  VII,    1871.  —  Ders.,  Ueber  die  Knospung  der  Ascidien, 
ebend.,  Bd.   X,   1874.    —    HanLOck,    Anatonty    und    Pliysiology    of  Tvnlcata,    Journ. 
Linn.    Soc. ,    Vol.    IX,    1867.    —     Kupt't'er,    Die    Stammesverwandtschaft    zwischen 
Ascidien  und  Wirbelthieren,    Arch.  f.  niikrosk.    Anat.,   Bd.  VI,   1870.   —    Ders.,   Zur 
Entwicklung  der  einfachen  Ascidien,   ebend.,    Bd.  VIII,    1872,    u.    Arch.   de  Zool.  exp., 
1874.    —    H.  Fol,    Ltiides  tur  /es  Appendirukiires  du    Detroit  de  Messin'',   Mem.   Soc. 
de  phys.   et  dliist.   nut.   de    Genere,   Vol.  XXI,    1872.    —    Ders.,   ^ote  sur   un   notiveau 
c/enre    d'A/ipend'Cu/aires ,     Arch.    Zool.    exp.,    Vol.    111,    1874.    • —     Ders.,    Ueber    die 
Schleimdrüse  der  Tunicaten,  Morphol.  Jahrb.,    Bd.  1.,    1875,    u.    Arch.  de  Zool.  exp., 
Vol.   111,    1874.  —    Ders.,   Sur  la  formutton   des  otufs  des  Ascidies,  Journ.  de  Micro- 
ffraphie,  Vol.   I,    1877.    —    Ders.,    Sin-    l'oeuf  et    ses    enveloppes    chez    /es    Tiiniciers, 
Recueil  zoo/.   Siiisse,   Vol.    I,    1884.    —    Giard,    Etüde    critique    des  truvaux.  d''embryo- 
genie    re/atifs    ä     /a    purente     des    Vtrtehrcs    et     des    Ttinicitrs ,     Arch.    de    Zoo/,    e.rp.. 
Vol.  I,   1872.  —    Ders.,  Rec/ierches  sur  /es   Synascidits ,    ebend.,    Vol.  1,    1872   u.   II, 
1873.    —    R.   Hertwig,    Beiträge    zur  Kenntniss    des   Baues    der  einfachen   Ascidien, 
.Jen.  naturw.   Zeitschr.,   Bd.   VII,   187.;3.    - —    0.   Hertwig,    Untersuchungen  über  Bau 
und  Entwicklung    des    Cellulosemantels    der  Ascidien,    ebend.,    1873.    —    C.   Heller, 
Untersuchungen    über    die    Tunicaten     des    Adriatischen    ^Meeres ,     Denkschr.    d.    k.    k. 
Akad.,  Wien,    1874,    187.T   u.    1877.    —    Chandelon,   Rec/ierclies  sur  vne  unnexe  du 
tube    diyei,tif   des     Tunicurs ,    Bv//etin    Acad.    de    Be/(jique ,    Vol.    XXXIX,     1875.    — 
C.  Semper,   Ueber  die  Entstehung  der  geschichteten  Celluloseepidermis  der  Ascidien, 
Arb.   aus  dem  Inst.  Würzburg,  Bd.  II,   1875.  —  Ch.  Julin,  Recherches  sur  les  Asci- 
dies siwp/es,  Arch.   de   Bio/ogie,    Vol.  II,    1881.    —    Ra  y-Lanke  st  er,     1  he    Vtrtebra- 
tion  of  t/ie  tau  of  Appendiculariae,     Quart.  Journ.  niicrosc.   Soc,   Vol.   XXll,   1882.  — 
W.   A.   Herdmann,    On   individuu/   rariations    in   tlie    branrhia/   sac    of   simp/e  Asci- 
diaiis,   linn.    Soc.  Journ.,    Vol.   XV,    1882,    et    Arch.  de  Zoo/,  exp.,    Vol.  X,   1882.  — 
Sabatier,    Rec/ierches  sur  Voevf  des  Ascidiens ,    Rer.  des  sc.  nut.,  Montpellier,   1883, 
et  Recueil  zool.   Suisse,    Vol.  I,   1884.    —    Della   Valle,    Recherches    sur    /'Anatomie 
des  Ascidies    composees,    Arch.    italitnnes    de    bio/oyie.    Vol.  II,    1883.  —    E.    van   Be- 
neden   et    Julin,    Rec/ierches    sur    /a    Morpho/oyle    des   Tuniciers ,  Arch.   de   Bio/ogie, 
^  ol.   ^  I,    1884.    —    Ders.,    Le    Systeme    nerveux    des   .iscidies    udu/tes    et    ses  rapports 
urec  ce/ui  des  /arres   urode/ts,  ebend..  Vol.  V,   1884.  —  B  olles  Lee,  Recherches  sur 
/'orogenese      et     /a     Spermatogenese     c/tez     /es    Appendiciduires ,     Recui:i/    zoo/.     Suisse, 
1884.  —   L.   Roule,  Recherches  sur  les  Ascidies  simp/es  des  cvies  de  Provence  [P/ud- 
lusiadees),  Ann.  du  mus.  d^hist.  nat.  de  Mursei/le,  Vol.  II,    1884.    —    A.   Do  hm,   Die 
Thyro'idea    bei    Petromyzon ,    Amphioxus    und    Tunicaten,    Jlitth.    aus    d.    zoolog.  Stat. 
J<eapel,   Bd.  ^  I,    1886.  —  Ch.  Maurice,   Etüde  monojraphique  d'une  .4scidie  composee 
{Fragaroides  aurantiacum),  Arch.  de   Bio/ogie,   Vol.   VIII,   1888.   —    M.   v.   David  off, 
Untersuchungen    zur    Entwicklungsgeschichte    der     Disfap/ia    magnilarva ,     Mitth.    aus 
d.  zool.  Stat.  Neapel,  Bd.  IX,   1889. 


328  Wirbelthiere. 


Kreis   der   Wirbelthiere   (Vertehrata). 

Vom  rein  anatomischen  Standpunkte  aus  unterscheiden  sich  die 
Wirbelthiere  durch  einige  höchst  wichtige  Eigenthüralichkeiten ,  die 
allen  gemeinsam  zukommen ,  obgleich  einzelne  Ausnahmen  bemerkbar 
sind,  welche  wahrscheinlich  mehr  oder  minder  bedeutenden  Rück- 
bildungen zugeschrieben  werden  müssen.  Wir  rechnen  zu  diesen 
wesentlichen,  unterscheidenden  Charakteren  die  Individualisation,  die 
gegenseitige  Lagerung  der  Hauptorgane,  die  Bildung  der  Bewegungs- 
und Kauwerkzeuge,  die  Rolle   der   Tegumente   und   die  Segmentation. 

Bei  den  Wirbelthieren  kann  überhaupt  von  der  Bildung  yon  Co- 
lonien  keine  Rede  sein.  Die  Knospung,  sowie  säramtliche  Formen  der 
ungeschlechtlichen  Vermehrung  sind  somit  vollständig  ausgeschlossen; 
die  geschlechtliche  Fortpflanzung  allein  herrscht  unumschränkt  und 
dieselbe  bringt  stets  durchaus  in  sich  abgeschlossene  Individuen  her- 
vor. Die  seltenen  Fälle  von  Hermaphroditismus  gehören  in  das 
Bereich  der  Ausnahmen.  Wir  sehen  ferner  bei  den  Wirbelthieren 
weder  festsitzende  Typen ,  noch  wahre  Parasiten ;  nur  selten  findet 
man  Commensalen  oder  zeitweilige  Aufenthalter  {Myxino'iden,  Fie- 
rasfer).  Die  in  anderen  Kreisen  so  häufigen  Rückbildungen  in  Folge 
von  Fixation  oder  Parasitismus  kommen  also  bei  Wirbelthieren  nicht 
vor;  die  Modificationen  in  der  Bildung  der  Organe,  wie  des  Gesammt- 
körpers,  die  man  beobachtet,  können  demnach  niir  Ursachen  zuge- 
schrieben werden,  welche   auf  ein    individuell   freies  Leben  einwirken. 

Die  gegenseitigen  Beziehungen  in  der  Lagerung  der  Hauptorgane 
sind  überall  dieselben.  Ueberall  findet  sich  ein  an  der  Rückenseite 
des  Thieres  gelagertes  Centralnervensystem,  das  in  den  meisten  Fällen 
aus  zwei  mit  einander  zusammenhängenden  Abschnitten  besteht,  einem 
vorderen,  mehr  aufgewulsteten ,  dem  Gehirne,  und  einem  hinteren,  in 
die  Länge  gezogenen ,  dem  Rückenmarke.  Dieses  vom  Ectoderm  aus 
gebildete  Centralnervensystem  ist  stets  von  allen  anderen  Organen  un- 
abhängig und  tritt  mit  denselben  nur  durch  peripherische  Nerven  in 
Beziehung;  es  wird  niemals  von  dem  Darmcanale  durchbohrt,  wie  dies 
bei  vielen  Wirbellosen,  namentlich  den  Arthropoden  und  Anneliden 
der  Fall  ist,  wo  die  beiden  Hauptabschnitte  des  Centralnervensystemes 
auf  entgegengesetzten  Körperseiten  liegen  und  durch  die  den  Darm 
umfassenden  Connective  des  Schlundringes  mit  einander  verbunden 
werden.  Die  wesentlichsten  Sinnesorgane,  des  Geruches,  Gesichts  und 
Gehörs,  stehen  immer  in  unmittelbarer  Beziehung  zu  dem  Central- 
nervensysteme;  sie  finden  sich  nur  paarweise,  eines  jeder  Art  auf 
jeder  Seite  des  Kopfes.  Verkümmerungen  dieser  Sinnesorgane  sind 
äusserst  selten  und  betrefi"en  meist  nur  das  Sehorgan. 


Wirbelthiere.  329 

Unterhalb  des  Centralnervensystemes  findet  sich,  unmittelbar  an 
dessen  Bauchfläche  angelagert,  die  Axe  des  inneren  Skelettes,  die 
Rückensaite  oder  Chorda,  welche  zugleich  die  mittlere  Axe  des  Körpers 
bildet  und  sich  von  einem  Ende  desselben  bis  zum  anderen  erstreckt, 
mit  Ausnahme  eines  bestimmten,  vorderen  Kopfabschnittes  bei  den 
Cranioten.  Diese  ursprüngliche  Grundlage  des  Skelettes  bildet  sich 
bei  allen  Embryonen ,  erhält  sich  aber  als  Ganzes  und  während  des 
ganzen  Lebens  nur  bei  den  Acraniern,  Cyclostomen  und  einigen  Fischen; 
bei  den  übrigen  wird  sie  nach  und  nach  durch  segmentale  Wirbel- 
bildungen ersetzt,  die  sich  stufenweise  zu  einer  vollständigen,  knöchernen 
Wirbelsäule  mit  ihren  verschiedenen  Ausstrahlungen  ausbilden,  welche 
dazu  bestimmt  sind,  Hebel  für  die  Bewegungen  oder  Schutzbildungen 
für  einzelne  Organe  herzustellen. 

Auf  der  Bauchseite  der  Skelettaxe  zieht  sich  in  der  Mittellinie 
die  Hauptarterie  des  Körpers,  die  Aorta,  hin,  welche  das  Blut  zu  den 
verschiedenen  Organen  leitet  und  meist  von  rückführenden  Canälen, 
Venen,  begleitet  wird,  deren  Anordnung  indessen  nicht  unbedeutende 
Abweichungen  bieten  kann.  An  der  Aorta  oder  vielmehr  an  ihrem 
Peritonealüberzuge  hängen  an  der  Decke  der  weiten  Eingeweidehöhle, 
welche  den  Darmcanal  und  seine  Anhangsorgane  einschliesst,  die  Harn- 
und  Geschlechtsorgane.  Der  Darmcanal  mündet  bei  den  erwachsenen 
Wirbelthieren  an  dem  Vorderende  des  Körpers,  aber  immerhin  auf 
der  Bauchfläche  und  zeigt  in  seinem  vorderen  Abschnitte  bei  allen 
Embryonen  Kiemenbildnngen ,  welche  von  einem  besonderen  Skelette 
gestützt  wei'den.  Eigentliche  Kiemen,  welche  mit  der  Athemfunction 
betraut  sind,  entwickeln  sich  niemals  bei  den  Sauropsiden  und  den 
Säugethieren  auf  den  Kieraenbogen,  während  diese  bei  allen  übrigen 
wirklich  athmende  Kiemen  tragen  ,  die  entweder  zeitlebens  oder  nur 
in  der  Jugend  functioniren.  Das  Herz  liegt  immer  auf  der  Ventral- 
seite in  der  Mittellinie  unmittelbar  hinter  dem  Kiemenkorbe.  Die 
Athemfunction  wandert  von  den  Kiemen,  mögen  diese  nun  wirklich 
thätig  gewesen  sein  oder  nur  virtuell  existirt  haben,  auf  andere  An- 
hangsgebilde des  Darmes  über ,  welche  Lungen  genannt  werden.  Der 
After  findet  sich  nur  selten  am  Körperende;  die  Tegumente,  die  Mus- 
keln, das  Rückenmark,  die  Wirbelsäule  und  die  Aorta  veidängern  sich 
über  den  After  und  die  Eingeweidehöhle  hinaus  in  den  Schwanz. 

Die  nicht  seltenen  Fälle  ausgenommen,  wo  die  Harn-  und  Ge- 
schlechtsorgane aus  ihrer  ursprünglichen  Lagerung  ausgewandert  sind, 
wird  man  also  auf  einem  senkrechten,  etwa  durch  die  Körpermitte 
eines  Wirbelthieres  geführten  Querschnitte  die  Organe  stets  in  fol- 
gender Ordnung  von  oben  nach  unten  gelagert  finden:  der  Rücken- 
fläche zunächst  das  Centralnervensystem,  darunter  die  Axe  des  inneren 
Skelettes,  dann  das  arterielle  Hau^tgefäss  mit  den  Harn-  und  Ge- 
schlechtsorganen zur  Seite,   dann  den  in  eigenthümlicher  Weise  in  der 


330  Wirbel  thiere. 

Eingeweidetiöhle  aufgehängten  Darm  mit  seinen  Anhangsorganen  und 
schliesslich  der  Bauchseite  zunächst  das  nur  einen  verhältnissmässig 
geringen  Raum  einnehmende  Herz. 

Die  Bildung  der  Bewegungsorgane  weist  mehrere  wichtige  Unter- 
schiede den  Wirbellosen  gegenüber  auf.  Vorerst  treten  bei  den  AVirbel- 
thieren  nie  mehr  als  zwei  Paare  von  Gliedern  in  die  Erscheinung,  ein 
vorderes  und  ein  hinteres  F'aar,  und  man  kann  mit  guten  Gründen 
die  Ansicht  vertheidigen ,  dass  diese  Gliederzahl  durchaus  normal  sei 
und  dass  in  denjenigen  Fällen,  wo  nur  ein  oder  gar  kein  Gliedpaar 
entwickelt  ist,  eine  Rückbildung  Platz  gegriffen  habe.  Es  ist  freilich 
wahr,  dass  in  vielen  Fällen  (Amphioxus,  Cyclostomen,  den  meisten 
Schlangen)  man  zu  keiner  Zeit  des  Lebens,  weder  im  erwachsenen,  noch 
im  embryonalen  Zustande  Spuren  von  Gliedmassen  hat  nachweisen 
können ;  aber  in  anderen  Fällen  (Cetaceen,  einige  Schlangen)  können 
solche  Rudimente  nachgewiesen  werden,  als  letzte  Reste  einer  früh- 
zeitigen, schon  im  embryonalen  Zustande  begonnenen  Verkümmerung. 
Die  beiden  Gliedpaare  scheinen  sich  aus  einer  seitlichen  Hautfalte  des 
Körpers  zu  entwickeln  und  sind  nach  demselben  Grundplane  gebaut, 
aber  ihre  distalen  Abschnitte  zeigen  wesentliche  Verschiedenheiten. 
Bei  den  einen,  den  Fischen,  können  diese  Endtheile  in  eine  iin- 
bestimmte  Vielzahl  von  Fingern  oder  Zehen  ausstrahlen;  bei  den 
übrigen  ist  die  Grundzahl  der  Endfiuger  fünf.  Es  ist  noch  nicht  ge- 
lungen, eine  durchgreifende  Homologie  zwischen  den  polydactylen 
Gliedern  der  Fische  und  den  pentadactylen  Gliedern  der  übrigen  Wirbel- 
thiere  nachzuweisen;  welcher  Art  aber  auch  das  Ergebniss  weiterer 
P^orschungen  auf  diesem  Gebiete  sein  möge,  so  steht  soviel  fest,  dass 
ein  Wirbelthier  nicht  mehr  als  vier  Gliedmaassen  haben  kann  und  dass 
bei  den  pentadactylen  Gliedern  die  B'ünfzahl  in  normaler  Weise  nicht 
überschritten  wird. 

Ein  weiteres,  noch  allgemeineres  Verhältniss,  das  mit  der  Rolle 
der  Tegiimente  in  nächster  Beziehung  steht,  zeigt  sich  in  der  Thatsache, 
dass  die  activen  Elemente  der  Locomotion ,  nämlich  die  willkürlichen 
Muskeln,  die  stets  in  einzelne  Bündel  getheilt  und  deren  Fasern  quer 
gestreift  sind,  sich  an  Hebel  festsetzen,  welche  von  dem  inneren  Ske- 
lette hergestellt  werden.  Diese  physiologische  Function  fällt  bei  den 
Wirbellosen  dem  Tegumente  zu,  das  häufig  verhärtet,  um  den  ein- 
zelnen Gruppen  des  allgemeinen  Muskelschlauches,  welche  sich  bei 
verschiedenen  Wirbellosen  ausbilden,  zu  Stützpunkten  zu  dienen.  Bei 
den  Wirbelthieren  finden  wir  im  Gegentheil  nur  Rudimente  dieses 
Hautmuskelschlauches  in  den  Hautmuskeln,  und  uian  kann  hier  sogar 
die  Frage  aufwerfen,  ob  diese  Hautmuskeln  wirklich  solche  Rudimente 
oder  nicht  vielmehr  neu  erworbene  Bildungen  seien,  und  zwar  des- 
halb, weil  sie  kaum  bei  niederen,  wohl  aber  bei  höheren  Wirbelthierenj 
sich  finden.      Wie  dem  auch  sein  mag,   so    steht   soviel   fest,   dass   das] 


Wirbelthiere.  331 

aus  Bindegewebe  oder  seinen  Derivaten,  Knorpel-  oder  Knochengewebe 
gebildete  innere  Skelett  den  Bewegungsniuskeln  zum  Ansätze  dient,  die 
demnach  von  aussen  her  sich  um  ihre  meist  soliden  Hebel  gruppiren, 
während  bei  den  Wirbellosen  mit  festen  Tegumenten  die  Hebel  hohl 
sind  und  mehr  oder  irinder  vollständig  die  bewegenden  Muskeln  in 
sich  einschliessen. 

Wenn  auch  der  bei  Weitem  grössere  Theil  der  tegumentären 
Schutzgebilde  bei  den  Wirbelthieren  den  Oberhantschichten  angehört 
(Schuppen  der  Reptilien,  Federn,  Haare  u.  s.  w.) ,  so  ist  damit  nicht 
ausgeschlossen,  dass  andere  dieser  Schutzgebilde  in  der  Lederhaut  ent- 
stehen und  so  ein  eigentliches  Hautskelett  darstellen ,  welches  in 
manchen  Fällen  zwar  unabhängig  bleiben,  in  anderen  dagegen  mit 
dem  inneren  Skelette  in  so  innige  Verbindung  treten  kann,  dass  beide 
Bildungen  vollständig,  namentlich  in  der  Kopfregion,  mit  einander 
verschmelzen.  Die  Schuppen  der  Fische,  die  Hautknochen  einiger 
Amphibien,  vieler  Reptilien  und  mancher  Säugethiere,  sowie  eine  ge- 
wisse Anzahl  von  Kopfknochen  liefern  Beispiele  dieses  bald  unab- 
hängigen, bald  mehr  oder  minder  mit  dem  inneren  Skelette  verschmol- 
zenen Hautskelettes. 

Die  bilaterale  Symmetrie  ist  in  den  ersten  embryonalen  Anlagen 
der  Organe  fast  durchgängig  in  der  Weise  vorhanden,  dass  die  ein- 
fachen Organe  in  der  Mittellinie,  die  anderen  paarweise  zu  beiden 
Seiten  sich  entwickeln.  Wenn  diese  Symmetrie  bei  einzelnen  Organ- 
systemen, wie  z.  B.  dem  Nervensysteme  und  seinen  Anhängen,  dem 
Skelette  iind  dem  Muskelsysterae,  sich  meist  während  des  ganzen  Lebens 
erhält,  so  erleidet  sie  freilich  in  anderen  Organen  oft  sehr  bedeutenrle 
Störungen  in  Folge  einseitigen  Wachsthumes. 

Die  Bildung  von  auf  einander  folgenden  Segmenten  oder  Somiten 
tritt  niemals  deutlich  in  dem  vorderen  Abschnitte  des  Kopfes  in  die 
Erscheinung,  weder  im  erwachsenen,  noch  im  embryonalen  Zustande. 
Ebensowenig  zeigt  sie  sich  am  Ceutralnervensysteme,  am  Centram  der 
Circulation,  an  der  Rückensaite  oder  dem  Darmcanale,  tritt  aber  an 
dem  Urskelette  in  Gestalt  iutcrmusculärer  Scheidewände  und  später  in 
der  Entwicklung  des  knorpeligen  und  knöchernen  Skelettes,  in  der 
Anordnung  der  Muskelmassen  des  Körpers  und  Schwanzes,  in  dem 
überwiegenden  Theile  des  peripherischen  Nerven-  und  Gefässsystemes, 
sowie  in  der  ursprünglichen  Anlage  der  Ausscheidungsorgane  auf,  wo 
sie  indessen  fast  immer  durch  die  spätere  Ausbildung  der  definitiven 
Nieren  verwischt  wird.  Diese  ursprüngliche  Anlage  von  Segmental- 
organen, welche  denjenigen  der  Anneliden  ähnlich  sind,  gewinnt  für 
die  phylogenetischen  Untersuchungen  über  die  Herltitung  der  Wirbel- 
thiere eine  besonders  hohe  Bedeutung.  Man  darf  übrigens  nicht  ver- 
gessen ,  dass  die  segmentale  Anordnung  des  Kiemen-  oder  Yisceral- 
systemes,   welche  so  deutlich  in  die  Augen  springt,   einem  besonderen 


332  Wirbelthiere. 

Gesetze  folgt  und  dass  die  diesem  Systeme  angehörigen  Segmente  in 
keiner  Weise  denjenigen  des  Körpers  und  namentlich  des  inneren 
Skelettes  entsprechen. 

Wir  sehen  bei  den  Wirbelthieren  eine  Ausbildung  der  Segmen-r 
tation ,  welche  der  bei  den  Arthropoden  beobachteten  analog  ist  und 
sich  in  der  Tendenz  ausspricht,  durch  Herstellung  gleichwerthiger  Seg- 
mente einzelne  Körperregionen  abzugrenzen.  Die  wohl  am  allge- 
meinsten ausgebildete  Region  ist  der  Schwanz ,  die  Fortsetzung  des 
Körpers  nach  hinten  über  die  Eingeweidehöhle  hinaus,  welche  bei  den 
schwimmenden  Wirbelthieren  das  wesentlichste  Bewegungsorgan  bildet. 
Dieser  folgt  die  Abgrenzung  des  Kopfes,  als  einer  Kapsel  für  das  Ge- 
hirn und  die  wesentlichsten  Sinnesorgane ,  welche  auf  der  Bauchfläche 
den  Mund  und  die  diese  Oeffnung  umgebenden  Theile  trägt.  Aber  man 
muss  wohl  bedenken,  dass  diese  Abgrenzung,  welche  zugleich  diejenige 
des  Stammes  als  P]inschluss  für  die  übrigen  Eingeweide  bedingt,  sich 
zwar  immerhin  in  den  inneren  Organen  geltend  macht,  dagegen  oft 
von  aussen  vollständig  verwischt  ist.  Wer  könnte  nach  nur  äusserer 
Untersuchung  die  Grenzlinie  zwischen  dem  Kopfe  und  Stamme  eines 
Cyclostomen  oder  eines  Rochen  feststellen?  Bei  den  höheren  Wirbel- 
thieren ist  dagegen  der  Kopf  nicht  nur  deutlich  abgegrenzt,  sondern 
auch  in  den  meisten  Fällen  von  dem  Stamme  durch  eine  besondere 
Region,  den  Hals,  geschieden,  in  welchen  die  allgemeine  Körperhöhle, 
das  Cölom,  sich  nicht  fortsetzt.  Diese  allgemeine  Körper-  oder  Ein- 
geweidehöhle, welche  von  einer  besonderen  Membran,  dem  Peritoneum 
oder  Bauchfelle,  ausgekleidet  und  von  den  Rippen  und  anderen  Skelett- 
bildungen umfasst  wird,  bildet  das  wesentlichste  Unterscheidungs- 
merkmal derjenigen  Region,  welche  wir  den  Stamm  nennen  können; 
sie  enthält  die  wesentlichsten  Organe  des  vegetativen  Lebens.  Nament- 
lich bei  den  Säugethieren  zeigt  sie  eine,  übrigens  schon  bei  Vögeln 
und  Reptilien  angedeutete,  aber  hier  erst  durchgeführte  Theilung  in 
zwei  Unterregionen ,  die  Brust  (Thorax)  und  den  Bauch  (Abdomen), 
welche  innerlich  durch  das  Zwergfell  getrennt  werden,  so  dass  die 
Brust  die  Lungen  und  das  Herz,  der  Bauch  die  übrigen  Organe  ent- 
hält. In  der  einen  oder  anderen  Classe  scheint  die  Zahl  der  Somiten, 
welche  eine  Region  bildet,  ziemlich  fixirt,  wie  dies  ja  auch  bei  ge- 
wissen Classen  der  Arthropoden,  den  lusecten  z,  B.,  der  Fall  ist. 

Ein  letzter  unterscheidender  Charakter  der  grossen  Mehrzahl  der 
Wirbelthiere  beruht  auf  der  Bildung  des  Mundes.  Bei  allen  Gnatho- 
stomen,  also  bei  den  Fischen,  Amphibien,  Reptilien,  Vögeln  und  Säuge- 
thieren, wird  die  Mundöffnung  auf  der  unteren  oder  Bauchseite  von 
einem  einzigen  beweglichen  Bogen,  dem  Untei'kiefer,  umgrenzt,  der 
aus  zwei  seitlichen  Hälften  besteht.  Nur  selten  bleiben,  wie  z.  B. 
bei  den  Schlangen,  die  beiden  Hälften  getrennt;  in  den  meisten  Fällenl 
verbinden  sie  sich  in  der  Mittellinie  oder  verschmelzen  hier  sogar  und 


Wirbelthiere.  333 

die  Bewegung  dieses  Organes  geht  von  oben  nach  unten.  Das  gnatho- 
stome  Wirbelthier  senkt  den  Unterkiefer,  um  den  Mund  zu  öffnen; 
es  hebt  ihn,  um  ihn  zu  schbessen.  Die  auf  den  Unterkiefer  folgenden 
Visceralbogen ,  die  Zungen-  und  Kiemenbogen  dienen  nur  bei  den 
niederen  Gnathostomen  zur  Vervollständigung  des  Abschlusses  der 
Mundhöhle  auf  den  Seiten  und  von  unten;  der  Unterkiefer  allein  bildet 
den  äusseren  Verschlussring,  indem  er  an  den  Oberkiefer  angedrückt 
wird.  Bei  den  mit  festen  Mundwerkzeugen  versehenen  Wirbellosen 
sind  diese  Weikzeuge  dagegen  meist  in  der  Mehrzahl  vorhanden, 
hinter  einander  gelagert  und  sie  werden  seitlich  von  einander  entfernt, 
um  den  Mund  zu  öffnen,  und  der  Mittellinie  genähert,  um  ihn  zu 
schliessen.  Selbst  in  solchen  Fällen,  wo  das  letzte  Paar  dieser  An- 
hänge in  der  Mittellinie  verwächst,  um  eine  Unterlippe  zu  bilden,  die 
sich  nur  von  unten  nach  oben  bewegen  kann,  bleiben  die  paarweise 
davor  gestellten  Hauptwerkzeuge  getrennt  und  bewegen  sich  nur  seit- 
lich in  der  Horizontalebene.  Die  senkrechte  Bewegung  des  Unter- 
kiefers bildet  demnach  einen  wesentlichen  Charakter  des  gnathostomeu 
Wirbelthieres.  Die  Acranier  und  Cyclostomen  zeigen  freilich  eine 
wesentliche  Verschiedenheit  in  der  Mundbildung,  aber  es  fehlen  ihnen 
auch  Organe,  welche  man  als  dem  Unterkiefer  homolog  ansehen 
könnte. 

Wir  gehen  hier  nicht  näher  auf  die  Aufzählung  mancher  anderer, 
mehr  oder  minder  beschränkter  Charaktere  ein,  die  bei  den  einzelnen 
Classen  ihre  Berücksichtigung  finden  werden. 

Wir  nehmen  für  die  zoologische  Sichtung  der  Wirbelthiere  fol- 
gende sieben  Classen  an,  deren  Charaktere  und  Unterabtheilungen  wir 
bei  den  Classen  selbst  aufführen  werden:  Acranier,  Cyclostomen, 
Fische,  Amphibien,  Reptilien,  Vögel,  Säugethiere. 

Aber  nach  den  oben  auseinandergesetzten  Charakteren  können 
diese  Classen  noch  in  grösseren  Hauptgruppen  zusammengefasst 
werden. 

Durch  den  Mangel  eines  Schädels,  eines  Gehirnes,  eines  Herzens, 
der  Gehörorgane,  der  Segmentationsorgane  und  eines  rothen  Blutes 
treten  die  Acranier  fast  vollständig  aus  dem  Rahmen  der  übrigen 
Wirbelthiere  heraus,  die  man  ihnen  als  Cranioten  gegenüber 
stellen  kann. 

Den  mit  Kiefern  versehenen  Gnathostomen  stellen  sich  die 
Acranier  und  Cyclostomen  als  kieferlose  Agnathen  gegenüber. 

Bei  den  vier  unteren  Classen  trägen  die  Visceralbogen  entweder 
zeitlebens  oder  doch  wenigstens  während  einer  gewissen  Periode  An- 
hänge, welche  mit  der  Athraungsfunction  betraut  sind  ;  sie  stehen  also 
als  Kiementräger,  Branchiaten,  den  Reptilien,  Vögeln  und  Säuge- 
thieren,  den  A branchiaten  gegenüber,  bei  welchen  die  Visceralbogen 
niemals  mit  der  Athemfunction  betraut  werden   und   diese   so  wichtige 


334 


Wirbelthiere. 


Function  während  des  Embryonallebens  durch  eine  Ausstülpung  des 
Hinterdarnies,  die  Allantois,  ausgeübt  wird. 

Die  Branchiaten  können  wieder  in  zwei  Untergruppen  zerfällt 
werden,  von  welchen  die  eine  die  kief'erlosen  Acranier  und  Cyclo- 
stomen ,  die  andere  die  mit  Kiefern  versehenen  Fische  und  Amphibien 
umfasst,  welche  man  nach  Huxley's  Vorgang  mit  dem  Namen  der 
Ichthyopsiden  bezeichnen  kann.  Die  Reptilien  und  Vögel  zeigen 
so  viel  gemeinsame  Charaktere,  die  auf  eine  euge  Stammesverwandt- 
schaft, ja  auf  gegenseitige  Abstammung  schliesseu  lassen,  dass  man 
sie  als  Sauropsiden  mit  Huxley  den  Säugethieren  gegenüber 
stellen  kann. 

Eine  letzte,  auch  für  die  Paläontologie  sehr  wichtige  Gruppirung 
der  Gnathostoraen  beruht  auf  der  Bildung  der  Extremitäten.  Wenn 
diese  Anhänge  überhaupt  vollständig  entwickelt  sind,  so  erscheinen  sie 
bei  den  Fischen  als  polydactyle  Endglieder,  während  diese  bei  den 
übrigen  Classen  pentadactyl  sind,  und  diese  verschiedene  Bildung 
schafft  eine  scharfe  und  willkommene  Grenzlinie  in  der  Gruppe  der 
Ichthyopsiden  zwischen  den  Fischen   und  Amphibien. 

Zur  Uebersicht  dieser  verschiedenen  Gruppirungen  möge  nach- 
folgende Tabelle  dienen. 


Anal- 
lanto- 
idier 


Allan- 
toidier 


( Acranier 

Poly-     1 



dact5'len  J 
Ichtyop- 
siden 

Gnatho- 
stomen 

Cranioten 

Saurop- 
siden       Pentadac- 
l     tylen 

leptocardier Amplüoxiden. 

^     1     ,  f  Mvxinoiden. 

Cvclostomen \  -r,\  i. 

•^  t  Petromyzonten. 

f  Teleostier. 

Holoceplialen. 

Fische ;  Selacliier. 

I  Ganoiden. 

l  Dipnoiden. 

A  /  n    1   i^         f  Urodelen. 

Am-      J  Pedaten-  • 

pliibien   |  .       , 

^  y  Apoden-  • 

Plioli- 

-D      ,.,.       fdoten 
Keptilien 

l  Coricaten 


l  Anuren. 

•  Gymnophionen. 

f  Saurier. 

l  Ophidier. 

f  Crocodile. 


Vö^rel 


Säuge- 
tliiere 


t  Chelonier. 
f  Ratiten. 

L  Carinaten. 

Apla-     f  Monotremen. 
centarier  t  Beutelthiere. 

Ungulaten. 

Sirenen. 

Hyr^ciden. 

Rüsselthiere. 

Nager. 

Edeutaten. 

Cetaceen. 

Carnivoren. 

Insectivoren. 

Fledermäuse. 

Halbaffen. 
l  Affen. 


Phiffen- 
tarier 


Ainphioxus. 


335 


Literatur.  —  Um  öftere  Wiederholungen  zu  vermeiden,  geben  wir  liier  eine 
kleine  Liste  derjenigen  neueren  Werke,  welche  die  vergleichende  Anatomie  der  Wirbel- 
thiere  in  ihrer  Gesammtheit  behandeln.  E.  Owen,  O71  the  Aaulomy  of  Vtrttbrates 
Vol,  III,  London,  18ti6 — 68.  —  H.  G.  Bronn,  Classen  und  Ordnungen  des  Thier- 
reiches,  Leipzig,  1873 — 89.  • —  Huxley,  A  Manuel  of  the  Anatomy  of  vertebrated 
unimuU,  London,  1879.  Deutsch  von  Spen^el.  —  A.  Wiedersheim,  Lehrbuch 
der  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbelthiere,  Jena,  1886.  • —  Ders. ,  Grundriss, 
zweite  Aufl.  1890.  —  G.  Pouchet  et  H.  Beauregard,  Trulti:  d^ Ot>teolo/jie  com- 
puree,   Paris,    1889. 


Classe   deT  Acranier  oder   Leptocardier. 

Kleine  Seetbierchen  mit  uusegnientirter,  lebeusbeständiger  Chorda 
und  ohne  paarige  Flossen.  Ein  gesonderter,  ein  Hirn  umscliliessender 
Schädel,  Seh-  und  Hörorgane,  Kiefer  und  überhaupt  alle  knorpeligen 
oder  knöchernen  Skelettbildunsen  fehlen  durchaus.    Pulsirende  Gefäss- 


Amphioxvs  laaceolaius ,  etwa  dreifach  vergrössert.  Haut  und  Muskeln  der  linken 
Seite  sind  weggenommen;  der  Blinddarm  schimmert  durch  den  Kiemensack  durch. 
u,  obere  Flossenstrahlen  ;  b,  untere  Flossenstrahlen  ;  c,  Geschlechtsorgane  ;  (/,  Kiemen- 
korb ;  e,  After;/.  Chorda;  g,  Rückenmark;  h,  Leb.erblinddarm  ;  i,  Darm;  k,  Mund; 
Z,  Körpermuskeln;  ?»,  vordere  Endflosse;  ?;,  hintere   Endflosse;   o,  Abdominalporus. 


stamme  ersetzen  das  Hei'z;  das  Blut  ist  farblos,  die  Geschlechter  ge- 
trennt. Man  kennt  genügend  nur  eine  einzige  Gattung  und  nur  eine 
Art,  die  in  nördlichen  Meeren,  dem  Mittelmeere  und  einigen  südlichen 
Küstenstrichen  vorkommt.  Die  uns  zunächst  gelegenen  Küsten,  wo 
der  Amphioxus  in  grosser  Anzahl  vorkommt,  sind  die  Buchten  von 
Neapel  und  Messina,  woher  wir  auch  unsere  Exemplare  bezogen  haben. 
Das  Fischchen  wühlt  sich  in  den  Sand  ein,  so  dass  nur  das  Ende  her- 
vorschaut. Aufgeregt  macht  es  lebhafte  Sprünge  und  schwimmt  in 
der  Weise  der  Aale.  Wir  verdanken  den  grössten  Theil  unserer 
Arbeit  Herrn  Dr.  M.  Jaquet.' 

Typus:  Amphioxus  lanceolatus,  YarreW  (Branchiostoma  liibri- 
cuni,  Costa).  Das  Lancettfischchen ,  wie  es  auch  genannt  wird, 
erreicht  vier  bis  fünf  Centimeter  Länge.  Der  Körper  ist  von  den 
Seiten  her    abgeplattet,    aber  breiter   am  Bauche    als    am  Rücken   iiud 


336 


Wirbelthiere. 


au  beiden  Enden 

niedrigen,  höchst 

Fig.  139. 

i 


i 


\....(l 


.b 
.fv 
3 


Baufhansicht  in 
derselben  Vevgrös- 
serung.  a,  Mund; 
&,  Abdominalpovus ; 
c,  After  ;  rf,  Bamh- 
muskel;  e,  Genitiil- 
massen,  durchschei- 
nend ;  y,  Seiten- 
falten ;  g ,  untere 
Flossenstrahlen  ;  /,■, 
Seitenniuskeln  des 
Körpers. 

die   Linke    des  B 
Seite  des  Tbiei'es 


zugespitzt.  Kopf-  und  Schwanzende  sind  von  einer 
dünnen  Hautflosse  umzogen  (»w,  w,  Fig.  138  a.  v.  S.). 
Die  Haut  ist  glatt,  schuppenlos,  die  Farbe  ein  gelb- 
liches Weiss. 

Betrachtet  man  das  Thierchen  von  der  Bauchseite 
(Fig.  139),  so  gewahrt  man  drei  Oeffnungen.  Die 
vordere,  grösste,  welche  nicht  ganz  am  Ende  des 
Körpers  liegt,  ist  der  Mund  (a),  von  trichterförmiger 
Gestalt;  seine  etwas  wulstigen  Umwallungen  sind 
mit  einem  Kranze  starrer  Fäden  besetzt ,  den  wir 
den  Tentakel  kränz  nennen.  Etwa  am  Ende  des 
zweiten  Drittels  der  Körperlänge  zeigt  sich  eine 
weite,  rundliche  Oeffnung,  durch  welche  das  Athem- 
wasser  von  den  Kiemen  her  ausströmt;  es  ist  der 
Bauchporus  (&).  Endlich  in  der  Nähe  des  Hinter- 
endes des  Körpers  zeigt  sich  eine  dritte,  kleine  Oeff- 
nung, der  After  (c);  er  hat  das  Eigenthümliche,  dass 
er  nie  in  der  Mittellinie,  sondern  stets  auf  der  rechten 
oder  linken  Seite  des  unteren  Lappens  der  Endflosse 
liegt;  in  Beziehung  auf  die  Seite  zeigt  sich  keine 
Regelmässigkeit. 

Präparation.  —  Lebende  Exemplare  lassen  sich 
leicht  mehrere  Tage  in  Gefässen  mit  etwas  Sand  am 
Boden  aufbewahren,  deren  Wasser  man  öfter  wech- 
selt. Ihre  Untersuchung  ist  unerlässlich  für  das 
Studium  des  Kreislaufes,  sowie  der  letzten  Nerven- 
endigungen in  den  durchsichtigen  Flossen  an  beiden 
Körperenden.  Zur  Tödtung  und  Fixirung  benutzt 
man  Sublimat,  Osmiumsäure  oder  Pikrinschwefelsäure. 
Nach  der  Fixirung  bewahrt  man  die  Exemplare  in 
Weingeist  von  70  Procent.  Will  man  Exemplare, 
die  einige  Zeit  in  Weingeist  gelegen  haben,  zur  Prä- 
paration der  Organe  in  situ  benutzen ,  so  thut  man 
wohl,  sie  einige  Zeit  in  Wasser  zu  tauchen,  das  mit 
einigen  Tropfen  Ammoniak  versetzt  ist.  Die  Ge- 
webe erweichen  und  lassen  sich  präparlren,  ohne 
brüchig  zu  werden.  Man  präparirt  selbstverständlich 
im  Wasser  und  unter  der  Lupe. 

Man    fixirt   zum    Zwecke   dieser   makroskopischen 

Untersuchung    das    Thierchen     in     einem    Schälcheu, 

das   auf  den  Tisch   einer  Präparirlupe    gestellt  wird. 

Es  liegt   auf  der  rechten  Seite,   das  Kopfende  gegen 

eschauers   gerichtet,    so    dass   dieser   die   ganze    linke 

übersieht.     Man    befestigt   es   an   beiden   Enden   mit 


Amphioxus.  "337 

kreuzweis  über  einander  eingesteckten  Nadeln,  die  es  festhalten,  ohne 
es  zu  verletzen.  Ehe  man  die  Haut  abpräparirt,  beachtet  man  zwei  von 
dem  Munde  bis  zum  Bauchporus  auf  der  Unterseite  sich  hinziehende 
Längs  Wülste,  die  nach  innen  eingekrämpt  sind.  Diese  Seitenwülste 
(/,  Fig.  139)  sind  hohl  und  schliessen  die  Seitencanäle  ein.  Mit  einer 
feinen  Pincette  entfernt  man  die  Haut,  die  sich  meist  sehr  leicht  und  oft 
in  grossen  Fetzen  ab2lehen  lässt.  Man  legt  so  die  Seitenmuskeln 
(m,  Fig.  138)  bloss,  die  in  62  Abtheilungen  oder  Myomeren  getheilt 
sind,  welche  die  Gestalt  eines  V  mit  weit  gespreizten  Schenkeln  haben, 
dessen  Spitze  nach  vorn  gegen  eine  Linie  gerichtet  ist,  welche  etwas 
über  der  Mitte  der  Körperbreite  verlaufen  würde.  Auf  der  ganzen 
Länge  der  Rückenlinie  finden  sich  eine  grosse  Anzahl  wie  Palissaden 
neben  einander  gestellter,  mehr  oder  minder  cylindrischer,  gelblicher 
Körperchen;  man  nennt  sie  die  Flos  senstr  ahlen  (a,  Fig.  138).  Sie 
finden  sich  auch  auf  der  unteren  Seite  zwischen  Bauchporus  und 
After  (b).  Zwischen  Bauchporus  und  Mund  sieht  man  an  der  unteren 
Grenze  der  Myomeren  die  Geschlechtsorgane  (r,  Fig.  138)  in  Ge- 
stalt kleiner,  deutlich  von  einander  getrennter,  rundlicher  Ballen,  deren 
man  etwa  25  zählen  kann. 

Um  die  topographische  Untersuchung  der  einzelnen  Organe  weiter 
fortzuführen,  muss  man  die  Seitenmuskeln  mittelst  feiner  Xadeln  ent- 
fernen, was  nicht  schwierig  ist.  Man  wird  bei  dieser  Gelegenheit  die 
der  Axe  des  Körpers  parallel  laufende  Richtung  der  Muskelfasern,  so- 
wie den  Umstand  erkennen,  dass  die  einzelnen  Myomeren  durch  häu- 
tige, von  der  Chordascheide  bis  zur  Haut  sich  ausdehnende  Scheide- 
wände, die  Myocommen,  von  einander  getrennt  und  vollständig 
umschlossen  sind.  Unter  den  Muskeln  erstreckt  sich  in  dem  Abstände 
zwischen  dem  Tentakelkranze  und  dem  Bauchporus  der  Kiemenkorb 
(d,  Fig.  138).  Seine  Wand  ist  von  einer  grossen  Zahl  feiner  Stäbchen 
von  knorpeliger  Consistenz  gebildet,  die  schief  von  vorn  und  oben 
nach  hinten  und  unten  gerichtet  sind.  Ihre  Vorderenden  stossen 
an  die  Wirbelsaite,  ihre  hinteren  an  die  ventrale  Mittellinie.  Der 
Darm  (/,  Fig.  138)  setzt  den  Kiemeukorb  nach  hinten  fort;  er  ist 
gerade,  cylindrisch,  liegt  der  Chorda  fast  unmittelbar  an  und  nimmt 
nur  sehr  allmählich  an  Weite  gegen  den  After  (c,  Fig.  138)  hin  ab, 
der  auf  einer  beliebigen  Seite  des  Unterlappens  der  Endüosse  mündet. 
Etwa  in  der  Hohe  des  Bauchporus  entsendet  der  Darm  einen  nach 
vorn  gerichteten,  im  Kiemenkorbe  liegenden  Blindsack. 

Dieser  Leberblindsack  (/«,  Fig.  138)  liegt  meist  auf  der  rechten 
Seite  des  Kiemenkorbes,  den  man  wegnehmen  muss,  um  ihn  bloss  zu 
legen,  was  nur  schwer  gelingt,  da  er  meist  fest  an  dem  Kiemenkorbe 
sich  anheftet.  Es  ist  ein  weisslicher,  abgeplatteter  Schlauch,  welcher 
etwas  vor  dem  Bauchporus  vom  Darme  sich  abzweigt  und  sich  nach  vorn 
etwa  bis  in  die  Nähe  der  dritten  Genitalmasse   erstreckt,    wo    er   blind 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  22 


sag  Wirbeltliierö. 

endet.      Seine  Höhle  steht  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  derjenigeü 
des  Darmes. 

Die  Rückensaite  oder  Chorda  (/,  Fig.  138)  ist  ein  weicher, 
cylindrischer  Stab,  der  etwas  über  der  mittleren  Höhe  des  Körpers 
sich  hinzieht.  Die  beiden  zugespitzten  Enden  der  Chorda  reichen  bis 
in  die  Eiidflossen.  üeber  der  Chorda  vei-läuft  das  centrale  Nerven- 
system {g^  Fig.  138),  das  Rückenmark,  in  Gestalt  eines  langen 
Hohlstabes,  der  von  einer  Scheide  umgeben  ist,  welche  von  der  Scheide 
der  Chorda  ausstrahlt.  Es  reicht  ebenfalls  bis  in  die  Endflossen.  An 
seinem  vordersten  Ende  zeigt  sich  ein  schwarzer  Pigmentfleck,  viel- 
leicht das  Rudiment  eines  Auges  (fZ,  Fig.  153);  über  ihm  sitzt  ein 
becherförmiges  Wimpergrübchen,  das  als  Geruchsorgan  (a,  Fig.  153) 
angesehen  wird.  Unter  der  Chorda  sieht  man  bei  lebenden  Thieren 
die  Aorta. 

Gegenseitige  Lagerung  der  Organe.  —  Die  bilaterale  Sym- 
metrie ist  bei  Amphioxus  fast  vollständig  dvirchgeführt.  Denkt  man 
sich  denselben  durch  einen  verticalen  Längsschnitt  in  der  Mittellinie 
getheilt,  so  findet  sich  jederseits  eine  Hälfte  der  Chorda,  des  Rücken- 
markes, der  Aorta,  der  Flossenstrahlen,  des  Darmcanales,  des  Kiemen- 
korbes, der  Muskeln,  der  Seitenfalten  mit  ihrem  Canale  und  der 
Geschlechtsorgane;  einzig  das  Riechgrübchen,  der  Blinddarm,  die  seit- 
lichen Ursprünge  der  Nerven  und  der  After  entsprechen  nicht  dieser 
Symmetrie. 

Man  wird  die  Organisation  des  Amphioxus  am  besten  an  in  den 
drei  normalen  Richtungen  gefühlten  Schnitten  studiren,  deren  Fär- 
bung mit Boraxcarmin  nichts  zu  wünschen  übiig  lässt.  Man  schneidet 
die  erhärteten  Exemplare  in  Paraffin  und  kann  so  von  einem  Exem- 
plare mehr  als  2000  Querschnitte  anfertigen,  die  man  mit  Collodion, 
das  mit  etwas  Nelkenöl  versetzt  ist,  reihenweise  auf  den  Objectträger 
aufklebt. 

Um  die  gegenseitigen  Beziehungen  der  Organe  vor  Augen  zu 
führen,  geben  wir  hier  eine  Reihe  von  Querschnitten,  die  alle  einem 
einzigen  erwachsenen  Weibchen  entnommen,  unter  derselben  Vergrösse- 
i*ung  mit  der  Camera  lucida  gezeichnet  sind  und  wo  die  einzelnen 
Organe  stets  mit  denselben  Buchstaben  bezeichnet  wurden.  Die  Ver- 
gleichung  dieser  Schnitte  giebt  den  besten  Aufschluss  über  die  Ver- 
schiedenheit der  Körperdimensionen  in  den  einzelnen  Regionen,  sowie 
über  die  Beziehungen  der  Organe  zu  einander.  Der  erste  Schnitt 
(Fig.  140)  trifft  den  Hintei-grund  der  Mundhöhle;  der  zweite  (Fig.  141) 
den  Anfang  des  Kiemenkorbes;  der  dritte  (F"'ig.  142)  etwa  die  Mitte 
desselben;  der  vierte  (Fig.  143)  ist  unmittelbar  hinter  dem  Ende  des 
Kiemenkorbes  geführt,  wo  der  Blinddarm  sich  abzweigt;  der  fünfte 
(Fig.    144)    trifft    den    Abdominalporus,     der    sechste    (Fig.    145)    den 


Amphioxus.  339 

After  und  der  letzte  (Fig.  146)  ist  etwa  durch  die  Mitte  des  Scliwauzes 
gelegt. 

Jeder    dieser    Schnitte    zeigt    besondere    Vei'hältnisse ;     alle    aber 
lassen  zugleich   die  Modificationen    erkennen,   welche    die    allgemeinen 
Fio-.  140.  Organsysteme  in   den  ver- 

schiedenen   Regionen    auf- 
'  q  zeigen.     Man  sieht  überall 

_  --,/'•  Fio-.   140.  —    Senkrec-hter  Quer- 

•■  schnitt    eines  Weibchens,    durch 

'  den    Boden    der    Mundhöhle    ge- 

f'------iß^^^'^^^^'^'^'^%f^    \^\     _..fi  legt.     Gundlach,   Oc.  2,  OJjj.O. 

k  i'/cvT         ^iÄ'^    Ky"^^^"    "^  i  t  Camera    claru.      (iSIB.    Alle    fol- 

genden Figuren,  bis  zu  Fig.  146 
I  Ji>    \   v\         r'   --  r.    \\j      y^:^r-''  eino-eschlossen ,     sind    demselben 

J^->^^/;^j^ ^^,,  /A'i]»,-- ■  Individuum  ■entnommen ,   in  der- 

TT,         rj-^-'i  _i-^-A  .<— «s.^  -    ^.^.r^^  selben   Vergrösserung  gezeichnet 

rfS^iÄ;>5ST^^_  . .  - -^Vil  -  -  und    die     einzelnen    Organe    mit 

l&S^i.so.   V\f       -^      ,  '.      — -'ot '^M  denselben  Buchstaben  bezeichnet. 

\V\— ai=!e?sl  Auf  den  folgenden  Figuren  wer- 

>^N\    -^^    yyrM  den     die     Bezeichnungen     dieser 

schon  benutzten  Buchstaben  nicht 

wiederholt  werden,    sondern  nur 

die  neu  hinzugekommenen  erklärt 

^.  werden.)     a,   Epidermis ;   u^,   be- 

Fio-.   141.  ^       !      1  '       ' 

"  franste    Epidermis     der     Bauch- 

fläche.; h,  Haut;    6^,   Unterhaut- 
gewebe;   c,  Myomeren;    d,  Kern 
'ii   'MX  '^  "^ler   Chorda;    d^,    ihre    Scheide; 

"-^^  ^  e,    Scheide     des    Rückenmarkes; 

'^  fi  obere  senkrechte  Stützlamelle; 

e  /^,  ihr  Knopf;    jr,  Flossenstrahl; 

d'.  -/^^^^^^^^—^^^^^^yyl^^^ '^  /(,  Mj'ocommen  ;  fc,  Costallamelle  ; 

d-  "}!^§?^'^^~-^^ -:>-^^^^W —  '^  1  ^'  Rückenmark;    m,    Seitenfalte; 

A-, V,^^^^^^-f— -        \  ,-'x^^^-'--~     a,  "'    Seitencanal  ;   n}  ^  querer  Isth- 

''i 'iw:--^^^*^^^^^^rr      '"^^^^%  /j  mus    desselben;  w^,  Communica- 

f^- '-'4t\yy'':ff^^^^^^'''^    ^^\^iMt'~^^^^^Vi""  tionsöflFnung    zwischen    dem    Sei- 

"-" ''^^       -y'J^.  ^^^*^^^^~^*^V '^'f  tencanal    und    dem    Isthmus;    p, 

.llkJ^\^                    ^^^^^^y^ST^^^"     -^'         Muskeljiissen    des    Tentakelkran- 
^''—        iE^--vv^^                   ""^^^^^^^fM-''     '^        zes;   z^,  Skelettäste  des  Teutakel- 
_'^-,',s!*A_rfir>T_        'fV""^^/s "^        kranzes,  durchschnitten  ;  7",  Mund- 
il*      höhle;    r^ ,    ihr    Epithelium ;     s, 
(f^-'.' -----        --^-'   ::3-:iS=^  A-,X-.  ;;^       innere    Wucheraugen    des    rech- 

ten    Seitenraumes;      s-',     durch- 
V  a//-.'jf  schnittene     Fransen     des    Mund- 

epithels;    /,    linker    Seitenraum, 
entsprechend  s. 

Fig.  141.  —  Querschnitt  durch  den  Anfang  des  Kiemenkorbes.  Buchstaben  wie  auf 
der  vorigen  Figur  und  ausserdem:  o,  Bauchmuskel;  t.  Peritoneum;  fi,  peritoneale 
Scheidewand  zwischen  dem  Epibranchialraume  fl  und  dem  Peribranchialraume  t^  ; 
!/,  Kiemenkorb;  u^,  dessen  spaltenloser  Abschnitt;  »'^,  innere  Kiemenhöhle;  ifi.  Peri- 
branchialhöhle ;   s,  Rückenflosse. 

Q-2* 


Sib  Wirbeltliiere. 

die  Oberhaut  (n) ,  die  Haut  (b) ,  die  Anordnung  der  Myomeren 
(c) ,  die  Skelettbildungen ,  welche  in  den  Zeichnungen  etwas  dunkler 
gehalten  wurden,  als  sie  in  Wirklichkeit  sich  darstellen.  Auf  allen 
Schnitten  sieht  man  den  blätterigen  Chordakern  (d)  mit  seiner 
Scheide  (d^),  von  welcher  die  zum  grossen  Theile  häutigen  Skelett- 
bildungen ausstrahlen,  die.  Scheide  des  Rückenmarkes  (e),  die  sich  in 
der  Rückenliuie  schliesst,  um  ein  dorsales  System  verticaler  Stütz- 
gebilde (/)  zu  tragen,  das  in  den  Flosseustrahlen  (g)  gipfelt  und  dem 
in  der  Schwanzgegend  (Fig.  146)  ein  ähnliches  System  ventraler 
Stützgebilde  (i)  entspricht.  Ebenso  sieht  man  überall  die  von  den 
Scheiden  der  Chorda,  des  Rückenmarkes  (?)  und  den  verticalen  Stütz- 
systemen ausstrahlenden  Scheidewände  der  Myomeren,  die  Myocom- 
men  (/<) ,  unter  welchen  sich  besonders  längs  der  Bauchhöhle  innere 
Verstärkungen  (A")  bemerklich  machen,  welche  in  gewisser  Weise  die 
Rippen  vorzeichnen.  Man  kann  sich  also  mit  Hülfe  dieser  Quer- 
schnitte die  Gesammtanordnung  des  Skelettes  sowohl,  als  auch  des 
Rückenmarkes  (?)  anschaulich  machen ,  das  in  allen  Schnitten  sich 
zeigt,  da  es  sich  über  die  ganze  Körperlänge  ausdehnt.  Endlich 
zeigen  die  Schnitte  Fig.  140  bis  144  die  allmähliche  Ausbildung 
der  Seitenfalten  (m)  mit  ihren  Canälen  (n)  und  des  Bauchschliess- 
muskels  (o). 

Der  Schnitt  Fig.  140  (a.  v.  S.)  zeigt  den  Grund  der  weit  ge- 
öffneten Mundhöhle  (r)  mit  ihrem  Epithelium  (r^)  und  den  von 
ihm  gebildeten  Fransen  (s),  die  theil weise  durchschnitten  sind.  Ein 
dickes  Muskelkissen  (p),  in  welchem  die  Durchschnitte  einiger 
Stäbchen  des  Tentakelkrauzes  ((/)  sich  zeigen,  schliesst  dieselbe 
nach  unten  ab.  Auf  beiden  Seiten  dieses  Muskelkissens  zeigen  sich 
die  Seiteufalten  (»*),  deren  Canäle  (ii)  durch  einen  Querschlitz  (n'^) 
zwischen  Haut  und  Kissen  mit  einander  coramuniciren.  Der  Com- 
municationsspalt  ist  nur  auf  der  rechten  Seite  von  dem  Schnitte  ge- 
troffen worden. 

Der  zweite  Schnitt  (Fig.  141  a.  v.  S.)  geht  durch  den  Anfang  der 
Bauchhöhle.  Er  zeigt  das  Bauchfell  (f),  wie  es,  von  seiner  Anheftung 
an  der  Chorda  ausgehend,  den  Anfang  des  Kiemenkorbes  (u)  umzieht, 
dessen  Bogen  an  der  Ventralfläche  sich  zu  zeigen  beginnen  und  in 
der  ventralen  Mittellinie  durch  einige  Brücken  sieb  auf  die  Innen- 
fläche der  Körperwaud  hinüberschlägt,  die  es  in  ihrer  ganzen  Aus- 
dehnung auskleidet.  Die  Seitenfalten  mit  ihren  von  einander  ge- 
trennten Canälen  und  der  Schliessmuskel  des  Bauches  sind  vollständig 
ausgebildet. 

Der  etwa  durch  die  Mitte  der  Bauchhöhle  geführte  Schnitt 
(Fig.  142)  zeigt  die  Baucheingeweide  in  voller  Entwicklung.  Der  voll- 
ständig  ausgebildete  Kiemenkorb  mit  seinen    beiden  Mittelrinneu,   der 


Amphioxus. 


341 


Epibranchial-(r)-  und  Hypobrarichial-(?c)-Piinne ,  ist  durcli  den  Blind- 
darm (x)  und  die  seitlich  gelegenen  Eierstöcke  (y)  stark  zusammen- 
gedrückt. Die  Peritonealhüllen  der  letzteren  heften  sich  an  die, 
die  Bauchwand  auskleidende  Lamelle  an. 

Der  Schnitt  (Fig.  143  a.  f.  S.)  geht  zwischen  dem  Ende  des  Kiemeu- 
korbes  und  der  Abgangsstelle  des  Blinddarmes  (./;)  durch,  der  in  stark 
gefaltetem  Zustande  den  Grund  der  Bauchhöhle  zwischen  den  beiden 
Eierstöcken  (</)  einnimmt,   während  der  eigentliche  Darmcanal  (^).  der 

•       Fio-.   142. 


Querschnitt  durch  die  Mitte    der  Bauchhöhle.      Buchstaben    wie    in    den    zwei  vorher- 
gehenden Figuren  uffd  ausserdem:    d-,   Müller'scher  Raum  und  Gewelie  am   Chorda- 
kerne;  k^,  Anheftungen  der  Costallamelle  an  die   Chordascheide;  v,  Epibranchialrinne 
iv,  Hypobranchiah'inne ;   x,  Leberblinddarm ;   t/,  Eierstöcke. 


aus  der  Abschliessung  der  Epibranchialrinne  hervorgegangen    ist,    den 
oberen  Raum  der  Bauchhöhle  einnimmt. 

Die  Eierstöcke  enden  etwas  vor  dem  Schnitte  (Fig.  144  a.  S.  343), 
der   den   Abdomiualporus    getroffen   hat.      Der    mit    Sandkörnern    und 


342 


Wirbelthiere. 


Verdauungsx'esten  angefüllte  Darm  nimmt  allein  die  Bauchhöhle  ein; 
in  den  Seitentaschen  des  Peritoneums  zeigen  sich  einige  durchschnittene 
Schmarotzer;  die  Seitenfalten  mit  ihren  Canälen  enden  zu  beiden 
Seiten  der  Warze,  welche  den  Poruscanal  enthält. 

Der  After  ist  von  dem  folgenden  Schnitte  (Fig.  145  a.  S.  344) 
getroffen  worden.  Man  sieht  neben  der  senkrechten  Endflosse  eine 
tiefe  Rinne,   auf  deren  rechter  Seite  die  letzten  Falten  des  Enddarmes 

Fio;.   143. 


f^-*.- 


Querschnitt  hinter  dem   Kiemenkorbe.     Buchstaben    wie    in    den    drei    vorhergehenden 
Figuren  und  ausserdem:   s,  Darm. 


vorspringen,  unter  welchen  der  Schliessmuskel  des  Afters  (y)  an- 
geschnitten ist.  Das  untere  Stützsystem  des  Skelettes  ist  kräftig  ent- 
wickelt und  umschliesst  den  Aortencanal  (ö).  In  dem  letzten,  durch 
den  Schwanz  geführten  Schnitte  (Fig.  146  a.  S.  344)  erreicht  dieses 
Stützsystem  seine  höchste  Entwicklung  und  zeigt  unter  der  Aorta 
noch  einen  zweiten  Canal  für  die  Hohlvene  (f). 


Amphioxus. 


343 


Die  Tegumente  des  xVmphioxus  bestehen,  wie  gewöhnlich, 
aus  drei  verschiedenen  Lagen:  der  Oberhaut,  Lederbaut  und  dem 
Unterhautgewebe. 

Die  Oberhaut  oder  Epidermis  (a,  Fig.  14:7  a.  f.  S.)  besteht  aus 
einer  einfachen  Schicht  von  Cylinderzellen,  die  sich  leicht  färben  und 
in  ihrer  der  Lederhaut  zugewandten  Hälfte  viele  feine  Granulationen 
enthalten.  Ihre  freie  Fläche  ist  oft  verdickt  und  gleicht  einem  Deckel 
oder  einer  zusammenhängenden  Deckschicht.  Auf  der  Rückenfläche 
werden   sie   am   höchsten;    auf  der   Bauchfläche,    zwischen    den  Seiten- 

Ficr.   144.  . 


Querschnitt  durch  den  Alxlorainalporus.  Buchstaben  wie  in  den  vier  vorhergehenden 
Figuren  und  ausserdem:  z^,  Sandkörnchen  im  Darme;  a,  Warze  des  Abdominalporus ; 
ß,  in  der  unteren  Peritonealtasche  liegende  Parasiten,  durchschnitten;  ff,  Aorta; 
A,  verdicktes    Epithelium     des    Peritoneums ;    /li,    am    Darme    verlaufendes    Blutgefäss. 


falten,  werden  sie  niedriger  und  würfelförmig.  Von  der  Fläche  ge- 
sehen, bilden  die  Zellenwände  sechsseitige  Figuren.  Nach  Langer- 
hans finden  sich  überall,  besonders  aber  an  dem  Vorderende  des 
Körpers,    zei-streute  Oberhautzellen    von    cylindrischer  Form,   die   lang 


344 


Wirbeltlnere. 


ausgezogen   sind ,    an   ihrem  inneren  Ende  sich  in  ein  dünnes  Fädchen 

fortsetzen    und    auf   ihrer    Aussenfläche    ein    starres    Härchen    tragen. 

Wir  hahen  diese  Sinnes-  oder  Tastzellen,  die  wohl  mit  den  Nerven- 

Fig.  145.  Fio-.  146. 


t' 


Fig.  145.  —  Querschnitt  durch  den  After.    Buchstaben  wie  in  den  fünf  vorhergehenden 
Figuren  und  ausserdem:  i,  untere  senkrechte  Stützlamelle;  <^,  anale  Pei-itonealtasche; 

y,  After  ;  y^,  sein  Schliessmuskel ;  i^,  untere  häutige  Flosse. 
Fig.    146.  —  Querschnitt    durch  den  Schwanz.     Buchstaben  wie   in  den  sechs  vorher- 
gehenden Figuren  und  ausserdem  :  /^,   Endstück  der  unteren  senkrechten  Stützlamelle  ; 
£,-  Canal  der  Hohlvene. 


Fig.   147. 


f^nnn"'^  "'^^^^^nnnnnnn'-'innn^nnnnnn^ 


Querschnitt  der  Haut.    Verick,   Oc.  3,  Obj.  6.    a,  Epidermiszellen  ;   i,   Haut,  c,  ünter- 
hautgewebe  mit  Kernen. 


AmpliioxLis.  345 

endigungen  zusammenhängen,  bei  unseren,  längere  Zeit  in  Alkohol 
aufbewahrten  Exemplaren  nicht  nachweisen  können.  Stellenweise 
finden  sich  in  der  Oberhaut  kleine  gelbliche  Pigraentablagerungen,  die 
aus  kleinen,  stark  lichtbrechenden  Körnchen  bestehen,  welche  dui'ch 
Aetzkali  sofort  sich  schwärzen.  Bei  sehr  jungen  Individuen  finden 
sich  noch  hier  und  da  Wimpern  auf  der  Oberhaut,  die  aber  bei  älteren 
Exemplaren  vollständig  verschwunden  sind. 

Die  Lederhaut  (&,  Fig.  147)  ist  stets  fest  mit  der  Oberhaut  ver- 
bunden. Es  ist  eine  auf  der  ganzen  Körpererstreckung  gleichförmige 
Schicht,  in  der  man  keine  Kerne,  wohl  aber  eine  feine,  horizontale 
Streifung  erblicken  kann,  die  auf  eine  blätterige  Structur  hinweist. 
Sie  färbt  sich  stark  durch  Boraxcarmin. 

Das  Un  te  r  haut  ge  w  ebe  (c,  Fig.  147)  zeigt  je  nach  den  ein- 
zelnen Körperstellen  mancherlei  Abweichungen.  Es  ist  besonders 
stark  in  den  Seitenfalten,  auf  der  Bauchfläche,  am  Kopfende  und  in 
den  Flossen  entwickelt.  Meist  ist  es  mächtiger  als  die  Lederhaut  und 
erscheint  auf  Schnitten  wie  eine  erhärtete  Gallerte,  in  welchrr  man 
ohne  Ordnung  verlaufende  Fäserchen  sieht,  die  wohl  eher  dem  Ein- 
flüsse der  Reagentien ,  als  einer  wirklichen  Bildung  von  Zellen  oder 
Fasern  zugeschrieben  werden  müssen.  Bei  jungen  Individuen  sieht 
man  namentlich  an  solchen  Orten,  wo  das  Gewebe  stark  entwickelt 
ist,  wie  z.  B.  in  den  Seitenfalten,  zerstreute  Kerne  von  ovaler  Form 
{d,  Fig.  147),  die  aber  bei  erwachsenen  Individuen  verschwunden  sind. 
In  der  Schicht  verzweigen  sich  zahlreiche  Nervenfasern,  die  leicht 
durch  Färbung  mit  Boraxcarmin  nachgewiesen  werden  können. 

Die  Tegumente  der  Bauchfläche  zwischen  dem  Munde  iind  dem 
Abdominalporus  zeigen  tiefe  und  sehr  genäherte  Längsfalten  (c/,  Fig.  139), 
die  zwar  auf  den  Schliessmuskeln  des  Bauches  aufliegen,  aber  nicht 
enger  mit  ihnen  verbunden  sind.  Die  Unterhautschicht  zeigt  in  diesen 
Falten  eine  Menge  von  Verlängerungen  oder  Zotten,  welche  direct 
zu  dem  Schliessmuskel  aufsteigen  ,  sich  an  dessen  ventrale  Fläche  an- 
legen (o,  Fig.  143)  und  so  Längscanäle  zwischen  sich  frei  lassen,  deren 
Wände  mit  deutlichen,  kernhaltigen  Membranen  ausgekleidet  sind. 

In  der  Unterhautschicht  findet  sich  ausserdem  ein  System  von 
verzweigten  Lacunen,  deren  physiologische  Bedeutung'  noch  unklar 
ist.  Dieses  Lacuuensystem  lässt  sich  am  besten  in  den  beiden  End- 
flossen beobachten  (Fig.  148),  nachdem  man  ein  Exemplar  während 
einiger  Zeit  in  einer  sehr  verdünnten  Lösung  von  Aetzkali  gehalten, 
sorgfältig  ausgewaschen  und  dann  die  Flossen  abgetrennt  hat,  um  sie 
unter  schwacher  Vergrösserung  zu  betrachten.  Das  Lacuuensystem 
liegt  in  der  senkrechten  Mittelebene  der  Flossen  und  erstreckt  sich 
von  da  aus  in  Form  sehr  feiner  und  enger,  gewundener  Canäle  über 
die    Rücken-    und    Seitenflächen     des    Thieres.       In    der   Vorderregion 


346 


Wirbelthiere. 


(Fig.  148)  sind  die  Räume  in  die  Länge  schief  von  hinten  nach  vorn 
ausgezogen;  auf  dem  Rücken  und  den  Seiten  werden  die  Canäle 
feiner,  treten  mehr  auseinander   und  bilden    unregelmässige  Schlingen 


Fig.    148, 

h 

f 

a 

c- 

"l^I^» 

! 

.^'-3 


Vorderende   eines  Amphioxus  zur  Verauschaulichung   des  Lacunensystemes.    a,   Augen- 
fleck;  6,  Flossenstrahlen;  c,  Laeunenräume  ;   cZ,  Chorda  ;  p,  Myomeren  ;  y,  Rückenmark; 

(/,  vordere  Endflosse. 

und  Anastomosen  mit  sehr  dünnen  Wänden,   in    welchen   hier   und  da 
längliche  Kerne  sich  zeigen. 

Seitenfalten  (;»,  Fig.  140  bis  144).  —  Wir  sahen  schon  bei  der 
übersichtlichen  Beschreibung  des  Körpers,  dass  unten  an  den  Seiten 
vom  Munde  bis  zum  Abdominalporus  zwei  durchsichtige,  vorsjiringende 
Längsfalten  sich  hinziehen.  Dieselben  {m)  sind  von  einer  Verdickung 
der  Unterhautschicht  gebildet,  in  welcher  man  deutlich  Fasern,  be- 
sonders von  querer  Richtung,  und  Kerne  erkennen  kann.  Im  Inneren 
dieser  Verdickung  verläuft  ein  Längtcanal,  der  Seitencanal  (»),  über 
dessen  Bedeutung  die  verschiedensten  Ansichten  geäussert  worden 
sincL  Querschnitte  geben  über  diese  Bildung  den  besten  Aufschluss. 
Jeder  der  beiden  Seitencanäle  läuft  vom  Munde  bis  zum  Perus,  indem 
er  sich  an  beiden  Enden  nach  und  nach  verengert.  Der  Durchschnitt 
zeigt  eine  dreieckige  Form ;  die  Basis  des  Dreiecks  ist  dem  Ende  der 
Bauchmuskeln  zugewendet,  die  Seiten  werden  von  den  gespaltenen 
Schichten  des  Unterhautgewebes  gebildet,  die  in  dem  freien  Ende  der 
Seitenfalte  zusammenstossen  und  so  die  Spitze  des  Dreiecks  bilden. 
Die  äussere  Wand  des  Canales  ist  weit  dicker  als  die  innere.  Die 
innere  Ecke  der  Basis  des  Dreiecks  verschmilzt  mit  der  Wand  an 
dem  Punkte,  wo  die  Bauchdecke  wellenförmig  sich  faltet;  der  äussere 
Verbindungsj)unkt  findet  sich  da,  wo  die  Costallamelle  des  Skelettes 
sich  um  das  letzte  Myomer  herumbiegt,  um  sich  mit  der  äusseren 
Haut  zu  verbinden. 


Amphioxus.  347 

Wir  bemerkten  schon ,  dass  die  Seitencanäle  (»)  sich  gegeu  die 
beiden  Körpeieiiden  hin  allmcählicb  verengern.  Hier  aber  entsteht  die 
Frage,  wie  sie  enden?  Ob  blind  oder  mit  Oeffiiungen  nach  aussen  V 
Beide  Ansichten  haben  ihre  Vertreter  gefunden.  Wir  geben  hier  die 
Resultate  unserer,  au  vielen  nach  allen  drei  Richtungen  geführten 
Schnitten  angestellten  Untersuchungen.  Nach  hinten  zu  sind  die 
Canäle  blind  geschlossen  (Fig.  144)  und  weder  nach  aussen  noch  nach 
innen  geöffnet.  Am  vorderen  Ende  verbinden  sie  sich  durch  einen 
engen  Quergang  (n^,  Fig.  140),  der  zwisclien  dem  Muskelkissen  des 
Tentakelkranzes,  welches  die  Mundhöhle  schliesst,  und  dem  ventralen 
Tegumente  verläuft.  Von  hier  strahlen  Zweige  in  den  Tentakelkranz 
selbst  aus,  die  wir  bei  Gelegenheit  der  Mundwerkzeuge  näher  be- 
schreiben werden.  Aber  alle  diese  Zweige  sind  an  ihren  Enden  blind 
geschlossen  i;nd  wir  haben  durchaus  keine  Oeffnungen  entdecken 
können,  welche  entweder  nach  aussen  oder  in  die  Mundhöhle  münden 
könnten.  Wir  haben  es  also  mit  einem  vollkommen  geschlossenen 
Lacunensysteme  zu  thun,  das  von  einer  Seite  zur  anderen  durch  einen 
am  Grunde  der  Mundhöhle  gelegenen  Quergang  communicirt. 

S  ke  1  ett  sy  st  e  m.  —  Vor  Beginn  des  Studiums  dieses  Systeraes 
muss  sich  der  Anfänger  stets  vor  Augen  halten,  dass  es  aus  Binde- 
gewebe von  sehr  verschiedenen  Festigkeitsgraden  hergestellt  ist  und 
dass  die  herkömmlichen  Unterscheidungen  zwischen  einzelnen  Knochen, 
Knorpeln  u.  s.  w.,  an  welche  man  sich  bei  der  Untersuchung  der  höheren 
Wirbelthiere  halten  kann,  hier  durchaus  nicht  Platz  gi-eifen.  Wir 
können  beim  Amphioxus  nur  Systeme  von  Stützgebilden  unterscheiden 
und  zwar  von  zweierlei  Art:  die  Stützgebilde  des  Körpers,  welche  von 
der  Wirbelsaite  oder  Chorda  mit  ihren  Ausstrahlungen  gebildet  sind, 
und  die  speciellen  Stützsysteme  einzelner  Organcomplexe,  wie  z.B.  des 
Kiemenkorbes,  des  Tentakelkranzes  und  des  Fransenringes.  Letztere 
werden  wir  bei  der  Behandlung  der  einzelnen  Organe  selbst  in  das 
Auge  fassen;  hier  soll  nur  von  der  Chorda  und  ihren  Ausstrahlungen 
die  Rede  sein. 

Die  Rücke nsaite,  Chorda  dorsalis,  ist  ein  etwas  über  der 
Mitte  der  Körperhöhe  in  der  Mittelaxe  von  einem  Ende  zum  anderen 
sich  erstreckender  cylindrischer  Strang  (/',  Fig.  1.38).  Seitlich  wird 
die  Chorda  von  den  Muskelmassen  des  Körpers,  den  Myomereu,  um- 
geben; an  ihrer  Bauchfläche  dehnt  sich  das  Athemdarmsystem  aus  und 
längs  der  Rückenfläche  erstreckt  sich  das  centrale  Nervensystem.  Die 
zugespitzten  Enden  des  Stranges  erstrecken  sich  bis  in  die  beiden 
Fjudflossen  hinein,  das  vordere  weit  über  den  Mund  hinaus.  Letzteres 
nimmt  sehr  schnell  an  Dicke  ab  und  zeigt  zuweilen  einen  kleinen  End- 
knopf (/^,Fig.  138);  das  Hinterende  dagegen  nimmt  nur  sehr  allmählich 
ab.      Die  von    uns    gegebenen    Querschnitte   (Fig.  140  bis  146)    zeigen 


348  Wirbelthiere. 

die  wenig  wechselnden  Formen  des  Chordacylinders  in  den  verschie- 
denen Körpcrregionen ;  in  der  Vorderflosse,  vor  dem  Munde,  ist  der 
Durchschnitt  senki-echt  oval;  in  der  Region  der  Mundhöhle  springt  die 
Bauchfläche  vor;  in  der  Körpermitte  wird  der  Cylinder  ganz  rund  und 
aufs  Neue  seitlich  zusammengedrückt  in  der  Schwanzflosse.  Unter  der 
Einwirkung  der  Härtungsmittel  zieht  sich  die  Chorda  oft  sehr  ungleich 
zusammen  und  bieten  die  Durchschnitte  bizarre  Formen,  die  mau  nach 
unbeschädigten  Stellen  ergänzen  muss;  im  Ganzen  aber  kann  man 
sagen,  dass  die  Durchschnitte  der  Chorda  im  Körper  runde,  in  den 
Flossen  senkrecht  ovale  Gestalt  zeigen. 

Wir  unterscheiden  zwei  Hauptbildungseleraente  der  Choi'da:  den 
ziemlich  weichen  Inhalt  oder  Kern  (f?,  Fig.  140  bis  146)  iind  die 
festere,  elastische  Scheide  (d^) ,  von  welcher  die  Ausstrahlungen  aus- 
gehen und  die  sich  leicht  und  lebhaft  färbt. 

Der  Chordakern  ((l,  Fig.  140  bis  146)  setzt  sich  aus  einer  Un- 
zahl dünner ,  senkrecht  und  quer  zur  Axe  des  Cylinders  gestellten 
Scheibchen  zusammen,  welche  auf  ihrem  ganzen  Umfange  der  Scheide 
anhängen,  weich  wie  Gelatine  sind  und  durch  kleine  Querbrücken  mit 
einander  in  Verbindung  stehen.  Betrachtet  man  ein  in  Balsam  auf- 
gehelltes Endstück  eines  Amphioxus  (d,  Fig.  147),  so  sieht  man  auf 
der  Chorda  eine  Menge  mehr  oder  minder  regelmässiger  ,  senkrechter 
Linien,  die  auch  auf  Längsschnitten  sich  sehr  deutlich  in  Gestalt 
feiner  Fäden  erkennen  lassen,  welche  ein  Netz  von  länglichen  Maschen 
bilden,  die  in  der  Mitte  weiter  sind  als  an  den  Rändern.  Jeder  Faden 
zeigt  parallele  Längsstreifen  und  theilt  sich  in  dünne  Fäserchen ,  die 
sich  mit  denen  der  benachbarten  Fäden  begegnen.  Gegen  die  Scheide 
hin  zerfasern  sich  diese  Fädchen  und  werden  dadurch  auch  feiner 
und  zahlreicher.  Auf  Querschnitten  sieht  man,  dass  die  gelatinösen 
Scheibchen  mit  ihren  feinen  und  scharf  umrissenen  Querstreifeu  nicht 
den  ganzen  Innenraum  der  Chordascheide  ausfüllen,  sondern  in  der 
Mediauebene  sowohl  oben  wie  unten  kleine  Räume  frei  lassen,  von 
welchen  der  obere  (/,  Fig.  148)  grösser  und  beständiger  als  der 
untere  ist.  Diese  in  ihrer  Form  sehr  wechselnden  Räume  zeigen  ein 
laxes  Gewebe,  welches  man  das  Müller'sche  Gewebe  genannt  hat 
(Fig.  149). 

Auf  Querschnitten  sieht  man  bei  hinlänglich  starker  Vergrösse- 
rung,  dass  die  Innenfläche  der  Rückenwaud  der  Chordascheide  mit 
sehr  kleinen,  schwer  erkennbaren  Zellen  (c)  ausgekleidet  ist,  von 
welchen  lange  Fäden  (/)  ausgehen  ,  die  gerade  nach  innen  verlaufen, 
mit  einander  anastomosiren  und  so  eine  Art  Netzwerk  bilden;  man 
sieht  au  ihnen  sehr  deutlich  hier  und  da  längliche  Kerne.  Die  inneren 
Fortsetzungen  dieser  Fäden  scheinen  mit  dunklen  Massen  {a,  Fig.  149) 
in  Verbindung  zu  stehen,  die  in  dem  weichen  Chordakerne  liegen  und 
zusammengesetzten  Drüsen  ähnlich  sehen,   sich   weit  lebhafter   als  das 


ÄmphioxuS.  349 

Chordagewebe  färben,  ohne  Ordnung  zerstreut  sind,  hier  und  da  fehlen 
und  in  Gestalt  und  Grösse  sehr  variiren.  In  ihrem  Inneren  sieht  man 
feine  Granulationen  und  zuweilen  einen  lebhafter  gefärbten  Fleck,  der 
einem  Nucleus  ähnlich  sieht.  Einige  dieser  Massen  senden  Yerlänge- 
rungen  <ab,  die  durch  Löcher  der  Chordascheide  nach  aussen  treten. 
In  dem  kleinen  und  unbeständigen  unteren  Räume  zeigt  sich  eben- 
falls Müller'sches  Gewebe,  das  sich  ähnlich  verhält,  wie  das  im 
oberen  Räume. 

Man  hat  vielfach  über  die  Frage  gestritten,  ob  die  Cborda- 
scheibchen  Kerne  enthalten  oder  nicht.  Auf  Querschnitten  des  Hinter- 
endes eines  erwachsenen  Exemplars  haben  wir  zahlreiche  Kerne  ge- 
sehen, welche  in  der  Nähe  der  Scheide  seitlich  lagen,  sich  deutlich 
erkennen  Hessen  und  in  der  Richtung  der  Querstreifen  sich  ausdehnten. 
Ausserdem  sehen  wir  im  Chordakern  eines  jungen  ximphioxus  überall 
schwach   gefärbte,    feinkörnige,    grosse   Kerne   mit   einem   Nucleus    im 

Fig.  149. 


Stück  eines  Querschnittes  durch  die  Chorda,  dem  dorsalen  Theile  entnommen. 
Verick,  Oc.  3,  Obj.  6.  a,  Umriss  des  Rückenmarkes;  i,  Chordascheide;  c,  Streifen 
des  Chordakernes;  d^  grosse  Zellen  in  der  !Xähe  des  Müller' sehen  GeweLes ; 
e,  Schicht  von  kleinen  Zellen,  welche  die  Decke  des  Müller'schen  Raumes  be- 
kleiden; f,  Müller'sches  Gewebe;  gr,  Gewebe,  welches  durch  den  Canal  geht,  der 
die  Chordaseheide  durchbricht. 

Inneren,  die  in  einer  Reihe  der  dorso-ventralen  Mittellinie  entlang  ge- 
lagert sind. 

Bevor  wir  den  Chordakern  verlassen,  müssen  wir  noch  einer 
eigenthümlichen  Structur  erwähnen,  welche  derselbe  auf  Querschnitten 
des  Hinterendes  zeigt  und  die  wir  in  Fig.  145  und  146  wiedergegeben 
haben.  Man  sieht  hier  nämlich  concentrische,  der  Chordascheide  parallele 
Zonen,  die  sich  stärker  färben,  als  das  übrige  Gewebe.  Häufig  sind 
diese  Zonen  durch  Querstreifen  mit  einander  verbunden,  so  dass  rhom- 
bische Figuren  entstehen.  Wahrscheinlich  sind  diese  Zonen  der  Aus- 
druck der  Verbindungen,  welche  die  einzelnen  Scheibchen  mit  einander 
einffehen. 


SöO  Wirbelthiere. 

Die  Scheide  der  Chorda,  die  man  auch  die  skelettbildende 
Schicht  genannt  hat  (d\  Fig.  140  bis  146;  h,  Fig.  149),  umhüllt 
allseitig  den  weichen  Kern  und  besteht  aus  zwei  Lagen,  einer  dünneren 
äusseren,  die  sich  leicht  färbt,  und  einer  dickeren  inneren,  die  überall 
mit  dem  Kerne  zusammenhängt,  die  beiden  Räume  mit  Müller'schem 
Gewebe  ausgenommen.  Die  innere  Schicht  zeigt  concentrische,  un- 
regelmässige Streifen,  die  auf  eine  lamelläre  Structur  hindeuten.  Die 
äussere  Schicht  ist  weit  laxer;  sie  zeigt  häufig  Laciinen,  und  feine 
Granulationen  auf  den  Querschnitten  deuten  wohl  auf  einen  faserigen 
Bau  hin.  Diese  äussere  Schicht  ist  es,  welche  die  Ausstrahlungen 
bildet;  ihre  äussere  Fläche  lässt  Kerne  erkennen,  welche  einer  Epi- 
thelialmembran  angehören,  mit  der  die  Ausstrahlungen  ausgekleidet  sind. 

Eine  sehr  bemerkenswerthe  Eigentkünilichkeit  der  Chordascheide, 
auf  welche  die  neueren  Autoren  besonders  hingewiesen  haben,  besteht 
in  der  Allsbildung  von  Löchern,  welche  in  einer  longitudinalen  Doppel- 
reihe an  dem  oberen  Dache  derselben,  also  an  dem  Boden  des  Nerven- 
rohres, angebracht  sind.  Von  der  Fläche  gesehen,  haben  diese  Durch- 
bohrungen die  Gestalt  von  Knopflöchern,  welche  symmetrisch  einander 
gegenüber  liegen.  Sie  sind  mit  der  Substanz  des  Choi'dakernes  an- 
gefüllt. Sagittale  und  quere  Schnitte  geben  Aufschluss  über  ihre 
Bildung.  Wir  haben  in  Fig.  149  ein  Stück  eines  Qiierschnittes  ab- 
gebildet, welches  der  dorsalen  Hälfte  der  Chorda  entnommen  ist.  Oben 
sieht  man  den  Umriss  des  Bodens  des  Rückenmarkes  (a) ,  darunter 
folgt  die  skelettbildende  Schicht  der  Chordascheide  (b),  welche  auf  der 
linken  Seite  (g)  durchlöchert  ist;  der  Schnitt  ist  etwas  schief  geführt, 
so  dass  das  Loch  auf  der  rechten  Seite  nicht  getroffen  ist  und  man 
nur  eine  Oeffnung  sieht,  durch  welche  zahlreiche,  von  dem  Chorda- 
kerne ausgehende  Fasern  hindurch  nach  aussen  treten.  Diese  lassen 
sich  nur  schwer  weiter  vei'folgen;  man  kann  nur  mit  Sicherheit  fest- 
stellen, dass  sie  keine  directe  Verbindungen  mit  dem  Nervensysteme 
eingehen.  Auf  Längsschnitten  übersieht  man  ganze  Reihen  dieser 
Oeffnungen,  die  alle  dieselbe  Gi'össe  haben,  aber  nicht  in  i'egelmässigen 
Abständen  sich  folgen.  Sie  sind  von  einer  feinen  Membran  aus- 
gekleidet, die  eine  Fortsetzung  der  Ilüllhaut  der  Chorda  ist.  Die  Be- 
deutung dieser  Oeffnungen  ist  nicht  klar;  Einige  sehen  darin  Oeff- 
nungen, durch  welche  die  Nährflüssigkeit  zu  dem  Chordakerne  gelangen 
kann;  Andere  wollen  in  ihnen  directe  Beziehungen  zwischen  dem 
Centralnervensysteme  einerseits  und  den  Skelettbildungen  anderseits 
finden. 

Man  kann  unter  den  Ausstralilungen  der  skelettbildenden  Schicht 
zwei  mehr  oder  minder  getrennte  Systeme  unterscheiden,  die  verti- 
calen  Stützen  und  die  seitlichen  Ausbreitungen.  An  den  ersteren 
nehmen  beide  Schichten  der  Chordascheide  Antheil,  während  die  seit- 
lichen Ausstrahlungen  fast  nur  von  der   äusseren  Faserschicht  gebildet 


Ampliioxus.  351 

werden.  Reden  wir  zuerst  vou  dem  senkrechten  Stützsysteme, 
das  zwei  Abtheilungen  zeigt,  eine  dorsale  und  eine  ventrale.  Die  dor- 
salen Stützen  sind  in  der  ganzen  Länge  des  Körpers  entwickelt;  die 
ventralen  nur  in  der  Schwanzgegend.  Die  Durchschnitte  Fig.  140 
bis  146  werden  das  Verstäuduiss  erleichtern. 

Das  Dach  der  Chordascheide  bihlet  zugleich  den  Boden  des 
Nerven  can  al  s,  welcher  das  Rückenmark  enthält.  Die  Wände  der 
Chordascheide  erheben  sich  an  den  oberen  Rändern,  um  sich  über  dem 
Rückenmark  zusammenzawölben  und  so  einen  Längscanal  zu  bilden. 
Die  Winkel  an  der  Erhebung  sind  mit  skelettbildendem  Fasergewebe 
ausgefüllt,  das  jederseits  in  mächtige  Muskelscheidewände  gegen  die 
Haut  ausstrahlt.  Den  oberen  Schluss  des  Gewölbes  bildet  meist  eine 
Verdickung,  die  besonders  auf  den  Querschnitten  der  Körpermitte  wie 
ein  runder  Knopf  aussieht  (/,  Fig.  140  bis  14()).  lieber  dieser  Ver- 
dickung erhebt  sich  eine  mediane  Scheidewand,  die  in  der  Körper- 
niitte  besonders  hoch  und  mächtig  ist  (Fig.  142,  143),  auf  Durchschnitten 
wie  ein  senkrechter  Dorn  aussieht  und  von  welcher  ebenfalls,  je  nach 
der  Lage  des  Schnittes,  ein  oder  zwei  Myocommen  seitlich  ausstrahlen. 
In  der  Nähe  des  Rückentegumentes  sendet  diese  Scheidewand  rechts 
und  links  die  letzten  Myocommen  aus,  welche  unmittelbar  an  das 
Tegument  herantreten,  und  endet  dann  mit  einer  Läugsreihe  von  Ver- 
dickungen, welche  man  die  Flossenstrahlen  (g)  genannt  hat  und  die 
unmittelbar  unter  einem  seichten  Längswulste  der  Haut  liegen,  der 
sich  über  den  Rücken  hinzieht. 

Dieses  verticale  Stützsystem,  welches  man  den  Neurapophysen  des 
Skelettes  der  Knochenthiere  gleichstellen  kann ,  das  aber  eine  zu- 
sammenhängende, von  einem  Ende  des  Körpers  zum  anderen  laufende 
Scheidewand  bildet,  wird  von  einem  Gewebe  gebildet,  das  von  einigen 
Autoren  elastisches  Gewebe  genannt  wird.  Bei  dem  lebenden 
Thiere  erscheint  es  durchaus  homogen  und  durchsichtig;  bei  conser- 
virten  Thieren  sieht  man  darin  schiefe  und  gerade,  in  verschiedenen 
Richtungen  sich  kreuzende  Streifen  oder  feine  Granulationen,  die 
auf  Längsfäserchen  deuten.  Wahrscheinlich  sind  diese  Bildungen 
künstlich  durch  die  Wirkung  der  Reagentien  erzeugt. 

Wir  sagten  eben ,  dass  das  verticale  Stützsystem  mit  den  soge- 
nannten Flos  sen  strahlen  abschliesst.  Diese  Bildungen  verdienen 
eine  besondere  Beachtung. 

Wenn  man  einen  auf  der  Seite  liegenden  Amphioxus  untersucht, 
so  sieht  man  schon  mit  blossem  Auge  in  dem  erwähnten  Rückensaurae 
der  Haut  eine  ununterbrochene  Reihe  kleiner,  undurchsichtiger  Bäll- 
chen, die  auf  den  Rumpfmuskeln  zu  ruhen  scheinen  und  mittelst  durch- 
sichtiger Scheidewände  von  einander  getrennt  sind  (a,  Fig.  138).  Die 
Bällchen  werden  gegen  die  Körperenden  hin  kleiner;  die  Reihe  be- 
ginnt und  endet  beiderseits   mit   den  Rumpfmuskeln.      Man  findet  eine 


352  Wirbelthiere. 

ähnliche ,  doch  kleinere  Reihe  zwischen  Bauchporus  und  After.  Die 
ei'steu  Bällchen  dieser  Reihe  sind  doppelt  neben  einander  gestellt. 
Quere  und  sagittale  Schnitte  zeigen  die  Beziehungen  dieser  Bildungen 
zu  dem  Skelette.  Auf  Querschnitten  sieht  man,  dass  die  skelettbildende 
Schicht  der  Chorda  nach  Bildung  des  verticalen  Stützsystemes  und  Abgabe 
der  letzten  Myocommen  sich  spaltet  und  dann  wieder  an  der  Innenfläche 
der  Haut  zusammenfliesst,  um  so  eine  Art  Kapsel  oder  Kästchen  mit 
gewölbter  Decke  und  flachem  Boden  zu  bilden.  In  diesen ,  durch  eine 
besondere,  deutliche  Kerne  enthaltende  Membran  ausgekleideten  Käst- 
chen ist  nun  ein  eigenthümliches  Gewebe  abgelagert,  das  von  dem- 
jenigen des  Chordakerues  verschieden  ,  gallertartig  und  homogen  ist, 
sich  fast  nicht  färbt  und  häufig  im  Inneren  Kerne  und  Hohlräume  zeigt, 
die  wohl  durch  Zerreissungen  in  Folge  der  Einwirkung  der  Reagentien 
hervorgebracht  sind.  Die  Scheidewände,  welche  die  Kästchen  trennen, 
zeigen  dicht  an  einander  gedrängte,  senkrecht  verlaufende  Streifen  und 
stark  gefärbte,  längliche  Kerne.  Bei  jungen  Individuen  sieht  man  nur 
die  Kästchen,  die  innere  Ausfüllung  fehlt.  Bei  den  erwachsenen 
Thieren  füllt  die  Innenmasse  selten  den  ganzen  Hohlraum  des  Käst- 
chens; fast  immer  zeigen  sich  mehr  oder  minder  beträchtliche  Lücken 
oben  und  an  den  Seiten. 

Ein  dem  dorsalen  Stützsysteme  ähnliches  System  entwickelt  sich 
auch  auf  der  ventralen  Seite,  aber  hier  nur  in  der  hinteren  Region  des 
Körpers.  Man  sieht  in  der  That  auf  Querschnitten ,  die  vor  den 
Bauchporus  gelegt  sind  (Fig.  140  bis  143),  dass  die  Bauchfläche  der 
Chordascheide  unmittelbar  das  Dach  der  Körperhöhle  bildet  und  dass 
diese  Fläche  nur  von  dem  Epithelium  der  Mundhöhle  (Fig.  140)  oder 
dem  Peritoneum  (Fig.  141  bis  143)  überzogen  wird.  Erst  im  Niveau 
des  Bauchjjorus  (Fig.  144)  beginnen  sich  an  den  Rippenausstrahlungen, 
von  welchen  später  die  Rede  sein  wird,  innere  Vorsprünge  auszubilden, 
die  einen  medianen  Raum  ((5)  abgrenzen,  der  nach  innen  durch  das 
Bauchfell  abgeschlossen  wird  und  in  welchem  die  Aorta  verläuft. 
Nach  lind  nach  schliessen  sich  diese  Vorsprünge  um  die  Aorta  zu- 
sammen, lieber  dem  After  (Fig.  145)  ist  die  Schliessung  vollendet 
und  unmittelbar  hinter  demselben  (Fig.  146)  sehen  wir  ein  vollstän- 
diges verticales  Stützsystem  (V,  Fig.  146) ,  das  Canäle  für  die  Gefässe 
enthält  und  an  der  Basis  der  Hautflosse  mit  einem  im  Durchschnitt 
dreieckigen  Räume  abschliesst,  der  den  Flossenstrahlen  des  dorsalen 
Systemes  entspricht.  Wenn  das  dorsale  Stützsystem  den  Neurapo- 
physen  der  Wirbel  entspricht,  so  ist  dieses  ventrale  System  den  Ilämapo- 
physen  homolog  und  in  der  That  zeigt  ein  Querschnitt  des  Schwanzes 
eines  Fisches  durchaus  dieselben  Verhältnisse,  wenn  man  von  den  Unter- 
schieden absieht,  welche  die  Gewebe  der  betreffenden  Stützsysteme  zeigen. 

Die  seitlichen  Ausstrahlungen  der  äusseren  skelettbildenden  Faser- 
schicht bilden  die  Scheidewände  der  Körpermuskeln,  die  Myocommen. 


Amphioxus.  353 

Wir  werden  ihre  allgemeine  Anordnung  bei  Gelegenheit  der  Musculatur 
besprechen,  müssen  aber  hier  sagen,  dass  es  faserige  Sehnenhäute  sind, 
welche  die  einzelnen  Muskelmassen  oder  Myomeren  von  einander 
trennen  und  die  sich  von  der  Chordascheide  und  den  verticalen  Stütz- 
systemen aus  gegen  das  Tegument  hin  wenden,  wo  sie  mit  einander 
und  mit  dem  Unterhautgewebe  verschmelzen.  Man  kann  diese  Myo- 
commen  leicht  auf  Querschnitten  verfolgen  (/i,  Fig.  140  bis  146)  und 
wird  dann  eine  gewisse  Regelmässigkeit  ihrer  Ausgangspunkte  be- 
merken, die  freilich  zuweilen  aus  dem  Grunde  gestört  erscheint,  weil 
die  Schnitte  nicht  ganz  im  rechten  Winkel  zur  Körperaxe  stehen.  Im 
Allgemeinen  sieht  man  ein  Endpaar,  welches  von  der  Basis  der  dor- 
salen Flossenstrahlen  abgeht,  ein  zweites,  das  in  der  Mitte  der  Stütze, 
und  ein  drittes,  welches  von  der  Basis  des  Knopfes  abgeht,  der  die 
Rückenmarksscheide  krönt.  Ein  viertes  Myocommenpaar  geht  von 
dem  Winkel  zwischen  der  Seheide  des  Markes  und  derjenigen  der 
Chorda  und  ein  fünftes  von  dem  unteren  Rande  der  Chordascheide  ab. 

Dieses  letztere,  sehr  mächtige  Paar  von  Sehnenlamellen  verdient 
eine  besondere  Beachtung.  Wir  nennen  sie  die  Rippenlamellen 
(k,  Fig.  140  bis  144),  weil  sie  durchaus  dieselben  Beziehungen  zeigen, 
wie  die  Rippen  mit  ihren  sehnigen  Zwischenhäuten  bei  den  Wirbel- 
thieren  mit  Knochenskelett.  Man  sieht  in  der  That  von  den  ventralen 
Ecken  der  Chordascheide  starke  Erhebungen  ausgehen  (Z;\  Fig.  144),  die 
auf  Querschnitten  eine  dreieckige  Gestalt  zeigen  und,  nach  unten  sich 
fortsetzend,  die  Körperhöhle  umfassen.  Sie  weichen  in  dem  Maasse 
auseinander,  als  sie  sich  ventralwärts  fortsetzen  und  grenzen  so  mit 
den  ihnen  auflagernden  Muskelmassen  die  weite  Höhle  ab,  in  welcher 
die  Eingeweide  gelagert  sind.  Von  diesen  Rippenlamellen  gehen  drei 
oder  vier  Myocommen  ab ,  welche  die  seitlichen  Muskelraassen  des 
Bauches  durchsetzen  und  wie  die  anderen  sich  zur  Haut  begeben. 
Hinter  dem  After  schliessen  sich  die  Rippenlamellen  zusammen  und 
verschmelzen  mit  dem  ventralen,  senkrechten  Stützsysteme.  So  wird 
die  Bauchhöhle  abgeschlossen. 

Muskelsystem.  —  Die  grössten  Massen  dieses,  aus  wohl  ge- 
trennten Bündeln  bestehenden  Sj'stemes  werden  von  den  Rumpfmuskeln 
und  dem  Bauchmuskel  gebildet.  Wir  beschreiben  hier  einstweilen  nur 
diese;  die  übrigen,  einzelnen  Organen  zugehörenden  Muskeln  sollen  bei 
den  betreffenden  Theilen  behandelt  werden;  es  sind  dies:  der  Ring- 
muskel der  Mundhöhle,  die  Muskeln  der  Tentakel,  der  Kiemen,  der 
Schliessmuskel  des  Afters  und  der  Muskel  der  Vorderlippe  des  Bauchporus. 

Die  seitlichen  Rumpfmuskeln  sind  die  bedeutendsten.  Sie  be- 
decken den  Rücken  und  die  Seiten  des  Thieres  von  einem  Ende  des 
Körpers  zum  anderen  (l,  Fig.  138)  und  erreichen  ihre  grösste  Mäch- 
tigkeit in  der  Mitte  des  Körpers ,  während  sie  nach  den  Enden  hin 
schmächtiger  werden.   Sie  bilden  so  zwei  Längsmassen,  die  unmittelbar 

Vogt  u.  Yuug,  px-akt.  vergl.  Anatomie.     II.  23 


354  Wirbelthiere. 

unter  der  Haut  liegen  und  alle  anderen  Organe  bedecken,  mit  Aus- 
nahme der  beiden  Enden  der  Chorda,  welche  über  sie  hinaus  sich  bis 
zum  Rande  der  Havitflossen  erstrecken. 

Präparirt  man  sorgfältig  die  Haut  ab ,  was  nicht  sehr  schwierig 
ist,  so  hat  man  die  Rumpfmuskeln  in  ihrer  ganzen  Erstreckung  vor 
sich  und  sieht  auf  den  ersten  Blick,  dass  sie  aus  einer  Folge  gleich 
gestellter  Segmente  bestehen,  die  aber  nach  den  beiden  Enden  hin  an 
Grösse  abnehmen.  Man  zählt  bei  einem  erwachsenen  Individuum 
62  solcher  Segmente  oder  Myomeren  (c,  Fig.  140  bis  146).  Jedes 
Myomer  hat  die  Form  einer  abgeplatteten  Düte ,  deren  schief  nach 
vorn  gegen  die  Kopfregion  gewendete  Spitze  der  Mitte  der  Chorda 
entspricht.  Jedes  Myomer  zeigt  mithin  zwei  Hälften,  eine  dorsale  und 
eine  ventrale,  welch  letztere  die  längere  ist;  die  der  Haut  anliegenden 
Enden  dieser  Hälften  sind  breiter  als  die  der  Chorda  zugewendete 
Spitze.  Die  Myomeren  sind  eng  aneinander  gedrängt,  aber  durch  seh- 
nige Zwischenwände,  die  Myocommen  (/i),  getrennt,  welche,  wie  schon 
bemerkt,  von  der  Chordascheide  ausstrahlen  iind  dem  Skelettsysteme 
angehören.  Diese  JMyocommen  bilden  mithin  eine  Reihe  von  Kam- 
mern, in  welchen  die  Myoraeren  stecken.  Querschnitte  zeigen,  dass 
die  Richtung  der  Muskelfasern,  welche  sich  an  die  Myocomraen  an- 
setzen, nicht  überall  die  gleiche,  sondern  in  den  oberflächlichen  und 
tiefen  Schichten  etwas  verschieden  ist.  Man  sieht  auf  den  Schnitten 
eine  innere  Grenzlinie,  die,  von  der  Chorda  ausgehend,  etwa  parallel 
mit  der  Rippenlamelle  läuft  und  in  welcher  die  Fasern  in  einem 
spitzen  Winkel  zusammentreffen. 

Abgesehen  von  dieser  auf  Querschnitten  hervortretenden  Ver- 
schiedenheit findet  man  bei  Untersiichung  eines  abgehäuteten  Exem- 
plars, dass  jedes  Myomer  aus  einer  grossen  Anzahl  dicht  gedrängter 
Bündel  besteht,  welche  der  Längsaxe  des  Thieres  parallel  laufen  und 
mit  ihren  Enden  sich  an  die  Myocommen  festsetzen.  Jedes  Bündel 
besteht  aus  einer  ziemlich  grossen  Anzahl  von  Muskelfasern ,  die  sich 
leicht  mit  Nadeln  trennen  lassen.  Die  Fasern  haben  etwas  wellige 
Conturen  •,  sie  sind  nicht  einfach,  sondern  bestehen  aus  mehreren  Plätt- 
ohen ,  die  quadratische  Form  haben,  horizontal  mit  einander  vereinigt 
und  gestreift  sind.  Man  sieht  die  Querstreifen  schon  mit  einer 
scharfen  Lupe.  Die  meisten  Forscher  haben  kein  Sarcolemma  gefunden, 
wohl  aber  zeigen  sich  hier  und  da  schwer  nachweisbare  Kerne. 

Der  Bauchmuskel  (o,  Fig.  140  bis  14.3)  erstreckt  sich  von  dem 
Anfange  des  Kiemenkorbes  bis  zum  Abdominalporus ,  zwischen  den 
inneren  Rändern  der  Seitenfalten.  Er  schliesst  so  die  Bauchhöhle  nach 
unten  ab.  Das  seine  ventrale  Fläche  bedeckende  Tegument  bildet 
zahlreiche  Längsfalten,  welche  auf  Schnitten  wie  Fransen  aussehen  (o'). 
Nach  vorn  heftet  sich  der  Muskel  an  den  hinteren  Rand  des  Muskels 
des  Tentakelkranzes;    nach   hinten    verdickt   er   sich   und  bildet  so  die 


Amphioxus.  355 

Vorderlippe  des  Abdominalporus.  Unter  einer  schwachen  Vergrösse- 
rung  zeigt  sieh  der  bandartige  Muskel  aus  zwei  parallelen  Längs- 
streifen gebildet ,  welche  in  der  Mittellinie  in  einer  Art  Naht  oder 
Raphe  zusarameustossen.  Jeder  Längsstreifen  wird  nämlich  von 
einer  ununterbrochenen  Reihe  von  Querfasern  zusammengesetzt,  die  in 
der  Raphe  zusammenstossen  und  sich  nach  aussen  an  dem  Innenrande 
der  Wurzel  der  Seitenfalten  anheften.  Die  Raphe  ist  zuweilen  auf 
Querschnitten  kaum  erkenntlich  und  der  Muskel  erscheint  dann  als  ein 
einfacher  Querbogen,  auf  dem  die  Eingeweide  ruhen;  in  anderen  Fällen 
ist  aber  die  Naht  so  weit  gedehnt,  dass  der  Muskel  aus  zwei  voll- 
ständig getrennten  Längshälften  zu  bestehen  scheint,  zwischen  welchen 
der  Darm  gewissermaassen  eingeklemmt  ist  und  bruchartig  gegen  die 
Haut  vorspringt,  deren  Falten  denn  auch  grösstentheils  verwischt  sind. 
Jeder  Längsstreif  besteht  also  aus  einer  Unzahl  von  Querfasern ,  die 
kein  Sarcolemma  besitzen,  aber  einigen  Forschern  zufolge  quer  gestreift 
sind.  Marcusen  (s.  Literatur)  behauptet,  dass  diese  Querstreifung 
nur  bei  wenigen  Individuen  nachweisbar  sei ,  jedenfalls  lässt  sie  sich 
nicht  leicht  beobachten.  Ebenso  streitet  man  noch  über  das  Vorkommen 
von  Längsfasern  in  den  Bauchmuskeln.  Diejenigen,  welche  dasselbe 
leugnen,  behaupten,  dass  die  Anhänger  der  entgegengesetzten  Meinung 
die  Falten  des  Tegumentes  für  Längsfasern  des  Muskels  angesehen 
haben.  Indessen  ist  soviel  richtig,  dass  man  nach  Ablösung  der  Haut 
bei  Betrachtung  der  Oberfläche  des  ausgebreiteten  Muskels  eine  sehr 
feine  Längsstreifung  desselben  sieht,  wenn  man  den  Focus  der  Linse 
etwas  über  den  Sehplau  der  Qiierfasern  einstellt;  nur  lässt  sich  die 
miisculöse  Natur  dieser  feinen  Längsfasern  nichts  feststellen. 

Der  Eudtheil  des  Bauchmuskels  schwillt  bedeutend  an  und  bildet 
die  Bauchwarze  (m,  Fig.  144),  welche  die  Gestalt  einer  Halbkugel 
zeigt  und  deren  Wände  gänzlich  aus  verfilzten  Muskelfasern  bestehen, 
die  sich  in  allen  Richtungen  kreuzen.  Die  Warze  wird  nach  innen  von 
dem  Epitheliura  der  Peribrancbialhöhle  ausgekleidet,  das  sich  hier 
stark  verdickt  und  aus  Cylinderzellen  besteht.  Der  Bauchmuskel 
erneuert  durch  rhythmische,  von  mehreren  Forschern  beobachtete  Be- 
wegungen das  Wasser  in  der  Peribrancbialhöhle;  er  ist  der  wesent- 
lichste Athemmuskel.  Ausserdem  kann  er  durch  seine  Zusammen - 
Ziehungen  die  Geschlechtsproducte  nach  aussen  befördern. 

Nervensystem.  — Wir  unterscheiden  das  centrale  Nervensystem 
und  die  peiüpherischen  Nerven. 

Mau  kann  das  Nervensystem  der  in  Weingeist  conservirten  Thiere 
in  verschiedener  Weise  untersuchen.  Will  man  die  Nervenverzwei- 
gungen in  den  Endflossen  beobachten,  so  taucht  man  die  Exemplare 
während  einiger  Zeit  in  eine  schwache  Lösung  von  Aetzkali,  wäscht 
sie  aus  und  schliesst  sie  in  Glycerin  ein;  man  wird  dann  unter  dem 
Mikroskope    die   Nerven    bis    in    ihre    letzten    Endverzweigungen    ver- 


356 


Wirbelthiere. 


folgen  können.  Um  die  Topographie  des  Rückenmarkes  znr  An- 
schauung zu  bringen,  lässt  man  das  Thier  zwei  Tage  lang  in  Salpeter- 
säure liegen.  Nach  sehr  sorgfältiger  vmd  vollständiger  Auswaschung 
kann  man  mittelst  Nadeln  das  Rückenmark  mit  den  sensiblen  Nerven- 
wurzeln in   seiner  ganzen  Länge  isoliren.     Die  histologische  Structur, 

Fig.  150. 


Vordertheil    des  Nervensystems    isolirt ,    ausgebreitet    und    von    der    Rückenfläclie    aus 

betrachtet,     a,    vordere    Ausbreitung    mit    ihrer    Aushöhlung ;    6,    erstes    Nervenpaar ; 

c,  zweites  Nervenpaar ;  cZ,  Augenfleck ;  e,  sensible  Nerven  ;  /,  Rückenmark. 

sowie    die   Wurzeln    der    motorischen   Muskeln    untersucht    mau    auf 
Schnitten. 

Das  Centralnervensy stem  oder  Rückenmark  (?,  Fig.  140 
bis  146)  liegt  über  der  Chorda  in  einem,  wie  gesagt,  von  der  Chorda- 
scheide gebildeten  Canale,  den  es  gänzlich  ausfüllt.  Es  erreicht  seine 
grösste  Dicke   etwa    in    der  Körpermitte,   spitzt   sich    allmählich   nach 


Amphioxiis. 


357 


beiden  Enden  hin  zu  und  endet  nach  vorn  mit  einer  kleinen  Erweite- 
rung, nach  hinten  mit  einem  meist  hohlen  und  etwas  nach  oben  gerich- 
teten Knöpfchen. 

Wir  sahen,  dass  die  Anfangserweiterung  des  -Rückenmarkes  etwas 
hinter  der  Chordaspitze  in  der  vorderen  Flosse  liegt.  Sie  hat  die 
Gestalt  eines  Ohrlöffelchens ,  dessen  Stiel  von  dem  Rückenmarke  ge- 
bildet wird  (a,  Fig.  150);  ihre  Aushöhlung  setzt  sich  nach  hinten  in 
den  Rückenmarkscanal  fort,  der  hier  nur  geöffnet  und  ausgebreitet 
erscheint.  Die  Wände  der  Erweiterung  sind  mit  deutlichen,  runden 
Zellen  ausgekleidet;  der  Augeufleck  liegt  auf  der  Mitte  des  Vorder- 
randes (b,  Fig.  150).  Die  Wände  sind  aus  mehreren  Zellenschichten 
gebildet;    sie   schliessen   sich   allmählich    nach   hinten   zu   einer   engen 

Fig.  151. 


d.--'- 


Querschnitt  des  Rückenmarkes  im  vorderen  Drittel    seiner  Länge,     a,  Chordascheide ; 
b,    Centralcanal ;     c,    sensible    Nervenwurzel;    d,    motorische    Nervenwurzel;   e,  mittel- 
grosse   Zellen ;   /,    Verlängerungen    derselben    durch    den    Canal    hindurch ;    </,  Fiiesen- 
zellen;  h,  Längsf'asern,  durchschnitten;  i,  Pigment. 


Spalte  zusammen,  die  ebenfalls  mit  zahlreichen  Zellen  ausgekleidet  ist. 
An  der  Stelle,  wo  sich  die  Wandungen  der  Erweiterung  zum  Rücken- 
marke zusammenschliessen,  findet  man  auf  der  Rückenseite  einen  Haufen 
grosser,  multipolarer  Zellen  mit  grossen,  stets  sehr  gefärbten  Kernen, 
die  etwa  ein  Drittel  des  Schnittfeldes  des  Markes  einnehmen. 

Das  Rückenmark  besteht  aus  Fasern  und  aus  Zellen.  Letz- 
tere finden  sich  in  der  Mitte,  in  der  unmittelbaren  Umgebung  des 
Centralcanales,  dessen  Wände  sie  bilden.  Auf  einem  Querschnitte 
(Fig.  151)  sieht  man  schon  bei  schwacher  Vergrösseruug  die  Zellen 
zu  beiden  Seiten   des  Centralcanales  und   die  Fasermassen  rechts   und 


358  Wirbeltlnere. 

links.  Das  Mark  ist  von  einer  sehr  feineu  Hüllmembran  umgeben, 
von  welcher  aus  gegen  den  Canal  convergirende  Scheidewände  die 
Nervenmasse  durchsetzen.  Der  Canal  selbst  ist  mit  einer  Fortsetzung 
dieser  dünnen  Haut  ausgekleidet,  in  welcher  man  längliche  Kerne 
sieht.  Nach  Beobachtungen  am  Lebenden  trägt  dieses  Epithelium 
feine  Wimpern.  Nach  Form  und  Lage  kann  man  mehrere  Arten  von 
Nervenzellen  unterscheiden,  kleine,  mittlere  und  Riesenzellen.  Erstere 
liegen  an  den  Wänden  des  Centralcanals ;  sie  haben  meist  einen  Fort- 
satz und  lassen  sich  nicht  leicht  von  den  Epithelialzellen  unter- 
scheiden. Die  mittleren  Zellen  (e,  Fig.  151)  sind  grösser  und  oft 
zwischen  die  kleineren  eingelagert;  sie  haben  grosse,  runde,  excentrisch 
gelagerte  Kerne.  Diese  Zellen  sind  multipolar;  ihre  Fortsätze  dringen 
theils  in  die  Nervenmasse  ein,  theils  durchsetzen  sie  den  oberen  Theil 
des  Centralcanales  (/,  Fig.  151)  und  stellen  brückenartige  Verbin- 
dungen her;  der  untere  Theil  des  Centralcanales  ist  rund  und  zeigt 
keine  solche  Querbrücken  (h).  Die  Riesenzellen  liegen  in  der  Masse 
zerstreut;  wir  sehen  schon,  dass  sie  au  der  Enderweiterung  einen  an- 
sehnlichen Haufen  bilden,  der  über  dem  Canale  liegt.  Ein  wenig 
mächtiger  Haufen  liegt  unter  dem  Canale,  so  dass  hier  die  RiesenzelJen 
eine  Art  Ring  um  den  Canal  bilden.  Sie  sind  multipolar  und  ihre  in 
die  Fasermasse  eindringenden  Fortsätze  bilden  die  sogenannten  Riesen- 
fasern ig,  Fig.  151). 

Die  Markfasern  sind  meist  sehr  fein  und  erscheinen  die  Läugs- 
fasern  auf  Querschnitten  als  ein  feines,  in  einer  maschigen  Grund- 
substanz aus  Bindegewebe  eingebettetes  Getüpfel.  Die  Querfasern, 
welche  aus  den  Fortsetzungen  der  den  Centralcanal  umgebenden  Zellen 
(c,  Fig,  151)  hervorgehen,  sind  ebenfalls  sehr  fein;  sie  strahlen  nach 
der  Peripherie  aus  und  bilden  die  Wurzeln  der  Nerven.  Die  Riesen- 
fasern erscheinen  auf  Durchschnitten  wie  helle,  in  der  Masse  zerstreute 
Räume  (g,  Fig.  151);  meist  liegen  mehrere  derselben  in  einer  Gruppe 
zusammen.  Ihre  AVandung  ist  sehr  dünn;  der  Inhalt  färbt  sich  stark. 
Ausserdem  sieht  man  noch  auf  jeder  Seite  des  Markes  wenig  zahl- 
reiche Längsfasern  (/i,  Fig.  151),  die  scharf  begrenzt  sind.  Ihre  Be- 
deutung kennt  man  nicht. 

Fast  auf  der  ganzen  Länge  des  Mai'kes  sieht  man  zu  beiden 
Seiten  des  Bodens  des  Centralcanales  unregelmässig  zerstreute  Pigment- 
massen  in  wechselnden  Entfernungen ,  die  aber  an  den  beiden  Enden 
des  Markes  fehlen  (i,  Fig.  151).  Sie  bestehen  aus  sehr  dunklen, 
schwarzen  Pigmeutkörnern.  NachRohon,  der  sie  bei  lebenden  Thieren 
genauer  untersucht  hat,  liegen  diese  Körner  im  Protoplasma  von  Stern- 
zellen, die  einen  Kern  haben.  Besonders  bemerkenswerth  ist,  dass 
dieses  Pigment  im  Vordertheile  des  Markes  fehlt,  während  dort,  hart 
am  Ende  des  Ganzen,  ein  grosser,  medianer  Pigmentfleck  sitzt,  den 
man  als  Augenfleck  angesprochen  hat. 


Ampliioxus. 


359 


Peripherisclies  Nervensystem.  —  Man  kann  hier  zuerst  zwei 
Abtheiluugeu  unterscheiden:  die  paarigen  Nerven  am  Vorderende, 
welche  auf  gleicher  Höhe  im  Marke  entspringen,  und  die  eigentlichen 
Rückenmarksuerven,  deren  Wurzeln  in  abwechselnder  Höhe  angebracht 
sind.  Letztere  scheiden  sich  in  sensible  und  motorische  Nerven.  Die 
Wurzeln  der  sensiblen  Nerven,  deren  man  62  zählt,  entspringen  am 
oberen  Kande  der  Seitenmassen  des  Markes  (r,  Fig.  151)  und  wechseln 
von  rechts  nach  links  bei  jedem  Myomer  ab.  Hire  Wurzeln  sind 
schmal.  Abwechselnd  mit  ihnen  entspringen  die  motorischen  Nerven 
mit  sehr  breiten  Wurzeln  vom  Unterrande  der  seitlichen  ^larkraasseu 
{cl,  Fig.  151),  die  erste  motorische  Wurzel  unmittelbar  hinter  der  vor- 
deren Enderweiterung. 

Sensible  Nerven.  —  Sie  lassen  sich  leicht  aufLiings-  und  Quer- 
schnitten ,  sowie  an  jungen  Exemplaren  untersuchen ,  die  man  einige 
Zeit  in  sehr  verdünnter  Kalilauge  macerirt  hat.     Nach  einigen  Minuten 

Fig.  152. 


Hintere  En<lrioj>se.  u,  Rückenmark;  a' ,  seine  Eudigung  in  einem  aufgestülpten 
Knöpt'ehen ;  b,  Chorda;  c,  sensitive  Nerven,  obere  Zweige;  d,  untere  Zweige  der- 
selben ;  e,  letztes  JMyocomma,  die  Grenze  der  weggelassenen  Seitenmuskelu  andeutend. 


schon  wird  das  Thierchen  so  durchsichtig,  dass  man  unter  geringer 
Vergrösserung  den  Verlauf  der  Nerven  bis  in  ihre  letzten  Endzweige 
verfolgen  kann.  x\uf  Querschnitten  sieht  man,  dass  abwechselnd  links 
und  rechts  in  der  Höhe  der  Myomeren  ein  sensibler  Nerv  von  dem 
oberen  Rande  des  Markes  abgeht,  der  im  Allgemeinen  dem  Myoconima 
sich  anschmiegt  und  sich  sofort  nach  dem  Austritte  in  zwei  ungleiche 
Aeste  theilt,  einen  oberen,  welcher  direct  nach  der  Rückenfläche  auf- 
steigt und   sich   besonders  in   der  Haut   und   den  Flossenstrahlen  ver- 


360  Wirbelthiere. 

zweigt,  und  einen  unteren,  der  an  der  Bauchseite  hinabsteigt,  tief  in 
den  Unterschichten  des  Tegumentes  eingesenkt  ist,  und  zwei  Haupt- 
zweige abgiebt,  einen  zu  der  Haut  und  einen  anderen,  welcher  in  die 
Aussenwand  der  Seitencanäle  eindringt  und  leicht  auf  Querschnitten 
verfolgt  werden  kann.  Diese  Anordnung  lässt  sich  besonders  leicht 
in  der  hinteren  Flosse  verfolgen  (c,  d,  Fig.  1.52).  Die  vorderen  sen- 
siblen Nerven  sind  nur  wenig  wechselständig  und  gehen  fast  auf  dem- 
selben Querschnitte  ab;  die  seitliche  Wechselständigkeit  tritt  erst  im 
vorderen  Drittel  des  Markes  stark  hervor. 

Motorische  Nerven.  —  In  jedem,  einem  Myomer  entsprechenden 
Segmente  entspringt  abwechselnd  von  links  nach  rechts  von  dem 
unteren  Winkel  des  Markes  nahe  an  der  Basis  ein  motorischer  Nerv. 
Die  Wurzeln  wechseln  mit  den  sensitiven  Wurzeln  in  der  Art  ab,  dass 
man  auf  jedem  Querschnitte,  welcher  Nervenwurzeln  getroffen  hat, 
auf  der  einen  Seite,  sei  es  rechts  oder  links,  eine  sensible  und  auf  der 
entgegengesetzten  Seite  eine  motorische  Wurzel  erblicken  wird.  Die 
motorischen  Nerven  lassen  sich  nur  sehr  schwer  in  ihrem  Gesammt- 
verlaufe  verfolgen ;  sie  lösen  sich  leicht  an  ihrem  Ursprünge  ab ,  so 
dass  man  an  einem  isolirten  Rückenmarke  nur  kleine  Vorsprünge  oder 
Zöttchen  an  ihren  Austxittsstellen  sieht.  Man  muss  also  Längs-  und 
Querschnitte  zu  Hülfe  nehmen.  Jeder  motorische  Nerv  zeigt  eine  in 
die  Länge  gezogene  Wurzel  (d,  Fig.  151),  die  aus  einer  Menge  von 
Fäserchen  besteht,  welche  isolirt  durch  kleine  Löchelchen  aus  der 
Chordascheide  nach  aussen  treten.  Diese  Fäserchen  breiten  sich  nach 
ihrem  Austritte  pinselförmig  aus  und  treten  mit  den  Fasern  der 
Körj)ermuskeln  in  Verbindung.  Zwischen  den  Fäserchen  sieht  man 
zahlreiche ,  ohne  Ordnung  zerstreute  ovale  Kerne.  Die  hinteren 
Fäserchen  des  Nervens  steigen  am  inneren  Rande  der  Myomeren 
gegen  die  Bauchfläche  herab ,  wo  sie  sich  in  den  Muskeln  ver- 
zweigen. 

Vordere  Nerven.  —  Aus  der  vorderen  Spitze  der  Hirn- 
erweiterung entspringen  mit  einer  gemeinsamen  Wurzel  zwei  Nerven 
(b,  Fig.  150  und  153  a.  f.  S.),  welche  anfangs  parallel  mit  einander 
in  der  Vorderflosse  verlaufen,  und  erst  nach  einiger  Zeit  Zweige  ab- 
geben, die  sich  bis  zum  freien  Rande  der  Flosse  verästeln.  Diese 
Nerven  bilden  das  erste  Paar;  etwas  hinter  ihnen  sieht  man  die 
dicken  Wurzeln  des  zweiten  Paares  (c,  Fig.  150  und  153),  die  schon 
zum  Theil  von  den  Muskeln  verdeckt  werden.  Diese  Nerven  ver- 
ästeln sich  bald  und  versorgen  die  Seiten  der  Flosse  und  die  Um- 
gebung der  Mundöflfnung.  Ihrer  Gesammtanordnung  nach  rcpräsen- 
tiren  diese  beiden  Nervenpaare  einen  einzigen  sensiblen  Nerven,  dessen 
dorsaler  Ast  von  dem  ersten ,  der  ventrale  von  dem  zweiten  Paare 
dargestellt  würde. 


Amphioxiis. 


361 


Roh  OD  (s.  Literatur)  hat  noch  ein  drittes  Nervenpaar  beschrieben 
und  abgebildet,  welches  unmittelbar  hinter  dem  zweiten  entspringen 
soll.     Wir  haben   dasselbe  nicht  zur  Anschauung  bringen  können. 

Fio-.   153. 


—r 


Vorderende  zur  Vevanschaulichung  der  Nerven,  a,  Eiechgrübchen ;  ^,  erstes  Nerven- 
paar; c,  zweites  Nervenpaar;  f/,  Augenfleck;  e,  Ganglienzellen  an  den  Nerven- 
endigungen;  /,    Chorda;    (/ ,    Rückenmark;    A ,    Flossenstrahlen ;    i,    Ausatzlinien    der 

Mvocommen. 


Sinnesorgane.  —  Sie  sind  höchst  einfach.  I\Ian  kann  Tastzellen 
in  der  Kopfregion,  Geschmackszellen  auf  den  Papillen  des  Muskel- 
ringes unterscheiden,  der  die  Mundhöhle  von  dem  Kiemenkorbe  trennt; 
man  findet  ferner  einen  Augenfleck  und  ein  uupaares  Wimperbecher- 
chen,  vielleicht  Riechorgan.      Ein  Gehörorgan  fehlt  gänzlich. 

Ta  st  Zellen.  —  Wir  sagten  schon  bei  Gelegenheit  der  Tegu* 
mente,  dass  gewisse  Zellen  in  der  Epidermis  der  Vorderflosse  steife 
Härchen  tragen  und  mit  dem  Ende  eines  Xervenfäserchens  in  Verbindung 
stehen.  Aehnliche  Zellen  findet  man  auch,  aber  in  geringerer  Menge, 
auf  der  Hinterflosse.  Es  sind  wohl  Tastzelleu.  Die  Nervenendigungen 
in-  der  Vorderflosse  bieten  ausserdem  besondere  Bildungen,  die  man 
durch  Behandlung  mit  sehr  verdünnter  Kalilauge,  welche  die  Gewebe 
sehr  durchsichtig  macht,  leicht  zur  Anschauung  bringen  kann.  Man 
sieht  dann  am  Rande  der  Flosse  schon  bei  geringer  Vergrösserung, 
und  zwar  meist  in  der  Gabelung  zweier  aus  einander  weichender 
Nervenfasern  kleine,  runde  oder  ovale,  durchsichtige  Ganglienzellen 
(e,  Fig.  153),  in  welchen  man  meist  einen  ovalen  Kern  unterscheiden 
kann.  Häufig  sieht  mau  auch,  aber  nur  unter  starken  Vergrösserungen, 
nahe  an  dem  Ende  eines  Nervenfäserchens  eine  von  kurzen  und  sehr 
feinen  Linien  gebildete  Figur  in  Form  eines  Winkels  oder  eines  Kreuzes. 


362  Wirbeltliiere. 

Ge  seil  m  ackszellen.  —  Sie  finden  sich  vorzugsweise  auf  den 
Fransen,  welche  auf  dem  hinteren  Rande  des  Muskelringes  sitzen,  der 
die  Mundhöhle  von  dem  Kiemenkorbe  trennt  ((7,  Fig.  154).  Auch  auf 
den  Cirrhen  des  Tentakelkranzes  finden  sich  solche  Zellen ,  die  auf 
dem  freien  Ende  ein  steifes  Härchen  tragen  und  deren  Basis  sich  in 
einen  laugen  Faden  fortsetzt,  welcher  schliesslich  zu  einem  der  zahl- 
reichen Endzweige  der  Nerven  geht,  die  in  der  dicken  Unterhaut- 
schicht verlaufen,  welche  den  Tentakelkranz  umgiebt.  Auf  den  Fransen, 
des  Muskelringes  stehen  diese  Geschmackszellen  kranzförmig  auf  kleinen 
Erhöhungen  der  Haut. 

Sehorgan.  —  Man  spricht  gewöhnlich  als  das  Rudiment  eines 
solchen  einen  unmittelbar  auf  dem  Ende  der  Markerweiterung  sitzen- 
den Pigmentfleck  an  (/,  Fig.  148;  d,  Fig.  153),  dessen  Umrisse  sehr 
unregelmässig  sind.  Meist  ist  dieser  Fleck  einfach  in  der  Mittellinie 
gelegen ;  man  hat  aber  auch  zuweilen  zwei  Flecke  gesehen.  Das  Pig- 
ment besteht  aus  kleinen ,  dicht  au  einander  gedrängten  schwarzen 
Körnchen,  de  Quatrefages  (s.  Literatur)  hat  einen  Sehnerven  und 
eine  Krj^stalllinse  beschrieben  und  abgebildet.  Gegenwärtig  hat  man 
diese  Ansicht  verlassen  und  betrachtet  sogar  den  Fleck  als  eine  Fort- 
setzung der  oben  beschriebenen  Pigmentflecke  im  Inneren  des  Rücken- 
markes. Auf  Querschnitten  sieht  man  den  Fleck  unmittelbar  auf  der 
Nervensubstanz  aufsitzen ;  bei  einem  jungen  Individuum  fanden  wir 
ihn  sogar  ganz  von  Nervensubstanz  umgeben  und  nahe  am  Grunde 
der  Erweitening  eingebettet. 

Wir  müssen  hier  eines  Organes  erwähnen,  das  Hasse  (s.  Litera- 
tur) als  ein  Sehorgan  anspricht.  Er  fand  bei  einem  Amphioxus  aus 
der  Südsee  auf  beiden  Seiten  des  Körperendes  Pigmentflecke,  die  unter 
der  Lupe  wie  kleine  Becherchen  aussahen.  Wir  haben  bei  unseren 
Exemplaren  nichts  der  Art  finden  können.  Wohl  aber  sieht  man 
häufig  im  Tegumente  der  Seiten  und  Enden  Ablagerungen  eines  gelb- 
lichen Pigmentes,  die  aber  mit  Sehorganen  nichts  gemein  haben. 

Riechorgan.  —  Dieses  vonKöllicker  entdeckte  Organ  besteht 
in  einem  kleinen,  meist  auf  der  linken  Seite  über  dem  Augenflecke 
liegenden  Becherchen  (a,  Fig.  153),  das  mit  ziemlich  langen  Wimpern 
besetzt  ist  und  durch  einen  Nerven  mit  der  Hirnerweiterung  zu- 
sammenhängt. Auf  Querschnitten  sieht  man  ,  dass  das  Grübchen  eine 
tiefe  Einstülpung  des  Tegumentes  ist,  deren  Boden  fast  neben  der 
Hirnerweiteruug  liegt  und  mit  dieser  durch  einige  Fädchen  verbunden 
ist.  Die  Function  als  Geruchsorgan  ist  ziemlich  zweifelhaft.  Einige 
Forscher  betrachten,  wahrscheinlich  mit  mehr  Recht,  das  Grübchen 
als  den  letzten  Rest  des  embryonalen  Rückenporus,  das  in  den  primi- 
tiven Nervencanal  führt. 

Verdauungs-  und  Respirationssystem.  —  Durchaus  unter- 
halb der  Chorda  gelegen ,   erstreckt  sich   dieses  System    als   ein  langer 


Aniphioxiis. 


363 


Schlauch,  der  vorn  durch  eiue  Längsspalte,  den  Mund,  geöffnet  ist, 
bis  zum  asymmetrisch,  meist  auf  der  linken,  zuweilen  auch  auf 
der  rechten  Seite  der  Mittellinie  am  Anfange  der  Endflosse  gelegeneu 
After.  Man  kann  folgende  Abschnitte  unterscheiden:  die  Mundhöhle 
mit  ihrem  Tentakelkranze  und  dem  sie  abschliessenden ,  mit  Fransen 
besetzten  Muskelring;  den  fast  über  die  Hälfte  der  Körperlänge  sich 
erstreckenden  Kiemenkorb;  den  Blinddarm,  welcher  am  Ende  des 
Kiemenkorbes  sich  abzweigt  und  auf  der  linken  Seite  desselben  fast 
bis  zum  Muskelringe  der  Mundhöhle  sich  ausdehnt,  und  endlich  den 
Darm,  der  in  gerader  Linie  sich  zum  After  erstreckt.  Da  ein  be- 
deutender Theil  des  ganzen  Tractus  von  dem  Athemorgane  ein- 
genommen ist,  müssen  wir  dieses  mit  dem  eigentlichen  Darmcauale  zu- 
sammen behandeln. 

Die  Mundhöhle   bildet   eine  weite,    auf  der   Bauchfläche   durch 
eine  Längsspalte   geöffnete   Tasche   (a,  Fig.  139).      Der  Mund   ist   von 


Fio-.  15-i 


Vordertheil  eines  Exemplars,  Jessen  linke  Seitenmuskelu  weggenommen  sind,  etwa 
30  fach  vei-grössert.  u,  Tentakelkranz ;  b,  Ringmuskel;  c,  fingerförmige  Flimmer- 
wülsto ;  d,  auf  dem  Rande  der  Oeffnung  des  Ringmuskels  sitzende  Fäden  ;  e,  Kiemen- 
korb;  /,  spaltenloser  Aljsidinitt  des  Kiemenkorbes;  </,  Chorda;  Ji,  Seitennuiskeln ; 
•/,   Flossenstrahlen  ;   l-,   Rückenmark ;   l,  Augentleck. 


einer  Anzahl  von  Stäbchen  umgeben,  welche  auf  einem  unvollständigen 
Knorpelringe  (a,  Fig.  154)  aufsitzen.  Dieser  Tentakelkranz  liegt  hori- 
zontal; er  ist  nach  vorn  geöffnet,  nach  hinten  geschlossen,  verdickt 
sich  hier  bedeutend  und  vereinigt  sich  mit  dem  Fransenmuskel 
(&,  Fig.  154).  Die  Decke  der  Mundhöhle  wird  theilweise  von  der 
Unterfläche  der  Chorda,  theilweise  von  den  letzten  Enden  der  Myo- 
meren hergestellt;  ihre  sehr  dünnen  Seitenwände  werden  nur  von 
den  Tegumenten  gebildet.  Die  Mundhöhle  ist  innerlich  von  einem 
Schleimhautepithel  überzogen. 


364 


Wirbelthiere. 


Der  Tentakelkranz  hat  also  die  Form  eines  nach  vorn  ge- 
öffneten Hufeisens,  das  scheidenartig  von  den  Tegumenteu  umhüllt 
ist.  Die  den  Kranz  zusammensetzenden  festen  Theile  hahen  alle  die- 
selbe Form ,  werden  aber  nach  vorn  zu  kleiner.  Jedes  Glied  besteht 
aus  einem  halb  knorpeligen  Cylinder  (a,  Fig.  155),  dessen  convexes 
Hiuterende  in  das  concave  Vorderende  des  nächsten  Stückes  eingelenkt 
ist.  Vom  Vorderrande  eines  jeden  Gliedes  geht  auf  der  Innenseite  ein 
langes,  cylindrisches  Stäbchen  aus  Q),  Fig.  155),  das  sich  an  seinem 
freien  Ende  zuspitzt.  Bei  einem  erwachsenen  Exemplare  zählt  man 
34  solcher  Stäbchen;  ihre  Zahl  scheint  mit  dem  Alter  zuzunehmen. 
Alle  diese  Stücke  werden  am  Grunde  durch  einen  Muskelring  ver- 
bunden, der  hinten  am  mächtigsten  ist. 

Fig.  155. 


Stück    des    Teiitakelkranzes.      Verick,    Oc.    1,    Obj.   2.     a,    Skelettstück    der   Basis; 
b,  seine  Verlängerung ;  c,  Muskel,  der  sämmlliclie  Stücke  vertjindet ;    d,  kegelförmige 

"  Erhebungen  des  Epitheliums  e. 


Untersucht  man  mit  stärkeren  Vcrgrösserungen  die  Sti'uctur  dieser 
Skeletttheile,  so  findet  man  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Structur 
der  Chorda.  Man  sieht  in  der  That  eine  Innensubstanz  mit  Quer- 
streifen und  eine  sich  wenig  färbende  Hülle,  die  mit  der  Chorda- 
scheide Aehnlichkeit  hat.  Das  Ganze  ist  mit  einer  Fortsetzung  des 
äusseren  Körpertegumentes  überkleidet,  worin  man  aber  Cylinderzellen 
findet,  die  auf  den  Seiten  der  Stäbchen  Wärzchen  oder  Kegel  bilden, 
in  welchen  die  Zellen  eine  bedeutende  Länge  erreichen  und  mit  ihren 
Spitzen  gegen  den  Gipfel  der  Wärzchen  convergiren  (c/,  Fig.  155).  An 
lebenden  Exemplaren  sieht   man  Wimpern    und  steife  Endhärchen,  die 


Amphioxiis.  365 

Langerhans  (s.  Literatur)  beschrieben  und  abgebildet  hat;  die  Zellen 
laufen  in  ein  Nervenfädchen  aus;  es  sind  die  obenerwähnten  Geschmacks- 
zellen.  Man  zählt  etwa  35  solcher  Geschmackskegel  auf  einem  Stäbchen. 

Untersucht  man  einen  Querschnitt  der  Basis  des  Tentakelkranzes, 
so  sieht  man  auf  der  äusseren  Seite  das  Tegument,  auf  der  inneren 
das  Mundepithel.  Der  dicke  Kern  des  Schnittes  wird  von  der  Muskel- 
masse und  dem  durchschnittenen  Skelettgliede  eingenommen ,  aber 
zwischen  diesem  Kern  und  den  Wandungen  sieht  man  einen  leeren 
Raum,  welcher  allseitig  mit  einer  feinen  Membran  ausgekleidet  ist,  die 
sehr  abgeplattete  Kerne  enthält.  Diese  Bildung  erinnert  an  die  Seiten- 
canäle,  und  in  der  That  sind  diese  Hohlräume  directe  Fortsetzungen 
der  Seitencanäle.  Verfolgt  man  unter  dem  Mikroskope  die  Einlenkung 
der  Stäbchen  auf  den  Basalgliedern  des  Tentakelkranzes,  so  sieht  man, 
dass  diese  Räume  sich  an  dem  Stäbchen  in  die  Höhe  ziehen  bis  zu 
dem  spitzen  Ende,  und  auf  Querschnitten  sieht  man  den  Canal  als 
einen  dreieckigen  Raum,  der  unmittelbar  dem  Knorpelstäbchen  anliegt. 

Die  Wände  der  Mundhöhle  zeigen  je  nach  den  Gegenden 
mancherlei  Verschiedenheiten  der  constituirenden  Elemente.  Am  Ein- 
gange sind  die  auskleidenden  Zellen  cubisch  und  einschichtig,  denen 
des  Tegumentes  ähnlich.  Weiter  nach  hinten  findet  man  au  den 
Wänden  des  Grundes  ziemlich  bedeutende  Anhäufungen  eines  roth- 
braunen Pigmentes.  Die  Zellen  des  Daches  verlängern  sich  ungemein 
und  werden  fadenförmig.  Sie  werden  mehrschichtig  und  bilden  an 
den  Seiten  des  Grundes  fingerförmige  Streifen  (c,  Fig.  154),  die  man 
schon  mit  der  Lupe  sieht.  Nach  Beobachtungen  an  lebenden  Thieren 
tragen  diese  Zellen  lange  Wimpern,  deren  Bewegungen  besonders  den 
Strom  des  eintretenden  Wassers  in  den  Schlund  befördern  sollen. 
Uebrigens  flimmert  das  Endothelium  des  gesammten  Darmtractus. 

Wir  müssen  hier  noch  einer  eigentlichen  Bildung  gedenken ,  die 
man  auf  der  Aussenseite  der  rechten  Mundwandung  an  der  Chorda 
bemerkt  (s,  Fig.  140).  Man  sieht  hier  einen  ziemlich  langen  Hohl- 
raum, der  sich  zwischen  der  Costallamelle  der  Chordascheide  und  der 
Muudwandung  hinzieht  und  mit  einer  feinen  Haut  ausgekleidet  ist, 
die  abgeplattete  Kerne  enthält.  Auf  der  Innenwand  dieser  Höhle 
finden  sich  knospenartige,  zuweilen  verästelte  Wucherungen,  die  in 
den  Hohlraum  vorspringen.  Das  unterliegende  Mundepithel  zeigt 
ebenfalls  aussergewöhnliche  Wucherungen.  Der  diese  Bildungen  ein- 
schliessende  Hohlraum  ist  nach  vorn  blind  geschlossen,  setzt  sich  aber 
nach  hinten  in  den  Seitencanal  an  dem  Punkte  fort,  wo  der  Fransen- 
muskel  die  Mundhöhle  gegen  den  Kiemenkorb  abschliesst.  Die  Be- 
deutung dieser  Bildung  ist  noch  dunkel.  Langerhans  betrachtet 
sie  als  ein  Diverticulum  der  Aorta,  Rolph  (s.  Literatur)  als  eine  Drüse. 
Vielleicht  ist  es  der  degenerirte  Rest  der  Kopfniere,  des  Pronephros 
der   übrigen   Wirbelthiere.     Dem   äusseren   Ansehen   nach   ist   die   Bil- 


366 


Wirbelthiere. 


düng  drüsiger  Natur  und  in  der  Nähe  verläuft  ein  grosses  Blutgefäss, 
das  wobl  ein  Ast  der  Aorta  sein  mag.  Auf  der  linken  Seite  der  Chorda 
sieht  man  au  dem  entsprechenden  Orte  nur  einen  engen  Raum  ohne 
innere  Wucherungen  (f,  Fig.  140). 

Der  Rin  gm  uskel  der  Mundhöhle  scheidet  dieselbe  gegen  den 
Kiemenkorb  ab.  Es  ist  eine  dicke,  fleischige  Masse  (b,  Fig.  154),  die 
sich  oben  an  die  Chorda,  seitlich  an  die  Myomeren  und  unten  an  den 
Bauchmuskel  anlehnt,  mit  dem  sie  verschmilzt  (d,  Fig.  154).  Die 
Vorderfläche  des  Muskelringes  ist  mit  braun  pigmentirten  Zellen  aus- 
gekleidet. Auf  den  Lippen  der  centralen  Oefi'nung  dieses  Muskelringes 
sitzen  lauge,  zungenförmige  Fäden,  die  meist  in  den  Kiemenkorb 
hineinspielen  {d,  Fig.  154).  Der  Rand  der  Oeffnung  wird  durch  einen 
Knorpelriug  gestützt,  von  welchem  Knorpelfäden  in  die  kleinen  hin- 
teren Tentakeln  ausstrahlen.  Letztere  sind  von  verschiedener  Länge ; 
ihr  inneres  Knorpelfädchen  ist  mit  einem  Cylinderepithelium  über- 
zogen. Mit  starken  Vergrösserungen  glaubt  man  auch  Muskelfasern 
an  den  grösseren  Tentakeln  zu  erkennen.  Off'enbar  vermitteln  auch 
diese  Bildungen  Geschmacksempfindungen,  denn  man  findet  auch  hier 
Härchenzellen,  den  beschriebenen  Geschmackszellen  ähnlich.  Die  Ten- 
takeln spielen  oft  auch  in  die  Mundhöhle. 

Der  Kiemenkorb  (c/,  Fig.  138;  e,  Fig.  154)  erstreckt  sich  vom 
Ringmuskel   bis    zur   Abgangsstelle   des   Blinddarmes  durch   die  Mitte 

der  Leibeshöhle  in  Gestalt  eines 
von  beiden  Seiten  her  stark 
durch  den  Blinddarm  und  die 
Geschlechtsorgane  zusammenge- 
drückten Rohres,  das  oben  an 
der  Ventralfläche  der  Chorda 
aufgehängt  ist.  Der  ganzen 
Länge  nach  verlaufen  zwei  Rin- 
nen, eine  obere ,  die  E  p  i  b  r  a  n  - 
c  h i  a  1  r i n  n  e ,  und  eine  untere, 
die  II  y  p  0  b  r  a  n  c  h  i  a  1  r  i  n  n  e  (?',  u\ 
Fig.  142).  Schon  mit  blossem 
Auge  sieht  man  schiefe,  von 
oben  und  vorn  nach  hinten  und 
unten  gerichtete  Linien  als  Aus- 
druck kleiner,  mit  Epithelien 
ausgekleideter  Knorpelstäbe,  die 
durch  kleine  Querleisten  mit 
einander    verbunden    sind   (Fig. 

Q,"  1.  1     ci   1  ^i      1     !-■         ,1  .        156).       Sie     bilden     das    Gerüst 

btuck  des  Skelettes  des  Jvicmenkorlies.  a,  ein-  ^ 

fache   Stäbchen;    &.  zweispaltige   Stäbchen,     tles  Korbes  und   lassen   zwischen 
(Der  Kopf  ist  nach  rechts  gerichtet  zu  denken.)     sich   eine   bestimmte  Anzahl  von 


Fio-.  156. 


Ampliioxus.  367 

Spalten,  durcli  welche  das  vom  Munde  her  eingedrungene  Wasser  in 
die  Peribranchialhöhle  abläuft,  um  sodann  durch  den  Abdominalporus 
entleert  zu  werden.  Der  vorderste  Abschnitt  des  Korbes  zeigt  keine 
Kiemenspalten  (/,  Fig.  154),  sondern  eine  lückenlose  Wand,  welche  die 
Stäbchen  umhüllt.     Wir  werden  auf  diese  Bildung  zurückkommen. 

Um  das  Kieraengerüst  für  sich  zu  untersuchen,  breitet  man  ein 
ausgeschnittenes  Stück  auf  dem  Objectträger  aus  und  giesst  sehr  ver- 
dünnte Kalilauge  darüber.  Nach  einiger  Zeit  sind  die  übrigen  Gewebe 
gelöst  und  das  Gerüst  allein  übrig.  Es  besteht  aus  etwa  240  langen, 
durch  Querleisten  verbundenen  Stäbchen,  deren  mau  zwei  Arten  unter- 
scheiden kann,  die  mit  einander  abwechseln,  einfache  (a,  Fig.  15(3) 
und  zweispaltige  (&).  Das  obere  Ende  eines  jeden  Stäbchens  spaltet 
sich  in  zwei  Fäden ,  die  im  Bogen  sich  krümmen ,  um  sich  mit  den 
benachbarten  Stäbchen  zu  verbinden.  Die  zweispaltigen  Stäbchen 
sind  länger  als  die  anderen ;  sie  spalten  sich  auch  am  unteren  Ende  in 
zwei  auseinander  liegende  Fäden,  während  die  einfachen  spitz  ohne 
Gabelung  enden.  Der  Bau  ist  derselbe  auf  der  ganzen  Länge  des 
Kiemenkox'bes,  nur  werden  die  Stäbchen  kürzer  an  beiden 'Enden. 

Die  Theile  des  Gerüstes  sind  unter  sich  beweglich  ,  der  Muskel- 
apparat complicirt.  Man  unterscheidet  leicht  bei  der  Profilansicht 
einen  musculösen  Längsstreifen  auf  der  ganzen  Bauchfläche  des  Korbes. 
Langerhans  beschreibt  Muskelfäserchen,  die  von  den  spitzen  Enden 
der  einfachen  Stäbchen  ausgehen  und  sich  an  den  Gabelenden  der 
zweispaltigen  ansetzen.  Längs  der  dorsalen  Mittellinie  verläuft  eben- 
falls ein  Muskelstreifen,  wie  auf  der  ventralen  Linie.  Eohou  (s.  Lite- 
ratur) erwähnt  Muskelfäserchen,  die  der  Länge  nach  an  den  Stäbchen 
verlaufen,  andere  zwischen  den  Stäbchen  und  endlich  noch  Fasern,  welche 
in  der  dorsalen  Region  des  Korbes  in  den  Zwischenräumen  zwischen  den 
Stäbchen  sich  finden  sollen.  Wir  haben  letztere  nicht  constatiren  können. 

Zur  genaueren  Untersuchung  der  Structur  im  Ganzen  muss  man 
Schnitte  zu  Hülfe  nehmen.  Wir  sahen  schon ,  dass  der  Kiemenkorb 
in  einem  kleinen,  vordersten  Abschnitte  (Fig.  141)  keine  Spalten  zeigt. 
Das  Epithelium,  welches  die  Wandung  auskleidet,  die  der  Ventralseite 
der  Chorda  angeheftet  ist,  besteht  aus  kleinen  Cylinderzellen  mit 
grossen,  der  Basis  der  Zelle  genäherten  Kernen,  die  sich  stark  färben. 
Diese  Schicht  kleidet  nur  den  medianen  Theil  der  Chordascheide  aus 
und  löst  sich  bald  im  Bogen  ab,  um  die  Innenfläche  des  Kiemenkorbes 
zu  überziehen.  Dabei  werden  die  Zellen  sehr  hoch  und  dickwandig; 
sie  ruhen  dann  auf  einer  Schicht,  in  welcher  man  von  oben  nach 
unten  verlaufende  Fasern  unterscheiden  kann,  und  diese  Schicht  ist 
wieder  gegen  die  Peribranchialhöhle  hin  mit  einer  dünnen  Haut  über- 
zogen, die  sehr  abgeplattete  Kerne  enthält.  Die  Faserschicht  erstreckt 
sich  über  die  ganze  Länge  des  Kiemenkorbes  und  bildet  seine  Grund- 
lage.    Die  sie   auskleidenden  Cylinderzellen    sind   nicht   überall   gleich 


368 


Wirbelthiere. 


hocli,  so  dass  sie  wellige  Erhöhungen  und  Thäler  bilden.  Gegen  die 
Bauchfläche  hin  verlässt  die  äussere  Hülle  den  Kiemenkorb  und  schlägt 
sich  nach  der  Bauchwand  hinüber,  wo  sie  sich  mit  der  Costallamelle 
verbindet;  sie  bildet  so  jederseits  eine  horizontale  Scheidewand 
(f-,  Fig.  141),  die  eine  Kammer  abschliesst,  in  welche  das  Athemwasser 
nicht  eindringen  kann.  Da  das  Peritoneum  in  der  Mittelebene  dorsal 
an  der  Chorda,  ventral  an  dem  Schliessmuskel  des  Bauches  befestigt 
ist,  so  entstehen  durch  diese  horizontalen  Scheidewände  vier  Kammern 
oder  Taschen,  zwei  obere  mit  geschlossenen  Wandungen ,  zwei  untere, 
in  welche  das  durch  die  Kiemenspalten  fliessende  Wasser  eindringen 
kann.  In  der  That  umgreifen  die  unteren  Taschen  den  ventralen  Theil 
des  Kiemenkorbes  mit  seiner  Hypobranchialrinne  und  den  durch  die 
Spalten  von  einander  getrennten  Stäbchen  des  Korbes,  Wie  derselbe 
Schnitt  zeigt,  ist  die  Epibranchialrinne  noch  nicht  ausgebildet,  während 
die  Hypobranchialrinne  schon  entwickelt  ist.  Man  könnte  demnach  mit 
vollem  Rechte  die  oberen  Kammern  als  Epibranchialtaschen  (^•^)  be- 
zeichnen und  den  Namen  der  Peribranchialtaschen  (t^)  den  unteren 
Kammern  lassen,  um  so  mehr,  als  die  Epibranchialtaschen  von  vorn  nach 
hinten  an  Grösse  abnehmen  und  allmählich  fast  ganz  verschwinden. 

In  einem  weiter  nach  hinten  gelegten  Schnitte  (Fig.  142)  sehen 
wir  bedeutende  Aenderungen.  Die  beiden  Mittelrinnen,  Epi-  und  Hypo- 
branchialrinne {v,  tu),  sind  vollständig  ausge- 
bildet; die  ganzen  Wandungen  des  Kiemen- 
korbes sind  von  den  Knorpelstäbchen  mit  den 
dazwischen  liegenden  Spalten  gebildet.  Die 
horizontalen  Scheidewände,  welche  die  oberen 
und  unteren  Kammern  trennen,  gehen  fast  am 
unteren  Rande  der  Epibranchialrinne  (ü)  ab;  die 
senkrechten,  ventralen  Scheidewände  sind  ver- 
schwunden ,  so  dass  die  beiden  Peribranchial- 
taschen (^■*)  in  einen  einzigen  Raum  zusammen- 
geflossen sind,  der  nur  hier  und  da  durch  un- 
beständige Falten  getrennt  wird,  welche  die 
peritonealen  Ueberzüge  der  Ovarien  und  des 
Darmes  mit  der  Costallamelle  der  Bauch  wand 
verbinden. 

Betrachtet  man  ein  in  Canadabalsam  auf- 
gehelltes Präparat  des  Kiemenkorbes  von  der 
Seite ,  so  sieht  man  auf  jedem  Knorpelstäbchen 
eine  Längslinie ,  als  wenn  es  in  zwei  Hälften 
gespalten  wäre.  Auf  Querschnitten  (Fig.  157) 
zeigt  sich  aber,  dass  diese  Linie  nur  der  optische 
Ausdruck  eines  Hohlraumes  ist,  welcher  das 
Stäbchen  durchzieht  (e).    Der  Querschnitt  eines 


Querschnitt  eines  Kiemcn- 
bogens.  Verick,  Oc.  1, 
Obj.  6.  «,  Skelett;  i,  Blut- 
canal ;  c,  Epitbelium  dov 
Seiten;  (/,  äusseres  Epi- 
tbelium; e,  innerer  Spalt; 
/,  Fortsetzung  des  151ut- 
canales  b. 


Amphioxus. 


569 


Stäbchens  zeigt  die  Form  eines  Dreieckes,  dessen  Basis  nach  aussen 
schaut,  während  die  gegenüberliegende  stumpfe  Spitze  etwas  erweitert 
ist.  Die  mittlere  Höhle  (e)  wiederholt  die  Form  des  Stäbchens;  an 
dieses  legt  sich  das  Blutgefäss  (b)  an.  Die  Epithelialbekleidung  eines 
jeden  Bogens  lässt  sich  in  zwei  Abtheilungen  scheiden:  eine  äussere  (d), 
aus  durchsichtigen,  cubischen  Zellen  bestehend,  deren  Kerne  regellos 
vertheilt  sind,  und  eine  innere  (e),  welche  die  Seiten  und  die  Innen- 
fläche des  Stäbchens  überzieht ;  die  Zellen  der  letzteren  sind  sehr  lang, 
tragen  Wimpern ,  und  zeigen  an  ihrer  Basis  mehrere  Reihen  runder 
Kerne.  Die  Anordnung  dieser  Zellenbekleidung  erleidet  einige  Modi- 
ficationen  im  oberen  Theile  des  vorderen  Abschnittes  des  Kiemen- 
korbes. Sie  tritt,  wie  Fig.  142  zeigt,  mit  dem  Peritonealepithelium 
in  Verbindung,  welches  auf  den  Kiemenkorb  übergeht  und  sich  an 
jeden  zweiten  Bogen  inserirt,  indem  sie  die  dazwischen  liegenden 
frei  lässt;   sie   bildet  auf  diese  Weise   eine   Reihe  von  Spitzbogen  (c), 

Fia;.  158. 


Querschnitt    durch    den    Rückentheil     des    Kiemenkorbes.      Yerick,    Oc.  3,    Obj.  2. 

a,  Riiekenwand  der  Epibranchialrinne  ;   b,  c,  Seitenwände  derselben  ;  d,  Gewebe  zwischen 

Einne  und  Chordascheide ;    e,  Schutzlamelle  der  Rinne ;  J",  Chordascheide ;    g,  dorsaler 

Theil  des  KiemenTiOrbes ;  h,  Costallamelle ;  i,  Epibranchialtasche. 


welche  die  Körperhöhle  verengen;  weiter  nach  unten  hin  legt  sich 
die  Membran  an  die  Bauchwand  an  und  bildet  so  die  obere  Decke  der 
Peribranchialhöhle. 

Die  Epibranchialrinne  (r,  Fig.  142)  erstreckt  sich  über  die 
ganze  Länge  des  Kiemenkorbes  und  liegt  der  Chorda  fast  unmittelbar 
an.  Ihre  dicken  Wände  fallen  auf  Querschnitten  sofort  auf.  In  voller 
Entwicklung  (Fig.  158)  bildet  sie  einen  tiefen,  nach  unten  gegen  die 
Kiemenhöhle  geöffneten  Canal,  der  von  einer  dorsalen  Mittelrinne  (a) 
und  zwei  Seitenwänden  (b.  c)  gebildet  wird,  die  in  rechten  Winkeln 
zusammenstossen.  Die  Rückenwand  lehnt  sich  an  die  Chordascheide 
zwar  an ,  ist  aber  von  ihr  durch  ein  eigenthümliches  Gewebe  ge- 
trennt {(l) ,   welches  von    dem    der  Chordascheide   sehr  verschieden   ist. 

Vogt  u.  Yuiig,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  24 


370  Wirbeltliiere. 

Man  sieht  darin  zahlreiche  Pünktchen,  die  wohl  von  durchschnittenen 
Fäserchen  herrühren  mögen.  Die  Rückenwand  der  Rinne  ist  mit  langen, 
cylindrischen  Wiraperzellen  ausgekleidet,  die  in  der  Mitte  am  kürzesten 
sind.  In  den  Seitenwänden  werden  diese  Zellen  ausserordentlich  dick 
und  lang.  Von  aussen  sind  die  Seitenwände  mit  einer  structurlosen 
Lamelle  (e)  überzogen ,  in  der  man  nur  hier  und  da  rundliche  oder 
ovale  Lücken  sieht.  Die  ganze  Aussenseite  der  Rinne  ist  von  einer 
dünnen  Membran  mit  deutlichen  Kernen  überzogen,  die  nach  unten 
hin  plötzlich  endet,  indem  sie  sich  mit  der  Oberwand  des  Kiemen- 
korbes verbindet.  Nach  oben  hin  legt  sich  die  Membran  an  die 
Chordascheide  an  und  verschmilzt  mit  der  Costallamelle  derselben. 
Die  unteren  Ränder  der  Rinnenwände  krümmen  sich  etwas  nach  oben 
zurück,  die  Zellen  nehmen  hier  nach  und  nach  an  Grösse  ab  und 
gehen  in  diejenigen  des  Kiemenkorbes  über. 

Man  findet  fast  immer  in  der  Epibranchialrinne  eine  ziemliche 
Menge  von  Nahrungsstoffen  und  kleinen  Sandkörnchen  zum  Beweise, 
dass  sie  der  Hauptweg  für  die  Nahrung  und  schliesslich  nichts  Anderes 
ist,  als  der  ventralwärts  durch  einen  Schlitz  geöffnete  Oesophagus, 
dessen  Lippen  sich  vielleicht  gegen  die  Kiemenhöhle  durch  Aneinander- 
legen  abschliessen  können  in  ähnlicher  Weise,  wie  die  Cardialrinne 
des  Magens  der  Wiederkäuer.  Diese  Annahme  wird  auch  durch  den 
Umstand  bestärkt,  dass  die  Rinne,  wie  wir  später  sehen  werden,  sich 
direct  in  den  Darm  fortsetzt. 

Mit  Ausnahme  der  beiden  Enden  bleibt  sich  die  Rinne  in  ihrer 
ganzen  Erstreckung  gleich.  Aber  im  Beginne,  so  lange  man  noch  an 
dem  Kiemenkorbe  zwei  Abtheilungen  unterscheiden  kann,  eine  obere 
ohne  Spalten  und  eine  untere  mit  Kiemenspalten ,  ist  die  Rinne  noch 
nicht  ausgebildet  und  das  Epithelium  der  Mundhöhle  setzt  sich  ohne 
bemerkliche  Aenderung  in  das  Epithelium  des  undurchbohrten  Ab- 
schnittes fort.  Ob  es  Wimpern  trägt,  kann  man  an  Alkoholexemplaren 
nicht  feststellen.  Weiter  nach  hinten  ändert  sich  der  Anblick;  die 
Seitenwände  treten  hervor,  nähern  sich,  verengern  den  Raum  der 
Rinne  und  tragen  lange  Wimpern.  Li  diesen  Zellen  sieht  man 
am  äusseren  Grunde  mehrere  Reihen  von  Kernen  und  die  kernlosen, 
inneren  freien  Enden  der  Zellen  erscheinen  wie  eine  durchsichtige 
Zone. 

Auch  am  hinteren  Ende  des  Kiemenkorbes  ändert  die  Rinne  ihre 
Structur.  Während  die  sie  bildenden  Zellen  sich  verkürzen,  weichen 
die  Lippen  mehr  und  mehr  auseinander  und  umspannen  etwa  das. 
Drittel  des  Kiemenkorbes,  der  allmählich  enger  wird,  aber  auf  seiner 
unteren  Hälfte  noch  Kiemenspalten  trägt.  Je  mehr  dieser  Theil 
schwindet,  desto  mehr  umgreifen  die  Ränder  der  Rinne  denselben  und 
so  schliesst  sich  endlich  das  Darm  röhr  ab,  indem  die  histologische 
Structur  dieselbe  bleibt. 


Amphioxus.  371 

Die  Hypobranchialrinne  (lo ,  Fig.  142)  erstfeckt  sich  als 
weit  geöffnetes  Halbrohr  über  die  ganze  Länge  des  Kiemeukorbes  in 
der  unteren  Mittellinie ,  wo  sie  durch  die  gekrümmten  Enden  der 
Kiemenbogen  gestützt  wird.  Querschnitte  lassen  ihren  Bau  erkennen 
(Fig.  159).  Die  unteren  Eänder  der  Seitenwände  des  Kiemenkorbes 
krempen  sich  etwas  nach  oben  ein  ,  so  dass  die  Rinne  meist  auf  einer 
erhabenen  Leiste  verläuft.  Diese  Erhebung  erreicht  ihre  grösste  Höhe 
im  vorderen  Abschnitte  des  Kiemenkorbes,  wo  die  Einne  fast  nach 
oben  gewölbt  erscheint.  Ausser  den  unteren  Enden  der  knorpeligen 
Kiemenbogen,  welche  die  Rinne  stützen,  besitzt  diese  noch  ihr  beson- 
deres Skelett  in  einer  knorpeligen,  auf  den  unteren  Enden  der  Kiemen- 
bogen aufliegenden  Hohlkehle  (a) ,  deren  Grund  weit  dicker  ist  als 
ihre  Ränder,  auf  deren  beiden  Flächen  sich  eine  spärliche  Reihe  platter 

Fio-.   159. 


«? 


^^ v\ 


Querschnitt  durch  den  Bauchtheil  des  Kiemenkorbes.  Verick,  Oc.  3,  Obj.  2.  a,  Skelett 
der  Hypobranchialrinne ;  b,  Zonen  langer  Zellen;  c,  Zonen  von  Wimperzellen ; 
d,  Kiemenbogen ;  e,  Wimpern  der  Zellenzone  c ;  /,  Blutgefäss ;  g,  Kerv ;  h,  Hüll- 
membran des  Skelettstückes  der  Rinne;  i,  "Wand  des  Kiemenkorbes;  Je,  Peribranchial- 

raum. 


Kerne  bemerken  lässt.  Auf  der  Hohlkehle  sitzt  ein  Epithelium ,  das 
aus  zweierlei  Arten  von  Zellen  gebildet  ist.  Man  findet  nämlich  vier 
Längsstreifen  unter  sich  gleicher  Zellen,  welche  durch  fünf  anders  ge- 
bildete Streifen  getrennt  werden,  von  welchen  die  beiden  äussersten  in  das 
allgemeine  Epithelium  des  Kiemenkorbes  übergehen.  Die  vier  Längs- 
streifen (b)  sind  der  Medianlinie  der  Rinne  genähert;  auf  Querschnitten 
erscheinen  sie  wie  runde  Massen.  Die  sie  zusammensetzenden,  mehr- 
kernigen Cyliuderzellen  sind  sehr  lang;  ihre  freien  Enden  ragen  von 
einander  gesondert  in  den  Raum  der  Rinne  hinein.  Die  Zellen  der 
dazwischen  verlaufenden  Streifen  (c)  sind  sehr  verschieden  und  gleichen 
durchaus   den  Epithelialzellen   der  Epibranchialrinne;   sie   sind  in   der 

24* 


372  Wirbelthiere. 

Mitte  der  Streifen  länger  als  an  den  Rändern,  besitzen  ebenfalls  meh- 
rere Reihen  von  Kernen  am  Grunde,  tragen  aber  auf  ihrem  freien 
Ende  lange  Wimpern. 

Die  Hypobranchialrinne  zeigt  an  ihren  beiden  Enden  einige  Mo- 
dificationen.  Lange  vor  dem  Auftreten  der  Epibranchialrinne  sehen 
wir  schon  in  dem  undurchbrochenen  Theile  des  Kiemenkorbes  auf  dessen 
Boden  xlenderungen  des  Epitheliums,  welche  die  Rinne  einleiten.  Die 
Zellen  werden  hier  länger,  ihre  Zwischenwände  deutlicher  und  aus 
dem  noch  überall  flimmernden  Epithelium  treten  allmählich  die  oben 
beschriebenen  vier  Längsstreifen  hervor,  während  die  Rinne  sich  diffe- 
renzirt.  Nach  hinten  hört  die  Rinne  mit  dem  Kiemengerüste  über- 
haupt auf;  die  Zellen,  welche  sie  auskleiden,  verlieren  ihren  speciellen 
Charakter  und  die  knorpelige  Hohlkehle  verschwindet. 

Wie  schon  bemerkt,  zweigt  sich  der  Leberblinddarm  (a?,  Fig.  142 
und  143)  unmittelbar  hinter  dem  Kiemenkorbe  von  dem  kaum  ge- 
schlossenen Darme  ab  und  erstreckt  sich  nach  vorn,  indem  er  sich  von 
der  Unterfläche  des  Kiemenkorbes  auf  die  rechte  Seite  desselben 
zwischen  ihm  und  der  Bauchwand  einschiebt.  Die  Lagerung  ist  nicht 
ganz  beständig;  man  hat  den  Blindsack  auch  zuweilen  auf  der  linken 
Seite  gesehen.  Es  ist  ein  vorn  blind  geschlossener,  in  den  Darm  sich 
öffnender,  abgeplatteter  Schlauch,  der  rundum  von  einer  feinen  Peri- 
tonealhülle  aus  platten  Zellen  umgeben  ist.  Seine  Wände  sind  sehr 
dick ,  der  innere  Hohlraum  nur  eng.  Die  Structur  ist  durchaus  die- 
selbe, wie  die  der  Epibranchialrinne  und  des  Darmes  selbst.  Die 
Wände  der  langen  Epithelialzellen  sind  wenig  deutlich ;  das  Proto- 
plasma feinkörnig;  die  Kerne  liegen  alle  in  demselben  Niveau,  und  da 
sie  sich  stark  färben,  bilden  sie  auf  einem  Querschnitte  eine  dunkle 
Zone;  zuweilen  sieht  man  noch  eine  dünne,  innere  Zone,  die  aus  einer 
einfachen  Zellenschicht  gebildet  ist.  Man  sieht  in  ihm  keine  Spur 
von  Elementen ,  welche  auf  eine  absondernde  Thätigkeit  schliessen 
lassen  könnten;  da  er  ganz  dieselbe  Structur  wie  der  Darm  besitzt, 
scheint  er  nur  dessen  Oberfläche  zu  vergrössern  und  den  fehlenden 
Magen  zu  ersetzen ;  aber  anderseits  findet  man  in  ihm  auch  keine 
Nahrungsstoffe  oder  Reste  derselben. 

Der  geradlinig  verlaufende  Enddarm  (v,  Fig.  138)  erstreckt 
sich  vom  Ursprünge  des  Blinddarmes  zum  After  und  zeigt  überall 
dieselbe  Structur.  Man  findet  fast  stets  Nahrungsreste  in  seiner  Höhle. 
Die  Wände  sind  häufig  stark  gefaltet  (0 ,  Fig.  144)  oder  gewellt. 
Wahrscheinlich  ist  die  Einwirkung  der  Härtungsmittel  der  Grund 
dieser  Faltung,  denn  die  Nahrungsreste,  welche  dieser  Einwirkung 
widerstehen,  bilden  cylindrische  Massen  mit  regelmässigen  Conturen. 
Das  Endothelium  trägt  Wimpern,  die  man  noch  auf  den  Querschnitten 
erkennen  kann.  Abwäi-ts  vom  Abdominalporus  nimmt  der  Darm  rasch 
an  Durchmesser  ab;   zugleich   löst  er  sich  von  der  Chorda,   welcher  er 


Amphioxus.  373 

bis  dahin  angeheftet  war,  und  nähert  sich  den  unteren  Bauchdecken. 
Wie  ohen  bemerkt,  befindet  sich  der  After  seitlich  von  der  Mittellinie 
am  Anfange  des  Bauchlappens  der  Schwanzflosse.  Der  Enddarm  ist 
vollständig  von  einer  Peritonealhülle  (£-,  Fig.  143  und  144)  umschlossen, 
untei"  welcher  zahlreiche  Blutgefässe  verlaufen.  Die  Peritonealmembran 
setzt  sich  auf  der  Rückenfläche  aus  mehreren  Zellenschichten  zu- 
sammen und  bildet  unter  der  Chorda  deutliche  Falten.  Auf  dem 
Darme  wird  sie  nach  und  nach  dünner  und  zeigt  nur  noch  zwei  oder 
drei  Zellenschichten.  An  mehreren  Stellen  setzt  sie  zur  Costallamelle 
über  und  erhält  so  den  Darm  in  seiner  Lage.  Die  Structur  des  Darmes 
ist  überall  dieselbe.  Das  Endothelium  besteht  aus  unmässig  langen 
Wimperzellen,  die  auf  einer  sehr  dünnen  Basalmembran  aufsitzen. 
Etwas  vor  der  Afteröffnung  plattet  sich  der  Darm  seitlich  ab,  zeigt 
stärkere  Faltungen,  gleitet  auf  die  Seite  der  Mittelebene  und  lässt  so 
einen  leeren  Raum  zwischen  sich  und  den  seitlichen  Körpermuskeln. 
In  diesen  Raum,  der  nach  aussen  weit  geöffnet  ist  (y,  Fig.  145),  mündet 
von  der  Seite  her  der  After.  Vor  diesem  bemerkt  man  in  dem  Räume 
zwischen  dem  Darmende  und  den  Körpermuskeln  einen  Quermuskel 
{'y\  Fig.  145),  der  die  hintere  Lippe  der  Afteröffuung  bildet.  Diesen 
Muskel  hat  man  den  Afterschliesser  (Sphincter  ani)  genannt.  Er  kann, 
wie  leicht  ersichtlich,  nicht  die  ganze  Afteröffnung,  sondern  nur  einen 
Theil  und  zwar  den  hinteren  schliessen. 

Kreislauf.  —  Die  Untersiichung  bietet  aussergewöhnliche 
Schwierigkeiten.  Injectionen  sind  kaum  ausführbar;  um  den  Kreis- 
lauf im  Ganzen  zu  übersehen,  muss  man  junge,  lebende  Exemplare 
zur  Disposition  haben,  bei  welchen  man  direct  unter  dem  Mikroskope 
das  Blut  in  Gefässen  kreisen  sehen  kann,  deren  Hauptstämme  con- 
tractil  sind  und  wellenartige  Contractionen  wie  bei  den  Anneliden 
zeigen.  Das  Blut  ist  aber  vollkommen  farblos  und  enthält  nur  wenig 
Körperchen  aufgeschwemmt.  Da  wir  nur  conservirte  Thiere  zu  unserer 
Verfügung  hatten ,  müssen  wir  uns  hier  auf  die  Analyse  der  Beobach- 
tungen unserer  Vorgänger  beschränken.  Schnitte  zeigen  nur  die  klaf- 
fenden, grossen  Gefässstämme  und  lassen  keine  Verfolgung  der  Ver- 
theilung  der  Gefässe  zu.  Präparate  des  Kiemenkorbes  zeigen  das 
Bauchgefäss  und  die  Bulbillen  der  Kiemengefässe.  Mehr  lässt  sich 
nicht  sehen.  Job.  Müller  und  A.  Schneider  (s.  Literatur)  haben 
die  meisten  Aufklärungen  über  das  Gefässsystem  gegeben. 

Wir  müssen  vor  allen  Dingen  bemerken,  dass  ein  lympha- 
tisches System  existirt.  Es  ist  indessen  in  dem  Sinne  diffus,  dass 
es  keine  Gefässe  mit  eigenen  Wandungen  besitzt,  sondern  ein  La- 
cunensystem  ist.  Ueberall,  wo  sich  das  Peritoneum  von  den  übrigen 
Organen  ablöst,  um  eine  Höhlung  zu  bilden,  ist  diese  mit  wasser- 
heller Lymphe  gefüllt,  die  sich  übrigens  kaum  vom  Blute  unter- 
scheiden lässt. 


374  Wirbelthiere. 

Nach  Schneider  soll  ein  Herz  existiren,  welches  aus  einem  sehr 
engen  Lymphgange  entstehen  soll,  der  von  einem  breiteren  Kiemen- 
bogen  abgeht,  welcher  dem  vordersten  Ende  des  Blinddarmes  am 
nächsten  liegt.  Von  hier  verlaufe  das  Herz  nach  hinten  auf  der  dem 
Schlünde  zugewendeten  Fläche  des  Blinddarmes.  Dieses  Herz  soll 
eine  eigene,  mit  queren  Muskelfasern  ausgestattete  Wandung  besitzen,  ^ 
die  aber  unlösbar  mit  der  Basalmembran  des  Darmepithels  ver- 
schmolzen sei.  Auf  seinem  Verlaufe  längs  des  Blinddarmes  empfinge 
das  Herz  von  jedem  Kiemenbogen  ein  feines  Lymphcanälchen;  ausser- 
dem zeige  es  seitliche,  sackartige  Erweiterungen.  An  der  Abgangsstelle 
des  Blinddarmes  vor  dem  Darme  krümme  sich  das  Herz  in  einem 
Bogen  nach  vorn  und  folge  nun  der  ventralen  Mittellinie  des  Kiemen- 
korbes, indem  es  sich  in  die  Kiemenarterie  fortsetze.  Dieses  seit 
J.  Müller  wohlbekannte  Hauptgefäss  besitzt  einen  welligen  Verlauf, 
ist  contractu  und  giebt  nach  links  und  rechts  an  jeden  Bogen  einen 
Zweig  ab,  welcher  an  seinem  Ursprünge  eine  zwiebelartige,  contrac- 
tile,  mit  queren  Muskelfäserchen  ausgestattete  Erweiterung  zeigt.  Von 
diesen  Bulbillen  aus  steigen  die  Aortenbogen  längs  den  Knorpel- 
stäbchen des  Kiemenkorbes  nach  oben,  senden  Verbindungszweige  über 
die  Querbrücken,  welche  die  Stäbchen  verbinden,  und  krümmen  sich, 
an  dem  oberen  Ende  derselben  angekommen,  etwas  nach  hinten,  um 
in  die  an  der  Ventralfläche  der  Chorda  verlaufende  Aorta  einzumünden. 
Nach  Schneider  sollen  sich  auf  der  ganzen  Länge  des  Kiemenkorbes 
zwei  hart  an  der  Ventralfläche  der  Chordascheide  angelagerte,  parallele 
Aorten  vorfinden,  eine  rechte  und  eine  linke,  beide  ohne  Muskelfasern 
und  demnach  nicht  contractu.  Nach  J.  Müller  soll  sich  die  Aorta 
nicht  nur  aus  den  einzelnen  Kiemenbogen,  sondern  auch  noch  aus  zwei 
vorderen,  contractilen  Bogen  zusammensetzen,  welche  fast  so  mächtig 
wären,  als  die  Kiemenarterie  selbst,  und  an  der  hinteren  Fläche  des 
Muskelringes  in  die  Höhe  steigen ,  welcher  die  Mundhöhle  von  dem 
Kiemenkorbe  trennt.  Die  so  gebildeten  Aorten  verlaufen  an  der  oberen 
Fläche  des  Kiemeukorbes  nach  hinten,  vereinigen  sich  aber  jedenfalls, 
wie  Querschnitte  beweisen,  am  Ende  desselben  zu  einem  einzigen 
Stamme,  der  sogar  in  der  Schwanzregion  in  dem  Skelette  selbst  ein- 
geschlossen ist.  Von  dem  Aortensysteme  gehen  dreierlei  Zweige  ab: 
für  die  Körpermuskeln ,  für  die  Innenfläche  der  Eingeweidehöhle  und 
Capillargefässe  für  den  Darm.  Diese  letzteren  bilden  auf  dem  ver- 
dauenden Theile  des  Darmes  Netze ,  welche  dem  in  dem  Gefässhofe 
des  Hühnerembryos  entwickelten  Gefässnetze  ähnlich  sehen. 

Die  Capillaren  sammeln  sich  in  ein  Venen  System,  welches  am 
unteren  Rande  des  Darmes  von  dem  After  an  nach  vorn  verläuft.  Es 
fängt  hinten  mit  fünf  Parallelgefässen  an,  die  unter  einander  ana- 
stomosiren  ;  nach  und  nach  reduciren  sich  diese  Gefässe  auf  drei,  zwei 
und  schliesslich  eine  einzige  Vene,  welche  nach  Müller  in  die  Kiemen- 


Amplnoxus.  375 

arterie  übergehen  sollte.  Nach  Schneider  aber  bildet  diese  Vene  au 
ihrem  vorderen  Ende  Zweige,  die  kein  Blut  mehr  führen  und  schliess- 
•  lieh  in  Lymphcanäle  übergehen,  welche  sich  auf  den  Darmwandungen 
ausbreiten.  Das  Ende  befindet  sich,  nach  Schneider,  an  der  Abgangs- 
stelle des  Blinddarmes.  Auch  über  die  vorderen  Bogen  ist  mau  nicht 
einig.  Der  oben  gegebenen  Ansicht  von  J.  Müller  entgegen  be- 
hauptet Schneider,  dass  die  Kiemenarterie  zwar  einen  vorderen,  an 
dem  Muskelringe  aufsteigenden  Bogen  bilde ,  der  sich  aber  in  den 
Fäden  und  den  "Wänden  der  Mundhöhle  verzweige.  Das  Herz  aber 
setze  sich  auf  der  rechten  Seite  in  einen  grossen  Aortencanal  fort, 
während  auf  der  linken  Seite  kein  solcher  entwickelt  sei.  Der  erwähnte 
Bogen  steige  an  der  Hinterfläche  des  Muskelringes  empor  und  bilde 
die  rechte  Aorta ;  die  linke  Aorta  setze  sich  nach  vorn  in  ein  Gefäss 
fort,   das   man  noch   bis   in  die  Mitte  der  Mundhöhle  verfolgen  könne. 

Wie  man  sieht,  sind  weitere  Untersuchungen,  gestützt  auf  directe 
Beobachtung  und  auf , bisher  noch  nicht  versuchte  Injectionen,  nöthig,  um 
die  noch  obwaltenden  Widersprüche  zu  lösen.  Wir  gestehen  offen, 
dass  das  so  seltsam  aus  Lymphgefässen  gespeiste  Herz  Schneid  er 's 
uns  um  so  grössere  Zweifel  lässt,  als  wir  auf  Schnitten  niemals  eine 
Spur  davon  haben  entdecken  können. 

Specielles  Stützsystem.  —  Betrachtet  man  einen  Amphioxus 
von  der  Bauchseite,  so  findet  man  häufig,  aber  nicht  immer,  in  der 
Nähe  des  Abdominalporus  und  weiter  vor  demselben  in  der  Bauch- 
höhle weissliche ,  unter  dem  Tegumente  in  Längsrichtung  gelagerte 
Schläuche  von  verschiedener  Grösse  und  Form  mit  welligen  Conturen. 
Wir  halten  diese  Bildungen  für  parasitische  Schläuche,  die  durch  den 
Abdominalporus  eingedrungen  sind  und  sich  auf  dem  Bauchmuskel 
festgesetzt  haben.  Einige  dieser  Parasiten,  welche  der  Querschnitt  traf, 
sind  von  uns  gezeichnet  worden  (ß,  Fig.  144j. 

Betrachtet  man  unter  starker  Vergrösserung  einen  Querschnitt 
des  Bauchmuskels  eines  Weibchens ,  so  sieht  man  auf  der  oberen 
Fläche  dieses  Muskels  eine  helle  Schicht,  d-eren  Oberfläche  mit  zahl- 
reichen, in  einer  Fieihe  geordneten  Zellkernen  besetzt  ist,  während  man 
darunter  die  quer  gestellten  Zellwände  sieht  (A,  Fig.  144).  Dieses 
Gewebe  erstreckt  sich  in  gleichförmiger  Weise  über  den  vorderen  Theil 
des  Muskels,  In  der  Höhe  der  ersten  Geschlechtsmassen  verlängern 
sich  die  Zellen  und  werden  zweischichtig;  sie  bilden  dann  eine  Art 
Palissade,  in  der  man  zwei  Zonen  von  Kernen  wahrnimmt,  eine  obere 
und  eine  untere;  die  Kerne  liegen  an  der  Basis  der  Zellen.  Stellen- 
weise erheben  sich  diese  Schichten  und  bilden  Längszüge,  in  welchen 
man  lange  Zellen  sieht,  die  an  ihrem  freien  Piande  einen  runden  Kern 
tragen;  mit  ihrer  Basis  ruht  die  Zelle  auf  dem  Bauchmuskel.  Man 
kann  nicht  unterscheiden ,  ob  diese  Längszüge  Wimpern  tragen.  Die 
Züge  verbreitern  sich,  nehmen  die  ganze  Oberfläche  des  Bauchmuskels 


176 


Wirbelthiere. 


rio-.   160. 


ein  und  stützen  die  Ovarien.  In  der  Nähe  des  Porus  verbreitern  sich 
die  Züge  so ,  dass  sie  Falten  werfen.  Man  sieht  dann  deutlich  einen 
Wulst,  auf  welchem  der  Eierstock  ruht  und  der  seitlich  in  die  Falten- 
binde übergeht,  welche  mit  dem  Bauchmuskel  in  Verbindung  steht. 
Hinter  den  letzten  Genitalmassen  nimmt  dieses  Gewebe  noch  an  Mäch- 
tigkeit zu;  die  Falten  werden  höher,  legen  sich  an  die  Darmwand  an 
und  bilden  so  zwischen  dieser  und  dem  Bauchmuskel  ein  lockeres, 
von  zahlreichen  Lückenräumen  durchzogenes  Gewebe.  Auf  derPorus- 
papille  schwindet  das  Gewebe  zu  einer  einfachen  Schicht  von  Cylinder- 
zellen  zusammen. 

Querschnitte  eines  männlichen  Exemplares  zeigen  ein  ganz  anderes 
Bild.  Die  Epithelialbekleidung  des  Bauchmuskels  ist  zwar  derselben 
Art  wie  beim  Weibchen,  aber  weit  weniger  entwickelt,  und  man  sieht 
ausserdem  einzelne  kleine  Hügel,  welche  bis  zum  Porus  dasselbe  Aus- 
sehen haben ,  nicht  an  Grösse  zunehmen ,  mit  den  Genitalmassen  nicht 
in  Beziehung  treten,  aber  in  der  Nähe  der  Poruswarze  breiter  werden 
und  mit  einander  verschmelzen.    Auf  Durchschnitten  (Fig.  160)  zeigen 

diese  Wülste  dieselbe  Struc- 
tur  wie  bei  den  AVeibchen 
und  erstrecken  sich  bis  in 
die  vordere  Körperregion. 
Aus  der  obigen  Beschrei- 
bung geht  hervor,  dass 
dieses  von  einigen  Autoreu 
als  Niere  angesehene  Or- 
gan bei  den  beiden  Ge- 
schlechtern im  erwachsenen 
Alter  verschieden  ist.  Da- 
mit ist  der  Schluss  ge- 
rechtfertigt, dass  wir  es 
nicht  mit  Nieren ,  sondern 
mit  Hülfs-  oder  Stützbil- 
dungen der  Geschlechts- 
organe zu  thun  haben.  Uebrigens  liegen  in  der  ganzen  Reihe  der  Wirbel- 
thiere  die  primitiven  Harnorgane  unmittelbar  unter  der  Wirbelsäule 
an  der  Decke  und  nicht  am  Grunde  der  Bauchhöhle.  Vom  Gesichts- 
punkte der  Lagerung  aus  entsprechen  einzig  die  oben  (S.  365)  be- 
schriebenen Bildungen  dem  Typus  der  Excretionsorgane.  Was  die 
amöbenartigen  Bewegungen  betrifft,  die  einige  Beobachter  hier  ge- 
sehen haben  wollen,  so  darf  man  sie  wohl  den  parasitischen  Schläuchen 
zuschreiben. 

Geschlechtsorgane.  —  Amphioxus  ist  getrennten  Geschlechts, 
Männchen  und  Weibchen  lassen  sich  aber  äusserlich  nicht  unter- 
scheiden.    Die  Organe  liegen  auf  der  Ventralseite  der  Bauchhöhle  und 


.<l 


Querschnitt  durch    einen  sogenannten  Nierenwulst 
eines  Männchens.    Vericlc,  Oc.  3,  Obj.  7.  er,  Bauch- 
muskel; i,  äussere  Zellkerne;  c,  innere;  cZ,  obere 
Epithelialdecke  des  Bauchmuskels. 


Ampliioxus. 


377 


Fi?.  161. 


sind  beinahe  würfelförmig  (c,  Fig.  138).  Mau  kann  sie  am  besten 
überschauen ,  wenn  man  das  Thier  auf  den  Rücken  legt.  Nach  vor- 
sichtiger Wegnahme  der  Haut  und  des  Bauchmuskels  sind  die  beiden 
Parallelreihen  von  Eierstöcken  oder  Hoden  blossgelegt,  welche  sich 
vom  Anfange  des  Kiemenkorbes  bis  zum  Abdominalporus  erstrecken. 
Das  Volumen  der  einzelnen  Massen  nimmt  nach  beiden  Enden  der 
Reihen  hin  ab.  Bei  einem  fünf  Centimeter  langen  Exemplare  zählen 
wir  in  jeder  Reihe  26  einzelne  Organe,  die  von  einer  Seite  zur  anderen 
in  ihrer  Lagerung  abwechseln.  Betrachtet  man  diese  Massen  von  der 
inneren  Fläche,  womit  sie  an  dem  Kiemenkorbe  anliegen,  so  sieht  man, 
dass  sie  in  der  Mitte  der  Reihe  etwas  höher  als  lang  und  in  der  Mitte 
ihrer  Höhe  ein  wenig  eingeschnürt  sind;  die  Endniassen  sind  würfel- 
förmig. Sie  werden  durch  einen  engen,  weisslichen  Längscanal  mit 
einander    verbunden ,    der   das    sie   ernährende   Blutgefäss   ist.     Mehr 

kann  man  bei  makroskopi- 
scher Untersuchung  nicht 
sehen.  Die  feinere  Structur 
muss  auf  Durchschnitten 
untersucht  werden. 

Jeder  Eierstock  hat 
eine  doppelte  Wandung. 
Die  äussere  Peritonealhülle 
ist  ziemlich  dick  und  zeigt 
ausser  zahlreichen,  läng- 
lichen Kernen  auch  Längs- 
fasern. Diese  Hülle  erhält 
den  Eierstock  in  seiner 
Lage,  indem  sie  ihn  einer- 
seits an  die  Bauchwandim- 
gen ,  anderseits  an  den 
Bauchmuskel  befestigt.  Sie 
umgieht  den  Eierstock  voll- 
ständig wie  ein  Sack ,  so 
dass  die  reifen  Eier  nur 
durch  Dehiscenz  in  die 
Bauchhöhle  gelangen  kön- 
nen. Die  innere  Eigenhaut  des  Eierstocks  ist  weit  dünner  und  zeigt 
keine  Fasern  ;  sie  bildet  stellenweise  Einschläge  nach  innen  und  theilt 
so  den  Eierstock  in  strahlenförmig  gestellte  Kammern.  Im  Ovarium 
finden  sich  Eier  aller  Grössen;  die  reifen,  welche  man  schon  mit 
blossem  Auge  erkennen  kann,  drängen  sich  an  der  Peripherie  zu- 
sammen, die  kleinsten  finden  sich  in  den  Zwischenräumen  und  ganz 
besonders  im  Centrum  angehäuft.  Sie  sind  rund  wie  die  grossen,  die 
aber    durch    gegenseitigen   Druck    polyedrisch    werden.      Sie   besitzen 


Querschnitt  durch  einen  Hoden.      Verick,    Oc.  3, 

Obj.    0.      a,    Kindenschicht ;    6,    Centralmasse    mit 

canahirtigen  Lücken;  c,  innere  Höhlung. 


378  Wirbelthiere. 

eine  feine  Dotterhaut  und  einen  stark  körnigen  Dotter,  in  dessen 
Mittelpunkt  ein  grosses ,  helles ,  rundes  oder  eiförmiges  Keimbläschen 
liegt,  das  einen  excentrischen  Nucleolus  mit  dicken  Wänden  enthält, 
der  oft  schwärzliche  Granulationen  zeigt. 

Die  histologische  Structur  der  H  o  den  (Fig.  161  a.  v.  S.)  ist  schwie- 
riger zu  entziffei-n.  Man  findet  hier  ebenfalls  zwei  Hüllen ;  eine  äussere 
Peritonealschicht,  die  das  Organ  am  Platze  hält,  und  eine  innere  Eigen- 
haut, welche  ebenfalls  Einschläge  bildet.  Auf  Schnitten  sieht  man, 
dass  derHode  aus  zwei  Theilen  besteht,  einer  äusseren  Rindenschicht  (a), 
die  eine  ungemein  grosse  Menge  von  Granulationen  enthält,  welche 
Zellkernen  ähneln,  und  einer  inneren,  weit  bedeutenderen  Masse,  welche 
ausser  zahlreichen  Granulationen,  die  in  unregelmässigen  Zügen 
schlauchartig  geordnet  sind,  leere,  strahlig  verlaufende  Zwischenräume 
aufzeigt.  Zwischen  diesen  Räumen  liegen  vollständig  entwickelte  Sper- 
matozoen,  deren  Kopf  nach  Langerhans  (s.  Literatur)  die  Gestalt 
eines  Kartenherzens  hat,  in  dessen  Ausschnitt  der  fadenförmige  Schwanz 
eingesetzt  ist.  Häufig  findet  man  an  der  Schwanzbasis  ein  kleines 
Protoplasmakügelchen  als  Rest  der  Mutterzelle  des  Samenthierchens. 
So  wenig  als  bei  den  Eierstöcken  findet  sich  an  den  Hoden  ein  Aus- 
führungsgang für  die  Producte,  die  nur  durch  Dehiscenz  in  die  Peri- 
branchialhöhle  gelangen  können,  von  wo  sie  durch  den  Porus  aus- 
gestossen  werden. 

Die  Entwicklung  des  Eies  und  der  Larven  ist  besonders  von 
Kowalevsky  iind  Hatschek  (siehe  Literatur)  genauer  untersucht 
worden.  Das  Ei  zeigt  totale  Furchung,  aus  der  sich  durch  Einstülpung 
eineGastrula  entwickelt.  Die  Larve  trägt  einen  üeberzug  von  Flimmer- 
zellen, der  später  schwindet. 

Literatur.  —  Yarrel,  Eistort/  of  British  Jishes,  London  1836.  —  Couch, 
Observations  on  the  Lancelet,  Charksivorth''s  Magazine.  Vol.  II,  1838.  —  Costa, 
Notice  sur  le  Branchiostome,  Comptes  rendus,  Vol.  XIII,  1841.  —  Rathke,  Bemei-- 
kungen  über  den  Bau  der Amphioxvs  lanceolatiis,  Königsberg  1841.  —  Goodsir,  On 
the  anatomy  of  Amph.  lunceoL,  Transact.  Roy.  Soc.  of  Edinburgh,  Vol  XV,  1841.  — 
Sundewall,  Ueber  Amph.  lanceoL,  Isis  1843.  —  Kölliker,  Ueber  das  Geruchs- 
organ des  Amph.  Müller's  Archiv  1843.  —  J.  Müller,  Ueber  den  Bau  und  Lebens- 
erscheinungen des  Branchiost.  lubric.  Berlin  1844.  —  A.  de  Quatrefages,  Mem. 
sur  le  Systeme  nerveiix  et  Vhistologie  du  Branchiost.  oit  Amphioxus,  Ann.  Sc,  natur. 
1845.  —  Martine,  Sidl'  anatomia  del  Branchiost.  lubr.,  Giornale  deV  Istituto  Lom- 
bardo,  Vol.  VII,  1846.  —  Huxley,  Examination  of  the  corpuscles  of  the  blood  of 
Amph.  Transact.  Brit.  Association  1847.  —  Max  Schultze,  Beob.  junger  Exem- 
plare von  Amph.,  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zoologie,  Bd.  III,  1851.  —  Leuckart  und 
Pagenstecher,  Untersuchungen  über  niedere  Seethiere,  Müller's  Arch.  1858.  — 
■Marcusen,  Sur  Vanatomie  et  histol.  du  Branchiost.,  Comptes  rendus,  1864.  — 
Owen,  Comparative  anatomy  and  physiology  of  Vertebrates,  1866.  —  P.Bert,  Comptes 
rendus.  Vol.  LXV,  1867.  —  Kowalevsky,  Entwicklungsgesch.  des  Amjjh.  lanceoL, 
Mem.  Acad.  St.  Petersburg,  7.  Serie,  Bd.  XI,  1867.  —  Ders.,  Zur  Entwicklungs- 
geschichte Aes  Amph.,  Schriften  der  Naturforschergesellschaft  in  Kiew,  Bd.  I,  1870.  — 
Owsjannikow,    Ueber    das  Centralneiwensystem    des    Amph.    lunceol. ,    Bullet.  Acad. 


Cyclostomen.  379 

Petersburg,  Bd.  VI,  1867.  —  Grenachei",  Musculatur  der  Cyclostomen  und  Lepto- 
cardier.  Zeitsclir.  f.  wissensch.  Zoologie,  Bd.  XVII,  1867.  —  Eeichert,  Zur  Ana- 
tomie des  Brauch,  lubr.  Reichert's  Archiv,  1870.  —  W.  Müller,  Ueber  den  Bau 
der  Chorda  dorsaüs.  Jenaische  Zeitschr.,  Bd.  V,  1871.  —  Ders.,  Die  Hypobranchial- 
rinne  des  Amph.  und  der  Cyclostomen,  abend.,  Bd.  VII,  1873.  —  Ders.,  Das  Uro- 
genitalsystem des  Amph.  und  der  Cyclostomen,  ebend. ,  Bd.  IX,  1876.  —  Stieda, 
Studien  über  Amph.  lanceol.  Mem.  Acad.  St.  Petersburg,  7.  Serie,  Bd.  XIX,  1873.  — 
Langerhans,  Zur  Anatomie  des  Amph.  lanc.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XII,  1876.  — 
Rolph,  Untersuchungen  über  den  Bau  des  Amph.  lanceol.  Morph.  Jahrb.,  Bd.  I, 
1876.  —  Hasse,  Zur  Anatomie  des  Amph.  lanc.  Morph.  Jahrb.,  Bd.  I,  1876.  — 
Nusslin,  Zur  Kritik  des  Auges  des  Amph.  laue.  1877.  —  A.  Schneider,  Beiträge 
zur  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  der  Wirbelthiere.  Berlin  1879.  —  Bal- 
four,  On  the  spinal  nerves  of  Amph.  Quarterhj  Journ.  Microsc.  Science  1880.  — 
Rice,  Observations  of  the  habits,  structure  and  development  of  Amph.  lanc.  American 
Naturalist,  1880.  —  Hatschek,  Studien  über  Entwicklung  des  Amph.  Arbeiten 
Zool.  Institut  Wien  und  Triest  1882.  —  Rohon,  Untersuchungen  über  Amph.  lanc. 
Denkschr.  Akad.  Wien  1882.  —  Rohde,  Histol.  Untersuchungen  über  das  Nerven- 
system vom  Amph.  lanceol.     Schneider's  Zoologische  Beiträge,   1888. 


Classe  der  Rundmäuler  (Cyclostomata). 

Kieferlose  Cranioten  mit  persistirender  Chorda  ohne  Wirbel,  aber 
mit  Schädel  und  anderen ,  knorpeligen  oder  selbst  häutigen  inneren 
Skelettbildungen,  ohne  paarige  Gliedmaassen,  und  mit  einer,  den  hin- 
teren Theil  des  Körpers  umsäumenden  und  in  verschiedener  Weise  ab- 
getheilten  senkrechten  Strahlenflosse.  Kieferloser,  durch  Lippenknorpel 
gestützter  Saugmund ;  eine  einfache  mediane ,  in  einen  Gaumengang 
sich  fortsetzende  Nasenhöhle ,  der  bei  den  einen  blind  nach  hinten  ge- 
schlossen ist,  bei  den  anderen  sich  in  den  Gaumen  öffnet;  innere,  wohl 
entwickelte  Gehörwerkzeuge ;  Sehorgane  zuweilen  unausgebildet.  Ge- 
trennte Kiementaschen,  mit  verschieden  gebildeten  äusseren  und  inneren 
Oeffnungen.  Nackte,  schuppenlose  Haut.  Muskelherz  mit  einfacher 
Vor-  und  Herzkammer;  rothes  Blut.  Gerade  gestreckter  Darm,  ziem- 
lich grosse  Drüsenleber.  Nieren  in  verschiedener  Weise  ausgebildet. 
Geschlechtsorgane  ohne  Ausführungsgänge.  Freies  Larvenstadium  bei 
einer  Ordnung,  der  einzig  bekannten  in  dieser  Hinsicht. 

In  der  Organisation  der  Cyclostomen  sind  besonders  die  bedeu- 
tenden Verschiedenheiten  dem  Amphioxus  gegenüber  wichtig.  Wenn 
wir  auch  in  den  Cyclostomen  einen  rückgebildeten  Zustand  erkennen, 
der  sich  vielleicht,  wenn  auch  nicht  ohne  Schwierigkeit,  an  die  Fische 
und  besonders  die  Selachier,  wahrscheinlicher  selbst  an  die  Amphibien 
anschliessen  lässt,  so  müssen  wir  doch  anerkennen,  dass  die  Rückbildung 
bedeutend    weniger    vorgeschritten    ist,     als    beim    Amphioxus.      Bei 


380  Wirbelthiere. 

genauerer  Betrachtung  finden  sich  nur  einige  wesentliche  Charaktere, 
die  Persistenz  der  Chorda,  die  Organisation  der  Myomeren  und  das 
Fehlen  von  paarigen  Gliedmaassen,  welche  beide  gemeinsam  haben  — 
alles  Andere  ist  durchweg  verschieden. 

Die  Ausbildung  kleiner  Knorpelstücke  in  der  Chordascheide  zeigt 
eine  Anbahnung  zur  Wirbelbildung.  Das  bandartig  abgeplattete 
Rückenmark  entwickelt  sich  nach  vorn  zu  einem  wahren  Gehirne ,  das 
von  einem  theils  knorpeligen,  theils  häutigen  Schädel  umschlossen  ist, 
welcher  auch  die  drei  hauptsächlichsten  Sinnesorgane ,  Nase ,  Augen 
und  Ohren  trägt.  Das  Nasenrohr  ist  stets  einfach ,  in  der  Mittellinie 
gelegen,  zeigt  aber  doch  in  seiner  inneren  Organisation  auf  eine  Bil- 
dung aus  zwei,  symmetrischen  Hälften  hin.  Die  Augen  bleiben  rudi- 
mentär und  unter  der  Haut  in  den  Muskeln  verborgen  bei  den  Myxi- 
noideu  ;  sie  sind  ebenfalls  bei  den  Larven  der  Neunaugen,  den  Querdern 
(Ammocoetes)  unter  der  Haut  verborgen  und  treten  erst  bei  dem  aus- 
gebildeten Thiere  hervor.  Die  Hörorgane  sind  vollständig  in  Knorpel- 
kapseln eingeschlossen ,  die  dem  Schädel  angehören  und  dem  allge- 
meinen Plane  der  Wirbelthiere  entsprechend  gebaut,  wenn  sie  auch, 
besonders  in  Bezug  auf  die  Bogencanäle,  bedeutende  Verschiedenheiten 
zeigen.  Im  peripherischen  Nervensystem  kann  man  Hirn-,  Rücken- 
marks- und  viscerale  Nerven  unterscheiden.  Was  ausserdem  die  Cyclo- 
stomen  vom  Amphioxus  entfernt  und  den  übrigen  Wirbelthieren  an- 
schliesst,  ist  die  Existenz  eines  concentrirten  Muskelherzens,  das  aus 
einer  Vorkammer,  einer  Kammer  und  einem  mit  zwei  Klappen  ver- 
sehenen Bulbus  besteht,  am  hinteren  Ende  des  Kiemenkorbes  liegt  und 
ein  rothes  Blut  umtreibt,  in  welchem  gefärbte  Blutkörperchen  schwim- 
men, wie  bei  den  übrigen  Wirbelthieren. 

Der  Verdauungscanal  ist  in  seinem  Bauchtheile  gerade  gestreckt 
und  zeigt  hier  nur  innere  Klappenbildungen ,  während  er  in  seinem 
vorderen  Abschnitte  mannigfaltige  Verschiedenheiten  aufweist.  Der 
als  Saugnapf  fungirende  Mund  ist  von  Knorpelstücken  umgeben,  welche 
mit  dem  Kieferapparat  der  übrigen  Wirbelthiere  nicht  homologisirt 
werden  können  und  der  Zungencomplex,  der  zu  einem  Saugstempel 
umgewandelt  ist,  zeigt  ebenfalls  ganz  besondere  Bildungen.  Die  ver- 
schiedenen Theile,  welche  zur  Bildung  des  Mundes  beitragen,  sind  mit 
Hornzähnen  in  sehr  wechselnder  Anordnung  bewaffnet.  Der  an  dem 
Schlünde  entwickelte  Kiemenapparat  zeigt  zahlreiche  Modificationen, 
die  nur  in  dem  einen  Punkte  übereinstimmen,  dass  einzelne  getrennte, 
fast  immer  zu  beiden  Seiten  symmetrisch  angeordnete  Kiemensäcke 
vorhanden  sind,  welche  die  Zahl  sieben  nicht  überschreiten,  die  ausser- 
ordentlich beschränkt  erscheint,  wenn  wir  sie  mit  der  grossen  Anzahl 
von  Kiemenspalten  beim  Amphioxus  vergleichen.  Dagegen  nähert  so- 
wohl die  Zahl  als  auch  die  Bildung  der  Kiemensäcke  die  Cyclostomen 
gewissen  Haien.   Die  Organisation  der  inneren  und  äusseren  Oeffnungen 


Cyclostomen.  381 

dieser  Kiemensäcke  und  das  Verhalten  derselben  zum  Oesophagus 
variiren  dagegen  ungemein;  wir  werden  sie  bei  den  einzelnen  Gruppen 
behandeln. 

"Wenn  man  beim  Amphioxus  mit  Sicherheit  keine  Harnorgane  hat 
nachweisen  können,  so  finden  wir  diese  dagegen  ausgebildet  bei  den 
Cyclostomen ,  wenn  auch  in  verschiedener  Weise  bei  den  beiden  Ord- 
nungen. Immerhin  sind  sie  nach  dem  allgemeinen  Plane  der  Wirbel- 
thiere  gebaut,  der  bekanntlich  mit  den  Segmeutalorganen  der  Anne- 
liden in  Beziehung  steht.  Doch  müssen  wir  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  man  bei  den  Cyclostomen  keine  Spur  jener  mannigfaltigen  Com- 
binationen  findet,  welche  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  zwischen  den 
Ausführungsgängen  der  Harn-  und  Geschlechtsorgane  Platz  greifen; 
die  Harnorgaue  bleiben  von  Anfang  an  und  während  des  ganzen  Lebens 
durchaus  selbständig. 

Die  Geschlechter  sind  getrennt.  Doch  muss  in  dieser  Hinsicht 
bemerkt  werden,  dass  nach  neueren  Beobachtungen  die  Myxinen  an- 
fangs männlich  und  später,  nach  der  Verödung  der  Hoden,  weiblichen 
Geschlechtes  zu  sein  scheinen.  Weitere  Untersuchungen  scheinen  hier 
noch  nothwendig.  —  Wie  sich  dies  auch  verhalten  mag,  so  ist  so  viel 
sicher,  dass  die  Geschlechtsorgane  stets  unpaarig  und  an  einer  beson- 
deren Falte  des  Mesenteriums  aufgehängt  sind  und  keine  Ausführungs- 
gänge besitzen.  Eier  und  Zoospermen  werden  durch  Dehiscenz  frei 
und  aus  der  Bauchhöhle,  in  welche  sie  fallen,  durch  Peritonealcanäle 
nach  aussen  entleert. 

Wir  besitzen  keine  Kenntnisse  über  die  Entwicklung  der  marinen 
Myxinoiden.  Von  den  meist  im  Süsswasser  lebenden  wissen  wir,  dass 
sie  einen  Larvenzustand  durchmachen ,  während  dessen  sie  blind  sind. 
Die  Larven  sind  unter  dem  Xamen  Quer  der  (Ammocoetes)  bekannt. 
Die  Zeit  der  Metamorphose  ist  nur  kurz. 

Wir  unterscheiden  zwei,  hauptsächlich  durch  die  Organisation  der 
Nase  getrennte  Ordnungen: 

1.  Ordnung.  Myxinoiden  (Hyperotrefa).  —  Leben  im  Meere. 
Der  Nasengang  verlängert  sich  nach  hinten  unter  dem  Schädel  und 
öffnet  sich  in  der  Gaumenwölbuug.  Er  dient  durch  diese  Communica- 
tion    zur   Athmung.     Keine   Rückenflossen.     Myxine,  Bdellostoma. 

2.  Ordnung.  Neunaugen  {Hyperoariia).  —  Der  Nasengaug 
ist  hinten  geschlossen.  Von  der  Schwanzflosse  getrennte  Rückenflossen. 
Man  kennt  in  Europa  nur  zwei  Ai-teu  der  Gattung  Petromyzon,  eine 
grosse,  die  Seelamperte  (P.  marlnus)  und  eine  kleinere,  meist  im  Süss- 
wasser lebende  (P.  fluviafüis),  deren  jüngere  Individuen,  die  auch  eine 
eigene  Rasse  bilden,  bisher  als  P.  iJiJaneri  unterschieden  wurden. 

Typus:  Das  Fluss-Neunauge,  die  'Pvicke  (P.  fluviatUis). — 
Stellenweise    in     allen     Flussgebieten     Europas.       Unsere     Exemplare 


382  Wirbeltiere. 

stammen  theilweise  (die  grösseren)  aus  dem  Frischen  und  Kurischen 
Ilaff,  wo  die  Pricken  besonders  im  Herbst  in  Mengen  gefangen 
werden,  theilweise  (die  kleineren  und  Larven)  aus  einem  todten  Arme 
der  Rhone  bei  Seyssel  im  Jura.  Die  Thiere  leben  im  Schlamme  und 
Sande  des  Bodens  eingegraben,  den  sie  nur  bei  ihren  Wanderungen 
verlassen.  Sie  nähren  sich  von  Insectenlarven,  kleinen  Würmern  und 
Crustaceen ,  sowie  von  verwesenden  Thieren ,  die  sie  aussaugen.  Ihr 
Darm  enthält  oft  Schlamm  und  Sand,  weshalb  man  die  zum  Schneiden 
bestimmten  einige  Zeit  in  Aquarien  mit  reinem ,  fliessendem  Wasser 
halten  muss,  bis  der  Darm  entleert  ist. 

Präparation.  —  Da  die  Pricke  das  erste  Wirbelthier  ist, 
welches  sich  durch  seine  Grösse  zu  makroskopischer  Zergliederung 
eignet,  so  geben  wir  hier  ein-  für  allemal  die  allgemeinen  Regeln  für 
diese  Operation ,  um  später  nur  bei  Gelegenheit  die  zur  Untersuchung 
einzelner  Organe  einzuschlagenden  Methoden  anzuführen. 

Vor  allen  Dingen  muss  man  stets  bei  Zergliederung  eines  Wirbel- 
thieres  ein  präparirtes  Skelett  desselben  zur  Hand  haben.  Welches 
auch  das  Organsystem  sei,  das  man  untersucht,  man  muss  stets  auf 
das  feste  Gerüst  des  Körpers  zurückkommen.  Die  Skelette  werden  in 
gewöhnlicher  Weise  durch  Maceration  etc.  hergestellt;  wir  gehen  auf 
die  zur  Herstellung  trockener  Skelette  gebräuchlichen  Verfahrungs- 
weisen  nicht  ein.  Wenn  es  sich  aber  um  die  Erhaltung  wichtiger, 
knorpeliger  Skelettstücke  handelt,  darf  die  Maceration  nicht  zu  weit 
getrieben  werden  und  zur  Herstellung  von  Skeletten,  die  grösstentheils 
aus  Knorpel  oder  selbst  häutigen  Theilen  bestehen,  bedarf  es  anderer 
Mittel.  Dies  ist  bei  den  Cyclostomen  der  Fall ;  die  früher  gebräuch- 
liche Methode  der  Skelettirung  mittelst  des  Scalpells  ist  schwierig 
und  mühsam;  man  kommt  aber  leicht  zum  Ziele,  wenn  man  das  ganze 
Thier  in  eine  mehr  oder  minder  starke  Lösung  von  Salpetersäure 
taucht.  Haut  und  Muskeln  zerfallen  und  lassen  sich  abpinseln ;  die 
häutigen  und  sehnigen  Ausbreitungen  leisten  längeren  Widerstand; 
die  Knorpel  und  das  Nervengewebe  dagegen  härten  sich  untür  dieser 
Behandlung  und  erhalten  sich  vollkommen.  Eine  lOprocentige  Lösung 
rauchender  Salpetersäure  in  Wasser  leistet  für  die  Präparation  erwach- 
sener Thiere  die  besten  Dienste;  für  jüngere  Thiere  genügen  schwächere 
Lösungen.  Dasselbe  Verfahren  kann  bei  Wirbelthieren  mit  knöchernem 
Skelett  angewendet  werden,  wenn  es  sich  darum  handelt,  Nerven  in 
ihrem  Verlaufe  durch  die  Knochen  bloss  zu  legen  oder  Schnitte  durch 
Theile  zu  machen,  wo  Knochen  und  Nerven  zugleich  getroffen  werden. 

Knorpelskelette  werden  in  Weingeist  conservirt;  Knochenskelette 
dagegen  trocken  aufgestellt. 

Die  makroskopische  Zergliederung  wird  bei  Thieren  von  einer 
gewissen  Grösse  an  freier  Luft  in  der  Weise  durchgeführt,  wie  dies  in 
den  Amphitheatern  für  menschliche  Anatomie  üblich  ist;  man  präparirt 


Cyclostomen.  383 

unter  Wasser,  wenn  es  sich  um  kleinere  Thiere,  isolirte  Organe  oder 
Darstellung  zarter,  häutiger  Ausbreitungen  handelt.  Wir  brauchen 
hierauf  nicht  näher  einzugehen.  Um  den  Verlauf  der  Gefässe  zu  ver- 
folgen, müssen  Injectionen  gemacht  werden ;  bei  Thieren  mit  gut  ent- 
wickeltem Schwänze  kann  man  sie,  nach  Abscheidung  eines  Stückes, 
von  diesem  aus  machen,  da  sowohl  die  Aorta  wie  die  Hauptvene  hier 
hart  an  der  Unterfläche  der  Wirbelsäule  liegen ;  bei  den  übrigen  wählt 
man  am  besten  die  grösseren  Gefässe  des  Halses  oder  der  Extremitäten 
und  öffnet  die  Höhlen,  in  welchen  die  Eingeweide  liegen,  erst  nach  der 
Consolidirung  der  Infectionsmasse. 

Die  Schuittmethode  kann  vollständig  nur  bei  den  Cyclostomen 
durchgeführt  werden,  die  sich  übrigens  vorzüglich  dazu  eignen,  nach- 
dem man  sie  mit  den  gewöhnlichen  Mitteln  gehärtet  und  gefärbt  hat. 
Man  schneidet  nach  Einschluss  in  Paraffin.  Wirbelthiere  mit  knöcher- 
nem Skelett  lassen  sich  nur  nach  vorgängiger  Entkalkung  "mittelst 
Salpetersäure  schneiden.  Man  wird  indessen  stets  soviel  wie  möglich 
junge  Thiere  zu  dieser  Behandlung  verwenden  und  meist  kann  man 
die  Methode  nur  für  einzelne  Organe  und  besonders  zu  histologischen 
Untersuchungen  benutzen.  Wir  können  nicht  auf  die  histologischen 
Einzelheiten  eingehen  und  müssen  uns  auf  Mittheilung  der  wesent- 
lichsten Resultate  beschränken. 

Allgemeine  Lagerung  der  Organe.  —  Nach  Abnahme  der 
Haut  zeigt  sich  der  ganze  Körper  bis  gegen  die  Augen  hin  von  den 
Massen  des  grossen  Seitenmuskels  eingehüllt,  auf  welchem  man  eine 
Menge  weisser,  aus  Sehnengewebe  gebildeter  Linien  bemerkt,  die  ein- 
ander mit  grosser  Rcgelmässigkeit  folgen  (Fig.  162  a.  f.  S.).  Diese 
Muskelmasse  weicht  nur  an  den  sieben  seitlichen  Kiemeulöchern  {spira- 
cula)  im  vorderen  Theile  und  im  Hinter] eibe  an  dem  in  der  Mittellinie 
des  Bauches  gelegenen  After  von  einander.  Um  die  Lagerung  der 
wesentlichsten  Organe  zu  veranschaulichen ,  spaltet  man  die  Masse 
längs  einer  leicht  angedeuteten,  vom  Auge  zum  After  verlaufenden 
Linie  und  hebt  sie  ab,  was  an  der  Bauchgegend  sehr  leicht  geschieht, 
während  man  an  dem  Kiemenkorbe  vorsichtig  zu  Werke  gehen  muss. 
Auf  diese  Weise  erhält  man  ein  Präparat,  wie  wir  es  in  Fig.  162  dar- 
gestellt haben.  Man  sieht  den  von  lockerem  Bindegewebe  umgebenen 
Mundrand  und  hinter  demselben  den  von  Knorpeln  gestützten  Vorder- 
kopf mit  der  medianen  Nasenöffnung  (e)  und  dem  seitlichen  Auge  (/). 
Knorpel,  Muskeln,  Gefässe  und  Nerven  sind  noch  von  demselben  Binde- 
gewebe eingehüllt  imd  können  nur  unter  der  Lupe  präparirt  werden. 
Der  Kiemenkorb  (7.;)  beginnt  in  der  Nähe  des  Auges ;  er  zeigt  die  sieben 
Kiemenlöcher  (/;),die  in  kaum  geschwungener  Horizontallinie  aufeinander 
folgen  und  die  oberflächlichen  Scheidewände  der  Kiemensäcke  (i),  deren 
genauere  Untersuchung  ebenfalls  nur  unter  der  Lupe  vorgenommen 
werden  kann.     Der   Kiemenkorb   enthält   in    seinem   hintersten   Theile 


584 


Wirbelthiere. 


Fie-.  162. 


das  von   einem  knorpeligen  Pericardium ,   das   mit   dem  Kiemenskelett 
verschmolzen  ist,  umgebene  Herz,  das  man  nicht  sehen  kaun,  weil  es 

ausserdem  seitlich  von  der  letzten 
Kiementasche  bedeckt  ist.  Der  Kie- 
menkorb scheint  demnach  nach  hin- 
ten mit  einer  rundlich  geschweiften 
Fläche  zu  enden ,  an  welche  sich  un- 
mittelbar die  Vorderfläehe  der  Leber  (?) 
anlegt ,  die  wie  alle  übrigen  Einge- 
weide, von  einem  sehr  dünnen  und 
durchsichtigen  Mesenterium  umhüllt 
ist,  das  sich  an  die  Innenfläche  der 
Seitenmuskeln  anlegt  und  das  man 
entfernen  muss,  um  die  Organe  deut- 
lich zu  sehen.  In  dem  vorderen  Theile 
der  Bauchhöhle  sieht  man  nur  einen 
kleinen  Theil  der  Leber,  den  unteren 
Lappen ,  da  bei  den  geschlechtsreifen 
Individuen ,  wie  dem  unserigen ,  die 
Geschlechtstheile,  Eierstöcke  (m)  oder 
Hoden,  den  grössten  Raum  in  der  vor- 
deren Hälfte  der  Bauchhöhle  einneh- 
men. Untersucht  man  die  "Geschlechts- 
organe genauer,  so  sieht  man,  dass  sie 
ihrer  ganzen  Länge  nach  mittelst  einer 
Falte  des  Bauchfelles  an  der  ventralen 
Mittellinie  der  Chorda  angeheftet  sind, 
dass  aber  ihre  vielfach  gewundenen 
Lappen  bauchwärts  aus  einander  wei- 
chen, um  eine  Rinne  mit  zwei  seit- 
lichen Massen  zu  bilden ,  in  welcher 
der  Darmcanal  {n)  verläuft,  der  in  ge- 

Petromyzon  fluviatilis  in  natih'lichei-  Grösse. 
Die  Haut  ist  von  der  ganzen  linken  Seitenfläche 
abgezogen  ;  der  Seiteiimuskel  über  dem  Kiemen- 
korbe und  der  Bauchhöhle,  sowie  hinten  über 
der  Chorda  und  dem  Nervensystem  entfernt. 
a,  Rücken'haut ;  b,  Bauchwand;  c,  Fransen- 
rand des  Saugmundes  ;  e,  NasenöfFnung  ;/,  Auge; 
g,  Seitenmuskel  mit  seinen  Myocommen  und 
Myomeren  ;  7t,  Kiemenlöcher  ;  i,  Kiemensäcke, 
von  Bindegewebe  und  Muskeln  umhüllt;  Tc,  Ende 
des  Kiemenkorbes,  welches  das  Herz  einschliesst ; 
/,  Leber ;  w,  Eierstock ;  n,  Darm ;  o,  Niere ; 
2),  Aorta;  q.,  Chorda;  r,  Rückenmark;  s,  gefässhaltige  Gewebsbrücken  zwischen  Darm 
und  Niere;  t,  Afterpfropf;  m,  After;  v,  erste  Rückenflosse. 


Cyclostomen.  385 

rader  Linie,  unmittelbar  der  Baucliwand  angescbmiegt,  zum  After  (u) 
verläuft.  In  der  hinteren  Hälfte  der  Bauchhöhle  nehmen  die  Ge- 
schlechtsorgane nach  und  nach  ab  und  hier  schieben  sich  zwischen 
sie  und  die  Bauchwand  die  Nieren  (o)  in  Gestalt  zweier  platter  Bänder 
mit  freiem,  unterem  Rande,  die  ebenfalls  mit  ihrem  oberen  Rande  an 
einer  Peritonealfalte  hängen.  Das  Bauchfell  selbst  bildet  in  der  Nähe  des 
Afters  einen  verdickten,  trichterförmigen  Pfropfen  (t),  in  welchem  die 
verschiedenen  Ausführungscanäle  verborgen  sind.  Um  die  Beziehungen 
zu  dem  Skelette  zu  veranschaulichen ,  haben  wir  auf  einem  Theile 
unseres  Präparates  die  Muskelmassen  entfernt  iind  so  die  Rückenseite 
oder  Chorda  (q)  mit  ihrer  Scheide  und  den  Rückencanal  (r)  bloss- 
gelegt ,  auf  dessen  Boden  das  bandförmige ,  nur  mit  seinem  Rande  als 
Linie  sichtliche  Rückenmark  gelagert  ist. 

Ein  Präparat,  wie  das  eben  besprochene,  kann  nur  eine  sehr  un- 
vollständige Anschauung  der  gegenseitigen  Lagerung  der  inneren 
Organe  geben,  namentlich  in  dem  Vordertheile  des  Körpers.  Deshalb 
bringen  wir  hier  noch  eine  um  das  Doppelte  vergrösserte  Darstellung 
eines  durch  die  Mittelebene  der  Kopf-  und  Kiemenregion  bis  zum  Be- 
ginne der  Bauchhöhle  gelegten  Sagittalschnittes.  Schnitte  dieser  Art 
lassen  sich  leicht  an  in  Weingeist  conservirten  Exemplaren  mittelst 
eines  langen  und  schai'fen  Rasirmessers  machen;  nur  hält  es  ziemlich 
schwer,  sie  genau  in  der  senkrechten  Mittelebene  zu  führen.  Geringe 
Abweichungen  lassen  sich  wegen  des  ungleichen  Widerstandes  der 
Knorpel,  Muskeln  und  der  mehr  weichen  Organe  nur  schwer  vermeiden. 

Man  sieht  auf  diesem  Schnitte  (Fig.  163  a.  f.  S.)  das  Tegument  (rt) 
gleichmässig  über  die  ganze  Rückenfläche,  sowie  über  die  Bauchfläche 
bis  zu  dem  Saugmunde  hin'  ausgebreitet,  wo  es  eine  tiefe  Einfalzung 
zeigt  (/),  die  den  Mundtricbter  von  dem  Körper  scheidet.  Der  Rand 
des  Trichters  ist  mit  tentakelförmigen  Fransen  eiugefasst  (b),  die  in 
der  Nähe  des  erwähnten  Falzes  sehr  lang  werden.  Unter  dem  Tegu- 
mente  erstreckt  sich  die  von  schiefen  Myocommen  durchsetzte  Masse 
der  Seitenmuskelu ,  die  auf  dem  Rücken  (i/')>  w^  ^i^  ^^^^  ^i^  über 
den  hinteren  Theil  des  Schädels  erstreckt,  sehr  mächtig  ist,  während 
sie  auf  der  Bauchseite  (g^)  nur  eine  dünne  Schicht  bildet,  die  an  dem 
erwähnten  Falze  aufhört.  Die  Myocommen  fliessen  innen  mit  der 
oberen  Wand  des  Rückencanales  (i-)  zusammen,  die  sich  in  das  Schädel- 
dach fortsetzt,  während  die  untere  Wand  desselben  Canales  zugleich 
die  Scheide  der  Chorda  (m)  bildet,  deren  untere  Fläche  (m'^)  im  Kopfe 
mit  der  Schädelbasis  (Je)  sich  vereinigt.  Der  Rückencanal  schliesst  das 
bandförmige  Rückenmark  (?)  ein,  das  nach  vorn  sich  allmählich  ver- 
verdickt und  schliesslich  in  der  Schädelhöhle  selbst  zum  Gehirn  (i^) 
entfaltet.  Vor  dem  Hirn  und  mit  ihm  durch  den  Riechnerven  ver- 
bunden, findet  sich  der  weite,  von  einer  besonderen,  dünnen  Knoi-pel- 
kapsel  umgebene  Nasensack  (/i^),  der  nach  aussen  durch  den  einfachen 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  2.5 


386 


Wirbelthiere. 


Nasengang  mündet  (h),  nach  hinten  und  unten  aber  den  Nasengamnen- 
gang  (/i-)  entsendet,  welcher  die  mittlere  untere  Lücke  der  Schädelbasis 
durchsetzt  uud  auf  dem  Schlünde  blind  geschlossen  endet.  Die  dicke, 
cylindrische  und   anscheinend  homogene  Chorda   (w)    spitzt   sich   nach 

und     endet     in 


Fig.  163. 


vorn     zu 

der  Schädelbasis  an  der 
erwähnten  Lücke.  Unter 
der  Chorda  sieht  man  in 
dem  mittleren  Theile  des 
Präparates  einen  horizon- 
talen Canal  mit  vielen 
Löchern.  Es  ist  die  Aorta 
(r)  und  die  Löcher  führen 
entweder  in  die  Kiemen- 
venen ,  aus  welchen  sich 
die    Aorta    zusammensetzt, 

Doppelt  vergrösserter,  sagittaler 
und  medianer  Durchschnitt  der 
Vorderregion  eines  Petromyzon, 
unter  der  Lupe  gezeichnet,  a,  Te- 
gument  des  Rückens;  «',  des 
Bauches ;  b  ,  Fransenrand  des 
Saugtrichters;  b^,  grössere  Fran- 
sen am  Hinterende  der  Muiid- 
spalte  ;  c,  Lymphräume  ;  '/,  ohere 
Hälfte  des  Ringmuskels  der  Saug- 
schoihe,  durchschnitten;  e,  Zähne 
au  der  Innenwand  derselben; 
/,  Trcuuuugsfalte  zwischen  Saug- 
scheihe  und  Körper ;  //,  Rücken- 
theil des  Seitenuiuskels ;  y^, 
P.auchthcil  dcsscllieii;  h,  Nasen- 
ötVuung  mit  dem  ('anale ,  der 
zum  Nasensack  /;'  führt;  h-, 
Nasengaumengang ;  /.  Rücken- 
mark; «■',  Gehirn;  /"-,  Sciieide 
des  Rückencnnaies  i'';  /,',  Hinter- 
lKuiiits|da11c  iUt  Schädelbasis; 
lc\  Vordcridatte  derselben;  l, 
Zungenstiel ,  dessen  bewalfnetes 
X  Vorderende;     Z^,    sein    Knorpel- 

sticl  ;  fi,  /3,  Muskeln  des  Zungen- 
sticles;  m,  Kern  der  Chorda;  m',  ihr  vorderes  Knde  ;  n,  gemeinsamer  Schlundcanal ; 
o,  Schlund;  o',  Khijii.c  an  Äff  Einmündung  des  Schlundes  und  des  Wasserganges; 
;>,  Wassergang  mit  seinen  Knoptlochöllhungen  in  die  Kiciucnlaschcii  ;  ;)',  I'.indegcwebe 
am  blinden  Ende  des  Wasserganges ;  </,  Ringknm  pd ;  r,  Aorla;  .s,  Kiemenarterie; 
/,  Vorkamuicr  des  Herzens;  ii,  Herzl<.unMiiT ;  ?',  Isintritt  ilcr  llohlveiie;  ir,  knoriieligcr 
Herzbeutel;  w'\  Fortsetzung  dessellien  in  Ai-u  (irundsticl  des  Kiemenkorbes ;  v.  l'.imch- 
fcil;^,    Lober;    r,    Darm;    1,    i'.auchhöhle  ;    'J,    Eierstock. 


h 

p--" 

M 

L-^-v-' 

M 

7/^ 

\ 

Uy 

> 

k 


Cyclostomen.  387 

oder  in  die  zahlreichen  Aeste  und  Zweige,  die  sie  an  die  benachbarten 
Organe  abgiebt.  Nach  hinten  ist  die  Fortsetzung  der  Aorta  in  der  Nähe  des 
Herzens  durch  dichtes  Fasergewebe  verdeckt,  welches  die  vordere  Fläche 
des  Herzbeutels  umhüllt.  Nach  vorn  unter  dem  Schädel  verschwindet 
die  Aorta  aus  der  Ebene  des  Schnittes  in  Folge  ihrer  Gabelung.  Unter 
der  Aorta  verläuft  horizontal  der  gleichmässige ,  aber  sehr  enge 
Schlund  (o).  Ueber  dem  Herzen  weicht  er  etwas  nach  links  ab  und 
senkt  sich  in  die  Leber  ein  (g),  an  deren  oberem  Rande  er  dann  als 
Darm  (z)  wieder  erscheint.  Nach  vorn  scheint  der  Schlund,  gerade 
unter  der  vorderen  Spitze  der  Chorda,  auf  unserem  Schnitte  durch  eine 
Querklappe  (o^)  geschlossen.  Der  Schnitt  hat  nicht  ganz  die  Mitte 
dieser  Klappe  getroffen ,  die  in  der  That  eine  centrale  Oefifuung  zeigt. 
Von  hier  an  setzt  sich  der  Schlund  gegen  eine  zweite  Verengerung 
fort  (w),  die  an  dem  Vorderraude  des  Zungenstempels  (/)  sich  befindet, 
um  hier  unmittelbar  in  dem  Grunde  des  Saugmundes  sich  zu  öffnen. 
Unter  dem  Schlünde  zeigt  sich  ein  bedeutend  weiterer  Canal  mit  sieben 
knopflochartigen  Oeffnungen,  der  gegen  das  Herz  hin  blind  geschlossen 
ist.  Dies  ist  der  Wassercanal  (broMc/^^ts)  (p)  und  die  sieben  Knopflöcher 
führen  in  die  entsprechenden  Kiemensäcke  der  linken  Seite.  Nach 
vorn  zu  verengert  sich  der  Wassercanal  und  mündet  an  dem  erwähnten 
Isthmus  mit  einer  engen  Oeffnung,  an  welcher  sich  fingerförmige  Fort- 
sätze befinden,  in  den  Schlund.  Endlich  sieht  man  immer  in  derselben 
Mittelregion  des  Schnittes,  aber  etwas  weiter  nach  hinten,  die  Kiemen- 
arterie (s),  die  nur  in  der  Nähe  des  Herzens  durch  den  Schnitt  ge- 
öffnet, weiter  nach  vorn  aber  nur  gestreift  ist,  so  dass  man  die  Aus- 
trittsstellen der  drei  hintersten  Gefässbogen  der  rechts  gelegenen 
Kiemen  sieht.  Zwischen  der  vierten  und  fünften  Kiementasche  gabelt 
sich  die  Kiemenarterie  in  zwei  Aeste;  der  rechte  ist  abgeschnitten,  der 
linke  schlüpft  zwischen  den  Wassercanal  und  die  Muskeln  des  Zungen- 
stieles und  verlässt  so  die  Mittelebene.  Endlich  ist  zwischen  die 
Schlundverengerung  vorn,  den  Wassercanal  in  der  Mitte  und  die  Kiemen- 
arterie nach  hinten  einerseits  und  die  Haut  mit  der  Muskelschicht 
anderseits  der  mächtige  Apparat  des  Zungenstieles  eingeschoben.  Nach 
hinten  wird  diese  Masse  von  den  Rückziehern  des  Stieles  (I-,  ?•')  ge- 
bildet, welche  sich  vorn  an  die  Scheide  des  knorpeligen  Mittelstückes  (P) 
ansetzen,  das  seiner  ganzen  Länge  nach  gespalten  ist.  Im  Grunde  des 
Saugtrichters  endet  der  Zungenstiel  mit  einer  vorspringenden  Be- 
waffnung von  Hornspitzen  (/).  An  den  Wänden  des  Saugtrichters 
sieht  man  ebenfalls  vorspringende  Hornzähne  (e)  und  an  dem  Boden 
des  Grundes  den  Durchschnitt  einer  mit  Hornzähnen  besetzten  Knorpel- 
leiste ,  die  von  den  Zoologen  fälschlich  Unterkiefer  genannt  wird  (i)>). 
In  dem  Dache  des  durchschnittenen  Saugmundes  sieht  man  noch  die 
Durchschnitte  des  sogenannten  Oberkiefers,  des  vorderen  Ringniuskels  (cZ) 
und   die   grossen    Lymphräume   (c)    zwischen    den   Lippenknorpeln    (q) 

25* 


388  Wirbelthiere. 

und  der  Haut.  Endlich  gewahrt  man  in  dem  hintersten  Theile  des 
Präparates  die  Vorkammer  (t)  und  die  grosse  Kammer  (u)  des  Her- 
zens ,  beide  eingeschlossen  in  einen  knorpeligen  Herzbeutel  (w) ,  der 
sich  nach  vorn  iu  einen  medianen,  zwischen  die  Rückziehmuskeln  des 
Zungenstieles  und  die  Bauchmuskelmasse  eingeschobenen  Knorpel- 
stab (w^)  fortsetzt,  der  zugleich  den  Stamm  des  Knorpelgerüstes  des 
Kiemenkorbes  bildet.  Nach  oben  zeigt  der  Herzbeutel  eine  Lücke  (v), 
durch  welche  die  grosse  Hohlvene  des  Körpers  sich  zur  Vorkammer 
begiebt.  An  der  hinteren  Fläche  des  Herzbeutels  sieht  man  an  der 
Bauchseite  den  Umschlag  des  Peritoneums  (x) ,  welcher  die  Vorder- 
fläche der  Leber  (y)  überzieht,  sich  aber  weiter  nach  oben  so  innig  an 
den  Herzbeutel  anschmiegt,  dass  man  ihn  nur  mit  stärkeren  Ver- 
grösserungen  erkennen  kann,  üeber  der  Leber  sieht  man  das  Vorder- 
ende des  Ovariums  (r)  und  darunter  den  aus  der  Umhüllung  der  Leber 
hervortretenden  Darm  (g). 

Wir  werden  zur  Ergänzung  dieser  topographischen  Darstellungen 
in  gleicher  Weise,  wie  für  den  Amphioxus,  einige  Querschnitte  geben, 
ziehen  es  aber  vor,  sie  an  geeigneten  Orten  einzuschalten. 

T  e  g  u  m  e  n  t.  —  Die  ziemlich  feste,  aber  an  ihrer  Oberfläche  sehr 
schlüpfrige  Haut  der  Pricke  ist  aus  mehreren  Schichten  von  wech- 
selnder Mächtigkeit  zusammengesetzt.  Die  obere  Schicht,  die  Epi- 
dermis, besteht  nur  aus  Zellen  verschiedener  Art.  Unter  ihr  breitet 
sich  die  faserige  Lederhaut  aus,  an  deren  Grunde  sich  eine  Pig- 
mentschicht findet,  welche  fast  überall  die  aus  Bindegewebe  be- 
stehende Hypodermis  deckt.  Ein  Hautskelett  fehlt  durchaus.  Be- 
trachten wir  die  einzelnen  Schichten. 

Epidermis  (Fig.  164,  165).  —  Das  allgemeine  Substrat  dieser 
Schicht  besteht  aus  feinkörnigen  Zellen  mit  deutlichen  Kernen  und 
stark  lichtbrechenden  Kernkörperchen  (a,  e,  /,  Fig.  164;  i?,  Fig.  165). 
Zellen  und  Kerne  färben  sich  leicht  durch  Carrainlösungen;  die  Wände 
sind  deutlich  abgegrenzt  und  schon  mit  schwachen  Vergrösserungen 
sieht  man  deutlich  enge  Intercellularräume ,  welche  die  Zellen  ein- 
schliessen.  Sie  bilden  mehrfache  Schichten  und  zeigen  einige  Form- 
verschiedenheiten, je  nach  ihrer  Lagernng. 

In  der  That  sieht  man  an  der  Basis  der  Oberhaut  und  in  un- 
mittelbarem Contact  mit  der  Lederhaut  eine  Schicht  länglicher,  pris- 
matischer Zellen  (/,  Fig.  164),  die  wie  Palissaden  an  einander 
gereiht  und  offenbar  in  lebhafter  Vermehrung  begriffen  sind,  da 
man  welche  mit  eingeschnürtem  oder  doppeltem  Kern  and  andere 
selbst  quer  eingeschnürt  sieht.  Diese  Palissadenzellen  gehen  in  den 
Mittelschichten  in  polyedrische  Zellen  (e)  über,  an  welchen  man 
zuweilen  einen  feinen  Faden  sieht,  der  nach  unten  sich  verbreitert 
(Stielzellen  nach  Föttinger,  s.  Lit.).  Gegen  die  Oberfläche  hin 
platten  sich  die  Zellen  nach  und  nach  ab  und  die    äusserste  Oberhaut- 


Cyclostomen. 


389 


Schicht  wird  von  platten  Zellen  gebildet,  deren  Protoplasma  weniger 
körnig,  die  Kerne  verschwommener  sind  und  deren  äusserste  Fläche 
eine  fein  gezähnelte  Decke  bildet  («).  Nach  Fötterle  soll  dieses 
Ansehen  auf  feinen  Porencanälen,  nach  F.  E.  Schultze  auf  Fältelungen 
(sogenannte  Riffzelleu),  nach  Pogojeff  auf  senkrechten  Streifungen 
beruhen  (s.  Lit.).  Wie  dem  auch  sei,  so  steht  soviel  fest,  dass  man 
au  mit  Müll  er 'scher  Flüssigkeit  dissociirten  Zellen  diese  Platte  zu- 
weilen in  grobe  Fasern  gespalten  sieht.  Von  der  Fläche  gesehen, 
erscheinen  diese  Zellen  oft  regelmässig  sechseckig  und  ihre  ßauhig- 
keiten  wie  dunkle  Punkte. 

Die    beschriebenen    Zellen    bilden    fast    allein     die    Oberhaut    des 
Saugmundes  und   der   Hornhaut   des  Auges;    an    den   übrigen   Körper- 

Fio-.  164.  ' 


Petroin.  fnivlut.  —  Senkrechter  Uurchschiiitt  der  Kopfhaut  zwischen  den  Augen. 
Gundl.,  <Jc.  1,  Übj.  6,  Camera  dura,  a,  oberflächliche  Phittenzellen  der  Epidermis; 
b,  Kelchzelleu ;  b^ ,  deren  Mündung;  c,  Körnchenzellen;  c^ ,  Ausläufer  derselben; 
d,  Keulenzelle  ;  ifl,  losgelöste  Keulenzelle  ;  e,  Mittelzellen  ;  /,  prismatische  Basalzellen 
der  Oberhaut;   g,  faserige  Lederhaut;   h,  Pigmentschicht;  /,  Unterhautgewebe. 


stellen   finden   sich  andere  Elemente   eingemischt.      Ueber  Einzelheiten 
ziehe  man  die  treffliche  Arbeit  von  Föttinger  zu  Käthe. 

Hier  und  da,  namentlich  an  den  Lippen,  gehen  diese  Zellen  in 
Drüsenzellen  über,  die  man  Kelchzelleu  genannt  hat  (b,  Fig.  164). 
Das  körnige  Protoplasma    mit   dem  Kern   lagert   sich   am  Grunde,   der 


390 


Wirbelthiere. 


übrige  Zellenraum  füllt  sich  mit  durchsichtiger,  klebriger  Flüssigkeit. 
Schliesslich  bildet  sich  eine  Ausfuhröffnung,  "die  bei  jungen  Thieren 
(einem  solchen  ist  unsere  Figur  entnommen)  halsartig  ausgezogen  ist, 
während  bei  alten  Thieren  der  Hals  sehr  kurz  ist. 

Ein  durchaus  verschiedenes  Element  sind  die  Kolben-  oder 
Keulenzellen  {ä,  Fig. 164;  C,Fig.  1G5).  Sie  sind  vollkommen  durch- 
sichtig  und   schon   mit    geringen   Vergrösserungen    sieht  man  sie   wie 


Petroin.  ßuviat.  —  Elemente  der  Oberhaut.  A,  senkrechter  Querschnitt  eines  Sinnen- 
grübchens ;  a,  Plattenzellen;  &,  Mittelzellen;  b^,  Basalzellen;  c,  faserige  Lederhaut; 
d,  mittlerer  Nervenhügel;  e,  die  Lederhaut  durchsetzende  Nervenfäserchen ;  y,  Nerven- 
stämmchen  zum  Centralhügel.  B,  Horizontalschnitt;  «,  Mittelzellen,  die  Keulenzelle  h 
umgebend,  deren  Kern  getroffen  ist;  c,  Intercellularsubstauz.  C,  Keulenzellen. 
C\,  unverändert  isolirt;  a,  Keule;  h,  Kern  mit  Protoplasma,  welches  sich  mit  dem 
Faden  c  in  den  Hals  der  Zelle  fortsetzt.  C'.j,  ausgetretene  und  verunstaltete  Keulen- 
zelle ;  a,  Plattenzellen;  &,  Keulenzelle.  /),  Körnchenzelle.  E,  Sinneszellen;  a,  mit 
zwei  feinen  Endfäden ;  h,  mit  gröberen  Endfäden ;  c,  mit  verletztem  Endstäbchen. 
(5,     C'2    und    7?o    nach    Föttinger;    die    übrigen,    mit    Ausnahme    von    E^,    nach 

Pogojeff.) 


Cyclostomen.  391 

helle  Hohlräume  oder  auf  gefärbten  Präparaten  schwach  gelblich  tin- 
girt.  Meist  haben  sie  die  Gestalt  einer  Keule,  deren  Handhabe  der 
Lederhaut  aufsitzt ,  während  das  stumpfe  Ende  gegen  die  Oberfläche 
gerichtet  ist  (fZ,  Fig.  164;  C^,  Fig.  165).  Indessen  wechselt  ihre  Ge- 
stalt sehr  und  scheint  auch  durch  die  Reagentien  beeinflusst  zu  werden. 
Ihr  Inhalt  ist  dickschleimig  und  man  sieht  häufig  Doppelconturen  der 
Wandung,  welche  uns  durch  die  ungleiche  Härtung  des  Inhaltes  be- 
dingt scheinen.  Fast  immer  findet  man  darin  zwei  an  einander  liegende 
Kerne  mit  Kernkörperchen  ((U,  Fig.  164);  oft  sind  die  Kerne  von 
einer  stark  gefärbten  Protoplasmamasse  umgeben ,  die  sich  zuweilen 
in  einen  bis  in  den  Stiel  verfolgbaren  Faden  fortsetzt  (Cj,  Fig.  165). 
Die  Kerne  liegen  stets  im  erweiterten  Theile  nahe  dem  runden  Ende. 
In  allen  sieht  man  feine,  viel  besprochene  Linien,  concentrisch  im 
breiten  Theile,  quer  im  Halse,  welche  uns  ebenfalls  durch  die  Ein- 
wirkung der  Reagentien  hervorgebracht  scheinen ,  da  wir  sie  in  frisch 
dissociirten  Zellen  nicht  wahrnehmen  konnten. 

P'öttinger,  dessen  Resultate  wir  bestätigen  können,  hat  die  Ge- 
schichte dieser  Keulenzellen  verfolgt.  Sie  entstehen  unmittelbar  auf 
der  Lederhaut  als  kleine  Bläschen  und  nehmen  bei  fortschreitendem 
Wachsthum  die  Keulengestalt  an,  welche  sie  lange  behalten.  Xach 
und  nach  heben  sie  sich  mehr  gegen  die  Oberfläche,  ihr  Stiel  zieht 
sich  in  einen  Faden  aus,  der  zuweilen  ganz  verschwindet  (d^),  und 
schliesslich  drängen  sie  sich  durch  die  umgebenden  Zellen,  deren  Druck 
sie  vielfach  verunstaltet,  auf  die  Oberfläche,  wo  man  sie  noch  in  Ge- 
stalt gewundener  Würste  liegen  sieht,  bis  sie  endlich  verschwinden 
(C2,  Fig.  165). 

Die  Function  dieser  Keulenzellen  ist  nicht  genau  festgestellt. 
Pogojeff  (s.  Lit.)  hält  sie  für  nervöser  Natur  und  glaubt  sie  den 
Paciui 'sehen  Körperchen  der  höheren  Wirbelthiere  anreihen  zu 
können.  Uns  scheint  es,  dass  sie  eher  defensiver  Natur  und  den 
Nesselzellen  analog  seien ,  von  welchen  sie  freilich  in  ihrer  Structur 
ebenfalls  sehr  abweichen. 

Die  sehr  eigenthümlichen  Körnchenzellen  (c,  Fig.  164; 
D,  Fig.  165)  finden  sich  besonders  in  den  Mittelschichten  der  Epidermis 
als  grosse,  runde  oder  eiförmige  Zellen  mit  sehr  dünner  Wand  und 
dunklem  Protoplasma,  in  welchem  dicke  Granulationen  angehäuft  sind. 
Der  einfache  körnige  Kern  ist  undeutlich  abgegrenzt  und  enthält  ein 
stark  lichtbrechendes  Kernkörperchen.  Von  der  Peripherie  dieser 
Zellen  gehen  ein  oder  mehrere  zarte  Fäden  aus,  welche  meist  gegen 
die  Lederhaut  sich  wenden,  wo  sie  sich  mit  einer  kleinen  Erweiterung 
anzusetzen  scheinen.  Auf  Durchschnitten  lassen  sich  diese  Ausläufer 
schwer  verfolgen,  doch  haben  wir  welche  gesehen ,  die  nach  der  Ober- 
fläche hin  verliefen  und  zuweilen  sich  gabelten  (c^  Fig.  164).  Ihre 
Function  ist  unbekannt;   iu  Müller'scher  Flüssigkeit  dissociirt,   sehen 


392  Wirbelthiere. 

sie  gewissen  Ganglieuzelleu  zum  Verwechseln  ähnlich  (D,  Fig.  165), 
wenn  auch  Pogojeff  diese  Aehnlichkeit  leugnet  und  sie  für  einzellige 
Drüsen  ansieht. 

Endlich  findet  man  noch  in  der  Oberhaut  Sinn  es  zellen  (£^,  Fig.  165) 
(von  Föttinger  Geschmackszellen  benannt),  welche  besonders  in 
eigenthümlichen  Bildungen ,  die  wir  sogleich  besprechen  werden ,  sich 
zusammenhauten,  aber  auch  sonst  überall  einzeln  zerstreut  vorkommen. 
Es  sind  lange,  an  der  Lederhaut  haftende  Fadenzellen,  deren  feiner 
Stiel  sich  wahrscheinlich  in  die  Lederhaut  fortsetzt,  die  in  einer  mitt- 
leren Anschwellung  feinkörniges  Protoplasma  um  einen  runden,  hellen 
Kern  mit  Kernkörperchen  zeigen  und  nach  der  Oberfläche  einen  feinen 
Ausläufer  senden,  der  ziemlich  spröde  zu  sein  scheint,  denn  in  vielen 
Fällen  sieht  man  die  Zelle  mit  einem  unregelmässig  gelappten  Ende 
(E,  3).  Wir  gestehen ,  dass  wir  selbst  in  sehr  feinen  Schnitten  diese 
Sinneszellen  nicht  deutlich  in  dem  Gewirre  anderer  Zellen  unter- 
scheiden konnten ;  man  findet  sie  aber  stets  in  Zerzupfungspräparaten. 

Die  Sinneszellen  häufen  sich  in  Hügeln  an,  welche  in  kleinen 
Grübchen  liegen.  Langerhans  (s.  Lit.)  hat  die  Vertheilung  dieser 
Grübchen  auf  dem  Körper  genau  beschrieben.  Man  kann  sie  beson- 
ders auf  den  weissen  und  silberglänzenden  Flächen  der  Haut  sehr 
deutlich  mit  der  Lupe  sehen.  Sie  beginnen  auf  der  Oberlippe  mit 
einer  einfachen  Reihe,  die  auf  den  Seiten  der  Nase  unterbrochen 
ist,  sich  aber  dann  in  zwei  Aeste  theilt,  von  welchen  der  eine  zum 
Auge  läuft,  sich  unter  der  Hornhaut  in  einem  nach  vorn  convexen 
Bogen  herumbiegt  und  sodann  längs  des  Kiemenkorbes  in  geringer 
Entfernung  unter  den  Kiemenlöchern  als  unregelmässige  Seitenlinie 
sich  bis  ziim  Anfange  der  zweiten  Rückenflosse  verfolgen  lässt.  Mit 
dieser  Seitenlinie  stehen  zwei  andere  in  Connex:  eine  untere,  die  nur 
von  wenigen  (sechs  bis  acht)  unmittelbar  auf  den  Kiemenlöchern 
liegenden  Grübchen  gebildet  wird,  und  eine  obere,  weit  bedeutendere, 
welche  mit  zwei  Querlinien  beginnt,  von  welchen  die  vordere  etwa  in 
7,5  mm  Entfernung  hinter  der  Nase  verläuft  und  sich  längs  der  Mittel- 
linie des  Rückens  bis  zur  Schwanzflosse  verfolgen  lässt.  Meist  ent- 
spricht ein  Grübchen  je  zwei  Myocommen;  die  Linie  im  Ganzen  ist 
gewellt.  Endlich  finden  sich  noch  Reihen,  welche  die  Unterlippe  um- 
kreisen. 

Auf  Schnitten  {A,  Fig.  165)  sieht  man,  dass  das  gewöhnliche  Epi- 
thelium  ohne  Kolben-  und  Körnchenzellen  sich  wallförmig  um  eine 
Grube  erhebt,  in  deren  Mitte  ein  Hügel,  von  eng  zusammengedi^ängten 
Sinneszellen  gebildet,  vorspringt.  Pogojeff  (s.  Lit.)  hat  Nerven- 
fädchen  gesehen,  die  sich  durch  die  Lederhaut  hindurch  bis  an  die 
Basis  dieses  Sinneshügels  verfolgen  Hessen;  er  hat  aber  die  unmittel- 
bare Verbindung  der  Nervenfädchen  mit  den  Sinneshügeln  nicht  zur 
Anschauung  bringen  können. 


Cyclostomen.  393 

Keiu  Zweifel,  dass  die  beschi'iebenen  Bildungen  die  einfachste 
Form  jener  oft  sehr  complicirteu  llaiitsinnesorgane  darstellen,  die  wir 
bei  anderen  wasserbewohuenden  Wirbelthieren  kennen. 

In  unmittelbarer  Berührung  mit  den  Basalzellen  der  Epidermis 
steht  die  in  ihrer  Dicke  sehr  wechselnde  Leder  haut  {g,  Fig.  164). 
Sie  ist  am  dicksten  auf  dem  Rücken,  verdünnt  sich  aber  gegen  die 
Seiten  und  den  Bauch  hin  und  namentlich  auf  der  Hornhaut.  Sie 
besteht  wesentlich  aus  gewellten  Bindegewebsfasern,  in  deren  Schichten 
die  Richtungen  sich  kreuzen,  ohne  sich  zu  verfilzen,  und  man  sieht  in 
ihnen  häufig  kleine ,  eiförmige  und  abgeplattete  Kerne ,  die  oft  am 
Grunde  eine  fest  zusammenhängende  Schicht  bilden.  Ausserdem  sieht 
man  Lacunen  und  Hohlräume,  welche  gegen  die  beiden  Flächen  der 
Schicht  hin  häufiger  werden  und  worin  Xerven  und  Gefässe  ver- 
laufen. 

Die  Lacunen  werden  an  der  Basis  der  Lederhaut  oft  so  bedeu- 
tend, dass  diese  sich  leicht  von  der  Pigmentschicht  (/(,  Fig.  164)  ab- 
löst, welche  aiif  dem  Rücken  weit  mächtiger,  als  auf  den  Seiten  und 
am  Bauche  ist.  Auf  den  Schnitten  sieht  man  diese  Schicht  meist  als 
eine  zusammenhängende,  unregelmässige  Ausbreitung,  die  besonders 
nach  unten  in  das  Unterhautgewebe  Ausläufer  entsendet.  Von  der 
Fläche  gesehen ,  zeigt  sich  die  Schicht  aus  mit  schwarzen  Körnchen 
gefüllten  Sternzellen  gebildet,  die  einen  hellen  Kern  haben  und  zahl- 
reiche vei'zweigte  Ausläufer  entsenden,  welche  mit  denen  der  benach- 
barten Zellen  Netze  bilden.  Sie  sind  durchaus  den  Pigmentzellen 
ähnlich,  die  man  bei  vielen  anderen  Wirbelthieren,  z.  B.  den  Fröschen, 
findet.  An  den  silberglänzenden  Flächen  der  Haut  des  Bauches  und 
der  Seiten  sieht  man  hier  kleine,  dünne  Plättchen  angehäuft,  welche 
das  Licht  brechen. 

Endlich  besteht  das  Unterhautgewebe  (/,  Fig.  164)  aiis  einem 
laxen  Netze  von  Bindegewebsfasern,  dessen  Maschen  meist  mit  Fett- 
ablagerungen erfüllt  sind  und  in  welchen  zahlreiche  Nerven  und  Ge- 
fässe sich  verzweigen.  Ebenso  finden  sich  darin  Lymphräume,  die  be- 
sonders am  Saugtrichter  sehr  geräumig  werden. 

Skelett.  —  Wir  finden  bei  den  Cyclostomen  nur  ein  inneres 
Skelett,  das  aber,  je  nach  den  Standpunkten,  von  welchen  aus  man  es 
betrachtet,  in  verschiedene  Kategorien  zerlegt  werden  kann. 

Vom  histologischen  Standpunkte  aus  finden  wir  drei  verschiedene 
Gewebe,  welche  an  seiner  Bildung  Antheil  nehmen;  das  zellige  Ge- 
webe des  Chordakernes ,  das  Bindegewebe ,  welches  bald  faserig ,  bald 
blätterig  ist,  und  endlich  das  Knorpelgewebe.  Letztere  beiden  Gewebe 
treten  meist  zur  Bildung  der  einzelnen  Theile  zusammen. 

Vom  morphologischen  Standpunkte  aus  kann  man  unterscheiden : 
das  Chordalsystem  {A,  Fig.  166  a.  f.  S.)  mit  der  Chorda  und  ihren 
Ausstrahlungen,  dem  Schädel  und  den  Flossenstrahleu ;  das  System  der 


394 


Wirbelthiere, 


Fii?.   166. 


Lippenknorpel (^),  des  Zungenstieles  (C)  und  des  Kiemenapparates (D), 
welche  drei  letzteren  dem  sogenannten  Visceralskelette  angehören. 

Die  Chorda  nebst  Zubehör.  —  Der  Kern  der  Chorda 
(>;?,  Fig.  163)  besteht  aus  einem  in  der  Axe  des  Körpers  sich  hin- 
ziehenden, an  beiden  Enden 
zugespitzten  Cylinder,  der  in 
der  Mitte  des  Rückens  seine 
grösste  Dicke  erreicht.  Das 
vordere  zugespitzte  und  etwas 
nach  oben  gekrümmte  Ende 
beginnt  in  dem  Hinterrande 
der  in  der  Mitte  des  Schädel- 
grundes befindlichen  Lücke. 
Durch  den  Hinterrand  des 
Auges  gelegte  Querschnitte 
treffen  diese  Kopfspitze,  welche 
die  ganze  hintere  Schädel- 
platte    der    Mittellinie     noch 


Petrom.    fluvlatiUs.    —    Das     Kopf- 
und     Kiemenskelett ,     doppelt     ver- 

grössert.  Salpetersäurepräparat. 
Durch  eine  punktirte  Linie  sind  die 
Conturen  des  Körpers  angedeutet. 
Man  hat  den  Nasensack  und  den 
Augapfel  in  ihrer  normalen  Lage 
belassen ,  ebenso  die  verschiedenen, 
unter  einander  beweglichen  Knorpel, 
ohne  dieselben  aus  ihren  Verbin- 
dungen zu  lösen.  A ,  chordales 
System  vind  Schädel ;  B ,  Lippen- 
knorpel;  C,  Zungenknorpel;  Z>,  Kie- 
menkorh.  a,  ümriss  des  Körpers ; 
(fi ,  Umi-iss  des  Saugmundes;  6, 
oberer  Faserkern  desselben  ;  c,  Nasen- 
sack ;  c^,  seine  äussere  Oeffnung ; 
e,  Ohrkapsel ;  /,  Chorda;  /i,  Wirbel- 
stücke ;  /^,  vorderes  Doppelstück; 
ly,  seitliche  Schädelwand  ;  (/^,  Henkel 
des  Schädels;  (ß ,  vordere  Spitze 
desselben;  (/•',  Zungenliein  und  Qua- 
dratbein ;  (j^  1  Ansatz  des  Kiemen- 
korbes ;  Ä,  Auge  ;  i,  sogenannte  Eth- 
moidalplatte ;  k,.  Halbringknorpel; 
Ä:^,  sein  Fortsatz;  /,  Ringknorpel;  vi,  Dornfortsatz;  m,  rautenförmiger  Knorpel; 
o,  Plättchenknorpel;  jh  Zungenstiel;  r,  Trennungsfalz  des  Saugmundes;  *,  Kiemen- 
löcher; t,  Rückenlinie  des  Kiemenkorbes;  u,  obere  Kiemenlinie;  v,  untere  Kiemen- 
linie;   IV,  Bauchlinie;    ,x,    senkrechte  Knorpelstäbe;    y,  Herzbeutel;    j,  Gelasslöcher  in 

demselben. 


Cyclostümeu.  395 

zwischen  den  Ohrkapselu  durchsetzt  und  bei  dem  Austritt  aus  der 
Platte  bedeutend  verdickt  sich  über  den  Kiemenkorb  hinzieht.  Von 
hier  aus  setzt  sich  die  stets  als  Boden  für  das  auflagernde  Rücken- 
mark dienende  Chorda  bis  in  die  Schwanzflosse  fort,  an  deren  Spitze 
sie  etwas  aufgebogen  endet. 

Während  des  Lebens  zeigt  der  Chordakern  ein  etwas  festes  Gallert- 
gewebe, das  durchsichtig  farblos,  oder  leicht  bläulich  gefärbt  erscheint 
und  aus  lutracellularmasse  gebildet  ist,  in  welcher  meist  runde  Zellen 
ohne  vortretende  Kerne  abgelagert  sind.  Das  Gewebe  wird  durch  alle 
härtenden  oder  färbenden  Reageutien  sehr  bedeutend  verändert.  Auf 
Schnitten  sieht  man  es  meist  in  Gestalt  von  Hohlräumen,  die  sich  im 
Allgemeinen  nach  von  dem  Mittelpunkte  ausstrahlenden  Linien  ordnen 
und  von  starren,  dünnen  Wänden  begrenzt  sind,  so  dass  das  Ganze 
einem  Durchschnitte  von  Pflanzengewebe,  z.B.  von  einem  Markcylinder, 
ähnlich  sieht.  Die  Zellen  sind  grösser  und  länglicher  gegen  die  Mitte, 
als  gegen  die  Peripherie  hin,  avo  ihre  Wände  oft  mit  der  Scheide  der 
Chorda  zusammeuzufliessen  scheinen,  in  deren  unmittelbarer  Nähe 
sich  eine  Protoplasmaschicht  mit  zahlreichen  kleinen  Kernen  vorfindet. 
Diese  Schicht  scheint  zuweilen  beinahe  unabhängig,  denn  sie  trennt 
sich  oft  von  der  Scheide  oder  dem  Kerne.  Sie  scheint  von  einigen 
Autoren  als  eine  besondere  innere  Grenzschicht  der  Chordascheide  an- 
gesehen worden  zu  sein.  Man  sieht  häufig,  besonders  in  den  dickeren 
Regionen  der  Chorda,  im  Centrum  der  Zellenmasse  entweder  eine  Höh- 
lung oder  im  Gegentheil  eine  Annäherung  der  Zellen,  die  ein  festes 
Band  herzustellen  scheinen.  Dieses  verschiedenartige  Ansehen ,  das 
von  Manchen  für  normal  angesehen  wurde,  scheint  uns  nur  künstlich 
durch  verschiedene  Einwirkung  der  Reagentien  bedingt;  bei  der  Unter- 
suchung von  lebenden  Thieren  haben  wir  keine  Spur  davon  entdecken 
können,  ebenso  wenig  als  von  feinen  Porencanälen  in  den  Wänden 
der  Zellen,  die  einige  Autoren  gesehen  haben. 

Die  Chordascheide  verdient  besondere  Beachtung.  Abgesehen 
von  dem  faserigen  Bindegewebe,  welches  sie  einhüllt  und  mit  den  be- 
nachbarten Theilen  verbindet,  besteht  sie  aus  zwei  wohlgetrennten 
Schichten,  einer  dicken,  inneren  Faserschicht  und  einer  dünneren, 
äusseren,  elastischen  Schicht.  Erstere  färbt  sich  nur  wenig;  die  sie 
zusammensetzenden  Fasern  sind  verfilzt,  sehr  gedrängt  und  wellig  in 
ihrem  queren,  longitudinalen  oder  schiefen  Verlaufe.  In  dem  Filze 
sieht  man  hier  und  da  zerstreut  kleine  Kerne.  Die  im  Leben  gelblich 
gefärbte,  elastische  Schicht  scheint  homogen;  sie  färbt  sich  leicht  und 
zeigt  unter  starken  Vergrösserungen  feine ,  durchgehende  Poren ,  die 
im  Grunde  von  Vertiefungen  liegen,  um  welche  herum  quere  Grübchen 
eine  Art  Sculptur  bilden. 

Die  beiden  genannten  Schichten  setzen  sich  über  die  ganze  Länge 
der  Chorda  fort,   werden    aber  gegen  die  Enden  derselben  hin  dünner- 


396  Wirbelthiere. 

NameDtlich  am  Kopfende  innerhalb  der  Schädelplatte  scheinen  beide 
zu  einer  einzigen  dünnen,  vorzugsweise  von  der  elastischen  Schicht 
gebildeten  Haut  zu  verschmelzen. 

Das  Bindegewebe,  welches  sich  an  die  Oberfläche  der  elastischen 
Schicht  ansetzt,  strahlt  etwa  in  ähnlicher  Weise  wie  beim  Amphioxus 
aus.  Es  bildet  vorzugsweise  die  Röhre  für  das  Rückenmark,  die 
Zwischenmuskelbänder,  die  Myocommen,  welche  in  Gestalt  doppelt  ge- 
falteter, mit  der  Spitze  nach  vorn  gerichteter  Tüten  angeordnet  sind; 
es  liefert  ferner  die  innere  Costalschicht  der  Bauch  wand,  sowie  die 
verticalen  Längswände  in  der  Mittellinie,  welche  die  seitlichen  Muskel- 
massen scheiden  und  stützen ,  und  endlich  entwickeln  sich  auch  in 
diesem  Gewebe  die  Knorpelgebilde,  welche  man  als  erste  Andeutungen 
der  oberen  Wirbelbogen,  der  Neurapophyseu,  betrachten  kann. 

Man  findet  in  der  That  auf  beiden  Seiten  der  Chorda,  in  ihrem 
oberen  und  vorderen  Theile,  kleine,  dreieckige  Knorpelstückchen 
(/,  Fig.  166)  mit  sehr  unregelmässigen  Umrissen,  deren  nach  oben 
gerichtete  Spitzen  über  die  Chorda  hinaus  in  die  Wände  des  Rücken- 
canales  vorragen.  Sie  entsprechen  im  Allgemeinen  den  Myocommen, 
entwickeln  sich  erst  während  des  Wachsthumes  der  vollkommenen 
Lamprete  und  sind  bei  solchen  Exemplaren,  welche  erst  die  Verwand- 
lung aus  der  Larve,  dem  Quer  der  {Awi)iococtes),  überstanden  haben, 
kaum  angelegt.  Sie  liegen  in  der.  Nähe  der  Austrittsöffnungen  der 
Nerven  aus  dem  Rückencanal ,  sind  aber  bei  jungen  Thieren  gänzlich 
davon  getrennt,  während  sie  bei  älteren  Exemplaren  diese  Oeffnungen 
derart  umwachsen ,  dass  sie  mit  ihrer  Basis  die  motorische  und  mit 
ihrer  Spitze  die  sensitive  Wurzel  der  Nerven  umgeben.  Die  beiden 
ersten  Stücke  (/^),  unmittelbar  hinter  dem  Schädel,  verwachsen  stets 
zu  einem  zweispitzigen  Stücke.  Sie  nehmen  nach  dem  zwölften  Stücke 
über  dem  Kiemenkorbe  an  Grösse  ab  und  verschwinden  in  der  Nähe 
der  Rückenflosse.  Hinsichtlich  der  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  die 
Abhandlung  von  Schneider  (s.  Lit.). 

Um  mit  dem  Chordalsysteme  abzuschliessen ,  erwähnen  wir  hier 
noch  die  Flossenstrahlen,  freilich  mit  dem  Vorbehalte,  dass  wir 
diese  von  Schneider  Dornfortsätze  {proccssus  spinosi)  genannten 
Strahlen  nur  für  Hautbildungen  ansehen.  Man  sieht  in  der  That  schon 
bei  den  zur  Verwandlung  sich  anschickenden  Querdern,  sowie  bei  jungen 
Neunaugen  kleine  Knorpelinseln  auftreten,  welche  in  dem  Bindegewebe 
der  Flossen  zwischen  den  beiden  Hautlamellen  zerstreut  liegen.  Diese 
Inseln  wachsen  schnell  in  die  Länge  und  bilden  Knorpelstrahlen,  die 
sich  gegen  den  Rand  der  Flosse  hin  gabeln  und  schliesslich  mit  ihren 
proximalen,  dem  Körper  zugewendeten  Enden  zu  einem  einzigen  hori- 
zontalen Knorpelstabe  zusammenwachsen.  Die  Strahlen  entwickeln 
sich  in  der  ganzen  Ei'streckung  der  Flossen,  oben  wie  unten,  und  die 
beiden  Knorpelstäbe,  von  welchen  der  eine  auf  dem  Rückencanale,  der 


Cjclostomeii.  397 

untere  auf  dem  Cauale  der  IIoLlveue  aufrnht,  verscliraelzen  an  dem 
Körpereude.  Das  Knorpelgewebe,  welches  diese  Fiossenstrahlen  bildet,  ist 
identisch  mit  demjenigen  der  übrigen  KnorjDelbildungen.  Bei  wachsen- 
den Neunaugen  sieht  man  oft  zwischen  schon  ausgebildeten  Strahlen 
noch  solche  Knorpelinseln,  welche  später  zu  Strahlen  auswachsen.  Wir 
sehen  durchaus  keinen  Grund,  um  sie  mit  Wirbelfortsätzen  zu  homo- 
logisiren;  wie  die  Fiossenstrahlen  der  übrigen  Fische,   sind  sie  in  dem 

Fi£.   167. 


,-<  r   T,  r        S 


Pctrom.  flin-ioi.  ■ —  Salpetersäurepräparat  des  Schädels,  etwa  dreimal  vergrössert.  Jlau 
hat  den  Xasensack  und  diejenigeu  Theile  des  Centrainer vensvstem es,  welche  der  Säure 
widerstehen ,  in  ihrer  Lage  belassen ,  die  Xervenwurzeln  aber  nicht  gezeichnet ,  um 
die  Figur  nicht  zu  verwirren.  A,  Schädel  im  Profil;  B,  von  oben;  C,  von  unten. 
u,  Nasensack;  a^,  Eintrittsgang  desselben;  &,  Ohrkapseln;  i^,  Diirchgangsspalte  für 
den  Trigeminus  ;  c  ,  Rückenmark ;  d ,  Eautensinus  ;  e ,  jMittelhirn ;  f,  Vorderhirn  ; 
g,  Boden  für  die  Hypophj-sis ;  h,  Chorda ;  i,  Wirheistücke ;  i^,  die  vereinigten  beiden 
vorderen  Stücke ;  h,  Occipitalplatte ;  fc^,  ihre  seitlichen  Yorsprünge ;  Ic^,  obere  Hinter- 
hauptsbrücke ;  ?,  seitliche  Schädelbalken ;  m,  Vorderplatte :  »,  Grube  derselben ;  o,  vor- 
derer ebener  Theil;  ^,  Seitenhenkel  des  Schädels;  ?^\  sein  vorderer  Fortsatz  ;  g,  Seiten- 
wand des  Schädels;  5^,  Seitenlüeke;  q^^,  Vorderspitze;  ?>,  untere  Leiste  der  Wand; 
s,  Quadratbein  ;   <,  hinterer  Schädeldorn  ;  u,  Ansatz  des  Kiemenkorbes  ;  r.  Ethmoidalplatte. 


398 


Wirbelthiere. 


Fig.   168. 


Unterhautgewebe  gebildete  Haiitknorpel  oder  Knochen.  Sie  entsprechen 
übrigens  durchaus  nicht  den  Myocommen,  sondern  haben,  wenigstens 
auf  der  dorsalen  Seite,  ihre  eigenen  Muskeln. 

Der  Schädel  (Fig.  167  a.  v.  S.  und  168).  —  Wir  können  zu- 
vörderst den  eigentlichen  Knorpelschädel  von  den  ihn  ergänzenden, 
übrigens  ziemlich  festen,  faserhäutigen  Theilen  unterscheiden. 

An  und  für  sich  betrachtet,  bildet  der  Knorpelschädel  eine  zu- 
sammenhängende, aber  sehr  unvollständige  Kapsel.  Seine  Basis  be- 
ginnt hinten  mit  zwei  der  Chorda  angelagerten  Verlängerungen 
(Ic^,  Fig.  167,  C),  die  sich  nach  vorn  zu  einer  Querplatte  (k)  fortsetzen, 
welche  den  Raum  zwischen  den  Ohrkapseln  (ö)  ausfüllt.  Diese  scheinen 
innig  mit  der  Platte  verwachsen ;  sie  haben  eine  tiefer  gelbe  Farbe, 
eine  eiförmige  Gestalt  und  sind  ringsum  vollständig  geschlossen  bis 
auf  eine   kleine   Spaltenöffnung,    welche   in    den   Hirnraum   führt    und 

durch  welche  der  Hörnerv  und  die 
Gefässe  in  das  innere  Ohr  ein- 
dringen. Nach  vorn  ist  die  Ohr- 
kapsel theilweise  durch  eine  Spalte 
(?>\  A),  welche  den  Nervus  trige- 
minus  durchlässt,  von  der  Seiten- 
wand des  Schädels  getrennt. 

Die  erwähnte  Platte,  welche  wir 
die  Occipitalplatte  nennen  kön- 
nen, erhebt  sich  nach  vorn  zu  bei- 
den Seiten  und  krümmt  sich  noch 
zwischen  den  Ohrkapseln  so  zu- 
sammen, dass  sie  eine  schmale  Brücke 
über  dem  Nachhirn  bildet  (Jc'^,  Fig. 
167,  jB  und  Fig.  168).  Bei  jungen 
Thieren  besteht  diese  Brücke  noch 
aus  zwei  seitlichen,  durch  Haut  ver- 
bundenen Verdickungen;  bei  älte- 
ren sieht  man  noch  eine  seichte 
Rinne  als  Andeutung  der  Ver- 
schmelzung. 
Auf  der  Unterfläche  setzt  sich  die  Occipitalplatte  nach  vorn  durch 
zwei  seitliche  Leisten  fort,  welche  eine  ziemlich  weite,  ovale  Lücke  (n) 
umschreiben,  durch  welche  der  Nasengaumengang  nach  unten  tritt  und 
auf  deren  Verschluss  durch  eine  Faserhaut  die  Hypophysis  des  Gehirns 
aufruht  (g,  Fig.  167,  C).  Diese  beiden  Verdickungen  sind  die  seit- 
lichen Schädelbalken  (7,  Fig.  167,  C),  wie  Bathke  sie  genannt  hat, 
die  sich  bei  allen  Embryonen  und  auch  beim  Querder  wiederfinden. 

Die  seitlichen  Schädelbalken  vereinigen  sich  vorn  in  einer  grossen 
und  breiten  Vorderplatte  (»»),  welche  verschiedene  Gestaltungen  zeigt. 


Pttrom.  ßuviat.  —  Der  vollständig  ge- 
reinigte Schädel  von  oben  gesehen  und 
vierfach  vergrössert.  Dieselbe  Buch- 
stabenbezeichnung wie  in  der  vorigen 
Figur,  nur  q^,  q^,  Nervenlöcher  und  r', 
Naht  der  Ethmoidalplatte. 


Cyclostomen.  399 

Auf  der  Unterfläclie  (Fig.  167,  C)  fliessen  die  Schädelbalken  darcli 
eine  Querleiste  zusammen  und  weichen  dann  wieder  aus  einander,  um 
in  den  Ansatz  der  seitlichen  Handhaben  des  Schädels  überzugehen ,  so 
dass  sich  hier  eine  Mittelgrube  (n)  und  eine  flache  Ausbreitung  (o) 
zeigt,  an  welche  sich  die  fälschlich  sogenannte  Ethmoidalplatte  (r)  mit 
einer  fibrösen  Naht  ansetzt.  Im  Beginn  der  Platte  zeigen  sich  zwei 
kleine  Löcher  (m^,  Fig.  168),  durch  welche  Gefässe  treten. 

Auf  der  Vorderplatte  ruhen  der  Nasensack  («)  und  ein  Theil  des 
Vorderhirns  (/)  und  mit  ihr  vereinigen  sich  die  oberen  Seiteuwände  (g) 
des  Schädels,  welche  das  Gehirn  einfassen  und  von  den  unteren  Seiten- 
balken durch  eine  weite  Lücke  getrennt  sind  (q^),  durch  welche  die 
Nerven  des  Auges,  Sehnerv,  oculomotorins,  trocldeariä  und  abdticeiis, 
sowie  die  Gefässe  des  Auges  hindurchgehen.  Bei  älteren  Exemplaren 
wird  die  fibröse  Haut,  welche  die  Lücke  schliesst,  theilweise  knorpelig 
und  wir  haben  darin  zwei  Oeffnungen  (q-  und  y-',  Fig.  168)  gesehen 
für  die  Nerven.  Nach  vorn  erheben  sich  die  Seitenplatten  zu  einer 
kurzen  Spitze  (q^) ,  welche  sich  zwischen  Nasensack  und  Vorderhirn 
etwas  einschiebt. 

Die  so  gebildete  Schädelkapsel  ist  demnach  sehr  unvollständig. 
Nach  oben  zeigt  sie  eine  weite  Lücke  zwischen  dem  Nasensack  und 
der  erwähnten  Hinterbrücke,  welche  das  ganze  Gehirn,  mit  Ausnahme 
des  kleinen  Gehirns,  bloss  lassen  würde,  wenn  sie  nicht  durch  häutige 
Ausbreitungen  gedeckt  wäre;  auf  der  LTnterseite  existirt  eine  ent- 
sprechende Lücke,  welche  die  Basis  des  Mittelhirns  frei  lassen  würde; 
ausserdem  zeigt  sie,  abgesehen  von  dem  grossen  Hinterhauptsloch, 
durch  welches  das  verlängerte  Mark  sich  fortsetzt,  die  erwähnten 
Seitenspalten  und  Löcher  zum  Durchtritte  der  Nerven  und  Gefässe. 

An  diese  eigentliche  Scliädelkapsel ,  wie  wir  sie  eben  beschrieben 
haben,  schliessen  sich  andere  Theile  an,  die  mehr  oder  minder  mit  ihr 
verschmolzen  sind. 

In  erster  Linie  legt  sich  nach  vorn  eine  grosse  Lamelle  in  Gestalt 
eines  nach  oben  gewölbten,  unten  hohlen  Löffels  oder  Spatels  mit  einem 
engeren  Stiele  an  die  Vordeiplatte  des  Schädels  an ,  mit  der  sie  durch 
eine  feste  Fasermasse  vei'bunden  ist.  Sie  zeigt  vorn  einen  tiefen  Aus- 
schnitt und  tiägt  auf  ihrer  hinteren  Fläche  einen  Theil  des  Naseu- 
sackes.  Dies  ist  die  erste  Lippenknorpelplatte  (i',  Fig.  167),  welche 
sehr  unzweckmässiger  Weise  von  manchen  Autoren  Ethmoidalplatte 
genannt  wurde.  An  ihre  hohle  Unterfläche  legt  sich  das  System  der 
übrigen  Lippeuknorpel  beweglich  an. 

Jederseits  heftet  sich  mit  seinem  Vorderende  an  die  Spitze  der 
Vorderplatte,  mit  seinem  Hiuterende  unmittelbar  vor  den  Ohrkapseln 
ein  weit  geschwungener  Knorpelbogen  an  (ß,  Fig.  166;  p,  Fig.  167), 
der  eine  weite  Lücke  umschreibt,  sich  nach  unten  ausweitet  und  auf 
seiner  oberen  Fläche  den  Augapfel  stützt  (//,  Fig.  166).     Dieser  Augen- 


400  Wirbelthiere, 

höhlenring  zeigt  eine  nach  vorn  gerichtete  Spitze.  Man  hat  ihn  dem 
Pterygo-palatinbogen  der  höheren  Wirbelthiere  homolog  erklärt.  Ohne 
seiner  Bedeutung  vorgreifen  zu  wollen ,  nennen  wir  diesen  Bogen  den 
seitlichen  Schädelbogen. 

Unmittelbar  neben  seinem  hinteren  Ansatzpunkte  zeigt  sich  ein 
gerade  nach  unten  gerichteter  Knorpelstiel,  welcher  mit  einer  in  zwei 
Spitzen  auslaufenden,  horizontalen  Längsapophyse  endet  (f/^,  Fig.  166; 
s,  Fig.  167).  Mau  hat  den  senkrechten  Stiel  mit  dem  Quadratbein 
verglichen ,  während  man  in  dem  horizontalen  Theile  ein  Stück  eines 
rudimentär  gebliebenen  Zungenbeinbogens  sehen  wollte,  ohne  indess 
zwingende  Gründe  für  diese  Ansichten  beibringen   zu  können. 

Endlich  gehen  ganz  nach  hinten  eine  feine  Spitze  und  ein  kleiner 
horizontaler  Kuorpelstab  aus  (t-,  Fig.  167),  der  sich  in  den  vordersten 
Knorpelbogen  des  Kiemenkorbes  (ii)  fortsetzt. 

Alle  diese  erwähnten  Theile  sind  mit  der  Schädelkapsel  innig  ver- 
bunden und  trennen  sich  auch  nicht  nach  längerer  Einwirkung  von 
20procentiger  Salpetersäure.  Die  Schädelkapsel  ist  demnach  eines- 
theils  mit  den  Lippenknorpeln,  anderentheils  mit  dem  Kiemenkorbe 
in  directem  Zusammenhange,  während  die  Skelettbildungen  des  Zungen- 
apparates durchaus  selbstständig  sind.  Man  muss  indessen  zugestehen, 
dass  nicht  nur  die  erwähnten  Theile,  sondern  auch  Stücke  der  eigent- 
lichen Schädelkapsei  auf  Durchschnitten  von  jungen,  kurz  verwandelten 
Neunaugen  Trennungslinien  zeigen ,  wie  denn  z.  B.  die  seitlichen 
Schädelbalken  sich  deutlich  von  den  sie  später  ohne  Trennungsliuie 
einschliessenden  Seitentheilen  abgrenzen. 

Der  erwähnten  Verbindungen  wegen  schliessen  wir  hier  unmittel- 
bar die  übrigen  Skelettbildungen  an. 

Das  Mundskelett  (B,  Fig.  166)  setzt  sich  von  vorn  nach  hinten 
aus  folgenden  Stücken  zusammen,  welche  der  sogenannten  Ethmoidal- 
platte  mehr  oder  minder  untergeordnet  sind. 

1)  Der  Ringknorpel  (7,  Fig.  166)  ist  ein  fester  Knorpelring  von 
tiefgelber  Farbe,  welcher  tief  in  das  Bindegewebe  des  Saugnapfes  in 
einiger  Entfernung  vom  Lippenrande  eingelassen  ist,  den  Hintergrund 
der  Mundhöhle  vollständig  umkreist  und  mit  seinem  Hinterrande  an 
den  Hautfalz  anstösst,  welcher  den  Saugnapf  von  dem  übrigen  Körper 
abgi-enzt.  Der  Ring  ist  in  der  Weise  abgeplattet,  dass  sein  sagittaler 
Durchmesser  den  Querdurchmesser  weit  übertrifi't.  Sein  vorderer, 
schneidender  Rand  trägt  unten  sieben  kegelförmige  Zähne,  von  welchen 
die  beiden  äussersten  die  stärksten  sind.  Die  fünf  mittleren  sind 
kleiner.  Bei  jungen  Neunaugen  sind  die  Zähne  weniger  spitz.  Der 
Ring  schiebt  sich  nach  oben  mit  seinem  hinteren  Rande  unter  das  fol- 
gende Stück  ein  und  ist  mit  ihm  durch  Faser raasse  verbunden.  An 
seinen  hinteren  und  oberen  Rand  ist  jederseits  ein  horizontaler  Dorn 
befestigt,    der    nach    aussen    weicht  und   dessen   Spitze    zugleich    nach 


Cyclostomen.  401 

hinten  gerichtet  ist.  Fürbringer  nennt  dies  Stück  den  Dornfort- 
s  a  t  z  («?). 

2)  Zwischen  dem  Ringknorjiel  nach  vorn  und  der  Ethmoidalplatte 
nach  hinten  wird  die  Wölbung  des  Saugtrichters  durch  einen  mehi' 
breiten  als  langen  Knorpelbogen  geschlossen ,  dessen  Hinterrand  unter 
die  ausgehöhlte  Unterfläche  der  Ethmoidalplatte  sich  einschiebt  und 
mit  ihr  durch  Bandmasse  vereinigt  ist.  Nach  hinten  bildet  der  Knorpel 
einen  vom  unteren  Winkel  ausgehenden  kurzen  Fortsatz.  Fürbringer 
nennt  dies  Stück  den  Halbringknorpel  (/."). 

Das  gewölbte  Dach  des  Saugmuudes  besteht  demnach  aus  drei 
unter  einander  geschobenen  Stücken,  der  Ethmoidalplatte  hinten,  dem 
weiter  auf  die  Seiten  übergreifenden  Halbringknorpel  in  der  Mitte 
und  dem  ganz  geschlossenen  Ringknorpel  vorn.  Die  Seiten  werden 
aber  noch  durch  andere  kleinere  paarige  Stücke  vervollständigt,  die 
Rhomb  oidalknorpel  (n)  und  die  Plättchenknorpel  (o)  Für- 
bringer's.  Erstere  liegen  unter  der  Ethmoidalplatte  hinter  dem 
Halbringknorpel,  sind  länglich,  platt,  gebogen  und  verengern  durch 
ihre  Ersti-cckung  gegen  den  Zungenstiel  hin  den  Eingang  des  gemein- 
schaftlichen Schlundes.  Letztere  vervollständigen  eine  Lücke  hinter 
dem  Halbringknorpel ;   sie   sind   platt  und  etwas  gewunden. 

Der  auf  der  Bauchseite  der  Mundhöhle  gelegene,  mächtige 
Zungenstempel  wird  von  zwei  medianen  und  unpaaren  Knorpeln 
und  einejii  Paar  von  fest  in  der  Mittellinie  verbundenen  Knorpeln 
gestützt. 

Weitaus  der  grösste  ist  der  Zungenstielknorpel  (jp) ;  ein 
langes,  säbelförmiges  Gebilde ,  das  sich  nach  hinten  bis  in  die  Gegend 
der  dritten  Kiemenspalte  erstreckt,  und  ringsum  von  einer  Scheide 
umgeben  ist,  an  welche  sich  die  mächtigen  Muskeln  des  Stempels  an- 
setzen. An  seinem  Vorderende  sitzen  unmittelbar  unter  der  Horn- 
bewaffnung  des  Endes  des  Stempels  zwei  kleine,  auf  unserer  Figur 
kaum  sichtbare  Vorzungenknorpel. 

Auf  der  ventralen  Seite  des  Zungenstieles  erstreckt  sich  ein  weit 
kleinerer  Knorpel  von  ähnlicher  Gestalt,  dieCopula  (^r,  Fig.  166)  Für - 
bringer's.  Das  vordere  Ende  dieses  Knorpels  erweitert  sich  seitlich 
mit  zwei  kleinen  Flügeln  in  Gestalt  eines  Herzens. 

Dieses  Zungenknorpelsystem  (C,  Fig.  166)  stützt  im  Ganzen  nicht 
nur  die  zahlreichen  Muskeln  des  Stempels ,  sondern  verengert  auch 
den  Eintritt  der  gegen  die  Decke  des  Saugmundes  angedrückten 
SchlundöfFnung  so  sehr,  dass  nur  eine  feine  Sonde  durchgeführt  werden 
kann. 

Der  Kiemen  korb  (D,  Fig.  166)  ist  im  Ganzen  ein  zierliches 
Gitterwerk  aus  einem  Stücke,  das  sich  von  den  Ohrkapseln  bis  zum 
Herzen  erstreckt,  in  dem  man  aber  einzelne  Längs-  und  Querrichtungen 
unterscheiden  kann ,   die   ohne  Zweifel  in  einzelne  Stücke  bei  der  Ver- 

Vogt  n.  Yiing,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  Oß 


402  Wirbelthiere. 

knochernng  zerfallen  würden,  welclie  nirgends  eingetreten  ist.  So  wie 
er  besteht ,  liegt  der  Kiemenkorb  niemals  an  der  Oberfläche ;  er  wird 
nicht  nur  vom  Tegumeute,  sondern  auch  von  einer  zusammenhängenden 
Schicht  des  Seitenmuskels  überzogen,  dessen  Längsfasern  nur  an  den 
Kiemenlöchern  knopfiochartig  aus  einander  weichen,  und  man  muss 
diese  Schicht  abpräpariren ,  um  das  platte,  dünne  und  hin  und  her 
gebogene  Gitterwerk  zur  Anschauung  zu  bringen.  Nach  hinten  schliesst 
sich  der  Korb  ganz  zusamjueu,  um  den  beuteiförmigen  Herzbeutel  zu 
bilden. 

Man  kann  vier  horizontale  Längsbalken  unterscheiden ,  die  durch 
senki'echte,  zwischen  den  Kiemenlöchern  verlaufende  Stäbe  mit  ein- 
ander verbunden  werden  und  alle  im  Herzbeutel  zusammenfliessen. 

Die  Rücken linie  (f,  Fig.  166)  ist  unvollständig.  Sie  besteht  aus 
horizontalen  Bälkchen,  welche  wie  Gabelungen  eines  senkrechten  Stabes 
nach  vorn  und  hinten  sich  verlängern  und  unmittelbar  an  die  Chorda 
anlegen.  Diese  Gabelungen  sind  deutlich  getrennt.  Der  vorderste 
Ast  verschmilzt  mit  dem  Fortsatz  des  Hinterhauptes  (u,  Fig.  167), 
von  welchem  S.  400  die  Rede  war. 

Die  senkrechten  Stiele  dieser  Gabeln  verschmelzen  mit  der 
oberen  Kiemenlinie  (u,  Fig.  166)  in  den  Intervallen  zwischen 
den  Kiemenlöchern.  Diese  Linie  endet  zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Kiemenloche. 

Die  untere  Kiemenlinie  (v)  läuft  in  Zickzacken  unter  den 
Kiemenlöchern  durch  und  setzt  sich  bis  vor  das  erste  Loch  fort,  wo 
sie  durch  ihre  Vereinigung  mit  den  senkrechten  Stäben  einen  voll- 
ständigen Ring  um  das  Loch  bildet. 

Die  Bauchlinie  (tv)  erstreckt  sich  genau  in  der  Mittellinie  des 
Bauches  bis  zur  Höhe  des  ersten  Kiemenloches.  Sie  ist  breiter  und 
platter  als  die  vorhergehenden  und  zeigt  bei  der  Betrachtung  von  der 
Bauchfläche  aus  eine  seichte  Längsrinne  mit  unregelmässigen,  ovalen 
Durchlöcherungen,  welche  auf  eine  Verschmelzung  der  Linie  aus  zwei 
seitlichen  Hälften  hinweisen. 

Die  senkrechten  Stäbe  (x)  verlaufen  in  den  Zwischenräumen 
der  Kiemenlöcher  ohne  Untci'brcchung  von  der  oberen  Kiemenlinie 
bis  zur  Baiichlinie. 

Der  Herzbeutel  (?/),  in  welchem  sich  alle  Horizontallinien  vei"- 
einigen,  umgiebt  das  Herz  von  allen  Seiten.  In  seinem  hinteren  Theile 
bildet  er  einen  vollständigen  Sack,  der  bcutelförmig  nach  hinten  gegen 
die  Bauchhöhle  vorspringt;  an  dem  vorderen  Theile  sieht  man  ver- 
schiedene Löcher  (z)  zum  Durchtritte  der  mit  dem  Herzen  in  Ver- 
bindung stehenden  Bildungen. 

Muskel  System.  — ■  Das  Muskelsystem  des  Körpers  ist,  wie  bei 
dem  Amphioxus  und  sogar  noch  vollständiger  als  bei  diesem,  aus  zwei 


Cyclostomen.  403 

grossen  seitlicheu  Masseu  gebildet,  die  sich  vom  Kopfe  bis  zum 
Schwanzende  erstrecken  (^,  Fig.  162).  Diese  Massen  fangen  vorn  mit 
zwei  abgerundeten  Lappen  an ,  die  durch  eine  weite  Lücke  getrennt 
sind,  in  welcher  das  Auge  liegt,  und  die  oben  über  den  Schädel  und 
unten  über  den  Zungenapparat  hinaus  sich  erstrecken,  um  in  der  ven- 
tralen wie  dorsalen  Mittellinie  zusammenzustossen.  Die  Massen  stossen 
auch  in  der  seitlichen  Mittellinie  hinter  dem  Auge  wieder  zusammen, 
lassen  aber  bei  ihrer  weiteren  Erstreckung  nach  hinten  knopflochförmige 
Lücken  für  die  äusseren  Kiemenöffuiingen  (/«,  Fig.  1G2;  s,  Fig.  166). 
Die  Muskelmasse  (g^,  Fig.  163)  ist  auf  der  ganzen  Unterseite  längs 
des  Kiemenkorbes  und  der  Bauchhöhle  weit  dünner,  als  auf  der  Rücken- 
seite über  dem  Niveau  der  Chorda  (g,  Fig.  163);  aber  in  der  Schwanz- 
gegend hinter  dem  After  gleicht  sich  die  Verschiedenheit  aus  und 
überall,  wo  sie  unmittelbar  an  die  senkrechte  Stützlamelle  sich  an- 
schliesst,  ist  die  Masse  unten  so  mächtig  als  oben.  Ein  besonderer 
Schliessmuskel  des  Bauches,  wie  wir  ihn  bei  Amphioxus  fanden  ,  fehlt 
durchaus ;  die  Massen  stossen  überall ,  oben  wie  unten ,  unmittelbar  an 
die  mittlere  Verticalebene  an  und  sind  hier  nur  durch  eine  faserige 
Längsscheidewand  getrennt. 

Wie  beim  Amphioxus,  sind  diese  Massen  in  Myomeren  durch 
zahlreiche  Myocommen  faseriger  Natur  getheilt ,  die  sich  einerseits 
innen  an  die  Chorda  und  die  von  ihr  ausgehenden  Längsscheidewände, 
anderseits  aussen  an  die  faserige  Unterhaut  ansetzen.  In  den  erwähn- 
ten Kopflappen  zeigen  die  Myocommen  eine  sehr  unregelmässige  An- 
ordnung; wir  haben  nicht  zwei  Exemplare  getroffen,  wo  sie  genau 
in  derselben  "Weise  aasgebildet  gewesen  wären.  Sie  werden  in  ge- 
ringer Entfernung  auf  dem  Kiemenkorbe  regelmässig  und  zeigen  hier, 
wenn  man  den  enthäuteten  Körper  im  Profil  betrachtet,  einen  ein- 
fachen, nach  hinten  convexen  Bogen.  Hinter  dem  Kiemenkorbe  zeigt 
dieser  Bogen  eine  Einknickung,  so  dass  zwei  Spitzbogen  entstehen, 
deren  Neigung  nach  hinten  zu  immer  bedeutender  wird,  so  dass  auf 
dem  Schwanzende  (Fig.  169)  sich  zwei  stark  geneigte  Spitzbogen 
zeigen ,  die  in  der  Mitte  durch  eine  Auftreibung  getrennt  scheinen. 
Ausser  dieser  äusseren  Einknickung  erscheinen  die  Myocommen  noch 
dachziegelartig  über  einander  gelagert,  indem  ihre  inneren  Ansätze 
weit  mehr  nach  vorn  liegen  als  die  Hautansätze.  In  Folge  dieser 
Lagerung  zeigen  sie  auf  einander  folgende  Tüten  und  deshalb  sieht 
man  auf  Querschnitten  zwei  oder  drei  concenti'ische ,  der  Körperlinie 
parallel  laufende  Kreislinien ,  während  man  auf  Horizontalschnitten  im 
Niveau  der  Chorda  regelmässige,  gerade  Parallellinien  sieht,  die  mit 
ihrer  Spitze  nach  vorn  einen  Winkel  von  25  bis  30"  mit  der  Chorda 
bilden.  Innerhalb  der  Myocommen  befinden  sich  sehr  dünne,  faserige 
Scheidewände,  die  in  Längsrichtung  geordnet  sind  und  sich  an  je  zwei 
Myocommen  anheften.    Der  Zwischenraum  zwischen  je  zwei  Myocommen 

26* 


404 


Wirbclthiere. 


ist  somit  iu  eiue  Menge  platter,  über  einander  liegender  Kästchen  ge- 
theilt,  in  welchen  die  ebenfalls  abgeplatteten  und  in  der  Längsrichtung 
des  Körpers  verlaufenden  Muskelfasern  eingeschlossen  sind.  Wir  ver- 
weisen hinsichtlich  der  histologischen  Vei'hältnisse  auf  die  Arbeiten  von 
Langerhans,  Grenadier  und  Schneider  (s.  Lit.).  In  Folge  der 
geschilderten  Anordnung  der  Muskelbänder  sieht  man  sie  quer  oder 
schief  durchschnitten  auf  Querschnitten,  während  sagittale  oder  horizon- 
tale Schnitte  sie  in  ihrer  Längserstreckung  zeigen.  «*' 
Ein  besonderes  Muskelsystem  zeigt  sich  im  Bereiche  der  Rücken- 
flossen von  ihrem  Anfange  an  bis  zum  Schwanzende;  es  fehlt  durchaus 
an  der  Ansetzung  der  ventralen  Flosse,  Bei  der  Ansicht  im  Profil 
(Fig.  Iß 9)  sieht  man  nach  Wegnahme  der  Haut  einen  schmalen 
Streifen  (d),   der  allmählich  nach  hinten  an  Mächtigkeit  abnimmt  und 

Fig.  169. 

(  CO 

r 


Veirom.  fluviat.  —  Vierfach  vei-grössertes  Schwanzende  eines  grossen  Exemplars  nach 
Wegnahme  der  Haut,  a,  Rückenflosse;  h,  dorsaler  Theil  der  Schwanzflosse;  c,  ven- 
traler Theil  derselben  Flosse;  alle  diese  Flossen  haben  gegabelte  Strahlen;  d,  be- 
sondere Muskeln  der  dorsalen  Flossen,  der  Rückenflosse  und  oberen  Hälfte  der 
Schwanzflosse;    e,  dorsaler  Theil  des  Seitenmnskels  ;  /,    mittlerer  Theil;    ^,  ventraler 

Theil. 


Myocommen  zeigt,  die  weit  enger  zusammengedrängt  sind,  als  die- 
jenigen der  seitlichen  Körpermuskeln.  Die  Myocommen  sind  ausser- 
dem in  entgegengesetzter  Richtung  geneigt,  parallel  den  Flossen- 
strahlen, an  deren  Basis  sich  die  Muskeln  ansetzen.  Meist  ist  dieser 
Theil  derart  von  schwarzem  Pigment  übersättigt,  dass  man  nichts 
weiter  sehen  kann.  Auf  Querschnitten  sieht  man  so  eng  an  einander 
gepresste  Muskelkästchen ,  dass  die  ganze ,  zwischen  die  Oberränder 
der  Leibesmuskeln  eingekeilte  Masse  aus  quadratischen  Maschen  zu  be- 
stehen scheint,  die  in  Längsrichtung  geordnet  sind  und  jede  ein  Muskel- 
bändchen  enthält.      Wir  machen  noch  besonders  auf  die  wichtige  That- 


Cyclostoraen.  405 

Sache  aufmerksam,  dass  diese  Muskeln  im  Bereiche  der  unteren  Ab- 
theilung  der  Flossen  gänzlich  fehlen,  obgleich  dieselbe  nur  eine  un- 
mittelbare Fortsetzung  des  Hautsaumes  ist,  welcher  die  Rückenflossen 
bildet  und  auch  wie  diese  mit  Knorpelstrahlen  ausgerüstet  ist. 

Endlich  müssen  wir  hier  noch  besonderer,  in  der  Aftergegend  ent- 
wickelter Muskeln  Firwähnuug  thun ,  welche  Schneider  und  Dohrn 
(Neunte  Studie,  s.  Lit.)  als  Homologe  oder  Rudimeute  der  bei  den 
Fischen  entwickelten  Muskeln  des  Beckens  und  der  Afterflosse  anziehen. 
Beide  Autoren  sind  hinsichtlich  ihrer  Structur  einig,  die  Schneider 
folgendermaassen  beschreibt:  „Hie  Afterflossenmuskelu  sind  ziemlich 
dünn.  Sie  werden  aus  drei  bis  vier  primären  Kästchen  gebildet,  deren 
Ligamente  längs  verlaufen.  Hie  Fasern  stehen  schief  von  oben  nach 
unten  und  hinten.  Hurch  secundäre  Scheidewände  werden  secundäre 
Kästchen  gebildet,  welche  von  parietalen  und  centralen  Fasern  erfüllt 
sind.  Weder  die  parietalen  noch  centralen  Bündel  besitzen  ein  Sarco- 
lenima.  Hiese  Muskeln  kommen  nur  Petroniyzon,  nicht  Ammocoetes 
zu."  Hiese  Muskeln  liegen  im  Inneren  der  Bauchhöhle  und  sind  von 
den  Enden  der  Leibesmuskeln  durch  einen  weiten,  von  Hohru  als 
Lymphraum  angesehenen  Raum  getrennt,  an  dessen  Wände  sie  sich 
anhßfteu ,  während  ihr  anderes  Ende  sich  au  der  Fasermasse  inserirt, 
welche  den  Aftertheil  des  Mastdarms,  sowie  die  Ausführungsgänge  der 
Harn-  und  Geschlechtswerkzeuge  umhüllt.  Sie  sind  quergestreift  und, 
wie  Hohrn  richtig  angiebt,  ist  die  Zahl  ihrer  Kästchen  bedeutender, 
als  Schneider  sagte.  Wir  sehen  in  diesen  Muskeln,  welche  wir  Uro- 
genitahnuskeln  nennen,  nur  Erweiterer  der  verschiedenen  Ausfüh- 
rungsgänge, und  wenn  Hohrn  sie  deshalb  nicht  als  Eingeweidemuskeln 
ansehen  will ,  weil  sie  quergestreift  und  also  willkürliche  Muskeln 
seien,  so  müssen  wir  dagegen  bemerken,  dass  wir  fast  immer,  bei  allen 
Wirbelthieren,  willkürliche  Muskeln  in  der  Umgegend  des  Afters  finden 
und  dass  sogar  in  einzelnen  Fiülen  (Cohitis)  quergestreifte,  willkürliche 
Muskeln  in  der  Harmwand  selbst  angetroffen  werden.  Hier  scheinen 
diese  Muskeln  ihrer  Lage  nach  mehr  den  Ausführungsgängen  der 
Harn-  und  Geschlechtswerkzeuge,  als  dem  Rectum  anzugehören,  und 
man  darf  sich  daher  nicht  wundern,  dass  sie  sich  in  dem  Maasse  ent- 
wickeln, als  die  Lampreten  ilirer  Geschlechtsreife  entgegen  gehen. 

Wir  können  in  Einzelheiten  über  das  ungemein  complicirte  Muskel- 
system, welches  die  einzelnen  Stücke  des  Saugapparates,  des  Zungen- 
stempels und  des  Schlundes  bewegt,  nicht  eingehen.  Ha  die  wesentliche 
Function  dieser  Theile,  das  Saugen  und  Schlingen,  nur  in  Folge  sehr 
verschiedenartiger,  mechanischer  Combinationen  möglich  ist,  so  müssen 
auch  die  Muskelbildungen  sich  dieser  Mannigfaltigkeit  anpassen.  Ha 
die  Thiere  verhältnissmässig  klein  sind,  so  ist  die  Präparation  dieser 
Theile  nicht  leicht  und  man  muss  die  mit  dem  Scalpell  unter  der 
Lupe  gemachten  Präx^arate  mittelst  Hxirchschnitten  nach  den  drei  Rieh- 


406  Wirbelthiere. 

tiingen  controliren.  Wir  verdanken  Fiirbringer  (s.  Lit.)  eine  aus- 
gezeichnete, sehr  in  das  Einzehie  gehende  und  genaue  Monographie 
des  Gegenstandes;  wir  verweisen  auf  diese  Arbeit  hinsichtHch  des 
Details  und  erleichtern  das  Nachstudium,  indem  wir  die  von  Für- 
bringer  gebrauchten  Namen  und  Ziffern  den  einzelneu  Muskeln  be- 
lassen. Wir  werden  auf  den  meisten  unserer  Durchschnitte  die  Für- 
bringer' sehen  Beziehungen  anwenden.  Wir  beschränken  uns  hier 
darauf,  die  Muskeln  nach  ihren  Functionen  zusammenzustellen. 

Verengerungsmuskeln.  —  Die  Wirkung  dieser  ziemlich  zahl- 
reichen Muskeln  besteht  in  der  Verengerung  der  Durchmesser  des 
Mundapparates.  Sie  setzen  sich  theils  an  der  Haut,  theils  an  den 
Mundknorpeln  fest  und  finden  in  den  meisten  Fällen  ihren  Antagonis- 
mus in  der  Elasticität  der  mehr  oder  minder  festen  Theile,  an  welche 
sie  sich  ansetzen.  Hinsichtlich  der  Knoi-pel  kann  man  nicht  zweifeln; 
aber  auch  die  betreffenden  Theile  der  Tegumente,  wie  z.B.  der  Umfang 
des  Saugtrichters,  sind  durch  Faserbildungen  derart  verstärkt,  dass 
man  ihnen  eine  ähnliche  Elasticität  zuschreiben  muss.  Wir  finden  in 
dieser  Gruppe  von  vorn  nach  hinten:  den  Ringmuskel  (m,  anmi- 
laris,  Nr.  7),  der  den  ganzen  Umfang  des  Saugmuskels  längs  des 
Ringknorpels  umkreist  und  aus  drei  Schichten  besteht,  einer  äusseren, 
aus  Längsfasern,  einer  mittleren,  aus  senkrechten  Fasern,  und  einer 
inneren,  aus  Kreisfasern  gebildet;  den  Ilalbringmuskel  (m.  semi- 
annularis,  Nr.  12),  der  sich  an  dem  gleichnamigen  Knorpel  ansetzt  und 
den  entsprechenden  Theil  der  Mundhöhle  verengert;  den  ni.  liyomandi- 
hularis-semi-annularis,  Nr,  13,  der  den  Halbringkuorpel  nach 
hinten  zieht;  den  Zungenmuskel  (nt.  Jiitgualis  proptHtcs,  Nr.  23), 
der  die  Schleimhaut  am  Eingänge  des  Schlundkopfes  zusammenzieht, 
und  den  m.  tcndinoglossus,  Nr.  24,  der  die  Seitenflügel  des  Zungen- 
kuorpels  einander  nähert. 

Als  Erweiterer  wirkt  nach  Fürbringer  nur  der  ni.  hasilaris, 
Nr.  14,  von  äusserst  verwickelter  Structur.  Er  erstreckt  sich  zwischen 
dem  Ringknorpel  und  dem  Ethmoideum,  und  scheint  zugleich  in  seinem 
hinteren  Theile  als  Zusammendrücker  der  Speicheldrüse  zu  wirken,  die 
er  scheidenartig  umgiebt. 

Gruppe  der  Vor  zi  eh  mu  skeln  ,  welche  den  Zungenstempel 
nach  vorn  ziehen.  Man  kann  hierher  rechnen:  den  in.  annulo-glosSits, 
Nr.  8,  der  sich  vorn  an  den  Riugknorpel ,  hinten  an  den  Zungenstiel 
ansetzt;  den  ni.  hyo- glossus,  Nr.  18,  der  am  Hyoidknorpel  des 
Schädels  entspringt;  zwei  ni.  coptilo-glossi,  Nr. 20  und  21,  einen  vor- 
deren und  einen  hinteren,  welche  von  der  Copula  zum  Zungenstempel 
gehen,  und  zwei  m.  liyo-hyoidiei,  Nr.  13  und  IG. 

Die  Gruppe  der  Rückzieh  m  u skeln,  welche  den  Zungen- 
stempel nach  hinten  ziehen,  besteht  aus  zwei  Muskeln:  dem  m.  hyo- 
mandihalar  i-glossus ,  Nr.  19,  der  an  dem  Hyomandibular  -  Fortsatz 


Cyclostouien.  407 

des  Schädels  entspringt  iiud  nach  vorn  zum  Ziingenstempel  gelit,  und 
der  enorme  Längsmuskel  der  Zunge  (>».  Jongitiidinalis  lin- 
guae,  Nr.  22),  der  den  Zungenknorpel  in  seiner  ganzen  Länge  auf  der 
ventralen  Mittellinie  des  Kiemenkorbes  einhüllt,  sich  hinten  an  den 
knorpeligen  Herzbeutel  ansetzt  und  nach  vorn  mit  zwei  Sehnen  an 
den  Seitenflügeln  des  Zungenkuorpels  endet. 

Schi  uudk  opfver  en  ger  er.  —  Es  giebt  deren  zwei,  einen 
grösseren,  den  Schlundkopfni  uskel  (ni.  pliaryngens,  Nr.  28), 
welcher  die  ganze  Eistreckuug  des  Schlundkopfes  zwischen  dem  Halb- 
ring- und  dem  Hyomandibular- Knorpel  umfasst,  und  einen  kleineren, 
m.  pliaryngeus  posterior^  Nr.  29,  welcher  vom  hinteren  Rande  des 
vorigen  bis  zum  Schlundsegel  reicht. 

Das  Schluudsegel  (Vclniii)  hat  selbst  mehrere  besondere  kleine 
Muskelchen:  zwei  Er  weiterer,  vi.  velo-phargngeus ,  Nr.  25,  und 
in.  rclo-hgo-niaudihiüaris  cxiernus,  Nr.  27,  und  einen  Vereugerer, 
Antagonisten  des  vorigen,  m.  vdo-hijo-mandibularis  internus,  Nr.  26. 

N  ervensj'ste  111.  —  Wir  finden  zuerst  bei  den  Cyclostomcn  ein 
wahres  Gehirn  als  vordere  Erweiterung  des  Rückenmarkes,  mit  welchem 
es  das  Centralnervensystem  bildet.  Auch  sehen  wir  in  dem  periphe- 
rischen Nervensysteme  zwei  Hauptabschnitte  sich  kenntlich  machen, 
einestheils  das  cerebrospiuale  System,  dessen  Wurzeln  unmittelbar  aus 
dem  centralen  Nervensysteme  entspringen,  und  das  sympathische  System, 
welches  nur  mittell:»ar  mit  dem  Centralnervensysteme  zusammenhängt. 
Endlich  sehen  wir  noch  mehr  oder  minder  deutlich  in  den  cerebro- 
spinalen  Nerven  zwei  Gruppen  sich  abgrenzen:  die  Rückenmarks-  oder 
Spinalnei'veu ,  die  eine  ziemlich  einförmige  Bildung,  namentlich  hin- 
sichtlich ihres  Ursprunges  im  Rückenmarke  bilden,  und  die  Ilirnuerven, 
die  meistens  nur  mit  Schwierigkeiten  auf  den  Typus  der  Spinaluerven 
zurückgeführt  werden  können. 

Centralnervensystem.  —  Das  Rückenmark  {e,  Fig.  170 
a.  f.  S.)  der  Lampreten  und  der  Cyclostomeu  überhaupt  zeigt  liinsicht- 
lich  seiner  Form  einen  eigenthümlichen  Charakter,  den  wir  kaum  bei 
den  übrigen  Wirbelthieren  wiedei'findeu :  es  ist  in  seiner  grössten  Länge 
bandartig  abgeplattet  {A,  Fig.  170).  Die  beiden  Flächen  des  Bandes 
sind  indessen  nicht  eben ;  die  obere  Rückeuflächc  ist  leicht  gewölbt 
und  die  ventrale  Unterfläche,  mit  welcher  das  Rückenmark  auf  der 
Chorda  aufliegt ,  leicht  ausgehöhlt.  Auf  Querschnitten  zeigt  demnach 
das  Rückenmark  die  Gestalt  eines  flachen  Halbmondes  mit  abgerun- 
deten Enden,  der  mit  der  Hohlfläche  nach  unten  horizontal  liegt.  Diese 
Form  zeigt  sich  besonders  längs  des  Rückens;  nach  vorn  hin  {B,  Fig.  170) 
rundet  sich  das  Organ  mehr  ab  und  zeigt  am  verlängerten  Marke  einen  fast 
kreisförmigen  Querschnitt.     Gegen  das  Körperende  hin,  von  der  After- 


408 


Wirbelthiere. 


gegend  an,  runden  sich  die  Ecken  ebenfalls  ab,  die  Rücken  fläche  wölbt 
sich  etwas  mehr  und  die  Bauchfläche  wird  platt. 

Mau  untersucht  die  Structur  des  Rückenmarkes  vorzugsweise 
auf  Querschnitten,  welche  mit  Osmiumsäure  behandelt  werden  müssen, 
wenn  es  sich  um  histologische  Einzelheiten  handelt,  die  wir  hier  nicht 
berücksichtigen  können. 

In  der  Mitte  wird  das  Rückenmark  von  einem  engen  Medullar- 
canale  (/)  der  Länge  nach  durchbohrt,  dessen  Durchmesser  sogar 
geringer  ist  als  derjenige  der  Riesenzellen,  von  welchen  später  die 
Rede  sein  wird.  Man  würde  den  Canal  leicht  übersehen  können,  wenn 
er    nicht    mit    strahlig    gestellten    Epithelialzellen    ausgekleidet   wäre, 


Fig.  170 


Pttrvm.  ßtivial.  —  Diese  wie  alle  t'olgcinlen  Figuren  liis  zu  Fig.  180  und  mit  Aus- 
nahme der  Figuren  171  und  172  sind  einer  Serie  von  Qucrsclmitteu  eines  Jugendlieben 
Exemplars  entnommen ,  d;\s  äusserlich  sehon  alle  Charaktere  der  geschleehtsreifen 
Lamprete  zeigte ,  dessen  innere  Organe  aber  theilweise  noch  üebergangsbildungen 
zeigten.  Alle  Figuren  sind  mit  der  Camera  lucida  gezeichnet.  Fig.  170.  Quer- 
schnitte im  vorderen  Rückenmark.  Verick,  Oc.  1,  Obj.  1.  A,  Querschnitt  in  der 
Höhe  der  zweiten  Kieme ;  B,  im  hinteren  Theile  der  ersten  Kieme.  Gleiche  Bezeich- 
luingen.  o,  häutige  Hülle  des  Kückencanales ;  b,  obere  Zellent'üllung  des  Canales ; 
c,  Höhle  desselben ;  d,  Knorpelstützen  (Neurapophysen) ;  e,  Eückenraark ;  f,  Central- 
canal  desselben ;  g,  Scheide  der  Chorda ;  h,  Zellenkern  derselben ;  i,  Aorta  ;  k,  offener 
Oesophagus;  k^  (in  jB),  derselbe  noch  fest  geschlossen;  /,  Wassergang;  m  (in  A),. 
Eestc  der  Thymusdrüse ;  n  (in  B),  Ende  des  Nasengaumenganges ;  o,  Muskelhülle  des 
Kiemensackes;  p,  dessen  innere  Höhle;  q,  Kiemenfransen;  r,  Venen;  s,  Seitennerv; 
/,  Kiemennerven;  ?(,   motorische  Wurzel  eines   Spinalnerven. 

deren  kleine  Kerne  sich  stark  färben.    Diese  Zellen  gehen  schichtweise 
allmählich  in  die  Zellen  der  grauen  Nervensubstanz  über,  ohne  dass  man 


Cyclostomen.  409 

eine  bestimmte  Grenzlinie  nachweisen  könnte.  Der  Canal  scheint 
ausserdem  noch  im  Inneren  durch  eine  feine  Greuzmembran  aus- 
gekleidet, auf  welcher  vielleicht  Wimperhärchen  sitzen. 

Auf  beiden  Seiten  des  Cauales  erstreckt  sich  die  graue  Substanz, 
die  als  innerer  Kern  etwa  die  Form  des  Rückenmarkes  zeigt  und 
überall  von  weisser  Substanz  umgeben  ist,  deren  Mächtigkeit  indessen 
auf  der  Rückenfläche  etwas  bedeutender  ist. 

Ausser  einer  allgemeinen,  beiden  Substanzen  gemeinsamen,  un- 
bestimmte Netze  bildenden  Bindesubstauz  besteht  der  graue  Kern  aus 
zwei  Arten  von  Ganglienzellen,  welche  alle  Charaktere  der  bekannten 
Nervenzellen  tragen.  Die  grösste  Masse  wird  von  multipularen,  kleinen 
Zellen  mit  körnigem  Kerne  gebildet,  deren  Furtsätze  ohne  Zweifel  in 
die  dorsalen,  sensitiven  Nervenwurzelu  und  vielleicht  auch  in  die  ven- 
tralen, motorischen  Wurzeln  übergehen.  Ausserdem  finden  sich  soge- 
nannte Riesenzellen;  sie  sind  sehr  gross,  multipolar,  mit  sehr  kör- 
nigen oder  selbst  himbeerähnlichen  Kernen  ausgestattet,  von  welchen 
die  einen,  die  dorsalen  oder  inneren,  beiderseits  au  der  Mittellinie 
über  dem  grauen  Kerne  liegen,  während  die  äusseren  Riesenzeilen 
sich  in  den  beiden  Hörnern  des  grauen  Kernes  an  dessen  Enden  finden. 
Die  Fortsätze  dieser  Zellen  sind  sehr  deutlich ,  aber  in  verschiedener 
Weise  gewunden,  so  dass  man  ihren  unmittelbaren  Zusammenhang  mit 
den  Nervenwurzeln  noch  nicht  hat  nachweisen  können.  Auf  jedem 
Querschnitte  sieht  man  nur  je  ein  oder  zwei  Paare  dieser  inneren  und 
äusseren  Riesen  zellen. 

Die  weisse  Substanz  wird  in  der  senkrechten  Mittelebene  durch 
besondere,  vom  Centralcanal  ausgehende  Bildungen  in  zwei  seitliche 
Hälften  geschieden.  Auf  der  dorsalen  Seite  sieht  man  nur  ein  Aus- 
einanderweichen der  netzförmigen  Ijindesubstauz ,  die  sich  auf  Quer- 
schnitten als  eine  hellere  Linie  zu  erkennen  giebt;  auf  der  ventralen 
Seite  sieht  man  ein  Bündel  höchst  feiner  und  dicht  gedrängter,  senk- 
recht gestellter  Fäserchen.  Weniger  in  die  Augen  fallende  Theilungen 
werden  durch  die  Faserbündel  der  Nervenwurzeln  angedeutet,  die  von 
dem  grauen  Kerne  ausgehen,  die  weisse  Substanz  in  schiefer  Richtung 
durchsetzen  und  oben  wie  unten  etwa  in  der  Mitte  des  Raumes  aus- 
treten, der  die  senkrechte  Mittelebene  von  den  Enden  des  Bandes 
trennt.  Man  hat  sehr  unnöthiger  Weise  die  zwischen  den  Wurzeln 
gelegenen  Theile  der  weissen  Substanz  als  Bauch  stränge  und 
Rückenstränge  unterschieden.  Um  consequent  zu  sein,  müsste  man 
je  zwei  seitliche,  durch  die  senkrechte  Mittelebene  geschiedene  Bauch- 
stränge und  Rückenstränge  unterscheiden.  Die  weissen  Theile,  welche 
die  Seiten  umhüllen,  sind  die  Seitenstränge  genannt  worden. 

Wie  dem  auch  sein  mag,  so  steht  fest,  dass  die  weisse  Substanz 
ausser  den  Längsfaseru,  welche  auf  den  Schnitten  sich  in  verschiedener 
Weise  darstellen,  eine  Menge  feiner,  meist  senkrecht  gestellter  Fäserchen 


410 


Wirbeltbiere. 


Pelrom.  fluviul.  —  Conibiniiic  Figur,  neunfach  vcrgrüsscrt.  Die  dorsale  Oberfläche 
des  Gehirns  ist  gezeichnet. ,  wie  sie  sich  nach  Wegnahme  der  Hüllen  darstellt.  Um 
die  Beziehungen  zu  den  Sinnesorganen  zu  zeigen,  hat  mau  dieselben  so  dargestellt, 
wie  sie  sich  auf  Horizontalschnitten  zeigen ,  die  in  verschiedenen  Höhen  gelegt  sind. 
Aul'  der  rechten  Seite  hat  man  eine  etwas  schematische  Darstellung  der  Hirnnerven 
beigefügt,     wie    dieselbe     aus     den    Arbeiten    von    Ahlborn    und    Julin    hervorgeht. 


Cyclostomen.  411 

X 

aufzeigt,  die  besonders  in  den  Rückensträngen  ein  sehr  enges  Netz 
bilden.  Zwischen  den  gewöhnlichen  Lüngsfasern  sieht  mau  einige 
Riesenfaseru  (Müller'sche  Fasern),  die  vorzugsweise  in  den  Baucb- 
sträugen,  aber  auch  seltener  in  den  Seitensträngeu  vorkommen.  Die 
Durchschnitte  dieser  Fasern  erscheinen  als  eiförmige,  von  der  Biude- 
substanz  umgebene  Hohlräume,  in  welchen  man  hier  und  da  au  der 
Innenwand  körnige  Substanzansammluugen  sieht,  so  dass  der  Durch- 
schnitt einer  Zelle  mit  wandständigem  Kerne  ähnlich  sieht.  Dieses 
Ansehen  wird  oliue  Zweifel  von  der  durch  die  Reagentien  bewirkten 
Gerinnung  der  den  Raum  erfüllenden  Substanz  bedingt  und  was  man  für 
einen  Kern  ansehen  könnte,  ist  dieser  geronnene  Inhalt  selbst.  Man  sieht 
iu  jedem  Eauchstrauge  sechs  bis  acht  dieser  Riesenfasern  in  der  Nähe 
der  senkrechten  Mittelebene   und  zwei  bis  drei  in  jedem  Seitenstrange. 

Die  gewöhnlichen  Längsfasern  bilden  auf  Querschnitten  eine  feine 
Puuktirung.  Doch  muss  bemerkt  werden,  dass  man  hier  und  da  dickere 
Fasern  findet,  welclie  sich  den  Riesenfasern  nähern. 

Wir  werden  bei  Gelegenheit  der  Spinaluerven  von  den  Wurzel- 
fasern derselben  im  Marke  sprechen  und  machen  hier  nur  darauf  auf- 
merksam, dass  mau  niemals  auf  einem  und  demselben  Querschnitte  die 
beiden  Wurzeln,  dorsale  und  ventrale,  beobachten  kann ,  aus  dem  ein- 
fachen Grunde,  weil  diese  Wurzeln  nicht  in  derselben  Verticalebene  liegen. 

Das  Gehirn  ist  die  vordei'e  Ausbreitung  des  Rückenmarkes.  Es 
zeigt  bei  den  Neunaugen  fünf  auf  einander  folgende  Abtheilungen,  die 
sich  bei  der  Ansicht  von  obeu  leicht  erkennen  lassen,  während  auf  der 
der  Schädelbasis  aufliegenden  Ventraltläche  die  Grenzen  mehr  oder 
minder  durch  den  Hirn  stamm  verwischt  sind,  der  die  einzelnen 
AbtheiluDgen  mit  einander  verbindet.     Wenn  bei  den  Embryonen  der 


«,  Tegument ;  u^,  Epidermis;  a'-*,  LeJerLaut ;  b,  ISIasengaus;;  6*,  seine  Hülle;  6-,  ein- 
gestülpte Oberhaut  (Schleimhaut);  b^,  innere  Höhle;  c,  Nasensack ;  c^,  häutige  Hülle ; 
c'-^,  Kuorpelkapsel ;  c^,  Blutgefässe;  c*,  innere  Schleinihautfalten ;  c^,  feste  Central- 
masse; c^,  Nasengaumengang ;  d,  hinterer  gerader  Augenmuskel;  e,  Ange;  e^,  Eth- 
moidknorpel ;  e",  Orhitalhülle ;  e^,  Choroidea ;  c*,  ihre  die  Iris  liildeude  Fortsetzung; 
e^,  Krystallliuse ;  e",  Glaskörper;  e',  Retina  im  Ganzen;  t^,  äussere  Siliidit  der- 
selben; e^,  mittlere  Schiclit ;  e^",  innere  Schiebt ;  /',  Ohr ; /l,  Knorpelkapsel ;/'',  halli- 
krcisförmige  Canäle ;  Pr,  Vorderhirn;  Pr^,  Riechlappen;  Pr^,  Hemisjdiären ;  EjJ,  Epi- 
physc ;  Th,  Zwiscbenbirn;  77*1,  Chiasma  iler  Sehnerven;  71/^,  Hubeuiilarganglion ; 
Ms,  Mittclhirn;  JAs-i ,  Mitteltheil;  Ms^ ,  Schlappen;  .!/&'%  Vierhügel;  .Vs*,  obere 
Spalte;  M/,  Hinterhirn;  M\  Seitenstränge;  JUt"^,  Eautengrube ;  jW^,  Klcinhirnbrücke; 
Mfj,  Nachbirn ;  Md,  Rückenmark.  Die  Hirnnerven  und  ihre  Zweige  sind  mit  den 
gebräuchlichen  Ziffern  bezeichnet.  //,  Opticus;  ///,  Oculomotorius ;  71',  Trochlearis ; 
V,  Trigeminus;  Vo,  Oi)hthaImicus ;  VGop,  dessen  Ganglion;  VG,  Ganglion  Gasscri ; 
Vi-,  Wurzeln;  VI,  Abducens ;  Vif,  Facialis;  Vlhj,  sein  Ganglion;  VII  e,  rückläufiger 
Ast;  T'//Z»,  Kiemenast  desselben;  T'///,  Acusticus ;  VIII  Gac,  sein  Ganglion  ;  IX,  Glosso- 
pluiryngeus;  IX  G/jl,  sein  Ganglion;  Ä',  Vagus;  XGv,  sein  Hauptganglion;  AT,  Sciten- 
nerv;  XII,  Hypoglossus;  Sp^,  erster  Spinalnerv;  n,  sensible  Wurzel  mit  Ganglion; 
b,  motorische  Wurzel;   Sp^,  des  zweiten   Spinalnerven. 


412 


Wirbelthiere. 


Wirbelthiere  sich  eine   ursprüngliche  Trennung   in   drei  xVbtheilungen, 
Vorderhirn  ,  Mittelhirn  und  llinterhiru,  nachweisen  lässt,  die  sich  aber 

Fio-.  172. 


fk' 


J/j- 


Jft^ 


U^m 


Petrom.  ßurlul.   —  Diis   im   Schädel    eingeschlossene   Gehirn    im   Pioiil,    neunfach    ver- 

grössert.      Man   hat   die  Hüllen   so  viel  als  möglich   erhallen.    Dieselben  Bezeichnungen 

wie  in  der  vorigen  Figur.     Ausserdem:    //?/,  Hypophysis ;    ((,  Obertheil  »des  Schädels; 

a^,  Schädelbasis;   6,   oberer  Hüllensack ;   f,   zellige  Ausfüllung  des  Rückencanales. 


später  mehr  oder  minder  in  Unter 
diese    primitive  Theilung   bei    den 

^  Fig.   173. 

b 


Querschnitt  durch  den  ersten  Kiemeu- 
sack.  Verick,  Oc.  1,  Obj.  0.  Camera 
clara.  Dieselben  Bezeichnungen.  Ausser- 
dem :  e^,  Seitenflügel  des  erweiterten 
Medullarcanales ;  i^.  Carotis. 


o,btheilungen  zerlegen ,  so  lässt  sich 
erwachsenen  Cyclostomen  in  Folge 
eingetretener  Modificationen  nicht 
erkennen.  Wir  unterscheiden  dem- 
nach ,  von  dem  Rückenmai-ke  aus- 
gehend, ein  Nachhirn  (Myeleucepha- 
lon)  (ill//,  Fig.  171  und  Fig.  172),  ein 
llinterhiru  (Mctencephalon)  {Mt)^ 
ein  Mittelhirn  (Meseucephalon)  {Ms), 
ein  Zwischeuhirn  (Thalaineucepha- 
lon)  {Th)  und  ein  Vorderhirn  (Pro- 
seucephalon)  {Fr).  In  allen  diesen 
Abtheilungen  kann  man  den  un- 
mittell)ar  auf  der  oberen  Fläche  der 
Schädelbasis  gelegenen  Ilirnstamm 
und  die  Gewölbebildungen  unter- 
scheiden, welche  längs  der  Innen- 
wände des  Schädels  emporsteigen, 
sich  mehr  oder  minder  auf  der 
Rückenseite  zusammenschliessen 
und  so  ein  zusammenhängendes 
System  von  Höhlungen  herstellen, 
in  welche  die  Ilüllmembrauen  mit 
ihren  Gefässnetzen  sich  hinab- 
senken. 


Cyclostomen. 


413 


Bei  seiner  Fortsetzung  in  den  Schädel,  wo  sich  das  Nachhirn 
(Fig.  172)  ausbildet,  ändert  das  Rückenmark  seine  Gestalt;  es  verdickt 
sich  und  rundet  sich  ab,  so  dass  sein  Durchschnitt  eine  eiförmige  Ge- 
stalt mit  leicht  abgeplatteter  Unterfläche  annimmt.  Der  Central- 
canal  (/)  weitet  sich  aus,  nimmt  die  Form  einer  senkrechten  Spalte 
au  und  ei'hebt  sich  zusehends  gegen  die  Oberfläche.  Die  Zellen  seiner 
Epithelialbekleidung  werden  länger  und  tragen  deutliche  Wimpercilien. 
Die  Ausweitung  und  Hebung  gegen  die  Oberfläche  nehmen  mehr  und 
mehr  zu  (Fig.  173)  und  so  wird  der  Canal  zu  einer  nach  oben  geöffneten 
Spalte,  die  sich  bedeutend  ausweitet  und  eineOeffnung  in  Gestalt  eines 
Kartenherzens  zeigt,  auf  deren  Grunde  die  Stränge  des  Rückenmarkes 

Fie.  174. 


Querschnitt  des  ganzen  Kopfes,  so  gelegt,  dass  er  das  hintere  Ende  der  Ohrkapseln 
streift  und  das  Vorderende  der  ersten  Kieme  trifft.  Dieselbe  Vergrösserung.  «,  &,  c, 
e^,  fi  h,  i,  i^,  Jc^,  l,  n,  o,  p,  q,  r,  haben  dieselbe  Bedeutung  wie  in  den  vorigen 
Figuren.  Ausserdem:  e^,  Grundstamm  des  Gehirns;  m,  Seitenmuskel,  dorsaler  Theil ; 
m^,  Seitenmuskel,  ventraler  Theil ;  p^,  Communication  zwischen  dem  Wassergange  und 
der  inneren  Kiemeuhöhle ;  q^ ,  äussere  Kiemenfranscnlamelle ;  q^ ,  innere  Lamelle ; 
w,  Tegument;  x,  Pigmentschieht ;  y,  das  hintere  Ende  der  Gehörkapsel  umgebendes 
Bindegewebe;  s,  Lückenräume  (Bauchhöhle);  1,  Zungenmuskel  (2);  2,  Sehluudkopf- 
muskel  (28);  3,  seitliche  Zungenknorpel;  4,  Zungenknorpel;  IXGgl,  Ganglion  des 
Glossopharyngeus;   X  Gv,  Ganglion  des  Vagus. 


414 


Wirbeltliiere. 


wie  Längsleisten  hervortreten.  Die  so  gebildete  Höhle  ist  die  Rauten- 
grube, fossa  rhomhoidaUs  (Mt^,  Fig.  171),  auch  nach  Analogie  mit 
dem  Gehirn  der  Säugethiere  der  vierte  Ventrikel  genannt.  Auf 
Querschnitten  dieser  Gegend  (Fig.  174  a.  v.  S.)  sieht  man  die  Lippen 
der  Höhlung  wie  die  Seitenpfeiler  eines  offenen  Gewölbes  in  die  Höhe 
steigen.  In  den  Umgebungen  der  Rautengrube,  welche  das  eigentliche 
Hinterhirn  bilden,  entstehen  die  wesentlichsten  hinteren  Hirnnerven, 
Facialis,  Acusticus,  Glossopharyngeus  imd  Vagus.  Aiif  der  Ventral- 
fläche zeigt  dieser  Theil  eine  seichte  Längsfurche. 

Pio-.  175. 


Mittelstüfk  eines  durch  die  Mitte  der  Olirlcapscl  und  der  Rautengrube  gelegten  Quer- 
schnittes, ffl,  b,  c,  e^,  //,  i^,  h^,  l,  11,  z,  1,  2,  .",  4  wie  in  den  vorigen  Figuren. 
Ausserdem:  b^,  oberer  Sack  der  Gehirnhülle;  b'^,  unterer  Theil  der  Zellenfüllung  der 
Schädelhöhle;  e^,  Riesenzellen  in  den  Wülsten;  e*,  in  der  Rautengrube  ;  lV/(/,  Ganglion 
des  Facialis;  VFITGac,  Ganglion  des  Acusticus;  y,  knorpelige  Olirkapsel ;  y^,  halb- 
kreisförmiger Canal ;  y^,  innere  Höhle  des  Labyrinthes ;  5,  Flügel  derCopula;  6,  musc. 
hijo(jlossus ;   7,   rij'oidfortsatz. 


Vom  Grunde  der  Rautengrube  erheben  sich  zwei  seitliche  Wülste 
(e*,  Fig.  175),  die  durch  eine  enge  Spalte  getrennt  sind  und  zwei 
Riesenzellen  (C'')  zeigen,  während  seitlich  die  Wurzeln  des  Facialis  (F7i) 


Cyclostoraen.  415 

und  Acusticns  (F/JJ)  hervortreten,  deren  Fasern  sich  bis  in  die  dünnen 

Lippen  der  Grube  verfolgen  lassen  (e^).     Nach  vorn   schliesst   sich  die 

Grube   durch   eine    schmale   Querbrücke   (d,  Fig.   176),   die    auf  ihrer 

Dorsalfläche  eingekerbt  ist  und  das  Rudiment  des  Kleinhirns  (Cere- 

hcUum)  darstellt.     Es  ist  bemerkenswerth ,    dass  das  Kleinhirn  in  allen 

Wirbelthierclassen,    mit  Ausnahme   der  Amphibien,   eine  bedeutendere 

Entwicklung   erreicht,    so  dass   also    auch   in    dieser   Hinsicht,    wie   in 

vielen   anderen,    die   Cyclostomen    sich    eher    den    Amphibien    als    den 

Fischen  anschliessen. 

Die  Rautengrube   ist  iititer   der  Kleinhirnbrücke   (/,  Fig.  176)   zu 

einem  engen  Canale  in  Form  einer  Längsspalte  zusammengeschrumpft, 

der  sich  nach  vorn  in  das  Mittelhirn  fortsetzt  und   die  Sylvius'sche 

Fi„-_  170.  Wasserleitung     der 

alten    Anatomen    bildet. 
a. 

^'  i\  \  Dieser    Uebergangstheil 

'"^    \  >  ist  an  seiner  Basis  etwas 

^^'X^I^ — *^^^^  seitlich        zusammeuge- 

\     ~\y^/(         /S*^^^^  ^^vNv  drückt,  er  erweitert  sich 

<^^        yy^/V  \  ^.ffoTY^      /^^^b.  aber  sofort  zum  Mittel- 

^-^.      7?;     Xf  l  Y        ^^^^  ^'^^"^  (^^^'  Fig.  171  und 

■-./^— rTTTv^        Vy^^     '^      ^      J       ^X^\  Dieser    Hirntheil    hat 

■^            -V\      y         ]  f "        V       ij  die  Gestalt  einer  Kugel, 

\\//ii         n\%-^^       \    11  die  bei  der  Ansicht  von 

~'~~—~-\\J/^         \  le       ^^ji  oben  einen  ringiormigen 

^--.----^TA'XV"           yߧS^  Aufsatz  zeigt  (ilis-2),  wel- 

X  _  ^^^^rrrrrr::::^^-^^  #i|\\  ^-■^^  eher   eine   fast   kreisför- 

^ ^^ — 'v==T-~-~^  •  r\  A- 

o -^ — Vf~\\  ^^-L  mige       Ueiinunff       um- 

•^  r— ^^^__^^^=5^,^^  schliesst,    die  sich   nach 

^^'  vorn      und      hinten     in 

o  1  ■•,,,••  1  1      11     1-1  ■  1  •  1    .      /,  Längsrinnen      fortsetzt. 

ßL-liadelstuck   fini-'s  durcli  aas  Kleinlurii  gelegten  Cjuer-  _    * 

sclmittes.    «,  hUutiger  Schädel  ;&,  zcUiges  AusfüUungs-  Die      Seitenflächen      des 

gewebe ;    h^^  oberer  Sack;    }fl^  Ausfüllungsgewebe  der  Mittelhirnes    sind    stark 

Basis;    /r",    oberes    Kürnergewebe;    ?/,    Blutgefäss;    c,  gewölbt;   auf  der  Unter- 

Scbädelhöhle;  ä.  Kleinhirnbrücke;    e,  Schädelknorpel;  a-    ^  •    l.       •   ^ 

n    ..  ,        TT  u  n       1  \  1      Tj-  flache     zeigt    sich     eine 

7,    hintere    Hirnspalte ;    </,    urundstamm    des    Hirnes ; 

Ä,    Chorda;    'i^,    Carotiden;    o,    Hinterhauptsplatte    des        seichte ,  mittlere  LängS- 
Schädels;   /,   Wurzeln   des  Trigeminus;    ij,   Hürkapscln.        furche,     die    VOn     wenig 

vorspringenden  Wülsten 
begrenzt  ist.  Unter  diese  Basis  schiebt  sich  aber  der  blindsackförmige 
Anhang  der  Ilypophysis  ein,  von  welchem  bald  die  Rede  sein  soll. 

Ein  durch  den  hinteren  Theil  des  Mittelhirnes  gelegter  Querschnitt 
(Fig.  177  a.  f.  S.)  zeigt  dieses  höher  als  breit  mit  der  auf  die  untere 
Hälfte  beschränkten  Centralspalte,  während  die  obere  Hälfte  zwei 
abgernnJete    Seitenlappen    als    Ausdruck    der    durchschnittenen ,    ring- 


416 


Wirbelthiere. 


förmigen  Aufwalstuug  zeigt.  Die  Lappen  werden  dünner,  die  Höhle 
erweitert  sich,  öffnet  sich  nach  oben  und  so  gelangt  man  zu  der 
Fig.  178,  A  gezeichneten  Durchschnittsfigur,  wo  die  Spalte  eine  weite, 
rhombenförraig  ausgeweitete  Höhle  ist,  die  sich  mit  der  erwähnten, 
ringsum  von  den  dünnen  Lippen  umgebenen  Oeffnung  nach  oben  in 
die  Schädelhöhle  öffnet.  Auch  hier  sieht  man  noch  in  den  Wänden 
der  Centralspalte  lliesenzellen,  die  im  Vorderhirn  fehlen.  Aber  eine 
Neubildung  erscheint  zugleich  auf  der  Unterfläche  des  Mittelhirnes,  von 
dieser  durch  eine  dünne  Schicht  von  Hüllgewebe  getrennt,  der  Sack 
der  Hypophyse  (/?,  Fig.  178),  dessen  innere,  beinahe  kreisförmige 
Höhlung   mit   Epithelialzellen  ausgekleidet  ist.     Der  Sack   verschmilzt 

Fis:.   177. 


n.     h 


Sdiädelstück  eines  durch  das  Vorderende  der  Hörkapsel,  das  Hinterende  des  Auges 
und  den  hinteren  Abschnitt  des  Mittclhirnes  geführten  Querschnittes,  rt,  häutiger 
Schädel ;  a^,  ohere  Fortsetzung  desselben  zur  Haut ;  a^,  zur  Orbita ;  &,  zelliges  Aus- 
füllungsgewebe; &^,  oberer  Sack;  ifl^  oberes  Körnergewebc;  i*,  Blutgefäss;  c,  Schädel- 
höhle; c,  geschlossene  Hirnspalte;  A,  Chorda;  2,  Carotiden ;  w,  Nusengaumengang ; 
o,  Schädelbasis;  ip^^  (7,  Vene;  ir'^  Choroidea ;  ?/,  Ohrkapsel;  tß,  innere  Höhle ;  iß^  häu- 
tiges   Labyrinth;    Ms^^    Basis    des    Mittelhirnes;    V  Goj^,    Ganglion    des    Ophthalniicus; 

TT/',  Ganglion   Gasseri. 


nach  und  nach  mit  der  Basis  des  Mittelhirnes,  die  Höhlung  erweitert 
sich  allmählich  durch  den  Schwund  der  deckenden  Lippen  und  so  ge- 
langt man  zu  dem  folgenden  Querschnitte  (B ,  Fig.  178),  wo  das 
Mittelhirn  aus  zwei   seitlichen,    oben    weit   klaffenden   Hälften   besteht, 


Cyclostomeii. 


417 


die  Bur  am  Grunde  durch  zwei  Brücken  vereinigt  sind,  die  Decke  und 
den  Boden  der  noch  von  der  Centralspalte  unabhängigen  Höhlung  der 
Hypophyse. 

Aber  in  dem  vorderen  Theile  des  Mittelhirnes  bricht  die  Central- 
spalte in  den  Sack  der  Hypophyse  mittelst  des  Hirntrichters  {I)i- 
fundihnhwi)  durch.  Dieser  Trichter  ist  bei  Petromyzon  nur  wenig 
ausgebildet.  Der  Boden  des  Sackes  der  Hypophyse  verschwindet  all- 
mählich, indem  er  mit  dem  das  Gehirn  umgebenden  Zellengewebe  ver- 
schmilzt und  schliesslich  zeigt  sich  nur  eine  untere  Längsrinne,  die 
sich  nach  vorn  hin  nach  und  nach  verflacht.  Durch  diese  Auflösung 
der  Brücke,    welche   den  Sack  der  Hypophyse   von   der   Spalte   trennt, 

Fio-.   178. 


Den  vovi2;en  ähiiliche  Querschnitte.  A,  durch  den  hinteren  Abschnitt  des  Mittel- 
hirnes und  der  Hypophyse ;  B,  durch  das  hintere  Ende  der  Habenulargauglicn.  «,  b, 
c,  f,  i^,  n,  0,  p,  q,  V  Oop^  wie  in  den  vorigen  Figuren.  Ausserdem :  /;  ,  Hypo- 
physis;     Ms^ ,    Corpora     quadrigemina ;     jVs*  ,    untere    Commissur     des    Mittelhirnes; 

7-,  Mundschleimhaut. 


wären  die  beiden  Vorderhälften  des  Mittelhirnes  gänzlich  von  ein- 
ander getrennt,  wenn  die  Lippen  sich  nicht  oben  über  der  Central- 
spalte zusammenschlössen  und  so  zugleich  den  Uebergang  in  das 
Zwischenhirn  vermittelten  {A,  Fig.  179  a.  f.  S.).  Die  dicken,  aber  ein- 
ander sehr  genäherten  Seitenwände  setzen  sich  nach  vorn  fort  und 
umschliessen  nun  eine  senkrecht  gestellte,  eiförmige  Centralhöhle 
(ß,  Fig.  179). 


Vogt  u.  Ynng,  pmkt.  vergl.  Anatomie.    II. 


27 


418 


Wirbelthiere. 


An  und  für  sich  betrachtet  ist  das  Zwischenhirn  (Th,  Fig.  171 
und  172)  eine  kurze,  seitlich  etwas  zusammengedrückte  Verbindungs- 
röhre zwischen  dem  Mittelhirn  und  dem  Vorderhirn;  aber  die  Bildung 
wird  etwas  complicirt  durch  die  erwähnte  Längsrinne,  die  nach  hinten 
in  die  Hyjpophyse  führt,  welche  in  Gestalt  eines  abgeplatteten  Blind- 
sackes {Hy,  Fig.  172)  auf  dem  faserigen  Boden  aufliegt,  der  die  untere 
Schädellücke  unmittelbar  vor  dem  spitzen  Ende  der  Chorda  ausfüllt. 
Diese  Complication  wird  noch  auf  der  Ventralfläche  durch  die  Wurzeln 
der  Sehnerven,  welche  an  der  Grenze  gegen  das  Vorderhirn  austreten, 
und  auf  der  Dorsalfläche  durch  die  bedeutende  Ausbildung  der  Epi- 
physe   vermehrt   (Th.2,   Fig.    171,    172,    1791?  und  180).     Wir   werden 

Fig.  179. 
7,2  ,b^ 


Den  vorigen  ähnliche  Quci'schnitte.  yi,  durch  die  vordere  Commissur  der  Corpora 
quadrigemina\  B,  durch  das  vordere  Ende  der  Ilabenularganglien.  n,  b,  r,  f,  i^,  n, 
*^)  Pi  1j  '';  wie  in  den  vorigen  Figuren.  Ausserdem:  Th,  Zwischenhirn;  T/i^,  seine 
vordere  Commissur;  Th^j  Habenularganglion ;  Pr'^,  Hemisphäre  des  Vorderhirnes; 
//,  Sehnerv;  y^,  äussere  Schicht  der  Retina;  ?/^,  Mittelschicht  derselben;  ?/^,  innere 
Schicht;  h^,  Canal  der  Hypophyse,  in  A  mit  der  Hirnspalte  zusammenfliessend,  in  B 
getrennt;  z,  Riesenzelle  (in  A). 

auf  diesen  oberen  Anhang  zurückkommen   und  wenden   uns  zuvörderst 
zum  Vorderhirn. 

Dieser  bedeutendste  Hirnabschnitt  (Pr,  Fig.  170  und  171),  der 
länger  und  breiter  als  alle  übrigen  Abschnitte  ist,  besteht  aus  zwei 
Seitenmassen,  die  durch  eine  Querfurche  in  je  zwei  Lappen  ge- 
trennt sind,  die  Hemisphären  (Pr^)  und  die  Riechlappen  (Pr'^). 


Cyclostomen. 


419 


Erstere  sind  fast  kugelförmig,  letztere  von  mehr  iinregelmässiger  Form 
mit  stumpfer,  seitlicher  Erweiterung.  Untersucht  man  das  Vorderhirn 
auf  Querschnitten,  so  sieht  man,  dass  seine  beiden  Hälften  durch  eine 
weite  Spalte  getrennt  sind,  die  in  ihrem  hinteren  Theile  (/,  Fig.  180) 
nach  oben  in  die  Schädelhöhle  geöffnet  ist,  aber  hier  von  den  Habe- 
nulargauglien  der  Epiphyse  gedeckt  wird,  die  sich  über  die  OefPnung 
legen  (T/<-,  Fig.  172).  In  diesem  hinteren  Theile  vereinigen  sich  die 
beiden  Hälften  nur  am  Grunde  durch  eine  Masse,  in  welcher  das 
Chiasma  der  Sehnerven  liegt.  Nach  vorn  schliesst  sich  die  Oeffnung 
durch  das  Zusammenwachsen  der  Hemisphärenwandungen ,  die  sehr 
dick  sind.  Die  so  nach  oben  geschlossene  Centralspalte  öffnet  sich 
seitlich   in   zwei  Höhlungen,    die   im    Inneren    des   Yorderhirnes   ange- 

Fisj.  180. 


Durch  das  Chin/imu  ncrvorum  opücontm  und  die  Hemisphären  gelegter  Durtdischnitt. 
a,  häutiger  Schädel ;  b,  zellige  Füllsuhstanz ;  ö^,  körniges  Füllgewehe ;  c,  Schädel- 
höhle ;  Th- ,  Ende  der  Hahenularganglien ;  f,  Eirnspalte ;  Pr^,  Anfang  des  Riech- 
lappcns ;  Pr^,  Hemisphäre ;  Pr^,  ihr  seitlicher  Sinus ;  w,  knorpelige  Seitenwand  des 
Schädels;  77,  Sehnerv;  7/-'^,  Chiasma;  p^,  Choroidea;  i^,  Carotis;  n,  Nasenganmen- 
canal ;  o,  Gesichtsplatte  der  Schädelbasis;  q^  Vene;  ?•,  Dach  der  Mundhöhle. 


bracht  sind  und  deren  Beginn  man  schon  in  Querschnitten  der  hin- 
teren Hälften  wahrnimmt  (Pr^,  Fig.  180).  Legt  man  den  Schnitt 
weiter  nach  vorn,  so  sieht,  man  diese  Seitenventrikel  (Fig.  182) 
durch  weite  Oeffnungen  mit  der  Centralspalte  zusammenmünden,  so 
dass  dieses  mit  Epithelium  ausgekleidete  Höhlensystem  im  Durch- 
schnitte   die   Gestalt   eines   Kleeblattes   aufzeigt.     Beim  Vordringen  in 

27* 


420 


Wirbeltliiere. 


die  Riechlappen,  die  in  ihrem  Vordertheile  durchaus  massiv  sind,  ver- 
engert sich  dieses  Höhlensystem  mehr  und  mehr  und  die  Riechlappen 
gehen  so  iiumittelbar  in  die  Riechnerven  (/,  Fig.  181)  über,  die  sofort 
an  den  Nasensack  herantreten. 

Das  Gebilde  der  Epiphyse  (Glandula  pinealis)  (TJi,'^.  Fig.  171 
und  172)  verdient  eine  ganz  besondere  Beachtung.  Es  besteht  an 
seiner  Basis  aus  zwei  asymmetrischen  Ganglien ,  die  von  dem  Dache 
des  Zwischenhirnes  ausgehen.  Die  Anschwellung  der  rechten  Seite  ist 
stets  weit  bedeutender  als  die  linke,  die  oft  ganz  rudimentär  scheint. 
Wir  nennen  diese  Hirntheile  die  Habenul  argan  glien  (Ganglia 
habenulae)  und  bemerken  sofort,  dass  die  Reduction  des  linken  Gan- 
glions in  verschiedenem  Grade  entwickelt  ist;  es  wollte  uns  scheinen, 
als  vergrössere  sich  der  Schwund  mit  dem  Alter.  An  ihrem  mit  der 
Pio-,  181.  Decke      des     Zwischen- 

ci,  hirnes       zusammenhän- 

genden Gi'unde  sind  die 
beiden  Ganglien  zu  einer 
Masse  verschmolzen ,  in 
der  man  übrigens  durch 
die  Lagerung  der  Zellen 
der  grauen  Rinden- 
schicht die  beiden  Gang- 
lien unterscheiden  kann. 
Das  linke  Ganglion  ist 
fast  durch  die  Entwick- 
lung des  rechten  untei^- 
drückt,  das  sich  über 
die  Mittellinie  nach  links 
hinüberschlägt  {Th^, 

Fig.  179  B).      Die  bald 
von  einander  getrennten, 
birnförmigen      Ganglien 
richten      ihre       Spitzen 
schief    nach    vorn    und 
oben     und    setzen     sich 
fort,      das     rechte     mit 
einem    dünnen    Strange, 
das  linke   mit   einem   feinen  Fädchen ,   welche   sich   zu  den    Seiten   der 
eigentlichen  Epiphyse  begeben  und  mit  den  Wänden  der  mittleren  An- 
schwellung dieses  Organes  verschmelzen  (Fig.  182). 

Die  Epiphyse  selbst  {Ep,  Fig.  171  und  172)  liegt  in  geringer 
Entfernung  hinter  dem  Nasensacke  unmittelbar  an  der  inneren  Fläche 
des  Schädeldaches  an.  Bei  makroskopischen  Präparationen  findet  man 
leicht  ihre  Stelle,   die   durch   einen  kleinen  weisslichen  Fleck   auf  der 


Durch  die  Basis  des  Nasensackes  gelegter  Schnitt. 
Das  Präparat  ist  derselben  Serie  entnommen,  welcher 
die  Figuren  172  bis  180  angehören.  Verick,  Oc.  1, 
Ohj.  1.  Camera  clarn.  a,  Epidermis;  &,  Lederhaut 
mit  Pigmentschicht ;  c,  Gewehe  der  Hypoderniis ;  d, 
Muskel;  e,  Schädelhöhle;/,  Riechnerv;  r;,  senkrechte 
Nasenscheidewand  ;  7i,  »Seitenflügel  derselben  ;  l,  Lücken 
in  der  Basis;  k,  Nasengaumengang ;  l,  Schädelbasis; 
/i,  seitliche  Verdickung  derselben  ;  m,  Dach  der  Mund- 
höhle ;  91,  Choroidea ;   o,  Blutgefässe. 


Cyclostomeii. 


421 


Haut  angedeutet  ist.  Hiei'  setzt  sich  nämlich  an  die  Haut  ein  sehniger 
Strang  an  (d,  Fig.  182),  dessen  schiefe  Richtung  nach  unten  und 
innen  genau  die  Richtung  des  Epiphysealgebildes  im  Inneren  fortsetzt. 
Dieser  Strang  steht  indessen  durchaus  in  keiner  directen  Verbindung 
mit  dem  Epiphysealgebilde,  das  sich  leicht  von  der  Innenfläche  der 
Schädelwand  loslösen  lässt,  während  der  Sehnenstrang  sich  an  der 
Aussenfläche  festsetzt.  Da  die  Anlage  der  Epiphyse  bei  den  Embryonen 
unmittelbar  der  äusseren  Haiit  anliegt,  und  die  Schädelkapsel  sich  erst 
in  späterer  Zeit  durch  Differenzirung  zwischen  sie  und  die  Haut  ein- 
schiebt,   so   scheint   dieser  Sehnenstx'ang    eiu    Theil   dieser   Anlage    zu 

Fifr.  182. 


Durch  die  Epiphyse  gelegter,  senkrechter  Querschnitt.  Das  Präparat  ist  einer  anderen 
Schnittserie  von  einem  ganz  erwachsenen  Pttvom.jlnv.  entnommen.  Verick,  Oc.  1,  Ohj.  2. 
Camera  dura,  u,  Epidermis;  i,  Lederhaut;  c,  Pigraeutschicht ;  d,  die  Richtung  der 
Epi})hyse  gegen  die  Haut  hin  fortsetzendes  Sehnenhündel';  e,  Bündel  des  Seitenmuskels 
des  Körpers ;  /,  scheinbare  Augenhiihle  der  Epiphyse :  g,  in  dieselbe  vorspringende 
Epithelialzellen;  Ii,  Pigmentschicht;  i,  zellige  FülLsubstanz  der  Schädelhöhle;  k,  mitt- 
lerer Kuchen  der  Epiphyse  ;  /,  basaler  Kuchen ;  m,  Eiechlappen ;  n,  Mittelsinus  mit 
seitlichen  Ausweitungen;  o,  häutiger  Schädel;  p,  Lacune ,  mit  gelatinösem  Binde- 
gewebe erfüllt;  <y,  Nasengaumengang;  r,  faserige  Verdickung  der  Schädelbasis  :  s,  knor- 
pelige Schädelwand;  t,  Blutgefäss;  m,  Mundhöhle. 


sein,   der  durch    die  Einschiebung  der   Schädelkapsel  gewissermaasseu 
abfifezwackt  und  vollstäudicf  umgewandelt  wurde. 


422  Wirbelthiere.     ■ 

Die  in  der  Schädelhöhle  gelegene  Epiphyse  besteht  aus  drei 
kuchenförmigen  Gebilden ,  die  von  aussen  nacli  innen  an  Grösse  ab- 
nehmen. Der  kleinste  proximale  Kuchen  (l,  Fig.  187)  liegt  in  der 
medianen  Theilungsrinne  des  Vorderhirnes  wie  eingekeilt.  Der  mitt- 
lere Kuchen  (Jx)  hebt  sich  über  diese  Rinne  empor;  an  seine  Wände 
setzen  sich  die  Fortsetzungen  der  Habenularganglien  an ;  der  distale 
Kuchen  (^f),  der  grösste,  legt  sich  unmittelbar  an  das  Schädeldach  an. 
Alle  diese  Theile  scheinen  auf  Durchschnitten  hohl;  sie  bestehen  aber 
in  der  That  aus  verschieden  gebildeten  Zellenwänden  und  einem  durch 
die  Reagentien  coagulirten,  gelatinösen  Kern,  in  dem  man  feine,  faserig 
aussehende  Züge  in  Netzform  sehen  kann ,  wie  in  dem  Glaskörper  des 
Auges, 

Der  proximale  (h)  und  der  mittlere  (k)  Kuchen  sind  in  derselben 
Weise  gebildet.  Sie  haben  eine  feine  Faserhülle,  die  innen  mit  eiför- 
migen Zellen  ausgekleidet  ist,  welche  grosse,  körnige  Kerne  enthalten. 
Da  aber  diese  Kerne  in  verschiedenen  Höhen  liegen,  so  erhält  das 
Epithelium  das  Ansehen  eines  mehrschichtigen.  Die  feinen  Netzzüge 
im  Inneren  des  gelatinösen  Kernes  scheinen  Fortsetzungen  der  Zellen- 
wände zu  sein. 

Die  Decke  des  distalen  Kuchens  (g)  scheint  aus  ähnlichen  Zellen 
gebildet,  nur  bilden  sie  mehrere  Schichten,  von  welchen  die  innerste 
unregelmässige  Vorsprünge  gegen  den  Gallertkern  vortreibt.  Aber 
der  Boden  des  Kuchens  zeigt  eine  sehr  verschiedene  Structur;  auf  ihm 
sitzen  lange,  prismatische  oder  spindelförmige  Zellen,  deren  körnige 
Kerne  in  verschiedenen  Niveaiis  angeordnet  sind;  die  inneren  Enden 
dieser  Zellen  setzen  sich  unzweifelhaft  in  den  Gallertkern  fort.  Diese 
Zellen  scheinen  ausserdem  prismatische  Seitenflächen  zu  besitzen,  so 
dass  sie  den  Netzhautstäbchen  der  Wirbelthiere  oder  den  Retinulen 
der  Wirbellosen  ähnlich  sehen.  Diese  Aehnlichkeit  wird  noch  ver- 
mehrt durch  eine  aus  deutlichen,  sehr  kleinen  Körnern  zusammen- 
gehäufte Pigmentschicht,  welche  die  äusseren  Enden  der  Zellen  um- 
hüllt. Bei  allen  von  uns  untersuchten  Individuen  ist  dieses  Pigment 
vollkommen  schwarz,  aber  mehr  oder  minder  mächtig,  bald  den 
Zellenenden  mehr  genähert,  bald  mehr  an  ihrem  Grunde  angehäuft, 
was  vielleicht  von  der  Wirkung  des  Lichtes  während  des  Lebens  der 
Thiere  abhängt.  Dieses  Pigment  fehlte  nirgends.  Ahlborn  (s.  Lit.) 
erwähnt  noch  ein  aus  weissen  Körnei-n  gebildetes  Pigment,  welches 
wir  nicht  angetroffen  haben. 

Da  die  Concavität  des  in  der  angegebenen  Weise  gebildeten 
Bodens  des  distalen  Kuchens  nach  oben  gewendet  ist,  so  geben  Durch- 
schnitte des  Theiles  genau  das  Bild  eines  unvollkommenen  Auges, 
bestehend  aus  einer  pigmentirteu ,  becherförmigen  Retina,  einem 
Glaskörper  und  einer  zelligen  Hornhaut.  Bekanntlich  laufen  die 
Untersuchungen  der  Neuzeit   daraufhin,   nachzuweisen,   dass  die  Epi- 


Cyclostomen.  423 

physe  in  der  That  ein  unpaares,  rückenständiges  Auge  ist,  welches 
aber  in  den  meisten  Fällen  rudimentär  bleibt  und  nur  selten  ent- 
wickelt ist. 

Bei  Gelegenheit  des  Rückenmarkes  (S.  409)  haben  wir  schon  die 
verschiedenen  Elemente  besprochen,  welche  das  Centralnervensystem 
zusammensetzen,  nämlich:  die  grossen  und  kleinen  Nervenzellen, 
welche  mit  einer  wenig  definirten,  schwammigen  Zwischensubstanz  die 
grauen  Massen  bilden,  die  feinen  Fasern  und  die  Müller'schen  Riesen- 
fasern, aus  welchen  die  weisse  Substanz  zusammengesetzt  ist,  die  wim- 
pernden  Epithelialzellen ,  welche  den  Centralcanal  auskleiden  und  im 
Rückenmarke  allmählich  in  die  Zellen  der  grauen  Substanz  übergehen. 
Alle  diese  Bildungselemente  finden  sich  auch  im  Gehirn ,  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dass  Müller'sche  Fasern  nur  in  dem  Hinter-  und  Nach- 
hirn  angetroffen  werden,  wo  ein  Theil  dieser  Fasern,  die  ein  geson- 
dertes Bündel  bilden,  sich  mit  dem  der  anderen  Seite  kreuzt.  In  den 
genannten  Hirutheilen  sind  auch  noch  die  Riesenzellen  häufig,  aber 
nur  in  der  Nähe  der  Centralspalte  angehäuft;  man  findet  auch  noch 
welche,  aber  nur  in  geringer  Zahl  (ein  oder  zwei  Paare)  in  dem  Mittel- 
hirn und  selbst  auf  der  Grenze  des  Zwischenhirnes  (g,  Fig.  179  Ä); 
weiter  nach  vorn  hin  aber  fehlen  sie  durchaus.  Die  kleinen  Zellen, 
welche  unbestimmt  begrenzte  Massen  bilden,  die  man  auch  ungeeigneter 
Weise  Ganglien  genannt  hat  und  aus  welchen  die  einzelnen  Hirnnerven 
entspringen,  zeigen  zahlreiche  Bildangsverschiedenheiten  hinsichtlich 
deren,  wie  überhaupt  hinsichtlich  der  feineren  Structur  und  Anordnung 
der  Hirnmassen,  wir  auf  die  Arbeit  von  Ahlborn  (s.  Lit.)  verweisen. 
Die  weissen  Faserbündel  zeigen  im  Allgemeinen  eine  Längsx'ichtung. 
Das  Epithelium  der  Hirnhöhlen  ist  nur  die  Fortsetzung  desjenigen, 
welches  den  Medullarcanal  auskleidet;  aber  die  Zellen  werden  höher, 
cylindrisch  und  das  Epithelium  selbst  ist  deutlich  von  der  Nerven- 
substanz getrennt  und  zeigt  keine  Uebergänge  zur  grauen  Sub- 
stanz. 

Gelegentlich  der  Hüllen  des  Centralnervensystemes  kann  man 
die  für  die  höheren  Wirbelthiere  angenommenen  Unterscheidungen 
einer  dura  mater,  araclino'iäea  \\n^  pia  mater  nicht  festhalten. 

In  dem  Rückencanal  finden  wir  eine  Masse  von  Bindegewebe, 
die  bei  jungen  Individuen  aus  feinen  Fasern  und  Sternzellen  besteht. 
Aber  nach  und  nach  füllen  sich  die  Zellen  mit  Fett  und  schon  bei 
mittelgrossen  Individuen  ist  das  Gewebe  ganz  dem  in  anderen  Körper- 
theilen  angehäuften  Fettgewebe  ähnlich  geworden.  Es  besteht  dann 
aus  hellen  Blasenzellen ,  die  Fett  und  einen  körnigen  Kern  enthalten. 
Die  Sternzellen  und  Fasern  sind  reducirt;  letztere  befinden  sich  be- 
sonders in  der  Grenzschicht  des  Gewebes.  Im  mittleren  Körpertheile 
findet  mau  sogar  eine  Faserschicht,  durch  welche  ein  oberer,  mehr 
fetthaltiger  Theil  des  Gewebes  von  dem  unteren  getrennt  wird. 


424  Wirbelthiere. 

Das  in  dieser  Weise  ausgebildete  Gewebe  füllt  die  ganze  obere 
Wölbung  des  Rückencanales  in  seiner  ganzen  Länge  über  dem  Marke 
mit  einer  ansehnlichen  Masse  (h,  Fig.  170),  erstreckt  sich  aber  auch, 
obzwar  in  geringerer  Mächtigkeit,  über  die  Seiten  und  den  Boden  des- 
selben. Es  wird  nur  von  den  austretenden  Nervenwurzeln  durch- 
brochen. In  dem  Maasse,  als  man  sich  der  Rautengrube  nähert,  ver- 
mindert sich  die  obere  Masse  (Fig.  173, 174)  und  auf  der  Grube  selbst 
wird  sie  sogar  geringer  als  die  seitlichen  Anhäufungen  (Fig.  175). 
Die  seitlichen  Ausbreitungen  heften  sich  durch  feine  Fädchen  an  die 
Ränder  der  Rautengrube  und  dehnen  sich  nach  vorn  über  die  Seiten 
des  Gehirnes  aus,  indem  sie  mehr  oder  minder  vollständig  die  Zwischen- 
räume zwischen  dem  Gehirn  und  den  Seitenwänden  des  Schädels  aus- 
füllen (Fig.  176  bis  179).  Ueberall  au  den  Rändern  der  oberen  Hirn- 
öffnungen, des  Mittel-  und  Zwischenhirnes  setzen  sich  Fäserchen  an, 
die,  wie  an  der  Rautengrube,  das  Gewebe  mit  dem  Hirnepithel  in  Ver- 
bindung bringen,  und  ähnliche  Fasern  senken  sich  auch  in  die  Ein- 
kerbungen ,  welche  die  einzelnen  Hirnabschnitte  trennen.  Nur  in  der 
Umgebung  des  Hirntrichters  geht  das  Gewebe  directe  Verbindungen 
mit  der  Hirnsubstanz  ein.  Wir  haben  wenigstens  keine  scharfe  Grenze 
zwischen  der  dünnen  Gewebeschicht,  welche  den  Schädelboden  aus- 
kleidet und  den  unteren  Rändern  der  Wände  des  Trichters  sehen 
können  (B,  Fig.  178). 

Wenn  aber  dieses  Gewebe  in  der  beschriebenen  Ausbildung  sich 
auf  den  Wänden  und  dem  Boden  der  Schädelhöhle  erhält,  so  erleidet 
es  eine  bedeutende  Umbildung  unter  dem  Dache  derselben.  Bei  sorg- 
fältiger Präparation  des  Gehirnes  im  Ganzen  kann  man  das  Gewebe 
leicht  auf  den  Seiten  entfernen,  findet  sich  dann  aber  einer  oberen 
Masse  gegenüber,  welche  die  Gestalt  eines  mannigfach  gefalteten  Sackes 
mit  ziemlich  festen  Wänden  hat,  der  eine  tiefe,  mediane  Längsfalte 
und  eine  seichtere  Querfalte  an  der  Grenze  zwischen  Mittel-  und 
Zwischenhirn  zeigt.  Dieser  Sack  (b,  Fig.  172)  beginnt  etwa  im  Niveau 
des  Austrittes  des  zehnten  Nervenpaares ,  des  Vagus ,  er  wird  sehr 
mächtig  über  dem  Hiuterhirn,  nimmt  oberhalb  des  Mittelhirnes  ab  und 
erstreckt  sich ,  stets  dünner  werdend ,  bis  zur  Epiphyse.  Längs  der 
oberen  Mittelfurche  findet  man  fast  immer  schwarzes  Pigment,  das 
sich  manchmal  bedeutend  anhäuft,  in  welchem  Falle  sich  dann  auch 
Sternzellen  in  dem  Zellgewebe  der  Seiten  finden.  Auch  verlaufen 
Blutgefässe  in  dem  Gewebe,  deren  Durchschnitte  sich  zeigen  (h'^,Fig.  176, 
177). 

Die  Wände  des  Sackes  sind  wesentlich  fibröser  Natur.  Grund- 
lage ist  ein  Maschengewebe,  das  wegen  der  Dicke  seiner  Faserbündel 
sehr  fest  ist;  zwischen  den  Hauptbalken  finden  sich  feine  und  weichere 
Fasern  und  überall  auf  den  Wänden  der  Maschen  kleine  körnige 
Kerne  in  grosser   Anzahl   zerstreut.     Auf  Querschnitten   (b^,  Fig.  175 


Cyclostomen.  425 

bis  179)  sieht  man  bei  geringer  Vergrösserung  nur  die  dicken  Faser- 
balken, die  sehr  mannigfaltige  Gestaltung  zeigen,  welche  sich  besser 
durch  die  Zeichnungen,  als  durch  lange  Beschreibung  darstellen  lässt. 
In  der  Mittellinie  sieht  man  bald  mehr  oben  (Fig.  175),  bald  mehr 
unten  (Fig.  176)  den  Durchschnitt  eines  längs  verlaufenden  Blut- 
gefässes. Der  Sack  selbst  heftet  sich  vorzugsweise  in  der  Umgegend 
des  Zwischenhirnes  an  das  zellige  Hüllgewebe  an  und  hier  tritt  auch 
in  seinen  dem  Schädeldache  anliegenden  Theilen  ein  besonderes,  aus 
gelben  Körnchen  bestehendes  Gewebe  auf  (h-',  Fig.  176  bis  180). 

Peripherisches  Nervensystem,  —  Wie  bei  allen  höheren 
Wirbelthieren,  wird  dieses  System  von  zwei  Structurelementen  gebildet; 
Nervenfasern  und  Ganglienzellen.  Diese  Elemente  vereinigen  sich,  um 
Nerven  oder  Ganglien  zu  bilden;  erst  in  den  Endverzweigungen  findet 
man  vereinzelte  Fasern  oder  Ganglienzellen.  Mit  Ausnahme  dieser 
Eudbildungen  zeigen  die  Elemente  eine  weit  robustere  Structur  als  in 
den  Centralorganen ;  die  Nervenfasern  haben  meistens  Scheiden ,  die 
Zellen  feste  Hüllen.  Besonders  in  den  von  den  Hirnnerven  abhängigen 
Ganglien  findet  man  meist  bipolare  Zellen,  die  durch  ihre  Grösse,  ihre 
feste  Hülle,  ihr  helles  Protoplasma,  ihre  scharf  begrenzten  körnigen 
Kerne  und  die  Entwicklung  der  von  ihnen  ausgehenden  Nervenfasern 
wahre  Muster  für  histologische  Demonstrationen  abgeben.  In  dem 
Plexus  des  sympathischen  Systemes  findet  man  dagegen  Zellen,  die 
durch  den  Mangel  an  Hüllen  und  durch  die  scheidenlosen,  von  ihnen 
nach  allen  Richtungen  ausgehenden  Nervenfasern  an  die  Bildungs- 
eleniente  des  Centralorganes  erinnern.  Wir  können  hier  nicht  in  Einzel- 
heiten eingehen. 

Man  kann  das  cerebro-spinale  System,  dessen  Wurzeln  un- 
mittelbar von  dem  Centralorgau  ausgehen,  und  das  sympathische 
System  unterscheiden,  das  nur  mittelbar  mit  dem  Centralorgane  ver- 
bunden ist.  Dieses  letztere  System  besitzt  indessen  noch  nicht  die 
relative  Unabhängigkeit,  die  es  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  durch 
die  Ausbildung  eines  verbindenden  Längsstranges  gewinnt;  wir  be- 
handeln es  demnach  nur  als  Anhangsbildung  des  cerebro  -  sj^inalen 
Systemes  und  besonders  der  Spinalnerven.  In  der  That  hat  man  bei 
den  Cyclostomen  noch  keine  solche  Verbindungen  des  sympathischen 
Systemes  mit  den  Ilirnnerveu  beobachtet,  wie  sie  bei  den  höheren 
Wirbelthieren  ausgebildet  sind. 

Die  Spinalnerven  (Fig.  171,  172)  entstehen,  wie  bei  allen  übrigen 
Wirbelthieren,  aus  zwei  Wurzeln,  einer  dorsalen,  sensiblen  und  einer 
ventralen,  motorischen.  Erstere  zeigt  ein  kleines  Ganglion  auf.  Die 
Cyclostomen  unterscheiden  sich  von  den  übrigen  Wirbelthieren  durch 
den  Umstand,  dass  die  beiden  Wurzeln  in  jeder  Hinsicht  und  in  der 
Weise  von  einander  getrennt  sind,  dass  man  auf  keinem  Schnitte,  mag 


420  Wirbelthiere. 

er  nun  quer,  sagittal  oder  horizontal  gelegt  sein,  die  beiden  Wurzeln 
einer  Seite  zur  Anschauung  bringen  kann.  Die  dorsalen  Wurzeln 
liegen  nämlich  nicht  nur  in  einem  höheren  Niveau,  sondern  auch  weit 
vor  den  ventralen  Wurzeln  und  ausserdem  alterniren  die  Wurzeln  von 
einer  Seite  zur  anderen  in  ähnlicher,  wenn  auch  nicht  in  so  aus- 
gesprochener Weise  als  beim  Amphioxus.  „Die  motorischen  (ven- 
tralen) Wurzeln",  sagt  Götte  (s.  Lit,),  „entspringen  an  der  Unterseite 
des  Rückenmarkes,  besitzen  kein  Ganglion,  entsenden  aber  einen  Eanms 
dorsalis.  Die  sensiblen  (dorsalen)  Wurzeln  entspringen  in  der  Mitte 
zwischen  zwei  motorischen  Wurzeln  aus  der  Oberseite  des  Rücken- 
markes, durchsetzen  ausserhalb  der  Dura  matcr  ein  grosszelliges 
Ganglion  und  vereinigen  sich  mit  der  nächsthinteren,  motorischen 
Wurzel  au  der  Seite  der  Chorda."  Die  getrennten  Austrittslöcher  der 
beiden  Wurzeln  liegen  fast  in  derselben  Höhe,  weil  die  dorsalen  Fasern 
innerhalb  des  Rückencanales  sich  nach  unten  krümmen.  Wenn  auch 
die  sensiblen  und  motorischen  Fasern  hinter  dem  sensiblen  Ganglion 
ein  gemeinsames  Stammbündel  bilden,  so  vermischen  sie  sich  doch 
nicht;  die  sensiblen  Fasern  strahlen  den  Myocommen  entlang  direct  in 
die  Haut  aus ,  während  die  motorischen  Fasern  sich  in  zwei  Aeste 
theilen:  einen  ventralen  Ast,  der  dem  entsprechenden  Myocomraa  ent- 
lang auf  der  äusseren  Fläche  des  Bauchfelles  verläuft  und  einen  weit 
dünneren,  dorsalen  Ast,  der  im  Myocomma  nach  der  Rückenseite  ver- 
läuft. Beide  Aeste  geben  auf  ihrem  Verlaufe  Zweige  zu  den  Mus- 
keln ab. 

Das  sympathische  System  besteht  nach  Julin  (s.  Lit.)  aus 
kleinen,  eiförmigen  Ganglien,  deren  grosse  Axe  vertical  gerichtet  ist 
und  die  sich  aus  kleinen,  hüllenlosen  Zellen  zusammensetzen.  Nach 
oben  imd  unten  setzt  sich  das  Ganglion  in  einen  Nervenfaden  fort. 
Auf  der  ganzen  Länge  des  Bauches,  zwischen  Herz  und  After,  finden 
sich  diese  Ganglien  auf  beiden  Seiten  der  Aoi'ta  im  Winkel  zwischen 
dieser  und  den  Hauptveuen,  und  zwar  findet  sich  je  ein  Paar  von 
Ganglien  für  jeden  ventralen  und  dorsalen  Spinalnerven,  die  durch 
feine  Fäden  mit  den  Ganglien  verbunden  sind.  Julin  bezeichnet 
diese  Ganglien  als  oberflächliche  und  beschreibt  ausserdc^m  noch  tiefe 
Ganglien  am  Herzen,  der  Leber,  dem  Darme,  hinsichtlich  deren  wir 
auf  seine  Arbeit  verweisen. 

Die  Hirnnerven  (Fig.  171,  172)  lassen  nach  der  xVnordnung 
ihrer  Wurzeln  und  ihrer  Anastomosen  mehrere  Gruppen  unterscheiden, 
die  übrigens  unter  einander  in  mehr  oder  minder  enger  Beziehung 
stehen.  Abgesehen  von  den  beiden,  nur  ihren  speciellen  Sinnesorganen, 
dem  Auge  und  der  Nase  zugehörigen  Nerven,  dem  Seh-  und  Riech- 
nerven ,  lassen  sich  von  hinten  nach  vorn  je  nach  ihrer  Lage  drei 
Gruppen  unterscheiden.  Zuerst  die  Hin terohrgr uppe,  die  am  hin- 
teren Winkel  der  Ohrenkapsel  liegt  und  aus  drei  Nervenpaaren  besteht: 


Cyclostomen.  427 

dem  Hypoglossus  (XII),  dem  Vagus  oder  Pneumogastricus  (X)  und 
dem  Glossopharyngeus  (IX).  Der  bei  den  höheren  Wirbelthieren  von 
den  Reptilien  an  getrennt  vorhandene  Accessorius  (XI)  ist  bei  den 
Cyclostomen,  Fischen  und  Amphibien  nicht  differenzirt.  Man  kann 
ferner  eine  aus  dem  Acusticus  (VIII)  und  Facialis  (VII)  gebildete 
Ohrgruppe  und  endlich  eine  Vorohrgruppe  unterscheiden,  welche 
vom  Trigeminus  (V)  und  den  drei  Augenmuskelnerven,  dem  Ab- 
ducens  (VI),  Trochlearis  (IV)  und  Oculomotorius  (III)  zusammen- 
gesetzt wird. 

Diese  Gruppirung  ist  rein  anatomisch.  In  die  endlosen  Dis- 
cussionen  über  die  physiologischen  Eigenschaften  der  verschiedenen 
Nervenwurzeln ,  ob  sensitiv  oder  motorisch ,  über  die  Aehnlichkeit  mit 
Spinalnerven ,  sowie  über  die  Verhältnisse  der  Nerven  zu  den  mehr 
oder  minder  theoretisch  angenommenen  Metameren  des  Kopfes  und  des 
Schädels  gehen  wir  hier  nicht  ein  und  verweisen  auf  die  bezüglichen 
Arbeiten  von  van  Wijhe,  Dohrn,  Julin,  Born,  Beard,  Froriep, 
Wiedersheim  und  Anderen.  Keine  der  auf  die  betreffenden  Gegen- 
stände bezüglichen  Fragen  ist  definitiv  erledigt  und  man  kann  wohl 
sagen:  Qiood  capita,  tot  sensus. 

Hinter -Ohrgruppe.  —  Fasst  man  nur  die  Wurzeln  in  das 
Auge,  wie  sie  aus  dem  Hirn  austreten ,  so  gehört  diese  ganze  Gruppe 
nur  dem  Nachhirn  au  (Fig.  171). 

Der  Hypoglossus  (XII)  hat  zwei  Wurzeln,  deren  eine  weit 
nach  hinten  gegen  den  ersten  Spinalnerven  gerichtet  ist ,  während  die 
zweite  weiter  nach  vorn,  aber  wie  die  hintere  von  einem  sehr  tiefen 
Niveau  auf  der  Ventralseite  des  Hirnes  entspringt,  wie  die  motorischen 
Wurzeln  des  Rückenmarkes.  Jede  Wurzel  spaltet  sich  in  zwei  Aeste, 
die  sich  bald  vereinigen  und  feine  Verbindun^szweige  vom  Vagus 
empfangen  oder  demselben  geben.  Nach  Abgabe  dieser  Zweige  ver- 
läuft der  Stamm  des  Hypoglossus  gegen  den  ersten  Kiemensack,  giebt 
Zweige  an  dessen  Muskeln  und  namentlich  an  den  Schliessmuskel  des 
Kiemensackes  und  verästelt  sich  schliesslich  in  den  Muskeln  des  dar- 
unter liegenden  Zungenstieles. 

Vor  dem  Hypoglossus  treten  drei  Bündel  von  Wurzelfasern  aus, 
die  sich  in  der  Hirnsubstanz  bis  zu  den  hinteren  Rändern  der  Rauten- 
grube verfolgen  lassen.  Das  hinterste  dieser  Wurzelbündel  wird  von 
Julin  für  die  Wurzel  des  Vagus  angesprochen;  von  den  beiden 
anderen  Bändeln,  welche  als  Wurzeln  des  Glossopharyngeus  gelten, 
tritt  das  hintere  auf  demselben  ventralen  Niveau  aus ,  während  das 
vordere  mehr  auf  der  Rückenseite  nach  vorn  entstellt  und  schief 
nach  unten  und  hinten  zur  Begegnung  der  anderen  Wurzel  läuft. 
Alle  diese  Wurzeln  breiten  sich,  wie  diejenige  des  Hypoglossus, 
pinselförmig    in    der    Hirnsubstanz     aus,     so     dass    sie    in    dieser    so- 


428  Wirbelthiere. 

sowohl,    wie    nach    ihrem    Austritte    meist    schwer    von    einander   zu 
trennen  sind. 

Wie  dem  auch  sei,  so  bilden  diese  drei  Wurzeln  unmittelbar  nach 
ihrem  Austritte  eine  Gruppe  von  drei  Ganglien,  die  durch  Verbindungs- 
zweige mit  einander  communiciren  und  ausserdem  noch  Zweige  vom 
Hypoglossus  und  Facialis  erhalten.  Man  findet  die  Gangliengruppe 
auf  allen  Schnitten,  welche  den  Winkel  zwischen  dem  Hinterende  der 
Ohrkapsel  und  der  Schädelbasis  treffen;  die  Ganglien  selbst  bestehen 
aus  grossen,  uni-  oder  bij)olaren ,  scharf  begrenzten  Zellen  mit  dicken 
Kernen,  deren  Fortsetzungen  in  Nervenfasern  sich  leicht  veranschau- 
lichen lassen. 

Die  Wurzel  des  Vagus  oder  Pneumogastricus  (X,  Fig.  171, 
172)  entsendet  nach  Julin,  dessen  Resultate  wir  bestätigen  können, 
unmittelbar  nach  ihrem  Austritte  aus  dem  Schädel  einen  Verbindungs- 
zweig zu  dem  unter  ihr  liegenden  Ganglion  des  Glossopharyngeus  und 
nach  Abgang  dieses  Zweigleins  schickt  sie  einen  starken  Ast  zu  dem 
zweiten  Ganglion,  dem  Seitenganglion  oder  Vagusganglion 
(XGv).  Der  Stamm  erhält  dann  einen  Verbindungszweig  vom  rück- 
laufenden Nerven  des  Facialis  und  bildet  hierauf  bei  seinem  Verlaufe 
nach  hinten  ein  drittes  kleines  Ganglion,  das  wir  wegen  seiner  ge- 
ringen Grösse  und  verborgenen  Lage  auf  unserer  Figur  nicht  dar- 
stellen konnten.  Julin  nennt  es  das  vordere  Ganglion  des 
Pneumogastricus. 

Das  Seite nganglion  (XGv)  scheint  ziemlich  unabhängig.  Es 
liegt  auf  der  Rückenseite,  ist  spindelförmig,  der  Axe  des  Körpers  ent- 
sprechend ausgezogen  und  besteht  aus  nur  wenigen  grossen  Zellen. 
Es  nimmt  die  angeführten  Verbindungszweige  des  Facialis  und  Vagus 
auf  und  entsendet  den  Seitennerven  (XI),  der  unmittelbar  nach 
seinem  Austritte  noch  feine  Zweige  vom  Hypoglossus  erhält.  Der 
Seitennerv  ist  ein  dicker,  tief  in  den  Muskeln  verlaufender  Nerv, 
welcher  der  Aussenwand  des  Rückencanales  anliegt  und  sich  bis  zum 
Schwanzende  verfolgen  lässt.  Er  zeigt  besondere  Eigenthümlichkeiten. 
Auf  seinem  ganzen  Verlaufe  bis  zum  Schwanzende  erhält  er  feine 
Verbindungsfäden  von  den  dorsalen  Zweigen  aller  Spinalnerven,  sowohl 
der  ventralen  wie  der  dorsalen,  und  stellt  so  einen  Längsverbindungs- 
strang zwischen  diesen  Nerven  und  den  drei  Gruppen  der  Hirnnerven 
her.  Obgleich  der  Nerv  von  vorn  nach  hinten  an  Dicke  zusehends 
abnimmt,  lassen  sich  doch  keine  Zweige  desselben  mit  Evidenz  nach- 
weisen; wenn  er,  wie  wahrscheinlich,  Zweige  an  die  Haut  abgiebt,  so 
bestehen  diese  wohl  nur  aus  einzelnen  Nervenfasern.  Der  Nerv  ent- 
spricht ohne  Zweifel  dem  Seitennerven  der  Fische,  ist  aber  nicht  so 
innig  mit  dem  Vagus  verbunden  wie  bei  diesen ,  wo  er  nur  einen  Ast 
des  Vagus  ohne  besonderes  Ganprlion  darstellt. 


Cyclostomen.  420 

Der  eigentliche  Vagus  oder  Pneuraogastricus  (X,  Fig.  171) 
unterscheidet  sich  von  den  übrigen  Nerven  der  Hinterohrgruppe  durch 
Ganglienzellen,  die  zwischen  seinen  Fasern  eingestreut  und  namentlich, 
wie  Julin  mit  Recht  hervorhebt,  an  den  Punkten  angehäuft  sind,  wo 
die  verschiedenen  Kiemenäste  von  dem  Nerven  abgehen.  Da  es  fünf 
solcher  Kiemennerven  giebt,  so  finden  sich  auch  fünf  solcher  kleiner 
Kiemenganglien,  von  welchen  das  erste  das  eben  erwähnte  voi*- 
dere  Ganglion  des  Pneuniogastricus  ist.  Ausserdem  finden  sich  aber 
noch  im  Verlaufe  des  Nerven  hinter  dem  Kiemenkorbe  winzige  Gan- 
glien. Nach  seinem  Austritte  aus  dem  Ganglienhaufen  hinter  dem 
Ohr  verläuft  der  Nerv  nach  hinten  auf  dem  Kiemeukorbe,  wo  er  sich 
auswärts  von  der  Jugularveue  zwischen  den  dorsalen  Massen  des 
Seitenmuskels  und  der  Rückenfläche  der  eigentlichen  Kiemenrauskeln 
findet.  Ausser  dem  erwähnten  Zweiglein  vom  Hypoglossus  erhält  er 
noch  während  dieses  Verlaufes  auf  dem  Kiemenkorbe  und  im  Niveau 
der  erwähnten  Kiemenganglien  Verbindungszweige  von  den  elf  ersten 
ventralen  Spinalnerven,  während  er  zugleich  an  jeden  der  fünf  letzten 
Kiemeusäcke  einen  Zweig  abgiebt.  Jeder  dieser  Kie  nie  n  n  er  ve  n 
theilt  sich  in  zwei  Aeste,  einen  inneren  und  einen  äusseren,  welche 
sich  ihrerseits  wieder  gabeln ,  das  Kiemenloch  umgeben  und  in  den 
Muskeln  sich  verzweigen.  Der  Vagus  versorgt  demnach  durch  diese 
Kiemennerven  nur  die  fünf  letzten  Kiemensäcke,  während  die  beiden 
vorderen  von  dem  Facialis  und  Glossopharyngeus  versorgt  werden. 
Nach  Abgabe  der  Kiemeunerven  dringt  der  sehr  verdünnte  Vagus  in 
die  Bauchhöhle  ein  und  bildet  auf  dem  Herzen  imd  dem  Darme  cora- 
plicirte  Netze  mit  Ganglienzellen,  für  deren  nähere  Beschreibung  wir 
auf  Langerhans   (s.  Lit.)  verweisen. 

Die  beiden  Wurzeln  des  Glossopharyngeus  bilden,  wie  wir 
gesehen  haben,  das  Ganglion  gleichen  Namens  {IXGf/J,  Fig.  171), 
das  grösste  der  Hinterohrgruppe ,  das  auf  allen  Schnitten  durch  seine 
Grösse  und  scharf  begrenzten  Zellen  sich  bemerklich  macht.  Bei 
seinem  Austritt  aus  dem  Ganglion  theilt  sich  der  Nerv  in  zwei  Aeste, 
einen  sehr  dünnen  voi'dereu,  der  die  jMuskeln  des  Velum  und  der  Um- 
gebung besorgt  {Bamus  pharyngeus)^  und  einen  bedeutenderen  hin- 
teren (jR.  lyranchkdis) ,  der,  nach  hinten  laufend,  an  den  zweiten 
Kiemensack  und  die  hintere  Lamelle  des  ersten  Kiemensackes  sich 
verzweigt. 

Ohrgruppe.  —  Sie  besteht,  wie  schon  bemerkt,  nur  aus  zwei 
Nerven,  dem  Hörnerven  (N.  acusticiis  VIII)  und  dem  N.  facialis  {VII) , 
die  beide  an  ihrem  Ursprünge  so  eng  verbunden  sind,  dass  man  kaum 
ihre  Wurzeln  unterscheiden  kann.  Diese  nehmen  die  Wände  des  vierten 
Ventrikels  ein  und  bilden  bei  ihrem  Austritte  aus  dem  Gehirn  zwei  eng 
verbundene  Ganglien,  deren  jedes  am  Grunde  eine  Zelle  trägt,  die  ein 
weit  grösseres  Volumen  besitzt  als  die  übrigen  Zellen  (Fig.  175). 


430  Wirbelthiere. 

Der  Hör  nerv  (VIII)  entsteht  mit  zwei  wenig  gescliiedenen 
Bündeln  in  dem  Mitteltheile  der  Wand  des  vierten  Ventrikels.  Er  be- 
steht aus  zwei  Arten  von  Nervenfasern ,  sehr  feinen  Fibrillen ,  welche 
die  obere  und  vordere  Gegend  der  Wand  einnehmen,  und  breiteren 
Fasern,  die  aus  Riesenzellen  entstehen,  welche  in  dem  Grunde  der 
Rautengrube  gelagert  sind.  Die  fächerförmig  ausgebreiteten  Fasern 
vereinigen  sich,  um  durch  die  innere  Lücke  der  Ohrkapsel  in  diese 
selbst  einzutreten ,  und  bilden  im  Grunde  dieser  Kapsel ,  aber  ausser- 
halb des  häutigen  Labyrinthes,  das  Ganglion  acusiicnm  (VIIIGac, 
Fig.  171,  175),  das  aus  spindelförmigen  Zellen  besteht,  von  welchen 
die  Nervenbündel  ausstrahlen ,  die  sich  zu  den  vei'schiedenen  Theilen 
des  Labyrinthes  begeben  (Rohon,  s.  Lit.)  und  von  denen  wir  bei 
Gelegenheit  des  Gehörganges  sprechen  werden. 

Die  Wurzelfasern  des  Facialis  (VII)  nehmen  die  Lippe  der 
Rautengrube  über  und  vor  denjenigen  des  Hörnerven  ein  und  bilden 
wie  diese  ein  Ganglion  {VII G,  Fig.  175),  das  in  der  inneren  Lücke 
der  Hörkapsel  liegt.  Der  Nerv  tritt  durch  ein  im  vorderen  und  inneren 
Winkel  der  Kapsel  befindliches  Loch  aus  und  bildet  ein  Ganglion 
(VII Ga,  Fig.  171),  das  der  Vorderwand  der  Kapsel  anliegt.  Beim 
Austritte  aus  diesem  Ganglion  verläuft  der  Nerv  in  fast  querer  Rich- 
tung nach  aussen  und  theilt  sich  vor  der  Hörkapsel  in  zwei  Aeste, 
den  eigentlichen  Facialis  und  den  rücklaufenden  Ast.  Dieser  letz- 
tere (Vlle,  Fig.  171)  läiift  nach  hinten  um  die  Aussenfläche  der  Hör- 
kapsel hei'um  und  theilt  sich  im  Niveau  des  Seitengauglions  in  zwei 
Aeste ,  deren  Gabelung  das  genannte  Ganglion  umfasst.  Der  über 
dem  Ganglion  herlaufende  Zweig  verbindet  sich  mit  dem  Seitennerven, 
der  unter  dem  Ganglion  verlaufende  mit  dem  Vagus  (Julin).  So 
wird  eine  Doppelverbindung  des  Facialis  mit  den  beiden  Hauptästen 
des  Vagus  hergestellt. 

Etwas  vor  der  Gabelung  entsendet  der  Stamm  des  Facialis  einen 
Zweig,  der  zwischen  der  dorsalen  und  ventralen  Abtheilung  des  Seiten- 
muskels gegen  die  Haut  läuft,  an  welcher  er,  nach  Fürbringer, 
zwischen  dem  Auge  und  dem  ersten  Kiemenloche  feine  Aestchen  ab- 
giebt  und  dann,  nach  Julin,  den  ersten  Kie.m  en  nerven  bildet 
(Vllh,  Fig.  171).  Er  liegt  hier  der  Lmenfläche  der  oberflächlichen 
Jugulai'vene  an,  gelangt  so  an  das  erste  Kiemenloch  und  theilt  sich  hier 
in  zwei  Endäste,  die  in  derselben  Weise  wie  die  übrigen  Kiemen- 
nerven vom  Vagus,  die  beiden  Lamellen  des  Kiemensackes  ver- 
sorgen. 

Nach  Abgabe  des  Kiemenastes  kreuzt  der  eigentliche  Facialis  am 
Rande  der  Orbita  den  äusseren  Ast  des  Trigeminus  und  zeigt  hier 
eine  spindelförmige,  abgeplattete  und  wenig  auffallende  Verdickung, 
die  durch  die  Gegenwart  von  Zellen  sich  als  Ganglion  charakterisirt. 
Nach  seinem  Abgange  von  der  Auerenhöhle  verzweigt  er   sich  in   dem 


Cyclostomen.  431 

Tegiimeiite  und  sein  vorderster  Eudast  verbindet  sich  mit  einem  Zweige 
des  Ophtlialmlciis  vom  Trigeminus. 

Vor- Ohrgruppe.  —  Der  Trigeminus  einerseits  und  die  drei 
Augenmuskeluerven  anderseits  bilden  zwei  Untergruppen. 

Der  Trigeminus  (F)  entsteht  im  vorderen  Theile  des  Hinter- 
hirnes ,  hart  an  der  Grenze  des  Mittelhirnes  aus  drei  Wurzeln ,  die  so 
über  einander  liegen ,  dass  ein  in  diese  Gegend  gelegter  Querschnitt 
(Fig.  176)  die  drei  Wurzeln  (f)  vollständig  zur  Anschauung  bringt. 
Die  obere  Wurzel  verläuft  nach  Durchsetzting  des  Schädels  schief  nach 
vorn  und  oben  und  bildet  ein  grosses,  spindelförmiges  Ganglion  (F6rOp, 
Fig.  171),  das  an  dem  hinteren  Winkel  der  Orbita  anliegt  und  den 
Nervus  oplitlialmicus  {Vo,  Fig.  171)  entsendet.  Ausser  diesem 
dicken  Nerven  giebt  das  Ganglion  noch  einen  feinen  Verbindungs- 
zweig zum  Ganglion  der  zweiten  Wurzel.  Der  Ophthalmicus  läuft 
nach  vorn  in  dem  engen  Zwischenräume  zwischen  Auge  und  Hiru- 
schädel  zu  dem  Seitenrande  des  Ethmoidknorpels  und  nachdem  er 
hier  einige  feine  Aeste  an  den  Nasensack  gegeben  hat,  gelangt  er  auf 
seinem  horizontalen  Verlaufe  zum  äusseren  Rande  des  Mundtrichters, 
wo  er  sich  in  den  Tegumenten  und  den  Fühlwärzchen  des  Randes  ver- 
zweigt. Einer  dieser  Endzweige  verbindet  sich,  wie  schon  gesagt,  mit 
einem  Zweige  der  Facialis. 

Die  zweite  Wurzel  bildet  ebenfalls  nach  ihrem  Austritt  aus  dem 
Schädel  ein  Ganglion,  das  man  den  Gasser'schen  Knoten  nennen 
kann  {V G,  Fig.  171).  Aber  au  der  Bildung  dieses  Ganglions  nimmt 
auch  die  dritte ,  ventrale  Wurzel  Theil ,  die  wahrscheinlich  motorisch 
ist.  Das  Ganglion  Gasseri  wäre  demnach  gemischter  Art,  während 
das  Ganglion  des  Ophthalmicus  rein  sensibel  wäre.  Der  Gasser'sche 
Knoten  entsendet  einen  bedeutenden  Nerven,  den  Maxillar nerven, 
der  sich  sofort  in  zwei  Aeste,  einen  inneren  und  äusseren,  theilt.  Der 
äussere  M axillarnerv  verzweigt  sich  in  den  unteren  Theilen  und 
Barteln  des  Saugmundes  in  derselben  Weise,  wie  der  Ophthalmicus  in 
den  oberen:  er  sendet  ausserdem  feine  Zweige  zum  Gaumen  und  den 
Muskeln.  Der  innere  Maxillarnerv  ist  wesentlich  motorisch;  er 
versorgt  die  Muskeln  des  Schlundkopfes,  des  Zungenstieles,  den  Ring- 
rauskel  und  Halbringmuskel,  aber  auch  die  Muskelschleimhaut.  Hin- 
sichtlich der  Details  s.  Fürbringer. 

Die  in  ihrer  seltsamen  Vertheilung  so  constanten  drei  Augen- 
muskelnerven sind  auch  in  ihrem  Ursprung  unterschieden..  Die  feinen 
Wurzelfasern  des  Abducens  {VII)  vermischen  sich  fast  mit  denen 
der  ventralen  Trigeminuswurzel.  Der  Nerv  tritt  mit  den  übrigen 
Augennerven  in  die  innere  Lücke  der  Orbita  und  theilt  sich  in  zwei 
Aeste,  einen  kurzen,  oberen  für  den  hinteren,  geraden  Augenmuskel 
und  einen  längeren,   unteren,  der  den  unteren,   geraden  Augenmuskel 


432  Wirbelthiere. 

besorgt,  welcher  bei  allen  übrigen  Wirbeltbieren  von  dem  Ociilomoto- 
rius  innervirt  wird. 

Der  Nervus  trochlearis  oder  patheticus  {IV)  entspringt  als 
ein  sebr  dünner  Nerv  an  dem  oberen  Rande  des  Kleinhirnes  und  ver- 
zweigt sich  in  dem  oberen  (hinteren)  schiefen  Augenmuskel  sofort  nach 
seinem  Eintritt  in  die  Orbita. 

Der  Nervus  oculomotorius  (III)  entspringt  von  dem  unter  das 
Mittelhirn  vorgeschobenen  Stamm  des  Hinterhirnes.  Seine  Wurzel- 
fasern bilden  hier  in  der  Hirnsubstanz  selbst  ein  queres  Chiasma.  Nach 
seinem  Eintritte  in  die  Orbita  theilt  sich  der  ziemlich  ansehnliche  Nerv 
in  zwei  Aeste ,  einen  vorderen ,  von  dem  ein  Bündel  sich  in  dem  vor- 
deren, schiefen  Augenmuskel  verzweigt,  während  ein  anderes  Bündel 
diesen  Muskel  durchsetzt  und  sich  zum  vorderen ,  geraden  Augen- 
muskel begiebt.  Der  weit  kürzere,  hintere  Ast  geht  direct  zum  oberen, 
geraden  Augenmuskel. 

Die  Sehnerven  (11)  gehören  der  Basis  des  Zwischenhirnes  an, 
wo  man  auf  Querschnitten  (Fig.  180)  ein  starkes,  in  die  Hirnsubstanz 
selbst  eingeschlossenes  Faserbündel  bemerkt,  das  eine  ansehnliche 
Quercommissur  bildet.  Dies  ist  das  Chiasma  nervorum  opticorum; 
die  Wurzelfasern  des  Bündels  entstehen  aus  Zellenhaufen ,  die  an  den 
Rändern  der  Centralspalte  liegen.  Wir  gestehen ,  dass  wir  in  diesem 
Chiasma  keinen  vollständigen  Austausch  der  Fasern  sehen  konnten; 
eine  gewisse  Anzahl  von  Fasern  geht  sicher  von  rechts  nach  links  und 
umgekehrt  und  bilden  so  ein  Quei'bündel,  dessen -Zusammenhang  mit 
den  Ganglienzellen  in  der  Hirnmasse  wir  nicht  deutlich  zur  Anschauung 
bringen  konnten.  Jederseits  vereinigen  sich  die  Fasern  zu  einem 
mächtigen  Stamme ,  der  durch  die  seitliche  Schädellücke  in  die  Orbita 
tritt  und  sich  in  der  Retina  ausbreitet.  Der  Nerv  ist  hohl  und  ent- 
liält  einen  centralen  Cylinder  von  dichter  Bindesubstanz  mit  zahl- 
reichen, kleinen  Kernen.  Beim  Eintritt  in  die  Retina  verdickt  sich 
dei"  centrale  Cylinder  und  täuscht  so  ein  Ganglion  vor,  auf  welchem 
die  Nervenfasern  sich  kreuzen,  wie  wenn  man  eine  Spindel  in  einem 
Haufen  von  erstarrenden  Fäden  um  ihre  Axe  gedreht  hätte.  In  diesem 
scheinbaren  Ganglion  finden  sich  keine  Nervenzellen;  die  Nervenfasern 
strahlen  unmittelbar  von  ihm  in  die  Retina  aus. 

Die  Riechnerven  (J)  bilden  die  unmittelbare  Fortsetzung  des 
Riechlappens  nach  vorn.  In  ihrem  Inneren  sieht  man  Knoten 
(Fig.  180),  aus  einer  festen,  feinmaschigen  Substanz  gebildet,  die 
schwärzliche  Körnchen  enthält.  Aus  diesen,  von  einem  hellen,  Ganglien- 
zellen enthaltenden  Hofe  umgebenen  Knötchen  gehen  die  Riechfasern 
hervor,  die  sich  unmittelbar  zum  Nasensacke  begeben. 

Sinnesorgane.  —  Da  wir  von  den  Tastzellen  schon  bei  Ge" 
legenheit  der  Haut  gehandelt  haben,  bleiben  nur  die  drei  Sinnesorgane 


Cyclostomen.  433 

des  Kopfes  übrig.  Es  wurde  schon  bemerkt,  dass  besondere  Geschmacks- 
organe nicht  vorhanden  sind,  da  die  in  dem  Ej^ithelium  der  Mund- 
höhle zerstreuten  Sinneszellen ,  die  wohl  die  Geschmacksempfindung 
vermitteln,  von  denjenigen  der  Epidermis  sich  in  keiner  Weise  unter- 
scheiden. 

Riechorgan.  —  Wie  schon  gelegentlich  der  allgemeinen  zoolo- 
gischen Charaktere  der  Cyclostomen  bemerkt  wurde,  ist  dieses  in  der 
Mittellinie  gelegene  Organ  stets  einfach.  Bei  den  Neunaugen  findet 
sich  die  äussere  Nasenöffnung  in  ziemlicher  Entfernung  von  dem 
Lippenrande  in  Gestalt  eines  Knopfloches  mit  aufgewulsteten  Rändern, 
die  auf  diese  Weise  ein  sehr  kurzes  Eingangsrohr  bilden. 

Wir  unterscheiden  am  Riechorgane  vier  Theile:  das  Eingangs- 
rohr, den  einzig  der  Geruchsempfindung  dienenden  Xasensack,  den 
Nasengaumengang  und  die  Xebendrüse. 

Als  Ganzes  betrachtet,  stellt  das  Riechorgau  eine  Röhre  dar,  welche 
schief  nach  unten  und  hinten  in  den  Kopf  eindringt  (Eingangsrohr), 
dann  sich  horizontal  nach  hinten  erstreckt  (Xasengaumengang)  und 
auf  der  hinteren  Fläche  einen  grossen,  von  einem  besonderen  Knorpel 
eingehüllten  Beutel  trägt,  welcher  den  Xasensack  und  die  Xebendrüse 
enthält.  Auf  medianen  Sagittalschnitten  (Fig.  185)  sieht  man  diese 
Anordnung  sehr  deutlich.  Wir  gehen  auf  die  Organisation  der  ein- 
zelnen Theile  ein. 

Das  Eingangsrohr  (c,  Fig.  184)  wird  von  einer  Einstülpung 
des  Tegumentes  gebildet.  Man  kann  auf  Sagittalschnitten  sehr  wohl 
die  einzelnen  Schichten  der  Epidermis  (a)  und  der  Lederhaut  (h)  ver- 
folgen, wie  sie  sich  nach  innen  einschlagen,  um  die  Wände  des  Rohres 
zu  bilden,  in  dessen  Umgebung  die  Hypodermis  (c)  sehr  dichtfaserig 
wird  und  zahlreiche  Pigmentzellen  zeigt.  Im  Inneren  der  Röhre  findet 
sich  an  der  Stelle,  wo  sie  in  den  Xasensack  mündet,  ein  bemerkens- 
werther  Klappenapparat  (a,  Fig.  183  A  und  J5).  Er  wird  durch 
eine  Falte  der  Innenwand  gebildet,  der  auf  der  hinteren,  dorsalen 
Fläche  der  Röhre  beginnt,  mehr  und  mehr  sich  erhebend  auf  die  ven- 
trale Fläche  sich  fortsetzt  und  so  eine  halbmondförmige  Taschenklappe 
darstellt,  welche  ihrer  Stellung  nach  den  Einfluss  des  Wassers  in 
den  Xasengaumengang  verhindert,  während  sie  den  von  innen  kom- 
menden Strömungen  den  Durchzug  gestattet.  Der  Apparat  ähnelt 
den  Taschenklappen ,  welche  sich  an  der  Wurzel  der  grossen  Gefässe 
befinden;  seine  Wirkung  scheint  durchaus  passiv  zu  sein,  denn  er  ist 
nur  von  einer  Hautfalte  gebildet,  in  welcher  wir  keine  Muskelfasern 
nachweisen  konnten. 

In  der  Höhe  dieser  Klappe  führt  eine  Oeffnung  in  den  umfang- 
reichen Xasensack,  der  in  eine  dünne  Knorpelkapsel  (f?,  Fig.  183) 
eingeschlossen   ist,  welche  vorzugsweise  die  obere  Fläche  deckt,   vorn 

Vogt  u.  Yuug,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  oft 


434 


Wirbelthiere. 


und  unten  aber  eine  durch  Bindegewebe  (e)  geschlossene  Lücke  und 
hinten  zwei  brillenförmige  Oeffnuugen  zeigt,  durch  welche  die  Riech- 
nerven eintreten  (/,  Fig.  184). 

Der  Raum  zwischen  der  sehr  dicken  und  stark  gefalteten  Schleim- 
haut des  Sackes  und  der  Knorpelkapsel  ist  von  Bindegewebe  er- 
füllt, das  meist  von  Pigment  gänzlich  geschwärzt  ist.  Diese  Pigment- 
zellen dringen  auch  in  die  Innenräume  der  Falten  ein,  deren  Bildung 
sie  dann  gänzlich  verdecken.  Nur  selten  findet  man  Individuen,  wie 
dasjenige,  von  welchem  der  in  Fig.  184  dargestellte  Sagittalschnitt 
entnommen  ist  und  bei  welchem  das  Pigment  sich  auf  eine  einfache, 
die  Kapsel  auskleidende  Schicht  beschränkt. 


Petrom.  ßitv.  —  Eine  von  vorn  nach  hinten  gelegte  Reihe  von  sechs  senkrechten 
Querschnitten  durch  das  Riechorgan.  Verick,  Oc.  1,  Obj.  0.  Camera  lucida. 
a,  Klappenapparat  der  Nasenröhre;  h^,  Centralhöhle  des  Sackes;  c,  röhrenförmig  ge- 
schlossene Schleimhautfalten  ;  c*,  letzte  Endigungen  der  Röhren ;  d,  Ethmoidknorpel ; 
e,  freie  Schleinihautfalten ;  f,  Bucht  der  Centralhöhle ,  die  in  f^  sich  zum  Nasen- 
gaumengange  schliesst ;  g,  obere  Mittelfalte,  die  in  g^  zur  senkrechten  Scheidewand 
wird ;  A,  Centi-alplatte ;  /',  Mittelfeld  derselben  ;  k,  Seiteufelder. 


Querschnitte  zeigen  ,  dass  die  Falten  der  Schleimhaut  radiär  und 
der  Längsaxe  des  Körpers  nach  geordnet  sind.  Aber  nur  in  der  Mitte 
des  Sackes  (C,  Fig.  183)  zeigen  sie  freie  Innenränder,  die  eine  weite 
Centralhöhle  (Jb^)  zwischen  sich  lassen.  Au  beiden  Enden,  nach  vorn 
wie  nach  hinten,  verwachsen  ihre  lunenränder  in  der  Weise,  dass  die 


Cyclostomen. 


435 


Zwischenräume,  welche  rlie  Falten  trennen,  zu  kurzen  Röhren  um- 
gewandelt werden,  welche  auf  Querschnitten  f-B,  E,  Fig.  183)  wie 
Knopflöcher  aussehen.  Die  Röhren  an  der  Hinterfläche  haben  runde 
Form  und  zeigen  am  Boden  kleine  Vertiefungen  (c\  F). 

Unter  diesen  Falten  zeigt  eine  obere  Medianfalte  (^r,  Fig.  183  C,IJ) 
ein  besonderes  Verhalten.  Sie  verlängert  sich  allmählich  nach  unten 
und  bildet  schliesslich ,  durch  Anwachsen  an  den  Boden  des  vSackes, 
eine  Längsscheidewand,  welche  den  Sack  in  zwei  symmetrische  Hälften 
theilt.  Indem  die  freien  Ränder  der  übrigen  Falten  unter  einander 
und  mit  dieser  Scheidewand  verwachsen,  bildet  sich  ein  Mittelfeld  (E), 
das  anfangs   noch    von    den  Endröhren   der   Falten    umgeben   ist,   aber 

Yicr.   184. 


Peirom.  ßnv.  —  Theil  eines  seitlichen  Sagittalschnittes  des  Kopfes,  um  den  Eintritt 
des  Pdechnerven  zu  zeigen.  Zeiss,  Oc.  1,  Obj.  C.  Camera  liicida.  a,  E))idermis; 
b,  Lederhaut;  lA,  innere  Faserbalken  der  Schnauze;  c,  Hvpodermis ;  c^,  vom  Schnitt 
gestreifter  Eingang  des  Nasenrohres;  d,  Nasenknorpel ;  e,  gemeinsame  Faserhülle  des 
Sackes  und  der  Nebendrüse ;  /,  Höhle  des  Nasensackes ;  g,  Schleirahautfalten ,  oflen 
oder  geschlossen;  Ä,  oberer  Nerveuzug ;  i,  unterer  Nervenzug ;  t,  Chiasma:  ?,  Austritt 
des  Riechnerven  aus  dem  Gehirn ;  m,  häutiger  Schädel ;  n,  innere  Hirnhülle  ;  o,  Sub- 
stanz des  Riechlappens;  p,  Riechganglien  dieses  Hirntheiles;  q,  Seitensinus  des  Prosen- 
cephalou,  durch  den  Schnitt  geöffnet;   r,  Röhren  der  Nebendrüse ;  s,  Eigenhülle  derselben. 


bald  durch  deren  Verwachsung  die  Hinterwand  des  Sackes  bildet  (F). 
dessen  Mittelfeld  stark  pigmentirt  ist. 

Der  senkrechten  Mittelfalte  gegenüber  zeigt  sich  anfangs  am 
Boden  des  Sackes  eine  Rinne  (/,  B,  e),  von  zwei  niederen  Seiten- 
falten begrenzt.      Durch  Verwachsung  der  Mittelfalte  mit  den  Rändern 

28* 


436  Wirbelthiere. 

der  Rinne  wird  dieselbe  zu  einem  Canal  (/^)  umgewandelt,  welcher 
den  Anfang  des  Nasengaumenganges  bildet. 

Auf  Sagittalschnitten  von  pigraentarmen  Exemplaren  kann  man 
den  Veidaaf  der  Riechnerven  verfolgen.  Beim  Austritte  aus  dem  Ge- 
hirn bilden  die  Fasern  eine  Art  Chiasma  (7,  Fig.  184  a.  v.  S.) ,  in 
welchem  die  Fasern  zickzackförmig  geknickt  sind,  und  theilen  sich 
dann  in  zwei  Aeste,  von  welchen  der  eine  (7c)  der  dorsalen  Wölbung 
des  Sackes  folgt,  während  der  andere  (?)  auf  der  Bauchseite  des 
Sackes  verläuft.  Beide  Nervenstämme  strahlen  in  das  Zwischengewebe 
der  Falten  aus,  wo  man  ihre  Verzweigungen  bis  zum  Ende  verfolgen 
kann. 

Die  Nebendrüse  (r,  Fig.  184)  liegt  unter  dem  hinteren  Theile 
des  Nasensackes,  unter  dessen  Falten  und  der  Eintrittsstelle  der  Riech- 
nerven. Sie  hat  etwa  die  Gestalt  eines  Hanteis  und  zeigt  zwei  fast 
kugelförmige  Seitenmassen ,  die  durch  einen  kurzen  Quertheil  ver- 
bunden sind.  Sie  hat  eine  faserige  Eigenhülle  (s,  Fig.  184),  wodurch 
sie  scharf  von  dem  Sacke  abgegrenzt  wird,  und  besteht  aus  Bündeln 
kurzer,  gewundener  Röhren  mit  engem  Lumen,  deren  Wände  mit 
einem  Cylinderepithelium  ausgekleidet  sind,  so  dass  sie  Ausführungs- 
gängen von  Drüsen  gleichen.  Diese  Zellen  lassen  sich  leicht  von  den 
weit  höheren  Wimperzellen  unterscheiden,  welche  das  Epithelium  der 
Falten  bilden.  Wir  haben  ebenso  wenig  als  Scott  (s.  Lit.)  Communi- 
cationsöffnungen  dieser  Röhren  entdecken  können,  weder  unter  sich 
noch  mit  den  Zwischenräumen  der  Nasenfalten,  weder  mit  der  darunter 
liegenden  Mundhöhle,  noch  mit  der  dahinter  liegenden  Hypophysis; 
sie  scheinen  an  beiden  Enden  blind  geschlossen.  Man  hat  diese  An- 
hangsdrüse mit  dem  Jacobs  on' sehen  Organe  der  höheren  Wirbel- 
thiere homologisirt,  ohne  triftige  Gründe  für  diese  Anschauung  bei- 
bringen zu  können. 

Der  Naseugaumengaug  (f,  Fig.  183  E  und  F;  Np,  Fig.  185) 
beginnt,  wie  oben  gesagt,  durch  Schliessung  der  Bodenrinne  des 
Nasensackes  zu  einem  abgeplatteten  Canale,  der  in  der  Mittellinie  unter 
den  Falten  des  Sackes  nach  hinten  verläuft.  In  seiner  Fortsetzung 
dringt  der  Canal  in  die  Schädelhöhle,  wo  er  in  der  unteren  Einfaltung 
des  Vorderhirnes  liegt.  In  der  Nähe  des  Hirntrichters  durchsetzt  er 
den  häutigen  Boden  der  Schädellücke,  auf  welchem  die  Hypophj^sis 
aufliegt,  und  legt  sich  nun  an  die  Unterfläche  der  Hinterhauptsplatte 
und  der  Chorda  so  an,  dass  er  zwischen  diesen  und  dem  Oesophagus 
verläuft.  Auf  dieser  Erstreckung  wird  er  jederseits  von  den  Carotiden 
und  Jugiilarvenen  begleitet  (Nj),  Fig.  185).  So  erstreckt  er  sich  bis 
in  die  Gegend  des  vordersten  Kiemensackes,  wo  er  spitz  endet.  Ver- 
folgt man  seinen  Verlauf  auf  Querschnitten,  so  findet  man  zwei  Er- 
weiterungen, zwischen  welchen  er  eng  und  abgeplattet  ist;  die  erste 
findet  sich    unter   der  Hypophysis,    die   zweite,   weit  bedeutendere,   in 


Cyclostomen. 


437 


der  Gegend  des  Velum.  Hier  zeigt  der  Querschnitt  eine  seltsame 
Form;  sein  Lumen  bildet  ein  Doppelkreuz  mit  einem  senkrechten 
Mittelstücke;  die  beiden  oberen  Seitenäste  des  Kreuzes  umfassen  die 
Chorda  und  die  sie  begleitenden  Gefässe,  während  die  beiden  unteren, 
ausgezackten  Aeste  sich  so  um  die  Seiten  des  Oesophagus  herumlegen, 
dass  nur  dessen  Unterfläche  frei  bleibt.  You  dieser  Erweiteruno-  an 
verschwindet  allmählich  das  Mittelstück,  so  dass  Querschnitte  nur  ein 
liegendes  Andreaskreuz  zeigen.  Die  Aeste  dieses  Kreuzes  verkümmern 
allmählich  und  das  Ende  ist  sehr  eng  und  abgeplattet. 

Fig.  185. 


^P     G7i 


Pttrom.  fluv.  —  Nahezu  medianer  Sagittalschnitt  des  Kopfes  eines  Exemplares,  dessen 
Metamorphose  noch  nicht  vollendet  war.  Verick,  Oc.  1,  Obj.  0.  Camera  lucida. 
Aq,  AYassercanal ;  Co,  Chorda;  Cr,  Schädel,  grossentheils  häutig;  Cro,  Hinterhaupts- 
platte des  Schädels;  Ep,  Epiphysis ;  6'ä,  Habenularganglion ;  Ily,  Hypophysis ;  Ms, 
Mesencephalon ;  Mt,  Metencephalon ;  Mfi,  Kautengrube ;  Mfi,  Cerebellum ;  ilt^,  Stamm 
des  Hinterhirnes  ;  Mu,  Seitenmuskel;  My,  Myelencephalon;  Nc,  Xasenknoi-pel ;  ^Vo,  Xasen- 
öftnung;  A'p,  Nasengaumengang ;  As,  Nasensack  ;  Oe,  in  der  Aushöhlung  begriffener  Theil 
des  Oesophagus;  Oe^,  noch  solider  Theil  desselben;  T",  Gaumensegel,  a,  Tegument  ; 
«1,  Mundfi-ansen ;  b,  Lymphraum  der  Schnauze ;"  c,  obere  Hälfte  des  Eingknorpels ; 
c^,  untere  Hälfte  desselben;  d,  Halbringknorpel;  e,  Ethmoidknorpel ;  /,  Kopf  des 
Zungenknorpels;  g,  seitlicher  Zungenknorpel;  /*,  Copula ;  i,  Kiemenknorpel;  k,  Mund- 
höhle; /,  Vorsprung,  auf  welchem  sich  Zähne  ausbilden  werden;  m,  Gaumeugang ; 
rt,  üeberreste  der  Thyroidea ;  o,  Lymphräume;  p,  Hypodermis;  ^j  Scheide  des  m.hyo- 
mandlbidarls  (13,  Fürbr.).  Die  übrigen  Muskeln  wurden  mit  den  im  Teste  ge- 
gebenen Zahlen  von  F  ü  r  b  r  i  n  g  e  r  bezeichnet :  7,  obere  Hälfte  des  Fiingmuskels  ; 
7  a,  untere  Hälfte;  14,  m.  hasUaris ;  16,  ni.  hyo-liyoidens  posterior',  22,  m.  UnyiiaUs] 
28,  VI.  pharyngtus ;  br,  Kiemenmuskeln. 


438  Wirbelthiere. 

Das  Epithelium  der  Schleimhautfalten  des  Nasensackes  ist  sehr 
genau  von  Retzius  (s.  Lit.)  beschrieben  worden.  Es  besteht  aus 
Büscheln  hoher  Cylinderzellen ,  die  sehr  lebhafte  Wiraperbewegung 
erkennen  lassen.  Isolirt  man  sie  nach  Fixation  mit  Osmiumsäure,  so 
zeigen  sich  diese  Cylinder  an  beiden  Enden  quer  abgestutzt ;  am  freien 
Ende  stehen  die  Wimpern  auf  einem  schmalen,  durchsichtigen  Plateau, 
während  das  in  die  Schleimhaut  gesenkte  Ende  sich  etwas  erweitert 
und  Fasern  aussendet,  welche  sich  mit  den  Fasern  des  Bindegewebes 
der  Schleimhaut  vermischen.  Das  untere  Drittel  einer  solchen  Cylinder- 
zelle  ist  stielartig  verengt  und  trägt  in  einer  Aufwulstung  den  von 
stark  lichtbrechenden  Körnchen  umgebenen  Kern.  Zwischen  diesen 
in  Palissaden  geordneten  Wimperzellen  stehen  andere,  deren  freies 
Ende  einem  Fläschchen  mit  langem  Halse  gleicht;  der  Kern  ruht  im 
Boden  des  Fläschchens,  das  sich  in  einen  dünnen  Faden  auszieht, 
welcher  sich  zwischen  den  Fasern  der  Basalhaut  verliert.  Wahrschein- 
lich hängen  diese  oft  varicösen  Endfäden  mit  Nervenfäserchen  zu- 
sammen und  stellen  so  die  eigentlichen  Riechzellen  dar.  Das  freie 
Ende  ist  abgerundet  und  trägt  keine  Wimpern,  sondern  einige  steife 
Borsten,  die  meist  verloren  gehen,  von  Retzius  aber  doch  zuweilen 
gesehen  worden  sind. 

Ganz  anders  verhält  sich  das  Epithelium  des  Nasengaumenganges. 
Sobald  sich  dieser  Gang  von  dem  Sacke  loslöst  und  noch  auf  der 
Wölbung  der  nach  innen  vorspringenden  Schleimhaut  treten  rundliche, 
abgeplattete  oder  würfelförmige  Zellen  mit  hellem  Protoplasma  und 
kleinem,  rundlichem  Kern  auf.  Zwischen  diesen  Zellen  und  denen  des 
Nasensackes  giebt  es  keine  Uebergänge;  sie  treten  plötzlich  drei- 
oder  vierschichtig  in  den  Thälern  zwischen  den  Falten  auf,  wo  sie 
eine  dicke  Haut  bilden,  und  erhalten  sich  in  dieser  Weise  bis  zu  der 
Stelle,  wo  der  Canal  auf  die  Unterfläche  der  Chorda  .hinabschlüpft  und 
wo  jene  beträchtliche  Verengerung  sich  findet,  die  man  zuweilen 
irrthümlicher  Weise  für  sein  Ende  gehalten  hat.  In  der  Fortsetzung 
des  Cauales,  von  dieser  Stelle  an,  wo  das  Lumen  dann  die  Gestalt 
eines  Andreaskreuzes  annimmt,  nehmen  die  Schichten  des  Epitheliums 
schnell  ab,  so  dass  nur  eine  einzige  Pilasterschicht  überbleibt,  welche 
die  Wände  des  Canales  auskleidet. 

Sehorgan.  —  Das  Auge  der  Lamprete  (Fig.  171)  ist  verhältniss- 
mässig  gross;  es  nimmt  einen  bedeutenden  Raum  jederseits  an  dem 
Kopfe  ein  und  zeigt  einen  kreisförmigen  Umfang,  der  nur  durch  die 
Dui'chsiclitigkeit  der  Haut  angedeutet  ist,  die  ohne  Falz  sich  über  die 
goldglänzende  Iris  wegzieht,  in  deren  Mittelpunkt  man  die  runde  Pa- 
pille sieht.  Das  Auge  der  Cyclostomen  überhaupt  zeichnet  sich  sowohl 
durch  eine  besondere  Structur  der  Retina,  als  auch  durch  den  Mangel 
einer  eigenen ,  vorn  von  der  Hornhaut  und  hinten  von  der  Sclerotica 
gebildeten  Hülle   axia.      Der    an   der  Vorderiläche   leicht   abgeplattete, 


Cyclostoraen.  439 

sphärische  Augapfel  wird  nur  durch  eine  dünne  Schicht  faserigen  Binde- 
gewebes abgegrenzt.  Mit  Ausnahme  der  Muskeln  fehlen  alle  Neben- 
organe, wie  Lider,  Drüsen  u.   s.  w.,  durchaus. 

Das  die  Hornhaut  bildende  Tegument  wird,  wie  auf  dem  Körper, 
von  der  Epidermis  und  einer  ziemlich  dicken  Schicht  der  Lederhaut 
gebildet.  Beide  Schichten  gehen  auf  dem  Umfange  des  Augapfels  un- 
mittelbar in  die  entsprechenden  des  Tegumentes  über;  die  Körnchen- 
und  Keulenzellen  fehlen  in  der  Epidermis  und  die  Pigmentschicht 
in  der  Lederhaut.  An  die  innere  Fläche  dieser  falschen  Hornhaut  legt 
sich,  durch  weitmaschiges  Bindegewebe  daran  befestigt,  ein  feines 
Faserhäutchen ,  dessen  innere  Fläche  von  einem  dünnen  Pflaster- 
epithelium  bedeckt  ist.  Dieses  Häutchen  schlägt  sich  nach  innen 
auf  die  Aussenfläche  der  Choroidea  und  lässt  sich  auf  dieser  bis  gegen 
die  P^intrittsstelle  des  Sehnerven  hin  verfolgen.  Langerh  ans  (s.  Lit.J 
nennt  es  die  Descemet'sche  Haut  (e^,  Fig.  171).  Sie  begrenzt 
in  der  That  nach  vorn  die  vordere  Augenkammer,  spielt  aber  auch 
dem  Augapfel  und  den  daran  sich  anheftenden  Muskeln  gegenüber 
die  Rolle  einer  undifferenzirten   Sclerotica. 

Nach  innen  von  dieser  Haut  findet  sich  die  ziemlich  dicke  Cho- 
roidea (e^) ,  die  sich,  und  zwar  besonders  leicht  an  ihrem  vorderen 
Umfange,  in  zwei  concentrische  Schichten  spalten  lässt.  Sie  biegt 
sich  vorn  nach  innen  ein,  um  den  durchlöcherten  Schirm  der  Iris  (e^) 
zu  bilden,  der  auf  allen  horizontalen  oder  sagittalen  Schnitten  sich  aus 
zwei  Blättern  gebildet  zeigt,  welche  am  Papillarrande  mit  einander  ver- 
wachsen. Dieser  Rand  berührt  rundum  die  Vorderfläche  der  Krystall- 
linse  und  scheint  hier  mit  der  Kapsel  derselben  durch  sehr  feine  und 
nur  bei  starken  Vergrösserungen  sichtbare  Fädcheu  verbunden. 

Die  kugelige  Krystalllinse  besteht  aus  langen,  platten  und 
dünnen  Bandzellen  mit  glatten  Rändern,  die  in  complicirter  Weise  an- 
geordnet sind ,  worauf  wir  nicht  näher  eingehen  können.  Die  Kapsel 
der  Linse  ist  auf  der  Vorderfläche  weit  dicker  als  auf  der  Hinterseite 
und  besteht  vorn  aus  einer  Doppelschicht  platter  Pflasterzellen.  Der 
Hintergrund  des  Auges  zwischen  der  Linse  und  der  Retina  wird  von 
dem  Gl  askörper  ausgefüllt,  einer  schleimigen,  dem  Eiweiss  ähnlichen 
Substanz,  in  der  die  geeigneten  Reagentien  ein  feines  Netzwerk  er- 
kennen lassen. 

Die  Retina  (e')  zeigt ,  wie  bei  allen  "Wirbelthieren ,  die  Form 
eines  offenen  Bechers,  dessen  Stiel  durch  den  Sehnerven  gebildet  wird. 
Sie  ist  verhältnissmässig  weit  dicker  als  bei  anderen  Wirbelthieren, 
verdünnt  sich  aber  gegen  ihren  vorderen  Rand  hin.  Sie  liegt  eng 
an  der  Innenwand  der  Choroidea  an  und  erstreckt  sich  bis  zu  der 
Kreislinie,  in  welcher  diese  sich  gegen  die  Linse  einbiegt,  um  die  Iris 
zu  bilden.  In  diesem  "Winkel  sieht  man  sie  auf  Durchschnitten  mit 
einem  Rande  enden,  der  etwa  die  Form  des  Eisens  einer  Axt  hat. 


440  Wirbelthiere. 

Betrachtet  man  Durchschnitte  der  Retina  unter  schwachen  Ver- 
grösserungen,  so  scheint  sie  aus  drei  Schichten  zusammengesetzt;  einer 
mittleren,  welche  sich  durch  Carmin  stark  färht,  während  die  innere 
und  äussere  Schicht  blasser  gefärbt  bleiben.  Untersucht  man  in  der 
Nähe  der  Eintrittsstelle  den  Sehnerven  (S.  432),  so  überzeugt  man  sich 
leicht,  dass  dessen  Fasern  in  die  mittlere  Schicht  ausstrahlen.  Auf 
eigens  vorbereiteten  Schnitten  kann  man  unter  starken  Vergrösse- 
rungen  diese  Schichten  und  ganz  besonders  die  mittlere,  weiter  zer- 
legen. Die  innere  (e^^j  Schicht  fehlt  bei  allen  übrigen  Wirbelthieren, 
wo  die  Ausbreitung  der  Nervenfasern  unmittelbar  den  Glaskörper  be- 
rührt; sie  besteht  aus  langen,  in  einfachen  oder  doppelten  Reihen  auf- 
gepflanzten Zellen ,  die  deutliche  Kerne  und  etwas  verdickte  Plättchen 
am  freien  Rande  zeigen ,  welche  eine  Art  Grenzraerabran  herzustellen 
scheinen.  Die  Aussenschicht,  welche  unmittelbar  die  Choroidea  be- 
rührt, besteht  wie  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  aus  Stäbchen,  zwischen 
welchen  man  auch  Kegel  hat  unterscheiden  wollen.  Wir  haben  so 
viele  Uebergangsformeu  gesehen,  angesichts  deren  wir  nicht  entscheiden 
konnten,  ob  sie  als  Stäbchen  oder  Kegel  anzusehen  seien ,  dass  wir  zu 
der  üeberzeugung  gekommen  sind,  dass  man  es  hier  nur  mit  einem 
einzigen,  in  gewissen  Grenzen  variirenden  Formeleraente  zu  thun 
habe.  Laugerhans,  auf  dessen^  Arbeit  wir  hinsichtlich  der  weiteren 
histologischen  Verhältnisse  verweisen,  unterscheidet  in  der  Mittelschicht 
sechs  verschiedene  Zonen,  unter  welchen  die  wichtigste  die  innerste, 
aus  den  Nervenfasern  gebildete  Zone  ist;  ausserdem  finden  sich  noch 
zwei  Zonen  von  Ganglienzellen,  umgeben  von  zwei  Körnerzonen  und 
einer  Körnchenschicht.  Die  angegebenen  Zonen  entsprechen  etwa  den 
von  Merkel  angenommenen  Retinaschichten,  deren  Abbildung  in 
allen  Handbüchern  zu  finden  ist.  Die  Retina  der  Lampreten  unter- 
scheidet sich  weder  durch  diese  Zonen,  noch  durch  die  äussere  Stäbchen- 
schicht, wohl  aber  durch  die  augeführte  dicke,  innere  Zellenschicht, 
welche  die  Nervenenden  vom  Glaskörper  fernhält  und  einem  Cylinder- 
epithelium  ähnlich  sieht. 

Wir  haben  schon  die  Structur  des  Sehnerven  an  seiner  Eintritts- 
stelle beschrieben;  die  feinen  Fäserchen ,  die  von  ihm  ausstrahlen, 
bilden  sehr  comjilicirte  Plexus  in  ihrer  betreffenden  Schicht. 

Es  sind  sechs  Augenmuskeln  voi'handen,  vier  gerade  und  zwei 
schiefe.  Es  sind  kurze,  platte  Bänder,  die  an  dem  Schädel  in  der  Nähe 
des  Eintrittes  der  Sehnerven  entstehen  und  zur  Circumferenz  des  Aug- 
apfels auseinander  gehen.  Die  Fasern  dieser  Muskeln  haben  eine 
besondere,  derjenigen  der  Kiemenmuskeln  ähnliche  Structur,  über  deren 
Besonderheiten  wir  auf  die  Arbeiten  von  Langerhans  und  Schneider 
verweisen  (s.  Lit.).  Die  vier  geraden  Muskeln  umfassen  mit  ihren 
Ursprüngen  den  Sehnerven  und  setzen  sich  am  vorderen  Rande  des 
Augapfels   in   der  Weise   au,    dass  sie,   mit  Ausnahme  einer  Lücke   an 


Cyclostomen.  441 

der  Vorderseite,  mit  ihren  verbreiterten  Enden  die  ganze  Circuniferenz 
umspannen.  Der  vordere  schiefe  Augenmuskel,  der  grösste  von  allen, 
entsteht  etwas  vor  der  Eintrittsspalte  des  Nerven ,  schlägt  sich  unten 
und  aussen  um  den  vorderen  geraden  Muskel  herum,  den  er  ganz  be- 
deckt und  setzt  sich  mit  einer  breiten  ,  aber  sehr  dünnen  Aponeurose 
an  den  vorderen  und  unteren  Rand  des  Augapfels,  den  er  nach  vorn 
und  unten  dreht.  Der  hintere  schiefe  Muskel,  sein  Antagonist,  ist 
sehr  klein  und  besitzt  nichtsdestoweniger  einen  besonderen  Nerven 
(Nervus  trocJilcaris);  der  Nervus  abducens  geht  zum  hinteren  geraden 
Muskel  und  ausnahmsweise  auch  zum  unteren  geraden  AUiskel,  so  dass 
von  dem  N.  oculomotorius  nur  drei  Muskeln  versoi-gt  werden,  der 
obere  und  vordere  gerade  und  der  vordere  schiefe,  dessen  Zweig  den 
vorderen  geraden  Muskel  durchbohrt.  Für  Einzelheiten  verweisen 
wir  auf  Für  bringer  (s.  Lit.). 

liörorgau.  —  Das  Ohr  (/,  Fig.  171;  g,  Fig.  175j  ist  durchaus 
auf  das  innere  Ohr  beschränkt  und  in  einer  eiförmigen  Knorpel- 
kapsel eingeschlossen,  die  mit  der  Occipitalplatte  des  Schädels  so  ver- 
wachsen ist,  dass  nur  eioe  innere,  zuweilen  in  zwei  Löcher  getheilte 
Längsspalte  am  Boden  der  Schädelhöhle  für  den  Eintritt  der  Nerven 
und  Gefässe  offen  bleibt.  Die  Kapsel  erscheint  schon  sehr  früh  beim 
Embryo,  ist  bei  der  Larve  vollständig  ausgebildet  und  nimmt  mit  ihrer 
durchaus  glatten  Innenfläche  keinen  Theil  an  den  Bildungen  des  in 
ihr  eingeschlossenen  Labyrinthes,  wie  dies  bei  den  übrigen  Wirbel- 
thieren  der  Fall  ist,  wo  sie  zwischen  die  einzelnen  Theile  eindringt. 
Man  kann  also  die  Kapsel  leicht  von  dem  eingeschlossenen,  häutigen 
Labyrinthe  abpräpariren.  Die  sehr  beschränkten  Räume  zwischen 
Labyrinth  und  Kapsel  sind  mit  lockeren  Bindegewebsfasern  durchsetzt 
und  mit  einer  schleimigen  Flüssigkeit,  der  Perilymphe,  erfüllt. 
Nebenorgane  oder  Communicationen  nach  aussen  fehlen  vollständig; 
die  bis  auf  den  erwähnten  Schlitz  hermetisch  geschlossene  Kapsel  ist 
von  den  Massen  des  Seitenmuskels  vollständig  bedeckt. 

Die  Untersuchung  des  Labyrinthes  bietet  wegen  der  Kleinheit  des 
Objectes  und  der  complicirten  Structur  desselben  viele  Schwierigkeiten. 
Normalschnitte  der  Gegend  nach  den  drei  Richtungen  lassen  sich 
schwer  deuten,  weil  die  Axen  des  Organes  schief  zu  denjenigen  des 
Körpers  stehen.  Die  Homologisirung  der  einzelnen  Theile  mit  den- 
jenigen des  Ohres  der  Fische  konnte  nur  theilweise  hergestellt  werden; 
für  diejenige  anderer  Theile  dürfte  wohl  das  Ohr  der  Amphibien  maass- 
gebend  sein. 

Das  häutige  Labyrinth  wird  grösstentheils  von  einem  unregel- 
mässig eiförmigen  Vestibül  um  gebildet,  dessen  grosse  Axe  nicht 
ganz  derjenigen  des  Körpers  parallel  läuft.  Der  Sack  ist  innen 
durch  eine  vorspringende,  sichelförmige  Querfalte ,  die  Stirnleiste, 
in  zwei  symmetrische  Kammern,  eine  hintere  und  eine  vordere,  getheilt. 


442  Wirbelthiere. 

Oben  und  unten  endet  diese  Leiste  mit  einer  knopfartigen  Verdickung 
und  theilt  sich  ausserdem  auf  der  dem  Hirn  zugewendeten  Seite  oben 
in  zwei  wenig  vorspringende  Seitenfalten,  die  sich  zusammenschliessen 
und  so  eine  wenig  geräumige  obere  Kammer  bilden,  die  rundliche 
Form  hat,  wie  ein  hohler  Knopf  dem  Vestibulum  aufsitzt  und  die 
Commissur  genannt  wird.  In  dieser  Höhle,  in  deren  Mitte  der  End- 
knopf der  Stii'nleiste  hängt,  enden  die  beiden  halbzirkelförmigen 
Canäle.  Der  ventrale  Endknopf  der  Stirnfalte  springt  in  einer  nacb 
hinten  gelegenen,  engen  Oefinung  vor,  welche  in  den  sackförmigen 
Anhang  führt,  ein  eiförmiges  Bläschen,  an  dessen  Innenwand  sich 
ein  mit  Hörzelleu  besetztes  Plättchen  findet.  Ein  ähnliches  Flättchen 
findet  sich  im  Vestibulum  nahe  an  der  erwähnten  Oeffnung.  Zwei 
h  albzirk eiförmige  Canäle,  ein  vorderer  und  ein  hinterer,  ent- 
springen aus  den  äusseren  Ecken  des  Vestibulum;  sie  sind  anfänglich 
nur  durch  nacb  innen  vorspringende  Falten  angedeutet,  die  eine  weite 
Communication  mit  dem  Vestibulum  lassen,  und  schliessen  sich  erst  im 
vorderen  und  hinteren  Umfange  zu  weiten ,  selbständigen  Röhren  ab, 
die  gegen  die  Hirnseite  hin  schief  nach  oben  sich  krümmen  und  in 
der  erwähnten  Commissur  enden ,  welche  ihrerseits  durch  eine  weite 
Oeffnung  mit  dem  Vestibulum  communicirt.  Die  beiden  weiten  Canäle, 
die  anfangs  zwischen  dem  Vestibulum  und  dem  sackförmigen  Anhang 
liegen ,  sind  also  nur  auf  einem  kleinen  Tlieile  ihres  Verlaufes  selb- 
ständig; ihre  Enden  springen  auf  Schnitten  als  Falten  gegen  die  Höhle 
des  Vestibulum  vor. 

Dieses  ist  auf  seiner  ganzen  Innenfläche  von  einem  eigenthüm- 
lichen,  aus  sehr  schmalen  Cylinderzellen  gebildeten  Epithelium  aus- 
gekleidet. Jede  dieser  Zellen  gleicht  einem  kurzen  Stocke  mit  einem 
kleinen ,  glänzenden  Kerne  und  trägt  auf  ihrem  freien  Ende  eine  sehr 
lange  und  dünne  Wimpergeisel.  Meist  sind  diese  Geiseln  gewellt  und 
am  vorderen  Ende  schlingenartig  gebogen,  was  Shipley  (s.  Lit.)  be- 
wog,  ihnen  ein  geknöpftes  Ende  zuzuschreiben.  Sie  setzen  wahr- 
scheinlich kleine,  kugelförmige,  aus  concentrischen  Schichten  gebildete 
Otolithen  in  Bewegung,  deren  Zahl  und  Grösse  mit  dem  Alter 
zuzunehmen  scheint  und  die  in  der  schleimigen  Flüssigkeit,  der 
Endolymphe,  schwimmen. 

Dieses  charakteristische  Epithelium  lässt  auf  Schnitten  sehr  leicht 
die  Flächen  erkennen  ,  welche  dem  Vestibulum  angehören.  Es  findet 
sich  nur  auf  der  Innenfläche  dieses  Sackes  und  fehlt  durchaus  auf  den 
nur  mit  einem  dünnen  Pflasterepithelium  ausgekleideten  Flächen  der 
Canäle  und  des  sackförmigen  Anhanges.  Der  Unterschied  geht  so 
weit,  dass  die  Falten  ,  womit  die  Canäle  beginnen ,  auf  der  dem  Vesti- 
bulum zugekehrten  Fläche  Geiselzelleu  tragen ,  während  die  den 
Cauälen  zugewendete  Fläche  das  Pflasterej)ithelium  zeigt. 

An  ihrem  Beginne  sind   die   beiden   halbzirkelförmigen  Canäle  zu 


Cyclostomen.  443 

weit  gegen  das  Vestibuluin  hin  geöffneten  Ampullen  erweitert,  deren 
jede  durch  wenig  vorspringende  Falten  in  drei  Kammern  getheilt  ist. 
Die  untere,  den  sackförmigen  Anhang  von  der  Ampulle  trennende 
Falte  ist  verdickt  und  trägt  auf  ihrem  vorspringenden  liande  eine 
horizontal,  parallel  der  Körperaxe  verlaufende  G  e hörleiste.  Sagittal- 
schnitte  geben  den  besten  Aufschluss  über  den  Bau  dieser  beiden 
Leisten  ,  welche  in  Gestalt  zweier  horizontaler  Plattformen  gegen  die 
Communicationsötfnung  zwischen  Vestibulum  und  sackförmigem  An- 
hange vorspringen.  Sagittalschnitte  treffen  die  Leisten  der  Länge 
nach ,  während  Quer-  und  Horizontalschnitte  sie  als  Anschwellungen 
der  Falten  zeigen.  Auf  diesen  Leisten  stehen  zwischen  einfachen, 
spindelförmigen  Stützzellen  andere  palissadenartig  gestellte  Spindel- 
zellen, welche  auf  dem  abgestutzten,  freien  Enile  eine  kurze,  steife 
Borste  tragen.  Dies  sind  ohne  Zweifel  die  eigentlichen  Hörzellen, 
was  um  so  wahrscheinlicher  ist,  als  in  dem  Füllgewebe  zwischen  den 
Leisten  und  der  äusseren  Kapsel  zahlreiche  Nervenplexus  sich  finden, 
welche  schliesslich  zu  den  Hörleisten  sich  begeben. 

Wir  müssen  hier  noch  zweier,  schwer  zu  deutender  Bildungen 
erwähnen.  In  dem  dreieckigen  Baume,  welcher  zwischen  der  Com- 
missur  oben  und  den  beiden  Kammern  des  Vestibulum  bleibt,  findet 
sich  eine  kleine,  in  einen  kurzen  Canal  führende  Oeffnung,  der  in  die 
Coramissur  nahe  an  der  Communication  mit  dem  Vestibulum  mündet. 
Unter  diesem  Canale,  der  vielleicht  der  Ueberrest  eines  nach  aussen 
mündenden,  embryonalen  Ganges  ist,  liegt  an  der  Wandung  des  Vesti- 
bulum ein  keulenförmiges  Säckcben,  welches  durch  eine  eiförmige  Spalte 
in  die  Höhle  des  Vestibulum  mündet.  Man  hat  es  den  Saccus  endo- 
Jymj}haticus  genannt. 

Wir  haben  schon  (S.  430)  den  Hör  nerven  besprochen,  der  sich 
vom  Hirn  aus  in  die  Ohrkapsel  begiebt  und  dort  ein  Ganglion  mit 
deutlich  umschriebenen,  meist  bij^olaren  Zellen  bildet.  Das  Ganglion 
ist  gleichsam  zwischen  das  Labyrinth  und  die  häutige  Scheidewand, 
welche  es  hier  vom  Gehirn  trennt,  eingeklemmt;  setzt  man  in  Ge- 
danken die  Knorpelkapsel  fort,  so  befindet  es  sich  innerhalb  derselben. 
Das  Ganglion  sendet  drei  pinselartige  Bündel  von  Fasern  aus;  zwei 
gehen  zu  den  Hörleisten,  das  dritte  zu  dem  Vestibulum,  das  in  der 
Nähe  der  Communicationsöffnung  mit  dem  sackartigen  Anhange  liegt. 
Dieses  letztere  dünne  Bündel  sendet  Fasern  zu  den  nur  wenige  Hör- 
zellen enthaltenden  Platten,  die  über  der  Oeffnung  und  in  der  Wan- 
dung des  sackförmigen  Anhanges  liegen. 

Für  weitere  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  das  classische  Werk 
von  A.  Retzius:  Das  Gehörorgan  der  Wii'belthiere,  Bd.  1. 

Verdauungsapparat.  —  Wir  unterscheiden  den  eigentlichen 
Darmcanal  und  die  Nebenorgane.  Erstei'er  besteht,  von  vorn  nach 
hinten,   aus  der  Muudliöhle,   dem  Pharynx,  dem  Schlünde,  dem  Darm 


444  -  Wirbelthiere. 

uud  dem  Afterdarui ;  zu  den  Nebenorganen  zählen  wir  die  Speichel- 
drüsen, die  Leber  und  die  Anlage  der  Milz. 

Die  makroskopische  Präparation  ist  leicht.  Ein  die  Bauchhöhle 
öffnender  Längsschnitt  legt  den  grössten  Theil  des  Darmes  unmittel- 
bar bloss;  nur  die  Mastdarmgegend  bietet  einige  Schwierigkeiten  wegen 
der  Vereinigung  der  Harnleiter  und  der  Peritonealcanäle.  Auch  der 
längs  des  Kiemenkorbes  verlaufende  Theil  verlangt  Vorsicht,  besonders 
in  der  Nähe  des  Pharynx  und  des  Herzens.  Ueber  alle  diese  schwie- 
rigen Theile  geben  sagittale  und  quere  Schnitte  genügenden  Aufschluss. 

Der  durchaus  auf  der  Bauchseite  des  Kopfes  gelegene  Mund 
(Fig.  162,  163)  zeigt,  wenn  die  Lamprete  angesaugt  ist,  einen  kreis- 
runden ümriss.  Schwimmt  das  Thier  aber,  so  bildet  er  eine  eiförmige 
Längsspalte.  Er  ist  von  mehreren  Reihen  von  Barteln  eingefasst, 
die  vorn  ziemlich  kurz  sind,  sich  aber  am  Hinterende  der  Spalte  ver- 
längern, und  führt  in  einen  weiten  Trichter,  dessen  Basis  von  dem 
Munde  gebildet  wird,  während  die  Spitze  nach  oben  und  hinten  gegen 
die  Schädelbasis  gerichtet  ist.  Der  enge  Pharynx,  in  welchen  die 
Mundhöhle  sich  fortsetzt,  liegt  in  der  That  hart  der  Schädelbasis  an 
und  der  Grund  des  Trichters  wird  von  dem  Zun  gen  Stempel  ein- 
genommen ,  der  bis  über  den  Mundrand  vorgestossen  werden  kann. 
Betrachtet  man  die  geöffnete  Mundhöhle  von  vorn  her,  so  sieht  man 
auf  ihrer  glatten  Wölbung  unregelmässig  zerstreute  Zähnchen  und  im 
Grunde  einen  hornigen  Halbring  mit  zwei  seitlichen  Hornspitzen,  den 
Oberkiefer  der  Zoologen,  welchem  von  der  ventralen  Seite  her 
ein  anderer  Halbring,  der  Unterkiefer,  entspricht,  der  mit  sieben 
Zähnen  besetzt  ist.  Diese  beiden  Hornbildungen  sind  fest  und  un- 
beweglich in  die  Schleimhaut  eingelassen  und  umfassen  von  oben  und 
unten  einen  kreisförmigen  Raum,  in  welchem  der  ebenfalls  mit  spitzen 
Hornzähnchen  bewaffnete  Zungenstempel  sich  vorwärts  und  rückwärts 
bewegen  kann. 

Die  Mundhöhle  ist  von  einer  Schleimhaut  ausgekleidet,  welche 
dieselben  Elemente  wie  die  äussere  Haut  besitzt.  Die  Bärtel  sind  nur 
Hautverlängerungen  mit  einein  Kern  von  Bindegewebe,  und  man  unter- 
scheidet an  ihnen,  wie  an  der  Mundhaut,  eine  Epidermis  und  eine 
Lederhautschicht.  Die  Pigmentschicht  fehlt,  ebenso  die  Körnchen-  und 
Keulenzellen;  man  findet  in  der  Epidermis  Sinneszellen,  vielleicht 
häufiger  als  auf  der  äusseren  Haut.  Die  Kiefer  uud  Zähne  sind  genau 
so  wie  diejenigen  der  Kaulquappen  der  Frösche  gebildet;  sie  entstehen 
durch  Umbildung  der  Epithelialzellen ,  die  verhornen  und  sich  in 
Schichten  übereinander  lagern.  Wir  verweisen  hinsichtlich  der  Einzel- 
heiten auf  eine  Abhandlung  von  Kieffen  über  die  Ilornzähne  der 
Larven  von  AJijtes  obstetricans  (Arch.  de  Biologie,  Vol.  IX,  1889). 
Die  dunkelgelb  gefärbten  Zähne  erscheineii  auf  Durchschnitten  wie  aus 
übereinander  geschichteten  Düten  gebildet. 


Cyclostomen.  445 

Wir  haben  schon  (S.  401)  die  Knorpel  und  (S.  406)  die  Muskeln 
des  Zungenstempels  besprochen.  Im  Ganzen  betrachtet,  erscheint 
das  Organ  in  Form  eines  langen  Cylinders  (?,  Fig.  163),  der  stets  sich 
verjüngend  auf  der  ventralen  Mittellinie  des  Kiemenkorbes  vom 
Grunde  der  Mundhöhle  bis  zum  Herzbeutel  sich  erstreckt  und  durch 
Sehnenbündel  sich  an  dem  Knorpel  des  Herzbeutels  festsetzt.  Die 
Muskeln  des  Zungenknorpels  setzen  sich  aber  nicht  direct  an  ihn  an, 
sondern  an  eine  feste  Faserscheide ,  die  ihn  von  allen  Seiten  wie  ein 
Futteral  umgiebt.  Auf  Querschnitten  (1  bis  4,  Fig.  174  ;  1  bis  6,  Fig.  175) 
zeigt  sich  das  Organ  als  ein  mächtiger  Muskelkreis,  in  dessen  Mitte 
der  Zungenknorpel  steckt  und  über  welchem  sich  das  Lumen  des 
Wasserganges  zeigt,  der  das  Wasser  den  Kiemensäcken  zuführt.  Das 
angeschwollene  Vorderende  des  Stempels  (Fig.  16.3)  ist  mit  Zähnchen 
besetzt  und  fest  auf  seinem  ganzen  Umfange  durch  Muskelfasern  au 
die  Wände  der  Mundhöhle  angeheftet.  Diese  Muskeln  lassen  nur 
Raum  für  den  engen  Pharynx,  der  unter  der  Schädelbasis  sich  erstreckt. 
Der  Stempel  kann,  wie  gesagt,  bis  über  die  Mundräuder  vorgestossen 
werden  und  seine  spitzen  Zähnchen  können  sogar  die  menschliche  Haut 
verletzen. 

Hinter  der  Mundhöhle,  zwischen  dem  Vorderende  des  Stempels 
und  den  Ohi-bläschen  erstreckt  sich  der  Pharynx.  Mau  kann  ihn 
leicht  auf  Sagittalschnitten  verfolgen  (m,  Fig.  163  und  185).  Es  ist 
ein  enger  Canal ,  dessen  Ober  wand  unmittelbar  der  Schädelbasis  an- 
liegt, während  die  untere  Wand  an  den  Zungenstempel  angeheftet  ist. 
Der  Canal  zeigt  nichts  Besonderes;  er  ist  innen  von  einem  zwei- 
schichtigen  Pflasterepithelium   mit   spärlichen  Sinneszellen   überkeidet. 

An  seinem  Hinterende  mündet  der  Pharynx  in  zwei  Hohlgäuge, 
den  dorsal  liegenden  Oesophagus  und  den  darunter  verlaufenden 
Wassergang.  In  dieser  Gegend  zeigt  sich  eine  kreisförmige  Ver- 
dickung, welche  die  Einmündung  in  den  Schlund  durchaus  umgiebt 
und  mit  zwei  seitlichen  Schenkeln  den  Eingang  des  Wassergauges  so 
umfasst,  dass  die  ventrale  Wand  des  Pharynx  unmittelbar  auf  den  Wasser- 
gang übergeht.  Die  Schenkel  der  Verdickung  schliessen  sich  dann  in 
der  Mittellinie  zusammen,  bilden  so  die  ventrale  Wand  des  Schlundes 
imd  trennen  diesen  von  dem  darunter  liegenden  Wassergange,  dessen 
Mündung  einen  eigenthümlichen,  später  zu  besprechenden  Reusen- 
apparat trägt.  Die  Vereinigungslinie  bildet  im  Lumen  des  Oesophagus 
einen  seichten  Vorsprung,  aus  welchem  sich  die  im  Darm  ausgebildete 
Spiralklappe  zu  entwickeln  scheint. 

Wie  man  weiss,  bildet  sich  der  Schlund  der  Lamprete  während 
des  üebergangsstadiums  aus  einem  bei  der  Larve  unter  der  Chorda 
verlaufenden  soliden  Strange.  Bei  dem  ausgebildeten  Thiere  bildet 
der  Schlund  einen  engen,  über  die  ganze  Länge  des  Kiemenkorbes  in 
der    angegebenen    Lage    verlaufenden    Canal    (o,    Fig.    163),    der    dem 


446 


Wirbelthiere. 


blossen  Auge  auf  der  Innenfläche  längsgestreift  erscheint.  Querschnitte 
(Ic,  Fig.  170;  l,  Fig.  186)  zeigen,  dass  diese  Streifung  durch  vor- 
springende Falten  der  Schleimhaut  bedingt  ist,  welche  mit  hohen 
Cylinderzellen  ausgekleidet  ist,  die  keine  Wimperu  tragen. 

An  dem  Herzbeutel  (Fig.  186)  angelangt,  schlägt  sich  der  Oeso- 
phagus nach  links  um  das  Herz  herum  und  gelangt  unmittelbar  in 
einen  Falz  der  Lebei%  in  welchem  er  sich  allmählich  nach  unten  senkt, 
um    auf    die    ventrale    Innenfläche    der    Bauchhöhle    zu    gelangen,    in 

Fig.  186. 


Petrom.  ßiir.  —  Durch  das  Herz  und  den  letzten  Kiemensack  gelegter  Quer- 
schnitt. Verick,  Oc.  1,  Obj.  0.  Camera  ludda.  a,  Tegument ;  b,  Seitenmuskel, 
dorsale  Hälfte ;  ä^,  ventrale  Hälfte ;  c,  Fettfüllung  des  Riickencanales ;  d,  Seitennerv ; 
e,  Rückenmark;  cj,  Chordascheide;  h,  Chordakern;  ?',  Aorta;  /j,  Kopfvenen ;  /,  Schlund; 
ni,  Ueberrest  der  Vorniere;  n,  Lympliräume ;  o,  Herzbeutel;  p,  Kiemonvene  ;  q,  Ven- 
trikel des  Herzenä ;  r,  äusseres  Kiemenloch ;  s,  Arterienbulbus ;  t,  Innenfläche  des 
letzten  Kiemensackes;   ?',  Vorkammer  des   Herzens;    v,  Lebervene;    u' ,    Kiemenarterie. 


welcher  der  Darm  in  gerader  Richtung  bis  zum  After  verläuft 
(m,  Fig.  162).  Im  Anfange  seines  Verlaufes  ist  er  gänzlich  von  der 
Leber  eingehüllt,    mit   der   er   längs   einer   Liuie   zusammenhängt,   die 


Cyclostomen. 


447 


Yxg.  187 


dem  Verlaufe  der  Spiralklappe  in  seinem  Inneren  entspricht.  Sobald 
der  Darm  die  Leber  verlassen  hat,  erweitert  er  sich  allmählich  und 
wird  dann  von  den  Genitalorganen  umgeben,  die  zwischen  ihren  Falten 
eine  weite  Rinne  für  ihn  offen  lassen.  I\Ian  kann  in  dem  Darme  der 
Lamprete  keinen  eigentlichen  Magen  unterscheiden,  d.  h.  eine  Erwei- 
terung mit  eigenthümlichem,  von  demjenigen  des  Darmes  verschiedenem 
p]pithel.  Der  Oesophagus  setzt  sich  unmittelbar  in  das  mit  einer 
vorspringenden  Spiralklappe  versehene  Darmrohr  fort. 

Der  Uebergang  vom  Schlünde 
zum  Darme  zeigt  eine  dem  Ueber- 
gange  vom  Pharynx  zum  Schlünde 
ähnliche  Bildung.  Die  Spiralfalte 
springt  von  einem  zwischen  dem 
Vorderende  des  Herzbeutels  und 
der  Chorda  gelegenen  Punkte  deut- 
lich vor  und  breitet  sich  hier,  wie 
Schneider  sagt,  zu  zwei  Schenkeln 
aus,  welche  den  Darm  nach  vorn 
gänzlich  abschliessen  würden,  wenn 
das  Lumen  des  Schlundes  sich  nicht 
zwischen  diesen  Schenkeln  in  die 
Falte  fortsetzen  würde,  um  in  Form 
einer  Spalte  in  die  Höhle  des  Darmes 
einzumünden. 

In  dieser  Gegend  zeigen  sich  in 
den  Wänden  des  Schlundes  selbst 
einige  körnige  Follikel ,  welche 
Schneider  als  Anlage  einer  Milz 
ansieht. 

Die  Darmwände  zeigen  zwei 
Muskelschichten,  eine  äussere  mehr 
longitudinale  und  eine  innere  quere, 
die  aber  aus  so  dünnen  und  in 
dichtes,  zelliges  Bindegewebe  ge- 
hüllten Fasern  bestehen,  dass  sie 
sich  auf  Schnitten  nicht  unterschei- 
den lassen. 

Die  Spiral  falte  setzt  sich  über 
die  ganze  Länge  des  Darmes  bis 
etwa  in  die  Gegend  fort,  wo  die 
Genitalorgane  enden  (bei  3,  Fig.  162). 
Sie  besteht  aus  einer  longitudinalen  Einstülpung  (s,  Fig.  187)  der 
Schleimhallt,  die  mit  Bindegewebe  erfüllt  ist,  in  welchem  zwei  Gefäss- 
stämme    verlaufen,    die    Darmarterie    und    eine    Vene,    welche    sich   als 


Petrotn.  JJur.  —  Centi'altheil  eines  durch 
die  Mitte  der  Bauchhöhle  i;eleöten  Quer- 
schnittes. Verick,  Oc.  1,  Ohj.  0. 
Camera  lucida.  c,  e,  7,  /',  /,  /.',  wie  in 
der  vorhergehenden  Figur.  Ausserdem : 
/,  Scheide  des  Rückeucanales ;  in,  Fett- 
körper der  Nierenleisten  ;  ?;,  Xiere ;  o, 
Eierstock  ;  ;;,  Bauchwand  ;  «7,  Peritoneal- 
höhle ;   /•,  Darm;  s,  Spiralfalte. 


448 


Wirbelthiere. 


Pfortader  in  der  Leber  verzweigt.  Durch  das  Bindegewebe  und  die 
Zweige  dieser  Gefässe  ist  die  Falte  in  den  Leberfalz  eingeheftet  und 
zeigt  sich  auf  diesem  Verlaufe  ziemlich  einfach  mit  nur  schwachen 
Zotten  auf  ihrem  Umfange.  Sobald  aber  der  Darm  die  Leber  verlassen 
hat,  schwillt  die  nun  auf  der  Bauchseite  gelegene  Falte  bedeutend  an  •, 
die  Auskerbungen  werden  lange,  zottenartige  Falten,  wie  sich  die- 
selben auch    auf  der   übrigen  Darraschleimhnut   zeigen,   und  nach   und 

Fiff.  188. 


Pelroin.  fnr.  —  Davch  das  Ende  der  Bauchhöhle  gelegter  Querschnitt.  Verick, 
Oc.  1,  Obj.  0.  Camera  Inc'ula.  «,  6,  o,  e,  9,  h,  i,  Je  wie  in  Fig.  186.  Ausserdem: 
/,  durchschnittene  Strahlen  der  Rückenflosse;  m,  Flossenmuskeln;  ?i,  Bindegewehe  um 
die  Nierenvene;  o,  Fettkörper  der  Niere;  ;),  Harnleiter ;  (7,  Peritonealhöhle ;  r,  Rectum. 


nach  wird  die  Spiralfalte  so  mächtig,  dass  sie  fast  die  Höhle  des  Darmes 
ausfüllt  (Fig.  187).  Alle  diese  Zottenfalten  sind,  wie  diejenigen  des 
Darmes,  mit  einem  hohen  Cylinderepithelium  ausgekleidet,  dessen  ab- 
gestutzte   Zellen    sehr   kurze    und  feine  Wimpern  tragen.      Im   Binde- 


Cyclostnmen.  449 

gewebe  der  Zottenfalten  zeigen  sich,  ausser  den  Gefässen,  zahlreiche 
Lacunen,  die  wahrscheinlich  dem   Lymphsysteme  angehören. 

Die  Spiralfalte  sinkt  bei  der  Annäherung  an  das  Rectum  allmäh- 
lich zurück  und  in  seinem  x\nfauge  zeigt  dieser  Darmtheil  einen  kreis- 
förmigen Durchschnitt  mit  niedrigen,  radartig  gestellten  Falten  im 
Umkreise,  die  ebenfalls  nach  und  nach    sich  ausgleichen  (/•,  Fig.  188). 

Wir  besprechen  das  Ende  des  Rectums ,  das  man  auch  Cloake 
nennen  könnte,  zusammen  mit  den  Ausfübrungsgängen  für  die  Harn- 
und  Geschlechtsproducte. 

Nebenorgane.  —  Ausser  den  angegebenen  Follikeln,  die  als 
Milz  angesprochen  werden,  finden  sich  noch  zwei  dem  Davmsysteme 
angehörige  Drüsen,  die  Speicheldrüsen  und  die  Leber.  Bei  jungen 
oder  in  der  Verwandlung  begriffenen  Thieren  findet  man  noch  auf  der 
ventralen  Seite  des  Kiemenkorbes  in  Rückbildung  begriffene  Follikel 
('»,  Fig.  185),  Reste  der  grossen  Schilddrüse  (Glandula  ilujreoklea)  des 
Querders;  aber  diese  Follikel  verschwinden  gänzlich  bei  fernerem 
Wachsthum. 

Die  Speicheldrüse  liegt  an  dem  unteren  Rande  der  Augen- 
höhle und  ist  hier  gänzlich  von  dem  musc.  hasilaris  (Xr.  14  Für- 
bringer's)  umhüllt.  Man  findet  sie  leicht  auf  Schnitten.  ,,Es  ist", 
sagt  Fürbringer,  „ein  im  Ganzen  eiförmiger  Drüsenkörper  mit  lap- 
piger Oberfläche,  dessen  Centraltheil  oben  und  unten  nur  von  der 
Fascie  des  Basilai-is  umhüllt  wird.  Der  Ausführungsgang  der  Drüse 
läuft  direct  nach  vorn  und  durchbohrt  endlich  die  Fascie ,  um  seinen 
Weg  auf  der  Aussenfläche  des  vorderen  Theiles  des  Basilaris  fortzu- 
setzen. Er  mündet  in  die  Mundhöhle  auf  einem  kleinen  Wärzchen, 
das  ausserhalb  und  ventralwärts  vom  unteren  Zungenlappen  an  dem 
vorderen  unteren  Rande  des  Ringknorpels  sich  findet." 

Die  LebeT  (/,  Fig.  162;  y,  Fig.  163)  ist  eine  voluminöse  Drüse, 
welche  fast  gänzlich  den  vorderen  Abschnitt  der  Bauchhöhle  einnimmt. 
Man  kann  ihre  Gestalt  derjenigen  einer  sehr  dickwandigen  Düte  ver- 
gleichen ,  deren  seitliche  und  ventrale  Flächen  der  Bauchwand  an- 
gepasst  sind,  während  die  Rückenfläche  sich  um  den  Darm  herumschlägt, 
den  sie  anfangs  gänzlich  einhüllt.  Das  Vorderende  zeigt  einen  tiefen, 
rundlichen  Eindruck,  da  es  sich  dicht  an  die  Hinterspitze  des  Herz- 
beutels anlegt,  an  welchem  der  Rand  des  Eindruckes  durch  eine  Pei'i- 
tonealfalte  angeheftet  ist.  Das  Peritoneum,  das  die  Leber  einhüllt,  ist 
äusserst  fein,  verdickt  sich  aber  bedeutend  im  ersten  Drittel  der  Bauch- 
fläche, wo  es  in  Form  eines  Längsbandes  auf  das  Blatt  übergeht,  welches 
die  Bauchwände  überzieht.  Auf  der  Rückenfläche  ist  die  Leber  eben- 
falls im  Grunde  der  den  Darm  umgebenden  Rinne  an  den  Darm  durch 
einen  dem  Laufe  der  Spiralfalte  verlaufenden  Falz  des  Bauchfelles  an- 
geheftet, durch  welchen  die  Gefässe  übergeleitet  werden. 

Vogt  u.  Yung,    prakt.  rergl.  Anatomie.     II.  oq 


450  Wirbelthiere. 

Die  innere  Structur  der  Leber  ist  nicht  völlig  aufgeklärt.  Sie 
zeigt  ein  compactes  Gewebe,  das  aus  grossen ,  gelbröthlichen ,  mit  Fett 
gefüllten  Zellen  besteht.  Diese  Zellen  sind  deutlich  gegen  einander 
abgegrenzt;  in  der  von  ihnen  gebildeten  Masse  sieht  man  Lacunen 
und  verzweigte  Räume,  die  Blutgefässen  angehören.  Gallengänge,  die 
gänzlich  fehlen ,  lassen  sich  in  diesen  Lacunen  nicht  erkennen.  So 
wenig  als  die  übrigen  Forscher  und  zuletzt  noch  Schneider  (s.  Lit.) 
haben  wir  Gallengänge  oder  eine  Gallenblase  entdecken  können ,  die 
doch  beim  Querder  leicht  zu  sehen  sind.  Man  sieht  an  ihrer  Statt  nur 
Züge  von  Bindegewebe.  Die  Hohlräume  convergiren  theils  gegen  die 
Lebervene,  theils  gegen  die  Spiralfalte  des  Darmes,  in  deren  Gefässe 
sie  deutlich  übertreten.  Schneider  hat  nachgewiesen,  dass  die  Falten 
der  Darmschleimhaut  häufig  gelb  gefärbt  sind;  wir  haben  diese  Farbe 
constant  in  den  Zellen  der  Spiralfalte  gesehen.  Es  scheint  also,  dass 
der  Inhalt  der  Leberzellen  mittelst  doppelter  Transfusion  durch  die  Blut- 
gefässe in  den  Darm  übergeleitet  wird  und  dass  man  demnach  bei 
der  erwachsenen  Lamprete  nicht  von  einer  wahren  Gallensecretion  reden 
kann.  Nichtsdestoweniger  ist  die  Drüse  voluminös  und  zeigt  keine 
sonstigen  Spuren  von  Rückbildung.  Oeffnungen  von  Gallencanälen 
in  den  Darm  haben  wir,  wie  Schneider,  vergeblich  unter  dem 
Mikroskope  gesucht. 

Athemorgane.  —  Dieselben  nehmen  einen  bedeutenden  Theil 
des  Körpers  ein,  vom  hinteren  Augenhöhlenrande  bis  zum  Anfange  der 
Bauchhöhle.  Sie  verdecken  von  den  Seiten  her  vorn  die  Ohrkapsel 
und  hinten  den  Herzbeutel  und  bestehen  aus  zwei  integrirenden 
Theilen,  den  sieben  Paaren  von  Kiemensäckeu  mit  ihren  fest  auf  einer 
horizontalen  Linie  gelegenen,  äusseren  Kiemenlöchern  {Spiracida)  und 
dem  inneren,  medianen  Wassergange  mit  sieben  Paaren  knopfloch- 
förmiger  Wasserlöcher  (Oscula),  durch  welche  die  Kiemensäcke  in  den 
Wassergang  münden.  Das  Thier  athmet  meist  und  besonders  dann, 
wenn  es  angesaugt  ist,  in  der  Weise,  dass  es  abwechselnd  das  Wasser 
durch  die  Kiemenlöcher  einzieht  und  austreibt.  Der  Austausch  der 
Gase  findet  in  den  Kiemensäcken  statt. 

Der  Wassergang  (p,  Fig.  163;  l,  Fig.  174)  ist  ein  gerader, 
geräumiger  Canal,  der  mitten  im  Halse  zwischen  dem  Schlünde  oben 
und  der  Kiemenarterie  unten  nach  hinten  verläuft.  Sein  S.  445  be- 
schriebener Eingang  trägt  einen  eigenthümlichen  Reusenapparat,  der 
mit  einem  fast  vollständigen  Knorpelringe  umgeben  ist,  von  welchem 
fünf  lange,  dünne  Spitzen  ausgehen,  eine  ventrale,  mittlere  und  ein 
Paar  Gabelspitzen  jederseits.  Mit  ihren  convergirenden  Enden  sind 
diese  Zinken  nach  vorn  gerichtet  und  bilden  so  eine  Reuse,  die  sich 
dem  Eindringen  von  Körpern  aus  dem  Schlünde  her  widersetzt.  Die 
Zinken   haben   einen   dünnen  Knorpelfaden   als   Kern,  der  von  Binde- 


Cjclostomen,  451 

gewebe  umgeben  ist,  welchem  sich  an  der  Basis  gegen  den  Ring  hin 
Muskelfasern  zugesellen.  Das  zweischichtige  Pflasterepithelium  des 
Wasserganges  setzt  sich  über  diese  beweglichen  Reusenzinken  fort; 
wir  haben  keine  Wimpern  darauf  sehen  können.  Die  von  uns  zu 
Rathe  gezogenen  Autoren  sagen  nichts  über  die  charakteristischen 
Eigeuthümlichkeiten  dieser  Reuse,  von  der  wir  wegen  der  Kleinheit 
unserer  Zeichnung  nur  eine  Zinke  abbilden  konnten  (Fig.  163). 

Hinter  diesem  Apparate  zieht  der  Wassergang  als  gerader  Canal 
bis  zum  Herzbeutel  fort,  wo  er  mit  einem  abgeplatteten  Ende  blind 
abschliesst.  Auf  Sagittalschnitten  (Fig.  163)  sieht  man  auf  einer  Seite 
die  sieben  knopflochartigen  Wasserlöcher,  deren  grosse  Axe  senkrecht 
steht  und  die  ebenso  viel  Löchern  der  anderen  Seite  entsprechen.  Sie 
sind  von  etwas  verdickten  Lippen  umgeben,  in  welchen  wir  aber  nur 
Bindegewebe  und  keine  Muskelfasern  sehen  konnten  und  führen  un- 
mittelbar in  die  Höhle  der  Kiemensäcke,  Auf  Querschnitten  (Fig.  174) 
kann  man  die  Oeffnungen  (p^)  sehen,  welche  aus  dem  Räume  des 
Wasserganges  (?)  seitlich  in  die  Höhle  der  Kiemensäcke  führen. 

Die  Kiemensäcke  (Fig.  189  a.  f.  S.)  zeigen  eine  ziemlich  coni- 
plicirte  Bildung.  Sie  werden  vollständig  durch  Scheidewände  von  ein- 
ander getrennt,  mit  welchen  sie  an  ihrem  inneren  Boden  und  im  Um- 
kreise der  beiden  Oeffnungen,  der  äusseren  Kiemenlöcher  und  der  inneren 
Wasserlöcher,  zusammenhängen.  Die  Scheidewände  bilden  so  jederseits 
eine  Reihe  von  sieben  hermetisch  geschlossenen  Säcken  um  die  eigent- 
lichen Kiemensäcke.  In  dem  Räume  zwischen  den  Scheidewänden  und 
den  Säcken  findet  sich  eine  schleimige  Flüssigkeit ,  wahrscheinlich 
Lymphe,  die  durch  Weingeist  zu  einer  körnig  gelblichen  Masse  gerinnt. 

Die  Athemsäcke  sind  bedeutend  abgeplattet  und  im  Ganzen  von 
innen  und  vorn  nach  hinten  und  aussen  gerichtet.  Man  sieht  sie  wie 
dicke  Doppelziegel  über  einander  geschichtet,  sobald  man  die  Tegu- 
mente  abgenommen  und  die  Scheidewände  geöffnet  hat;  die  Kiemen- 
löcher finden  sich  auf  dem  Gipfel  der  Säcke ,  deren  Aussenrand  nach 
Maassgabe  der  sie  einhüllenden  Körperwände  gewölbt  ist.  Auf  Sagittal- 
schnitten (Fig.  189)  im  Niveau  der  Kiemenarterie  sieht  man  dieselbe 
Dachziegelstellung  der  Säcke.  Die  inneren  Wasserlöcher  finden  sich 
zu  beiden  Seiten  des  Wasserganges,  und  wenn  man  diesen  auf  den 
Sagittalschnitten  entfernt,  so  sieht  man  sie  in  einer  Linie  dorsal- 
wärts  über  der  Kiemenarterie  auf  dem  Gipfel  der  Spitzbögen,  welche 
den  Innenrand  der  Säcke  bilden. 

Oeffnet  man  einen  Kiemensack  an  seinem  inneren  Rande  und  biegt 
man  eine  der  Wände  zurück,  so  sieht  man  etwa  zwanzig  innere, 
gegen  die  Höhle  vorspringende  Falten  (?",  Fig.  189),  welche  einestheils 
gegen  das  innere  Wasserloch,  sowie  anderentheils  gegen  das  Kiemen- 
loch hin  convergiren ,  sich  aber  an  letzterem  grösstentheils  an  eine 
erhabene,   senkrechte  Leiste  ansetzen,   an  deren  Ende  das  Kiemenloch 

29* 


452 


Wirbeltiiiere. 


steht.     Diese  Hauptfalten   sind    beiderseits   an    die   Wände   des   Sackes 

angeheftet;   ihr   freier   Rand   springt   in    die  Höhle   des  Sackes  vor  (k). 

Dem  freien  Auge,  wie  unter  schwachen  Lupen  erscheint  die  Oberfläche 

Fig.  189.    :  der  Hauptfalten  glatt;   bei 

stärkeren  Vergrösserungen 

sieht     man     aber     kleine, 

parallele,  senkrecht  zur  Axe 

der     Hauptfalte     stehende 

Nebenfalten ,    so    dass   auf 


Pefrom.  ßvv.  —  Fortsetzung  des 
in  Fig.  163  abgebildeten  Präpa- 
rates, um  den  Kiemenapparat  zu 
zeigen.  Man  hat  auf  dem  Sa- 
gittalschnitte  den  Oesophagus, 
den  Wassergang  und  den  Zun- 
genstempel weggenommen ,  um 
die  Kiemenarterie  und  die  Kie- 
mensäcke bloss  zu  legen,  und  von 
dem  Herzen  so  viel  weggenom- 
men, als  n'öthig,  um  den  Arterien- 
buH)us  und  die  Communication 
zwischen  Ventrikel  und  Vorkam- 
mer zu  zeigen.  Man  sieht  die 
Innenseite  der  linken  Kiemen- 
sackreihe.  An  den  vier  ersten 
Kiemensäcken  wurde  die  Faser- 
hülle der  ventralen  Wand  be- 
lassen ;  der  fünfte  Sack  wurde 
der  Länge  nach  geöffnet ,  der 
sechste  quer  abgenommen.  Der 
siebente  Sack  ist  fast  gänzlich 
vom  Herzbeutel  bedeckt,  a,  Mund- 
höhle ;  /;,  Vorderende  des  Zungen- 
stempels; c,  von  dem  weggenom- 
menen Zungenstempel  besetzte 
Kinne ;  (/,  erste  Kiemenscheide- 
wand ;  e,  Wasserloch  des  Kiemen- 
sackes, in  den  Wassergang  füh- 
rend ;  e^ ,  von  der  Hülle  des 
Zungenstempels  bedeckter  Theil  der  Kiemensäcke ;  /,  Ende  des  linken  Gabelzweiges 
der  Kiemenarterie  ;  f^,  rechter  Gabelzweig,  abgeschnitten;  f^,  gemeinschaftlicher  Stamm 
der  Kieraenarterie;  9,  Bauchscheidewand  des  Kiemenapparates ;  h,  Tegument;  i,  fünfter 
Kiemensack,  geöffnet ;  h,  sechster  Sack,  angeschnitten ;  /,  siebenter  Sack,  grösstentheils 
durch  den  Herzbeutel  m  bedeckt;  n,  Bulbus;  o,  Herztheil  des  Bulbus;  p,  Vorkammer; 
q,  Vorderende  der  Leber;  q^,  den  Schlund  umfassender  Leberlappen;  r,  Nasensack; 
s,  Hirn ;  s^,  Rückenmark ;  t,  Seitenmuskel ;  11,  Scheidewände  zwischen  den  Kiemen- 
säc.ken ;  v,  Aorta ;  20,  Chorda ;  x,  Wasserloch  des  vierten  Sackes ;  «/,  abgeschnittener 
Oesophagus ;  1/^,  aus  der  Leber  hervortretender  Darm ,  abgeschnitten ;  2,  dorsaler 
Theil    der    Vorkammer;    1,    Eintritt    der    Hohlvene    in    den    Herzbeutel;    2,    unpaare 

Jugularvene. 


Cyclostomen.  453 

Quersclinitten  (Fig.  170  ^;  Fig.  174)    das  Ganze   sich    wie   eine  Feder 
mit  kurzen  Barteln  ausnimmt. 

Jede  Haupt-  und  Nebenfalte  zeigt  im  Inneren  einen  mit  Binde- 
gewebe erfüllten  Raum ,  in  welchem  die  Gefässe  und  in  den  Neben- 
falten die  Capillaren  verlaufen.  Man  kann  demnach  jeden  Sack  für 
eine  doppelt  gefaltete  Schleimhaut  ansehen,  die  zwei  Oeffnuugen  zeigt, 
das  äussere  Kiemenloch  hinten,  das  innere  Wasserloch  vorn. 

Die  die  Kiemensäcke  trennenden  Scheidewände  (u.  Fig.  189)  sind 
aussen  an  die  Haut  und  innen  an  eine  verticale  Sehnenhaut  befestigt, 
welche  die  beiden  Reihen  trennt.  Die  Scheidewände  sind  doppelt;  sie 
sind  fest  an  die  beiden  Oeffnungen  angeheftet  und  zeigen  noch  eine 
innere  Duplicatur,  welche  von  der  ventralen  Anheftungslinie  ausgeht 
und  sich  an  den  Sack  etwa  in  der  Mitte  seiner  Hinterfläche  ansetzt. 
In  den  Zwischenräumen  der  Scheidewände  verlaufen  die  Gefässstämme, 
die  von  der  Kiemenarterie  kommen  und  zu  der  Aorta  gehen.  Die 
Aeste  dieser  Gefässe  gehen  in  die  Hauptfalten,  wie  dies  in  dem  Ab- 
schnitte über  den  Kreislauf  näher  beschrieben  werden  soll. 

Das  Epithelium  der  Kiemensäcke  zeigt  zwei  Formen.  Auf  den 
Haupt-  und  Nebeufalten  finden  sich  zuweilen  mehrschichtige  Pflaster- 
zellen, deren  unterste  Schicht  abgerundete  Bläschenform  zeigt.  Zwischen 
den  Falten  und  auf  den  nicht  gefalteten  Oberflächen  ist  ein  mehx'- 
schichtiges  Epithelium  ausgebildet,  dessen  basale  Schicht  aus  runden 
Zellen  mit  grossen  Kernen  besteht;  die  Mittelschicht  zeigt  Cylinder- 
zellen  mit  basalen  Kernen,  deren  gegen  die  Höhlung  des  Sackes  gerich- 
tete spitze  Enden  sich  oft  so  zusammenstellen,  dass  man  eine  Drüse 
zu  sehen  glaubt.  Diese  Cylinderzellen  sind  mit  durchsichtigem 
Schleime  gefüllt.  Kleine  Körnchenzellen  bedecken  stellenweise  diese 
Cylinderzellen. 

Die  Muskeln  des  Kiemenapparates  bestehen,  wie  die  der  Augen, 
grösstentheils  aus  Hohlfasern.  Schreitet  man  von  aussen  nach  innen 
vor,  so  findet  man  zuerst  einen  Schliessmuskel  des  Kiemenloches,  der 
dieses  kreisförmig  umgiebt  und  sich  theils  an  das  Unterhautgewebe, 
theils  an  die  benachbarten  Knorpel  ansetzt.  Er  schliesst  das  Kiemen- 
loch, das  wohl  durch  den  umgebenden  Knorpelring  in  Folge  seiner 
Elasticität  geöff'net  wird.  Auf  den  Säcken  verläuft  ein  äusserer,  aus 
zwei  Schichten  bestehender  Zusammenzieher,  unter  welchem  noch  wenig 
differenzirte ,  contractile  Fasern  liegen;  in  der  Haut  des  Sackes  selbst 
liegt  ein  besonderer,  sehr  dünner  Zusammenzieher,  und  endlich  findet 
man  eine  Schicht  verticaler  Fasern,  die  man  den  Adductor  genannt 
hat.  Alle  diese  Muskeln  setzen  sich  entweder  an  die  Knorpelleisten 
des  Kiemenkorbes  oder  au  die  Scheidewände  der  Kiemensäcke;  die 
Muskeln  des  ersten  Kiemensackes  setzen  sich  an  den  Hyomandibular- 
fortsatz  des  Schädels,  die  des  letzten  an  den  knorpeligen  Herz- 
beutel. 


454  Wirbelthiere. 

Nieren  (o,  Fig.  162;  m,  n,  Fig.  187).  —  Das  Harnsystem  der 
Cyclostomen  steht  nicht,  wie  bei  den  übrigen  Wirbelthieren,  in  Verbin- 
dung mit  den  Geschlechtsorganen;  es  ist  durchaus  selbständig. 

Bei  der  erwachsenen  Lamprete  findet  man  in  der  ganzen  Länge 
der  Bauchhöhle  zwei  den  Wänden  dieser  Hülle  anliegende  weisse 
Längsleisten,  welche  mit  ihrem  oberen  Rande  an  die  Bauchseite  der 
Chordascheide  angeheftet  sind.  In  ihrem  vorderen  Theile  sind  diese 
Leisten  sehr  gering,  fast  fadenartig;  sie  werden  aber  in  der  hinteren 
Hälfte  der  Bauchhöhle  breiter  und  umfassen  hier  (o,  Fig.  162)  das 
Geschlechtsorgan.  Ganz  nach  vorn  sind  sie  oft  auf  einen  kaum 
erhabenen,  aus  grossmaschigem  Bindegewebe  bestehenden  Faden  redu- 
cirt.  Dieser  Faden  setzt  sich  bis  zu  dem  Hinterende  des  Herzbeutels 
fort,  wo  sich  noch  eine  kleine  Höhle  mit  einigen  der  Chorda  anhän- 
genden Flocken  zeigt  {m,  Fig.  186),  die  letzten  Reste  der  Vorniere, 
die  bei  dem  Querder  noch  vorhanden  ist,  aber  nach  der  Metamorphose 
allmählich  eingeht.  Der  freie  Bauchrand  der  Nierenleiste  ist  etwas 
verdickt  und  aus  dem  vorn  geschlossenen  Wolf f  sehen  Gange  ge- 
bildet, welcher  sich  als  offener  Ureter  in  der  einzig  entwickelten 
Urniere   erhält,  welche  die  hintere  Hälfte  der  Nierenleiste  einnimmt. 

Hier  zeigen  sich ,  am  freien  Bauchrande  der  Leiste ,  die  vielfach 
gewundenen  Nierenc anale,  auf  deren  Durchschnitten  man  leicht 
die  inneren  Höhlungen  sieht,  die  mit  einem  cylindrischen  Wimperendo- 
thelium  ausgekleidet  sind.  Diese  Nierencanälchen  münden  in  den 
Harnleiter,  der  den  Rand  der  Leiste  einnimmt  und  in  der  Anal- 
gegend, wo  die  Nierencanälchen  verschwinden,  allein  überbleibt. .  Der 
Ureter  ist  hier  ziemlich  geräumig  und  zeigt  auf  Querschnitten 
(p,  Fig.  188)  ein  mächtiges,  hohes  Cylinderepithelium. 

Der  Harnleiter  mit  den  ihn  umgebenden  Nierencanälchen  nimmt 
nur  einen  kleinen  Theil  der  an  die  Chorda  angehefteten  Nierenleiste 
ein,  die  aus  grossen  Fettzellen  besteht.  Auf  Schnitten  (Fig.  186) 
zeigt  dieses  Gewebe  ein  grossmaschiges  Netzwerk.  Der  Canälchen 
führende  Theil  entspricht  der  Primordial-  oder  Urniere,  die  bei  den 
höheren  Wirbelthieren  nur  während  des  Embryonallebens  vorhanden 
ist  und  später  der  definitiven  Niere  Platz  macht,  während  sie  bei 
Fischen  z.  B.  zeitlebens  in  Function  bleibt. 

Im  hinteren  Theile  der  Bauchhöhle  nähern  sich  die  Harnleiter 
und  dringen  in  den  Afterpfropf  ein ,  wo  sie  mit  dem  Darmende  und 
den  Peritonealcanälen  später  zu  beschreibende  Verbindungen  eingehen. 
Bis  zu  diesem  Eintritte  in  den  Afterpfropf  sind  die  Leisten  mit  dem 
Harnleiter  und  den  Nierencanälchen  von  einer  dünnen  Peritonealhülle 
umgeben,  die  sich  nach  innen  auf  die  Genitalorgane,  so  weit  sich  diese 
erstrecken  (Fig.  187),  nach  aussen  auf  die  Bauchwand  fortsetzt 
(Fig.  188)  und  so  die  Bauchhöhle  abgrenzt  (q,  Fig.  189).  In  der  hin- 
teren  Erstreckung   der   Leisten ,    wo   die   Geschlechtsorgane    aufgehört 


Cyclostomen.  455 

haben,   sielit  man  einige  Fadeubrücken  des  Peritoneums  (r,  Fig.  162), 
welche  zum  Darme  hioüberleiten  und  Gefässe  enthalten. 

Geschlechtsorgane  (n,  Fig.  162;  o,  Fig.  187).  —  Die  Ge- 
schlechter sind  getrennt;  man  hat  niemals  einen  normalen  Hermaphro- 
ditismus ähnlich  wie  bei  den  Myxinen  gefunden.  Aber  die  Organe  sind 
bei  beiden  Geschlechtern  genau  in  derselben  Form  ausgebildet,  und  so 
lange  die  Producte  nicht  vollständig  entwickelt  sind,  kann  man  Männ- 
chen und  Weibchen  nur  durch  mikroskopische  Untersuchung  unter- 
scheiden. Gegen  die  Reifezeit  hin  zeichnen  sich  die  Hoden  durch  ihre 
gleichraässig  weisse  Farbe  und  die  Eierstöcke  durch  die  in  ihrem  Pa- 
renchym  liegenden  Eier  aus.  Zur  Laichzeit  findet  man  die  Producte 
frei  in  der  Bauchhöhle. 

Das  Geschlechtsorgan  ist  einfach  und  sieht  einem  vielfach  gewun- 
denen, groben  Tuche  ähnlich,  das  längs  der  Bauchhöhle  an  der  Unter- 
fläche der  Aorta  durch  grossmaschiges  Bindegewebe  befestigt  ist.  Das 
Organ  beginnt  in  der  Nähe  des  Herzens  und  dringt  sogar  mit  seiner 
vorderen  Spitze  über  dasselbe  in  einen  Raum  zwischen  der  Chorda  und 
dem  Herzbeutel  vor  (r,  Fig.  163).  Es  entwickelt  sich  besonders  massig 
in  der  vorderen  Hälfte  der  Bauchhöhle,  wo  es  den  Darm  vollständig 
umhüllt  und  nur  das  Ende  der  Leber  frei  lässt.  Der  Darm  tritt  nur 
in  der  letzten  Hälfte  der  Bauchhöhle  hervor,  wo  das  Organ  allmählich 
schmächtiger  wird  und  mit  einer  abgestumpften  Spitze  in  der  Nähe 
des  Afterpfropfes  endet  (Fig.  1.62). 

Das  Organ,  mag  es  nun  Hoden  oder  Eierstock  sein,  wird  von  einer 
Peritonealfalte  umhüllt ,  von  welcher  aus  ziemlich  feste  Faserbündel 
sich  in  das  Innere  begeben.  Das  Organ  selbst  bildet  eine  Menge 
grober,  unregelmässiger  Falten,  die  von  rechts  nach  links  und  um- 
gekehrt über  die  Mittellinie  hinübergehen.  Auf  manchen  Durch- 
schnitten (Fig.  187)  erscheint  es  fast  symmetrisch  in  zwei  Hälften 
getheilt;  auf  anderen  sieht  man  quere  Massen,  welche  die  seitlichen 
Falten  vereinigen ,  deren  freier  Rand  zur  Umfassung  des  Darmes  aus- 
einander weicht.  Das  Stroma,  in  welches  die  Samen-  und  Eifollikel  ein- 
gebettet sind,  scheint  durchaus  faseriger  Natur  zu  sein. 

Es  existirt  keine  Spur  von  Ausführungsgängen.  Die  Producte 
werden  in  ähnlicher  Weise,  wie  bei  den  Salmonen  unter  den  Irischen, 
durch  Erweichung  der  sie  einschliessenden  Follikel  in  die  Bauchhöhle 
entleert. 

Der  Afterpfropf.  — Wir  nennen  so  die  Endportion  der  Bauch- 
höhle, in  welcher  sich  der  Enddarm  und  die  Canäle  befinden,  welche 
den  Urin  und  die  Geschlechtsproducte  nach  aussen  leiten. 

Oeffnet  man  die  Bauchhöhle  von  der  Seite  her  (Fig.  162),  so 
findet  man  an  ihrem  hinteren  Ende  eine  Verdickung,  vor  welcher  die 
Bauchhöhle  zu  enden  scheint.    Das  Bauchfell  scheint  in  dieser  Bildung, 


456 


Wirbelthiere. 


die  einem  Pfropfen  gleicht,  verdickt  (t,  Fig.  162).  Statt  eines  ein- 
fachen Pflasterepithels,  wie  es  das  Bauchfell  sonst  zeigt,  finden  sich 
hier  dicht  gedrängte  Cylinderzellen ,   welche  sich  noch  auf  das  Hinter- 


Fig.  190. 


c 

$m}--'  ^- - 

'WWW/""'"'  ^' 

C  D 

Petrom.  ßnv.  — •  Vier  Querschnitte  der  Aftergegend  von  vorn  nach  hinten  ,  nus  der- 
selben Serie.  In  A  hat  man  die  Anhei'tungen  des  Seitenmuskels  gezeichnet ,  die  in 
den  drei  anderen  Figuren  weggelassen  wurden.  Gundlach,  Oc.  1,  Obj.  1.  Cumera 
lucida.  a,  Insertionen  des  Seitenmuskels ;  b,  Sehnenhaut ,  an  welche  sich  dieselben 
festsetzen  (äusseres  Blatt  des  Peritoneums) ;  c,  Kaserband  des  Afterpfropfens  ;  d,  gross- 
maschiges  Bindegewebe;  e,  Fettgewebe;  /,  Peritonealcanäle ;  g,  Filzpfropf;  h,  Harn- 
leiter ;  h^,  Harnröhre ;  A^,  ürogenitalcanal ;  i,  Faserbündel ;  k,  Lymphraum  ;  l,  Lacunen 
um  die  Aftermasse;  m,  Rectum;  m^,  After;  n,  ventrales  Tegument;  o,  Urogenital- 
muskeln; p,  faserige  Hypodermis  ;   y,   Afterspalte;  7^,  deren  Lippen;  7^,  deren  Homer; 

r,  Urogenitalwarze. 


Cyclostomen.  457 

ende  des  Geschlechtsorganes  und  der  Nieren  erstrecken  und  auf  ihrem 
freien  Ende  sehr  kurze  und  feine  Wimpern  tragen. 

Der  Pfropf  selbst  besteht  aus  einem  dichten  Faserfilze,  in  welchem 
man  die  einzelnen  Canäle  kaum  mit  dem  Scalpell  verfolgen  kann. 
Reihen    von  Querschnitten  geben  den  besten  Aufschluss. 

Der  Afterpfropf  (g,  Fig.  190)  zeigt  auf  Schnitten  eine  feine  Tüpfe- 
lung  als  Ausdruck  der  durchschnittenen ,  verfilzten  Fasern.  Auf  der 
Rückenseite  ist  er  durch  ein  senkrechtes  Längsband  befestigt,  das  sich 
auf  Durchschnitten  als  ein  senkrechtes  Bündel  (c)  starker  Bindegewebs- 
fasern darstellt,  in  welchem  man  oft  mit  Fettzellen  ausgefüllte  Lücken- 
räume (t)  sieht.  Ein  Bündel  (/)  dieser  Fasern  steigt  jederseits  an  den 
Seiten  des  Pfropfens  herab  und  begrenzt  auf  diese  Weise  zwei  seitliche, 
anfangs  sehr  abgeplattete  Canäle  (/),  welche  Ausstülpungen  des  Bauch- 
felles sind.  Diese  P  eriton  eal  c  an  äle  liegen  anfangs  auf  beiden 
Seiten  des  Pfropfens.  Das  Blatt  des  Peritoneums,  welches  die  Wände 
der  Bauchhöhle  auskeidet  (b)  vind  an  welches  die  Sehnenfasern  des 
grossen  seitlichen  Körpermuskels  (e)  sich  anheften,  weicht  seitlich  von 
dem  Pfropfen  ab  und  bildet  so  einen  Lückenraum,  der  anfangs  mit 
grossmaschigem  Bindegewebe  erfüllt  ist  (d) ,  weiter  nach  hinten  aber 
vollkommen  leer  wird  (Je).  Dieser  Raum  mag  wohl  ein  Lj^mphraum 
sein,  der  nach  einigen  Forschern  mit  dem  Venensysteme  in  Zusammen- 
hang stehen  soll.  Wir  haben  indessen  niemals  Blutkörperchen  darin 
gesehen.  In  der  Mitte  des  Pfropfens  befinden  sich  die  beiden  Harn- 
leiter in  Form  seitlich  zusammengedrückter  Canäle.  An  die  Ventral- 
seite des  Pfropfens  ist  das  im  Durchschnitt  runde  Rectum  angeheftet, 
welches  innen  ein  gleichmässiges  Cylinderepithelium  zeigt  und  von 
einem  starken  Kreismuskel  umgeben  ist. 

So  ist  der  Pfropf  in  seinem  vorderen  Theile  gestaltet.  Aber  bei 
dem  weiteren  Verlaufe  der  Canäle  und  Räume  nach  hinten  treten 
Aenderungen  ein.  Die  beiden  Harnleiter  fliessen  zu  einer  einzigen, 
medianen  Harnröhre  (h^,  B)  zusammen,  deren  Durchschnitt  eine  selt- 
same Gestalt  zeigt;  die  beiden  Peritonealcanäle  (/)  werden  von  dem 
Pfropfen  umfasst;  gegen  das  Rectum  hin  zieht  sich  eine  tiefe  Falte  des 
Tegumentes,  die  After  spalte  (q)  und  um  den  Pfropfen  herum  ent- 
wickeln sich  die  Urogenitalmuskeln  (o) ,  die  einerseits  sich  an 
die  Seiten  des  Pfropfens,  anderseits  an  ein  Faserblatt  anheften,  welches 
sie  gegen  den  bedeutend  vei'grösserten  Lj^raphraum  (li)  abschliesst. 

Bei  weiterer  Fortsetzung  nach  hinten  nähern  sich  die  in  dem 
Pfropfen  eingeschlossenen  Canäle  und  schliesslich  fliessen  (C,  Fig.  190) 
die  beiden  Peritonealcanäle,  welche  die  Geschlechtsproducte  ausführen, 
mit  der  Urethra  zu  einem  einzigen  Gange,  dem  Urogenitalcanale  (/<-), 
zusammen,  der  anfangs  (C)  eine  sehr  sonderbare  Form  zeigt,  später 
aber  (Z>)  eine  einfache  Spalte  darstellt,  welche  auf  der  Rückenseite 
des  Afters  in  einem   verlängerten  Wärzchen  (r)  verläuft.     Dieses,   von 


458  Wirbelthiere. 

einigen  Autoren  sehr  unzweckraässiger  Weise,  da  es  bei  beiden  Ge- 
schlechtern entwickelt  ist,  „Penis"  genannte  Wärzchen  ist  von  den 
Lippen  der  Afterspalte  (q^)  eingeschlossen,  die  zwei,  auf  Durchschnitten 
hörnerartig  sich  darstellende  Falten  (q-)  bildet  und  dann  auf  der 
Mittellinie  des  Bauches  als  eine  zunehmend  seichter  werdende  Furche 
bis  zum  Anfange  der  unteren  Flosse  verläuft.  In  dieser  Gegend  (i>) 
ist  das  Filzgewebe  des  Pfropfens  gänzlich  geschwunden.  Die  Lippen 
der  Afterspalte  sind  mit  einer  an  einzelligen  Drüsen  sehr  reichen  Epi- 
dermis ausgekleidet. 

Wir  machen  hier  noch  einmal  auf  die  Bedeutung  der  Urogenital- 
muskeln aufmerksam.  Ihre  Fasern  sind  auf  allen  unseren  Schnitten 
zwischen  den  beiden  Membranen,  die  ihnen  zur  Anheftung  dienen, 
wellig  zusammengebogen.  Wir  können  sie  in  keiner  Weise  als  den 
Muskeln  der  Bauchflosse,  des  hinteren  Gliedmaassenrudimeutes  der 
Fische  homolog  ansehen.  Sie  dienen  ohne  Zweifel  zur  Erweiterung 
und  Verengerung  der  in  dem  Afterpfropfen  verlaufenden  Canäle  und 
der  grosse  Lymphraum,  der  sie  umgiebt,  gestattet  ihnen  ein  weites 
Spiel. 

Kreislauf.  —  Die  Untersuchung  dieses  Systemes  bietet  weit 
mehr  Schwierigkeiten,  als  bei  den  meisten  anderen  Wirbelthieren. 
Das  Blut,  welches  zahlreiche,  runde  und  abgeplattete  Körperchen  führt, 
gerinnt  ausserordentlich  leicht  und  verstopft  die  Gefässe.  Wenn  man 
den  Schwanz  einer  Lamprete  und  damit  die  doch  ziemlich  geräumigen 
Hauptgefässe ,  Aorta  und  Hohlvene,  durchschneidet,  in  die  man  eine 
ziemlich  weite  Canüle  einführen  kann ,  so  treten  kaum  einige  Tropfen 
Blut  aus.  Die  Injectionsmasse  dringt  wegen  der  Verstopfung  durch 
die  Blutgerinnsel  nicht  ein.  Dasselbe  geschieht,  wenn  man  durch  das 
Herz  oder  den  Bulbus  injiciren  will.  In  den  meisten  Fällen  muss  man 
demnach  die  Gefässe  aus  in  den  normalen  Richtungen  gelegten  Schnitten 
reconstruiren. 

Das  Herz  (Fig.  191)  ist  eng  von  dem  knorpeligen  Herzbeutel 
umschlossen,  der  nur  Oeffnungen  für  die  Gefässe  besitzt  und  die  Ge- 
stalt eines  Sackes  mit  nach  hinten  gerichteter  stumpfer  Spitze  hat. 
Die  Durchmesser  nach  den  drei  Normalrichtungen  sind  fast  gleich  und 
der  Herzbeutel  wird  so  vollständig  ausgefüllt,  dass  die  Grenzen  der 
drei  Haupttheile  des  Herzens,  Vorkammer,  Herzkammer  und  Arterien- 
bulbus,    ohne  weitere  Präparation  nur  undeutlich  wahrzunehmen  sind. 

Die  das  Blut  aus  dem  Körper  zum  Herzen  führenden  Venen  ver- 
einigen sich  in  einem  gemeinsamen  Venensinus  (ö,Fig.  192),  der  sich 
so  zwischen  Vorkammer  und  Kammer  einschiebt,  dass  er  nur  dann  sicht- 
bar wird,  wenn  man  nach  Wegnahme  des  Herzbeutels  die  Kammer  auf- 
hebt oder  noch  besser  sie  bis  zum  Ursprünge  des  Bulbus  abträgt.  Bei 
Weingeistexemplaren  sieht  man  den  Sinus  in  Gestalt  einer  sichel- 
förmigen  Haut,    da   er  stets    blutleer  und    seine   sehr  dünnen  Wände 


Cyclostomen. 


459 


an  einander  gepresst  sind.  Es  erhält  durch  zwei  grosse  Cuvier'sche 
Gänge  rechts  die  Cardinal-  und  Jugularvene  dieser  Seite,  links 
ebenfalls  zwei  Stämme,  von  welchen  aber  der  vordere  von  der  un- 
paaren  unteren  Jugularvene  und  der  hintere  durch  den  Zu- 
sammenfluss  der  Jugular-  und  Cardiualvene  gebildet  wird.  In 
letztere  mündet  kurz  vor  der  Vereinigung  die  Lebervene.  Der  Sinus 
mündet  durch  eine  dorsale  Ceutralöffnung,  die  von  zwei  horizontalen, 
häutigen  Klappen  begrenzt  wird,  in  die  Vorkammer.  Muskelfasern 
haben  wir  in  diesen  Klappen  nicht  sehen  können. 

Die  Vorkammer  {g,  Fig.  191)  legt  sich  an  die  Innenwand  des 
Herzbeutels  in  der  Weise  an,  dass  sie  mit  Ausnahme  der  Oberfläche 
rechterseits    alle   übrigen  Flächen    der  Herzkammer  bedeckt.     Weder 

Ficr,    191. 


>— fe^ 


Petrom.  ßin\  —  Das  Herz,  dreifach  vergrössert.  A,  im  Profil  von  der  rechten  Seite; 
/?,  von  der  Bauchseite,  a,  vom  letzten  Kiemensack  eingenommener  Raum ;  a^,  der 
letzte  Kiemensack,  angeschnitten  ;  J,  unpaare  Jugularvene ;  c,  mittlerer  Knorpelstreit" 
des  Kiemenkorbes;  d,  Herzbeutel;  e,  Arterienbulbus ;  6e,  die  Jugularvene  h  und  die 
Kiemenarterie  e  einhüllende,  stielartige  Bindegewebsmasse ;  he^,  Fortsetzung  derselben 
in  den  Raum  zwischen  der  Vorkammer  f  und  der  Herzkammer  g ;  /^,  Flügel  der 
Vorkammer;  //,   Eintritt   der  Cardinal-  und  Hohlvene;  i,  Darm;   h,  Leber. 


bei  ihr  noch  bei  der  Kammer  kann  von  einer  genau  begrenzten  Inuen- 
höhle  die  Rede  sein ;  beide  Kammern  sind  von  einem  wirren  Netze  von 
Muskelbündeln  durchzogen,  welche  auf  Durchschnitten  das  Bild  eines 
von  zahlreichen,  verzweigten  Canälea  durchsetzten  Schwammes  geben. 
Die  Voi'kammer  schlägt  sich  mit  einem  beträchtlicher  ausgehöhlten 
Zipfel  von  der  linken  Seite  her  auf  den  dorsalen  Theil  der  Kammer 
und  durch  diesen  Zipfel  geht  das  Blut  in  die  Kammer  ein.  An  der 
Anheftungsstelle  findet  sich  die  Atrioventricularklappe.  Wir  ge- 
stehen,   dass    wir    an    dieser    Klappe    keine    Abtheilung    in    begrenzte 


460  Wirbelthiere. 

Lappen  liabeu  wahrnehmen  können ;  die  Oeffnung  der  häutigen  Klappe 
zeigt  vielfache  Fransen,  an  welche  sich,  namentlich  von  der  Herz- 
kammer her,  zahlreiche  feine  Sehuenfäden  der  Miiskelbündel  im  Inneren 
anheften. 

Die  Herzkammer  {g, Fig. 191)  hat  die  Gestalt  einer  dreiseitigen 
Pyramide  mit  abgerundeten  Kanten,  deren  Basis  nach  vorn  gewendet 
ist.  Nur  mit  der  rechten  Seite  liegt  sie  dem  Herzbeutel  an ,  alle 
übrigen  Flächen  werden,  wie  gesagt,  von  der  Vorkammer  umfasst. 
Ihre  Masse  ist  noch  fleischiger  als  diejenige  der  Vorkammer;  die 
Muskefbündel  gedrängter,  die  sie  durchziehenden  Canäle  verwickelter. 
Doch  bemerkt  man,  dass  in  der  Nähe  des  tief  in  die  Herzkammer  ein- 
gelassenen Arterienbulbus  die  Muskelbündel  sich  in  der  Weise  zu- 
sammenstellen, dass  bedeutendere  Längsräume  entstehen,  welche  gegen 
die  Basis  des  Bulbus  convergiren.  Man  sieht  diese  Convergenz  be- 
sonders deutlich,  wenn  man  durch  einen  horizontalen  oder  sagittalen 
Schnitt  die  Kammer  bis  zur  Wurzel  des  Bulbus  abträgt. 

Der  Arterienbulbus  (e,  Fig.  191;  h,  Fig.  192)  tritt  in  der  Nähe 
der  vorderen  ventralen  Ecke  der  Kammer  aus  deren  Basis  hervor;  seine 
fleischige  Wurzel  ist  tief  in  die  Kammer  eingelassen.  Er  hat  die  Ge- 
stalt einer  Tulpenzwiebel,  deren  hinterer  Theil  noch  von  dem  Ventrikel 
umfasst  wird.  Er  unterscheidet  sich  sofort  durch  die  weissliche  Farbe 
seiner  dicken  Wände,  die  aussen  aus  sehr  dicht  gefilzten  Bindegewebs- 
fasern,  innen  aus  gelblichen,  gewellten,  elastischen  Fasern  gebildet 
sind.  An  die  fleischige  Wurzel  des  Bulbus  setzen  sich  von  allen  Seiten 
die  Muskelbündel  in  oben  beregter  Weise  an.  Die  Innenseite  ist  glatt, 
aber  an  der  Basis  und  zwar  an  der  Grenze  gegen  den  fleischigen  Theil 
finden  sich  zwei  häutige  Taschenventile ,  welche  gegen  die  Wand  an- 
gedrückt werden ,  wenn  das  Blut  aus  der  Kammer  ausgetrieben  wird, 
sich  aber  gegen  den  Rückfluss  stauen.  Bei  ihrer  höchsten  Ausdehnung 
lassen  die  freien  Ränder  dieser  Klappen  nur  eine  feine,  verticale  Spalte 
zwischen  sich,  wie  man  auf  Querschnitten  sehen  kann. 

Das  Herz  der  Lamprete  ist  demnach  nur  venös,  eine  in  den  vom 
Körper  kommenden  Blutstrom  eingesetzte  Muskelpumpe,  welche  nur 
ein  einziges  Ausgangsrohr,  die  Kiemenarterie,  als  Fortsetzung  des 
Bulbus,  besitzt. 

Kiemenkreislauf.  —  Die  Ki  em  en  arteri  e  (r,  Fig.  163; 
/,  Fig.  189;  l,  Fig.  192),  die  nur  eine  Fortsetzung  des  Bulbus  mit  ver- 
dünnten Wandungen  ist,  läuft  in  der  Mittellinie  des  Kiemenkorbes  nach 
vorn ,  zwischen  dem  dorsal  liegendön  Wassergange  und  dem  Zungen- 
stempel. In  der  Nähe  des  vierten  inneren  Wasserloches  gabelt  sich 
der  einfache  Stamm  in  zwei  Aeste ,  die  an  den  oberen  Seitenrändern 
des  Zungeustempels,  allmählich  von  einander  weichend,  bis  zu  der  Höhe 
des  ersten  Wasserloches  sich  verfolgen  lassen.  An  diesem  Punkte  an- 
gelangt,  endigen   die  beiden ,   durch    Abgabe   der  Kiemenzweige  stets 


Cyclostomen.  4ßl 

dünner  gewordenen  Aeste  in  der  Scheidewand,  welche  den  ersten  Sack 
umgiebt,  Ihre  horizontale  Fortsetzung  wird  durch  ein  dünnes  Faser- 
bündel angedeutet,  welches  sich  an  die  Schädelbasis  ansetzt,  aber  keine 
innere  Höhlung  besitzt. 

Der  gemeinsame  Stamm  giebt  im  iSiiveau  eines  jeden  der  drei 
letzten  Kiemensäcke  je  ein  Paar  Kiemen  zweige  ab,  welche  sich 
zu  den  Scheidewänden  dieser  Säcke  begeben.  Auf  einem  genau  die 
Mittelebene  einhaltenden  Sagittalschnitte  (Fig.  163)  sieht  man  die 
Oeffnungen  dieser  Zweige.  Die  Gabeläste  liefern  nur  je  einen  Zweig 
an  die  Säcke  ihrer  Seite ;  die  erste  dieser  Arterien  entspringt  hart 
an  der  Gabelung  und  begiebt  sich  zur  hinteren  Hälfte  der  Scheidewand 
des  vierten  Sackes. 

Alle  diese  Zweige,  mögen  sie  nun  von  dem  gemeinsamen  Stamme 
oder  den  Gabelästen  entspringen,  verhalten  sich  genau  in  derselben 
Weise.  An  den  Scheidewänden  imterhalb  der  Wasserlöcher  angelangt, 
laufen  sie  zu  den  unteren  Rändern  der  Kiemenblätter,  geben  einen 
kleinen  Zweig  in  die  oben  (S.  452)  beschriebene  Falte  zu  den  letzten 
Blättern  ab  und  setzen  ihren  Lauf  als  einfaches  Gefäss  längs  jedes 
Blattes  fort,  umgeben  von  einem  schwammigen  Gewebe  mit  Pigment- 
körnern. Aus  diesem  Schwammgewebe  entsteht  für  jede  Falte  eine 
kleine  Arterie,  die  längs  der  Basis  der  Falte  verläuft  und  sich  in  die 
Höhlungen  der  Secundärfältchen  öffnet,  welche  durch  häutige  Brücken 
Räume  bilden,  die  gerade  weit  genug  sind,  um  ein  Blutkörperchen 
durch  zu  lassen.  Das  schwammige  Höhlengewebe  der  Scheidewand  ist 
also  zwischen  die  zuführenden  Arterien  des  Sackes  und  das  Capillar- 
system  der  Kiemenfalten  eingeschaltet,  so  dass  diese  mit  ihren  An- 
heftungen gewissermaasseu  im  Blute  schwimmen. 

Aus  dem  Capillarsysteme  der  Kiemenfalten  sammeln  sich  kurze 
Gefässzweige,  welche  fast  unmittelbar  in  die  Venen  der  Kiemen  falten 
münden ,  die ,  auf  den  freien  Rändern  der  Falten  stets  geräumiger 
werdend,  von  aussen  nach  innen  laufen.  Diese  Venen  sammeln  sich  in 
gemeinsame  Stämme,  welche  in  der  Scheidewand  der  Säcke  verlaufen 
und  so  die  Venen  von  je  zwei  benachbarten  Säcken  in  sich  aufnehmen. 
Die  so  hergestellten  Kieme nvenen  münden  fast  unmittelbar  in  die 
ventrale  Wand  der  unter  der  Chorda  verlaufenden  Aorta. 

Die  vorderste  Kiemenvene,  welche  nur  von  der  vorderen  Scheide- 
wand des  ersten  Kiemensackes  Blut  aufnimmt,  commuuicirt  direct  mit 
der  Carotis  ihrer  Seite ;  bei  den  erwachsenen  Lampreten  bleibt  nur 
diese  Communication  von  mehreren,  aus  den  nächsten  Kiemensäcken 
kommenden  Venen  über,  die  nach  und  nach  schwinden. 

Man  findet  unter  den  senkrechten  Querschnitten,  die  zwischen 
zwei  Kiemensäcke  fallen,  häufig  welche,  auf  denen  sowohl  die  aus  der 
Kiemenarterie  entstehenden  Zweige  als  die  zur  Aorta  laufenden  Venen 
getroffen    sind.      Beide    Gefässe    umfassen    seitlich    ein    Mittelfeld ,    in 


462  Wirbelthiere. 

welchem  oben  der  Oesophagus ,  unten  der  Wassergang  ihre  Durch- 
schnitte zeigen.  Das  nach  oben  in  die  Aorta  mündende  Gabelgefäss, 
das  zahlreiche  Knopflöcher  zeigt,  welche  in  die  Venen  der  Kienien- 
falten  führen ,  liegt  unmittelbar  dem  Rande  des  Mittelfeldes  an ;  das 
aus  der  Kiemenarterie  entstehende  Gefäss  umfasst  das  Mittelfeld  gabel- 
förmig von  unten  her  und  liegt  nach  aussen  von  dem  anderen,  zwischen 
ihm  und  den  Kiemenbehältern.  Es  bildet  einen  weiten  Sinus  mit 
sehr  feinen  Wänden,  während  die  Wände  des  Aortengefässes  dick  und 
fest  sind. 

Arterieller  Kreislauf.  —  Wie  schon  gesagt,  setzt  sich  die 
Aorta  aus  allen  Kiemenvenen  zusammen,  die  so  nahe  an  der  Mittellinie 
in  sie  einmünden,  dass  durch  diese  Mündungen  gelegte  Schnitte  etwa 
das  Bild  einer  Wäschgabel  haben. 

Von  dem  hinteren  Ende  der  Occipitalplatte  des  Schädels  bis  zum 
Schwanzende  zieht  sich  die  Aorta  als  eine  gerade,  unmittelbar  unter 
der  Chorda  gelegene,  von  einer  dicken  Scheide  umgebene  Röhre  fort. 
Wenn  wir  topographisch  eine  vom  Herzen  bis  zum  Schädel  sich 
erstreckende  Kopfaorta  und  eine  im  Körper  hinter  dem  Kiemenkorbe 
verlaufende  Rückenaorta  unterscheiden  können,  so  müssen  wir  doch 
zugestehen,  dass  wir  in  diesem  gleichförmigen  Rohre  nicht  mit  Sicher- 
heit den  Punkt  anzugeben  vermögen ,  von  welchem  aus  der  nach  vorn 
gerichtete  Strom  sich  von  dem  nach  hinten  gehenden  scheidet.  Wahr- 
scheinlich befindet  sich  dieser  Punkt  weit  nach  vorn  im  vorderen  Drittel 
des  Kiemenkorbes ,  da  der  Kopftheil  weit  geringer  ist  als  der  übrige 
Körper,  der  mehr  Blut  beansprucht. 

Wie  dem  auch  sei,  so  liefert  die  Aorta  auf  ihrem  ganzen  Verlaufe 
von  ihrer  vorderen  Gabelung  bis  zum  Schwanzende  jederseits  dünne 
Zweige,  welche  in  den  Myocoramen  um  die  Chorda  und  das  Nerven- 
rohr herum  aufsteigen,  dem  Rückenmarke  und  dem  Füllgewebe  des 
Rückencanales  dünne  Aestchen  zuschicken  und  schliesslich  in  den 
Muskeln  und  der  Haut  sich  verzweigen.  Der  arterielle  Körperkreis- 
lauf ist  demnach  wesentlich  metamerisch. 

Der  Kopfkreislauf  ist  nicht  so  einfach.  Dem  Vorderende 
der  ersten  Kieme  und  dem  Drittel  der  Ohrkapsel  entsprechend ,  theilt 
sich  die  der  Ventralfläche  des  Skelettes  fest  anliegende  Aorta  (a,  Fig.  192) 
in  zwei  Aeste,  welche  zwischen  dem  spitzen  Ende  der  Chorda  und 
den  äusseren  Ecken  des  Nasengaumenganges  verlaufen  und  an  dem 
Chordaende  durch  einen  Quercanal  (d)  sich  so  verbinden,  dass  hier  ein 
vollständiger  Ring  geschlossen  wird.  Am  Gabelungspunkte  treten  die 
vordersten  Kiemen venen  ein;  aus  dem  Ca rotiden ringe  selbst  ent- 
springen jederseits  drei  Gefässe.  Am  weitesten  nach  hinten,  nahe  der 
Gabelung ,  tritt  ein  starker  Ast  (c)  aus ,  welcher  sich  nach  unten  be- 
giebt  und  in  dem  Zungenstempel  und   dessen  Umgebungen   verzweigt. 


Fiff.   192. 


Cyclostomen.  463 

Wir  neunen  diesen  Ast  die  ventrale  Carotis.     Mehr  nach  vorn  ent- 
springt von  dem  seitlichen  Bogen  zuerst  die  äussere  Carotis  (/)  und 

weiter  nach  vorn  die  innere  Ca- 
rotis (e)  jederseits.  Die  innere 
Carotis  verfolgt  ihren  Weg  zwischen 
der  Chordaspitze  und  der  Basilar- 
platte  des  Schädels,  dringt  an  deren 
Vorderende  in  die  Schädellücke  und 
die  Schädelhöhle  ein,  sendet  einen 
unbedeutenden  Zweig  in  die  Ohr- 
kapsel und  theilt  sich  dann  in  zwei 
Aeste,  einen  für  das  Auge  und  einen 
für  das  Gehirn  und  seine  Umge- 
bungen. An  der  vorderen  Ecke  der 
Ohrkapsel   nähert  sich    die    äussere 

Petrom.  fluv.  —  Etwas  vergrösserte,  sche- 
matisirte  Figur  zur  Veranschaulichung  des 
Kreislaufes.  Das  Thier  ist  von  der  Bauch- 
seite her  etwas  in  Dreiviertelstellung  ge- 
sehen, so  dass  man  zu  gleicher  Zeit  die 
etwas  nach  rechts  gezogenen ,  unpaaren, 
oberflächlichen  Gefässe ,  unpaare  Jugularis 
und  Kiemenarterie,  als  die  medianen ,  dor- 
salen Gefässe,  Aorta  und  Hohlvenen,  in 
der  Tiefe  sieht.  Mehrere  Organe,  wie  z.  B. 
Zungenstempel,Wassergang,  Oesophagus  etc., 
sind  weggenommen;  andere,  wie  Auge, 
Ohr,  Kiemensäcke,  Herz,  Leber,  Darm,  nur 
mit  Umrissen  bezeichnet ,  wie  wenn  sie 
durchsichtig  wären.  Am  dritten  und  vier- 
ten Kiemensacke  hat  man  die  Aorten- 
wurzeln, am  fünften  und  sechsten  die  Ver- 
zweigungen der  Kiemenarterie  angedeutet. 
Das  Aortensystem  ist  roth ,  das  Venen- 
s3-stem  quer  schraftirt ;  das  System  der 
Kiemenarterie  und  der  Pfortader  nur  mit 
Conturen  angegeben.  A,  Auge ;  0,  Ohr ; 
/>,  Darm ;  F.,  Leber.  1  bis  7  ,  die  sieben 
Kiemensäcke;  1^  bis  6^,  die  ihnen  ent- 
sprechenden Kiemenlöcher  in  der  zurück- 
geschlagenen Haut,  a,  Kopfaorta;  «1,  Rückenaorta;  b,  Kiemenwurzeln  der  Aorta; 
c,  ventrale  Carotis ,  durchschnitten ;  (Z,  Carotidenring ;  e,  innere  Carotis ;  /,  äussere 
Carotis ;  g,  Eingeweidearterie ;  h,  Vorkammer ;  i,  Herzkammer ;  k,  Arterienbulbus ; 
/,  Stamm  der  Kiemenarterie ;  m,  rechter  Ast  der  Kiemenarterie ;  w}^  linker  Ast ; 
m,  Kiemenäste  der  Arterie ;  o,  gemeinschaftlicher  Venensinus ;  p,  unpaare  Jugular- 
vene ;  p'-,  rechter  Gabelast  derselben ;  p^,  abgeschnittener  linker  Gabelast ;  q,  linke 
Cardinalvene ;  q^,  rechte  Cardinalvene,  deren  weiteren  Verlauf,  sowie  alle  Veräste- 
lungen der  Vene  man  der  Deutlichkeit  wegen  bei  Seite  gelassen  hat ;  r,  linke 
Hohlvene;  r'^,  rechte  Hohlvene;  s,  Lebervene;  t,  Pfortader. 


464  VVirbelthiere. 

Carotis  (/)  derart  der  inneren ,  dass  beide  Gelasse  nur  durch  eine 
dünne  Scheidewand  getrennt  scheinen;  aber  die  äussere  Carotis  dringt 
nicht  in  die  Schädelhöhle  ein,  sondern  theilt  sich  am  hinteren  Augen- 
winkel in  mehrere  Aeste,  von  welchen  zwei,  einer  oben,  einer  unten, 
sich  um  das  Auge  herumbiegen,  um  in  die  oberen  und  seitlichen  Theile 
des  Saugmundes  auszustrahlen ,  während  zwei  andere  sich  nach  unten 
wenden,  um  die  auf  der  ventralen  Seite  des  Saugmuudes  gelegenen 
Theile  und  den  Anfang  des  Zungenstempels  zu  versorgen. 

Der  Bauchabschnitt  der  Aorta  (a^)  versorgt  die  Eingeweide. 
Auf  der  Rückenseite  des  Herzens,  im  Niveau  des  gemeinsamen  Venen- 
sinus entspringt  aus  der  Aorta  ein  dicker  Stamm,  die  Eingeweide- 
arterie (g),  welche  fast  unmittelbar  in  den  von  dem  Darme  ein- 
genommenen Leberfalz  eintritt  und  sich  bald  in  zwei  Aeste  theilt,  von 
welchen  der  eine,  die  Leberarterie,  sich  in  der  Leber  verzweigt, 
während  der  andere,  die  Darmarterie,  in  die  Spiralfalte  des  Darmes 
eintritt.  Auf  allen  Durchschnitten  dieser  Gegend  (Fig.  187)  sieht  man 
das  Lumen  dieser  Arterie,  welche  dem  Darme  in  seiner  ganzen  Er- 
streckung folgt  und  im  hinteren  Drittel  desselben  einige  Zweige  ab- 
giebt,  die  sich  zur  Nierenleiste  begeben  und  so  das  hier  fehlende  Auf- 
hängeband des  Peritoneums  ersetzen  (3,  Fig.  162). 

Die  Arterien  der  Geschlechts-  und  Harnorgane  entstehen  stellen- 
weise aus  der  Aorta,  entsprechen  aber  nicht  den  Myocommen  und 
treten  unmittelbar  in  die  Peritonealfalten  ein,  an  welchen  diese  Organe 
hängen. 

Venöser  Kreislauf.  —  Man  kann  sagen,  dass  die  Venen  im 
Allgemeinen  die  Arterien  auf  ihrem  Verlaufe  begleiten.  So  findet 
man  überall  metamerische  Venen  in  Begleitung  der  Körjaerarterien 
und  im  Kopfe  ventrale,  äussere  und  innere  Jugularen  in  Begleitung 
der  gleichnamigen  Carotiden  und  deren  Verzweigungen.  Aber  in  der 
Hinterhauptsgegend  stellen  sich  Unterschiede  ein.  Wir  haben  in  der 
That  nicht  einen  dem  Carotidenring  ähnlichen  Jugularring  constatiren 
können;  der  verbindende  Quergang  fehlt  und  alle  erwähnten  Kopf- 
veneu  sammeln  sich  jederseits  in  den  Car  di  n  al  venen  (y;,(/^,  Fig.  192), 
welche  zu  beiden  Seiten  unmittelbar  an  der  Aorta  liegen  und  diese 
bis  zum  Herzen  begleiten.  Wie  alle  übrigen  Venen,  haben  auch  diese 
Hauptstämme  sehr  feine  Wandungen;  sie  erhalten  unzählige  Zweiglein 
aus  der  Umgebung.  Schneidet  man  eine  solche  Vene  auf,  so  erscheint 
ihre  Innenwand  kleinmaschig  gestrickt  von  den  Oeffnungeu  dieser 
Zweige.  Jede  Cardinalvene  begiebt  sich  in  der  angegebenen  Weise 
zu  der  Vorderecke  des  gemeinsamen  Venensinus  am  Herzen ;  aber  die 
Einmündung  hat  eine  solche  Richtung,  dass  sie  sich  unmittelbar  in 
die  beiden  Bauchhohlvenen  (r,  r^)  fortzusetzen  scheinen,  welche 
sich  zu   beiden  Seiten    der  Aorta  bis   zur  Aftergegeud  erhalten.     Hier, 


Cyclostomen.  465 

über  dem  After,  vereinigen  sich  die  seitlichen  Stämme  in  einen  ein- 
zigen Mittelstamm,  die  Schwanzhohlvene  (7j,  Fig.  188),  welche 
unmittelbar  unter  der  Aorta  verläuft,  die  metamerischen  Zweige  aus 
Muskeln  und  Haut  aufnimmt  und  von  einer  stärkeren ,  dem  mittleren 
Stützsysteme  angehörenden  Scheide  umgeben  ist. 

Ausser  diesen,  das  allgemeine  Körpersystem  darstellenden  Car- 
dinal- und  Hohlvenen  finden  sich  noch  drei  andere,  mehr  oder  minder 
unabhängige  Venenstämme. 

Der  erste  ist  die  unpaare  Jugularis  Q;).  Sie  entsteht  in  der 
Hinterhauptsgegend  aus  zwei  symmetrischen  Stämmen ,  von  welchen 
wir  nur  den  linken  (p^)  abgebildet,  den  rechten  (p^)  aber  nahe  an 
seinem  Abgange  abgeschnitten  haben.  Beide  Aeste  verlaufen  an  den 
Seiten  des  Zungenstempels  und  erhalten  von  diesem  Zweige ,  sowie 
einen  Ernährungsast  von  jedem  Kiemensacke,  den  sie  kreuzen.  Im 
Niveau  des  fünften  Sackes ,  etwas  hinter  der  Gabelung  der  Kiemen- 
arterie, fliessen  die  beiden  Aeste  in  einen  gemeinschaftlichen  Stamm  (jj) 
zusammen,  der  enge  an  der  Innenfläche  des  medianen  Knorpelstabes 
des  Kiemenkorbes  anliegt  und  mit  dem  Stamme  der  Kiemenarterie  von 
einem  dichten  Fasergewebe  eingehüllt  wird  (bc,  Fig.  191  JB).  So  ge- 
langt die  Vene  zur  vorderen  Herzfläche,  wo  sie  sich  nach  hinten 
schlägt,  um  direct,  aber  in  enger  Nähe  der  linken  Cardinalvene ,  in 
den  gemeinschaftlichen  Venensinus  einzumünden. 

Die  Lebervene  (s)  entsteht  aus  kleinen  Zweigen  des  Leber- 
gewebes und  bildet  einen  Stamm,  der  sich  zwar  in  die  linke  Hohlvene 
ergiesst,  aber  der  Mündung  derselben  in  den  gemeinschaftlichen  Sinus 
so  nahe  steht,  dass  die  Lebervene  direct  in  den  Sinus  zu  münden 
scheint. 

Wir  haben  auf  unserer  Zeichnung  die  Pfortader  (t)  nur  durch 
einige  durchaus  schematische  Striche  augedeutet.  Thatsächlich  ist 
diese  Vene  mit  der  Darmarterie  vollständig  in  der  Spiralfalte  des 
Darmes  eingeschlossen,  der  sie  auf  ihrer  ganzen  Länge  folgt,  um 
feinere  Darmvenen  aufzunehmen.  In  dem  Falze  der  Leber,  worin  der 
vordere  Darmabschnitt  steckt,  giebt  dann  die  Pfortader  bis  zu  ihrer 
Auflösung  Zweige  ab,  die  sich  in  der  Lebersubstanz  verästeln  und  sich 
dort  ganz  wie  Arterien  verhalten,  aus  deren  Capillarnetz  die  Leber- 
vene hervorgeht.  Dies  ist  übrigens  das  gewöhnliche  Verhalten  der 
Pfortader  bei  allen  Wirbelthieren. 

Ein  dem  Pfortadersysteme  ähnliches  Nierenvenensystem,  wie  man 
es  häufig  ausgebildet  findet,  existirt  nicht;  die  Nieren  verhalten  sich 
zum  Kreislauf  in  der  Weise  aller  übrigen  Organe. 

Ohne  Zweifel  existirt  ein  Lymphsystem.  Man  findet  in  der 
oberen  und  vorderen  Hälfte  des  Saugmundes,  um  den  Zungenstempel 
herum,  auf  der  Rückenseite  der  Kiemen  und  der  Nierenleisten,  sowie 
um    die    Urogenitalmuskeln    herum   weite    uod    fast  in    allen   Organen 

Vogt  u.  Tuug,  prakt.   vergl.  Anatomie.     II.  oq 


466  Wirbelthiere. 

engere  Lückenräume,  die  mit  einer  hellen  Flüssigkeit  gefüllt  sind,  in 
welcher  Protoplasmakörperchen  schwimmen.  In  diesen  undeutlich  be- 
grenzten Lückenräumen  sieht  man  auch  häufig  Blutkörperchen,  welche 
einen  Zusammenhang  mit  den  Blutgefässen  beweisen.  Wo  und  wie 
aber  diese  Communicationen  hergestellt  sind ,  können  wir  so  wenig  als 
unsere  Vorgänger  sagen  —  es  bedarf  noch  weiterer  Untersuchungen 
über  diese  Verhältnisse. 

Wenn  auch  die  Myxinoiden  in  vieler  Beziehung  den  Petromyzouten  ähn- 
licli  sehen ,  so  zeigen  sich  doch  zahh-eiche  Unterschiede ,  von  welchen  wir 
die  wesentlichsten  hier  erwähnen  wollen. 

In  dem  ähnlich  gebildeten  Tegumente  findet  sich  jederseits  eine  Reihe 
ziemlich  grosser,  sogenannter  Schleimsäcke,  die  mit  Körperchen  gefüllt  sind, 
welche  einige  Aehnlichkeit  mit  Nesselkörperchen  zu  haben  scheinen.  —  Die 
in  der  skelettbildenden  Schicht  der  Chordascheide  bei  den  Lampreten  ent- 
wickelten Knorpelstückchen  fehlen  vollständig.  —  Der  Schädel  ist  grössten- 
theils  häutig ,  nur  die  Hinterhaupts-  und  Gesichtsplatte ,  die  Schädelbalken 
und  Gehörkapseln  sind  verknorpelt  und  im  Ganzen  gleicht  er  dem  Schädel 
des  Querders  oder  der  Kaulquappen  in  früheren  Embryoualstadien.  —  Die 
Mundknorpel  lassen  sich  nicht  auf  diejenigen  der  Lampreten  reducireu. 
Die  Hornzähne  haben  einen  inneren  Dentinkern.  —  Das  Geliirn  ist  sehr 
breit,  das  innere  Höhlensystem  sehr  beschränkt  und  der  Sinus  des  Vorder- 
hirns fehlt  gänzlich.  Das  Cerebellum  ist  weit  entwickelter  als  bei  den 
Lampreten ;  als  dreieckiges ,  durch  eine  Längsfurche  mitten  getrenntes  Ge- 
bilde bedeckt  es  fast  gänzlich  die  Rautengrube.  Die  Seitenlappen  des 
Mittelhirns,  in  welchen  die  Wurzeln  des  Trigeminus  liegen,  springen  als 
kegelförmige  Hügel  vor.  Das  Mittelhirn  selbst  ist ,  wie  die  Hypophysis ,  be- 
deutend reducirt,  das  Vorderhirn  sehr  breit  und  innen  dicht.  —  Das  Riech- 
organ zeigt  zwei  Eigenthümlichkeiten :  die  bis  zur  Schnauzenspitze  verlän- 
gerte Eingangsröhre  ist  von  zierlichen  Knorpelringen  gestützt,  die  sich  als 
Netzwerk  über  den  Nasensack  fortsetzen.  Der  sehr  breite  Nasengaumengang 
öffnet  sich  vor  dem  vorderen  Ende  der  Chorda  in  die  Gaumenhöhle.  — 
Das  Auge  ist  verkümmert,  liegt  tief  unter  den  Muskelschichten  vei'borgen, 
besitzt  keine  Eigenmuskeln,  weder  L'is  noch  Krj'stalllinse  und  besteht  nur 
aus  einem  von  gefässreicher  Bindegewebskapsel  umgebenen  Glaskörper.  — 
Die  Ohrkapsel  ist  ringförmig;  das  häutige  Labyrinth  besteht  ebenfalls  aus 
einem  unteren,  weiteren  Ringe,  dem  Vestibulum ,  über  welchem  ein  einziger 
halbkreisförmiger  Canal  liegt,  der  mit  zwei,  Nerveuleisten  enthaltenden  Am- 
pullen in  das  Vestibulum  mündet.  Der  Endolymphcanal  ist  kaum  ausgebildet. 
Der  Hörnerv  verzweigt  sich  in  den  beiden  Ampullenleisten  und  in  einer  Hör- 
platte des  Vorhofes.  —  Im  Darme  fehlt  die  Spiralfalte.  —  Die  wenig  mäch- 
tige Leber  besitzt  eine  Gallenblase,  in  deren  Ausführungsgang  die  von  den 
beiden  Leberlappen  herkommenden  Gallengänge  seitlich  münden.  —  Der 
Kiemenapparat  gleicht  am  meisten  demjenigen  des  Querders.  Ein  Wasser- 
gang fehlt,  die  an  Zahl  schwankenden  Kiemensäcke  (sechs  bei  Myxine,  sieben 
beiderseits  oder  sechs  einerseits ,  sieben  anderseits  bei  Bdellostoma)  münden 
direct  in  den  Oesophagus.  Die  Anordnung  der  äusseren  Kiemeuöffnungen  ist 
verschieden ;  bei  Bdellostoma  findet  sich  ein  äusseres  Loch  für  jeden  Kiemen- 
sack, wie  beim  Querder;  bei  Myxine  (Fig.  193)  ziehen  sich  die  Ausgänge  zu 
Röhren  aus,  welche  von  vorn  nach  hinten  an  Länge  abnehmen  und  in  einen 
Sammelcanal  münden,  der  schliesslich  in  einer  gemeinsamen,  medianen  Oeff- 
nung  hinter  dem  Herzen  nach  aussen  führt.    Zu  dieser  gemeinsamen  Oeffuung 


Cyclostomen. 


4G7 


führt  bei  den  Myxinen  odei*  zu  dem  letzten  Kiemenloche  bei  den  Bdellostomen 
noch  ein  besonderer ,  vom  Oesophagus  kommender  Canal ,  der  Schlundhaut- 
gang Müller' s,  an  dem  keine  Athemorgane  entwickelt  sind,  der  aber  wohl 
das  Rudiment  eines  zu  Grunde  gegangenen  Kiemensackes  sein  könnte.  — 
Die  Nieren  sind  in  äusserst  primitiver  Weise  gebildet  (Fig.  194).  Ein  ge- 
meinsamer Sammelcanal  [a)  läuft  der  Länge  der  Bauchhöhle  nach  zu  beiden 
Seiten  der  Chorda  und  endet  nach  hinten  in  einer  Afterpapille.  In  diesen 
seitlichen  Sammelcanal  münden  von  Zeit  zu  Zeit  kurze  Quercanäle  (&),  deren 
Ende  eine  bläschenartige  Ausweitung  (c)  zeigt.  In  jedem  Bläschen  steckt 
ein  Malphighi'sches  Körperchen,  ein  kugelförmiges  Wundernetz,  dessen  zu- 
führendes Gefäss  (d)  aus  der  Aorta  entspi'ingt,  während  die  ausführende 
Arterie    (e)     sich    auf    den    Canälen     verzweigt.      Venen    scheinen    an    diesem 

Fig.  193.  Fig.  194. 


Fig.  193.  —  Myxine  glutinosa.  —  Die  Haut  um  den  Kiemenkorb  ist  nach  beiden 
Seiten  zurückgeschlagen ,  um  das  Herz ,  die  Kiemenarterie ,  den  Kiemenapparat  und 
den  Oesophagus  zu  zeigen,  o,  Oesophagus;  i,  innere  Kiemeugänge;  h  r,  Kiemensäcke; 
hr',  Spiraculargänge,  die  sich  jederseits  zu  einem  Sammelcanal  vereinigen,  der  durch 
die  mediane  OefFnung  s  nach  aussen  mündet ;  c,  Schlundhautcanal ;  o,  Torkammer ; 
V,  Herzlcammer;   ah,   Kiemenarterie,  jedem   Sack  einen  Ast  zusendend:   d,   nach  aussen 

zurückgeschlagenes  Tegument.      (Aus  Gegenbau r  nach  J.  Müller.) 
Fig.   194.  —  Bdellosfoma  Iieptairema.  — •   Theil  der  Niere.      A,  in  natürlicher  Grijsse  ; 
B,  vergrösserter  Abschnitt  von  ^.    a,  Sammelcanal;   b,  Canal  des   Glomerulus  ;   c,  Gbj- 
merulus;     d,    zufühi-ende    Arterie;    e,    abführende    Arterie.      (Aus    Gegenbaur    nach 

J.   Müller.) 

30* 


468  Wirbelthiere. 

Apparat  nicht  vorhanden,  der,  wie  leicht  zu  ersehen,  manche  Aehnlichkeiten 
mit  den  Segmentalorganen  gewisser  Würmer  bietet.  —  Die  Geschlechtsorgane 
sind  unsymmetrisch  und  nur  auf  der  rechten  Seite  entwickelt,  wo  sich  längs 
der  Linie,  worin  sich  das  Mesenterium  an  den  Darm  heftet,  eine  Seitenfalte 
desselben  abhebt,  welche  an  dem  Darme  seiner  ganzen  Länge  nach  sich  hin- 
zieht. An  dem  ventralen,  freien  Eande  dieses  Mesorchiums  oder  Mesoariums 
entwickeln  sich  die  Geschlechtsproducte.  Im  jugendlichen  Alter  sind  die 
Organe  vollkommen  identisch;  man  findet  darin  runde  Zellen  oder  Kapseln, 
die  sich  aber  bald  differenziren.  Diese  von  einem  Follikelepithelium  aus- 
gekleideten Kapseln  füllen  sich  bei  den  Männchen  mit  Zellen,  innerhalb 
welcher  die  Zoospermen  sich  ausbilden.  Wir  verweisen  hinsichtlich  der  Aus- 
bildung der  Spermazelleu  und  deren  Inhaltes  auf  die  Arbeit  von  Nansen 
(s.  Literatvir).  Während  dieser  Ausbildung  verdickt  sich  der  freie  Rand  des 
Organes,  wii-ft  Falten  und  erhält  eine  weisse  Farbe.  Die  Producte  sind  stets 
in  dem  hinteren  Theile,  gegen  den  After  zu,  weit  ausgebildeter  als  in  dem 
vorderen  Theile,  wo  der  Rand  des  Organes  stets  weniger  gefaltet,  weniger 
weiss  ist  und  die  Samenzellen  noch  im  primitiven  Zustande  sich  befinden. 
Individuen  mit  solcher  Ausbildung  der  Hoden,  welche  Nansen  „wahre 
Männchen"  nennt,  sind  ausserordentlich  selten,  können  aber  zuweilen  die  gewöhn- 
liche Länge  derMyxinen  (32cm)  erreichen;  meist  bleiben  sie  kleiner.  In  den 
meisten  Fällen  aber  entwickeln  sich  Zoosijermen  nur  in  dem  hinteren  Drittel 
des  Organes,  während  in  den  zwei  vorderen  Dritteln  sich  Eier  ausbilden. 
Man  findet  nun  „hermaxihroditische  Männchen",  wo  das  hintere  Drittel  des 
Organes  in  seinem  vorstehenden ,  weissen  mid  gefalteten  Rande  reife  Zoo- 
spermen enthält,  während  die  zwei  vorderen  Drittel,  deren  Rand  mehr  zurück- 
steht, gerade  und  ungefärbt  ist,  in  der  Entwicklung  begriffene  Eier  zeigen. 
In  dem  Maasse,  als  diese  Eier  sich  ausbilden  und  die  sie  tragende  Peri- 
tonealfalte  breiter  wird,  verödet  das  hintere  Hodendrittel,  die  Samenzellen 
verschwinden  und  schliesslich  zeigt  sich  nur  eine  schmale  Falte  des  Mesor- 
chiums als  Rest.  Solche  Individuen  nennt  Nansen  „wahre  Weibchen".  Wir 
hätten  also  hier  bei  den  Myxinen  allein  eine  unter  den  Wirbelthieren  aus- 
nahmsweise vorkommende  Erscheinung ,  die  häufig  bei  wirbellosen  Zwittern 
sich  zeigt,  wo  der  Hoden  vor  dem  Eierstocke  in  Wirksamkeit  tritt  und  bei 
der  Ausbildung  des  letzteren  verödet.  Die  Eier  entwickeln  sich  nach 
Cunningham  (s.  Literatur)  ebenfalls  am  freien  Rande  des  Mesoariums. 
Sie  sind  anfangs  rund ,  von  einem  Follikel  umschlossen  und  besitzen  eine 
„Dotterhaut" ,  die  an  dem  einen  Pole  von  einer  Micropyle  durchsetzt  wird. 
Während  ihres  Wachsthumes  verändert  sich  ihre  Gestalt;  sie  werden  sehr 
langoval  (2  cm),  ihre  Dotterhaut  verdickt  sich  bedeutend  und  bildet  an 
beiden  Polen  eigenthümliche,  ankerähnliche  Fortsätze,  mit  welchen  die  Eier 
sich  festhaken  können.  Im  Inneren  dieser,  an  breiten  Falten  des  Mesoariums 
aufgehängten  reifen  Eier  findet  man  einen  voluminösen  Nahrungsdotter  mit 
einer  an  dem  einen  Pole  entwickelten  Keimscheibe.  Die  Myxinoiden  mit 
ihren  grossen  meroblastischen  Eiei'n  unterscheiden  sich  also  in  dieser  Hin- 
sicht sehr  von  den  Petromyzonten,  welche  kleine,  holoblastische  Eier  bilden. 
Die  Entwicklung  des  Embryos  ist  vollkommen  unbekannt. 

Literatur.  —  H.  Rathke,  Bemerkungen  über  den  Bau  der  Pricke ,  Danzig, 
1826.  —  Ders.,  Bemerkungen  über  den  inneren  Bau  des  Querders,  Halle,  1827.  — 
Joh.  Müller,  Vergleichende  Anatomie  der  Myxinoiden.  Abhandl.  Akad.  Berlin, 
1834—1843.  I.  Osteologie  und  Myologie,  1834.  II.  Gehörorgan,  1837.  III.  Neuro- 
logie, 1838.  IV.  Gefässsystem,  1839.  V.  Splanchnologie,  1843.  —  Max  Schultze, 
Die  Entwicklung  des  Petromyzon  Planeri ,  Haarlem ,  1856.  —  F.  Leydig,  Ueber 
Organe    eines  sechsten  Sinnes,    Nov.  Act.   Acad.    Leopold.   Nat.   Curlos.,   Vol.   XXXIV, 


Cyclostomen.  469 

1865.  —  Ders.,  Mehrere  Abhandlungen  über  denselben  Gegenstand  in:  Arch.  Anat., 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  etc.  —  Ders.,  Neue  Beiträge  zur  anatomischen  Kenntniss 
der  Hautdecke  und  Hautsinnesorgane  der  Fische,  Halle,  1879.  —  Ketel,  Ueber  das 
Gehörorgan  der  Cyclostomen,  Hasse's  Anatomische  Studien,  III,  1872.  —  P.  Langer- 
hans, Untersuchungen  über  Petromyzon  Planeri ,  Abh.  Naturforsch.  Gesellsch.  Frei- 
burg im  Breisgau,  1875.  —  C.  Semper,  Die  Stammverwandtschaft  der  "VVirbelthiere 
und  Wirbellosen,  Arbeiten  a.  d.  zool.-zootom.  Institut  zu  Würzburg,  Bd.  II,  1875.  — 
W.  Müller,  Ueber  das  Urogenitalsystem  des  Amphioxus  und  der  Cyclostomen,  Jena. 
Zeitschr.,  Bd.  IX,  1875.  —  P.  Fürbringer,  Unters,  z.  vergl.  Anat.  der  Musculatur 
des  Kopfskeletts  der  Cyclostomen,  Jena.  Zeitschr.,  Bd.  IX,  1875.  —  Ders.,  Zur 
vergleichenden  Anatomie  und  Entwicklung  der  Excretionsorgane  der  Vertebraten, 
Morphol.  Jahrb.,  Bd.  IV,  1878.  —  A.  Foettinger,  Recherches  sur  la  structure  de 
Pepiderme  des  Cyclostomes ,  Bullet.  Acud.  Bruxelles ,  2.  Ser. ,  Vol.  XII,  1876.  — 
L.  Edinger,  Ueber  die  Schleimhaut  des  Fischdarmes,  Arch.  f.  mikrosk.  Anat., 
Bd.  XIII,  1877.  —  E.  Calberla,  Der  Befruchtungsvorgang  am  Ei  von  Petromyzon 
Planeri,  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zoologie,  Bd.  XXX,  1877.  —  Ders.,  Ueber  die  Ent- 
wicklung des  Medullarrohres  und  der  Chorda  dorsalis ,  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  III, 
1877.  —  S.  Freud,  Ueber  den  Ursprung  der  hinteren  Nervenwurzeln  im  Kücken- 
mark von  Petromyzon,  Sitzungsberichte  Acad.  Wien,  1877.  —  Ders.,  Ueber  Spinal- 
ganglien und  Rückenmark  von  Petromyzon,  ebend.  1878.  —  A.  M.  Marshall,  Mor- 
phology  of  the  Vertebrate  Olfactory  Organ,    Quarterly  Journ.  Microsc.  Science,  Vol.  XIX, 

1879.  — -  A.  Schneider,  Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  und  Entwicklung  der 
Wirbelthiere,  Berlin,  1879.  —  Ders.,  Ueber  die  Nerven  von  Amphioxus,  Ammocoetes 
und  Petromyzon,  Zool.  Anzeiger,  III.  Jahrg.,  1880.  —  R.  Wiedersheim,  Das  Gehirn 
von  Ammocoetes  und  Petromyzon  Planeri,  Jena.  Zeitschr.,  Bd.  XIV,  1880.  —  Ders., 
Die   spinalartigen  Nerven  von  Ammocoetes    und  Petromyzon ,    Zool.   Anz. ,    III.  Jahrg., 

1880.  —  G.  Retzius,  Das  Riechepithel  der  Cyclostomen,  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol., 
1880.  —  Ders.,  Das  Gehörorgan  der  Wirbelthiere.  I.  Das  Gehörorgan  der  Fische 
und  Amphibien,  Stockholm,  1881.  —  A.  Dohrn,  Studien  zur  Urgeschichte  des 
Wirbelthierkörpers ,  Mittheil.  zool.  Station  Neapel,  Bd.  III— VIII,  1881—1889.  — 
J.  P.  Nuel,  Quelques  phases  du  developpement  du  Petromyzon  Planeri,  Arch.  de  Bio- 
logie, Vol.  II,  1881.  —  W.  B.  Scott,  Beiträge  zur  Entwicklung  der  Petromyzonten, 
Morph.  Jahrb.,  Bd.  VII,  1881.  —  Ders.,  Notes  on  the  developmeni  of  Petromyzon, 
Journ.  of  Morphology,  Vol.  I,  1888.  —  F.  Ahlborn,  Zur  Neurologie  der  Petromy- 
zonten, Göttinger  Nachrichten,  1882.  —  Ders.,  Untersuchungen  über  das  Gehirn 
der  Petromyzonten,  Zeitschr.  wissensch.  Zoologie,  Bd.  XXXIX,  1883.  —  Ders., 
Ueber  den  Ursprung  und  Austritt  der  Hirnnerven  von  Petromyzon,  Zeitschr.  wissensch. 
Zoologie,  Bd.  XL,  1884.  —  J.  E.  Blomfield,  The  Threat-cells  and  Epidermis  of 
AJyxine,  Quart.  Journ.  Microscop.  Science,  Vol.  XXU,  1882.  —  E.  Berger,  Beiträge 
zur  Anatomie  des  Sehorgans  der  Fische,  Moi'phol.  Jahrb.,  Bd.  VIII,  1882.  — 
J.  V.  Rohon,  Ueber  den  Ursprung  A^s  Nervus  acusticus  bei  Petromyzonten,  Sitzungs- 
berichte k.  k.  Akademie  Wien,  Bd.  LXXXV,  1882.  —  Ph.  Owsjannikow,  Ueber 
das  sympathische  Nervensystem  der  Flussneunaugen.  Bullet.  Acad.  St.  Petersbourg, 
VoL  XXV,  1884.  —  Ders.,  id.,  Mäanges  biolog.  St.  Petersbourg,  Vol.  XI,  1883.  — 
H.  Ayers,  Untersuchungen  über  Pori  abdominales,  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  X,  1884. — 
W.  Weiden,  On  the  head  hidney  of  Bdellostoma,  Studies.  Morphol.  Laborat.  Univers. 
Cambndge,  Vol.  II,  1884.  —  Cleland,  On  the  tail  of  JSJyxine  glutinosa ,  Meeting. 
British  Association,  1886.  —  J.  T.  Cunningham,  On  the  structure  and  deve- 
lopment  of  the  reproductlve  elements  in  Myxine  glutinosa ,  Quart.  Journ.  Microsc. 
Science,  Vol.  XXVII,  1886.  —  Ders.,  Herr  Max  Weber  and  the  genital  organs  of 
Mj/xi7ie,  Zool.  Anz.,  10.  Jahrg.,  1887.  —  Ders.,  The  7'eproduction  of  Myxine,  ebend. — 
W.  Krause,  Die  Retina  der  Fische,  Internat.  Monatsschr.  f.  Anat.  u.  Histol.,  Bd.  III, 
1886.  —  Schiefferdecker ,  Studien  zur  Anatomie  der  Retina,  Arch.  f.  mikrosk. 
Anat.,  Bd.  XXVIII,    1886.    —    Fr.    Nansen,  Fore  lübig  Meddelelse  om   Undersügelser 


470  Wirbelthiere. 

over    Centralnervesystemets    etc.,     Bergens    Museum    Arshereining-  for    1885,    Bergen, 

1886.  —  J.  Beard,  The  j^arietal  Eyes  of  the  Cyclostome  Fishes,  Quurter.  Journ.  of 
Microscopical  Science.  —  W.  B.  Ransou  and  d'Arcy  W.  Thompson,  On  the 
spinal  and  visceral  nerves  of  Cyclostomata,  Zool.  Anz.,  9.  Jahrg.,  1886.  —  A.  E.  Ship- 
ley,  On  the  development  of  the  nervous  System  in  Petromyzon  fluvlutilis.  Proceed. 
Cambridge  Philos.  Soc.,  Vol.  V,  1886.  —  Ders.,  On  the  formation  of  the  Mesobluste 
et  in  the  Lamprey,  Proceed.  Royal  Soc.  London,  Vol.  XXXIX,  1885.  —  Ders.,  On 
some  points  in  the  development  in  Petromyzon,    Quart.  Journ.  Microsc.  Science,  Vol.  XXVII, 

1887.  —  Ch.  Julin,  Le  Systeme  nerveux  grand  symputhique  de  PAmmocoetes,  Aiiat. 
Anzeiger,  2.  Jahrg.,  1887.  —  Ders.,  Des  origines  de  l'aorte  et  des  carotides  cliez 
les  poissons  Cyclostomes,  ebend.  —  Der  s.,  Recherches  sur  Panatomie  de  l'Ammocoetes, 
Bulletin  scientif.  du  JJe^rt.  du  Ä'ord.,  2.  Ser.,  10.  Annee,  1887.  —  Ders.,  De  la 
signifiation  morphologique  de  Vepiphyse  (glande  pineale  des  Vertebres) ,  ebend.  — 
L.  Pogojeff,  Ueber  die  feinere  Structur  des  Geruchsorganes  des  Neunauges,  Arch.  f. 
mikrosk.  Anat.,  Bd.  XXXI,  1887.  —  Ders.,  Ueber  die  Haut  der  Neunaugen,  ebend., 
Bd.  XXXIV,   1889.  —  J.  Beard,   The  teeth  of  Myxino'id  fishes,  Anat.  Anz.,  3.  Jahrg., 

1888.  —  K.  Nestler,  Beiträge  zur  Anatoniie  und  Entwicklungsgeschichte  der  Neun- 
augen, Archiv  für  Naturgesch.,  1890.  —  C.  Boie,  Beiträge  zur  vergleichenden  Ana- 
tomie der  Wirbelthiere,  Morphol.  Jahrb.,   1890. 


C 1  a  s  s  e   der   Fische. 


Wasserbewohnende ,  polydactyle  Ichtliyopsiden  mit  beständiger 
Kiemenathmung,  innerem  und  äusserem  Skelett;  das  Wirbelsystem  be- 
steht wenigstens  aus  Apophysen,  meist  auch  aus  Wirbelkörpern,  Un- 
paare  und  paarige  Flossen.  Mit  x\usnahme  der  Dipnoer  rein  venöses 
Herz. 

Wir  finden  in  dieser  Classe  ein  Hautskelett,  das  bald  nur  der 
Lederhaut,  bald  beiden  Schichten  des  Tegumentes  zugleich  angehört  und 
im  letzteren  Falle  aus  Zahnbildungen  hervorgeht.  Das  Hautskelett  kann 
mit  dem  inneren  Skelette  enge  Beziehungen  eingehen,  so  dass,  nament- 
lich an  dem  Kopfe  und  den  Gliedmaassen,  gemeinsame  Deckknochen 
gebildet  werden.  —  Mit  Ausnahme  einzelner  Fälle  zeigt  das  Tegu- 
ment  der  Fische  weder  Muskeln  noch  Drüsen,  wie  bei  den  übrigen 
Wirbelthieren,  Die  Oberhaut  ist  aus  Zellen ,  die  Lederhaut  aus  ein- 
fach gekreuzten  Bindegewebsfasern  gebildet;  Pigmentbildungen  sind 
häufig.  —  Die  Organe  des  Lateralsinnes  sind  weit  ausgebildeter 
als  bei  den  Cyclostomen;  sie  sind  meist  durch  Canäle  mit  einander  in 
Verbindung  gebracht  und  treten  häufig  in  Beziehung  zu  dem  Haut- 
skelette. —  Das  innere  Skelett  zeigt  wichtige  Modificationen.  Man 
kann  bei  den  erwachsenen  Fischen  Entwicklungsreihen  der  Wirbelkörper 
von  Rudimenten  in  der  Umgebung  einer  persistirenden  Chorda  durch 
biconcave  Wirbel  bis  zu  solchen  verfolgen,  die  durch  Gelenke,  Gelenk- 


Fische.  471 

köpfe  und  entsprechende  Gelenkhöhlen  zusammengefügt  sind;  ähnliche 
Stufen  findet  man  in  der  Entwicklung  der  Apophysen,  die  anfänglich  iso- 
lirt,  später  mit  denWirbelkörpern  verschmolzen  sind.  Ebenso  verhält  es 
sieh  mit  dem  Schädel,  dessen  Complicationen  von  einem  einfachen  knox'- 
peligeu,  theilweise  sogar  häutigen  Primordialschädel  bis  zu  einem  voll- 
ständig kuöchei'nen  Schädel ,  an  welchem  dem  Hautskelett  entstam- 
mende Knochen  Theil  nehmen,  vielerlei  Stufen  darstellen.  Es  muss 
betont  werden,  dass  diese  Ausbildung  des  Skelettes  durchaus  nicht  der 
Entwicklung  der  inneren  Organe  parallel  geht,  wie  Selachier,  Ganoiden 
und  Dipnoer  beweisen.  —  Das  innere  Skelett  unterscheidet  sich  durch 
zwei  Hauptzüge  von  demjenigen  der  Cj'clostomen :  der  erste  besteht 
in  der  Ausbildung  eines  vollständigen  Kieferapparates,  der  wenigstens 
aus  zwei  Bogen,  dem  Oberkiefer  und  dem  Unterkiefer,  besteht,  die  sich 
in  allen  Fällen  von  oben  nach  unten  öfihen  und  schliessen.  Den 
Mundbogen  folgen  mehrere  andere,  die  sich  stets  enger  dem  Visceral- 
systeme  anschliessen,  welches  selten  aus  sieben,  meist  aber  aus  vier 
Kiemenbogen  besteht.  —  Der  zweite  Punkt  beruht  in  der  Bildung 
paariger  Gliedmaassen,  der  sogenannten  Brust-  und  Bauchflosseu. 
Eines  dieser  Paare,  meist  das  hintere,  kann  fehlen;  es  ist  anzunehmen, 
dass  es  beim  Embryo  angelegt  wurde,  aber  nicht  zur  Entwicklung 
kam.  —  Das  vordere  Gliedmaassenpaar  zeigt  stets  einen  Schultergürtel, 
der  es  meist  an  das  Hinterhaupt  anheftet;  das  hintere  Paar,  welches 
bis  zur  Kehle  vorrücken  kann,  ist  meist  nicht  mit  dem  übrigen  Skelett 
in  Zusammenhang.  Beide  Flossenpaare  können  in  eine  unbestimmte 
Zahl  von  faserigen ,  knorpeligen  oder  knochigen  Strahlen  enden. 
Kach  der  Insertion  der  Strahlen  unterscheidet  man  die  Crossopte- 
rygier,  wo  die  zweizeiligen  Strahlen  einer  Längsaxe  ansitzen,  von 
den  übrigen  Fischen,  bei  welchen  die  Strahlen  an  einigen,  von  oben 
nach  unten  aneinander  schliessenden  Stücken  sich  anheften.  —  Die  un- 
paaren  Flossen  entstehen  aus  einem  einfachen  Hautsaume,  der  ur- 
sprünglich den  Körper  vom  Nacken  bis  zum  After  umgiebt  und  meist 
sich  in  mehrere  Flossen  theilt:  Rücken-,  Schwanz-,  Afterflosse.  Die 
Einsetzung  der  Schwanzflossenstrahlen  in  einer  unteren  Reihe  oder 
in  zwei  Lappen  hat  heterocerke  und  homocerke  Schwanzflossen 
unterscheiden  lassen;  es  finden  sich  aber  zahlreiche  Uebergänge 
zwischen  den  extremen  Bildungen.  Alle  diese  unpaaren  Flossen  mit  ihren 
bald  stacheligen  (Acanthopterygier),  bald  weichen  und  getheilten 
Strahlen  (Malacopt erygier)  nebst  ihren  Stützen,  Apophysen  undMus- 
keln  gehören  einzig  und  allein  dem  Haiitsysteme  an  und  haben  keine 
bestimmten  Beziehungen  zu  dem  Wirbelsysteme  und  dessen  Meta- 
raerie.  —  Der  grosse,  durch  Myocommen  abgetheilte  Seitenmuskel  des 
Körpers  bildet  noch  den  grössten  Theil  der  Muskelmasse;  aber  die 
Muskeln  des  Kauapparates  und  der  Gliedmaassen  sind,  den  Cyclostomen 
gegenüber,  eine  neue  Erscheinung.  —  Das  Rückenmark  ist  niemals 


472  Wirbelthiere. 

so  stark  abgeplattet,  wie  bei  den  Cyclostomen ;  in  einzelnen  Fällen  ist 
es  stark  verkürzt  und  zeigt ,  dem  Austritte  bedeutender  Nerven  ent- 
sprechend, knotige  Verdickungen.  —  Die  Formen  des  Gehirnes  sind 
bei  den  verschiedenen  Ordnungen  der  Fische  so  verschieden,  dass  sich 
kein  allgemeiner  Typus  aufstellen  lässt.  Mau  kann  zwar  in  den  meisten 
Fällen  die  von  den  Cyclostomen  her  bekannten  Theile  in  ihrer  hori- 
zontalen Reihenfolge  unterscheiden,  aber  die  relative  Entwicklung 
dieser  Theile  bietet  zu  grosse  Verschiedenheit,  um  auf  einen  gemein- 
samen Typus  zurückgeführt  werden  zu  können.  Von  dem  Gehirn  der 
Cyclostomen  unterscheidet  sich  indessen  dasjenige  der  Fische  durch 
ein  fast  immer  sehr  entwickeltes  Kleinhirn  und  durch  die  Rückbildung 
der  Epiphyse,  die  niemals  einem  unpaaren  Auge  ähnlich  wird.  —  Die 
fehlende  Symmetrie  zwischen  den  Wurzeln  der  Spinalnerven,  die 
noch  bei  einigen  Ordnungen  vorhanden,  stellt  sich  nach  und  nach  her,- 
und  bei  den  meisten  Fischen  verhalten  sich  diese  Wurzeln  in  gewöhn- 
licher Weise.  Aber  in  Folge  der  Ausbildung  und  Lagenveränderung 
der  Gliedmaassen  treffen  wir  hier  zum  ersten  Male  jene,  Plexus  ge- 
nannte Nervengeflechte,  welche  je  nach  der  Wichtigkeit  der  bestim- 
menden Ursache  sehr  verschieden  ausgebildet  sind.  —  Die  Hirn- 
nerven  finden  sich  in  derselben  Zahl,  wie  bei  den  Cyclostomen, 
scheinen  aber  meist  unabhängiger  von  einander  zu  sein.  Die  Seh- 
nerven tauschen  sich  vollständig  von  einer  Seite  zur  anderen  aus;  zu- 
weilen durchbohrt  einer  den  anderen.  Der  Seitennerv,  der  als  deut- 
licher Ast  des  Vagus  auftritt,  verläuft  meist  unmittelbar  unter  der 
Haut.  Das  sympathische  Nervensystem  ist  durch  einen  Längs- 
stamm mit  einander  und  durch  deutliche  Zweige  mit  den  Hirnnerven 
verbunden.  —  Das  stets  doppelte  Riechorgan  liegt  meist  auf  der 
Rückenfläche  des  Vorderkopfes;  bei  einigen  Ordnungen  finden  sich  die 
äusseren  Oeffnungen  auf  der  Bauchfläche ;  einzig  bei  den  Dipnoern 
finden  sich  ein  äusseres  Nasenskelett  und  Mündungen  in  den  Vorder- 
theil  der  Mundhöhle.  Bei  allen  aber  ist  der  Nasensack  nach  hinten 
geschlossen ;  nirgends  findet  sich  eine  Spur  des  Nasengaumenganges 
der  Cyclostomen.  ■ —  Mit  Ausnahme  der  Dipnoer,  deren  Auge  in 
mancher  Beziehung  sich  demjenigen  der  Neunaugen  nähert,  finden  wir 
in  dem  Auge  der  Fische  wesentliche  Fortschritte  hergestellt  durch  Aus- 
bildung des  Sichelfortsatzes  der  Choroidea,  einer  deutlich  differenzirten 
Coi-nea  und  Sclerotica,  sowie  eines,  Choroidealdrüse  genannten,  Wunder- 
netzes. Hier  und  da  sehen  wir  auch  Anlagen  von  Augenlidern,  besonders 
des  dritten  Lides ,  der  Nickhaut.  —  Das  Ohr  ist  weit  mehr  diffe- 
renzirt;  im  oberen  Theile  des  Labyrinthes  sehen  wir  den  Utriculus  und 
drei  halbkreisförmige  Canäle,  im  unteren  die  erste  Anlage  einer  La- 
gena  und  einen  Sack  mit  meist  sehr  grossem  und  festem  Otolithe. 

Wir    erwähnen     unter    den     unzähligen    Variationen     des    Ver- 
dauungsapparates nur  diejenigen,   welche  am   meisten  im  Gegen- 


Fische.  473 

satze  zu  den  Cyclostomen  auffallen.  Wir  finden  hier  zum  ersten  Male 
wahre  Zähne  von  sehr  verschiedener  Gestalt,  welche  allen,  an  der 
Mundhöhle  Theil  nehmenden  festen  Gebilden  aufsitzen  können  und 
die  sogar,  wie  oben  bemerkt,  an  der  Bildung  gewisser  Hautknochen 
wesentlichen  Antheil  nehmen  können.  —  Die  Zunge  bildet  niemals 
einen  Stempel;  sie  ist  meist  nicht  ausgebildet.  —  Thymus  und  Thy- 
roidea  sind  in  der  Regel  bei  den  Erwachsenen  rudimentär;  die  Ab- 
theiluugen  in  Vorder-,  Mittel-  und  Hinterdarm  bald  verwischt,  bald 
deutlich  angezeigt.  —  Eine  in  der  Spiralfalte  des  Darmes  bei  den 
Cyclostomen  vorgebildete  Spiralklappe  findet  sich  oft  hoch  entwickelt 
bei  Selachiern ,  Ganoiden  und  Dipnoern.  In  vielen  Fällen  werden  so- 
genannte pylorische  Anhänge  als  Ausstülpungen  des  Darmes  ge- 
bildet. —  Die  Leber  hat  stets  einen  Ausführungsgang;  eine  Milz 
findet  sich  immer,  in  den  meisten  Fällen  auch  ein  Pankreas.  —  Der 
Athemapparat  wird  stets  aus  einer  variablen  Zahl  von  Kiemen 
gebildet,  die  während  des  ganzen  Lebens  in  Function  bleiben  und  auf 
meist  von  einander  unabhängigen  Kieraenbogen  aufgesetzt  sind.  Bei 
den  Selachiern  finden  sich  durch  getrennte  Oeffuuugen  nach  aussen 
mündende  Kiemensäcke;  bei  allen  anderen  sind  die  Kiemenspalten 
durch  einen  Kiemendeckelapparat  geschützt.  Zu  diesen  Kiemen  gesellen 
sich  noch  häufig  rudimentäre  Bildungen,  Spritzlöcher,  Pseudobranchieu, 
Opercularkiemen  und  selbst  äussere  Hautkiemen  (Protopterus).  —  Ein 
neu  auftretendes  Organ  ist  die  Schwimmblase,  anfänglich  durch 
einen  Canal  mit  dem  Darme  in  Verbindung  (Physostomen),  der  sich 
aber  häufig  beim  erwachsenen  Thiere  schliesst  (Physoclisten).  Dieses 
ursprünglich  hydrostatische  Organ  kann  mit  dem  Gehörorgane  in  Ver- 
bindung treten  und  wird  bei  den  Dipnoern  eine  wahre  Lunge.  — 
Die  Harnorgane  werden  von  der  Urniere  gebildet,  die  meist  unab- 
hängig bleibt,  deren  ausführende  Canäle  aber  bei  einigen  Ordnungen 
mit  denjenigen  der  Genitalorgane  in  Verbindung  treten.  Meist  öffnen 
sich  diese  Canäle  isolirt  auf  der  Rückenseite  des  Darmes  hinter  dem 
After  nach  aussen.  —  Die  Geschlechtsorgane  sind  ursprünglich 
stets  paarig,  können  aber  verschmelzen  ;  in  einigen  Fällen  fehlen  die 
Ausführungsgänge  und  werden  durch  Peritouealcanäle  ersetzt.  — 
Meist  pflanzen  sich  die  Fische  durch  Eier  fort,  aber  in  mehreren  Ord- 
nungen finden  sich  lebendig  gebärende  Arten.  Zuweilen  finden  sich 
Begattungswerkzeuge  oder  besondere  Bildungen  zur  Ablage  und  Be- 
brütung der  Eier.  —  Der  Kreislauf  gleicht  im  Ganzen  demjenigen 
der  Cyclostomen;  das  Herz  ist  in  den  venösen  Strom  eingeschaltet  und 
die  gesammte,  vom  Körper  kommende  ßlutmasse  wird  von  demselben 
durch  die  Kiemen  getrieben.  Der  Arterienbulbus  zeigt  verschiedene 
Bildungen,  die  zur  Classification  benu^tzt  worden  sind.  •  Bei  den  einen 
ist  er  musculös  und  zeigt  mehrere  Klappen  im  Inneren;  bei  den  anderen 
ist  er  faserig  und  besitzt  nur  zwei  Klappen.    Eine  dem  Pfortaderkreis- 


474  Wirbelthiere. 

lauf  in  der  Leber  ähnliche  Bildung  zeigt  sich  in  den  Nieren.  Die 
Dipnoer  zeigen  eine  Ausnahme  von  dem  allgemeinen  Schema  des  Kreis- 
laufes; in  Folge  der  Ausbildung  der  Lungenathmung  beginnt  sich  das 
Herz  in  eine  venöse  und  arterielle  Hälfte  zu  theilen. 

Mit  den  meisten  heutigen  Zoologen  nehmen  wir  folgende  grosse 
Unterabtheilungen  der  Classe  an: 

1.  Knochenfische  (2Weosfe').  Fische  mit  knöchernem  Skelett, 
amphlcölen  Wirbeln,  endständigem  Maule  und  einem  vollständigen, 
mit  Kiemenstrahlen  und  meist  auch  einer  Opercularkieme  versehenen 
Kiemeudeckelapparat,  mit  verschiedenartig  entwickelten  Hautschuppen 
und  zwei  Taschenventilen  am  Arterienbulbus.  Weder  eine  Spiralklappe 
im  Darm,  noch  Spritzlöcher,  aber  fast  immer  eine  Schwimmblase  vor- 
handen. Mehrere  Ordnungen  :  Lophobranchier  mit  Büschelkiemen, 
Hautplatten  und  zuhiilos  (Hii^pocamjms,  Syngnathns) ;  Plectognathen 
{Balistes,  Orthagoriscus)  mit  verwachsenen  Zwischenkiefern  und  Kie- 
fern, Zahnplatten  und  eigenthümlicher  Hautbedeckung;  Physostomen 
mit  wegsam  bleibendem  Canal  der  Schwimmblase,  sämmtlich  Mala- 
copterygier.  Hier  mehrere  Unterordnungen  :  A  p  o  d  e  n  (ÄnguiJla, 
Gynmotus) ,  welchen  die  Bauchflossen  fehlen;  Pedaten  mit  Bauch- 
flossen {Clupea,  Morinyrus,  Esox,  Salmo,  Cyprinus,  Silurus);  Physo- 
clisten  mit  geschlossenem  Luftgang  und  zwar  (Ma.lacopt  ery  gi  er) 
mit  weichen  Flossenstrahlen:  Anacanthinen  mit  getrennten  Schlund- 
knochen (Fierasfer ,  Gaclm,  Pleuronecfes ,  Exocoetus);  Acanthopte- 
rygier:  Acanthopteren  mit  verwachsenen  Schlundknochen  (ial^rMS, 
Cliromis);  eigentliche  Aca  nthopterygier  mit  getrennten  Schlund- 
knochen  (Perca^  Gasterosteus ,  Mullus,  Spams,  Trigia,  Trachinus, 
Sciaena,  Scomber,  Blennius,  Gohlus,  BJiigil,  Anabas,  Loplüus).  Diese 
Gruppe  der  Teleostier,  die  zahlreichste  von  allen,  zeigt  manche  An- 
näherungen an  die  Ganoiden. 

2.  Holo  ceph  ale  n.  Knoi'pelskelett  mit  persistirender  Chorda. 
Der  mit  einigen  Zahnplatten  bewaff'uete  Oberkieferbogen  ist  mit  dem 
Schädel  verwachsen.  Sie  nähern  sich  den  Teleostiern  durch  ihre 
nackte  Haut,  ihr  endständiges  Maul  und  den  Besitz  eines  Kiemen- 
deckels und  freier  Kiemen ,  den  Selachiern  durch  die  Structur  des 
Arterienbulbus,  die  Spiralklappe  im  Darm  und  die  Begattungswerk- 
zeuge des  Männchens  {Chimaera,  Callorltynclms). 

3.  Selachier.  Bauchständiges  Maul  mit  zahlreichen,  nur  auf 
den  freien  Kieferbogen  aufsitzenden  Zähnen.  Hautbedeckung  aus  Zähnen 
gebildet.  Der  Kieferapparat  ist  frei  an  dem  knorpeligen  Schädel  auf- 
gehäugt. Nicht  verknöcherte  amphicöle  Wirbel.  Fünf,  selten  sechs  oder 
sieben  offene  Kiemenlöcber  jederseits  am  Halse,  welche  in  getrennte 
Kiementaschen -führen.  Spritzlöcber  meist  vorhanden.  Männliche  Be- 
gattungsorgane.  Musculöser  Arterienbulbus  mit  mehreren  Klappen- 
reihen,     Spiralklappe   ina   Darm,     Zwei   Unterabtheilungen:   Rochen 


Fische.  475 

mit  plattem  Körper,  enormen  Brustflossen,  deren  Gürtel  vorn  mit  dem 
Schädel  zusammenstösst  {Rctja,  Trygon,  JUi/liobatis,  Torj^edo,  JPristiä) ; 
Haie  mit  spindelförmigem  KörjDer  und  vorn  nicht  zusammenstossendem 
Schultergürtel  (Squatina,  ScyUium,  Laiuna,  Carcltarias,  S2)inax,  Cesfra- 
cion).     Die  älteste  in  der  Erdgeschichte  auftretende  Gruppe. 

4.  Ganoiden.  Meist  mit  Schmelz  überzogene  Schuppen  oder 
Tafeln  und  sehr  variables  Skelett,  das  alle  Stufen  von  einer  persisti- 
renden  Chorda  (Störe)  durch  amphicöle  Wirbel  bis  zu  zusammen- 
gelenkten Wirbelkörpern  zeigt  {Lcpidosteus).  Sie  haben  gemein  mit 
den  Teleostiern  die  Schuppenbedeckung,  die  freien  Kiemen  mit  Oper- 
cularapparat ;  mit  den  Selachiern  den  vielklappigen ,  musculösen 
Arterienbulbus  und  die  Spiralklappe  im  Darme  {Accii)enser,  Spatularia, 
Lepidostens,  Aniia). 

5.  Dipuoer.  Knorpelskelett  mit  persistirender  Chorda.  Sie 
haben  gemein:  mit  den  Holocephalen  die  wenigen  Zahnplatten,  mit 
den  Ganoiden  fast  alle  anderen  anatomischen  Charaktere,  mit  Aus- 
nahme der  Schwimmblase,  welche  in  den  Schlund  mündet  und  zu 
einem  Athemorgane  (Lunge)  umgewandelt  ist.  Monopneumon  en 
(Ceratodus)  mit  einer  Lunge  und  gut  entwickelten  paarigen  Flossen 
und  Dipneumonen  {Frotoi)terus^  Lepidosiren)  mit  zwei  Lungen  und 
auf  einen  Stab  reducirten  paarigen  Flossen. 

Typus:  Perca  fluviatUts  L.  Der  gemeine  Flussbarsch  kommt 
häufig  in  allen  Gewässern  Mittel-Europas  vor.  Man  findet  ihn  auf  allen 
Fischmärkten.  Wir  verdanken  Herrn  Dr.  M.  Jaquet  sämmtliche  Prä- 
parate und  Zeichnungen,  sowie  einen  grossen  Theil  des  Textes  unserer 
Monographie. 

Der  Barsch  gehört  zu  den  Knochenfischen  mit  Stachelstrahleu, 
geschlossenem  Luftgang,  getrennten  Schlundknochen  und  gezähnelten 
Schuppen  (Acanthopterygier,  Physoclist,  Ctenoid).  Er  ist  ein  Brust- 
flosser,  denn  seine  Bauchflossen  stehen  fast  senkrecht  unter  den  Brust- 
flossen, etwas  hinter  denselben.  Die  senkrechten  Flossen  bestehen  aus 
zwei  Rückenflossen,  einer  vorderen  mit  Stachelstrahlen,  einer  hinteren 
mit  weichen  Strahlen,  aus  einer  homocerken  Schw^anzflosse  und  einer 
Afterflosse,  welche  vor  den  weichen  Strahlen  zwei  Stacheln  trägt.  Die 
Strahlen  der  Brustflossen  sind  durchaus ,  die  der  Bauchflosse  bis  auf 
einen  vorderen  Stachel  weich.  Die  gezähnelten  Ctenoidschuppen  er- 
strecken sich  weder  auf  den  Kopf,  noch  auf  den  mit  Spitzen  geränder- 
ten Vorderdeckel.  Der  Barsch  ist  der  Typus  einer  zahlreichen  Familie 
(Pereiden) ,  deren  Gattungen  über  süsse  und  salzige  Gewässer  aller 
Zonen  verbreitet  sind.  Aus  diesem  Grunde  hatte  schon  Cuvier  ihn 
als  Typus  der  ganzen  Ciasso  der  Fische  behandelt. 

Allgemeine  Lagerung  der  Organe  (Fig.  195  und  196). — 
Um  die  hauptsächlichsten  Eingeweide  in  ihrer  gegenseitigen  La- 
gerung   darzustellen,    spaltet    man    die    Haut    und    die    Muskeln    des 


476 


Wirbeltbiere. 


Fisches  läDgs  der  Mittellinie  des  Bauches  vom  After  bis  zum  Munde 
und  verbindet  dann  beide  Enden  des  Schnittes  durch  eine  bogen- 
förmige Incision  von  der  Spitze  des  Schultergürtels  bis  zum  After. 
Der  so  gebildete  Lappen  muss  sorgfältig   in  seinem  oberen  Theile  von 

Fi^.  195, 


Perca  fliiviatUis.  —  Ein  männliclies,  von  der  linken  Seite  her  geöftnetes  Thier,  um 
die  Lagerung  der  Organe  zu  zeigen.  Natürliche  Grösse,  ca,  Mundhöhle;  &r,  Kiemen- 
bogen;  6,  Arterienbulbus;  o,  Vorkammer;  vc,  Herzkammer;  s,  Venensinus;  d,  Peri^ 
tonealscheidewand;  /,  Leber;  nv,  Bauchflosse;  e,  Magen;  ?•«,  Milz;  du,  Duodenum; 
i,  Darm;  t,  Hoden;  ves,  Harnblase;  a,  After;  ug,  ürogenitalporus ;  vn,  Schwimm- 
blase; ?■',  vorderer  Theil  der  Niere;  oc,  Auge. 


Fische.  477 

der  Schwimmblase  abpräparirt  werden,  die  mit  der  Bauchwand  zu- 
sammenhängt. Dann  trennt  man  den  Schultergürtel,  den  Kiemendeckel 
und  die  Kiefer  der  betreffenden  Seite  (der  linken  unserer  Figur)  aus 
ihren  Verbindungen  los,  lässt  aber  die  Kiemenbogen  unberührt. 

Man  sieht  dann  sofort,  dass  die  allgemeine  Körperhöhle  durch  eine 
senkrechte  Querscheidewand  (d,  Fig.  195)  getheilt  ist,  welche  von  dem 
verdickten  Bauchfelle  gebildet  wird,  das  sich  über  die  Hinterfläche  des 
Herzbeutels  herüberschlägt  und  so  die  Bauchhöhle  von  einem  vorderen 
Abschnitte  trennt,  wo  die  Athemorgane  und  das  Herz  sich  befinden.  Die 
Kiemen  (br)  werden  von  knöchernen  Bogen  gebildet,  welche  auf 
ihrem  vorderen  Rande  Dornen,  auf  dem  hinteren  steife  Blättchen  tragen, 
die  bei  dem  frischen  Fische  lebhaft  roth  gefärbt  sind.  Sie  sind 
durch  durchgehende  Spalten  von  einander  getrennt.  Das  Athemwasser 
wird  durch  den  Mund  eingenommen ,  dringt  durch  die  Spalten ,  um- 
spült die  Kiemenblättchen  und  tritt  durch  die  grosse  Kiemenspalte 
zwischen  Deckel  und  Schultergürtel  nach  aussen.  Von  dem  Kreis- 
laufsapparat sieht  man  den  Venensinus  (s),  der  unmittelbar  an  der 
Vorderseite  der  peritonealen  Scheidewand  anliegt,  und  wie  die  davor 
liegende  Vorkammer  (o)  braun  gefärbt  ist,  darunter  die  heller  ge- 
färbte, weit  dickwandigere  Herzkammer  (ve)  und  vor  dieser  letz- 
teren ihre  Fortsetzung,  den  kegelföi'mig  gestalteten  Arterien- 
bulbus  (b).  Die  Kiemenherzgegend  wird  ventralwärts  von  der  Fort- 
setzung der  Körpermuskeln  abgeschlossen. 

Die  sehr  geiäumige  Bauchhöhle  ist  ringsum  von  dem  Bauch- 
felle ausgekleidet,  welches  sich  auf  die  darin  enthaltenen  Organe 
hinüberschlägt  und  eine  äussere  Hülle  um  sie  bildet.  Die  dorsale 
Hälfte  der  Bauchhöhle  wird  von  der  Schwimmblase  (t'n) ,  einem 
weiten,  mit  Gas  gefüllten  häutigen  Sacke  eingenommen,  der  sich  von 
der  Peritonealscheidewand  bis  zum  After  erstreckt.  Sie  ist  hermetisch 
geschlossen  und  zeigt  keine  Theilung  in  zwei  Kammern ,  wie  dies  bei 
anderen  Fischen  häufig  ist.  Unter  ihr  liegt  vorn  der  Magen  (e),  der 
je  nach  seiner  Füllung  nur  bis  in  die  Gegend  der  Bauchflosse  oder  bis 
in  die  Nähe  des  Afters-  sich  erstrecken  kann  ;  er  deckt  theilweise  die 
Milz  (r),  welche  in  der  Schlinge  des  Duodenum  {clti)  eingeschlossen 
ist.  Mittel-  und  Hin t  er d  arm  (i)  erstrecken  sich  in  gerader  Linie 
bis  zum  After  (a).  Die  mächtige  Leber  (/)  liegt  unmittelbar  hinter 
dem  Herzen;  sie  ist  mehrlappig  und  umschliesst  den  vorderen  Ab- 
schnitt des  Magens.  Die  männlichen  und  weiblichen  Geschlechts- 
organe (t)  zeigen  bei  beiden  Geschlechtern  dieselbe  Lage.  Im  Früh- 
linge sind  sie  mächtig  entwickelt  und  füllen  die  Bauchhöhle  zum 
grössten  Theile  aus;  im  Sommer  sind  sie  am  schmächtigsten  und  liegen 
dann  unter  der  hinteren  Hälfte  der  Schwimmblase.  Sie  öffnen  sich 
auf  der  Spitze  eines  kleinen,  unmittelbar  hinter  dem  After  dorsalwärts 
gelegenen    Wärzchens     durch     den    Urogenitalporus    (iig)     nach 


478 


Wirbelthiere. 


aussen.  Hier  mündet  aucli  die  Harnblase  (ves)  ein,  welche  auf  der 
Riiclcenssite  der  Geschlechtsorgane  liegt  und  das  Secret  der  Nieren 
sammelt.  Um  die  Nieren  selbst  zu  sehen,  muss  man  die  Schwimmblase 
entfernen.  Dies  haben  wir  in  dem  (Fig.  196)  dargestellten  Präparate 
gethan,  bei  welchem  auch  der  Darm  entfaltet  ist  und  die  Kiemenbogen 

Eig.  196. 


Dasselbe  Präparat    weiter    fortgesetzt.      Sehwimmblase    und  Kiemenbogen    sind    linker- 
seits  entfernt.      Die   Buchstaben  haben  dieselbe  Bedeutung  wie    in    der  vorigen  Figur. 
Ausserdem:   ap,   Pförtneranhänge;  vb,   Gallenblase;  ?■,   mittlerer  Nierentheil ;   rc,  Rec- 
tum; vn',  abgeschnittene   Schwimmblase. 


Fische.  479 

der  linken  Seite  abgelöst  wiii-den.  Die  Nieren  (r)  bilden  zwei  lange 
Massen  von  braunrother  Farbe,  welche  zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie 
Tinmittelbar  an  den  Wirbelkörj^ern  anliegen  und  nur  an  ihrer  ven- 
tralen Fläche  von  dem  Bauchfelle  überzogen  werden.  Die  Aorta  ver- 
läuft zwischen  den  beiden  Nieren  in  der  Mittellinie;  jederseits  findet 
sich  eine  Hohlvene.  Vorn  schwellen  die  Nieren  zu  einer  grösseren, 
unmittelbar  hinter  den  Kiemenbogen  liegenden  Masse,  der  Kopf- 
niere (r  ),  an,  die  etwa  die  Form  eines  umgekehrten  Sattels  hat.  Nach 
hinten  zu  senken  sich  die  Nieren ,  der  Krümmung  der  Bauchhöhle  fol- 
gend,  gegen  den  After  hinab,  wo  der  Ausführungsgang  einer  jeden, 
der  Harnleiter,  in  die  Blase  (ves)  mündet. 

Tegument.  —  Das  Tegument  besteht  wesentlich  aus  zwei 
Schichten,  der  Oberhaut  und  der  Lederhaut,  unter  welcher  sich  das 
Ünterhaut-Bindegewebe  erstreckt.  Nur  au  dem  Kopfe  und  den  Flossen 
zeigen  sich  diese  Schichten  ohne  weitere  Complicationen ;  auf  dem 
ganzen  übrigen  Köi^per  sind  in  ihnen  die  Schuppen  entwickelt,  welche 
ein  wahres,  bewegliches  Hautskelett  dai'stellen. 

Die  Epidermis  besteht  aus  über  einander  liegenden  Schichten 
von  Zellen,  von  welchen  die  äussersten  völlig  abgeplattet  sind,  wäh- 
rend die  Zellen  der  tieferen  Schichten  eine  rundliche  oder  eiförmige 
Gestalt  haben.  Das  ziemlich  lockere  Gewebe  der  Lederhaut  wird 
von  Gefässen  und  Nerven  durchsetzt;  hier  und  da,  wie  namentlich  auf 
der  Oberseite  des  Kopfes  erreicht  es  eine  ansehnliche  Dicke.  Die 
platten  Fasern  seiner  einzelnen  Schichten  kreuzen  sich  unter  schiefen 
Winkeln;  sie  sind  nicht  verfilzt,  sondern  unter  sich  parallel  und  gehen 
nicht  von  einer  Schicht  in  die  andere  über.  Zwischen  der  Oberhaut 
und  Lederhaut  findet  man  Pigmentzellen  in  grosser  Zahl,  stellenweise 
in  unregelmässigen  Haufen.  Aehnliche  Pigmentzellen  finden  sich 
übrigens  auch  anderwärts,  besonders  zahlreich  in  der  Nähe  des  Ge- 
hirnes, im  Grunde  der  Augenhöhle ,  in  der  Umgebung  der  Nieren  und 
auf  der  Rückenfläche  der  Schwimmblase,  In  der  Haut  sind  die  Pigment- 
zellen namentlich  in  den  schwärzlichen,  von  dem  Rücken  nach  dem 
Bauche  sich  hinziehenden  Querbändern  angehäuft,  die  mit  helleren 
Bändern  abwechseln.  Die  einzelnen  Pigmenthäufchen  zeigen  sowohl 
hinsichtlich  der  Form  ihrer  Zellen,  wie  hinsichtlich  ihres  Farbentones 
wesentliche  Verschiedenheiten.  Meist  sieht  man  sie  in  Gestalt  eines 
sehr  dunklen,  centralen  Zellkörpers,  von  welchem  verzweigte,  mit 
feinen,  schwärzlichen  Körnchen  angefüllte  Aeste  nach  allen  Richtungen 
hin  ausstrahlen. 

In  Folge  der  Entwicklung  der  Schuppen  in  den  oberen  Schichten 
der  Ledei'haut  erheben  sich  diese  Schichten  mit  der  sie  bedeckenden 
Epidermis  und  bilden  am  hinteren  Rande  der  Schuppe  einen  Falz,  der 
sich  stets  mehr  in  dem  Maasse  vertieft,  als  die  Schuppe  wächst  und 
schliesslich  eine  Art  Tasche  bildet,  in  welcher  die  Schuppe  steckt.    Die 


480  Wirbelthiere. 

Schichten  der  Epidermis  und  der  Lederhaut,  welche  die  Oberfläche  der 
Schuppe  bedecken,  verdünnen  sich  dabei  zusehends,  werden  durch  die 
Zähnelungen  des  Hiuterfeldes  der  Schuppe  durchsetzt  und  nutzen  sich 
schliesslich  so  ab,  dass  nur  Fetzen  davon  übrig  bleiben. 

Schuppen.  —  Um  diese  Gebilde  an  imd  für  sich  isolirt  zu  unter- 
suchen, behandelt  man  ein  Stück  Haut  im  Kalten  mittelst  einer  ver- 
dünnten Lösung  von  Aetzkali.  Die  Epidermis  und  Lederhaut  mit  ihren 
Pigmenten  werden  durch  diese  Behandlung  zerstört.  Treibt  man  die 
Behandlung  weiter,  so  wird  die  Schuppe  selbst  angegriffen  und  in  eine 
Menge  von  dünnen,  platt  über  einander  gelagerten,  harten  Plättchen 
zerlegt ,  die  Klüftungsplättchen  eines  Krystalls  ähnlich  sehen.  —  Die 
kleinsten  Schuppen  finden  sich  an  der  Basis  der  paarigen  Flossen  und 
in  der  Mitte  des  Bauches,  die  grössten  an  den  Seiten  des  Körpers. 
Alle  haben  dieselbe  Structur;  nur  die  Schuppen  der  Seitenlinien  zeigen 
eine  besondere,  zum  Durchlass  der  Canäle  des  Seitensinnes  angepasste 
Bildung.  Die  Schuppen  liegen  wie  Dachziegel  über  einander,  in  hori- 
zontalen, besonders  aber  in  schiefen,  sich  kreuzenden  Reihen  in  der 
Weise  geordnet,  dass  nur  der  hintere  Rand  einer  jeden  Schuppe  frei 
bleibt. 

Jede  Schuppe  stellt  eine  dünne  Scheibe  mit  etwas  breiterem,  ab- 
gerundetem und  glattem  Vorderrande  und  einem  engeren,  mit  zahl- 
reichen Dornen  besetzten  Hinterrande  vor.  Sie  besteht  aus  zwei  über 
einander  gelagerten  Hauptschichten ;  einer  unteren ,  aus  sclerosirtem 
Bindegewebe,  das  sich  durch  die  Anwesenheit  von  bald  vereinzelten, 
bald  zusammengehäuften  Körperchen  dem  Knochengewebe  anschliesst, 
und  einer  sehr  harten  und  spröden,  scheinbar  homogenen  Oberschicht. 
Auf  der  Aussenfläche  dieser  Oberschicht  bemerkt  man  in  erster  Linie 
tiefe,  rinnenförmige  Furchen,  au  deren  Grunde  die  Substanz  sehr 
verdünnt  ist,  ja  selbst  zuweilen  gänzlich  zu  fehlen  scheint.  Diese 
Furchen  strahlen,  in  der  Zahl  von  sieben  oder  acht,  fächerförmig  von 
einem  etwas  hinter  dem  Mittelpunkte  der  Schuppe  gelegeneu  Centrum 
gegen  die  Peripherie  des  Vorderrandes  hin  aus,  der  ebenso  viel  Ein- 
schnitte zeigt,  als  Furchen  vorhanden  sind.  Ausser  diesen  Furchen 
zeigen  sich  auf  der  ganzen  Oberfläche  sogenannte  Anwachsstreifen, 
feine,  dem  Schuppenrande  etwa  parallel  laufende,  aber  doch  einiger- 
maassen  unregelmässige  Kämmchen,  die  mit  Zacken  besetzt  sind,  welche 
man  nur  unter  starken  Vergrösserungen  sehen  kann.  Auf  dem  freien, 
fast  dreieckigen  Hinterfelde  der  Schuppe,  das  etwa  den  fünften  Theil 
der  Gesammtoberfläche  ausmacht,  fehlen  die  Furchen  und  Anwachs- 
streifen, sind  aber  ersetzt  durch  Dornen,  welche  unregelmässig  nach 
den  dem  Rande  parallelen  Linien  geordnet  und  am  Rande  der  Schuppe 
selbst  am  grössten  sind,  nach  dem  Centralfeide  hin  aber  an  Grösse  ab- 
nehmen und  abgestumpft  erscheinen,  als  ob  ihre  Spitze  abgenutzt 
wäre.    Die  grossen  Randdornen  zeigen  in  der  Form  einige  Aehnlichkeit 


Fische.  481 

mit  Haifischzäliiien ;  ihre  Spitze  ruht  auf  einer  in  zwei  Flügel  aus- 
gezogenen Basis ,  die  einen  mittleren ,  rundlichen  Ausschnitt  lässt ,  in 
welchen  die  Spitze  des  vorhergehenden  Dornes  sich  einlegen  kann.  Die 
Dornen  sind  übrigens,  mit  Ausnahme  dieser  basalen  Ausschweifung, 
durchaus  homogen  und  zeigen  keine  innere  Höhlung,  wie  echte  Zähne.  In 
einer  schwachen  Lösung  von  Salzsäure  entwickeln  die  Schuppen  zahl- 
reiche Gasbläschen ,  werden  durchsichtiger  und  nehmen  eine  bläuliche 
Farbe  an ;  die  erwähnten  kleinen  Concretionen  und  die  Rauhigkeiten 
des  freien  Randes  der  Anwachsstreifeu  verschwinden,  während  in  den 
Furchen  eine  Art  Streifung  sich  sehen  lässt.  Die  Entbindung  von 
Kohlensäure  beweist  die  Ablagerung  von  kohlensaurem  Kalk  in  den 
sclerosirten  Theilen  der  Schuppe. 

Seitensinn.  —  Wir  fanden  bei  der  Lamprete  (S.  392)  vereinzelte, 
nackt  auf  der  Haut  liegende  Sinneshügel ,  die  indessen  schon  nach  ge- 
wissen Linien  geordnet  waren.  Aehnliche  zerstreute  Sinneshügel  finden 
sich  auch  beim  Barsche,  vorzugsweise  auf  dem  Kopfe,  aber  auch  auf 
dem  Körper ;  die  grosse  Menge  der  Sinnesorgane  ist  aber  in  ein  Canal- 
system  eingebettet,  dessen  Mittelpunkt  über  der  Einlenkung  des 
Kiemendeckelapparates  und  des  Schultergürtels  sich  findet.  Auf  dem 
Körper  findet  sich  nur  der  unter  dem  Namen  der  Seitenlinie  be- 
kannte Canal.  Derselbe  beginnt  über  dem  Kiemendeckel  und  erstreckt 
sich  bis  zu  der  Basis  der  Schwanzflosse ,  indem  er  einen  flachen ,  der 
Krümmung  des  Rückens  etwa  parallelen  Bogen  beschreibt.  In  den 
schwarzen  Querbändern  ist  die  Seitenlinie  nur  wenig  sichtbar,  erscheint 
aber  als  eine  weisse  Linie  auf  den  hellen  Bändern.  Die  den  Canal 
deckenden  Schuppen  der  Seitenlinie  zeigen  eine  kleine  Röhre  an  der 
Unterfläche,  welche  sich  am  Hinterrande  der  Schuppe  nach  aussen 
öffnet  und  einen  glashellen  Schleim  austreten  lässt.  Nach  vorn  münden 
die  Röhrchen  der  Schuppen  in  einen  längsverlaufenden  Sammelcanal 
ein,  der  in  der  angegebenen  Richtung  zu  dem  über  der  Einlenkung 
des  Kiemendeckels  gelegenen  Sammelbecken  verläuft ,  von  welchem 
auch  die  Canäle  der  Kopfgegend  ihren  Ursprung  nehmen.  Der  erste 
derselben  ist  ein  Quercanal,  der  zu  dem  Gipfel  des  Hinterkopfes  auf- 
steigt und  hier  mit  dem  Canal  der  anderen  Seite  zusammenfliesst,  so 
dass  eine  Verbindung  zwischen  den  seitlichen  Canalsystemen  hergestellt 
wird.  Dann  lösen  sich  drei  seitliche  Kopfcanäle  ab;  der  oberste  geht 
zur  Augenhöhle,  dringt  in  die  Kette  der  Unteraugenknöchelchen  ein 
und  folgt  derselben  bis  zum  vordersten  Knochen ,  wo  er  starke  Canäl- 
chen  ausstrahlen  lässt  (Fig.  207),  bevor  er  sich  an  der  Spitze  der 
Schnauze  verästelt.  Der  zweite  Canal  läuft  längs  dem  Vorderrande 
des  Praeoperculnm  nach  unten  und  dann  an  dem  Rande  des  Ober- 
kiefers und  Zwischenkiefers  nach  vorn;  der  dritte  endlich  läuft  an  dem 
Vorderrande  des  Kiemendeckels  nach  unten,  und  tritt  auf  den  Unter- 
kiefer über,  dem  er  bis  zu  dem  vorderen  Mundwinkel  folgt.     Ueberall 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Auatouiie.     II.  gj^ 


482 


Wirbeltliiere. 


sitzen  auf  dem  Verlaufe  dieser  Hauptcanäle  secundäre  Ausfülirungs- 
canälchen  auf,  deren  Mündungen  mit  glashellem  Schleime  gefüllt 
sind.  —  Haupt-  und  Seitencanäle  sind  mit  einem  hohen  Cylinder- 
epitheliura  ausgekleidet,  das  ohne  Zweifel  den  Scheim  absondert.  Die 
sehr  veidängei'ten ,  cylindrischen  Sinneszellen ,  die  einen  ovalen  Kern 
haben,  bilden  im  Inneren  der  Canäle  keine  bestimmt  begrenzten 
Sinnesknöpfe;  sie  finden  sich  in  den  Ausfuhi'canälchen ,  wo  sie  kürzer 
und  dicker  sind,  drängen  sich  aber  an  der  Einmündungssteile  in  den 
Sammelcanal  derart  zusammen,  dass  sie  nur  ein  sehr  geringes  inneres 
Lumen  lassen.  —  In  den  isolirten  Sinneshügeln  (Fig.  197)  bilden  die 
verlängerten  Sinueszelleh  die   erhabene  Mitte   des  Hügels   und  werden 

Fio    197. 


.d^ 


Perca  fluviatilis.   —    Senkiechtei   Duichschnitt  dei   Haut  eines  jungen  Thieres  in  der 
Gegend    der    Nasengruben.     Verick,    Oc.   1,  Obj.   7.      Camera    dura,     a,    Epidermis- 
zellen ;    b,  Sinneshügel;    c,  Lederhaut  mit  Pigmentzellen;    fZ,  Schleimhaut  der  Nasen- 
gruben ;  e,  Wiraperepitheliuni  mit  Drüsenzellen. 


rundum  von  runden ,  mit  grossen  centralen  Kernen  versehenen  Stütz- 
zellen umgeben.  Die  langen  Sinneszellen  der  Mitte  (b)  sind  etwas  an 
ihrer,  den  Kern  einschliessenden  Basis  angeschwollen;  ihr  deutlicher 
contui'irtes ,  freies  Ende  verschmälert  sich  und  trägt  oft  eine  kleine, 
glashelle  Borste,  die  aiich  unter  sehr  starken  Vergrösserungen  nur 
schwer  zu  sehen  ist. 

Inneres  Skelett.  —  Wie  bei  allen  anderen  Wirbelthieren 
kann  man  unterscheiden:  das  centrale  oder  neurale  Skelett, 
das  die  Wirbelsäule  und  deren  Fortsetzung,  den  Schädel,  mit  den  ver- 


Fische. 


48.- 


sclaiedenen  Ausstrahlungen,  Rippen,  Muskelgräten  und  Strahlen  der 
unpaaren  Flossen  umschliesst;  das  Visceralskelett,  welches  aus 
Bogen  besteht,  die  mehr  oder  minder  vollständig  den  Nahrungscanal 
umgeben  und  das  Skelett  der  paarigen  Glieder,  hier  Brust- 
und  Bauchflosse.  Hinsichtlich  der  Entstehung  kann  man  Knorpel- 
knochen  (enchondrische  Knochen)  unterscheiden,  die  durch  Ver- 
knöcherung von  knorpeligen  Anlagen  entstehen,  und  Deckknochen, 
welche  durch  directe  Verknöcherung,  ohne  Dazwischenkunft  von  Knorpel- 
anlagen ,  aus  faserigen  Geweben  entstehen ,  die  meistens  dem  Haut- 
systeme  angehören. 

Wirbelsäule  (Fig.  198  bis  200).    —  Man    zählt  bei    einem   er- 
wachsenen Barsche  41  Wirbel,    die   biconcav   sind.     Der  Köi'per  jedes 
einzelnen  Wirbels  ist  vorn    und   hinten  trichterförmig   ausgehöhlt   und 
pjo-    198  ^^^  Spitzen   dieser  Doppel- 

höhlungen stossen  in  der 
Mitte  des  Wirbelkörpers 
mit  einem  kleinen  Loche 
zusammen  (o).  Die  Kegel- 
höhleu sind  mit  einer  sul- 
zigen Masse  ausgefüllt.  Die 
Wirbelkörper  stossen  also 
nur  mit  den  Rändern  der 
Kegelhöhlen  zusammen,  wo 
sie  durch  feste  Sehnen- 
massen verbunden  sind. 
Es  finden  sich  stets  obere 
und  untere  Fortsätze.  Die 
oberen  (Neurapophy- 
sen)  (a,  Fig.  198)  bilden 
durch  ihre  bogenförmige 
Vereinigung  den  Medullar- 
canal,  der  das  Rückenmark 
einschliesst  und  setzen  sich 
als  Dornfortsätze  {Pro- 
cessus spinosf)  nach  dem 
Rücken  hin  fort.  Die  un- 
teren Bogen  (tiaemapophysen)  (f)  beginnen  erst  vom  fünften  Wirbel 
an,  sind  anfänglich  sehr  kurz,  nehmen  aber  nach  hinten  an  Länge  zu, 
während  ihre  distalen  Enden  noch  von  einander  abstehen.  Am  Ende 
der  Bauchhöhle,  im  Niveau  der  Afterflosse  aber  krümmen  sie  sich  in 
derselben  Weise  wie  die  oberen  Bogen  zu  einem  Canale,  dem  Haemal- 
canal  (/?,  Fig.  200),  zusammen,  welcher  die  grossen  Köi'pergefässe, 
Aorta  und  Hohlvene,  einschliesst.  Von  der  Vereinigung  an  bilden  sie 
die   unteren    Dornf  ort  s  ätze.   —    An    allen    Wirbeln     findet    man 

81* 


Perca  fluriatiüs.  ■ —  Doppelt  vergrösserter  Bauch- 
wirbel.  A,  im  Profil;  B,  von  vorn,  n,  Neurapo- 
physe ;  i,  Wii'belkörper;  c,  schiefer  Fortsatz; 
e,  Rückencanal ;  t,  Haemapophyse ;  o,  Communioa- 
tionsöffnuncf  zwischen  den  beiden  Trichterhöhlen. 


484 


Wirbeltliiere. 


Perca  fluviatUis.  Der 
Atlas  von  voi'n  gesehen. 
Zweifache  Vergrösse- 
rung.  Dieselben  Buch- 
staben. /,  Gelenkhöhlen. 


ausserdem  kurze,   schiefe  Fortsätze,   die  von  der  Basis  der  Bogen  aus- 
gehen und  Muskeln  zum  Ansätze  dienen. 

Einige  Wirbel   bedürfen    besonderer  Erwähnung.     Der   erste,    der 
Atlas  (Fig.  199),  zeigt  an  den  vorderen  oberen  Ecken  seines  Körpers 
Fig.  199.  zwei  tiefe  Gelenkgruben  (/)  für  die  Einlenkung  mit 

dem  Hinterhaupte.  —  Der  21.  Wirbel  (Fig.  200) 
trägt  lange  Haemapophysen ,  von  deren  Rand 
jederseits  ein  kleiner  Knochenfortsatz  ausgeht. 
Indem  diese  Fortsätze  von  beiden  Seiten  her  sich 
zusammenschliessen,  entsteht  ein  ziemlich  grosser, 
ovaler  Raum.  In  derselben  Weise  verhält  sich 
der  folgende  Wirbel.  —  Der  Schwanzwirbel  end- 
lich trägt  vier  lange,  dreieckige  Platten,  die  sich 
zu  einem  senkrechten  Fächer  zusamraenordnen ; 
an  diese  breite  Platte  setzen  sich  die  Strahlen  der 
durchaus  homocerken  Schwanzflosse. 

Rippen  sind  auf  der  ganzen  Länge  zwischen 
dem  Kopfe  und  dem  After  entwickelt.  Die  vor- 
dersten sind  sehr  kurz  und  setzen  sich  unmittel- 
bar an  die  Unterfläche  des  betreifenden  Wirbel- 
körpers an;  die  folgenden  werden  zunehmend  länger  und  sind  an  dem 
hinteren    Rande    der   unteren    Bogen    angeheftet ;    die    letzten    werden 

wieder  kürzer.  Die  Rippen 
sind  krumme  Knochen- 
stäbchen, die  sich  nirgends 
auf  der  Yentralseite  zu- 
sammenschliessen und  nur 
ein  einfaches  Gelenkköpf- 
chen besitzen ;  am  oberen 
Drittel  ihrer  Länge  etwa 
tragen  sie  eine  sehr  dünne 
*  Muskelgräte,  welche  nach 
hinten  gerichtet  und  in  die 
Myocommen  des  Leibes- 
muskels eingeschaltet  ist. 

Un  paare  Flossen.  — 
In  der  allgemeinen  Be- 
schreibung sagten  wir 
schon ,  dass  der  Barsch 
zwei  Rückenflossen ,  eine 
vordere  stachelige,  eine  hin- 

„    .    ...  T^      n,    -iHT-  T,  1   j        u  tere  weiche,  eine  Schwanz- 

Percu  flnviutdis.    —    Der    21.  Wirbel    doppelt    ver-  '  . 

grössert.     A,  Profil ;   B,   von  vorn.    Dieselben  Buch-     Aosse    und    eine   Afterflosse 
Stäben.      /;,  Hnemalcanal.  besitzt.       Alle    diese     verti- 


Pis;.  200. 


Fische. 


485 


calen    Flossen   stehen   in   Beziehung   zur  Wirbelsäule,    zeigen   aber   in 
dieser  Hinsicht  einige  Verschiedenheiten. 

Die  erste  Eückenflosse  besitzt  nur  Stachelstrahlen;  die  zweite 
zeigt  zwei  Stacheln  im  Anfange,  die  Afterflosse  nur  einen.  Alle  diese 
Stacheln  sind  sehr  hart  und  spitz.     Die  Basis  eines  jeden  Stachels  ver- 

Fia.  201.  -■ 


Perca  JJtiriutilis.  —  Vorderer  Abschnitt  des  Skelettes  in  natürlicher  Grösse,  i,  Zwischen- 
li:iefer ;  m^ ,  aufsteigender  Ast  des  Oherkiet'ers ;  j^,  erstes  Jugale  mit  Seitencanälen ; 
/',  Präfrontale;  f^,  Frontale;  /^,  Postfrontale;  o,  Orbita;  ca,  Meta-pterygoideum  ; 
iiiu,  Hj'omandibulare ;  pa,  Höhle  auf  dem  Parietale  für  Muskelansätze;  om,  Schulter- 
blatt ;  om^  bis  om^,  Apophysen  desselben  zur  Befestigung  am  Schädel ;  oc,  Hinterhaupts- 
kamm ;  in,  Zwischendornknochen ;  in^,  erstes  Interspinale;  co,  Coracoideum ;  re, 
Flossenstachel;  ae,  Dornfortsätze;  d,  Dentale;  cw,  Articulare;  an,  Angulare  des 
Unterkiefers;  m,  Oberkiefer ;  g,  Transversum;  c,  Quadratum ;  br,  Kiemenhautstrahlen; 
pop,  Praeoperculum ;  ?m^,  Interoperculum;  op,  Operculum ;  sop,  Suboperculum ; 
cl,  Clavicula ;  cii,  Basale  inferius;  r,  Basale  medium;  car,  Carpus ;  si,  Griffelfurt- 
satz;  c,  Rippen;  «?■,  Muskelgräten;  v,  Becken;  ü^,  Bauchflossenstrahlen. 


486  Wirbelthiere. 

breitert  sicli  und  bildet  zwei  seitliche,  abgerundete  Gelenkköpfchen. 
Die  weichen  Strahlen ,  welche  grösstentheils  die  zweite  Rückenflosse, 
die  Afterflosse  und  die  ganze  Schwanzflosse  bilden,  bestehen  aus 
einer  grossen  Anzahl  fächerförmig  an  einander  gereihter  Plättchen, 
die  von  einer  stabförniigen ,  ebenfalls  mit  zwei  Gelenkköpfchen  aus- 
gestatteten Basis  ausgehen.  Alle  Strahlen  der  beiden  Rückenflossen 
und  der  Afterflosse,  mögen  sie  nun  stachelig  oder  weich  sein,  ruhen 
auf  dreieckigen  Knochenlamellen,  den  sogenannten  Zwischendorn- 
knochen  (f;i,  Fig.  201)  (ossa  intersinnosa) ,  deren  nach  unten  ge- 
richtete Spitze  zwischen  je  zwei  Dornfortsätze  eingeschoben  ist.  Diese 
Lamellen  sind  sehr  dünn ,  durchsichtig  und  tragen  auf  jeder  Seiten- 
fläche eine  vorspringende  Längskante,  so  dass  sie  wie  ein  Bajonett  mit 
vier  Kanten  aussehen.  Die  erweiterte  Gelenkfläche  eines  jeden  Zwischen- 
knöchelchens  verlängert  sich  nach  hinten  in  zwei  kleine  Fortsätze. 
Vor  dem  ersten  Rückenstrahl,  zwischen  ihm  und  dem  Ende  des  Hinter- 
hauptskammes,  ist  ein  runder  Zwischenknochen  (in)  eingelassen,  der 
keinen  Flossenstrahl  trägt. 

Die  weichen  Strahlen  der  Schwanzflosse  sind  in  den  beiden  Lappen 
derselben  in  identischer  Weise  gebaut.  Die  vorderen  Strahlen  sind 
sehr  kurz  und  ruhen  direct  auf  den  oberen  und  unteren  Dornfortsätzen 
der  letzten  Vfirbel ;  die  folgenden  verlängern  sich  schnell,  nehmen  aber 
in  der  Mitte  der  Flosse  etwas  ab  und  bilden  so  den  Ausschnitt  der- 
selben. Sie  sind  direct  auf  die  fächerartigen  Platten  des  letzten  Wir- 
bels eingelenkt. 

Das  Kopfskelett  (Fig.  201  a.  v.  S.)  mit  seinem  Zubehör  nimmt 
etwa  ein  Viertel  der  gesammten  Körperlänge  ein.  Wie  schon  gesagt, 
besteht  es  aus  zwei  Haupttheilen ,  dem  Hirnschädel  und  dem  Ge- 
sichtsschädel, die  sich  ziemlich  leicht  von  einander  trennen  lassen. 
Mit  der  Wirbelsäule  hängt  das  KojDfskelett  nur  durch  das  Hinter- 
hauptsgelenk zusammen. 

Der  eigentliche  Hirnschädel  (Fig.  202)  bildet  im  Ganzen  eine 
dreiseitige ,  mit  sehr  verschieden  ausgehöhlten  Flächen  ausgestattete 
Pyi'amide ,  deren  Basis  von  der  Hinterhauptsgegend,  die  abgerundete 
Spitze  von  der  Schnauze  hergestellt  wäre,  während  eine  Fläche  von 
der  oberen  Stirnfläche  gebildet  würde  und  die  beiden  geneigten  Seiten- 
flächen in  einer  stumpfen  unteren  Kante  zusammenstossen,  die  das 
Dach  der  Mundhöhle  in  der  ventralen  Mittellinie  bildet.  Die  einzelnen, 
den  Hirnschädel  zusammensetzenden  Stücke  sind  entweder  durch  Nähte 
oder  durch  Zwischenlager  von  Knorpel  oder  Bindegewebe  mit  einander 
verbunden. 

Der  Primordialknorpel,  welcher  an  der  Bildung  der  Schädelkapsel 
Antheil  nimmt,  ist  besonders  in  der  Mitte  der  vorderen  Schnauzen- 
gegend stark  entwickelt,  wo  er  eine  grosse  Masse  bildet,  in  welcher 
die  Nasengruben  ausgehöhlt  sind.   Eine  kleine,  eiförmige  Knorpelmasse 


Fische. 


487 


liegt  über  dein  Vomer  etwas   nach  hinten.     Auch   in  den  Wänden    der 
Ohrkapsel  findet  man  Reste  des  knorpeligen  Primordialschädels. 

Die  Hinterhauptsgegend  zeigt  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  Bil- 
dung eines  Wirbels.  Unter  dem  grossen  Hinterhauptsloche  findet  sich  das 
Grundbein  (Os  hasiJarCjh),  welches  die  Basis  des  Schädels  beginnt  und 
auf  seiner  Hinterfläche  eine  conische  Aushöhlung  zeigt.  In  der  oberen 
Mittellinie  entspricht  ihm  das  Occipitale  superius  (o),  das  nach  vorn  in 
eine  breite  Lamelle  sich  erweitert  und  nach  hinten  einen  dünnen,  senk- 
rechten Kamm  trägt.  Die  Seiten  des  Hinterhauptsloches  werden  von 
den  seitlichen  Hinterhauptsknocheu  {Ocdintalia  lateralia,  oT)  geschlossen, 
welche  an  ihrem  Unterrande  die  Gelenkköpfe  tragen,  mit  welchen 
der    Atlas    articnlirt.      Diese    grösstentheils    enchondrischen    Knochen 

Fig.  202. 

A  P    9 


fcL- 


Ptrca  ßiiviaülis.  —  Der  Schädel  in  natürlicher  Grösse.  A,  Profil ;  B,  Oberseite ; 
C,  Unterseite  ;  fo,  Postfrontale  ;  fp^  Frontale  ;  fa,  Praefrontale  ;  e,  Ethmoideum  ;  p,  Pa- 
rietale; b,  Basilare ;  o,  Occipitale  superius;  oe,  Occipitale  externum ;  ol,  Occipitale 
laterale;  sa,  Orbitosphenoideum ;  sg,  Prooticum ;  sp,  Parasphenoideum ;  n,  Nasale; 
r,  Vomer;  t,  Temporale. 


488  Wirbelthiere. 

schliessen  sich  nach  vorn  die  ebenfalls  meist  enchoudrischen  Knochen 
an,  welche  zum  grössten  Theile  die  Gehörkapsel  bilden,  Ejpiolica  oder 
Occipitalia  externa  (oe)  nach  hinten  und  oben,  Frootica  oder  grosse 
Keilbeinflügel  (sg) ,  die  leicht  an  dem  grossen  Loche  zum  Durchtritte 
des  Nervus  trigeminus  erkannt  werden  können.  Nach  vorn  werden 
die  Schädelwandungen  in  der  Gegend  der  Augenhöhle  durch  die  Orbito- 
sphenoidalia  oder  Orbitalflügel  des  Keilbeines  (sä)  ergänzt,  welche 
den  Hinterrand  der  Augenhöhle  bilden.  Vor  den  Augenhöhlen  wird 
die  Schädelhöhle  durch  den  Primordialknorpel  geschlossen,  in  dessen 
Mitte  zwei  kleine,  verticale  Knochenplättchen  ,  die  Siebbeine  {Etlimoi- 
dea,  e),  angebracht  sind. 

Diesen  enchondrischen  Knochen  schliessen  sich  mehrere  Deckknochen 
an,  die  wir  von  hinten  nach  vorn  aufzählen.  An  der  oberen  Fläche,  zum 
Theile  von  den  Stirnbeinen  bedeckt,  die  kleinen  dreieckigen,  seitlich  ge- 
legenen Scheitelbeine  (Parietalia,}))  ;  davor  in  der  Mittellinie  die  grossen, 
hinten  breiteren,  vorn  verschmälerten  Hauptstirubeine  (FrontaUa,  fp), 
welche  das  Dach  der  Hirnhöhle  und  der  Augenhöhlen  bilden;  im  hin- 
teren Winkel  der  Augenhöhlen  nach  innen  die  Postfrontalia  (fo),  an 
welchen  das  Hyomandibulare  eingelenkt  ist.  Die  vordere  Ecke  der 
Augenhöhlen  wird  von  den  Praefrontalia  (fa)  gebildet  und  auf  dem 
Knorpel,  in  welchem  die  Nasengruben  ausgehöhlt  sind,  liegt  ein  kleines 
mittleres   Knochenschüppchen,  Nasale  oder   mittleres  Eilimoideiim  (n). 

An  der  Schädelbasis  finden  sich,  in  die  Schleimhaut  der  Decke 
der  Mundhöhle  eingelassen,  zwei  Deckplatten,  hinten  das  Parasplienoi- 
deuni  (sp),  das  die  Gestalt  eines  Lanzeneisens  hat,  hinten  zum  Theil 
das  Basilare  und  mit  seinem  vorderen  Ende  den  grifFelförmigen  Stiel 
des  Vomer  (v)  deckt,  dessen  vorderes,  bogenai"tig  ausgeschweiftes  Ende 
zahlreiche  Bürstenzähne  trägt. 

Einige  Knochenstücke,  die  ganz  dem  Hautsysteme  anzugehören 
und  nur  in  Beziehung  zu  den  Seitencanälen  zu  stehen  scheinen, 
schliessen  sich  aussen  an  den  Schädel  an.  Dahin  gehören  am  äusseren 
Winkel  des  Hinterhaupts  das  mit  einem  zur  Rinne  gehöhlten  Kamme 
versehene  Temporale  (t)  und  die  fünf  schuppenförmigeu  Knochen  unter 
der  Augenliöhle  [Jugalia,  j)  (/,  Fig.  201),  welche  eine  zusammen- 
hängende Kette  bilden.  Die  vorderste  dieser  Schuppen  hat  eine  be- 
deutende Grösse  und  zeigt  ausstrahlende  Nebencanäle. 

Man  kann  auch  noch  als  im  Dienste  eines  Sinnesorganes,  aber  nicht 
des  Seitensinnes,  stehende  Hautknöchelchen  die  kleinen  Riechknochen 
(oo,  Fig.  203)  betrachten,  welche  den  Rand  der  Nasenöffnnngen  stützen. 

Der  Gesichtsschädel  besteht,  wie  oben  gesagt,  aus  einer 
Menge  von  Stücken,  die  sich  zu  Bogen  zusammenstellen,  von  welchen 
die  beiden  ersten  ganz  an  der  Unterfläche  des  Hirnschädels  anliegen, 
während  die  anderen  sich  in  der  ventralen  Mittellinie  um  den  Nah- 
rungscanal  herum   vereinigen.      Die   oberen  Enden   dieser  Bogen    sind 


Fische.  489 

theils  durch  Bänder,  theils  durch  ausgebildete  Gelenke  dem  Hirnschädel 
angeheftet.     Wir  unterscheiden  folgende  Bogen  und  deren  Stücke. 

1.  Der  Oberkieferbogen  bildet  den  Mundrand  und  besteht 
aus  zwei  paarigen  Stücken,  den  Zwischen-  und  Oberkiefern.  Der 
Zwischenkiefer  (Intermaxillare ,  ?,  Fig.  201)  trägt  auf  seinem  bogen- 
förmig gekrümmten  Unterrande  zahlreiche  Bürstenzähne.  Er  ist  vor 
und  unter  dem  Oberkiefer  gelagert,  der  ihn  von  oben  grösstentheils 
bedeckt.  Jeder  Zwischenkiefer  besitzt  zwei  nach  oben  gerichtete  Fort- 
sätze, von  welchen  der  vordere  abgerundet,  der  hintere  am  Rande  zu- 
geschärft ist. 

Der  Oberkiefer  (Maxillare,  m),  von  den  älteren  Autoren  Os  mystacis 
genannt,  bildet  eine  lange,  etwas  schief  gerichtete  und  durchaus  zahn- 
lose Knochenlamelle,  die  dem  Zwischenkiefer  ihrer  ganzen  Länge  nach 
aufliegt,  aber  an  der  Zusammensetzung  des  Mundrandes  keinen  Antheil 
nimmt.  Das  verdickte  Vorderende  des  Knochens  legt  sich  mit  einem 
kurzen  Fortsatze  an  den  Nasensack  an  und  wird  mit  diesem  diirch 
eine  faserknorpelige  Masse  verbunden.  Starke  Sehnenfasern  verbinden 
den  Zwischenkiefer  mit  dem  Oberkiefer,  an  welchen  sich  auch  ein 
langes  Sehnenband  des  Kaumuskels  ansetzt,  das  bogenförmig  nach 
hinten  zu  dem  Articulare  des  Unterkiefers  verläuft.  Ein  vorderer 
Fortsatz  des  Knochens  verstärkt  die  Verbindung  mit  dem  Zwischenkiefer. 

2.  Der  Gaumen  flu  gelbogen  {Arcus  pterugo-palaiinus).  Mau 
weiss  aus  der  Entwicklungsgeschichte,  dass  dieser  Bogen  ursprünglich 
eine  Abzweigung  des  folgenden  Bogens  ist,  mit  welchem  er  zwar  noch 
nach  hinten  in  Verbindung  bleibt,  von  dem  er  sich  aber  durch  die 
Verknöcherung  getrennt  hat.  Er  liegt  nach  innen  von  dem  Kiefer- 
bogen, vervollständigt  das  Dach  der  Mundhöhle  und  besteht  von  vorn 
nach  hinten  aus  folgenden  Stücken : 

Das  Gaumenbein  {Pä'atimim,']),  Fig.  203  a.  f.  S.),  ein  Knochen 
von  sehr  unregelmässiger  Gestalt,  bildet  den  vorderen  Theil  des  Mund- 
loches und  trägt  dichtgedrängte  Bürstenzähne.  Nach  vorn  ist  es  mit 
dem  Vomer  verbunden  und  verlängert  sich  in  einen  nach  aussen  ge- 
krümmten Haken.  —  Das  Flügelbein  {Pterygoldeum  oder  Entoptery- 
goideiim,  pf)  ist  eine  dünne  Lamelle,  die  an  der  Decke  der  Mundhöhle 
theilnimmt.  Das  Querbein  (Transversum  oder  Ectopier ygoideum, 
tra)  wird  von  einem  dünnen,  fast  im  rechten  Winkel  gebogeneu 
Knochenstäbchen  gebildet.  Es  verbindet  das  Gaumenbein  mit  dem 
Quadratbein.  —  Dsis  Metcipterygoideum,  auch  Trommelbein  genannt 
(Ca)  {Tympanicum  Cuvier),  ist  eine  unter  dem  Quadratbein  gelegene 
Lamelle,  welche  den  hinteren  Rand  der  Augenhöhle  ergänzt. 

3.  Der  Unterkiefer  bogen  (Arcus  mandihuJaris)  wird  be- 
kanntlich ursprünglich  von  einem  einzigen  Knorpelstabe,  dem  soge- 
nannten Me ekel' sehen  Knorpel,  in  seinem  distalen  Theile  gebildet, 
theilt  sich  aber  bei  der  Verknöcherung   und   durch   Zutritt  von  Deck- 


490 


Wirbelthiere. 


platten  in  mehrere  Stücke  und  tritt  ausserdem  mit  den  benachbarten 
Bogen  in  Verbindung.  Er  ist  au  dem  Schädel  mittelst  eines  mächtigen 
Knochenstückes  von  sehr  unregelmässiger  Form ,  dem  Quadratbein 
{Quadrahtm,  c),  aufgehängt,  das  sich  nach  unten  in  eine  Gelenkrolle 
verlängert,  welche  in  eine  Aushöhlung  des  Gelenkbeines  des  Unter- 
kiefers sich  einsenkt  und  so  das  ünterkiefergelenk  bildet.  Der  Hinter- 
rand des  Quadratbeines  zeigt  eine  Längsrinne,  in  welche  ein  Theil 
des  Vorderkiemendeckels  eingepasst  ist.  —  Der  eigentliche  Unter- 
kiefer (Mand'ihitla)  besteht  aus  drei  Knochenstücken.  Das  vorderste, 
das  Zahnbein  (Dentcde,  d,  Fig.  201),  zeigt  auf  der  inneren  Seite  eine 
Hohlkehle,  in  welcher  noch  ein  Rest  des  Me  ekel 'sehen  Knorpels  mit 
einer  Fortsetzung  des  Kaumuskels  liegt;  sein  oberer  Rand  ist  mit 
Bürstenzähnen    besetzt,    der  Hinterrand  ist   V-förmig  ausgeschnitten. 

Fig.  203. 


Perca  fluvlatUis.  —  Seitliche  Ansicht  des  Kopfskelettes,  nach  Wegnahme  des  Kiefer- 
und  Kiemendeckelapparates.  car,  vordere  Kuorpelmasse ;  oo^  Riechbein;  t,  Durch- 
trittsloch  des  Riechnerven;./};,  Stirnbein;  o,  Orbita;  pt,  Flügelbein;  »o,  Vomer; 
l),  Gaumenbein;  h,  Zungenbein;  tra,  Transversum;  c,  Quadratbein;  ri,  Kiemenhaut- 
strahleu  ;  st,  Griffelbein  ;  sy,  Symplecticum  ;  c  «,  Metapterygoideum  ;  ma,  Hyomandibulare. 

In  diesen  Ausschnitt  passt  das  Vorderende  des  Gelenkbeines  {Arti- 
ctdare,  ar,  Fig.  201),  welches  hinten  die  Hohlkehle  zur  Aufnahme  der 
Gelenkrolle  des  Quadratbeines  trägt.  Das  kleine  Eck b  ein  (Angu- 
lare,  a) ,  von  dreieckiger  Form,  vervollständigt  den  hinteren  unteren 
Winkel  des  Unterkiefers. 

4.  Der  Zungenbeinbogen  (Arctts  liyoideus)  hängt  durch  ein 
mächtiges  Knochenstück,  das  Ilyomandibidare  {ma,  Fig.  203),  an  dem 
Schädel.  Sein  verbreitertes  Oberende  passt  in  eine  Rille  des  Post- 
frontale.    Nach  hinten  und  oben    zeigt   es   einen  Fortsatz,   der   in    der 


Fische. 


491 


Gelenkhöhle  des  Kiemendeckels  spielt.  Nach  unten  verschmälert  es 
sich  und  verbindet  sich  mit  dem  SynijjJedicum  und  dem  Griffelbeine ; 
an  seinen  Hinterrand  legt  sich  der  Vorderdeckel  an.  Das  Aufhänge- 
gerüst  wird  durch  zwei  kleine  cylindrische,  im  Winkel  aus  einander- 
weichende  Knochen  verstärkt,  das  Syinplectkion  (sy,  Fig.  203),  welches 
das  Hyomandibulare  mit  dem  Quadratbeine,  und  das  Griffelbein  (Sty- 
loideum,  st),  welches  es  mit  dem  Zungenbeine  verbindet.  Dieses,  das 
Hyoideum  {h,  Fig.  203),  bildet  einen  aus  vier  Stücken  bestehenden 
Bogen.  Die  beiden  oberen  Stücke  (c?,  c,  Fig.  204)  sind  durch  ein 
breites,  queres  Knorpelband  mit  einander  verbunden  und  haben  im 
Ganzen  die  Form  eines  krummen,  innen  ausgehöhlten  Spatels,  an 
dessen  oberes  Ende  das  Griffelbein  {st)  eingelenkt  ist,  während  der 
Griff  des   Spatels  von   zwei    dreieckigen   Knöchelcheu   (?;,   a)    gebildet 


Fio-.  204. 


Perca  fluviatUis.  —  Die  eine  Hälfte  der  Kiemen-  und  Zungenbeinbogen  ausgebreitet 
und  von  der  inneren  Fläche  gesehen.  jSTatürliche  Grösse,  en,  Entoglossum  ;  a,b,  Ge- 
lenkstücke des  seitlichen  Schenkels  des  Zungenbogens ;  c,  d,  abgeplattete  Stücke  des- 
selben Bogens;  ca,  knorpeliges  Verbindungsstück  derselben;  e,  stabförmiges  Ver- 
bindungsstück zwischen  dem  ersten  Kiemenbogen  und  dem  Schädel ;  1  ,  unteres ; 
2,  mittleres;  3,  oberes  Stück  des  Bogens;  st,  GrifFelbein ;  r,  Kiemenhautstrahlen ; 
phij  untere  Schlundknochen;  phs,  obere  Schlundknochen;  4,  zahntragende  Stücke 
derselben;   c^  bis  c*,  Copulae. 


wird,  die  an  dem  Rande  des  in  der  ventralen  Mittellinie  gelegenen 
Zungenbeinkörpers  eingelenkt  sind.  Dieser  Körper  besteht  aus  einer 
Reihe  von  fünf  Knöchelchen  [Copulae,  c^  bis  c'),  an  welchen,  ausser 
dem  Zungenbeinbogen,  auch  die  Kiemenbogen  seitlich  eingelenkt  sind. 
Das  vorderste  Knöchelchen,  Os  linguale  oder  Entoglossum  (en),  springt 
in  Form  einer  senkrecht   gestellten  Pflugschar   in   die   fleischige  Masse 


492  Wirbelthiere. 

der  Zunge  vor.  Das  Endknöchelchen  hat  eine  ähnliche  Gestalt  und 
zeigt  keine  seitlichen  Gelenkflächen. 

5.  bis  8.  Die  vier,  respiratorische  Blättchen  tragenden  Kiemen- 
bogen  tragen  auf  ihrem  Vorderrande  kleine,  dicht  mit  Spitzen  be- 
setzte Wärzchen,  der  erste  ausserdem  noch  ziemlich  lange  und  sehr 
spitze  Dornen ;  sie  nehmen  von  vorn  nach  hinten  an  Grösse  ab  und 
hängen  durch  ein  kleines  cylindrisches  Knochenstück  (e) ,  das  zum 
ersten  Bogen  geht,  an  dem  Schädel.  Jeder  Bogen  besteht  aus  drei 
Stücken,  einem  unteren  Verbindungsstück  (1),  das  an  dem  Zungen- 
beinkörper eingelenkt  ist ,  einem  langen  Mittelstück ,  das  schief  von 
vorn  und  unten  nach  hinten  und  oben  sich  richtet  (2)  und  einem  kür- 
zeren ,  horizontal  gerichteten  Oberstück  (3) ,  welches  an  der  Bildung 
des  Daches  des  Schlundkopfes  Antheil  nimmt.  Die  vorwärts  gerich- 
teten,  oberen  Enden  des  zweiten,  dritten  und  vierten  Bogens  ver- 
breitern sich  zu  Knochenplatten,  die  auf  der  unteren,  gegen  den 
Schlundkopf  gewendeten  Seite  Zähnchen  tragen.  Man  nennt  diese 
vereinigten  Platten  die  oberen  Schlundknochen  {phi). 

9.  Ein  übrigens  unvollständiger  Bogen  wird  von  den  unteren 
Schlundknochen  (pJis)  gebildet.  Es  sind  zwei  ziemlich  lange 
Knochenplatten ,  die  keine  Kiemenfransen ,  wohl  aber  auf  ihrer  oberen 
Fläche  zahlreiche  und  dicht  gedrängte  Bürstenzähne  tragen. 

An  die  Gesammtheit  dieser  Visceralbogen ,  welche  vorn  der  Er- 
nährung, dann  der  Athmung  zugewiesen  sind  und  mit  dem  hintersten, 
unvollständigen  Bogen  wieder  der  Ernährung  dienen,  schliesst  sich  ein 
den  Fischen  allein  zukommender,  ursprünglich  häutiger  Apparat,  der 
für  die  Athmung  von  höchster  Wichtigkeit  ist. 

Der  Kieme ndeckelapparat  besteht  aus  einer  Anzahl  platter 
Knochen,  welche  die  Kiemen  von  aussen  her  schützen  und  sich  wie  in 
einem  Charnier  auf  beiden  Seiten  des  Hinterkopfes  so  bewegen,  dass 
sie  die  grosse  Kiemenspalte  öffnen  und  schliessen  können.  Der  Appa- 
rat besteht  aus  folgenden  Theilen  : 

Der  Vorderdeckel,  Praeoperculum  (pop,  Fig.  201),  trägt  den 
ganzen  beweglichen  Apparat.  Er  besteht  aus  einem  platten,  fast  im 
rechten  Winkel  gebogenen  Knochenstücke,  welches  mit  dem  Quadrat- 
bein, dem  SymplecUcimi'  und  dem  Hyomandibulare  eng  verbunden  ist; 
der  aufsteigende  Ast  legt  sich  oben  an  das  Postfrontäle  an,  der  hintere 
Rand  ist  fein  gezähnelt  und  mit  einer  Rille  versehen ,  in  welcher  der 
vordere  Rand  des  Kiemendeckels  spielt;  der  horizontale  Schenkel  reicht 
an  den  Gelenkkopf  des  Quadratbeines ;  er  trägt  an  seinem  Unterrande 
spitze  und  starke  Dornen ,   von   denen   die   vorderen  die  längsten  sind. 

Der  Kiemendeckel,  Operculum  {op,  Fig.  201),  ist  eine  breite, 
dünne,  durchsichtige,  etwas  nach  aussen  gewölbte  Platte,  deren  Innen- 
fläche mit  einer  silberglänzenden  Haut  bekleidet  ist;  der  vordere, 
gerade  Rand  ist  an  dem  Vordeckel  eingelenkt,   der   obere  Rand   etwas 


Fische.  493 

gebogen  und  nach  hinten  in  einen  starken,  spitzen  Dorn  ausgezogen. 
Der  hintere  Rand  ist  S-förmig  ausgeschweift.  Die  Aussenfläche  ist 
glatt;  an  der  Innenfläche  findet  sich  eine  horizontale  Leiste  zum  An- 
sätze der  Muskeln.  Die  obere  Ecke  des  Vorderrandes  zeigt  eine  Aus- 
schweifung, in  welche  die  Gelenkrolle  des  Ilyomanclihulare  sich  ein- 
senkt. 

Der  Zwischen  de  ekel,  Interopercidare  (^int,  Fig.  201),  liegt 
unter  dem  Vorderdeckel.  Der  Hinterrand  dieser  dünnen  Platte  ist  ge- 
zähnelt;  eine  weisse,  sehnige  Haut  verbindet  sie  mit  dem  Kiemendeckel 
und  dem  Unterdeckel,  Suhoperculum  (sop,  Fig.  201),  einer  läng- 
lichen ,  unter  dem  Zwischendeckel  gelegenen  Platte ,  deren  vorderer 
Rand  zugeschärft,  der  hintere  theilweise  gezähnelt  ist.  Die  beiden 
letztgenannten  Knochenplatten  decken  zum  Theil  die  Kiemenhaut- 
strahlen  {rh,  Fig.  201),  deren  man  sieben  zählt.  Diese,  einer  Säbel- 
klinge ähnlich  gebildeten  platten  Knochen  sind  mit  einem  etwas  ver- 
dickten Kopfe  an  der  Aussenfläche  des  unteren  Zungenbogens  eingelenkt. 
Im  Tegumente  eingeschlossen,  füllen  sie  den  Raum  zwischen  den  beiden 
Unterkiefern,  die  Kehle. 

Skelett  der  paarigen  Gliedmaassen.  ■ —  Wir  erinnern 
daran,  dass  der  Barsch  ein  Brustflosser  ist,  d.  h.  dass  die  hintere 
Gliedmaasse ,  die  Bauchflosse,  unter  die  Brustflosse  vorgerückt  ist  und 
dass  beide  Gliedmaassen  nur  weiche  Endstrahlen  zeigen.  Nur  die 
Brustflosse  besitzt  einen  bogenförmigen  Schultergürtel,  der  an  dem 
Hinterhaupte  befestigt  ist  und  den  hinteren  Rand  der  Kiemenspalte 
bildet,  auf  welchen  der  Kiemendeckel  sich  auflegt,  wenn  er  die  Kiemen- 
spalte schliesst. 

Brustflosse.  —  Jeder  Halbbogen  des  Schultergürtels  besteht 
aus  drei  an  einander  gereihten  Knochen,  zwischen  welche  und  die  Strah- 
len noch  einige  Zwischenstücke  eingeschaltet  sind.  Wir  geben  diesen 
einzelnen  Stücken  die  gebräuchlichen  Namen ,  ohne  damit  behaupten 
zu  wollen ,  dass  dieselben  wirklich  denjenigen  Stücken  homolog  sind, 
die  bei  den  höheren  Wirbelthieren  denselben  Namen  tragen.  Der 
Schultergürtel  besteht  aus  folgenden  Stücken: 

Das  Schulterblatt,  Scapiclare  {ss,  Fig.  205a.  f.  S.),  verbindet  den 
Gürtel  mit  dem  Schädel.  Es  ist  ein  am  Hinterrande  gezähnelter,  platter 
Knochen,  der  nach  vorn  und  oben  in  drei  Fortsätze  ausläuft,  durch  welche 
er  hinten  und  seitlich  an  das  Hinterhaupt  befestigt  ist. —  Das  Raben - 
bein,  Coracoideum  (om),  welches  folgt,  hat  einen  gezähnelten  Hinter- 
rand und  ist  an  die  Unterfläche  des  Hinterhauptes  durch  eine  starke 
Sehne  befestigt.  —  Das  Schlüsselbein,  CJaviciüa  (cJ) ,  ist  der  be- 
deutendste Knochen  des  Gürtels.  Kurze  Sehnenfasern  verbinden  die 
unteren  Aeste  der  beiden  Seiten,  zwischen  welchen  eine  mittlere,  untere 
Aushöhlung  hergestellt  wird,  in  welche  ein  Theil  des  Herzens  ein- 
gebettet  ist.      Der    Knochen    hat    übrigens    eine    sehr    unregelmässige 


494 


Wirbelthiere. 


Form;  an  seinem  Hinterrande  verläuft  eine  vorspringende  Kante,  au 
welche  sich  die  Massen  des  Seitenmuskels  des  Körpers  theilweise  anheften. 
Die  G  1  i  e  d  m  a  a  s  s  e  selbst  beginnt  mit  drei  Basalstücken 
(c,  r,  cm),  die  sich  an  den  Hinterrand  des  unteren  Theiles  des  Schlüssel- 
beines anlegen.  Das  oberste  dieser  Stücke  ist  von  den  anderen  durch 
eine  weite,  mittelst  einer  Knorpellaraelle  geschlossene  Lücke  getrennt 
und  an  seiner  hinteren  und  unteren  Ecke  setzt  sich  ein  langer,  griffei- 
förmiger Knochenstiel  (st)  an,  der  schief  nach  hinten  zwischen  den 
Muskeln  bis  zur  Bauchflosse  sich  erstreckt.  Jedes  der  beiden  anderen, 
durch  eine  Knorpellamelle  (r,  ca)  verbundenen  Stücke  ist  von  einem 
ovalen  Loche  durchsetzt.  Man  hat  die  beiden  Stücke  dem  Radius  und 
der  Ulna  verglichen;  jetzt  bezeichnet  man  die  drei  Stücke  meist  als 
Fro-,  Bleso-   und  Metapierygium.    An  den  Radius    heften  sich   vier  an 

Fig.  206. 
Fio.   205.  ^ 


Fig.  205.  —  Perca  fluvlutUis.  —  Der  Sclmltergürtel  in  natürlicher  Grösse,  von  aussen 
gesehen,  ss,  Seapulare;  om,  Coracoideum  ;  cl,  Claviculare;  c,  Basale  superius ;  r,  Ba- 
sale medium;  c  «,  Basale  inferius;   ca,  Carpus  ;  ca',  mit  Fasergewebe  gefüllter  Raum  ; 

stj  GrifFelbein. 

Fig.  206.  —  Pcrca  ßuvlut'dis.  —    Skelett   der  Bauchflosse  in    natürlicher  Grösse,  von 

aussen  gesehen,     o,  verdickter  Hiuterrand ;  h,  vordere  Lamelle ;  c,  Strahlen. 

beiden  Enden  stark  angeschwollene  Knöchelchen  {ca),  die  man  als  Re- 
präsentanten der  Handwurzelknochen  ((7arj9a7/a)  angesehen  hat  und  auf 
welchen  die  unter  sich  ganz  gleich  gebildeten  Flossenstrahlen  aufsitzen. 
Hinterglied,  Bauch  flösse  (Fig.  206).  —  Die  Flosse  besteht 
aus  zwei  dreieckigen,  neben  einander  liegenden  und  am  hinteren  Ende 
in  der  Mittellinie  verschmolzenen  Knochen ,  deren  jeder  wieder  aus 
zwei ,   durchaus   mit   einander   verbundenen  Hälften   besteht.     Das  an- 


Fische.  495 

gesctwollene ,  verdickte  Hintereude  setzt  sich  an  der  Bauchseite  nach 
vorn  in  einen  starken  Sporn  fort,  xim  hinteren  Rande  sind  die  weichen 
Strahlen  eingelenkt.  Die  Enden  des  stets  sich  verschmälernden ,  ab- 
geplatteten Vordertheiles  sind  durch  Sehnenfasern  an  dem  Schlüssel- 
beine angeheftet. 

Muskelsystem.  —  Der  grosse  S  ei  t  e  n  m  usk  el  (1,  Fig.  207) 
ist  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Lampreten  aus  Myomeren  und  in 
schiefen  Zickzacken  geordneten  Myocommen  gebildet.  Wir  brauchen 
also  auf  diese  Anordnung  nicht  zurückzukommen  und  haben  nur 
einige,  auf  die  Insertionen  bezügliche  Abweichungen  zu  verzeichnen. 
Nach  vorn  zu  heften  sich  die  Muskelbänder  an  den  Schädel  und  den 
Schultergürtel;  sie  sind  durch  den  von  dem  ersten  Basalstücke  der 
Brustflosse  auslaufenden  Knochenstiel  unterbrochen  und  weichen  zur 
Umfassung  der  Bauchflosse  auseinander.  Einige  ventrale  Faserbündel 
setzen  sich  unten  an  das  Schlüsselbein ,  andere  dringen  nach  vorn  in 
die  Kinngegend  vor  und  setzen  sich,  an  Masse  allmählich  abnehmend, 
an  die  untere  Fläche  des  Zungenbeines  an;  man  hat  diese  Bündel  auch 
als  eigenen  Muskel  unter  dem  Namen  31.  aternolujoidcus  unterschieden. 

Eine  besondere  Differenzirung  führt  zur  Bildung  zweier  Längs- 
muskelpaare.  Der  dorsale  Längsmuskel  (Jd,  Fig.  207)  ist  sehr 
dünn,  zeigt  keine  Myocommen  und  erstreckt  sich  ununterbrochen  vom 
Hinterhaupt  bis  zum  Schwänze.  Die  beiden  Muskeln  weichen  an  der 
Einsetzung  der  Rückenflossen  etwas  vor  der  Mittellinie  auseinander.  — 
Der  ventrale  L  ä  n  g  s  m  u  s  k  e  1  reicht  von  der  Bauchflosse  bis  zum 
Schwänze,  ist  aber  durch  den  After  und  die  Afterflosse  getrennt. 
Seine  vordere  Hälfte  zeigt  den  Myocommen  des  Seitenmuskels  ähnliche 
Sehnenlinien. 

Muskeln  der  un paaren  Flossen.  —  An  den  Strahlen  der 
Rückenflossen  und  der  Afterflosse  setzen  sich  oberflächliche 
und  tiefe  Muskelbüudel  an.  Die  ersteren  hängen  fest  mit  der  Haut 
zusammen,  erstrecken  sich  über  die  Seitenmuskelmasse  und  setzen  sich 
in  schiefer  Richtung  an  die  Basis  der  Flossenstrahlen ;  die  letzteren 
sind  zwischen  den  Massen  des  Seitenmuskels  versteckt,  verlaufen  von 
einem  Zwischendornknochen  zum  anderen  und  lassen  sich  in  vier 
Bündel  theilen,  zwei  vordere  und  zwei  hintere;  sie  heben  und  senken 
die  Strahlen.  Es  existirt  durchaus  keine  Verschiedenheit  zwischen  der 
Musculatur  der  Rückenflossen  und  der  Afterflosse,  wie  sie  doch  be- 
stehen müsste,  wenn  letztere  aus  dem  Zusammenflusse  zweier  häutiger 
Seitenfalten  gebildet  wäre. 

Die  Muskeln  der  Schwanzflosse  lassen  zwar  eine  gewisse 
Homologie  erkennen,  zeigen  aber  nicht  unwesentliche  Verschieden- 
heiten, die  mit  der  Bildung  des  Skelettes  in  Beziehung  stehen.  Nach- 
dem man   die  sehnige  Eudausbreitung   des  Seitenmuskels   entfernt  hat, 


496 


Wirbelthiere. 


zeigt  sich  eine  dicke  Muskelmasse  bloss  gelegt,  welche  sich  leicht  in 
zwei  Hälften,  den  oberen  und  unteren  tiefen  Muskel,  zerlegen 
lässt.  Die  Bündel  setzen  sich  einerseits  an  die  Seiten  der  letzten 
Wirbel,  anderseits  an  die  Basis  jedes  Flossenstrahles.  —  Unter  dieser 
Masse  findet  sich  eine  Maskelschicht,  deren  Bündel  fächerförmig  von 
dem  letzten  Wirbel  zu  der  Basis  eines  jeden  Strahles  sich  begeben. 
Dies  ist  der  mittlere  tiefe  Schwanz  muskel.  —  Die  erwähnten 
Muskelmassen  dienen  wesentlich  zur  Bewegung  der  Flosse  im  Ganzen. 
An  die  Strahlen  selbst  setzen  sich  die  Aponeurosen  des  Seitennmskels 
und  Bündel  des  oberflächlichen  Schwanzmuskels,  welche  von  den 
Apophysen  des  letzten  Wirbels  ausgehen.  Ausserdem  sind  die  Strahlen 
durch  kleine,  schiefe  Bündel  mit  einander  verbunden. 


Perca  fluviatlUs.  —  Präparat  des  Kopfes ;  die  Haut  und  die  Kette  der  Jugularknoclieu 
sind  entfernt,  in,  Zwischenldefer;  n,  Nasensack;  j,  erstes  Jugale ;  oe,  Auge;  am}, 
am^,  um^,  die  drei  Abtheilungen  des  Kaumuskels;  ra,  Hebemuskel  des  Gaumen- 
bogens;  eo,  Heber  des  Kiemendeekels;  do,  Erweiterer  des  Kiemendeckels;  trm,  Tra- 
pezoideum ;  r,  Stachelstrahlen  der  Rückenflosse;  r',  dieselben  verbindende  Zwischen- 
haut; i,  Seitenmuskel;  d,  Dentale;  ar,  Artieulare  des  Unterkiefers;  m,  Oberkiefer; 
int,  Interoperculum ;  pop,  Praeoperculum ;  br,  Kieinenhautstrahlen ;  op,  Operculum; 
7ns,  oberflächliche  Brustflossenmuskel;  sop,   Suboperculum  ;  Id,  dorsaler  Längsmuskel. 


Fische.  497 

Da  die  verschiedenen  am  Kopfe  entwickelten  Bogen  vielfach  in 
einander  greifen,  ziehen  wir  es  vor,  die  Kopfmuskeln  schichtweise, 
wie  man  sie  bei  einer  von  aussen  nach  innen  vorschreitenden  Präpara- 
tion vorfindet,  der  Reihe  nach  vorzunehmen. 

Seitenfläche  des  Kopfes.  —  Nach  Wegnahme  der  Haut  und 
der  Unteraugenschuppen  sieht  man  vorzugsweise  die  Muskeln  des 
Kiefer-  und  Kiemendeckelapparates ,  wie  sie  in  Figur  207  dargestellt 
wurden. 

Die  ganze  Wangenhöhle  zwischen  der  Orhita,  den  Kiefern  und 
dem  Vordeckel  wird  von  einer  grossen  Muskelmasse  ausgefüllt,  dem 
Anzieher  des  Unterkiefers  {31.  massefer,  am).  Die  aus  dicht- 
gedrängten, schiefen  Fasern  gebildete  Masse  lässt  sich  in  drei  Theile 
zerlegen.  Der  obere  (ani'^)  entspringt  hinten  am  Vordeckel  und  läuft 
in  zwei  Sehnen  aus,  von  welchen  die  eine  sich  an  den  vorderen  Dorsal- 
fortsatz  des  Oberkiefers  ansetzt ,  während  die  andere  sich  mit  der 
fleischigen  Masse  verwebt,  welche  die  Innenfläche  des  Unterkiefers 
auskleidet.  Die  beiden  unteren  Massen  verschmelzen  oft ,  bilden  aber 
jedenfalls  zwei  Sehnen,  von  denen  die  eine  sich  speciell  an  das  Gelenk- 
bein des  Unterkiefers  festsetzt. 

An  der  oberen  Grenze  des  Masseters  treten  einige,  an  dem  Seiten- 
kamme des  Schädels  entspringende  Muskeln  hervor.  Um  sie  ganz 
blosszulegen,  muss  man  den  Kaumuskel  und  den  Kiemendeckel  ent- 
fernen. Es  folgen  sich  hier,  von  vorn  nach  hinten:  der  Heber  des 
Gaumenbogen  s  (ra),  ein  dicker,  dreieckiger  Muskel,  welcher  sich 
oben  an  das  Postfrontale ,  unten  an  das  Metapterj^goideum  und  den 
Rand  des  Vordeckels  ansetzt  und  den  hinteren  Rand  der  Orbita  bildet; 
der  Erweiterer  des  Kiemendeckels  (do) ,  der  vom  Postfrontale 
sich  zur  oberen  und  vorderen  Ecke  des  Kiemendeckels  begiebt;  die  vier 
Heber  des  Kiemendeckels  (eo),  zwischen  dem  Schulterblatt  einer- 
seits und  dem  Kiemendeckel  anderseits ,  von  welchen  der  hintere  be- 
sonders deutlich  ist,  und  endlich  der  Anzieher  des  Kiemen- 
deckels, zwischen  dem  Postfrontale  und  der  hinteren  Fläche  des 
Deckels,  auf  dem  er  sich  längs  der  erwähnten  Querleiste  ausbreitet. 

Nach  Wegnahme  des  Kiemendeckels,  des  Oberkiefers  und  der 
oberflächlichen  Muskeln  kann  man  ein  Präparat  herstellen ,  wie  es  in 
Fig.  208  (a.  f.  S.)  dargestellt  ist.  Abgesehen  von  den  Muskeln  der 
Kiemenbogen ,  die  wir  später  im  Zusammenhange  betrachten  werden, 
findet  man  noch  welche,  die  zu  dem  Gaumenflügelbogen,  dem  Zungen- 
bogen  und  dem  Schultergürtel  in  Beziehung  stehen.  Dazu  gehören: 
der  Anzieher  des  Gaumenbogens  (a),  ein  grosser ,  unter  dem 
Heber  dieses  Bogens  am  hinteren  und  unteren  Rande  der  Orbita  ge- 
legener Muskel,  der  vom  Quadratbein  zum  Metapterygoideum  geht;  der 
Rautenmuskel  (M.  trapegoides,  tr) ,  der  das  Schulterblatt  an  das 
Hinterhaupt  befestigt,   und  der  M.  occipito-davicularis  (oc)   zwischen 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  09 


498 


Wirbelthiere. 


dem    Hinterhaupt,    dem     Schultergürtel    und    den     oberen    Schlund - 
knochen. 

Auf  der  Bauchfläche  des  Kopfes  finden  sich  folgende,  dem  Unter- 
kiefer und  Zimgenbogen  angehörige  Muskeln:  der  M.  sterno-hyoideus  {o\ 
der  eigentlich  nur  eine  Verlängerung  des  grossen  Körpermuskels  mit 
sehr  weit  abstehenden  Myocommen  ist  und  die  Basis  des  Schulter- 
gürtels mit  dem  Zungenbeine  und  den  beiden  Unterkieferästen  verbindet; 
der  M.  inte rmandibularis  (mi) ,  welcher  vorn  die  beiden  Unterkiefer- 
hälften verbindet;  der  M.  genio-hyoicleus  (gh),  der  die  Aussenfläche 
des  Zungenbeinbogens   bedeckt   und   sich   vorn   an  die  Unterkieferäste, 


Fio;.   208. 


M      ,  /5,/t- 

Perca  fluviaülis.  —  Das  vorhergehende  Präparat  weiter  fortgesetzt.  Der  Kieroendeckel, 
der  Augapfel,  Ober-  und  Unterkiefer  sind  linkerseits  weggenommen.  r?i,  Zwischenkiefer; 
p,  Gaumenhein;  tra,  Querbein;  oo^  Riechbein;  ss,  Schulterblatt;  a,  Anzieher  des 
Gaumenbogens ;  a  h,  Anzieher  des  Hyo-mandibulare  ;  g  h,  Muse,  genio-hyoideus  ;  Ä^,  h^,  h^, 
Mm.  hyo-hyoidei ;  o,  M.  sterno-hyoideus  ;  ir,  M.  trapezoides  ;  oc,  M.  occipito-clavicularis; 
«?,.?,  vorderer  oberflächlicher  BrustflossenmuskeL;  mj,  M.  intermandibularis;  ?'ö,  Kiemen- 
hautstrahlen ;  h,  Os  hyoideum ;  st,  Os  styloideum  ;  ;;/«,  M.  pharyngo-hyoideus ;  jjce, 
M.  pharyngo-clavicularis  externus  ;  ^) c /,  M.  pharyngo-clavicularis  internus;  t,  M.  late- 
ralis; aS,  Kiemenbogen;  le,  äussere  Hebemuskeln  der  Kienienbogen ;  n,  Nasenkapsel; 
oi,  unterer  schiefer  Augenmuskel;  os,  oberer  schiefer  Augenmuskel;  dl,  innerer 
gerader;  de,  äusserer  gerader;  di?i,  unterer  gerader;  ds,  oberer  gerader  Augen- 
muskel; c,  Quadratbein;  ma,  Hyo-mandibulare. 


Fische. 


499 


hinten  an  die  unteren  Kiemenhautknoclien  inserirt,  und  endlich  der 
M.  hyo-liyoideus  {hh),  der  aus  platten  Bündeln  besteht,  welche  die 
Kiemenhautknochen  unter  sich  und  mit  dem  Vordeckel  verbinden  und 
von  welchen  das  unterste  Bündel  sich  ausserdem  auch  an  das  Zungen- 
bein ansetzt. 

Man  kann  unter  den  Muskeln  der  Kiemenbogen  zwei  Gruppen 
unterscheiden ,  diejenigen  der  athmeuden  Bogen  und  die  des  unvoll- 
ständigen Schlundbogens.  Zu  den  ersteren  gehören  auf  der  dorsalen 
Seite:  die  äusseren  Heber,  vier  an  der  Zahl,  einer  für  jeden  Bogen, 
die    an    ihrer  Insertion    am  Hinterhaupte    mit  einander  verschmelzen; 


rio;.  209 


mp 


Perca  ßuviatilis.  —  Das  vorige  Präparat  noch  -^-eiter  foi-tgesetzt.  Um  die  tieferen 
Theile  zu  zeigen,  hat  man  linkerseits  noch  die  Kiemenbogen  weggenommen,  li,  innere 
Hebemuskeln  der  Kiemenbogen;  td,  quere  dorsale  Muskeln;  mi ,  M.  intermandi- 
bularis;  gh,  M.  genio-hyoideus ;  pli,  M.  pharyngo-hvoideus :  pce,  M.  pharyugo-clavi- 
cularis  externus;  pci,  M.  pharj-ngo-claricularis  internus;  o,  M.  sterno-hvoideus : 
de,  gerader  äusserer  Augenmuskel;  di,  gerader  innerer;  ds,  gerader  oberer;  din, 
gerader  unterer;  os,  schiefer  oberer;  oi,  schiefer  innerer  Augenmuskel;  mp,  oberer 
tiefer  Muskel  der  Brustflosse;  da,  vorderer  Erweiterer;  d,  vom  unteren  Rande  der 
Flosse  zum  GritFelfortsatze  gehender  Muskel;  in,  Zwischenkiefer;  oo,  Riechbein; 
p.  Dach  der  ^Mundhöhle ;  a,  Anziehmuskel  des  Gaumenbogens ;  tr,  Trapezmuskel; 
fi,  Schlüsselbein;  os,  Schulterblatt;  ri,  Kiemenhautstrahlen  ;  m,  Unterkiefer  ;  /.Zunge; 
h  /•,  durchschnittene  Kiemenbogen ;   o',  M.   sterno-hvoideus. 

32* 


500  Wirbeltliiere. 

die  weit  beträchtlicheren  inneren  Heber  (U),  die,  nur  zwei  an  der 
Zahl,  vom  Hinterhaupte  zum  zweiten  und  dritten  Bogen  gehen;  die 
dorsalen  Quermuskeln  (?(?),  drei  an  der  Zahl,  die  horizontal  vom 
Hinterhaupte  zu  den  drei  letzten  Bogen  sich  begeben,  und  endlich  den 
Rückzieher  der  Kiemenbogen,  eine  bedeutende,  zu  beiden 
Seiten  der  Mittellinie  gelegene  Masse ,  die  sich  nach  hinten  an  den 
Seiten  der  Wirbelsäule  und  nach  vorn  mit  vier  getrennten  Bündeln  an 
den  Aufhängestücken  der  vier  Bogen  inserirt. 

Auf  der  Bauchseite  finden  sich  vier  schiefe  Kiemenmuskelu, 
welche  die  Bogen  mit  den  Copularknochen  des  Zungenbeinkörpers  ver- 
binden, und  ein  mächtiger,  dreieckiger  Quermuskel,  welcher  den 
Zwischenraum  zwischen  den  hinteren  Kiemenbogen  ausfüllt  und  an 
die  Basis  eines  jeden  Bogens  Bündel,  sowie  einige  gekreuzte  Fasern 
an  den  iinteren  Schlundbogen  abgiebt. 

Die  unteren  Schlundknochen  werden  durch  den  langen ,  schiefen 
Schlun  dz  ungenb  ein  musk  el  (pli)  mit  dem  Zuugenbogen  in  Ver- 
bindung gesetzt.  Zwei  31.  pJiaryngo-claviculares,  ein  äusserer  (pce) 
und  ein  innerer  (jjf?)  verbinden  die  Schlundknochen  mit  dem  Schulter- 
gürte], besonders  dem  Schlüsselbeine,  und  der  Zwischenraum  wird  von 
einem  Quermuskel  ausgefüllt,  der  auf  den  Quermuskel  der  Kiemen- 
bogen folgt. 

Die  Augenmuskeln  werden  wir  bei  Gelegenheit  des  Sehorganes 
besprechen. 

Extremitätenmuskeln.  —  An  beiden  paarigen  Flossen 
können  wir  zwei  Gruppen  von  Muskeln  unterscheiden :  die  einen  liegen 
auf  der  äusseren,  die  anderen  auf  der  inneren  Seite. 

Muskeln  der  Brustflosse.  —  Auf  der  äusseren  Fläche  liegt 
der  mächtige,  oberflächliche  Vorder muskel  (ms,  Fig.  208),  der 
mit  ebenso  viel  Bündeln,  als  Flossenstrahlen  vorhanden  sind,  sich  an 
die  Basis  eines  jeden  ansetzt.  Nach  vorn  zu  verdickt  sich  der  Muskel 
bedeutend  und  inserirt  sich  an  den  hinteren  Rand  des  Schlüsselbeines. 
Unter  ihm  finden  wir  den  tiefen  Vordermuskel  (wj^,  Fig.  209), 
der  unmittelbar  die  Aussenfläche  der  Armknochen  bedeckt.  Sein  ver- 
breitertes Hinterende  entsendet  eine  Sehne  an  die  Basis  eines  jeden 
Flossenstrahles;  das  vordere  Ende  inserirt  sich  am  Schlüsselbeine. 
Ueber  diesen  mächtigen,  dreieckigen  Muskel  verläuft  schief  von  unten 
nach  oben  der  weit  dünnere  vordere  Ausbreiter  (da^  Fig.  209), 
der  mit  einer  hinteren  Sehne  sich  an  den  oberen  Rand  der  Flosse 
ansetzt,  während  sein  Vorderende  an  dem  Schlüsselbeine  inserirt.  Er 
spreitet  die  Flossenstrahlen  auseinander. 

Auf  der  Hinterfläche  der  Flosse  finden  sich:  der  oberflächliche 
Hintermuskel,  eine  dünne,  senkrechte  Muskelplatte,  deren  oberes  Ende 
sich  an  den  aufsteigenden  Ast  des  Schlüsselbeines  ansetzt,  während 
das  untere,  mit  ebenso  viel  Sehnenbändern  als  Strahlen  vorhanden  sind, 


Fische.  501 

au  deren  Basis  inserirt.  Der  tiefe  Hinterm  uskel  ist  der  mäch- 
tigste Muskel  auf  dieser  Fläche.  Er  erstreckt  sich  in  horizontaler 
Richtung  von  dem  unteren  Rande  des  Schlüsselbeines  zu  der  Basis  der 
Flossenstrahlen.  Der  hintere  xlusbreiter  läuft  in  schiefer  Rich- 
tung vom  Rande  des  Schlüsselbeines  unter  dem  oberflächlichen  Muskel 
durch  und  heftet  sich  an  die  Basis  des  obersten  Flossenstrahles.  Der 
31.  styJo-daviciäarls  (d)  endlich  verläuft  zwischen  dem  Griffelfortsatz  des 
obersten  Basale  und  dem  Schlüsselbeine. 

Muskeln  der  Bauch  flösse.  Aussenfläclie.  Untere  Mus- 
keln oder  Senker.  —  Der  oberflächliche  dieser  Muskeln  wird  durch 
die  Entfernung  des  Tegumentes  sofort  blossgelegt;  er  heftet  sich  mit 
seinem  verengten  Vorderende  an  dasjenige  der  Knocheulamelle,  wäh- 
rend das  verbreiterte  Hiuterende  in  eine  sehnige  Lamelle  übergeht, 
die  sich  an  die  Basis  aller  Strahlen  mit  Ausnahme  des  äussersten 
Strahles  festsetzt.  Dieser  besitzt  seinen  besonderen  Muskel,  den  Aus- 
b  reit  er,  dessen  Vorderende  sich  an  das  Hüftbein  ansetzt.  Sodann 
finden  wir,  wie  in  der  Brustflosse,  einen  tiefen  Muskel,  der  das 
ganze  Gerüst  der  P'losse  bedeckt  und  Bündel  zu  jedem  Flossenstrahle 
sendet. 

Obere  Muskeln  oder  Heber.  —  Es  finden  sich  ebenfalls 
drei,  ein  oberflächlicher,  ein  tiefer  und  ein  Zusammenfalter.  Der  etwas 
schief  verlaufende ,  oberflächliche  Muskel  setzt  sich  einerseits  an  die 
Basis  der  Flossenstrahlen ,  anderseits  an  die  Beckenknochen ,  die  er 
ganz  bedeckt;  ebenso  wie  der  tiefe  Muskel,  der  den  Knochen  un- 
mittelbar aufgelagert  ist.  Der  Zusammenfalter  ist  unansehnlich; 
er  heftet  sich  mit  seinem  hinteren  Ende  an  die  Basis  der  Flossen- 
strahlen, mit  einer  vorderen  Sehne  an  das  spitze  Vordereude  des 
Flossengerüstes. 

Nervensystem.  —  Das  centrale  System  besteht  aus  dem 
Rückenmarke  und  dem  Gehirne;  das  peripherische  aus  den  Cerebro- 
spinalnerven  und  dem  sympathischen  Systeme. 

Das  Rückenmark  (j»e,  Fig.  210,  212)  ist  von  oben  nach  unten 
leicht  abgeplattet ;  es  ruht  unmittelbar  auf  dem  Boden  des  Rücken- 
canales  auf,  den  es  bei  Weitem  nicht  ausfüllt.  Der  Zwischenraum 
zwischen  ihm  und  den  oberen  Bogen  wird,  wie  bei  den  Cyclostomen, 
von  einem  fettigen  Bindegewebe  ausgefüllt.  Das  Rückenmark  nimmt 
nach  hinten  allmählich  ab  und  endet  spitz  am  Anfange  der  Schwanz- 
flosse. Auf  Querschnitten  sieht  man,  dass  seine  beiden  Seitenhälften  nur 
durch  eine  centrale  Brücke  von  Fasern  zusammenhängen,  sonst  aber 
durch  einen  senkrechten  Spalt  oben  wie  unten  getrennt  werden.  Die 
Fasern  der  Brücke  bilden  ein  liegendes  Kreuz  und  treten  an  der  Peri- 
pherie in  Bündeln  aus,  welche  die  oberen,  sensitiven  und  die  unteren 
motorischen  Wurzeln  der  Rückenmarksorgane  herstellen  ;  erstere  treten 
auf  der  dorsalen,  letztere  auf  der  ventralen  Fläche   aus.     Die  Wurzeln 


502 


Wirbelthiere. 


vereinigen  sich  in  einem  ebenfalls  kreuzförmigen ,  grauen ,  inneren 
Kerne,  der  aus  kleinen  Zellen  besteht.  Die  in  den  Zwischenräumen 
der  Kreuzschenkel  und  der  Peripherie  befindliche  weisse  Substanz  wird 
von  sehr  dünnen  Längsfasern  zusammengesetzt,  die  auf  Querschnitten 
eine  feine  Punktirung  hei-vornifen.  —  Das  verlängerte  Mark 
{Myclencepliälon)  {nia,  Fig.  210)  schwillt  in  dem  Maasse  an,  als  es 
sich  der  Schädelhöhle  nähert;  seine  beiden  oberen  Bündel  (er,  Fig.  210) 
weichen  zum  ersten  Male  auseinander,  um  eine  rautenförmige  Durch- 
brechung zu  bilden ,  auf  deren  Grunde  man  den  Boden  des  Rücken- 
canales  sieht;  vor  dieser  Grube  (o)  schliessen  sich  die  Schenkel  wieder 
Y[o-,  210.  zusammen   und   weichen   dann    aufs  Neue 

zur  Bildung  einer  deutlich  begrenzten, 
dreieckigen  Grube,  der  eigentlichen  Rau- 
tengrube (/,  Fig.  211),  auseinander. 
Diese  Grube  wird  theilweise  von  dem  Klein- 
hirn bedeckt;  sie  wird  nur  durch  das  Aus- 
einanderweichen der  Netzstränge  {Cor- 
pora restiforinia)  (er,  Fig.  211)  gebildet; 
auf  ihrem  Grunde  sieht  man  die  unteren 
Markstränge  und  an  ihrem  Vorderrande 
biegen  sich  die  Netzstränge  fast  im  rech- 
tan  Winkel  um ,  um  die  Klein hirn- 
schenkel  zu  bilden,  mächtige  Stränge, 
die  sich  vor  und  über  der  Rautengrube 
zu  einer  Art  Brücke  über  den  Zugang 
zum  vierten  Ventrikel  vereinigen  xind 
dann  in  die  Masse  des  Kleinhirns  aus- 
strahlen ,  welches  gewissermaassen  nur 
eine  Anschwellung  von  ihnen  darstellt. 
Das  Kleinhirn,  CerebeUum  (c),  ist  eine 
knopfförmige,  dicke  Masse,  die  sich  senk- 
recht hinter  den  Sehhügeln  erhebt  und 
deren  Wände  (c^  bis  c'^,  Fig.  212)  aus 
zweierlei  Formelementen  zusammengesetzt 
sind.  Aussen  findet  sich  eine  Schicht  ver- 
ticaler  Fasei"n ,  die  sich  unmittelbar  in 
die  oberflächliche  Schicht  der  Vierhügel 
fortsetzt  und  nur  in  der  Mittellinie  einen 
engen  Canal  zur  Verbindung  mit  der 
Höhle  des  Mittelhirnes  frei  lässt;  der 
innere  Kern  wird  von  einer  compacten 
Zellenmasse  gebildet,  in  deren  Mitte 
nur  ein  geringer,  mit  Bindegewebe  ge- 
füllter Raum  für   die  darin   verlaufenden 


Perca  fluviatilis.  —  Das  von  seinen 
Hüllen  befreite  Gehirn  von  oben. 
/,  Yorderhirn ;  lo,  Sehlappen; 
c,  Kleinhirn;  no^  Riechnerv;  to, 
Riechknoten  ;  t  m,  Nervus  trochlea- 
ris ;  ac.  N.  acusticus;  trj,  N. 
trigeminus;  om,  N.  oculo-motorius ; 
op ,  Augenast  des  Trigeminus ;  v, 
N.  vagus  ;  sn,  Xasensack  ;  nia,  ver- 
längertes Mark  :  /Tie,  Rückenmark. 


Fische. 


503 


Blutgefässe  frei  bleibt,  üntei-  dem  Kleinhirn  erstrecken  sich  die  stets 
vereinigt  bleibenden  Unterstränge  des  verlängerten  Markes,  die  in  die 
unteren  Hirnlappen  eintreten. 

Vor  dem  durch  das  Kleinhirn  und  das  verlängerte  Mark  reprä- 
sentirten  Hinterhirn  und  Nachhirn  folgen  sich  deutlich  erkennbar  und 
auf  derselben  Ebene  des  Schädelgrundes  hinter  einander  gereiht  das 
Mittelhirn,  Zwischenhirn,  Vorderhirn  und  die  Riechlappen  oder  Riech- 
knoteu. 

Das  Mittelhirn  ist  der  am  mächtigsten  entwickelte  Hirntheil. 
Bei  der  Ansicht  von  oben  (lo,  Fig.  210)  zeigt  es  zwei  in  der  Mittel- 
linie sich  berührende  ovale  Massen,  deren 
hintere  Ausweichung  von  dem  Kleinhirn 
überdeckt  wird ,  während  in  die  vordere 
Kerbe  die  Lappen  des  Vorderhirnes  sich 
einlegen.  Diese  beiden,  auch  Sehhügel 
genannten  Massen  sind  hohl;  ihr  gewölb- 
tes Dach  ist  ziemlich  dünn  und  durch 
eine  Längsfurche  in  zwei  Hälften  getheilt. 
Bei  der  makroskopischen  Präparation 
^  lässt  sich  das  Dach  in  zwei  Schichten 
j  (o,  &,  Fig.  211)  theilen;  auf  queren  Durch- 
«>  schnitten  erkennt  man  in  der  oberfläch- 
lichen Schicht  folgende,  von  aussen  nach 
innen  sich  folgende  Lager.  Eine  dünne 
Faserschicht  mit  unregelmässig  zerstreu- 
ten Kernen ;  eine  dünne  Schicht  von 
Längsfasern,  deren  quer  durchschnittene 
Bündel  wie  unregelmässige ,  grosse ,  helle 
■  Flecken  sich  ausnehmen ;  eine  dicke ,  der 
Aussenschicht  ähnliche  graue  Schicht,  die 
man  auch  die  Grundsubstanz  genannt 
hat,  und  dann  wieder  eine  dünne  Schicht 
von  Längsfasern,  die  auf  wenigen  Quer- 
fasern aufruhen.  Die  innere  Schicht  des 
Daches  besteht  wesentlich  aus  einer  Zellen- 
masse ,  deren  untere  Fläche  mit  einem 
Pflasterepithelium  ausgekleidet  ist.  Unter 
einer  geringen  Vergrösserung  zeigt  diese 
Unterfläche  parallele  Linien ,  die  schief 
von  hinten  und  unten  nach  vorn  und 
oben  verlaufen. 

Wie  schon  bemerkt,  biegt  sich  das 
Dach  der  Sehhügel  in  der  Mittellinie  zu  einer  Furche  ein,  welche 
von    einem    Längsfaserbündel    gestützt    wird,    das    mau    den    Torus 


Perca  fluviutUis.  —  Dorsale  An- 
sicht eines  Gehirnes,  dessen  Seh- 
hügeldach durch  einen  Horizontal- 
schnitt abgetragen  ist.  Doppelte 
Grösse.  a,  äussere  Schicht  des 
Sehhügeldaches;  h,  innere  Schicht; 
c,  c?,  V'ierhügel;  co.,  Sehhügel; 
c  r,  Netzstränge ;  /,  Rautengrube ; 
<,  Riechknoten;  /,  Riechlappen; 
et,  Quercommissur ;  o,  Aussprei- 
tung  der  oberen  Kleinhirnbündel ; 
c,  Kleinhirn. 


504 


Wirbelthiere. 


(iö,  Fig.  212)  genannt  liat.  Dieses,  an  seinem  Anfange  in  der  Nähe  der 
Vierhügel  schmächtige  Bündel  schwillt  nach  vorn  hin  mehr  und  mehr 
an,  eine  Längsfurche  bildet  sich  auf  seiner  Unterfläche  aus  und,  schliess- 
lich verbindet  es  sich  mit  dem  Boden  der  Höhle  der  Sehhügel  in  ihrem 
vorderen  Abschnitte.  Der  Torus  steht  immer  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung mit  den  Querfasern,  welche  die  Grundsubstanz  stützen. 

Der  Boden  der  Höhle  der  Sehhügel  ist  nicht  eben;  er  zeigt  einige 
über  einander  liegende  Wülste,  von  welchen  die  bedeutendsten  un- 
mittelbar so  an  dem  Kleinhirn  anliegen,  dass  der  hintere  (a,  Fig.  211) 
theilweise  den  vorderen  deckt.  Eine  seichte  Längsfurche  zeigt  sich 
auf    der  Mittellinie.      Man    hat    diese    Wülste    die   Vierhügel   {tu, 

Fig.  212. 


er   ff 


y'      nop 


h  ur  ^  •/" 


Perca  Jliiviatllis.  —  In  der  Nähe  der  Mittellinie  geführter  Sagittalschnitt  des  Hirnes 
und  der  oberen  Theile  des  Schädels.  Gundl.  Oc.  0,  Obj.  00.  Mit  der  Camera 
clara  aufgenommene,  aber  dann  reducirte  Zeichnung,  g,  fettiges  Füllgewebe ;  t,  Tegu- 
ment ;  p  a,  Pallium ;  p  a^,  Brücke  über  die  das  Vorderhirn  p  r  von  den  Eiechknoten 
to  trennende  Furche;  p,  Epiphyse ;  p  a'^,  Theil  des  Palliums,  welcher  den  Stiel  der 
Epiphyse  umhüllt;  pa^,  Theil  des  Palliums,  welcher  das  Mittelhirn  von  innen  aus- 
kleidet; pa*,  dasselbe,  die  äussere  Auskleidung  des  Mittelhirnes  bildend;  to,  Torus; 
y,  Ge'fäss  ;  <m,  Vierhügel;  c^  bis  c^,  Schichten  des  Kleinhirnes ;  er,  knöcherner  Schädel; 
(/^,  Uebergangsbrücke  des  Fettgewebes  zum  Kleinhirn;/,  Rautengrube; /•'^,/^,  Aquae- 
ductus Sylvii ;  me,  Rückenmark;  me^,  sein  Centralcanal ;  ma,  verlängertes  Mark; 
ma^,  obere  Stränge  desselben;  c,  Basis  des  Kleinhirnes;  li,  untere  Hirnlappen; 
h,  Hypophyse;  noj),  Sehnerven;  v^,  Blutgefässe;  to,  Riechknoten;  no,  Riechnerv. 


Fig.  212)  genannt.     Um  ihre  Structur  deutlich  zu  erkennen,  muss  man 
zu  Längsschnitten  seine  Zuflucht  nehmen  (Fig.  212).     Man  sieht  dann, 


Fische. 


505 


Fig.  213. 


dass  der  ventrale  Abschnitt  der  Vorderwand  des  Kleinhirnes  in  die 
Höhle  der  Sehhügel  vordringt,  nni  das  Dach  des  Aquaeductus  Sylvii 
zu  bilden.  Etwa  in  der  Mitte  der  Erstreckung  der  Höhle  biegt  sich 
die  Schicht  von  unten  nach  oben,  kommt  zurück  und  bildet  eine  zweite 
Biegung,  so  dass  das  Ganze  wie  ein  doppelt  gefaltetes  dickes  Tuch 
aussieht.  Das  Ende  ist  mit  Zellen  bedeckt;  der  Rest  der  Sehhügel 
wird  aus  Fasern  gebildet,  die  sich  theilweise  zu  dicken  Längsbündelu 
zusammenlegen. 

Die   beiden  Sehhügel   sind   in   ihrem    vorderen   Theile   durch   eine 
mächtige  Quercommissur  mit  einander  verbunden  (et,  Fig.  211). 

Die  Unterlappen  (Lohi  inferiores,  li,  Fig.  213)  bilden  zwei 
grosse,  eiförmige  Anschwellungen  auf  der  Unterfläche  des  Mittelhirnes, 
welche  mau  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  nach  Herausnahme  des  Ge- 
hirnes aus  der  Schädelhöhle  übei'sehen  kann. 
Eine  Längsfurche  trennt  sie  von  einander,  mit 
Ausnahme  der  vorderen  Gegend ,  wo  sie  zu- 
f^op  sammenhängen.  Man  bemerkt  in  jedem  Lappen 
eine  kleine,  innere  Aushöhlung,  deren  Wände 
von  Fasern  gebildet  werden ,  welche  grössten- 
theils  von  den  unteren  Strängen  des  verlän- 
Jo  gerten  Markes,  zum  geringeren  Theile  von  den 
Vierhügeln  herstammen. 

Der  Gefässsack  {Saccus  vascuJosus,  s, 
Fig.  213)  liegt  wie  ein  kleiner,  rother  Fleck  in 
dem  hinteren  Theile  der  die  Unterlappen  tren- 
nenden Furche;  er  enthält  keine  nervösen  Form- 
elemente, sondern  nur  zahlreiche,  verzweigte 
Blutgefässe  und  ist  nur  durch  Bindegewebe 
den  Unterlappen  angeheftet. 

Ein  eigentliches  Zwischenhirn  ( TJuda- 
menceplialon)  existirt  so  zu  sagen  nicht  oder 
besteht  nur  in  der  Fortsetzung  der  Basis  des 
Mittelhirnes  nach  vorn.  Die  Sehhügel  legen  sich 
in  der  That  über  das  Zwischenhirn  hinüber, 
das  man  wie  eine  kleine,  von  einer  Oeff- 
nung  durchbohrte  Masse  sieht ,  die  in  das  In- 
fundibulum  oder  den  kegelförmigen  Hirn- 
trichter  führt,  welcher  in  der  ringsum  geschlossenen  Höhle  des 
Hirnanhanges  endet.  Dieser  Anhang,  die  Hypophysis  (/?,  Fig.  213), 
ist  eine  mit  Bindegewebszellen  angefüllte  röthliche  Anschwellung, 
welche  vor  den  Unterlappen  auf  der  ventralen  Fläche  des  Zwischen- 
hirnes liegt  und  diese  bei  der  Ansicht  von  unten  gänzlich  vgr- 
deckt.  —  Von  der  oberen  Fläche  des  Zwischenhirnes  geht  die  Epi- 
physe  {p,  Fig.  212)  aus,   welche  nur  klein  und  schwer  zu  präpariren 


-~ä- 


Perca  fluviatUis.  —  Ven- 
trale Ansicht  der  Hirnbasis, 
reo,  Riechnerven;  nop,  Seh- 
nerven; /o,  Mittelhirn ;  li, 
untere  Lappen  ;  /(.  Hypophy- 
sis ;  s,  Gefässsack ;  /,  Vorder- 
hirn ;  ma ,  verlängertes 
Mark;  me,  Rückenmark. 


506  Wirbelthiere. 

ist.  Am  besten  lässt  sie  sich  auf  Sagittalschnitten  des  entkalkten 
Kopfes  im  Ganzen  verfolgen.  Der  dünne,  aber  doch  hohle  Stiel  des 
Organes  tritt  auf  der  Grenze  zwischen  den  Sehhügeln  und  dem  Vorder- 
hirn hervor;  die  dünne  Nervensubstanz  steht  mit  derjenigen  des  ge- 
wölbten Daches  der  Sehhügel  in  Verbindung;  der  Stiel  erhebt  sich  mit 
leichter  Krümmung  schief  gegen  die  Schädeldecke  und  endet  an  dieser 
mit  einer  geringen  hohlen  Anschwellung,  die  mit  reichlichem  Pigment 
umgeben  ist.  Man  findet  hier  keine  Bildungselemente,  welche  an  ein 
Sehorgan  erinnern  könnten. 

Wir  werden  bei  Gelegenheit  der  Hirnhüllen  auf  den  Antheil 
zurückkommen,  welchen  diese  an  der  Bildung  des  Organes  nehmen. 

Das  Vorderhirn  {Prosencephalon,  7,  Fig.  210,  211;  pr,  Fig.  212) 
zeigt  eine  ziemlich  einfache  Bildung.  Es  besteht  aus  zwei  Lappen,  die 
weit. kleiner  sind,  als  diejenigen  des  Mittelhirnes  und  die  durch  eine 
tiefe,  nur  von  zelligen  Wänden  ausgekleidete  Furche  getrennt  werden. 
Nur  auf  der  Unterseite  sind  die  beiden  Lappen  durch  eine  schmächtige 
Quercommissur  verbunden.  Aus  den  Untersträngen  der  Sehhügel 
stammende  Fasern  bilden  den  grössten  Theil  der  Masse  dieser  An- 
schwellungen, welche  den  Streifenkörpern  {Corpora  striata)  des 
Vorderhirnes  der  höheren  Wirbelthiere  homolog  sind. 

Die  Riechknoten  {to)  gehören  schon  den  Riechnerven  selbst 
an;  sie  sind  von  dem  Vorderhirn  durch  eine  tiefe  Falte  getrennt. 

Wir  müssen  hier  auf  die  Hüllen  des  Centralorganes  näher 
eingehen.  Der  Rückencanal,  der  viel  geräumiger  ist,  als  für  das  Rücken- 
mark benöthigt  wäre,  wird  oberhalb  des  Markes  von  einem  fetthaltigen 
Schwammgewebe  ausgefüllt,  das  ganz  dem  bei  den  Cyclostomen  an- 
getroffenen ähnlich  ist.  Hart  an  den  Knochen  liegt  eine  mit  zer- 
streuten Pigmentzellen  ausgestattete  Faserhaut  und  in  der  oberen  Ecke 
des  Canales,  wo  die  beiden  Wurzeln  der  Neurapophyseu  zur  Bildung 
der  Dornfortsätze  zusammenstossen ,  verläuft  ein  starker  Sehnenstrang, 
welcher  alle  Wirbel  mit  einander  verbindet  und  vorn  an  dem  oberen 
Winkel  des  Hinterhauptes  sich  festsetzt.  Die  Oberfläche  des  Markes 
ist  von  einer  dünnen  Epithelialschicht  ausgekleidet,  welche  in  alle 
Falten  und  auch  bis  in  das  Innere  des  Centralcanales  des  Rücken- 
markes eindringt.  Alle  diese  Bildungen  finden  wir  in  dem  Schädel 
wieder,  dessen  grösstentheils  von  dem  Primordialknorpel  umgebene 
Höhle  ebenfalls  bei  Weitem  nicht  von  dem  Gehirne  ausgefüllt  wird; 
wir  finden  hier  die  der  Dura  mater  vergleichbare  Sehnenhaut,  welche 
die  Knochen  auskleidet,  und  das  die  Zwischenräume  erfüllende  Fett- 
gewebe —  nur  die  innere  Zellhülle  verhält  sich  anders.  Sie  beginnt 
an  den  Riechknoten,  geht  über  die  Falte  weg,  welche  die  Knoten  von 
dem  Vorderhirn  trennt  (j:>a^,  Fig.  212),  aber  statt  sich  eng  an  die 
Oberfläche  der  Streifenhügel  anzulegen,  erhebt  sie  sich  gewölbeartig 
über  dieselben  (p«)   in  einiger  Entfernung   und   erreicht   so   den   Stiel 


Fische.  507 

der  Epiphyse  etwa  in  der  Mitte  seiner  Länge.  Sie  umhüllt  diesen 
Stiel  von  allen  Seiten,  senkt  sich  mit  seiner  Wurzel  unter  die  \\'ölbung 
des  Mittelhirnes,  deren  innere  Fläche  sie  auskleidet,  bildet  in  der  Höh- 
lung derselben  einen  sehr  gefässreichen  Wulst  (Plexus  choroideus)  und 
setzt  sich  in  alle  inneren  Höhlungen  fort,  in  den  Hirntrichter,  auf  die 
Vierhügel  bis  zur  Rautengrube.  Man  hat  den  vorderen,  über  die 
Streifenhügel  hinaus  gewölbten  Theil  des  Gebildes  den  Mantel  (Pal- 
lium) genannt.  Er  entspricht  ohne  Zweifel  dem  bei  den  höheren 
Wirbelthieren  entwickelten  Gewölbetheil  des  Yorderhirnes ,  der  dort 
sogar  die  grösste  Masse  dieser  Hirnabtheilung  bildet ,  während  bei 
dem  Barsche,  wie  bei  den  übrigen  Teleostieru,  dieser  Gewölbetheil  nur 
durch  die  erwähnte  Bildung  repräsentirt  wird,  an  deren  Innenfläche 
sich  bei  den  höheren  Wirbelthieren  Xervensubstauz   anlagert. 

Peripherisches  Nervensystem  (Fig.  214).  —  Die  dorsale 
sensitive  und  die  ventrale  motorische  Wurzel  eines  jeden  Spinal- 
nerven (jj)  liegen  in  derselben  senkrechten  Fläche.  Die  gegen  ein- 
ander laufenden  Wurzeln  vereinigen  sich  unmittelbar  nach  ihrem 
Durchbruche  durch  die  Wände  des  Rückenmarkscanales,  so  dass  also 
jeder  Spinalnerv  gemischter  Natur  ist.  Ehe  die  obere  Wurzel  sich  mit 
der  unteren  vereinigt ,  bildet  sie  ein  winziges  Ganglion ,  das  nur  auf 
Durchschnitten  deutlich  erkennbar  ist. 

Mit  Ausnahme  der  vordersten  und  hintersten  Paare  haben  alle 
Spinalnerven  denselben  Verlauf.  Von  den  vorderen  sprechen  wir  bei 
Anlass  des  Hypoglossus ,  mit  welchem  sie  das  Armgeflecht  (Plexus 
l>rachialis)  bilden.  Jeder  Spinalnerv  theilt  sich  in  zwei  Aeste  ,  einen 
oberen  (J>),  der  in  Haut  und  Muskeln  des  Rückens,  und  einen  unteren  (rtj, 
der  sich  auf  den  Seiten  und  der  Bauchfläche  verzweigt.  Der  obere 
Ast  theilt  sich  bald  in  zwei  Zweige ,  einen  kürzeren  vorderen  (d) ,  der 
gerade  nach  oben  steigt  und  etwa  am  unteren  Viertel  der  Länge  des 
Dornfortsatzes  den  hinteren  Zweig  (e)  des  vorhergehenden  Nerven 
trifft  und  sich  mit  ihm  vereinigt.  Dieser  hintere  Zweig  verläuft  schief 
nach  oben  und  verschmilzt  mit  dem  vorderen  Zweige  des  folgenden 
Nerven ,  wie  gesagt ,  in  dem  Augenblicke,  wo  er  den  Dornfortsatz  des 
folgenden  Wirbels  erreicht.  Jeder  längs  den  Dornfortsätzen  aufsteigende 
Nerv  erhält  demnach  Fasern  von  zwei  auf  einander  folgenden  Spinal- 
nerven. Er  folgt  den  Dornfortsätzen  bis  zu  den  Zwischendornmuskeln 
und  verzweigt  sich  in  diesen,  sowie  in  den  Flossenmuskeln.  —  Die 
Bildung  der  unteren  Aeste  der  Spinalnerven  ist  weit  einfacher.  Sie 
sind  weit  stärker  und  folgen  in  der  Thoraxgegend  den  Rippen ,  an 
welche  sie  sich  anlegen.  In  der  Schwanzgegend  nähern  sich  die  Aeste 
der  Mittellinie  und  legen  sich  an  die  Hämophysen  an. 

Von  der  Theilungsstelle  der  Wurzeln  eines  jeden  Spinalnerven 
geht  ein  feiner  Verbiuduugszweig  (/)  zu  dem  Nerven  der  Seiteu- 
linie. 


508 


Wirbelthiere. 


Die  zur  Schwanzflosse  sich  begebenden  Nerven  zeigen  eine  ab- 
weichende Anordnung.  Jedes  der  letzten  fünf  Spinalnervenpaare  ent- 
sendet aus  dem  dorsalen  wie  ventralen  Aste  einen  starken  Zweig  zur 
Flosse.  Alle  diese  Zweige  verschmelzen  mit  einander  und  bilden  zwei 
parallel  laufende  Nervenstämme,  die  sich  in  den  Muskeln  der  Flosse 
verzweigen. 

Die  Hirnnerven  (Fig.  214)  zeigen  denselben  Grundplan  der 
Anordnung,  wie  bei  den  Cyclostomen,  wenn  auch  mit  erheblichen  Ab- 
weichungen.   Wir  betrachten  sie  ebenfalls  von  hinten  nach  vorn. 

Fio-.  214. 


r  <te77 


nop     y     O/ 


Perca  fluviatilis.  —  Halbschematische  Darstellung  des  Nervensystem  es  des  Kopfes 
und  eines  Theiles  des  Vorderkörpers.  Natürliche  Grösse,  no,  Sehnerv;  1,  Kiemen- 
deckelast  des  Trigeminus ;  2,  dessen  unterer  Ast ;  6,  Unterkieferast  des  Trigeminus ; 
3,  seine  Endigung  auf  dem  Unterkiefer;  7,  Ast  zum  Kaumuskel;  8,  Oberkieferast 
des  Trigeminus ;  8",  seine  Endigung  auf  dem  Oberkiefer ;  9,  Eamus  ophthalmicus  des 
Trigeminus;  g,  Gasser'sches  Ganglion;  a,  obere  Wurzel  des  Trigeminus ;  15,  Nervus 
glossopharyngeus ;  10,  vordere  dorsale  Wurzel  des  Vagus;  11,  hintere  ventrale 
Wurzel  desselben;  17,  vorderer  Ast  des  Vagus;  21,  Magenast  desselben;  20,  dor- 
saler Ast  desselben;  22,  N.  hypoglossus ;  23,  erster  Spinalnerv;  24,  vorderer  Zweig; 
25,  mittlerer  Zweig;  26,  hinterer  Zweig  des  Armplexus;  27,  zweiter,  28,  dritter, 
29 ,  vierter  Spinalnerv ;  n ,  Nase ;  /,  von  einem  Spinalnerven  zum  Seitennerven 
gehender  Zweig;  rf,  vorderer  oberer  Ast  jedes  Spinalnerven;  e,  hinterer  oberer  Ast; 
b,  dorsaler  Ast  jedes  Spinalnerven;  /,  Brustflosse;  mv,  Muskeln  der  Bauchflosse; 
V,  deren  erster  Strahl. 


Fische.  509 

Der  Zunge nfleisclinery  (N.  lujpocßossus,  12)  ist  so  innig  mit 
dem  ersten  Spinalnerven  verbunden,  dass  mau  ihn  nicht  vollständig 
davon  trennen  kann.  Er  entspringt  hart  am  grossen  Hinterhaupts- 
loche  vom  verLängerten  Marke  mit  zwei  neben  einander  liegenden 
Wurzeln,  die  noch  innerhalb  der  Schädelhöhle  zu  einem  dicken,  band- 
artigen Nerven  verschmelzen,  der  nach  seinem  Austritte  durch  ein 
kleines  Loch  des  Hinterhauptsbeines  sich  schief  nach  unten  wendet. 

Nach  einem  kurzen,  etwa  der  Krümmung  des  Schultergürtels  fol- 
genden Verlaufe  verschmilzt  der  Nervenstamm  innig  mit  dem  ersten 
Spinalnerven  (23)  und  bildet  so  das  Ar  m  gef  1  e  cht  (Plexus  hrachialis). 
Von  dem  Vereinigungspunkte  gehen  drei  Nervenstämme  ab.  Der  vor- 
dere Stamm  (24)  wendet  sich  direct  nach  vorn  und  tritt  in  die  grosse 
Fleischmasse  des  Muse.  sterno-Ju/oideus ,  in  welcher  er  sich  verzweigt. 
Dieser  Stamm  scheint  dem  N.  liypoglossus  der  höheren  Wirbelthiere 
homolog  zu  sein.  Der  mittlere  Stamm  (25)  theilt  sich  in  einige  Aeste, 
welche  sich  in  den  Muskeln  der  Aussenfläche  der  Brustflosse  ver- 
zweigen. Der  hintere  Stamm  (26)  geht  zum  oberen  Rande  der  Brust- 
flosse, verläuft,  ohne  Zweige  abzugeben,  an  der  inneren  Fläche  der- 
selben, tritt  durch  ein  Loch  in  den  Knochen  auf  die  äussere  Fläche 
und  verzweigt  sich  ebenfalls  in  den  dort  gelegenen  Muskeln. 

Der  zweite  Spinalnerv  (27)  begiebt  sich  direct  an  die  hintere 
Fläche  der  Brustflosse  und  verzweigt  sich  in  den  dort  angebrachten 
Muskeln,  ohne  weiteren  Antheil  an  der  Bildung  des  Armgeflechtes  zu 
nehmen. 

Der  dritte  (28)  und  vierte  (29)  Spinalnerv  laufen  zu  der  Baucli- 
flosse;  sie  bilden  nur  mit  ihren  Enden  einen  Plexus,  bleiben  aber 
während  ihres  Verlaufes  vollkommen  getrennt. 

Kehren  wir  zu  den  Hirnnerven  zurück. 

Der  herumschweifende  Nerv  {Nervus  ixtgus,  r,  Fig.  210) 
entspringt  an  der  Seite  des  verlängerten  Markes  mit  zwei  Wurzeln, 
einer  vorderen  dorsalen  (10,  Fig.  214),  die  etwas  hinter  der  Austritts- 
stelle des  Hörnerven  abgeht,  und  einer  hinteren  ventralen,  welche  beim 
Austritt  aus  dem  verlängerten  Marke  sich  gabelt,  aber  nach  kurzem 
Verlaufe  mit  der  vorderen  Wurzel  sich  vereinigt.  Der  vereinigte 
Stamm  richtet  sich  nach  hinten  und  schwillt  bald  zu  einem  grossen 
Ganglion  an  ,  von  welchem  mehrere  Aeste  abgehen.  Die  drei  ersten 
Stämme  gehen  zu  den  Kiemenbogen ;  sie  sind  eigentliche  Athem- 
nerven.  Jeder  der  drei  ersten  Kiemenbogen  erhält  zwei  parallele, 
von  verschiedenen  Stämmen  gebildete  Nerven ,  welche  in  der  Rinne 
seines  hinteren  Randes  verlaufen;  der  eine  dieser  Nerven  liegt  tief  in 
der  Rinne  am  Grunde  derselben ,  der  andere  läuft  mehr  oberflächlich 
unter  der  Haut,  welche  die  Kiemenfransen  mit  einander  verbindet. 
Der  vierte  Kiemenbogen  erhält  nur  einen  Nerven.  Der  vorderste 
Stamm    oder    erste    Kiemen  stamm    des    Vagus    (17)   gabelt   sich 


510  Wirbeltliiere. 

bald  nach  seinem  Austritte  aus  dem  Ganglion;  sein  vorderer  Ast  wird 
der  oberflächliche  Nerv  des  ersten  Kiemenbogens,  dessen  tiefer  Nerv  (19) 
von  dem  N.  gJossopliarijngeus  (15)  abgegeben  wird.  Sein  hinterer  Ast 
ist  der  tiefe  Nerv  des  zweiten  Kiemenbogens.  —  Der  mittlere 
Stamm,  zweiter  Kiemenstamm  des  Vagus  (18),  gabelt  sich 
ebenfalls,  sein  vorderer  Ast  ist  der  oberflächliche  Nerv  des  zweiten 
Kiemenbogens ,  sein  hinterer  Ast  der  tiefe  Nerv  des  dritten  Kiemen- 
bogens. —  Der  hintere  Stamm,  dritter  Kiemen  stamm  des 
Vagus  (19^)  verläuft  mehr  nach  hinten  und  theilt  sich  in  drei 
Aeste:  der  vordere  Ast  ist  der  oberflächliche  Nerv  des  dritten  Kiemen- 
bogens, der  mittlere  Ast  läuft  längs  der  Rinne  des  vierten  Kiemen- 
bogens und  der  hintere  Ast  verläuft  hinter  dem  Kiemenapparate,  dem 
er  noch  einige  Zweige  giebt,  nach  hinten  zu  den  Mm.  pharyngo- 
claviculares  internus  und  externus,  welchen  er  Zweige  giebt.  Von 
diesem  Aste  geht  der  Magen  nerv  (21)  ab,  welcher  an  diesem  Organe 
bis  zum  hinteren  Ende  sich  verfolgen  lässt  und  an  die  Magenwände 
seine  Zweige  abgiebt.  —  Einige  sehr  dünne ,  von  dem  Ganglion  aus- 
strahlende Zweige  gehen  zu  den  benachbarten  dorsalen  Muskeln  des 
Kiemenapparates. 

Ausser  den  erwähnten  Nerven  entspringen  noch  drei  andere 
Stämme  vom  Ganglion  des  Vagus.  Der  erste  dieser  Stämme  (20)  ent- 
springt am  hinteren  Rande  des  Ganglions,  verläuft  in  gerader  Linie 
gegen  den  Rücken  hin,  indem  er  mehrere  Zweige  abgiebt,  unter  diesen 
einen  Verbindungszweig  (5),  zu  dem  Kiemenaste  (19)  des  Glossp- 
pharyngeus.  —  Ein  weit  bedeutenderer,  ebenfalls  vom  Hinterrande  des 
Ganglions  entspringender  Stamm  ist  der  Seitennerv  (N.  lateralis), 
der  horizontal  nach  hinten  unter  dem  Seitencanale  der  Haut  bis  zur 
Schwanzflosse  hin  sich  verfolgen  lässt.  Bald  nach  seinem  Ursprünge 
entsendet  der  Seitennerv  einen  schief  nach  oben  gehenden ,  der  Krüm- 
mung des  Rückens  etwa  parallel  laufenden  Ast,  welcher  aber  nur  bis 
etwa  zu  der  Flöhe  des  Afters  sich  verfolgen  lässt.  Beide  Nerven  sind 
durch  einige  feine  Zweige  mit  einander  verbunden.  Der  Seitennerv 
entsendet  feine  Zweige  zu  den  Sinnesorganen  des  Seitencanales ;  der 
obere  Ast  desselben  versorgt  wahrscheinlich  die  vereinzelten,  am 
Rücken  gelegenen  Sinneshügel. 

Der  N.  glossopliaryngeus  (15)  entspringt  mit  einer  dünnen  "Wurzel 
zwischen  dem  Vagus  und  dem  Hörnerven,  schlägt  sich  um  das  Gehör- 
organ herum  und  vereinigt  sich  mit  dem  Unterkiefernerven  nahe  an 
dessen  Abgange.  Etwa  in  der  Mitte  seines  Verlaufes  entsendet  er 
einen  Ast  (16)  zu  dem  ersten  Kiemenbogen,  der  dessen  tiefen  Nerven 
bildet. 

Der  Hörnerv  (AT.  acusticus,  ac,  Fig.  214)  entspringt  in  einer 
unmittelbar  unter  dem  Kleinhirn  an  den  Seiten  des  verlängerten 
Markes  gelegenen  Längsrinne  und  theilt  sich  sofort  in  drei  sehr  kurze 


Fische.  511 

Aeste,  deren  mittelster  der  bedeutendste  ist  und  wie  ein  breites,  weiss- 
liches  Band  aussieht,  welches  sich  zu  dem  Hörsacke  begiebt.  Die  beiden 
anderen  kleineren  Aeste  gehen,  der  vordere  zur  vorderen,  der  andere 
zur  hinteren  Ampulle. 

Der  dreigetheilte  Nerv  (iV.  trigeminus)  gehört  zu  den  be- 
deutendsten Gehirnuerven.  Er  entspringt  mit  zwei  parallelen  Wur- 
zeln, die  so  eng  an  einander  liegen,  dass  man  glauben  könnte,  sie  seien 
mit  einander  verschmolzen.  Dies  ist  nicht  der  Fall;  sie  sind  unabhängig 
von  einander  und  durch  einen  gelinden  Zug  init  der  Pincette  kann 
man  sie  bis  auf  ein  schmales  Querbündel  von  einander  trennen.  Sie 
entspringen  seitlich  an  der  Basis  des  Kleinhirnes  und  verlaufen  an- 
fangs in  der  Furche ,  welche  die  Sehhügel  von  den  unteren  Lappen 
des  Gehirnes  trennt.  Etwas  hinter  dem  Austritte  der  Sehnerven 
weichen  die  beiden  Wurzeln  ans  einander;  die  hintere  schwillt  zu 
einer  grossen,  weisslichen  Masse  an,  dem  Gasser'schen  Knoten 
{Ganglion  Gassen,  g),  von  welchem  drei  Stämme  abgehen,  der  Augen- 
nerv, Oberkiefer-  und  Unterkieferuerv.  Die  vordere  Wurzel,  der 
Kiemendeckelnerv,  beschreibt  einen  Bogen  nach  hinten  und  steigt 
längs  des  Vordeckels  herab.  Sie  ist  durch  eine  Quercommissur  mit 
dem  Gasser'schen  Knoten  verbunden  und  von  einigen  Autoren  als 
besonderer  Gesichtsnerv  (N.  facialis)  angesehen  worden.  Der  Tri- 
geminus liefert  demnach  vier  Nerven  für  die  Seiten  des  Kopfes ,  die 
wir  von  hinten  nach  vorn  der  Reihe  nach  näher  ins  Auge  fassen 
wollen. 

Der  Kiemendeckelnerv  oder  Facialis  (1,  Fig.  214)  ist  ein 
bedeutender  Stamm,  der  längs  der  Einlenkung  des  Vordeckels  auf  der 
Innenfläche  dieses  Knochens  verläuft.  Er  gabelt  sich  bald  in  zwei 
Aeste  von  ungleicher  Dicke;  der  hintere  Ast  (2)  setzt  den  Lauf  nach 
hinten  fort  iind  verzweigt  sich  in  dem  Muskel,  der  jederseits  das 
Zungenbein  bedeckt,  sowie  in  den  Muskeln  der  Kiemenhautstrahlen ; 
einige  feine  Zweige  verästeln  sich  auf  dem  Kiemendeckel  und  dem 
Unterdeckel.  Ein  von  dem  Ursprünge  dieses  Kiemendeckelnerven  ab- 
gehender Ast  (5)  geht  nach  hinten  und  etwas  nach  oben  zu  dem  An- 
zieher des  Hyomandibulare.  —  Der  vordere  Ast  (4)  läuft  gerade  nach 
vorn  über  die  Innenseite  der  Einlenkung  des  Quadratbeines  und  ver- 
ästelt sich  mit  vielen  Zweigen  in  der  Muskelmasse,  welche  der  Innen- 
fläche des  Unterkiefers  anliegt. 

Der  Unterkiefernerv  (6)  läuft  anfänglich  mit  dem  Oberkiefer- 
nerven zusammen ,  trennt  sich  aber  dann  von  diesem  und  läuft  nach 
unten.  Auf  seinem  Wege  giebt  er  zuerst  einen  hinteren  Zweig  an 
die  tiefere  Masse  des  Anziehmuskels  des  Unterkiefers,  dringt  dann  in 
den  unteren  Theil  dieses  Muskels,  der  den  Unterkiefer  bedeckt,  und 
endet  schliesslich  in  dem  Zwischenmuskel  der  Uuterkieferäste ,  in  den 
Zähnen  und  der  Schleimhaut. 


512  Wirbelthiere. 

Der  Obe  rkiefer  11  er  V  (8)  läuft  auf  dem  Grunde  der  Augen- 
hölile,  wo  er  eine  Zeit  lang  mit  dem  Unterkiefernerven  zusammen- 
geht, nach  vorn,  giebt  einen  Ast  an  die  Haut,  welche  die  Knöchelchen 
unter  der  Augenhöhle  mit  einander  verbindet,  und  theilt  sich  dann  in 
drei  Aeste ,  von  welchen  der  untere  (8")  sich  zum  Oberkiefer  und 
Zwischenkiefer  begiebt,  während  die  beiden  anderen  sich  in  den  Ge- 
weben um  die  Nasengrube  herum  verzweigen. 

Der  Augen  nerv  (9)  läuft  längs  des  Daches  der  Augenhöhle 
nach  vorn,  giebt  Zweige  an  die  umgebenden  Gewebe,  geht  dann  weiter 
nach  vorn  zur  Nasengrube  und  verzweigt  sich  in  den  Geweben  ober- 
halb und  vor  derselben. 

Die  Gruppe  der  Augenmuskelnerven  wird  wie  gewöhnlich 
von  drei  Paaren  gebildet.  Der  Abduceus  (ah)  tritt  mit  einer  ein- 
fachen ,  dünnen  Wurzel  aus  dem  verlängerten  Marke  nahe  an  der 
Mittellinie  aus  und  geht  in  gerader  Linie  zum  inneren,  geraden  Muskel 
des  Augapfels,  in  dem  er  sich  verzweigt.  —  Der  sehr  dünne  und 
lange  Nervus  trochJearis  oder  patheticus  tritt  mit  einer  feinen  Wurzel 
aus  dem  Hirne  an  dem  Punkte  aus,  wo  das  Dach  der  Sehhügel  in  die 
vordere  Lamelle  des  Kleinhirnes  übergeht.  Er  läuft  am  Dache  der 
Augenhöhle  über  dem  oberen  geraden  Augenmuskel  durch  und  ver- 
zweigt sich  in  dem  oberen  schiefen  Augenmuskel.  —  Der  Nervus 
oculonioiorhis  tritt  mit  einer  einfachen  Wurzel  auf  der  ventralen  Hirn- 
fläche aus  der  Furche  aus,  welche  die  Sehhügel  von  den  Unterlappen 
trennt,  theilt  sich  aber  bald  in  mehrere  Aeste,  von  welchen  der  eine 
(o»?i)  nach  oben  zu  dem  oberen  geraden  Augenmuskel,  der  dickere 
zweite  {om'^)  zu  dem  inneren  geraden  Augenmuskel  geht,  während  der 
längere  dritte  (orn-)  unter  dem  unteren  geraden  Augenmuskel  durch 
zu  dem  schiefen  unteren  Muskel  geht.  Ausserdem  giebt  der  Oculo- 
inotorius  noch  einen  ziemlich  bedeutenden  Ciliarnerven  (c)  ab,  der 
die  Sclerotica  durchbohrt  und  sich  in  der  Umgebung  der  Iris  ver- 
zweigt. 

Die  Sehnerven  (no]))  sind  die  mächtigsten  Hirnnerven.  Sie 
treten  jederseits  auf  der  Unterfläche  zwischen  den  Sehhügeln  und  den 
Unterlappen  aus  und  kreuzen  sich  vor  diesen  Lappen  und  der  Hypo- 
physis  in  der  Weise,  dass  der  vom  linken  Sehhügel  entspringende  Nerv 
unter  dem  von  dem  rechten  Sehhügel  kommenden  Nerven  durch  zu 
dem  rechten  Auge  geht,  während  der  von  rechts  kommende  Nerv  über 
dem  anderen  zum  linken  Auge  sich  begiebt.  Bei  oberflächlicher  Be- 
trachtung scheinen  die  Nerven  cylindrisch  ;  bei  genauerer  Untersuchung 
sieht  man  aber,  dass  jeder  Nei'V  aus  einem  breiten,  etwa  wie  ein 
Fächer  zusammengefalteten  Bande  besteht,  welches  man  leicht  aus 
einander  legen  kann. 

Die  Riechnerven  (no)  beginnen  mit  zwei  birnförmigen,  von 
dem   Vorderhirne    durch    eine   Einschnürung   getrennten    Riechknoten. 


Fische.  513 

Beim  Austritte  aus  diesen  Kuoten  liegen  die  Nerven  zusammen  in 
einer  Rinne  des  Riechknorpels,  weichen  aber  allmählich  von  einander, 
um  sich  jeder  zu  dem  Geruchsorgan  seiner  Seite  zu  begeben.  Bei 
dem  Eintritte  in  das  Organ  kann  man  mit  der  Lupe  die  einzelnen 
Bündel  unterscheiden,  welche  sie  zusammensetzen. 

Sympathisches  Nervensystem.  —  Wegen  seiner  grossen 
Zartheit  lässt  es  sich  nur  sehr  schwer  makroskopisch  darstellen.  Der 
Grenzstrang  an  den  Seiten  der  Wirbelsäule  zeigt  einen  gewellten  Ver- 
lauf. Sehr  kleine  weissliche  Ganglien,  die  mit  den  Spinalnerven  durch 
äusserst  feine  Fädchen  zusammenhängen ,  finden  sich  in  Ueberein- 
stimmung  mit  den  Metameren  längs  des  Grenzstrauges.  Durch  An- 
wendung von  Salpetersäure  kann  man  die  feinen  Ausläufer  anschaulich 
machen,  welche  sich  zu  den  verschiedenen  Eingeweiden  begeben.  In 
der  Kopfgegend  wird  die  Untersuchung  noch  ganz  besonders  durch 
die  ausserordentliche  Feinheit  der  Verbindungsfäden  erschwert,  die 
kaum  von  den  umgebenden  Geweben  zu  unterscheiden  sind.  Man  hat 
indessen  Verbindungen  mit  dem  Glossophavyngeus,  dem  Vagus  und 
Trigeminus  nachgewiesen. 

Sinnesorgane.  —  Bei  Anlass  der  Haut  haben  wir  die  Organe 
des  Seitensinnes  besprochen.  Specifische  Organe  des  Geschmacks- 
sinnes fehlen;  demnach  kann  dieser  Sinn  nicht  besonders  entwickelt 
sein.  Die  bei  den  meisten  höheren  Wirbelthieren  so  bewegliche  Zunge 
ist  durchaus  rudimentär;  sie  ist  unbeweglich,  ohne  Muskeln  und  auf 
einen  bindegewebigen  Wulst  vor  dem  Zungenknorpel  reducirt.  Auf 
ihrer  Oberfläche  findet  man  einige  Geschmackshügel,  die  ähnlich  ge- 
baut sind,  wie  die  Sinneshügel  auf  der  äusseren  Haut  des  Kopfes.  Sie 
bestehen  aus  langen,  mit  einem  centralen  Kerne  versehenen  Cyliuder- 
zellen ,  deren  Basis  mit  einem  feinen  Nervenfädchen  in  Verbindung 
steht  und  deren  wenig  in  die  Mundhöhle  vorragende  freie  Enden  mit 
einigen  kurzen,  steifen  Härchen  besetzt  sind. 

Das  Geruchsorgan  (Fig.  207)  besteht  aus  zwei,  symmetrisch 
in  der  Nähe  der  Mittellinie  auf  der  Oberfläche  des  Kopfes  auf  der 
Schnauze  gelegenen  Nasensäcken,  die  von  Knorpel  und  Knochen  um- 
geben sind.  Jedes  dieser  Säckchen  besitzt  zwei  durch  eine  schmale 
Hautbrücke  getrennte  Oeffnungen,  eine  vordere  und  eine  hintere.  Auf 
dem  Boden  des  Säckchens  (Fig.  207)  findet  sich  ein  centrales,  eiförmiges, 
erhabenes  Wärzchen,  um  welches  strahlenförmig  geordnete  Linien  sich 
zeigen,  die  von  Ausstrahlungen  gebildet  werden,  w^elche  am  Boden 
breiter  sind,  als  auf  der  Oberfläche;  zwischen  ihnen  erheben  sich 
Strahlenfalten  der  Schleimhaut.  Die  Decke  der  Höhle  ist  mit  zwei 
Arten  von  Zellen  ausgekleidet;  die  einen  sind  regellos  zerstreute,  ein- 
zellige Drüsen  (e,  Fig.  197),  deren  weite  Oeffnungen  beständig  einen 
mehr  oder  minder  klebrigen  Schleim  absondern  ;  die  anderen  sind  lange, 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  verg].  Anatomie.     II.  oq 


514 


Wirbelthiere. 


cL 


Wiinperhaare  tragende  Cylinderzellen.  Auf  Querschnitten  (Fig.  215) 
sieht  man  die  Falten  wie  in  die  Höhle  ragende  Vorsprünge,  die  von 
einem  gemeinschaftlichen  Mittelpunkte  ausgehen.  Der  innere  Kern  (a) 
einer  jeden  Falte  wird  von  Bindegewebe  gebildet,  in  welchem  zahl- 
reiche Nerven  und  Blutgefässe  sich  verzweigen ;  die  dicken  Seiten- 
wände (b)  bestehen  aus  über  einander  liegenden  Schichten  von  Zellen, 
die  an  dem  Mittelkerue  rund,  in  den  Aussenschichten  aber  cylindrisch 
sind  und  Wimpern  tragen  (c).  Das  Wimperepithelium  zieht  sich  über 
alle  Aussenflächen  fort,  aber  auf  dem  Gipfel  der  Falten  mischen  sich 
Yio-,  215.  helle,  eiförmige  Drüsenzellen  dazwischen, 

^  welche   einen   schwach   körnigen   Schleim 

absondern  iß). 

Sehorgan.  —    Die  zu  beiden  Seiten 

%"W0;'^i^<^W&^;:k':'^JW£^ c  des   Kopfes    gelegenen    Augen    besitzen 

keine  Lider;  sie  sind  nur  durch  eine 
schwache  Falte  der  Haut  begrenzt,  liegen 
ganz  an  der  Oberfläche,  sind  ziemlich 
gross  und  in  eine  Augenhöhle  einge- 
schlossen ,  welche  sie  nicht  vollständig 
ausfüllen ;  der  Zwischenraum  wird  von 
einer  mehr  oder  minder  flüssigen  Fett- 
masse ausgefüllt.  Der  Augapfel  selbst 
hat  die  Form  eines  geschlossenen  Bechers, 
dessen  vordere,  von  der  Hornhaut  ge- 
bildete Fläche  stark  abgeplattet  ist.  Wir 
unterscheiden  an  ihm  drei  Hüllensysteme, 
aussen  Sclerotica  und  Cornea,  dann  die 
Choroidea  mit  ihren  Bildungen  und  nach 
innen  die  Retina;  ferner  den  Inhalt, 
Linse,  Glaskörper  und  Humor  aqueus,  und 
endlich  als  Hülfsorgane  die  Choroideal- 
drüse  und  die  Muskeln. 
Die  Sclerotica  (et,  Fig.  216)  bildet  die  äussere  Hülle  des  hinteren 
Theiles  des  Augapfels.  Sie  ist  ein  durchsichtiger  Becher  vind  wird  bei 
grossen  Barschen  gänzlich  von  Knorpel  gebildet;  bei  jüngeren  Thieren 
ist  die  Knorpelschicht  sehr  dünn  und  in  faseriges  Bindegewebe  ein- 
geschlossen. Die  hinten  von  den  Bündeln  des  Sehnerven  siebartig 
durchlöcherte  Sclerotica  geht  an  der  Vorderfläche  des  Augapfels  in 
die  platte,  sehr  durchsichtige  Hornhaut  über,  die  aus  mehreren 
concentrischen  Schichten  von  Zellen  besteht.  Die  Zellen  der  hinteren 
oder  inneren  Schichten  sind  cj^indrisch ,  die  der  äusseren  Schichten 
abgeplattet. 

An  der  inneren  Fläche  der  Sclerotica  liegt  die  Choroidea  ihrer 
ganzen  Ausdehnung   nach  an;    wo    die   erstere  in  die  Cornea  übergeht, 


""'iji^^ 


Perca  fluviatüis.  —  Querschnitt 
einer  Sclileimhautfalte  des  Nasen- 
sackes ;  Verick,  Oc.  1,  Obj.  2. 
Camera  clara.  a,  centrales  Binde- 
J,  Seitenränder  der  Falte  ; 
Wimperzellen;  d,  eiförmige, 
einzellige  Drüsen. 


Fische. 


515 


biegt  sich  die  Choroidea  nach  innen  ein,  um  den  von  der  Pupille  durch- 
bohrten Schirm  der  Iris  zu  bilden.  Die  Choroidea  besteht  aus  drei 
Schichten:  1.  einer  äusseren  Silberhaut  (/>,  Fig.  216),  die  sich  leicht 
abpinseln  lässt;  zerzupft  zeigt  sie  sich  unter  dem  Mikroskop  aus  einer 
Menge  platter  und  mit  einander  verfilzter  Stäbchen  gebildet;  2.  einer 
Schicht  von  Blutgefässen  (/),  die  nach  allen  Richtungen  hin  sich  ver- 
zweigen; 3.  einer  schwarzen  Pigmentschicht  (g) ,  deren  Züge  mit  den 
äusseren  Schichten  der  Retina  in  inniger  Verbindung  stehen.  Diese  innere 
Pigmentschicht  ist  ebenfalls  sehr  reich  an  Gefässen,  welche  in  die 
kleinsten  Zwischenräume  der  körnigen  Pigmentmassen  eindringen  und 

Fio-.  -216. 


Perca  ßiiviatllis.  —  Querschnitt  der  Sclerotica   und  Choroidea.    Veriek,   Oc.  3,   Obj.  2. 

Camera  dam.     a,  Sclerotica ;    6,    Silberschicht ;    c,   äusseres    Blatt    der    Hüllmembran 

der  Choroidealdrüse  ;  c^,  inneres  Blatt  derselben  ;  (7,  Choroidealdriise  :  /,  Gefässschicht ; 

g,  Pigmentschicht:  hg,  Augenmuskel. 

SO  häufig  auf  der  Innenfläche  noch  eine  fast  zusammenhängende  Schicht 
darstellen. 

Ausser  der  Iris  mit  ihren  Gebilden,  von  welchen  später  die  Rede 
sein  soll,  bildet  noch  die  Choroidea  im  Inneren  der  hinteren  Augen- 
kammer eine  vorspringende  Längsfalte,  in  welche  Nerven,  Gefässe 
und  einige  musculöse  Längsfasern  eingeschlossen  sind.  Das  Sichel- 
band    {Ligamenium  fniciforme),    wie    man    diese    Falte    genannt   hat, 


516  Wirbelthiere. 

nimmt  an  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven,  wo  sich  dieser  zur  Retina 
entfaltet,  seinen  Ursprung.  Es  ist  eine  feine,  weissliche,  in  eine  Strahlen- 
falte der  Retina  eingeschlossene  Lamelle,  welche  von  dem  Augen- 
grunde bis  in  die  Nähe  der  Iris  sich  erstreckt,  dort  sich  erhebt  und 
an  die  Glocke  {Campaniüa Hälleri)  sich  ansetzt.  Diese  ist  ein  kegel- 
förmiges Gebilde ,  das  mit  seiner  schmalen  Spitze  sich  an  den  unteren 
Rand  der  Linsenkapsel  anheftet  und  dessen  breite  Basis  mit  Pigment 
überzogen  ist.  Dieser  ganze  Apparat,  der  durch  das  Zurückziehen  der 
Linse  zur  Accommodation  dient,  geht  ebenso  wie  der  Kamm  im  Auge 
der  Vögel,  aus  der  embryonalen  Augenspalte  hervor,  deren  Richtung 
das  Sichelband  einhält. 

Die  Choroidea  nebst  der  Silberschicht  biegen  sich,  wie  gesagt,  an 
dem  Grenzkreise  zwischen  Cornea  und  Sclerotica  nach  innen  ein,  um 
den  senkrechten  Blendschirm  der  Iris  zu  bilden,  welcher  die  innere 
Höhlung  des  Augapfels  in  zwei  Kammern  theilt,  die  sehr  kleine  vor- 
dere Augenkammer  zwischen  Iris  und  Cornea,  die  mit  einer  wässerigen 
Plüssigkeit,  dem  Humor  aqueus ,  gefüllt  ist,  und  die  geräumigere 
hintere  Augenkammer,  welche  die  Linse,  die  Glocke,  das  Sichelband 
und  den  Glaskörper  enthält.  Die  Iris  ist  von  der  centralen  Pupille 
durchbohrt,  die  eine  länglich-eiförmige  Gestalt  hat  und  deren  iinterer 
Rand  tiefer  ausgeschnitten  ist  als  der  -  obere.  Die  Iris  besteht  aus 
zwei  häutigen  Schichten,  einer  äusseren  Silberhaut,  deren  Metallglanz 
nicht  dieselbe  Farbe  hat  bei  allen  Exemplaren,  und  einer  inneren  Schicht, 
Fortsetzung  der  Choroidea,  die  hinten  mit  dickem,  schwarzem  Pigment 
belegt  ist.  Die  Pupille  des  Barsches  ist,  wie  gewöhnlich  bei  Fischen, 
sehr  wenig  ausdehnbar.  Da  die  Linse  durch  das  den  Fischen  eigen- 
thümliche  Sichelband  accommodirt  werden  kann,  so  sind  die  Ciliarfort- 
sätze  nur  sehr  wenig  entwickelt  und  auf  einige  Kreisfasern  reducirt, 
welche  man  das  Ciliarband  genannt  hat. 

Die  innerste  Augenhülle,  welche  die  hintere  Kammer  auskleidet, 
ist  die  Retina.  Sie  zeigt  bei  der  Ansicht  von  innen  zahlreiche  Falten, 
welche  von  einem  gemeinschaftlichen  Mittelpunkte,  der  Eintrittsstelle 
des  Sehnerven,  nach  der  Peripherie  hin  ausstrahlen.  Je  nach  den 
Regionen  ist  sie  von  ungleicher  Dicke;  eine  feine  Fortsetzung  schlägt 
sich  mit  der  Choroidea  auf  die  Iris  um,  deren  hintere  Fläche  sie  über- 
zieht. Auf  Durchschnitten  zeigt  die  Retina  zahlreiche,  von  ver- 
schiedenen Elementen  gebildete  Gewebeschichten,  die  wir  von  innen  nach 
aussen  aufzählen  (Fig.  217). 

Die  innere  Grenzschicht  {Limitans  interna^  a)  ist  eine  feine 
Haut,  die  in  der  Nähe  der  Eintrittsstelle  der  Sehnerven  platte  Kerne 
zeigt;  unter  diesen  liegen  grosskernige  Zellen,  von  deren  Wänden 
Radialfasern  ausstrahlen,  welche  in  die  folgende  Schicht  (h)  ein- 
dringen. 


Fische. 


517 


Die  Schicht  der  S  eh  ii  erven  fasern  (c)  ist  in  dem  Grunde 
an  dem  Eintritte  des  Nerven  weit  mächtiger,  als  in  der  Nähe  der  Iris; 
man  sieht  in  den  Geflechten  regellos  zerstreute,  ovale  Kerne. 

Die  raultipolaren  Zellen  (d)  bilden  ein  einschichtiges  Lager ; 
von  ihnen  gehen  feine  P^ortsätze  in  die  folgende  Schicht,  welche  sich 
nur  schwer  weiter  verfolgen  lassen. 

Der  Hirnplexus  {e,  e')  bildet  eine  breite,  durchsichtige,  kernlose 

Zone,   welche  aus  ?wei  Lagern  besteht,  einer  inneren   helleren  (e)  mit 

weiten  Maschen  und  einer  äusseren  (e)  dunkleren  mit  engeren  Maschen. 

Unipolare    Zellen   (/) ,    Stützzellen   (/')    und     bipolare 

Zellen   (/")   bilden,   vielfach   vermischt,    eine   sich   lebhaft   färbende 

Fig.  217.  Schicht;  die  Stützzellen  senden  Ausläufer 

a-     in  den  Hirnplexus. 

Interstitielle  Basalzellen  (g), 
grosse,  runde  Zellen  mit  sehr  deutlichen 
Kernen.  In  der  Nähe  der  Eintrittsstelle 
des  Sehnerven  sind  sie  einschichtig,  wei- 
terhin gegen  die  Iris  werden  sie  zahl- 
reicher und  bilden  mehrere  Schichten. 

Der  Basal  plexus  (li)  ist  weit  dün- 
ner als  der  Hirnplexus;  die  wenig  ge- 
färbten Fasern  bilden  nur  eine  dünne 
Schicht. 

Die  runden  äusseren  Basalzellen 
(7.:)  sind  nur  klein:  sie  mischen  sich 
mit  der  Kernschicht  der  Stäbchen  und 
Zapfen. 

Die  Kerne  der  Stäbchen  und 
Zapfen  (/)  sind  lang  gezogen,  stark 
Perca  jluviatUis.  —  Querschnitt  körnig,  färben  sich  leicht  und  werden 
der  Retina.  Verick,  Oc.  3,  Obj.  2.  ^^^  den  Stäbchen  und  Zapfen  selbst  durch 
Camera    clara.      u ,    Limitans    in-        .         ,  ,  , .  ..,_.. 

+^,.  „.  A    P„,r„if„.       .        17  eine  dünne,    aber   deutliche  dunkle  Linie 

terna;  o,  Kadialtasern ;    c,  lasern  _  ' 

des  Opticus  ;  d,  multipolare  Zellen  ;      geschieden. 

e,e',  Hirnplexus;  /,  unipolare  Zel-  d{q    Stäbchen    und    Zapfen   (m) 

len;   f,  Stützzellen;    f",  bipolare        ■    j      •       tii  i     t        -l   rf     ■     -l 

r,  ■,  .  ,       .  .  ,,      il      ,      sind  ziemlich   lang   und  durch  Zwischen- 

zellen;    g,     interstitielle     Basal-  t^     ^ 

Zellen;  h,  Basalplexus;  k,  äussere     f^ume  getrennt;^  ihr   äusseres  Ende    ragt 
Basalzellen;  /,  Kerne  der  Stäbchen     in    eine    dicke  Pigmentschicht  (n)    hinein, 
und    Zapfen;    m,    Stäbchen    und     die   ihre  Enden  gänzlich  umgiebt  und  in 
Zapfen ;  n,  Pigmentschicht.  ^^g  Pigment  der  Choroidea  übergeht. 

Die  lichtbrechenden  Elemente  des  Auges,  welche  die  Bäume 
zwischen  den  beschriebenen  Hüllen  einnehmen ,  bestehen  aus  dem 
Humor  aqueus,  der  nur  in  sehr  geringer  Quantität  die  abgeplattete 
vordere  Augenkammer  ausfüllt,  sodann  aus  der  Linse.   Diese  ist  sehr 


518  Wirbeltliißre. 

gross,  fast  kiigelruud  und  erfüllt  den  grössten  Theil  der  hinteren 
Augenkammer.  Sie  zeigt  eine  aus  Zellen  gebildete  Kapselliülle  und 
einen  Innenkörper,  welcher  an  der  Peripherie  weicher,  gelatinös,  gegen 
die  Mitte  hin  härter  ist.  Der  Glaskörper,  der  in  geringer  Menge 
den  Rest  der  hinteren  Augenkammer  füllt,  hat  eine  Syrupconsistenz, 
ist  sehr  durchsichtig  und  klebt  der  Linse  fest  an. 

Neben  Organe  des  Auges.  —  Zwischen  der  Silberschicht  und 
der  Gefässschicht  der  Choroidea  liegt  ein  den  Fischen  eigenthümliches 
Gebilde,  die  sogenannte  Choroidealdrüse  (d,  Fig.  216).  Es  ist 
eine  rothbraune,  voluminöse  Masse,  welche  in  einem  Bogen,  dessen 
Centrum  der  Sehnerv  bei  seinem  Durchbruche  durch  die  Choroidea 
darstellen  würde,  herumgekrümmt  ist.  Bei  einiger  Sorgfalt  lässt  sich 
das  Gebilde  leicht  von  der  Choroidea  ablösen.  Es  ist  überall  von  einer 
feinen  Faserhülle  umgeben  (e,  e,  Fig.  216).  Am  inneren  Rande  des 
Bogens  sieht  man  ein  grosses  Blutgefäss,  welches  sich  in  mehrere 
Canäle  verzweigt,  die  in  die  Masse  eindringen  und  sich  in  eine  Unzahl 
paralleler,  senkrecht  auf  die  Axe  des  Organes  gerichteter  Gefässchen 
auflösen.  Diese  münden  schliesslich  in  eine  Reihe  sinusartiger  Räume 
am  Rande  der  grossen  Krümmung.  Das  Organ  ist  keine  Drüse,  sondern 
ein  Wundernetz. 

Augenmuskeln  (Fig.  209).  —  Es  finden  sich  deren  sechs, 
zwei  schiefe  und  vier  gerade.  Der  äussere  gerade  Muskel  (de) 
ist  der  längste  von  allen.  Er  entspringt  mit  einer  dünnen  Fascie  an 
der  ventralen  Seite  des  Schädeldaches  in  der  Nähe  des  Grundbeines, 
breitet  sich  bei  seinem  Eintritte  in  die  Augenhöhle  etwas  aus,  be- 
schreibt einen  fast  rechten  Winkel  und  setzt  sich  an  den  hinteren 
Rand  des  Augapfels.  Der  innere  gerade  Muskel  (di)  entspringt 
an  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven ,  schlägt  sich  unter  dem  Aug- 
apfel durch  nach  vorn  und  setzt  sich  an  der  Peripherie  desselben  au 
der  inneren  Seite  an.  Der  obere  gerade  Muskel  (ds)  entsteht 
ebenfalls  am  Sehnerveneintritte,  geht  etwas  schief  von  hinten  nach 
vorn  und  oben  und  setzt  sich  an  den  oberen  Rand  des  Augapfels  an, 
wo  er  sich  etwas  mit  dem  oberen  schiefen  Muskel  kreuzt.  Der  untere 
gerade  Muskel  (din)  läuft  in  entgegengesetzter,  etwas  schiefer 
Richtung  von  dem  Sehnerven  zu  dem  unteren  Rande  des  Augapfels, 
wo  seine  zu  einer  breiten  Fascie  sich  spreitenden  Fasern  mit  denjenigen 
des  unteren  schiefen  Muskels  sich  kreuzen.  Der  obere  schiefe 
Muskel  (os)  entspringt  mit  breiter  Basis  am  Ethmoidknorpel  und 
setzt  sich,  nach  hinten  laufend,  an  den  oberen  Rand  des  Augapfels. 
Der  untere  schiefe  Muskel  (oi)  entspringt  nahe  dem  vorigen, 
ebenfalls  am  Ethmoidknoi'pel,  wendet  sich  aber  schief  von  innen  nach 
aussen  und  setzt  sich  an  den  Unterrand  des  Augapfels  an. 

Gehörorgan  (Fig.  218).  —  Aeusseres  und  mittleres  Ohr  fehlen ; 
es   giebt   nur    ein    inneres   Ohr,    das   in    eine   weite   Nebengrotte    der 


Fische. 


519 


Schädelhöhle  eingeschlossen  ist,  welche  in  der  ganzen  Ausdehnung 
ihrer  Innenseite  mit  dieser  communicirt.  Um  das  häutige  Laby- 
rinth ohne  Verletzung  aufzudecken  und  zu  isoliren,  spaltet  man  den 
hinteren  Theil  eines  mit  Salpetersäure  entkalkten  Kopfes  durch  einen 
senkrechten ,  genau  in  der  Mittellinie  geführten  Längsschnitt.  Man 
erhält  so  zwei  Hälften,  deren  jede  ein  Ohr  einschliesst.  Man  pinselt 
nun  soi'gfältig  das  Gehirn  weg,  legt  auf  diese  Weise  schon  einen  Theil 
der  halbkreisförmigen  Canäle  bloss  und  es  ist  nun  leicht,  das  Fett- 
gewebe zu  entfernen,  welches  die  Zwischenräume  erfüllt,  und  so  das 
ganze  Labyrinth  zu  isoliren,  so  dass  man  zur  genaueren  Untersuchung 
der  einzelnen  Theile  schreiten  kann.  Selbstverständlich  muss  diese 
Untersuchung  unter  Wasser  vorgenommen  werden.  Man  sieht  nun 
Folgendes  (Fig.  218). 

Der  Utriculus  (ti)  ist  ein   längsgerichteter,   centraler  Sack,   in 
welchen  die  verschiedeneu  Canäle   einmünden.     Von   der  Mittelgegend 

Fiff.  218. 


cp-. 


Perca  ßuviatäis.  —  Das  Hörlabyrinth, _iviei-fach  vergrössert.  A,  Ansicht  von  aussen, 
B,  von  innen,  v,  Utriculus;  s,  Sinus  superior;  «,  Apex;  r,  Anschwellung  des  Utri- 
culus; ua,  vordere  Ampulle;  ae,  äussere  Ampulle;  ca,  vorderer  halbkreisförmiger 
Canal ;  ce,  äusserer  Canal ;  c/;,  hinterer  Canal ;  ap,  hintere  Ampulle;  sa,  Sacculus ; 
/,  Lagena ;  rn,  Eamus  neglectus ;  t,  Hörplatte  des  Utriculus;  ts^  Hörplatte  des  Saccu- 
lus;  e,  Otolith;  '/•«,  Nervenast  zur  vorderen  Ampulle;  ^j ,  Papille  der  Lagena; 
en,  Ductus  endolymphaticus. 


seiner  dorsalen  Fläche  erhebt  sich  auf  der  inneren  Seite  der  obere 
Sinus  oder  gemeinsame  Canal  (s),  ein  cylindrisches  Rohr,  welches 
senkrecht  gegen  die  Schädeldecke  ansteigt  und  an  seinem  oberen 
Ende  in  zwei  Canäle ,  den  vorderen  und  hinteren  halbkreisförmigen 
Canal  übergeht.  An  dem  Gipfel  des  Sinus  und  an  der  Vereinigungs- 
stelle der  drei  Canäle  stülpt  sich  ein  kleiner  kegelförmiger,  an  der 
Spitze  geschlossener  Zipfel  aus,  der  Apex  (a),  dessen  oberes  Ende 
das  Schädeldach  berührt.     Am   vorderen   unteren  Rande  des  Utriculus 


520  Wirbeltliiere. 

findet  sich  eine  kleine  Erweiterung  (r),  welche  ein  sehr  kleines,  weiss- 
liches  Gehörsteinchen  enthält;  darüher  liegen  zwei  rundliche  Auf- 
treibungen, die  vordere  Ampulle  (aa),  von  welcher  der  vordere 
halbkreisförmige  Canal(ca)  entspringt,  und  die  äussere  Am- 
pulle (ae),  von  welcher  der  gleichnamige  Canal  (ce)  seinen  Ursprung 
nimmt.  Der  vordere,  längere  Canal  verläuft  anfangs  horizontal,  wendet 
sich  aber  dann  nach  oben,  um  schliesslich  in  den  oberen  Sinus  zu 
münden ;  der  äussere  halbkreisförmige  Canal  krümmt  sich  in  einer 
horizontalen  Ebene ,  dringt  in  die  äussere  Knorpelwand  der  Ohrhöhle 
ein  und  mündet  schliesslich  in  das  hintere  Ende  des  Utriculus  in  der 
Nähe  der  hinteren  Ampulle  (ap).  Von  dieser  läuft  der  hintere 
Canal(cjJ))  aus,  der  ebenfalls  in  der  gi-össten  Strecke  seines  Bogens  von 
Knorpel  umschlossen  ist,  aus  welchem  er  hervortritt,  um  an  dem  Apex 
in  den  oberen  Sinus  zu  münden. 

Unter  dem  Utriculus  und  mit  ihm  in  directer  Verbindung  findet 
sich  ein  weiter,  seitlich  abgeplatteter  Beutel  von  eiförmigem  Umrisse, 
der  Saccul US  (sa),  der  einen  sehr  grossen,  ebenfalls  abgeplatteten  Oto- 
lithen  mit  stark  gezähneltem  hinterem  Rande  enthält.  Am  vorderen 
Rande  des  Sacculus  befindet  sich  eine  kleine,  mit  dessen  Höhlung  in 
Verbindung  stehende  häutige  Tasche,  die  ebenfalls  einen  kleinen  Oto- 
lithen  enthält,  die  Lagena  (?).  Von  ihrem  oberen  Rande  steigt  auf 
der  Innenseite  ein  an  die  Wand  des  oberen  Sinus  angeklebter,  senk- 
rechter Canal  auf,  der  nahe  bei  der  Macula  negJeda  in  den  Sacculus 
mündet  und  dessen  oberes  blindes  Ende  etwa  die  Hälfte  der  Länge 
des  Sinus  erreicht;  es  ist  der  Ductus  endolympliatictis  (en). 

Mehrere  Zweige  des  Hörnerven,  die  man  bei  aufmerksamer  Prä- 
paration grosser  Thiere  leicht  makroskopisch  darstellen  kann ,  ver- 
theilen  sich  in  dem  Labyrinthe  und  begeben  sich,  im  Inneren  der 
Ampullen,  zu  den  darin  vorspringenden  Hörleisten,  oder  in  den  übrigen 
Theilen  zu  besonderen  fleckenartigen  Hörplatten.  Der  vordere  Am- 
pullarnerv  (rö)  und  der  äussere  Ampullarnerv  (re)  begeben 
sich  zu  den  Gehörleisten  der  gleichnamigen  Ampullen.  Die  kleine 
Seitentasche  (r)  mit  ihrem  Otolithen  erhält  einen  besonderen  Nerven- 
zweig, der  sich  in  der  darin  befindlichen  Utricul  arplatte  (t)  ver- 
zweigt. Der  Sacculus  ist  sehr  reich  an  Nerven;  ein  bedeutender  Stamm 
verzweigt  sich  pinselartig  in  der  grossen  Saccul  arplatte  (ts).  Die 
Lagena  besitzt  eine  warzenförmige  Platte,  die  Lagenarpapille  (p) 
mit  einem  besonderen  Zweige  und  ausserdem  begiebt  sich  noch  ein 
feiner  Zweig,  der  von  Retzius  entdeckte  Mamus  neglectus  (rn),  zu 
einer  kleinen,  an  der  Mündung  des  Ductus  lymphaticus  gelegenen 
Platte,  der  Macula  negJecta. 

Feine  Durchschnitte  veranschaulichen  die  Art,  wie  die  Nerven 
in  den  Hörtheilen  enden.  Jede  Hörleiste  (Fig.  219)  besteht  aus 
zwei  Arten  von  Zellen.     Die   einen   (a)  sind  verlängert,   in    der  Mitte 


Fisclie. 


521 


ihrer  Länge,  wo  der  Kern  sitzt,  etwas  bauchig  und  an  ihrem  freien, 
in  das  Innere  der  Ampulle  ragenden  Ende  mit  mehr  oder  minder 
steifen  Härchen  besetzt.  Unter  der  einfachen  Schicht  dieser  eigent- 
lichen Hörzellen  finden  sich  regellos  zusamraengehänft  weit  kleinere 
Stützzellen  (h),  unter  welchen  die  Nervenfäserchen  (c)  sich  zeigen. 

Fis.  219. 


Querschnitt    einer    Hörleiste.      Verick,    Oc.    3,    OLj.    2.       Camera    clara.      a,    lange 
Sinneszellen;  b,  Stützzellen;   c,  XervenencLigung. 

V  er  dauun  g  s  sy  st  em.  —  Es  beginnt  mit  der  weiten  Mund- 
höhle, die  äusserlich  von  den  Kiefern,  oben  vom  Yomer,  dem  Para- 
sphenoideum  und  den  Gaumenbeinen,  unten  von  dem  Zungenbein  be- 
grenzt wird.  Die  Zunge  springt  kaum  auf  dem  Boden  der  Mundhöhle 
vor,  sie  ist  nur  ein  von  Bindegewebe  gebildeter  Wulst  ohne  Muskeln. 
Die  sehr  kleinen  und  hart  an  einander  gedrängten  Bürstenzähne 
bedecken  die  inneren  Flächen  des  Zwischenkiefes,  des  Zahnstückes  vom 
Unterkiefer,  des  Gaumenbeines  und  des  Vomer.  - —  Die  Racheu- 
höhle  oder  Pharynx  wird  grösstentheils  von  den  Kiemenbogen, 
hinten  von  den  oberen  und  unteren  Schlundknochen  gebildet ,  die 
ebenfalls  Bürstenzähne  tragen.  Der  darauf  folgende  Schlund  ist 
ein  weiter  Trichter  mit  inneren  Längsfalten;  er  geht  schief  nach  nnten 
und  hinten  in  den  Magen  (e,  Fig.  196)  über,  der  ein  langer  und 
weiter  Blindsack  ist  mit  sehr  ausdehnbaren  Wänden.  Etwa  in  der 
Mitte  seiner  Länge  geht  von  seiner  dorsalen  Fläche  der  Darm  {/)  ab, 
welcher  zuerst  eine  Schlinge  nach  links,  dann  eine  zweite  nach  rechts 
gewendete  Schlinge  beschreibt  und  hierauf,  etwas  erweitert,  in  gerader 
Richtung  längs  der  ventralen  Mittellinie  sich  zum  After  erstreckt.  In 
seiner  ganzen  Länge  wird  der  Darm  von  dem  Peritoneum  um- 
fasst,  das  da,  wo  es  die  hintere  Fläche  des  Kiemenapparates  bekleidet, 
eine  bedeutende  Dicke  erreicht,  während  die  Mesenterialfalten  meist 
auf  schmale  Aufhängebänder  reducirt  sind,  in  welchen  zwischen  vielem 
Fett  die  Gefässe  und  die  feinen  Nerven  vom  Sympathicus  verlaufen.  Drei 
cylindrische  Blindsäcke,  die  Pyl  o  rus  an  h  ä  u  g  e  (öj;,  Fig.  196).  öffnen 
sich  in  dem  Darm  kurze  Zeit  nach  seinem  Austritte  aus  dem  Magen. 
Man  hat  den  Darmabschnitt  zwischen  Magen  und  Darmschlinge  auch 
das  Duodenum  genannt. 

Betrachten  wir  einige  dieser  Theile  im  Einzelnen. 

Die  Zähne  sind  kleine,  conische  Gebilde  mit  einer  inneren  Höhle, 
die    mit   einer   erweiterten   Basis   auf  dem   betreffenden   Knochen   auf- 


522 


Wirbelthiere. 


Fio-.  220. 


sitzen.  Man  liat  sie  B  ürst  en  zäline  genannt,  könnte  sie  aber  besser 
in  ibrer  Gesamnitbeit  mit  einem  Striegel  vergleicben.  Jedes  dieser 
spitzen  Zäbnchen  trägt  auf  der  freien  Krone  ein  dünnes  Käppchen  von 
durcbsicbtigem,  homogenem  Scbmelz;  der  Zabnkörper  ist  von  Zahnbein 
mit  Canälchen  gebildet  und  in  der  inneren  Höhle  verlaufen,  von  Zahn- 
pulpa  umhüllt,  die  Nerven  und  Gefässe. 

Die  Längsfalten  des  Schlundes  setzen  sich  im  Inneren  des  Magens 
bis  zu  dem  Pylorus,  der  Oeffnung  in  den  Darm,  fort;  der  unterhalb 
des  Pylorus  befindliche  Blindsack  zeigt  dagegen  unregelmässige,  aber 
weiter  in  das  Innere  vorspringende  Falten.  Die  äussere  glatte  Hüll- 
haut des  Magens  wird  von  einer  dünneu  Peritoneallamelle  gebildet, 
deren  sehr  abgeplattete  und  durch  Intercellularräume  getrennte  Zellen 

nur  eine  Schicht  bilden.  Darauf 
folgt  eine  dünne  Schicht  von 
Längsmuskelfasern  mit  deut- 
lichen ovalen  Kernen,  in  welcher 
zahlreiche  Blutgefässe  verlaufen. 
Nach  innen  findet  sich  dann 
eine  dicke  Schicht  von  queren 
Muskelfasern,  die  auf  Querschnit- 
ten wie  Bändchen  erscheinen,  an 
welchen  Kerne  ansitzen.  Die 
innere  Schleimhaut  ruht  auf 
einer  Lage  von  Bindegewebe, 
welches  sich  im  Inneren  der  Fal- 
ten erhebt  und  deren  Kern  bil- 
det. Die  Verdauungszellen  der 
Schleimhautfalten  zeigen  eine 
eigenthümliche  Anordnung.  Man 
Ti  sieht  weite  Maschenräume,  die 
von  deutlichen ,  aber  sehr  dün- 
nen Wänden  aus  Bindegewebe 
begrenzt  sind.  An  den  Berüh- 
rungspunkten der  Maschenwände 
sieht  man  meist  einige  platte 
Kerne.  Das  Centrum  eines  jeden 
Maschenraumes  wird   von  einem 


-ii^*^''  fS'''^^^£^& 


^^^i—(L 


Perca  fliwiaülis.  —  Querschnitt  einer  Darm- 
^otte.  a,  äussere  Peritonealhülle ;  6,  Längs- 
rauskelschicht;  c,  Durchschnitte  von  Gefässen; 
d,  Kreismuskelschicht;  e,  Bindegewehe; 
(/,  lange  Cylinderzellen  der  Oberfläche. 


runden  Haufen  langer  Zellen  eingenommen ,  in  dessen  Peripherie  man 
Kerne  sieht. 

Die  Schleimhaut  der  Pylorusa  n hänge  zeigt  zahli'eiche,  in  allen 
Richtungen  sich  kreuzende  Fältchen,  welche  ein  dichtes  Netz  bilden. 
Die  histologische  Structur  ist  übrigens  derjenigen  der  Magenftilten  gleich. 

Auf  Querschnitten  (Fig.  220)  zeigen  die  Wände  des  Darmes, 
wie  die  des  Magens,  eine  äussere,   sehr  dünne  Peritonealhülle  mit  zer- 


Fische.  523 

streuten,  platten  Kernen  (et),  eine  dünne  Längsmuskelschicht  (h) ,  in 
welcher  zahlreiche  Blutgefässe  sich  verzweigen  (c) ,  dann  eine  dickere 
Schicht  von  glatten ,  queren  Muskelfasern  (d) ,  mit  dicken ,  ovalen 
Kei'nen ,  deren  Längsaxe  derjenigen  der  Fasern  parallel  gerichtet  ist, 
und  endlich  die  Bindegewebsschicht  (e)  mit  kleinen,  runden  Zellen- 
kernen. Die  Schleimhaut  zeigt  Zotten  von  verschiedener  Gestalt,  die 
oft  so  lang  sind,  dass  ihre  Spitzen  im  Darmlumen  sich  in  der  Mitte 
berühren.  Auf  Querschnitten  erscheinen  sie  fadenförmig  oder  drei- 
eckig, besetzt  mit  sehr  langen  Cylinderzellen  (g) ,  die  senkrecht  zur 
Längsaxe  der  Zotte  stehen.  Zuweilen  weichen  diese  Zellen  aus  ein- 
ander und  lassen  Räume  zwischen  sich,  welche  dem  Durchschnitte 
einer  einzelligen  Drüse  ähnlich  sehen.  Der  freie ,  innere  Rand  der 
Zelle  ist  scheibenförmig  verdickt  und  zuweilen  sieht  diese  Scheibe  so 
aus,  als  sei  sie  von  verklebten  Wimpern  gebildet.  Der  meist  in 
die  Länge  gezogene  Kern  findet  sich  am  inneren  Ende  der  Zelle. 

Der  Afterdarm  (re,  Fig.  196)  ist  von  dem  Darme  durch  eine 
etwa  zwei  Millimeter  hohe  und  nach  hinten  gerichtete,  innere  Kreis- 
falte der  Schleimhaut  geschieden. 

Verdauungsdrüsen.  —  Die  Leber  (/,  Fig.  195, 196)  ist  eine 
voluminöse  Drüse  von  brauner  Farbe,  welche  der  den  Kiemenkorb  ab- 
schliessenden Peritonealverdickung  mit  ihrem  vorderen  Ende  unmittel- 
bar anliegt.  Sie  erstreckt  sich  bis  zum  Ende  des  Magenblindsackes 
und  erfüllt  so  den  ventralen  Theil  dieses  Abschnittes  der  Bauchhöhle. 
Von  unten  her  gesehen  zeigt  die  Leber  einen  fast  halbkreisförmig  aus- 
geschnittenen Vorderrand,  dessen  rechter  Schenkel  weit  länger  als  der 
linke  ist.  Der  Hinterrand  ist  dagegen  schief  und  unregelmässig  aus- 
geschnitten. In  dem  tiefsten  Ausschnitte  liegt  einer  der  Pylorusauhänge. 
Von  einer  Trennung  in  einzelne  Lappen,  wie  bei  den  höheren  "Wirbel- 
thieren,  kann  man  nicht  sprechen.  Die  Gallenblase  (vh,  Fig.  196) 
liegt  der  Hinterfläche  der  Leber  etwa  in  der  Mitte  in  einer  flachen 
Grube  eingesenkt  an.  Sie  macht  sich  meist  durch  ihre  braune  Farbe 
leicht  kenntlich  und  hat  die  Form  einer  Birne,  deren  Stiel  durch  den 
Gallengang  dargestellt  wird;  dieser  mündet  fast  unmittelbar  hinter 
dem  Pylorus,  den  Oefi'nungen  der  Anhänge  gegenüber.  In  den  Darm. 
Von  den  Lebergängen,  welche  die  Galle  nach  aussen  führen,  mündet 
nur  ein  einziger  in  die  Blase  nahe  an  ihrem  Grunde;  die  übrigen 
münden  in  den  Gallengang. 

Ein  Pankreas  fehlt  bei  dem  Barsche. 

Die  Milz  (ra,  Fig.  195,  196)  liegt  als  kuchenförmiges ,  in  die 
Länge  gezogenes  Gebilde  von  rothbrauner  Farbe  in  der  hinteren  Darm- 
schlinge neben  dem  Magen.     Sie  ist  sehr  gefässreich. 

Die  Schwimmblase  (vn.  Fig.  195)  zeigt  sich  sofort  nach  Weg- 
nahme der  Seitenmuskeln  unter  der  Wirbelsäule  als  ein  langer,  glän- 
zender,  weiter   und   aufgeblasener  Sack,    der   sich   vom   Hinterhaupte 


524 


Wirbelthiere. 


c... 


durch  die  ganze  Bauchhöhle  bis  zum  After  erstreckt.  Sie  ist  hermetisch 
geschlossen,  durchaus  ohne  Verbindung  mit  dem  Darme,  vorn  und 
hinten  etwas  geringeren  Durchmessers.  Auf  der  Ventralseite  ihrer 
Vorderhälfte  sieht  man  plattenförmige  Verdickungen,  meist  von  lebhaft 
rother  Farbe.  Die  zahlreichen  Blutgefässe,  welche  in  diese  Gebilde 
eintreten ,  verästeln  sich  in  eine  Menge  von  so  dicht  an  einander  ge- 
drängten Canälchen,  dass  kaum 
Zwischenräume  bemerklich  sind 
und  die  Platte  aussieht,  als  sei  sie 
künstlich  mit  rother  Farbe  iujicirt. 
Es  sind  Wundernetze. 

Nieren  (Fig.  221).  —  Unmittel- 
bar unter  der  Wirbelsäule  zeigen 
sich  die  Nieren  in  der  Bauchhöhle 
als  zwei  lange,  bandartige,  von  dem 
Bauchfelle  nur  auf  ihrer  ventralen 
Seite  überzogene  Streifen,  welche 
so  in  die  Zwischenräume  zwischen 
den  Rippenköpfen  eingekeilt  sind, 
dass  sie  den  Rippen  gegenüber  aus- 
geschnitten erscheinen.  Nach  hin- 
ten spitzen  sich  die  beiden  Streifen 
allmählich  zu ;  nach  vorn  verschmel- 
zen sie  mit  einander  in  der  Mittel- 
linie und  bilden  am  Hinterkopfe 
eine  mächtige  Masse,  die  Kopf- 
niere (re,  Fig.  221),  die  von  den 
Cardinalveneu  (c)  durchsetzt  wird 
und  vorn  halbmondförmig  ausge- 
schnitten ist.  In  diesem  Ausschnitt 
liegen  die  Aorta  und  die  beiden 
Rückziehmuskeln  der  Kiemenbogen 
{rt).  Die  Harnleiter  (w)  laufen 
längs  der  Mittellinie  am  Innenrande 
einer  jeden  Niere  von  vorn  nach 
hinten ;  sie  beginnen  in  der  Kopf- 
niere mit  zahlreichen  Aesten  und 
erhalten  längs  ihres  ganzen  Ver- 
laufes Zweige,  Am  hinteren  Nieren- 
ende  vereinigen   sie  sich,  um  einen 


Perca  fluvlutilis.  —  Die  Nieren  von  der 
Ventralseite  gesehen.  Natürliche  Grösse. 
?•,  Nieren;  re,  verdickte  Kopfniere;  ri, 
dorsale    Eiickziehmuskeln     der     Kiemen- 


bogen;  c,    Cardinalvenen;    a,  Aorta;  et,  kurzen,  gemeinsamen  Canal  (u^)  zu 

Rippen;    t)  es,  Harnblase;     w,  Harnleiter ;  ^^i^^^  ^    i^,    welchen    der    enge    Hals 

m',    Urethra ;    ?r     äussere    Oeffnung    der  ,         ^^  ,  ,  ,        ^       .        ..     ^    , 

u  .     i--.  j      n  der  Harnblase  {ves)   einmundet. 

Harnwege ;    o,  Ausivihriingsgang  der  Ge-  _       .  . 

schlechtsorgane ;  o\    Geschlechtsöffnung.  Diese  hat  weissliche,   ziemlich  feste 


Fische.  525 

Wände  und  liegt  zwischen  den  Nieren  und  den  Grenitalorganen.  Der 
gemeinsame  Ausführungsgang,  die  H  arnr  Öhre  (tt^),  ist  nur  sehr  kurz; 
er  mündet  durch  eine  enge  Oeffnung  unmittelbar  hinter  der  Genital- 
öffnung (o )  nach  aussen. 

Geschlechtsorgane  (f,  Fig.  195,  196).  —  Da  äussere  Be- 
gattungs-  und  Hülfsorgane  bei  dem  Barsche  durchaus  fehlen ,  so  lässt 
sich  das  Geschlecht  nicht  von  aussen  erkennen.  Die  Geschlechter  sind 
getrennt,  aber  die  Genitalorgane,  Hoden  und  Eierstock,  haben  genau 
dieselbe  Lagerung  und  auch  annähernd  dasselbe  Volumen.  —  Der  ein- 
fache Eierstock  bildet  einen  vorn  angeschwollenen,  nach  hinten 
allmählich  abnehmenden  Sack,  der  durch  eine  kleine  Oeffnung  hinter 
dem  After  nach  aussen  mündet.  Er  liegt  zwischen  dem  Rectum  unten 
und  der  Harnblase  und  Schwimmblase  oben  im  mittleren  und  hinteren 
Abschnitte  der  Bauchhöhle.  Ein  besonderer  Eileiter  kann  nicht 
unterschieden  werden;  die  nach  hinten  zur  Röhre  ausgezogenen  Wände 
des  Eierstockes  ersetzen  ihn.  Auf  den  ziemlich  dicken  Wänden  sitzen 
an  der  Innenfläche  sehr  zahlreiche,  mehr  oder  minder  dreieckige  La- 
mellen auf,  deren  lacunöses  Bindegewebe  von  zahlreichen  Blutgefässen 
durchzogen  wird  und  in  deren  Substanz  sich  die  Eier  entwickeln.  Zur 
Zeit  der  Reife  lösen  sich  die  Eier  von  den  Lamellen  ab ,  fallen  in  die 
innere  Höhlung  des  Eierstockes  und  werden  nach  aussen  entleert.  Je 
nach  der  Jahreszeit  wechselt  das  Volumen  des  Eierstockes  in  sehr 
weiten  Grenzen.  Im  Anfange  des^Frühjahres  ist  er  am  grössten ;  er 
erreicht  dann  den  Magen  und  kann  bei  einem  30  Centimeter  langen 
Barsche  70  000  Eier  enthalten. 

Die  Hoden  sind  zwei  lange,  kreideweisse .  symmetrische  Massen, 
die  durch  zahlreiche  Bindegewebebrücken  mit  einander  verbunden  sind 
und  nach  hinten  allmählich  sich  zuspitzen,  um  durch  eine  kleine,  hinter 
dem  After  gelegene  Oeffnung  nach  aussen  zu  münden.  Die  dünnen 
Wände  entsenden  nach  innen  lange,  blätterartige  Falten,  auf  welchen 
sich  die  Zoospermen  entwickeln.  Auf  Schnitten  sieht  man  diese  als 
kleine  Körner,  deren  kurzen  Schwanzfaden  man  nicht  mehr  constatiren 
kann,  obgleich  er  im  Leben  vorhanden  ist. 

Athem  Organe.  —  Der  Respirationsapparat  besteht  aus  den 
Kiemenblättchen,  welche  auf  der  convexen  Seite  der  Kiemenbogen  auf- 
sitzen. Früher  bemerkten  wir  schon,  dass  es  vier  solcher  wirklich 
,athmenden  Kiemenbogen  giebt,  die  von  vorn  nach  hinten  zu  an  Grösse 
abnehmen.  Bei  Gelegenheit  des  Skelettes  (S.  492)  haben  wir  die  Lage, 
Bildung  und  Gliederung  dieser  Kiemenbogen,  sowie  ihre  Beziehungen 
zu  den  Schlundknochen  einerseits  und  zu  dem  unteren  von  der  Reihe 
der  Copulae  gebildeten  Zungenbeinkörper  anderseits  näher  beschrieben. 
Der  erste  Bogen  trägt  auf  seinem  vorderen  concaven  Rande  zahl- 
reiche Dornen,  welche  mit  zwei  kleinen  Fortsätzen  auf  dem  Knochen 
des  Bogens  ansitzen.    Diese  Dornen  sind  selbst  wieder  mit  zahlreichen 


526  Wirbelthiere. 

kleinen  Gräten  besetzt,  welche  ohne  Zweifel  das  Eindringen  von  Fremd- 
körpern in  den  Kiemenapparat  verhindern.  _  Die  folgenden  Bogen 
tragen  nur  stumpfe,  mit  kleinen  Spitzen  bewehrte  Hügel.  Auf  dem 
rinnenartig  ausgehöhlten,  couvexen  hinteren  Rande  des  Bogens  stehen 
der  ganzen  Länge  nach  in  zwei  Parallelreihen  die  Kiemenblättchen, 
die  nach  oben  und  unten  an  Grösse  abnehmen  und  in  der  Mitte  am 
längsten  sind.  An  ihrer  Basis  sind  diese  Blättchen  durch  feine  Längs- 
muskelfasern mit  einander  verbunden.  Jedes  Blättchen  besitzt  eine 
dünne  Skelettaxe,  die  aus  Knorpel  gebildet  ist.  Auf  den  Flächen  finden 
sich  feine,  dicht  gedrängte  Querfältchen,  welche  in  dem  Maasse  dünner 
werden,  als  sie  sich  der  Spitze  des  Blättchens  nähern.  In  diesen  Fält- 
chen  verzweigen  sich  die  respiratorischen  Capillargefässe.  Die  Zwischen- 
substanz besteht  aus  zartem  Bindegewebe  und  das  Epitheliura  zeigt 
zweierlei  Zellen  von  runder  Form ,  die  einen  gross  und  durchsichtig, 
die  anderen  klein  und  körnig. 

Die  Pseudobranchie  ist  ein  kleines,  an  das  Hyomandibulare 
angeheftetes  Organ,  das  dieselbe  Structur  zeigt,  wie  die  Kiemen  selbst. 
Es  besteht  aus  einer  geringen  Anzahl  von  Kiemenblättchen  mit  knor- 
peliger Axe  und  erhält  sein  Blut  von   einem  Zweige   der  Kopfarterien. 

Kreislauf  (Fig.  222).  —  Das  Herz  (Fig.  196)  liegt  vorn  am 
Kopfe  etwas  vor  den  Brustflossen  in  einem  dreieckigen  Räume,  der 
ventral  von  den  Massen  des  M.  sternohyoideus,  seitlich  von  dem  inneren 
und  äusseren  M.jihayyngo-clavicularis,  dorsal  von  dem  queren  Schlund- 
kopfmuskel und  nach  hinten  von  dem  verdickten  Bauchfelle  begrenzt 
ist.  Dieser  ziemlich  enge  Raum  ist  innen  von  dem  sehr  dünnen  Herz- 
beutel ausgekleidet.  Das  Herz  selbst  besteht  aus  drei  Abschnitten, 
einem  vorderen  und  zwei  hinteren;  im  Ganzen  hat  es  die  Form  einer 
dreiseitigen,  liegenden  Pyramide,  dei'en  Spitze  sich  nach  vorn  in  den 
Arterienbulbus  (b,  Fig.  196)  fortsetzt.  Dieser  oonische  Fortsatz 
hat  eine  weissliche  Farbe,  dicke  Faserwände  und  wird  an  seiner  Basis 
von  Kammer  und  Vorkammer  bedeckt.  Seine  Innenfläche  zeigt  Längs- 
falten und  in  der  Nähe  der  Communicatiousöffnung  zur  Kammer  zwei 
Taschenventile,  welche  die  Rückstauung  des  Blutes  verhindern.  Die 
Kammer  (ve)  hat  eine  röthliche  Farbe;  sie  liegt  in  der  ventralen 
Mittellinie  und  hat  eine  unregelmässige,  nach  hinten  zugespitzte  Form. 
Ihre  aus  starken  gekreuzten  Muskelbündeln  gebildeten  Wände  sind  sehr 
dick.  Die  Vorkammer  (o)  liegt  über  der  Herzkammer,  hat  eine  dunkel- 
braunrothe  Farbe  und  zeigt  nur  schwache,  weiche  Muskelwände.  Sie 
ist  voluminöser  als  die  beiden  anderen  Abschnitte  und  läuft  nach 
hinten  in  zwei  kurze  Zipfel  aus ,  welche  in  die  Venensinus  sich  fort- 
setzen. Der  Blutstrom  wird  in  seiner  Richtung  von  der  Vorkammer 
durch  die  Kammer  in  den  Bulbus  durch  Klappen  erhalten,  welche  sich 
beim  Rückflusse  stauen.  Die  an  der  Oeffnung  zwischen  dem  Venen- 
siniis  und  der  Vorkammer  angebrachte  Klappe,  Fa/iM?a  SMm-«i(r/at?am, 


Fische.  527 

ist  unvollständig;  sie  besteht  aus  einer  Kreisfalte,  die  eine  Blendung 
mit  weiter  Oeffnung  darstellt  und  die  etwas  eingeengte  Communi- 
cationsöffnung  umgiebt;  die  Atr  i  o  ven  t  ricular-Klapp  e  zwischen 
Vorkammer  und  Kammer  dagegen  ist  sehr  vollständig  und  besteht  aus 
zwei  gegen  einander  liegenden  Segellappen,  welche  durch  starke 
Sehnenfasern  und  Muskelbündel  an  der  Wand  der  Kammer  befestigt 
sind.  Die  ebenfalls  vollständig  schliessenden  Taschenventile  des  Bul- 
bus vervollständigen  diesen  Klappenapparat. 

Arterieller  Kreislauf  (Fig.  222  a.  f.  S.).  —  Der  Arterien- 
bulbns  setzt  sich  nach  vorn  in  die  grosse,  gemeinsame  Kiemen- 
arterie fort  (ahr),  ein  in  seinem  welligen  Verlaufe  unter  der  Kette 
der  Copulae  gelegenes  Gefä&s,  das  nach  rechts  und  links  ebenso  viel 
Zweige  abgiebt ,  als  Kiemenbogen  vorhanden  sind.  Wie  das  ganze 
Herz,  enthält  diese  Arterie  mit  ihren  Zweigen  nur  venöses  Blut.  Die 
Zweige  verlaufen  in  der  Rinne  der  hinteren  Krümmung  der  Kiemen- 
bogen nach  oben  und  nehmen  um  so  mehr  an  Mächtigkeit  ab,  als  sie 
sich  der  dorsalen  Anheftung  nähern.  Sie  liegen  oberflächlicher  in  der 
Rinne  als  die  Kiemenvenen  und  endigen  an  dem  letzten  Paare  dor- 
saler Kiemenblättchen.  Die  Blättchen  bilden  zwei  parallele  Reihen 
auf  jedem  Bogen;  jedes  erhält  einen  Zweig,  der  am  Rande  des  Blätt- 
chens verläuft  und  kleine  Aestchen  in  die  Querfalten  sendet,  in  deren 
Capillarnetz  der  Austausch  der  Gase  stattfindet.  Aus  dem  Capillar- 
netze  sammeln  sich  die  Haargefässe  in  eine,  am  entgegengesetzten 
Rande  des  Kiemenblättchens  verlaufende  Vene ,  welche  ihrerseits  sich 
in  die  Kiemenvene  senkt,  die  ebenfalls  in  der  hinteren  Rinne  des 
Bogens ,  aber  tiefer  als  die  Arterie  verläuft  und  von  unten  nach  oben 
durch  die  Sammlung  aller  Blättchenvenen  stets  an  Mächtigkeit  zu- 
nimmt. Diese  Kiemenvenen  münden  sofort  in  die,  an  der  dorsalen 
Seite  des  Kiemenkorbes  unmittelbar  an  der  Wirbelsäule  verlaufende 
Aorta,  die  demnach  aus  vier  Kiemenvenen  jederseits  zusammengesetzt 
wird  und  nur  arterielles  Blut  führt.  Hinsichtlich  der  Einmündung 
haben  wir  zuweilen  beobachtet,  dass  zwei  Kiemenvenen  einer  Seite  sich 
vereinigen  und  zusammen  in   die  Aorta  münden. 

Die  in  dem  Kopfe  sich  verzweigenden  Arterien  entstammen  der 
Vene  des  ersten  Kiemenbogens;  die  Kopfarterien  (ßc)  entspringen 
nahe  an  dem  Vereinigungspunkte  der  beiderseitigen  Venen,  welche  die 
vordersten  Wurzeln  der  Aorta  bilden.  Jeder  Stamiu  verläuft  an  der 
Seite  des  Hinterhauptsbeines  und  theilt  sich  bald  in  zwei  Aeste:  eine 
oberflächliche  Gesichtsarterie  (A.  facialis,  af),  welche  in  den  Kau- 
muskel eindringt,  die  oberflächlichen  Gebilde  mit  Zweigen  versorgt  und 
sich  bis  in  den  Unterkiefer  verfolgen  lässt,  und  einen  tieferen  Stamm, 
welcher  sich  bald  gabelt.  Der  eine  Gabelast,  die  Auge  nart  er  i  e  {ar), 
dringt  in  die  Augenhöhle,  läuft  längs  der  inneren  senkrechten  Scheide- 
wand nach  vorn,   tritt    mit   dem  Riechnerven   in  die  vordere   Knorpel- 


528 


Wirbeltliiere. 

Fig.  222. 


Fische.  529 

masse  des  Schädels  und  verzweigt  sich  endlich  in  dei^  Umgegend  der 
Nase  und  des  Oberkiefers.  Der  andere  Gabelast,  die  Hirnarterie, 
dringt  durch  eine  unter  den  Unterlappen  des  Gehirnes  angebrachte 
OefFnung  in  die  Schädelhöhle  und  verzweigt  sich  in  den  Hüllen  und 
der  Substanz  des  Gehirnes,  sowie  den  damit  zusammenhängenden 
inneren  Theilen. 

Die  Aorta  («)  läuft  längs  der  ventralen  Mittellinie  der  Wirbel- 
säule bis  zur  Schwanzflosse  und  nimmt  in  dem  Maasse,  als  sie  sich 
dieser  nähert,  au  Mächtigkeit  ab.  In  der  Bauchgegend  liegt  sie  frei, 
so  dass  man  sie  unmittelbar  nach  Wegnahme  der  Schwimmblase 
erblickt;  längs  des  Schwanzes  dagegen  ist  sie  in  den  Hämalcanal  der 
unteren  Dornfortsätze  eingeschlossen.  Während  ihres  Verlaufes  giebt 
sie  Zweige  an  die  Muskelmassen  und  die  Eingeweide.  Die  bedeutendste 
unter  diesen  Muskelarterien  ist  die  Schulterarterie  (as),  deren 
abgeschnittener  Stamm  nur  in  unserer  Figur  gezeichnet  werden  konnte. 
Sie  liefert  der  ganzen  Brustflosse  das  Blut;  entspringt  aus  der  Aorta 
kurz  hinter  der  Baucharterie,  folgt  auf  der  inneren  Seite  den  Knochen 
des  Schultergürtels,  giebt  Zweige  zu  den  Muskeln  der  Innenfläche  der 
Flosse  und  tritt  dann  durch  ein  Loch  zwischen  den  Knochen  der  Hand- 
wurzel auf  die  äussere  Fläche,  in  deren  Muskeln  sie  sich  verzweigt. 

Die  Baucharterie  (ah)  versorgt  die  Eingeweide  der  Bauch- 
höhle mit  Blut.  Sie  entspringt  aus  der  Aorta  in  kurzer  Entfernung 
von  der  Einmündungssteile  der  letzten  Kiemenvene  als  ein  einziger 
dicker  Stamm,  der  folgende  Aeste  abgiebt.  Die  Magenarterie  (as) 
läuft  an  dem  Magen  entlang,  dem  sie  sehr  reichliche  Zweige  abgiebt, 
und  verthellt  sich  dann  an  die  benachbarten  Darmschlingen ,  die 
Pylorusanhänge  und  die  Milz.  An  ihrer  Uebergangsstelle  zum  Magen 
giebt  sie  zuerst  auf  der  rechten  Seite  einen  kleinen  Zweig  zur  rechten 
Magenseite  und  zur  Leber  ab,  die  Leberarterie,  und  liefert  dann 
einen   mächtigen   Ast,    die    Genital  arter  ie   (ag).     Diese   folgt    der 

Fig.  222.  —  Halbschematische  Figur  des  Kreislaufes.  Das  Thier  ist  so  dargestellt, 
als  wenn  es  geöffnet  wäre ,  so  dass  die  hauptsächlichsten  Eingeweide  und  Kiemen 
sichtbar  sind.  Kopfende  und  Schwanz  sind  abgeschnitten.  Linksseitige  Bezeichnungen  : 
br,  erster  Kiemenbogen ;  abr',  seine  Arterie;  abr,  gemeinsame  Kiemenarterie; 
b,  Arterienbulbus ;  r,  Herzkammer;  o,  Vorkammer;  so,  Venensinus;  vf,  Lebervene; 
vs,  Schultervene,  abgeschnitten ;  y,  Leber;  r;;,  Pfortader;  as,  Magenarterie ;  ad,Dno- 
denalartei'ie  ;  e,  Magen  ;  ai,  gemeinsame  Darmarterie  ;  7)?/,  P3'lorusanhänge;  a^,  Genital- 
arterie; r,  Milz;  ai^,  untere  Darmarterie;  du,  Duodenum;  vi^,  untere  Darmvene: 
ai^,  obere  Darmarterie;  vg,  Genitalvene;  vi^,  obere  Darmvene;  g,  Gesclilechtsorgan  ; 
ig,  Dünndarm;  ve,  Harnblase;  an,  After;  ii,  Urogenitalöftnung.  Rechtsseitige  Be- 
zeichnungen: a>-,  Augenarterie;  fc,  Kopfvene;  or,  Umkreis  der  Orbita;  af,  Gesichts- 
arterie; vf,  Gesichtsvene;  ac.  Carotis;  «;  6  r,  Kiemenvene;  a',  Kopfaorta ;  je,  gemein- 
same Jugularvene ;  dC^,  absteigender  Ductus  Cuvieri ;  ab,  Baucharterie;  as,  Magen- 
arterie; d C,  horizontaler  Theil  des  Ductus  Cuvieri;  a,  Aorta;  va,  Bauchvene;  ag, 
Genitalarterie;  avn„  Arterie  der  Schwimmblase;  c^,  rechte  Hohlvene;  vg,  Genital- 
vene; ?■;),  Schwimmblase;  c,  linke  Hohlvene;  (in,  Bau<haorta ;  c^,  rechte  Holilvene. 
Vogt  u.  Ynng,  prakt.  vergl.  Auatomie,    II.  q^ 


530  Wirbelthiere. 

ersten  Darmschlinge,  entsendet  einen  Zweig  zur  Schwimmblase  (at^w), 
der  sich  vorzugsweise  in  den  platten  artigen  Wunderuetzen  derselben 
auflöst,  und  gelangt  so  zu  den  Geschlechtsorgauen,  wo  sie  sich  in  zwei 
Aeste  für  die  Ränder  derselben  gabelt.  Ein  dritter  Ast ,  die  D  u  o  - 
denalarterie  (ad),  entspringt  kurz  hinter  der  vorhergehenden  und 
verzweigt  sich  in  der  Darmschlinge  und  der  Milz.  —  Endlich  bleibt 
ein  vierter  Ast,  die  Darmarterie  (ai),  welche  sich  beim  Uebertritte 
auf  den  Darm  in  zwei  Gabeläste  spaltet,  die  den  Darm  auf  seinem 
oberen  und  tinteren  Rande  bis  zum  After  begleiten. 

Die  Bauchabrta  (a)  verfolgt  nach  Abgabe  der  Eingeweide- 
arterie ihren  Weg  längs  der  Wirbelsäule  bis  zum  Schwänze  und  giebt 
auf  beiden  Seiten  intervertebrale  Aeste  ab,  welche  den  Metameren  ent- 
sprechend in  den  Myocommen  verlaufen  und  sich  in  den  Muskeln  und 
der  Haut  verzweigen;  ausserdem  treten  in  der  ganzen  Länge  der 
Nieren  Arterienzweige  in  diese  Organe  ein,  wo  sie  sich  verästeln. 

Venensystem.  —  Im  Allgemeinen  begleiten  die  Venen  die  be- 
treffenden Arterien,  so  dass  wir  nur  aiif  die  Abweichungen  näher  ein- 
zugehen brauchen.  Das  Blut  kehrt  aus  dem  Kopfe  durch  Venen 
zurück,  die  den  beschriebenen  Arterien  entsprechen,  und  sammelt  sich 
jederseits  in  eine  grosse  Sammelvene,  die  gemeinsame  Jugular- 
vene  (je),  die  an  der  Einlenkungsstelle  des  Schultergürtels  nach  unten 
in  den  Cuvier'schen  Gang  (t?c)  einbiegt,  welcher  unmittelbar  sich 
in  den  zum  Vorkammerzipfel  führenden  Venensinus  ergiesst. 

Das  aus  dem  Körper  und  den  Eingeweiden  rückströmende  Blut 
schlägt  verwickeitere  Wege  ein.  Auf  beiden  Seiten  der  Aorta  ver- 
laufen zwei  Cardinalvenen  (c  und  c^),  die  zum  Theil  in  die  Nieren- 
masse eingegraben  sind  und  nach  dem  Tode  so  von  Blut  strotzen,  dass 
man  sie  auch  ohne  Injection  leicht  verfolgen  kann.  Sie  sind  ungleich; 
die  linke  (c)  ist  bei  Weitem  die  grössere,  beginnt  an  der  Schwanz- 
flosse, ist  unter  der  Aorta  in  den  Hämalcanal  der  Schwanzwirbel  ein- 
geschlossen und  gelangt  so  in  die  Bauchhöhle,  wo  sie  die  Venen  der 
linken  Körperhälfte  und  der  Nieren  aufnimmt.  Die  weit  kürzere,  rechte 
Cardinalvene  (c^)  beginnt  erst  in  der  Aftergegend  imd  läuft  dann  der 
linken  parallel. 

Die  mit  einander  verbundenen  Cardinalvenen  bilden  gemein- 
schaftlich mit  der  Bauchvene  den  horizontalen  Theil  des  Ductus  Cu- 
vieri  (de),  der  einen  weiten  Venensinus  darstellt,  welcher  quer  von 
einem  Gipfel  des  Schultergürtels  zum  anderen  reicht,  von  vorn  her  die 
gemeinsame  Jugularvene  aufnimmt  und  sich  dann  jederseits  in  den 
entsprechenden  Venensinus  (sv)  ergiesst.  —  Die  Bauchvene  (va), 
deren  Verlauf  demjenigen  der  Baucharterie  entspricht,  nimmt  zuerst 
durch  die  Genitalvene  {vg)  mittelst  zweier  Aeste,  eines  oberen  und 
eines  unteren,  das  von  den  Geschlechtsorganen  rügkströmende  Blut 
auf.     Während  ihres  Verlaufes  an  der  Ventralseite   der  Schwimmblase 


Fische.  531 

ist  diese  Vene  durch  zahlreiche  Brücken  an  die  Bauch  wände  befestigt. 
Sie  nimmt  einestheils  von  dem  Magen  her  eine  Vene  auf,  welche  einen 
Theil  des  dort  circulirenden  Blutes  zubringt,  und  anderntheils  die  senk- 
recht herabsteigende  Schwimm  blase  nvene,  welche  durch  sechs 
Zweige  das  aus  den  Wundernetzplatten  der  Blase  kommende  Blut  auf- 
nimmt. —  Der  Dünndarm  wird  von  zwei  Venen ,  einer  oberen  und 
unteren  (vi),  eingefasst,  welche  ausser  dem  von  doi't  kommenden 
Zweige  noch  solche  von  der  Milz  (>•),  den  Pylorusanhängen  und  dem 
unteren  Magenabschnitte  sammeln.  Alle  diese  Venen  sammeln  sich  zu 
einer  einzigen,  der  Pfortader  (vj)) ,  welche  in  die  Leber  von  der 
hinteren  Fläche  derselben  aus  eindringt.  Dieselbe  verzweigt  sich  in 
der  Leber  bekanntlich  wie  eine  Arterie,  und  aus  dem  so  gebildeten 
Capillarnetze  sammeln  sich  allmählich  die  Gefässe  in  grössere  Aeste 
und  schliesslich  in  einen  einzigen  Stamm,  die  licbervene  (vf),  die 
an  der  vorderen  Fläche  der  Leber  austritt,  die  verdickte  Scheidewand 
des  Bauchfelles  durchbohrt  und  sich  in  den  Venensinus  ergiesst. 

Lymphsystem.  —  Es  entspricht  dem  auch  von  anderen  Fischen 
bekannten  und  besteht  aus  einem  Systeme  dünnwandiger,  geschlossener 
Canäle,  die  eine  helle  Flüssigkeit  enthalten.  Die  Cauäle  sammeln  sich 
in  zwei,  unter  der  Haut  längs  der  Seitenlinie  verlaufende  Stämme, 
welche  von  einem  gemeinschaftlichen,  an  der  Wurzel  der  Schwanzflosse 
gelegenen  Behälter  ihren  Ursprung  nehmen  und  nach  vorn  sich  in  das 
Venensystem  öffnen. 

Die  Tegumente  der  Fische  zeigen  überall  denselben  Grund  plan  des 
Baues.  Sie  bestehen  aus  einer  meist  ziemlicli  dicken  Epidermis,  welche 
aus  zahlreichen  Schichten  epithelialer  Zellen  besteht,  die  sich  beständig  von 
der  Basalschicht  aus  erneuern.  Zu  diesen,  oft  als  Becherzellen  an  der  Ober- 
fläche ausgebildeten  Zellen  gesellen  sich  häufig  helle,  runde  Zellen  (sogenannte 
Schleimzellen),  die  an  die  Kolbenzellen  der  Cyclostomeu  erinnern.  Sie  fehlen 
bei  den  Plagiostomen.  Nirgends  findet  man  den  Körnchenzelleu  der  Cyclo- 
stomeu analoge  Gebilde.  Hautdrüsen  fehlen  durchaus ,  wenn  man  solchen 
nicht  die  an  der  Basis  von  Hautstacheln  entwickelten  Giftdrüsen  zu- 
rechnen wiU ,  welche  sich  bei  einigen  Teleostiern  [TracMnus]  und  Rochen 
(Trygon)  finden.  Bei  den  meisten  Fischen  dringen  Pignientzellen  (Körnchen, 
Chromatophoren)  in  die  Epidermis  ein.  —  Die  Cutis  besteht  aus  mehr  oder 
minder  zahlreichen  Schichten  meist  abgeplatteter  Bindegewebsfasern ,  die 
niemals  verfilzt  sind ;  die  meist  schief  verlaufenden  Fasern  einer  Schicht 
kreuzen  sich  nüt  denjenigen  der  über-  und  unterliegenden  Schicht  und  haben 
eine  constante,  parallele  Richtung.  Die  Schichten  werden  oft  von  senkrecht 
stehenden  Fasern  ,  sowie  von  Lücken  unterbrochen ,  in  welchen  Gefässe  und 
Nerven  verlaufen.  Pigmente  finden  sich  in  grosser  Menge ;  zu  den  Chroma- 
tophoren gesellen  sich  kleine  Plättchen,  welche  die  metallisch  glänzenden 
Reflexe  bedingen. 

Die  Hai'tgebilde  (Schuppen,  Tafeln,  Stacheln  etc.)  verdienen  besondere 
Aufmerksamkeit.  Man  kann  als  Princip  annehmen ,  dass  alle  diese  Hart- 
gebilde in  der  Cutis  entstehen,  also  ein  wirkliches  Hautskelett  darstellen. 
Dieser  Grundtheil  des  Skelettes    kann    in    faserigem    Zustande    beharren   oder 

34* 


532  Wirbelthiere. 

in  den  meisten  Fällen  dui'ch  Zellen  weiter  erhärten,  die  sich  stufenweise  den 
Knochenkörperchen  der  höheren  Wirbelthiere  mit  ihren  charakteristischen 
Ausläufern  nähern.  Die  ursprünglich  getrennten  Einzelstücke  schmelzen 
öfter  zusammen,  um  wahre  Hautpanzer  zu  bilden  (Sclerodermeji,  Lophobranchier, 
Panzerivelse).  Die  oberflächlichen  Bildungen  wechseln  ungemein.  Bei  den 
Plagiostomen  entwickeln  sich  wahre  Zähne ,  die  eine  Krone  von  Schmelz 
tragen,  welcher  von  den  tieferen  Schichten  der  Epidermis  abgesondert  wird, 
sonst  aber  aus  Dentin  bestehen ,  das  oft  verzweigte  Canälchen  zeigt.  Im 
Inneren  findet  sich  eine  Höhle  oder  verzweigte  Lückenräurae  mit  Zahnpulpe; 
die  in  dieselbe  aufsteigenden  Grefässe  und  Nerven  treten  meist  durch  eine 
centrale  Oeffnung  der  Basalschicht  ein.  Diese  Zahnbildungen,  welche  schliess- 
lich die  Haut  durchbrechen,  aber  urs]3rünglich  von  der  epidermoidalen 
Schmelzkappe  ausgehen,  bilden  die  sogenannte  Chagrinhaut,  die  Stacheln, 
die  Zähne  der  Kiefer  und  gehen  auch  in  die  Hornstrahlen  der  Flossen  über. 
Die  Basalplatten  können  mit  einander  verschmelzen,  sowie  auch  die  auf  den 
Platten  aufsitzenden  Zähne  sich  vervielfältigen  können.  Aehnliche  Zähne, 
Avenn  auch  meist  bedeutend  reducirt,  finden  sich  auch  auf  den  Schuppen 
einiger  Teleostier  {CalUchthys).  Sie  sind  auf  den  rhomboidalen  Schuppen 
junger  Ganoiden  (Lej;idosie?t.s)  entwickelt,  wo  sie  ebenfalls  eine  winzige  Schmelz- 
kappe tragen,  welche  sich  später  verliert,  während  die  Basen  der  zahlreichen 
Zähnchen  zusammenfliessen  und  die  dicke  knöcherne  Basalplatte  der  Schuppe 
mit  einer  ziemlich  homogenen  Schicht  bedecken,  die  man  zum  Unterschiede 
von  echtem  Schmelze  Ganoin  genannt  hat.  —  Sehr  verschieden  von  den 
Hautbedeckungen  der  Plagiostomen  und  rautenschuppigen  Ganoiden  sind  die 
Schuppen  der  Dipnoer  und  Teleostier ;  die  sclerosirte  Basis  ist  lamellös  und 
lässt  bei  Teleostiern  meist  noch  Fasern ,  bei  den  Dipnoern  zellige  Structur 
erkennen.  Die  sehr  verschiedenartig  verzierte  äussere  Schicht  bildet  sich 
bald  als  ein  Ganzes,  ohne  irgend  welche  Unterbrechung,  oder  wird  nur  auf 
bestimmten  Stellen  abgelagert,  indem  sie  die  Strahlenfurchen  oder  netzartige 
Zeichnungen  frei  lässt.  —  Bei  den  Dipnoern  zeigt  diese  äussere  Netzschicht 
noch  ausserdem  zahlreiche,  rund  umwallte  Oeffnungen.  Diese  Aussenschicht 
besteht  aus  einem  homogenen,  modificirten  Knochengewebe,  das  viel  kohlen- 
sauren Kalk  enthält.  Die  Dornen  der  Ctenoidschuppen  sind  nur  Zähne- 
lungen dieser  Schicht,  die  oft  in  ihrem  primitiven  Zustande  verbleiben 
{Beryx}  oder  mehr  oder  minder  fi'ei  werden,  wie  beim  Barsche.  Uebergangs- 
formen  zwischen  den  Schuppen  der  Ctenoiden  und  Placoiden  finden  sich  bei 
Plectognathen  und  einigen  anderen  Acanthopterygiern  {Oentriscus,  Monacanthus) . 
Sie  legen  die  Wahrscheinlichkeit  nahe,  dass  das  Mittelfeld  der  Schuppe  dem 
bei  den  Plagiostomen  auf  der  Grundplatte  sitzenden  Zahne  entspricht.  Für 
weitere  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  die  Abhandlung  von  Klaatsch 
(s.  Literatur).  —  Nach  dem  oben  Gesagten  müssen  alle  diese  Hartgebilde, 
wenigstens  an  ihrer  Basis,  von  den  oberen  Schichten  der  Lederhaut  umhüllt 
und  von  der  Epidermis  bedeckt  sein ;  was  aber  die  Zahnbildungen  betrifft, 
welche  die  Oberhaut  durchbohren ,  von  welcher  ein  Theil  ihrer  Substanz, 
der  Schmelz ,  abgesondert  wird ,  so  bleibt  nur  ihre  Basis  in  der  Lederhaut 
stecken.  Bei  den  anderen  Schuppenbildungen  aber  bilden  die  Tegumente 
in  ihrer  Gesammtheit  eine  sie  einhüllende  Tasche ,  welche  freilich  auf  dem 
frei  liegenden  Theile  der  Schuppe  oft  abgenutzt  und  zerstört  wird. 

Die  Orgaue  des  Seitensinnes  zeigen  mannigfaltige  Modificationen. 
Die  ursprünglich  einfachen,  oberflächlichen  Hügel,  die  aus  Nervenzellen  ge- 
bildet und  von  basalen  Stützzellen  umgeben  sind ,  ziehen  sich  allmählich  in 
die  Haut  zurück.  Sie  werden  zuerst  durch  offene  Binnen  ,  dann  durch  ge- 
schlossene Canäle  mit  Ausgangsröhrchen  verbunden,  die  schliesslich  in  der 
Art   metamerisch    werden,   dass   jedem  Myomer   ein  Nervenhügel   entspricht. 


Fische.  533 

Freie  Hügel  finden  sich  noch ,  ähxilicli  wie  beim  Barsche ,  am  Kopfe  von 
Gohioiden ,  SticJilingen  und  Hechien ;  bei  den  ersteren  erhebt  sich  zuweilen 
die  durchsichtige,  gelatinöse  Haube,  welche  den  Nervenknopf  (die  Ceutral- 
kuppel)  deckt,  zu  einem  die  Haut  überragenden  hohlen  oder  soliden 
Zapfen.  Bei  den  Holocephalen  sind  die  Nervenknöpfe  durch  offene  Binnen 
verbunden,  welche  mit  indifferentem  Epithelium  ausgekleidet  sind  ;  ähnliche 
Rinnen  finden  sich  auf  dem  Körper  von  Echlnorhinns  und  Tetrodon.  Bei 
allen  übrigen  sind  die  Binnen  zu  Canäleu  geschlossen  ,  Avelche  sich  an  einem 
Punkte ,  meist  in  der  Ecke  der  Kiemenspalte  am  Seitenstachel  des  Hinter- 
hauptes, vereinigen.  Von  diesem  Centralpunkte  gehen  in  der  Begel  mehrere 
Canäle  aus :  vorn  gegen  den  Kopf  hin  ein  supraorbitaler ,  ein  infraorbitaler 
und  ein  Unterkiefercanal,  ferner  ein  querer  Hinterhauptscanal,  der  die  Sj'steme 
beider  Seiten  verbindet,  und  schliesslich  nach  hinten  ein  horizontaler  Canal, 
die  Seitenlinie,  die  sich  meist  bis  zum  Schwänze  verfolgen  lässt.  Die  Modi- 
ficationen  dieses  Grundplanes  sind  ausserordentlich  zahlreich.  Die  Canäle 
sind  mit  einer  durchsichtigen  Gallerte  erfüllt ;  sie  zeigen  bald  einfache  Er- 
weiterungen (Säckchen  der  Ganoiden),  bald  complicirtere  Ampullen  (Selachier) 
an  den  Stellen ,  wo  die  Nervenhügel  sitzen.  Zuweilen  stehen  die  äusseren 
Oeffnungen  unmittelbar  auf  den  Hauptröhren ,  meist  aber  finden  sie  sich  auf 
Seitencanälchen,  welche  die  Schuppen  (Seitenlinie)  oder  einzelne  Hautknöchel- 
clien  am  Kopfe  durchbohren.  Die  Theilung  der  Arbeit  zwischen  der  Function 
als  Sinnesorgane  und  als  absondernde  Eöhreij  ist  bei  dem  Zitte  r  rochen  am 
weitesten  gediehen,  wo  man  drei  Arten  von  Organen  findet;  ein  Canalsystem 
mit  Ampullen  (sogenannte  Lorenzini'sche  Organe),  die  keine  Nervenzellen 
enthalten,  sondern  nur  Gelatine  absondern ;  auf  der  Bückenfläche  des  Kopfes 
ein  anderes  Canalsystem,  das  Nervenknöpfe  enthält  und  zugleich  Gelatine  ab- 
sondert, und  an  der  Ventralseite,  um  das  Maul  herum,  einzelne  Säckchen  (so- 
genannte Sa  vi 'sehe  Bläschen),  welche  Nervenknöpfe  enthalten  und  durch  einen 
fibrösen  Grundstrang  mit  einander  verbunden  werden,  welcher  ein  obliterirter 
Canal  zu  sein  scheint.  Man  sehe  für  die  Einzelheiten  das  Buch  vonFritsch, 
„Die  Torpedineen".     Leipzig  1890. 

Die  Modificationen  des  Skelettes,  als  Ganzes  betrachtet ,  sind  iu  der 
Classe  der  Fische  besonders  zahlreich  und  zeigen  verschiedene  Entwicklungs- 
stufen ,  die  wesentlich  auf  der  allmählichen  Unterdrückung  der  Chorda ,  auf 
der  Bildung  einzelner,  unabhängiger  Knorpel-  und  Knochenstücke  und  auf 
der  Einziehung  ursprünglicher  Hautknochen  in  das  Bereich  des  inneren 
Skelettes  beruhen.  Wenn  wir  bei  Amphioxus  und  den  Cyclostomen  ein  ein- 
ziges, den  ganzen  Körper  durchziehendes,  häutiges  Stützsystem  gefiiuden 
haben,  so  sehen  wir  hei  den  Fischen  einzelne,  bald  knorpelige,  bald  knöcherne 
Stücke  sich  in  dieses  System  einschieben  und  dasselbe  allmählich  über- 
wuchern. Zwar  hat  dieser  Process  schon  bei  den  Cyclostomen  durch  die 
Verknorpelung  des  Schädels ,  des  Visceralsystemes  und  der  AVirbelfortsätze 
begonnen ,  aber  er  nimmt  bei  den  Fischen  stets  mehr  überhand.  Hier  kann 
man  auch  bemerken ,  dass  durch  die  Verkuöcherung  die  Zahl  der  Stücke, 
welche  einen  bestimmten  Apparat  zusammensetzen,  vermehrt  wird,  während 
die  knorpelige  Grundlage,  auf  deren  Kosten  sich  die  mehr  oder  minder  ver- 
einzelten oder  in  einander  gelenkten  Stücke  bilden ,  noch  ein  zusammen- 
hängendes Ganzes  darstellt.  Uehrigens  schliessen  solche  Vorgänge  das  Ver- 
schmelzen einzelner ,  ursprünglich  getrennter  Knochenstücke  oder  eine  Ee- 
duction  derselben  nicht  aus. 

Die  Chorda  besteht  während  des  ganzen  Lebens  in  einem  ähnlichen  Zu- 
stande, wie  bei  den  Cyclostomen,  bei  den  Holocephalen,  den  Knorpelganoiden 
(Stiirioniden)  und  den  Dipnoern  fort;  aber  bei  allen  diesen  Fischen  gesellen 
sich  zu  ihr  obere  [Neurapophysen)  und  untere  Bogen  (Haemapophyseii),  welche 


534  Wirbelthiere. 

isolirt  iu  der  skelettbildenden  Schicht  entstehen  und  deren  noch  hei  vielen 
Selachiern  und  Teleostiern  (Hecht)  erkennbare  Wurzeln  oft  noch  nur  durch 
Sehnenbänder  in  den  Löchern  der  Wirbelkörper,  in  welchen  sie  stecken,  be- 
festigt sind.  Die  Wirbelkörper  selbst  bilden  ursprünglich  Ringe  um  die 
Chorda,  die  sich  nach  und  nach  in  der  Mitte  nach  innen  hin  verdicken,  hier 
die  Chorda  einengen  und  schliesslich  so  absorbiren  (vertebrale  Einschnürung), 
dass  ihre  Reste  nur  noch  in  den  Zwischenräumen  der  Einschnürungsstellen 
erhalten  bleiben.  So  entstehen  die  biconcaven  Wirbelkörper,  die  eine  vor- 
dere und  hintere,  kegelförmige  Aushöhlung  zeigen,  deren  Spitzen  in  der  Mitte 
des  Wirbels  zusammentreffen,  Avährend  die  Ränder  der  Höhlen  durch  Band- 
massen mit  einander  verbunden  sind.  Nur  eine  Gattung  {Leindosteus)  macht 
hier  eine  Ausnahme ;  bei  dieser  ist  die  Einschnürung  der  Chorda ,  die  sicli 
nocli  in  den  Schwanzwirbeln  erhält ,  intervertebral ,  und  als  Folge  der  Ver- 
dickung zeigt  jeder  Wirbel  einen  vorderen  Gelenkkopf,  der  in  einer  Ver- 
tiefung der  Hinterfläche  des  vorhergehenden  Wirbels  beweglich  spielt  (opis- 
thocüle  Wirbel).  Die  Neurapophysen  und  Haemapophj'sen  bleiben  häufig 
ihrer  ganzen  Länge  nach  in  zwei  Hälften  getrennt,  schliessen  sich  aber  doch 
zu  Bogen  in  der  Mittellinie  um  das  Rückenmark  und  die  Aorta  und  ver- 
längei-n  sich  häufig  in  auffallender  Weise  in  den  oberen  und  unteren  Dorn- 
fortsätzen. Die  queren  iind  schiefen  Apophysen  variiren  ungemein ;  sie  sind 
Ausstrahlungen  der  Bogenstücke.  Die  durch  Verknöcherung  der  Myocommen 
der  Bauch gegeud  entstehenden  Rippen  fehlen  den  Chimaeren,  vielen  Rochen, 
den  Lophobranchiern  und  SpatuJarien;  sie  folgen  den  Myocommen  in  der 
Costalschicht  von  oben  nach  unten,  schliessen  sicli  abel*  niemals  in  der  ven- 
tralen Mittellinie  zusammen ,  weder  unter  sich  noch  mit  den  Gürteln  der 
Glieder.  Häufig  sieht  man  intervertebrale  Zwischenstücke  (Selachier)  oder 
Dornen  in  den  seitlichen  Mjocommeu  (Gräten  der  Teleostier),  deren  homo- 
loge Bildungen  den  anderen  Wirbelthieren  abgehen. 

Die  Scheidung  des  Kopfskelettes  in  Hirnschädel  und  Gesichtsscliädel  ist 
im  Allgemeinen  bei  den  Eischen  weit  mehr  durchgeführt,  als  bei  den  höheren 
Wirbelthieren;  die  den  letzteren  bildenden  Knochen  sind  meistens  beweglich 
oder  wenigstens  selbständig ,  und  man  sieht  nur  selten  Verschmelzungen, 
welche  den  Gesichtsschädel  theilweise  absorbiren. 

Der  knorpelige  Primordialschädel  bleibt  in  Gestalt  einer,  aus 
einem  einzigen  Stücke  bestehenden  Kapsel  bei  den  Selach'iern,  den  Holocephalen, 
den  Knorpelganoiclen  und  den  Dipnoern  während  des  ganzen  Lebens  fort- 
bestehen. Mau  erkennt  an  ihm  stets  die  den  drei  Sinnesorganen  ent- 
sprechenden Regionen.  Er  ist  nie  vollständig  und  zeigt  ausser  den  Durch- 
trittsöffnungen für  Nerven  und  Gefässe  auf  der  oberen  Fläche  eine  mehr 
oder  minder  weite  Fontanelle.  Bei  Chimären,  Stören  und  Dipnoern  ist  er 
mit  der  Chorda,  bei  einigen  Rochen  mit  dem  ersten  Wirbel  verwachsen.  Bei 
Selachiern  und  Holocephalen  wii'd  er  durch  keinerlei  Bildungen  des  Haut- 
skelettes vervollständigt;  bei  den  anderen  zeigen  sich  complementäre  Haut- 
schilder, die  aber  noch  nicht  die  constanten  Beziehungen  zeigen,  welche  sich 
bei  anderen  Wirbelthieren  finden. 

Der  knorpelige  Urschädel  bildet  durch  innere  oder  euchoudrale  Ver- 
knöclierung  die  meisten  Tlieile  des  Hinterhauptes,  der  Ohrkapsel,  einen  Theil 
der  Keilbeine  und  des  Siebbeines ;  er  wird  von  allen  Seiten  ,  besonders  aber 
von  oben  und  unten,  durcli  Deckknochen  vervollständigt,  welche  den  Te- 
gumenten  entstammen.  Zu  diesen  Deckplatten  gehören  auf  der  oberen  Fläche 
die  Nasen-,  Stirn-,  Augenhöhlen-,  Scheitel-  und  Schläfenbeine;  auf  der  unteren 
Fläche ,  im  Dache  der  Mundhöhle ,  der  Vomer  und  das  Parasphenoid.  Bei 
den  meisten  Fischen  kann  man  durch  fortgesetzte  Maceration  diese  Deck- 
knochen von  der  inneren  knorpeligen  Urkapsel  ablösen,  die  selten  vollständig 


Fische.  535 

verknöchert  und  von  der  mehr  oder  minder  bedeutende  Reste  bei  sehr  vielen 
Knochenfischen  (Salmoniden)  das  ganze  Leben  hindurch  erhalten  bleiben. 
Wir  können  unmöglich  hier  in  die  Einzelheiten  dieser  in  weiten  Grenzen 
schwankenden  Verhältnisse  eintreten. 

Abgesehen  von  den  L  i  p  p e  n  k  n  o  r  p  e  1  n ,  die  sich  noch  bei  Selachiern, 
Holocejyhalen ,  Knorpelganoiden  und  Dipnoern  finden  und  sich  weder  einem 
allgemeinen  Gruudplane  unterordnen,  noch  anderen  Bildungen  parallelisiren 
lassen ,  besteht  der  Gesichtsschädel  bei  den  erwachsenen  Fischen  aus 
einer  bestimmten  Zahl  von  Bogen ,  von  welchen  höchstens  die  zwei  vor- 
dersten der  Basis  des  Hirnschädels  anliegen ,  während  die  anderen  den  Ein- 
gang des  Nahrungscanales  umfassen.  Die  Kuorpelanlagen  dieser  Bogen  be- 
stehen aus  einem  Stücke ;  die  Tlieilung  in  mehrere  Stücke  erfolgt  erst  durch 
die  Verknöcherung. 

Bei  den  Selachiern  findet  man  nur  einen ,  den  Oberkieferbogen ,  der  an 
der  Schädelbasis  anliegt  und  mit  dem  Unterkieferbogen  eingelenkt  ist.  Diese 
beiden ,  das  Maul  begrenzenden  Stücke  sind  an  dem  Schädel  mittelst  eines 
einzigen  Knorpelstieles  [Hyomandihulare)  aufgehängt,  das  einestheils  an  dem 
Kiefergelenke ,  anderentlieils  an  der  hinteren  Ecke  der  Occipitalgegend  des 
Schädels  eingelenkt  ist.  Bei  den  Holocephalen  ist  der  Oberkieferbogen  nebst 
dem  Aufhängestück  mit  dem  Schädel  verschmolzen  und  der  Unterkiefer  un- 
mittelbar an  dem  Schädel  eingelenkt.  —  Auf  Kosten  des  Oberkieferbogens 
und  des  Aufhängestückes  bilden  sich  bei  den  anderen  Fischen  und  nament- 
lich bei  den  Teleosfiern  und  Knochen ganoiden  eine  Menge  von  einzelnen 
Stücken,  der  Zwisclieukiefer  mit  dem  Oberkiefer  (Os  mys-tacis) ,  der  meist 
über  den  ersteren  gelagert  ist  und  an  der  Begrenzung  des  Mundes  keinen 
Tlieil  nimmt,  der  Gaumenflügelbogen  (Arcus  pterygo-ijalaiinus),  welcher  gegen 
die  Mittellinie  des  Schädels  rückt.  —  Durch  enchondrale  Verknöcherung  des 
Aufhäugestückes  bilden  sich  das  Quadratbein  und  ein  Stück  (Articulare)  des 
Unterkiefers;  der  Unterkieferbogen,  der  Gaumenfiügelbogen,  sowie  die  sie  an 
den  Schädel  befestigenden  Stücke  (Jugale  und  Quadrcdo-jugale) ,  ferner  die  übrigen 
Stücke  des  Unterkiefers  (Dentale,  Angidare,  Sudangulare)  sind  Deckplatten.  — 
Vor  dem  Hyomandihulare  findet  sich  bei  einigen  Selachiern  ein  kleines,  die 
mit  einer  rudimentären  Kieme  besetzte  Spritz  ö  ffnun  g  stützendes  Knorpel- 
stück. —  Hinter  dem  Unterkieferbogen  und  in  intimem  Zusammenhange  mit 
seinem  Aufhängestucke  findet  sich  noch  eine  Eeihe  von  Bogen ,  die  alle 
ursprünglich  Kiemenfransen  trugen,  welche  aber  auf  dem  ersten  und  letzten 
fast  ausnahmslose  verschwunden  sind.  Diese  Bogen  umgeben  den  Nahrungs- 
canal  und  vereinigen  sich  in  der  ventralen  Mittellinie  in  einer  Längsreihe 
von  Knochen  (Copulae) ,  deren  erster  oft  als  Zungenbein  vorspringt.  Der 
erste  dieser  Bogen  ist  der  Zungenbogen  (Arcus  hyoideus)  mit  einem  be- 
sonderen Auf  hängestück ,  dem  Symplecticum  ;  der  letzte  ,  der  Schluudbogeu 
(Arcus  pharyngeus) ,  bleibt  meist  rudimentär  und  auf  seine  untere  Hälfte  be- 
schränkt. Ausser  den  Kiemenfrausen  können  sich  noch  auf  diesen  Bogen 
besondere  Hautbildungen  entwickeln ,  die  bei  den  Selachiern  durch  finger- 
förmige Knorpel  und  bei  den  übrigen  durch  den  Kiemendeckelapijarat  gestützt 
werden.  Der  noch  häutige  Kiemendeckel  wird  bei  den  Chimären  durch  einen 
Knorpelbogen  gestützt,  von  welchem  fingerförmige  Fortsätze  ausstrahlen; 
bei  allen  übrigen  entwickeln  sich  an  dem  bogenförmigen  Vordeckel  in  der 
Hautfalte  die  verschiedenen  Knochenstücke  mit  den  Kiemenhautstrahlen. 
Aehnliche  Hautknochen  entwickeln  sich  auch  bei  den  meisten  um  die  Augen- 
höhle herum  zum  Schutze  der  Seitencanäle. 

Die  un paaren  Flossen  werden  meist  von  Strahlen  gestützt,  die  sich 
in  den  meisten  Fällen  nach  Maassgabe  der  durch  die  Dornfortsätze  be- 
stimmten Stellung  der  Zwischendornknochen  metamerisch  einordnen,  oft  aber 


536  Wirbelthiere. 

auch  den  Metameren   nicht  entsprechen.     Mit   den  Strahlen    entwickeln   «ich 
besondere  Muskeln  für  dieselben. 

Die  paarigen  Flossen,  die  den  Extremitäten  der  übrigen  Wirbel- 
thiere entsprechen ,  variiren  sehr,  je  nach  Entwicklung,  Stellung  und  Zahl, 
da  namentlich  das  Hinterglied,  die  Bauchflosse,  ganz  fehlen  kann.  Sie  können 
Strahlen  in  unbestimmter  Zahl  tragen,  die  aber  hinsichtlich  ihrer  Structnr 
nicht  von  denjenigen  der  unpaaren  Flossen  abweichen.  Diese  Strahlen  können 
biserial  von  einer  mittleren  Axe  ausgehen ,  wie  bei  den  primitiv  gebildeten 
Flossen  von  Ceratodns,  oder  eine  axenlose  Folge  darstellen.  Das  Vorderglied, 
die  Brustflosse,  wird  bei  den  Selachiern  von  einem,  aus  einem  Stücke  be- 
stehenden, bogenförmigen  Schultergürtel  getragen ,  an  dessen  hinterem,  ven- 
tralen Rande  drei  Knorpelplatten  sich  anfügen,  welche  man  Pro-,  Meso-  und 
Metapterj'gium  genannt  hat.  An  diese  schliessen  sich  knorpelige  Zwischen- 
stücke ,  welche  die  faserigen  Strahlen  tragen  und  von  welchen  dasjenige, 
welches  die  Fortsetzung  des  Metapterj'gium  bildet,  das  bedeutendste  ist. 
Auch  hier  kann  man  durch  Vergleichung  der  bei  Dipnoern ,  Ganoiden  und 
Teleostiern  vorkommenden  Bildungen  constatiren,  dass  die  ursprünglich  ein- 
faclien  Knorpelanlagen  durch  die  Verknöcherung  zersplittert  werden,  so  dass 
bei  den  Teleostiern  durch  Theilnahme  von  Deckknochen  der  Schultergürtel 
meist  aus  drei  Stücken  besteht.  Andei-seits  werden  die  Zwischenstücke  häufig 
reducirt  oder  verschmolzen.  —  Das  Hiutergiied,  die  Bauchflosse,  liegt  bei 
Selachiern,  Holoceplialen,  Ganoiden  \\n(X  Dipnoern  stets  an  seiner  ursprünglichen 
Stelle  am  Ende  der  Bauchhöhle,  fehlt  aber  ganz  bei  den  apoden  Teleostiern 
oder  wandert  nach  vorn,  zur  Mitte  der  Bauchhöhle  {Abdominales),  unter  die 
Brui-tflosse  (Thoracici)  oder  selbst  vor  dieselbe  zur  Kehle  (Jiigulares).  Der 
Beckengürtel  fehlt;  die  knöchernen  Basaltheile  entspi-echen  den  Zwischen- 
stücken der  Brustflosse.  Bei  den  Männchen  der  SeJachier  und  Holocejphalen 
combinirt  sie  sich  mit  Knorpeln,  die  zur  Begattung  dienen. 

Das  M  u  s  k  e  1  s  y  s  t  e m  ist  nach  dem  bei  dem  Barsche  dargestellten  Typus 
entwickelt.  Die  mannigfachen  Variationen,  die  es  bietet,  beziehen  sich  vor- 
zugsweise auf  die  Musculatur  des  Mundes,  des  Kiemenapparates  und  der 
paarigen  Flossen ;  wir  können  auf  die  Einzelheiten  nicht  eingehen. 

Nach  den  neueren  Untersuchungen  sind  die  elektrischen  Organe 
eigenthümliche  Modificationen  der  Musculatur.  Die  Zitterrochen,  Zitter- 
aale und  Zitterwelse  sind  die  bekanntesten  elektrischen  Fische,  dei'en 
Schläge  auch  von  den  Fischern  gefürchtet  werden  ;  viele  andere  Rochen,  und 
einige  Arten  der  Ga.ttningen  Mormyrus  nnü.  Oymnarchus  unter  den  Teleostiern 
besitzen  rudimentäre  Organe  an  der  Schwanzwurzel.  Die  Organe  der  Zitter- 
rochen sind  auf  Kosten  der  Kaumuskeln  entwickelt,  diejenigen  der  anderen 
auf  Kosten  des  grossen  Seitenmuskels  des  Körpers.  Hinsichtlich  der  Bil- 
dung und  Entwicklung  dieser  Organe  verweisen  wir  auf  die  Arbeiten  von 
Fritsch  (s.  Literatur). 

Nervensystem.  —  Das  Rückenmark  ist  im  Allgemeinen  nach  dem 
Typus  gebaut,  der  vom  Barsche  geschildert  wurde.  Es  ist  bei  Chimären  und 
Dipnoern  noch  stark  abgeplattet  und  erfüllt  niemals  ganz  den  Rückencanal, 
in  welchem  sich  stets  noch  Fettgewebe  und  ein  die  "Wirbel  verbindender 
sehniger  Längsstrang  befindet.  Man  findet  häufig  Verkürzungen  oder  den 
Nervenplexus  der  Glieder  entsj^rechende  knotige  Anschwellungen.  —  Die 
Spinalnerven  verhalten  sich  wie  beim  Barsche;  unerhebliche  Verschieden- 
heiten finden  sich  in  den  Beziehungen  ihrer  Austrittsöffnungen  zu  den  Kör- 
pern und  Bogen  der  Wirbel.  Die  Anordnungen  der  Plexus  hängen  mit  der 
Entwicklung  und  der  Lagerung  der  paarigen  Flossen  zusammen  ;  wir  weisen 
auf  diese  Beziehungen  hin,  ohne  in  Einzelheiten  einzutreten. 


Fische,  537 

Bis  auf  einen  gewissen  Grad  rejn-äsentirt  das  Gehirn  des  Barsches  die 
Bildung  des  Gehirnes  hei  den  Teleostiern.  Es  gieht  aber  hei  Weitem  niclit 
einmal  eine  Andeutung  über  die  unendliche  Mannigfaltigkeit,  welche  die 
Entwicklung  der  einzelnen  Hirntheile  in  dieser  Gruppe  darbietet.  Man  muss 
sogar  zugestehen,  dass  die  Verschiedenlieiten  im  Hirnhau  der  Teleostier  nicht 
immer  der  angenommenen  Classification  entsprechen.  Doch  beschränken  sich 
diese  auf  die  Präponderanz  einzelner  Theile,  welche  die  anderen  decken  oder 
verkümmern  lassen,  so  dass  man  sie  erst  bei  genauerer  Untersuchung  wieder- 
findet. Das  Kleinhirn  ist  fast  immer  sehr  bedeiitend  entwickelt;  die  den 
Streifenkörperu  entsprechenden  Kerne  des  Vorderhirnes  dagegen,  welclie  statt 
einer  Kervenwölbung  nur  das  epitheliale  Pallium  besitzen,  nur  wenig  aus- 
gebildet und  die  Epjiphyse  meist  rudimentär.  Das  Mittelhirn ,  die  Unter- 
lappen, die  Hypophyse  und  der  Gefässsack  sind  meist  gross  und  wohlgebildet, 
das  Zwischeuhirn  gewöhnlich  sehr  reducirt.  —  Amia  und  Lepidosteus  unter 
den  Ganoiden  ähneln  den  Knochenfischen,  während  hei  den  übrigen  das  Klein- 
hirn auf  eine  Querbrücke  reducirt,  das  Mittelhirn  röhrenartig  erhaben  und 
die  Epiphj'se  so  bedeutend  entwickelt  ist ,  dass  sie  in  einer  grubenartigen 
Vertiefung  im  Schädeldache  Platz  nimmt  und  hei  Polypteriis  das  ganze  Mittel- 
hirn und  die  daran  anstossenden  Theile  wie  ein  grosser  medianer  Sack  be- 
deckt. Doch  findet  man  in  dem  Organe  keine ,  einem  Auge  entsprechende 
Formelemente.  —  Die  Dipnoer  bilden  durch  ihr  sehr  rudimentäres  Kleinhirn, 
durch  die  grössere  Ausbildung  des  durch  Nervengewebe  zum  Gewölbe  des 
Vorderhirnes  entwickelten  Palliums  und  durch  eine  Eiuknickung  der  Basis 
zwischen  Mittelhirn  und  Zwischenhirn  den  Uebergang  zu  den  Amphibien  ; 
man  kann  indessen  ziemlich  bedeutende  Verschiedenheiten  constatiren;  so 
sind  bei  Ceratodus  die  Hemisphären  verschmolzen  und  nicht  durch  eine 
Längsfurche  getrennt,  wie  bei  Protopterus.  —  Die  Selachier  besitzen  ein  weit 
voluminöseres  Geliirn ,  als  die  übrigen  Fische :  ein  sehr  bedeutendes  Vorder- 
hirn, dessen  Theilung  in  zwei  Hälften  kaum  angedeutet  ist,  ein  hohes  Zwischen- 
hirn  mit  einer  zu  einer  langen  Eöhre  ausgezogenen  Epiphj'se,  deren  Ende  in 
das  Schädeldach  eindringt,  und  ein  enormes  Kleinhirn,  welches  das  Mittel- 
und  Nachhirn  meist  überdeckt.  —  Bei  den  Holocephalen  sind  die  au  dem 
Nasensacke  selbst  liegenden,  bedeutenden  Eiechknoten  zu  bemerken,  die  mit 
dem  Vorderhirn  durch  lange,  röhrenai-tige  Fortsätze  zusammenhängen.  Die 
Epiphyse  und  Hypophyse  zeigen  keine  besonderen  Älodificationen  bei  den 
anderen  Ordnungen. 

Die  Hirnnerven  und  der  Sympathicits  lassen  überall  denselben  Grund- 
plan Avie  bei  dem  Barsche  erkennen.  Die  Beziehungen  zwischen  dem  Hypo- 
giossus  und  den  ersten  Spinaluerven,  zwischen  dem  Acusticus,  Facialis  und 
Trigeminus ,  zeigen  indessen  mannigfaltige  Modiflcationen.  Bei  den  seltenen 
blinden  Arten  ist  der  Sehnerv  rudimentär.  Die  Seitennerven  zeigen  einige, 
meist  unerhebliche  Verschiedenheiten.  Je  nach  der  Entwicklung  der  Brust- 
flossen kann  das  Armgeflecht  eine  grossere  oder  geringere  Anzahl  von  Spinal- 
nerven heranziehen. 

Wenn  die  Structur  des  inneren  Geruch  sorg  an  es  fast  stets  dieselbe  ist, 
so  zeigen  sich  dagegen  bedeutende  Verschiedenheiten  in  der  Structur  der 
Wege,  welche  ihm  das  Wasser  zuführen.  Bei  den  Selachiern  findet  sich  die 
Nasenöfl'nung  auf  der  ventralen  Seite  in  Form  eines  Schlitzes,  der  oberfläch- 
lich mit  dem  Mundwinkel  zusammenhängt;  bei  allen  anderen  sind  die  Oeft'- 
uungen  auf  der  dorsalen  Kopfseite  angebracht,  erheben  sich  aber  zuweilen 
in  Form  von  Bohren  oder  stehen  weit  von  einander  ab.  —  Bei  äenDipnoeru 
Avird  der  Nasensack  von  einem  zierlichen ,  maschigen  Knorpelkorbe  um- 
schlossen und  zeigt  ZAvei  Oeff"nungen,  eine  auf  dem  Lippenrande,  eine  zAveite 
etwas  mehr   nach  hinten  gelegene,    die   mit  der  Mundhöhle  communicirt.  — 


538  Wirbelthiere. 

Bei  Polypterus  ist  der  Nasensack  äusserst  complicirt  gebaut;  bei  eiuigeu 
Gymuodonten  dagegen  (Tetrodon)  sehr  reducirt  und  durch  eigeuthümlich  ge- 
staltete Cylinder  oder  Lappen  ersetzt,  die  an  ihrem  Ende  Nerveuhügel 
tragen.  —  Die  Augen  der  Dipnoer  unterscheiden  sich  von  denjenigen  aller 
anderen  Fische,  bei  welchen  sie  nach  dem  Typus  des  Barsches  gebaut  sind, 
durch  den  Mangel  des  Sichelbandes ,  der  Glocke  und  der  Ciliarfortsätze.  — 
Das  Gehörorgan  zeigt  überall  dieselben  Haupttheile,  mit  Ausnahme  äev  Holo- 
cephalen,  wo  dieLagena  noch  mit  dem  Sacculus  verschmolzen  ist.  Bei  ihnen 
sowohl  wie  bei  den  Selachierii  öffnet  sich  der  bei  allen  übrigen  blind  geschlossene 
Ductus  endolym'pliaticus  auf  dem  Schädeldache  nach  aussen  und  stellt  so  eine 
Communication  mit  dem  umgebenden  Medium  her.  Bei  einigen  Teleostiern 
{Cyjirinoiden,  Süuroiden,  Characinen,  Gymnotns)  findet  sich  in  einer  Art  von 
Canal,  der  ausserdem  mit  Fett  erfüllt  ist  und  mit  der  Schädelhöhle  communi- 
cirt,  eine  zusammenhängende  Kette  von  Knöchelchen,  welche  die  Schwimmblase 
mit  der  Hörhöhle  in  Verbindung  setzt  und  deren  letztes  Knöchelchen  an 
der  Schwimmblase  durch  fasei-iges  Gewebe  angeheftet  ist. 

Verdauungsorgane.  —  Der  bald  endstäudige,  bald  ventrale  Mund  ist 
fast  immer  mit  Zähnen  bewaffnet,  und  wenn  dieselben  im  erwachsenen  Zu- 
stande fehlen,  scheinen  sie  in  der  Jugend  als  Anlagen  vorhanden  gewesen  zu 
sein.  Bei  den  Teleostiern  und  Knochenganoiden  können  Zähne  nicht  nui'  auf 
allen  an  dem  Eingange  des  Verdauungscanales  Tlieil  nehmenden  Knochen, 
sondern  auch  auf  den  Kiemenbogen  und  Schlundknochen  entwickelt  sein ; 
bei  Selachiern ,  Holocephalen  und  Dipnoern  finden  sie  sich  nur  auf  den 
Kieferbogen  oder  den  dem  Oberkieferbogen  entsprechenden  Gegenden  der 
Schädelbasis.  Keine  Classe  der  Wirbelthiere  zeigt  einen  solchen  Formen- 
reichthum  der  Zähne,  wie  die  der  Fische ;  wir  müssen  ihre  Beschreibung  der 
Zoologie  überlassen.  Auch  auf  die  Structur  können  wir  nicht  näher  ein- 
gehen ;  wir  erwähnen  nur,  dass  man  hier  und  da  Hornzähne  ohne  Zahnbein 
und  Schmelz  findet.  —  Obgleich  die  Zunge  bei  Selachiern  und  Holocephalen 
etwas  freier  wird ,  erhebt  sie  sich  doch  nie  zu  einem  selbständigen ,  beweg- 
lichen Organ.  —  Der  Magen  ist  meist  deutlich  abgegrenzt,  mit  Ausnahme 
der  Holocephalen  und  Dipnoer;  oft  ist  er  sackförmig  {Selachier) ,  meist  aber 
hakenförmig  gebogen.  —  Die  Einmündung  des  Gallencanals  bezeichnet  die 
Grenze  gegen  den  Mitteldarni,  dessen  Anfang  durch  die  charakteristischen 
an  Zahl  ausserordentlich  wechselnden ,  bei  den  meisten  Teleostiern  und  Ga- 
noiden  vorkommenden  Pylorusanhänge  kenntlich  gemacht  wird.  —  Eine 
mehr  als  bei  den  C3'clostomen  entwickelte  Spiralfalte  findet  sich  bei  allen 
Selachiern,  Ganoiden  und  Dipnoern  wenigstens  in  dem  hinteren  Abschnitte 
des  Mitteldarmes ;  bei  Ceratodus  ist  sie  ausserordentlich  entwickelt.  Der  stets 
gerade  Afterdarm  ist  nur  selten  durch  eine  Einschnürung  von  dem  Mittel- 
darme getrennt.  —  Die  Leber  mit  der  Gallenblase  zeigt  keine  wesent- 
lichen Modificationen ;  das  Pankreas  fehlt  den  Dipnoern  und  einigen  Te- 
leostiern,  wie  z.  B.  dem  Barsche;  wenn  voi-Landen,  liegt  es  in  der  ersten 
Darmschliuge  neben  der  stets  vorhandenen  Milz. 

Die  Geschlechts-  und  Harnorgane  sind  bei  den  meisten  Teleostiern 
nach  dem  Typus  des  Barsches  gebaut ,  doch  sind  bei  den  meisten  die  Eier- 
stöcke doppelt  wie  die  Hoden.  In  einigen  Fällen  (Serranus)  findet  man  nor- 
malen Hermaphroditismus ;  bei  den  Salmoniden  und  Aalen  fehlen  die  Ei- 
leiter ;  die  Eier  fallen  aus  den  geschlossenen  Ovarien  in  die  Bauchhöhle  und 
werden  durch  einen  hinter  dem  After  gelegenen  Porus  entleert.  Dagegen 
finden  sich  bei  den  lebendig  gebärenden  Knochenfischen  (Zoarces,  einige 
Cyprinodonten)  Erweiterungen  der  Eileiter,  worin  die  freien  Eier  und  Em- 
bryonen längere  Zeit  behalten  Averden.  —  Bei  den  übrigen  Gruppen  zeigen 
sich  wesentliche  Modificationen  in  Folge   von  Verschmelzungen   der   bei   den 


Fische.  539 

Teleostiern  durchaus  getrennten  Ausfülivungsgäuge  der  Harn-  und  Geschlechts- 
organe, vorzugsweise  bei  den  Männchen.  Bei  den  Selachiern  findet  sich  die 
conipKcirteste  Bildung.  Die  Nieren  theilen  sich  bei  ihnen  in  zwei  Abthei- 
lungen, eine  vordere  und  eine  hintere,  und  zeigen  bei  den  meisten  Haien 
während  des  ganzen  Lebens  in  der  Bauchhöhle  geöffnete  fötale  Trichter 
(Nephrostomen).  Bei  den  Weibchen  münden  die  durchaus  selbständigen  Harn- 
leiter getrennt  in  die  Cloake  etwas  vor  den  Eileitern.  Diese  sind  von  dem 
stets  einfachen  Ovarium  völlig  unabhängig;  sie  beginnen  mit  einer  medianeu, 
unmittelbar  hinter  dem  Herzen  gelegenen,  gemeinschaftlichen  Trichteröffnung, 
beschreiben  jederseits  einen  Bogen  längs  den  "Wänden  der  Bauchhöhle  und 
vereinigen  sich  unmittelbar  au  der  Cloake,  wo  sie  in  einer  gemeinschaftlichen 
Oeffnung  münden.  Jeder  Eileiter  zeigt  in  seinem  oberen  Abschnitte  eine, 
bei  manchen  Eier  legenden  Arten  sehr  grosse  Schalendrüse,  in  welcher 
die  das  Ei  enthaltende  Hornschale  abgesondert  wird,  welche  meist  abgeplattet, 
viereckig  und  in  den  Ecken  mit  Hornfäden  versehen  ist.  Bei  den  lebendig 
gebärenden  Arten  ist  die  Schalendrüse  sehr  reducirt,  dagegen  meist  der  hin- 
tere Abschnitt  des  Eileiters  zu  einem  Uterus  erweitert ,  in  welchem  das  Ei 
oder  der  von  einer  sehr  dünnen  Hornschale  eingeschlossene  Embryo  in  einer 
reichlichen,  schleimigen  Flüssigkeit  schwimmen.  Nur  in  einzelnen  Fällen 
{Musfelus  laevis,  Carcharias)  entwickelt  sich  eine  uterine  Placeuta  mit  in  die 
Schleimhaut  des  Uterus  eindringenden  Zotten.  —  Die  stets  paarigen  Hoden 
der  Selachier  sind  traubenförmig ;  die  Zoospermen  entwickeln  sich  in  zahl- 
reichen, grossen,  runden  Kapseln,  von  welchen  feine  Canälchen  ausgehen,  die 
den  Samen  in  einen  gemeinsamen  Samengang  (^Yolff' scher  Canal)  überführen. 
In  diesen  Samengang  müuden  auch  die  Harncanäle,  die  der  vorderen  Nieren- 
abtheilung  entspringen ,  so  dass  dieser  Canal  zugleich  als  Samenleiter  und 
Harnleiter  fungirt.  Die  der  hinteren  Nierenabtheilung  entstammenden  Harn- 
gänge sammeln  sich  in  einem  besonderen  Harnleiter,  der  nichts  mit  den 
Geschlechtsorganen  zu  thnn  hat ,  aber  sich  mit  dem  anderen  Ausführuugs- 
gange  an  der  gemeinsamen  Oeflhung  in  die  Cloake  vereinigt.  —  Zwischen 
diesen  extremen  Bildungen  der  Teleostier  einerseits  und  der  Selachier  ander- 
seits finden  sich  bei  den  anderen  Ordnungen  zahlreiche  Uebergangsbildungen,  auf 
die  wir  nicht  näher  eingehen  können.  —  Bei  den  Selacltiern.  Holocephalen  und 
einigen  wenigen  Teleostiern  finden  sich  besondere  Begattuugsorgane ,  die  zur 
Ueberführung  des  Samens  in  die  weiblichen  Geschlechtsorgane  dienen  und 
bei  den  erstgenannten  Gruppen  durch  besondere  Knorpelstücke  gestützt 
werden.  Zuweilen  finden  sich  auch  temporäre  Entwicklungen  von  Bohren 
zur  Ablagerung  der  Eier  [Bhodeus). 

Der  Kiemenapparat,  der  stets  vorhanden,  zeigt  wesentliche  Modifica- 
tionen.  Einige  Haie  (Xotidanus)  haben  sieben  oder  sechs  Kiemensäcke  mit 
ebensoviel  äusseren  Oefifnungen ;  die  meisten  Selachier  besitzen  nur  fünf.  In 
den  anderen  Gruppen  ist  ein  Kiemendeckel  entwickelt,  welcher  die  äusseren 
Oeffnungen  auf  eine  einzige  Spalte  reducirt,  auf  deren  Grunde  die  Fransen 
tragenden  Kiemenbogen  erscheinen.  Meist  finden  sich  vier  solcher  Bogen, 
aber  bei  einigen  Dipnoern  und  Teleostiern  (Ceratoäus,  Amphipnous)  kann  die 
Zahl  der  athmenden  Bogen  bis  auf  zwei  zurücksinken,  während  die  anderen 
keine  Fransen  tragen.  Bei  den  Selachiern  erheben  sich  von  der  Convexität 
der  Kiemenbogen  häutige,  aussen  an  der  Haut  befestigte  Scheidewände,  auf 
welchen  zu  beiden  Seiten  die  Kiemenlamelleu  angeheftet  sind.  Jeder  Kiemen- 
sack entspricht  demnach  einer  Kiemenspalte ;  da  die  erste  Spalte  nach  Muten 
durch  die  von  dem  ersten  Kiemenbogen  ausgehende  Scheidewand  begrenzt 
wird,  so  trägt  der  nach  vorn  abschliessende  Zungenbogen  häufig  auf  seiner 
Hinterfläche  ebenfalls  athmende  Fransen.  Alle  Kiemensäcke  öfi'nen  sich 
mittelst  weiter  Spalten   in   den  Pharynx.   —   Der  Kiemendeckelapparat  zeigt 


540  Wirbelthiere. 

Modiflcationen ,  die  für  das  Leben  des  Fisches  äusserst  wiclitig  sind.  Ge- 
wöhnlich bildet  er  in  seiner  Gesammtheit  eine  geräumige  Höhle ,  die  meist 
durch  die  von  dem  Gipfel  des  Schultergürtels  bis  unter  die  Kehle  reichende 
Kiemenspalte  weit  geöffnet  werden  kann.  In  manchen  Fällen  aber  wird  er 
durch  die  Tegumeute  in  mehr  oder  minder  grosser  Ausdehnung  angeheftet 
und  die  Kiemenspalte  schliesslich  auf  eine  kleine  Oeffuung  reducirt,  die  das 
Thier  nach  Belieben  öffnen  und  schliessen  kann  {Lophobranchier,  Anguilliden). 
Diese  Oeffnung  kann  sogar  median  an  der  Bauchseite  liegen  {Symhranchus). 
So  wird  ein  weiter  Kiemensack  dargestellt,  in  welchem  das  Thier  Wasser 
aufbewahren  kann.  Oft  wird  auch  die  Kiemenhöhle  noch  durch  Nebenhöhlen 
vergrössert,  die  bald  nach  hinten  längs  der  Wirbelsäule,  bald  nach  vorn  in 
den  Schlundkopf  sich  erstrecken  und  deren  Wände  häufig  sogar  ein  respira- 
torisches Gefässnetz  enthalten  (Labyrinthßsche ,  Amphipnous ,  Saccobran- 
clms,  einige  Chipeiden).  Alle  diese  Einrichtungen  ermöglichen  einen  längeren 
Aufenthalt  des  Fisches  ausser  dem  Wasser.  —  Die  Fransen  haben  meist  die 
Form  eines  dünnen,  in  die  Länge  gezogenen,  spitzen  Blättchens;  sie  können 
aber  auch  zu  einer  einzigen  gefalteten  Haut  verbunden  (Xiphias) ,  in  cylin- 
drische  Fäden  zerfasert  [Spatularia,  Polyptenis) ,  in  Gestalt  kleiner,  runder 
Dachziegel  über  einander  gelagert  (Protopterus)  oder  in  Gestalt  gefalteter 
Düten  ausgebildet  sein  [Lopliobranchier).  —  Accessorische  oder  rudimentäre 
KiemenbilduDgen ,  die  zuweilen  noch  respiratorische  Function  besitzen ,  aber 
in  den  meisten  Fällen  sie  verloren  haben,  finden  sich  in  dem  Spritzioc  he 
der  Selachier  und  einiger  Ganoiden  {Sturioniden,  Polyptertts),  an  dem  Kiemen- 
deckel (SftmonM^en,  Lepid^05<e?(S,  einige  Teleostier)  und  an  dem  Kopfe  (Pseudo - 
branchie  vieler  Teleostier). 

Die  Schwimmblase,  welche  aus  einer  Ausstülpung  des  Vorderdarmes 
entsteht,  verdient  eine  besondere  Beachtung  wegen  des  bei  ihr  stattfindenden 
Functionswechsels,  wodurch  das  hydrostatische  Organ  in  ein  respiratorisches, 
in  eine  Lunge  umgewandelt  wird.  Sie  fehlt  den  Selachiern  und  Holoceplialen 
und  würde  sonst  überall  vorkommen,  wenn  sie  nicht  bei  manchen  Teleostieru 
im  erwachseneu  Zustande  verkümmerte.  Bei  allen  Ganoiden  und  den  meisten 
Knochenfischen  des  Süsswassers  bleibt  der  an  der  dorsalen  Wandung  des 
Vorderdarmes  einmündende  Verbindungscanal  Zeitlebens  offen  [Physostomeu)  • 
bei  den  meisten  marinen  Teleostieru  schliesst  er  sich  in  ähnlicher  Weise  wie 
beim  Barsche  ab  (Physoclisten).  Fast  überall  finden  sich  auf  der  inneren 
Fläche  der  Schwimmblase  Polster  von  Wundernetzen.  Von  der  Gestalt  eines 
einfachen  Sackes  an  finden  sich  alle  erdenklichen  Formen ,  mit  Zipfeln ,  An- 
hängen ,  Zotten ,  der  Länge  oder  der  Quere  nach  getheilte  Blasen  u.  s.  w. 
Besonders  interessant  sind  die  Uebergangsbildungen,  welche  zu  der  einfachen 
Lunge  des  Ceratodus  oder  der  doppelten  von  Protopterus  und  Lepidosiren  hin- 
leiten. Diese  Lungen  liegen  stets,  wie  die  Schwimmblase,  unmittelbar  auf 
der  ventralen  Seite  der  Wirbelsäule  ausserhalb  des  Bauchfelles.  Abgesehen 
von  den  Kreislaufverhältnissen  bilden  sich  diese  Uebergänge  nach  zwei  Eich- 
tungen hin  aus,  am  Eingange  oder  am  Sacke  selbst.  Die  Oeffnung  des  stets 
häutigen  Luftganges  in  den  Darm  wandert  bei  Polypterus  und  den  Dipnoern 
auf  die  ventrale  Seite  und  führt  in  eine  Art  Vorkammer,  die  erste  Anlage 
eines  Kehlkopfes ,  der  aber  noch  keine  besonderen  Knorpelbildungen  zeigt. 
Solche  finden  sich  bei  Lepidosteus ,  wo  die  Knorpelstücke  eine  mit  seitlichen 
Taschen  versehene  Kehlkopfhöhle  umgeben ,  die  durch  eine  Spalte ,  eine 
Glottis,  in  die  Schwimmblase  mündet.  Innere  Bildungen ,  durch  Avelche  die 
Schwimmblase  sich  einigermaassen  der  Lunge  der  Amphibien  nähert,  zeigen 
sich  schon  bei  einigen  Siluroiden ,  bilden  sich  bei  Amia  weiter  aus  und 
erreichen  ihre  höchste  Ausbildung  bei  Lepidosteus  und  den  Dipnoern,  wo 
tiefere ,    eingesenkte   Gruben    noch   im   Inneren   ein   Netzwerk   von   Maschen 


Fische,  541 

zeigen.  Hinsichtlich  dieser  inneren  Netzraumbildungen  unterscheidet  sich  die 
Schwimmblase  von  Lepidosteus  in  keiner  Weise  von  der  Lunge  eines  Dip- 
noers ;  dagegen  besteht  ein  grosser  physiologischer  Unterschied  darin ,  dass 
die  Schwimmblase  arterielles  Blut  erhält  und  venöses  abgiebt,  während  im 
Gegentheil  das  Organ  der  Dipnoer  eine  wahre  Lunge  ist,  die  venöses  Blut 
erhält  und  arterielles  abgiebt. 

Der  Kreislauf  entspricht  noth wendiger  Weise  diesem  Functionswechsel, 
indem  ein  Theil  des  Blutes  von  den  Kiemen  abgelenkt  und  den  Lungen  zu- 
geführt wird.  Abgesehen  von  dieser  bei  den  Dipnoern  realisirten  Ausnahme 
ist  der  Kreislauf  in  derselben  Weise  wie  beim  Barsche  geregelt:  alles  venöse 
Blut  sammelt  sich  im  Herzen ,  um  von  da  aus  in  die  Kiemen  getrieben  zu 
werden,  wo  es  Sauerstoff  aufnimmt  und  Kohlensäure  abgiebt.  Wir  sehen 
hier  von  den  übrigens  nicht  sehr  wesentlichen  Variationen  ab  ,  welche  Ar- 
terien und  Venen  aufweisen,  deren  Verlauf  übrigens  im  Ganzen  demjenigen 
bei  dem  Barsche  geschilderten  entspricht,  und  besprechen  nur  einige  Ver- 
schiedenheiten im  Baue  des  Herzens.  Dieses  ist  bei  allen  Teleostiern  nach 
demselben  Gruudplane  gebaut:  Venensinus,  Vorkammer,  Herzkammer,  Ar- 
terienbulbus ,  Kiemenarterie  mit  Aesten  zu  den  einzelnen  Bogen.  Die  hin- 
teren Theile  verhalten  sich  auch  bei  den  anderen  Gruppen  ähnlich ;  die  vor- 
deren, Kammer  und  Bulbus  nebst  den  grossen  Gefässen ,  dagegen  zeigen 
wesentliche  Verschiedenheiten.  Bei  Selachiern,  Holocephalen  und  Ganoiden 
wird  der  hintere  Abschnitt  des  Bulbus  musculös,  tritt  in  nähere  Verbindung 
mit  den  Trabekeln  der  Kammer  und  bildet  so  den  A  r  t  e  r  i  e  n  c  o  n  u  s ,  in 
dessen  Innerem  mehr  oder  minder  zahlreiche ,  in  Reihen  gestellte  Taschen- 
ventile sich  entwickeln ,  die  sich  an  einen  Kranz  von  Klappen  anschliessen, 
welcher  auf  der  Grenze  zwischen  dem  fleischigen  und  dem  fibrösen  Theile 
des  Bulbus  angebracht  ist  und  den  beiden  Taschenveutilen  entspricht,  welche 
allein  an  dieser  Stelle  bei  den  Teleostiern  existiren.  Diese  reihenweise  ge- 
stellten Klappen,  welche  besonders  bei  Lepidosteus  ausserordentlich  zahlreich 
sind,  in  geringerer  Zahl  bei  den  Selachiern  sich  finden ,  reduciren  sich  bei 
Ami«  auf  einige  kleine  Klappen  und  zwei  grosse  Segelventile.  Bei  einigen 
Knochenfischen  [Butirinus)  findet  mau  noch  einen  Ueberrest  der  Reihen- 
ventile in  zwei  kleineu,  supplementären  Taschenventilen.  So  stellen  sich  die 
Uebergänge  zu  den  bei  den  Dipnoern  vorkommenden  Bildungen  her,  wo 
durch  eine  Drehung  des  Conus  um  seine  Axe  und  die  Präponderanz  einer 
Längsreihe  von  Ventilen  bei  Ceratodus  die  Einrichtung  von  Protopterus  an- 
gebahnt wird ,  bei  welchem  die  vorwiegende  Längsreihe  sich  zu  einer  fast 
.vollständigen  Scheidewand  ausbildet  und  damit  eine  Theilung  des  Herzens 
in  eine  rechte ,  venöse  und  eine  linke ,  arterielle  Hälfte  sieh  herstellt.  Diese 
Theilung  schreitet  von  dem  Bulbus  gegen  die  Kammer  hin  vor,  in  welcher 
sich  die  beiden  Blutarten  zwar  noch  mischen,  aber  doch  eine  mechanische 
Einrichtung  hergestellt  ist,  in  Folge  welcher  die  beiden  ersten  Kiemenbogen 
gemischtes,  die  beiden  hinteren  Bogen  dagegen  nur  venöses  Blut  erhalten. 
Die  Aorta  entsteht  aus  den  beiden  getrennten  ersten  Kiemenvenen,  während 
die  beiden  hinteren  Venen  sich  vor  ihrer  Einmündung  in  die  Aorta  zu 
einem  kurzen  gemeinschaftlichen  Stamme  vereinigen.  Vor  dieser  Vereini- 
gung ergiesst  die  hintere,  also  vierte  Kiemenvene  den  grössten  Theil  ihres 
Blutes  in  die  Lungenarterie.  Das  Blut,  welches  in  den  Lungen  geathmet 
hat,  kehrt  dann  durch  die  Lungenvene  in  den  Venensinus  des  Herzens 
zui'ück.  Wir  verweisen  hinsichtlich  der  Details  auf  die  Arbeit  von  Boas 
(s.  Literatur). 

Literatur.    —    K  u  n  t  z  m  a  ii  n  ,    Bemerkungen  über  die  Schuppen  der  Fische  ; 
Verhandl.  d.  Gesell.  Natuvf.  Freunde  in  Berlin,   1824.  —  Cuviev   et   Valen  ci  enne  s, 


542  Wirbelthiere. 

Hlsloire  natureäe  des  jwissoiis,  Paris,  1829.  —  H.  Rathke,  Zur  Anatomie  der  Fische; 
Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1837.  —  Breschet,  Recherches  anatomiques  et  physio- 
logiques  sw  Vorgane  de  Pouie  des  poissons,  1838.  —  Mandl,  Recherches  sur  lu  siruc- 
ture  intime  des  ecailles  des  jjoissons;  Annales  des  Sc.  nat.,  2.  Serie,  Vol.  II,  1839.  — 
J.  Müller,  üeber  das  Gefässsystem  der  Fische;  Abhandl.  d.  Bei'lin.  Akad.  1839. — 
L.  Agassiz,  Observatlons  sur  la  structure  et  le  mode  d^accroissement  des  ecailles 
des  poissons ;  Annales  des  Sc.  nat.,  2.  Serie,  Vol.  XIV,  1840.  —  Peters,  Bericht 
über  den  mikroskopischen  Bau  der  Fischschuppen ;  Müller's  Archiv,  1841. —  J.  Hyrtl, 
Ueber  die  Kopf-  und  Caudalsinus  der  Fische  etc.;  Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1843. — 
Ders. ,  Beiträge  zur  Morphologie  der  Urogenitalorgane  der  Fische;  Denkschr.  d. 
Wiener  Akad.  d.  Wiss.,  1850.  —  Agassiz  et  Vogt,  Anatomie  des  Salmones,  1845. 
—  Willi amson,  On  the  micros,  struct.  of  the  scales  etc.;  Phil.  Trans.,  London, 
1849.  —  Ders.,  Jnvestigation  into  the  structure  and  derelopment  of  the  scales;  Phil. 
Trans.,  London,  1851.  —  Leydig,  LTeber  die  äussere  Haut  einiger  Süsswasserfische; 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  III,  1851.  —  Ders.,  Anatom,  und  histolog.  über 
Fische  und  Reptilien;  Berlin  1853.  —  Ders.,  Ueber  die  Schleimcanäle  der  Knochen- 
fische; Müller's  Archiv.,  1860.  —  Ders.,  Ueber  die  Organe  eines  sechsten  Sinnes; 
Dresden,  1868.  —  Ders.,  Neue  Beiträge  zur  anatomischen  Keuntniss  der  Hautdecke 
und  Sinnesorgane  der  Fische;  Halle,  1879.  —  Stannius,  Handbuch  der  Zootomie, 
1854.  —  Steeg,  De  anatomia  et  morphologia  squamarum  piscizim,  1857.  —  Vogt 
et  Pappenheim,  Rech,  sur  l'anat.  comp,  des  organes  de  la  generation  chez  les 
anlmaux  vertebres;  Annales  des  Sc.  nat.,  4.  Serie,  Vol.  XH,  1859.  —  Steenstrup, 
Dißerences  entre  les  poissons  osseux  et  cartilagineux  au  point  de  vue  de  la  forniation 
des  ecailles;  Annales  des  Sc.  nat.,  4.  Serie,  Vol.  XV,  1861.  —  F.  Schulze,  Ueber 
die  Nervenendigungen  in  den  sogenannten  Schleimcanälen  der  Fische  etc. ;  Archiv  f. 
Anat.  u.  Physiol.,  1861.  —  Ders.,  Zur  Kenntniss  der  Endigungsweise  der  Hörnerven 
bei  Fischen  und  Amphibien;  Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1862.  —  Ders.,  Ueber  die 
bechertörmigen  Organe  der  Fische;  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  XII,  1863.  —  Ders., 
Ueber  die  Sinnesorgane  der  Seitenlinie  bei  Fischen  und  Amphibien ;  Arch.  f.  mikrosk. 
Anat.,  Bd.  ^^,  1870.  —  Gegen  b  au  r,  Untersuchung  zur  vergleichenden  Anatomie 
der  Wirbelthiere;  Leipzig,  1865.  —  Salbey,  Ueber  die  Structur  und  das  Wachs- 
thum  der  Fischschuppen;  Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1868.  —  Fee,  Systeme  lateral 
du  pneumogusti-ique  des  poissons,  1869.  —  W.  Müller,  Ueber  Entwicklung  und 
Bau  der  Hypophysis  und  des  Processus  infundibidi  cerebri;  Jenaische  Zeitschr.  Bd.  VI, 

1871.  —  Jobert,  Etndes  d'anatomie  comparee  sur  les  organes  du  ioucher  chez  les 
divers  ma^nmiferes ,  oiseaux ,  poissons  et  insectes ;  Annales  des  Sc.  nat.,  7.  Serie, 
Vol.  XVI,   1872.  —  G.  Retzius,  Das  Gehörlabyrinth  der  Knochenfische ;  Stockholm, 

1872.  —  Stieda,  Studien  über  das  Centralnervensystem  der  Knochenfische ;  Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.,  Bd.  XXIII,  1873.  —  Baudelot,  Ecailles  des  poissons:  Archiv  de 
Zool.  experim.,  Vol.  II,  1874.  —  0.  Hertwig,  Lieber  das  Hautskelett  der  Fische; 
Morph.  Jahrb.,  Bd.  VII,  1876.  —  Solger,  Zur  Keuntniss  der  Seitenorgane  der 
Knochenfische;  Centralbl.  f.  d.  med.  Wiss.,  1877.  —  Edinger,  Ueber  die  Schleim- 
haut des  Fischdarmes;  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XIII,  1877.  —  Götte,  Beiträge 
zur  vergleichenden  Morphologie  des  Skelettsystems  der  Wirbelthiere;  Arch.  f.  mikr. 
Anat.,  Bd.  XIV,  1877.  —  F.  Boll,  Zur  Anatomie  und  Ph3'siologie  der  Retina;  Arch. 
f.  Anat.  u.  Physiol.,  1877.  —  Kuhn,  Ueber  das  häutige  Labyrinth  der  Knochen- 
fische; Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XIV,  1877.  —  Fritsch,  Untersuchung  über  den 
feineren  Bau  des  Fischgehirns;  Berlin,  1878.  —  J.  Brock,  Beiträge  zur  Anatomie 
und  Histologie  der  Geschlechtsorgane  der  Knochenfische ;  Morph.  Jahrb. ,  Bd.  IV, 
1878. —  David  off,  Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  der  hinteren  Gliedmasse ; 
Moi-ph.  Jahrb.,  Bd.  VI,  1880.  —  J.  E.  V.  Boas,  Herz  und  Arterienbogen  bei  Cera- 
todus  und  Polypterus;  ebend.  —  Ders.,  Conus  arteriosus  bei  Butirinus,  ebend.  — 
Solger,  LTeber  den  feineren  Bau  der  Seitenoi-gane  der  Fische;  Halle,  1880.  — 
Sappey,  Etüde  sur  l'appareil  mucipare  ei  sur  le    Systeme    li/mphatique   des  poissons; 


Amphibien.  543 

Paris,  1880.  —  Sabatier,  Comparaison  des  ceintures  et  des  membres  arterleurs  et 
posterieurs  dans  la  seine  des  vertebres ,  Montpellier,  1880.  —  P.  May  s  er.  Ver- 
gleichende anatomische  Studien  über  das  Gehirn  der  Knochenfische ;  Zeitschr.  f.  wiss. 
Zool.,  Bd.  XXXVI,  1881.  —  C.  Emery,  Zur  Morphologie  der  Kopfniere  der  Te- 
leostier;  Biol.  Centralbl.,  Bd.  I,  1881.  —  G.  Retzius,  Das  Gehörorgan  der  Wirbel- 
thiere ;  Bd.  I,  Stockholm,  1881.  —  H.  Virchow,  Ueber  Fischaugen,  Verh.  d.  phys. 
med.  Gesellsch.  zu  Würzburg,  1881.  —  E.  Berg  er,  Beiträge  zur  Anatomie  des 
Sehorganes  der  Fische;  Morph.  Jahrb.,  Bd.  VIII,  1882.  —  Cattie,  Ueber  die  Epi- 
physe  der  Fische;  Arch.  f.  Biol.,  Bd.  III,  1882.  —  H.  R  abl-Rückar  d ,  Das  Gross- 
hirn der  Knochenfische  und  seine  Anhangsgebilde;  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1883. — 
Walther,  Die  Entwicklung  der  Deckknochen  am  Kopi'skelett  des  Hechtes ;  Jenaische 
Zeitschr.,  Bd.  XVI,  1883.  —  F.  Maurer,  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Pseudo- 
branchien  der  Knochenfische;  Morph.  Jahrb.,  Bd.  X,  1883.  ■ —  Sagem'ehl,  Beiträge 
zur  vergleichenden  Anatomie  der  Fische;  Morph.  Jahrb.,  Bd.  X,  1884.  —  Blaue, 
Untersuchungen  über  den  Bau  der  Nasenschleimhaut  bei  Fischen ;  Arch.  f.  Anat.  u. 
Physich,  1884.  —  J.  Beard,  On  the  segmental  sense  organs  of  the  lateral  line  and 
tke  morphology  of  the  vertebrate  auditory  organe;  Zool.  Anz.  VII,  Nr.  1611 — 62, 
1884.  —  Ders.,  On  the  cranial  c/anglia  and  segmental  sense  organs  of  Fishes ;  Zool. 
Anz.  VIII,  1885.  —  Klein,  Beiträge  zur  Bildung  des  Schädels  der  Knochenfische; 
Jahresb.  d.  V'er.  f.  vaterl.  Naturk.  in  Württemberg,  1884.  —  F.  Maurer,  Schilddrüse 
und  Thymus  der  Teleostier,  Morph.  Jahrb.,  Bd.  XI,  1885.  —  S.  Grosglick,  Zur 
Morphologie  der  Kopfniere  der  Fische;  Zool.  Anz.  VIII,  Nr.  207,  1885.  —  Ders., 
Zur  Frage  über  die  Persistenz  der  Kopfniere  der  Teleostier;  Zool.  Anz.,  Jahrb.  IX, 
1886.  —  W.  Krause,  Die  Retina  der  Fische;  Internat.  Monatsschr.  f.  Anat.  u. 
Physiol.,  Bd.  III,  1886.  —  H.  Klaatsch,  Zur  Morphologie  der  Fischschuppen, 
Morph.  Jahrb.,  Bd.  XVI,  1890.  —  Fritsch,  Die  elektrischen  Fische;  Leipzig, 
1888—90. 


Classe   der   Amphibien. 

Wenn  die  Amphibien  sich  einerseits  den  Fischen  durch  den 
Mangel  eines  Amnios  und  einer  Allantois  bei  den  Embryonen  nähern, 
so  unterscheiden  sie  sich  von  ihnen  durch  drei  Hauptcharaktere:  die 
nackte  Haut,  die  fünffingerigen  Glieder  und  die  Theilung  des  Vorhofes 
des  Herzens  in  zwei  seitliche  Vorkammern,  durch  welche  die  Aus- 
bildung einer  doppelten  Circulation  angebahnt  wird. 

Nichtsdestoweniger  muss  man  anerkennen ,  dass  die  Amphibien 
durch  ihren  Bau  sowohl  im  erwachsenen,  wie  im  embryonalen  Zu- 
stande den  Fischen  näher  stehen,  als  den. Reptilien,  mit  denen  man 
sie  früher  in  eine  Classe  zusammenstellte.  Bei  den  Reptilien  findet 
man  weder  eine  nackte,  drüsige  Haut,  noch  den  doppelten  Gelenk- 
kopf am  Hinterhaupte ,  durch  welchen  der  Schädel  an  dem  ersten 
Wirbel  eingelenkt  ist,  und  ebensowenig  die  Larvenzustände ,  welche 
die  Amphibien  nach  ihrem  Austritte  aus  dem  Ei  durchlaufen.  Auf 
diese    und    andere    speciellere  Gründe    gestützt,    hat    deshalb    Huxley 


544  Wirbelthiere. 

mit  Recht  Fische    und   Amphibien   in    der  grossen   Gruppe   der   Ich- 
thyopsiden  zusammen  und  den  Säur  opsiden  ,  Reptilien  und  Vögeln 
gegenübergestellt,   bei   welchen  das  Hinterhaupt  durch  einen  einzigen,« 
medianen  Gelenkkopf  auf  der  Wirbelsäule  sich  bewegt. 

Ausser  diesen  wesentlichsten  Unterscheidungscharakteren  kann 
man  noch  erwähnen:  die  vorgeschrittene  Verknöcherung  des  Schädels 
und  der  W^irbel,  so  dass  vom  Primordialschädel  und  der  Chorda  nur 
noch  Rudimente  erhalten  bleiben;  die  Anwesenheit  eines  Schulter-  und 
Beckengürtels,  die  meist  sogar  dann  noch  sich  vorfinden,  wenn  die  Glieder 
selbst  nicht  entwickelt  sind  ;  das  stete  Vorhandensein  von  Ausführungs- 
gängen für  die  Geschlechtsproducte ,  einer  aus  einer  Ausstülpung  des 
Hinterdarmes  gebildeten  Harnblase,  die  vollständige  Trennung  der  Ge- 
schlechter und  endlich  die  Ausbildung  einer  Larvenperiode,  in  welcher 
ausschliessliche  Kiemenathmung  der  später  sich  entwickelnden  Lungen- 
athmung  vorausgeht,  so  dass  also  alle  diese  Thiere  eine  Periode  des 
Lebens  im  Wasser  durchmachen ,  auf  welche  bei  den  meisten  erst 
später  das  Leben  an  freier  Luft  folgt. 

Wir  nehmen  folgende  Ordnungen  an: 

1.  Gymnophionen.  Wurmförraiger  Körper  ohne  Gliedmaassen. 
Biconcave  Wirbel.  Winzige  Schuppen  in  Hautfalten  verborgen.  Coe- 
ciJia,  Siplionops. 

2.  Urodelen,  Schwanzlurche.  Nackte,  drüsige  Haut.  Ein 
oder  zwei  Gliederpaare.  Während  des  ganzen  Lebens  persistirender 
Schwanz.  Einige  behalten  die  Kiemen  während  des  ganzen  Lebens 
(Perennihranchier).  Amphicöle  oder  opisthocöle  Wirbel.  Siren,  Proteus, 
AmpJiiuma,  Tnton,  Salamandra. 

3.  Anuren.  Nackte,  drüsige  Haut.  Breiter,  schwanzloser 
Körper  mit  zwei  wohl  entwickelten  Gliederpaaren  und  ausschliessliche 
Lungenathmung  im  erwachsenen  Zustande.  Procöle  Wirbel.  Bana, 
Btifo,  Hyla,  Pipa. 

Typus:  Rana  esculenia  L.  Der  grüne  Frosch  findet  sich 
überall  in  feuchten  und  sumpfigen  Gegenden  in  grosser  Menge.  Seit 
beinahe  200  Jahren  dient  er  zu  anatomischen  und  physiologischen 
Untersuchungen;  die  genaueste  Kenntniss  seines  Baues  ist  für  jeden 
Physiologen  unerlässlich.  Ecker  und  Wiedersheim  haben  seine 
Anatomie  in  einer  classischen  Monographie  behandelt,  die  in  Aller 
Händen  ist  und  auf  die  wir  hinsichtlich  einer  Menge  von  Einzelheiten 
verweisen  werden,  auf  welche  wir  nicht  eingehen  können. 

Eine  nahe  verwandte  Art,  der  braune  Frosch  (jR.fewjporanaX.), 
ist  ebenfalls  sehr  häufig  in  Europa.  Diese  Art  verlässt  gern  das 
Wasser  im  Frühjahre  und  hält  sich  in  beschatteten  Gegenden  feuchter 
Wälder  und  Wiesen  auf.  Die  Schnauze  ist  stumpfer,  als  beim  Gras- 
frosche,  die  Gaumenzähne  sind  weniger  zahlreich  und  schwächer,   die 


Amphibien.  545 

Stimmblasen  des  Männchens  innerlich  —  aber  der  ganze  Bau  unter- 
scheidet sich  so  wenig  von  dem  der  vorigen  Art,  dass  beide  unbedenk- 
lich zu  anatomischen  Untersuchungen,  wie  die  unserigen ,  in  gleicher 
Weise  verwendet  werden  können. 

Die  Männchen  lassen  sich  leicht  von  den  Weibchen  unterscheiden; 
sie  sind  im  Allgemeinen  kleiner  und  schmächtiger  als  diese  und  haben 
an  den  Daumen  der  Vorderfüsse  eigenthümliche  Hautschwielen,  welche 
zum  Umklammern  des  Weibchens  bei  der  Begattung  dienen. 

Im  Winter  wühlen  sich  die  Frösche  in  den  Schlamm  ein  und  ver- 
fallen in  eine  Art  Winterschlaf.  Es  hält  dann  ziemlich  schwer,  sich 
welche  zu  verschaffen.  Man  wird  deshalb  sich  im  Herbste  bei  Zeiten 
Vorrath  im  Laboratorium  sammeln. 

Präparation.  —  Man  tödtet  den  Frosch  durch  Untertauchen 
in  Wasser,  das  zu  40"  C.  erwärmt  oder  mit  einigen  Tropfen  Chloro- 
form versetzt  ist.  Der  Frosch  stirbt  bald  durch  Erstickung  und  wird 
frisch  unter  Wasser  präparirt.  Man  legt  ihn  auf  den  Rücken ,  fixirt 
die  ausgestreckten  Beine  und  die  Schnauzenspitze  mittelst  Stecknadeln 
und  spaltet  dann  die  Haut  durch  einen  von  der  Schnauze  bis  zum 
After  ausgedehnten  Längsschnitt  mit  einer  feinen  Scheere.  Die  Haut 
hängt  mit  der  Musculatur  des  Körpers  nur  durch  einige  Hautmuskeln 
zusammen ,  deren  Ausbreitung  man  vor  dem  Durchschneiden  unter- 
sucht. Diese  sehr  dünnen,  durchsichtigen  Hautmuskeln  eignen  sich 
ganz  besonders  zu  histologischen  Untersuchungen.  Der  Hautrauskel 
der  Brust,  der  sich  an  dem  Brustbein  festsetzt,  hat  seit  Reichert 
vorzugsweise  zu  Forschungen  über  die  Nervenendigungen  an  den 
Muskelfasern  gedient.  Man  spaltet  in  gleicher  Weise  die  Haut  längs 
der  Glieder  bis  zum  Endgliede  und  kann  so  leicht  das  ganze  Muskel- 
system biossiegen,  das  in  gewöhnlicher  Art  präparirt  wird. 

Um  die  Körperhöhlen  zu  öffnen ,  hebt  man  die  Bauchmuskeln  in 
der  Nähe  des  Beckens  mit  der  Pincette  auf,  führt  die  Spitze  der  Scheere 
ein  und  spaltet  durch  einen  Längsschnitt  die  Muskeln  von  hinten  nach 
vorn.  Das  nur  theilweise  verknöcherte  Brustbein  lässt  sich  leicht 
durchschneiden  und  wegnehmen,  so  dass  man  den  Schnitt  bis  zum 
Winkel  des  Unterkiefers  fortsetzen  kann.  Die  Lippen  der  Oeffnungs- 
spalte  werden  auseinander  gelegt  und  mit  Stecknadeln  fixirt.  Man 
sieht  nun  die  Eingeweide  in  ihrer  Lage  und  kann  sie  in  der  Weise 
ausbreiten,  wie  unsere  Figur  223  (a.  f.  S.)  sie  zeigt.  In  der  vorderen 
Hälfte  der  Bauchhöhle  bedecken  die  Lappen  der  voluminösen  Leber  (r), 
zwischen  welchen  man  das  Herz  (2,  3)  erblickt ,  grösstentheils  die 
übrigen  Eingeweide;  man  muss  sie  aufheben,  um  die  Lungen  (q)  und 
unter  diesen  den  Anfang  des  Eileiters  (*)  zu  sehen".  Weiter  nach 
hinten  sieht  man  den  Pförtnertheil  des  Magens  (m)  und  die  Schlingen 
des  Dünndarmes  (w),  der  sich  in  den  erweiterten  Afterdarm  (o)  fort- 
setzt.    Bei  den  Weibchen  sieht  man  jederseits  die  Eierstöcke  (x),  deren 

Vogt  ti.  Yung,   prakt.  vergl.  Auatomie.     II.  q,-:: 


546 


Wirbelthiere. 


Volumen  je  nach  der  Jahreszeit  bedeutend  wechselt.     Ueber  dem  Rec- 
tum liegt  die  Harnblase  (p) ,   unter   ihm   die  Nieren  (r)    und  zwischen 

Fis-.  223. 


Rana  esculeiita.  —  Allgemeiner 
UeLei-blick  der  Eingeweide.  Man 
hat  den  Frosch  durch  einen  Längs- 
schnitt geöffnet,  das  Brusthein  weg- 
genommen und  die  Schnittränder 
auseinander  gehreitet.  Um  die  tiefer 
liegenden  Organe  zur  Anschauung 
zu  bringen ,  hat  man  den  rechten 
Leherlappen  entfernt  und  den  Darm- 
knäuel bei  Seite  geschoben.  Die 
übrigen  Organe  sind  fast  gänzlich 
in  normaler  Lage  gehlieben,  a,  Rand 
des  Oberkiefers;  b,  Gegend  des  Para- 
sphenoidknochens;    r,  Augenhöhlen; 

d,   Schlundkopf;    e,    Kaumuskeln,    durchschnitten;  f,  Gaumenzähne    auf   dem   Vomer  ; 
ij,   innere  Nascnöffnungen  ;   /;,  Oelfnungen  der  E  ustachi 'sehen  Röhren  ;   /,  Unterkiefer  ; 


Amphibien.  547 

diesen  verlaufen  die  weissen  Bündel  der  Lendennerven.  Unter  den 
Eierstöcken  winden  sich  die  langen,  röhrenförmigen  Eileiter  (z)  weiter 
nach  vorn.  Ihre  drüsigen  Wände  sondern  die  eiweissartige  Substanz 
ab,  welche  die  Eier  umhüllt  und  durch  Aufnahme  von  Wasser  be- 
deutend anschwillt.  Lässt  man  das  Präparat  im  "Wasser,  so  schwellen 
die  Elileiter  unförmlich  an  und  theilen  sich  sogar  in  einzelne  Stücke. 
Ganz  nach  vorn  sieht  man  das  Dach  der  Mundhöhle  mit  den  Ober- 
kiefer- und  Gaumenzähnen  (/) ,  sowie  die  inneren  Oeffnungen  der 
Nasenhöhlen  (g)  und  der  Eustachi'schen  Röhren  (h).  Endlich  sieht 
man  zwischen  den  umgeschlagenen  Aesten  des  Unterkiefers  die  Zunge 
mit  ihrem  angewachsenen  Vorderende  (Je)  und  dem  freien,  ausgeschnit- 
tenen Hinterrande  (l). 

Wir  werden  später  die  Organe  im  Einzelnen  betrachten.  Nach- 
dem man  diesen  allgemeinen  Ueberblick  gewonnen  hat,  entrollt  man 
den  Darm ,  den  man  von  dem  Mesenterium  loslösen  muss  und  schlägt 
ihn  nach  rechts,  um  die  Lagerung  der  von  ihm  bedeckten  Organe  ge- 
nauer betrachten  zu  können. 

Parasiten.  —  Der  Frosch  beherbergt  eine  grosse  Menge  von 
Schmarotzern,  deren  am  häufigsten  vorkommende  Arten  wir  hier  nur 
kurz  erwähnen,  da  der  Anfänger  nicht  umhinkann,  welche  vorzufinden. 
In  den  Lungen  trifft  man,  an  den  "Wandungen  festgesaugt,  einen 
grossen  Saugwurm  {Distomam  cylindraceum),  sowie  einen  merkwürdigen 
Rundwurm  (Ascaris  nigrovenosa),  der  übrigens  auch  in  dem  Blute  vor- 
kommt. In  der  Harnblase  wohnt  ein  anderer  Saugwurm  (Polgstomuin 
integerrimum)]  in  dem  Mesenterium  findet  sich  häufig,  eingekapselt, 
ein  Faden  wurm  (Fvaria  rubel!  a)  und  der  Darm  wimmelt  von  para- 
sitischen Infusorien,  unter  welchen  besonders  Opalina  und  Paramecium 
dominiren. 

Tegumente.  —  Die  Haut  des  Frosches  ist  im  Allgemeinen 
glatt,  besonders  auf  dem  fast  farblosen  Bauche,  etwas  rauh  auf  dem 
stärker  gefärbten  Rücken  und  zeigt  an  einzelnen  Stellen,  wie  zu  beiden 
Seiten  der  Wirbelsäule  und  auf  den  Zehen  warzige,  meist  dunkel  ge- 
färbte Gebilde. 

k,  vorderer  angehefteter  Zuugenrand;  w,  Magen;  n,  Dünndarmschlingen,  am  Mesen- 
terium angeheftet ;  o,  Rectum ;  p,  HarnWase ;  q,  linke  Lunge ;  q',  rechte  Lunge ; 
r,  Leber  ;  s,  Gallenbhise;  i,  Pankreas  ;  v,  Milz;  r,  Nieren  ;  x,  linker  Eierstock;  x',  Rest 
des  abgeschnittenen  rechten  Eierstockes;  ?/ ,  Fettanhänge  des  Eierstockes;  z,  Ei- 
leiter; 1,  Stimmritze,  Eingang  des  Kehlkopfes;  2,  Herzkammer;  3,  Vorkammer; 
4,  Aortenstamm;  5,  6,  Glieder  der  rechten  Seite,  abgeschnitten;  7,  Musculus  humero- 
uluaris ;  8,  M.  humero-digitalis ;  9,  M.  antebrachio-metacarpalis;  10,  M.  coraco- 
radialis;  11,  M.  humero-antebrachialis  lateralis;  12,  M.  humero  -  radialis  ;  13,  Zehen; 
14,  M.  latus  internus;  15,  M.  adductor  longus ;  16,  M.  sartorius;  17,  M.  adductor 
brevis ;  18,  M.  adductor  grandis;  19,  M.  grandis  internus;  20,  jM.  internus  minor; 
21,  M.  extensor  femoris ;  22,  M.  tibialis  anterior;  23,  M.  gastrocnemius ;  24,  ^l. 
tibialis    posterior;    25,    M.    flexor  tarsi;    26,    Zehen;    27,  Schwimmhaut  zwischen  den 

Zehen. 


548 


Wirbelthiere. 


Die  Mächtigkeit  der  beiden  Hauptschichten,  Epidermis  und  Leder- 
haut, variirt  sehr,  je  nach  den  Regionen  des  Körpers.  Die  oberen 
Lagen  der  Lederhaut  nebst  der  Epidermis  lassen  sich  ohne  Schwierig- 
keiten bei  dem  jeweiligen  Hautwechsel  untersuchen,  wo  sie  in  grossen 
Fetzen  abgestossen  werden.  Ausserdem  muss  aber  die  Structur  der 
Haut  an  senkrechten  Schnitten  untersucht  werden,  zu  deren  Fertigung 
man  frische  Stücke  zuerst  in  Osmiumsäure  fixirt.  Um  schöne  Prä- 
parate der  Epidermis  zu  erhalten ,  wählt  man  Stücke  von  jungen 
Thieren  oder  noch  besser  von  Kaulquappen,  bei  welchen  die  bildenden 
Elemente  nicht  so  gedrängt  und  deutlicher  sind,  als  bei  den  erwach- 
senen Thieren. 

Die  Epid  er  mis  (a,  Fig.  224)  besteht  aus  mehreren  Schichten  von 
Zellen;  die  oberflächlichen  sind  platte,  polygonale  Pflasterzellen,  die 
tieferen  mehr  cylindrisch.      Von  oben  gesehen  bilden   sie  eine  ziemlich 

Fig.  224. 

c 


Runa  esculenta.  —  yi,  Fflasterzellen  der  Epidermis,  a,  Mündungen  A'on  Hautdrüsen. 
B,  Sternzellen  der  Pigmentschicht  (Gun  dl.  Oc.  1,  Obj.  V).  C,  senkrechter  Durchschnitt 
der  Haut  des  Rückens,  a,  oberflächliche,  abgeplattete  Epidermiszellen ;  b,  cylindrische 
Epidermiszellen;  c,  Pigmentschicht ;  d,  oberflächliche  Schicht  der  Lederhaut ;  e,  weniger 
dichte  untere  Schicht  derselben ;  /,  /',  schiefe  und  quere  Durchschnitte  von  Blut- 
gefässen; g,  flaschenform,ige  Drüsen,  verschieden  angeschnitten;  h,  Ausführungsgang 
und  Mündung  einer  solchen  Drüse  (Gundl.  Oc.   1,  Obj.  HI). 

regelmässige   Mosaik   (Ä,  Fig.  224);  jede   hat   einen    eiförmigen  Kern, 
der  sich  stark  durch  Carmin  färbt. 

Hier  und  da  sieht  man  zwischen  diesen  Zellen  die  runden  Mün- 
dungen der  Drüsen.  Auf  Durchschnitten  (G,  Fig.  224)  erscheinen  sie 
mehr  minder  regelmässig  geschichtet.  Die  Umrisse  der  oberflächlichen, 
in  Zerfall  gerathenden  Zellen  sind  undeutlich;  man  sieht  nur  noch 
zahlreiche  an  einander  gedrängte  Kerne.  Auf  dem  Rücken,  den  Seiten 
des  Kopfes  und  den  Zehen  sieht    man  Rauhigkeiten    und  Rifi'e,   welche 


Amphibien,  549 

die  oben  erwälinten  Flecken  hervorbringen,  die  namentlicli  zur  Be- 
gattungszeit an  den  Daumen  der  Männchen  stark  hervortreten. 

Endlich  erwähnen  wir  noch  die  Anwesenheit  von  Pigmentzellen 
und  eigentlichen  Chromatophoren ,  die  namentlich  in  den  gefärbten 
Hautstellen  des  Rückens  weit  in  die  Epidermis  übergreifen. 

Die  Lederhaut  (C,  d,  e,  Fig.  224)  ist  weit  dicker  als  die  Ober- 
haut. Sie  besteht  wesentlich  aus  einem  faserigen  Bindegewebe  mit 
sehr  zahlreichen  Kernen,  aus  glatten  Muskelfasern  und  aus  Drüsen. 
Ausserdem  finden  sich  in  ihr  zahlreiche  Blutgefässe,  Nervenzweige  und 
Pigmentzellen. 

Am  Rücken  ist  die  Epidermis  ziemlich  scharf  von  der  Lederhaut 
durch  eine  Zwischenschicht  gesternter  Pigmentzellen  (B.  Fig.  224)  ge- 
trennt, deren  Ausläufer  mit  einander  communiciren  und  so  ein  schwarzes 
Netzwerk  bilden,  welches  oft  die  Drüsen  umspinnt  und  tief  in  die 
Lederhaut  eindringt  (C,  c.  Fig.  224). 

Die  Lederhaut  folgt  den  Faltenwürfen  der  Epidermis,  erhebt  sich 
in  Form  kleiner  Wärzchen  in  den  erwähnten  Rauhigkeiten  und  erscheint 
glatt  und  eben  nur  an  der  Bauchfläche. 

Unterhalb  dieser  Pigmentschicht  zeigt  die  Lederhaut  schon  ein 
netzartiges  Ansehen  und  enthält  muscnlöse  Elemente ;  glatte  Muskel- 
fasern, die  sich  in  der  Tiefe  bedeutend  vermehren  und  endlich  unter 
den  Drüsen  ein  Lager  gewellter  Bündel  bilden  (C,  f?,  Fig.  224),  das  sich 
deutlich  von  den  oberen  Schichten  abgrenzt,  aber  in  der  Tiefe  mit  der 
innersten  Schicht  (e)  innig  zusamrhenhängt,  welche  ebenso  locker  und 
weitmaschig  ist,  als  die  Muskelschicht  dicht  und  fest  ist.  In  der  That 
besteht  diese  innerste  Schicht  aus  einem  weitmaschigen  Netze  von 
Bindegewebefasern,  in  dessen  Lücken  man  grosse  Lymphräume  und 
zahlreiche  Zellenkerne  antrifft.  Ausserdem  sieht  man  auf  Schnitten 
Blutgefässe,  die  oft  drall  mit  Blutkörperchen  angefüllt  sind  (/,  / ), 

Die  auffallendsten  Gebilde  aber,  die  zugleich  für  die  Haut  der 
Amphibien  charakteristisch  sind,  sind  die  Drüsen.  Sie  sind  zahl- 
reich und  in  unregelmässiger  Weise  überall  zerstreut ;  man  findet  sogar 
welche  im  Trommelfelle  und  in  der  Nickhaut  des  Auges.  Es  sind 
ursprünglich  kugel-  oder  birnförmige  Einstülpungen  der  Oberhaut, 
welche  sich  in  das  Gewebe  der  Lederhaut  einsenken  und  deren  Innen- 
fläche mit  cubischen  oder  cylindrischen  Zellen  ausgekleidet  ist,  während 
ihre  Aussenfläche  von  glatten  Muskelfasern,  Blutgefässen  und  Pigment- 
zellen umsponnen  wird  (</). 

Wir  können  weder  ihre  mannigfaltigen  Formen  beschreiben,  noch 
auf  ihre  speciellen  Functionen  näher  eingehen.  Die  Gestalt  ihrer 
inneren  Belegzellen  variirt  sehr  nach  dem  Maasse  ihrer  Thätigkeit. 
Sie  enthalten  deutliche  Kerne,  aber  ihre  Umrisse  lassen  sich  oft  nicht 
deutlich  unterscheiden.  Sie  sondern  bald  einen  neutralen,  bald  einen 
ffiftie:en  Schleim  ab.   der   sich   in  der  Drüsenhöhle  sammelt  und   dui-ch 


550  Wirbelthiere. 

einen  kleinen,  einem  Flaschenhälse  ähnlichen  Gang  (G,  h,  Fig.  224) 
nach  aussen  entleei't  wird. 

Die  Hautdrüsen  am  Daumen  der  Männchen  verdienen  noch  eine 
besondere  Erwähnung.  Sie  sind  weit  grösser,  als  die  gewöhnlichen 
Drüsen,  dicht  an  einander  gedrängt,  so  dass  kaum  Platz  für  das  Binde- 
gewebe der  Haut  bleibt,  und  dringen  in  Gestalt  langer  Schläuche  tief 
ein.  Der  Daumen  erhält  zur  Begattungszeit  durch  sie  ein  geschwollenes 
Ansehen  und  eine  röthliche  Farbe. 

Wir  erwähnen  hier  noch  feine  Nervenzweige,  die  zum  Theil 
in  besondere  Sinnesorgane  eingehen ,  von  welchen  später  die  Rede 
sein  soll. 

Das  Skelett.  —  Seine  Präparation  ist  leicht.  Man  enthäutet 
das  Thier,  trennt  die  Ansätze  der  Sehnen  und  Muskeln  an  den  Knochen 
so  nahe  als  möglich  mit  der  Scheere  und  lässt  nun  das  Ganze  einige 
Tage  in  kaltem  Wasser  maceriren,  worauf  man  den  Rest  der  Weich- 
theile  sorgsam  abkratzt.  Wenn  man  nicht  die  Knochen  einzeln  prä- 
pariren  will,  muss  man  den  Gebrauch  von  heissem  Wasser  vermeiden, 
weil  es  die  verbindenden  Knorpel  und  Bänder  zu  sehr  erweicht.  Wir 
nehmen  an,  dass  der  Leser  bei  dem  Studium  der  nachfolgenden  Be- 
schreibung ein  Skelett  des  Frosches  zur  Hand  hat. 

Die  axiale  Wirbelsäule  besteht  aus  zehn  Stücken,  neun  deut- 
lichen Wirbeln  und  einem  hinteren ,  griffeiförmigen  Knochen ,  dem 
Steissbein  oder  Urostyl,  der  aus  der  Verschmelzung  von  mehreren 
ursprünglich  getrennten  Wirbeln  hervorgegangen  ist  (10,  Fig.  225). 

Die  Körper  der  vorderen  Wirbel  sind  deutlich  von  oben  nach 
unten  abgeplattet  und  nur  unvollständig  verknöchert,  so  dass  man 
durch  Querschnitte  einen  Rest  der  embryonalen  Chorda  in  ihrem  Kerne 
nachweisen  kann.  Der  diesen  Rest  umgebende  Knochenring  setzt  sich 
direct  in  die  oberen  Bogen  (Neurapophysen)  fort,  welche  an  ihrem 
Hinterrande  die  mit  Knorpel  umgebenen  Gelenkköpfe  tragen ,  die  in 
entsprechenden  Aushöhlungen  der  Vorderfläche  des  nächstfolgenden 
Wirbels  eingelenkt  sind  (procöle  Wirbel).  Die  Bogen  der  Neur- 
apophysen vereinigen  sich  in  sehr  kurzen  und  abgestumpften  Dorn- 
fortsätzen. Der  neunte  Wirbel  (Kreuzbeinwirbel)  besitzt  keinen  Dorn- 
fortsatz. 

Mit  Ausnahme  des  ersten  Wirbels,  des  Atlas ,  tragen  alle  übrigen 
Wirbel  grosse,  platte  Querfortsätze,  die  am  vierten  und  neunten  Wirbel 
ihre  grösste  Länge  erreichen ,  schief  nach  hinten  gerichtet  und  an 
ihrem  distalen  Ende  stark  verbreitert  sind  (4  und  9,  Fig.  225).  Jeder 
Querfortsatz  trägt  an  seinem  Ende  einen  knorpeligen  Anhang.  Wahre 
Rippen  fehlen  durchaus. 

Die  Wirbel  sind  durch  starke,  faserige  Längsbänder,  die  von  einem 
Wirbelkörper  zum  anderen  übersetzen  v;nd  durch  Aponeurosen  verbunden. 


Amphibien. 


551 


Fio-.  225. 


welche  zwischen  den  Neurapophysen  ausgespannt  sind.  Ihre  Beweglich- 
keit, die  indessen  nur  gering  ist,  wird  durch  die  erwähnten  Gelenke 
vermittelt,  welche  mit  dünnen  Kuorpellamellen  ausgekleidet  sind. 

Der  vorderste  und 
hinterste  Wirbel  zeigen 
jeder  besondere  Eigen- 
thümlichkeiten. 

Der  ringförmige  At- 
las (1,  Fig.  225,  226) 
hat  keine  Quevfortsätze. 
Sein  Körper  ist  stark 
abgeplattet,  seine  oberen 
Bogen  sehr  breit,  der 
Dornfortsatz  rudimentär 
und  von  knorpeliger 
Beschaffenheit.  Die  bei- 
den Gelenkflächen  seiner 
Vorderfläche,  in  welche 
die  Gelenkköpfe  des 
Hinterkopfes  eingelas- 
sen sind ,  werden  durch 
einen  mittleren  Knopf, 
den  Zahnfortsatz 
(Processus  odonteideus) 
von  einander  getrennt. 
Der  neunte  Wirbel 
ist  der  einzige,  der  mit 
dem  Beckengürtel  in  Be- 
ziehung tritt.  Er  unter- 
scheidet sicli  von  den 
anderen  Wirbeln  durch 
einen  vorderen  Gelenk- 
kopf, der  in  einer  Aus- 
höhlung der  Hinter- 
fläche des  achten  Wir- 
bels spielt,  und  durch 
zwei  hintere ,  kugel- 
förmige Gelenkköpfe, 
welche  mit  dem  Steiss- 
beine  articuliren  (siehe 
weiter  unten  beim 
Beckengürtel). 

Das  Steissbein, 
Os  coccygis    (Fig.  225, 


Rana  esculenta.  —  Das  Skelett  in  natürlicher  Grösse, 
von  oben  gesehen,  a,  oberes  Hinterhauptsbein ;  h,  seit- 
liche Hinterhauptsbeine;  c,  Felsenbein;  d,  Stirnscheitel- 
bein; e,  Ethmoideum;  /,  Nasale;  g,  Pterygoideum ; 
Ii,  Tympanicum;  i,  Jugulare ;-  l;  Maxillare ;  /,  Inter- 
maxillare ;  m,  Nasenlöcher  in  den  Stirnnasenbeinen; 
M,  Schulterblatt;  o,  Humerus  ;  p,  q^  Vorderarmbein 
(Radius  und  Ulna  verschmolzen);  ?■,  Handwurzel; 
s,  Mittelhand ;  t,  lliacum ;  u,  Pubis ;  v,  Gelenkhöhle 
des  Schenkels  ;^-  x,  Schenkelbein  ;  t/,  ünterscheukelbein 
(Tibia  und  Fibula  vei'schmolzen) ;  2,  Astragalus  ;  1 — 9, 
Wirbel;  10,  Os  coccygis;  11,  Calcaneum ;  12,  Fuss- 
wurzel ;   13,  Mittelfussknochen  ;   14,  Zehen. 


552 


Wirbelthiere. 


./•— 


226,  10),  ist  ein  langes,  säbelförmiges  Knochenstück,  das  an  seinem 
Vorderende  zur  Bildung  der  Gelenkhöhlen  für  die  Fortsätze  des  neunten 
Wirbels  anschwillt.  Es  endet  mit  einer  knorpeligen  Spitze  und  zeigt 
in  den  ersten  zwei  Dritteln  seiner  Länge  einen  scharfen  Kiel. 

Der  Wirbelcanal    setzt    sich    nur    über    einen    kleinen   Theil    des 
Steissbeines  fort,   das    auf  den  Seiten    zwei   kleine  Nervenlöcher   zeigt, 

vor  welchen  Rudimente  von  Querfortsätzen 
sich  finden.  Bei  erwachsenen  Thieren  erhält 
sich  keine  Spur  der  ursprünglichen  Meta- 
merie  des  Knochens. 

Der  Hirnschädel  (Fig.  225  bis  228)  hat 
die  Gestalt  einer  Röhre;  er  bildet  nur  einen 
geringen  Bruchtheil  des  Kopfskelettes,  dessen 
-*  Volumen  durch  die  Ausweitung  der  Gesichts- 
-~L  knochen  und  namentlich  der  Kiefer,  sowie 
durch  die  fast  horizontale  Lagerung  der 
grossen  Augenhöhlen  bedingt  ist. 

Das  Schädelrohr  ist  auf  der  dorsalen 
Fläche  abgeplattet ;  nach  vorn  verbindet  es 
sich  durch  die  Nasenknorpel  mit  dem  Ober- 
kieferbogen ,  nach  hinten  läuft  es  in  zwei 
seitliche  Flügel  aus,  welche  die  Gehörkapseln 
einschliessen. 

Der  knorpelige  Primordialschädel  ver- 
knöchert nur  theilweise  bei  den  erwachsenen 
Thieren,  wo  stets  Reste  des  Knorpels  sich 
vorfinden,  die  am  trockenen  Skelette  ein- 
schrumpfen und  deshalb  nur  an  frischen 
Exemplaren  untersucht  werden  können.  Die 
einzelnen,  den  Hirnschädel  zusammensetzen- 
den Knochen  verschmelzen  meist  so  innig 
mit   einander,    dass    ihre  Verbindungsnähte 

e,    knoi'pelio;e    Seitenwand    des        •   i  t  i         •  i  t 

',    ,/     n   -^  ^      .,  Sich    nur    schwer    nachweisen    lassen.      im 

Schädels;   j,    tthmoideum ;    r/, 


Raiia  escidenta.  —  Skelett  des 
Schädels  und  der  Wirbelsäule 
in  ventraler  Ansicht,  a,  Occi- 
pitalia  lateralia ;  b,  Sphenoi- 
deum ;  c,  Petrosum ;  d,  Aus- 
trittsloch   des    N.    trisreminus : 


Knorpelkapsel     der     Nase;    /;, 
Pterj'goideum ;    ?',  dessen   vor- 


Vergleiche  zum  Schädel  der  Fische  erscheint 
derjenige   des  Frosches   weit  einfacher,    aus. 


derer  Ast;  A;,  Maxillare ;  /,  Ge-    weniger  einzelnen  Knochen  zusammengesetzt 
lenkhohle     des     Unterkiefers;     ^jjj    weiter    in    der    Verknöcherung    vorge- 


m,    Palatinum ;    n,    Vomer;    o, 

Intermaxillare  ;  p,  vorderer  Ast 

des  Hyoideum   (Cartilago    sty- 

loidea);   1  —  10,  Wirbel. 


schritten. 

Die  Hinterfläche   des   Schädels   wird  von 

zwei  seitlichen  Hinterhauptsbeinen 

(Fig.  225,0;  226,  a)  eingenommen,  welche  das 

grosse  Hinterhauptsloch  umfassen,  dessen  Umwallung  oben   und   unten 

durch  knorpelige  Stücke  vervollständigt  wird,  die  bei  anderen  Wirbel- 

thieren   zum  Grundbein  und   oberen  Hinterhauptsbein   werden.     Jedes 


Amphibien. 


553 


seitliche  Hintei'hauptsbein  trägt  eineu  vorgewölbten,  schief  gegen  den 
Unterrand  des  Hinterhauptsloches  gelagerten,  mit  Knorpel  überzogenen 
Gelenkkopf.  Diese  beiden,  allgemein  bei  den  Amphibien  vorkommenden 
Gelenkköpfe  spielen  in  entsprechenden,  au  der  Vorderfläche  des  ersten 
Wirbels  (Atlas)  gelegenen  Geleukhöhlen.  Die  Hintei'hauptsbeine  sind 
mit  dem  Atlas  durch  ein  starkes  Sehnenband  verknüpft,  das  sich  einer- 
seits an  ihre  Basis ,  anderseits  an  den  Körper  des  ersten  Wirbels  an- 
setzt. Eine  durch  eine  leichte  Knoi'pelkante  kenntliche  Naht  ver- 
bindet die  Hinterhauptsbeine  an  ihren  unteren  Seitenflächen  mit  dem 
Felsenbeine.  Zwischen  dieser  Kante  uud  dem  Gelenkkopfe  zeigt  sich 
Pio-.  227.  ßi'i  Grübchen  und  ein  Loch 

n  „  _  c.n.  zum  Durchtritt  des  herum- 

schweifenden Nerven. 

Das  Felsenbein  (Fig. 
225,  226,  c;  227,  228,  j^) 
liegt  seitlich  etwas  vor  dem 
Hinterhauptsbein,  mit  wel- 
chem es  durch  knorpelige 
Reste  des  Primordialschä- 
dels verbunden  ist.  Es  um- 
schliesst  in  einer  Höhle, 
die  weit  gegen  die  Schädel- 
hölile  geöffnet  ist,  das  Hör- 
labyrinth ,  welches  durch 
das  ovale  Fenster  nach 
aussen  communicirt.  Das 
Felsenbein  erstreckt  sich 
nach  vorn  bis  zum  Hinter- 
rande der  Orbita,  und  zeigt 
hier  ein  Durchtrittsloch 
für  den  Tx'igeminus  und 
die  Augenmuskelnerveu. 
Auf  seiner  äusseren,  nicht 
verknöcherten  Seitenfläche 
tritt  der  Facialis  durch, 
neben  einem  Fortsatze,  au 
welchen  der  Suspensions- 
apparat des  Unterkiefers 
eingelenkt  ist.  Der  hintere 
Knorpeltheil  des  Felsen- 
beines steht  mit  einem,  nach 
hinten  und  unten  gerichteten,  dünnen  Knorpelstäbchen,  dem  Griffel- 
knorpel (jj,  Fig.  226),  in  Verbindung,  welches  zu  dem  Zungenbeine  sich 
begiebt. 


Ruau  bscideida.  —  Die  knorpelige  Grundlage  de< 
Obertheiles  des  Kopfskelettes,  zweifach  vergrössert. 
Die  Knorpelpartien  sind  blau  gefärbt,  o,  Occipitale; 
;),  Petrosum  ;//>,  Frontoparietale  ;  e,  Etlimoideum  ;/■«, 
Frontonasale;  pt,  pt',  vorderer  und  hinterer  Ast 
des  Pterygoideum  ;  t^,  fi,  fi ,  vorderer,  mittlerer  und 
hinterer  Ast  des  Tympanicum ;  /,  Jugale ;  m,  Maxil- 
lare;  cw,  Nasengrube;  s',  Primordialschädel  mit  den 
Lücken  /  und  /';  sp,  knorpeliges  Suspensorium  des 
Unterkiefers ;  sj)',  Verlängerung  desselben,  die  sich 
hinter  das  Tympanicum  schlägt ;  sj}",  vordere  Ver- 
längerung desselben,  die  sich  über  das  Pterygoideum 
hinüberschlägt  und  bei  s  ii  mit  dem  Nasenknorpel 
verschmilzt ;  n,  Knorpelkapsel  der  Nase  mit  ihren 
Verlängerungen  // — n'"  ;  ctn,  flügeltörmiger  Nasen- 
knorpel.    (Nach  Ecker.) 


554  Wirbelthiere. 

Die  obere  Wölbung  des  Schädels  wird  grossentheils  von  zwei 
langen  Deckplatten,  den  Stirn  scheite  Ibeinen  (d,  Fig.  225;//», 
P'ig.  227,  228),  gebildet,  die  unmittelbar  auf  dem  in  Fig.  227  und  228 
durch  blaue  Färbung  kenntlich  gemachten ,  knorpeligen  Primordial- 
schädel aufruhen.  Sie  sind  in  der  Mittellinie  durch  eine  Sagittal- 
naht  verbunden,  an  den  Augenrändern  leicht  ausgeschweift  und  treten 
nach  hinten  mit  den  Hinterhaupts-  und  Felsenbeinen,  nach  vorn  mit 
dem  unpaaren  Siebbeine  (e,  Fig.  225,  227)  in  Verbindung.  Cuvier 
nannte  diesen  letzteren^nochen  das  Gürtelbein  (Os  en  ceintiire);  er 
schliesst  in  derThat  nach  vorn  die  Schädelhöhle  durch  eine  hintere  Aus- 
höhlung ab,  während  er  nach  vorn  zwei  kleinere  Aushöhlungen  zeigt, 
die  den  Hintergrund  der  Nasenhöhlen  bilden. 

Oben  theilweise  durch  den  Vorderrand  der  Stirnscheitelbeine  be- 
deckt, breitet  sich  das  Siebbein  seitlich  gegen  die  Augenhöhlen  atis 
und  verbindet  sich  nach  unten  mit  dem  Keilbeine,  so  dass  nur  sein 
hinterer  Theil  einen  Ring  bildet.  Nach  vorn  verbindet  es  sich  mit  den 
Nasenknorpeln  (Fig.  227,  w),  welche  die  Nasenhöhle  umschliessen. 

Das  Nasenstirnbein  (m,  Fig.  225;  fn,  Fig.  227)  ist  platt  und 
von  dreieckiger  Gestalt.  Es  begrenzt  nach  vorn  die  Augenhöhle,  deren 
äusserer  Rand  vom  Gaumenbeine  gebildet  wird.  Es  bildet  ein  solides 
Dach  für  den  Nasenknorpel  und  erstreckt  sich  jederseits  in  den  durch 
das  vordere  Ende  des  Flügelbeines,  den  Oberkiefer,  das  Siebbein  und 
den  Zwischenkiefer  umschriebenen  Raum. 

Vor  dem  Siebbeine,  in  der  Verlängerung  der  mittleren  Schädel- 
axe ,  liegt  die  gänzlich  im  Knorpel  ausgehöhlte  Nasenkapsel 
(w,  Fig.  227,  228),  die  durch  eine  knorpelige  Längsscheidewand  in 
zwei  symmetrische  Hälften  getrennt  wird.  Jede  so  gebildete  Nasen- 
grube ist  vorn  weiter  als  hinten  und  endet  in  der  erwähnten  Aus- 
höhlung der  Vorderfläche  des  Siebbeines.  Der  sehr  unregelmässig  ge- 
staltete Nasenknorpel  (r/,  Fig.  226)  erfüllt  den  Raum  zwischen 
den  Zwischenkiefern  und  den  Vorderenden  der  Oberkiefer  und  zeigt 
einen  nach  hinten  gerichteten,  von  den  Flügelbeinen  unterstützten 
krummen  Fortsatz.  Unsere  Figuren  227  und  228  stellen  (n  n  n") 
die  Bildung  dieser  mächtigen  Knorpelmasse  besser  dar,  als  Beschrei- 
bungen es  vermögen. 

Dieselben  Figuren  zeigen  auch  den  Antheil,  welchen  die  knorpelig 
gebliebenen  Reste  des  Primordialschädels  an  der  Bildung  der  Schädel- 
kapsel überhaupt  nehmen.  Unter  den  Deckplatten  der  Stirqscheitel- 
beine  zieht  sich  eine  breite  Lamelle  (s  )  von  dem  Siebbeine  bis  zum 
Hinterhauptsloche  hin ,  wo  sie  das  nicht  verknöcherte  obere  Hinter- 
hauptsbein ersetzt.  Eine  weite,  nur  mit  Bindegewebe  erfüllte  Lücke 
(/)  durchbohrt  diese  Lamelle.  Eine  ähnliche  Lamelle  (s ,  Fig.  228) 
bildet  den  Boden  der  Schädelhöhle  über  dem  Keilbeine.  Sie  zeigt  zwei 
Löcher  (r,  r' )  zum  Durchtritte  des  Opticus  und  des  Abducens.  Seitlich  ver- 


Amphibien. 


555 


einigen  sich  diese  beiden  Lamellen  durch  die  erwähnten  faserig- 
knorpeligen Wände,  so  dass  der  Primordialschädel  so  zu  sagen  die 
ganze  Innenfläche  des  knöchernen  Hirn&chädels  auskleidet. 

Das  Keilbein  (h,  Fig.  226;  s,  Fig.  228)  bildet  den  Boden  des 
Schädels  und  das  Dach  der  Mundhöhle.  Von  der  ventralen  Seite  aus 
betrachtet,  zeigt  es  die  Gestalt  eines  Dolches  mit  breiter  Klinge,  sehr 
kurzem  Handgriff  und  grossen  seitlichen  Wehrstangen.  Es  ist  eine 
Deckplatte,  welche  nach  hinten  sich  mit  dem  Grundknorpel  des  Schädels 
verbindet,  vorn  bis  zum  Siebbeine  reicht,  während  die  Seitenflügel  die 
Hinterhaupts-  und  Felsenbeine  von  unten  decken.  Mit  den  Stirn- 
scheitelbeinen ist  es  durch  eine  faserknorpelige  Lamelle  verbunden, 
welche  die  seitliche  Schädelwand  bildet. 

Die  Schädelbasis  wird  durch  den  doppelten  Vomer  vervollständigt 
{)i,  Fig.  226;  v,  Fig.  228),   welcher  den  Raum    zwischen  den  Gaumen- 


Fig.  228. 


beinen  und  den  Zwischen- 
kiefern unter  dem  Nasen- 
knorpel ausfüllt.  Der  A^or- 
derrand  dieser  Knochen,  die 
auf  ihrer  Unterfläche  eine 
Querreihe  kleiner ,  spitzer 
Zähnchen  tragen ,  ist  un- 
regelmässig ausgeschnitten. 
Gesichts  Schädel.  — 
Der  Oberkieferbogen 
wird  von  zwei  Knochen- 
paaren gebildet.  Die 
Zwischenkiefer  (?,  Fig. 
225;  i,  Fig.  228)  liegen 
vorn  in  der  Mittellinie  und 
bilden  die  etwas  vorge- 
zogene Schnauzenspitze. 
Zweifach  vergrösserte,  knorpelige  ^'^^  tragen  eine  einfache 
Schädelbasis.  Die  Knorpel  blau,  o,  Occipitale;  Reihe  kurzer  Hakenzähn- 
p,  Petrosum;  s,  Sphenoideum ; /^^,  Frontoparietale;  chen  und  bilden  nach  hin- 
;,^Pterygoideum;i,Jugale;  ,„  Maxillare;  .-,  Inter-  ^^^^  ^-^^^^  aufsteigenden 
maxiUare ;  pt,  Falatmum ;  v,  \omer;-r,  Austritts-  „  „  ,  . 
loch  des  Sehnerven;  >■',  Id.  des  N.  abducens;  c,  ^^  O^'^satz ,  auf  welchen  die 
Felsenbeinknorpel;  pt',  Gelenkfläche  fiir  das  Ptery-  bewegliche  Platte,  welche 
goideum;  sp,  Suspensorium  des  Unterkiefers  luit  das  Nasenloch  schliesst, 
seinen  Verlängerungen  sp'  und  sp";  n,  knorpelige  eingelenkt  ist.  Der  Ober- 
Nasenkapsel     mit     ihren    Verlängerungen    n  — n" .      t    •      p         /        tt        r^-.-    r.mN 

,,-,„.?       "  kiefer  («?,  Fig.  22/,  228) 

(Nach  Ecker.)  ,  \     '        o  '  / 

ist    dünn    und   lang,    vorn 

breiter  als  hinten;    er   bildet   den  äusseren  Rand  des  Kopfes  und  giebt 

diesem   durch   seine   Krümmung   das    eigenthümliche   Aussehen.      Vorn 

verbindet    er   sich    mit   dem   Nasenstirnbein    und   dem   Zwischenkiefer; 


Rana  esculenta. 


556  Wirbelthiere. 

nach  hinten  legt  er  sich  an  das  Aufhängegerüst  des  Unterkiefers  an. 
Auf  der  Unterseite  zeigt  er  eine  Rinne,  deren  innerer  Rand  mit  einer 
Reihe  von  Zähnchen  besetzt  ist  (K,  Fig.  226). 

Der  Gaumenflügelbogen  besteht  ebenfalls  aus  zwei  auf  der 
Unterfläche  des  Kopfes  liegenden  Knochenpaaren.  Die  Gaumen- 
beine (m,  Fig.  226;  pl,  Fig.  228)  liegen  unter  dem  Vordertheile  des 
Siebbeines.  Sie  bilden  zwei  quere  Brücken  zwischen  den  Unterkiefern 
lind  den  Vorderblättern  des  Keilbeines. 

Etwa  dem  Oberkiefer  parallel  laufen  die  Flügelbeine  (</,  Fig.  225; . 
pt,  Fig.  226,  227,  228);  durch  einen  nach  hinten  und  unten  gerich- 
teten Fortsatz  verbinden  sie  sich  mit  dem  Keilbeine  und  durch  einen 
äusseren  Fortsatz  mit  dem  Suspensionsapparat  des  Unterkiefers.  Der 
gekrümmte  vordere  Ast  des  Knochens  verbindet  sich  an  seinem  Ende 
mit  dem  Oberkiefer  und  dem  Nasenstirnbeine. 

Der  Unterkieferbogen  besteht  aus  zwei,  durch  das  Gelenk 
unterbrochenen  Theilen ,  dem  Aufhängeapparat  und  dem  eigentlichen 
Unterkiefer.  Der  erstere,  horizontal  nach  aussen  gerichtete  Theil  be- 
steht aus  zwei,  nur  zum  Theil  verknöcherten  Stücken:  das  Quadrat- 
bein (/t,  Fig.  225;  sp,  Fig.  227,  228),  das  Tympanicum  Cu  vi  er 's, 
entsendet  einen  spitzen  Fortsatz  (sp  )  nach  vorn  über  das  Flügelbein 
und  verbindet  sich  an  seiner  Basis  mit  dem  Felsenbeine,  während  ein 
schief  nach  hinten  gerichteter  Ast  sich  mit  seiner  Vorderfläche  an 
das  Jochbein  (j)  anlegt.  Dieser  spitze  Dorn  (sp )  nimmt  durch 
seine  Basis  Antheil  an  der  Bildung  der  Gelenkhöhle  für  den  Unter- 
kiefer und  verbindet  sich  nach  vorn  mit  dem  Oberkiefer. 

Der  eigentliche  Unterkiefer  (Fig.  229)  besteht  aus  zwei  Bogen, 

welche  vorn  in   der  Mittellinie   zusammenstossen   und  jeder  aus   meh- 

Fio-.  229.  ^  reren     knöchernen     und    knorpeligen 

Stücken     zusammengesetzt     ist.       Die 

Hauptrolle   unter    den    letzteren  spielt 

der    Meckel'sche    Knorpel   (a) ,    der 

allein  den  Gelenkkopf  des  Kiefers  bil- 
Rana  esculenta.-  Km  Ast  des  Vnter-     ^g^.    ^^^^    ^^^y^     g,.^^    ^-^     -^     ^-^    j^.^^^ 

kiefers.     a,    M ecke  1' scher   Knorpel;  .  ^  .  ,        ^  ,      -,-^        ■    ^ 

,    .       1  A  .•    1         7  r>    4-  1       seiner  Lange  erstreckt.    Er  wird  aussen 

0,  Angulare;  c,  Articulare;  «,  Dentale.  _        ° 

von  einer  ausgehöhlten ,  knöchernen 
Deckplatte  umhüllt,  deren  Rinne  er  ausfüllt  und  die  nach  vorn  sich 
über  den  Knorpel  hinaus  erstreckt,  um  mit  drei  Ergänzungsknocben 
in  Verbindung  zu  treten.  Der  eine,  das  Angulare  (5),  wie  es  Duges 
genannt  hat,  gleitet  hinter  die  Spitze  des  Articulare  (c),  welchem  das 
hier  freilich  durchaus  zahnlose  Dentale  (d)  folgt.  Der  Gelenkkopf 
des  Meckel'schen  Knorpels  spielt  in  der  Höhle  des  Quadratbeines 
(/,  Fig.  226). 

Das  durchaus  knorpelige  Zungenbein  (Fig.  230)  besteht  aus 
einem  platten,  scliiklförmigen  Körper  (a) ,  der  an   der  Basis  der  Zunge 


Amphibien. 


557 


liegt  und  nach  vorn  zwei  Hörner,  die  Griffelstäbe  (f?) ,  aussendet, 
die  sich  nach  hinten  und  oben  krümmen  und  schliesslich  jederseits 
an  das  Felsenbein  anlegen.  Von  seinem  Hinterrande  gehen  zwei 
Knochenstäbchen  aus,  die  Schildstäbe  oder  Thy  r  oid  hör  n  er  (e), 
welche  den  Kehlkopf  umfassen.  Die  Winkel  des  schildförmigen  Körpers 
sind  in  kurze  Fortsätze  ausgezogen,  von  welchen  die  vorderen  (b) 
breit  und  abgerundet,  die  hinteren  (c)  spitz  und  griffeiförmig  sind. 

Vorderglied.  —  Der  Schultergürtel  besteht  bei  der  Larve  ur- 
sprünglich aus  einem  Stücke  und  ist  durchaus  von  Knorpel  gebildet,  der 
auch  zum  grossen  Theile  bei  der  späteren  Verknöcheruug  erhalten  bleibt, 
da  nur  vereinzelte  Knochenstücke  sich  auf  und  in  dem  ursprünglichen 
Knorpel  ausbilden.  Wir  können  die  unpaaren  Knochen  als  Brustbein,  die 
paaren  als  Schultergürtelhälften  auffassen ,   müssen  aber  betonen ,  dass 

Fia-.  231. 


Fig.  230.  —  Raiia   esculenta.    —    Dreifach    vergrössertev    Hyoidknorpel.     o,    Körper; 

i,  vordere  Bogen;  c,  hintere  Bogen;  d,  Griffelfortsätze;  e,  Thyroidhörner. 
Fig.  231.  —  Rana  escnleutu.  —  Brustbein  mit  dem  Schultergürtel,  etwa  dreifach 
vergrössert.  Die  knöchernen  Theile  sind  schraffirt.  o,  b,  Episternum ;  c,  c/,  Hypo- 
sternum;  e,  centraler  Knorpel;  /,  Coracoideum ;  g,  Clavicula ;  h,  Primordialknorjiel ; 
i,  Schulterblatt ;  k,  oberes  Schulterblatt ;  /,  dessen  verknöcherter  Theil ;  m,  (links)  Foramen 
ovale ;  m,  (rechts)   Gelenkhöhle. 

es  nicht   ganz   leicht  ist,   innerhalb    der  knorpeligen  Vei'bindungen   zu 
unterscheiden,  was  dem  einen  oder  anderen  angehört. 

Das  in  der  Mittellinie  der  Brust  gelegene  Sternum  besteht 
wesentlich  aus  zwei  Stücken,  dem  vorderen  Episternum  (fl,  &,  Fig.  231) 
und  dem  hinteren  Hypo sternum  (c.  d).  Jeder  dieser  Theile  wird 
von  einem  centralen,  griffeiförmigen  Knochenstücke  (a,  c)  und  einer 
diesem  aufgesetzten  dünnen,  halbmondförmigen  Knorpelplatte  (6,  d) 
gebildet,  die  sich  an  den  Rändern  so  verdünnt,  dass  sie  durchsichtig 
erscheint.  Zwischen  dem ,  den  proximalen  Enden  der  Schlüsselbeine 
aufgesetzten   Episternum   und   dem    in   gleicher  Weise   zu   den  Raben- 


558  Wirbelthiere. 

beiucn  sich  verhaltenden  Hyposternum  ist  in  der  Mittellinie  eine 
Knorpellaraelle  als  Rest  des  Urknorpels  eingeschaltet,  welche  das  eigent- 
liche Sternum  (e)  darstellt. 

Der  S  chultergürt  el  wird  von  vier,  durch  Knorpel  verbundenen 
und  vervollständigten  Hauptstücken  gebildet;  dem  über  den  Rücken 
hinübergeschlagenen  Ober -Schulterblatt,  dem  eigentlichen  seitlichen 
Schulterblatt  und  zwei  queren,  die  Verbindung  mit  dem  Sternum 
herstellenden  Stücken  ,  dem  Schlüsselbeine  vorn  und  dem  Rabenbeine 
hinten. 

Das  Ober-Schulterblatt  (Z;,  l,  Fig.  231)  hat  die  Gestalt  eines 
Spatels.  Der  freie  verbreiterte  Randtheil  (A-),  der  sich  an  die  Wirbel- 
säule anlegt  (n,  Fig.  225),  erscheint  bei  Trockenpräparaten  sehr  durch 
die  Schrumpfung  des  Knorpels  in  seiner  Form  verändert;  nur  der 
Handgriff  des  Spatels,  der  dem  Schulterblatte  ansitzt  (7),  verknöchert, 
besonders  am  Vorderrande.  Man  sieht  auf  seinen  beiden  Flächen  feine, 
zu  dem  freien  Rande  ausstrahlende  Streifen. 

Das  Schulterblatt  (/,  Fig.  231)  ist  ein  viereckiges,  langes,  in 
der  Mitte  etwas  ausgekehltes  Knochenstück,  an  das  vorige  durch 
Knorpel  eingelenkt;  es  zeigt  an  seinem  unteren,  ventralen  Rande  eine 
Rinne,  deren  Ränder  die  Anlage  zweier  Fortsätze  bilden,  mit  denen  es 
sich  an  das  Rabenbein  anschliesst.  Zwischen  diesem  und  dem  Schulter- 
blatte, doch  grösstentheils  im  Bereiche  des  letzteren,  ist  die  Geleuk- 
höhle  (m)  angebracht,  in  welcher  der  Kopf  des  Humerus  spielt. 

Das  Rabenbein  (/,  Fig.  231)  gleicht  in  der  Form  einer  liegen- 
den Sanduhr,  deren  Sternalende  breiter  ist,  als  das  gegen  das  Schulter- 
blatt gerichtete  Ende.  Zwischen  beiden  Knochen  wird  die  Verbindung 
durch  den  Gelenkknorpel  {Cartilago  paragJenoidalis ,  Duges)  her- 
gestellt. 

Das  weit  dünnere,  aber  dem  vorigen  parallel  gelagerte  Schlüssel- 
bein {g,  Fig.  231)  ist  von  ihm  durch  eine  ovale  Lücke  (;»)  getrennt. 
Das  Sternalende  ist  spitz,  das  Aussenende  verbreitert.  Beide  Enden 
treten  zu  den  Knorpelraassen ,  die  wir  schon  erwähnten,  so  dass  der 
Gürtel  auf  der  Sternalseite  vollkommen  geschlossen  ist. 

Arm.  —  Wir  treten  hier  zum  ersten  Male  dem  pentadactylen 
Typus  der  Extremitäten  gegenüber,  der  sich  sofort  durch  eine  unab- 
änderliche Reihenfolge  der  einzelnen  Theile  einführt,  einen  Oberarm- 
knochen (Humerus),  zwei  Vorderarmknochen  (Radius  und  Ulna),  die 
aus  mehreren  Carpalknochen  bestehende  Handwurzel,  fünf  Mittel- 
handknochen und  ebenso  viel,  aus  mehreren  Phalangen  zusammen- 
gesetzte Finger. 

Der  Humerus  (Fig.  232)  ist  ein  mächtiger,  an  beiden  ab- 
gerundeten Enden  verdickter  Cylinderknochen.  Der  proximale,  mit 
Knorpel  überzogene  Gelenkkopf  (c)  spielt  in  der  zwischen  dem  Schulter- 


Amphibien. 


559 


Fig.  232. 


Fio-.  233. 


blatte  und  dem  Rabenknorpel  ausgeschweiften  Gelenkhöhle;  das  distale 
Ende  trägt  einen  vorspringenden ,  halbkugelförmigen  Gelenkkopf  (c'), 
der  in  eine  Höhle  des  Vorderarmknochens  eingepasst  ist.  Auf  der 
Innenfläche  springt  eine  bedeutende,  bis  zur  Hälfte  der  Länge  hinab- 
reichende Leiste  vor,  die  Crista  deltoidea;  bei  den  Männchen  findet 
sich  ausserdem  am  Innenrande  der  distalen  Hälfte  eine  zweite,  vor- 
spi'ingende  Leiste,  die  Crista  mediaJis  (cm),  die  bei  den  Weibchen 
nicht  ausgebildet  ist. 

Der  Vorderarm  (q,  Fig.  225;  rt,  ?>,  c,  Fig.  233)  besteht  aus  einem 
einzigen,  von  vorn  nach  hinten  abgeplatteten  Knochen,  dessen  ur- 
sprüngliche Verschmelzung  aus  zwei  Knochen,  Radius  und  Ulna,  durch 

eine  besonders  in  der 
distalen  Hälfte  ausge- 
prägter Längsfurche  an- 
gedeutet ist.  Das  proxi- 
male Ende  trägt  die 
Gelenkhöhle  für  den 
unteren  Kopf  des  Hume- 
rus;  das  bedeutend  ange- 
schwollene distale  Ende 
ist  mit  Knorpel  belegt, 
der  auf  der  Radialseite 
(b)  dreieckig,  auf  der 
Ulnarseite  (c)  mehr  ab- 
gerundet vorspringt. 

Die  Handwurzel 
(Fig.  233)  besteht  aus 
zwei  Reihen  kleiner, 
während  des  ganzen 
Lebens  grösstentheils 
knorpelig         bleibender 

Carpalknochen.  Die 
proximale  Reihe  besteht 
aus  drei  Knochen,  von 
welchen  der  erste  (Os 
pyramidcde,  d)  mit  dem 
Cubitalende  des  Vorder- 
armbeines, der  zweite  (Lunare,  e)  mit  dem  Radialende  desselben 
Knochens  eingelenkt  ist ,  während  der  dritte  (Navicidare,  f)  nicht  an 
dem  Vorderarmgelenke  theilnimmt.  Die  zweite  Reihe  besteht  eben- 
falls aus  drei  Knochen,  dem  sehr  grossen  Hakeubeine  (Ca_pifafo- 
hamatum ,  g),  welches  einei-seits  mit  dem  Pyramidale  und  Lunaro, 
anderseits  mit  den  drei  äusseren  Mittelhandknochen  eingelenkt  und 
offenbar   aus  der  Verschmelzung  mehrerer  Stücke   hervorgegangen   ist. 


Fig.  232.  —  Ranu  escidenta.  —  Zweifach  vergrösserter 
Humerus  des  Männchens.  u  ,  vorderer  Geleukkopf ; 
Z»,  hinterer  Gelenkkopf ;   cc/,  Crista  deltoidea;   cm,  Crista 

medialis;  t,  Trochlea.  (Nach  Ecker.) 
Fig.  233.  —  Raiia  esculenta.  —  Schwach  vergrösserter 
Vorderfuss.  a,  Vorderai-mknochen ;  b,  radiale  Hälfte 
desselben;  c,  cubitale  Hälfte  ;  (Z,  Pyramidale  ;  e,  Lunare  ; 
/,  Naviculare ;  g,  Capitato-hamatum  ;  h,  Trapezoideum  ; 
/,  Trapeziuni ;  fc,  Metacarpale  des  Daumens ;  /,  üln'ige 
Mittelhandknochen ;  m ,  Phalangen  der  vier  letzten 
Fincjer  2—5. 


560  Wirbelthiere. 

und  zwei  kleinen  Knöchelchen,  von  welchen  das  äussere  {Trapezoi- 
detim,  h)  die  Verbindung  des  Naviculare  mit  dem  Mittelhandknochen 
des  zweiten  Fingers  herstellt,  während  das  innere  (Trapezitim,  i)  den 
Mittelhandknochen  des  Daumens  mit  dem  Naviculare  verbindet.  Alle 
diese  Carpalknochen  sind  in  sehr  verschiedener  Weise  gedeutet  und 
benannt  worden;  wir  bebalten  die  Bezeichnungen  von  Ecker  bei. 

Die  Mittelhand  (?)  zeigt  vier  lange,  stabförmige  Knochen  für 
die  äusseren  Finger  und  ein  sehr  kleines  Knöchelchen  für  den  Daumen, 
das  besonders  bei  den  Weibchen  sehr  reducirt  ist  und  oft  ganz  zu 
fehlen  scheint.  In  der  That  spielt  bei  den  Fröschen  der  zweite  Finger 
die  Rolle  des  Daumens  und  er  ist  es  auch ,  der  bei  den  Männchen  die 
charakteristischen  Bildungen  zeigt,  die  schon  erwähnt  wurden.  In 
Folge  der  Rolle,  die  er  bei  der  Begattung  spielt,  ist  auch  sein  Knochen- 
gerüst stärker  entwickelt,  so  dass  man  schon  an  der  mächtigen  Aus- 
bildung seines  Mittelhandknochens  das  Geschlecht  des  Thieres  erkennen 
kann,  dem  das  Skelett  entnommen  wurde. 

Phalangen  sind  nur  an  den  äusseren  vier  Fingern  entwickelt; 
der  Mittelhandknochen  des  Daumens  trägt  keine  Fingerglieder  und 
bleibt  gänzlich  von  der  Haut  iimhüllt.  Der  zweite  und  dritte  Finger 
zeigen  nar  zwei,  der  vierte  Finger,  der  unter  allen  der  längste  ist,  und 
der  fünfte  Finger  dagegen  drei  Glieder. 

Die  Verschmelzung  des  Radius  und  der  Ulna  zu  einem  einzigen 
Knochen  macht  jede  Pronation  und  Supination  unmöglich.  Die  natür- 
liche Stellung  der  Hand  ist  in  halber  Pronation. 

Das  Hinterglied  des  Frosches  ist  bedeutend  länger  und  mäch- 
tiger als  das  Vorderglied  und  in  jeder  Beziehung  vollkommener  ge- 
bildet. Es  ist  das  wesentlichste  Bewegungsorgan  des  Thieres;  vor- 
trefflich zum  Springen  auf  dem  Boden  organisirt,  wird  es  durch  die 
zwischen  den  Zehen  ausgebreitete  Schwimmhaut  ein  mächtiges  Ruder- 
organ im  Wasser. 

Der  Becken gürtel  (t,u,v,Fig.22ö),  der  die  Beine  mit  der  Wirbel- 
säule fest  verbindet,  hat  im  Ganzen  die  Form  eines  langgestreckten  V, 
dessen  Spitze  durch  die  Scham-  und  Sitzbeine  gebildet  wird,  während 
die  beiden  Darmbeine  die  Seiten  darstellen.  Zwischen  ihnen  in  der 
dorsalen  Mittellinie  erstreckt  sich  der  Stachel  des  Steissbeiues.  Die  drei 
Beckenknochen  nehmen  an  ihrer  hinteren  Vereinigung  gemeinsamen 
Antheil  an  der  Bildung  der  weiten  und  tiefen  Gelenkhöhle  (Äeetahulum) 
für  den  Kopf  des  Oberschenkelbeines. 

Die  beiden  Darmbeine  (t,  Fig.  225)  übertreffen  an  Grösse  die 
anderen.  Sie  vereinigen  sich  mit  ihren  hinteren,  verbreiterten  Enden 
in  der  Mittellinie  und  legen  sich  mit  ihrem  hinteren  Rande  an  die 
Scham-  und  Sitzbeine.  Ihre  stabförmigen  ,  dünnen  Vorderenden  sind 
durch  eine  knorpelige  Symphyse  mit  den  Querfortsätzen  des  nennten 
Wirbels  verbunden.      Ueber  den  grössten  Theil   ihrer  Länge  zieht  sich 


Amphibien. 


561 


Fiff.  234. 


eine  säbelförmige,  scharfe,  verticale  Leiste,  an  welche  sich  die  Mus- 
keln festsetzen.  Der  abgerundete,  untere  Rand  ist  leicht  geschweift. 
Die  kurzen,  unregelmässsig  in  ihren  Conturen  zugerundeten  Sitz- 
beine {v,  Fig.  225)  legen  sich  mit  ihren  inneren  Flächen  an  einander 
und  zeigen  an  der  Verbindungslinie  eine  vorstehende,  verticale  Leiste 
mit  convexem  Hinterrande.  Nach  vorn  vereinen  sie  sich  mit  den 
Darmbeinen,  nach  hinten  mit  den  Schambeinen  {u,  Fig.  225),  die 
knorpelig  bleiben  und  sich  wie  ein  dreieckiger  Keil  in  den  mittleren 
Raum  zwischen  den  anderen  Knochen  einschieben. 

Das  Schenkelbein  (;k,  Fig.  225) 
ist  ein  langer,  cylindrischer,  leicht 
S-förmig  gekrümmter  Knochen.  Sein 
runder,  mit  Knorpel  überzogener,  proxi- 
maler Gelenkkopf  spielt  in  dem  Ace- 
tabulum  des  Beckengürtels;  sein  dista- 
les Ende  ist  auf  der  Fläche  gegen  den 
Vorderbeinknochen  leicht  abge- 
plattet. Dieser  gemeinsame  Knochen 
{y,  Fig.  225)  ist  wie  der  entsprechende 
des  Vorderarmes  aus  der  Verschmel- 
zung des  Schien-  und  Waden- 
beines hervorgegangen,  wie  man  sich 
durch  die  Gegenwart  einer  Längsfurche 
und  auf  Querschnitten,  durch  die  Exi- 
stenz zweier,  mit  den  Berührungs- 
rändern verschmolzenen  Markröhren 
überzeugen  kann.  Nur  sind  dieselben 
so  innig  zusammengefügt,  dass  sie 
zum  Ansätze  der  Muskeln  nur  eine 
seitlich  zusammengedrückte  Axe  bie- 
ten, auf  deren  Mitte  man  ein  kleines, 
in  eine  enge  Spalte  führendes  Ernäh- 
rungsloch sieht.  Die  vordere  Epiphyse, 
welche  eine  doppelte  Längsfurche 
zeigt,  bildet  mit  dem  entsprechenden 
Geleukkopfe  des  Oberschenkels  das 
knochen ;  e,  Cuboideum ; /,  Naviculare ;  Kniegelenk,  das  durch  eine  starke 
rj,  h,  Cunoidea  (Duges);  i,  i,  Meta-  Kapsel  mit  Sehnenbändern  umhüllt 
tarsalia ;  k,  Fingerglieder.  wird. 

Die  Fusswurzel  (z,  11,  Fig.  225)  zeigt,  wie  die  Handwurzel, 
zwei  Reihen  von  Knochen ,  aber  sehr  ungleich  ausgebildet.  Die  erste 
Reihe  besteht  aus  zwei  langen,  mit  ihren  nur  theilweise  verknöcherten 
Enden  verschmolzenen  Knochen,  dem  Fersenbeine  (Z),  Fig.  234)  und 
dem    Sprungbeine    (c,  Fig.   234).      Die    zweite    Reihe   besteht   aus 

Vogt  u.  Yiiiig,  prakt.  vargl.  Anatomie.     II.  grj 


Rana  esculenta.  —  Schwach  vergrgsser- 
ter  Hinterfuss.  «,  Vorderbeinknochen  ; 
h  ,  Astragalus ;  c,  Calcaneum  ;  d,  d', 
verschmolzene  Köpfe  der  Fusswurzel- 


562  Wirbelthiere. 

vier  Knöchelchen,  dem  scheibenförmigen  Cuboideum  (e),  auf  dem  die 
Mittelfussknochen  der  zweiten  und  dritten  Zehe  eingelenkt  sind ;  dem 
Naviculare  (/),  vor  dem  Mittelfussknochen  der  ersten  Zehe,  und  zwei 
zur  Seite  gelegenen  Knöchelchen  (g,  h) ,  die  einen  kleinen ,  hornigen 
Sporn  tragen,  der  auch  am  lebenden  Thiere  zu  sehen  ist  und  als  Rudi- 
ment eines  sechsten  Fingers  angesprochen  wurde. 

Die  fünf  Mittelfussknochen  sind  lang,  stabförmig,  wie  an 
der  Hand.  Die  erste  und  zweite  Zehe  haben  zwei  Phalangen,  die 
dritte  und  fünfte  drei  und  die  vierte,  die  längste  von  allen,  vier  Zehen - 
glieder. 

Muskel  System.  —  Vergleicht  man  die  Musculatur  des  Frosches 
mit  derjenigen  des  Barsches  und  der  Fische  im  Allgemeinen ,  so  fällt 
die  bedeutende  Entwicklung  und  Differenzirung  der  Muskeln  der 
Gliedmaassen  gegenüber  der  Musculatur  des  Stammes  besonders  auf. 
Man  untersucht  dieses  System  am  besten  an  frisch  enthäuteten  und  in 
schwachem  Weingeist  aufbewahrten  Thieren,  wo  die  einzelnen,  etwas 
erhärteten  Bündel  sich  leichter  von  einander  trennen  lassen.  Auch 
kann  man  die  enthäuteten  Thiere  vor  der  Präparation  zwei  oder  drei 
Tage  in  einer  20procentigen  Lösung  von  Salpetersäure  liegen  lassen. 
Nur  muss  man  in  diesem  Falle  znv  Schonung  der  Instrumente  das 
Thier  vorher  sorgfältig  auswaschen  und  jede  Spur  von  Salpetersäure 
entfernen. 

Die  Hautmuskeln,  welche  bei  höheren  Wirbelthieren  oft  eine 
sehr  bedeutende  Rolle  spielen  und  bei  Fischen  fast  ganz  fehlen,  sind 
hier  nur  sehr  schwach  entwickelt.  Der  Brustbein  ha  utmuskel, 
der  seiner  Dünne  und  Durchsichtigkeit  wegen  mit  Vorliebe  zu  histo- 
logischen Untersuchungen  verwendet  wird,  wird  von  zwei  viereckigen 
Lamellen  gebildet,  die  sich  hinten  jederseits  in  der  Höhe  der  Knorpel- 
leiste des  Hyposternum  an  die  Aponeurose  der  äusseren,  schiefen  Mus- 
keln und  vorn  an  die  Haut  der  Brust  festsetzen.  Zwei  kleine  Rücke n- 
hautmuskeln,  die  beim  Abhäuten  sogleich  in  die  Augen  fallen, 
finden  sich  in  der  Steissgegend  an  der  Einlenkung  der  Schenkel. 

Körper muskeln.  —  Nachdem  das  abgehäutete  Thier  mit  der 
Rückenseite  befestigt  worden  ist,  sieht  man  aiif  der  Bauchseite  folgende 
oberflächliche  Muskeln: 

Der  gerade  Bauchmuskel  (r,  /,  Fig.  235)  inserirt  sich  mit 
einer  starken  Sehne  an  der  unteren  Fläche  des  Pubis.  Der  nach  vorn 
verlaufende,  stark  verbreiterte  Muskel  theilt  sich  bald  in  zwei,  ein 
schiefes  Seitenbündel  (r) ,  welches  sich  mit  der  Bauchportion  des 
Brustmuskels  verbindet,  und  ein  gerades  Mittelbündel  (/) ,  das  sich 
zum  Theile  an  die  Innenfläche  des  Hyposternum  ansetzt,  während  die 
grössere  Masse  über  das  Rabenbein  wegzieht  und  zu  dem  Brustzungen- 


Amphibien. 


563 


beinmuskel   sich   erstreckt.      Auf  diesem  Büudel   sieht   man   fünf  quere 
Sehnenstreifen  (Inscriptiones  tendineae). 

Rechts  und  links  von  dem  geraden  Bauchmuskel  schlägt  sich  über 
die  Seiten  hinüber  der  äussere,  schiefe  Bauchmuskel  (oe,  Fig.  235, 
240),  der  als  breite  Platte  sich  in  der  Mittellinie  an  eine  die  geraden 
Bauchmuskeln  verbindende  Aponeurose  und  den  Knorpel  des  Hypo- 
sternutn  ansetzt,  während  er  auf  der  Rückenseite  sich  mit  der  Apo- 
neurose der  langen  Rückenmuskeln  verbindet. 

Fig.  235. 


liana  esculenta.  —  Muskeln  der  ventralen  Körperfläche.  />',  vorderer  Brusttheil  des 
M.  pectoralis;  p" ,  hinterer  Brusttheil  desselben;  p'",  Bauchtheil  desselben;  (Z,  M.  del- 
toideus ;  cA,  M.  coraco-humeralis ;  sr,  M.  sterno-radialis ;  oz,  M.  abdominalis  obliquus 
internus;  oe,  M.  abd.  obliq.  externus;  oe',  Scapulartheil  desselben;  r,  M.  abdomi- 
nalis rectus ;  r',  Mitteltheil  desselben;  oh,  M.  omo-hyoideus ;  sh,  M.  sterno-hyoideus ; 
sm,    M.    submaxillaris ;    sm',  Bündel    desselben    vom    H_voideum    entspringend.      (Nach 

E  c  k  e  r.) 

36* 


564 


Wirbelthiere. 


Fio-.  236. 


Nach  vorn  löst  sich  von  ihm  der  kleine  Schulterblattmuskel 
(oe'j  Fig.  240),  der  sich  an  den  Hinterrand  des  Schulterblattes  ansetzt 
und  mit  seinem  vorderen  Rande  den  Hinterrand  des  breiten  Rücken- 
muskels bedeckt. 

Unter  ihm  breitet  sich  der  innere,  schiefe  Bauch  muskel 
(oi,  Fig.  235)  fächerförmig  zwischen  den  Querfortsätzen  des  4.  bis  zum 
9.  Wirbel  und  den  Beckenknochen  aus;  nach  vorn  verlängern  sich 
seine  Bündel  bis  zum  Brustbeine  und  dem  Schlundkopfe. 

Nach  sorgfältiger  Präparation  dieser  mächtigen  Muskel massen 
wird  das  Thier  umgedreht,  um  die  Muskeln  der  Rückenfläche  zur  An- 
schaiiung   zu   bringen.     Wir   werden   dieselben   nur   kurz   beschreiben, 

da   die  Figuren   den  Text  er- 
läutern. 

lieber  den  ganzen  Rücken 
vom  Steissstachel  bis  zu  den 
Stirnscheitelbeinen  des  Schä- 
dels erstreckt  sich  zu  beiden 
Seiten  der  durch  die  Dorn- 
fortsätze der  Wirbel  bezeich- 
neten Mittellinie  eine  Muskel- 
ausbreitung {fd,fd',  Fig.  236), 
die  sowohl  nach  vorn  als  hin- 
ten sich  in  mehrere  secun- 
däre  Muskeln  theilt  und  die 
meisten  übrigen  Rückenmus- 
keln bedeckt.  Sie  stellt  ge- 
wissermaassen  eine  centrale 
Vereinigung  der  Rückenmus- 
keln in  der  Rückengegend  her. 

Nach  hinten  und  unten  ent- 
Raiia  esculenta. — Rücken- und  Scliultermuskeln.  j    j.   j-  m    lj.      j      •   i\t 
,,     „     .      ,       ,.           ,^       -^     ^   ■   j-i     ,  sendet  diese  Platte   drei  Mus- 
jd,    tascia    dorsalis ,    rechterseits    bei  j     abge- 
schnitten; dm,  M.  depressor  maudibulae,  rechts  ^^^In:  a)  den  langen  Rücken - 
von  seinem  Ursprünge    an    der    Faseie    abgelöst  muskel   (Igcl,  Fig.  237),    der 
und  nach  vorn  zurückgeschlagen;   ?<^,  M.  latissi-  längs     der     Wirbelsäule     VOm 
mus  dorsi;   l,  M.  iufraspinatus  ;   c.   M.  cucuUaris  ;  gteissbeine  sich  ZU  den  Felsen- 
la,  M.  attractor  scapulae ;  sc,  M.   sterno-cleido-  .     .            i       o   i      i   i  i       i  i_ 
,  .,               i\i-       i.     X              1         /xT    1  bemen  des  Schädels  erstreckt, 
raastoideus ;    r ,    M.    retractor    scapulae.     (Nach  "^      v.         w,j  ^  , 

Ecker.)  einen    welligen    Verlauf    und 

vier     quere    Sehnenbändchen 

zeigt;    b)   den   Steisssacral muskel   (cl) ,    der   schief  an    den    Seiten 

des  Kreuzbeines  verläuft,  und  c)  den  Steissbecken muskel  (ci),  der 

dem  vorigen  parallel  läuft. 

Nach  vorn  entsendet  die  Muskelplatte  den  Herabzieher  des 
Unterkiefers  (dm,  Fig.  236),  unter  welchem  sich  der  Kappen- 
muskel (c),  der  breite  R  ückenmusk  el  (?f?)  und  der  Rückzieher 


x\mphibien. 


565 


Fi"-.  237. 


des  Schulterblattes  (r)  befinden,   die   sich  an  den  Bewegungen  des 
Schulteigürtels  und  des  Oberarmes  betheiligen. 

Als  tiefste  Schicht  finden  sich  unter  dem  langen  Riickenmuskel 
kurze  Muskelbänder  (/,  Fig.  237)  zwischen  den  Querfortsätzen  der 
Wirbel.  Das  erste  dieser  Bündel  (ics)  inserirt  sich  vorn  an  dem 
Felsenbeine  und  hinten  an  dem  Querfortsatze  des  zweiten  Wirbels. 

Muskeln  des  Koj)fes. 
—  Wir  erwähnen  auf  der 
Ventralseite  in  erster  Linie 
den  Unterkiefermus- 
kel  (öW»,  Fig.  235),  der  mit 
zwei,  von  einem  medianen 
Sehnenbüudel ausgehenden 
Hälften  mit  seinen  queren 
Fasern  den  ganzen  Raum 
zwischen  den  beiden  Unter- 
kieferhälften ausfüllt  und 
den  Boden  der  Mundhöhle 
bildet.  Von  seinem  liinter- 
rande  lösen  sich  zwei  zu 
den  vorderen  Hörnern  des 
Zungenbeines  gehende 

Muskelbündel  (sin).  Bei 
lebenden  Tbieren  kann 
man  leicht  beobachten,  dass 
dieser  Muskel  zur  Einfüh- 
rung der  Luft  in  die  Lun- 
gen durch  seine  Bewegun- 
gen mitwirkt.  In  dem 
Winkel,  in  welchem  die 
beiden  Unterkieferhälften 
zusammenstossen ,  bedeckt 
er  einen  kleinen,  die  Zahn- 
beine verbindenden  Quer- 
muskel, den  Unterkinn- 
muskel (smt,  Fig.  236). 
An  den  Seitenflächen  des 
Kopfes  tritt  uns  der  den 
Raum  zwischen  dem  Joch- 
beine und  dem  Unterkiefer 
ausfüllende    Kaumuskel 


liuna  esculenta.  —  Rücken-  und  Beckenmuskeln. 
t,  M.  temporalis ;  Igd,  M.  longissimus  dorsi ;  i, 
ilM.  intervertebrales  ;  ici,ics,  M.  attractor  capitis 
inferior  et  superior;  i',  MM.  intercrurales ;  il, 
M.  ileo-lumbalis  ;  cl,  j\I.  coccygeo-sacralis ;  ci,  M. 
coccygeo-iliacus;  oi.  M.  obliquus  internus;  gl,  M. 
glutaeiis.     (Nach  Ecker.) 


entgegen;  dahinter  in  dem  Räume  zwischen  dem  Felsenbeine  und  dem 
Auge  der  Flügelmuskel  und  der  Schläfenmuskel  (f,  Fig.  237). 
Alle  drei  Muskeln  heben   den  Unterkiefer  und  schliessen   so   das  Maul. 


566 


Wirbeltliiere. 


Der  das  Maul  öffnende  Herabziehe r  des  Unterkiefers  {dm, 
Fig.  236),  dessen  Beziehungen  zu  der  Muskelplatte  des  Rückens  wir 
schon  erwähnten,  hat  die  Form  eines  Fächers,  der  mit  seinem  Stiele 
an  den  hinteren  Winkel  des  Unterkiefers  sich  ansetzt. 

Auf  der  dorsalen  Fläche  des  Schädels  finden  wir  nur  zwei  sehr 
kleine  Muskelpaare;  im  Eaume  zwischen  beiden  Oberkiefern  und 
Zwischenkiefern  den  die  Nasenöffnungen  erweiternden  Zwischen- 
kieferrauskel  und  seinen  Antagonisten,  den  seitlichen  Nasen- 
muskel. 

Wir  behandeln  die  Augenmuskeln  gelegentlich  des  Sehorganes 
(S.  585). 

Muskeln  der  Zunge  und  des  Zungenbeines.  —  Wir  erwähn- 
ten schon,   dass   das  freie,  leicht  ausgeschweifte  Ende   der  Zunge  des 


Fig.  238. 


Frosches  nach  hinten  zurück- 
geschlagen ist,  während  der  vor- 
dere Rand  durch  mehrere  Muskel- 
bündel an  dem  Zungenbeinknor- 
pel befestigt  ist.  Nach  Wegnahme 
des  queren  Unterkiefermuskels 
sieht  man  in  der  That  drei  Mus- 
keln mit  Läugsfasern.  Die  bei- 
den seitlichen  Kinnzungen- 
m  US  kein  {gJi,  Fig.  238)  setzen 
sich  vorn  zum  Theile  an  den 
Unterkinnmuskel  (smt),  zum 
Theile  an  den  oberen  Rand  des 
Unterkiefers;  nach  hinten  theilt 
sich  jeder  in  zwei  Bündel;  das 
centrale  Bündel  (gh")  heftet  sich 
Rana  escvlenta.  —  Ventrale  Ansicht  der  an  das  hintere  Hom  des  Zungen- 
Muskeln  des  Zungenapparates.  Der  Unter-  beines,  das  seitliche  Bündel  {gh  ) 
kiefermuskel  (M.  submaxillaris)  (sm)  ist  an    ^^   geringer  Entfernung  an   den 

seiner  Anheftunssstelle  abgeschnitten,     snii,     •,-    ,  -c     l     i.       j         r/ 

,°  .r  •    ,     .,  hinteren    l^ortsatz    des    Zungen- 

M.     sub-mentahs ;    g,    M.    genio-hyoideus ;      ,     •    ,  .. 

gh',    Seitenbündel    desselben;    gh" ,    Mittel-  bemkörpers.^ 
biindel   desselben;   hg,  M.  hypoglossus ;  sh,  Der   mediane,  unpaare  Zun- 

M.  sterno-hyoideus;  s/i',  dessen  seitliche  An-  genmuskel     {hg)     besteht    aus 

heftung;    sh",   dessen    mittlere    Anheftung;  ^^g-     verschmolzenen      Bündeln, 
oh,    M.    omo-hyoideus :     ph,     MM.     petro-  ■,  ^  ,  ,  i        i  •    x 

'.,  .      ^,    „..  ,      „         ,   .  ,/  welche  getrennt  an  den  hinteren 

hyoidei ;    H,    Korper   des    Zungenbeines;    li ,  °  . 

dessen  vordere  Hörner.  (Nach  Ecker.)  Zungenbeinhörnern  ihren  Ur- 
sprung nehmen,  dann  aber  ver- 
schmolzen nach  vorn  zwischen  den  Kinnzungenmuskeln  über  die  ventrale 
Fläche  des  Zungenbeinkörpers  nach  vorn  bis  zum  Vereinigungspunkte  der 
beiden  Unterkiefer  verlaufen.  Von  diesem  Punkte  aus  dringt  der  Muskel 
in  die  freie  Hälfte  der  Zunge  und  strahlt  bis  zu  deren  Rande  aus. 


Amphibien. 


567 


Fis;.  239. 


In  dem  Räume  zwischen  den  hinteren  Bündeln  der  Kinnzungen- 
muskeln verläuft  das  vordere  Ende  des  mächtigen  Brustzungen- 
muskels (sh,  Fig.  238),  der  den  ganzen  Hals  zwischen  dem  Brust- 
beine und  dem  Zungenbeinkörper  einnimmt,  an  dessen  Unterfläche  er 
sich  ansetzt.  Er  ist  nur  eine  Fortsetzung  des  geraden  Bauchmuskels 
und  streicht  in  seinem  Verlaufe  über  die  obere  Fläche  der  Raben-  und 
Schlüsselbeine  unmittelbar  unter  dem  Herzbeutel. 

Wir  erwähnen  noch  einige  kleine,  schiefe  Muskeln,  den  Schulter- 
zungenbeinmuskel (oh,  Fig.  238)  zwischen  dem  Vorderrande  des 
Schulterblattes  und  der  Unterfläche  des  Zungenbeinkörpers  und  die  den 
Schlundkopf  verengernden  Felsenbeinzungenmuskeln  (pJi),  welche 
sich   in   der  Mittellinie   am  Schlundkopfe   und   dem   Zungenbeiukörper, 

seitlich  an  die  Felsen- 
beine des  Schädels  an- 
setzen. 

Muskeln  desSchul- 
ter gürteis  und  des 
Vordergliedes.  —  In 
der  Höhe  des  Schulter- 
gürtels ,  welcher  das 
Glied  an  die  Wirbel- 
säule befestigt,  finden 
sich  zahlreiche ,  meist 
SS  sehr  kurze  Muskeln,  von 
welchen  wir  nur  die 
hauptsächlichsten  er- 
wähnen. Auf  der  Dor- 
salseite zeigen  sich  drei 
Muskelpaare,  welche  das 
Schulterblatt  nach  vorn 
ziehen  und  den  Hinter- 
kopf heben.  Diese  sind: 
der  Heber  des  Schul- 
terblattes (la^  Fig. 
239),  der  Sterno- 
cleido-mastoideus 
(sc)  und  der  Vor  zieh  er 
des  Schulterblattes  (ps). 
Sie  setzen  sich  sämmtlich  an  die  Hinterflächen  des  Felsenbeines  und  der 
Hinterhauptsbeine,  sowie  hinten  an  den  vorderen  Rand  und  die  Aussen- 
fläche  des  Schulterblattes  an. 

Hinter  dieser  Muskelgruppe  zeigen  sich  drei  andere  Muskelpaare, 
die  Quermuskeln  des  Schulterblattes  (ts,  Fig.  239),  welche, 
schief  von  hinten  nach   vorn  verlaufend,   sich   einerseits   an  die  Quer- 


Rcma  esculeuta.  —  Schultermuskeln,  von  unten  ge- 
sehen. Der  Sthultergürtel  ist  iu  der  Mitte  durch- 
schnitten und  seine  Hälften  nach  aussen  geschhigen. 
sc,  M.  sterno-cleido-mastoideus ;  la,  M.  levator  sca- 
pulae;  ts,  M.  transverso -scapularis  magnus ;  tu'. 
Id.  minimus;  is",  Id.  tertius ;  ps,  M.  protraetor  sca- 
pulae ;  is,  M.  interscapularis;  ss,  M.  subscapularis ; 
d,  M.  deltoideus ;  it,  MM.  intervertebrales.  (Nach 
Ecke  r.) 


568 


Wirbelthiere. 


fortsätze  des  dritten  und  vierten  Wirbels,  anderseits  an  den  Hinter- 
rand und  die  Unterfläche  des  Schulterblattes  ansetzen  und  dieses  nach 
hinten,  unten  und  innen  ziehen. 

Der  knöcherne  Theil  des  Schulterblattes  ist  mit  dem  knorpeligen 
durch  einen  auf  der  Unt.erfläche  angebrachten  Zwischenschulter- 
mu  skel  (is)  verbunden.  Endlich  sehen  wir  auf  der  Rückenfläche  noch  den 
Unterschulterblattmuskel  (ss),  der  sich  von  der  oberen  Fläche 
des  knöchernen  Schulterblattes  und  des  Rabenbeiues  zur  Gräte  des 
Humerus  erstreckt;  er  zieht  den  Arm  nach  hinten  an  den  Leib  an. 

Auf  der  Bauchseite  findet  sich  vorn  ein  grosser,  dreieckiger 
Muskel,  der  Beuger  des  Vor  der  armes  oder  Biceps  (sr,  Fig.  235), 
der  in  der  Mittellinie  des  Halses  am  Episternum  breit  entsteht  und 
mit  seinen  convergirenden  Fasern  sich  an  der  Radialseite  des  Gelenk- 
kopfes des  Vorderbeines  ansetzt;  vor  ihm  der  Deltoideu  s  ((^,  Fig.  235, 
239)  zwischen  dem  Schlüsselbeine  und  dessen  Verbindungsknorpel  mit 
dem   Schulterblatte   einerseits   und   der  Gräte   des  Humerus  anderseits, 

Fie-.  240. 


oe'      üs 


Rana  esculenta. —   Stammmuskeln,  von  der  rechten  Seite  gesehen,    oe,  M.  abdominalis 

obliquus  externus ;    oe',  Schvüterblattbündel  desselben;    Id,  M.  latissimus  dorsi ;  i,  M. 

infraspinatus ;    dm,  M.   depressor  mandibulae;  ss,  M.  subscapularis ;  d,  M.  deltoideus ; 

<,  M.  triceps  brachii ;   cd,  M.   cutaneus  femoris.     (Nach  Ecker.) 

der  den  Arm  nach  vorn  zieht,  und  endlich  der  grosse  Brustmuskel 
Qj,  Fig.  235),  der  mit  drei  Portionen  {p — ]}  ),  den  Sterno-radial-Muskel 
zum  Theile  deckend ,  vom  Hyposternum  zu  der  Kante  und  der  mit 
dieser  parallelen  Furche  des  Oberarmbeines  sich  erstreckt.  Der  drei- 
köpfige Muskel  (c,  Fig.  240)  gehört  dem  Humerus  an,  dessen  dor- 
sale Fläche  er  von  der  Schulter  bis  zum  Ellbogen  bedeckt. 

Die  auf  der  vorderen  und  unteren  Fläche  des  Vorderarmbeines 
liegenden  Beuger  des  Vorderarmes  erstrecken  sich ,  die  einen  vom 
Ellbogen  bis  zu  den  Knöchelchen  der  Handwurzel  und  der  Mittelhand, 
die  anderen  vom  Humerus  zur  Radial-  und  Cubitalseite  des  Vorderarm- 
beines; der  zu  ihnen  gehörende  gemeinsame  Fingerbeuger 
(8,  Fig.  223)  breitet  sich  auf  der  Vorderfläche   der  Hand  aus  und  ent- 


Amphibien. 


569 


sendet  zu  jedem  Finger   eine  Sehne, 
sanie  Fingerstrecker,  verhält  sich  iu 
der  Hand.    Wir  erwähnen  noch  unter 


Fig.  241. 


Rana  eaciilenta.  —  ^Muskeln  des  linken 
Hinterfusses ,  von  oben  gesehen.  c«,  M. 
coccygeo-iliacus  ;  (7/,  W.  glutaeus  ;  7;,  M.  pyri- 
l'ormis ;  ra,  M.  rectus  anterior;  ve,  M. 
vastus  externus ;  tr,  M.  triceps;  vi",  M. 
rectus  internus  minor;  sm,  M.  semi-mem- 
branosus ;  b,  M.  biceps ;  g,  M.  gastro-cne- 
mius  ;  f(t,  M.  tibialis  anterior;  pe,  M.  pero- 
neus.    (Nach  Ecker.) 


Sein  Antagonist,  der  gemein- 
gleicher  Art  auf  der  Dorsalfläche 
den  Streckmuskeln  den  Vorder- 
armstrecker und  den  M. 
carpo-ulnaris,  die  beide  auf 
der  oberen  und  hinteren  Fläche 
des  Vorderarmbeines  verlaufen. 

Die  Handmuskeln  sind  äusserst 
zahlreich.  Jeder  Finger  hat  seinen 
besonderen  Beuger  und  Strecker. 
Wir  verweisen  hinsichtlich  ihi'er 
näheren  Beschreibung  auf  Ecker. 

Die  Muskeln  des  Hinter- 
g  1  i  e  d  e  s  sind  weit  länger  und 
kräftiger,  als  diejenigen  der  vor- 
deren Extremität.  Wir  rathen 
den  Anfängern,  sich  durch  die 
Präparation  dieser  Muskeln  für 
diejenige  der  anderen  Muskeln 
einzuüben.  Wir  erwähnen  nur 
die  hauptsächlichsten  und  ver- 
weisen hinsichtlich  der  Einzel- 
heiten auf  Ecker's  Monographie. 

Auf  der  Riickenseite  erscheinen 
fünf  Muskeln:  der  Sitzmuskel, 
Glutaeus  (gl,  Fig.  241),  der  sich 
von  dem  oberen  und  seitlichen 
Rande  des  Darmbeines  zum 
Höcker  des  Gelenkkopfes  des 
Schenkelbeines  erstreckt;  der 
bim  form  ige  Muskel  (j;)  vom 
Schambeine  zu  demselben 
Höcker;  der  dreiköpfige 
Streckmuskel  (tr)  des  Schen- 
kels, der  den  ganzen  Vorderrand 
des  Gliedes  deckt,  sich  an  den 
hinteren  Gelenkkojif  des  Schenkel- 
beines festsetzt  und  nach  vorn 
in  drei  Bündel  sich  theilt,  den 
vorderen,  geraden  Schen- 
ke 1  ra  u  s  k  e  1  (ra)  in  der  Mitte 
zwischen  dem  äusseren,  brei- 
ten Schenkelmuskel  (ve) 
und  dem  inneren  (14,  Fig.  223), 


570  Wirbelthiere. 

Die  beiden  ersteren  (ra  und  ve)  heften  sich  an  das  Darmbein,  der 
letztere  ist  nur  von  der  ventralen  Seite  des  Schenkels  aus  sichtbar  und 
setzt  sich  an  die  Gelenkkapsel  der  Hüfte  an.  Neben  dem  äusseren, 
breiten  Muskel  liegt,  theilweise  von  ihm  bedeckt,  ein  langer,  schmaler 
Muskel,  der  zweiköpfige  Muskel  (b,  Fig.  241  a.  v.  S.) ;  er  setzt  sich 
nach  vorn  über  der  Gelenkhöhle  an  das  Darmbein  und  nach  hinten  mit 
•zwei  getrennten,  in  Sehnen  auslaufenden  Bündeln  an  den  hinteren 
Rollhügel  und  den  Körper  des  Schenkelbeines.  Auf  der  Innenseite 
des  Schenkels  breitet  sich  ein  grosser  Streckmuskel  aus,  der  halb- 
häutige  Muskel  (sm),  der  an  der  Symphyse  der  Darmbeine  ent- 
springt und  sich  an  dem  Kniegelenke  ansetzt.  Diese  grossen  Scheukel- 
muskel  verdecken  kleinere,  tiefe  Muskeln,  die  wir  hier  nicht  weiter 
beschreiben. 

An  der  Unterfläche  des  Schenkels  finden  wir  die  inneren,  ge- 
raden Muskeln  (19  und  20,  Fig.  223).  Der  grössere  derselben  (19) 
ist  breit  und  platt;  er  entsteht  an  der  Schambeinsymphyse  und  setzt 
sich  mit  einer  Sehne  an  eine  kleine  Apophyse  des  Schienbeines.  In 
seinem  hinteren  Drittel  zeigt  er  ein  schiefes  Sehnenbändchen.  Der 
kleinere  Muskel  (20)  verläuft  ganz  am  inneren  Rande  des  Schenkels 
und  setzt  sich  vorn  an  die  Aponeurose  des  geraden  Bauchmuskels 
an,  während  sein  sehniges  Ende  mit  dem  vorigen  Muskel  vei'- 
schmilzt. 

Der  Schneidermuskel  (16,  Fig.  223)  verläuft  in  der  Mitte 
der  ventralen  Schenkelfläche  zwischen  dem  unteren  Winkel  der  Darm- 
beinsymphyse  und  dem  Kniegelenke.  Neben  und  zum  Theil  von  ihm 
verdeckt,  verlaufen  drei  Anzieher  des  Schenkels,  der  lange  An- 
zieher (15,  Fig.  223),  der  kurze  (17)  und  der  grosse  Anzieher 
(18),  die  sich  einerseits  an  die  Symphysen  der  Darm-  und  Schambeine, 
anderseits  an  den  Schenkelknochen  ansetzen. 

Am  Unterschenkel  fällt  vor  allen  anderen  der  mächtige  Beuge- 
muskel, der  Gastrocnemius  (23,  Fig.  223;  g,  Fig.  241)  auf;  er  heftet 
sich  vorn  durch  eine  starke  Doppelsehne  an  das  Schenkel-  und  Unter- 
schenkelbein, während  seine  hintere  Sehne  mit  denjenigen  der  anderen 
Muskeln  zur  Bildung  der  Achillessehne  verschmilzt,  die  sich  am  Fuss- 
gelenke  bedeutend  verdickt  und  in  die  Aponeurose  der  Fusssohle  aus- 
strahlt. 

Theilweise  von  diesem  Muskel  bedeckt,  verläuft  der  die  hintere 
Fläche  des  Unterschenkels  einhüllende  hintere  Schien  bei  umuskel 
(21),  der  sich  an  den  Gelenkkopf  des  Fersenbeines  festsetzt;  der  vor- 
dere Schienbein  muskel  (22,  Fig.  223;  ta,  Fig.  241).  und  der 
S  che  nk  elstr  e  cker  (23)  sind  die  Antagonisten  des  Gastrocnemius. 
Endlich  sieht  man  am  distalen  Ende  des  Unterschenkelbeines  die  Sehnen 
des  Streckers  und  des  Beugers  der  Fusswurzel  (25),  die  das 
Fersen-   iind   Sj^rungbein   bedecken.     An   diesen   Knochen   setzen   sich 


Amphibien.  571 

ebenfalls  zahlreiche  kleine  Bewegungsraiiskeln  der  Zehen  fest,  hinsicht- 
lich deren  genauerer  Beschreibung  wir  auf  Ecker  verweisen. 

Nervensystem.  —  Seine  Präparation  verlangt  viel  Geduld  und 
Sorgsamkeit,  besonders  wenn  es  sich  um  Verfolgung  der  feineren  peri- 
pherischen Nerven  handelt.  Wir  rathen,  diese  Präparate  an  Thieren 
vorzunehmen ,  welche  einige  Tage  in  schwachem  Weingeist  gelegen 
haben;  an  frischen  Thieren  ist  die  Nervensubstanz  sehr  weich  und 
zerreisslich.  Nachdem  man  an  dem  Rücken  des  enthäuteten  Thieres 
die  Muskeln  weggenommen  hat,  welche  die  Wirbelsäule  decken,  sprengt 
man  die  Wirbelbogen  mit  einer  feinen  Scheere,  deren  eingeführtes 
Blatt  man  nicht  zu  tief  einstechen  und  so  horizontal  als  möglich 
halten  muss  ,  um  das  in  dem  Wirbelcanal  liegende  Rückenmark  nicht 
zu  verletzen.  Man  setzt  die  Operation  in  derselben  Weise  an  dem 
Schädel  fort,  um  das  Gehirn  bloss  zu  legen. 

Man  untersucht  die  Rückenfläche  des  so  bloss  gelegten  Central- 
nervensystemes  und  löst  dieses,  von  vorn  nach  hinten  fortschreitend, 
von  dem  Boden  der  Höhlen  ab ,  indem  man  zuerst  die  Riechnerven 
vor  dem  Gehirne  durchschneidet  und  es  dann  allmählich  abhebt,  wo- 
bei man  Sorge  tragen  muss,  die  Hirn-  und  Rückennerven  hart  an  den 
Wänden  des  Canales  zu  durchschneiden.  So  kann  man  das  ganze 
Centralnerven  System  aus  dem  Canale  loslösen,  umdrehen  und  die  Unter- 
fläche untersuchen. 

Man  widmet  den  austretenden  Nerven  und  ihren  Wurzeln  beson- 
dere Aufmerksamkeit.  Mehrere  der  aus  dem  Gehirne  und  dem  ver- 
längerten Marke  austretenden  Nerven  sind  so  fein,  dass  man  die  Lupe 
zu  Hülfe  nehmen  muss,  um  sie  deutlich  zu  unterscheiden.  Das  Rücken- 
mark ist  von  einer  weisslichen,  weichen  Substanz  umgeben,  in  welcher 
man  unter  dem  Mikroskope  zahlreiche  kleine  Kalkkrystalle  sieht,  die 
bei  Verdünnung  mit  Wasser  Brown'sche  Bewegungen  zeigen.  Das 
Gehirn  ist  von  einer  pigmentirten,  gefässreichen  Hülle,  der  Pia  mater, 
umgeben,  die  man  mit  feinen  Pincetten  wegnimmt.  Auf  der  Rauten- 
grube des  verlängerten  Markes  ist  diese  zu  einer  gefalteten,  gefäss- 
reichen Haut,  dem  Choroidplexus,  verdickt ;  die  untere  Fläche  dieser 
Haut  zeigt  eine  Reihe  von  Querfalten,  die  von  einer  medianen  Längs- 
falte ausgehen,  welche  in  den  Sinus  vorspringt.  Jederseits  liegen  an 
den  Austrittsstellen  der  Nerven  an  der  Wirbelsäule  weissliche  Häufchen 
von  Kalkkrystallen. 

Das  Rückenmark  (31,  Fig.  245  und  246)  ist  verliältnissmässig 
sehr  kurz  und  durch  keine  deutliche  Grenze  von  dem  es  nach  vorn 
fortsetzenden,  verlängerten  Marke  geschieden.  Der  Querschnitt  erscheint 
fast  rund  und  zeigt,  wie  bei  allen  Wirbelthieren,  innen  den  kreuz- 
förmigen, aus  Zellen  gebildeten  Kern  von  grauer  Substanz  mit  seinen 
vier  Hörnern ,  welche  in  die  weisse  Rindensubstanz  eindringen ,  die 
wesentlich   aus   Fasern   besteht.     Den  Austrittsstellen    der  Nerven   für 


572 


Wirbelthiere. 


die  beiden  Extreniitiiten  entsprechend  ist  das  Rückenmark  etwas  ver- 
dickt. Es  verdünnt  sich  plötzlich  zwischen  dem  sechsten  und  sie- 
benten Wirbel  und  setzt  sich  mit  einem  feinen  Endfaden  in  den  Canal 
des  Steissbeines  fort. 

Auf  der  venti'alen  wie  auf  der  dorsalen  Fläche  sieht  man  eine 
seichte  Längsfurche-,  die  obere  vpeicht  vorn  auseinander,  um  die 
Rautengrube  zu  bilden,  auf  deren  Boden  der  feine  Centralcanal  sich 
öffnet,  welcher  das  Rückenmark  der  ganzen  Länge  nach  durchzieht. 

Das  Gehirn  (Fig.  242  bis  244)  lässt  auf  seiner  Rückenfläche 
unmittelbar  vier  wohl  markirte  Abtheilungen  unterscheiden ,  die  auf 
der  ventralen  Fläche  (Fig.  243)  weit  weniger  deutlich  hervortreten. 
Diese  Abtheilungen  sind,  von  hinten   nach   vorn:   das   verlängerte 


Fig.  242. 


Fig.  243. 


Fig.  242.  —  Eana  esculenta.  —  Das  Gehirn 
von  oben  gesehen,  dreifach  vei'grössert.  a,  Kiech- 
lappen  (Khinencephalon) ;  &,  Vorderhirn  (Pro- 
sencephalon) ;  c,  Zwischenhirn  (Thalamencepha- 
lon) ;  d,  Mittelhirn  (Sehhügel,  Mesencephalon) ; 
e ,  Kleinhirn  (Cerebellum ,  Epencephalon) ;  /, 
Kautengrube ;  g,  verlängertes  Mark  (Nachhirn, 
Postencephalon);  li,  Riechnerven;  i,  Zirbeldrüse 

(Epiphysis ;  glandula  pinealis). 
Fig.  243.  —  Rana  esculenta.  —  Das  Gehirn 
von  unten  gesehen,  a,  Pdechlappen ;  6,  Vorder- 
hirn (Hemisphären)  ;  c,  Zwischenhirn  ;  rf,  Mittel- 
liirn  ;  h,  h\  Wurzeln  der  Riechnerven  ;  i,  Hirn- 
spalte ;  k,  Lamina  terniinalis;  /,  Chiasma  der 
Sehnerven ;  m,  Tuber  cinereum  ;  ■«,  Hypophysis 
(glandula  pituitaria) ;  o ,  Nervus  ti;ochlearis  ; 
p,  N.  ti-igeminus ;  q,  N.  facialis ;  v,  N.  acusti- 
cus;  s,  N.  abducens ;  f.  NN.  glossopharyngeus 
und  vagus  zusammen;   (^,  N.  hypoglossus. 


Mark  (Myelencephalon,^)  mit 
dem  Kleinhirn  (Epencepha- 
lon,  e)  und  rier  Rau.ten- 
grube  (/),  das  Mittelhirn 
(Mesencephalon,  (Z),  das  Zwi- 
schenhirn (Thalamencepha- 
lon,  c)  und  das  Vorderhirn 
(Prosencephalon,  b) ,  welches 
sich  in  die  Riechknoten  (t/) 
mit  dem  Riechnerven  fortsetzt. 

Das  verlängerte  Mark 
{g ,  Fig.  242)  ist  die  ange- 
schwollene Fortsetzung  des 
Rückenmarkes  nach  vorn.  Es 
ist  fast  so  breit  als  das  Vor- 
derhirn:  die  seitlichen  Netz- 
stränge ( Co)yora  restifor- 
mia)  weichen  in  der  Weise 
auseinander,  dass  sie  eine 
Rautengrube  in  Form  eines 
Dreiecks  bilden,  dessen  Spitze 
nach  hinten  schaut.  Der  Boden 
der  Rautengrube  zeigt  eine 
mittlere  Längsfurche  als  Fort- 
setzung des  Centralcanales 
des  Rückenmarkes,  der  Raiim 
wird  von  der  erwähnten  Ge- 
fässhaut  der  Pia  mater  aus- 
gefüllt. 

Das  kleine  Gehirn  (e,  Fig. 
242,  244)  ist  sehr  reducirt 
und    besteht    nur    aus    einer 


Amphibien, 


573 


schmalen,  unmittelbar  hinter  dem  Mittelhirne  aufgerichteten  Qiier- 
brücke,  die  von  den  Netzsträugen  aufsteigt  und  den  Vorderrand  der 
Rautengrube  bildet,  in  welche  sie  mit  ihrem  etwas  geschweiften  Hinter- 
rande vorspringt.  Auf  der  ventralen  Fläche  ist  es  nicht  sichtbar ;  die 
Stelle,  wo  es  mit  der  Basis  des  verlängerten  Markes  verschmilzt,  wird 
grossentheils  von  der  Hypophyse  bedeckt  (n,  Fig.  243). 

Das  Mittelhirn  (d)  erscheint  bei  der  Ansicht  von  oben  in  Ge- 
stalt zweier  eiförmiger  Massen ,  deren  grosse  Axen  schief  nach  vorn 
und  aussen  gerichtet  sind  und  vorn  einen  dreieckigen ,  von  dem 
Zwischenhirne  ausgefüllten  Winkel  frei  lassen.  Das  Gehirn  erreicht 
hier  seine  grösste  Breite ;  die  beiden  eiförmigen  Hälften  stossen  aber 
nur  in  geringer  Ausdehnung  an  das  Vorderhirn,  weil  in  der  Mitte  das 
Dach  des  dritten  Ventrikels,  über  welchem  noch  obenein  die  Epiphyse 
liegt,  sich  einschiebt.  Auf  der  Ventralfläche  lässt  sich  aber  keine  be- 
stimmte Grenze  zwischen  Mittelhirn  und  Zwischenhirn  feststellen;  beide 
fliessen  hier  in  einem  Zuge  zusammen.  Aus  diesem  Grunde  werden  auch 
die  beiden  Massen  oft  die  Sehhügel  genannt;  in  derThat  nehmen  die 

beiden  Sehnerven  zwar 
im  Mittelhirne  ihren  Ur- 
sprung, bilden  aber  ihr 
Chiasma  auf  der  Unter- 
fläche des  Zwischenhir- 
nes. In  dem  Räume  zwi- 
schen den  auseinander 
weichenden  Schenkeln 
der  Sehnerven  tritt  ein 
grauer  Hügel ,  Tiiber 
cinereum ,  hervor  (m, 
Fig.  243  und  244).  Auf 
Querschnitten  sieht  man, 
dass  jede  Hälfte  des 
Mittelhirnes  im  Inneren 
hohl  ist  und  dass  die 
bedeutenden  Höhlen  einerseits  mit  den  Ventrikeln  der  vorderen  Ab- 
theilungen, anderseits  mit  dem  vierten  Ventrikel  in  Verbindung  stehen, 
der  sich  in  die  Rautengrube  des  verlängerten  Markes  öffnet. 

Das  schon  oben  seinem  äusseren  Ansehen  nach  geschilderte 
Zwischenhirn  (c)  wird  von  einer  kleinen,  rundlichen  Masse  über- 
lagert, der  Epiphyse  oder  Zirbeldrüse  (i,  Fig.  244).  Vor  der- 
selben erstreckt  sich  ein  Gefässplexus ,  der  keilförmig  in  die  das 
Vorderhirn  trennende  Spalte  vordringt.  Eine  unpaare  Höhlung,  der 
dritte  Ventrikel,  zeigt  sich  im  Inneren  des  Zwischenhirnes.  Der- 
selbe mündet  nach  vorn  durch  das  sogenannte  Monro'sche  Loch  in 
den  queren  Ast  der  Vorderhirnventrikel,  nach  hinten  in  den  Mitteltheil 


Rana  esculenta.  —  Profilansiclit  des  Geliinies  von  der 
linken  Seite,  a,  b,  c,  d,  e,  wie  in  Fig.  242  ;  f,  Rücken- 
mark ;  h,  h! ,  Wurzeln  des  Riechnerven ;  i,  Zirbeldrüse ; 
k,  Sehnerv ;  /,  Tractus  opticus ;  m,  Tuber  cinereum ; 
71,  Hypophysis ;  o,  Nervus  trochlearis ;  p,  NN.  trigemi- 
nus ,  facialis  und  acustieus  zusammen ;  </,  NN.  glosso- 
pharyngeus,  vagus  und  accessorius  Willisii  zusammen; 
r,   N.  h^^poglossus ;  s,   t,  Spinalnerven. 


574  Wirbelthiere. 

der  Ventrikel  des  Mittelhirnes.  Die  ventrale  Fläche  des  Zwischen- 
hirnes wird  von  dem  Chiasina  der  Sehnerven  (?,  Fig.  243)  und  von 
dem  grauen  Hügel  bedeckt.  Die  grossentheils  aus  Zellen  gebildeten 
Wände  des  Zwischenhirnes  werden  durch  eine  hintere  Quer- 
coramissiir  mit  einander  verbunden, 

Die  stark  in  die  Länge  gezogenen  Hälften  des  Vor  derhir  ne  s  (?>) 
erscheinen  hinten,  wo  sie  an  dem  Zwischenhirne  ansitzen,  etwas  breiter 
und  abgerundet,  während  sie  nach  vorn  mit  einer  nur  seichten  Ab- 
grenzung sich  in  die  Riechlappen  (a)  fortsetzen.  Hier  sind  sie 
auch  in  der  Mittellinie  mit  einander  verbunden ,  während  sie  nach 
hinten  durch  eine  tiefe  Längsspalte,  die  grosse  Hirnspalte 
(Fig.  242),  getrennt  werden,  welche  von  einer  Einfaltung  der  Pia  mater 
ausgekleidet  wird.  Auf  dem  Boden  dieser  Spalte  breitet  sich  eine 
nach  vorn  ausgeschweifte  Lamelle  von  grauer  Substanz,  die  Lamina 
terminalis  {k,  Fig.  243),  aus.  Will  man  von  unten  her  die  Hiruspalte 
sehen,  so  muss  man  diese  Lamelle  aufheben. 

In  den  Hirnhälften  finden  sich  die  beiden  Seitenventrikel, 
die  sich  bis  in  die  Riechlappen  erstrecken  und  hinten  durch  eine  Quer- 
höhle mit  einander  in  Verbindung  stehen. 

Peripherisches  Nervensystem.  —  Das  Rückenmark  ent- 
sendet zehn  Paar  Spinalnerven,  die,  wie  gewöhnlich,  mit  einer 
oberen  dorsalen ,  sensitiven  und  einer  unteren  ventralen ,  motorischen 
Wurzel  entspringen.  Erstere  Wurzel  besteht  aus  mehreren  Fibrillen, 
die  sich  in  kurzer  Entfernung  von  dem  Marke  zu  einem  Bündel  ver- 
schmelzen, das  unmittelbar  nach  dem  Austritte  aus  dem  Wirbelcanal 
zu  einem  kleinen,  spindelförmigen  Ganglion  anschwillt,  in  dessen 
untere  Fläche  die  entsprechende  motorische  Wurzel  eindi^ingt.  Alle 
aus  dem  Ganglion  austretenden  Nervenäste  sind  somit  gemischter 
Natur.  Gewöhnlich  entspringen  aus  dem  distalen  Rande  des  Ganglions 
zwei  Nervenäste,  ein  oberer  oder  hinterer,  welcher  sich  bald  in  einen 
Muskelzweig  für  die  Rückenmuskeln  und  einen  Hautzweig  für  die 
Rückenhaut  theilt,  und  ein  unterer  oder  vorderer,  der  weit  stärker  ist 
und  complicirteren  Verlauf  zeigt.  Unmittelbar  nach  seinem  Beginne 
sendet  der  untere  Ast  einen  dünnen  Verbindungszweig  zu  dem  ent- 
sprechenden Ganglion  des  sympathischen  Grenzstranges,  so  dass  also 
zwischen  allen  Spinalnerven  und  dem  sympathischen  Systeme  eine  Ver- 
bindung hergestellt  ist.  Die  übrigen  Zweige  variiren  je  nach  der 
Umgebung;  sie  verlaufen  im  Allgemeinen  zu  den  ihnen  benachbarten 
Muskeln ,  Hautregiouen  und  den  übrigen  Organen.  Wir  können  auf 
die  Einzelheiten  hier  nicht  eingehen  und  verweisen  bezüglich  der- 
selben auf  die  Beschreibung  von  Ecker  und  Wiedersheim.  Wir 
geben  nur  einige  Andeutungen. 

Der  erste  Spinalnerv  (iüf^  Fig.  245,  246)  ist  bei  dem  Frosche 
nichts  Anderes  als  der  N.  hypoglossus,  den  wir  bei  den  Hirnnerven  ab- 


x\mphibien. 


575 


handeln    werden,    obgleicli    er   durch    ein    zwischen    dem    ersten    und 
zweiten  Wirbel  angebrachtes  Loch  aus  dem  Canale  austritt. 

Der  zweite   Spinalnerv,   der  Arm  nerv  {M-),  tritt  zwischen 

Er    vereinigt    sich    mit    dem 
dritten,  um  mit  diesem 


dem    zweiten    und    dritten   Wirbel   aus. 
Fig.  245. 


Rana  esculenta.  —  ßiickeuansicht  von  Gehirn  und 
Rückenmark.  W^  bis  TF^",  abgetragene  Wirbel;  j;^ 
bis /liio^  Spinalnerven;  VG,  Gass  er 'scher  Knoten  des 
Trigeminus ;  XG,  Ganglion  des  Vagus.  (Nach  Ecker 
und  Wiedersheim.) 


das  Armgeflecht  zu 
bilden,  das  zu  sämmt- 
lichen  Mtiskeln  der  vor- 
deren Extremität  zahl- 
reiche Zweige  aussen- 
det, die  nach  ihren 
zugehörigen  Muskeln 
benannt  worden  sind. 

Die  drei  folgenden 
Nervenpaare  (ü/^  bis  M'^) 
begeben  sich  zu  den  be- 
nachbarten Muskeln  der 
^^  Bauchwände;  einer  ihrer 
Ma  Aeste  durchsetzt  die 
Ms  Muskelschichteu  und 
verästelt  sich  in  der 
Haut  des  Bauches,  wäh- 
rend der  andere  sich 
zwischen  den  Muskel- 
fasern vertheilt. 

Die  drei  folgenden 
Paare  {M\  M\  M^)  lau- 
fen nach  hinten ,  legen 
sich  aneinander,  um 
die  sogenannte  Cauda 
equina  zu  bilden,  und 
vereinigen  sich  in  der 
Nähe  des  Schenkelkopfes 
mit  dem  zehnten  aus 
dem  Steissbeine  austre- 
tenden Paare  zur  Bil- 
dung des  grossen  Bein - 
gefl  echtes  {Plexus 
sacro  -  coccygeus).  Von 
diesem  Plexus  gehen 
nicht  nur  die  grossen, 
so  häufig  zu  Versuchen 
in  Anspruch  genomme- 
nen Beinnerveu,  sondern 


576  Wirbelthiere. 

auch  viele  Zweige  zu  den  in  dem  hinteren  Abschnitte  der  Bauchhöhle 
eingeschlossenen  Organen  (Harnblase,  Rectum,  Eileiter  etc.)  ab. 

Am  Ursprünge  des  unteren  Astes  eines  jeden  Spinalnerven  liegt 
ein  kreideweisses,  mit  Kalkkrystallen  gefülltes  Säckchen. 

Hirnnerven.  —  Mit  Ausnahme  des  Hypoglossus,  der,  wie  schon 
bemerkt,  seinem  Ursprünge  nach  ein  Spinalnerv  ist  und  zwischen  dem 
ersten  und  zweiten  Wirbel  austritt,  entspringen  diese  Nerven  seitlich 
vom  Hirnstamme  und  dem  verlängerten  Marke. 

Der  Hypoglossus  (M^ ,  Fig.  245,  246)  entspringt  mit  zwei 
Wurzeln,  einer  starken  unteren  und  einer  oberen,  so  dünnen,  dass  sie 
dem  blossen  Auge  kaum  sichtbar  ist.  Nach  seinem  Austritte  aus  dem 
Zwischenwirbelloche  vereinigt  er  sich  innig  mit  dem  Sympathicus,  kreuzt 
dann  den  Vagus  von  oben  und  verzweigt  sich  hierauf  in  den  Muskeln 
des  Zungenbeines  und  der  Zunge  selbst.  Mittelst  eines  oder  zweier 
Aestchen  nimmt  er  auch,  wie  bei  den  Fischen,  an  der  Bildung  des  Arm- 
geflechtes Antheil. 

Weiter  nach  vorn  finden  wir  mehrere  Nerven,  welche  aus  dem 
grossen  Ganglion  des  Vagus  austreten. 

Der  Vagus  (XG,  Fig.  245;  X,  246)  entspringt  an  dem  ver- 
längerten Marke  mit  mehreren  Wurzeln,  die  sich  alle  zu  einem  be- 
deutenden Ganglion  vereinigen,  aus  welchem  von  hinten  nach  vorn  der 
Vagus,  Glossopharyngeus  und  Facialis  entspringen.  Der  gemeinsame 
Stamm  dieser  drei  Nerven  ist  durch  feine  Fädchen  einerseits  mit  dem 
Sympathicus,  anderseits  mit  dem  Ganglion  Gasseri  des  Trigeminus  in 
Verbindung  gesetzt. 

Der  Vagusstamm  tritt  durch  ein,  vor  dem  Gelenkkopfe  des  Hinter- 
hauptes gelegenes  Loch  aus  der  Schädelhöhle  und  krümmt  sich  nach 
unten  und  hinten  auf  der  Seite  des  Halses ;  er  liegt  zwischen  dem 
Hypoglossus  und  der  aufsteigenden  Aorta  und  theilt  sich  bald  in 
mehrere  Aeste.  Nahe  beim  Ganglion  entsendet  er  von  seinem  oberen 
Rande  zwei  feine  Zweige ,  von  denen  der  eine  zu  dem  zweibäuchigen 
und  dem  Schläfenmuskel  geht  und  dann  sich  in  der  Haut  über  der 
Schulter  verästelt,  während  der  andere,  der  von  den  meisten  Autoren 
als  Bei  nerv  (Nervus  accessorius  Willisü)  aufgefasst  wird,  den  Trapez- 
muskel versorgt.  Nach  Abgabe  einiger  Fädchen  an  den  Felsenzungen- 
muskel und  an  die  Schleimhaut  des  Pharynx  löst  er  sich  durch  Zwei- 
theilung nach  und  nach  in  vier  bedeutendere  Zweige  auf,  die  von 
hinten  nach  vorn  sind:  a)  der  Kehlkopfnerv,  der  nach  hinten  zu 
den  Hinterhörnern  des  Zungenbeines  sich  begiebt  und  die  dortigen 
Muskeln,  sowie  die  Schleimhaut  des  Kehlkopfes  versorgt;  b)  der 
Magennerv,  der  sich  an  dem  Kreuzungspunkte  des  Stammes  mit  dem 
Hypoglossus  abzweigt  und  gerade  nach  hinten  zu  dem  Magen  sich  be- 
giebt; c)  der  Lungen  nerv,  der  anfangs  dem  vorigen  fast  parallel 
läuft,   dann    sich  aber  zur  Lunge   hinüberschlägt,   und   endlich    d)  der 


Amphibien. 


577 


Herznerv,  der  sich  in  den  Herz  wänden  verzweigt.     So  versorgt  der 
Vagus  beim   erwachsenen  Thiere   eine  ziemliche  Anzahl   von  Organen, 
Fio-.  246.  während  er  bei  der  Kaul- 

quappe eine  sehr  ver- 
schiedene, dem  bei  den 
Fischen  vorhandenen 
Verhalten  (S.  518)  ähn- 
liche Anordnung  zeigt. 
Der  Stamm  des  G 1  o  s  - 
sopharyngeus  (X^, 
Fig.  246)  tritt  gemein- 
schaftlich mit  dem  Va- 
gusstamme aus  dem  Ge- 
hirne aus,  trennt  sich 
aber  bald  von  demselben 
und  theilt  sich  in  zwei 
Aeste ,    einen    vorderen 

Rana  esculenta.  —  Gesammt- 
ansicht des  centralen  Nerven- 
systemes ,  von  unten  ge- 
sehen. Tic,  Hemisphäre ;  Lop, 
Seilhügel;  M,  Rückenmark. 
Die  Linie  des  Buchstabens 
M  bezeichnet  etwa  die  Grenze 
zwischen  Rückenmark  und 
verlängertem  Marke.  /,  Ner- 
vus olfactorius ;  II,  N.  opti- 
cus ;  IJI,  N.  oculomotorius ; 
TV,  N.  trochlearis  ;  V,  N.  tri- 
geminus ;  VI,  N.  ahducens  ; 
VII,  N.  facialis;  VIII,  N. 
acusticus ;  A',  N.  vagus;  X^, 
Verbindungszweig  zwischen 
Trigeminus  und  Vagus ;  X^, 
N.  glossopharyngeus ;  A'^,  Ein- 
geweideast des  Vagus ;  A'*, 
Hautast  desselben ;  Vs,  zum 
Gasser' sehen  Knoten  ge- 
hendes Vorderende  des  N. 
sympathicas ;  Va,  Augenast 
des  Trigeminus ;  Vh ,  Gau- 
menast ;  Vr,  Oberkieferast ; 
Vd,  Unterkieferast ;  Ve,  Ast 
zum  Trommelfell ;  M^  bis 
iü^",  Spinalnerven;  .V\  N. 
hypoglossus ;  Jy^,  Armnerv; 
S,  Grenzstrang  des  Sym- 
pathicus ;  S^  bis  »S^°,  Ganglien  desselben;  SM,  Verbindungszweige  dieser  Ganglien 
mit  den  Spinalnerven.  (Nach  Ecker  und  Wiedersheim.) 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  qj 


578  Wirbelthiere. 

zui'  Verbindung  mit  dem  Facialis  und  einen  ventralwärts  absteigenden 
Ast,  welcbex'  sieb  am  Zungenbeine,  auf  dem  Boden  der  Mundböble  iind 
in  der  Scbleimbaut  des  Pharynx  verzweigt.  Die  Hauptzweige  des 
Nerven  findet  man  leicht,  da  sie  unmittelbar  an  der  hinteren  Wand 
der  Gehörkapsel  anliegen. 

Der  Acusticus  (VIII,  Fig.  246)  und  der  Facialis  (VII)  ent- 
springen zwar  gemeinschaftlich  an  den  Seiten  des  verlängerten  Markes, 
trennen  sich  aber  bald.  Der  erstere  dringt  unmittelbar  in  die  Hör- 
kapsel ein;  wir  werden  seine  Verzweigung  bei  Gelegenheit  des  Gehör- 
organes  behandeln.  Der  Facialis  verläuft  noch  innerhalb  der  Schädel- 
höhle nach  vorn  und  tritt  dann  in  den  Gasser' sehen  Knoten  ein, 
an  welchem  ausserdem  der  Trigeminus  (F)  und  der  Abdueens  (VI) 
Antheil  nehmen.  Letzterer,  der  dünnste  Hirnnerv,  entspringt  selb- 
ständig an  der  Unterfläche  des  verlängerten  Markes  und  läuft  schief 
nach  vorn  zu  dem  erwähnten  Ganglion.  Da  drei  Nerven  an  dessen 
Bildung  sich  betheiligen,  so  hält  es  schwer,  festzustellen,  welchem 
Nerven  die  Zweige  angehören,  die  aus  dem  Gass er' sehen  Knoten 
austreten.  Ohne  auf  die  feinen  mikroskopischen  Untersuchungen, 
welche  man  über  diesen  Punkt  angestellt  hat,  näher  eingehen  zu 
wollen,  bemerken  wir  nur,  dass  man  zu  dem  Resultate  gekommen  ist, 
dass  der  Augenast  des  Trigeminus  Nervenfasern  vom  Abdueens  ent- 
hält, während  der  Gaumen-,  der  Zungenkiefer-  und  der  Zungenbeinast 
vom  Facialis  geliefert  werden. 

Genau  an  dem  Punkte,  wo  der  Augenast  aus  dem  Gasser'schen 
Knoten  austritt,  iim  sich  nach  vorn  zu  wenden,  gehen  zwei  feine 
Fädchen  ab ,  die  zweifellos  dem  Abdueens  angehören.  Das  eine  ver- 
zweigt sich  in  dem  Rückzieher  des  Augapfels,  das  andere  in  dem 
geraden,  äusseren  Augenmuskel. 

Der  Gaumen-,  Hy omandibul  ar-  und  Zungenbeinnerv 
gehören  sicherlieh  dem  Facialis  an,  sind  aber  ihrer  Feinheit  wegen 
schwer  zu  verfolgen.  Um  sie  zu  präpariren,  muss  man  von  der  ven- 
tralen Seite  aus  vorgehen  und  sorgfältig  das  Grundbein,  Keilbein  und 
Flügelbein  wegnehmen.  Die  Namen  bezeichnen  hinlänglich  ihre  Ver- 
breitungsbezirke. 

Der  Trigeminus  (V)  tritt  in  geringer  Entfernung  vor  dem  Facialis 
und  Acusticus  aus  dem  verlängerten  Marke  mit  nur  einer  Wurzel, 
nicht  mit  zweien,  wie  bei  dem  Barsche,  aus.  Noch  innerhalb  der 
Schädelhöhle  bildet  er  das  bedeutende,  unter  dem  Namen  des  Gasser'- 
schen Knotens  bekannte  Ganglion  (VGr,  Fig.  245),  aus  welchem 
zwei  starke  Nerven  austreten,  welche  im  hinteren  ^Winkel  der  Augen- 
höhle den  Schädel  verlassen. 

Der  vordere,  der  Augennerv  des  Trigeminus  (Va,  Fig.  246), 
läuft  horizontal  an  der  Aussenwand  des  Schädels  über  den  Sehnerven 
weg  nach  vorn  zwischen  den  Augenmuskeln   durch,   giebt   hier  einige 


Amphibien.  579 

feine  Zweige  an  den  Augapfel  und  lässt  sich  nach  vorn  bis  zu  der 
Nase  und  der  Schnauzenspitze  verfolgen ,  die  er  mit  Zweigen  ver- 
sorgt. 

Der  hintere  oder  Kiefer  nerv  läuft  auf  den  Boden  der  Augen- 
höhle und  theilt  sich  bald  in  zwei  Aeste ,  den  Oberkiefernerven 
(Vc),  der,  längs  des  Oberkiefers  verlaufend,  allen  benachbarten  Theilen 
bis  zu  den  Lippen  Zweige  abgiebt,  und  den  Unterkiefer  nerven 
(Vd),  welcher  sich  um  den  Schläfenmuskel  herumschlingt,  den  Kau- 
muskel durchsetzt  und  die  Unterkiefergegend  in  ihrer  ganzen  Länge 
mit  Zweigen  versieht. 

Hierauf  folgen  zwei  sehr  feine  Augenmuskelnerven.  Der  hintere, 
der  Trochl  e  aris  (/Fj,  tritt  vor  dem  Trigeminus  aus  dem  Schädel  aus 
und  begiebt  sich  unmittelbar  zu  dem  oberen  schiefen  Augenmuskel,  in  dem 
er  sich  verzweigt;  der  vordere,  der  Oculomoto  rius  (7ZZ),  entspringt 
an  der  Hirnbasis  auf  der  Grenze  zwischen  dem  Mittelhirne  und  der 
Hypophyse,  tritt  durch  ein  besonderes  Loch  vor  dem  Gasser' sehen 
Knoten  aus  dem  Schädel  und  versorgt  die  übrigen  geraden  Atigen- 
muskeln. 

Der  Sehnerv  (II),  nebst  dem  folgenden  der  grösste  Hirnnerv, 
tritt  auf  der  Unterfläche  des  Mittelhirnes  seitlich  aus  der  Hirnmasse 
und  läuft  schief  nach  vorn,  um  mit  demjenigen  der  anderen  Seite 
durch  Kreuzung  der  Fasern  ein  breites  Chiasma  zu  bilden.  Von  diesem 
aus  gehen  die  beiden  Nerven  direct  jederseits  zu  dem  Augapfel ,  in 
welchem  sie  sich  als  Retina  ausbreiten. 

Der  Riechnerv  (/)  bildet  die  unmittelbare  Verlängerung  des 
vor  dem  Vorderhirn  gelegenen  Riechlappens  und  verästelt  sich  auf  der 
Schleimhaut,  welche  den  Hintergrund  der  Nasenhöhlen  auskleidet. 

Sympathisches  Nervensystem.  —  Nach  Eröffnung  der 
Bauchhöhle  desauf  den  Rücken  gelegten  Thieres  sucht  man  den  Grenz- 
strang dieses  Systemes  neben  der  Aorta  auf,  mit  welcher  parallel  er 
in  unmittelbarer  Nähe  der  Wirbelsäule  verläuft,  oder  man  sucht  seinen 
Endfaden  an  dem  Gasser'schen  Knoten  bei  Untersuchung  der  Hirn- 
nerven auf  und  verfolgt  dann  den  Grenzstrang  weiter  nach  hinten. 
Die  Präparation,  besonders  der  Verzweigungen  und  zahlreichen  anasto- 
mosirenden  Geflechte  an  den  Eingeweiden  und  denGefässen  ist  äusserst 
schwierig;  man  wird  mehrtägiges  Eintauchen  in  eine  SOprocentige 
Lösung  von  Salpetersäure  zu  Hülfe  nehmen,  um  die  im  frischen  Zu- 
stande sehr  weichen  und  zerreisslichen  Neryenfädchen  einigermaassen 
zu  festigen. 

Wie  oben  gesagt,  besteht  das  sympathische  System  wesentlich  aus 
zwei,  der  Wirbelsäule  parallel  laufenden  Grenzsträngen,  deren  jeder, 
den  Spinalnerven  entsprechend,  in  zehn  Ganglien  anschwillt  (S,  Fig.  246). 
Der  Strang   beginnt   im   Kopfe   mit   einem    feinen,    aus   dem   hinteren 


I 


580  Wirbelthiere. 

Rande  des  Gasser'schen  Knotens  entspringenden  Fädchen,  das  auf 
seinem  Verlaufe  nach  hinten  Verbindungsfäden  mit  dem  Glossopharyn- 
geus  und  Vagus  austauscht.  Der  Grenzstrang  tritt  hinter  dem  Vagas- 
gangliou  aus  dem  Schädel  aus  und  läuft  ventralwärts  von  den  Spinal- 
wurzeln an  den  Wirbelkörpern  nach  hinten.  An  dem  Hypoglossus, 
welcher  der  erste  Spinalnerv  ist,  schwillt  er  zu  einem  ersten  Ganglion 
(S^)  an,  das  durch  mehrere  Fädchen  mit  dem  Hypoglossus  in  Verbin- 
dung steht. 

Die  beiden  folgenden  Ganglien,  welche  in  der  Höhe  der  das  Arm- 
geflecht bildenden  Nerven  liegen,  senden  feine  Fäden  zu  den  Aorten- 
bogen, die  bis  zu  den  Herzwandungen  vordringen  und  dort  mit  den 
Herzganglien  in  Verbindung  treten,  welche  an  den  Ursprungsstellen 
der  grossen  Blutgefässstämme  liegen. 

Von  dem  dritten  Spinalnerven  an  setzt  sich  die  Ganglienkette  an 
der  Seite  der  Aorta  nach  hinten  fort;  jedes  dreieckige  oder  spindel- 
förmige Ganglion  steht  durch  einen  vorderen  und  mehrere  hintere  Fäd- 
chen mit  den  correspondirenden  Spinalnerven  in  Verbindung  und  ent- 
sendet zahlreiche  Zweige  an  die  Aorta  und  deren  Aeste ,  welche  mit 
diesen  in  die  betreffenden  Organe  eindringen  imd  dort  oft  sehr  com- 
plicirte  Geflechte  bilden,  die  meist  nur  durch  besondere  Reagentien  (Os- 
miumsäure, Goldchlorid  etc.)  zur  Anschauung  gebracht  werden  können. 
Derartige  Plexus  finden  sich  am  Magen,  an  der  Leber,  den  Nieren,  der 
Harnblase  etc.  Die  letzten  Endfäden  des  Grenzstranges  begleiten  con- 
vergirend  die  Schenkelarterien. 

Sinnesorgane.  —  Nur  während  des  Larvenzustandes  als  Kaul- 
quappen finden  sich  bei  dem  Frosche  Seitenorgane  ähnlich  denjenigen 
der  Fische.  Mit  der  Vertauschung  des  Lebens  im  Wasser  gegen  das- 
jenige in  freier  Luft  bei  der  letzten  Metamorphose  treten  diese  Organe 
in  die  Haut  zurück  und  verändern  sich  durch  Abplattung  ihrer  Sinnes- 
zellen bis  zu  gänzlichem  Schwunde.  Jedenfalls  findet  man  bei  dem 
erwachsenen  Frosche  keine  solche  Sinneshügel,  wie  sie  bei  den  Fischen 
vorkommen. 

Dies  hindert  nicht,  dass  zahlreiche  Nervenfädchen  sich  in  der 
Haut  verzweigen  und  namentlich  um  die  Drüsen  herum  in  dem  Binde- 
gewebe der  Haut  Geflechte  bilden.  Einige  dieser  Fädchen  erheben 
sich  senkrecht  gegen  die  Haut  und  verzweigen  sich  am  Grunde  der 
Warzen  in  Haufen  von  platten  Zellen,  deren  Zahl  sehr  wechselt.  Histo- 
logische Untersuchungen  mit  Hülfe  von  Osraiumsäure  oder  Goldchlorid 
und  Anfertigungen  von  feinen  Schnitten  sind  nöthig,  um  sich  über  die 
zumal  je  nach  den  Körperstellen  sehr  variable  Structur  dieser  Tast- 
wärzchen  Rechenschaft  zu  geben. 

In  der  Schleimhaut  der  Mundhöhle  sind  überall  Geschmacks- 
organe   zerstreut,   welche  in  ihrem   Bau   den   Tastwärzchen   ähneln, 


Amphibien.  581 

die  man  auf  der  Haut  am  Kopfe  der  Fische,  in  der  Mundhöhle  und 
auf  der  Zunge  derselben  findet.  Sie  finden  sich  besonders  auf  den 
Wärzchen  der  Zunge  und  auf  dem  Gaumen ,  von  den  Gaumenzähnen 
an  bis  zum  Eingange  des  Schlundes,  aber  niemals  ausserhalb  der 
-Mundhöhle  wie  bei  den  Fischen. 

Die  schwammförmigen  Wärzchen  der  Fi-oschzungen  siiid  auf  ihrer 
ganzen  Oberfläche  mit  verschiedenartig  geformten  Zellen  bekleidet, 
deren  Structur  und  Beziehungen  zu  den  Xervenendigungen  die  Ilisto- 
logen  vielfach  beschäftigt  haben.  Diese  Zellen  unterscheiden  sich  nur 
durch  ihre  Dimensionen  von  den  Zellen ,  welche  die  Geschmacksinseln 
bilden,  die  in  dem  Wimperepithelium  des  Daches  der  Mundhöhle  zer- 
streut sind.  Man  bezeichnet  die  einen  wie  die  anderen,  nach  Merkel, 
als  Endscheiben.  Eine  ausführliche  Beschreibung  derselben  findet 
sich  in  der  Arbeit  von  Fajersztajn  (s.  Lit.).  Wir  machen  hier  nur 
auf  die  in  letzter  Zeit  vielfach  behauptete  Ansicht  aufmerksam ,  wo- 
nach diese  Endscheiben  eher  Tastorgane  als  Geschmackswärzchen  sind, 
da  bei  einem  Thiere,  das  sich  wesentlich  von  Insecteu  mit  geschmack- 
loser Chitinhülle  nährt,  letztere  Function  nur  in  geringem  Grade  nütz- 
lich wäre. 

Geruchsorgan.  —  Die  durch  eine  knorpelige  Scheidewand  ge- 
trennten Xasensäcke  liegen  auf  der  dorsalen  Fläche  der  Schnauzen- 
spitze. Sie  münden  nach  aussen  mit  ovalen  OefPnungen,  deren  äusserer 
Rand  von  einem  Hautwulste  umzogen  wird,  der  sich  seitlich  zu  einem 
kurzen  Tentakel  auszieht,  welcher  zum  Schliessen  der  Oeffnung  beim 
Aufenthalte  des  Frosches  im  Wasser  dient.  Die  innere  Nasenöffnung 
mündet  in  der  Nähe  der  Gaumenzähne  ((/,  Fig.  223)  in  die  Mundhöhle. 
Ein  Zug  schwarzen  Pigmentes  erstreckt  sich  von  der  äusseren  Nasen- 
öffnung  zu  dem  vorderen  Augenwinkel  und  bezeichnet  so  die  Lage  des 
von  Born  entdeckten,  äusserst  feinen  Thränencanals,  auf  dessen 
Beschreibung  wir  nicht  näher  eingehen. 

Die  Nasenhöhle  wird  oben  von  der  dorsalen  Platte  des  Gürtel- 
beines und  von  dem  Nasenbeine,  nach  vorn  von  dem  Zwischeukiefer, 
nach  unten  von  dem  Yomer  und  dem  Gaumenbeine,  nach  hinten  von 
dem  Siebbeine  begrenzt,  welches  der  Riechnerv  durchsetzt.  Mittelst 
einer  feinen  Scheere  hebt  man  das  Dach  derselben  ab,  und  sieht  dann, 
dass  die  Höhle  im  Ganzen  die  Form  eines  Dreiecks  hat,  dessen  vor- 
derer Winkel  von  der  Nasenöffnung  eingenommen  wird.  Die  Höhle 
verlängert  sich  nach  vorn  in  eine  Ausbuchtung  des  Zwischenkiefers; 
diese  Nebenhöhle  zeigt  gefaltete  Wände  und  einen  buckeligen  Boden. 
Die  Oberfläche  der  Xasenschleimhaut  wird  durch  vorspringende  Leisten 
ihrer  Knorpelunterlage  bedeutend  vergrössert ;  diese  Leisten  sind  als 
die  ersten  Anlagen  der  Nasenmuscheln  zu  betrachten,  welche  bei 
vielen  höheren  Wirbelthieren  so  bedeutend  entwickelt  sind.  Zu  ge- 
nauerer Untersuchung  dieser  Muschelrudimente  miiss   man  feine  Quer- 


582 


Wirbelthiere. 


Yis.  247. 


schnitte  zu  Hülfe  nehmen ,  die  man  an  einer  mit  Chi'omsäure  fixirten 
und  entkalkten  Schnauzenspitze  eines  alten,  oder  an  erhärteten  Stücken 
eines  jungen  Thieres  anfertigt,  wo  die  Theile  noch  knorpelig  sind. 

Die  Furchen  der  Nasenmuscheln,  wie  überhaupt  die  Wände  des 
Nasensackes  sind  mit  einem  Epithelium  ausgekleidet,  das  man  nach 
Fixirung  in  Osmiiimsäure  oder  Müller'scher  Flüssigkeit  zerzupfen 
und  untersuchen  kann.  Seine  sehr  complicirte  Structur  ist  von  meh- 
reren Forschern  untersucht  worden 
(s.  Lit.).  Es  enthält  drei  Haupt- 
formen von  Zellen: 

1)  Cylindrische  Wimper- 
zellen mit  dicken,  eiförmigen  und 
körnigen  Kernen  (A,  Fig.  247). 

2)  Lange  Cylinderzellen 
ohne  Wimpern ,  die  sich  mit  einem 
langen  Faden,  der  abgestutzte  Wur- 
zelfäserchen  trägt,  in  das  unter- 
liegende Bindegewebe  einsenken  (B). 

3)  Eigentliche  Riechzellen 
(0).  Dieselben  sind  lang,  dünn, 
cylindrisch,  mit  einem  grossen,  kör- 
nigen Kern,  welcher  eine  eiförmige 
Anschwellung  bildet.  Von  diesem 
Kern  geht  ein  langer,  knotiger  P'aden 
aus ,  der  sich  in  das  Bindegewebe 
einsenkt  und  ohne  Zweifel  eine  Fort- 
setzung der  Endfasern  des  Riech- 
nerven bildet.  Der  lange,  dünne 
Zellenkörper  trägt  auf  seinem  in 
die     Nasenhöhle     ragenden     Ende 

äusserst  zarte  Riechborsten,  meist  pinselförmig  zusammengestellt. 
Zuweilen  findet  man  auch  nur  eine  vereinzelte  Riechborste. 

Ausser  den  erwähnten  Zellen  finden  sich  auch  noch  in  dem  Binde- 
gewebe unter  der  Schleimhaut  einzellige  Drüsen,  welche  wohl  den 
schlüpfrigen  Schleim  absondern,  der  sich  in  der  Nasenhöhle  findet. 
Eine  ähnliche  Absonderung  scheinen  die  sogenannten  Bowman'schen 
birnförmigen  Drüsen  zu  liefern ,  die  überall  in  der  Schleimhaut  zer- 
streut sind. 

Sehorgan.  —  Die  jederseits  am  Kopfe  gelegenen  Augen  können 
von  dem  Frosche  willkürlich  vorgetrieben,  besonders  aber  mittelst  des 
in  der  Nähe  des  Sehnerven  angehefteten  Rückziehmuskels  des  Auges 
tief  in  die  Augenhöhle  zurückgezogen  werden ,  was  meistens  bei 
Empfindung  von  Schmerz  geschieht. 


Ra7ia  escidenta.  —  Zellen  der  Rieeh- 
schleimhaut.  A ,  cylindrische  Wimper- 
zellen ;  jB,  cylindrische  Epithelialzellen 
ohne  Wimpern;  C,  eigentliche  Riech- 
zellen. 


Amphibien.  583 

Der  Augapfel  wird  von  zwei  Lidern  geschützt.  Das  obere  Augen- 
lid, von  unveränderter  Haut  überzogen,  ist  nur  klein,  starr  und  un- 
beweglich; das  untere  ist  so  gross,  dass  es  über  den  ganzen  Augapfel 
herübergezogen  werden  kann,  mittelst  eigener,  in  feine  Stralilenbündel 
zersplitterter  Mviskeln;  es  ist  so  durchscheinend,  dass  es  zur  Demon- 
stration der  Capillaren  und  der  Nervenverzweigungen  unter  dem  Mi- 
kroskope dienen  kann.  Der  Augapfel  ira  Ganzen  hat  die  Gestalt 
einer  auf  der  Vorderfläche  abgeplatteten  Kugel,  deren  Form  durch  die 
hinten  schräge,  nach  vorn  in  die  durchsichtige  Hornhaut  übergehende 
weisse  Haut  bestimmt  wird. 

Diese,  die  Sclerotica,  wird  von  einem  dichten  Fasergewebe  ge- 
bildet, in  welchem  sich  eine  dünne,  durchsichtige,  besonders  in  der 
Umgebung  des  Sehnerven  stärker  entwickelte,  becherförmige  Knorj)el- 
lamelle  zur  Stütze  ausbildet.  Die  schwarze  Choroidea  scheint  durch 
das  trübe  Gewebe  der  Sclerotica  mit  bläulicher  Farbe  durch ,  sobald 
man  die  den  Augapfel  umhüllenden  Muskeln  und  Fettpolster  ent- 
fernt hat. 

Die  vollkommen  durchsichtige  Cornea  bedeckt  den  ganzen  sicht- 
baren Theil  des  Augapfels.  Sie  hat  eine  ziemlich  complicirte  Structur ; 
ihre  Hauptschicht  wird  durch  ein  eigenthümliches  Bindegewebe  aus 
feinen  Fäserchen  gebildet,  die  in  eine  helle  Grundsiibstanz  eingebettet 
sind,  welche  durch  Reagentien  feinkörnig  niedergeschlagen  wird.  In 
dieser  Substanz  breiten  sich  Netze  von  Blutgefässen  und  Lymphräumen 
aus,  welche  Recklinghausen  in  seiner  Arbeit  über  die  Lymphgefässe 
(Berlin  1862)  beschrieben  hat.  Auch  findet  man  darin  Nervenendigungen, 
die  dem  Augenaste  des  Trigeminus  entstammen.  Auf  der  Innenfläche 
wird  die  Hornhaut  von  einer  durchsichtigen ,  elastischen  Membran, 
der  Descemet'schen  Haut  ausgekleidet,  die  man  durch  Maceration 
in  20procentiger  Kochsalzlösung  leicht  ablösen  kann.  Endlich  wird 
ihre  innere  wie  ihre  äussere  Fläche  von  einem  Zellenepithelium  be- 
deckt. Die  äussere  Zellenhaut,  die  Conjunctiva,  besteht  aus  meh- 
reren Schichten  verschiedenartig  gestalteter  Zellen;  sie  schlägt  sich 
auf  die  Innenfläche  der  Augenlider  hinüber;  die  innere  Auskleidung 
wird  nur  von  einer  einzigen  Schicht  polygonaler  Zellen  gebildet. 

Die  Choroidea  oder  Gefässhaut,  reich  au  Pigment  und  Blut- 
gefässen ,  liegt  der  Innenfläche  der  Sclerotica  unmittelbar  an  und  ist 
mit  dieser  sowohl  an  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven ,  sowie  im  Um- 
kreise des  Ansatzes  der  Cornea  fest  verbunden.  Ausser  an  diesen 
Stellen  lässt  sie  sich  leicht  mittelst  eines  Pinsels  von  der  Sclerotica 
loslösen.  Schwarze,  sternförmige  Pigmeutzellen,  deren  Ausläufer  mit 
einander  anastomosiren,  finden  sich  in  grosser  Zahl  in  der  aus  zelligem 
und  faserigem  Bindegewebe  zusammengesetzten  Grundsubstanz.  Die 
äussere  Schicht,  die  sogenannte  Lamina  fusca,  ist  schwammig  auf- 
gelockert und  von  bräunlicher  Farbe ;   in   der   inneren ,   dem  Pigment- 


584  Wirbelthiere. 

epithelium  der  Retina  anliegeüden  festeren  Schicht  verzweigen  sich 
vorzugsweise  die  Gefässcapillaren  und  bilden  Knäuel  von  eigenthüm- 
licher  Gestalt. 

Nach  vorn  schlägt  sich  die  Choroidea  nach  innen  um  und  bildet 
so  den  von  der  Pupille  durchbohrten  Blendschirm  der  Iris.  Spindel- 
förmige Maskelzellen  vermischen  sich  mit  den  übrigen ,  von  der  Cho- 
roidea herstammenden  Geweben.  Die  an  der  Ansatzstelle  entsprin- 
genden radiären  MiTskelfasern,  welche  den  Ciliarfortsätzen  entsprechen, 
erweitern  die  Pupille,  die  dem  Pupillarrande  genäherten,  circulären 
Fasern  verengern  das  Sehloch,  das  von  elliptischer  Gestalt  ist.  Auf 
ihrer  Vorderfläche  ist  die  Iris  mit  der  Fortsetzung  des  polygonalen 
Pflasterepitheliums  ausgekleidet,  welches  die  Hinterfläche  der  Cornea 
bedeckt.  Auf  der  Hinterseite,  die  sehr  schwarz  ist,  sind  die  Pigment- 
zellen in  Massen  angehäuft;  sie  enthalten,  besonders  im  Umkreise  der 
Pupille,  auch  helles,  goldfarbig  schimmerndes  Pigment. 

Die  Iris  theilt  das  Innere  des  Augapfels  in  zwei,  durch  das  Seli- 
loch  mit  einander  communicirende  Räume;  die  vordere,  sehr  kleine 
Augenkammer  enthält  etwas  Flüssigkeit,  den  Humor  aqueus;  die 
hintere  Augenkammer  wird  von  der Krystalllinse  und  demGlas- 
körper  eingenommen.  Letzterer  besteht  aus  einer  gelatinösen,  stark 
lichtbrechenden  Flüssigkeit,  die  von  der  äusserst  feineu,  durchsichtigen 
Glashaut  umschlossen  wird. 

Wenn  inan  mit  einer  feinen  Scheere  die  Hornhaut  an  ihrem  An- 
satzkreise abgelöst  und  die  wässerige  Flüssigkeit  hat  ablaufen  lassen, 
drängt  sich  die  grosse,  fast  kugelförmige  Krystalllinse  durch  die 
Pupille  vor.  Sie  ist  auf  der  vorderen  Fläche  etwas  abgeplattet  und 
in  einer  festen,  elastischen  Haut,  der  Linsenkapsel,  eingeschlossen, 
deren  Innenfläche  von  einem  schönen  Pflasterepithelium  überzogen  ist. 
Die  Linse  besteht  aus  eigenthümlichen ,  bandartig  verlängerten  und 
abgeplatteten  Zellen,  welche  durch  eine  amorphe  Substanz  mit  einander 
verkittet  sind. 

Die  Retina,  welche  den  Grund  des  Augapfels  auskleidet  und  der 
Innenfläche  der  Choroidea  unmittelbar  anliegt,  ist  im  Leben  voll- 
kommen durchsichtig,  wird  aber  bald  nach  dem  Tode  trübe,  von 
milchigem  Ansehen.  Ihre  Structur  ist  äusserst  complicirt.  Innen  wird 
sie  von  einer,  der  Glashaut  anliegenden,  inneren  Gx'enzmembran,  aussen 
von  einem  Pigraentepithelium  überzogen.  Zwischen  diesen  beiden 
Grenzschichten  hat  man  acht  verschiedene  Schichten  unterschieden, 
von  welchen  die  einen,  aus  bindegewebigen  Elementen  gebildet,  Stütz- 
organe sind,  während  die  anderen,  aus  Nervenelementen  zusammen- 
gesetzt, der  specifischen  Function  des  Sehorganes  angehören.  Unter 
den  letzteren  ist  die  Schicht  der  Stäbchen  und  Kegel  besonders  wichtig, 
welche  unmittelbar  der  äusseren  Pigmentschicht  anlagern  und  mit 
ihren   Enden    in   dieselbe  hineinragen.      Im   Uebrigen    entspricht    die 


Amphibien. 


585 


Anordnung  der  einzelnen  Schichten  derjenigen  vom  Barsche  (S.  526). 
Wir  gehen  nicht  näher  auf  ihre  Beschreibung  ein ,  da  wir  der  von 
11  off  mann  (Bronn's  Thierreich,  Art.  Amphibien)  gegebenen  nichts 
zuzufügen  haben.  Im  Centrum  der  hinteren  Augenkamraer,  etwas 
nach  aussen  von  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven,  findet  sich  eine 
Verdünnerung  der  einzelnen  Schichten  der  Retina,  die  ein  sehr  seichtes 
Grübchen  darstellt;  es  entspricht  dem  im  Auge  des  Menschen  vorhan- 
denen gelben  Flecke,  wo  die  Schärfe  der  Auffassung  der  Licht- 
strahlen den  höchsten  Grad  erreicht. 

Augenmuskeln.  —  Acht  Muskeln  betheiligen  sich  an  den 
Bewegungen  des  Auges,  zuerst  die  vier  geraden,  von  welchen  drei,  der 
untere  (Fig.  248,/),  der  äussere  (g)  und  der  innere  (e),  jeder 
mit  einer  dünnen  Sehne  an  dem  Keilbeine  oder  der  dasselbe  mit 
den  Stirnscheitelbeinen  verbindenden  Faserknorpellamelle  entspringen 
und  mit  fächerartig  ausgebreiteten  Muskelbündelchen  sich  an  der  durch 
ihren  Namen  angedeuteten  Stelle  der  Sclerotica  in  der  Nähe  der  Cornea, 
an  dem  unteren  Kreisabschnitte,  anheften,  wäh- 
rend der  hintere  gerade  Augenmuskel, 
der  mit  breiterem  Ansätze  am  Stiruscheitel- 
beine  entspringt,  sich  an  den  oberen  Kreis- 
abschnitt in  der  der  vorigen  entsprechenden 
äquatorialen  Ebene  ansetzt.  Die  beiden  schiefen 
Augenmuskeln  (/, /t')  entspringen  beide,  einer 
über  dem  anderen ,  am  Gaumenbeine ,  laufen 
über  die  Härder' sehe  Drüse  weg  und  ver- 
breiten sich,  der  eine  auf  der  oberen,  der 
andere  auf  der  vorderen  Fläche  der  Sclerotica. 
Sie  rollen  das  Auge  nach  oben  und  auf  die 
Seite.  Zu  diesen  überall  vorkommenden  Älus- 
keln  gesellen  sich  noch:  der  Rückziehmuskel 
des  Auges  (h),  der  innerhalb  der  geraden  Mus- 
keln unmittelbar  den  Sehnerven  umgiebt  und 
mit  einer  breiten  Sehne  an  dem  Keilbeine  ent- 
springt. Man  kann  an  ihm  drei  Hauptbündel 
unterscheiden ,  von  welchen  zwei  sich  vor  der 
Aequatorialebene  des  Augapfels  an  der  oberen 
Fläche  der  Sclerotica,  das  dritte  hinter  dieser  Ebene  an  der  unteren 
Fläche  festsetzen.  Er  zieht  den  Augapfel  nach  innen.  Endlich  der 
Hebemuskel  des  Auges,  eine  im  Grunde  der  Augenhöhle  aus- 
gebreitete Muskellamelle,  auf  welcher  der  übrigens  nicht  an  sie 
angeheftete  Augapfel  ruht.  Er  setzt  sich  einerseits  an  den  oberen 
Rand  des  Stirnscheitelbeines,  anderseits  an  den  oberen  Rand  des 
Oberkiefers  au,  den  er  und  mit  ihm  den  Augapfel  in  die  Augenhöhle 
emporhebt. 


^-  1 


Rana  tscultntu.  —  Die  Mus- 
keln des  Auges,  a,  Sphe- 
noideum  ;  6,  Palatinum  ;  c, 
Pterygoideum ;  d ,  Orbita ; 
e,  innerer  gerader  Muskel; 
/,  unterer  gerader  Muskel ; 
g,  äusserer  gerader  Muskel ; 
Ä,  Rückzielimuskel  des  Aug- 
apfels ;  /,  oberer  schiefer 
Muskel ;  fc,  unterer  schiefer 
iMuskel. 


586  Wirbelthiere. 

Augendrüsen.  —  Der  Frosch  besitzt  keine  Thränendrüsen ; 
ist  aber  zum  Ersatz  mit  einer  sehr  blutreichen  Drüse  ausgestattet,  die 
sich  vom  inneren  Augenwinkel  bis  auf  den  Boden  der  Augenhöhle 
erstreckt.  Diese  Harder'sche  Drüse  ist  von  festem  Bindegewebe 
umhüllt;  ihre  cylindrischen  Drüsenzellen  sondern  einen  öligen  Stoff 
ab,  der  dem  von  den  Meibom 'sehen  Drüsen  der  höheren  Wirbelthiere 
gelieferten  ähnlich  ist  und  namentlich  die  innere  Fläche  des  unteren 
Augenlides  schlüpfrig  erhält. 

Hörorgan.  —  In  Folge  einer  Umbildung  der  vorderen  Kieraen- 
spalten  und  der  sie  trennenden  Visceralbogen,  auf  deren  Einzelheiten  wir 
hier  nicht  eingehen  können,  die  aber  durch  die  Umsetzung  derKiemen- 
athmung  in  Lungenathmung  bedingt  ist,  besitzen  die  Amphibien  ein 
mittleres  Ohr,  das  aus  der  Trommelhöhle  und  deren  Dependenzen 
besteht  und  den  Fischen  gänzlich  abgeht.  Dagegen  fehlt  dem  Frosche, 
wie  allen  anderen  Amphibien,  ein  äusseres  Ohr;  eine  leichte  Einsen- 
kung  an  der  hinteren  Kopfecke  kann  als  erstes  Anzeichen  eines  solchen 
angesehen  werden ;  auf  dem  Grunde  dieses  Grübchens,  unmittelbar  unter 
der  Haut,  der  es  fest  anhängt,  ist  das  Trommelfell  ausgespannt 
in  einem  knorpeligen  Rahmen ,  der  an  dem  Schläfenbeine  und  selbst 
an  dem  Schläfenmuskel  befestigt  ist.  Dieser,  sowie  die  benachbarten 
Muskeln  können  das  Trommelfell  mehr  oder  minder  spannen. 

Präparirt  man  die  Haut  über  dem  Trommelfelle  sorgfältig  ab ,  so 
sieht  man,  dass  das  letztere  eine  sehr  dünne,  von  strahlenförmig  an- 
geordneten Sehnenfasern  gebildete  Lamelle  darstellt,  deren  innere,  der 
Höhle  zugewendete  Fläche  von  demselben  pigmentirten  Epithelium 
von  Cylinderzellen  ausgekeidet  wird,  welches  die  ganze  Trommelhöhle, 
die  Eustachi'sche  Röhre  und  die  Mundhöhle  überzieht.  Etwa  auf  der 
Mitte  des  durchschimmernden  Trommelfelles  sieht  man  einen  weissen 
Fleck,  die  Ansatzstelle  des  äusseren  Endes  der  Columella.  Das  andere, 
innere  Ende  der  Columella  legt  sich  an  das  ovale  Fenster  des  Laby- 
rinthes an;  man  muss  also  das  Trommelfell  von  seinem  Rahmen  los- 
lösen ,  um  das  Knöchelchen  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  zu  sehen 
und  zugleich  in  die  relativ  weite,  aber  seichte  Trommelhöhle  ein- 
zudringen ,  deren  von  Knorpelwänden  umschlossene  Innenfläche  mit 
dem  schon  erwähnten  pigmentirten  Epithelium  ausgekleidet  ist.  Sie 
hat  die  Gestalt  eines  weiten,  flachen  Trichters,  dessen  Mündung  nach 
aussen  schaut,  während  sich  sein  Grund  in  die  Eustachi'sche  Röhre 
fortsetzt,  die  an  dem  Flügelbeiue  anliegt  und  mit  weiter  Mündung 
(h,  Fig.  223)  im  Hintergrunde  der  Rachenhöhle  sich  öffnet,  so  dass 
man  leicht  von  hieraus  eine  Sonde  in  die  Trommelhöhle  einführen 
kann. 

Die  Columella  (Fig.  249),  die  wohl  der  Kette  der  Gehör- 
knöchelchen der  höheren  Wirbelthiere  entspricht,  hat  die  Gestalt  eines 
Hanteis,  welcher  die  Trommelhöhle  quer  durchsetzt,  und  mit  zwei  an- 


Amphibien. 


587 


geschwoUeuen  Knorpeleuden ,  dem  distalen  grösseren  nnd  unregel- 
mässigeren  an  das  Trommelfell,  mit  dem  proximalen,  mehr  abgerun- 
deten Ende  an  die  Membran  des  ovalen  Fensters  sich  anlegt. 

Nach  Constatirung  dieser  Verhältnisse  löst  man  die  Columella  los 
und  wendet  sich  zur  Präparation  des  Labyrinthes,  die  wegen  der  Klein- 
heit der  Theile  sehr  schwierig  ist.  Man  arbeite  an  frischen  Thieren, 
die  man  vorher  mit  Osmiumsäure  eingespritzt  hat,  welche  nicht  nur  die 
histologischen  Elemente  fixirt,  sondern  auch  das  häutige  Labyrinth  im 
Ganzen  mehr  festigt,  so  dass  man  die  Knochen-  und  Knorpeltheile, 
welche  dieses  umhüllen,  ohne  Verletzung  desselben  wegnehmen  kann. 
Zur  Untersuchung  im  Ganzen  kann  man  auch  durch  Chromsäure  oder 
Salpetersäure  entkalkte  Köpfe  benutzen :  nur  werden  bei  solcher  Be- 
handlung  die  Otolithen  und  die  Kalkkrystalle ,   welche  im  Inneren  des 

Labyrinthes    abgelagert    sind, 
selbstverständlich  aufgelöst. 

Das  häutige  Labyrinth 
(Fig.  250,  251)  ist  auf  der 
Seite  des  Schädels  in  einer 
unvollständigen  Kapsel  ein- 
geschlossen ,  welche  vorn  von 
dem  Felsenbein  (Prooticum) 
und  auf  den  übrigen  Seiten 
von  dem  Hinterhauptsbeine 
und  dem  diese  beiden  Knochen 
verbindenden  Knorpel  gebildet 
wird.  Dieses  knöcherne  La- 
byrinth hat  eine  sehr  un- 
regelmässige Foi-m;  nach  oben 


Ru/ia  escitlenta.  —  Die  Columella,  achtfach  ver- 
grössei-t.  7,  Ansicht  von  oben ;  IT,  Ansicht  von 
hinten,      a' ,    a" ,    äusseres     knorpeliges    Ende; 

b,  verknöcherter  Mitteltheil;  m,  an  einen  Sporn 
des     Mitteltheiles     angeheftetes     Muskelbündel ; 

c,  inneres   knorpeliges  Ende,   das   sich   an  das    dringen   in  Seitenhöhlen  zwei 

ovale    Fenster    des    Labyrinthes    ansetzt.     (Nach     i     n     •   i     ir-       •       n      -i     n,   -i.\ 
p   ^   .      N  ^  halbcirkeliormige  banale  [li,  k) 

Ketzius.j  .  -,     . 

und  der  Utriculus  («)  ein,  nach 

unten  in  entsprechende  Gruben  der  Sacculus  (?)  und  die  Lagenula  («), 
das  Rudiment  der  Schnecke ;  nach  aussen  hin  entspricht  ein  wenig  vor- 
springender Bogengang  dem  äusseren  halbcirkelförmigen  Canale  (?). 
Ausserdem  ist  die  Kapsel  nicht  geschlossen,  da  mehrere  OeflFnungen  vor- 
handen sind;  an  der  unteren  Fläche  das  ovale  Fenster,  an  der  hin- 
teren das  runde  Fenster  und  der  Aquäduct  der  Schnecke  (Hasse)  und 
auf  der  inneren,  der  Schädelhöhle  zugewandten  Fläche  der  Aquäduct 
des  Vestibulums.  Unter  diesem  dringt  der  vordere  oder  Vestibularast 
des  Hörnerven  (1,  Fig.  250)  in  das  Labyrinth  ein,  während  der  hin- 
tere oder  Schueckenast  dieses  Nerven  (2)  etwas  über  und  hinter  dem 
vorigen  eintritt. 

Das  häutige  Labyrinth  füllt   nicht   vollständigfdie  Höhlungen  des 
knöchernen   aus;    zwischen   beiden    erstreckt   sich  |ein    perilympha- 


588 


Wirbelthiere. 


tischer  Hohlraum,  der  um  den  Sacculus  und  den  Ursprung  der  halb- 
cirkelförmigen  Canäle  ziemlich  weit,  um  die  Convexität  der  Canäle 
herum  aber  so  verengt  ist,  dass  jeder  dieser  Canäle  excentrisch  in 
seinem  Räume  liegt,  wovon  man  sich  leicht  auf  Querschnitten  über- 
zeugen kann. 

Die  Perilymphe,  welche  das  häutige  Labyrinth  umspült,  erfüllt 
diesen  Raum.  Die  Wände  des  häutigen  Labyrinthes  sind  sehr  dünn, 
aus  amorpher  Substanz  gebildet,  in  welchem  man  hier  und  da  sehr 
feine  Fäserchen  und  gesternte  Pigmentzellen  findet.  An  einigen  Stellen, 
besonders  da,  wo  die  Nerven  auf  Leisten  und  Einschlägen  verschiedener 
Form  sich  ausbreiten,  verdicken  sich  diese  Wände. 

Nachdem  man  das  häutige  Labyrinth  aus  seiner  Kapsel  heraus- 
geschält hat,  kann  man  es  in  einem  Uhrglase  in  indifferenter  Flüssig- 

Fio-.  250. 


Rana  esciilenta.  —  Das  Hörlab3'rinth  von  der  inneren  Seite  gesehen ,  in  zehnfacher 
Vergrösserung.  a,  Utriculus ;  b,  Stelle  seiner  OefFnung ;  c,  oberer  Sinus  des  Utri- 
culus ;  d,  hinterer  Sinus;  e,  vordere  ArnpuUe  ;  /,  äussere  Ampulle;  jr,  hintere  Am- 
pulle; h,  vorderer  halbcirkelförmiger  Canal ;  ?',  äusserer;  h,  hinterer  Canal;  /,  Saccu- 
lus ;  VI,  endolymphatischer  Canal ;  n,  Lagenula ;  o,  Basaltheil  der  Schnecke ;  p,  Canalis 
ntriculo-saccularis ;  q,  Hörfleck  der  utricularen  Ausweitung;  r,  Hörfleck  des  Sacculus; 
s,  Hörfleck  der  Macula  neglecta;  t,  Hörwarze  der  Lagenula;  m,  basilare  Hörwarze; 
V,  Nei'v  der  vorderen  Ampulle ;  lü,  Nerv  der  hinteren ;  x,  Nerv  des  Sacculus ;  y,  Nerv 
der  Lagenula;  2,  Basilarnerv.  1,  2,  durchschnittene  Stämme  des  Höruerven.  (Nach 
G.  Retzius,  verkleinert.) 

keit  ausbreiten  und  mit  einer  starken  Lupe  untersuchen  und  Folgendes 
constatiren. 

Der  centrale  Theil,  das  Vestibulum,  auch  Vorhof  genannt,  trennt 
sich  in  eine  obere  Kammer,  den  Utriculus  (a,  Fig.  250,  251),  und 
eine  untere,  den  Sacculus  (?). 


Amphibien. 


589 


Der  Utinculus  ist  ein  horizontal  gelagerter,  cylindrischer  Sack, 
der  sich  nach  oben  gegen  die  verticalen,  halbcirkelfönnigen  Canäle 
hin  in  einen  oberen  Sinus  (c)  und  nach  hinten  gegen  die  hintere 
Ampulle  in  einen  hinteren  Sinus  (cl)  verlängert.  Seine  innere  Höhle 
ist  durch  eine  sichelförmige  Einfaltung  (h)  in  eine  vordere  und  hintere 
Kammer  getheilt.  Durch  die  in  der  Mitte  der  Einfaltung  angebrachte 
Utricularöffnung  communiciren  die  beiden  Kammern  mit  ein- 
ander. 

In  die  vordere  Kammer  mündet  die  Ampulle  (/)  des  äusseren 
halbcirkelförraigen  Canales;  ausserdem  communicirt  diese  Kammer 
durch  eine  enge  Oeffnung,  den  Canalis  utriculo-saccularis  (p),  mit  der 
Höhle  des  Sacculus.  In  die  hintere  Kammer  mündet  der  obere,  die 
beiden  senkrechten,  halbcirkelförraigen  Canäle  verbindende  Canal.   Nach 

Fig.  251. 


Rana  escuknta.  —  Das  Hörlabyrinth  von  aussen  gesehen.  Dieselbe  Yergrösseruncr 
wie  die  der  vorigen  Figur.  Die  Buchstaben  haben  dieselbe  Bedeutung.   (Nach  G.  R  e  t  z  i  u  s.) 

vorn  communicirt  der  Utriculus  mit  der  eiförmigen  vorderen  Am- 
pulle (e)  am  Ursprünge  des  gleichnamigen  halbcirkelförraigen  Canales 
und  nach  hinten  mit  der  hinteren  Ampulle  {g).  Diese  beiden,  sowie 
die  schon  erwähnte  äussere  Ampulle  (/)  zeigen  auf  ihren  Boden 
innere  Einfaltungen  der  Wände,  auf  deren  freien  Rändern  Hörleisten 
angebracht  sind,  von  welchen  später  die  Rede  sein  soll. 

Die  gekrümraten  Divertikel  des  Utriculus,  die  halbcirkel- 
förraigen Canäle,  finden  sich,  wie  bei  den  Fischen  und  den  höheren 
Wirbelthieren ,  in  der  Dreizahl.  Die  beiden  senkrechten  Canäle,  der 
vordere  (/*)  und  der  hintere  {Ti)  vereinigen  sich  in  der  Höhe  zur  Bil- 
dung des  oberen  Sinus  und  zeigen  jeder  an  seinem  Ursprünge  eine 
Ampulle.      Der  äussere,    horizontal   verlaufende   Canal   (i) ,   der   nach 


590  Wirbeltbiere. 

aussen  vorspringt,  besitzt  an  seinem  vorderen  Ende  eine  Ampnlle, 
mündet  aber  nach  hinten  ohne  entsprechende  Erweiterung  nicht  weit 
von  der  hinteren  Ampulle  in  den  Utriculus  ein. 

Die  untere  Abtheilung  des  Labyrinthes  besteht  aus  dem  S  a  c  c  u  - 
1  u  s  (0,  einem  fast  in  verticaler  Richtung  etwas  verlängerten  Säckchen, 
dessen  obere  Wand  sich  in  einen  langen,  engen  Gang,  den  Ductus 
endolymphaticus  (m),  auszieht,  der  vertical  an  der  inneren  Fläche 
des  Utriculus  gegen  die  Schädeldecke  in  die  Höhe  steigt  und  dort  mit 
einem  kleinen  gelappten  Säckchen  neben  dem  Gehirne  endet.  Dieses 
mit  Kalkkrystallen,  welche  den  im  Sacculus  befindlichen  gleichen,  an- 
gefüllte Säckchen  steht  seinerseits  in  Verbindung  mit  den  zu  den  Seiten 
der  Wirbelsäule  an  der  Austrittsstelle  der  Spinalnerven  liegenden  Kalk- 
säckchen.  Man  sehe  über  das  Nähere  die  sehr  in  das  Einzelne  gehende 
Arbeit  von  A.  Coggi  (s.  Lit.). 

Hinter  dem  Sacculus  befinden  sich  noch  vier  andere  Ausstülpungen, 
die  in  gleicher  Weise  wie  der  Sacculus  selbst  mit  Hörscheiben  ver- 
sehen sind,  auf  welchen  sich  Zweige  des  Hörnerven  verästeln.  Die 
zwei  grösseren  dieser  Auswüchse ,  die  auch  auf  unseren  Figuren  dar- 
gestellt sind,  heissen  die  Lagena  (n) ,  die  man  mit  vollem  Rechte  als 
Aequivalent  der  Schnecke  ansieht,  und  der  Basaltheil  der  Schnecke 
(Pars  hasilaris  Cochleae,  o).  Die  beiden  anderen,  weit  unansehnlicheren, 
wurden  als  Tegumentutn  vasculosum  und  Pars  neglecta  bezeichnet. 

Der  Hörnerv  (VIII,  Fig.  246)  tritt  aus  dem  Schädel  durch  ein 
Loch  aus,  welches  in  dem  Vex'bindungsknorpel  zwischen  Felsenbein 
und  Hinterhauptsbein  angebracht  ist.  Bei  seinem  Eintritt  in  das  Laby- 
rinth theilt  er  sich  in  zwei  Aeste,  einen  vorderen  und  einen  hinteren. 
Der  erstere  sendet  einen  starken  Zweig  (x)  zum  Sacculus  und  dem 
Utriculo-saccularcanale,  andere  zur  vorderen  ('v)  und  äusseren  (v')  Am- 
pulle. Der  hintere  Ast  verzweigt  sich  in  der  Pars  hasilaris  cocMeac  (z),  in 
der  Lagenula  (t)  und  der  hinteren  Ampulle  (w). 

Alle  diese  Aeste,  die  man  durch  Behandlung  des  Labyrinthes 
mittelst  Osiniumsäure  zur  Anschauung  bringen  kann,  verzweigen  sich 
mit  feinen  Endfäden  in  den  unter  dem  Namen  von  Hörleisten  und 
Hörflecken  bekannten  Gebilden  auf  der  Innenfläche  der  verschiedenen 
Theile  des  Ijabyrinthes,  die  wir  oben  bezeichneten.  Die  Beziehimgen 
dieser  Endfäden  zu  dem  die  Innenfläche  auskleidenden  Epithelium  des 
Labyrinthes  gehören  in  das  Gebiet  der  Histologie.  Die  Zellen  dieses 
meist  einschichtigen  Epitheliums  modificiren  sich  in  mannigfaltiger 
Weise  auf  den  wirklich  sensitiven  Gebilden,  den  Hörleisten  und  Hör- 
flecken. Wir  verweisen  hinsichtlich  dieser  Bildungen  auf  die  Arbeiten 
von  Deiters,  Hasse  und  Retzius  (s.  Lit.). 

Verdauungssystem.  —  Die  Schleimhaut,  welche  die  so  un- 
mässig  weite  Mundhöhle  des  Frosches  auskleidet,  wird  von  einem 
Epithelium   überzogen ,   unter    dessen   mannigfaltig   gestalteten   Zellen 


Amphibien.  591 

cylindrische  Wimperzellen  vorherrschen.  Sie  wird  von  den  Kiefern 
begrenzt,  die  von  einem  dicken  Falten wulste  der  Schleimhaut  bedeckt 
sind.  Bei  der  Schliessung  des  Maules  klappt  der  Unterkiefer  in  einen 
ihm  entsprechenden  Falz  an  dem  Oberkieferrande  ein. 

Wir  erwähnten  schon  einige  eigenthümliche  Bildungen  an  dem 
Dache  der  Mundhöhle  (S.  580).  Oberkiefer  und  Zwischenkiefer  tragen 
eine  Reihe  kleiner,  etwas  hakenförmig  gekrümmter  Zähnchen,  deren 
scharfe  Hakenspitze  nach  hinten  gerichtet  ist.  Sie  sind  alle  von 
gleicher  Gestalt,  mehr  als  hundert  an  der  Zahl,  treten  kaum  über  den 
sie  umhüllenden  Schleimhautwulst  hervor  und  dienen  mehr  zum  Zurück- 
halten der  Beute  als  zu  ihrer  Zerstückelung.  Sie  bestehen  aus  Dentin, 
Cement  und  einer  Schmelzkappe.  Ihre  Structur  und  Entwicklung 
wurde  von  0.  Hertwig  untersucht  (s.  Lit.).  Die  auf  zwei  kleinen 
Erhöhungen  des  Vomer  sitzenden  Gaumenzähne  zeigen  dasselbe  Ver- 
halten. Vor  ihnen ,  in  dem  Räume  zwischen  Vomer  und  Zwischen- 
kiefern, und  in  unmittelbarer  Nähe  der  Nasensäcke  liegt  in  der 
Schleimhaut  die  kleine  Zwischenkieferdrüse,  deren  Ausführungs- 
gänge sich  an  der  bezeichneten  Stelle  in  einem  kleinen  Grübchen  öffnen. 

Rechts  und  links  von  den  Gaumenzähnen  sieht  man  die  hinteren 
Nasenöffnungen  oder  Choanen  (g,  Fig.  223)  und  noch  weiter  hinten 
am  Eingange  der  Rachenhöhle  die  weiten  Oeffnungen  der  Eustachi'- 
schen  Röhren,  die  in  die  Trommelhöhle  führen  (h).  In  der  Mittellinie 
des  Gaumendaches  verläuft  zwischen  den  vorquellenden  Augäpfeln  eine 
in  dem  Keilbeine  ausgegrabene  Rinne  (h).  Die  Augenhöhlen  sind  in 
der  That  von  der  Mundhöhle  nur  durch  membranöse  Gebilde  getrennt, 
durch  die  Mundscheimhaut,  eine  Lamelle  von  Bindegewebe  und  den 
oben  (S.  585)  geschilderten  Hebemuskel  des  Auges,  auf  welchem  der 
Augapfel  unmittelbar  aufruht. 

Der  Boden  der  Mundhöhle  wird  gänzlich  von  der  Zunge  aus- 
gefüllt, die  von  einer  Menge  sich  kreuzender  Muskelfasern  durchzogen 
wird  (k,  ?,  Fig.  223).  Sie  ist  vorn  an  der  Symphyse  der  beiden  Unter- 
kiefer angeheftet  und  wechselt  sehr  in  der  Form,  je  nach  ihrem  Con~ 
tractionszustande ;  das  nach  hinten  übergeschlagene  Ende  ist  meist 
verbreitert  und  der  freie  Hinterrand  halbmondförmig  ausgeschnitten. 
Die  Oberfläche  der  Zunge  ist  mit  unregelmässig  zerstreuten  Papillen 
dicht  besetzt;  zwischen  diesen  münden  die  Ausführungsgänge  zahl- 
reicher, sackförmiger  Drüsen.  Wir  haben  oben  (S.  566)  die  Muskeln 
beschrieben,  welche  die  Zunge  an  das  Zungenbeingerüste  anheften  und 
dieselbe  aus  dem  Maule  herausschleudern  oder  zurückziehen. 

Bei  dem  Männchen  sieht  man  jederseits  zwischen  der  Zunge  und 
dem  Unterkiefer  die  spaltförmigen  Oeffnungen  der  Schallsäcke, 
welche  dem  Weibchen  durchaus  fehlen.  Diese  von  einer  Muskelhaut 
umgebenen  Ausstülpungen  der  Mundschleimhaut  dienen  als  Resonatoren 
zur  Verstärkung  des  Schalles  beim  Quaken. 


592 


Wirbelthiere. 


Die  hintere  Rachenhöhle  führt  ohne  scharfe  Grenze  in  den  in 
der  Mittellinie  gelegenen  kurzen,  trichterförmigen  Schlund,  unter 
welchem  der  Kehlkopf  liegt.  Meist  finden  sich  an  der  Uebergangs- 
stelle  Längsfalten  der  Schleimhaut.  Auch  zwischen  Schlund  und 
Magen  (a,  Fig.  252)  lässt  sich  keine  scharfe  Grenzlinie  ziehen.  Doch 
Y^„   252  biegt  sich  mit  dem  Beginne 

dieses  letzteren,  der  einen 
langen,  leicht  gekrümmten 
Sack  mit  sehr  ausdehn- 
baren, dicken  und  festen 
Wänden  darstellt,  das 
Darmrohr  allmählich  auf 
die  Seite  hinüber.  In  der 
Pylorusgegend  ist  die 
Krümmung  deutlicher  aus- 
gesprochen ,  ihr  convexer 
Rand  ist  gegen  die  linke 
Seite  gewendet. 

Die  Schleimhaut  des 
Schlundes  undMagens  zeigt 
im  leeren  Zustande  dieser 
Organe  gut  ausgeprägte 
Längsfalten ,  welche  sich 
bei  der  Füllung  mehr  oder 
minder  verwischen.  Um 
auf  Schnitten  die  histolo- 
gische Structur  untersuchen 
zu  können,  leitet  man 
durch  den  abgeschnittenen 
Magen  so  lange  einen 
Wasserstrahl,  bis  er  voll- 
ständig gereinigt  ist,  und 
härtet  dann  in  Weingeist 
von  zunehmender  Stärke. 
Nach  der  Härtiang  sind  die 

Rana  esculenta.  —  Der  Darm 
mit  seinen  Anhangsgebilden,  a, 
Schlund  ;  &,  Magen  ;  c,  Pylorus  ; 
rf,  Duodenum;  e,  Dünndarm,  zum 
Theil  entwickelt;/,  Rectum,  theil- 
weise  aufgeschnitten,  um  seine  Längsfalten  ^f  zu  zeigen;  /t,  Cloake  ;  i,  linker;  i',  rechter; 
i",  ventraler;  i'",  dorsaler  Leberlappen;  Ic,  Gallenblase;  l,  Gallenblasengang;  m,  9w', 
aus  den  mittleren  Leberlappen  kommende  Gallengänge ;  w,  gemeinsamer  Gallengang 
{Ductus  clioledochiis) ,  die  Mitte  des  Pankreas  o  einnehmend  und  in  das  Duodenum 
mündend  ;  p,  Peritonealfalte  ;   q,  Milz. 


Amphibien.  593 

Theile  so  fest,  dass  man  zur  Anfertigung  von  Schnitten  nicht  nöthig 
hat,  sie  in  Paraffin  einzubetten,  namentlich  wenn  man  nur  eine  nicht 
tiefer  eingehende  histologische  Untersuchung  vornehmen  will.  Von 
aussen  nach  innen  constatirt  man  in  den  Magenwänden  folgende  fünf 
verschiedene  Schichten:  eine  vom  Bauchfelle  gelieferte  seröse  Haut- 
sehicht;  eine  Schicht  von  Längsmuskelfasern;  eine  Schicht  von  mus- 
culösen  Kreisfasern:  eine  lockere,  von  reichlichen  Lymphraumnetzen 
durchzogene  Bindegewebeschicht  und  endlich  eine  drüsige  Schleim- 
hautschicht, die  von  einem  Epithelium  aus  Cylinder-  oder  Becher- 
zellen überzogen  ist,  welche  hier  und  da  Wimpern  tragen. 

In  der  Schleimhaut  des  Magens  liegen  zweierlei  röhrenförmige 
Drüsen:  mit  einfachem  Epithelium  ausgekleidete  Schleimdrüsen  und 
Verdauungsdrüseu,  die  ausser  einem  ähnlichen  Epithelium  noch 
im  Grunde  ihrer  Röhren  grosse,  helle  Zellen  (Gastralzellen  Heiden - 
hain's)  besitzen,  welche  Peptone  absondern. 

Der  Magen  verengert  sich  bedeutend  an  seinem  hinteren,  durch 
eine  Krümmung  in  den  Darm  übergehenden  Abschnitte.  Hier  hören 
auch  die  dicht  zusammengedrängten  Längsfalten  plötzlich  auf  und  be- 
ginnt an  diesem  Pylorus  (c)  der  Dünndarm,  dessen  vorderer  Ab- 
schnitt (Duodenum,  d)  sich  der  Läugsaxe  des  Darmes  parallel  nach  vorn 
krümmt.  In  diese  Krümmung  ist  das  Pankreas  (o)  eingelagert.  An  der 
Leber  krümmt  sich  der  stets  enge  Darm  von  Neuem  nach  unten,  bildet 
mehrere  Schlingen  und  mündet  dann  in  das  verhältnissmässig  weite 
Rectum  (/) ,  dessen  Wände  weit  dünner  als  die  Darmwandungen  sind 
und  das  meist  durch  die  Anhäufung  von  Excrementen  eine  grünliche 
Farbe  hat.  Dieser  Aftertheil  wimmelt  von  Infusorien ,  namentlich 
Paramecien  und  Opalinen.  Xach  hinten  verengert  sich  das  Rectum 
wieder  und  mündet  in  die  Cloake  etwa  auf  gleicher  Höhe  mit  der 
Harnblase. 

Die  Schichten,  aus  welchen  die  Magenwandungen  zusammengesetzt 
sind,  finden  sich,  wenn  auch  verschieden  entwickelt,  in  der  ganzen 
Länge  des  Darmcanales  wieder.  Namentlich  werden  die  Muskelschichten 
weit  dünner  und  in  dem  Afterdarme  wiegen  die  Längsmuskeln  vor 
gegenüber  den  fast  verschwindenden  Kreismuskelu. 

In  dem  ersten  Darmabschnitte,  dem  Duodenum,  bildet  die  Schleim- 
haiit  sehr  feine  und  unregelmässige  Xetzfalten,  weiterhin  erhöhen  sich 
diese  Falten  und  etwa  in  zwei  oder  drei  Centimetern  Entfernung  vom 
Pylorus  bilden  sie  sich  zu  ausgesprochenen  Querfalten  aus,  welche  wie 
Klappen  in  das  Lumen  des  Darmes  vorspringen  und  durch  secundäre 
Falten  mit  einander  verbunden  sind,  so  dass  ein  complicirtes  Netzwerk 
hergestellt  wird.  Diese  Bildungen  setzen  sich  etwa  über  die  Hafte  der 
Länge  des  Darmes  fort,  gehen  dann  aber  wieder  in  Längsfalten  über, 
die  bis  in  das  Rectum  sich  fortsetzen.  Um  sie  genauer  mit  der  Lupe 
zu  untersuchen ,  spaltet   man   den  Darm   der  Länge   nach   und   breitet 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  gg 


594  Wirbelthiere. 

ihn  auf  einer  geeigneten  Unterlage  aus.  Ausserdem  finden  sich  noch 
im  Dünndarme  Einstülpungen  der  Schleimhaut,  die  als  Lieberkühn'sche 
Drüsen  functioniren  mögen. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  man,  um  den  Darm  ausbreiten 
zu  können,  das  reich  mit  Gefässen  ausgestattete  Bauchfell  durch- 
schneiden muss,  mittelst  dessen  die  Schlingen  des  Darmes  an  die  Körper- 
wandungen aufgehängt  sind. 

Anhangsdrüsen  des  Darmes.  —  Die  bedeutendste  ist  die 
Leber  (r,  Fig.  233;  i,  Fig.  252),  ein  grosses,  viellappiges  Organ  von 
brauner  Farbe,  welches  hinter  dem  Herzen  auf  der  ventralen  Seite 
des  Darmcanales  liegt  und  den  Magen ,  die  Lungen  und  die  oberen 
Darmschlingen  verdeckt.  Sie  fällt  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  so- 
fort in  die  Augen,  und  wenn  man  sie  mit  einem  Pinsel  nach  vorn  über 
den  Kopf  zurückschlägt,  kann  man  ihre  einzelnen  Theile  leicht  zur 
Anschauimg  bringen.  Sie  ist  in  vier  Lappen ,  zwei  mittlere  und  zwei 
seitliche,  getheilt,  welche  die  mittleren  Lappen  ganz  oder  theilweise 
decken. 

Die  grösseren  Seitenlappen  (?',  ?')  haben  eine  convexe,  ventrale 
Fläche;  ihre  abgerundeten  Vorderränder  bilden  einen  winkelartigen 
Ausschnitt,  in  welchen  die  Spitze  des  Herzens  eingebettet  ist.  Der 
linke  Seitenlappen  zeigt  an  seinem  inneren  Rande  einen  Einschnitt, 
welcher  ihn  theilweise  in  zwei  Läppchen  theilt.  Mit  ihren  hinteren 
Abschnitten  bedecken  die  Seitenlappen  grossentheils  den  ventralen 
Mittellappen  {i  ),  welcher  seinerseits  dem  Pylorustheil  des  Magens  und 
der  das  Pankreas  einschliessenden  Darmschlinge  aufliegt.  Man  muss 
also,  wenn  man  den  Frosch,  wie  gewöhnlich,  von  der  Bauchseite 
her  geöffnet  hat,  diesen  Lappen  aufheben,  um  die  genannten  Theile 
zur  Anschauung  zu  bringen.  Man  sieht  dann  zugleich  die  Gallen- 
blase (Je)  und  den  weit  kleineren  und  kürzeren  dorsalen  Leberlappen 
(^  ),  der  auf  der  dorsalen  Seite  des  Darmes  liegt  und  an  diesen  durch 
eine  verdickte  Peritonealfalte,  das  Ligamentum  hepatico-duodenale  (r), 
angeheftet  ist.  Die  vier  Lappen  sind  durch  einen  schmalen  Streifen 
von  Lebermasse  zu  einem  Ganzen  verbunden.  Die  grüne  Galle  wird 
dvirch  ein  Doppelsystem  sehr  feiner  Gallencanäle  {in,  m )  ausgeführt, 
die  dergestalt  in  die  Substanz  der  Leber  und  des  Pankreas  eingelassen 
sind,  dass  man  sie  nur  schwer  zur  Anschauung  bringen  kann. 

Wenn  man  indessen  den  mittleren  ventralen  Leberlappen  so  um- 
dreht, dass  man  seine  dorsale  Fläche  überschauen  kann,  so  sieht  man 
die  beiden  Gruppen  der  erwähnten  Canälchen,  von  welchen  die  eine  (ni) 
am  vorderen  Ende  des  Pankreas,  die  andere  (m  )  etwas  dahinter  liegt. 
Sie  münden  in  einen  gemeinsamen  Ausführungsgang,  den  Gallen - 
gang  (n),  der  in  der  Substanz  des  Pankreas  selbst,  ganz  bis  zu  seiner 
Einmündung  in  das  Duodenum  eingehüllt,  verläuft.  An  seinem  vor- 
deren P!^nde  communicirt  der  Galiengang  durch  einen  feinen,  zuweilen 


Amphibien,  595 

doppelten  Blasengang-  (/)  mit  der  runden,  dunkelgrün  gefärbten 
Gallenblase  (Je),  die  durch  Brücken  von  Bindegewebe  der  Leber 
angeheftet  ist.  Aehnliche  Brücken  heften  das  Pankreas  an  den  Magen 
und  das  Duodenum  so  dicht  an,  dass  die  Trennung  aller  dieser  Orgaue 
nicht  ganz  leicht  ist. 

Das  Pankreas  (o,  Fig.  252)  ist  eine  lange,  schmale  Drüse  von 
heller,  grauer  oder  gelblicher  Färbung,  Es  ist  namentlich  in  seinem 
hinteren  Abschnitte  durch  tiefe  Einschnitte  in  Läppchen  getheilt, 
liegt,  wie  erwähnt,  in  der  Schlinge  zwischen  Magen  und  Duodenum 
und  wechselt  sehr  in  seinem  Volumen,  je  nach  den  Individuen.  Da  es 
fast  ganz  von  den  Leberlappen  umhüllt  wird,  so  muss  man  diese  ent- 
fernen, um  es  zu  isoliren.  Man  sieht  dann,  dass  es  sich  der  Länge 
nach  über  den  ganzen  Eaum  zwischen  Pylorus  und  Gallenblase  erstreckt 
und  in  seiner  Lage  durch  das  Bauchfell  und  die  erwähnten  Binde- 
gewebsbündel  festgehalten  wird.  Seine  sehr  feinen  Ausführungsgänge 
scheinen  in  den  hinteren  Abschnitt  des  Gallenganges  und  nicht  direct 
in  das  Duodenum  zu  münden. 

Die  mit  dem  Darme  nicht  in  directer  Verbindung  stehende  i\Iilz 
('-/,  Fig.  252)  ist  durch  eine  Mesenterialfalte  an  dem  Ende  des  Dünn- 
darmes befestigt.  Sie  hat  eine  kugelige  Gestalt,  tief  braunrothe  Farbe 
und  ist,  wie  bei  allen  Wirbelthieren ,  sehr  reich  an  Blut,  in  welchem 
man  Körperchen  aller  Art  in  Menge  findet. 

Athemorgane.  —  Da  der  Frosch  weder  Rippen  noch  ein  wirk- 
liches Zwei'chfell  hat,  so  ist  der  Mechanismus  seiner  Atbmung  ein 
eigenthümlicher.  Er  schluckt  gewissermaassen  die  Luft  in  seine 
Lungen.  Bei  geschlossenem  Munde  zieht  der  Frosch  die  Muskeln  des 
Bodens  der  Mundhöhle,  besonders  den  Unterkiefermuskel,  herab,  und 
erweitert  auf  diese  Weise  bedeutend  den  Mundraum  ,  so  dass  die  Luft 
von  aussen  durch  die  ofi'enen  Xasenlöcher  eindringt.  Dann  schliesst 
er  die  Nasenlöcher  und  presst  mittelst  der  Muskeln  des  Zungenbein- 
apparates die  Luft  in  den  Kehlkopf  und  in  die  Lungen.  Der  ganze 
Mechanismus  lässt  sich  demjenigen  einer  Saug-  und  Druckpumpe  ver- 
gleichen. Die  in  den  Lungen  angehäufte  Luft  wird  durch  die  Elasti- 
cität  der  Lungenwände  und  den  Druck  der  Bauchmuskeln  wieder  aus- 
getrieben. Ausser  diesen  Hülfsapparaten  bestehen  die  Athemwerkzeuge 
wesentlich  aus  dem  Kehlkopfe  und  den  Lungen. 

Der  Kehlkopf  (Fig.  223)  ist  eine  kurze  Röhre,  die  unmittelbar 
in  die  Lungensäcke  führt;  eine  eigentliche  Luftröhre  existirt  nicht, 
weshalb  auchHenle  den  Kehlkopf  die  Laryngo-trachealkammer  nannte. 
In  die  Mundhöhle  öffnet  sich  der  Kehlkopf  durch  eine  Längsspalte, 
die  Stimmritze  (t,  Fig.  223),  die  hinter  dem  ausgeschnittenen  Ende 
der  zurückgeschlagenen  Zunge  liegt,  Sie  wird  durch  zwei  seitliche 
Lippen  begrenzt,  die  von  Falten  der  Mundschleimhaut  gebildet  sind, 
welche   durch   gebogene,   dreieckige  Knorpellaraellen   gestützt   werden, 

33* 


596 


Wirbelthiere. 


Ficr.  253. 


deren  Wölbung  der  Mundhöhle  zugewandt  ist  (a,  Fig.  253).  Diese 
Arytenoidknorpel  sind  durch  dichtes  Bindegewebe  unter  einander, 
sowie  mit  den  hinteren  Hörnern  des  Zungenbeines  verbunden ,  welche 
den  Kehlkopf  umfassen.  Ausserdem  sind  sie  durch  Bänder  mit  einem 
unpaaren  ,  eiförmigen  Knorpelringe ,  dem  Ringknorpel  ( Cartüago 
cricoidea,  h)  verbunden.  Dieser  Ring  verlängert  sich  nach  hinten  mit 
einer  abgerundeten  Spitze  (c) ,  welche  die  ventrale  Wand  des  Kehl- 
kopfes stützt.  Ausserdem  zeigt  der  Riugknorpel  etwa  in  der  Mitte 
seiner  Circumferenz  zwei  seitliche,  henkelartige  Fortsätze  (d,e),  welche 
auf  der  Rückseite  durch  ein  queres  Knorpelband  (/)  vereinigt  werden, 
so  dass  der  Knorpel  im  Ganzen  einen,  den  Eingang  in  die  Lungen- 
säcke umfassenden  Ring  darstellt. 

An  dem  beschriebenen  Knorpelskelette  heften  sich  mehrere  Muskel- 
paare an,   von   welchen   ein  Paar   die  Stimmritze  erweitert,   während 

zwei  andere  Paare  sie  verengern.    Wir  gehen 
nicht  auf  ihre  nähere  Beschreibung  ein. 

Zieht  mau  die  Ränder  der  Stimmritze  aus 
einander,  so  sieht  man  zwei  seitliche  kleine 
Stimmhöhlen,  deren  vorgezogene  Ränder  sich 
in  der  Mittellinie  berühren  und  die  wie  der 
ganze  Kehlkopf  von  lebhaft  flimmernden 
Fortsetzungen  der  Schleimhaut  überzogen 
sind.  Diese  Falten  sind  die  Stimmbänder , 
deren  Schwingungen  das  Quaken  der  Frösche 
hervorbringen. 

Die  Lungen  (Fig.  223,  q,  q')  hängen  un- 
mittelbar an  dem  Boden  der  Höhle  des  Kehl- 
kopfes. Sie  bestehen  aus  zwei  symmetrischen, 
gleich  grossen  Säcken  mit  äusserst  dünnen 
und  durchsichtigen  Wänden,  die  eine  eiför- 
mige Gestalt  mit  nach  hinten  gerichtetem, 
spitzem  Ende  zeigen,  Sie  sind  frei  in  der 
Bauchhöhle  aufgehängt,  die  sie  etwa  zur 
Hälfte  ausfüllen,  wenn  sie  prall  mit  Luft  ge- 
füllt sind,  Sie  sind  äusserlich  von  einer  Falte 
der  serösen  Haut,  einer  Art  Pleura,  eingehüllt,  welche  die  allgemeine 
Körperhöhle  überzieht. 

Die  Aussenfläche  der  Lungen  ist  vollkommen  glatt;  auf  der  Innen- 
fläche springen  aber  zahlreiche  Falten  vor,  welche  durch  ihre  Ver- 
bindungen mit  einander  ein  dichtes  Netz  mit  engen  Maschen  herstellen. 
Diese  in  die  Höhle  des  Lungensackes  vorspringenden  Netzfalten  sind 
in  dem  vorderen  Abschnitte  jedes  Lungensackes  weit  höher  und  die 
Maschen  dichter  als  in  dem  hinteren  Abschnitte.  Auf  den  Wänden 
der  in   dieser  Weise   hergestellten  Alveolen   verbreiten   sich   die   Netze 


Rana  esculenta.  —  Der  knor- 
pelige Kehlkopf,  a,  Cartilagines 
arytenoideae;  b,  Cartilago  cri- 
coidea; c,  dessen  hintere  Ver- 
längerung ;  d,  seine  vorderen 
Bogen,  die  sich  iiiit  der  Quer- 
lamelle /,  g  vereinigen;  h, 
Stimmritze.  (Nach  W  i  e  d  e  r  s  - 
heim.) 


Amphibien.  597 

der  Capillargefässe,  welche  der  Lungeuarterie  entstammen,  die  an  dem 
Kehlkopfende  der  Lunge  eintritt  und  sich  zuerst  in  drei  Längsstämme 
theilt,  welche  sich  weiter  verästeln.  Dass  durch  diese  Bildung  von  vor- 
sj)ringenden  Falten  die  athmende  Fläche  der  Lunge  bedeutend  ver- 
grössert  wird,  springt  in  die  Augen. 

Das  Lungengewebe  besteht  wesentlich  aus  elastisch -faseriger 
Bindesubstanz  mit  eingestreuten  Muskelfasern  und  Pigmentzellen.  Das 
Capillarnetz  zeigt  sehr  enge  Maschen.  Das  ganze  Gewebe  ist  so 
elastisch,  dass  ein  kleiner  Einstich  genügt,  um  die  sämmtliche  Luft 
auszutreilien  und  den  Sack  zusammenfallen  zu  machen. 

Wir  erwähnen  als  Anhangsgebilde  zwei  kleine  eiförmige,  dunkel- 
roth  gefärbte  Knötchen,  welche  nahe  an  den  Enden  der  hinteren 
Zungenbeinhörner  liegen  und  einen  bedeutenden  Reichthum  von  Blut- 
gefässen zeigen.  Es  sind  die  Schilddrüsen.  In  ihrer  Nähe,  aber 
dem  Unterkiefer  mehr  genähert,  liegt  ein  länglicher,  drüsenförmiger 
Körper,  der  Rest  der  Thymus. 

Harnorgane.  —  Wie  bei  allen  Amphibien,  bestehen  auch  die 
Urnieren  oder  Wolf f 'sehen  Körper  während  des  ganzen  Lebens  foi't, 
werden  aber  theilweise  durch  die  definitiven  Nieren  (r,  Fig.  223) 
ersetzt.  Um  diese  letzteren  zur  Anschauung  zu  bringen ,  muss  man 
das  Rectum  und  die  Geschlechtsdrüsen  entfernen.  Man  sieht  dann 
zwei  dunkelrothe ,  symmetrisch  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  ge- 
legene Organe,  welche  sich  von  der  Mitte  des  vorletzten  Wirbels  bis 
zur  Hälfte  der  Länge  des  Urostyles  erstrecken.  Sie  liegen  ausserhalb 
des  Bauchfelles,  das  nur  ihre  ventrale  Fläche  überzieht;  die  dorsale 
liegt  unmittelbar  dem  Plexus  der  Lendennerven  an.  Sie  haben  die 
Gestalt  eines  abgeplatteten  Halbmondes ;  der  äussere  Rand  ist  convex, 
der  innere  fast  geradlinig ;  doch  zeigt  dieser  drei  seichte  Einschnitte 
als  Einleitung  zur  Bildung  von  Lappen.  Zwischen  ihnen  verlaufen 
zwei  grosse  Gefässstämme;  dorsal  die  absteigende  Aorta  (m,  Fig.  254), 
ventral  die  untere  Hohlvene  (/),  deren  zahlreiche  Aeste  in  das  Gewebe 
der  Nieren  eindringen. 

Die  seicht  ausgehöhlte,  ventrale  Fläche  jeder  Niere  zeigt  den 
Einschnitten  entsprechende  Querfurchen ;  die  dorsale  Fläche  ist  glatt, 
gewölbt  und  lässt  die  Verzweigungen  der  Nierenpfortader  erkennen. 
Längs  dem  äusseren  Rande  läuft  der  Harnleiter  (cl). 

Zur  Untersuchung  der  inneren  Structur  der  Nieren  muss  man  zu 
Längs-  und  Querschnitten  seine  Zuflucht  nehmen ,  die  an  in  Chrom- 
säure fixirten  und  in  Weingeist  gehäi'teten  Organen  gemacht  werden. 
Das  Gewebe  besteht  wesentlich  aus  zahlreichen,  vielfach  gewundenen 
Harncanälchen,  deren  Wände  innen  mit  einem  Wimperepithelium  aus- 
gekleidet sind.  Das  blinde  Ende  dieser  Canälchen  ist  angeschwollen 
und  bildet  eine  Art  Bläschen,  die  Bowman'sche  Kapsel,  in  welcher 
ein  arterielles  Gefässknäuel  (Malpighi'scher  Körper)  eingeschlossen  ist, 


598 


Wirbelthiere. 


durch  dessen  "Wände  der  Urin  ausschwitzt.  In  der  Nähe  der  Kapsel 
verengert  sich  das  Harncanälchen  zu  einem  Halse,  dessen  Epithelium 
sehr  lange  Wimpern  trägt.  Dann  erweitert  es  sich  wieder  und  behält 
bis  zu  seiner  Einmündung  in  den  Harnleiter  dieselbe  Weite  bei.  In 
dem  vorderen  Abschnitte  der  Nieren  vermengen  sich,  bei  den  Mäunchen? 
die  aus  dem  Hoden  tretenden  Samencanälchen  mit  den  Harncanälchen; 
sie  münden,   wie   diese,  in   den   Harnleiter,   der  demnach  zugleich  als 

Fig.  254. 


Rana  esculenta.  —  Männlicher  Urogenitalappavat  von  der  ventralen  Seite  aus  gesehen. 
Um  die  Niere  sehen  zu  können,  sind  rechterseits  der  Hoden  und  der  Fettkörper  weg- 
genommen worden,  a,  a,  Nieren;  b,  Nephrostomen,  als  weisse  Fleckchen  sichtbar; 
c,  c,  Nebennieren ;  d,  d,  Harnsamenleiter ;  e,  ihr  Cloakenende ;  f,  abgeschnittenes  und 
zurückgeschlagenes  Rectum ;  g  ,  Harnblase  ;  h ,  linker  Hode  ;  i ,  Fettkörper ;  Je,  seine 
fingerförmigen    Fortsätze;    ',    untere    Holilvene ;  m,    absteigende  Aorta;    n,  zuführende 

Nierenpfortader. 

Samenleiter  dient.  Diese  Doppelfunction  des  Urnierencanales  findet 
sich,  ausser  bei  den  Amphibien,   nur  noch  bei  den  Selachiern  und  den 


Amphibien. 


599 


Chimären-,  man  hat  den  gemeinsamen  Gang  auch  den  Leydig'schen 
C  a  n  a  1  genannt. 

Die  Malpighi' sehen  Körper  häufen  sich  vorzugsweise  an  der 
ventralen  Fläche  der  Niere  an;  die  Harncanälchen  convergiren  beson- 
ders auf  der  dorsalen  Fläche  gegen  den  am  Vorderrande  der  Niere 
verlaufenden  Harnleiter,  der  anfangs  von  dem  Nierengewebe  gänz- 
lich umschlossen  ist,  aber  allmählich  dem  äusseren  Rande  sich  nähert,  an 
dessen  hinterem  Drittel  er  deutlich  hervortritt,  um  schliesslich  an  dem 
Ende,  wo  er  von  dem  Stamme  der  ihm  parallel  laufenden  Nierenpfort- 
ader  begleitet  wird,  ganz  frei  zu  werden.  Bei  den  Männchen  verläuft 
er  isolirt  in  der  Bauchhöhle  bis  zur  Cloake ,  an  deren  hinterer  Wand 
er  sich  mit  einer  schlitzförmigen  Spalte  öffnet  (?,  Fig.  258).  Bei  den 
Weibchen  dagegen  legen  sich  die  Harnleiter  an  das  hintere  Ende  der 
-ri-      orc  Eileiter  an  und  begleiten  diese 

r  lg.   2o5.  _  ° 

bis  zur  Cloake,  münden  aber 
mit  getrennten  Oeffuungen  in 
dieselbe. 

Der  freie  Theil  des  Harn- 
leiters verengert  sich  in  dem 
Maasse,  als  er  sich  der  Cloake 
nähert;  wir  müssen  indess  be- 
merken, dass  er  bei  den  meisten 
männlichen  Anuren ,  nament- 
lich auch  bei  Rana  temporaria, 
eine  als  Samenblase  fun- 
girende  Erweiterung  besitzt, 
die  unserer  typischen  Art 
durchaiis  fehlt. 

In  den  Wänden  der  Harn- 
leiter finden  sich  glatteMuskel- 
fasern ;  obgleich  sie  in  ihrem 
Endabschnitte  deutliche 

Längsfalten  zeigen,  hat  man  doch  keine  Drüsen  in  dem  gleichförmigen 
Cylinderepithelium  gefunden,  das  ihre  Innenfläche  auskleidet. 

Untersucht  man  die  Ventralfläche  von  mit  Chromsäure  fixirten 
Nieren,  so  sieht  man  eine  Menge  kleiner,  runder  oder  eiförmiger,  weisser 
Fleckchen  mit  einer  winzigen  OefPnung  in  der  Mitte  (ö,  Fig.  254). 
Bei  auffallendem  Lichte  kann  man  unter  dem  Mikroskope  sehen ,  dass 
diese  Fleckchen  trichterförmige  OeflFuungen,  sogenannte  Nephrostomen 
(c,  Fig.  255)  sind,  welche  eine  Communication  zwischen  dem  Cölome 
und  einem  Systeme  schlingenförmig  gewundener  Canälchen  herstellen, 
die  in  die  Nierenmasse  eindringen  und  bald  sich  theilen,  bald  mit  ihren 
Nachbaren  zusammenfliessen,  so  dass  mehrere  Nephrostomen  in  einen 
Canal  sich  öffnen  oder  auch  ein  Canal  mehrere  solcher  Oefifnungen  be- 


Kana  esculentu.  —  Die  ventrale  Fläche  eines 
Niereuläppcliens  unter  dem  Mikroskope  bei  auf- 
fallendem Lichte  betrachtet.  Gundl.  Oe.  1, 
Obj.  0.  a,  Blutgefäss  ;  b,  Pigmentzelleu  ;  c,  c, 
trichterförmige   Oeftnungen   der  Nephrostomen. 


600  Wirbeltbiere. 

sitzen  kann.  Bei  den  Larven  münden  die  Nephrostoniencanäle,  wie 
man  jetzt  weiss,  nach  innen  in  die  Hälse  der  Harncanälchen  ein,  werden 
aber  nach  und  nach  während  des  Wachsens  von  diesen  abgelenkt  und 
gehen  schliesslich  Verbindungen  mit  den  Zweigen  der  Nierenpfortader 
ein.  Diese  Umwandlung  ist  wichtig,  denn  sie  führt  dazu,  die  Bauch- 
höhle der  Anuren  als  einen  Lymphraum  aufzufassen,  weil,  wie  Wieders- 
heim  richtig  bemerkt,  durch  diese  Verschiebung  das  vorher  dem 
Körper  verloren  geheiide  peritoneale  Transsudat  nach  Art  der  übrigen 
lijmphe  dem  Blutgefässsystem  wieder  zugeführt  wird. 

Spengel  (s.  Lit.)  giebt  ausführlichere,  sehr  genaue  Beobachtungen 
über  die  Nephrostomen. 

Die  Nebennieren  (c,  Fig.  254),  deren  Function  noch  unbekannt 
ist,  sind  wahrscheinlich  in  einem  langen  Zuge  gewundener  Canälchen 
von  gelblicher  Farbe  und  lappigem  Ansehen  zu  suchen,  der  auf  der 
Bauchfläche  jeder  Niere  hervortritt. 

Die  Harnblase  (g,  Fig.  254)  ist  eine  ungemein  entwickelte  Aus- 
stülpung der  Vorderwand  der  Cloake  und  wohl  der  Allantois,  der  bei 
den  Embryonen  der  höheren  Wirbeltbiere  vorhandenen  Ausstülpung 
des  Urdarmes  analog.  Sie  erstreckt  sich  wie  ein  weiter,  von  dünnen, 
gefässreichen  Wänden  gebildeter  Sack  mit  zwei  seitlichen  Vorderzipfeln 
auf  der  Bauchseite  der  Eingeweide  im  hinteren  Abschnitte  der  Bauch- 
höhle. Die  Wände  sind  durchsichtig  genug,  um  mannigfaltige,  histo- 
logische Untersuchungen  daran  anzustellen,  wie  Landowsky  (s.  Lit.) 
gezeigt  hat.  In  der  Harnblase  findet  sich  häufig  ein  bekannter  Schma- 
rotzer (Polystonmm  integerrimuni). 

Geschlechtsorgane.  —  Schon  oben  (S.  545)  haben  wir  die 
■äusseren  Kennzeichen  geschildert,  durch  welche  man  die  Männchen 
und  Weibchen  unterscheiden  kann.  Die  inneren  Organe  zeigen  einen 
wesentlichen  Unterschied  in  den  Ausführungsgängen;  bei  den  Weibchen 
ist  der  Eileiter  stets  vollkommen  unabhängig  von  dem  Harnleiter, 
während  bei  dem  Männchen  der  Harnleiter  zugleich  als  Samenleiter 
dient  und  deshalb  auch  oft  Harnsamenleiter  (Canalis  uro-spermaticus) 
genannt  wird. 

Die  Hoden  (Jt,  Fig.  254)  liegen  symmetrisch  zu  beiden  Seiten 
der  Wirbelsäule  auf  der  Ventralfläche  der  Nieren,  an  welchen  sie  durch 
eine  besondere,  gefässreiche  Falte  des  Bauchfelles,  das  Mesor  c  hium, 
befestigt  sind,  in  welcher  auch  die  austretenden  Samengänge  verlaufen. 
Man  erkennt  die  Hoden  sofort  an  ihrer  Eiform  und  ihrer  gelblichen 
Farbe,  die  jedoch  nach  den  Jahreszeiten  mehr  oder  minder  gesättigt 
erscheint.  Ihr  Volumen  wechselt  ebenso;  im  Frühjahre  sind  sie  weit 
grösser  und  draller,  als  später;  ihre  sonst  glatte  Oberfläche  scheint 
dann  auch  warzig  wie  eine  Himbeere.  Sie  sind  innig  verbunden  mit 
einer  orangegelben  Fettmasse  (/),   die   auf  ihrer  Bauchfläche  liegt  und 


Amphibien. 


601 


Fitr.  256. 


mit  zahlreichen  fingerförmigen  Fortsätzen  (Je)  zwischen  die  benach- 
barten Eingeweide  eindringt.  Dieser,  auch  bei  den  Vv^eibchen  an  der 
entsprechenden  Stelle  der  Eierstöcke  vorhandene  Fettkörper  ist  eine 
Ablagerung  von  Nährsubstanz,  auf  deren  Kosten  sich  die  Drüse  mit 
ihrem  Inhalte  während  des  Vv'interschlafes  der  Frösche  im  Schlamme, 
wo  sie  keine  Nahrung  zu  sich  nehmen,  weiter  ausbildet.  Im  ersten 
Frühjahre,  wo  die  Begattung  stattfindet,  sind  die  Fettkörper  stark  ge- 
schwunden, nehmen  aber  während  des  Sommers  wieder  zu  und  zeigen 
zuweilen  eine  braune  oder  graue  Farbe. 

Bevor  man  den  Hoden  loslöst,  um  ihn  auf  irgend  eine  Weise, 
durch  Zerzupfung  oder  Zerlegung  in  Schnitte,  näher  auf  seine  Structur 
zu  untersuchen,  zieht  man  ihn  leicht  auf  die  Seite,  um  die  Mesorchial- 
falte  genauer  zu  betrachten.    Die  zahlreichen  Zweige  der  Hodenarterie, 

welche  der  absteigenden 
Aorta  entstammt,  machen 
sich  sofort  durch  ihre  rothe 
Farbe  kenntlich.  Zwischen 
ihnen  verlaufen  aber  in 
der  Falte  zahlreiche  blasse 
Canälchen ,  die  durch  ihre 
Anastomosen  ein  weit- 
c  maschiges  Netz  bilden  (d, 
Fig.  256).  Einige  dieser 
Canälchen  zeigen  blinde 
Enden  (e) ;  die  meisten  aber 
verlaufen  direct  von  der 
Unterfläche  des  Hodens 
zum  inneren  Nierenrande 
und  dringen  in  die  Nieren- 
substanz ein.  Dies  sind 
die  Vasa  efferentia,  welche 

n  /    /         G  „■+*  in      1     1,  -ii  1     XT.  den  in  den  Hodenröhrchen 

Rana  escidentu.  —  bagittalev  Durchschnitt  der  Niere, 

um  den  Verlauf  der  Samencanälchen  im  Inneren  entwickelten  oameu  nach 
derselben  zu  zeigen,  a,  Hoden;  h,  Niere;  c,  Harn-  aussen  leiten.  Die  mehr 
leiter;     d,    von    den    ausführenden    Samencanälchen     oder    minder     gewundenen 

gebildetes     Ketz;     e,    blinde     Enden    von     Samen-  •   ,  n  -x      o 

...  ,  /■  T-       1      r     1      n  ,         ,  .      ^  meist     prall      mit      Samen- 

canälchen; _/,  langslautender  Sammelcanal  im  Inneren  ^ 

der  Niere  ;   rj,  Ampullen  der  Quercanälchen  h,  welche      elementen  gefüllten  Hoden- 
in  den  Harnleiter  münden.  röhrchen    bilden    grössten- 

theils  die  Hodensubstanz ; 
wir  verweisen  hinsichtlich  der  Entwicklung  der  Zoospermen  in  ihrem 
Inneren  auf  die  Arbeiten  von  de  la  Valette-St.  Georges  undBloom- 
field  (s.  Lit.).  Die  reifen  Spermatoblasten,  die  in  den  Hodenröhrchen 
enthalten  sind,  gehen  in  die  Canäle  über,  welche  im  Parenchym  der  Nieren 
verlaufen.     Dieser  Verlauf  ist  sehr  schwer  zu  verfolgen  und  erheischte 


602 


Wirbelthiere. 


Fij?.  257. 


wohl   weitere  Untersuchungen ,   die  wir  nicht   angestellt  haben.      Wir 
halten  uns  also  an  die  von  Wiedersheim  gegebene  Darstellung. 

Die  Canälchen  in  der  Zahl  von  vier  bis  elf  treten  nach  kurzem 
Verlaufe  in  dem  Parenchym,  das  sie  in  spitzem  Winkel  durchsetzen,  in 
einen,  dem  inneren  Nierenrande  parallel  laufenden  Sammelcanal  (/), 
von  welchem  Quercanälchen  (h)  abgehen,  die  an  ihrem  Ursprünge  eine 
kleine,  ampullenartige  Erweiterung  (p^)  besitzen,  welche  vielleicht  einem 
geschwundenen  oder  metamorphosirten  Mal pi  ghi' sehen  Körperchen 
entspricht.  Nachdem  diese  Quercanälchen  die  Nierensubstanz  in  ihrer 
ganzen  Breite  durchsetzt  haben,   münden   sie  in  den  an  dem  äusseren 

Rande  der-  Niere  verlaufenden  Harn- 
leiter, ohne  in  irgend  eine  Verbindung 
mit  den  eigentlichen  Malpi  ghi 'sehen 
Körperchen  zu  treten.  Der  Same  wird 
so  durch  den  Harnleiter  in  die  Cloake 
eingeführt  und  von  dort  bei  der  Be- 
gattung, wo  das  Männchen  auf  dem 
Weibchen  festgeklammert  sitzt,  über 
die  austretenden  Eier  ausgespritzt.  Be- 
sondere Begattungsorgane  sind  nicht 
vorhanden. 

Im  Frühjahre,  zur  Zeit  der  Reife, 
kann  man  sich  mittelst  eines  einfachen 
Einstiches  in  den  Hoden  zahlreiche 
Zoospermen  in  verschiedenen  Ent- 
wicklungszuständen  verschaffen.  Ihre 
Form  ist  bei  den  beiden  einheimischen 
Froscharten  ziemlich  verschieden  (Fig. 
257). 

Die  Eierstöcke  liegen  bei  den 
Weibchen  an  der  den  Hoden  entspre- 
chenden Stelle,  an  der  ventralen  Fläche 
der  Nieren  und  sind,  wie  die  Hoden, 
durch  ein  Mesoarium  angeheftet.  Es 
sind  weite  Säcke,  die  etwa  durch  ein 
Dutzend  dünner  Querscheidewände,  auf 
deren  Flächen  sich  die  Eier  ent- 
wickeln, in  entsprechende,  mit  einander  communicirende  Kammern 
getheilt  werden.  Die  aus  dem  Epithelium  der  Scheidewände  sich  ent- 
wickelnden Eier  lassen  sich  in  verschiedenen  Entwicklungszuständen 
sehen,  wenn  man  ein  Fragment  der  Scheidewände  unter  dem  Mi- 
kroskope betrachtet  (ic,  x,  Fig.  223;  a,  Fig.  258).  Die  sehr  kleinen 
und  durchsichtigen  Ureier  zeigen  deiitlich  das  Keimbläschen  und 
die  Keimflecke    darin ;    die   mit    blossem    Auge    sichtbaren ,   reifenden 


Zoospermen,  a,  b,  von  Rana  escidenta 
nach  S  c  h  w  e  i  g  g  e  r  -  S  e  i  d  e  1 ;  c,  d,  e, 
von  Rana  temporaria  in  verschiede- 
nen Entwicklungsstadien,  nach  de 
la  Valette-St.   Georges. 


Amphibien.  603 

Eier  erscheinen  wegen  des  angehäuften  Nahrungsdotters  undurchsichtig, 
auf  der  einen  Halbkugel  weiss,  auf  der  anderen  des  dort  in  den  ober- 
flächlichen Schichten  des  Dotters  angehäuften  Pigmentes  wegen  schwarz. 
Die  Menge  dieser  grossen,  auf  der  Oberfläche  des  Eierstockes  vorsprin- 
genden Eier  wechselt  je  nach  den  Jahreszeiten;  im  Frühjahre,  wo  sie 
dicht  gedrängt  die  Eierstöcke  füllen ,  dehnen  sich  diese  so  sehr  aus, 
dass  sie  die  Bauchhöhle  in  ihrem  hinteren  und  mittleren  Abschnitte 
anfüllen ,  die  Leber  nach  vorn  drängen  und  die  Seiten  des  Bauches 
weit  ausdehnen. 

Zur  Zeit  der  Ablage,  im  März  und  April,  drängen  die  Eier  aus 
dem  Follikel,  in  dem  sie  eingeschlossen  waren,  durch  dessen  kurzen 
Stiel  nach  aussen  und  fallen  in  die  Bauchhöhle,  in  welcher  sie  durch 
die  stellenweise  vorhandenen  Flimmerzellen  und  die  Muskelcontrac- 
tionen  gegen  die  Oeffniingen  der  Eileiter  und  in  diese  selbst  eingeführt 
werden.  Für  die  Präparation  der  um  diese  Zeit  mächtig  entwickelten 
und  angeschwollenen  Organe  ist  dieser  Moment  nicht  günstig.  Man 
wartet  besser,  bis  die  Laichzeit  vorüber  ist;  Eierstöcke  und  Eileiter 
befinden  sich  dann  wieder  in  normalem  Zustande.  Die  nicht  gelegten 
Eier  werden  in  der  Bauchhöhle  resorbirt,  zerfallen  und  lassen  meist  an 
dem  Orte,  wo  sie  stecken  geblieben  waren,  einen  schwarzen  Fleck  zurück. 

Unsere  Abbildung  (Fig.  258  a.  f.  S.)  zeigt  den  Zustand  der  Organe 
im  September.  Das  linke  Ovarium  (rt)  ist  umgeschlagen,  um  die  Niere, 
das  Mesoarium  und  den  Fettkörper  (5)  mit  seinen  fingerförmigen  Aus- 
läufern (c)  zu  zeigen.  Zu  dieser  Zeit  zeigt  der  Eierstock  Einschnü- 
rungen ,  welche  den  inneren  Querscheidewänden  entsprechen ,  die  wir 
oben  beschrieben. 

Die  Eileiter  (/)  sind  lange,  runde,  vielfach  gewundene  Röhren, 
welche  über  den  Eierstöcken  liegen  und  sich  durch  die  ganze  Bauch- 
höhle erstrecken.  Sie  sind  weisslich,  durchscheinend,  und  zeigen  dünne 
Wände,  die  sich  aber  zur  Laichzeit  in  Folge  der  Entwicklung  der 
darin  enthaltenen  Drüsen  bedeutend  verdicken,  wodurch  auch  die  Röhre 
selbst  grössere  Dimensionen  erhält.  In  derThat  bestehen  die  Wände  aus 
einer  äusseren  dünnen  Peritonealhülle,  einem  inneren  Wiraperepithelium 
und  zwischen  beiden  aus  einer  Schicht  dichtgedrängter,  flaschenförmiger 
Drüsenzellen,  welche  einen  eiweissartigen  Stoff  absondern,  der  die 
Eigenschaft  hat,  bei  der  Berührung  mit  Wasser  bedeutend  anzu- 
schwellen. Die  in  dem  Eileiter  fortrückenden  Eier  werden  mit  einer 
Schicht  dieses  Stoffes  muhüllt,  kleben  an  einander  und  bilden  dann, 
sobald  sie  im  Wasser  abgelegt  werden,  jene  bekannten  Klumpen,  worin 
die  Eier,  welche  die  dunkle  Seite  stets  nach  oben  drehen,  als  schwarze 
Kügelchen  in  der  Mitte  einer  weiten,  durchsichtigen  Zone  erscheinen, 
die  von  der  erwähnten,  ausserordentlich  angeschwollenen  Schicht  ge- 
bildet wird.  Man  sehe  über  die  Histologie  des  Eileiters  die  Arbeit 
von  Neumann  (s.  Lit.), 


604 


Wirbelthiere. 


Fiff.  258. 


Die  vordere,  schlitzförmige  Oeffnung  des  Eileiters  (d,  Fig.  258) 
liegt  an  der  Rückenwand  der  Bauchhöhle  am  Anfange  der  Lungen  und 
wird   durch   eine    Falte   des   Bauchfelles   in   ihrer   Lage   erhalten.      Sie 

führt   in    einen   kleinen, 
stark  bewimperten 

Trichter  (e),  der  die  Eier 
in  den  Eileiter  selbst 
überleitet.  In  diesem 
gleiten  sie,  von  den  Wim- 
pern fortbewegt,  bis  zur 
hinteren  Mündung  (7i), 
die  an  der  dorsalen  Wand 
der  Cloake  etwas  vor  der 
Mündung  der  Hai-nleiter 
auf  einem  kleinen  Wärz- 
chen angebracht  ist.  Um 
diese  Mündung  zu  sehen, 
-<^  muss  man  die  Cloake 
spalten  und  eine  Borste 
durch  den  Eileiter  ein- 
führen,  der,  mit  Aus- 
nahme einer  unbedeu- 
tenden Verengerung  hin- 
ter dem  Trichter,  überall 
die  gleiche  Weite  be- 
wahrt, aber  unmittelbar 
vor  der  Cloake  eine  be- 
deutende Erweiterung 
(g),  eine  Art  Uterus  mit 
dünnen  Wänden  bildet, 
die  sich  zur  Laichzeit 
Eana  escukuta.  —  Weiblicher  Geschlechtsapparat  von  prall  mit  Eiern  anfüllt, 
der  ventralen  Seite.  Man  hat  nnr  die  Organe  der  j^^^,^^  ^^^  bedeutenden 
linken  Seite  dargestellt,    den  Fettkörper  und  den  Eier-     -pv        i  i   i  ^ 

stock  aber  nach  rechts  herübergeschlagen,  um  die  Niere  -^^'^^^  '  welchen  das 
zur  Anschauung  zu  bringen,  die  von  diesen  Theilen  Männchen  zur  Begat- 
ganz  verdeckt  wird,  a,  Eierstock;  &,  Fettkörper;  c,  finger-  tungszeit  durch  seine 
föi-mige  Anhänge  desselben;  d,  obere  Mündung  des  Ei-  Umarmuno-  ausübt  be- 
leiters  in  der  Höhe  der  Lungen;  e,    enger  Anfangstheil ;      n-    j      ■  j  *       j    •-• 

f  w  A  A     v■^  ■,  -i  ^     p   ,  ^  V.  -J    fordert   es   den  Austritt 

/,  Windungen  des  Eileiters  ;  g,  erweiterter  Endabschnitt 

desselben  (Uterus);    h,  OefFnungen    der  Eileiter    in    die  ^^^  hiier. 
Cloake ;    i,   linke    Niere ;    h,   Harnleiter ;   /,    Oeffnungen  Ueber  die  Entstehung 

der    Harnleiter    in    die    Cloake;    in,    die    aufgeschlitzte  und     Entwickluno"      der 

Cloake;  n,  Peritonealfalte ,  die  den  Eileiter  an  die  ^Aer  vergleiche  man 
Niere  heftet ;  o,  Peritonealfalte  zur  Befestigung  des  vor-  -^         t      i  /  •   i, 

deren  Abschnittes  des  Eileiters    an    die  Lunge   und  die  ^^^     Lambeke     (siehe 

Bauchwand.  Literatur). 


Amphibien.  605 

Gefässsystem.  —  Der  Kreislauf  des  Frosches  steht  etwa  in  der 
Mitte  zwischen  dem  einfachen  Kreislaufe  der  Fische  und  dem  doppelten 
der  Vögel  und  Säugethiere.  Das  Blut,  welches  in  den  Lungen  seine 
Kohlensäure  gegen  Sauerstoff  umgetauscht  bat,  kehrt  zwar  durch  die 
Lungenvenen  wieder  in  das  Herz  zurück,  bevor  es  von  diesem  aus 
in  dem  Körper  vertheilt  wird ,  da  es  aber  durch  die  linke  Vorkammer 
in  die  einzige  und  ungetheilte  Herzkammer  getrieben  wird ,  mischt  es 
sich  dort  mit  dem  durch  die  recbte  Vorkammer  eingetriebenen  Körper- 
blute vira  so  leichter,  als  beide  Vorkammern  sich  zu  gleicher  Zeit  zu- 
sammenziehen. Indessen  ist  doch  durch  die  schwammige  Structur  der 
inneren  Kammerwände  und  durch  die  Ausbildung  unvollständiger 
Scheidewände  an  dem  Aortenbulbus  und  den  aus  demselben  entsprin- 
genden Arterienstämmen  einige  Vorsorge  getroffen,  dass  die  Mischung 
nicht  vollständig  durchgeführt  wird.  Das  venöse  Körperblut  der  rechten 
Vorkammer  wird  grossentheils  in  diejenigen  Arterienstämme  getrieben, 
welche  dieses  Blut  einestheils  in  die  Lungen,  anderentheils  in  die  Haut, 
die  beiden  Hauptorgane  der  Athemfunction,  vertheilen ;  das  arterielle 
Blut  der  linken  Vorkammer  wird  ebenfalls  grossentheils  direct  in  die 
Carotiden  getrieben ,  die  es  im  Kopfe  vertheilen.  So  wird  nur  ein 
Theil  der  gesammten  Blutmenge  in  der  Mitte  der  Herzkamiiier  innig 
gemischt  und  dieses  aus  arteriellem  und  venösem  Blute  gebildete 
Gemenge  speist  fast  ausschliesslich  die  Aortenstämme  und  die  aus 
ihnen  entspringenden  Gefässe. 

Ln  Ganzen  genommen,  zeigt  das  Kreislaufsystem  während  des 
ganzen  Lebens  eine  Anordnung,  welche  derjenigen  der  Dipnoer  ähn- 
lich ist.  Bei  dem  üebergange  der  Larve,  der  Kaulquappe,  von  dem 
Leben  im  Wasser  zu  demjenigen  in  freier  Luft  verkümmert  ein  Theil 
der  die  Kiemen  speisenden  Gefässbogen ,  während  die  übrigen  nur 
den  Platz  wechseln.  Daraus  erklärt  sich  die  relativ  bedeutende  Zahl 
der  Arterienstämme  bei  den  erwachsenen  Fröschen ;  das  dritte  Paar 
der  Kiemenbogen  liefert  die  Carotiden ,  das  vierte  Paar  die  eigent- 
lichen Aortenbogen  und  das  sechste  die  athmenden  Lungenhaut- 
arterien. 

Das  Herz  (2,  3,  Fig.  223)  liegt  in  der  Mittellinie  auf  der  Bauch- 
seite, unmittelbar  über  dem  Brustbeine,  das  man  bei  der  gewöhnlichen 
Präparation  von  der  ventralen  Seite  her  wegnehmen  muss,  um  es  zur 
Anschauung  zu  bringen.  Der  Herzbeutel,  in  welchem  es  ein- 
geschlossen ist,  hat  sehr  dünne,  pigmentirte  Wände  und  hängt  der 
Innenfläche  des  Brustbeines  fest  an.  Das  Herz  hat  die  Form  eines 
unregelmässigen,  nach  hinten  zugespitzten  Eies ,  an  welchem  überdies 
auf  der  ventralen  Seite  (Fig.  259  a.  f.  S.)  der  Aortenbulbus  mit  den  aus 
ihm  entspringenden  grossen  Arterienstämmen,  auf  der  dorsalen  Fläche 
(Fig.  260  a.  f.  S.)  der  Veuensinus  mit  den  einmündenden  Venen  hervor- 
treten.   Bekanntlich  schlägt  das  Herz  des  Frosches  noch  lange  fort,  nach- 


606 


Wirbeltliiere. 


dem  man  es  herausgenommen  und  somit  gänzlich  aus  allen  seinen  Ver- 
bindungen gelöst  hat;  es  finden  sich  in  seinen  Wänden  winzige  Gan- 
glien, welche  mit  den  letzten  Vei'zweigungen  des  dem  Vagus  ent- 
stammenden Herzuerven  in  Verbindung  stehen  und  diese  Selbständigkeit 
der  Herzbewegungen  bedingen. 

Das  Herz  besteht  aus  zwei  Vorkammern  und  einer  Kammer. 
Erstere  (a)  liegen  nach  vorn;  ihre  musculösen  Wände  sind  sehr  dünn, 
sie  bilden  von  aussen  nur  eine  kugelförmige  Blase  ohne  eine  Spur 
einer  Trennungslinie.  Innen  aber  ist  der  Raum  durch  eine  dünne, 
häutige  und  durchsichtige,  senkrechte  Scheidewand  in  eine  kleine  linke 
und  eine  doppelt  so  grosse  rechte  Vorkammer  getheilt.  Der  freie, 
gegen  die  Kammer  gerichtete  Rand  dieses  Vorhanges  ist  leicht  aus- 
geschnitten. Jede  Vorkammer  comraunicirt  mit  der  Kammer  durch 
eine  Oeffnung  (Foramen  citri o-venfricuTare),  die  durch  häutige,  mittelst 
Sehnenfäden  an  die  Kamraerwandungen  angeheftete  Klappen  {YalvuJae 

Eis;.  259.  Tio;.  260. 


o/f      e  ^.       ^ 


Fig.  259.  —  Rana  escidenta.  —  Das  Herz  von  der  ventralen  Seite  aus,  dreifach 
vergrössert.  «,  Vorkammern;  &,  Kammer;  c,  Arterienbulbus ;  c?,  Aortenstämme; 
e,  Stämme  der  Carotiden  ;  y,  Stämme  der  Aorten ;  g,  Stämme  der  Lungenhautarterien; 

Ä,  obere  Hohlvcnen. 
Fig.   260.  —  Rana  escidenta.  —  Das  Herz  von  der  dorsalen  Seite,    o,  Vorkammern ; 
b,  Kammer;  c,  Arterienbulbus;  d,  Venensinus;  e,  uiUere  Hohlvene ;/, /,  Lebervenen; 
■  g,  g,  obere  Hohlvenen;  h,  Lungenvene;  i,  Arterienstämme. 


sigmoideae)  so  regulirt  wird,  dass  bei  der  Systole  der  Vorkammern 
die  Klappen  sich  öffnen  und  das  Blut  in  die  Kammer  einströmen  lassen, 
während  sie  bei  der  Diastole  der  Vorkammern  und  der  Systole  der 
Kammer  sich  spannen  und  die  Rückstauung  des  Blutes  verhindern. 

Die  Kammer  (?) ,  von  conischer  Gestalt ,  liegt  hinter  den  Vor- 
kammern ;  ihre  Spitze  wird  von  den  seitlichen  Leberlappen  umfasst. 
Die  Wände  der  Kammer  sind  bedeutend  dicker  als  die  der  Vor- 
kammern; zahlreiche,  mit  einander  verflochtene  Muskelbündel  (Tra- 
bekeln) geben   der  Innenfläche  ein  schwammiges  Ansehen.     Die  Höhle 


Amphibien.  607 

der  Kammer  hat  im  Ganzen  eine  quere  Erstreckung;  sie  communicirt 
durch  eine  runde,  mit  halbmondförmigen  Klappen  versehene  Oe£Fnung 
mit  dem  Arterienbulbus  (c),  der  rechterseits  an  der  ventralen 
Fläche  der  Kammer  hervortritt,  sich  schief  von  hinten  und  rechts  nach 
vorn  und  links  wendet  und  hart  an  der  ventralen  Fläche  der  Vor- 
kammern anliegend,  sich  an  der  vorderen  Grenze  derselben  in  mehrere 
Arterienstämme  theilt.  Eine  unvollkommene  Scheidewand  wird  in  seinem 
Inneren  durch  eine  vorspringende  Längsfalte  seiner  Wände  gebildet. 

Man  untersucht  das  Herz  in  situ  unter  der  Lupe  bei  der  Rücken- 
lage des  Thieres  nach  Wegnahme  des  Brustbeines  und  des  ent- 
sprechenden Theiles  des  Herzbeutels,  wobei  man  sich  in  Acht  nehmen 
muss,  um  keinen  der  grossen  Gefässstämme  zu  verletzen.  Der  pul- 
sirende  Arterienbulbiis  fällt  auf  der  ventralen  Herzfläche  sofort  in  die 
Augen ;  er  theilt  sich  an  der  Vordergrenze  der  Vorkammern  zuerst  in 
zwei  grosse  Stämme  (a),  deren  jeder  sich  wieder  in  drei  Aeste  theilt. 
Der  vorderste  dieser  Aeste  ist  der  Stamm  der  Carotis  (e,  Fig.  259; 
J,  Fig.  261),  die  den  Kopf  versorgt;  der  hinterste  ist  der  Stamm  der 
Lun  genhautarteri  e  (g),  welcher  zu  den  Athemorganen,  der  Lunge 
und  der  Haut  sich  begiebt;  der  mittlere,  der  grösste,  ist  der  Stamm 
der  Aorta  (/,  Fig.  259;  II,  Fig.  261).  Wir  kommen  in  der  Folge 
auf  die  Verzweigungen  dieser  Stämme  zurück. 

Nun  schlägt  man  das  Herz  gegen  den  Kopf  zurück  und  unter- 
sucht seine  dorsale  Fläche.  Auf  ihrer  Mittellinie  erstreckt  sich  der 
weite,  ebenfalls  pnlsirende  Venen  sin  us  (d,  Fig.  261);  er  mündet  in 
die  rechte  Vorkammer  und  wird  durch  den  Zusammenfluss  von  zwei 
vorderen  Hohlvenen  ((/)  und  einer  gemeinsamen  hintere  n  Hohl- 
vene (e)  gebildet,  in  welche  sich  auch  die  Leb  ervenen  (/)  ergiessen. 
Vor  dem  Vereinigungspunkte  der  vorderen  Hohlvene  sieht  man  den 
kurzen,  gemeinsamen  Stamm  der  Lungenvenen  (/i) ,  welcher  un- 
mittelbar vor  dem  Zusammentritt  der  vorderen  Hohlvenen  die  linke 
Vorkammer  erreicht,  in  welche  er  mit  einer  halbmondförmigen  Oeff- 
nung  einmündet. 

Zur  Untersuchung  des  peripherischen  Gefässsystemes  muss  das- 
selbe injicirt  werden ,  was  ohne  Schwierigkeit  vom  Herzen  aus  ge- 
schehen kann.  Man  erwärmt  den  Frosch  in  Wasser  von  35  bis  40^  C., 
legt  das  Herz  nach  vorsichtiger  Entfernung  des  Brustbeines  bloss, 
schneidet  mit  einer  Scheere  die  Spitze  der  Kammer  ab  und  führt  zur 
Einspritzung  des  arteriellen  Systemes  eine  feine  Canüle  bis  in  den 
Arterienbulbus  ein,  die  man  mit  einer  Ligatur  befestigt.  Um  das 
Venensystem  zu  injiciren,  führt  man  die  Canüle  durch  die  rechte  Vor- 
kammer bis  in  den  Venensinus.  Da  hier  die  Wände  dünn  und  leicht 
zerreisslich  sind,  muss  man  den  Druck  vorsichtig  handhaben. 

Arterielles  System  (Fig.  261  a.  f.  S.).  — Wir  sahen,  dass  der 
Arterienbulbus  jederseits  drei  Stämme  aussendet.     Der  vorderste,   der 


608 


Wirbel  thiere. 


Carotidenstamm  (I)  durclisetzt  eine  eiförmige,  kleine  Masse  spon- 
glösen  Gewebes,  welche  man  die  Carotidendrüse  genannt  hat,  und 
theilt  sich  unmittelbar  darauf  in  zwei  Aeste ,  von  welchen  der  innere, 
die  Zungenarterie,  sich  in  der  Zunge  und  den  benachbarten  Mus- 
keln verzweigt,  während  der  grössere,  äussere  Ast,  die  äussere 
Carotis  (c),  sich  in  vier  Zweige  theilt:  die  aufsteigende  Schlund- 
arterie (p),  welche  längs  der  Schädelbasis  zur  Eustach  i' sehen 
Röhre  läuft  und  an  den  Schlundkopf  Zweige  abgiebt,  die  mit  den 
Zweigen  der  Hautarterie  anastomosiren ;  die  Augenarterie  (o),  welche 

Fig-.  261. 


Ranu  escidenta. —  Injection  des  arteriellen  Systemes.  Der  Körper  ist  von  der  Bauch- 
seite aus  geöffnet,  die  beiden  Hälften  des  Unterkiefers,  Herz,  Magen  und  Leber  zur 
Seite  geschlagen  worden.  H,  Herz;  Lii,  Lungen;  L,  Leber;  M,  Magen;  M' ,  Milz; 
/,  Stamm  der  Carotiden  (die  linke  ist  abgeschnitten);  77,  Aortenstämme;  7/7,  Lungen- 
hautstamm ;  Ad,  rechte  Aorta;  As,  linke  Aorta;  A,  Bauchaorta;  c,  gemeinsame  Ca- 
rotis; p,  aufsteigende  Schlundkopfarterie;  p' ,  Gaumenarterie;  o,  Augenarterie; 
/,  Zungenarterie;  em,  Hautarterie;  s,  Arterie  subclavia;  c,  A.  coeliaca;  vi,  A.  meseii- 
terica.     (Nach  Ecker  und  Wieder she im.) 


die  Muskeln  des  Auges  versorgt;  die  Gaumenarterie  {p),  welche 
zahlreiche  Zweige  an  die  Schleimhaut  des  Gaumens  und  die  Harder'sche 
Drüse  abgiebt,  und  endlich  die  inner  e  Carotis,  welche  im  Schädel  und 


Amphibien.  609 

im  Hirne  bis  zum  Nachhirne  ihren  Verbreitungsbezirk  hat.  Der  Caro- 
tideustamm  liefert  somit  den  grössten  Theil  des  im  Kopfe  circulireuden 
Bhites. 

Das  hinterste  der  drei  dem  Bulbus  entstammenden  Gefässe  ist  der 
Lungen  haut  stamm  (HI),  der  sich  in  zwei  Arterien  theilt:  die 
Lungenarterie  (Lu) ,  die  sich  nach  hinten  krümmt,  in  die  Lunge 
an  ihrer  Spitze  eindringt  und  nach  Theilung  in  je  drei  Aeste  das  ganze 
Lungengewebe  mit  einem  reichen  Capillaruetze  versorgt,  und  die 
Hautarterie  (cm),  die  auf  der  Rückeuseite  an  der  Haut  sich  bis  zum 
hinteren  Körperende  erstreckt  und  auf  ihrem  Verlaufe  zahlreiche,  die 
ganze  Hautfläche  umspinnende  Zweige  abgiebt.  Unter  diesen  Zweigen 
unterscheidet  man  noch  besonders  eine  Schi  und  kiefe  rar  t  er  ie,  die  an 
der  Haut  der  Kehle  und  des  Unterkiefers,  und  eine  Brusthautarterie, 
die  sich  an  der  durch  ihren  Namen  bezeichneten  Stelle  verästelt. 

Der  mächtigste  Stamm  ist  der  mittlere,  der  A  o  rtenstam  m  (II). 
Er  hat  noch  ganz  die  Anordnung  eines  Kiemengefässbogens ;  krümmt 
sich  aufsteigend  zwischen  den  Felsenzungenbeinmuskeln  um  den  Schlund 
herum  und  vereinigt  sich  mit  dem  Stamme  der  anderen  Seite  unmittel- 
bar unter  der  Wirbelsäule  in  der  Mittellinie.  Da  aber  diese  Ver- 
einigung erst  etwa  in  der  Mitte  der  Bauchhöhle  stattfindet,  so  kann 
man  bis  zu  diesem  Punkte  eine  rechte  (Ad)  und  eine  linke  Aorta 
(Äs)  unterscheiden,  welche  durch  ihre  Vereinigung  die  unpaare,  ge- 
meinsame oder  Bauchaorta  (Ä)  bilden.  Beide  Bogen  sind  aber 
nicht  ganz  gleich,  denn  während  die  rechte  Aorta  ganz  in  der  gemein- 
samen aufgeht,  zweigt  sich  von  der  linken,  hart  vor  dem  Vereinigungs- 
punkte, ein  bedeutendes  Seitengefäss  ab,  die  gemeinsame  Eingeweide- 
arterie (cm),  auch  Ai-teria  coeliaco-mesenterica  genannt.  Uebrigens 
geben  beide  Aorten  vor  der  Vereinigimg  jederseits  zahlreiche  Aeste  : 
die  K  ehlkopf  arterie  zum  Kehlkopf  und  den  Nachbargebilden;  die 
Schlundarterie  zur  Rückenwand  des  Oesophagus;  die  Hinter- 
hauptswirbelarterie,  die,  zur  Seite  der  Wii'belsäule  aufsteigend, 
sich  in  zwei  Aeste  theilt,  einen  vorderen,  die  Hi  nter  hau  pts  arter  ie 
(o)  und  die  Wirbelarterie  (i'),  welche  an  die  Muskeln  des  Plinter- 
haupts  und  der  Wirbel  zahlreiche  Zweige  abgeben ,  und  endlich  die 
Sch.iiltevavterie(Ä.subclavia),  die  nahe  bei  der  vorigen  entspringt, 
dem  zweiten  Spinalnerven  entlang  läuft  und  sich  in  den  Muskeln  des 
Schultergürtels  und  der  vorderen  Extremität  verzweigt.  Hinsichtlich 
der  zahlreichen  Aeste,  welche  diese  letztere  abgiebt  und  die  je  nach 
den  Muskeln ,  in  welchen  sie  sich  verzweigen ,  benannt  werden ,  ver- 
weisen wir  auf  die  Monographie  von  Ecker  und  Wiedersheim. 

Die  Eingeweidearterie  (A.  coeliaco-mesenterica),  die  man  als 
eine  Fortsetzung  der  linken  Aorta  betrachten  kann,  theilt  sich  in  zwei 
Hauptäste:  die  Magenarterie  (c)  (^.  Cöe/?acft),  welche  sich  am  Magen, 
der  Leber  und  der  Gallenblase  verzweigt  und  die  Gekrösarterie  (m) 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  gg 


610  Wirbelthiere. 

(A.  mesenterica) ,  welche  das  Mesenterium,   die  Milz   und  die  verschie- 
denen Darmabschnitte  mit  Blut  versorgt. 

Die  Bauchaorta  {Ad)  verläuft  längs  der  Mittellinie  des  Körpers 
nach  hinten.  In  der  Höhe  der  Nieren  entspringen  auf  ihrer  Vorderfläche  . 
vier  oder  fünf  unpaare  Urogenitalarterien  (m,  Fig.  254),  Vielehe 
sich  sofort  gabelförmig  für  die  jederseits  gelegenen  Organe  theilen  und 
vielfache  Zweige  in  die  Nieren,  die  Geschlechtsdrüsen  und  deren  Aus- 
führungsgänge liefern.  Ausserdem  giebt  die  Aorta  eine  Lendenart e'rie 
ab,  welche  theils  durch  die  Zwischenwirbellöcher  Zweige  iu  denWirbel- 
canal  sendet,  theils  iu  den  benachbarten  Muskeln  sich  verästelt. 

Fast  unmittelbar  nach  Abgalie  der  Urogenitalarterien  theilt  sich 
die  Bauchaorta  in  zwei  Gabeläste,  die  gemeinsamen  Becken- 
arterien (Fig.  254),  die  über  den  Lendenuerven  verlaufen  und  nach 
Abgabe  je  eines  Zweiges  für  die  Harnblase  den  Stamm  der  Schenkel- 
arterien bilden,  welche  sich  in  den  Muskeln  des  Beckens  imd  des 
Schenkels  in  seinem  oberen  Abschnitte  verästeln.  Nach  Abgabe  dieser 
Aeste  verlassen  die  Schenkelarterien  das  Becken  und  verlaufen  in  den 
Hinterbeinen  als  Hüftarterien  (A.  iscliiaticae)  längs  der  gleich- 
namigen Nerven ,  zuerst  auf  der  Streckseite  des  Gliedes  zwischen  dem 
grossen  Aussenmuskel  und  dem  halbhäutigen  Muskel  und  theilen  sich 
am  Knie  in  zwei  Ilauptäste,  eine  Schien  beinarte  rie  und  eine 
Wadenarterie,  welche  zuletzt  sich  in  Arterien  für  jede  Zehe  auf- 
lösen. 

Veuensytem.  —  Die  grossen  Venenstämme,  welche  in  die 
beiden  Vorkammern  einmünden,  wurden  schon  bei  Gelegenheit  des 
Herzens  erwähnt.  Die  beiden  IjUu  gen  v  ene  n,  welche  arterielles 
Blut  aus  den  Lungen  bringen,  laufen  von  den  Spitzen  der  Lungen  aus 
auf  der  dorsalen  Seite  des  grossen  Venensinus  gegen  die  Mittellinien 
und  vereinigen  sich  in  einem  kurzen  Lungenvenenstamm,  der 
durch  eine  halbmondförmige  Oeffnung  in  die  linke  Vorkammer  ein- 
mündet (/i,  Fig.  260;  vp,  Fig.  262).  Das  aus  dem  Körper  zurück- 
strömende venöse  Blut  sammelt  sich  durch  die  beiden  oberen  Hohl- 
venen und  die  unpaare ,  hintere  Hohlvene  in  dem  gemeinschaftlichen 
Venensiuus  (f?,  Fig.  260;  sc^  Fig.  262),  der  in  den  rechten  Vorhof 
mündet. 

Jede  vordere  Hohlvene  {g,  Fig.  260)  nimmt  das  aus  dem 
Kopfe,  der  Haut  und  der  vorderen  Extremität  zurückströmende  Blut 
durch  drei  Hauptvenen  auf:  die  Hautvene  {cm,  Fig.  262),  die  namen- 
lose Vene  {va)  und  die  äussere  Jugularvene  {je). 

Die  äussere  Jugularvene  {je)  verläuft  auf  der  Seite  des 
Zungenbeinapparates  und  wird  durch  den  Zusammenfluss  der  Zungen- 
vene, welche  ihre  Zweige  aus  der  Zunge  und  den  Zungenbeinmuskeln 
erhält,  und  der  Unterkiefer vene  gebildet. 


Amphibien. 


611 


Die   namenlose  Vene  (va)  erhält  ihr  Blut   durch   die  innere 
Jugularvene  (ji)   aus   dem  Schädel  und   die   in   die  Jugularis  ein- 
mündende Wirheivene    aus    der  Wirheisäule.     Das   aus   den  Bauch- 
Fio-.  262.  muskeln  und  dem  Schul- 

tergürtel zurückströ- 
mende Blut  sammelt  sich 
in  der  Schulte rvene, 
die  unmittelbar  neheu 
der  inneren  Jugularis 
einmündet. 

Die  Hautvene  (c m) 
ist  der  grösste  der  in 
die  obere  Hohlvene  ein- 
mündenden Stämme;  sie 
wird  aus  zwei  Haupt- 
ästen gebildet.  Der  hin- 
tere Ast,  die  eigentliche 
Hautvene ,  hat  den  wei- 
testen Verbreitungshe- 
zirk ;  sie  verläuft  an- 
fangs unter  der  Haut 
rückwärts  bis  etwa  zur 
Körpermitte,  biegt  dann 
nach  vorn  um  und  lässt 
sich  bis  zur  Schnauzen- 
spitze verfolgen.  Sie  er- 
hält eine  Menge  von 
Zweigen  aus  der  Haut 
und    den    Muskeln    des 

Runa  esculenta.  —  Schema 
des  Venensystems.  A  d,  rechte 
Vorkammer;  As,  linke  Vor- 
kammer; sc,  Venensinus;  vp, 
Lungenvene  ;  Cs,  obere  Hohl- 
vene ;  je,  äussere  Jugularis ; 
/,  Zungenvene ;  m,  Oberkiefer- 
vene ;  Va,  Vena  innominata ; 
ji,  innere  Jugularis;  s,  V. 
subscapularis ;  em,  Hautvene; 
a,  V.  subsclavia ;  Ci,  untere 
Hohlvene ;  L,  Leber ;  /,  Leber- 
vene ;  VC,  Herzvene ;  D,  Darm ; 
P,  Darmpfortader ;  u  h,  Bauch- 
vene; N,  Nieren;  ?'e,  Nierenpfortader  ;  ml,  primäre  zuführende  Nierenvene ;  rall,  secun- 
däre  idem ;  d,  V.  dorso-lumbalis ;  o,  Eileiterveue ;  i,  V.  ischiatica ;  /,  V.  femoralis ; 
ic,  gemeinsame   V.  iliaca.     (Nach  Ecker  und  Wiedersheim.) 


612  Wirbelthiere. 

Gesichtes,  des  Auges  und  der  Brust.  Sie  führt,  da  in  der  Haut  ein 
wirklicher  Atheraprocess  stattfindet,  gemischtes  Blut.  Der  vorder-e 
Ast,  die  Schlüsselbeinvene,  bringt  das  Blut  aus  der  vorderen 
Extremität  durch  zwei  Hauptäste,  eine  Radialvene  und  eineUlnar- 
vene,  welche  an  den  entsprechenden  Seiten  des  Armes  verlaufen. 

Der  grosse  Stamm  der  hinteren  Hohlvene  (ci)  sammelt  das 
aus  den  Eingeweiden  und  den  Beinen  kommende  Blut.  Er  verläuft 
in  der  Mittellinie  der  Wirbelsäule  parallel  mit  der  Bauchaorta  und 
nimmt  auf  diesem  Verlaufe  die  ausführenden  Nierenvenen  (re), 
die  Venen  der  Geschlechtsorgane  und  der  Fettkörper  auf.  Bevor  die 
Hohlvene  den  grossen  Venensinus  erreicht,  nimmt  sie  noch  die  Leber- 
vene (?)  auf,  welche  sämmtliches  Blut  zurückleitet,  das  der  Leber 
durch  die  Leberarterie,  die  Pfortader  und  die  Bauchvene  zugeführt 
wurde.  Alle  diese  Gefässe  bilden  in  dem  Lebergewebe  ein  secundäres 
Capillarnetz ,  aus  welchem  sich  nach  und  nach  die  Lebervenen  zu- 
sammensetzen. 

Die  Pfortader  (P)  sammelt  das  Blut  vom  Magen,  dem  Darme, 
der  Milz  und  dem  Gekröse,  hat  also  einen  sehr  grossen  Verbreitungs- 
bezirk ;  sie  entsteht  aus  zwei  Hauptästen ,  der  Magenvene  und  der 
Darmvene;  ihr  kurzer  Stamm  verästelt  sich  sofort  in  der  Leber- 
substanz. 

Die  Bauchvene  (ah)  setzt  sich  auf  der  Innenfläche  der  Bauch- 
wand aus  zwei  Seitengefässen  der  Schenkelvene  (/)  zusammen.  Nach 
kurzem  Verlaufe  von  hinten  nach  vorn  bilden  diese  beiden  Gefässe 
jedes  eine  Schlinge,  deren  Convexität  nach  hinten  schaut,  und  fliessen 
dann  zu  einem  Stamme  zusammen,  der  in  gerader  Richtung  gegen  die 
Leber  läuft  und  sich  in  den  Seitenlappen  derselben  verzweigt.  Auf 
dem  Wege  dorthin  ergiessen  sich  noch  in  die  beiden  Aeste  kleine 
Venen  von  der  Gallenblase  und  in  den  Stamm  selbst  mehrere  Aestchen 
von  den  Bauchmuskeln.  Endlich  nimmt  der  Stamm,  unmittelbar  vor 
seinem  Eintritte  in  die  Lebermasse,  eine  kleine  Herzvene  (pc)  auf, 
welche  aus  dem  den  Arterienbulbus  umspinnenden  Capillarnetze  ent- 
steht. Das  ganze  System  der  Bauchvene  ist  gewissermaassen  nur  eine 
Abspaltung  der  Pfortader. 

Die  Nieren  besitzen  ein  Pfortadersystem,  welches  demjenigen  der 
Leber  ähnlich  ist.  Wir  erwähnten  schon  die  ausführenden  Nieren- 
venen, welche  in  der  Zahl  von  zwei  oder  drei  Paaren  in  die  hintere 
Hohlvene  einmünden.  Die  einführenden  Venen,  zwei  an  der  Zahl, 
dringen  am  äusseren  und  hinteren  Rande  der  Niere  in  dieselbe  ein 
und  verzweigen  sich  vorzugsweise  auf  ihrer  dorsalen  Fläche.  Die 
primäre  Zufuhrvene  der  Niere  (ral)  bringt  den  grössten 
Theil  des  aus  der  hinteren  Extremität  abfliessenden  Blutes  (ein  Theil 
davon  wird  direct  in  die  Bauchvene  ergossen)  und  entsteht  aus  zwei 
Aesten,  einem  grösseren,  der  S  chenkel  v  ene  (/),  und  einem  kleineren. 


Amphibien.  613 

der  Hüftvene  (/).  Die  erstere  sammelt  das  aus  der  dorsalen 
Fläche  des  Unterschenkels  und  des  Fusses  zurückkehrende  Blut  als 
hintere  Schien beinvene,  tritt  dann  über  dem  Knie  auf  die 
Vorderseite  des  Schenkels  über  und  verläuft  zwischen  dem  grossen 
äusseren  und  dem  geraden  vorderen  Schenkelmuskel  nach  vorn.  Die 
zweite  begleitet  den  grossen  Schenkelnerven  zwischen  dem  haibhäutigen 
und  dem  zweiköpfigen  Muskel,  verläuft  zum  Theil  in  dem  inneren 
Canal  der  Tibia  als  vordere  Schienbeinvene  und  sammelt,  wie 
die  vorige,  das  aus  Unterschenkel  und  Fuss  kommende  Blut,  aber  von 
der  entgegengesetzten  Fläche.  In  der  Nähe  des  Hüftgelenkes  sind 
beide  Venen  durch  einen  kleinen  Verbindungszweig  in  Commuuication 
gesetzt  (ic).  Wir  erinnern  hier  daran,  dass  die  Schenkelvene  vor 
ihrer  Vereinigung  mit  der  Beckenvene  mit  einer  Schlinge  der  Bauch- 
vene anastomosirt. 

Die  secundäre  Zufuhrvene  der  Niere  (rall)  bildet  sich 
aus  drei  Hauptästen,  den  beiden  Eileitervenen  (o)  und  der  Rücken- 
lendenvene (a) ,  welche  das  aus  der  Haut  und  den  Lendenmuskeln 
kommende  Blut  sammelt. 

Durch  alle  diese  Gefässe  wird  das  Blut  aus  dem  ganzen  Körper, 
freilich  nicht  ohne  zum  Theil  zwei  secundäre  Pfortadersysteme  durch- 
laufen zu  haben,  in  dem  grossen  Venensinus  gesammelt  und  durch 
diesen  der  rechten  Vorkammer  zugeführt. 

Lymphsystem.  —  Es  besteht  aus  dreierlei  verschiedenen  Ge- 
bilden: den  Lymphherzen,  den  unter  der  Haut  gelegenen  Lymphsäcken 
und  den  Lymphgefässen ,  welche  scheidenartig  die  Blutgefässe  des 
Mesenteriums  umhüllen. 

Es  giebt  zwei  Paar  Lymphherzen.  Die  vorderen  liegen 
jederseits  an  der  Wirbelsäule  in  einem  kleinen,  dreieckigen  Räume, 
der  durch  das  Auseinanderweichen  der  Muskelfasern  gebildet  wird, 
welche  die  Querfortsätze  des  dritten  und  vierten  Wirbels  mit  einander 
verbinden.  Man  sucht  diese  kleinen,  eiförmigen  Säckchen  mit  dünnen, 
contractilen  Wänden,  in  welchen  sich  Muskelfasern  nachweisen  lassen, 
am  besten  von  der  Bauchseite  aus  auf.  Xach  Wegnahme  des  Darmes 
und  der  Lungen  sieht  man  sie  deutlich  an  dem  Hinterrande  des  Quer- 
fortsatzes des  dritten  Wirbels  neben  der  Schultervene ,  in  welche  sie 
münden. 

Die  hinteren  Lymphherzen  haben  wie  die  vorderen  etwa 
die  Grösse  eines  dicken  Stecknadelkopfes.  Sie  liegen  jederseits  am 
hinteren  Ende  des  Urostyls,  nahe  dem  Hüftgelenke,  in  einem  drei- 
eckigen, von  den  Steissbeinbeckenmuskeln,  dem  Gesässmuskel  und  dem 
grossen  äusseren  Muskel  begrenzten  Räume  so  oberflächlich  unter  der 
Haut,  dass  man  sie  bei  manchen  Fröschen  pulsireu  sieht,  und  hängen 
mit   dem   erwähnten    queren  Verbindungsaste   zwischen  Schenkel-   und 


614 


Wirbelthiere, 

Fig.  263. 


Rana  esculeutu.  —  Die  L3'mphsäcke  unter  der  Haut  der  Rückentläclie.  Die  braunen 
Flecke  bezeichnen  die  Stellen ,  wo  Muskeln  sich  an  die  Haut  anheften ;  die  gleich- 
farbigen Linien  die  Lagerung  der  Scheidewände.  1,  cranio-dorsaler  Sack;  3,  Seiten- 
säcke;    7,    brachio- dorsaler    Sack;      9,    femoraler     Sack;     10,    subfemoraler    Sack; 


Amphibien.  615 

Hüftvene  zusammen  (ic ,  Fig.  262).  Man  präparirt  sie  selbstver- 
ständlich vom  Rücken  aus. 

Die  Lymphherzen  nehmen  durch  winzige  Löchelchen  die  ihnen 
von  der  Bauchhöhle  und  den  Lymphräumen  unter  der  Haut  zu- 
strömende Lymphe  auf  und  treiben  sie  durch  die  erwähnten  Communi- 
cationen  in  den  venösen  Blutstrom.  Spritzt  mau  vorsichtig  eine  ge- 
färbte Masse  in  sie  ein,  so  geht  diese  in  die  Bauchhöhle  und  die  Venen, 
sowie  in  die  Säcke  unter  der  Haut  über,  die  den  Arbeiten  von 
Job.  Müller  und  Recklinghausen  zufolge  unzweifelhaft  Lymphe 
enthalten. 

Wenn  man  einen  Frosch  enthäutet,  so  mag  man  über  die  weiten 
Räume  erstaunen ,  welche  sich  zwischen  der  Haut  und  den  Körper- 
muskeln erstrecken  und  die  durch  dünne  Seheidewände  aus  Binde- 
gewebe in  mehrere,  mit  farbloser  Lymphe  gefüllte  Kammern  getheilt 
werden.  In  diesen  Scheidewänden  erstrecken  sich  noch,  namentlich  an 
ihren  Ansätzen  an  die  Haut,  kleinere  Lymphräume,  die  durch  gut 
gelungene  Lijectionen  nachgewiesen  werden  können.  Wir  erwähnen 
nur  die  grösseren  Haupträume. 

Der  grosse  Schädelrückensack  (11, Fig.  263)  erstreckt  sich  von 
der  Schnauzenspitze  bis  zum  Steissende.  Er  ist  seitlich,  begrenzt  von 
den  Rückenscheidewändeu  (d,  d),  die  ihn  von  den  Seitensäcken  (3,  3), 
und  hinten  von  den  Leistenwänden  (?',  i) ,  die  ihn  von  den  Schenkel- 
säcken trennen. 

Die  Seite  n  Säcke  des  Stammes  (3,  3)  erstrecken  sich  auf  den 
Seiten  des  Körpers  zwischen    den  voi'deren  und  hinteren  Extremitäten. 

Der  dreieckige  Bauchs.ack  ist  durch  die  Bauchscheidewände 
von  den  Seitensäcken  getrennt  und  erstreckt  sich  von  dem  Brustbeine 
zur  Symphyse  des  Beckens.  Vor  iiim  liegt  auf  dem  Brustbeine  und 
der  Kehle  der  Brustsack  und  vor  diesem  der  Unterkiefersack 
von  einer  an  der  Kehle  angebrachten ,  queren  Scheidewand  bis  zur 
Ecke  des  Unterkiefers.  Die  an  dessen  Aesten  angeheftete  Haut  schliesst 
ihn  seitlich  ab. 

Die  Leistensäcke  (15)  sind  zwischen  den  Rückensack  und  die 
Seitensäcke  eingeschoben  und  nach  hinten  durch  die  Scheidewände  der 
Schenkelsäcke  abgeschlossen. 

Die  Säcke  unter  der  Haut  der  Extremitäten  werden  durch  die 
Fortsetzungen  der  Scheidewände  des  Stammes  getrennt  und  sind  je 
nach  den  Regionen,  wo  sie  sich  finden,  benannt  worden.  Fig.  263  zeigt 
die  auf  der  Dorsalfläche  des  Armes  und  des  Beines  angebrachten  Säcke. 

11,  iiitert'emoraler   Sack;    12,  cruraler  Sack;    13,  dorsaler  Sack;    14-,  Sack  der  Fuss- 
sohle ;     15,    Leistensäcke;    d,    dorsale    Scheidewände;    «,    abdominale    Scheidewände; 
's,  hintere;    s'",   mittlere  Armscheidewand;    /,    inguinale  Scheidewand;   /,  obere  femo- 
rale Scheidewand;/'",  femorale  Zwischenscheidewand;  ?',   Stimmsack.      (Nach    Ecker 
und  W  i  e  d  e  r  s  h  e  i  m.) 


616  Wirbelthiere. 

Die  Amphibien  zeigen  im  Ganzen  einen  ziemlich  übereinstimmenden 
Bau ;  ihre  wesentlichsten  morphologischen  Unterschiede  werden,  wie  gewöhn- 
lich, durch  die  Verhältnisse  bedingt,  in  welclien  sie  leben.  Viele  unter  ihnen 
leben  beständig  im  Wasser  und  behalten  die  daza  nöthigen  Organe  (Schwanz- 
flosse, Kiemen  etc.)  durch  ihr  ganzes  Leben  hindurch,  wogegen  die  anderen, 
welche  im  erwachsenen  Zustande  auf  dem  Lande  in  freier  Luft  leben ,  diese 
Organe  nur  im  Larvenzustande  beibehalten,  während  sie  später  verkümmern 
oder  anderweite  Functionen  erhalten. 

Die  Lebensgeschichte  des  Axolotl ,  der ,  je  nach  Maassgabe  der  äusseren 
Existenzbedingungen ,  sich  zum  Ambl^-stoma  vimwandelt  oder  durch  Genera- 
tionen hindurch  im  Larvenzustande  als  Siredon  verbleibt,  oder  diejenige 
einiger  anderer  Salamandriuen,  welche,  je  nachdem  sie  Wasser  in  Fülle  haben 
oder  desselben  entbehren,  als  Larven  mit  Kiemen  oder  als  ausgebildete  Thiere 
mit  Lungen  sicli  fortpflanzen,  zeigen  klar,  dass  die  geschlechtliche  Eeife  weit 
unabhängiger  von  der  Leibesform  ist,  als  mau  früher  annahm.  Mit  Unrecht 
sah  man  die  Anwesenlieif  von  Kiemen  als  einen  wesentlichen  Charakter  des 
Larvenzustandes  an.  Wir  verweisen  in  dieser  Beziehung  auf  die  bekannten 
Untersuchungen  von  Frl.  v.  Chauvin.  Das  Fortbestehen  eines  Schwanz- 
anlianges  unterscheidet  die  Urodelen  von  den  Anureu.  Erstere  sind  zwar 
meist  klein ,  erreichen  aber  doch  in  einer  Art  {Oryptobranchiis)  1  m  Länge. 
Frösche  und  Kröten  sind  zum  Theil  sehr  ansehnliche  Thiere. 

Die  Entwicklung  der  Extremitäten  verändert  wesentlich  die  äussere 
Körperform.  Bei  den  Gymnophionen ,  die  eine  schlangenähuliche  Gestalt 
haben,  fehlen  äussei-e  Glieder  durchaus ;  bei  gewissen  Urodelen  {Siren)  fehlen 
die  Hinterglieder,  bei  anderen  'sind  sie  nur  kurz  und  haben  nur  wenige 
Finger,  dienen  aucli  nur  zum  Kriechen,  während  bei  den  Anuren  die  Hinter- 
beine meist  übermässig  entwickelt  sind  und  zum  Springen  dienen. 

Meist  ist  die  Haut  nackt  und  mit  Drüsen  ausgestattet.  Bei  den  Gymno- 
phionen  ünden  sich  aber  in  eigenen  Taschen  steckende  Schuppen ,  die  sogar 
bei  einigen  eine  ziemliche  Grösse  erreichen  können  {Epicrium)  und  durchaus 
nach  dem  Typus  der  cycloiden  Fischschuppen ,  nicht  nach  demjenigen  der 
Eeptilienschuppen  gebaut  sind.  Bei  einigen  Anuren  finden  sich  Knochen- 
schilder auf  der  Haut  des  Eückens  (Cerafophrys),  die  sogar  mit  den  darunter 
befindlichen  Wirbeln  Verbindungen  eingehen  können  (Brachycephalus).  Ohne 
Zweifel  sind  diese  Bildungen  die  letzten  Anklänge  an  die  wuchtigen  Haut- 
X^anzer,  welche  viele  fossile  Amphibien  trugen  {Archego säur us).  Zuweilen 
findet  man  auch  Ablagerungen  von  Kalksalzen  in  den  Bindegewebezellen  der 
Haut  {Bufo). 

Die  einfache  glatte  Oberhaut  der  Larven  verdickt  sich  meist  mit  dem 
Alter  und  wird  oft  hart  und  warzig;  bei  den  Gymnophionen  bildet  sie  Halb- 
ringe von  Falten,  die  sich  theilweise  wie  Ziegel  gegenseitig  decken  [Epicrium)' 
Bei  den  On,ychodactylen  verdickt  sie  sich  an  den  Enden  der  Zehen  und  bildet 
wahre  Nägel  [Cryptodranchus,  Dactylethra).  Zur  Begattungszeit  verdickt 
sich  die  Haut  des  Daumens  bedeutend  bei  den  meisten  Fröschen  und  Kröten 
und  erleichtert  so  das  Umklammern  des  Weibchens. 

Zuweilen  vei'dickt  sich  auch  die  Leder  haut  und  dringt  in  die  von 
der  Oberhaut  gebildeten  Kämme  ein.  Sie  besteht  immer  aus  gekreuzten 
und  etwas  verfilzten  Bindegewebsfasern ,  zwischen  deren  Bündeln  sich  zahl- 
reiche glatte  Muskelfasern  und  Netze  von  Lymphräumen ,  Gefässen  und 
Nerven  nachweisen  lassen.  Die  Muskelfasern  bedingen  eine  gewisse  Con- 
tractilität  der  Haut  und  befördern  den  Austritt  der  zahlreichen ,  von  den 
Hautdrüsen  gelieferten  Absonderungsstoffe. 

Man  kann  zwei  Arten  von  Drüsen  unterscheiden:  einzellige,  in  Form 
von  Flaschen,  und  vielzellige,  traubige  Drüsen.     Der  von  letzteren  gelieferte 


Amphibien.  (117 

Schleim   enthält   oft   riecheude,    scharfe   oder   selbst   giftige  Stoffe.     Aus  den 
letzteren  hat  mau  toxische  Alkaloide  ausgeschieden  (Salamandriu  etc.). 

Die  Vertheilung  der  Hautdrüsen  variirt  sehr  bei  den  verschiedeneu  Gat- 
tungen und  ist  auch  zoologisch  verwerthet  worden.  Bald  sind  sie  unregel- 
mässig über  die  ganze  Oberfläche  der  Haut  zerstreut ,  bald  an  einzelnen 
Stellen  angehäuft.  Zu  solchen  Anhäufungen  gehören  die  hinter  dem  Kiefer 
gelegenen  Parotiden  der  Salamander,  die  Tussdrüsen  vieler  Kröten  [Bufo, 
Bombinator).  Wenn  sie  auch  ursprünglich  Schutz-  und  Vertheidigungsorgane 
sind,  so  können  sie  auch  andere  Functionen  übernehmen.  Die  zelligen  Rücken - 
hauträume  der  Aveiblichen  Pipa,  in  Avelche  die  Eier  eingestrichen  werden  und 
bis  zum  Ablaufe  der  Larvenperiode  verweilen,  dürften  nur  modificirte  Haut- 
drüsen sein. 

ZA\dschen  Lederhaut  imd  Oberhaut  finden  sich  meistens  Pigmentzellen, 
welche  oft  tief  in  die  Lederliaut  eindringen.  Bei  manchen  Gattungen  sind 
sie  contractu  und  werden  wahre  Chromatophoren  [Hyla]  ^  deren  Bewegungen 
von  dem  Nervensj'steme  abhängig  scheinen  und  Farbenveräuderungen  be- 
dingen ,  die  zu  den  umgebenden  Medien  fMimicry)  oder  zu  den  Geschlechts- 
functionen  in  Beziehung  stehen,  wie  z.  B.  das  Hochzeitskleid  der  Tritonen. 
Bei  einigen  hat  man  in  der  That  zu  den  Chromatophoren  tretende  feine 
Nervenendigungen  beobachtet. 

Das  Skelett  variirt  ungemein.  Bei  allen  Amphibien  kann  mau  wäh- 
rend des  ganzen  Lebens  Beste  des  Primordialschädels  und  der  Chorda  nach- 
weisen. Indessen  finden  sich  bei  ihnen  allen  "SVirbel,  Avelche  durch  Zwischen- 
scheiben mit  einander  verbimden  sind,  eine  Eildung,  die  bei  Fischen  nicht 
vorkommt.  Die  Wirbelkörper  entstehen  nicht,  Avie  bei  Ganoiden  und  Se- 
lachiern,  in  der  Scheide  der  Chorda  selbst,  sondern  in  dem  diese  Scheide 
umgebenden  Bindegewebe. 

Zuweilen  sind  die  Wirbel  biconcav  oder  amphicöl  [Gymnopliionen ,  Pe- 
rennihranchier);  in  anderen  Fällen  opisthocöl  (Pipa,  Scäamandrinen)  oder 
procöl,  wie  bei  dem  Frosche  und  den  meisten  Anuren.  Einige  dieser  letzteren 
(Bombinator ,  Alytes)  haben  indess  opisthocöle  Wirbel.  Die  bei  den  Anureu 
weit  stärker  als  bei  den  Urodelen  au-;geprägte  Ausbildung  der  Zwischen - 
Wirbelscheiben  hat  zur  Folge,  dass  die  Chorda  mehr  zurückgedrängt  Avird, 
und  die  Beste  derselben  knorpelige  Beschaffenheit  annehmen,  um  sich  zu 
Gelenkköpfen  mit  entsprechenden  Gelenkhöhlen  auszubilden. 

Die  Zahl  der  Wirbel  variirt  je  nach  der  Streckung  des  Körpers.  Bei 
den  Anuren  finden  sich  höchstens  zehn  Wirbel ,  bei  den  Salamandern  oft 
vierzig  und  mehr,  hundert  bei  den  Sirenen,  hundertundfunfzig  bei  den  Tritonen 
und  bis  ZAveihuudert  bei  den  Gymnophionen.  Mit  Ausnahme  der  letztereu, 
Avelche  keine  Extremitäten  besitzen,  kann  man  einzelne  Abschnitte,  Hals-, 
Brust-,  Lenden-,  Kreuzbein-  und  SchAA'anzAvirbel,  uuterscheiden.  Meist  zeigen 
die  einzelnen  Wirbel  dieser  verschiedenen  Eegioneu  auch  eigenthümliche 
Bildung. 

Die  Dornfortsätze  bleiben  meist  rudimentär ;  doch  sind  sie  bei  einigen 
Urodelen  mit  geschmeidiger  Wirbelsäule  unter  einander  eingelenkt.  Die 
Querfortsätze  sind  bei  den  Anuren  am  stärksten  entAvickelt;  bei  deuL^rodelen 
und  Gymnophionen  treten  sie  mit  rudimentären  Ri2:)pen  in  Beziehung.  Im 
ScliAvanze  der  Urodelen  finden  sich  Hämapophysen,  welche  die  Centralgefässe 
umfassen.  Bei  deu  Anuren  ist  der  in  der  Larvenperiode  A^orhaudene  ScliAvanz 
einer  rückschreitenden  Metamorphose  unterworfen,  Avelche  sich  nicht  nur  auf 
diesen  Anhang  beschränkt,  der  gänzlich  zu  Grunde  geht,  sondern  auch  noch 
auf  eine  Reihe  von  Wirbeln  des  Stammes  sich  fortsetzt ,  AA^elche  zu  einer 
klingenförmigen  Leiste ,  dem  Steissbeine  oder  Urostyl ,-  mit  einander  ver- 
schmelzen, Avie  bei  dem  Frosche. 

39* 


618  Wirbel  thiere. 

Der  erste  Wirbel  zeiclinet  sicli  durch  seine  Eiugfortn  und  das  Fehlen 
der  Querfortsätze  aus.  Mit  Ausnahme  der  Gymnophionen  trägt  er  am  unteren 
Eande  seiner  Vorderfläche  einen  Zahnfortsatz,  der  in  den  Basaltheii  des 
Hinterhauptsbeines  eindringt;  ausserdem  zeigt  er  die  beiden  seitlichen  Gelenk- 
höhlen, welche  den  Gelenkköpfen  des  Hinterhauptes  entsprechen ,  die  für  die 
Amphibien,  den  Eeptilien  gegenüber,  charakteristisch  sind.  Die  embryologischen 
Forschungen  haben  uns  gezeigt,  dass  dieser  erste  Wirbel  dem  Epistropheus, 
also  dem  zweiten  Wirbel  der  übrigen  Wirbelthiere  entspricht  und  dass  der 
ei'ste  ursprüngliche  Wirbel,  der  Atlas,  im  Laufe  der  Entwicklung  mit  dem 
Hinterhauptsbeine  verschmilzt. 

Der  Primordialschädel,  der  bei  den  Perennibrauchiern  zum  grössten 
Theile  während  des  ganzen  Lebens  fortbestehen  bleibt,  verschwindet  mehr 
oder  minder  bei  den  anderen  Amphibien  durch  unmittelbare  Yerknöcherung 
seines  Knorpels  oder  durch  Schwund  in  Folge  der  Ausbildung  von  Deck- 
platten, die  im  umgebenden  Bindegewebe  entstehen.  Die  stets  gut  entwickelten 
seitlichen  Hinterhauptsbeine,  die  Knochen  der  Gehörkapsel,  das  Ringbein  und 
das  Quadratbein  sind  enchondrische  Knochen,  wähi-end  die  den  Schädel  von 
oben  und  unten  schliessenden  Knochen ,  die  Stirn-  und  Scheitelbeine ,  das 
Keilbein,  die  Nasenbeine  und  der  Vomer,  ursprüngliche  Deckplatten  sind.  Je 
nach  Ordnungen  und  Familien  entwickeln  sich  diese  Knochen  in  eigenthüm- 
licher  Weise.  So  bleiben  die  Stirnscheitelbeine  bei  den  Urodelen  getrennt, 
während  sie  bei  den  Anuren  verschmelzen.  Das  Keilbein  der  Urodelen  hat 
nicht  die  Kreuzform  wie  beim  Frosche;  das  Eingbein  fehlt  bei  ihnen.  Der 
Vomer  ist  bei  Pipa  iTugetheilt  etc.  Wir  gehen  auf  diese  secundären  Bil- 
dungen nicht  weiter  ein. 

Der  0  b  e  r  k  i  e  f  e  r  b  o  g  e  n  ist  bei  den  Perennibrauchiern  auf  die  Zwischen- 
kiefer reducirt,  aber  stets  fest  an  den  Schädel  geheftet,  was  nur  bei  wenigen 
Fischen  (Holocephalen,  Dipnoer)  der  Fall  ist.  Auch  das  Quadratgaumenbein 
ist  mit  dem  Schädel  unbeweglich  verwachsen.  Der  dem  Quadratbeine  ent- 
sprechende Theil  des  Aufhängegerüstes  des  Unterkiefers  ist  bei  den  meisten 
Anuren  verknöchert  und  durch  ein  Jochbein  mit  dem  Hinterrande  des  Ober- 
kieferbogens  verbunden ;  bei  den  Urodelen  fehlt  das  Jugale  und  ist  durch 
ein  fibröses  Band  ersetzt.  Auf  dem  Ober-  und  Zwischenkiefer  kommen  Zähne 
fast  allgemein  vor ;  weniger  allgemein  auf  dem  Unterkiefer  und  dem  Vomer, 
seltener  auf  den  Gaumenbeinen  und  ausnahmsweise  auf  den  Flügelbeinen 
[Menoiranchus,  Siredon)  oder  dem  Keilbeine  {Batraclwsepft). 

Die  zahlreichen  Variationen  der  V  isceralbogen  hängen  grossentheils 
mit  der  Athemfunction  zusammen.  Bei  den  Perennibrauchiern  mit  lebens- 
länglichen Kiemen  finden  sich  meist  fünf  Visceralbogen :  der  Hyoidbogen 
und  vier  Kiemenbogen,  deren  jeder  aus  zwei  Paaren  von  Knorpelstäben  ge- 
bildet ist.  Doch  finden  sich  bei  Proteus  nur  noch  drei  Kiemenbogen  und 
bei  den  Salamandrinen  zeigen  sich  nur  die  Ueberreste  von  zwei  Kiemen- 
bogen, die  bei  den  Erdsalamandern  ganz  rudimentär  werden.  Nur  bei  den 
Larven  der  Anuren,  den  Kaulquappen,  finden  sich  Kiemenbogen ;  sie  werden 
während  der  Metamorphose  rückgebildet  bis  auf  einen  fransenlosen  Bogen, 
der  an  dem  hinteren  Theile  des  Zungenbeinkörpers  angeheftet  ist  und  dem 
Kehlkopf  als  Stütze  dient.  Bei  den  zungenlosen  Kröten  [Pipa,  Dactylethra) 
verkümmert  der  Zungenbeinapparat  in  auffallender  Weise. 

Den  gliedlosen  Gymnophionen  fehlen  auch  der  Schulter-  und  B  ecken - 
gürtel.  Letzterer  fehlt  auch  bei  Siren ,  das  nur  Vorderfüsse  besitzt.  Bei 
den  niederen  Urodelen  ist  der  Schultergürtel  in  der  Mittellinie  der  ventralen 
Fläche  nicht  geschlossen,  da  der  Körper  des  Brustbeines  fehlt.  Bei  den 
Anuren  dagegen  ist  dieser  Mitteltheil  des  geschlossenen  Schultergürtels  noch 
wesentlich    durch    die    Ausbildung     des    Episternum    verstärkt.      Ueberhaupt 


Amphibien.  619 

hängt  die  Vervollkommnung  des  Schultergürtels  von  derjenigen  des  Aussen- 
gliedes ab ;  so  ist  z.  B.  bei  den  Urodeleu  das  Schulterblatt  sehr  klein ,  wäh- 
rend das  Suprascapulare  fehlt. 

Die  drei  Knochen  des  Becken giirt  eis  zeigen  meist  dieselben  Beziehungen 
und  Lagerung  wie  bei  dem  Frosche.  Bei  den  Urodeleu  sind  die  Darmbeine 
weit  kürzer  und  nur  an  einem  einzigen  Sacralwirbel  angeheftet,  während  sie 
hinten  mit  den  Sitz-  und  Schambeinen  zusammenstossen.  Mit  Ausnahme 
von  Proteus  und  Spelerpes  setzt  sich  bei  den  Urodelen  ein  langer ,  an 
dem  Vorderende  gegabelter  Knorpelstab  an  die  Symphj-se  der  Schambeine 
an.  Dieser  Epipubisknorpel  erinnert  an  eine  ähnliche,  bei  den  Dipnoern 
vorkommende  Bildung.  Mau  hat  vermuthet,  dass  diese  Knorpel  den  bei  den 
Beutelthieren  entwickelten  Beutelknochen  homolog  sind  (Wieder sheim). 

Die  Aussenglieder  variiren  hinsichtlich  der  Zahl  und  Länge  der  Zehen. 
Die  bei  den  Auuren  zu  einem  Knochen  verschmolzenen  beiden  Knochen  des 
Vorderarmes  und  Vorderbeines  sind  bei  den  Urodelen  getrennt.  Die  Knochen 
der  Hand-  und  Fusswurzel,  sowie  die  Zahl  der  Zehen  können  bedeutende 
Reductionen  erfahren,  wie  z.  B.  bei  Proteus,  wo  die  Vorderfüsse  drei,  die 
Hinterfüsse  nur  zwei  Zehen  haben.  Selten  sind  Ueberschreitungen  der  nor- 
malen Vierzahl.  Menopoma  hat  fünf  Zehen  an  den  Hintergliederu,  die  bei 
den  guten  Schwimmern  {Rana,  Pipa)  Schwimmhäute  zeigen.  Ausnahmsweise 
finden  sich  auch  Nägel  an  den  Zehen  (Dactylethra)  oder  besondere ,  von  der 
Haut  gebildete  Haftapparate  [Hyla). 

Vom  Muskelsysteme  können  wir  hier  nur  sagen,  dass  die  ursprüng- 
lichen metaraerischen  Abtheilungen ,  welche  bei  allen  Larven  existiren ,  bei 
den  meisten  Urodelen  nur  stellenweise  sich  erhalten  und  bei  den  Anureu 
sich  gänzlich  verwischen.  Iva  Uebrigen  zeigen  sich  zahllose  Variationen  in 
Folge  der  Ausbildung  der  Glieder  uud  der  Verkümmerung  der  Kiemenbogeu. 
Wir  können  auf  dieselben  nicht  Aveiter  eingehen  und  verweisen  in  Bezug  zur 
Herstellung  einer  vergleichenden  Myologie  der  Ami^hibieu  auf  die  Arbeit  von 
Hoff  mann  in  Bronn' s  Thierreich. 

Das  Centralnerveusystem  des  Frosches  kann  als  typisch  für  die  Ge- 
sammtheit  der  Amphibien  gelten.  Die  Länge  des  Rückenmarkes  und  die 
Zahl  der  Spinalnerven  hängt  selbstverständlich  von  der  Länge  des  Körpers 
ab ,  sowie  die  Ausbildung  der  einzelnen  Anschwellungen  und  der  Nerveu- 
geflechte  für  die  Extremitäten  von  der  Entwicklung  der  Aussenglieder  ab- 
hängt.    Bei  den  gliedlosen  Gymnophionen  fehlen  diese  Bildungen  vollständig. 

Die  bei  den  Perennibranchiern  und  Derotremen  weit  geöffnete  Eauten- 
grube  wird  bei  den  Tritonen  grösstentheils  vou  dem  Mittelhirne  überdeckt. 
Das  Kleinhirn  ist  stets  auf  eine  unbedeutende  Querbrücke  reducirt.  Das 
Mittelhirn  ist  bei  Pipa  weniger  entwickelt  als  beim  Frosche  und  bei  den 
Gymnophionen  stets  kleiner  als  das  Vorderhirn,  welches  bei  diesen  die  grösste 
Ausbildung  erreicht ,  so  dass  es  fast  alle  übi'igen  Hiruabschuitte  überdeckt. 
Bei  den  Urodelen  sind  die  beiden  Hemisphären  des  Vorderhirnes  weiter  aus 
einander  gerückt  als  bei  den  Anureu,  doch  zeigen  sie  selbst  bei  so  nahe 
verwandten  Gattungen  wie  Salamandra  und  Triton  beträchtliche  Grössen- 
unterschiede. 

Im  Allgemeinen  kann  man  sagen ,  dass  die  in  einer  Horizontalebene 
hinter  einander  gereihten  Hirntheile  der  Amphibien  ziemlich  denjenigen  der 
Fische  gleichen;  namentlich  tritt  die  Analogie  stark  hervor  zwischen  der 
Bildung  der  Urodelen  einerseits,  wo  die  einzelnen  Abschnitte  mehr  aus 
einander  gerückt  sind,  als  bei  den  Anuren,  und  den  Ganoiden  und  Dipnoern 
anderseits. 

Die  Bezieliungen  der  Zirbeldrüse  oder  Epiphyse  zur  Ausbildung  eines 
unpaaren  Auges   bedürfen   weiterer  Untersuchungen.     Vor  der  Hand  können 


620  Wirbelthiere. 

wir  nur  sagen ,  dass  diese  obere  Ausstülpung  des  Zwischeuhirnes  bei  den 
Larven  im  Vergieicli  zu  den  anderen  Hirutlieileu  weit  bedeutender  ist,  als 
bei  den  entAvickelten  Tliieren  und  dass  ihr  Zustand  je  nach  den  verschiedenen 
Phasen  des  Larvenlebens  sehr  ändert.  In  gewissen  Perioden  bildet  sie  einen 
nach  vorn  gebogenen ,  mit  einem  Zelleuhaufen  endenden  vollen  Stiel.  Die 
Beziehungen  dieses  Stieles  zu  dem  Stirnorgane,  das  wir  beim  Frosche 
erwähnten ,  sind  noch  nicht  ganz  aufgehellt.  Nach  einer  gefälligen  Mit- 
theilung von  Beranek  scheint  sogar  bei  Bana,  Triton  und  Salamandra  das 
Stirnorgan  ei'st  nach  der  Epiphyse  sich  zu  bilden  und  keine  Ausstülpung 
derselben  zu  sein.  Bei  sehr  jungen  Kaulquappen  läge  das  Stiruorgan  schon 
ausserhalb  der  Hirnhüllen  unmittelbar  an  der  Haut  an.  Es  erhält  nie  die 
Eorm  einer  Sehblase ;  man  kann  weder  eine  Eetina ,  noch  eine  Linse  darin 
nachweisen.  Anderseits  hat  Götte  schon  bei  der  Unke  (Bombinator)  einen 
Zusammenhang  zwischen  dem  Stirnorgane  und  dem  Zwischenhirne  nach- 
gewiesen ;  aber  noch  Niemand  hat  geeignete  Beweise  für  seine  Natur  als 
Auge  beibringen  können.  Die  Annahme  eines  solchen  bei  den  fossilen  Am- 
phibien stützt  sich  hauptsächlich  auf  die  Existenz  eines  geräumigen  Scheitel- 
loches bei  einigen ,  besonders  den  Labyrinthodonten  und  auf  die  Ausbildung 
eines  wirklichen,  in  diesem  Scheitelloche  gelegenen  unpaaren  Auges  bei  manchen 
lebenden  Eidechsen,  besonders  Hatteria. 

Die  Hirnnerven  zeigen  nur  geringe  Variationen.  Die  Riechnerven 
sind  stets  kurz  und  verzweigen  sich  erst  beim  Eintritte  in  die  Nasenschleini- 
haut,  mit  Ausnahme  von  Menopoma,  wo  eine  Siebbeinplatte  existirt.  Die  Seh- 
nerven bilden  immer  ein  Chiasma.  Bei  den  Anuren  finden  sich  stets  intime 
Beziehungen  zwischen  Trigemiuus  und  Facialis,  während  bei  den  Urodelen 
diese  Nerven  weit  unabhängiger  von  einander  sind  und  der  Facialis  nur 
einen  Verbiuduugszweig  zum  Trigeminus  abgiebt  und  durch  ein  besonderes 
Loch  am  Schädel  austritt.  Bei  allen  im  Wasser  lebenden  Larven  oder  erwach- 
senen Thieren  existirt  ein  bedeutender  Zweig  des  Vagus,  welcher  seitlich  am 
Körper  nach  hinten  läuft  und  dem  Seitennerven  der  Fische  homolog  ist. 
Nach  der  Metamorphose  wird  dieser  Ast  zu  einem  kleineu  Hautnerven  des 
Halses  zurückgebildet.  Bei  den  Pereunibranchiern  tritt  der  Glossopharyngeus 
durch  ein  besonderes  Loch  am  Schädel  aus;  bei  den  Anuren  ist  er  innig  mit 
dem  Vagus  verbunden  und  bildet  nach  Vollendung  der  Metamorphose  zwei 
Aeste ,  einen  für  die  Zunge ,  einen  für  den  Schlundkopf.  Vorher  verläuft  er, 
wie  bei  den  Pereunibranchiern ,  zum  ersten  Kiemenbogen ,  während  die 
anderen  vom  Vagus  versorgt  werden.  Der  Hypoglossus  tritt  bei  allen  Am- 
phibien hinter  dem  Schädel  aus  und  bildet  den  ersten  Spinaluerven. 

Das  symjjathische  Nervensystem  ist  stets  vorhanden,  aber  bei  den  niederen 
Tjqjen  weit  weniger  ausgebildet  als  bei  den  Anuren. 

Die  Bildung  der  Sinnesorgane  wird  von  der  Lebensweise  beeinfiusst. 
Ueberall  findet  man  in  der  Haut  zahlreiche ,  mannigfach  vertheilte  Gruppen 
von  Sinneszellen  epidermoidalen  Ursprungs ,  die  stets  frei  an  der  Oberfläche 
liegen  und  nie,  wie  bei  den  Fischen,  in  Ptöhren  eingeschlossen  sind.  Sie  sind 
besonders  bei  den  WasserbeAvohnern  ausgebildet  und  hier  auch  nach  bestimmten 
Linien  am  Kopfe  und  den  Seiten  des  Kör^Ders  vertheilt,  besonders  an  der 
Basis  des  Rückensaumes  imd  tiefer  unten  an  den  Seiten.  Bei  Proteus  oder 
wenig  pigmentirten  Larven  von  Axolotl,  die  Bugnion  (s.  Lit.)  zu  seinen 
Untersuchungen  benutzte ,  treten  sie  hesonders  deutlich  hervor.  Während 
der  Metamorphose  der  Anuren  senken  sie  sich  in  die  Haut  ein,  verkümmern 
und  verschwinden  schliesslich.  Auf  dem  Kopfe  erhalten  diese  Organe  Zweige 
vom  Facialis  und  Trigeminus ;  am  Körper  von  den  Seitennerven  des  Vagus. 
Vielleicht  empfinden  sie  die  Wellenbewegungen  des  Wassers  und  können  als 
primordiale    Hörnerven     aufgefasst    werden     (Wiedersheim).      Diese    An- 


Amphibien,  621 

schaiiuno-  erhält  eine  weseutliclie  Stütze  durch  die  Auffindung  eigenthüm- 
licher  Orgaue  bei  den  Emhryoueu  von  Epicrium  glidinoniim  durch  P.  und 
F.  Sara  sin.  Dort  finden  sich  nämlich  am  Kopfe  kleine,  flaschenförmige 
Organe,  die  mit  langen  Wim^Derzellen  ausgekleidet  sind  und  im  Inneren  einen 
keulenförmigen  Körper  zeigen ,  der  einem  Otolithen  ähnelt,  weshalb  man  sie 
auch  Hau  toll  ren  genannt  hat.  Man  vergleiche  die  Arbeit  von  Malbranc 
(s.  Lit.)  über  die  Structur  und  Anordnung  der  Seitenorgane  bei  den  Amphibien. 

Bei  den  meisten  finden  sich  auf  dem  Innenrande  der  Kiefer,  dem  Gaumen, 
dem  Vomer  und  auf  den  GiiDfeln  der  schwammföi-migen  Zungenpapillen  End- 
scheibeu  (Geschmacksknöpfe ,  Tastwärzchen) ,  die  denen  der  Fische  ähnehi, 
aber  sich  von  diesen  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  niemals  ausserhalb  der 
Mundhöhle  vorkommen.  Dagegen  findet  man  stets  in  der  Haut  der  erwach- 
senen Anuren  kleine  Tasthügel ,  die  von  Merkel  beschrieben  worden  sind 
(s.  Lit).  Kolbenförmige  (Yater'scbe  oder  Pacini'sche)  Körper chen  sind 
bei  den  Amphibien  noch  nicht  nachgewiesen  worden. 

Bei  den  Perennibranchiern  und  Derotremen  siud  die  stets  paarigen 
Nasenhöhlen  röhrenförmig  und  glatt ;  bei  allen  übrigen  ist  die  auskleidende 
Scheimhaut  gefaltet.  Bei  den  Salamandrinen  beginnt  die  skelettbildende 
Masse  um  die  Nasenhöhlen  sich  auszuhöhlen ,  um  die  Eiechfläche  zu  ver- 
grössern ,  und  bei  einigen  (Plethodon)  kann  man  schon  Anlagen  von  Nasen- 
muscheln  nachweisen ,  welche  bei  den  Anuren  und  ganz  besonders  bei  den 
Gj'mnophionen  sich  weiter  ausbilden.  Zugleich  verlängert  sich  bei  den 
unteren  Gruppen  die  Nasenhöhle  in  den  Oberkiefer  und  bildet  dort  einen 
Nebensinus,  der  bald  zusammenhängt,  wie  bei  den  Salamandrinen,  oder  gänz- 
lich getrennt  ist,  wie  bei  den  Gj'mnophionen,  wo  man  jederseits  zwei  Nasen- 
höhlen um  so  eher  unterscheiden  könnte,  als  diese  Nebenhöhle  im  Kiefer 
ihren  besonderen  Nerven  erhält.  Nicht  minder  könnte  dieser  Maxillarsinus 
als  die  Anlage  des  Jacobson' sehen  Organes  aufgefasst  werden,  das  bei 
Eeptilien  und  Säugethiereu  verbreitet  ist.  Die  allgemein  zwischen  den  Ober- 
kiefern und  Gaumenbeinen  gelegenen  inneren  Nasenöffuungen  liegen  bei  den 
Perennibrauchiern  nahe  au  der  Lippe ;  die  äusseren  Oeflnungen  stets  au  der 
Schnauzenspitze. 

Bei  den  Gymnophionen  hat  Wiedersheim  ein  nur  diesen  ausschliess- 
lich zukommendes  Evacuatiousor gan  nachgewiesen,  das  ein  Yertheidi- 
gungsorgan  sein  dürfte.  Es  besteht  aus  einem  Sacke  mit  starken  Muskel- 
wandungen, der  in  der  Augenhöhle  hegt  und  seitlich  an  der  Schnauze  durch 
einen  Ausführungsgang  sich  öfinet.  In  dem  Sacke  liegt  eine  Drüse ,  deren 
Secret  durch  den  Gang  ausgespritzt  werden  kann. 

Augen  fehlen  nirgends,  aber  bei  den  wie  Eegenwürmer  in  der  Erde  lebenden 
Gymnophionen  und  bei  dem  in  dunklen  Grotten  hausenden  Proteus  sind  sie  ver- 
kümmert und  mehr  oder  weniger  tief  unter  der  Haut  versteckt.  Bei  Proteus 
fehlen  Linse  und  Glaskörper.  Bei  den  meisten  übrigen  Amphibien  sind  sie  von 
beträchtlicher  Grösse  und  nach  dem  geschilderten  Typus  der  Proschaugen 
gebaut.  Die  Hornhaut  ist  meist  abgeplattet;  die  Sclerotica  durch  Platten 
oder  Einge  von  knorpeliger  Beschaffenheit  gestützt.  Die  Papille  ist  rund  bei 
Rana,  queroval  bei  Bufo,  senkrecht  bei  Pelobates ,  dreieckig  bei  Bomhinatoy. 
Die  Iris  ist  stets  sehr  lebhaft  gefärbt;  der  Ciliarkörper  glatt  bei  den  Uro- 
delen ,  faltig  bei  den  Anuren.  Die  Linse  ist  meist  kugelrund.  Die  Eetina 
zeichnet  sich  durch  die  verhältnissmässige  Grösse  der  Stäbchen  aus.  (Bei 
Spelerpes  schätzt  "Wiedersheim  ihre  Zahl  auf  etwa  30000  auf  den  Quadrat- 
millimeter, während  beim  Menschen  250  000  bis  1000  000  auf  demselben  Eaume 
Platz  finden.) 

Bei  den  Urodelen  fehlt  der  Eückziehmuskel  des  Augapfels ;  bei  den  Perenni- 
branchiern und  bei  Pipa   fehlen   die  Augenlider ,   während  bei  den  Salaman- 


622  Wirbelthiere. 

drinen  beide  Augeulider  sehr  gut  entwickelt  sind  und  bei  den  Anm-en  das 
untere  Augenlid  durch  die  Nickhaut  ersetzt  wird. 

Thränendrüsen  kommen  nicht  vor,  dagegen  ist  die  an  Blutgefässen  reiche, 
birnenförmige  Härder' sehe  Drüse  wohl  immer  vorhanden.  Bei  Bufo  ist  sie 
am  ausgiebigsten  entwickelt.  Ihr  Seci'et  erhält  die  innere  Fläche  der  Nick- 
haut schlüpfrig. 

Das  Ohr  ist  nur  bei  den  Anuren  demjenigen  des  Frosches  ähnlich  aus- 
gebildet. Bei  den  Urodelen  und  Gymnophionen  fehlt  das  ganze  mittlere 
Ohr,  Trommelfell,  Paukenhöhle,  Columella  und  Eustachi' sehe  Eöhre.  Bei 
den  Gymnophionen  ist  sogar  der  Gehörnerv  verkümmert  und  erreicht  das 
Labyrinth  nicht;  sie  sind  demnach  wahrscheinlich  taub.  Bei  den  anderen 
variiren  die  Hörleisten  und  halbzirkelförmigen  Canäle  insofern,  als  bei  den 
Urodelen  erstere  weniger  zahlreich,  die  Canäle  enger  und  weniger  vorgewölbt 
sind  als  bei  den  Anuren ;  wesentliche  Verschiedenheiten  lassen  sich  in  der 
Bildung  des  Labyrinthes  nicht  nachweisen. 

Auch  derDarmcanal  zeigt  nur  unwesentliche  Variationen.  Bei  einigen 
Perennibranchiern  {Proteus,  Siren)  ist  das  Maul,  das  bei  den  Anuren  so  weit 
gespalten  ist ,  stark  verengt.  Den  Aglossen  {Pi])a ,  Dactylethra)  fehlt  die 
Zunge,  die  bei  den  Urodelen  nicht  nur  vorn,  Avie  bei  den  Anuren,  sondern 
mit  ihrer  ganzen  Unterfläche  angewachsen  ist.  Die  Beweglichkeit  der  Zunge 
und  ihre  Benutzung  als  Greiforgan  zeigt  Verschiedenheiten.  Bei  Spelerpes 
kann  sie  avis  dem  Maule  vorgeschleudert  werden,  bei  den  Molchen  ist  sie 
wenig  beweglich.  Zähne  fehlen  nur  bei  Pipa  durchaus.  Wir  haben  bei 
Gelegenheit  des  Skelettes  schon  die  Knochen  namhaft  gemacht,  auf  welchen 
sie  eingepflanzt  sein  können.  Sie  sind  bei  den  Urodelen  zahlreicher  als  bei 
den  Anuren,  stets  sehr  klein  und  kaum  über  die  sie  einhüllende  Schleimhaut 
hervorstehend;  bei  den  meisten  Salamandrinen  haben  sie  zwei  Spitzen;  bei 
Perennibranchiern  und  Gymnophionen,  wie  bei  den  Anuren,  nur  eine.  Hert- 
wig  (s.  Lit.)  hat  ihre  Structur  und  Entwicklung  kennen  gelehrt.  Bei  den 
Larven  (Kaulquappen)  findet  sich  vor  der  eigentlichen  Mundhöhle  ein  Vor- 
hof, der  selbst  zu  einer  Art  von  trichterförmigem  Rüssel  auswachsen  kann 
und  schnabelförmige  Hornscheiden  der  Lippen,  sowie  innere  Hornzähne  trägt, 
deren  charakteristische  Formen  auch  zoologisch  benutzt  werden  und  die  von 
F.  E.  Schnitze,  H  eron-Roger.,  van  Bambeke  und  Bedriaga  genauer 
untei'sucht  worden  sind  (s.  Lit.). 

Nirgends  finden  sich  Speicheldrüsen,  wohl  aber,  mit  Ausnahme  der  Pe- 
rennibranchier,  Derotremen  und  Gymnophionen,  zeigen  alle  übrigen  die  oben 
erwähnte  und  von  Wiedersheim  (s.  Lit.)  genauer  untersuchte  Zwischen- 
kieferdrüse, deren  Ausführungscanälchen  sich  in  dem  Gaumen  öffnen.  Bei 
den  Anuren  ist  noch  eine  in  der  Nähe  des  Schlundkopfes  liegende  und  in 
diesen  mündende  Pliaryn  gealdrüse  entwickelt. 

Der  Magen  lässt  sich  immer  durch  seine  Weite  von  dem  Dünndarm 
unterscheiden,  ist  aber  nur  selten  (Siren)  scharf  von  dem  meist  kurzen,  nur 
bei  den  Urodelen  etwas  längeren  Oesophagus  geschieden.  Der  Darm  ist  ganz 
gerade  bei  Proteus,  wenig  gewunden  bei  den  Salamandrinen,  vielfach  ge- 
schlungen bei  den  Anuren;  seine  innere  Oberfläche  zeigt  verschiedenai'tig 
angeordnete  Falten ,  welche  die  verdauende  Fläche  der  Schleimhaut  ver- 
grössern.  Der  Enddarm  ist  stets  erweitert  und  mündet  ganz  allgemein  in 
eine  Cloake. 

Die  Leber  ist  stets  voluminös  und  besteht  wenigstens  aus  zwei,  durch 
eine  Substanzbrücke  verbundenen  Lappen ,  entweder  von  gleicher  Grösse 
{Cryptohranchus)  oder  einem  rechten  grösseren  und  einem  linken  kleineren 
Lappen  (Menohranehus).  Bei  den  Anuren  hat  sie  mehr  Lappen  und  noch 
zahlreichere    bei    den  Gymnophionen.     Oft   finden   sich   mehrere  Gallengänge 


Amphibien.  623 

(Anureo) ;  der  Blasengang  mündet  in  den  Gallengaug  und  meist  auch  der  Aus- 
führungsgang des  Pankreas  (Wir sung' scher  Canal).  Das  Pankreas  wie  die 
Milz  liegen  meist  an  derselben  Stelle  wie  heim  Frosche. 

Alle  Amphibien  athmeu  anfangs  durch  äussere  Kiemen,  deren  Fran- 
sen meist  die  Gestalt  von  Bäumchen  zeigen  und  oft  eine  ansehnliche  Länge 
erreichen  können.  Zugleich  mit  diesen  Hautkiemen  oder  zu  ihrem  Ersätze 
functioniren  innere  Kiemen,  welche  direct  auf  den  Kiemenbogen  auf- 
sitzen, in  einem  häutigen  Kiemensacke  eingeschlossen  sind  und  zuweilen  sehr 
seltsame  Formen  annehmen,  wie  z.  B.  bei  Notodelphys.  wo  sie  die  Form  von 
Glocken  haben ,  die  mit  einem  hohlen  Stiele  den  Kiemenbogen  angeheftet 
sind.  Bei  einigen  Arten,  deren  Entwicklung  ganz  in  dem  Eie  sich  abspinnt 
[Hylodes  martiniensis,  Rana  opistkodon),  bilden  sich  keine  Kiemenfransen  aus; 
die  Larven  athmen  durch  die  Haut  des  Schwanzes  oder  des  faltigen  Bauches. 

Die  ausdauernden  Kiemen  der  Perennibranchier  sitzen  auf  den  vorderen 
Kiemenbogen,  auf  zwei  {Proteus),  drei  {Sireii,  Siredon)  oder  selbst  vier  Bogen 
(Menobranchtis).  Indessen  variiren  sie  sehr,  sogar  bei  demselben  Individuum, 
je  nach  den  äusseren  Verhältnissen.  Sie  wachsen  oder  verkümmern  z.  B. 
beim  Axolotl,  je  nach  der  Wassermenge,  in  welcher  er  lebt. 

Beim  L^ebergange  der  Larven  vom  Wasserleben  zu  dem  Leben  in  freier 
Luft  verkümmern  die  Kiemen  und  werden  in  ihrer  Function  durch  Lungen 
ersetzt.     Das  Loch  des  Kiemensackes  schliesst  sich. 

Die  Lungensäcke  sind  stets  paarig ,  aber  häufig  von  ungleicher  Länge 
bei  den  gestreckten  Körperformen.  Bald  ist  der  linke  Lungeusack  der  kür- 
zere [Gymnophionen),  bald  der  rechte  {Proteus).  Die  Faltung  der  Innenfläche 
zeigt  verschiedene  Entwicklungsgrade.  Bei  Menobranchus  ist  sie  ganz  glatt ; 
bei  anderen  Urodelen  faltet  sie  sich  mehr  und  mehr.  Die  kurzen,  eiförmigen 
und  meist  gleich  grossen  Lungensäcke  der  Anuren  zeigen  die  grösste  Com- 
plication  der  Faltungen  der  Innenfläche. 

Die  stets  eingeschluckte,  nicht  eingesogene  Luft  tritt  in  die  Lungensäcke 
durch  den  mit  einer  Stimmritze  geöffneten  Kehlkopf,  der  stets  durch  kleine 
Knorpel  gestützt  ist.  Bei  den  Urodelen  ist  der  Kehlkopf  sehr  kurz  und  ein- 
fach ;  bei  den  Anuren  complicirt  sich  seine  Bildung  durch  die  Vermehrung 
der  Knorpel ,  welche  durch  eigene  Muskelchen  in  Bewegung  gesetzt  werden 
und  durch  die  Entwicklung  von  Stimmbändern  an  einer  Tontrommel ,  deren 
Schall  bei  den  Männchen  oft  noch  durch  eigene,  in  den  Mund  sich  öffnende 
Eesonanzsäcke  verstärkt  wird.  Zwei  solcher  Schallsäcke  finden  sich  bei 
Rana,  einer  bei  Hyla.  Meist  hängen  die  Lungensäcke  unmittelbar  dem  Kehl- 
kopfe au;  aber  bei  einigen  langgestreckten  Formen  {Siren,  AmpMuma.,  Gymno- 
phionen)  bildet  sich  eine  etAvas  längere  Luftröhre  aus,  deren  Wände  durch 
kleine  Knorpelringe  gestützt  werden. 

Die  Urogeuitalorgane  sind  bei  allen  Amphibien  ursprünglich  innig 
verbunden  und  bleiben  auch  während  des  ganzen  Lebens  in  mehr  oder 
minder  engem  Zusammenhange.  Doch  zeigen  sie  die  Tendenz,  sich  bei  fort- 
schreitender Entwicklung  mehr  von  einander  zu  trennen.  Ihre  äussere  Form, 
kurz  oder  langgestreckt,  hängt  von  der  allgemeinen  Körperform  ab. 

Bei  den  Gymnophionen  erstrecken  sie  sich  zu  beiden  Seiten  der  Wirbel- 
säule in  Form  langer  Bänder  fast  durch  die  ganze  Länge  der  Köi'perhöhle. 
Sie  sind  ursprünglich  segmentirt  und  Beste  dieser  Metamerie  bleiben  das 
ganze  Leben  hindurch  fortbestehen.  Aehnliches  findet  sich  auch  bei  den 
Urodelen,  wo  die  langgestreckten  Nieren  zwei  Abschnitte  zeigen,  einen  dünneren 
vorderen  und  einen  breiteren  hinteren.  Den  vorderen  Abschnitt,  der  noch  Spuren 
von  Segmentation  zeigt,  nennt  Spengel  (s.  Lit.)  die  Geschleclitsniere, 
weil  er  bei  den  Männchen  mit  den  Hoden  in  Verbindung  bleibt ,  indem  die 
Samencanälchen    ihn    dm-chsetzen ,    ihren    luhalt,    den    Samen,    in    die  Harn- 


624'  Wirbelthiere. 

canälchen  und  durch  diese  in  den  gemeinscliaf tlichen  L  e  y  d  i  g '  sehen  Canal 
überführen,  der  sonach  Harn-  und  Samenleiter  zugleich  ist.  Der  hintere  Ab- 
schnitt, die  Beclienniere  Spengel's,  ist  dagegen  ausschUesslich  Harn- 
organ. Bei  den  Weibchen  sind  die  Leyd ig' sehen  Canäle  die  Harnleiter 
geworden  und  haben  keine  Beziehungen  mehr  zu  den  Geschlechtsorganen. 

Bei  den  Anureu  zeigen  die  massigen,  im  hinteren  Theile  der  Bauch- 
höhle concentrirten  Nieren  keine  Spur  von  Segmentation ,  sondern  nur  sehr 
wenig   ausgeprägte  Lappeneinschnitte. 

Ueberall  hat  man  auf  der  ventralen  Fläche  der  Nieren  Nephrostomen 
nachgewiesen,  die  aber  nur  bei  den  Urodelen  den  urspi'ünglichen  Zusammen- 
hang mit  den  Harncauälchen  während  des  ganzen  Lebens  zu  behalten  scheinen. 

Die  Lej' di  g' scheu  Canäle  oder  Harnleiter  münden  stets  in  die  Cloake, 
niemals  in  die  allgemein  vorkommende  Harnblase. 

Die  Geschlechtsdrüsen  sind  stets  symmetrisch.  Bei  den  Gj'mno- 
phionen  haben  sie  eine  Bandform  wie  die  Nieren ;  die  Hoden  der  Männchen 
gleichen  Perlschnüren.  Jedes  Bläschen  der  Schnur  ist  ein  Hodenbläschen, 
das  mit  seinen  Nachbaren  durch  einen  längslaufenden  Sammelcaual  zu- 
sammenhängt, der  seinerseits  Queräste  in  die  Niere  sendet,  die  mit  den 
Harncanälchen  und  durch  diese  mit  dem  Leydig'schen  Gange  zusammen- 
hängen. 

Diese  Verhältnisse  wiederholen  sich  bei  den  Urodelen,  deren  meist  spindel- 
förmige Hoden  mit  dem  vorderen  Abschnitte  der  Nieren  zusammenhängen, 
wie  bei  den  Anuren.  Nur  sind  bei  diesen  letzteren  die  Hoden  kugel-  oder 
eiförmig  und  entsenden  nur  wenige  Samencanälchen,  welche  zwar  die  Nieren 
durchsetzen  ,  um  in  den  L  e  y  d  i  g '  sehen  Canal  zu  münden ,  aber  mit  den 
Harncanälchen  keinerlei  Verbindung  eingehen. 

Bei  einigen  Kröten  findet  man  am  Vorderende  des  Hodens  ein  roth- 
gelbes Klümpchen,  das  sogenannte  Bidder'sehe  Organ,  welches  ein  rudi- 
mentärer Eierstock  oder  besser  gesagt  eine  rudimentäre  hermaphroditische 
Drüse  ist,  in  welcher  sowohl  unvollständige  Eier  als  auch  Zoospermen  sieh 
bilden.  Das  Organ,  ■welches  immerhin  als  Hinweis  auf  den  ursiDrünglich 
hermaphroditisehen  Zustand  der  Geschlechtsdrüsen  Bedeutung  haben  dürfte, 
verdiente  weitere  Untersuchungen. 

Die  an  die  Wirbelsäule  durch  Peritonealfalteu  angehefteten  Eierstöcke 
sind  stets  sackförmig;  langgestreckt  mit  einfacher  innerer  Höhle  bei  den 
LTrodelen,  wo  sie  zuweilen  eine  Oeffnung  zeigen,  durch  welche  die  Eier  hin- 
durchtreten ,  um  in  die  Bauchhöhle  zu  fallen  (Salamanclra) ,  oder  kurz  und 
gedrungen  bei  den  Anuren,  wo  sie  innen  durch  Qiierwände  in  mehrere  Kam- 
mern getheilt  sind. 

Die  Eileiter  stehen  niemals  in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit 
dem  Eierstocke.  Sie  beginnen  stets  mit  einer  mehr  oder  minder  gefransten 
Trichteröffnung  im  vorderen  Abschnitte  der  Bauchhöhle  nahe  am  Herzen 
und  münden  nach  mannigfaltigen  Windungen  entweder  mit  einer  {Bufo, 
Älytes)  oder  zwei  {Rana)  getrennten  schlitzförmigen  Oeffnungen  in  der  dor- 
salen Wand  der  Cloake.  Bei  den  lebendig  gebärenden  Gattungen  {Sala- 
manclra etc.)  ist  ihr  Endabschnitt  bedeutend  zu  einem  Brutraume  (Uterus) 
erweitert. 

Die  Eier  gleiten  in  den  Eileitern  hinab  und  umgeben  sich  dort  mit  einer 
Schicht  eiweissartiger  Quellsubstanz.  Bei  den  Anureu  findet  sich  nur  äussere 
Befruchtung;  bei  den  Urodelen  wahrscheinlich  nur  innere  Befruchtung,  so- 
weit wir  bei  diesen  die  Vorgänge  kennen.  In  der  That  entwickeln  sich  bei 
den  männlichen  Urodelen  zu  beiden  Seiten  der  spaltförmigen  Cloakenmündung 
vorspringende  Hautwülste,  welche  als  Begattungsorgane  dienen,  und  während 
dieses  Vorganges  die  Cloakenmündung  des  Weibchens  so  umfassen ,   dass  der 


Amphibien.  625 

Abfluss  des  Samens  in  die  inneren  Organe  gesicliert  ist.  Anderseits "  ent- 
wickeln sich  bei  den  Weibchen  in  den  Cloakenwandiingen  drüsige  Höhlen, 
welche  als  Samenbehälter  dienen.  Bei  einigen  Männchen  findet  man  sogar 
eine  erectile  Papille  in  der  Cloakenwand  und  bei  den  Gymnophionen  kann 
durch  besondere  Muskeln  die  ganze  Cloake  bei  der  Begattung  nach  aussen 
vorgestülpt  werden. 

Die  Eier  werden  bald  einzeln  {Molche) ,  bald  in  Haufen  [Frösche]  oder 
in  Schnüren  (Kröten)  abgelegt  und  dem  Wasser  oder  der  feuchten  Erde 
[Gyrnvo-phionen)  überlassen.  Das  Männchen  der  Geburtshelferkröte  {Alytes) 
umwickelt  sich  die  Hinterbeine  mit  der  Eischnur  und  vergräbt  sich  damit 
in  feuchte  Erde.  Bruträume  werden  bei  den  lebendig  gebärenden  Laub- 
fröschen und  Salamandern  am  Ende  der  Eileiter  oder  bei  Notodelphys  und 
Pipa  auf  dem  Eücken  hergestellt.  Bei  Notodelphys  sind  es  zwei  durch 
Schlitze  nach  aussen  geöffnete  Hautsäcke,  bei  Pipa  wabenartige  ofi"ene  Zellen, 
in  welchen  die  Larven  ihre  Metamorphosen  durchmachen.  Die  Metamoi-phosen 
können  sich  aber  auch  im  Eie  selbst  bis  zur  Abwerfung  der  Kiemen  und 
des  Schwanzes  abspielen. 

Das  G  efä  SS  System  zeigt  eine  grosse  Einförmigkeit.  Die  wesentlichsten 
Veränderungen  werden  durch  den  Uebergang  von  der  Kiemenathmung  zur 
Lungenathmung  bedingt. 

Das  Herz  besitzt  stets  zwei  Vorkammern,  die  indessen  bei  den  Pereuni- 
branchiern  weniger  vollständig  durch  eine  Scheidewand  getrennt  sind ,  als 
bei  den  Anuren ,  und  eine  einzige  Herzkammer,  die  bei  den  gestreckten 
Formen  {Oymnophionen)  die  Gestalt  eines  langen,  spitzen  Kegels  hat.  Dem 
Arterienbulbus  fehlt  bei  den  Gymnophionen,  Proteus  etc.  die  Spiralfalte, 
welche  bei  den  Anuren  eine  unvollständige  Scheidewand  herstellt ,  die  eine 
totale  Mischung  des  arteriellen  und  venösen  Blutes  verhindert. 

Der  aus  dem  Bulbus  sich  fortsetzende  Arterieustamm  theilt  sich  in  ebenso 
viel  Aortenbogen ,  als  Kiemenbogen  ausgebildet  sind.  Bei  den  Larven  der 
Salamander  finden  sich  jederseits  stets  vier  Aortenbogen ,  von  welchen  die 
drei  vordersten  durch  das  Capillaruetz  der  Kiemenfransen  sich  zu  ebenso 
viel  Kiemenvenen  sammeln  ;  das  vierte  Bogenpaar  ergiesst  sich  in  die  Arterien 
der  noch  nicht  functionirendeu  lAingen.  Diese  an  die  Dipnoer  eiinnernde 
Anordnung  findet  sich  auch  bei  den  Larven  der  Anuren.  Beim  Ueber- 
gauge  zur  Lungenathmung  modificiren  sich  die  Kiemen ai'terien ;  das  erste 
Bogenpaar  liefert  die  Carotiden ,  das  mittlere  die  Bogen  der  Bauchaorta,  das 
hintere  die  Hautlungenarterien.  Bei  den  Urodelen  erhält  sich  die  unter  dem 
Namen  des  Botal' sehen  Ganges  bekannte  Anastomose  zwischen  dem  vierten 
zu  Lungenarterien  ausgebildeten  Bogen  und  dem  dritten  und  zweiten  Bogen 
während  des  ganzen  Lebens.  Ein  Theil  der  Basis  des  ersten  Arterienbogeus 
erweitert  sich  zu  einem  schwammigen  Körper,  der  sogenannten  Carotiden- 
drüse. 

Bei  den  Perennibranchiern  erhält  sich  die  den  Larven  zukommende  An- 
ordnung der  Arterienstämme,  wenn  auch,  wie  beim  Axolotl,  die  Lunge  theil- 
weise  functionsfähig  ist. 

Ln  Venensysterae  finden  sich  stets  die  beiden  Pfortadersj'steme  der  Leber 
und  der  Niereu.  Bei  den  Larven  erinnert  die  Anordnung  des  Venensystemes 
sehr  an  die  der  Selachier ;  die  vom  Kopfe  kommenden  Jugularvenen  bleiben 
stets  von  den  Hohlveneia  des  Körpers  getrennt.  Bei  den  Urodelen  persistiren 
diese  letzteren  wenigstens  in  ihren  centralen  Abschnitten  und  bilden  die 
rechte  und  linke  Vena  azygos,  die  sich  entweder  in  den  Venensinus,  oder  in  den 
die  Jugularvenen  vor  ihrem  Eintritte  in  das  Herz  vereinigenden  Cuvier'- 
schen  Canal  oder  endlich  (Salaniaudra)  in  die  Subclavia  ergiessen.  Der  in 
die  rechte  Vorkannner  mündende  Venensinus  findet  sich  überall  vor. 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Auatoinie.     II.  40 


626  Wirbelthiere. 

Literatur.  —  Rusconi,  Developpement  de  la  Grenouille  commune.  Milan, 
1826.  —  Ders.,  Histoire  naturelle  de  la  Salamandre  terrestre.  Paris,  1854.  —  Ders., 
Ueber  die  Lymphgefässe  der  Amphibien.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1843.  —  Martin 
S  t.  -  A  n  g  e  ,  Recherches  anatomiques  et  physiologiques  sur  les  organes  transitoires  et  la 
metamorphose  des  Bairaciens.  Ami.  des  sciences  naturelles,  1.  Serie,  Vol.  XXIV, 
1831.  —  J.  Müller,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Naturgeschichte  der  Amphibien. 
Treviranus'  Zeitschr.  f.  Physiologie,  Bd.  IV,  1832.  —  Ders.,  Ueber  die  Existenz  Yon 
pulsirenden  Lymphherzen  bei  einigen  Amphibien.  Miiller's  Archiv,  1834.  —  Duges, 
Recherches  sur  Posteologie  et  la  myologie  des  Bairaciens  aux  dtjferents  äges ,  Paris, 
1835.  —  Morren,  Obseroations  osteologiques  sur  Pappareil  costal  des  Bairaciens. 
Memoires  de  PAcademie  de  Belgique,  Yol.X,  1837.  —  Gruby,  Sur  le  Systeme  iieineux 
de  la  grenouille.  Ann.  des  sc.  nat.,  2.  Serie,  1842.  —  Meyer,  Sysiema  amphibio- 
rum  lymphaticum.  Diss.  inaug.  Berlin,  1844.  —  Fischer,  Amphibiorum  nudorum 
neurologiae  specimen  primum.  Miiller's  Archiv,  1844.  —  Bidder,  Vergleichende 
anatomische  und  histologische  Untersuchungen  über  die  männlichen  Geschlechts-  und 
Harnwerkzeuge  der  Amphibien.  Dorpat,  1846.  —  Brücke,  Beiträge  zur  vergleichen- 
den Anatomie  und  Physiologie  des  Gefässsystemes  der  Amphibien.  Denkschr.  der 
Wiener  Akad.,  Bd.  III,  1852.  —  v.  Wittich,  Beiträge  zur  morphologischen  und 
histologischen  Entwicklung  der  Harn-  und  Geschlechtswerkzeuge  der  nackten  Amphibien. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  IV,  1853.  —  Stannius,  Handbuch  der  Zootomie  der 
Wirbelthiere,  Bd.  II:  Zootomie  der  Amphibien.  Berlin,  1856.  —  Schiess,  Versuch 
einer  speciellen  Neurologie  der  Rana  esculenta.  Bern,  1857.  —  Volk  mann.  Von 
dem  Baue  und  den  Verrichtungen  der  Kopfuerven  des  Frosches.  Müller's  Archiv, 
1858.  — '■  V.  Siebold,  Ueber  das  Recepiaculum  seminis  der  weiblichen  Urodelen. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  VIII,  1858.  —  Hoyer,  Mikroskopische  Untersuchungen 
über  die  Zunge  des  Frosches.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1859.  —  Aug.  Dumeril, 
Reproduciion  des  Axolotls  etc.  Nouv.  Arch.  du  Mus.  d'hisf.  nat.  de  Paris,  1860.  — 
Gegenbau r,  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbelsäule  bei 
Amphibien  und  Reptilien.  Leipzig,  1862.  —  0.  Deiters,  Ueber  das  innere  Gehör- 
organ der  Amphibien.  Müller's  Archiv,  1862.  —  Ecker  und  Wiedersheim, 
Die  Anatomie  des  Frosches.  Braunschweig  1864 — 1882.  —  Vaillant,  Memoire 
pour  servir  h  Vhistoire  anatomique  de  la  Sirene  lacertine.  Ann.  des  Sc.  nat.,  4.  Serie, 
Vol.  XIX,  1863.  —  Hyrtl,  Ueber  die  sog.  Herzvenen  der  Batrachier.  Sitzungsber. 
di  k.  Akad.  Wien,  Bd.  XLIX,  1864.  —  Ders.,  Crypfobranchus  japonicus.  Wien, 
1865.  —  J.  G.  Fischer,  Anatomische  Abhandlungen  über  die  Perennibranchiaten 
und  Derotremen.  Hamburg,  1864.  —  Reissner,  Der  Bau  des  centralen  Nerven- 
systemes  der  ungeschwänzten  Batrachier.  Dorpat,  1864.  —  L.  Stieda,  Ueber  den 
Bau  der  Haut  des  Frosches.  Müller's  Archiv,  1865.  —  Schweigger -Seidel, 
Ueber  die  Samenkörperchcn.  Arch.  f.  mikr.  Anatomie,  Bd.  I,  1865.  —  F.E.Schulze, 
Epithel  und  Drüsenzellen.  I.  Die  Oberhaut  der  Fische  und  Amphibien.  Arch.  f. 
mikr.  Anat.,  Bd.  III,  1867.  —  Ders.,  Ueber  die  inneren  Kiemen  der  Batrachier- 
larven.  Abhandl.  d.  k.  Akad.  zu  Berlin,  1888.  —  Stricker,  Untersuchungen  über 
die  Entwicklung  des  Kopfes  der  Batrachier.  Müller's  Archiv,  1868.  —  F.  Leydig, 
Ueber  die  Schleichenlurche.  Ein  Beitrag  zur  anatomischen  Kenntniss  der  Amphibien. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  XVIII,  1868.  —  Ders.,  Ueber  die  äusseren  Bedeckungen 
der  Amphibien  und  Reptilien.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  IX,  1873.  —  Ders., 
Ueber  die  Schwanzflosse,  Tastkörperchen  und  Endorgane  der  Nerven  bei  Batrachiern, 
ebend.,  Bd.  XII,  1876.  —  C.  Hasse,  Das  Gehörorgan  der  Frösche.  Zeitschr.  f. 
wiss.  Zool.,  Bd.  XVIII,  1868,  —  Engelmann,  Ueber  die  Endigungen  der  Ge- 
schmacksnerven in  der  Zunge  des  Frosches.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  XVIII, 
1868.  —  F  ritsch.  Zur  vergleichenden  Anatomie  der  Amphibienherzen.  Arch.  f. 
Anat.  u.  Physiol.,  1869.  —  Mivart,  On  the  axial  Skeleton  of  the  Urodela.  Proceed, 
Zool.  Soc.  London,  1870.  —  L.  Stieda,  Studien  über  das  centrale  Nervensystem 
der  Wirbelthiere.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.,  Bd.  XX,   1870.—  W.  K.   Parker,   On  the 


Amphibien.  627 

atructure  and  development  of  the  Skull  of  the  common  Frog.  Philos.  Transact.,  1871. 
In  den  folgenden  Jahrgängen  noch  mehrere  Abhandlungen  desselben  Verfassers  über 
das  Kopfskelett  der  Amphibien.  —  Landowsky,  Die  feinere  Structur  und  die 
Nervenendigung  in  der  Froschharnblase.  Arch.  f.  Anat.  u.  Mikr.,  Bd.  VIII,  1872.  — 
Ed.  Bugnion,  Recherches  sur  les  organes  sensitifs  de  Vepiderm,e  du  Protee  et  de 
PAxolotl.  Bull,  de  la  Societe  vaud.  des  Sc.  nat.,  No.  70,  1873.  —  C.  K.  Hoffmann, 
Amphibien    in    Bronn's  Classen    und  Ordnungen    des  Thierreiches.      Leipzig,  1873  bis 

1878.  —  A.  Götte,  Entwicklungsgeschichte  der  Unke  [Bomhinator  igneus).  Leipzig, 
1875.  —  0.  Hertwig,  lieber  das  Zahnsystem  der  Amphibien.  Arch.  f.  mikr.  Anat., 
Bd.  XI,  Suppl.,  1875.  —  Ders.,  A'ouvelles  recherches  sur  Vemhryologie  des  Batraciens. 
Arch.  de  Biologie,  Vol.  I,  1880.  —  Neumann,  Die  Beziehung  des  Flimmerepithels 
der  Bauchhöhle  zum  Eileiterepithel  beim  Frosche  etc.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XI, 
1875.  —  de  Watteville,  Descrlption  of  the  cerebral  and  spinal  nerves  of  Rana 
esculenta.  Journ.  of  anat.  and  physiol.,  Vol.  IX,  1875.  —  E.  Neumann,  LTnter- 
suchungen  über  die  Entwicklung  der  Spermazoiden.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XI, 
1875.  —  Malbranc,  Von  der  Seitenlinie  und  ihren  Sinnesorganen  bei  Amphibien. 
Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXVI,  1875.  —  van  Bambeke,  Recherches  sur  Pevihryo- 
loyie  des  Batraciens.  Bull,  de  l'Acad.  de  Belgique,  1875,  et  Nouvelles  recherches. 
ArcMves  de  Biologie,  Vol.  I,  1880.  —  Wiedersheim,  Salamandrina  perspicillata 
und  Geotriton  fuscus.  Genua,  1875.  —  Ders.,  Bemerkungen  zur  Anat.  des  Euproctes 
Rusconii.  Ann.  del  Mus.  di  Storia  nat.  di  Genova,  Vol.  VII,  1875.  —  Ders.,  Die 
Kopfdrüsen  der  geschwänzten  Amphibien  und  die  Glandula  intermaxillaris  der  Anuren. 
Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXVII,  1876.  —  Ders.,  Das  Kopfskelett  der  Urodelen  etc. 
Morphol.    Jahrb.,    Bd.    III,    1877.     —     Ders.,    Anatomie     der    Gymnophionen.      Jena, 

1879.  —  Ders.,  Zur  Anatomie  des  Amhlystoma  Weissmanni.  Zeitschr.  f.  w.  Zool., 
Bd.  XXXII,  1879.  — Weissmann,  Ueber  die  Umwandlung  des  mexicanischen  Axolotl 
in  ein  Amhhjstomu.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXVII,  1876.  —  Spengel,  Das  Uro- 
genitalsystem der  Amphibien.  Arb.  a.  d.  zool.-zoot.  Inst.  Würzburg,  Bd.  III,  1876. — 
Ders.,  Die  Segmentalorgane  der  Amphibien.  Vei-h.  d.  phys.  Ges.  Würzburg,  Bd.  X. — 
A.  Schneider,  Lieber  die  Müller'schen  Gänge  der  Urodelen  und  Anuren.  Centralbl. 
f.  med.  Wissensch.,  1876.  —  La  Valette  St.-George,  Die  Spermatogenese  hei  den 
Amphibien.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XII,  1876.  —  Fürbringer,  Zur  Entwicklung 
der  Amphibienniere.  Heidelberg,  1877.  —  Ders.,  Zur  vergleichenden  Anatomie  und 
Entwicklungsgeschichte  der  Excretionsorgane  der  Vertebraten.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  IV, 
1878.  —  Solger,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Niere  niederer  Wirbelthiere.  Abhandl. 
d.  naturf.  Ges.  zu  Halle,  Bd.  XV.  —  Born,  Ueber  die  Nasenhöhlen  und  den  Thränen- 
nasengang  der  Amphibien.  Breslau,  1877.  —  Merkel,  Ueber  die  Endigungen  der 
sensiblen  Nerven  in  der  Haut  der  Wirbelthiere.  Rostock,  1880.  —  Kuhn,  Ueber  das 
häutige  Labyrinth  der  Amphibien.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XVII,  1880.  —  W.  Pfitzn  er  , 
Die  Epidermis  der  Amphibien.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  VI,  1880.  —  H.  Virchow, 
Ueber  die  Gefässe  im  Auge  beim  Frosche.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.,  Bd.  XXXV,  1881. — 
J.  E.  V.  Boas,  Ueber  den  Conus  ai-teriosus  und  die  Arterienbogen  der  Amphibien. 
Morphol.  Jahrb.,  Bd.  VII,  1881.  —  Ders.,  Beiträge  zur  Angiologie  der  Amphibien, 
ebend.,  Bd.  VIII,  1882.  —  W.  d  e  Graaf,  Zur  Anatomie  und  Entwicklung  der  Epi- 
physe  bei  Amphibien  und  Reptilien.  Zool.  Anz.,  1885.  —  v.  Lenhossek,  Unter- 
suchungen über  die  Spinalganglien  des  Frosches.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XXVI, 
1886. —  J.  Fajersztajn,  Recherches  sur  les  terminaisons  des  nerfs  dans.  les  disques 
terminaux  chez  la  grenoullle.  Arch.  de  Zool.  experimentale,  2.  Serie,  Vol.  VIII,  1889. — 
Heron-Royer  et  Ch.  van  Bambeke,  Le  vestihule  de  la  houche  chez  les  teturds 
des  Batraciens  anoures  d'' Europe.  Arch.  de  Biologie,  Vol.  IX,  1889.  —  A.  Coggi, 
/  sacchetfi  calcari  ganglionari  e  Vacquedotto  del  vestibolo  neue  Ruine.  Accademia.  di 
Lincei,   1890. 


40* 


628  Wirbelthiere. 


Classe   der  Reptilien. 

Sauropsiden  mit  beschuppter  oder  beschildeter  Haut  imd  variabler 
Körpertemperatur. 

Die  Sauropsiden,  welche  die  Reptilien  und  Vögel  begreifen, 
bilden  mit  den  Säugethieren  die  grosse  Gruppe  der  Amnioten,  bei 
welchen  die  Visceralbogen  niemals,  in  keiner  Epoche  des  Lebens, 
athmende  Kiemenfransen  tragen,  sondern  nach  dem  Verlassen  des 
Eies  nur  Luftathmung  besteht,  welche  durch  die  Lungen  ausgeübt 
wird.  "Während  des  Fötallebens  existirt  ein  temporäres  Athemorgan, 
die  Allantois,  eine  Ausstülpung  des  Hinterdarmes.  Ausser  diesem 
Organe  bildet  sich  noch  der  Embryo  eine  besondere  Hülle,  das  Am- 
n  i  0  s ,  welches  den  niederen  Wirbelthieren,  den  Ichthyopsiden,  abgeht. 

Die  Sauropsiden  unterscheiden  sich  von  den  übrigen  Amnioten 
durch  einen  einzigen  Gelenkkopf  am  Hinterhaupte ,  der  unter  dem 
grossen,  dem  Durchtritt  des  verlängerten  Markes  dienenden  Hinter- 
hauptsloche  liegt  und  durch  die  Bildung  grosser  meroblastischer  Eier, 
die  einen  sehr  voluminösen  Nahrungsdotter  besitzen,  in  welchem  alle 
zur  Bildung  des  Embryos  nöthige  Substanz  aufgespeichert  ist.  Der 
Embryo  tritt  niemals  in  directe  und  unmittelbare  Beziehung  zu  der 
Mutter. 

Wenn  also  die  Sauropsiden  sich  von  den  Amphibien  durch  den  gänz- 
lichen Mangel  jeder,  selbst  nur  embryonalen  Kiemenathmung  und  von  den 
Säugethieren  durch  den  einfachen  Gelenkkoj^f  des  Hinterhauptes  und  den 
Mangel  von  Milchdrüsen  unterscheiden,  so  kann  man  innerhalb  der  Gruppe 
die  heutigen  Reptilien  von  den  Vögeln  trennen  durch  die  Bildung  ihrer 
Vorderglieder,  die  niemals  zum  Fluge  sich  eignen,  durch  die  Structur 
ihrer  beschuppten ,  federlosen  Hautbedeckung  und  durch  die  Organisa- 
tion ihres  Herzens,  von  welcher  die  Körpertemperatur  abhängt.  Die 
Haut  zeigt  in  der  That  stets  eine  harte,  verhornte  Oberhaut,  die  bei 
allen  Reptilien  Erhöhungen  bildet,  die  man  Kämme,  Schuppen,  Schil- 
der u.  s.  w.  genannt  hat  und  zu  welcher  sich  häufig,  ursprünglich  in 
der  Lederhaut  gelegene  Knochenbildungen  gesellen,  welche  zuweilen, 
wie  bei  den  Schildkröten,  einen  vollständigen  Panzer  bilden.  Aber 
auch  in  diesen  Fällen  besteht  die  epidermoidale  Schuppenbildung  auf 
einzelnen  Körpertheilen,  wie  z.  B.  auf  dem  Halse  und  den  Füssen  fort. 
Die  Scheidewand  zwischen  den  beiden  Herzkammern  ist  niemals  voll- 
ständig, so  dass  arterielles  und  venöses  Blut  unter  allen  Umständen 
innerhalb  des  Herzens  sich  mit  einander  mischen,  wodurch  ein  geringes 
Maass  von  Körperwärme  entwickelt  wird.  Im  Gegensatze  zu  den 
Vögeln  und  Säugethieren  nennt  man  die  Reptilien  wie  die  Amphibien 
kaltblütige    Thiere;   in   Wahrheit    aber    besitzen   sie    eine   eigene 


Reptilien.  .  629 

Körperwärme,  die  indessen  so  gering  ist,  dass  sie  bei  der  Berührung  nicht 
wahrgenommen  wird  und  nur  einen  geringen  Bruchtheil  der  Wärme 
bildet,  welche  im  Uebrigen  dem  umgebenden  Medium  entspricht. 

Man  muss  zugestehen ,  dass  abgesehen  von  der  besonderen  An- 
passung zum  Fluge  bei  den  Vögeln ,  beide  Classen  viele  gemeinsame 
Züge  der  Organisation  zeigen.  Die  Paläontologie  macht  in  der  Tbat 
wahrscheinlich,  dass  die  Vögel  nur  ein  aus  den  Reptilien  hervor- 
gegangener, weiter  entwickelter  Typus  sind. 

Die  speciellen  Charaktere,  welche  die  Reptilien  von  den  Amphibien 
unterscheiden,  mit  welchen  man  sie  früher  zusammenwarf,  lassen  sich 
zwar  leicht  im  Ganzen  nachweisen,  doch  darf  man  nicht  vergessen, 
dass  viele  derselben  auf  der  weiteren  Entwicklung  von  Zuständen  be- 
rixhen ,  welche  bei  den  Amphibien  schon  in  der  Anlage  vorhanden 
waren. 

Die  Unterscheidung  der  einzelnen  Körper regionen,  Kopf, 
Hals,  Stamm  und  Schwanz,  ist  zwar  bei  den  meisten  Ordnungen  schärfer 
ausgesprochen,  doch  verwischt  sie  sich  auch  wieder  bei  anderen,  wie 
z.  B.  den  Schlangen,  und  schliesslich  ist  die  Körperform  eines  Sala- 
manders nicht  wesentlich  von  der  einer  Eidechse  verschieden. 

Die  Haut  ist  anders  gebildet.  Die  Epidermis  verhornt  stets  in 
ihren  äusseren  Schichten ;  mit  Ausnahme  der  Schenkeldrüsen  der  Ei- 
dechsen und  der  Moschusdrüsen  der  Krokodile  lassen  sich  bei  den 
Reptilien  keine  den  so  mannigfachen  Hautdrüsen  der  Amphibien  ana- 
loge Bildungen  nachweisen.  Die  Lederhaut  bildet  stets  Erhöhungen, 
die  sich  zu  Schuppen,  Kämmen,  Stacheln  u.  s.  w.  entwickeln,  an  deren 
Bildung  die  Oberhaut  wesentlichen  Antheil  nimmt.  Diese  von  den 
Schuppen  der  Fische  durchaus  verschiedenen  Gebilde  sind  eher  den 
Federn  der  Vögel  in  ihrer  ersten  Anlage  homolog.  Man  findet  hier 
auch  zum  ersten  Male  sensitive  Keulenkörperchen  (P  a  ein i' sehe 
Körperchen)  in  der  Haut.  Das  Hautskelett,  von  dem  nur  bei  wenigen 
Amphibien  sich  Reste  zeigen ,  ist  oft  ausgiebig  entwickelt  und  kann 
mit  dem  inneren  Skelette  in  Verbindung  treten. 

Das  innere  Skelett  zeigt  weitere  Ausbildung.  Mit  Ausnahme 
einiger  Gruppen  (Hatferia,  Geckoticlen)  sind  die  Wirbelkörper  voll- 
ständig verknöchert  und  durch  Gelenkköpfe  und  Pfannen  mit  einander 
beweglich  verbunden ;  sie  sind  meist  procöl.  Im  Gegensatze  zu  den 
Amphibien  sind  die  Rippen  sehr  ausgebildet;  bei  den  mit  Gliedern 
versehenen  Reptilien  verbindet  sich  stets  eine  gewisse  Zahl  dieser 
Rippen  mit  dem  Sternum ;  bei  anderen  werden  sie  active  Bewegungs- 
organe. Häufig  finden  sich  Bauchrippen  mit  einem  Bauchsternum. 
Ausser  dem  schon  erwähnten  einfachen ,  unterständigeu  Gelenkkopfe 
des  Hinterhauptes  zeigt  der  Schädel  noch  manche  Besonderheiten. 
Meist  (Hatteria  und  manche  Eidechsen  ausgenommen)  ist  der  knorpelige 
Primordialschädel    gänzlich    vei'schwunden ,    die    Deckplatten    mit    den 


630  -       Wirbelthiere. 

enchondrischen  Knochen  verschmolzen.  Bei  vielen  sind  die  Oberkiefer- 
und  Gaumenbogen  noch  beweglich ;  die  letzteren  aber  stossen  in  der 
Mittellinie  zusammen  und  bilden  so  das  Gaumendach,  das  die  über 
ihnen  nach  hinten  ziehenden  Nasengänge  von  der  Mundhöhle  scheidet; 
die  Choanen  rücken  von  dem  Oberkieferrande  weg  weiter  nach  hinten, 
so  dass  bei  vielen  die  Schädelbasis  keinen  directen  Antheil  an  der 
Mundhöhle  nimmt.  Die  Visceralbogen  verkümmern  mehr  und  mehr. 
Der  Tarsus  vereinfacht  sich  und  schliesst  sich  stufenweise  an  die  Bil- 
dung der  Vögel  an. 

Das  Muskelsystem  zeigt  eine  bedeutendere  Entwicklung  der 
Hautmuskeln  und  eine  allmähliche  Rückbildung  des  Seitenmuskels,  der 
durch  die  Ausbildung  der  Muskeln  der  Extremitäten  zurückgedrängt 
wird. 

Das  centrale  Nervensystem  nähert  sich  dem  der  Vögel.  Die 
dorsale  Rinde  der  Hemisphären  wird  bedeutend  dicker  als  bei  den 
Amphibien  und  zeigt  die  den  höheren  Wirbelthieren  zukommenden 
drei  Schichten :  die  Beugungen  der  Basis,  besonders  die  Nackenbeuge, 
treten  hervor;  das  Kleinhirn  wird  bedeutender,  das  Zwischenhirn  wird 
fast  ganz  von  den  Hemisphären  bedeckt;  die  Epiphyse  vervollkommnet 
sich  und  entwickelt  bei  einigen  Gattungen  (Hatteria)  ein  wirkliches  Auge, 
das  in  einem  Loche  der  Schädeldecke,  im  Scheitelloche,  liegt.  —  Unter 
den  Modificationen  des  peripherischen  Nervensystemes  ist 
besonders  die  Selbständigkeit  des  Nervus  accessorius  WilUsii,  das  gänz- 
liche Verschwinden  des  seitlichen  Astes  des  Vagus  mit  den  betreffenden 
Seitenorganen ,  sowie  die  schärfere  Trennung  des  Glossopharyngeus, 
Hypoglossus,  Acusticus  und  Facialis  zu  erwähnen.  —  Die  Entwicklung 
eines  längeren  doppelten  Luftcanales  zwischen  Schädelbasis  und  Mund- 
höhle und  die  Ausbildung  des  J  acobson' sehen  Organes  charakteri- 
siren  das  Riechorgan  mehrerer  Ordnungen.  —  Das  Auge  zeigt 
fast  immer  einen  knöchernen  Scleroticalring,  einen  Kamm  im  Inneren, 
eine  Härder 'sehe  und  eine  Thränendrüse,  während  die  Lider  sehr 
verschieden  entwickelt  sind.  —  Das  Ohr  zeichnet  sich  durch  die  Aus- 
bildung der  Lagena  aus. 

Die  Ver da uungs Organe  zeigen  den  Amphibien  gegenüber  eine 
ausserordentliche  Ausbildung,  Differenzirung  und  Localisation  der 
Munddrüsen ,  die  bei  einigen  Gruppen  zu  Giftdrüsen  werden ,  was  be- 
sondere Anpassungen  der  übrigen  Mundorgane  nach  sich  zieht;  an  der 
Grenze  des  Hinterdarmes  bildet  sich  ein  Blinddarm  aus.  Die  Uro- 
genitalorgane zeigen  sehr  verschiedene  Bildungen ,  auf  die  wir  hier 
nicht  eingehen  können ;  mit  Ausnahme  von  Hatteria  finden  sich  bei 
allen  Begattungsorgane. 

Einen  wesentlichen  Fortschritt  zeigt  der  Circulationsapparat 
durch  die  successive  Ausbildung  einer  Scheidewand,  welche  den  Ven- 
trikel theilt  und  bei   den  Krokodilen   fast  vollständig   wird.     So   wird 


Keptilien.  631 

bei  den  Reptilien  nach  und  nach  der  Kreislauf  in  zwei  entgegen- 
gesetzte Gruppen  geschieden,  den  Körperkreislauf  und  den  Lungen- 
kreislauf; der  erstere  erhält  aus  der  linken  Herzhälfte  arterielles  Blut, 
welches  Sauerstoff  gegen  Kohlensäure  eingetauscht  hat,  während  der 
aus  der  rechten  Herzhälfte  gespeiste  Lungenkreislauf  venöses  Blut  in 
die  Lungen  eintreibt  und  arterielles  in  das  Herz  zurückführt. 

Wir  nehmen  folgende  Classification  in  zwei  Gruppen  und  fünf 
Ordnungen  an. 

Erste  Gruppe :  Plagiotremen.  Die  Haut  mit  Warzen,  Höckern, 
Schuppen  oder  Schildern  bedeckt.     Die  Afterspalte  quer  gestellt. 

Erste  Untergruppe:  Ordnung  der  Mliynchocephalen. 
Amphicöle  Wirbel,  aus  mehreren  durch  Xähte  verbundenen  Stücken  zu- 
sammengesetzt ;  Abdominalrippen,  die  an  einem  ventralen  Sternum  und 
ausserdem  an  der  Haut  befestigt  sind ;  der  knorpelige  Primordialschädel 
grösstentheils  während  des  ganzen  Lebens  erhalten  bleibend ;  bezahnter 
Vomer;  das  Quadratbein  unbeweglich  am  Schädel  angeheftet;  das 
Gehirn  amphibienähnlich;  das  Epiphysealauge  vollständiger  entwickelt 
als  irgendwo  sonst.  Der  Kamm  im  Auge,  die  Trommelhöhle  und  Be- 
gattungsorgane fehlen  vollständig.  Eine  einzige  Gattung,  Hatteria, 
in  Neu -Seeland.  Sehr  alter,  aus  der  Trias  stammender  ancestraler 
Typus. 

Zweite  Untergruppe:  Ordnung  der  Pholidojphoren. 
Das  Quadratbein  ist  beweglich ,  die  Glieder  häufig  verkümmert  oder 
ganz  fehlend.  Zwei  Begattungswerkzeuge  (ausstülpbare  Penis  bei  den 
Männchen)  sind  in  den  Ecken  der  queren  Afterspalte  ausserhalb  der 
Cloake  angebracht.     Zwei  nicht  ganz  scharf  begrenzte  Ordnungen. 

Erste  Ordnung:  Saicrier  oder  Eidechsen.  Die  Unter- 
kieferhälften sind  in  der  Symphyse  des  Kinnes  verbunden ,  das  Maul 
nicht  ausdehnbar.  In  den  meisten  Fällen  wohl  ausgebildete  Glieder 
mit  fünf  bekrallten  Zehen,  die  aber  zuweilen  wie  Zangen  sich  gestalten 
{Cliamaeleon)  oder  verkümmern  {Scincoiden,  Anmdaten);  einer  der  Ex- 
tremitätengürtel erhält  sich ,  wenn  auch  das  Aussenglied  schwindet. 
Die  Zähne  sitzen  entweder  auf  dem  Rande  der  Kiefer  fest  {Acrodonien) 
oder  in  einer  Rinne,  mit  an  den  Aussenrand  der  Kiefer  angelehnter 
Basis  {Pleurodonten).  Die  verschiedene  Gestaltung  der  Zunge  ist  zur 
Bildung  von  Unterordnungen  benutzt  worden :  Le])togl.ossen  mit  langer 
und  glatter ,  oft  weit  ausstreckbarer  Zunge ,  deren  Vorderende  aus- 
geschnitten und  in  zwei  Spitzen  ausgezogen  ist;  PacJiyglossen  mit 
dicker,  zuweilen  stempeiförmiger  Zunge.  Unter  den  Leptoglossen  hat 
man  unterschieden:  Spaltzüngler  {Fissilinguia)  mit  langer,  rund- 
licher, zweispitziger  Zunge,  die  zuweilen  wie  bei  den  Schlangen  in  eine 
Scheide  zurückgezogen  werden  kann   (Lacerta,  Ameiva,  Monitor)  und 


632  Wirbelthiere. 

Knr zzün gier  (Brevilingttia)  mit  schwach  ausgeschnittener,  kurzer  und 
glatter  Zunge  (Angnis,  Schleus,  Seps).  Die  Pachyglossen  werden  ge- 
schieden in:  Wurmzüngler (Fenm7m^Mia),  mit  wurm- oder  stempei- 
förmiger, erectiler  Zunge  und  Kletterfüssen  (Chainaeleon) ,  Dick- 
zün gier  (Crassüingwia),  mit  kurzer,  dicker,  fleischiger  Ijange  (Iguana, 
Draco,  Stellio)  und  neben  diesen  unterscheidet  man  noch  als  beson- 
dere Gruppen  die  Nachtechsen  (Ascalaboten) ,  mit  Haftfüssen,  an 
deren  Zehen  Haftkissen  und  rückziehbare  Krallen  sich  finden  (G-ecTco, 
Phyllodactylus)  und  endlich  die  abirrende  Gruppe  der  schlangen- 
förmigen  Ringelechsen  (Ännulaten),  mit  geringelter  Haut  und  ver- 
wachsenen Gesichtsknochen  (Amphishaena,  Chirotes). 

Zweite  Ordnung:  Ophidier  oder  Schlangen.  Die  Unter- 
kieferhälften sind  getrennt,  nur  durch  Bänder  oder  Muskeln  zusammen- 
gehalten und  das  Maul  ausserdem  sehr  ausdehnbar  durch  die  Beweg- 
lichkeit des  xlufhängeapparates ,  der  Oberkiefer-  und  Gaumenbogen. 
Die  hakenförmigen  Zähne  können  voll  sein  (Unschuldige)  oder  ge- 
rinnt und  selbst  der  Länge  nach  durchbohrt  (Giftschlangen). 
Gliedergürtel  und  Glieder  fehlen  mit  Ausnahme  von  bei  einigen  vor- 
kommenden Rudimenten  der  hinteren  Extremität  (Peropoden).  Augen- 
lider, Paukenhöhle  und  Harnblase  fehlen.  Man  unterscheidet:  Opo- 
terodonien,  mit  nicht  ausdehnbarem  Maule,  Zähnen  nur  auf  einem 
Kiefei'bogen ,  Oberkiefer  oder  Unterkiefer,  und  hinteren  Gliedmaassen- 
stummeln  (TypMops).  Die  Giftschlangen  tragen  einige  wenige 
Giftzähne  auf  dem  beweglichen  Oberkiefer.  Man  unterscheidet  zwei 
Gruppen:  Rinnenzähner  {ProterogJyphen) ,  mit  gerinnten  Gift- 
zähnen, die  vor  einigen  Vollzähnen  stehen  {Naja,  Elaps)  und  die 
Canalzähner  (Solenoglyphen) ,  welche  nur  einige  grosse,  röhren- 
förmige Giftzähne  mit  Ersatzzähnen  im  Oberkiefer  tragen  {Vipera, 
Crotalus,  Botlirops).  Die  übrigen  giftlosen  Schlangen  bilden  nur  eine 
grosse  Gruppe,  die  Natter  ähnlichen  (Cohibriforniia) ,  mit  vollen 
Hakenzähnen  (Python,  Tortrix,  Coluher ,  Dendroplüs),  doch  hat  man 
noch  eine  Gruppe  der  Verdächtige  n  {Suspeda)  unterschieden,  wo 
im  Grunde  des  Rachens  sich  hintere  Rinnenzähne  finden  (Psammophis, 
Bipsas,  Scytale). 

Zweite  Gruppe:  Ortbotremen.  Die  Afteröffnung  in  derLängs- 
axe  des  Körpers;  nur  ein  medianer,  erectiler  Penis,  der  an  der  vorderen 
Cloakenwand  festsitzt  und  in  die  Cloake  zurückgeschlagen  werden 
kann.  Das  Quadratbeiu  ist  unbeweglich  mit  dem  Schädel  verbunden, 
so  dass  der  Unterkiefer  an  diesen  angelenkt  scheint.  Das  Hautskelett 
in  Gestalt  breiter  Knochenplatten  ist  sehr  entwickelt,  bald  frei  oder 
•theilweise  mit  dem  inneren  Skelett  verschmolzen.  Zwei  wohl  begrenzte 
Ordnungen,  die  schärfer  begrenzt  sind  gegen  einander,  als  Schlangen 
und  Eidechsen. 


Reptilien.  633 

Erste  Ordnung:  Chelonier  oder  Schildkröten.  Der 
kurze  und  breite  Körper  ist  mit  einem  Rückenschilde  und  einem  Bauch- 
schilde bedeckt,  die  zu  einer  förmlichen  Kapsel  verschmelzen,  in  welche, 
wenn  sie  vollständig  ausgebildet  ist ,  der  Kopf  mit  dem  oft  langen 
Halse,  die  Glieder  und  der  Schwanz  zurückgezogen  werden  können. 
Die  Kiefer  sind  stets  zahnlos  und  mit  schneidenden  Hornplatten  über- 
zogen ,  so  dass  sie  eine  Art  Schnabel  bilden.  Die  Rippen  und  ein 
grosser  Theil  der  Rückenwirbel  sind  mit  den  knöchernen  Hautplatten 
verwachsen;  der  Panzer  mit  dicker,  verhornter  Epidermis  bedeckt 
(Schildpatt).  Das  stets  mit  Augenlidern  versehene  Auge  hat  keinen 
Kamm.  Die  Ohrschnecke  ist  wenig  entwickelt.  Die  Zunge  fleischig, 
wenig  beweglich ;  der  Magen  gekrümmt  und  meist  quer  gestellt.  Die 
Scheidewand  im  Herzen  sehr  unvollständig.  Geschlechts-  und  Harn- 
canäle  münden  in  die  Harnblase.  Nach  der  Ausbildung  der  Extremi- 
täten hat  man  unterschieden :  Cheloniden ,  Meerschildkröten ,  mit  zu 
Rudern  umgewandelten  Füssen,  die  ebenso  wie  Kopf  und  Schwanz 
nicht  in  den  Panzer  zurückgezogen  werden  können  (Chelonia,  Sphar- 
gis) ;  Trionychiden ,  mit  Nägeln  an  drei  Zehen  der  Schwimmfüsse  und 
unvollständigem  Panzer  (Trionyx);  Chelyden,  Schwimmfüsse  mit  fünf 
bekrallten  Zehen,  die  nicht  zurückgezogen  werden  können  (Chelys); 
Eniyden,  Sumpfschildkröten,  mit  dicken,  zurückziehbaren  Füssen,  deren 
Zehen  durch  eine  Schwimmhaut  verbunden  sind  (Em ys,  Cistudo)\  Ciier- 
siden,  Landschildkröten,  mit  säulenartig  verbundenen  Zehen,  die  Krallen 
tragen.     Alle  Theile  unter  den  Panzer  zurückziehbar  ( Testudo). 

Zweite  Ordnung:  Kr oJcodil e.  Körperform  der  Eidechsen 
mit  langem,  gekieltem  Schwänze.  Grosse,  freie  Hautknochenplatten  am 
Körper  und  dem  Schwänze.  Lange  Kinnladen ,  bewaffnet  mit  Kegel- 
zähneu,  die  in  eigenen  Alveolen  eingepflanzt  sind.  Procöle  Wirbel. 
Bauchrippen  und  Bauchsternum.  Nasengänge  sehr  lang,  erst  hinten 
in  dem  Schlundkopfe  geöffnet.  Unbewegliche  Zunge.  Gaumensegel. 
Drei  Augenlider.  Scheidewand  der  Herzkammern  bis  auf  ein  kleines 
Loch  {Foramen  Panizzae)  vollständig.  Vorderfüsse  mit  fünf  freien 
Zehen ,  die  vier  Zehen  der  Hinterfüsse  mehr  oder  minder  durch  eine 
Schwimmhaut  verbunden  [Garkilis  (Ehani2)hostoma) ,  Crocodilns,  Alli- 
gator]. 

Typus:  Lacerta  viridis'L.  Die  grüne  Eidechse  findet  sich 
im  südlichen  Deutschland,  Frankreich,  der  Schweiz  und  den  Mittel- 
meerländern. Unter  allen  Arten  der  Gattung  hat  sie  den  längsten 
Schwanz.  Zu  anatomischen  Zwecken  sind  mit  ihr  gleichwerthig  die 
kleinere  Z  aun  eidechse  (L.  stirphcm),  die  in  Deutschland  und  Frank- 
reich häufiger  ist  und  die  weit  grössere  Augenechse  (L.  ocel- 
lata)  der  Mittelmeerländer,  die  aber  bis  in  die  Schweiz  (Wallis)  vor- 
dringt.    Für   die    Untersuchung   des  Nervensystemes   und   der   Sinnes- 


634  Wirbelthiere. 

Organe,  welche  Dr.  M.  Jaquet  übernahm,  haben  wir  diese  Art  der 
Grösse  wegen  vorgezogen.  Die  anatomischen  Unterschiede  sind  sehr 
gering.  Mehr  Verschiedenheit  zeigen  die  kleineren ,  im  nördlichen 
Mitteleuropa  häufigeren  Eidechsen,  besonders  Podarcis  muralis  und  Zoo- 
toca  vivipara,  die  indessen  in  Ermangelung  der  anderen  Arten  benutzt 
werden  können. 

Allgemeine  Lagerung  der  Organe  und  Präparation 
(Fig.  264).  —  Um  sich  eine  vorläufige  Uebersicht  der  Lagerung  der 
Oi'gane ,  besonders  in  der  Bauchhöhle ,  zu  verschaffen ,  spaltet  man  die 
Haut-  und  Muskeldecke  mittelst  eines  Längsschnittes,  der  aber  nur  nahe 
an  der  ventralen  Mittellinie,  nicht  in  dieser  selbst  geführt  werden  darf, 
um  nicht  Gefässe  und  Anheftungen  des  Bauchfelles  in  der  Mittellinie 
zu  zerschneiden.  Man  schneidet  mittelst  der  Scheere  das  Sternum  an 
den  Ansätzen  der  Rippen  durch,  vermeidet  sorgfältig  jede  Verletzung 
des  innen  tiefschwarzen  Bauchfelles  und  setzt  den  Schnitt  nach  hinten 
bis  zu  dem  Becken  fort,  das  man  ebenfalls  bis  auf  die  Sehnenhaut 
spaltet,  welche  den  hintersten  Theil  der  Bauchhöhle  auskleidet.  Nach 
der  Trennung  des  Schultergürtels,  den  man  zurückbiegt,  um  die  Luft- 
röhre, die  Jugularvene  und  die  übrigen  Gefässstämme  am  Halse  bloss- 
zulegen ,  führt  man  den  Schnitt  in  einer  der  Rückenlinie  etwa  par- 
allelen Richtung  nach  hinten  bis  zum  Schenkelgelenke.  Man  desarticulirt 
den  Schenkel,  kneipt  das  Becken  nahe  an  seiner  Anheftung  an  die 
Wirbelsäule  durch  und  legt  so  das  Bauchfell  in  seiner  ganzen  Länge 
bloss ,  um  es  nachher  zu  öffnen  und  die  Eingeweide  zur  Anschauung 
zu  bringen.  So  kann  man  ein  Präparat  ähnlich  dem  hier  abgebildeten 
herstellen. 

Ist  man  vorsichtig  zu  Werke  gegangen,  so  sieht  man  vorn  an  der 
Kehle,  einer  grauen,  schief  gestreiften  Haut  (a)  anliegend,  welche  den 
Boden  der  Mundhöhle  bildet,  die  Bogen  des  Zimgenbeines  (&)  mit  den 
Gefässen  und  Nerven,  welche  sie  begleiten,  die  Luftröhre  (c),  die  Jugular- 
vene {d)  und  vier  Arterienstämme  (e,/),  welche  unter  dem  Vorderrande  des 
Herzens  hervortreten.  Dieses  hat  die  Gestalt  einer  Birne ;  die  beiden 
tief  braunroth  gefärbten  Vorkammern  {g,  h)  nehmen  den  breiteren 
Vorderraum  ein,  während  die  einfache  Herzkammer  (?")  nach  hinten 
eine  Spitze  zeigt,  an  die  eine  Falte  des  Bauchfelles  (Je)  sich  ansetzt, 
die  in  der  ventralen  Mittellinie  sich  an  die  Bauchwand  anheftet  und 
Blutgefässe  enthält.  Der  Herzbeutel  umschliesst  enge  das  Herz  (er 
ist  weggenommen)  und  vereinigt  sich  an  dieser  Stelle  mit  dem  Bauch- 
felle. Hinter  dem  Herzen  liegen  an  der  dorsalen  Wölbung  der  Bauch- 
höhle die  sackförmigen ,  vorn  und  hinten  zugespitzten  Lungen  (l,  m), 
die  leicht  an  der  Dünne  ihrer  zelligen  Wände  erkenntlich  sind.  Ein 
Zipfel  des  Bauchfelles  (n)  heftet  sie  an  den  Magen.  In  den  Raum 
zwischen  der  Herzspitze  und  den  Lungen  ragt  die  vordere  Spitze  der 
Leber  (o),  eines  viellappigen,  sehr  voluminösen  Organes,  das  mit  seiner 


Reptilien, 


635 


gewölbten  Unterfläche  den  Bauchwandungen  anliegt,   während   es   mit 

seiner  ausgekehlten ,   dorsalen  Fläche  den  Magen  (p),  das  Pankreas  (q) 

und  einen  grossen  Theil  der  Windungen  des  Darmes  (r)  umfasst,  von 

■p-      264  welchem       nur      einige 

Schlingen  über  den  Hin- 
terrand der  Leber  her- 
vortreten und  die  Milz 
(r)  bedecken,  die  dem 
Ende  des  Magens  an- 
liegt. Auf  der  ventralen 
Mittellinie       wird       die 

Lacerta  viridis,  —  Das  Thier, 
ein  Mäiinclien,  liegt  auf  dem 
Rücken.  Die  Bauchwände 
sind  in  der  Mittellinie  der 
Länge  nach  gespalten  und 
nebst  den  Gliedern  wegge- 
nommen, um  die  Eingeweide 
zur  Ansicht  zu  bringen ,  die 
man  nur  wenig  entfaltet  hat, 
so  dass  man  sie  leicht  in 
die  natürliche  Lage  zurück- 
bringen kann.  Man  hat  die 
hauptsächlichsten  Gefässe 

eingezeichnet,  die  man  ohne 
Einspritzung  sehen  kann. 
Natürliche  Grösse,  a,  Basal- 
haut  des  Rachens;  b,  Zungen- 
beinbogen ;  c,  Luftröhre ;  d, 
rechte  Jugularvene ;  e,  Ar- 
terieubogen  der  rechten  Seite; 
/,  Bogen  der  linken  Seite ; 
g,  rechter  Vorhof;  h,  linker 
Vorhof;  i,  Herzkammer;  i^, 
Darm;  Ä;,  Bauchfellvene;  k^, 
linke  Jugularvene  ;  k^,  abge- 
schnittene Arm  venen  ;  /,  rechte 
Lunge  in  natürlicher  Lage- 
rung ;  rn,  linke  Lunge ,  auf 
die  Seite  gezogen;  n,  Peri- 
tonealfalte  zum  Oesophagus; 
0,  Leber;  j),  Oesophagus; 
pi,  Magen ;  q,  Pankreas ;  r, 
Milz;  s,  Hode;  ^,  Nebenhode; 
t^,  Samenleiter;  m,  Fettmasse; 
V,  Cloake ;  w,  Harnblase ;  x, 
Niere;  y,  After;  z,  Penis; 
iückziehmuskel  desselben;  1,  Unterkiefer  ;  2,  abgeschnittene  Armmuskeln  ;  3,  Reste 
Beckens ;  4,  Schwanzmuskeln ;  5,  Aorta ;  6,  Haltbänder  der  Eingeweide ,  vom 
Peritoneum   crebildet. 


des 


636  Wirbelthiere. 

Leber  durch  zwei  Bänder  des  Bauclifelles  an  die  Bauchwand  angeheftet 
und  zeigt  hier  eine  Einkerbung,  in  welcher  die  Gallenblase  versteckt 
liegt.  Im  hinteren  Theile  der  Bauchhöhle,  zwischen  Leber  und  Nieren 
liegen,  unter  den  Darmwindungen  versteckt,  die  Hoden  (s)  mit  den 
Nebenhoden  (t)  und  einem  Fettkörper  (u),  dessen  Volumen  je  nach  der 
Ernährung  des  Thieres  sehr  wechselt.  Dieser  Fettkörper  liegt  zwischen 
der  inneren  Fläche  des  Beckens  und  dem  schwarzen  Bauchfelle,  das 
ihn  nur  auf  der  inneren  Fläche  überzieht  und  mit  einer  tiefen  Falte 
sich  zwischen  die  Cloake  (v)  und  die  Harnblase  (w)  einsenkt,  deren 
Canal  man  noch  sehen  kann.  Bei  der  Seitenansicht  ist  die  Cloake 
noch  grösstentheils  von  dem  vorderen  Ende  der  viellappigen  Niere  (x) 
bedeckt,  die  in  dem  Räume  zwischen  der  Cloake  und  der  Wirbelsäule 
und  nur  auf  ihrer  Unterfläche  von  dem  schwarzen  Bauchfelle  über- 
zogen wird,  welches  so,  indem  es  zwischen  Cloake  und  Harnblase,  oben 
zwischen  Cloake  und  Niere  sich  umschlägt,  eine  weite,  trichterförmig 
nach  hinten  geschlossene  Tasche  bildet. 

Um  die  Fortsetzung  der  Niere  nach  hinten ,  über  die  Bauchhöhle 
hinaus  längs  der  Schwanzwurzel  zu  sehen,  muss  man  die  dicken  Sehnen- 
ausbreitungen, welche  die  Innenfläche  des  Beckens  auskleiden,  mit  den 
sich  daran  heftenden  Muskeln  spalten  und  entfernen.  Man  legt  da- 
durch auch  die  Cloake  bis  zu  ihrer  Endigung  in  der  queren  After- 
spalte (g)  und  die  beiden  Begattungsschläuche  (0)  bloss,  welche  in  den 
Ecken  der  Spalte  münden,  bei  den  Weibchen  nur  rudimentär  sind,  bei 
den  Männchen  aber  sich  an  der  Schwanzwurzel  nach  hinten  verlängern 
und  mit  Rückziehmuskeln  (^i)  ausgestattet  sind. 

Tegument.  —  Wir  überlassen  der  beschreibenden  Zoologie  die  Dar- 
stellung der  äusseren  Bildungen  und  erinnern  nur  daran,  dass  auf  dem 
Kopfe,  dem  Rücken  und  den  Gliedmaassen  die  Schuppen  nur  wie  Hügel 
erscheinen,  deren  Ränder  kaum  übergreifen ,  während  auf  dem  Bauche 
glatte,  quergestellte  Schuppeutafeln  sich  finden  und  auf  dem  Schwänze 
wirteiförmig  gestellte  Schuppen  ausgebildet  sind,  die  Längskiele  zeigen. 
An  dem  Halse  findet  sich  eine  Art  Kragen ,  der  von  einer  Falte  der 
Haut  gebildet  ist,  die  auf  beiden  Seiten  mit  breiteren  Schuppen  bedeckt 
ist  und  einen  freien  hinteren  Rand  hat. 

Die  Oberhaut  ist  verhornt,  durchscheinend  und  zeigt  je  nach 
den  Körperstellen  sehr  verschiedene  Dicke.  Von  aussen  nach  innen 
kann  man  an  ihr  mehrere  Schichten  unterscheiden :  eine  äusserste,  sehr 
dünne  Schicht,  die  aussieht,  als  sei  sie  aus  kurzen,  mit  einander  ver- 
klebten Härchen  gebildet,  welche  man  die  Cuticula  oder  epi- 
trichiale  Schicht  genannt  hat  (ci,h,  Fig.  265);  sodann  eine  Horn- 
schicht  (a^,  a^,  1)^)  von  bedeutender  Dicke,  die  sich  in  über  einander 
liegende  Blätter  spalten  lässt  und  am  Rande  der  Schuppen  sich  gegen 
die  Lederhaut  hin  einsenkt.  Diese  Schicht  besteht  aus  abgeplatteten, 
mit    einander   verschmolzenen    Zellen ,    welche    sich    nur    unvollständig 


Reptilien. 


637 


durch  Maceration  in  kaustischem  Kali  trennen  lassen,  und  endlich  die 
Malpighi'sche  Gr  un  dschicht  (c),  welche  aus  deutlich  begrenzten 
Zellen  besteht,  die  in  den  oberen  Lagen  (c^)  verhornen,  sich  abplatten 
und  dickere  Wände  haben,  während  in  den  inneren  Lagen  (c-)  die 
Zellen  rund  sind  und  ihre  Kerne  deutlich  hervortreten.  Bei  der  Häu- 
tung, die  zu  bestimmten  Zeiten  eintritt  (Fig.  265),  bildet  sich  eine 
neue  Hornschicht  mit  einer  neuen  Cuticula,  während  die  entsprechenden 
alten  Schichten  in  grossen  Fetzen  oder  auch  als  Ganzes  sich  ablösen. 
Die  Leder  haut  (d)  besteht  aus  drei,  nicht  sehr  deutlich  ge- 
trennten Schichten.     Die  äussere  Schicht  {(V)   strotzt   fast   überall    von 

Fio-.  265. 


-t=< 


Lacerta  viridis.  —  Stück  eines  Querschnittes  in  der  Nähe  der  Nasenlöcher.  Das 
Thier  war  im  Wechseln  der  Haut  begrifien.  Zeiss,  Oc.  2,  Obj.  E.  Camera  dura. 
n,  ältere  Epitrichialschicht ;  a^,  a^,  ältere  Hornschichten,  die  sich  von  zwei  einander 
berührenden  Schuppen  ablösen;  S,  neue  Epitrichialschicht;  6^,  neue  Hornschicht; 
c'^,  oberflächliche  Epidermisschichten  mit  verlängerten  Zellen;  c^,  tiefe  Schichten  mit 
runden  Zellen  ;  d},  Lederhautschicht  mit  olivengrünem  Pigment ;  d^,  Lederhautschicht 
mit  schwarzem  Pigment ;  e,  faseriges  Corium  ;  /",  durchschnittenes  Blutgefäss  ;  9,  durch- 
scheinendes Knochengewebe ;    (ß,    Knochenkörperchen. 


olivengrünem  Pigment  in  Ballen,  die  aus  sehr  kleinen  Körnchen  be- 
stehen ;  in  der  mittleren  Schicht  (cV-)  liegt  schwarzes  Pigment  in  Zellen 
von  allen  Formen,   worunter  auch  viele  mit  sternförmigen  Ausläufern; 


638 


Wirbelthiere. 


die  innerste  Schicht  endlich,  das  eigentliche  Corium  (e)  zeigt  platte, 
gewellte,  wenig  verfilzte  Fasern,  welche  auch  an  den  oberen  Schichten 
sich  betheiligen,  dort  aber  durch  die  Pigmente  verdeckt  sind.  Im 
inneren  Corium  sieht  man  vorzugsweise  Gefässe,  Nerven  und  verzweigte 
Lymphräume. 

Die  gegenseitige  Lagerung  dieser  Schichten  ist  überall  dieselbe, 
aber  ihre  Mächtigkeit  variirt  sehr  je  nach  den  einzelnen  Körperstellen 
und  ganz  besonders  sind  die  Pigmentschichten  solchen  Schwankungen 
unterworfen.  So  fehlt  z.  B.  über  dem  Parietalauge,  von  dem  wir  hier 
einen    Durchschnitt    geben    (Fig.   266),    die    schwarze   Pigmentschicht 

Fig.  266. 


Lacerta  viridis.  —  Stück  eines  durch  die  Epiphj-se  gelegten  Querschnittes  des  Kopfes. 
Zeiss,  Oc.  2,  Obj.  E.  Camera  dura,  a,  Hornschicht  der  Oberhaut;  b,  Malpighi- 
sches  Netz;  c,  Pigmentschicht;  d,  Lederhaut;  e,  Stirnbein;  /,  Blutgefässe;  g,  innere 
Lederhautschicht,  zugleich  Periost ;  h,  Pigmentschicht  an  der  Decke  der  Schädelhöhle  ?'; 
k,  Knopf  der  Epiphyse ;  /,  Pallium ,  welches  die  Schädelhöhle  in  eine  obere  («')  und 
eine  untere  Abtheilung  (i^)  theilt ;  m,  Stiel  der  Epiphyse;  n,  Pigmentschicht,  welche 
sich  in  das  Pigment  der  Schädelhöhle  fortsetzt ;  o,  Hornhaut ;  p,  olivengrüne  Pigment- 
schicht; q,  äussere  Augenkammer;  r,  äussere  Pigmentbrücke;  s,  innere  Augenkammer; 
t,  innere  Pigmentbrücke;  ii,  Umriss  der  Hemisphären. 


vollständig,   während  das  olivengrüne  Pigment  nur  sehr  schwach  ent- 
wickelt ist. 

In  Folge  der  Contractilität  der   schwarzen  Pigmentzellen  und  der 
umgebenden  Fasern  der  Lederhaut   besitzt  unsere  Eidechse  die  Fähig- 


Reptilien.  639 

keit,  ihre  Farbe  zu  ändern;  sie  wird  im  Dunkeln  blasser.  Indessen 
ist  dieser  Farbenwechsel  wenig  auffällig. 

Von  Hautdrüsen  finden  sich  nur  die  sogenannten  Schenkel- 
drüsen, welche  auf  der  Innenseite  der  Schenkel  längs  einer  bis  zum 
Knie  reichenden  schiefen  Linie  aufgereiht  sind  (g,  Fig.  272).  Es  finden  sich 
auf  jedem  Schenkel  15  bis  17  solcher  Drüsen.  Man  sieht  sie  in  Gestalt 
kleiner,  gelber  Ringe,  die  einander  berühren  und  eine  mittlere  Oeff- 
nung  einschliessen,  aus  welcher  man  öfter  ein  Bündelchen  gelber  Stäb- 
chen hervorragen  sieht,  die  nichts  Anderes  sind,  als  das  coagulirte  und 
etwas  erhärtete  Secret  der  Drüsen  selbst.  Zieht  man  die  Haut  ab,  so 
sieht  man  auf  ihrer  inneren  Fläche  die  Drüsen  in  Gestalt  lappiger 
und  gekerbter  Kuchen ,  die  sich  wie  Dachziegel  decken.  Schnitte 
zeigen ,  dass  sich  die  stark  verdünnte  Epidermis  nach  innen  einstülpt, 
um  die  Wände  der  Drüsenhöhle  auszukleiden,  und  dass  die  Lappen 
von  maschigem  Bindegewebe  mit  zahlreichen  Kernen  gebildet  sind,  in 
welchem  zahlreiche  Netze  von  Blutgefässen  sich  zeigen.  Das  nur  halb- 
weiche Seci'et  besteht  aus  undeutlich  begrenzten,  mit  einander  verklebten 
Zellen.  Jedem  Läppchen  entspricht  eines  der  erwähnten  Stäbchen, 
die  in  dem  Ausführungsgange  verkleben  und  so  eine  Art  Pfropf  bilden, 
der  besonders  zur  Begattungszeit  bei  den  Männchen  stark  hervortritt. 
Bei  den  Weibchen  sind  diese  Pfropfen  weit  weniger  ausgebildet  und 
treten  kaum  hervor. 

Die  scharfen  Hakenkrallen  an  den  Fingerenden  sind  von  den 
stark  verdickten  und  erhärteten  Hornschichten  des  Tegumentes  ge- 
bildet. Auf  Schnitten  sieht  man  concentrische,  wie  Düten  in  einander 
gesteckte  Hornschichten  und  im  Centrum  einen  Kern  von  Epidermis- 
zellen. 

An  den  Stellen ,  wo  die  Haut  unmittelbar  die  Knochen  berührt, 
wie  dies  am  Schädel  der  Fall  ist,  kann  von  einer  Hypodermis  keine 
Rede  sein;  die  Fasern  der  Lederhaut  gehen  unmittelbar  in  das  Periost 
über.  Anderwärts,  wie  auf  dem  Rücken,  setzen  sich  die  Fasern  in 
die  Aponeurosen  der  Muskeln  fort.  Meist  aber  finden  wir  ein  sehr 
lockeres  Bindegewebe  mit  weiten  Lückenräumen,  die  mit  dem  Lymph- 
systeme in  Verbindung  stehen  und  zuweilen  Anhäufungen  grauer 
Körperchen  enthalten ,  die  man  für  Lymphdrüsen  hat  ansprechen 
wollen. 

Skelett  (Fig.  262  bis  271).  —  Man  kann  an  der  Wirbelsäule 
Hals-,  Rücken-,  Lenden-,  Kreuz-  und  Schwanzwirbel  unterscheiden  und 
in  Beziehung  zu  den  Rippenansätzen  kann  man  die  Rückenwirbel  noch 
in  sternale  und  abdominale  theilen. 

Alle  Wirbel,  mit  Ausnahme  des  ersten,  des  Atlas  und  der  letzten 
Schwanzwirbel ,  sind  procöl ;  der  Wirbelkörper  zeigt  an  der  vorderen 
Fläche  eine  runde  Gelenkhöhle,  in  welcher  ein  entsprechend  abgerun- 
deter Gelenkkopf  der   Hiuterfläche   des  vorangehenden  Wirbels   spielt. 


640 


Wirbelthiere, 


rig;.  267. 


Der  Atlas  zeigt  eine  besondere  später  zu  erwähnende  Bildung;  die 
letzten  Scbwanzwirbel  sind  amphicöl,  wie  die  Wirbel  der  Fische.  Mit 
Ausnahme  der  genannten  besitzen  alle  anderen  "Wirbel  obere  Bogen, 
welche  den  Rückencanal  bilden  und  in  verschieden  gestalteten  Dorn- 
fortsätzen zusammenstossen.  Die  unteren  Bogen  schliessen  sich  nur 
in  der  Schwanzgegend  um  die  Aorta  und  bilden  dort  untere  Dorn- 
fortsätze ;  in  den  übrigen  Körpergegenden  sind  sie  rudimentär  oder 
fehlen  ganz.    Nur  in  der  Kreuz-  und  Schwanzgegend  finden  sich  starke 

Querfortsätze;  sonst  sind  sie  un- 
bedeutend oder  fehlen  ebenfalls. 
Schiefe  Gelenkfortsätze  sind  über- 
all sehr  ausgebildet  und  zwar  in 
der  Weise,  dass  der  Fortsatz  des 
vorhergehenden  Wirbels  den  des 
hinteren  deckt,  so  dass  die  Ge- 
lenkflächen schief  oder  selbst 
gabelförmig  gestaltet  sind.  Die 
Löcher  zum  Durchtritte  der  Spinal- 
nerven sind  stets  zwischen  zwei 
Wirbeln  so  angebracht,  dass  der 
hintere  Gelenkfortsatz  sie  deckt. 

Es  giebt  sieben  Halswirbel. 
Der  erste,  der  Atlas,  bildet  einen 
aus  drei  Stücken ,  einem  basalen 
und  zwei  seitlichen,  zusammenge- 
setzten Ring,  der  sich  über  dem 
Rückenmarke  nicht  schliesst,  son- 
dern eine  kleine  Lücke  zeigt. 
Die  Höhle  zur  Aufnahme  des  Ge- 
lenkkopfes des  Hinterhauptes  hat 
die  Gestalt  eines  Halbmondes,  an 
dem  sich  die  drei  Stücke  be- 
theiligen. —  Der  zweite  Halswirbel, 

Lacerta  viridis.  —  Profilansicht  der  Vor- 
derhälfte des  knöchernen  Skelettes  von 
der  linken  Seite.  Buchstaben  'rechter- 
seits  :  ?«,  Oberkiefer  ;  i ,  Zwischenkiefer  ; 
fit, ,  Nasengrube ;  n ,  Nasenbein ;  m^, 
oberer  Ast  des  Oberkiefers;  m-,  unterer  Ast;  o,  Augenhöhle;  j,  Jochbein;  or*, 
vierter  Orbitalknochen  (Postfrontale);  et,  Colonetta;  fp,  Parietalgrube ;  o  c,  Quadrat- 
bein; CO,  Columella;  c^ — c'^,  zweiter  bis  siebenter  Halswirbel;  cc^,  dritte  Halsrippe; 
cl,  Schlüsselbein;  sc,  Schulterblatt;  cfl,  cfi,  Rückenwirbel;  cc',  fünfte  Halsrippe; 
cs^ — cs^,  Sternalrippen ;  c/^,  erste  falsche  Rippe.  Linkerseits:  nm,  Unterkiefer; 
h^,  Körper,  ä^ — ä*,  Bogen  des  Zungenbeines;  I — T',  die  fünf  Finger;  ca,  Carpus; 
r,  Radius;  liu,  Humerus;  c?«,  Ulna ;  st,  Steinium. 


Reptilien.  G41 

der  Epistropheus  oder  Axis  (c"^, Fig.  267),  verlängert  seinen  Körper 
nach  vorn  in  den  Ring  des  Atlas  hinein  mit  einem  dreieckigen,  wenig 
vorspringenden  Dorn;  an  der  Hinterfläche  zeigt  er  den  allen  übrigen 
Wirbeln  zukommenden  Gelenkkopf;  der  obere  Bogen  bildet  zwei  breite 
Wände ,  die  in  einem  hohen  und  breiten  Dornfortsatze  zusammen- 
fliessen,  welcher  die  Gestalt  eines  Beiles  hat.  Auf  der  ventralen  Fläche 
zeigt  der  Epistropheus  zwei  dreieckige ,  etwas  gekrümmte  Fortsätze, 
Rudimente  der  Hämapophysen ,  und  eine  mittlere  Längsleiste.  —  Die 
fünf  folgenden  Halswirbel  (c^  bis  c'')  haben  hohe  und  breite  dorsale 
Dornfortsätze,  warzenförmige  Querfortsätze,  stark  vortretende  ventrale 
Längsleisten  und  tragen  Rippen,  Die  drei  ersten  Halsrippen  (cc^ 
bis  cc^,  Fig.  267,  268  a.  f.  S.)  zeigen  die  Form  von  innen  concaveu 
Spateln  mit  schmalem  Handgriffe  und  freiem,  verbreitertem,  durch 
Knorpellamellen  vergrössertem  Ende.  Sie  nehmen  von  vorn  nach  hinten 
an  Grösse  zu;  die  letzte  besteht  aus  zwei  Stücken  und  ist  an  der 
Innenfläche  des  sie  bedeckenden  Schulterblattes  befestigt.  Die  beiden 
letzten  Halsrippen  (cc'^,  cc'^)  zeigen  die  gewöhnliche  Form  gekrümmter 
Stäbe  und  sind  durch  Sehnenbündel  an  das  Sternum  angeheftet. 

Alle  Rückenwirbel  (d,  Fig.  267)  zeigen  dieselbe  Form:  sie 
haben  hohe  und  breite  Neurapophysen,  die  kaum  Zwischenräume 
lassen,  kleine,  warzenförmige  Querfortsätze,  rudimentäre  Hämapophysen 
und  stark  vorspringende  Gelenkköpfe.  Die  schiefen  Fortsätze  legen 
sich  so  eng  an  die  oberen  Dornfortsätze  an,  dass  der  Rückencanal  zur 
Röhre  geschlossen  wird.  Nach  dem  Verhalten  der  Rippen  kann  man 
drei  Gruppen  von  Rückenwirbeln  unterscheiden;  fünf  Sternalwirbel  (es), 
deren  wahre  Rippen  sich  ventral  an  dem  Brustbeine  festsetzen;  acht 
Dorsalwirbel  (c/),  deren  falsche  Rippen  sich  um  die  Bauchhöhle  herum- 
krümmen, aber  frei  enden,  und  acht  Lendenwirbel  (l,  Fig.  268),  deren 
nach  hinten  stets  kleiner  werdende  Rippen  nicht  an  den  Seiten  herab- 
steigen ,  sondern  die  Bauchhöhle  nur  von  oben  decken ;  die  letzten 
Rippen  (c?,  Fig.  268)  bestehen  nur  aus  einem  Knochenstabe  mit  einem 
Knorpelende;  während  die  falschen  und  wahren  Rippen  aus  drei 
Stücken  zusammengesetzt  sind,  einem  oberen,  an  dem  Wirbel  ein- 
gelenkten, das  schief  nach  hinten  gerichtet  ist,  einem  schief  nach  vorn 
gerichteten  abdominalen  Stücke  und  einem  kleinen  Mittelstücke.  Die 
wahren  Rippen  werden  am  Sternalende  breiter  und  knorpelig;  ihre 
drei  vorderen  Paare  heften  sich  unmittelbar  an  das  Brustbein ,  die 
beiden  letzten  (sf^^sP,  Fig.  268)^an  einen  gemeinsamen,  der  Mittellinie 
nahe  gerückten  Stiel. 

Auf  diese  21  rippentragenden  Rückenwirbel,  deren  letzte,  sehr 
verkürzte  Rippen  zwischen  Becken  und  Wirbelsäule  eingeschlossen 
sind,  folgen  zwei  Kreuzbeinwirbel  (vs,  Fig.  270)  von  besonderer 
Gestalt.  Sie  haben  mächtige,  sowohl  breite  als  lange  Querfortsätze, 
die  sich  an  ihren  distalen  Enden  zu  einer  länglichen  Brücke  vereinigen, 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  ^i 


642 


Wirbelthiere. 


die  mit  einer  dicken  Knorpelscbiclit  überzogen   ist   und   eine   verticale 
Fläcbe  bersteilt,  an  welcher  das  Darmbein  (Ileum)  des  Beckens  gleiten 


Lacerta  viridis.  —  Ventrale  Ansicht  des  vorderen  Theiles  des  Skelettes  in  natürlicher 
Grösse.  Auf  der  linken  Seite  der  Figur  hat  man  den  Unterkiefer  und  die  vordere 
Extremität  zui'ückgeschlagen,  die  Zungenbejjihörner  und  die  Rippen  entfernt,  während 
man  auf  der  anderen  Seite  die  Knochen  in  ihrer  normalen  Lagerung  belassen  hat. 
Buchstaben  rechterseits :  /,  Zwischenkiefer;  vo^  Vonier;  m,  Oberkiefer;  mn,  Unter- 
kiefer; pt,  Flügelbein;  li},  Zungenbeinköi'per ;  oc,  Quadratbein;  ifi  bis  /«*,  Zungen- 
beinbogen; cc^,  zweite  Halsrippe;  c/,  Schlüsselbein;  sc,  Schulterblatt;  c,  Episternum ; 
SCO,  ventraler  Theil  des  Schulterblattes;  hu,  Humerus ;  /bis  T',  die  fünf  Pinger ; 
ca}-,  die  Handwurzel  ca  bedeckende  Sehnenplatte;  )■,  Eadius  ;  cu,  Ulna  ;  ol,  Olecra- 
non ;  sc,  Sternalrippen.  Buchstaben  linkerseits:  imi,  Unterkiefer;  cc^  bis  cc^,  Hals- 
rippen; oc,  Quadratbein;  ol,  Olecranon ;  cl,  Schlüsselbein;  scv,  ventraler  Theil,  sei, 
seitlicher  Theil  des  Schulterblattes;  cu,  Ulna;  I  bis  V,  die  fünf  noch  mit  Haut  be- 
deckten Finger;  hv,  Humerus;  st,  Sternum ;  st^,  sfi,  geOieinsamer  Sternaltheil  dei- 
zwei  letzten   echten   Rippen ;   cf,  erste  falsche  Rippe. 


Reptilien.  G43 

kann.  Dieses  eigenthümliche  Gelenk  ist  mit  einer  dicken  Sehnenkapsel 
umhüllt. 

Die  Schwanzwirbel  {vc,  Fig.  270),  deren  Zahl  sehr  beträcht- 
lich ist,  aber  sehr  variirt,  zeigen  einige  Verschiedenheiten.  Die  beiden 
ersten  ähneln  den  Sacralwirbeln  durch  ihre  beträchtlichen  Querfort- 
sätze und  den  Mangel  von  Hämapophysen,  die  erst  mit  dem  dritten 
Schwanzwii'bel  beginnen.  Diese  Fortsätze  sind  beweglich  mit  zwei, 
zu  unteren  Dornen  sich  vereinigenden  Schenkeln,  welche  die  Aorta 
umfassen,  an  der  ünterfläche  der  "Wirbel  angeheftet.  Die  so  gebildeten 
unteren  Dornfortsätze  (t-'Cö,  Fig.  270)  sind  dünn,  abgeplattet,  mit  ihren 
Spitzen  nach  hinten  über  einander  gelagert  und  weit  länger  als  die 
dorsalen  Dornfortsätze.  Sie  nehmen ,  wie  diese  und  die  Querfortsätze, 
von  vorn  nach  hinten  an  Grösse  ab.  Am  Schwanzende  verschwinden 
zuerst  die  Querfortsätze  und  die  senkrechten  Fortsätze  werden  so  klein, 
dass  fast  nur  ein  cylindrisches  Körperchen  übrig  bleibt. 

Wir  haben  die  Rippen  schon  besprochen,  die  an  allen,  vor  dem 
Kreuzbeine  befindlichen  Wirbeln,  mit  Ausnahme  des  ersten  und  zweiten 
Halswirbels,  angetroffen  werden.  Es  bleibt  uns  nur  noch  das  Brust- 
bein {sf,  Fig.  268)  zu  besprechen,  das  die  Gestalt  eines  breiten,  auf 
der  oberen  oder  Eingeweideseite  ausgehöhlten,  auf  der  Aussenseite  ge- 
wölbten, rhomboidalen  Wappenschildes  hat.  An  seinen  vorderen  Seiten- 
rändern zeigt  es  jederseits  eine  offene  Rinne ,  in  welcher  das  sternale 
Ende  des  Schultergürtels  gleitend  eingelenkt  ist;  die  beiden  hinteren 
Ränder  zeigen  je  vier  warzenartige  Vorspünge ,  an  welchen  die  Ver- 
einigungsknorpel der  Rippen  befestigt  sind.  Im  hinteren  Drittel 
der  Mittellinie  zeigt  sich  eine  mit  einer  Sehuenhaut  verschlossene 
Lücke. 

Der  Schul  tergürtel  besteht  aus  dem  Episternum,  dem  Schlüssel- 
bein, dem  Schulterblatt  und  dem  Oberschulterblatt. 

Das  Episternum  (e,  Fig.  268)  hat  die  Form  eines  Kreuzes. 
Sein  nach  vorn  und  hinten  verlängerter  Mittelbalken  ist  fest  an  die 
Unterfläche  des  Brustbeines  angeheftet;  die  etwas  gekrümmten  Seiten- 
zweige legen  sich  mit  ihren  distalen  Enden  an  die  Schlüsselbeine,  mit 
welchen  das  Episternum  ursprünglich  verschmolzen  ist. 

Die  stark  S-förmig  gekrümmten  Schlüsselbeine  (c?,  Fig.  267, 
268)  legen  sich  mit  ihren  hakenartig  gebogenen,  proximalen  Enden 
an  den  vorderen  Stachel  des  Episternums  an :  die  distalen  Enden  sind 
durch  Sehnenbänder  an  die  Kreuzarme  des  Episternums  und  den  vor- 
deren Rand  des   Schulterblattes  befestigt. 

Das  Schulterblatt  (sc,  Fig.  267,  268)  ist  der  bedeutendste 
Theil  des  ganzen  Gürtels.  Es  besteht  aus  drei  Theilen ,  einem  ven- 
tralen, einem  seitlichen  und  einem  dorsalen,  welche  sich  zur  Bildung 
der  runden,  auf  der  Aussenfläche  gelegenen  Gelenkhöhle  vereinigen,  in 
welche    der    Kopf    des   Humerus    eingelassen   ist.      Der   ventrale    Ast 

41* 


644  Wirbel  thiere. 

(scv,  Fig.  268),  welcher  dem  Rabenbeine  (Coracoideiim)  homolog 
scheint,  hat  die  Form  einer  Hellebarde ,  deren  abgerundete ,  mit  einer 
nur  theilweise  verknöcherten  Knorpellaraelle  {Eincoracoideum)  ver- 
sehene Schneide  in  der  eben  erwähnten  Seitenrinne  des  Brustbeines 
gleitet.  Der  Seitenast  des  Schulterblattes  {sei)  ist  ein  starker,  hori- 
zontal liegender  Knochenstab,  dessen  vorderes  Ende  an  dem  Schlüssel- 
beine befestigt  ist.  Der  Rückenast,  das  eigentliche  Schulterblatt 
(sfZ),  hat  die  Gestalt  eines  Spatels;  sein  abgerundeter  oberer  Rand 
wird  durch  eine  breite  Knorpellamelle,  das  Oberschulterblatt 
{sccV),  vervollständigt,  die  strahlige  Knochenbildungen  zeigt,  sich  von 
oben  her  auf  die  Rippen  legt  und  mit  ihrem  Rande  die  Dornfortsätze 
der  Rückenwirbel  berührt. 

Durch  die  Vereinigung  aller  dieser  Stücke  wird  ein  sehr  beweg- 
liches, aber  ziigleich  auch  sehr  festes  Gerüst  hergestellt,  welches 
einerseits  dem  Schultergerüst  der  Vögel  sich  nähert,  anderseits  aber 
auch  durch  seine  Zusammensetzung  an  den  Schultergürtel  der  Am- 
phibien erinnert. 

Vordere  Extremität.  —  Der  in  der  Mitte  fast  rundliche  Hu- 
raerus  {hu,  Fig.  267,  268)  verbreitert  sich  an  beiden  Enden,  doch 
stehen  diese  Verbreiterungen  nicht  in  derselben  Ebene,  sondern  fast  in 
rechtem  Winkel  zu  einander.  Die  proximale  P^rweiterung  zeigt  in  der 
Fortsetzung  ihrer  äusseren  Leiste  einen  grossen,  platten  Höcker,  auf 
der  inneren  Seite  den  Gelenkkopf,  der  etwas  länglich  ist,  und  einen 
zweiten,  kleineren  Muskelhöcker.  Das  distale  Ende  trägt  zwei,  auf 
der  inneren  Fläche  wohl  getrennte  Gelenkrollen ,  gegen  deren  Tren- 
nungslinie hin  eine  Längsrinne  mit  einem  Gefässloche  verläuft,  das  aber 
nicht  durchgeht. 

Der  Vorderarm  besteht  aus  der  Ulna  {Cubitus,  cu),  die  auf  der 
inneren  Seite  eine  halbmondförmige  Gelenkfläche  für  den  Humerus 
und  auf  der  äusseren  eine  Verlängerung  zeigt,  an  die  sich  ein  kleines 
Ellbogenbein  {Olecranon,  ol,  Fig.  267)  anschliesst,  das  in  die 
Sehne  des  grossen  Streckmuskels  eingeschlossen  ist.  Der  weit  schmäch- 
tigere Radius  (r)  hat  ein  proximales,  abgerundetes  Ende,  das  eine 
ringförmige  Gelenkfläche  für  die  Pronation  trägt.  In  der  Mitte  sind 
die  beiden  Knochen  durch  einen  schmalen  Raum  getrennt,  berühren 
sich  aber  an  beiden  Enden. 

Die  Handwurzel  {Carpus,  Fig.  269)  besteht  aus  mehreren 
Knochen,  deren  Deutung  endlose  Discussionen  veranlasst  hat,  auf  die 
wir  hier  nicht  eingehen  können.  Die  ganze  Volarfläche  der  Hand- 
wurzel ist  von  der  Sehnenausbreitung  des  gemeinsamen  Fingerbeugers 
bedeckt  (ca^,  Fig.  268),  in  welcher  Knochenkörperchen  zerstreut  liegen 
und  die  man  entfernen  muss,  um  die  Knochen  selbst  deutlich  zu  sehen. 
Diese  lagern  sich  in  zwei  Querreihen. 


Reptilien. 


C45 


Die  proximale  Reihe  zeigt  zuerst  ein  dem  Radius  angelenktes, 
scheibenförmiges  Knöchelchen  (c«-),  auf  dessen  distaler  Fläche  zwei 
andere  Knöchelchen  liegen  (ca'"',  f«'^),  von  welchen  das  letztere  mit  einem 
grösseren,  mit  der  ülna  eingelenkten  Knochenstück  (ca^)  zusammen- 
stösst.  An  dem  äusseren  Rande  dieses  Ulnarknochens  liegt  ein  kleines, 
freies,  in  die  Sehne  des  Streckers  des  fünften  Fingers  eingeschlossenes 
Knöchelchen,  welches  man  das  Sesam  bein  (c«'')  genannt  hat.  Die 
Fio-.  269. 


Lacerta  viridis.  —    Das  Skelett  der  Haucl  in  vierfacher  Yergrösserung.     A,  die  ganze 
Hand    in    dorsaler  Ansicht;    B,    die    Handwurzel    in    ventraler   Ansicht,      /bis   T',  die 
fünf  Finger;  me^  bis  me^,  die  fünf Metacarpalknochen;  ccfl  bis  ca^'^,  die  neun  Hand- 
wurzelknochen; CM,  Ulna ;  r,  Eadius. 

anderen  Stücke  werden  als  Radiale  und  Cubitale  bezeichnet,  das  innere 
Knöchelchen  als  Centrale,  das  äussere  als  Zwischenbein.  —  Die 
distale  Reihe  besteht  aus  vier  Knochen,  die  sich  zwischen  die 
Mittelhandknochen  und  die  proximale  Reihe  einschieben.  Das  erste 
{ca^)   articulirt   mit   dem    zweiten  Metacarpale   und   dem  Centrale;    das 


646  Wirbelthiere. 

zweite  (ca^)  schiebt  sich  zwischen  das  zweite  und  dritte  Metacarpale 
ein;  das  dritte,  das  grösste  (ca'-'),  zwischen  das  dritte  und  vierte  Meta- 
carpale und  articulirt  ausserdem  mit  dem  Cubitale,  dessen  distale 
Gelenkfläche  es  mit  dem  vierten  Carpale  (ca^'^')  theilt,  welches  das  Meta- 
carpale des  fünften  Fingers  trägt.  Man  muss  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  der  Gelenkkopf  des  ersten  Metacarpale,  das  sich  in  den 
Daumen  fortsetzt,  in  proximaler  Richtung  sich  so  weit  vorschiebt,  dass 
er  die  Stelle  eines  fünften  Carpale  einnimmt. 

Die  Finger  bestehen  aus  fünf  Met acarpalkn  och  en  (me),  die 
gänzlich  von  der  Haut  umhüllt  sind,  und  den  fünf  freien,  aus  Pha- 
langen zusammengesetzten  Fingern.  Alle  diese  Knochen  zeigen 
übereinstimmende  Bildung,  angeschwollene  Gelenkenden  und  cylin- 
drische  Mittelstücke.  Nur  die  letzten  Phalangen,  welche  die  Krallen 
tragen ,  sind  seitlich  zusammengedrückt  und  etwas  gekrümmt.  Der 
erste  Finger  (Daumen,  J)  zeigt  zwei  freie  Glieder,  der  zweite  (II) 
und  fünfte  (F)  je  drei,  der  dritte  (III)  vier  und  der  vierte  (IV), 
welcher  länger  und  grösser  als  die  anderen  Finger  ist,  fünf  Pha- 
langen. 

Hintere  Extremität.  —  Der  Beckengürtel  (p,  Fig.  270) 
besteht  bei  den  erwachsenen  Thieren  nur  aus  einem  einzigen  Knochen 
jederseits,  in  welchen  sich  auf  der  ventralen  Mittellinie  noch  zwei 
kleine  Schaltknöchelchen  einschieben. 

Dieser  einzige  Beckenknochen  lässt  aber  drei  Aeste  unterscheiden, 
die  sich  auf  der  Aussenseite  zur  Bildung  der  grossen,  runden  Gelenk- 
höhle (gl,Fig.270,  A)  vereinigen,  die  von  einem  vorspringenden  Rande 
ringartig  umgeben  ist.  Der  vordere  Ast,  das  Schambein  (Os  pu' 
bis,  p^)  erstreckt  sich  von  der  Gelenkhöhle  aus  in  schiefer  Richtung 
nach  vorn  und  unten  und  vereinigt  sich  in  der  Mittellinie  mit  dem 
entsprechenden  Knochen  der  anderen  Seite  in  einer  festen ,  faser- 
knorpeligen Symphyse,  in  deren  vorderen  Winkel  sich  ein  kleines 
Schaltknöchelchen,  das  Epipubis  (p^),  einschiebt.  Dieser  etwas  ge- 
wundene Ast  zeigt  in  der  Nähe  des  Hüftgelenkes  ein  Löchelchen  zum 
Durchtritt  des  ischiatischen  Nerven,  von  welchem  zwei  feine,  aber  tiefe 
Rinnen,  eine  auf  jeder  Seite,  ausgehen,  die  eine  etwas  abgeplattete 
Leiste  fast  gänzlich  abschnüren.  Der  hintere  Ast,  das  Sitzbein  (Os 
iscJdon,  jj'^),  ist  weit  breiter;  er  beginnt  am  Gelenke  mit  einem  runden 
Halse ,  der  hinten  einen  vorspringenden  Höcker  trägt ,  verbreitert  sich 
aber  dann  und  krümmt  sich  nach  unten,  um  mit  dem  entsprechenden 
Knochen  der  anderen  Seite  in  einer  langen  Symphyse  zusammenzu- 
stossen.  Von  dem  vorderen  Vereinigungspunkte  dieser  Symphyse  geht 
ein  starker  medianer  Sehnenstrang  zu  der  Schambeinfuge  und  an  den 
hinteren  Vereinigungspunkt  heftet  sich  ein  knorpeliger,  zum  Theil 
verknöcherter  Fortsatz  an,  dasPostpubis  (jJ^).    Der  durch  eine  Sehnen- 


Reptilien. 


647 


haut  geschlossene  leere  Raum  zwischen  den  Symphysen  und  den  beiden 
Knochenästen  heisst  das  herzförmige  Loch  (Foramen  cordiforme,  co). 
Der  dritte  Ast  endlich,  das  Darmbein  (Os  Uium,  p'^),  hat  die  Gestalt 
einer  fast  geraden  Dolchklinge ;  er  erstreckt  sich  etwas  schief  nach 
hinten  und  oben  und  zeigt  an  der  Innenfläche  seiner  hinteren  Hälfte 
eine  überknorpelte  Gelenkfläche,  mit  welcher  der  Knochen  an  den  ver- 
breiterten Enden  der  Querfortsätze  der  beiden  Sacralwirbel  gleitet. 

Der  Femur  (/)  ist  der  längste  Knochen  des  Körpers.  Er  trägt 
vorn  einen  stark  vortretenden  Gelenkkopf  und  zwei  Rollhügel  (jT^öc/ur/i- 
ieroi),  deren  äusserer  nur  klein  ist ,  während  der  grössere  innere  sich 
in  eine  Längsleiste  fortsetzt.     Er  zeigt  eine   ziemlich   bedeutende  Tor- 


Lacerta  viridis.  —  A,  Skelett  des  Beckens  und  des  Fusses  in  ventraler  Ansicht, 
natürliche  Grösse.  B,  die  Fusswurzel ,  in  dorsaler  Ansicht,  viermal  vergrössert. 
/,  Lendenwirbel;  cf,  letzte  Bauchrippen;  co,  herztormige  Lücke;  jj^,  Pubis;  p'^,  Epi- 
pubis ;  jj^,  Ischion;  p*;  Postpubis;  p^,  Ileum ;  gl,  Gelenkhöhle  tiir  den  Femur  _/; 
es,  Kreuzbeinwirbel;  ^ja,  Kniescheibe;  t,  Tibia;  pe,  Fibula;  t^  bis  <*,  die  vier  Tarsal- 
knochen;  mt^  bis  mf\  die  fünf  Metatarsalknochen ;  /bis  T',  die  fünf  Finger;  vc^, 
dritter  Schwanzwirbel;   vcu,   Hämapophysen  der  Schwanzwirbel. 


sion  und   endet    mit   zwei  Gelenkrollen.      Auf  dem    Gelenke    ruht   eine 
winzige  Kniescheibe  (iUi). 

Die  beiden  Beinknochen  sind  getrennt.  Das  Schienbein  (T/tm,  t) 
ist  weit  stärker  als  das  Wadenbein  (Ferofieum,  2)e) ,  am  proximalen 
Ende  von  vorn  nach  hinten  abgeplattet,  am  distalen  Ende  abgerundet ; 
das  dünne  Wadenbein  ist  leicht  gekrümmt. 


648  Wirbelthiere. 

Die  distalen  Enden  der  beiden  Knochen  stossen  zusammen ,  um 
in  der  Fusswurzel  (Tarsus,  t)  mit  einem  einzigen,  die  ganze  Breite 
einnehmenden  Knochen  {t^)  zusammenzustossen ,  der  in  der  Mitte  so 
stark  eingeschnürt  ist,  dass  sich  seine  Verschmelzung  aus  wenigstens 
zwei ,  ursprünglich  getrennten  Stücken  unschwer  erkennen  lässt.  Da 
eine  Homologisirung  mit  den  Fusswurzelknochen  der  Säugethiere  nicht 
widerspruchslos  ist,  so  nennen  wir  diesen  Knochen  das  erste  Tarsale 
{f^).  An  seiner  Vorderfläche  trägt  es  zwei  Gelenkflächen  für  die  beiden 
Beinknochen ,  an  seiner  Hinterfläche  sind  auf  der  Tibialseite  unmittel- 
bar die  Mittelfussknochen  der  ersten  und  zweiten  Zehe  eingelenkt.  An 
der  Peronealhälfte  schalten  sich  vor  den  Mittelfussknochen  drei  kleine 
Tarsalknöchelchen  ein ;  das  erste,  mithin  der  zweite  Tarsalknochen  {P), 
zwischen  die  Gelenkköpfe  des  zweiten  und  dritten  .  Metatarsale ;  das 
dritte  (^^)  schiebt  sich  zwischen  das  dritte  und  vierte  Metatarsale  und 
zeigt  auf  der  Plantarfläche  zwei  vorspringende  Höcker;  das  vierte 
endlich  (t^)  nimmt  auf  seiner  dorsalen  Fläche  den  Trochanter  des 
vierten  Metatarsale  auf  und  zeigt  auf  der  Plantarfläche  einen  wulstigen 
Vorsj)rung,  an  welchen  sich  das  fünfte  Metatarsale  anschliesst. 

Mittelf  US  s  und  Fuss  sind  aus  fünf  Knochenreihen  ganz  in 
gleicher  "Weise  wie  Mittelhand  und  Hand  gebildet.  Sie  nehmen  vom 
ersten  zum  vierten,  längsten,  an  Grösse  zu;  das  fünfte  Metatarsale 
ist  sehr  dünn  und  kurz,  das  erste  dicker  und  mit  einem  Trochanter 
versehen.  Die  erste  Zehe  hat  nur  zwei  Phalangen  mit  Einschluss  der 
Endkralle,  die  zweite  und  fünfte  haben  drei,  die  dritte  vier,  die  vierte 
fünf  Phalangen. 

Beim  Laufen  stützt  sich  der  Fuss  vorzugsweise  auf  den  tibialen 
Vorsprung  des  ersten  Tarsale  und  auf  das  vierte  Tarsale,  Die  fünfte 
Zehe  ist  wenig  thätig. 

Der  Schädel  (Fig.  267,  268,  271).  —  Wir  unterscheiden  wie 
gewöhnlich  den  Hirnschädel,  der  aus  unbeweglichen  Stücken  zusammen- 
gefügt ist  und  durch  einige  reine  Hautknochen  vervollständigt  wird, 
und  den  von  den  Oberkiefer-,  Gaumenflügel-  und  Unterkieferbogen  ge- 
bildeten Gesichtsschädel.  Die  beiden  ersteren  Bogen  sind  indessen 
mit  dem  Hirnschädel  durch  so  enge  Nähte  verbunden ,  dass  sie  fast 
unbeweglich  sind. 

Hirn  Schädel.  —  In  diesem  Theile  lässt  sich  eine  gewisse  Ten- 
denz zur  Verschmelzung  einzelner,  sonst  getrennter  Knochen  wahr- 
nehmen, welche  auf  die  bei  den  Vögeln  herrschende  Bildung  hinweist. 
Ausserdem  aber  bleiben  noch  ziemlich  bedeutende  Reste  des  knor- 
peligen Primordialschädels  erhalten  um  die  Nasenhöhlen  herum,  in  der 
Scheidewand  der  Augenhöhlen,  sowie  in  einer  Längsscheidewand  an 
der  Schädelbasis,  die  sich  vom  Hinterhauptsbeine  bis  zu  den  Zwischen- 
kiefern hinzieht.  Die  Scheidewände  sind  nicht  vollständig  knorpelig, 
ihre  Lücken  aber  durch  Sehnenhäute  ausgefüllt. 


Reptilien. 


649 


Der  knöcherne  Schädel  hat  die  Gestalt  einer  langgezogenen  Pyra- 
mide, deren  Basis  von  dem  Hinterhaupte  gebildet  wird.  Mit  Ausnahme 
eines  kleinen  Loches,  des  Parietal!  o  che  s  (tp,  Fig.  271,  Ä) ,  ist  die 
Scheitelfläche  vollständig  fest  gefügt.  Sie  ist  fast  eben  mit  starker 
Abdachung  gegen  die  Schnauzenspitze  hin  und  zeigt  eine  wurmartige 
Sculptur,  von  Eindrücken  der  hornigen  Hautplatten  herrührend,  welche 


.--P" 


Luceria  viridis.  —  Der  knöclierne  Schädel  in  dreifacher  Vergrösserung.  Linkerseits 
sind  der  Kiefer-  und  Gaumenfliigelbogen  weggehroclien.  A,  dorsale  Ansicht;  B,  ven- 
trale Ansicht;  C,  Ansicht  von  hinten,  b,  Gruadbein ;  co,  Columella ;  et,  Colonetta ; 
de,  Hautknochenplatten  ;  fn,  Nasengrube  ;  //),  Parietalgrube  ;  fr,  Stirnbein  ;  /;,  Zungen- 
bein ;  i,  Zwischenkiefer ;  y,  Jochbein;  Ipt,  Flügelgrube;  Isp,  Keilbeingrube;  m,  Ober- 
kiefer; mn,  Unterkiefer;  n,  Nasenbein;  o,  Augenhöhle;  oc,  Quadratbein;  or,  Ober- 
augenknochen; p a,  Scheitelbein;  pl,  Gaumenbein  ;  ^ i,  Flügelbein;  q,  Schuppenbein; 
S2^f,  Naht  zwischen  Scheitelbein  und  Stirnbein;  sqp,  Naht  zwischen  Scheitelbein  und 
Schuppenbein;  to,  grosses  Hinterhauptsloch;  tj),  mittleres  Scheitelloch  ;  tr,  Querbein; 
vo,  Vomer;  x,  Schuppeneindrücke,  die  Nähten  ähnlich  sehen. 


650  Wirbelthiere. 

fest  auf  den  Knochen  aufliegen.  Die  Furchen  dieser  Eindrücke  schneiden 
so  tief  ein,  dass  man  sie  nur  schwer  von  den  Nähten,  welche  die  Knochen 
verbinden ,  unterscheiden  kann.  Die  Seiteuflächen  (Fig.  267)  senken 
sich  fast  in  rechtem  Winkel  zu  den  Mundrändern  hinab,  zeigen  aber 
drei  grosse  Lücken ;  vorn  die  Nasengruben  (fn) ,  mitten  die  Augen- 
höhlen (o)  und  hinten  die  grossen  Parietalgruben  {fp).,  hinter  welchen 
noch  die  Paukengruben  sich  zeigen,  welche  durch  das  Trommelfell 
und  die  an  demselben  angeheftete  Columella  (co,  Fig.  267)  geschlossen 
sind.  —  Die  Unterfläche  {JB,  Fig.  271)  zeigt  noch  bedeutendere  seit- 
liche Lücken;  vorn  die  Nasengaumenspalten  {np)  mit  einer  vorderen 
{np^)  und  einer  hinteren  {np-)  Erweiterung,  die  durch  eine  enge 
Spalte  verbunden  sind;  die  Flügellücke  (jji^),  welche  durch  eine  schmale 
Knochenbrücke  von  der  unteren  Fortsetzung  der  Parietalgruben  ge- 
trennt sind;  die  Keilbeinspalte  ijsp)  zu  beiden  Seiten  des  medianen 
Keilbeinstachels  und  die  Grundbeinlücke  (?b),  welche  nur  die  hinterste 
Fortsetzung  der  grossen  Parietalgrube  ist  und  auch  bei  der  Ansicht 
des  Schädels  von  hinten  (C,  Fig.  271)  über  dem  grossen  Hinter- 
hauptsloche  {to)  sich  sehen  lässt. 

Die  verschiedenen  Knochen  lagern  sich  in  folgender  Weise.  Auf 
der  Scheitelfläche  {A,  Fig.  271)  wird  das  Dach  hinten  nur  von  dem 
Scheitelbeine  {Parietale,  pa)  gebildet,  das  die  Form  eines  läng- 
lichen Viereckes  hat,  dessen  hintere  Winkel  in  zwei  spitze  Zipfel 
ausgezogen  sind  ipci^),  welche  schief  nach  hinten  gehend  sich  mit  dem 
Quadratbeine  zur  Bildung  der  oberen  Hinterhauptsdecke  vereinigen. 
Auf  der  oberen  Fläche  dieses  Knochens  zeigen  sich  besonders  auf- 
fallend die  von  den  Hornschildern  hei'rührenden  Eindrücke  (a;),  welche 
das  Parietalloch  {fp)  umgeben,  in  welches  das  Stirnauge  der  Epi- 
physe  des  Hirnes  eingelassen  ist.  Auf  der  Innenfläche  macht  sich  eine 
von  vorspringenden  Leisten  begrenzte  Hohlrinne  bemerklich,  in  welche 
der  dorsale  Stachel  des  Grundbeines  eingelagert  ist.  Nach  vorn  ist 
der  Knochen  durch  die  auf  der  Innenseite  stark  gezackte  Stirn- 
scheitelnaht {spf)  mit  dem  Stirnbeine  {fr)  verbunden,  einer  in  der 
Mitte  eingeschnürten  Platte  zwischen  den  Augenhöhlen ,  die  auf  der 
Innenseite  zwei  mächtige  Apophysen  trägt,  an  welche  die  Knochen  des 
Gaumengewölbes  sich  anlehnen.  —  Zwei  Nasenb  eine  {n)  vervoll- 
ständigen vorn  das  Schädeldach.  In  ihren  hinteren  Ausschnitt  dringt 
das  Stirnbein  vor,  während  in  ihren  vorderen  Ausschnitt  der  obere 
Fortsatz  des  Zwischenkiefers  (?')  sich  einkeilt,  der  schmäler  wer- 
dend {i^)  zwischen  den  Nasenhöhlen  sich  zur  Schnauze  herabsenkt 
und  dort  sich  wieder  verbreitert  zu  einem  gekrümmten  Zahnfortsatze 
(i^),  welcher  etwa  ein  Dutzend  kleiner  Zähne  trägt.  —  Das  Schädel- 
dach wird  durch  Deckplatten  vervollständigt,  die  mehr  oder  minder 
dem  Hautsysteme  angehören:  hinten  die  Schuppenbeine  {Scjua- 
mosa.  q),  die  durch  gerade  Nähte  {sq^j)  den  Rändern  des  Scheitelbeines 


Reptilien.  651 

anliegen  und  an  ihi'em  Aussenrande  an  die  Ober  Schläfenbeine 
{Supratemimralia,  stp)  stossen,  welche  an  der  Hinterecke  des  Schädels 
durch  einige  Hautschuppen  {de)  vervollständigt  werden.  In  der  Mitte 
wird  das  Dach  der  Augenhöhle  von  vier,  etwas  gewölbten,  kleineu 
Deckplatten  gebildet  {Supraorl)'daJia,  or^  bis  or*),  deren  erste  man 
auch  das  Präfrontale,   die  letzte   das  Post  frontale  genannt  hat. 

Die  Unterfläche  des  Schädels  (B,  Fig.  271)  zeigt  verwickeitere 
Verhältnisse.  Die  hintere  Hälfte  wird  von  einem  einzigen  Knochen, 
dem  Grundbeine  (b)  gebildet,  welches  das  untere,  die  seitlichen  und 
das  obere  Hinterhauptsbein,  das  Keilbein  mit  seinen  Flügeln,  das 
Präsphenoideum,  Parasphenoideum  und  das  Felsenbein  in  sich  schliesst. 
Wenn  gleich  diese  einzelnen  Theile  in  früherer  Zeit  als  getrennte 
Knochenkerne  angelegt  werden,  so  verschmelzen  sie  doch  vollständig 
im  erwachsenen  Alter  und  ihre  früheren  Trennungen  sind  lediglich 
hier  und  da  durch  oberflächliche  Furchen  angedeutet.  Unter  dem 
grossen  Hinterhauptsloche  trägt  das  Grundbein  den  einfachen  Gelenk- 
kopf (&c),  der  aber  sichtlich  aus  drei  Stücken  verschmolzen  ist,  einem 
mittleren  (hc,  Fig.  271,  c)  und  zwei  seitlichen  (&c^).  Die  Basis  des 
Knochens,  welche  das  Dach  der  Schlundkopfhöhle  bildet,  strahlt  nach 
vorn  in  zwei  Paare  breiter,  seitlicher  Fortsätze,  von  welchen  das  hin- 
tere Paar  (Im)  vielleicht  den  kleinen  Flügeln  des  Keilbeines  entspricht 
und  Muskeln  zum  Ansätze  dient,  während  das  vordere  Paar  (bs),  das 
wohl  den  grossen  Flügeln  entspricht,  sich  mittelst  eines  schiefen  Randes 
an  das  nach  hinten  verlängerte  Ende  des  Gaumenflügelbogens  anlegt. 
Nach  vorn  verlängert  sich  der  Körper  des  Gruudbeines  in  einen 
spitzen  Stachel  (be),  der  sich  zwischen  die  der  Mittellinie  nahe  ge- 
legeneu Flügelbeine  einkeilt  und  sich  bis  in  die  korpelige  Scheidewand 
der  Augenhöhlen  fortsetzt.  Dieser  Stachel  enthält  wohl  die  Elemente 
des  Präsphenoideum  und  Parasphenoideum.  —  Um  das  Hinterhaupts- 
loch herum  krümmen  sich  mächtige  Pfeiler  {Occipüalia  Jateralia) ,  die 
über  dem  Nachhirne  zu  einem  breiten  Dache  zusammenfliessen.  Von 
diesem  Dache  gehen  aus:  ein  dorsaler  Stachel  (bd),  der  das  Scheitel- 
bein stützt,  und  zwei  schiefe  Seitenfortsätze  {bl) ,  welche  mit  ihren 
distalen  Enden  sich  an  das  Quadratbein  (oc^  Fig.  267)  und  die  Fort- 
sätze des  Scheitelbeines  anlegen  und  so  das  Unterkiefergelenk  stützen 
helfen.  An  der  Basis  dieser  Fortsätze  finden  sich  die  Durchtritts- 
löcher für  die  hiuteren  Hirnnerven  und  an  der  dem  Gehirne  zugewen- 
deten Fläche  Auftreibungen,  in  welchen  das  Gehörlabyrinth  ein- 
geschlossen ist  und  die  demnach  den  Felsenbeinen  (br)  entsprechen. 

Vor  diesem  so  complicirten  Grundbeine  findet  sich  jederseits  ein 
etwas  gekrümmter,  senkrechter  Knochenstab,  der  die  Hirnhülle  um- 
spannt. Das  untere  Ende  dieser  Stäbchen  ruht  auf  dem  Vereinigungs- 
punkte der  Flügelbeine  und  der  grossen  Keilbeinflügel,  das  obere  legt 
sich    an    die    Innenfläche    des    Scheitelbeines    an.       Wir    nennen    diese 


652  Wirbelthiere. 

Knochen  die  Säulchen  {Colonettae,  et,  Fig.  267).  Sie  finden  sich  bei 
einer  grossen  Gruppe  der  Eidechsen,  die  man  deshalb  Kionocranier 
genannt  hat.  Bisher  gab  man  dem  bei  anderen  Wirbelthieren  nicht 
vorkommenden  Knochen  auch  den  Namen  Columella^  da  aber  dieser 
Name  von  früher  her  zur  Bezeichnung  des  in  das  Trommelfell  ein- 
gelassenen Gehörknöchelchens  benutzt  wird ,  so  haben  wir ,  um  Ver- 
wechselungen zu  vermeiden,  ein  anderes  Wort  gewählt. 

Auf  der  ganzen  Länge  der  Augenhöhlen  wird  der  Schädelboden 
nur  durch  die  Vereinigung  der  Gaumenflügelbogen  hergestellt;  erst 
im  Vorderwinkel  der  Schnauze  findet  sich,  hinter  dem  Zwischenkiefer, 
ein  kleines,  paariges  Knöchelchen,  der  Vom  er  {vo). 

An  den  auf  diese  Weise  zusammengesetzten  und  seitlich  und  am 
Grunde  der  Hirnhöhle  durch  Sehnenhäute  vervollständigten  Schädel, 
in  welchem  hier  und  da  unregelmässige  Verknöcherungeu  sich  finden, 
schliessen  sich  die  Bogen  des  Gesichtsschädels. 

Der  Kieferbogen  besteht  aus  drei  Knochen,  dem  unpaaren, 
medianeu  Zwischenkiefer  (?'),  der  auf  einem  horizontalen,  halb- 
mondförmig gekrümmten  Bande  etwa  zehn  Zähne  trägt  und  nach  oben 
einen  Ast  (i^)  aussendet,  welcher  durch  eine  Naht  mit  den  Nasenbeinen 
verbunden  ist,  und  aus  dem  paarigen,  leicht  S-förmig  gekrümmten 
Oberkiefer  {m) ,  dessen  Aussenrand  mit  einer  Reihe  von  etwa  20, 
dicht  zusammengedrängten ,  kegelförmigen  Zähnen  besetzt  ist  Nach 
innen  trägt  der  Oberkiefer  eine  schmale,  horizontale  Leiste  0»"'),  welche 
den  Aussenrand  der  Nasengaumenspalte  (wj?)  bildet,  an  dem  unvoll- 
ständigen Gaumendache  Antheil  nimmt  und  sich  über  den  bezahnteu 
Rand  hinaus  nach  hinten  verlängert,  um  mit  dem  Querbeine  (Os  trans- 
rersum,  tr)  in  Verbindung  zu  treten,  welches  die  Flügelgrube  {pt)  von 
der  Scheitelgrube  (/j?)  trennt.  Ein  aufsteigendes  Blatt  des  Oberkiefers 
bildet  die  Aussenfläche  der  Wange  und  zeigt  zwei  Zonen,  eine  obere 
(m^) ,  welche  unmittelbar  mit  Schuppentafeln  bedeckt  ist,  deren  Ein- 
drücke sich  ähnlich  wie  Nähte  darauf  erkennen  lassen,  iind  eine  untere 
(h?^),  die  von  der  Schleimhaut  des  Mundes  überzogen  wird  und  zahl- 
reiche, in  eine  Reihe  gestellte  Gefässlöchelchen  zeigt.  Das  aufsteigende 
Blatt  verlängert  sich  nach  hinten  in  einen  Orbitalfortsatz  (w?^),  welcher 
sich  mit  dem  Jochbeine  (j)  verbindet,  das  eine  schmale  Brücke  zu 
dem  Oberschläfenbeine  {st]))  bildet.  In  den  von  dem  Orbital- 
fortsatze gebildeten  Winkel  schiebt  sich  noch  eine  winzige ,  krumme 
Knochenlamelle,  das  Thränenbein  (?«). 

Der  Gaumenflügelbogen  besteht  aus  zwei  Knochenpaaren. 
Das  vorn  liegende  Gaumenbein  {pl)  liegt  in  der  Mittellinie  in  der 
dünnen,  faserknorpeligen  Längsscheidewand  des  Schädels  und  bildet 
mit  seiner  freien  Kante  den  inneren  Rand  der  Nasengaumenspalte,  der 
nach  hinten  durch  dieFlü  gelb  eine  (|ji)  vervollständigt  wird,  welche 
ebenfalls   in    der    Mittellinie    zusammenstossen.      Sodann    sendet    der 


Reptilien.  653 

Knochen  nach  hinten  einen  mächtigen  P^'ortsatz  zur  Verbindung  mit 
dem  Querbeine.  An  der  Basis  dieses  Fortsatzes  und  in  der  Nähe  der 
Mittellinie  findet  sich  eine  Längsreihe  winziger,  acrodonter  Zähnchen 
(pt^),  etwa  acht  bis  zehn  an  der  Zahl.  Dann  verlängert  sich  das 
Flügelbeiu  nach  hinten  in  einen  langen,  schief  gekrümmten  Fortsatz 
(pt-),  welcher  etwa  in  der  Mitte  seiner  Länge  sich  an  den  grossen 
Keilbeinflügel  lehnt  und  mit  seinem  Ende  den  vordereu  Winkel  des 
Quadratbeines  erreicht. 

Der  Unterkieferbogen  besteht  jederseits  aus  zwei  Hälften, 
dem  oberen  Aufhängegerüste,  welches  nur  von  einem  einzigen  Knochen, 
dem  Quadratbeine,  hergestellt  wird,  und  unterhalb  des  Gelenkes  aus 
dem,  von  sechs  Knochen  und  dem  Reste  des  Me ekel' sehen  Knorpels 
gebildeten  eigentlichen  Unterkiefer. 

Das  bewegliche  Quadratbein  (oc)  bildet  den  hinteren  Seiten- 
winkel des  Schädels.  Es  hat  die  Gestalt  eines  halben  Tamburinrahmens 
von  beträchtlicher  Dicke,  der  oben  vollständig  und  in  der  unteren 
Mitte  abgeschnitten  ist.  Mit  seinem  erhabenen,  äusseren  Rande  nimmt 
der  Knochen  das  Trommelfell  auf,  in  welches  das  äussere  Ende  der 
ColumeUa  {co,  Fig.  267)  eingepflanzt  ist.  An  der  unteren  Vorder- 
ecke des  abgeschnittenen  Ringes  trägt  der  Knochen  die  Gelenkhöhle 
(oc^)  für  den  Kopf  des  Unterkiefers.  Xach  oben  lehnt  sich  das  Quadrat- 
bein mittelst  einiger  Knochenschüppchen  (de)  an  das  Schuppenbein 
und  den  hinteren  Fortsatz  des  Gaumenbeines  (pci^)  nach  unten  au  den 
Fortsatz  des  Scheitelbeines. 

Der  Unterkiefer  (nin)  hat  im  Ganzen  die  Gestalt  eines  breiten, 
nach  aussen  gekrümmten ,  nach  innen  durch  eine  unter  dem  zahn- 
tragenden Rande  augebrachte  Rinne  ausgekehlten  Säbels.  In  der 
Rinne  liegt  der  stabförmige  Me  ekel' sehe  Knorpel.  Die  beiden  Kiefer- 
hälften sind  durch  eine  sehr  feste  Symphyse  verbunden.  Wir  gehen 
auf  eine  detaillirte  Beschreibung  der  einzelnen,  jede  Kieferhälfte  zu- 
sammensetzenden Knochenstücke  nicht  ein  und  bemerken  nur,  dass 
vorn  das  Dentale  etwa  zwanzig  in  einer  Reihe  stehende,  pleurodonte 
Zähne  trägt.  Auf  diesen  Hauptknochen  folgen  noch  hinten ,  oben  das 
Coronoideum,  an  welches  der  Kaumuskel  sich  ansetzt,  und  das  Arti- 
culare  mit  dem  Gelenkkopfe  zum  Quadrat,  unten  das  x\ngulare,  das 
den  Winkel  des  Kiefers  bildet  mit  zwei  Schaltknochen,  dem  Operculare 
innen  und  dem  Complementare  aussen. 

Das  Zungenbein gerüst  {h,  Fig.  267,  268)  besteht  aus  einem 
Mittelkörper  und  drei  Bogen ,  welche  alle  in  die  Muskeln  und  die 
Gaumenhaut  eingelassen  sind.  Der  Mittelkörper  hat  die  Gestalt  eines 
langen  Pfeileisens,  dessen  Spitze  bis  in  den  vorderen  Winkel  der  Sym- 
physe des  Unterkiefers  hineinragt  (h^) ,  während  der  kurze  hintere 
Widerhaken  sich  iinmittelbar  in  den  zweiten  Bogen  (/«■'■)  fortsetzt.  Von 
seiner  inneren  Fläche  geht  einestheils  der  hintere ,   sehr   dünne  Bogen 


654 


Wirbelthiere. 


und  anderseits  ein  vorderer  Verbindungsast  zu   dem   ersten  Bogen  ab, 

der  an   seinem   distalen  Ende  schildförmig   erweitert  ist  (/i^)   und  mit- 

Fig.  272.  telst  einer  sehnigen  Fortsetzung 

seines   proximalen  Endes   bis   in 

die  Xähe  des  Trommelfelles  sich 

erstreckt.        Der   ganze   Apparat 


Lacerta  rirldis.  —  Die  Haut  ist  abge- 
zogen mit  Ausnahme  eines  Theiles  auf 
der  unteren  Seite,  den  man  zurück- 
geschlagen hat,  um  die  oberflächlichen 
Jluskelschichten  und  namentlich  die 
Ausbreitungen  und  Ansätze  des  Haut- 
muskels (et)  zu  zeigen.  Am  Kopfe  hat 
man  die  Knochenkanten  weggenommen, 
welche  die  Ansätze  der  Muskeln  ver- 
decken. Buchstaben  rechterseits :  w, 
Xasenöffnung;  n'^,  Xasensack;  o,  oberes 
Augenlid;  er,  Schädelknochen;  <l,  M, 
temporalis;  /y,  Trommelfell  mit  seinem 
Ringe:  cii,  M.  cucullaris ;  (7s,  M.  dorso- 
scajiularis;  an,  M.  anconei ;  dh ,  M. 
dorso-humeralis  s.  latissimus  dorsi ;  c<*, 
Tordere  Rückenausbreitungen  des  Haut- 
muskels; p,  Rückenhaut;  ld\  Bündel 
des  M.  longus  dorsi;  ct^,  seitliche  An- 
heftungslinie  des  Hautmuskels;  in,  M. 
intercostales;  Id,  M.  longus  dorsi;  in'^, 
M.  intercostales  inferiores;  ap,  Apo- 
neurose  des  Beckens ;  il,  M.  ileo-oosta- 
lis;  fp,  M.  glutaeus  minor;  fg,  M. 
glutaeus  major;  it,  M.  ileo-tibialis ;  q, 
Schwanzmuskeln  ;  p^,  Haut  des  Schwan- 
zes. Buchstaben  linkerseits :  m,  Unter- 
kiefer; o^,  unteres  Augenlid;  mh,  M. 
mylo-hyoideus;  ct^ ,  Ausdehnung  des 
Hautmuskels  auf  der  Brust ;  p,  M.  pec- 
toralis ,  b,  M.  biceps  longus ;  b^,  M.  bi- 
ceps  brevis;  Iv.  M.  longus  abdominis; 
r-c,  M.  extensor  brevis  digitorum ;  cu^, 
]NI.  cubitalis  externus ;  e,  M.  extensor 
longus  digitorum;  d,  Daumen;  Iv,  M. 
longus  abdominis;  p-^,  Innenfläche  der 
Schuppenhaut  des  Bauches  ;  c?^,  Bauch- 
fasern des  Hautmuskels;  ct^,  Fasern 
der  Leistenlinie;  p^ ,  Innenfläche  der 
beschildeten  Bauchhaut;  is,  M.  ischio- 
femoralis;  il,  M.  pelvio-tibialis ;  ip,  M. 
ischio-til)ialis  profundus;  (/,  Schenkel- 
drüsen, Innenfläche;  p/,  M.  plantaris; 
to,  M.  interossei :  ec,  M.  extensor  digitorum  brevis:  ap,  M.  ab- 
ductor  pollicis;  cl,  M.  extensor  digitoram  longus. 


5.  fünfter  Finder 


Reptilien.  655 

ist  knorpelig;    in    die   basale    Rachenhaut   eingelassen,   urafasst   er   die 
Gurgel  in  ihrer  Erstreckung  am  Halse. 

Muskelsystem.  —  Den  Amphibien  gegenüber  kann  man  zweier- 
lei Bildungen  hervorheben:  die  Entwicklung  von  Hautmuskeln  und 
diejenige  der  Rippenmuskeln,  welche  den  meisten  Amphibien  abgehen, 
die  meist  keine  Rippen  besitzen. 

Der  Hautmuskel  (et,  Fig.  272)  ist  eine  dünne  Muskelfaser- 
platte, welche  den  Körper  umhüllt  und  sich  von  der  Kehle  bis  zum 
Becken  erstreckt,  immerhin  eine  Art  Spaltenlücke  für  den  Durchtritt 
des  Vordergliedes  lassend.  Gegen  die  Mitte  des  Rückens  hin  wird  der 
Muskel  sehnig  und  geht  in  die  Aponeurose  über,  welche  die  Haut  an 
die  Spitzen  der  Doxmfortsätze  befestigt;  an  den  Seiten  (ct^)  und  ganz 
besonders  am  Bauche  ißt^)  wird  er  fleischiger.  Seine  im  Ganzen 
schief  von  unten  und  voim  nach  oben  und  hinten  gerichteten  Fasern 
verschmelzen  in  solcher  Weise  mit  den  darunter  liegenden  Muskeln 
(ilf.  mylo-liyoideus,  cuciillanus,  doyso-humeraJis,  rectus  ahdouiinis),  dass 
man  diese  Muskeln  auch  als  locale  Verdickungen  des  Hautmuskels  be- 
trachten kann.  Die  Fasern  setzen  sich  überall  an  die  Haut  an,  nament- 
lich aber  an  folgenden  Stellen:  in  der  Hautfalte,  welche  den  vor- 
stehenden Halskragen  bildet;  in  einer  seitlichen  Längslinie,  welche  der 
bei  so  vielen  Sauriern  stark  ausgebildeten  Seitenfalte  entspricht  (et''); 
an  der  vorderen  Seitenecke  des  Beckens,  wo  die  Fasern  eine  Art  Knäuel 
bilden  (ct^),  und  endlich  auf  der  Bauchmitte,  an  den  breiten  Bauch- 
schildern (cf^),  welche  sich  offenbar  an  der  Locomotion  betheiligen. 
Der  innere  und  äussere  schiefe  Bauchmuskel,  welche  von  einigen  For- 
schern unterschieden  worden  sind,  scheinen  nur  mehr  oder  minder  ge- 
trennte Bündel  des  Hautmuskels  zu  sein. 

Nach  Wegnahme  dieser  dünnen ,  im  Leben  durchscheinenden 
Hautmuskelschicht  gewahrt  man  die  übrigen  Muskeln,  die  wir  Schicht 
für  Schicht,  von  dem  Kopfe  zum  Schwänze  fortschreitend,  aufzählen 
werden,  um  dann  später  die  Muskeln  der  Extremitäten  besonders  zu 
behandeln. 

Stam  ramuskeln.  —  Auf  dem  Halse  und  dem  Vordertheile  des 
Thorax  zeigt  sich  die  breite  Platte  des  31.  cucull ar  i s  (cii) ,  dessen 
Bündel  sich  am  Hinterhaupte  und  den  Dornfortsätzen  des  Halses  und 
Vorderrückens,  sowie  an  der  Aponeurose  fächerförmig  festsetzen  und 
sich  verdickend  zu  den  vorderen  Rändern  des  Schultergürtels  ver- 
laufen. Eine  oft  wenig  deutliche  Spalte  theilt  den  Muskel  in  einen 
vorderen,  Theil,  den  eigentlichen  Kappenmuskel,  und  einen  hinteren, 
-M.  dorso-humeralis  oder  M.  latissimus  dorsi  (dli). 

Wir  erwähnen  nur  kurz  die  übrigen  Muskeln  und  verweisen  hin- 
sichtlich der  Einzelheiten  über  die  gesammte  Musculatur  auf  die 
Arbeit  von  CA.  Hoff  mann. in  Bronn 's  Thierreich. 


656  Wirbelthiere. 

Eine  grosse,  in  eine  Menge  von  kleinen  Bündeln,  die  sich  an  die 
Dornfortsätze  festsetzen,  getheilte  Muskelmasse,  31.  longissimus 
dorsi  (Id),  erstreckt  sich  längs  der  Mittellinie  des  Rückens.  In  der 
Nähe  des  latissimiis  dorsi  sondert  sich  ein,  hart  an  der  Mittellinie  ver- 
laufendes Bündel  ab  (Id^).  Der  Muskel  spitzt  sich  nach  hinten  gegen 
das  Becken  hin  zu,  rundet  sich  mehr  ab  und  heftet  sich  an  die  hintere 
Ecke  des  os  ileiim.  Dieser  Theil  wurde  auch  als  gesonderter  Muskel 
beschrieben:  M.  sacro-lumhalis  oder  ileo-costalis  (il).  Nach 
innen  heftet  sich  der  Muskel  an  alle  Rippen  vom  Halse  bis  zum  Becken. 
Verschiedene,  als  besondere  Muskel  beschriebene  Massen  (M.  com- 
plexus,  sx^lenius,  cervicalis  ascendens,  trachelo-mastoi- 
detis,  cervicalis  rectus  posterior  und  spinalis  dorsi)  sind 
nur  mehr  oder  minder  getrennte  Bündel  dieser  Muskelmasse,  die  sich 
am  Hinterhaupte  und  den  Wirbelfortsätzen  des  ganzen  Stammes  in- 
seriren.  Die  Rippen  sind  an  ihrer  Aussenfläche  durch  die  Int  er - 
costalmuskeln  {in)  mit  einander  verbunden,  die  sich  auch  auf  die 
Bauchtheile  über  die  Rippen  hinaus  fortsetzen  (in^) ;  auf  der  Innen- 
fläche entsprechen  ihnen  die  Rückziehmuskeln  der  Rippen, 
deren  an  den  Halsrippen  befestigte  Bündel  mit  besonderen  Namen  be- 
zeichnet worden  sind  {M.  longissimus  colli  und  scalenus).  Ein 
sehr  mächtiger  Muskel,  M.  rectus  anterior  grandis  (13,  Fig.  285), 
findet  sich  an  der  ventralen  Seite  der  Halswirbelsäule;  er  verbindet 
die  Hämapophysen  der  Halswirbel  mit  dem  Grundbeine  des  Schädels 
und  beugt  den  Kopf  nach  unten ,  während  die  dem  longissimus  dorsi 
entstammenden  Bündel  den  Kopf  heben  oder  zur  Seite  beugen. 

Ein  langer,  dünner  Muskel,  M.  longissimus  abdominis  (lo),  läuft  an 
der  ventralen  Mittellinie  vom  Brustbeine  zum  Becken. 

Die  Muskeln  des  Kopfes  dienen  zur  Bewegung  der  Kiefer 
und  des  Zungenbeines.  Man  hat  unter  den  ersteren  unterschieden: 
den  31.  mylo-liyoideus  (mh,  Fig.  272),  der  den  Raum  zwischen  den 
beiden  Unterkieferhälften  ausfüllt;  den  31.  temporalis  (t,  Fig.  272), 
eine  gewaltige,  die  Schläfengrube  ausfüllende  Masse,  die  sich  auf  allen 
Flächen  und  Rändern  des  Unterkiefers  in  der  Nähe  des  Gelenkes  festsetzt 
und  den  Mund  schliesst;  seine  Antagonisten  sind:  der  31.  di gastricus 
(?',  Fig.  285),  der  nach  innen  am  Schlundkopfe  zwei  kugelförmige  Vor- 
ragungen bildet,  die  den  Eingang  des  Schlundes  verengern  und  end- 
lich zwei  31.  pterygoidei,  ein  äusserer  und  ein  innerer,  welche 
theilweise  mit  dem  Digastricus  verschmelzen  und  sich  einerseits  an  das 
Flügelbein,  anderseits  an  das  Unterkiefergelenk  festsetzen.  Am  Zungen- 
beine finden  sich:  der  31.  cerato-lateralis  externus,  der  die 
beiden  Hörner  des  Zungenbeines  mit  einander  verbindet;  der  iüf.  mylo- 
ceratoideus  (Ji,  Fig.  285),  welcher  den  Körper  und  das  hintere 
Hörn  des  Zungenbeines  mit  dem  Unterkiefer  verbindet;  dieMm.sterno- 
hyoideus,     sterno-ceratoideus     und     omo-hyoideus,     deren 


Reptilien.  657 

Namen  ihre  Insertionen  vorn  an  dem  Zungenbeinapparate,  nach  hinten 
an  dem  Brustbeine  und  dem  Schultergürtel  anzeigen.  Endlich  findet 
sich  dort  der  Zungenmuskel  (o,  Fig.  285),  welcher  nach  hinten  mit 
starken  Bündeln  sich  au  dem  Zungenbeine  inserirt  und,  nach  vorn  aus- 
strahlend, die  fleischige  Masse  der  Zunge  bildet. 

Die  Schwanzmuskeln  {q^  Fig.  272)  haben  die  Gestalt  von 
Kegeln,  deren  Spitze  nach  vorn,  die  Basis  nach  hinten  gerichtet  ist. 
Diese  Kegel  sind  so  in  einander  geschachtelt,  dass  die  Spitze  des  hinteren 
Muskels  sich  in  den  Hohlkegel  des  davor  liegenden  einschiebt.  Man 
kann  jederseits  vier  Längsreihen  solcher  Tütenmuskeln  unterscheiden; 
die  grösseren  seitlichen  Muskeln  setzen  sich  an  die  seitlichen  Wirbel- 
fortsätze und  die  Schwanzrippen  ;  die  oberen  und  unteren,  welche  weit 
dünner  sind,  an  die  oberen  und  unteren  Dornfortsätze  der  Schwanzwirbel. 

Muskeln  der  vorderen  Extremität. —  Da  die  Bewegungen 
dieses  Gliedes  ziemlich  complicirt  und  ausgedehnt  sind ,  so  müssen 
auch  zahlreiche  Muskeln  vorhanden  sein,  die  in  ihren  fleischigen  Theilen 
ziemlich  scharf  abgegrenzt  sind ,  aber  häufig  mit  ihren  Sehnen  unter 
einander  und  theilweise  auch  mit  der  sie  umhüllenden  Fascie  zu- 
sammenfliessen.  Der  Schultergürtel  ist  sowohl  in  seinem  Ganzen,  als 
in  seinen  einzelnen  Stücken,  wenn  auch  in  beschränkter  Weise,  beweg- 
lich. Man  kann  also  die  Gliedmuskeln,  wie  diejenigen  des  Hinter- 
gliedes, in  zwei  Gruppen  theilen,  von  welchen  die  eine  specieller  für 
den  Schultergürtel  und  den  Oberarm,  die  andere  für  den  Unterarm, 
die  Handwurzel  und  die  Hand  bestimmt  ist.  Wir  geben  nur  die  In- 
sertionen an;  eine  genauere  Beschreibung  der  Muskeln,  die  sich  leicht 
präpariren  lassen,  würde  uns  zu  weit  führen. 

Muskeln  des  Schultergürtels  und  des  Oberarmes.  — 
Es  findet  sich  eine  ziemliche  Anzahl  von  Hebemuskeln:  auf  der 
Aussenfläche  der  schon  erwähnte  Kappenmuskel  (c»,  Fig.  272), 
ferner  der  M.  supra-coracoideiis,  vom  Rabenbein  zum  Humerus ; 
der  31.  levator  scapulae.,  vom  seitlichen  Hinterhauptsbeine  und 
den  Querfortsätzen  der  Halswirbel  zum  vorderen  Rande  des  Schulter- 
gürtels. Auf  der  Innenfläche:  der  M.  costo-coracoideus  zwischen 
Schulterblatt  und  den  ersten  Sternalrippen  und  der  Ji.  infra-scaptt- 
laris  zwischen  Schulterblatt  und  Rabenbein.  Niederzieher:  der 
M. st e rn 0 - c 0 st ali s  oder 31.  serr a tus  mit  mehreren  zackenförmigen 
Bündeln  zwischen  Brustbein  und  Rippen;  der  31.  c  o  r  aco-hr  acht  cd  i  s 
zwischen  Rabenbein  und  Humerus.  Vorziehe r:  der  grosse  Brust- 
muskel, 31.  jpecto  )•  al  i s  {p),  auf  der  Bauchseite  zwischen  Sternum  und 
Humerus;  dei\3L  deltoideus  zwischen  Schulterblatt,  Schlüsselbein 
und  Humerus;  ein  gesondertes  Bündel  desselben  bildet  den  Ji.  cleldo- 
hiimer  alis  (cJli);  der  31.  cor  aco -'brach  i  al  is  zwischen  Rabenbein 
und  Humerus.  Rückwärtszieher:  der  31.  teres  major  zwischen 
Humerus  und  Schulterblatt;   der  J/.  st  er  no -c  or  acoid  eus   zwischen 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  ao 


658  Wirbelthiere. 

Humerus  und  Rabenbein.  Beuger:  der  M.  hiceps  Jongus  (b)  und 
hiceps  hrevis  (b^)  bedecken  die  ganze  Beugefläche  des  Humerus;  ihre 
antagonistischen  Strecker  heissen  Mm.  anconei  {an'^).  Ein  Roller, 
der  M.  teres  minor,  erstreckt  sich  auf  der  Innenfläche  zwischen 
Schulterblatt  und  Humerus. 

Muskeln  des  Vorderarmes,  der  Handwurzel  und  der 
Hand.  —  Beuger:  der  M.  flexor  radialis  carpi  erstreckt  sich 
vom  Humerus  und  Radius  ziim  Mittelknochen  des  Daumens;  die  Mm. 
flexor  es  ulnares,  superficialis  und  profundus,  verlaufen  auf  der 
Ulnarseite.  Die  Streckmuskeln  sind  zahlreicher:  M.  radialis 
ext ernus  zwischen  Humerus,  Radius  und  Carpus;  der  M.  ulnaris 
externus  entspricht  auf  der  Ulnarseite  und  verläuft  über  das  Ell- 
bogengelenk. Der  31.  extensor  commimis  digitoriini  longus  (e) 
entsteht  theilweise  noch  am  Humerus,  grösstentheils  an  den  Vorderarm- 
knochen, derilJ.  extensor  hrevis  (ec)  auf  dem  Carpus.  Beide  liefern 
Sehnen  zu  allen  Fingern.  Pronatoren:  der  31.  pronator  teres 
zwischen  Humerus  und  Vorderarm;  der  31.  pronatoT  accessorius 
zwischen  Radius  und  Carpus;  der  M.  pronator  quadratus  zwischen 
den  distalen  Enden  von  Radius  und  Ulna.  Supinatoren:  ein  ein- 
ziger zwischen  Humerus  und  Radius.  Die  Finger  besitzen  noch  beson- 
dere kleine  Muskelchen,  die  sie  nähern  oder  spreizen  :  die  Adductoren 
werden  ili".  Inmlirie ales,  die  Abductoren  Jf.  interossei  genannt; 
Daumen  und  fünfter  Finger  haben  jeder  noch  einen  besonderen  Spreiz- 
muskel, 31.  ahdtictor  pollicis  und  31.  ahductor  digiti   quinti. 

Muskeln  der  hinteren  Extremität.  —  Das  Becken  erscheint 
im  Gegensatze  zum  Schultergürtel  fast  unbeweglich ,  besonders  in 
seinem  oberen  Theile,  wo  es  von  einer  dicken  Aponeurose  (fljj)  bedeckt 
wird ;  die  Bewegungen  der  Extremität  sind  also  mehr  beschränkt,  wenn- 
gleich Pronation  und  Supination  noch  ziemlich  ausführbar  sind.  Wir 
erwähnen  für  den  Abschnitt  von  Becken  und  Oberschenkel:  An- 
zieher und  Beuger:  3I.ischio  -fe  m  oralis  (is),  von  der  Symphyse 
des  Ischion  zum  Femur;  31.  pectinatus ,  vom  Pubis  zum  Femur; 
31.  pelvio-tibialis  (il),  vom  Pubis  zur  Tibia;  M.  semi-nervosus, 
vom  Ischion  zur  Tibia;  31.  s emi-t endin o su s  mit  denselben  Inser- 
tionen; M.  ischio -tibi  alis  profundus  {ip>),  unter  den  vorigen  mit 
gleichen  Ansatzpunkten;  31.  vastus  mit  mehreren  Bündeln  von  den 
verschiedenen  Beckenknochen  zur  Tibia.  Abzieher  und  Strecker: 
31.  glutaeus  maximus  (fg),  vom  Ileum  zur  Fibula;  31.  glu- 
taeiis  minor  (fp),  vom  Ileum  zum  Femur;  31.  il  eo- tibi  alis  (il), 
dessen  Name  die  Insertionen  bezeichnet;  der  3£-  femor  o-caudalis ., 
Mm.  iscliio-coccygeus  und  der  31.  quadratus  lumborum ,  der 
von  den  W^irbelfortsätzen  zum  Ileum  geht,  entsprechen  den  vorigen 
auf  den  Innenflächen.  Dev  31.  iliacus  externus  (il)  zwischen  Becken 
und  Femur  ist  vorzugsweise  Abzieher. 


Reptilien.  659 

Muskeln  des  Beines,  derP^usswurzel  nnd  desFusses. 
—  Beuger:  der  M.  plantaris  (pl) ,  vom  äusseren  Schenkelböcker 
zur  Fusswurzel  und  zu  allen  Fingern;  der  3I.flexor  digitorum 
perforans,  von  Tibia  und  Fibula  zu  den  letzten  Pbalaugeu  der 
Finger;  seine  dünnen  Endsebnen  durcbbobren  die  Sebnen  des  vorber- 
gehenden  Muskels;  der  M.  flexor  digitorum  minor,  vom  Tarsus 
zu  den  Phalangen;  der  M.  flexor  digiti  quinti,  vom  grossen 
Tarsalknocben  zu  der  ersten  Pbalange  des  fünften  Fingers.  Strecker: 
der  31.  ext ensor  longics  (eT) ,  vom  äusseren  Scbenkelböcker  zu  den 
Mittelknocben  des  dritten  und  vierten  Fingers;  der  M.  extensor 
hrevis  (er),  von  der  Tibia  und  dem  grossen  Tarsalknocben  mit  fünf 
Bündeln  zu  allen  Fingern ;  die  3fm.  g astrocnemius  und  tihialis 
posterior  zwischen  Tibia  und  den  Metatarsalknocben.  Zwischen 
Tibia  und  Fibula  wirken  zwei  Rollmuskeln,  ein  proximaler,  M.  po- 
pliteus,  und  ein  distaler,  M.peroneo-tihialis  inferior.  Der 
Daumen  bat  einen  besonderen  Abzieher  {ap)  und  zwischen  den 
Metatarsalknocben  und  den  ersten  Phalangen  finden  sich ,  wie  an  der 
Hand,  die  Mm.  interossei  (io)  und  luuihrical es. 

Nervensystem.  —  Da  der  Schädel  die  horizontale  Richtung 
der  Wirbelsäule  fortsetzt,  so  zeigt  auch  das  Ce  n  tra  In  er  ven  System 
in  seiner  ganzen  Erstrecknng  dieselbe  Lagerung.  Doch  sieht  man  an 
dem  Gehirne  die  erste  Andeutung  der  Nackeubeuge,  die  bei  den  höheren 
Wirbelthieren  stärker  hervortritt,  indem  das  verlängerte  Mark  bei 
seinem  Unterschlupfe  unter  das  Kleinhirn  einen  nach  unten  convexen 
Bogen  bildet,  der  beim  Beginne  des  Mittelhirnes  ziemlich  schroff  in 
die  Höhe  steigt  (B,  Fig.  274). 

Das  Rückenmark  erstreckt  sich  bis  nahe  zum  Ende  des 
Schwanzes.  In  der  Höhe  der  vorderen  und  hinteren  Extremitäten 
schwillt  es  etwas  an;  hinter  dem  After  nimmt  es  zusehends  ab  und 
wird  gegen  das  Ende  fadendünn.  Die  Hüllen ,  welche  das  Mark  in 
seinem  Canale  umgeben,  sind  eine  directe  Fortsetzung  der  Hüllen  des 
Gehirnes,  von  welchen  später  die  Rede  sein  wird.  Auf  Querschnitten 
erscheint  das  Mark  in  der  Schwanzgegend  fast  kreisrund;  die  beiden 
Medianfurcben ,  welche  anderwärts  das  Mark  fast  in  zwei  Hälften 
theilen,  von  welchen  aber  die  dorsale  weit  weniger  ausgebildet  ist 
als  die  ventrale,  sind  in  dieser  Region  gänzlich  verwischt.  Weiter 
vorwärts  in  der  Rückengegend  und  selbst  noch  am  Halse  erhöht  sich 
der  dorsale  Mitteltheil  etwas;  die  Seiten  kehlen  sich  oben  und  unten, 
entsprechend  dem  Austritte  der  Nervenwurzeln,  ein  wenig  aus  und  in 
die  klaffende,  ventrale  Spalte  dringt  eine  Falte  der  Hülle  ein ,  welche 
ein  Längsgefäss  führt  (/;,  Fig.  27.3).  Zugleich  verwischt  sich  die  dor- 
sale Spalte  stellenweise  gänzlich.  Bei  der  Annäherung  an  das  ver- 
längei'te  Mark  zeigen  die  Querschnitte  wieder  einen  runden  Umriss. 
Das   Mark    wird    seiner    ganzen    Länge    nach    von    einem    sehr    feinen 

42* 


660 


Wirbeltbiere. 


Mediillarcanal  (n,  Fig.  273)  durclizogen ,  der  leiclit  überseben 
werden  könnte,  wenn  er  nicht  mit  ziemlich  grossen  Cylinderzellen  aus- 
gekleidet wäre,  die  eine  radiäre  Stellung  zeigen.  Unter  sehr  starken  Ver- 
grösserungen  sieht  man  auf  ihrem  freien  Ende  feine  Granulationen,  die 
von  einer  coagulirten  Flüssigkeit,  vielleicht  auch  von  winzigen  Wimpern 
herrühren  mögen.  Um  den  Centralcanal  ist  die  graue  Substanz  (gp) 
angesammelt,  deren  Conturen  zwar  etwas  verschwommen  sind,  aber  unter 
schwachen  Vergrösserungen  gegen  die  weisse  Substanz  deutlicher  her- 
vortreten.   Auf  Querschnitten  hat  sie  die  Gestalt  eines  liegenden  Kreuzes, 

Fig.  273. 


Lacerta  viridis,  jung.  —  Querschnitt  des  Rücljenmarlies  in  der  Halsgegend.  Gundl. 
Oc.  1,  Obj.  2.  Camera  clara.  Die  Nebentlieile  und  die  linke  Seite  des  Markes 
wurden  nur  in  Conturen  dargestellt,  a,  Wirbelkörper ;  h,  unvollkommen  verknöchertes 
Centrum  desselben;  c,  Querfortsätze  des  Wirbels;  d.,  Neurapophyse ;  e,  mit  Knorpel 
gefüllte  Lücken ;  /,  schwarzes  Pigment  auf  der  Aussenfläclie  der  äusseren  Hülle  _(/ 
{Dura  mater);  h,  untere  Furche  des  Markes,  in  welche  eine  Falte  der  Dura  mater 
sich  einschlägt,  die  auf  ihrem  Gipfel  ein  Gefäss  trägt;  i,  weisses  dorsales  Feld; 
h,  Seitenfeld;  /,  ventrales  Feld;  m,  Rückenfurche  des  Markes;  in^,  Rindensubstanz 
und  innerste  Hülle;  «,  Centralcanal;  o,  obere  helle  Fortsetzung  des  ventralen  Feldes; 
p,  grauer  Kern;  p^,  seine  ausstrahlenden,  faserigen  Fortsetzungen;  q,  obere  Nerven- 
wurzel, austretend;  q^,  abgeschnittene,  im  Austrittsloche  steckende  obere  Wurzel; 
r,   Riesenzellen;  .s,  Durchschnitte  von  Blutgefässen. 


Reptilien.  661 

dessen  untere  Schenkel  stärker  entwickelt  sind.  Die  graue  Substanz 
besteht  aus  Zellen  und  Fasern.  Von  ersteren  finden  sich  zwei  Modi- 
ficationen:  grosse  Zellen  (>"),  die  hauptsächlich  seitlich  in  der  Nähe 
des  Centralcanales  liegen,  und  kleinere,  überall  in  der  Masse  zerstreute 
Zellen.  Die  grossen  Zellen,  die  man  auch  Riesenzellen  nennen  könnte, 
sind  rund  oder  länglich,  mit  zwei  oder  drei  Ausläufern  versehen,  und 
zeigen  in  einem  scharf  begrenzten  Kerne  einen  Nucleolus,  der  sich  mit 
Boraxcarmin  stark  färbt.  Die  Fasern  der  grauen  Substanz  verlaufen 
bündelweise  vom  Centrum  gegen  die  Peripherie  hin.  Die  weisse  Sub- 
stanz (/,  l;  1)  lässt  vier  Felder  oder  Stränge  unterscheiden ,  die  nur 
unvollständig  durch  die  Schenkel  der  grauen  Substanz  getrennt  werden  ; 
zwei  Seitenstränge,  einen  dorsalen  und  einen  ventralen  Strang,  der 
durch  die  erwähnte  Falte  der  Hüllen ,  welche  bis  in  die  Nähe  des 
Centralcanales  vordringt,  in  zwei  Hälften  geschieden  wird.  Die  Form- 
elemente dieses  ventralen  Stranges  sind  wenig  zahlreich  und  gewisser- 
maassen  in  einer  Flüssigkeit  aufgeschwemmt,  welche  durch  die  Rea- 
gentien  gerinnt.  Aus  diesem  Grunde  erscheint  dieser  Strang  heller 
als  die  übrige  weisse  Substanz. 

Das  Gehirn  (Fig.  274,  275)  füllt  die  Schädelhöhle  nicht  voll- 
ständig aus.  Wir  unterscheiden  an  ihm  dieselben  Haupttheile,  wie 
beim  Frosche  (S.  572). 

Das  verlängerte  Mark  (ma,  Fig.  274,  275)  entsteht  aus  dem 
nach  vorn  sich  fortsetzenden  Rückenmarke ,  das ,  wie  wir  sahen ,  auf 
Querschnitten  kreisförmigen  Umriss  zeigt  mit  dem  Loche  des  Central- 
canales in  der  Mitte.  Der  den  Canal  bedeckende  dorsale  Strang 
schwindet  allmählich  bei  Annäherung  zum  verlängerten  Marke, 'die 
beiden  Ränder  des  Canales  klaffen  mehr  und  mehr  und  so  bildet  sich 
nach  und  nach  eine  dreieckige  Grube,  die  Rauten  grübe  (fr,  Fig. 
274),  aus,  deren  Spitze  nach  hinten  gerichtet  ist,  während  die  Basis 
des  Dreiecks  von  dem  Kleinhirne  überdeckt  wird.  Die  Grube  wird 
von  den  Hirnhüllen  ausgefüllt ,  setzt  sich  aber  nach  vorn  in  einen 
weiten  Canal,  den  vierten  Ventrikel,  fort,  der  also  eine  Verlängerung 
des  Rückenmarkcanales  darstellt. 

Die  seitlichen  Lippen  der  Rautengrube  erheben  sich  allmählich, 
um  die  Net  z  stränge  {Corpora  resfiformia),  zu  bilden,  welche  die 
Basis  des  Kleinhirnes  herstellen. 

Das  Kleinhirn  (c)  ist  eine  dünne,  leicht  S-förmig  gebogene 
Lamelle,  welche  mit  ihrer  Basis  vorn  mit  dem  Hinterrande  des  Mittel- 
hirnes zusammenhängt,  während  der  freie  Hinterrand  die  Rautengrube 
theilweise  bedeckt.  Der  Boden  des  Kleinhirnes  (p)  bildet  eine  Art 
Brücke  über  den  vierten  Ventrikel. 

Das  Mittelhirn  (ch)  stellt  bei  der  Ansicht  von  oben  zwei  ei- 
förmige Massen  dar,  welche  durch  eine  tiefe  Längsfurche  getrennt 
sind  und  die  man  auch  die  Zwillingskörper  (Corpora  higemina)  genannt 


662 


Wirbelthiere. 


hat.  Sie  werden  von  zwei  starken  Fasermassen,  den  Hirnschenkeln 
{pc,  Fig.  274:,  B)  getragen,  welche  so  den  Boden  des  Mittelhirnes  her- 
stellen und  zwischen  welchen  und  den  Zwillingskörpern  die  Fort- 
setzung des  Centralcanales,  die  Sylvi'sche  Wasserleitung,  sich  er- 
streckt. 

Vor  dem  Mittelhirne  liegt  das  Zwischenhirn  (th,Fig.  275),  das 
bei  erwachsenen  Thieren  nur  durch  Sagittalschnitte  zur  Anschauung 
gebracht  werden   kann,   weil   es  von   den    hinteren  Theilen  der  Hemi- 

Fio-,  274. 


72y  e- 


A  C 

Lacertu  oceUata.  —  Das  isolirte  Gehirn  in  doppelter  Vergrösserung.  A,  dorsale  An- 
sicht; B,  Profil;  C,  ventrale  Ansicht,  h,  Hemisphären;  c&,  Mittelhirn  {Corpora  biye- 
mina);  c,  Kleinhirn;  e,  Epiphyse;^Ä,  Zwischenhirn;  h,  Hypophyse;  ma,  verlängertes 
Mark ;_/)■,  Kautengruhe ;  me,  Rückenmark;  pr,  Hirnschenkel ;  ol,  Riechnerv;  op,  Seh- 
nerv; oc,  Oculomotorius ;  fr,  Trochlearis ;  t,  Trigeminus ; /,  Facialis;  ab,  Abducens ; 
ac,  Acusticus ;  gl,  Glossopharyngeus ;  v,  Vagus;  /(.?/,  Hypoglossus. 


Sphären  vollständig  überwölbt  und  verdeckt  wird.  Das  Zwischen- 
hirn ist  eine  hohle  Blase ,  dessen  innere  Höhle ,  der  dritte  Ventrikel, 
nach  hinten  mit  der  Syl vi' sehen  Wasserleitung  zusammenhängt.    Die 


Eeptilien.  663 

dorsale  Decke  des  Zwisclaenhirnes  entsendet  gegen  das  Schädeldach  eine 
conische  Ausstülpung,  die  Epiphyse  (e) ;  aus  dem  Boden  der  Höhle 
senkt  sich  eine  Ausstülpung  von  ähnlicher  Form  gegen  die  Mundhöhle 
hinab,  der  Hirntrichter,  Infundibuhtm  (in,  Fig.  275),  welche  in 
einer  etwas  verlängerten  dichten  Masse,  der  Hypophyse  (hy),  endet. 

Die  Epiphyse  von  Lacerta  besteht  aus  zwei  scharf  getrennten 
Theilen ,  dem  röhrenförmigen  Stiele  und  dem  Aussenorgane.  Zur  ge- 
naueren Untersuchung  verfertigt  man  feine,  sorgfältig  gefärbte  Schnitte 
an  jungen  Exemplaren;  bei  älteren  Thieren  muss  man  zuvor  die 
Knochen  entkalken,  aber  die  zu  diesem  Behufe  anzuwendenden  Säuren 
verändern  sehr  die  feineren  Structurelemente.  Bei  erwachsenen  In- 
dividuen stellt  sich  die  Epiphyse  (e,  Fig.  274,  A)  als  ein  bogenförmig 
gekrümmter,  sehr  verlängerter  Hohlkegel  dar,  der  aus  zwei  an  ein- 
ander liegenden,  aber  vollständig  getrennten  Canälen  besteht.  Der 
engere,  vordere  Canal,  der  von  dem  Pallium  herrührt,  zeigt  gewellte, 
aus  runden  oder  cylindrischen  Zellen  gebildete  Wände,  in  welchen 
zahlreiche  Blutgefässe  verlaufen.  Der  Canal  setzt  sich  nach  unten  in 
die  Choroidalplexiis  der  Seitenventrikel  der  Hemisphären  fort.  Der 
hintere  Canal,  dessen  Wände  aus  mehreren  Schichten  kleiner,  runder 
Nervenzellen  gebildet  sind,  zeigt  an  seinem,  dem  Schädeldache  an- 
gelagerten Ende  eine  längliche  Aushöhlung. 

Das  Aussenorgan  (Fig.  266),  welches  bei  Hatteria  ein  wahres 
Scheitelauge  wird,  ist  bei  Lacerta  vollständig  von  dem  röhrigen  Stiele 
getrennt  und  steht  demnach  durchaus  in  keiner  Verbindung  mit  dem 
Hirne.  Das  Organ  liegt  ausserhalb  der  Hirnhüllen  in  einer  Ein- 
senkung  des  Schädeldaches;  es  bildet  eine  von  oben  nach  unten  ab- 
geplattete Kapsel  (g,  Fig.  266),  deren  dorsale  Deckwand  durch  die  Ver- 
längerung der  sie  bildenden  Cylindei'zellen ,  die  an  ihrer  Basis  einen 
eiförmigen  Kern  tragen,  sehr  verdickt  erscheint;  man  hat  diesen  Theil 
die  Krystalllinse  genannt.  Der  Boden  der  Kapsel  (f)  zeigt  zwei 
oder  drei  auf  einander  lagernde  Schichten  von  Zellen  mit  grossen, 
eiförmigen  Kernen  und  auf  der  der  Kapselhöhle  zugewendeten  Fläche 
eine  dichte  Schicht  schwarzen  Pigmentes,  die  zuweilen  durch  eine 
secundäre  Lücke  (s)  von  den  Zellenschichten  getrennt  erscheint. 

Das  Vorderhirn  (//,  Fig.  274)  besteht  aus  zwei,  durch  eine 
tiefe  Längsfurche  von  einander  getrennten  eiförmigen,  hohlen  Hemi- 
sphären, die  sich  nach  vorn  in  die  Riechnerven  verlängern.  Die  in 
ihrem  Inneren  angebrachten  Seiten ventrikel  (e/,  Fig.  275)  communi- 
ciren  nach  hinten  durch  das  Mo  uro 'sehe  Loch  mit  dem  im  Zwischen- 
hirne gelegenen  dritten  Ventrikel;  nach  vorn  setzen  sie  sich  weit  in 
die  Riechnerven  fort.  Die  Gewölbedecke  der  Hemisphären,  das  Pallium 
{h,  Fig.  275),  zeigt  den  Fischen  gegenüber  einen  wesentlichen  Fort- 
schritt. Es  besteht  nicht  mehr  aus  einer  einfachen  Schicht  von  Epi- 
thelialzellen,  sondern  aus  drei  Lagen,  einer  äusseren  und  inneren  von 


664 


Wirbelthiere, 


faseriger  Structur ,  zwischen  welchen  eine  Schicht  von  Nervenzellen 
sich  findet,  so  class  das  Gewölbe  weit  dicker  und  fester  erscheint.  Die 
innere  Schicht  ist  mit  einem  Endothelium  von  runden  Wimperzellen 
ausgekleidet.  Der  Boden  einer  jeden  Hemisphäre  verdickt  sich  be- 
deutend und  schwillt  zu  einem  mächtigen  Ganglion  an ,  welches  den 
Hohlraum  des  Ventrikels  fast  gänzlich  ausfüllt.  Diese  Ganglien  sind 
die  Streifenkörper,  Corpora  striata  (es,  Fig.  27 6).  Vor  den  Streifen- 
körpern sind  die  Hemisphären  durch  die  vordere  Quercommissur 
mit  einander  verbunden.  Auf  der  ventralen  ünterfläche  der  Hemi- 
sphären findet  sich  das  Chiasma  der  Sehnerven  (oj),  Fig.  274,  C); 
die  "Wurzeln  dieses  Gebildes  lassen  sich  in  dem  Boden  bis  zum 
Zwischenhirn  verfolgen.  Endlich  verlängert  sich  die  Basis  ohne 
scharfe  Grenze  in  die  hohlen  Riechnerven  (o?,  Fig.  274  ;  no,Fig.275), 


Lacerta  viridis,  jung.  —  Sagittalsclinitt  des  Kopfes,  der  die  senkrechte  Scheidewand 
der  Augen-  und  Nasenhöhlen  gerade  streift,  unter  der  Liipe  mit  der  Camera  clara 
gezeichnet,  mii,  Nackenmuskeln;  ap,  Dornfortsätze;  cv,  Wirheikörper;  oe,  Oeso- 
phagus; ta,  Luftröhre;  p,  Boden  des  vierten  Ventrikels;  7iy,  Hypophyse;  la,  Kehl- 
kopf; 2^1,  Decke  der  Mundhöhle  b ;  onus,  Kaumuskel;  l,  Zunge;  m,  Unterkiefer; 
y,  Jacob son'sclves  Organ;  no'^,  sein  Nerv;  no,  Riechnerv;  c/,  Scheidewand  der 
Augenhöhlen;  vi,  Seitenventrikel  der  Hemisphäre;  es,  Corpus  siriatum;  h,  Dach  der 
Hemisphäre;  ih,  Zwischenhirn ;  e,  Epiphy'se ;  im,  Infundibulum ;  o,  Schädelhöhle; 
c,  Kleinhirn;  /■/•,  Rautengrube;   ma,  verlängertes  Mark. 

die  zwar  etwas  angeschwollen  sind,  aber  keinen  deutlichen  Riechkuoten 
bilden. 

Wir  können  in  Einzelheiten  über  den  histologischen  Bau  des  Ge- 
hirnes, seine  Faserzüge  und  grauen  Knoten  hier  nicht  eintreten, 
müssen  aber  Einiges  über 'die  Hüllen  und   die  Gefässnetze,  welche  in 


Eeptilien.  665 

die  inneren  Höhlungen  (Plexus  choroidei)  eindringen ,  zufügen.  Man 
untersucht  diese  Bildungen  am  besten  auf  Längs-  und  Querschnitten, 
die  sehr  jungen  Eidechsen  entnommen  sind. 

Wir  sehen,  dass  der  Centralcanal  sich  bei  der  Annäherung  gegen 
die  verlängerte  Dorsalfläche  erhebt,  um  schliesslich  auf  dieser  sich  zur 
Rautengrube  {fr)  zu  erweitern  und  zu  öffnen.  Da  die  Basis  des  ver- 
längerten Markes  sich  etwas  senkt,  um  die  Nackenbeuge  zu  bilden,  so 
erhält  die  Rautengrube  eine  ziemliche  Tiefe ,  während  zugleich  ihre 
von  den  Netzsträngen  gebildeten  Lippen  sich  einbiegen,  um  schliesslich 
unter  den  Kleinhirnschenkeln  sich  zu  einer  Brücke  über  die  Höhlung 
zu  schliessen,  die  sich  nun  in  Form  eines  plattgedrückten  und  seitlich 
verbreiterten  Canales  fortsetzt,  der  den  Namen  des  Sylvi'schen  Äquä- 
ductes  trägt.  Beim  Uebergange  in  das  Mittelhirn,  wo  der  Nervus 
troclilearis  wurzelt,  erreicht  die  Zusammendrückung  des  Canales  den 
höchsten  Grad ;  er  bildet  nur  noch  eine  horizontale  Spalte.  Unter  der 
hinteren  Wölbung  des  Mittelhirnes  rundet  er  sich  ab  und  schickt  in 
die  beiden  Seitentheile  des  Mittelhirnes  Divertikel,  so  dass  Querschnitte 
in  dieser  Gegend  den  Canal  in  Gestalt  eines  V  mit  seitlich  erweiterten 
Schenkeln  sehen  lassen.  Beim  Uebergange  in  das  Zwischenhirn  ver- 
schwinden die  seitlichen  Divertikel  und  es  bleibt  nur  ein  feiner  Central- 
canal, das  Monro'sche  Loch.  Aber  hier  treten  zwei  neue  Bildungen 
auf:  die  Austiefung  auf  dem  Boden  des  Hirntrichters  (?'w,Fig.  275), 
der  zu  der  compacten  Zellenmasse  der  Hypophyse  führt,  und  der  Ab- 
gang von  dem  Dache  des  äusserst  feinen  Canales,  welcher  sich  in  der 
Ausstülpung  der  Epiphyse  der  Länge  nach  hinzieht.  Zu  diesen  Bil- 
dungen gesellt  sich  noch,  weiter  nach  vorn,  die  Bildung  einer  verti- 
calen  Längsspalte,  der  Hirnspalte,  welche  von  unten  her  eiudi'ingt 
und  den  Centralcanal  erreicht.  Von  oben  her  senkt  sich,  dieser  Spalte 
entgegenkommend,  die  Spalte,  welche  die  beiden  Hemisphären  trennt; 
aber  in  dem  Augenblicke,  wo  diese  dorsale  Spalte  die  ventrale  Hirn- 
spalte erreicht,  schliesst  sich  diese  durch  die  Ausbildung  der  vorderen 
Commissur.  Auf  Querschnitten  dieser  Gegend  sieht  man  dann  die 
Seitenventrikel,  welche  vor  dem  Centralcanale  abgehen,  aber  fast  gänz- 
lich von  den  bis  zu  ihrer  Decke  sich  erhebenden  Streifenkörpern  aus- 
gefüllt werden.  Die  Seitenventrikel  setzen  sich  dann ,  wie  schon  ge- 
sagt, in  die  hohlen  Riechnerven  fort. 

Fassen  wir  diese  Resultate  zusammen,  so  sehen  wir,  dass  die  Hirn- 
höhlen aus  einem  Mittelcanale  bestehen ,  dessen  verschiedene  Stücke 
der  Sylvi'sche  Aquäduct,  das  Monro'sche  Loch  und  der  dritte 
Ventrikel  sind;  dass  dieser  Mittelcanal  nach  oben  und  unten  senk- 
rechte Divertikel  in  den  Hirntrichter  und  die  Epiphyse  entsendet,  dass 
er  sich  durch  die  grossen  Hirnspalten  vorn  und  die  Rautengrube 
hinten  in  die  Schädelhöhle  öffnet  und  ausserdem  in  das  Mittelhirn  und 
die  Hemisphären  seitliche  Ausbuchtungen  schickt. 


666 


Wirbeltliiere. 


Die  Hüllen  des  Gehirnes  bestehen  aus  den  drei  unter  dem  Namen 
Dura  maier,  Araclmoldea  und  Pia  mater  bekannten  Häuten.  Erstere 
ist  zugleich  Periost ;  sie  hängt  den  Knochen ,  welche  die  Schädelhöhle 
umschliessen,  fest  an.  Die  inneren  Häute  dringen  durch  die  erwähnten 
Spalten  in  die  inneren  Hirnhöhlen  ein ;  im  vierten  Ventrikel  zeigt  sich 
der  Plexus  choroideus  wie  ein  vielfach  gefaltetes  Tuchband;  die  anderen 
Plexus  haben  einfachere  Form.     Ueber   die   ganze  Erstreckung   dieser 


riff.  276. 


Lucerta  viridis.  —  Schema  /.weier  Spinal- 
nerven in  vierfacher  Yergrösserung.  o, 
ventrale  Wurzel :  b,  dorsale  Wurzel ;  c,  ihr 
Ganglion;  d,  oherflächlicher  dorsaler  Ast 
von  /;  e',  kleiner  dorsaler  Ast ;  /,  gemein- 
samer ventraler  Stamm ;  g,  tiefer  Seiten- 
ast; /?.,  oberflächlicher  ventraler  Zweig; 
i,  tiefer  ventraler  Zweig ;  Tc,  vorderer 
Zweig  von  h ;  l,  ventrale  Fortsetzung  des 
Nerven   li-  m,  Zweig  zum   Bauchfell. 


Hirnhüllen  ist  reichliches  braunes 
Pigment  in  Körnern  zerstreut. 

Peripherisches  Nerven- 
system. —  Bis  zum  Becken  zählt 
man  29  Paare  von  Spinalnerven, 
die  längs  des  Stammes  in  regel- 
mässigen Abständen  auf  einander 
folgen  und  dieselbe  Anordnung,  die- 
selben Zweige  und  Beziehungen  zu 
einander  zeigen.  Etwas  abweichend 
verhalten  sich  die  zu  den  Extremi- 
täten gehenden  Nerven ,  die  bedeu- 
tender als  die  anderen  sind  und 
durch  Anastomosen  die  Arm-  und 
Beingeflechte  bilden.  Wir  behan- 
deln sie  besonders. 

Jeder  Spinalnerv  bildet  sich  aus 
zwei  Wurzeln ;  einer  dorsalen ,  sen- 
sitiven und  einer  ventralen ,  moto- 
rischen (Fig.  276).  Die  dorsale 
Wurzel  (b)  schwillt  bald  zu  einem 
kleinen ,  spindelförmigen  Ganglion 
(c)  an,  das  der  ventralen  Wurzel  (a) 
fehlt.  Der  aus  der  Vereinigung 
beider  Wurzeln  hervorgehende  Nerv 
theilt  sich  sofort  in  zwei  Aeste, 
einen  kleineren  dorsalen  (e') ,  der 
sich  unmittelbar  in  die  längs  der 
Wirbelsäule  angebrachten  Muskeln 
verzweigt  und  ausserdem  einige 
Zweiglein  an  die  Haut  des  Rückens 
abgiebt.  Der  ventrale  Ast  (/)  ver- 
läuft schief  nach  unten  und  hinten 
in  paralleler  Richtung  mit  den  Rip- 
pen in  den  Muskellagen  eines  Zwi- 
schenrippenraumes. Nach  kurzem 
Verlaufe   entsendet   dieser  Ast  von 


Reptilien, 


667 


Fig.  277. 
X\T1  XVlIi    XIX 


seinem  vorderen  Eande  einen  kurzen  Zweig  (d)  in  die  oberflächlichen 
Rückenmuskeln,  sodann  von  seinem  hinteren  Rande  einen  anderen 
Zweig  (g)  in  die  tieferen  Muskelschichten  der  Seite.  Der  Hauptast  (/) 
setzt  seinen  Weg  nach  Abgabe  dieser  Zweige  in  der  angegebenen  Rich- 
tung fort,  theilt  sich  aber,  etwa  in  der  Höhe  der  Körpermitte,  in  zwei 
Zweige  von  gleicher  Stärke,  einen  oberflächlichen  und  einen  tiefen 
Zweig.  Ersterer  (h)  läuft  noch  eine  Strecke  parallel  mit  der  ent- 
sj)rechenden  Rippe ,  schickt  aber  dann  ein  äusserst  feines  Bündel  (ni) 
in  schiefer  Richtung  nach  hinten,  das  unter  dem  folgenden  Spinal- 
nervenpaare hinzieht  und  auf  der  Oberfläche   des  Bauchfelles   mit   den 

Endästen  der  benachbarten 
Nerven  zarte  Geflechte  bil- 
det. Im  weiteren  Verlaufe 
theilt  sich  der  Zweig  h  aufs 
Neue  in  einen  ziemlich 
kurzen  vorderen  Ast  (A'), 
welcher  die  oberflächlichen 
Muskeln  der  Seite  versorgt 
und  in  einen  dickeren 
Zweig  (?),  der  in  die  ober- 
flächlichen Muskeln  der 
Bauchfläche  sich  verzweigt. 
Der  Stamm  i  verfolgt  seinen 
Lauf  nach  hinten  und  unten, 
geht  unter  den  Nerven  k 
und  l  durch  und  verästelt 
sich  in  den  tiefen  Seiten- 
rauskeln  bis  zur  Mittellinie. 
Schenkelgeflecht 
(Fig.  277).  —  Zur  Bildung 
dieses,  in  der  oberen  Schen- 
kelgegend liegenden  Plexus 
tragen  diejenigen  Nerven- 
paare bei,  welche  die  Nrn. 
XV  bis  XIX  tragen.  Nach 
kurzem  Verlaiife  vereinigen 
sich  Nr.  XIX,  XVIII  und 
ein  Ast  von  XVII  zu  einem 
kurzen  Stamme ,  aber  vor 
der  Vereinigung  schickt 
Nr.  XIX  einige  Aeste  (1)  nach  hinten  zu  den  Muskeln  der  Schwanzwurzel 
und  der  Hinterfläche  des  Schenkels.  Von  dem  durch  die  Vereinigung  der 
drei  genannten  Nervenpaare  gebildeten  gemeinsamen  Stamme  gehen  nach 
hinten  drei  bedeutende  Nerven  ab  :  der  hinterste,  Nervus  öbtnrafnrhis  (2), 


Lucerta  ocellatu.  —  Schema  des  Sclienkelgeflechtes 
iu  natürlicher  Grösse.  XV  bis  XIX,  Spinalnerven; 
1,  Schwanznerven;  2,  N.  obturatorius ;  3,  N.  crura- 
lis ;  4,  N.  ischiaticus ;  5,  sein  Zweig  zu  den  Beuge- 
muskeln;  6,  Zweig  zu  den  Rollmuskeln;  7,  Ver- 
bindungszweig zwischen  Nr.  XVII  und  XVI ;  8,  ober- 
flächliche Zweioe ,   9,  tiefe  Zweite. 


668 


Wirbeltliiere. 


rig.  278. 


der  zugleich  der  kürzeste  ist,  verzweigt  sich  in  den  hinteren  und 
inneren  Schenkelmuskeln;  der  zweite,  N.  eruralis  (3),  schmächtiger  als 
der  folgende,  versorgt  die  Streckmuskeln  auf  der  vorderen  Fläche  des 
Beines  und  des  Fusses;  der  dritte  und  mächtigste,  N.  iscMaticus  (4), 
verläuft  längs   dem  Femur  in   der   Tiefe   zwischen   den  Beugemuskeln 

des  Schenkels,  denen  er  Zweige  ab- 
giebt,  theilt  sich  am  Kniegelenk  in 
zwei  gleich  grosse  Aeste  (5),  von 
welchen  der  eine  auf  der  Beuge- 
seite des  Gliedes  bis  zu  den  Beuge- 
muskeln der  Finger  sich  verbreitet, 
während  der  andere  (6)  in  scharfem 
Bogen  nach  vorn  zieht  und  die 
Rollmuskeln  zwischen  Tibia  und 
Fibula  versorgt.  Das  XVII.  Nerven- 
paar theilt  sich  unmittelbar  nach 
seinem  Austritte;  sein  Hauptstamm 
vereinigt  sich  mit  dem  von  Nr.  XIX 
und  XVIII  gebildeten  gemeinsamen 
Stamme,  während  ein  vorderer  Ast 
(7)  zu  dem  XVI.  und  mittelst  dieses 
zu  Nr.  XV  sich  begiebt.  Von  diesem 
Theile  des  Geflechtes  gehen  Zweige 
ab,  welche  (8)  zu  den  vorderen  und 
oberflächlichen  Muskeln  des  Schen- 
kels sich  begeben ,  während  die 
übrigen  (9)  die  tiefen  Muskeln  des 
Oberschenkels  verbergen. 

Armgeflecht  (Fig.  278).  — 
Die  an  diesem  Plexus  theilnehmen- 
den  Spinalnerven  haben  die  Nrn.  VII, 
VI,  V  und  IV.  Sie  bilden  durch 
Convergenz  ein  Netz,  dessen  Verbin- 
dungsfäden in  ihren  gegenseitigen 
Beziehungen  bei  den  einzelnen  In- 
dividuen sich  nicht  ganz  gleich  ver- 
halten. Der  hinterste  Nerv,  Nr.  VII, 
verläuft  an  der  Seite  nach  unten 
und  erhält  in  der  Höhe  des  Schulter- 
gelenkes einen  Verbindiingszweig 
(b^)  vom  VI.  Nerven.  Die  Vereini- 
gung dieser  beiden  Nerven  bringt 
eine  Erweiterung  hervor,  von  wel- 
cher  nach   unten    zwei    Aeste   aus- 


Lacerta  oce/luta.  —  Schema  des  Arm- 
geriechtes  in  natürlicher  Grösse.  IV  bis 
VII,  Spinalnerven ;  a,  gemeinsamer  Nerv 
zwischen  VI  und  VII ;  a  t,  äusserer  Zweig; 
a^,  vorderer  Zweig  ;  b^,  Verhindungszweig 
zwischen  VI  und  VII ;  i^,  zwischen  VI 
und  V ;  b^  bis  b^,  Armnerven ;  c^,  Ver- 
bindungszweig zwischen  V  und  VI ;  c,  ge- 
meinsamer Stamm  von  V  und  IV ;  c^, 
hinterer  Ast ;  c* ,  Verhindungszweig 
zwischen  beiden  ;  c^,  vorderer  Ast  des  ge- 
meinsamen Stammes ;  e,  vorderer  Zweig 
von  IV ;  s,  Sympathicus ;  s^,  sein  Ver- 
bindungszweia;  mit  VII. 


Reptilien.  6G9 

strahlen.  Der  eine  (a^)  verläuft  auf  der  Aussenseite  des  Gliedes  und 
versorgt  auf  seinem  Wege  die  benachbarten  Streckmuskeln  des  Armes, 
der  Handwui-zel  und  der  Finger.  DerXerv  fl-  verläuft  anfangs  parallel 
dem  vorigen,  schlägt  sich  dann  auf  die  Vorderseite  des  Gliedes,  ver- 
sorgt die  dortigen  Muskeln  und  endet  in  den  Muskeln,  welche  an  der 
Innenfläche  der  Handwurzel  und  der  Finger  angebracht  sind.  —  Der 
Nerv  Nr.  VI  verläuft  bis  zum  Arme  und  gabelt  sich  dann  in  einen 
hinteren  Verbindungszweig  (5^)  zum  Nerven  Nr.  VII  und  einen  vor- 
deren Ast  (b-),  der  nach  kurzem  Laufe  einen  kurzen  Verbindungszweig 
(c^)  zu  der  aus  der  Vereinigung  der  Nerven  Nr.  V  und  IV  hervor- 
gehenden Anschwellung  (b^)  abgiebt.  Aus  dieser  Anschwellung  strahlen 
zwei  Nerven  (&*  und  7^-')  aus,  welche  sich  in  den  Muskeln  um  den  Hn- 
merus  verzweigen.  Der  Nerv  h'^  hat  noch  einen  feinen  Verbindungs- 
zweig (b-^)  zu  dem  Nerven  a.  Die  Nerven  Nr.  V  und  IV  vereinigen 
sich  sehr  bald  in  einer  etwas  verdickten  Stelle,  von  welcher  wieder 
zwei  Nerven  ausgehen :  ein  Verbindungsast  (c^)  zu  dem  Nerven  b  und 
ein  dickerer  vorderer  Ast  (c^),  welcher  sich  bald  gabelt.  Die  beiden 
Gabeläste  (c^  und  c'')  sind  durch  eine  kleine  Quercommissur  (c^)  mit 
einander  verbunden.  Der  hintere  Ast  verschmilzt  mit  dem  Nerven  b-, 
der  vordere  verzweigt  sich  in  den  Muskeln  an  der  oberen  Hälfte  des 
Armes.  —  Der  Nerv  Ni*.  IV  entsendet  bald  nach  seinem  Austritte  aus 
dem  Rückencanal  einen  Zweig,  der  in  schiefer  Richtung  nach  vorn  ver- 
läuft und  sich  in  den  Muskeln  des  Halses  verzweigt. 

Die  Hirn  nerven  (Fig.  278,  279)  zeigen,  den  Amphibien  gegen- 
über, wesentliche  Fortschritte  auf,  indem  einerseits  der  Hypoglossus 
sich  gänzlich  von  den  Spinalnerven  losgelöst  hat  und  anderseits  der 
Accessorius  ebenfalls,  wenigstens  in  seinen  Wurzeln,  sich  deutlich 
kennzeichnet. 

Der  Hypoglossus  (XII,  Fig.  279)  entspringt  auf  der  ventralen 
Fläche  des  verlängerten  Markes  nahe  an  der  Mittellinie,  ziemlich  weit 
nach  hinten.  Wir  konnten  auf  unserer  schematischen  Figur  nur  seine 
abgeschnittenen  Wurzeln  anbringen,  ohne  seinen  Verlauf  darzustellen. 
Der  Nerv  verlässt  die  Schädelhöhle  durch  ein  kleines,  nahe  beim  Gelenk- 
höcker angebrachtes  Löchelchen  des  seitlichen  Hinterhauptsbeines.  An- 
fangs verläuft  er  längs  dem  Halse,  schlägt  sich  aber  dann  plötzlich  nach 
vorn  und  zersplittert  sich  in  mehrere  Aeste,  welche  die  Zweige  des 
Vagus  kreuzen  und  sich  im  Pharynx,  in  der  hinteren  Rachenhöhle  und 
in  den  Zungenmuskeln  verzweigen.  Da  nun  diese  Zweige  der  Mund- 
schleimhaut hart  anliegen ,  so  hätten  sie  auf  unserer ,  der  Innenfläche 
entnommenen  Zeichnung  alle  übrigen  Nervenäste  gekreuzt  u.nd  so  eine 
Verwirrung  erzeugt,  die  wir  vermeiden  wollten. 

Die  Vagusgruppe  schliesst  die  Elemente  des  N.  accessorius 
Willisii,  des  Vagus  und  des  Glossopharyngeus  in  sich  ein.  Diese  drei 
Nervenpaare   sind   so   eng   mit  einander   verfilzt,   dass   man    nicht   mit 


670 


Wirbelthiere. 


Sicherheit  von  einem   aus   dem   Gewirre    hervortrenden  Nerven  sagen 
kann,  welchem  Stamme  er  eigentlich  angehört. 

Die  dem  Accessorius  (XI,' Fig.  279)  entsprechenden  Wurzeln 
treten  auf  der  Seitenfläche  des  Markes  in  einer  horizontalen  Längslinie 
in  der  Art  aus,  dass  die  hinterste  dieser  Wurzeln,  die  zugleich  die 
längste  und  mächtigste  ist,  fast  in  der  Höhe  des  ersten  Spinalnerven 
ihren  Ursprung  nimmt.  Sobald  die  Wurzel  diirch  die  übrigen  feinen 
Würzelchen  zusammengestellt  ist,  verbindet  sie  sich  mit  den  Wurzeln 
des  Vagus,  nicht  ohne  vorher  einen  ziemlich  langen  Verbindungsast 
zum  Sympathicus  zu  entsenden. 

Die  dem  eigentlichen  Vagus  (X)  zuzutheilenden  Wurzeln  sind 
äusserst  zart  und  lösen  sich  sehr  leicht  von  der  Seitenfläche  des  ver- 
längerten Markes  ab,  wo  sie  ihren  Ursprung  nehmen.     Sie  vereinigen 

Fig.  279. 
■hy      hy  TV    XU 


a^ ^ 


Lacerta  ocellaia.  —  Schema  der  Kopfnerveii  in  doppelter  Grösse.  Der  Kopf  und  der 
Hals  sind  durch  einen  von  der  Bauchfläche  aus  geführten  medianen  Sagittalschnitt  bis 
zur  Schädelbasis  und  der  Wirbelsäule  gespalten  und  die  Schädelknochen  und  Wirbel- 
körper entfernt  worden ,  um  das  Rückenmark  und  das  Gehirn  in  einfachen  Conturen 
von  der  unteren  Fläche  zu  zeigen.  Die  Nerven  sind  als  von  der  inneren  Seite  ge- 
sehen zu  betrachten.  I,  Riechnerven ;  II,  Sehnerven ;  III,  Oculomotorius ;  IV,  Troch- 
learis;  V,  Trigeminus;  VI,  Abducens ;  VII,  Facialis;  VIII,  Acusticus,  abgeschnitten; 
IX,  Glossophaiyngeus ;  X,  Vagus;  XI,  Accessorius;  XII,  abgeschnittene  Wurzeln  des 
Hypoglossus ;  1  bis  7,  Spinalnerven;  m,  Rückenmark;  s,  Sympathicus;  j)!,  Plexus 
brachialis  ;  a,  Ophthalmicus  des  Trigeminus;  6,  Maxillaris ;  c,  Mandibularis;  It,  Hirn- 
hemisphären ;  hy,  Hypophysis. 

sich  zu  einem  Stamme,  der  an  der  Seite  des  Halses  herabläuft,  sich 
aber  bald  in  zwei  Aeste  theilt.  Von  dem  vorderen  dieser  Aeste  geht 
bald  ein  Zweig  nach  hinten  ab,  der  sich  in  den  Muskeln  verzweigt, 
welche  das  Hinterhaupt  mit   der  venti^alen  Fläche   der  Halswirbelsäule 


Reptilien.  671 

vex'biaden.  Etwas  weiter  unten  geht  ein  kurzer  Yerbindungszweig  zu 
dem  Sympathicus  und  Glossopharyngeus.  Sodann  läuft  der  Nerv  nach 
hinten  und  gelangt  in  die  Nähe  der  von  dem  Armgeflecht  gebildeten 
Verzweigungen.  Von  diesem  Punkte  aus  sendet  er,  als  Eingeweide- 
nerv, ausserordentlich  feine  Zweige  zum  Herzen  und  zum  Magen, 
ausserdem  aber  auch  einen  zurücklaufenden  Nerven,  der,  auf  der  Yentral- 
seite  des  Halses  neben  der  Liiftröhre  nach  vorn  verlaufend,  bis  zur 
Symphyse  des  Kinnes  sich  verfolgen  lässt.  Dies  ist  der  N.  laryngeus 
inferior.  —  Der  andere  Gabelast  des  Vagus  verbindet  sich  mit  dem 
Accessorius  zu  einer  länglichen  Anschwellung,  von  deren  unterem  Ende 
zwei  Aeste  ausgehen ,  ein  dicker  vorderer ,  leicht  zu  verfolgender  Äst, 
der  längs  dem  vorderen  Hörne  des  Zungenbeines  zur  Ventralseite  des 
Halses  hinabsteigt  und  in  der  Kinngegend  sich  an  die  M.  cercdo-hyokleus 
externus  und  internus,  sowie  an  die  Zunge  selbst  verästelt.  Der  hin- 
tere Ast  läuft  dem  hinteren  Zungeubeinhorne  entlang  und  verästelt 
sich  in  dem  M.  thoraco-hyoideus. 

Der  Glossopharyngeus  (IX)  entspringt  seitlich  am  verlänger- 
ten Marke  kurz  hinter  dem  Hörnerven  als  feiner  Faden,  der  längs  des 
Halses ,  parallel  mit  dem  Vagus,  zur  ventralen  Fläche  hinabsteigt  und 
sich  in  den  Muskeln  verzweigt,  welche  die  Zungenbeinhörner  mit  ein- 
ander verbinden.  Etwa  im  oberen  Drittel  seiner  Erstreckung  schwillt 
er  zu  einem  kleinen,  birnförmigen  Ganglion  an,  von  welchem  nach 
vorn  ein  kurzer  Verbindungszweig  zur  Facialis,  nach  hinten  ein  eben- 
falls kurzer,  aber  weit  dickerer  Verbindungszweig  zum  Sympathicus 
abgehen. 

Der  Acusticus  (VHI)  entspringt  ebenfalls  an  der  Seitenfläche 
des  verlängerten  Markes  unmittelbar  vor  dem  vorigen.  Er  ist  nur 
sehr  kurz  und  theilt  sich  noch  in  seinem  Austrittsloche  im  Felsenbein 
in  zwei  Aeste,  den  N.  cochlearis  und  -V.  vestibularis,  mit  deren  Ver- 
zweigungen wir  uns  bei  "Gelegenheit  des  Hörorganes  beschäftigen 
werden. 

Die  Wurzel  des  Facialis  (VH)  lässt  sich  von  derjenigen  des 
Acusticus  nicht  trennen.  Der  selbständig  gewordene  Nerv  läuft  unter 
dem  vorderen  Zweige  des  Hörnerven  durch  und  erhält  sodann  den 
erwähnten  Verbindungszweig  vom  Glossopharyngeus.  Am  Tegument 
der  Seite  des  Halses  angelangt,  theilt  er  sich  in  zwei  Aeste,  deren  einer 
sich  nach  vorn  schlägt,  in  den  Kaumuskel  eindringt  und  weiter  sich  in 
den  Unterkiefer  fortsetzt,  wo  er  in  eine  Menge  pinselförmig  aus- 
strahlender Fädchen  sich  auflöst,  die  den  M.  myJo-hyijuJeus  versorgen, 
während  der  hintere  Ast  die  oberflächlichen  Muskeln  der  Halsseite 
versorgt. 

Der  Abducens  (VI,  Fig.  279;  ah,  Fig.  280)  entspringt  auf  der 
ventralen  Fläche  des  verlängerten  Markes,  gerade  unter  dem  Klein- 
hirne.    Er  verläuft  in  der  Schädelhöhle  horizontal  neben  dem  Gehirne, 


672 


Wirbelthiere. 


dann  an  dem  Gasser' sehen  Knoten  vorbei  und  verzweigt  sich  mit 
mehreren  Fädchen  in  dem  geraden,  äusseren  Augenmuskel. 

Der  Tr  ige  minus  (V,  Fig.  279;  t,  Fig.  280)  verlässt  das  ver- 
längerte Mark  etwas  unter  und  vor  dem  Acusticus  mit  schiefer  Rich- 
tung nach  vorn.  Er  giebt  sofort  einen  starken  Ast  ab,  den  N.  opMlial- 
micus  (a),  der  sich  horizontal  nach  vorn  richtet.  Der  Stamm  schwillt 
sodann  zu  einem  bedeutenden  Ganglion  an,  dem  Ganglion  Gasseri 
(r/G),  au  welchem  der  Ophthalmicus  keinen  Antheil  nimmt,  aus 
welchem  aber  zwei  andere  Aeste  hervortreten ,  der  N.  maxillaris  (h) 
und  der  N.  mandibiüaris  (c). 

Der  N.  ophthalmicus  {t^,  Fig.  280)  läuft  in  horizontaler  Rich- 
tung gegen  den  Augapfel  hin,  wo  er  sich  in  zwei  Aeste  theilt,  einen 
oberen  Stirnast  {f^),  welcher  an  der  Decke  der  Augenhöhle  hin- 
streicht und  die  dortigen  Organe  versieht,  und  einen  unteren  Nasen - 
ast  {t'^) ,  der  an   dem  Grunde   der  Orbita  nach  vorn   verläuft  in   fast 

Fio-.  280. 


Lacerta  viridis.  —  Schema  der  Augennerven,  in  vierfacher  Vergrösserung.  oe,  Um- 
riss  des  Augapfels;  t,  Wurzel  des  Trigeminus ;  g  G,  Ganglion  Gasseri ;  t^,  Augenast 
des  Trigeminus;  if^,  Oberkieferast;  fi,  Unterkieferast  desselben;  t^,  Stirnzweig;  t^, 
Nasenzweig  des  Augenastes;  d,  Zweig  des  Nasenastes  zum  Augapfel;  <r,  Trochlearis; 
o,  Oculomotorius ;  c,  sein  Ciliarast;  g  c,  Ciliarganglion ;  g,  Verbindungszweig  vom 
Nasenaste  des  Trigeminus  zum  Ciliarganglion;  o^,  mittlerer  Ast  des  Oculomotoi-ius ; 
0^,  sein  unterer  Ast;    o^,  Zweig    zum  inneren    geraden  Augenmuskel;    ah,  Abducens. 


horizontaler  Richtung,  zuerst  einen  feinen  Zweig  {g)  zum  Ciliarknoten 
und  dann  einen  noch  weit  feineren  (d)  abgiebt,  der  in  die  Hinterfläche 
des  Augapfels  selbst  eindringt.  Der  Nerv  ist  von  dem  oberen  rechten 
Augenmuskel  bedeckt.  Nach  Durchsetzung  der  Orbita  durchbricht  er 
die  vordere  Scheidewand  derselben  und  verzweigt  sich  in  den  Um- 
gebungen der  Nasenkapsel. 

Der  starke  N.  maxillaris  (b,  Fig.  279)  verläuft  fast  horizontal. 
Er  theilt  sich  in  mehrere  Aeste.  Der  stärkste  tritt  in  den  Oberkiefer 
selbst  ein ,  um  sich  in  der  Mundschleimhaut  und  den  Zähnen  zu  ver- 
theileu;  die  anderen  gehen  zur  Haut  der  Wangengegeud. 


Reptilien.  673 

Der  N.  mandibul ari s  (c,  Fig.  279)  verläuft  von  oben  nacli 
unten.  An  dem  Unterkiefer  angelangt,  dringt  er  in  dessen  innere 
Aushöhlung  ein,  durchsetzt  den  Kaumuskel  in  seinen  inneren  Bündeln 
und  folgt  der  Rinne  des  Untei-kiefers  bis  zum  Kinn,  indem  er  durch 
die  Abgabe  zahlreicher  Aestchen  an  Schleimhaut  und  Zähne  stets  dünner 
und  schmächtiger  wird.  Der  Hauptnerv  entsendet  bald  nach  seinem 
Austritte  aus  dem  Gass  er' sehen  Knoten  zwei  x\este,  einen  zu  dem 
Kaumuskel,  welcher  sich  bald  gabelt,  und  einen  anderen,  ansehn- 
licheren, der  sich  etwas  nach  oben  und  hinten  schlägt,  um  sieh  in  der 
Schleimhaut  des  Daches  der  Mundhöhle  zu  verzweigen. 

Der  Trochlearis  oder  Patheticus  (IV,  Fig.  279;  fr,  Fig. 
280)  entspringt  als  sehr  dünner  Nerv  auf  der  dorsalen  Fläche  des 
Hirnes  an  der  Grenze  zwischen  Mittelhirn  und  Kleinhirn.  Er  ver- 
läuft in  horizontaler  Richtung  an  der  Seite  der  Hemisphären,  dringt  in 
die  Augenhöhle,  indem  er  den  Augenast  des  Trigeminus  kreuzt  und 
verzweigt  sich  in  dem  oberen  schiefen  Augenmuskel. 

Der  0  cul  om  0  torius  (III,  Fig.  279;  o,  Fig.  280)  entspringt  an 
der  Unterfläche  der  Hirnschenkel  in  Gestalt  eines  platten  Bändchens, 
das  an  der  Hinterseite  der  Hemisphären  herum  sich  nach  vorn  schlägt. 
Unmittelbar  nach  seinem  Eintritte  in  die  Augenhöhle  theilt  sich  der 
Nerv  in  drei  Zweige.  Der  oberste,  der  Ciliarnerv  (c),  dringt  fast 
unter  einem  rechten  Winkel  in  den  Augapfel  ein  und  verzweigt  sich 
dort  vorzugsweise  in  der  Iris.  Auf  seinem  Wege  bildet  er  einen  läng- 
lichen Knoten,  das  Ciliar ganglion  (gc),  das  bei  verschiedenen  In- 
dividuen in  ungleicher  Weise  ausgebildet  erscheint  und,  wie  oben  ge- 
sagt, einen  feinen  Verbindungsfaden  (g)  vom  Nasenaste  des  Ophthalmicus 
erhält.  Der  mittlere  Zweig  (o^,  Fig.  280)  ist  nur  kurz;  er  verzweigt 
sich  gänzlich  in  dem  rechten  unteren  Augenmuskel.  Der  weit  be- 
deutendere untere  Ast  (o-)  verläuft  auf  dem  Grunde  der  Orbita  nach 
vorn,  giebt  zuerst  einen  Faden  (o')  zum  inneren  geraden  Augenmuskel 
und  verzweigt  sich  dann  im  oberen  geraden,  unteren  schiefen  und  dem 
Rückziehmuskel  des  Augapfels. 

Die  Sehnerven  (II)  verlassen  die  Hirnbasis  unmittelbar  vor 
dem  Hirntrichter  und  bilden  ein  vollständiges  Chiasma.  Vor  ihrem 
Eintritte  in  die  Sclerotica  schwellen  die  Nerven  ein  wenig  an  und 
zwischen  ihren  dicht  an  einander  gedrängten  Fasern  sieht  man  unter 
angemessener  Vergrösserung  leicht  den  Fasern  parallele  Züge  von 
zahlreichen  kleinen  Kernen. 

Die  Riechnerven  (I)  sind  die  dicksten  Hirnnerven;  sie  bilden 
eine  hohle  Fortsetzung  der  Hemisphären  und  zeigen  an  ihrem  Ursprünge 
kaum  merkliche  Andeutungen  von  Anschwellungen.  Sie  verlaufen 
über  die  Augenhöhle  weg  zu  beiden  Seiten  der  mittleren  Scheidewand, 
der  sie  hart  anliegen,  schwellen  vor  der  Nasenwand,  dicht  an  einander 

Vogt  u.  Yang,    prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  aq 


674  Wirbelthiere. 

liegend,  kolbig  au  und  stossen  mit  dieser  Anschwellung,  in  welcher  die 
innere  Höhle  endet,  an  die  Nasenkapsel,  in  deren  Innerem  sie  sich  ver- 
zweigen. Ein  feiner  Ast  geht  nach  abwärts  zu  dem  Jacobson' sehen 
Organe.  * 

Das  sympathische  System  (s,  Fig.  279)  bildet  zu  beiden 
Seiten  der  Wirbelsäule  einen  äusserst  feinen  Grenzstrang,  der  sich  in 
der  Höhe  des  Schenkelgeflechtes  in  einen  Endplexus  von  feinen  Zweigen 
auflöst,  welcher  mit  demjenigen  der  anderen  Seite  anastomosirt.  Der 
aus  diesem  Plexus  hervorgehende  Grenzstrang  läuft  nun  der  Wirbel- 
säule entlang,  nach  vorn.  Er  liegt  nach  innen  von  den  Spinalnerven, 
und  in  jedem  Zwischenräume  zwischen  denselben  schwillt  er  zu  einem 
kleinen,  runden  Ganglion  an,  das  durch  einen  feinen  Zweig  mit  dem 
nächsten  Spinalnerven  in  Verbindung  steht.  Auf  seinem  Wege  giebt 
der  Nerv  feine  Zweige  an  die  Geschlechtsorgane,  die  Aorta,  das  Bauch- 
fell und  den  Darm.  In  der  Gegend  des  Armgeflechtes  angelangt,  biegt 
der  Grenzstrang  von  der  Wirbelsäule  allmählich  ab  und  steigt  an  den 
Seiten  des  Halses  in  die  Höhe.  Der  hinterste  Nerv  des  Armgeflechtes 
(Nr.  YII)  steht  mit  ihm  durch  einen  feinen,  von  seiner  Hinterseite  ab- 
gehenden Ast  in  Verbindung  (Fig.  279).  Vor  dem  Armgeflechte 
schwillt  der  nun  schon  ziemlich  weit  von  der  Wirbelsäule  abstehende 
Grenzstrang  zu  einem  länglichen  Ganglion  an,  von  welchem  zweiAeste 
abgehen.  Der  vorderste  dieser  Aeste,  der  bedeutendste,  verzweigt  sich 
am  Schhinde.  Nach  Bildung  des  Ganglions  setzt  der  Grenzstrang 
seinen  Weg  in  einem  Bogen  fort,  womit  er  die  Austrittsstelle  des  Tri- 
geminus  an  der  Schädelbasis  erreicht.  An  diesen  Bogen  gehen  Ver- 
binduugszweige  mit  dem  Accessorius  und  dem  Glossopharyngeus.  Der 
Grenzstrang  setzt  seinen  Weg  unter  der  Schädelbasis  fort  und  endigt 
in  der  Schleimhaut  des  Daches  der  Mundhöhle. 

Sinnesorgane.  —  Bis  jetzt  hat  man  noch  keine  specifische 
Geschraacksorgane  aufgefunden.  Ein  mehrschichtiges  Pflaster- 
epithelium,  in  welchem  man  keine  Spur  von  besonderen  Zellbildungen 
hat  nachweisen  können,  bedeckt  die  Zunge  und  die  Wände  der  Mund- 
höhle, die  wir  bei  den  Verdauungsorganen  abhandeln  werden. 

Geruchsorgan  (Fig.  281).  —  Die  äusseren  Nasen  Öffnungen  (a) 
liegen  etwas  seitlich  an  der  Schnauzenspitze  in  Gestalt  von  gekrümmten 
Spalten  mit  einer  knopfartigen  Verdickung  in  der  Mitte.  Jede  führt 
in  einen  geräumigen ,  mit  einer  dicken ,  weisslichen  Schleimhaut  aus- 
gekleideten Vorhof  (v,  Fig.  281),  der  von  einer  Knorpelkapsel  um- 
schlossen ist  und  innerlich  mit  einem  Epithelium  von  Pflasterzellen 
überzogen  ist,  welches  sich  als  eine  Einstülpung  der  äusseren  Epi- 
dermis darstellt.  Man  findet  darin  weder  Drüsenbälge  noch  Verzwei- 
gungen des  Riechnerven;  wohl  aber  liegen  ausserhalb  des  Vorhofes 
einige  unbedeutende  Drüsenkörner,  die  Vor  ho  f  drüsen  ((!',  Fig.  287), 
in  dem  Räume  zwischen  dem  Stirnbeine   und  der  Vorhofkapsel.     Nach 


Reptilien. 


675 


Fio;.  281. 


Lac.  ocellata.  A.  Doppelt  yergrösserter  Sagittalsclmitt  des  Schädels  nahe  an  dei- 
Mittellinie  zur  Darstellung  der  Beziehungen  der  einzelnen  Theile  zu  einander,  o,  Nasen- 
loch ;  Z»,  Schädeldecke;  c,  Nasenmuschel;  cli.  Stelle  der  Choanenöftnung ;  c/,  Scheide- 
wand zwischen  Nasenhöhle  und  Orbita ;  rf,  Gaumenhöhle  um  den  Kaumuskel  herum ; 
ec,  Schädelbasis;  ep,  Kleinhirn;/,  von  der  Mundschleimhaut  überzogener  Kaumuskel ; 
(j,  Gefässplexus  unter  dem  Gehirne;  /;,  Hemisphäre  des  Grosshirns;  hy,  Hypophysis ; 
_/,  Jacobson' sches  Organ;  h,  Schleimhaut  des  Gaumens ;  /,  Divertikel  zum  Trommel- 
felle; TO,  Mittelhirn;  m«,  verlängertes  Mark ;  m«,  obere  Halsmuskeln;  no,  Riechnerv; 
no^,  sein  abgeschnittenes  distales  Ende;  op,  linker  Sehnerv;  o/;^ ,  rechter  ab- 
geschnittener Sehnerv;  ;?,  Decke  der  Gaumenhöhle;  rs,  oberer  gerader  Augenmuskel ; 
V,  Vorhof  der  Nase;  x,  Härder 'sehe  Drüse;  IV,  N.  trochlearis ;  V,  Augenast  des 
N.  trigeminus.  B.  Der  Nasentheil  desselben  Durchschnittes,  mehr  ausgearbeitet  und 
dreifach  vergrössert.     a,  Nasenloch ;  h,  Scheidewand  zwischen  Nasenhöhle  und  Orbita  ; 

c,  Muschel;  c^,  ihre  obere  Anheftung ;  i»,  Zwischenkiefer ;  y^,  Kapsel  des  Jacobson'- 
schen  Organes ;  j^,  innere ,  die  Höhlung  umgebende  Kapsel ;  ß,  deren  Oeffnung ; 
l,  Thränencanäle ;  ?i,  Nasenhöhle;  '«i,  vordere  und  obere  Bucht  derselben;  n^,  die 
Muschel  durchsetzende  Bucht  derselben;  n^,  hintere  Bucht;  ?i*,  basale  Erweiterung; 
i»,  Vorhof;  vo,  Vomer.  C.  Die  linke  Nasenhöhle,  von  oben  geöffnet,  in  dreifacher 
Vevgrösserung.     a,  Nasenloch;  c,  Muschel;  c/,  Scheidewand  gegen    die  Schädelhöhle; 

d,  mittlere  Nasenscheidewand ;  /,  obere  Anheftung  der  Muschel ;  /^,  seitliche  Er- 
weiterung   derselben;    n,   Seitenvaum    der   Nasenhöhle,    ii^,   hintere    Bucht    derselben; 

wo,  Riechnerv;  p,   Seitenwand   des  Schädels;   ;•,   Yorhof  der  Nase. 

43* 


676  Wirbelthiere. 

hinten  mündet  der  Vorhof  durch  eine  von  gefranzten  Rändern  umgebene 
Oeffnung  in  den  Nasensack  (n,  Fig.  281,  B) ,  eine  weite,  von  dem 
Nasenbeine,  dem  Oberkiefer  und  dem  Vomer.nach  unten  umgebene 
Höhle,  welche  durch  eine  ziemlich  dünne,  senkrechte  Knorpelscheide- 
wand von  der  Höhle  der  anderen  Seite  getrennt  wird.  Die  Höhle  im 
Ganzen  hätte  eine  in  die  Länge  gezogene  Eigestalt,  wenn  sie  nicht 
grösstentheils  durch  ein  gewölbtes,  vorspringendes  Knochenschild  aus- 
gefüllt würde,  die  Obernasenbeine  oder  Muscheln  (c).  Diese  Vor- 
wölbung lässt  nur  einen  verhältnissmässig  engen  Raum  frei,  der  in- 
dessen nach  innen  und  unten  weiter  wird  und  so  einen  ziemlich  breiten 
Nasencanal  darstellt,  der  sich  nach  hinten  durch  einen  fast  senkrechten 
Gang  in  die  Choane  öffnet,  welche  in  dem  vorderen  Theile  des  Daches 
der  Mundhöhle  eine  lange  Spalte  bildet.  Die  Muschel  (c)  wird  oben 
etwa  in  der  Hälfte  ihrer  Vorderseite ,  durch  eine  von  der  Hülle  des 
Vorhofes  ausgehende  bandartige  Falte  (7,  Fig.  281,  C)  befestigt,  welche 
eine  Nebenhöhle  des  Nasensackes  frei  lässt  (n^,  B) ,  die  sich  gegen  die 
Augenhöhle  hin  fortzieht,  hier  aber  blind  geschlossen  ist.  Auf  allen 
freien  Flächen  der  Muschel  sieht  man  punktförmige  Oeffnungen  von 
kleinen  Drüsenbälgen.  Ausserdem  finden  sich  aber  in  der  Aushöhlung 
der  Muschelwölbung  traubenförmige  Griippen  gewundener  Drüsen- 
röhren, welche  die  Nasen  drüse  (/'^,  Fig.  287)  bilden.  Die  Röhrchen 
der  Drüse  sind  stark  pigmentirt  und  vereinigen  sich  in  kurzen  Ab- 
führcanälchen ,  welche  auf  der  Grenze  zwischen  Vorhof  und  Nasensack 
in  den  an  die  Seitenwand  angelehnten  Winkel  münden.  Alle  diese 
Drüsen  sondern  einen  zähen,  klebrigen  Schleim  ab. 

Ein  mehrschichtiges,  aus  hohen  Cylinderzellen  bestehendes  Riech- 
epithel breitet  sich  über  alle  Flächen  aus,  mit  Ausnahme  des  erwähnten 
Divertikels. 

Die  im  hinteren  Theile  des  Nasensackes  angebrachte  Choane 
(g,  g^,  Fig.  287)  verlängert  sich  am  Dache  des  Gaumens  nach  voim 
wie  nach  hinten  in  eine  tiefe,  von  der  Mundschleimhaut  ausgekleidete 
Rinne,  in  deren  vorderen  Theil  der  Ausführungsgang  des  Jacob  son'- 
schen  Organes  mündet  (j^,  Fig.  281,  B),  während  in  der  hinteren  Ecke 
die  Thräiiencanäle  des  Auges  (7)  sich  öffnen. 

Das  Jacobs  on'sche  Organ  (j,  Fig.  281,  A,  B)  liegt  jederseits 
hart  an  der  dünnen  Nasenscheidewand  an.  Jedes  Oi-gan  {B)  bildet 
eine  eiförmige  Höhle  mit  senkrechter  Längsaxe,  die  von  einer  dünnen 
Knorpelkapsel  {j^)  umgeben  ist  und  deren  Boden  sich  im  Inneren  wulst- 
artig erhebt.  Die  Höhle  mündet  hinten  durch  einen  feinen  Aus- 
führungsgang in  die  Choanenrinne  {]'"').  Das  Organ  wird  von  einer 
dicken  Pigmentschicht  umgeben ,  so  dass  es  bei  der  Betrachtung  von 
aussen  wie  eine  schwarze  Kugel  mit  weissem  Centrum  aussieht  (^',  A), 
Die  innere  Schleimhaut  ist  dick,  von  Riechzellen,  ähnlich  denjenigen 
des   Nasensackes    (j',  B),   ausgekleidet.      Dagegen    ist   der    Boden    des 


Reptilien.  677 

Organes  nur  mit  einer  einfachen  Schicht  runder  Zellen  bedeckt,  die 
auf  einer  dünnen  Bindegeweb.slumelle  aufruhen.  Das  Organ  erhält 
einen  bedeutenden  Zweig  des  Riechnerven,  dessen  Bündel  vom  Dache 
her  durch  eine  Menge  feiner  Löchelchen,  vrelche  die  Knorpelkapsel 
durchsetzen ,  eindringen  und  sich  an  den  mit  Riechzellen  besetzten 
Stellen  verästeln. 

Sehorgan  (Fig.  282,  283).  —  Wir  unterscheiden  den  fast  kugel- 
förmigen, nur  auf  der  Hornhautseite  etwas  abgeplatteten  Augapfel  und 
die  Nebenorgane,  Muskeln,  Drüsen,  Lider  u.  s.  w. 

Augapfel.  —  Die  Sclerotica  (s,  Fig.  282  a.  f.  S.)  ist  fast  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  knorpelig,  wird  aber  in  ihrer  vorderen  Hälfte  durch 
einen  Knochenring  gestützt,  der  aus  dünnen,  in  Fasergewebe  ein- 
geschlossenen und  über  einander  geschobenen  Plättchen  gebildet  ist 
(gl,  Fig.  283).  Jedes  Plättchen  besteht  aus  zwei  breiteren  Endstücken,  die 
durch  eine  schmälere,  kurze  Brücke  vereinigt  sind.  Das  der  Hornhaut 
zugewendete  Ende  ist  breiter  als  das  hintere.  Man  sieht  in  dem  Gewebe 
dieser  Plättchen  unter  dem  Mikroskope  zahlreiche  Knochenkörperchen,  die 
an  dem  Rande  nach  parallelen,  concentrischen  Linien  geordnet  sind.  Vor 
den  Plättchen  wird  der  Rand  der  Sclerotica  faserig  und  geht  in  die 
Hörn  hallt  (e,  Fig.  282)  über,  die  etwas  abgeplattet  und  aus  fünf 
über  einander  liegenden  Schichten  gebildet  ist.  Die  äusserste  und 
innerste  dieser  Schichten  bestehen  aus  gleichartigen  Epithelialzellen ; 
die  mittlere  ist  faserig  und  auf  jeder  Fläche  von  einer  feinen  Basal- 
membran überzogen.  Die  Choroidea  (cli)  überzieht  die  Innenfläche 
der  Sclerotica ;  ihre  Aussenseite  ist  höckerig.  Sie  enthält  zahlreiche 
Ablagerungen  von  schwarzem  Pigment.  An  dem  Kreise,  wo  sich  Scle- 
rotica und  Cornea  berühren,  schlägt  sich  die  Choroidea  nach  innen 
zur  Bildung  des  senkrechten  Blendschirmes,  der  Iris  (1),  ein,  welche 
die  Höhle  des  Augapfels  in  die  kleinere  vordere  Augenkammer  (5^),  die 
den  Humor  aqueus  enthält  und  die  grosse  hintere  Augenkammer  (t)  theilt, 
welche  die  Linse  und  den  Glaskörper  einschliesst. 

Ausser  dem  schwarzen  Pigment,  welches  in  netzartigen  Schichten 
auf  beiden  Flächen  der  Iris  abgelagert  ist,  findet  mau  noch  in  dem 
aus  Bindegewebe  bestehenden  Substrat  zerstreut  Anhäufungen  eines 
hellbraunrothen  Farbstoffes.  Die  Gefässe,  an  welchen  die  Iris  sehr 
reich  ist,  bilden  am  runden  Pupillarrande  vorspringende  Schlingen. 
Am  Berührungskreise  mit  der  Sclerotica  finden  sich  musculöse  Radial- 
und  Kreisfasern.  Erstere,  die  Erweiterer  der  Pupille,  bestehen  aus 
vereinzelten  Fasern ,  die  sich  gegen  den  Pupillarrand  hin  oft  gabel- 
förmig theilen.  Die  Kreisfasern,  welche  dem  äusseren  Umfange  ent- 
lang gelagert  sind  und  den  Pupillarrand  nicht  erreichen,  bilden  einen 
zusammenhängenden  Schliessmuskel.  Alle  diese  Muskelfasern  sind 
gestreift.     Ein   sehr   dünner  Ciliarmuskel   zeigt   sich  ebenfalls   an    dem 


678 


Wirbelthiere. 


äusseren    Umfange   der   Iris.       Seine  Fasern   heften  sich  an   die   Scle- 

rotica  und  die  Choroidea. 

Die  fast  kugelförmige  Linse  (er)   ist   sehr   gross.     Ausser  meri- 

dionalen  Faserzellen  zeigt  sie  noch  Radialfasern,  welche  senkrecht  zur 

Linsenkapsel  (cr^)  stehen  und  einen  kreisförmigen  Wulst  bilden.     Die 

Kapsel  selbst  ist  sehr  dünn. 

Fiff.  282. 


Lac.  ocellata.  —  Senkrechter  Durchsclinitt  des  rechten  Auges  mit  fast  geschlossenen 
Augenlidern ,  etwa  durch  die  Mitte  der  Pupille  gelegt.  Siebenfache  Vergrösserung. 
a,  äussere  Haut;  h,  Stützschuppe  des  oberen  Lides ;  c,  Blatt  der  Conjunctiva,  welches 
die  Innenfläche  des  oberen  Lides  auskleidet;  c^,  Bindehautblatt,  welches  die  Sclerotica 
überzieht;  c^,  obere  Bindehautkammer;  c^,  Auskleideblatt  der  Innenfläche  des  unteren 
Lides;  c*,  untere  Bindehautkammer;  c^.  Bindehautblatt,  welches  die  Hornhaut  über- 
zieht; c/i,  Choroidea;  er,  Linse;  d,  Lidspalte;  e,  Hornhaut;  f,  Tarsus  des  unteren 
Lides;  g,  vordere  Augenkammer;  <//,  Härder' sehe  Drüse;  h,  Niederzieher  des 
unteren  Lides,  der  Länge  nach  durchschnitten;  i,  Ciliarfortsätze  und  Anheftungen 
der  Iris ;  i^,  Couturen  des  Raumes ,  welchen  sie  um  die  Linse  herum  einnehmen ; 
_;',  Jochbein  ;  Je,  Sehne  der  Nickhaut,  in  ihrem  unteren  Theile  durchschnitten  ;  k^,  Durch- 
schnitt des  oberen  Theiles;  /,  vom  Glaskörper  ausgefüllte  hintere  Augenkammer; 
n,  durchschnittene  Lidnerven;  no,  Sehnerv;  oi,  durchschnittener  schiefer  unterer 
Augenmuskel;  os,  oberer  schiefer  Muskel;  p,  Kamm;  r,  Retina;  rl,  unterer  gerader 
Augenmuskel;  sp,  Sporn  des  Keilbeins,  woran  sich  der  Niederziehmuskel  anheftet; 
SV,  Venensini^s  der  Augenhöhle.     (Grösstentheils  nach  M.   Weber.) 


Reptilien.  679 

Ausser  dem  wenig  mächtigen  Glaskörper,  der  in  gewöhnlicher 
Art  gebildet  ist,  enthält  die  hintere  Augenkammer  noch  ein  dem  Sichel- 
bande der  Fische  homologes  Organ,  den  K  a  m  m  (j:>),  von  dunkler  Farbe. 
Er  ist  cylindrisch  mit  einer  abgerundeten  Spitze,  welche  aber  die  Linse 
nicht  erreicht,  also  auch  nicht  zur  Accommodation  des  Auges  beitragen 
kann.  Mit  seiner  Basis  hängt  der  Kamm  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven 
an ,  wo  dieser  sich  zur  Bildung  der  Retina  ausbreitet.  Auf  Längs- 
schnitten des  Kammes  kann  man  sehen,  dass  er  überall  von  Pigment 
bedeckt  ist,  das  sich  vorzugsweise  an  seiner  Spitze  anhäuft,  aber  auch 
in  das  Innere  des  Organes  eindringt,  wo  es  längs  der  Bindegewebs- 
züge ,  die  sein  Lmeres  durchziehen ,  abgelagert  ist.  Ausser  diesem 
Bindegewebe  finden  sich  zahlreiche  Blutgefässe  und  feine  Nervenfasern. 

Die  Structur  der  Retina  (r)  lässt  sich  am  besten  an  feinen,  mit 
den  gehörigen  Reagentien  behandelten  Schnitten  untersuchen,  die  man 
an  den  Augen  junger  Individuen  hergestellt  bat.  Man  findet  von  der 
inneren ,  dem  Glaskörper  zugewendeten  Fläche  gegen  die  äussere 
Choroidealfläche  hin  folgende  Schichten.  Zuerst  eine  äusserst  feine, 
innere  Grenzmembrau ,  welche  sich  oft  von  der  Retina  trennt ,  indem 
sie  mit  dem  geronnenen  Glaskörper  sich  verklebt.  Dann  kommt  die 
Schicht  der  Sehnervenfasern,  welche,  von  der  Eintrittsstelle  des  Nerven 
gegen  die  Iris  hin  fortschreitend  an  Dicke  abnimmt.  Ihre  Maschen 
werden  von  Fortsätzen  der  Zellen  der  folgenden  Schicht  durchsetzt, 
die  von  einem  dicken  Lager  multipolarer  Ganglienzellen  gebildet  wird. 
Darauf  folgt  eine  Schicht ,  die  ohne  Zweifel  nervöser  Natur  ist  und 
auf  Längsschnitten  sehr  fein  getüpfelt  erscheint,  was  wohl  der  Aus- 
druck durchschnittener  feiner  Fäserchen  sein  mag.  Es  ist  in  der 
That  ein  senkrechter  Faserplexus ,  der  von  Fäserchen  durchsetzt  ist, 
welche  mit  der  Oberfläche  der  Schicht  parallel  laufen.  Dann  folgt 
eine  Schicht  von  kleinen  runden  Zellen,  die  in  der  äusseren  Zone 
dichter  gedrängt  sind  als  in  der  inneren.  Nach  aussen  von  dieser 
dicken  Schicht  findet  sich  der  Basalplexus,  in  dessen  sehr  dünnem 
Lager  man  keine  zelligen  Elemente  erkennen  kann ;  ferner  eine  aus 
runden  Zellen  mit  dicken  Ausläufern  gebildete  Schicht,  und  sodann 
die  äussere  Grenzmembran,  die  sich  auf  den  Schnitten  als  eine  zwar 
deutlich  begrenzte,  aber  sehr  feine,  schwärzliche  Linie  darstellt.  Nach 
aussen  von  dieser  Grenzmembran  zeigt  sich  die  Stäbchen-  oder  Zapfen- 
schicht, die  mit  ihrer  Basis  in  die  innere  Schicht  der  Choroidea  ein- 
dringt. Eigentliche  lange  Stäbchen  sind  nicht  vorhanden;  aber  in 
dem  centralen  Grübchen  der  Retina  finden  sich  verlängerte  Zapfen, 
welche  wohl  eine  Uebergangsform  darstellen  mögen.  Sonst  sind  die 
Zapfen  meist  sehr  kurz  und  häufig  doppelt;  sie  enthalten  ausser  dem 
farblosen  Kern  noch  farbige  Kügelchen,  die  meistens  von  gelber,  sel- 
tener von  blauer  Farbe  oder  selbst  ganz  farblos  sind.  Dieselben 
scheinen  fettiger  Natur  zu  sein. 


680  Wirbeltliiere. 

Nebenorgane.  —  Mau  zählt  sieben  Augenmuskeln;  vier 
gerade,  zwei  schiefe  und  einen  Eückziehmuskel.  Alle  inserii'en  sich 
an  dem  hinteren  Abschnitte  des  Augapfels ,  hinter  dem  knöchernen 
und  knorpeligen  Einge  der  Sclerotica:  aber  während  der  Rückzieh- 
muskel {iiir.  Fig.  283)  sich  in  unmittelbarer  Xähe  des  Sehnerven 
in  der  Weise  anheftet,  dass  er  die  Eintrittsstelle  desselben  auf  der 
inneren  Seite  umgiebt  und  der  innere  gerade  Muskel  (ri)  sich  etwa 
iu  gleicher  Entfernung  von  dem  Aequator  und  der  Eintrittsstelle  des 
Sehnerven  an  der  inneren  und  hinteren  Fläche  des  Bulbus  ansetzt, 
heften  sich  die  anderen  an  der  äquatorialen  Linie  selbst  au  und  greifen 
sogar  über  einander.  Der  äussere  gei'ade  (/"eX  der  innere  gerade  (r?) 
und  der  untere  gerade  Muskel  entspi^ingen  au  der  Scheidewand  der 
Augenhöhlen,  der  obere  gerade  {rs)  an  dem  knorpeligen  Ethmoideum, 
welches  die  Orbita  von  der  Nasenhöhle  trennt.  Hier  entspringen  auch 
die  beiden  schiefen  Augenmuskeln,  welche  den  Bulbus  von  oben  und 
unten  umfassen.  Der  sehr  lange  und  dünne  Eückziehmuskel  (ni  r)  ent- 
springt gemeinschaftlich  mit  dem  Muskel  der  [Nickhaut  (J/.  hiirsarius, 
))ib),  von  dem  später  die  Eede  sein  wird,  im  hinteren,  unteren  Winkel 
der  Orbita.  Hinsichtlich  der  Einzelheiten  über  diese  Muskeln ,  wie 
über  alle  Nebenorgane  des  Auges  verweisen  wir  auf  die  classische  Ab- 
handlung von  Max  Weber  (s.  Lit.). 

Es  giebt  drei  Augenlider:  das  untere,  obere  und  innere,  das 
gemeiniglich  die  Nickhaut  genannt  wird. 

Die  Innenfläche  sämmtlicher  Lider  wird  von  der  Bindehaut 
(Conjunciica.  c.  Fig.  282)  ausgekleidet,  einer  dünnen  Zellhaut,  die  aus 
modificirten  Zellen  der  Malpighi' sehen  Schicht  der  Epidermis  ge- 
bildet ist.  Diese  Zellen  sind  rund,  bilden  stellenweise  nur  eine  Schicht, 
meist  aber  mehrere  Lager  und  zeigen  kein  Pigment.  Im  Grunde  der 
Augenhöhle  schlägt  sich  die  Conjunctiva  auf  den  Augapfel  hinüber  und 
überzieht  die  Hornhaut.  Sie  bildet  auf  diese  Weise  einen  oberen 
kleineren  (c-)  und  einen  unteren  grösseren  (c-^)  Sack. 

Zwischen  der  Conjunctiva  und  den  sie  umgebenden  Bildungen, 
Muskeln ,  Nerven ,  Gefässen  und  Knochen  erstrecken  sich  hier  und  da 
stark  erweiterte  Lückenräume,  die  von  Bindegewebebrücken  durchsetzt 
werden  und  die  man  bei  den  durch  Erstickung  getödteten  Thieren 
stets  prall  mit  coagulirtem  Blute  gefüllt  findet.  Diese  venösen  Au  gen - 
sinus  (sv,  Fig.  282)  erstrecken  sich  bis  in  das  untere  Augenlid,  in 
die  Umgebungen  der  Nase  und  des  Gehirnes  und  ersetzen  ohne  Zweifel 
die  Fettpolster,  welche  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  die  Augenhöhle 
um  den  Augapfel  ausfüllen. 

Das  obere  Augenlid  ib.  Fig.  282)  ist  nur  eine  einfache,  durch 
die  darin  eingelassenen  knöchernen  Augenbrauenschuppen  gestützte 
Hautfalte .    die   von   der  Conjunctiva   innen    ausgekleidet  wird   und  nur 


Pieptilien.  GSl 

Bindegewebebrücken  mit  einip'en  glatten  Muskelfasers.  aber  keine  -will- 
kürliche Muskeln  enthält. 

Das  weit  bedeutendere  untere  Augenlid  (/,  Fig.  282)  hat 
eine  ziemlich  complicirte  Structur.  Es  kann  die  freie  Hornhautfläche 
des  Augapfels  vollständig  bedecken.  Die  äussere,  von  einer  verdünnten, 
gekörnten  Fortsetzung  des  Tegumentes  überzogen,  zeigt  an  einer,  bei 
geschlossenem  Auge  der  Pupille  entsprechenden  Stelle  einen  runden, 
glatten  und  durchscheinenden  Fleck,  dem  eine  nach  aussen  gewölbte, 
nach  innen  etwas  ausgehöhlte  Knorpelscheibe  entspricht,  die  in  die 
Dicke  des  Augenlides  eingelassen  ist  und  an  die  Hornhaut  sich  an- 
legt. Die  Eidechse  hat  sonach  selbst  bei  geschlossenen  Augen  eine 
deutliche  Empfindung  von  Licht  und  Dunkel.  Diese  Knoi'pelscheibe, 
welche  man  höchst  unzweckmässiger  Weise  den  Tarsus  (/)  genannt  bat, 
ist  auf  der  Hornhautfläche  nur  von  einer  einschichtigen  Conjuuctiva 
überzogen.  An  dem  oberen  Rande  des  Lides  findet  sich  auf  der  Innen- 
fläche eine  seichte,  mit  cylindrischen  Sinneszellen  ausgekleidete  Rinne. 
Aehnliche  Sinneszellen  finden  sich  am  Grunde  des  Lides ,  wo  die  er- 
wähnten venösen  Sinus  eindringen,  die  von  den  weiteren  Lymphräumen 
unter  dem  Tegumente  durch  den  Herabzieher  des  Augenlides 
(31.  cUpressor  jjcdpehrae)  getrennt  werden.  Dieser  Muskel  (h,  Fig.  282) 
stellt  ein  breites,  aus  parallelen  gestreiften  Muskelfasern  gebildetes 
Band  dar,  welches  auf  der  ganzen  Breite  der  Scheidewand  der  Augen- 
höhlen entspringt ,  hautartig  die  Unterfläche  des  Augapfels  nmgiebt 
und  sich  an  der  ganzen  Breite  des  L'nterrandes  des  erwähnten  Knorpel- 
tarsus  ansetzt. 

Das  dritte  Augenlid,  die  Nickhaut  (n,  Fig.  283).  breitet  sich 
wie  ein  vom  Winde  geblähtes  Segel  im  Nasenwinkel  der  Augenhöhle 
über  den  Augapfel  aus.  Vorn  und  oben  heftet  sie  sich  an  die  Knochen 
der  Augenhöhle ;  der  Winkel  ihres  hinteren  Ausschnittes  setzt  sich  in 
eine  lange ,  dünne  Sehne  fort  (n  t) ,  die  über  den  Augapfel  nach  hinten 
läuft.  Die  Nickhaut  wird  auf  beiden  Flächen  von  der  Conjunctiva 
ausgekleidet;  ihr  hinterer,  ausgeschnittener  Rand  ist  etwas  verdickt 
und  in  dieser  Verdickung  liegt  ein  gekrümmtes  Stäbchen  von  Hyalin- 
knorpel ,  welches  die  Verdickung  bedingt  und  der  Raa  eines  Segels 
sich  vergleichen  lässt.  In  dem  Räume  zwischen  den  beiden  Lamellen 
der  Conjunctiva  finden  sich  nur  glatte,  keine  gestreiften  Muskelfasern. 
Die  Bewegungen  der  Nickhaut  werden  von  der  Sehne  (nt)  regulirt, 
welche  nach  hinten  und  unten  etwa  um  drei  Viertel  der  Oberfläche 
des  Bulbus  sich  herumschlägt,  unter  dem  geraden  inneren  (ri)  und 
geraden  äusseren  (re)  Augenmuskel  durchgeht,  eine  Schlinge  des  Nick- 
hautmuskels Jm  h ,  M.  hursariiis)  durchsetzt  und  unter  dem  oberen 
geraden  (rs)  und  oberen  schiefen  Augenmuskel  wegschlüpft,  um  sich 
an  der  Zwischenwand  der  Augenhöhlen  festzusetzen.  Der  Nickhaut- 
muskel  {tnbj    entspringt    gemeinschaftlich   mit    dem    Rückzieher   des 


682  Wirbelthiere. 

Augapfels  (mr)  in  der  unteren,  hinteren  Ecke  der  Augenhöhle,  läuft' 
pai"allel  mit  diesem  mehr  dorsalwärts  zum  Bulbus  und  bildet  dort, 
nahe  an  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven,  die  erwähnte  Schlinge,  welche 
von  der  hier  sehr  verdickten  Sehne  durchsetzt  wird.  Hierauf  setzt 
sich  der  Muskel  mit  ausstrahlenden  Bündeln,  die  zum  Theil  mit  denen 
des  Rückziehmuskels  sich  vermischen,  an  die  Sclerotica  an.  Der  Rück- 
ziehmuskel wird  also  in  Folge  dieser  Anordnung  auch  dazu  beitragen, 
die  Nickhaut  über  den  Augapfel  herüberzuziehen,  sobald  dieser  in  den 
Grund  der  Augenhöhle  gedrückt  wird. 

Augendrüsen.  —  Es  giebt  deren  zwei.  Die  Härder 's  che 
Drüse  (x,  Fig.  281;  h,  Fig.  283)  ist  sehr  bedeutend.  Sie  liegt  auf 
der  unteren  und  inneren  Fläche  des  Bulbus  an  der  Zwischenscheide- 
wand;  ihr  sehr  kurzer  Ausführungscanal,  in  welchem  sich  die  Canälchen 
der  einzelnen  Läppchen  vereinigen,  öffnet  sich  auf  der  Innenfläche  der 


Lacertu  viridis.  —  Der  liuke  Augapfel  ist  durch  Wegnahme  der  seitlichen  und  hin- 
teren Orbitalwaudungen  blossgelegt  worden.  Man  sieht  den  Augapfel  etwa  in  drei- 
viertel Ansicht  von  unten  und  etwas  von  hinten.  Vorn  hat  man  die  bezahnten 
Obei'kiefer  und  das  Gaumendach  angedeutet,  c,  obere  Orbitalwand;  r//,  Augapfel, 
auf  welchem  die  den  Scleroticalring  bildenden  Knorpelstücke  durch  Conturen  ein- 
gezeichnet sind;  /*,  Härder 'sehe  Drüse;  mh,  Nickhautmuskel  {Musculus  bursarius), 
der  eine  Schlinge  um  die  Nickhautsehne  n  t  bildet  und  nach  oben  gegen  den  Aug- 
apfel ausstrahlt;  ?n  r,  Päickziehmuskel  des  Bulbus  ;  ?j,  Nickhaut;  o,  Orbita  ;  oi,  schiefer 
oberer  Augenmuskel;  p,  Pupille;  p/,  Gaumenbein;  /-e,  gerader  äusserer  Augenmuskel; 
ei,  gerader  innerer  Augenmuskel;  rs,  gerader  oberer  Augenmuskel;  111,  Nervus  ocu- 
lomotorius ;    IV,  N.  trochlearis;  V,  Augenast  des  Trigeminus;    VI,   N.  abducens  (nach 

Max  Weber). 

Nickhaut  in  der  Nähe  des  erwähnten  Knorpelstäbchens  in  einem  ver- 
hältnissmässig  weiten  Grübchen.  Die  Thränendrüse  ist  sehr  klein, 
von  grauer  Farbe;  ihre  deutlich  umgrenzten  Läppchen  liegen  im  hin- 
teren und  oberen  Winkel  der  Augenhöhle.     Sie   sendet  wenigstens  ein 


Reptilien.  683 

halbes  Dutzend  Ausführungsgänge  in  die  Conjunctiva.  Die  beiden 
Thräuennasengänge  (/,  Fig.  281,  B)  beginnen  im  inneren  Nasen- 
winkel mit  zwei  über  einander  liegenden ,  schlitzförmigen  Oeffuungen. 
Der  unterste  dieser  Schlitze  liegt  noch  in  dem  unteren  Augenlide.  Die 
beiden  convergii'enden  Gänge  verlaufen  nach  vorn  und  unten  und  ver- 
einigen sich  in  einem  gemeinsamen  Gange,  der  vom  Thränenbein  und 
dem  vorderen  Stirnbeine  umhüllt,  schliesslich  etwa  in  der  Mitte  der 
Nasengaumenrinne  in  die  Mundhöhle  ausmündet, 

Gehörorgan.  —  Wie  bei  den  Amphibien  besteht  das  Organ 
aus  zwei  Haupttheilen ,  dem  mittleren  und  inneren  Ohre  ;  ein  äusseres 
Ohr  fehlt  durchaus,  wird  aber  einigermaassen  dadurch  ersetzt,  dass  das 
Trommelfell  frei  zu  Tage  liegt. 

Mittleres  Ohr.  —  Betrachtet  man  den  Kopf  einer  lebenden 
Eidechse  im  Profil,  so  sieht  man  an  dem  Hinterhaupte  etwas  über 
einer  die  Mundspalte  nach  hinten  verlängernden  Linie  eine  tiefe,  ovale 
Einsenkung ,  deren  grosse  Axe  senkrecht  gerichtet  ist  und  die  von 
einem  etwas  erhöhten,  beschuppten  "Walle  umgeben  wird.  Der  Grund 
der  Grube  wird  von  einer  feinen ,  schwarzen ,  senkrecht  gespannten 
Haut,  dem  Trommelfelle  (ty,  Fig.  286)  ausgekleidet,  auf  deren 
Mitte  man  einen  etwas  nach  aussen  vorspringenden,  weisslichen,  hori- 
zontalen Zug  bemerkt:  die  Insertionsstelle  der  Columella,  die  sich 
an  der  Innenseite  festsetzt.  Dieses  Knöchelchen  hat  die  Form  eines 
Kreuzes  mit  sehr  kurzen  seitlichen  Armen;  von  dem  langen  Stiele  des 
Kreuzes,  der  etwa  zur  Hälfte  in  das  Trommelfell  eingelassen  ist, 
strahlen  Eadialfasern  aus,  welche  von  sehr  feinen  Circularfasern  ge- 
kreuzt werden.  Die  weisslichen  Radialfasern  lassen  sich  bis  zu  der 
ringförmig  verdickten  Circumferenz  des  Trommelfelles  verfolgen ,  die 
mit  dem  Periost  der  umgebenden  Knochen  verschmilzt.  Der  Stiel  der 
Columella  fixirt  sich  an  der  Schädelbasis  mittelst  eines  dünnen  Sehnen- 
fadens; an  der  Fixationsstelle  befindet  sich  ein  kleines  Muskelbündel. 
Die  Aussenfläche  des  gefässreichen  Trommelfelles  wird  von  einer  am 
Grunde  stark  pigmentirten  Epidermis  überzogen,  deren  oberflächliche 
Zellen  verhornen.  Das  Epithelium  der  Innenfläche,  das  sich  über  die 
ganze  Ausdehnung  der  Trommelhöhle  fortsetzt,  besteht  aus  wim- 
pernden  Pflasterzellen,  die  gegen  die  Circumferenz  hin  hoch  und  cylin- 
drisch  werden. 

Zur  Untersuchung  der  Trommelhöhle  kann  man  verschiedene 
Methoden  anwenden.  Entweder  löst  man  das  Trommelfell  in  seinem 
ganzen  Umfange  mit  der  daran  befestigten  Columella  ab  und  durch- 
schneidet die  Fixationssehne,  so  dass  man  das  freie  Ende  des  Knöchel- 
chens sieht,  welche  sich  an  das  ovale  Fenster,  die  Trommelöffnung  des 
Labyrinthes,  anlegt,  oder  man  trennt  mittelst  eines  Horizontalschnittes 
(Fig.  286)  den  Schädel  und  den  Unterkiefer  mit  den  daran  hängenden 


684  Wirbelthiere. 

Theilen,  oder  endlicli,  man  macht  einen  Sagittalschnitt  des  Schädels  bis 
zum  Gaumen  herab  (Fig.  285).  Bei  Vergleichung  der  auf  diese  Weise 
gewonnenen  Ansichten  von  aussen,  von  innen  und  von  unten  wird  man 
gewahren,  dass  die  Trommelhöhle  nur  eine  Bucht  der  Mundhöhle  dar- 
stellt, welche  sich  um  die  Vorragung  des  Kaumuskels  herumbiegt,  und 
dass  mau  folglich  nicht  von  einer  Eustachischen  Röhre,  noch  von 
anderen  Canälen  sprechen  kann,  welche  eine  getrennte  Trommelhöhle 
mit  der  Mundhöhle  in  Vei'bindung  setzen  würden. 

Das  innere  Ohr  ist  in  dem  Felsenbeine  ausgegraben,  das  eine 
kleine ,  sehr  harte  Anschwellung  bildet.  Zum  genaueren  Studium,  be- 
sonders des  häutigen  Labyrinthes,  muss  man  vorher  durch  Salpeter- 
säure entkalkte  Schädel  benutzen.  Immerhin  ist  die  Untersuchung 
des  Organes  wegen  seiner  Kleinheit  sehr  schwierig. 

Die  Wände  des  knöchernen  Labyrinthes  werden  durch  die 
darin  eingeschlossenen  Theile  des  häutigen  Labyrinthes  in  ihrer  Form 
bestimmt.  Doch  liegen  sie  nicht  unmittelbar  einander  an  ;  überall 
findet  sich  ein  an  einzelnen  Stellen  erweiterter  Hohlraum ,  der  mit 
Perilymphe  erfüllt  ist.  In  den  Knochenwänden  finden  sich  mehrere 
nach  aussen  führende,  durch  Häutchen  geschlossene  Lücken  ;  das  ovale 
Fenster  auf  der  Aussenfläche,  welches  zur  Trommelhöhle  führt  und 
den  Stiel  der  Columella  aufnimmt;  das  ]*u  n  d  e  Fenster,  in  der  Nähe 
der  Schnecke  am  Grunde,  und  ferner  die  beiden  Löcher  für  den  Ein- 
tritt der  beiden  Hauptäste  des  Gehörnerven.  Die  knöchernen  Wände 
sind  von  einem  festen  Periost  ausgekleidet,  das  in  der  Nähe  der  Schnecke 
sich  bedeutend  ausbuchtet  und  hier  einen  Canal  bildet,  den  peri- 
lympha tischen  Canal  {pe^  Fig.  284,  J.),  der  durch  eine  Oeflfnung 
(^e^)  mit  der  Schnecke  in  Verbindung  steht,  sich  dann  um  das  runde 
Fenster  herurakrümmt  und  mit  den  Hirnhüllen  (j>e^)  communicirt,  so 
dass  die  um  das  Gehirn  ausgebildeten  Lymphräume  mit  der  Perilymphe 
in  Verbindung  stehen. 

Das  häutige  Labyrinth  (Fig.  284)  zeigt  die  gewöhnliche  Zu- 
sammensetzung aus  zwei  Haupttheilen,  von  welchen  der  obere  aus  dem 
Utriculus,  dem  Sacculus  und  den  Bogencanälen  mit  ihren  Ampullen, 
der  untere  aus  der  Lagenula  und  der  Schnecke  bestehen. 

Der  Utriculus  (w)  wird  von  einem  weiten,  knieförmig  gebogenen 
Canale  gebildet,  der  auf  der  dem  Gehirne  zugewandten  inneren  Seite 
des  Organes  verläuft  und  dessen  Winkel  nach  oben  gerichtet  ist.  Der 
vordere  Ast  (%i^)  communicirt  mit  der  äusseren  (e),  der  hintere  {u^} 
mit  der  hinteren  Ampulle  {p).  Ausserdem  steht  der  Utriculus  noch 
mit  den  Bogencanälen  und  durch  eine  kleine,  obere  Oeffnung  mit  dem 
Sacculus  (s)  in  Verbindung,  der  eine  weite,  kugelförmige  Blase  bildet, 
welche  durch  eine  kreidige,  aus  winzigen  Krystallen  zusammengesetzte 
Otolithenmasse  fast  gänzlich  erfüllt  ist.  Die  Krystalle  sind  durch  eine 
schleimige  Substanz  mit  einander  verklebt.  Die  Aussenwand  des  Sacculus 


Reptilien. 


685 


ist  sehr  dünn  nnd  zerreisst  leicht;  die  Inneuwaud  ist  fester.  Auf  dem 
Grunde  findet  sich  eine  Rinne,  die  durch  eine  sagittale  Spalte  mit  der 
Schnecke  comrauniciren  soll,  nach  Retzius  aber  durch  ein  feines 
Häutchen  geschlossen  ist.  Oben  entspringt  in  der  Nähe  der  Com- 
miiuicationsöffnung  zum  ütriculus  der  endolymphatische  Canal 
(eil),  der  zuerst  eine  Schlinge  bildet,  dann  aber  senkrecht  zum  Schädel 
emporsteigt  und  mit  einem  durchaus  geschlossenen  Bläschen  in  der 
Dura  mater  des  Schädeldaches  endet. 

Die  Bogencanäle  zeigen  die  gewöhnliche  Anordnung.  Der 
vordere  (crt)  und  der  hintere  {cp)  steigen  schief  nach  oben  und  ver- 
einigen sich  am  Gipfel  zu  einem  weiten,  gemeinsamen  Canale  oder 
Sinus  {cc)^  der  senkrecht  nach  unten  geht  und  durch  eine  weite  Oeff- 
nung  in  den  Ütriculus,  nahe  am  oberen  Knie  desselben,  einmündet. 
Etwas  weiter  nach  unten  findet  sich  an  demselben  gemeinsamen  Sinus 
die  Oeffnung  des  äusseren  Bogencanales  (fe),  der  sich  um  den  Hinter- 
rand des  Sacculus  herumschwiugt,  in  horizontaler  Richtung  die  Ausseu- 

Fig.  284. 
A  B 


Lacerta  viridis.  —  Das  häutige  Labyrinth  der  rechten  Seite,  zwanzigtaoh  vergrössert. 
A,  Innenseite,  wo  der  perilymphatische  Sack  erhalten  worden  ist;  B,  Aussenseite. 
ff,  vordere  Ampulle;  a^,  ihre  Hörleiste;  ifl,  der  dazu  gehende  Kerv ;  C(/,  vorderer 
Bogengang;  cc,  gemeinschaftlicher  Canal  oder  Sinus;  ce,  äusserer  Bogengang;  ep, 
hinterer  Bogengang ;  e'-,  äussere  Ampulle ;  e^,  ihre  Hörleiste ;  e^,  der  dazu  gehende 
Nerv;  e«,  endolymphatischer  Canal;  /,  Lagena ;  Z^,  ihr  vorderer  Xerv;  /-,  der  hintere 
Nerv;  «,  Nervus  neglectus  mit  seinem  Hörfleck;  o,  Hörnerv;  p,  hintere  Ampulle; 
;;^,  ihre  Hörleiste;  p-,  der  dazu  gehende  Nerv ;  pe,  perilj'mphatischer  Sack;  pe^,  seine 
äussere  Oeftnung;  per',  Oeffnung  seines  Canales;  s,  Sacculus;  s-^ ,  sein  Hörfleck; 
u,  Centraltheil  des  Ütriculus;  u^,  sein  vorderer  Schenkel;  ?/-,  sein  hinterer  Schenkel; 
M^,  sein  Nerv  (nach  Retzius,   verkleinert). 

fläche  des  Labyrinthes  umkreist  und  in  unmittelbarer  Nähe  der  vor- 
deren Ampulle  (a)  mit  seiner  äusseren  Ampulle  (e)  endet.  Diese  beiden 
Ampullen  communiciren  mit  einander,  während  die  hintere  Ampulle 
isülirt  bleibt.      In  jeder  Ampulle  findet   sich    eine  Hörleiste   (a\  e^.  JJ^), 


686  Wirbelthiere. 

die  aus  eigentlichen  Hörzellen  und  aus  Stützzellen  aufgebaut  ist  und 
einen  besonderen  Zweig  des  Hörnerven  erhält.  Ausser  diesen  Hör- 
leisten der  Ampullen  finden  sich  noch  in  dieser  oberen  Hälfte  des 
Hörorganes  mehrere  andere  Hörpolster  oder  Hörflecken;  eines  im  Saccu- 
lus  (s^),  ein  anderes  in  der  blasigen  Auftreibung,  welche  an  der  Ein- 
mündung des  Utriculus  in  die  äussere  Ampulle  angebracht  ist  (der 
Nerv  dieses  Polsters  ist  in  Ä  mit  u-'  bezeichnet),  und  endlich  die  Ma- 
cula neglecfa  (»)  von  Retzius,  die  am  oberen  Drittel  des  hinteren 
Schenkels  des  Utriculus  angebracht  ist. 

Die  untere  Hälfte  des  Labyrinthes  (I)  hat  die  Gestalt  einer  platten, 
abgerundeten  und  unten  geschlossenen  Düte,  die  zwar  von  aussen  fast 
gleichförmig  scheint,  aber  durch  innere  Bildungen,  Rinnen  und  Vor- 
sprünge in  zwei  Theile  zerfällt,  deren  jeder  einen  besonderen  Zweig 
des  Hörnerven  erhält;  der  vordere  Theil  heisst  die  Lagena  {U) ,  den  ■ 
hinteren,  dessen  Bedeutung  erst  durch  seine  bei  den  Krokodilen  her- 
gestellte Bildung  klarwird,  hat  man  denBasalth  eil  der  Schnecke 
(r^)  genannt.  Die  innere  Fläche  seiner  Wand  wird  durch  eine  Art 
Knorpelrahmen  gestützt,  während  die  Aussenfläche  sehr  zart  und  dünn 
ist.  Die  Lagena  enthält  eine  Hörpapille,  in  welcher  sich  der  Nerv 
verzweigt,  und  eine  aiis  kleinen  Krystallen  bestehende  Otolithenmasse ; 
die  Schnecke  zeigt  eine  Furche  als  erstes  Rudiment  der  Treppe,  auf 
welcher  sich  der  Nerv  vertheilt. 

Der  Hör  nerv  theilt  sich  schon  in  seinem  Austrittscanale  im 
Knochen  in  zwei  Hauptäste,  den  einen  für  den  Vorhof,  den  anderen 
für  die  Lagena,  Jeder  dieser  Aeste  zeigt  an  seinem  Austritte  eine 
von  Ganglienzellen  verursachte  Anschwellung.  Der  Vorhofast  schickt 
Zweige  zum  Recessus  des  Utriculus  (a'^) ,  zur  vorderen  Ampulle  («-) 
und  zur  äusseren  Ampulle  (e^);  der  weitaus  mächtigere  Schneckenast 
versorgt  durch  besondere  Zweige  die  Macula  neglecta  (n) ,  den  Saccu- 
lus  (s^),  die  hintere  Ampiille  (p^),  die  Lagena  (/^)  und  die  Schnecke  (?2). 
Alle  diese  Aeste  versorgen  die  Leisten,  Polster  und  Flecken,  welche 
mit  Hörzellen  ausgestattet  sind.  Wir  verweisen  hinsichtlich  weiterer 
Details  auf  den  zweiten  Band  des  classischen  Werkes  von  Retzius, 
dem  wir  unsere  Figuren  entlehnt  haben. 

Verdauungsorgane  (Fig.  264,  285  bis  287)j  —  Die  weit  ge- 
spaltene Mundhöhle  ist  nach  hinten  durch  die  bedeutend  vorspringen- 
den ,  rimden  Massen  des  Schläfenmuskels  (?',  Fig.  285 ;  t,  Fig.  286) 
deutlich  und  in  der  Art  begrenzt,  dass  hier  eine  bedeutende  Enge  be- 
dingt wird,  in  welche  noch  der  Kehlkopf  mit  der  Stimmritze  (<;,  Fig.  283; 
la,  Fig.  286)  hineinragt,  der  mit  seinem  vorderen  Ende  eine  bei 
Schliessung  des  Maules  frei  bleibende,  tiefe  Furche  am  Gaumen  erreicht, 
welche  von  der  Wurzel  der  Zunge  nicht  erfüllt  wird  (e,  Fig.  285; 
r,  Fig.  286).  Durch  diese  Einrichtung  ist  die  Athmung  auch  bei  ge- 
schlossenem Maule  und   an  den  Gaumen   vorn   angedrückter  Zunge  er- 


Reptilien. 


687 


_  --  j] 


möglicht.  Erst  hinter  der  Mundenge  und  am  Anfange  des  trichter- 
förmigen, mit  Längsfalten  ausgestatteten  Schlundkopfes  (/,  Fig.  285) 
findet  sich  die  Ausbuchtung  gegen  das  Trommelfell  hin  (/,  Fig.  286). 
Auf  dem  Dache  der  Mundhöhle  (Fig.  286)  sieht  man,  umgeben 
von  stark  vortretenden  Schleimhautfalten,  längs  des  Randes  den  Zahn- 
Fio-.  285.  bogen  und  vorn   in    der 

Mitte  einen  vorragen- 
den, mittleren  Knopf  (f>), 
der  von  einer  Ver- 
dickung der  zwischen 
den  Nasenhöhlen  sich 
hinziehenden  senkrech- 
ten Scheidewand  her- 
rührt.   Zu  beiden  Seiten 


Lacerta  viridis.  —  Sagittal- 
schnitt  des  Kopfes  und  Halses 
in  doppelter  Grösse.  Der 
Schnitt  ist  etwas  ausserhalb 
der  Mittelebene  geführt,  um 
die  verticalen  Scheidewände 
zu  zeigen.  Buchstaben  linker- 
seits :  a,  Zunge :  h.  M.  genio- 
hyoideus ;  c,  Mundhöhle, 
Unterzungenraum  ;  d .  verti- 
cale  Gaumenleiste ,  welche 
die  Choanenspalten  e  trennt; 
/,  Ligament  des  Gaumen- 
daches, zum  Kaumuskel  i  ge- 
hend;  g ,  Kehlkopf;  h,  M. 
genio-hyoideus ;  i,  M.  masse- 
ter,  einen  runden  Vorsprung 
bildend;  l-,  Luftröhre;  /. 
Schlundkopftrichter ;  vi ,  M. 
pectoralis ;  n ,  Arterienhulbus ; 
0.  Vorkammer  des  Herzens  ; 
/; ,  Aponeurose  der  Brust- 
muskeln; q.  Herzbeutel;  r. 
Herzkammer;  5.  Muskeln  des 
Schultergürtels;  t,  durch  die 
Lungen  durchschimmernde 
Lebervene ;  u .  vordere  Ex- 
tremität. —  Unten:  r,  v^,  vordere  Leberlappeu ;  f,  Lunge;  /^.  Schlund;  x,  Aorta; 
?/,  Haltestrang  der  Wirbelsäule;  z,  Wirbelsäule;  «,  Rückenmark;  ß,  Rückenmuskeln, 
die  Dorufortsätze  einhüllend  ;  7,  langer  Eückenmuskel ;  cT,  Haut.  Rechterseits:  I.Nasen- 
loch; 2,  Munddach;  3,  Jacob s on'sches  Organ;  4,  Muschel;  5,  Nasensack.  JMan 
sieht  diese  Theile  durch  die  durchsichtige  Scheidewand  durchschimmern.  6,  Riech- 
nerv; 7,  durchschnittener  Sehnerv;  8,  geöffnete  Hemisphäre;  9,  Hypophysis  ;  10.  ge- 
öffnetes Mittelhirn;  11,  Hinterhauptsbein;  12,  kleines  Gehirn;  13.  grosser  Vorder- 
muskel der  Wii-belsäule ;   t^  Schlund;   t^,   Eintritt   der  Luftröhre   in  die   Lunge. 


_    ^^ 


jcy 


688 


Wirbelthiere. 


dieses  Knopfes  ziehen  sich  die  zu  den  Choanen  (ch)  führenden  Nasen- 
gaumenspalten hin.  Der  Knopf  selbst,  gegen  den  sich  die  Zunge  beim 
Schliessen  des  Maules  stemmt  (c?,  Fig.  285),  setzt  sich  nach  hinten  in  eine 
mittlere  Leiste  fort  und  verhindert  so  die  Zunge,  die  erwähnte  Furche 
auszufüllen,  die  nach  vorn  geschlossen,  nach  hinten  aber  wieder  aus- 
gebuchtet ist  (e,  Fig.  28.5;  r,  Fig.  286)  und  sieb  bis  zur  Wirbelsäule 
und  in  den  Theil  des  Schlundkopfes  erstreckt,  in  welchen  der  Kehlkopf 
Fig.  28ß.  mündet.     So  wird  eine  wahre 

Luftkammer  gebildet,  die,  wie 
schon  erwähnt,  das  Athmen 
bei  geschlossenem  Maule  er- 
möglicht. 

Der  Boden  der  Mundhöhle 
wird  gänzlich  von  der  Zunge 
(I,  Fig.  286)  ausgefüllt,  die 
ringsum  freie  Ränder  zeigt, 
aber  nach  hinten  durch  den 
Zungenmuskel  (a,  Fig.  285)  an 
die  Schleimhaut  befestigt  ist, 
welche    eine    verticale    Falte, 

Lucerta  ocellafa.  —  Mittelst  eines 
Hovizoutalschnittes  ist  die  Munrl- 
spalte  nach  hinten  über  das  Trommel- 
fell hinaus  nach  dem  Halse  hin  fortge- 
setzt und  die  Verbindungen  des  Unter- 
kiefers vollständig  gelöst  worden. 
Der  Unterkiefer  mit  allen  Theilen 
zwischen  seinen  beidenAesten,  Zunge, 
Kehlkopf,  Luftröhre  etc.,  ist  gewalt- 
sam nach  hinten  zurückgeschlagen 
worden  ,  so  dass  man  in  der  oberen 
Hälfte  der  Figur  das  Dach,  in  der 
unteren  den  Boden  der  Mundhöhle 
vor  sich  sieht.  Rechts  (auf  der 
linken  Seite  der  Figur)  hat  man  die 
Mundschleimhaut  belassen,  während 
links  (auf  der  rechten  Seite)  dieselbe 
abpräparirt,  der  Kaumuskel  weg- 
genommen und  das  Trommelfell  etwas 
zur  Seite  gezogen  wurde,  um  es  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  von  der  Innenfläche  her 
zu  zeigen,  a,  äussere  Wand  des  Oberkiefers;  b,  Gaumenknopf;  c,  Carotis;  d,  obere 
Zahnlade;  c.  innerer  Zahnfalz;  /,  Trommelbucht  der  Mundhöhle;  g,  secundärer  Zahn- 
falz; //,  Zungenbeinbogen  ;  i,  durchschnittenes  Gaumenbein  ;  Ä:,  Muskelmasse  der  Wirbel- 
säule ;  / u,  Kehlkopf;  /,  Zunge;  md,  Unterkiefer;  md^,  ausgeleerter  Gelenktheil  des- 
selben; n,  ventrale  Apophyse  des  ersten  Halswirbels;  p,  Haut;  r,  mittlere  Gaumen- 
furche; /,  durchschnittener  Kaumuskel;  t^,  ausgeleerte  Schläfengrube;  tr,  Luftröhre; 
ty,  zurückgebogenes  Trommelfell  mit  der  Columella  und  ihrer  Sehne;  ty^,  Trommel- 
bucht der  Mundhöhle. 


md' 


Reptilien.  689 

das  Frenulum ,  bildet .  das  sich  etwa  über  ein  Drittel  der  Zungen- 
wurzel erstreckt.  Die  Räume  zwischen  dem  Frenulum  und  dem 
Unterkiefer  werden  von  der  Schleimhaut  ausgekleidet ,  die  auch  die 
Unterfläche  der  Zunge  bedeckt  und  an  den  scharfen  Rändern  der- 
selben in  deren  obere  Bedeckiiug  übergeht.  In  dem  mittleren  Aus- 
schnitte der  erweiterten,  hinteren  Zungeuflügel  liegt  der  Kehlkopf 
{g,  Fig.  285;  Ja,  Fig.  286)  mit  der  linearen  Stimmritze.  Er  setzt  sich 
in  die  Luftröhre  {Je,  Fig.  285;  tr,  Fig.  286)  fort,  die  nur  von  der 
Schleimhaut  des  Pharynx  bedeckt  ist,  welche  seitlich  durch  die  Zungen- 
beinbogen {h,  Fig.  286)  gestützt  wird. 

Untersuchen  wir  diese  Bildungen  im  Einzelnen. 

In  der  Schleimhaut,  besonders  aber  auf  dem  mittleren  Knopfe  und 
den  Seitenfalten,  finden  sich  von  Leydig  entdeckte  Kelch bildun gen, 
die  aus  einem  Trichter  bestehen,  der  einen  verlängerten  Xerveukuopf 
krönt,  mit  welchem  ein  Xervenfädchen  in  Verbindung  steht.  Ausser 
diesen  Kelchorganen  finden  sich  in  dem  Epithelium  der  Schleimhaut 
einzellige  Schleimdrüsen. 

Die  Lacerten  gehören  zu  den  Ple  ur  o  do  nt  e  n.  Die  Zähne 
sämmtlicher  Kieferknochen,  der  Zwischen-,  Ober-  und  Unterkiefer 
(Fig.  286,  287)  sind  mittelst  cylindrischer.  sehr  niedriger  Sockel  auf 
einer  horizontalen  Lamelle  des  Knochens  befestigt.  Xach  aussen  von 
dieser  Lamelle  erhebt  sich  der  Rand  des  Knochens  zu  einer  fast 
schneidenden,  verticalen  Lamelle,  an  welche  sich  die  Zähne  etwa  mit 
zwei  Dritteln  ihrer  Länge  anlehnen.  Jede  Zahnwurzel  umfasst  den 
entsprechenden  Sockel  in  der  Weise,  dass  auf  der  inneren  Seite  eine 
meist  rundliche  oder  eiförmige  Lücke  bleibt,  durch  welche  Gefässe  und 
Nerven  sich  zu  der,  die  innere  Zahnhöhle  ausfüllenden  Pulpe  begeben. 
Auf  der  Aussenfläche  ist  die  Zahnwurzel  durch  ein  schwammiges  Knochen- 
gewebe, das  Cäment,  an  die  verticale  Knochenlamelle  und  den  Sockel  an- 
gelöthet.  Die  Zähne  sind  schwach  hakig  gekrümmt,  haben  eine 
grössere  schneidende  Spitze  und  eine  kleine,  nur  mit  stärkereu  Ver- 
grösserungen  sichtbare  Xebeuspitze.  Die  grössten  Zähne  finden  sich 
etwa  in  der  Mitte  der  Kieferbogen;  sie  nehmen  nach  vorn  und  hinten 
an  Grösse  ab.  Die  Zahnsubstanz  zeigt  dichtgedrängte,  parallele  Zahn- 
röhrchen  ,  welche  von  der  inneren  Zahnhöhle  ausgehen ;  eine  Kappe 
von  fein  gestreiftem  Schmelz  deckt  die  Spitze  der  Krone.  Man  findet 
häufig  zerbrochene  oder  verstümmelte  Zähne,  neben  welchen  sich 
Ersatzzähne  bilden. 

In  der  beschriebenen  Weise  zeigen  sich  die  Zähne  an  dem  Skelette. 
Aber  an  der  lebenden  Eidechse  sieht  man  nur  die  Spitzen.  Die 
Schleimhaut  erhebt  sich  in  der  That  um  die  verticale  Knochenlamelle, 
biegt  sich  von  dieser  aus  in  die  Zwischenräume  der  Zahnkronen  hin- 
ein und  bildet  innen  auf  der  horizontalen  Lamelle  einen  erhabenen 
Längswulst,   der  die  Zähne  so  dicht  umkleidet   und  in  ihrer  Form  ab- 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II,  ji 


690  Wirbelthiere. 

giesst,  dass  der  Wulst,  wenn  er  losgelöst  wird,  wie  die  Zahnstange  des 
Kammrades  einer  Maschine  aussieht. 

Die  in  der  Nähe  der  Mittellinie  dem  Flügelbeine  aufsitzenden 
Zähnchen,  in  der  Zahl  von  acht  bis  zehn  jederseits,  ruhen  fast  un- 
mittelbar auf  dem  Knochen  mittelst  sehr  kurzer  Sockel  auf  und  lehnen 
sich  an  keine  vorspringende  Lamelle  an.  Sie  sind  also  acrodont.  Ihr 
Nährlöchelchen  findet  sich  auf  der  Innenseite  zwischen  Sockel  und 
Knochen :  sie  haben  die  Gestalt  eines  kurzen  Kegels.  Am  lebenden 
Thiere  sind  sie  so  tief  in  die  Schleimhaut  eingegraben ,  dass  man  sie 
gar  nicht  sehen,  kaum  fühlen  kann.  Im  Uebrigen  haben  sie  dieselbe 
Structur,  wie  die  Zähne  der  Kiefer. 

Das  Epithelium  der  Zunge  (l,  Fig.  286)  besteht  aus  Zellen,  die 
an  der  Oberfläche  abgeplattet  und  verhornt,  in  den  tieferen  Schichten 
rundlich  sind.  An  den  Rändern  und  Spitzen  der  Zunge  ist  es  sehr 
dick.  An  den  hinteren  Seitenflügeln  bildet  es  schiefe  Riffe,  die  schon  mit 
blossem  Auge  sichtbar  sind.  Unter  dem  Epithel  findet  sich  schwarzes, 
aber  sehr  ungleichartig  vertheiltes  Pigment.  Wir  haben  Eidechsen  mit 
fleckigen,  mit  ganz  weissen  oder  schwarzen  Zungen  angetroffen.  Auf 
der  Unterfläche  der  Zunge  ist  das  Pigment  weit  constanter.  Das  Epi- 
thel bildet  auf  der  ganzen  Oberfläche,  mit  Ausnahme  der  Zungen- 
spitzen, dachziegelartig  über  einander  liegende,  spitze  Papillen,  deren 
oft  doppelt  oder  selbst  mehrfach  gespaltene  Spitzen  nach  hinten  ge- 
richtet sind.  Verlängerungen  des  Bindegewebes  mit  Gefässen,  Nerven 
und  selbst  einigen  Muskelfäserchen  treten  in  diese  Papillen  ein.  Be- 
sondere Tastorgane  sind  noch  nicht  gefunden  worden. 

Speicheldrüsen  finden  sich  nur  am  Boden  der  Mundhöhle. 
Zwischen  dem  Tegumente  der  Lippen  und  der  aufsteigenden  Lamelle 
des  Unterkiefers  liegen  an  der  Aussenseite  desselben  dem  ganzen  Zahn- 
bogen entlang  die  Lippendrüsen  (/,  Fig.  287),  die  aus  ziemlich 
grossen,  wohl  begrenzten  Acini  bestehen,  deren  gewundene  Aus- 
führungscauälchen  quer  gegen  die  Oberfläche  gerichtet  sind,  zuweilen 
aber  auch  zu  gemeinsamen  Canälen  zusammenfliessen ,  die  auf  dem 
Grunde  der  Schleimhautfalte  münden.  Jedem  Zahne  scheint  ein 
Canälchen  zu  entsprechen. 

Die  weit  bedeutendere  Unter  zungen  drüse  (k,  Fig.  287)  er- 
streckt sich  am  Boden  desFrenulum  etwa  bis  zum  Drittel  seiner  Länge, 
zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie.  Die  Drüsenkörnchen  sind  sehr  klein, 
nur  undeutlich  begrenzt;  ihre  Ausführungsgänge  sammeln  sich  in 
Canälchen,  die  schief  nach  hinten  verlaufen,  und  in  der  Nähe  des  Fre- 
nvilum,  wo  sie  weit  deutlicher  sind,  sich  so  in  der  Mittellinie  kreuzen, 
dass  hier  die  beiderseitigen  Drüsen  zusammenzufliessen  scheinen. 
Die  Oeffnungen  dieser  Canäle  liegen  in  dem  Falze  zwischen  dem  Fre- 
nulum  und  der  Schleimhautfalte,  welche  den  Unterkiefer  bekleidet,  und 
erstrecken  sich  bis  zur  Symphyse. 


Reptilien. 


691 


Wir  müssen  hier  einer  besonderen ,  mit  dem  Gefässsysteme  zu- 
sammenhängenden Bildung  erwähnen,  welche  zur  Bewegung  der  Zunge 
beizutragen  scheint.  Man  findet  in  der  That  in  dem  Winkel  der  Sym- 
physe einen  weiten  Venen  sin  us  («,  Fig.  287),  der  stets  prall  mit  Blut- 
körperchen erfüllt  ist,  sich  bis  zum  Frenulum  erstreckt  und  hier  sich 
in  zwei  dicke  Gefässe  fortsetzt  (n^) ,  welche  zur  Zunge  aufsteigen  und 
in  dieser  sich  seitlich  nach  vorn  und  hinten  erstrecken ,  um  blind  zu 
enden.  Auf  unseren  nach  allen  Richtungen  gelegten  Durchschnitten 
konnten  wir  keine  in  diese  Räume  mündenden  Blutgefässe  auffinden. 
Es   sind    vielleicht   Lymphräume ,    die    aber    weite     Communicationen 

Fig.  287. 


Junge  Lacerta  viridis.  —  Querschnitt  der  Schnauze  (Gundl.  Oc.  1,  Obj.  OO).  Camera 
dura,  a,  knorpelige  Nasenscheidewand ;  b,  Tegument  des  Schädels ;  b^,  Tegument 
des  Unterkiefers;  c,  oberflächliche  Schädelknochen;  d,  Vorhof  der  Nase;  d^,  einige 
Follikel  seiner  Drüse;  e,  Nasenhöhle;  e^,  ihr  Geruchsepithelium ;  e^,  gewöhnliches 
Epithelium;  /,  mit  Geruchsepithelium  ausgekleideter  Rand  der  Muschel;  f^,  Substanz 
der  Muschel;  /^,  Nasendrüse  im  Inneren  der  Muschel;  f^,  Ansatz  der  Muschel; 
g,  geschlossene  Choane;  g^,  Choane,  deren  Oeffnung  in  die  Mundhöhle  vom  Schnitte 
getroffen  ist ;  ä,  Durchschnitt  des  Oberkiefers ,  in  welchem  man  die  Durchschnitte  der 
Arterie,  der  Vene  und  des  Nerven  sieht;  h^,  gefalteter  Zahnfollikel ;  h^,  durch- 
brechender Zahn ;  i,  Lippendrüse ;  h,  Unterzungendrüse ;  /,  Durchschnitt  des  Unter- 
kiefers mit  Nerv  imd  Gefässen;  m,  durchschnittener  Meckel' scher  Knorpel; 
«■,  Venensinus  unter  der  Zunge  ;  n^,  seine  Fortsetzung  in  die  Zunge  durch  zwei  seit- 
liche Sinusse. 


mit   dem  Blutgefässsystem   haben    müssen    und    wahrscheinlich   einen 
Schwellapparat  der  Zunge  bilden. 


44* 


692  Wirbelthiere. 

Hinter  der  Schlundenge  beginnt  der  Pharynx  (?,  Fig.  285)  als 
kurzer,  weiter  Trichter,  der  den  Vorsprung  des  zweibäuchigen  Muskels 
(?',  Fig.  285)  umgiebt  und  die  zu  den  Trommelhöhlen  führenden  Aus- 
buchtungen nach  oben  (/,  Fig.  286)  sendet.  Dieser  Trichter,  in  dessen 
ventraler  Mittellinie  die  Luftröhre  (k,  Fig.  285)  leicht  gekrümmt  ver- 
läuft, zeigt  stark  vorspringende  Längsfalten  der  Schleimhaut.  Er  wird 
nach  hinten  durch  den  Vorsprung  des  grossen,  geraden  Wirbelmuskels 
(13,  Fig.  285)  verengt  und  geht  so  in  einen  langen,  geraden,  innen 
ebenfalls  längsgefalteten  Schlauch  über  der  sich  mehr  und  mehr  an  die 
Unterfläche  der  Wirbelsäule  anlegt  und  so  den  nöthigen  Raum  für 
das  Herz  (n,  o,  g,  Fig.  285)  lässt,  von  dessen  Rückenfläche  er  nur  durch 
die  sich  einschiebende  Luftröhre  getrennt  ist.  Man  kann  diesen  Theil 
den  Schlund  (I,  Fig.  285)  nennen.  Sobald  der  Schlauch  an  die 
Vorderspitze  der  Lunge,  wo  sich  die  Luftröhre  gabelt,  gelangt  ist, 
erweitert  er  sich  allmählich  und  setzt  sich,  ohne  deutliche  Grenze,  in 
den  Magen  fort. 

Dieser  (j5^,  Fig.  264)  hat  eine  gestreckte,  spindelförmige  Gestalt 
und  dehnt  sich,  in  leerem  Zustande,  über  die  drei  vorderen  Drittel  der 
Leibeshöhle  aus,  wo  er  den  Raum  zwischen  den  beiden  Lungen  ausfüllt. 
Bei  Eröffnung  der  Leibeshöhle  von  unten  her  wird  er  fast  ganz  von 
der  Leber  verdeckt,  deren  ausgekehlte  Rückenfläche  sich  ihm  ziemlich 
genau  anschmiegt.  Gefässe  führende  Falten  des  Mesenteriums  be- 
festigen ihn  dorsal  an  die  Wirbelsäule  und  ähnliche  Gewebebrücken, 
in  welchen  zuführende  Pfoi'taderzweige  verlaufen,  heften  ihn  an  die 
Leber.  Am  hinteren  Rande  der' Leber  verengt  sich  der  Magen  be- 
deutend, bildet  eine  absteigende  Schlinge  und  endet  im  Duodenum, 
dessen  Anfang  durch  das  Pankreas  (q,  Fig.  264)  bezeichnet  wird, 
welches  die  Gallen-  und  Bauchspeichelgänge  bis  zu  ihrer  Mündung 
in  den  Darm  umhüllt.  Vor  dieser  Einmündung  und  zwar  gerade  an 
dem  Orte,  wo  der  Darm  sich  lebhaft  nach  vorn  und  oben  in  die  Aus- 
kehlung der  Leber  hineinbiegt,  findet  sich  im  Lmeren  eine  kleine 
Ki'eisfalte,  die  Pylor usklappe;  sie  scheint  uns  nicht  vollständig  das 
Lumen  des  Darmes  schliessen  zu  können.  Die  inneren,  übrigens  wenig 
zahlreichen  Längsfalten  des  Schlundes  setzen  sich  bis  gegen  die 
Magenerweiterung  fort,  verwischen  sich  aber  hier  allmählich,  um 
in  der  Pylorusgegend  wieder  aufzutreten.  Hier  sind  sie  aber  weit  zahl- 
reicher, zickzackförmig  gefältelt  und  gleichen  ganz  den  Schleim- 
hautfalten, welche  im  Dünndarme  seiner  ganzen  Länge  nach  aus- 
gebildet sind. 

Der  Dünndarm  bildet  zuerst  die  erwähnte  Schlinge,  in  welche 
das  Pankreas  eingebettet  ist,  und  dann  mehrere  unter  dem  Hinter- 
rande der  Leber  liegende  Windungen,  die  an  breiten  Mesenterialfalten 
befestigt  sind.  Er  entwickelt  sich  durch  diese  Windungen  mehr  gegen 
die  rechte  Seite  hin  und  mündet  endlich  durch  eine  seitliche  Oeff'nung, 


Reptilien.  693 

die  von  einer  dicken,  stark  vorspringenden  Klappe  umgeben  ist,  in  den 
erweiterten  Dickdarm. 

Der  Dickdarm  (u,  Fig.  2G4),  von  wurstförmiger  Gestalt,  nimmt 
den  Raum  zwischen  dem  Magen  und  dem  Becken  ein.  In  Folge  der 
seitlichen  Einmündung  des  Dünndarmes  zeigt  er  eine  vordere,  blinde 
Erweiterung,  Andeutung  eines  Blinddarmes;  da  seine  Wände  sehr 
dünn  sind,  so  sieht  man  meist  die  dunkel  gefärbten  Excremente  durch- 
schimmern, die  er  enthält.  Seine  im  Ganzen  längsgerichteten  Schleim- 
hautfalten verwischen  sich  fast  und  werden  durch  kaum  erhabene 
Querfalteu  mit  einander  verbunden. 

In  der  Nähe  des  Beckens  verengert  sich  der  Dickdarm  wieder  und 
geht  ohne  deutliche  Grenze  in  die  Cloake  über,  welche  der  ventralen 
Fläche  der  Niere  anliegt.  Auf  ihrer  ventralen  Seite  liegen  die  mit 
einem  langen  Stiele  in  sie  einmündende  Harnblase  {u,  Fig.  264) 
und  die  in  ihrem  Volumen  sehr  wechselnden  E'ettkörper.  Auf  der 
dorsalen  Seite  münden  in  die  Cloake  die  Samen-  oder  Eileiter,  letztere 
durch  weite  Seitenspalten  und  die  stets  getrennten ,  aber  der  Mittel- 
linie mehr  genäherten  Oeffnungen  der  Harnleiter.  Wir  behandeln  die 
Cloake  bei  Gelegenheit  der  ürogeuitalorgane. 

Die  Querspalte  der  Afteröffnung  (>/,  Fig.  264)  ist  ringsum 
von  strahlig  gestellten,  gekniffenen  Schleinihautfalten  umgeben,  die 
am  Rande  in  das  Tegument  übergehen ,  wo  sich  die  Hornbekleidung 
entwickelt. 

Die  Wände  des  Darmcanales  zeigen  überall  dieselbe  Bildung; 
eine  seröse ,  von  dem  Bauchfelle  gebildete  Hülle  mit  einem  Pflaster- 
epithelium,  eine  Muskelschicht,  die  aus  zwei  Lagen,  Querfasern  und 
Längsfasern,  besteht  und  eine  innere,  zellige  und  drüsige,  gefaltete 
oder  zottige  Schleimhaiitschicht ,  w^elche  auf  einer  lockeren  Binde- 
gewebeschicht ruht.  Die  relative  Entwicklung  dieser  Schichten  wechselt 
aber  sehr.  Die  Längsmuskelschicht  ist  nur  sehr  schwach  in  dem  Magen, 
weit  stärker  im  Dickdarm  ausgebildet.  Die  Ringmuskelschicht  findet 
sich  besonders  stark  im  Schlünde  und  im  Dünndärme;  sie  bildet  die 
Pylorusklappe  und  namentlich  die  mächtige  Klappe  an  der  Iilinmündnng 
in  den  Dickdarm.  Im  Schlünde  und  im  Magen  findet  man  Wimper- 
zellen ;  die  Di'üsen  fehlen  im  Epithelium  des  Schlundes  und  des  Dünn- 
darmes. Im  Magen  dagegen  finden  sich  zweierlei  einzellige  Drüsen: 
Schleimdrüsen  mit  körnigem  Protoplasma  und  kleinen  Kernen  und 
Verdauungsdrüsen  mit  hellem  Protoplasma  und  verlängertem  Halse. 
Die  übrigen  Epithelialzellen  gleichen  denen  der  Amphibien. 

Anhangsdrüsen.  —  Die  Leber  (o,  Fig.  264)  ist  sehr  volu- 
minös. Sie  erfüllt  fast  die  ganze  Vorderhälfte  der  Leibeshöhle  und 
hat  im  Ganzen  die  Gestalt  eines  dicken  Halbkegels,  dessen  vordere 
Spitze  sich  zwischen  die  Lungen  einschiebt  und  den  Herzbeutel  be- 
rührt.    Die  ventrale  Fläche  ist  der  Bauchwand   entsprechend   gewölbt, 


694  Wirbeltliiere. 

die  dorsale,  welche  den  Magen  umschliesst ,  zeigt  eine  tiefe  Rinne,  in 
welche  die  zum  Magen  führenden  Mesenterialfalten  sich  einsenken. 
Die  Ränder  sind  in  Lappen  und  Läppchen  eingeschnitten,  deren  Ent- 
wicklung von  dem  Zustande  der  Ernährung  abhängig  zu  sein  scheint. 
Kleine  Läppchen  umfassen  stets  die  grosse  Vene  (k,  Fig.  264),  welche 
am  Vorderende  der  Drüse  austritt,  sich  rechterseits  um  das  Herz 
herumbiegt  und  in  den  Venensinus  auf  der  dorsalen  Fläche  des  Her- 
zens einmündet.  In  der  Mitte  des  Hinterrandes  findet  sich  stets  eine 
starke  Einkerbung,  in  welcher  ventralwärts  die  Gallenblase,  dorsal- 
wärts  das  Pankreas  eingeschlossen  sind.  Aus  dieser  Kerbe  entspringt 
ein  bedeutendes  Mesenterialband,  welches  sich  an  der  ventralen  Mittel- 
linie der  Bauchwand  anheftet  und  in  welchem  Gefässe  verlaufen.  Bei 
beiden  Geschlechtern  sieht  man  rechterseits  einen  der  Bauchwand  an- 
liegenden ,  besonderen  Lappen ,  von  welchem  bei  den  Weibchen  ein 
Aufhängeband  zu  dem  entsprechenden  Ovarium  läuft.  —  Die  birnen- 
förmige Gallenblase  ist  relativ  klein;  sie  liegt  in  der  erwähnten 
medianen  Kerbe.  Die  von  der  Leber  austretenden  Gallengänge  münden 
in  den  Hals  der  Blase ;  der  Blasengang  läuft  horizontal  nach  hinten. 
Neben  ihm  verlaufen  noch  in  der  Masse  des  Pankreas  unabhängige, 
parallele  Gallengänge. 

Das  Pankreas  ($',  Fig.  264)  erstreckt  sich  vom  Halse  der  Gallen- 
blase durch  die  ganze  Länge  der  erwähnten  Darmschlinge.  Es  ist 
eine  fein  gelappte,  gestreckte  Drüse,  deren  Läppchen  die  Gallengänge 
so  dicht  umspinnen ,  dass  sich  letztere  unmöglich  vollständig  isoliren 
lassen.  Gallengänge  und  Bauchspeichelgänge  münden  zusammen  auf 
einem  kleinen  Wärzchen,  welches  unmittelbar  hinter  der  Pyloriisklappe 
in  einem  Grübchen  versteckt  sitzt. 

Bei  den  beiden  von  uns  speciell  untersuchten  Arten  (Lacerta  viridis 
und  ocellata)  liegt  die  Milz  (r,  Fig.  264)  auf  der  dorsalen  Fläche 
des  Magens  nahe  bei  der  Pylorusschlinge.  Sie  hat  in  Folge  der  Ueber- 
füllung  mit  Blut  eine  braunrothe  Farbe,  verlängerte  Gestalt  und  ist 
an  den  Magen  durch  eine  specielle  Mesenterialfalte  angeheftet,  welche 
sich  zii  dem  Dickdarme  und  den  Geschlechtsorganen  hinzieht.  Man 
sieht  sie  nur, 'wenn  man  den  Magen  zur  Seite  zieht.  Sie  hat  keine 
Beziehung  zum  Pankreas,  mit  Ausnahme  der  gefässführenden  Mesen- 
terialfalten. Bei  den  einheimischen  Eidechsen  soll  sie,  nach  Leydig, 
in  ringförmiger  Gestalt  den  Kopf  des  Pankreas  wie  ein  Wulst  um- 
geben. Wir  haben  nur  eine,  freilich  mit  vielem  Fett  versehene,  gefäss- 
führende  Mesenterialfalte  gesehen;  aber  wir  haben  uns  weder  durch 
Durchschnitte,  noch  durch  mikroskopische  Untersuchung  überzeugen 
können ,  dass  in  dieser  Falte  noch  Läppchen  des  Pankreas  sich  vor- 
finden, die  leicht  kenntlich  sind. 

Harnorgane.  —  Die  Nieren  (iC,  Fig.  264)  liegen  im  hintersten 
Theile   der   Leibeshöhle   und   schmiegen   sich   so    gut    an    die   ventrale 


Reptilien.  695 

FJäche  des  Kreuzbeines  an,  dass  die  Unebenheiten  der  Wirbel  auf  ihrer 
dorsalen  Fläche  im  Abdrucke  hervortreten.  Sie  bestehen  aus  zwei, 
vorn  etwas  gelappten ,  symmetrischen  Hälften ,  während  der  hintere, 
zugespitzte  Theil ,  welcher  noch  etwas  über  die  Afterspalte  vmd  die 
Leibeshöhle  hinaus  sich  in  die  Wurzel  des  Schwanzes  erstreckt,  gerade 
Ränder  zeigt.  Die  dorsale  Fläche  ist  gewölbt;  die  Mitte  zeigt  die 
grösste  Dicke.  Die  ventrale  Fläche,  unter  welcher  die  Cloake  liegt, 
ist  eben  oder  sogar  ein  wenig  ausgekehlt.  Die  vordere  Hälfte  der 
Niere  wird  auf  der  ventralen  Fläche  vom  Mesenterium  überzogen,  das 
in  der  Mitte  der  Länge  etwa  sich  umschlägt,  um  die  dorsale  Fläche 
der  Cloake  zu  überziehen,  wo  es  eine  verdickte  Fasermasse  bildet.  Unter 
dieser  fliessen  die  beiden  Hälften  der  Niere  in  der  Mittellinie  zusammen 
und  hier  verlaufen  auch  die  Enden  der  Harnleiter  und  der  Geschlechts- 
canäle,  die  sich  in  die  Cloake  öffnen,  —  Die  sehr  kurzen  Harnleiter 
setzen  sich  wesentlich  aus  zwei  verzweigten  Bäumen  zusammen,  von 
welchen  der  eine  dem  vorderen ,  der  andere  dem  hinteren  Theile  an- 
gehört. Die  beiden  Bäume  vereinigen  sich  jederseits  in  der  erwähnten 
Falte  des  Mesenteriums  und  bilden  so  die  kurzen  Harnleiter,  welche 
sich  unmittelbar  in  die  Cloake  öffnen.  Bei  den  Männchen  vereinigen 
sich  die  Harnleiter  jederseits  mit  den  Samenleitern ,  um  sich  gemein- 
schaftlich auf  einem  Urogenitalwärzchen  in  der  Nähe  der  Mittellinie 
an  der  dorsalen  Wand  der  Cloake  zu  öffnen  ;  bei  den  Weibchen  haben 
die  Harnleiter  getrennte,  spaltförmige  Mündungen,  welche  hinter  den 
Oeffnungen  der  Eileiter  liegen.  Der  Harn  bildet  körnige,  kreideweisse 
Massen ,  die  fast  ausschliesslich  aus  krystallinischeu  Körnchen  von 
Harnsäure  bestehen ,  welche  durch  Schleim  zusammengeklebt  sind  und 
oft,  wie  grosse  Pfropfen,  die  Cloake  ausfüllen. 

Die  Harnblase  («t^,  Fig.  264)  ist  ein  weiter  Sack  in  Form  eines 
Dreieckes,  dessen  Basis  nach  vorn  gerichtet  ist,  während  die  Spitze 
sich  in  einen  engen  und  langen  Canal  auszieht,  der  den  Harnleitern 
gegenüber  in  der  ventralen  Wand  der  Cloake  mündet.  Sie  ist  nur 
auf  ihrer  dorsalen  Fläche  vom  schwarzen  Peritoneum  überzogen ,  hat 
nur  sehr  dünne,  mit  glatten  Muskelfasern  ausgestattete  Wände  und 
trägt  ihren  Namen  mit  Unrecht,  denn  man  findet  in  ihr  nur  farblose 
Flüssigkeit,  aber  niemals  die  eigenthümlichen ,  käsigen  Harnmassen. 
Sie  ist  nichtsdestoweniger  ein  Rest  der  embryonalen  Allantois. 

Geschlechtsorgane.  —  Man  muss  die  eigentlichen  Geschlechts- 
organe und  die  übrigens  durchaus  davon  getrennten  Begattungsorgane 
unterscheiden. 

Männliche  Organe  (Fig.  264).  —  Die  selbst  zur  Begattungszeit 
im  Frühjahre  verhältnissmässig  kleinen  Hoden  (s)  haben  eine  eiförmige 
Gestalt  und  liegen  etwa  in  der  Mitte  der  Bauchhöhle  zu  beiden  Seiten 
der  Mittellinie  hart  an  der  Rippenwand  an.     Sie  sind  kreideweiss  und 


696 


Wirbelthiere. 


Fia-.  288. 


Weibliche  Lacerta  viridis,  iiatürliclie  Grösse.  Das  auf  den  Kücken  gelegte  Thier  ist 
vom  Bauche  aus  geöflhet ;  Magen,  Leber,  Darm  und  übrige  Eingeweide  der  rechten 
Seite  sind  ausgebreitet  worden ,  während  man  die  Organe  linkerseits  in  ihrer  Lage 
gelassen  hat.  Dickdarm  und  Cloake  sind  geöffnet,  um  ihre  inneren  Bildungen  zu 
zeigen.  «,  Luftröhre;  6,  Thymus;  c,  Herzbeutel;  d,  Herz;  e,  rechte  Lunge  ;/',  Leber- 
vene;  (/,  Peritonealband  des  Herzens;  h,  Leberlappen;  i,  Magen;  k,  Gallenblase; 
/,  Pankreas ;  m,  Peritonealband  der  Milz  n ;  o,  Darm ;  p.,  geöffneter  Blinddarm ;  5',  Ein- 
trittsöffnung  des  Dünndarmes  in  den  Dickdarm  ;  r,  Harnblase ;  s,  Spitzbogen  der  Ein- 


Reptilien.  697 

werden  allseitig  von  einer  Falte  des  Mesenteriums  (Mesurchium)  um- 
geben, welche  sie  einerseits  an  die  Lungen,  anderseits  an  die  Cloake 
befestigt.  Der  rechte  Hode  liegt  etwas  weiter  nach  vorn  als  der  linke. 
Die  Samenröhrchen ,  welche  die  Substanz  der  von  einer  besonderen 
Hüllhaut  umgebenen  Hoden  bilden,  sind  nur  wenig  gewunden  und  ver- 
einigen sich  am  inneren  Rande  zu  etwa  einem  Dutzend  sehr  kurzer 
Quercanälchen,  welche  in  den  Nebenhoden  (f)  eintreten.  Dieser  hat 
eine  keulenförmige  Gestalt,  liegt  an  der  Innenseite  des  Hodens,  zwischen 
ihm  und  der  Aorta;  auf  ihm  sitzt,  wie  eine  Kappe,  die  Nebenniere, 
von  welcher  bei  den  weiblichen  Organen  die  Rede  sein  soll.  Die  im 
Nebenhoden  stark  gewundenen,  erweiterten  Samengänge  bieten  ausser- 
dem noch  seitliche  Ausbuchtungen  ;  ihre  Wände  enthalten  glatte  Muskel- 
fasern. Nach  hinten  wird  der  Nebenhode  dünner  und  setzt  sich 
schliesslich  in  den  Samenleiter  (t^)  fort,  der  in  der  Mesenterialfalte 
eingeschlossen ,  scheinbar  in  gerader  Linie  bis  zu  dem  Orte  verläuft, 
wo  die  Harnleiter  in  die  Cloake  münden.  Nimmt  man  aber  nach  Spal- 
tung der  Peritonealfalte  die  Lupe  zu  Hülfe,  so  sieht  man  leicht,  dass 
der  Samenleiter  sehr  kurze,  korkzieherartige  Windungen  macht,  um 
schliesslich  in  der  Endpapille  ein  winziges  Samenbläschen  zu  bilden, 
das  man  nur  zur  Fortpflanzungszeit  unterscheiden  kann ,  wenn  es 
prall  mit  Samen  gefüllt  ist.  Die  Zoospermen  haben  einen  langen, 
cylindrischen ,  etwas  gekrümmten  Leib  und  einen  langen ,  sehr  dünnen 
Schwanz. 

Weibliche  Organe  (Fig.  288).  —  Die  Eierstöcke  (2)  liegen 
genau  an  derselben  Stelle,  wo  beim  Männchen  die  Hoden  liegen;  das 
rechte  Ovarium  liegt  ebenfalls  etwas  weiter  nach  vorn  als  das  linke.  Aber 
selbst  nach  langem  Fasten  im  Winter  erscheinen  die  Eierstöcke  weit 
grösser  und  ihre  Oberfläche  ist  gebuckelt  in  Folge  der  Entwicklung 
der  fast  kugelförmigen  Eier.  Die  Beziehungen  zum  Mesenterium  sind 
ebenfalls  die  gleichen  wie  bei  den  Hoden;  doch  tritt  die  Mesenterial- 
falte iy) ,  welche  von  der  Lungenspitze  sich  zu  dem  vollständig  ge- 
schlossenen Eierstocke  und  weiter  in  der  Richtung  des  Samenganges 
zu  der  Cloake  begiebt,  weit  stärker  hervor.  Dieses  Band  ist  offenbar 
ein  obliterirter  Canal,  enthält  aber  nur  noch  Bindegewebe,  Gefässe  und 
einige  glatte  Muskelfasern.  Meist  sieht  man  auf  der  ventralen  Fläche 
des  Ovariums  einige  wenig  deutliche  Bläschen,  die  in  einer  Läugslinie 
geordnet  sind  und  als   verkümmerter  Nebeneierstock  (Epoophoron) 

trittsöftnungen  der  Eileiter  in  die  Cloake;  f,  OefFiiungeu  der  Harnleiter;  u.  weisses 
Peritoneum  in  der  Umgebung  der  Lungen  ;  f,  linke  Lunge ;  «■,  schwarzes  Peritoneum 
iler  hinteren  Bauehhöhle  ;  a-,  durchsichtige,  den  Eileitertrichter  enthaltende  Peritoneal- 
falte ;  y,  durchsichtige  Peritonealfalte  von  dev  Lunge  zu  dem  Ovarium ;  z,  äusserer, 
s',  innerer  Rand  der  den  Eileiter  enthaltenden  Falte;  1,  Nebenniere;  2,  Ovarium; 
.'),    Epoophoron ;    4,    Mesoarium ;     5,    uneröffneter    Theil    der    Cloake ;    6,    Afterspalte ; 

7,  Eileiter. 


698  Wirbelthiere. 

bezeichnet  worden  sind  (3,  Fig.  288).  Wir  haben  diesen  Theil  nicht 
immer  deutlich  entwickelt  getroffen;  er  hat  eine  braune  Farbe  und 
eine  genauere  Untersuchung  zeigt,  dass  er  aus  abgestorbenen  Eiern 
besteht,  deren  Inhalt  körnig  und  deren  Schale  verhornt  scheint. 

Wenn  der  Nebeneierstock  zuweilen  fehlt,  so  sieht  man  dagegen 
unter  allen  Umständen  die  sogenannten  goldgelben  Körper 
(1,  Fig.  288),  die  als  langgestreckte,  dünne  Massen  an  dem  inneren 
Rande  des  Eierstockes  liegen  und  über  denselben  nach  vorn  vorragen. 
Diese,  wie  schon  erwähnt,  auch  beim  Männchen  vorkommenden  Organe 
sind  sehr  gefässreich,  bei  jungen  Individuen  sieht  man  darin  noch 
Reste  der  Wolff  sehen  Körper.  Man  hat  sie  auch  Par Ovarien  ge- 
nannt, aber  nach  den  Untersuchungen  von  Braun  (s.  Liter.)  ist  es 
weit  wahi'scheinlicher,  dass  sie  die  hinsichtlich  ihrer  Function  noch  so 
dunklen  Neb  ennieren  darstellen.  Bei  den  erwachsenen  Eidechsen 
bestehen  sie  aus  einer  bindegewebigen,  mit  zahlreichen  gelben  Tröpf- 
chen von  Fett  durchsetzten  Grundsubstanz,  worin  sich  verschiedene 
Zellen  finden :  solche ,  die  zahlreiche  gelbe  Körner  enthalten ;  durch- 
sichtige, in  Linien  geordnete  Zellen  mit  grünlichem  Protoplasma,  hellen 
Kernen  und  deutlichen  Kernkörperchen ,  endlich  Zellen  mit  braunem, 
körnigem  Inhalt.  Ein  bedeutender  Zweig  des  Sympathicus  begiebt 
sich  zu  dem  Organe  und  bildet  dort  zahlreiche  kleine  Ganglien. 

Der  Eileiter  (7,  Fig.  288)  steht  in  keiner  unmittelbaren  Ver- 
bindung mit  dem  Eierstocke.  Er  besteht  bei  unseren  typischen  Arten 
aus  zwei  Theilen :  einem  sehr  dünnwandigen ,  durchsichtigen  Trichter, 
der  wie  der  ganze  Eileiter  überhaupt  an  einer  durchsichtigen  Peritoneal- 
lamelle  aufgehängt  ist,  die  von  der  Lunge  ausgeht  und  an  der  Bauch- 
wand der  ganzen  Länge  nach  befestigt  ist.  Die  Oeffnung  des  Trichters 
wird  von  einem  langen,  schiefen,  stark  bewimperten  Schlitze  dar- 
gestellt, an  dessen  Grunde  eine  enge  Oeffnung  in  den  eigentlichen  Ei- 
leiter führt,  der  dickere,  weissliche  Wände  zeigt  und  darmähnlich  quer 
gefaltet  ist.  Anfangs  ziemlich  eng,  erweitert  sich  der  Eileiter  all- 
mählich gegen  die  Cloake  hin.  Man  hat  diesen  erweitex'ten  Theil  den 
Uterus  genannt  und  er  verdientauch  diesen  Namen  bei  den  lebendig 
gebärenden  Arten;  bei  unseren  typischen  Arten  aber  macht  sich  die 
Erweiterung  so  allmählich ,  dass  von  einer  Begrenzung  nicht  die  Rede 
sein  kann.  In  der  Nähe  der  Cloake  verengern  sich  die  Eileiter  aufs 
Neue  und  öffnen  sich  auf  der  Rückenseite  in  dieselbe  durch  zwei,  vor 
den  Harnleitern  gelegene,  knopflochartige  Mündungen. 

Die  Eier  zeigen  im  Eierstocke  eine  ziemlich  dicke  Hülle  mit 
feinen  Porencanälen  (Zona  radiata) ,  ein  helles  Keimbläschen  mit  zahl- 
reichen Keimflecken  und  einen  anfänglich  hellen  Dotter,  der  bei  zu- 
nehmendem Wachsthum  körnig  wird,  sich  aber  zur  Zeit  der  Reife 
wieder  aufhellt.     Die  Eier  lösen  sich  dann  vom  Ovarium  ab,  fallen  in 


Reptilien.  699 

die  Leibesliöhle  und  gelangen  in  den  Trichter.  Bei  dem  Durchgänge 
durch  den  Eileiter  erhalten  sie  eine  ziemlich  dicke  und  feste,  aber 
doch  biegsame  Schalenhülle,  die  aus  mehreren  Lagen  elastischer  Fasern 
besteht,  zwischen  welchen  sich  unregelmässige  Ablagerungen  minera- 
lischer Stoffe,  besonders  von  kohlensaurem  Kalke,  finden.  Zur  Zeit  der 
Eiablagerung  findet  man  auch  in  den  verdickten  Wänden  des  Eileiters 
beuteiförmige  Drüsen  mit  engem  Halse,  deren  Oeffnungen  von  rosetten- 
artigen Falten  der  Schleimhaut  umgeben  sind.  Diese  Bilduugen  ver- 
wischen sich  fast  vollständig  während  der  Ruhepausen  des  Eileiters. 
Nach  innen  und  aussen  werden  die  Querfalten  des  Eileiters  von  zwei 
Mesenterialfalten  (:S  und  g^)  eingefasst,  die  sich  in  der  ganzen  Länge 
vom  Trichter  bis  zur  Cloake  erstrecken. 

Die  Cloake  (s,  Fig.  288)  bildet  bei  beiden  Geschlechtern  einen 
geraden,  in  der  Beckenhöhle  liegenden  Hohlcylinder ,  der  von  aussen 
ziemlich  einfach  erscheint,  aber  im  Inneren  Bildungen  zeigt,  die  man 
am  besten  zuerst  bei  den  Weibchen  untersucht,  wo  sie  deutlicher  ent- 
wickelt sind. 

Das  Ende  des  Dickdarmes  besitzt  sehr  dünne  Wände  mit  ver- 
wischten Innenfalten.  An  der  Vordergrenze  des  Beckens  entwickeln 
sich  die  Muskelfasern  bedeutend ;  die  Wände  werden  dicker  und  im 
Inneren  zeigt  sich  eine  vorspringende  Querfalte  der  Schleimhaut,  mit 
deutlichen  Zotten  am  Rande,  ein  wirklicher  Sphincter,  mit  vorsprin- 
gendem Rande,  so  dass  das  Darmende  vor  ihm  sackartig  aufgetrieben 
erscheint.  Dieser  Schliesswulst  ist  ziemlich  breit:  hinter  seinem  Rande 
zeigt  sich  auf  der  ventralen  Seite  eine  ziemlich  weite  Oeffnung  (r),  die 
in  den  Hals  der  Harnblase  führt.  An  der  dorsalen  Seite  sieht  man 
eine  Art  von  breitem  Gewölbe,  das  durch  einen  Mittelpfeiler  in  zwei 
Spitzbogen  (s)  getheilt  ist:  hier  finden  sich  die  Oeffnungen  der  Ei- 
leiter. Etwas  hinter  diesen  Bogen  erscheinen  die  wenig  vortretenden 
Oeffnungen  der  Harnleiter  (t).  In  der  Nähe  der  Eileiteröffnungen 
liegt  beiderseits  auf  der  Aussenseite  der  Cloake  eine  hufeisenförmige, 
weisse  Drüse ,  die  wenig  vorspringt ,  aber  leicht  an  den  durch- 
scheinenden Wänden  gesehen  werden  kann.  Meist  enthält  dieser  Theil 
der  Cloake  einen  weissen,  körnigen  Pfropf  von  Urin.  In  den  Ecken 
der  gefalteten  und  warzigen  Querspalte  des  Afters  sieht  man  zwei 
kleine  Löchelchen,  welche  in  die  beiden  kleinen  Clitoris  führen,  die 
keine  Muskeln  besitzen.  Die  Lippen  der  Afterspalte  enthalten  kleine, 
zwischen  den  Muskelbündeln ,  welche  die  Spalte  öffnen  niad  schliessen, 
zerstreute  DrüsenfoUikel. 

So  verhalten  sich  die  Bildungen  beim  Weibchen.  Bei  dem 
Männchen  aber  ist  das  Gewölbe  mit  den  Spitzbogen  weit  weniger 
ausgebildet  und  auf  dem  Grunde  erhebt  sich  jederseits  eine  kleine, 
wenig  vortretende  Papille  mit  der  gemeinsamen  Oeffnung  der  Samen- 


700  Wii'beltliiere. 

und  Harnleiter  auf  der  Spitze.  Was  aber  besonders  die  Cloake  des 
Männcbens  auszeichnet,  das  sind  zwei,  in  den  Ecken  der  Afterspalte 
angebrachte,  runde  und  ziemlich  grosse  Oeffuungeu  ((/,  Fig.  2(34), 
welche  in  zwei  spindelförmige  Schläuche  (z^)  führen,  die  unter  den 
oberflächlichen  Schwanzmuskeln  liegen  und  die  ausstülpbaren  männ- 
lichen Ruthen  sind.  Im  Inneren  sind  diese  Schläuche,  und  zwar 
ganz  besonders  in  ihrer  mittleren  Verdickung,  mit  einem  hornigen 
Epithelium  ausgekleidet,  das  knopfförmige  Erhabenheiten  zeigt,  auf 
welchen  sich  sogar  dornenartige  Spitzen  entwickeln.  Wenn  diese  Be- 
gattungsorgane nach  aussen  vorgestülpt  sind,  so  zeigen  sie  eine  dop- 
pelte, eichelartige,  verdickte  Endiguug;  die  Spalte,  welche  die  beiden 
Eicheln  trennt,  setzt  sich  auf  der  äusseren  Fläche  ihres  duneren 
Stieles  in  eine  Spiralrinne  fort,  die  der  Urogenitalpapille  gegenüber 
mündet  und  offenbar  dazu  bestimmt  ist,  bei  der  Begattung  den  Samen 
in  die  weiblichen  Organe  hinüber  zu  leiten.  Das  mit  Spitzen  besetzte 
Epithelium  der  Eicheln  wird  auf  den  übrigen  Flächen  der  Ruthen 
durch  ein  Pflasterepithelium  ersetzt.  —  Im  Umfange  dieser  inneren 
Schicht,  die  durch  die  Ausstülpung  der  Ruthen  zur  äusseren  wird, 
finden  sich  bindegewebige  Massen  mit  weiten  Lücken  und  groben 
Gefässnetzen,  die  wohl  einen  erectilen  Apparat  herstellen,  der  bei  der 
Ausstülpung  eine  Rolle  spielen  mag.  Dieses  Bindegewebe,  das  beson- 
ders stark  an  den  Eicheln  entwickelt  ist,  wird  von  einer  starken,  aus 
Längsfasern  zusammengesetzten  Muskelscheide  umgeben,  die  sich  nach 
hinten  in  einen  Rückziehmuskel  des  Penis  (&)  fortsetzt,  der  sich  an  die 
ventralen  Dorufortsätze  der  vorderen  Schwanzwirbel  ansetzt.  Man 
findet  keine  Ringmuskeln;  die  Ausstülpung  der  Ruthen  wird  wohl  durch 
die  Compression  mittelst  der  Schwanzmuskeln  geschehen ,  die  auf  die 
mit  Blut  und  Lymphe  gefüllten  Hohlräume  der  Bindegewebemasse 
einwirken. 

Wir  müssen  hier  noch  der  beiden  Fettkörper  (u,  Fig.  264)  er- 
wähnen, die  innerhalb  des  Beckens  auf  der  ventralen  Seite  der  Leibes- 
höhle liegen  und  gänzlich  von  dem  schwarzen  Bauchfelle  umkleidet 
werden.  Sie  wechseln  ausserordentlich  in  Gestalt  und  Grösse,  zeigen 
aber  stets  gelbe  Farbe  und  abgerundete  Ränder.  Bei  Individuen ,  die 
im  Anfange  April  während  des  Winterschlafes  gefangen  wurden,  waren 
sie  enorm,  stiessen  nach  vorn  an  die  Leber  an  und  zeigten  eine  be- 
deutende Entwicklung  ihrer  von  den  äusseren  Beckenarterien  und 
Venen  stammenden  Gefässe.  Dagegen  waren  sie  bei  Individuen ,  die 
während  fünf  Wintermonaten  gefastet  hatten ,  aber  nicht  zum  Winter- 
schlafe gekommen  waren,  auf  ein  Minimum  reducirt. 

Wir  fügen  noch  einige  Worte  über  das  Peritoneum  in  seiner 
Gesammtheit  bei.  Es  kleidet  alle  Wände  der  Leibeshöhle  ohne  Aus- 
nahe aus,  zeigt  aber  verschiedenes  Verhalten  in  seinem  vorderen  und 
hinteren  Abschnitte.     An   der  Spitze   der  Herzkammer   verschmilzt  es 


Reptilien.  701 

mit  dem  Herzbeutel  (,(/,  Fig.  288)  und  befestigt  so  dessen  Spitze  an 
der  Leibeswand,  die  es  zu  beiden  Seiten  bis  zur  dorsalen  Mittellinie 
überzieht,  wo  es  eine  herabsteigende  L<ängsfalte  bildet,  in  welcher  die 
Aorta  eingeschlossen  ist.  Auf  der  Brustwand  bleibt  es  durchscheinend 
und  entsendet  hier  Lamellen  zur  Bekleidung  der  Lungen,  des  Magens 
und  der  Leber.  Aber  bei  seiner  weiteren  Ausdehnung  nach  hinten 
wird  es  durch  die  Entwicklung  einer  Pigmentschicht  auf  seiner  Aussen- 
seite  tief  schwarz.  Die  Grenze  des  schwarzen  Bauchfelles  ist  sehr 
scharf,  sie  folgt  etwa  der  Richtung  der  Rippen,  wie  wir  es  auf  der 
rechten  Seite  der  Figuren  264  und  288  (u)  angegeben  haben.  Oeffnet 
man  das  auf  dem  Rücken  liegende  Thier  von  der  Bauchseite,  so  zeigt 
die  schwarze  Färbung  einen  tiefen,  mit  der  Spitze  nach  hinten  ge- 
richteten Ausschnitt.  Nun  erstreckt  sich  das  schwarze  Bauchfell 
über  die  ganze  Ausdehnung  der  Wände  des  hinteren  Abschnittes  der 
Leibeshöhle,  aber  die  von  ihm  ausgehenden  Falten,  an  welchen  der 
Darm  und  die  Geschlechtsorgane  aufgehängt  sind ,  bleiben  vollständig 
durchsichtig.  An  der  Niere  angelangt,  verlässt  das  Bauchfell  die 
Körperwand  und  tritt  auf  die  ventrale  Fläche  der  Niere  über,  deren 
ganze  vordere  Hälfte  es  bis  zum  Austritte  der  Harnleiter  überzieht. 
Hier  schlägt  es  sich  auf  die  Cloake  hinüber  und  senkt  sich  an  dieser 
hinab,  so  dass  es  zwei  seitliche,  nach  hinten  geschlossene  Trichter 
bildet.  Es  setzt  sich  dann  über  die  ventrale  Fläche  der  Cloake  bis 
zu  einer  Qaerliuie  fort,  welche  der  Einmündung  der  Harnblase  ent- 
spricht, und  schlägt  sich  über  die  Fettkörper  hinüber  zur  ventralen 
Leibeswand,  von  deren  Mittellinie  Falten  ziir  Fixation  des  Darmes  und 
der  Leber  abgehen.  Die  Nieren  liegen  somit  auch  hier  ausserhalb 
des  Bauchfelles.  Die  geschlossenen  Trichter  zu  beiden  Seiten  der 
Cloake  scheinen  uns  die  obliterirten  Reste  früher  offener  Peritoneal- 
canäle  zu  sein. 

Athem  Organe.  —  Sie  bestehen  aus  dem  Kehlkopfe,  der  hinten 
in  zwei  Bronchen  getheilten  Luftröhre  und  den  Lungen.  Bei  Ge- 
legenheit des  Gerachsorganes  haben  wir  schon  die  zu  demselben  ge- 
hörigen Canäle  behandelt,   welche  die  Luft  in  die  Mundhöhle   führen. 

Der  Kehlkopf  (g,  Fig.  285;  Ja,  Fig.  286)  liegt  auf  dem  Boden 
der  Mundhöhle ,  in  dem  Ausschnitte  zwischen  den  hinteren  Zungen- 
fiügeln,  unmittelbar  vor  dem  Schlundkopfe  auf  dem  Körper  des  Zungen- 
beines. Er  ist  nebst  der  von  ihm  ausgehenden  Luftröhre  in  seiner 
Lage  durch  die  Mundschleimhaut  befestigt,  welche  sich  an  den  Rän- 
dern der  linearen,  vorn  kaum  etwas  erweiterten  Stimmritze  nach  innen 
einschlägt.  Er  hat  eine  ovale  Form  und  unterscheidet  sich  durch 
seine  weisse  Farbe  von  der  umgebenden  schwärzlichen  Mundschleim- 
haut. Er  besteht  aus  einem  breiten  Knorpelringe,  der  ventralwärts 
etwas  ausgezogen  und  aus  der  Verschmelzung   mehrerer  Tracheairinge 


702  Wirbelthiere. 

mit  den  Cartil.  thyroidea  und  cricoidea  hervorgegangen  ist.  Aitf  der 
Vorderfläche  dieses  Kehlkopfknorpels  liegen  zwei  kleine,  hakenförmig 
gekrümmte  Cart.  arytenoideae ,  die  durch  zwei  kleine  äussere  Muskeln 
aus  einander  gezogen  werden  können ,  welche  zu  beiden  Seiten  der 
Kehlkopfschwellung  wie  halbmondförmige  Wülstchen  hervortreten 
(Fig.  286).  Ein  an  der  ventralen  Innenseite  des  Hauptknorpels  sich 
ansetzender  Ringmuskel  dient  als  Verengerer.  Die  ziemlich  dicke 
Schleimhaut,  welche  die  Innenflächen  der  einfachen  Kehlkopfhöhle 
überzieht,  trägt  ein  Wimperepithelium. 

Die  Luftröhre  {h,  Fig.  285;  tr,  Fig.  286)  liegt  in  der  Mittel- 
linie der  Rachen-  und  Schlundhöhle  und  besteht  aus  zahlreichen,  theil- 
weise  unvollständigen  Knorpelringen.  Sie  krümmt  sich  etwas  nach  unten 
in  der  Schlundenge,  hebt  sich  aber  dann  wieder  und  kommt  endlich 
zwischen  das  ventralwärts  gelegene  Herz  und  den  dorsalen  Schlund 
zu  liegen.  In  der  Gegend  der  hinteren  Herzspitze  (Fig.  285)  gabelt 
sie  sich  in  zwei  kurze  Aeste  (Ji^) ,  welche  unmittelbar  in  die  beider- 
seitigen Lungen  auf  deren  Innenfläche  eintreten. 

Die  Lungen  (7,  m,  Fig.  264)  bilden  zwei  Säcke  von  länglicher 
Eiform,  die  beiderseits  auf  der  dorsalen  Seite  der  Leibeshöhle  sich 
etwa  bis  zur  Hälfte  der  Länge  des  Magens  nach  hinten  ausdehnen. 
Sie  werden  durch  breite  Mesenterialfalten  in  ihrer  ganzen  Länge 
dorsalwärts  an  den  Magen ,  ventralwärts  und  seitlich  an  die  Leber 
angeheftet  und  gänzlich  von  dem  Bauchfelle  umhüllt.  Die  zum  Magen 
gehenden  Falten  erstrecken  sich  nach  hinten  als  breite  Bänder  zu  den 
Geschlechtsorganen. 

Die  Lungensäcke  haben  dicke  und  elastische  Wände ,  die  aus 
glatten  Muskelfasern ,  elastischen  und  Bindegewebefasern  zusammen- 
gesetzt sind.  Erst  in  dem  hinteren  Abschnitte  werden  die  Wände 
dünner  und  lassen  dann  deutlich  die  Alveolen  ihrer  Innenfläche  durch- 
schimmern. Sie  sind  stets  mit  Liift  gefüllt,  fallen  aber.  Dank  der 
Elasticität"  ihrer  Wände,  nicht  zusammen,  wenn  man  sie  öffnet  oder 
durchschneidet. 

Nach  Eröffnung  eines  Lungensackes  kann  man  leicht  constatiren, 
dass  der  Bronchus  auf  der  Innenseite,  unmittelbar  hinter  dem  Aus- 
tritte der  Lungenvene  sich  öffnet,  die  sich  wie  die  Bronchen  gabelt 
und  auf  der  ventralen  Seite  des  Sackes  verlaufend  sich  verzweigt.  Die 
im  Gegentheil  von  ihrem  Ursprünge  aus  dem  Bulbus  des  Herzens  an 
isolirten  Lungenarterien  verlaufen  auf  der  dorsalen  Seite  der  Säcke. 
Man  sieht  dann  zugleich,  dass  das  vordere  Ende  eines  jeden  Sackes 
über  die  Eintrittsstelle  des  Bronchus  hinaus  sich  blindsackartig 
fortsetzt  und  dass  dieser  blinde  Abschnitt  von  einem  starken 
Muskelwulste  umgeben  ist,  der  wohl  die  Rolle  eines  Schliessmuskels 
spielen  mag. 


Reptilien.  703 

Auf  der  inneren  Fläche  springen  die  Gefässe  mit  ihren  auastomo- 
sireuden  Verzweigungen  stark  vor  und  bilden  so  ein  System  von  am 
Grunde  mehr  und  mehr  getheilten  Areolen ,  die  Bienenwaben  nicht 
unähnlich  sind  und  sich  über  die  ganze  Innenfläche  erstrecken.  Auf 
der  Rückenseite  längs  der  Erstreckuug  des  Mesenterialbandes  zum 
Magen  bilden  sich  diese  Areolen  zu  tieferen,  jederseits  in  einer  Längs- 
reihe gelagerten  Höhlungen  aus,  deren  man  in  jeder  Reihe  zehn  bis 
zwölf  zählt  und  die  von  den  Gefässen,  Arterien  wie  Venen,  quer  durch- 
setzt werden.  Man  kann  in  dieser  Bildung  die  erste  Anlage  der  bron- 
chialen Höhlen  oder  Röhren  erblicken,  die  sich  in  den  Lungen  der 
Krokodile  entwickeln. 

Die  Athmung  besteht  nicht,  wie  bei  den  Amphibien,  aus  einer 
Art  Verschluckung  der  Luft.  Beobachtet  man  eine  lebende  Eidechse, 
so  sieht  man  die  Wände  des  Halses  in  ihrem  hinteren  Abschnitte  sich 
abwechselnd  zusammenziehen  und  ausdehnen ,  ohne  dass  die  Mund- 
höhle an  diesen  Bewegungen  Antheil  nähme.  Die  Töne ,  welche  die 
Eidechse  hervorbringen  kann  und  die  wir  oft  bei  unseren  im  Terra- 
rium gehaltenen  hören  konnten,  sind  kurz,  rauh  und  nur  wenig  laut 
schallend. 

Kreislauf.  —  Man  kann  das  Herz  ohne  vorgängige  Ein- 
spritzung untersuchen.  Tödtet  man  die  Thiere  durch  Chloroform, 
so  bleiben  die  grossen  Gefässe,  besonders  die  Venen,  prall  mit  gestocktem 
Blute  gefüllt,  so  dass  man  sie  leicht  präpariren  kann. 

Das  Herz  (Fig.  289  a.  f.  S.)  liegt  in  der  ventralen  Mittellinie  unmittel- 
bar auf  der  Brustbeinplatte,  an  welche  sich  der  das  Herz  allseitig  um- 
gebende Herzbeutel  anlegt.  Die  linke  Hälfte  ist  etwas  mehr  entwickelt 
als  die  rechte.  Um  das  Herz  im  frischen  Zustande  zu  untersuchen, 
tödtet  man  das  Thier,  indem  man  es  mit  einem  Schälchen  mit  Chloro- 
form unter  eine  Glasglocke  setzt.  In  Zeit  von  einer  halben  Stunde  etwa 
stirbt  das  Thier  während  der  Diastole  des  Herzens,  so  dass  dieses  mit 
den  grossen  Gefässen  prall  mit  Blut  gefüllt  ist,  welches  man  durch 
Eintauchen  in  schwachen  Weingeist  coaguliren  kann.  Man  kann  so 
die  Injection  umgehen,  die  aber  unerlässlich  bleibt,  wenn  man  die  Ver- 
zweigungen der  Gefässe  im  Körper  untersuchen  will.  Erhärtet  man 
das  in  der  obigen  Weise  behandelte  Herz  in  stufenweise  stärkerem 
Weingeist,  so  kann  man  Schnitte  davon  fertigen,  ohne  nöthig  zu  haben, 
es  in  Paraffin  einzubetten. 

Bei  der  Ansicht  von  der  ventralen  Seite  her  (A,  Fig.  289)  und 
nach  Wegnahme  des  Herzbeutels  zeigt  sich  das  Herz  aus  drei  Haupt- 
theilen  zusammengesetzt:  den  beiden  Vorkammern  (od,  o g),  die  nach 
vorn  liegen,  in  ihrem  Ganzen  breiter  wie  lang  sind,  abgerundete  Ränder 
haben  und  nach  vorn  durch  eine  seichte  Einkerbung  getrennt  sind,  in 
welche  der  x^rter ienbulbus   (ha)   eingelagert  ist,  von   dem    später 


704 


Wirbelthiere. 


Fie-.  289. 


Lacerta  ocelluta.  —  Das  Herz  mit  seinen  Anlagerungen ,  nach  Entfernung  des  Herz- 
beutels ,  doppelt  vergrössert.  A,  von  der  ventralen  Seite.  Die  Theile  sind  in  ihrer 
normalen  Lagerung  belassen ,  nur  hat  man  den  Schlund  und  die  Lungen  ein  wenig 
zur  Seite  gezogen,  um  die  Vereinigung  der  beiden  Aorten  sichtbar  zu  machen. 
B,  von  der  dorsalen  Seite.  In  diesem  Präparate  hat  man  den  Schlund  weggenommen, 
die  Lungen  zur  Seite  geschoben  und  den  rechten  Bronchus  abgeschnitten.  Die  Luft- 
röhre ist  nach  hinten  zurückgeschlagen ,  die  Aorten  dagegen  nach  Loslösung  ihrer 
Zweige  nach  vorn  gezogen,  um  die  Lungengefässe  und  Veneustämme  zur  Anschauung 
zu  bringen.  Anliegende  Theile:  F,  Leber;  Oe,  Schlund;  Pd,  rechte  Lunge ;  Pg,  linke 
Lunge;  7",  Luftröhre  ;  i?r.  rechter  Bronchus,  abgeschnitten;  ^j--'^,  sein  Eintrittsloch  in  den 
Lungeusack.  Herztheile :  ba,  Wurzel  des  Arterienbulbus  ;  bm,  venöse  Aussackiing ; 
od,  rechte  Vorkammer:  og,  linke  Vorkammer;  vc,  Spitze  der  Kammer  mit  ihrem 
Aufhängebande;  vd,  rechte  Hälfte;  vg,  linke  Hälfte  der  Herzkammer.  Gefässstämme : 
ac,  gemeinschaftliche  Bauchaorta;  ad,  rechte  Aorta;  ag,  linke  Aorta;  cd,  rechte 
Carotis;  cg,  linke  Carotis;  ijd,  rechte  Lungenarterie ;  pg,  linke  Lungenarterie;  tc,  ge- 
meinschaftlicher Arterienstamm;  cod,  Verbindungsgefäss  zwischen  dem  Aortenbogen 
und  der  Carotis  der  rechten  Seite ;  cog,  dasselbe  der  linken  Seite;  scd,  rechte  Schulter- 
arterie ;  scg,  linke  Schulterarterie;  av,  Wirbelarterie;  sr,  gemeinschaftlicher  Venen- 
sinus; ?-c.  Lebervene  ;  7'scf?,  rechte  Schultervene;  rscg,  linke  Schultervene  ;  ;rf,  rechte 
Jugularvene  ;  Jg,  linke  Jugularvene  ;  ri,  unpaare  Kopfvene;  v  d,  rechte  Wirbel vene  ; 
r  (/j  linke  Wirbelvene ;  vp  d,  Längsast  der  rechten  Lungenvene. 


Reptilien.  705 

die  Rede  sein  soll.  Durch  seine  Erstreckung  nach  hinten  deckt  der 
Baibus  die  Trennungsfurche  zwischen  den  beiden  Vorkammern.  Diese 
sind  etwa  gleich  gross,  erscheinen  aber  oft  ungleich,  je  nach  dem  Zu- 
stande ihrer  Füllung  mit  Blut.  Die  hinteren  Ränder  der  Vorkammern 
werden  von  der  Kammer  durch  eine  tiefe,  fast  gerade  Querfurche  ge- 
trennt, welche  aber  in  der  Mitte  durch  die  Wurzel  des  aus  der  Kammer 
austretenden  Bulbus  unterbrochen  wird.  —  Die  H  e  r  z  k  a  m  m  e  r  (?;fZ,  vg) 
hat  die  Gestalt  einer  unregelmässigen,  dreiseitigen  Pyramide;  die  obere 
dorsale  Fläche  ist  durch  die  Längsfurche  der  Luftröhre  seicht  aus- 
gekehlt, die  beiden  Seitenflächen  sind  ungleich.  Die  Basis  der  Pyra- 
mide wird  durch  die  vordere,  den  Vorkammern  zugewandte  Fläche  her- 
gestellt, die  etwas  abgestumpfte  Spitze  der  Pyramide  ist  nach  hinten 
gerichtet;  die  linke  Seite  ist  etwas  grösser  und  leicht  gewölbt,  während 
die  rechte  Seite,  besonders  nach  der  Spitze  hin,  etwas  ausgeschweift  ist. 
Die  ventrale  Mittelkante  der  Pyramide  ist  stark  abgerundet.  Von  der 
hinteren  Spitze  der  Kammer  gehen  einige  Faserbündel  aus,  welche  die- 
selbe an  den  Herzbeutel  befestigen.  Dieser  umgiebt  allseitig  das 
Herz,  bildet  aber  nach  hinten  zu  einen  weiteren  Sack,  während  er  nach 
vorn  eng  den  Vorkammern  anliegt  und  sich  an  den  "Wurzeln  der  grossen 
Gefässe  in  unmittelbarer  Nähe  des  Herzens  festsetzt. 

Ganz  besonders  fällt  bei  der  ventralen  Ansicht  der  Arterien- 
bulbiis  (ba,  Fig.  289,^)  auf,  der  mit  seiner  etwas  verdickten  Wurzel 
in  eine  Einkerbung  der  Kammer  eingepflanzt  ist  und  nach  vorn 
zwischen  den  Vorkammern  sich  erstreckt.  Man  sieht  an  mit  Blut  ge- 
füllten Herzen  sogleich,  dass  er  aus  zwei  grossen  Arterienstämmen 
zusammengesetzt  ist,  die  durch  eine  halbe  Windung  um  die  Längsaxe 
gedreht  sind.  Diese  beiden  Stämme  sind  bis  zur  Basis  des  Bulbus 
deutlich  von  einander  getrennt;  eine  weissliche,  schiefe  Linie  lässt 
schon  von  aussen  diese  Trennung  erkennen.  Der  von  rechts  her  kom- 
mende Stamm  liegt  am  meisten  veutralwärts ;  er  verläuft  in  schiefer 
Richtung  bogenförmig  über  die  linke  Vorkammer,  nimmt  ein  Com- 
municationsgefäss  vom  Carotidenbogen  (cog)  auf,  erhebt  sich  bis  zur 
Wirbelsäule  und  verläuft  an  dieser  nach  hinten ,  um  sich  mit  dem 
entsprechenden  Bogen  der  anderen  Seite  zu  verbinden  und  mit  ihm  die 
gemeinschaftliche  Bauchaorta  (ac)  zu  bilden.  Dieser  isolirte 
Stamm  ist  die  linke  Aorta  («f/). '  ^ 

Die  rechte  Aorta  (tc),  die  mehr  Verzweigungen  bietet,  tritt  zur 
linken  Seite  der  vorhergehenden  aus  der  Herzkammer  aus ,  schlüpft 
über  sie  weg,  indem  sie  sich  nach  rechts  wendet  und  entsendet  zuerst 
einen  Ast,  der  im  Bogen  die  rechte  Vorkammer  umkreist  und  hier 
einen  Verbindungsast  vom  entsprechenden  Carotidenbogen  (eod)  er- 
hält. Hierauf  setzt  sie  in  schiefer  Richtung  ihren  Lauf  gegen  die 
Wirbelsäule  fort  und  vereinigt  sich  mit  der  linken  Aorta  in  einiger 
Entfernung    von     der   Herzspitze    zur    Bildung    der    gemeinsamen 

Vogt   u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  j^y 


706  Wirbelthiere. 

Aorta  (ac).  Dieser  Stamm  ist  die  rechte  Aorta  (ad).  Diese 
beiden  Stcämme  geben  durchaus  das  Bild  eines  Kiemengefässbogens, 
der  au  seiner  Basis  getrennt  ist  und  keine  Kiemenfransen  speist. 

Unmittelbar  nach  dem  Austritte  der  rechten  Aorta  theilt  sich  der 
gemeinsame  Stamm  in  zwei  Aeste,  die  schief  nach  vorn  zu  beiden 
Seiten  der  Luftröhre  verlaufen  und  deren  Verzweigungen  wir  später 
beschreiben  werden.  Diese  beiden  Stämme  sind  die  gemeinschaft- 
lichen Carotideu  (cd,  cg),  welche  das  Blut  zum  Kopfe  und  den 
Vordergliedmaassen  führen. 

Aus  dieser  Anordnung  folgt,  dass  alles  für  den  Körper  bestimmte 
Blut  durch  den  Arterienbulbus  hindurchgehen  muss. 

Um  die  Stämme  der  Lungengef ässe  und  der  Venen  zu 
sehen,  muss  man  das  Herz  von  seiner  doi'salen  Fläche  aus  untersuchen 
(B,  Fig.  289).  Hier  bedarf  es  aber  einer  eingehenden  Präparation,  da 
diese  Fläche  von  dem  Schlünde  und  unmittelbar  von  der  Luftröhre  bedeckt 
wird.  Um  ein  unserer  Figur  B  ähnliches  Präparat  herzustellen,  muss  man 
den  Schlund  entfernen,  nachdem  man  die  herumschweifenden  Nerven  und 
die  Gefässe  durchschnitten,  die  Aorten  aber  bis  zu  ihrem  Vereinigungs- 
punkte unbeschädigt  gelassen  hat,  so  dass  man  sie,  wie  wir  gethan, 
ablösen  und  nach  vorn  zurückschlagen  kann.  Man  entfernt  dann  den 
Schlund  vollständig  und  schlägt  die  Luftröhre  bis  zu  ihrer  Gabelung 
Bach  hinten  zurück.  Man  sieht  dann,  an  der  Basis  des  Bulbus,  eine 
rundliche  Aussackung  (hm),  die  von  dem  grossen  Venensinus  aus- 
geht. Von  den  Seiten  des  Bulbus  gehen  die  erwähnten  Aortenstämme 
ab.  Hinter  ihnen,  aber  noch  im  Zusammenhange  mit  der  Wurzel  des 
Bulbu.s,  treten  die  beiden  Lungenarterien  (pd^pg)  hervor,  die  sich 
unmittelbar  nach  hinten  krümmen ,  um  über  die  dorsale  Fläche  des 
Herzens  und  der  grossen  Venenstämrae  weg  jederseits  den  betreffenden 
Ijungensack  zu  erreichen.  Etwas  hinter  ihnen  und  hart  an  der  Mittel- 
linie tritt  die  gemeinsame  Lunge nvene  (vp)  hervor,  welche  das 
oxygenirte  Blut  aus  den  Lungen  zum  Herzen  zurückführt;  sie  verläuft 
ähnlicb  wie  die  Arterien ,  theilt  sich  aber  erst  an  der  Gabelung  der 
Luftröhre,  in  unmittelbarer  Nähe  der  Lungen,  in  die  den  beiden 
Lungensäcken  entsprechenden  Aeste. 

Aber  die  Ursprünge  dieser  Lungengefässe  werden  von  den  grossen 
Venenstämmen  überdeckt.  Schon  bei  der  ventralen  Ansicht  des  Her- 
zens sieht  man  die  grosse  Lebervene  (vc),  die  man  auch  die  Hohl- 
vene genannt  hat,  welche  aus  den  vorderen  Leberlappen  austritt,  sich 
an  den  rechten  Rand  der  Herzkammer  anlegt,  und  mit  einer  S-förmigen 
Krümmung  auf  die  dorsale  Fläche  der  Vorkammern  gleitet  (B,  ve). 
Hier  nimmt  sie  die  von  der  rechten  Kopfseite  und  der  rechten  Vorder- 
glied maasse  kommenden  Venen  auf  und  bildet  einen  weiten,  horizontal 
verlaufenden  Sinus  (B,sr),  der  von  der  linken  Seite  her  einen  Stamm 
aufnimmt,    welcher   durch    die    Vereinigung    der   linken   Jugular-   und 


Reptilien.  707 

Scapularvenen  gebildet  wird.  Etwa  in  der  Mitte  bildet  der  Sinus  die 
erwähnte  Aussackung  nach  vorn  (Im),  welche  von  der  dorsalen  Seite 
her  die  Bulbuswurzel  und  die  Austrittsstellen  der  Lungengefässe  deckt. 
Diese  Aussackung,  die  vielleicht  das  verkümmerte  Homologen  der  un- 
paaren  rechten  Kopfvene  (vi)  ist,  steht  in  offener  Verbindung  mit 
dem  grossen  Venensinus,  der  durch  eine  Querspalte  in  die  Vorkammer 
mündet. 

Die  innere  Structur  des  Herzens  muss  auf  Schnitten  untersucht 
werden. 

Durch  die  Herzkammer  und  die  Vorkammern  gelegte  senkrechte 
Querschnitte  zeigen,  dass  die  Kammer,  besonders  in  der  ganzen  Er- 
streckung ihres  hinteren  Abschnittes ,  aus  Muskelbündeln  besteht ,  die 
im  Ganzen  eine  dorso- ventrale  Richtung  haben  und  nur  enge  Spalten 
zwischen  sich  lassen.  Man  kann  keine  besondere,  die  beiden  Kammer- 
hälften trennende  Scheidewand  nachweisen,  doch  scheinen  die  Spalten- 
räume zu  beiden  Seiten  der  mittleren  Trabekeln  etwas  weiter  als  die 
anderen.  Gegen  die  Vorkammern  hin  sieht  man  diese  Spalten  eine 
halbmondförmige  Gestalt  annehmen  und  so  einen  abgerundeten  ,  mitt- 
leren Theil  umfassen,  der  sich  als  Anfang  des  Bulbus  erweist.  Schliess- 
lich öffnen  sich  die  Spalten  in  eine  weite,  mittlere  Höhle,  welche  zu  den 
Atrioventricular-Oeffnungen  führt.  Ausserdem  bemerkt  man  noch  in  der 
Nähe  des  Randes  der  rechten  Ventrikelhälfte  eine  etwas  weitere  Spalte, 
welche  längs  dieses  Randes  sich  zur  rechten  Aorta  und  den  Lungen- 
arterien hinzieht,  die  an  der  Rückenseite  der  Wurzel  des  Bulbus  ent- 
springen. 

In  die  bezeichnete  Ventrikelhöhle  münden  die  Vorhöfe  und  die 
Gelasse.  Die  Trennung  zwischen  der  Kammer  und  den  Vorkammern 
wird  durch  eine  vielfach  ausgeschnittene  Sehnenhaut  bewerkstelligt, 
welche  durch  Sehnenfäden  befestigt  ist  und  um  die  öeflfnungen  un- 
vollständige Klappen  mit  freien,  ausgezackten  Rändern  bildet,  Ventral- 
wärts,  fast  in  der  Mittellinie,  finden  sich  die  Mündungen  der  Gefässe, 
welche  die  Wurzel  des  Bulbus  zusammensetzen,  diejenigen  der  Lungen- 
arterien etwas  mehr  nach  oben  und  rechts,  die  der  Aortenbogen  mehr 
nach  unten  und  links.  Alle  diese  Gefässe  zeigen  am  Ursprünge  halb- 
mondförmige Taschenventile.  Die  Höhlungen  der  beiden  Vorkammern 
sind  unabhängig,  doch  liegen  die  Mündungen  der  Gefässe  sehr  nahe 
an  der  mittleren  Scheidewand ;  die  des  gemeinschaftlichen  Venensinus 
in  die  rechte  Vorkammer  ist  eine  Querspalte,  die  der  Lungenvene 
in  die  linke  Vorkammer  dagegen  ist  rundlich.  Diese  Venen- 
mündungen haben  glatte,  abgerundete  Muskelränder,  welche  wohl 
die  Oeffnungen  verengen ,  aber  doch  wohl  nicht  gänzlich  schliessen 
können. 

Ln  Ganzen  ist  demnach  der  Klappenapparat  des  Herzens  ziemlich 
mangelhaft.      Die    am    Ursprünge    der    xirterien     liegenden    Klappen 

45* 


708  Wirbelthiere. 

schliessen  wohl  noch  vollständig,  weichen  aber  einem  geringen  Drucke; 
die  Atrioventriciilarklappen  schliessen  nicht  ganz  volLständig,  so  dass 
stets  einiger  Rückfluss  statthat,  und  die  Venenöffnungen  widersetzen 
sich  kaum  einer  Rückstauung  des  Blutes.  So  kommt  es  dann,  dass 
bei  den  meisten  Injectionen,  mögen  sie  nun  von  der  Kammer,  der 
Aorta  oder  der  Lebervene  aus  bewerkstelligt  werden,  sich  alle  Clefässe, 
Arterien  wie  Venen,  gleichmässig  füllen.  Nur  zufällig,  wenn  einer 
oder  der  andere  Stamm  von  einem  Blutpfropfen  ausgefüllt  ist,  erhält 
man  isolirte  Injectionen  eines  Systemes.  Auch  die  Durchgänge  durch 
die  Capillaren  scheinen  sehr  wegsam;  man  erhält  meistens,  bei  der 
Einspritzung  durch  die  Herzkammer,  ganz  gelungene,  indirecte  In- 
jectionen der  Pfortadersysteme  der  Leber  und  der  Nieren. 

Arterieller  Körperkreislauf.  —  W^ie  schon  gesagt,  tritt 
die  linke  Aorta  (ag,  Fig.  289)  zuerst  als  unabhängiger  Stamm  auf 
der  rechten  Seite  der  Wurzel  des  Arterienbulbns  hervor.  Sie  richtet 
sich  schief  nach  links  und  vorn,  geht  über  die  ventrale  Seite  des  ge- 
meinschaftlichen Aortenstammes,  steigt  zur  Wirbelsäule  empor  und 
bildet,  auf  der  doi-salen  Seite  des  Schlundes  angelangt,  einen  nach 
hinten  gerichteten  Bogen,  um  sich  in  der  Mittellinie,  im  Niveau  der 
vorderen  Leberspitzen,  mit  der  rechten  Aorta  zur  Bildung  der  gemein- 
samen Baucbaorta  zu  vereinigen.  Auf  diesem  ganzen  Wege  vom 
Herzen  bis  zum  Vereinigungspunkte  entsendet  sie  keinen  Seitenzweig, 
nimmt  aber  auf  der  Höhe  ihres  Bogens  einen  Verbindungsast  mit 
der  linken  Carotis  (cog,  Fig.  289,  A)  auf. 

Der  gemeinsame  Aortenstamm  (ac,  Fig.  289,  Ä)  tritt  an- 
fangs auf  der  linken  Seite  des  Arterienbulbus  hervor,  biegt  aber  dann 
in  seiner  Erstreckung  nach  vorn  auf  die  dorsale  Seite  der  linken  Aorta, 
um  sich  in  der  Höhe  des  Vorderrandes  der  Vorkammern  in  drei  Haupt- 
stämme zu  theilen,  in  die  rechte  Aorta  (ad)  und  rechte  Carotis  (cd) 
einerseits,  die  linke  Carotis  anderseits. 

Die  rechte  Aorta  (ad)  beschreibt  einen  der  linken  ähnlichen 
Bogen,  auf  dessen  Höhe  sie  ebenfalls  einen  Verbindungsast  (cod) 
mit  der  rechten  Carotis  aufnimmt.  Aber  auf  ihrem  Wege  zu  der  Ver- 
einigung mit  der  linken  Aorta  sendet  sie  mehrere  Seitenäste  ab,  deren 
hauptsächlichste  von  vorn  nach  hinten  sind:  die  rechte  Subclavia 
{scd,  Fig.  289,  B)  und  ein  gemeinsamer  Stamm,  der  sich  sofort  in 
zwei  Aeste,  die  Wirbelarte  rie  (va)  und  die  linke  Subclavia 
(scg)  theilt.  Ausser  diesen  Haiiptästen  giebt  sie  noch  vor  der  Ver- 
einigung einige  feine  Zweige  zum  Oesophagus,  die  wir  auf  unserer 
Fig.  289,  B  nicht  gezeichnet  haben.  Unmittelbar  nach  der  Herstellung 
der  gemeinsamen  Aorta  (ac)  löst  sich  eine  stärkere  Arterie,  die  Magen- 
arterie, ab,  die  ihrer  Lagerung  nach  noch  der  rechten  Aorta  angehört. 
Wir  behandeln  später  diese  Aeste. 

Abgesehen  von  der  grösseren,  ursprünglichen  Unabhängigkeit  der 


Reptilien.  709 

linken  Carotis  {cg),  beschreiben  beide  Carotiden  (Fig.  289,  Ä)  den 
Aorten  ähnliche,  identische  Bogen,  welche  nach  hinten  die  kurzen  Ver- 
bindnngsäste  {cod  und  cog)  abgeben,  die  schon  erwähnt  wurden. 
Dann  aber  gehen  nach  vorn,  zu  beiden  Seiten  der  Luftröhre,  die  ge- 
meinsamen Carotiden  {cd  und  cg)  ab,  welche  in  gerader  Linie 
gegen  das,  äusserlich  durch  das  Trommelfell  bezeichnete  Gelenk  des 
Unterkiefers  sich  richten. 

Sieht  man  in  Gedanken  von  den  beschriebenen  Trennungen  dieser 
Stämme  im  Bulbus  ab,  so  hat  man  zwei  aus  dem  Bulbus  hervortretende 
Gefässbogen ,  von  welchen  der  vordere  von  den  beiden  Carotiden ,  der 
hintere  von  den  beiden  Aorten  gebildet  wird ;  aber  diese  beiden  Bogen 
fliessen  durch  die  erwähnten  Verbindungsäste  auf  den  Seiten  zu- 
sammen. Der  Carotidenbogen  liefert  die  Arterien  des  Kopfes  und 
Vorderhalses;  der  zweite,  aber  nur  durch  seine  rechte  Hälfte,  die  Ge- 
fässe  der  Vorderglieder  und  der  umgebenden  Theile,  während  die 
durch  die  Vereinigung  hergestellte  gemeinsame  Aorta  das  Blut  in  die 
Eingeweide  und  die  hinteren  Körpertheile  führt. 

Carotiden. —  Jeder  dem  Bulbus  entstammende  Bogen  entsendet 
noch  vor  dem  Verbindungsaste  einen  feinen ,  oberflächlichen  Zweig 
{tJi^  Fig.  290)  zur  Thymusdrüse,  die  hufeisenförmig  die  Luftröhre 
uragiebt.  Die  gemeinsame  Carotis  (25),  die  sich  schief  nach  vorn 
und  oben  gegen  die  Ecke  des  Trommelfelles  richtet,  ist  nur  sehr  kurz ; 
sie  entsendet  vor  ihrer  Gabelung  einen  Zweig,  Art.  hyoideo-lingualis, 
die  längs  des  hinteren  Zungenbeinhornes  bis  zum  Zungenbeinkörper 
läuft,  über  die  Vereinigung  schlüpft,  hier  einen  rückläufigen  Ast  längs 
des  vorderen  Hornes  entsendet  und  dann  ihren  Weg  bis  zum  Frenu- 
lum  fortsetzt.  Sie  giebt  auf  diesem  Wege  Zweige  an  die  Luftröhre, 
den  Kehlkopf,  die  umgebenden  Muskeln,  die  Mundschleimhaut  und  ver- 
ästelt sich  schliesslich  in  der  Zunge. 

Fast  unmittelbar  nach  Abgabe  dieses  Astes  gabelt  sich  der  ge- 
meinsame Stamm  in  die  äussere  und  innere  Carotis. 

Die  äussere  Carotis  entsendet,  an  der  hinteren  Ecke  des 
Trommelfellringes  angelangt,  einen  bedeutenden  Ast  zum  Unter- 
kiefer, Art.  mandi'bularls  (4),  welche  auf  ihrem  Verlaufe  bis  zur 
Schnauze  die  Muskeln,  die  Zähne  und  die  Schleimhaut  der  Umgebung 
versorgt.  Sie  biegt  hinten  um  das  Trommelfell  und  theilt  sich  an 
dessen  oberer  Ecke  in  zwei  Aeste,  Art.  supra-orhitulis  (3)  und 
infra-orl)italis(l),  welche  sich  in  den  Augenmuskeln,  der  Nase 
und  dem  Vorderkopfe  verzweigen. 

Die  innere  Carotis  (5)  entsendet  zuerst  einige  rückläufige 
Zweige  zu  den  Nackenmuskeln  (p)  und  dringt  sodann  in  den  Schädel 
ein,  wo  sie  Zweige  an  das  Hörorgan,  das  Gehirn  und  besonders  eine 
centrale  Augenarterie  abgiebt,  die  dem  Sehnerven  folgt  und  mit  ihm 
in  den  Augapfel  eindringt,  wo  sie  in  der  Choroidea  und  Iris  sehr  com- 


710  VVirhelthiere. 

plicirte  Netze  bildet.  Nach  Schöbl  (s.  Lit.)  zeigen  die  in  das  Gehirn 
eindringenden  Arterien  noch  ein  embryonales  Verhalten ;  sie  bilden  keine 
intermediären  Capillarnetze  zwischen  Arterien  und  Venen,  sondern  biegen 
einfach  an  ihi'en  Enden  um  und  setzen  sich  in  die  Venen  fort.  An  der 
Hirnbasis,  vor  der  Nackenbeuge  und  unter  den  Kleinhirnschenkeln 
entsenden  beide  Carotiden  je  einen  rückläufigen  Zweig,  der  sich  mit 
dem  der  anderen  Seite  in  der  Mittellinie  zu  dem  sogenannten  Circulus 
Willisii  vereinigt,  von  welchem  eine  starke  Arteiie,  Art.  myelica  (14), 
ausgeht ,  die  in  der  Mittellinie  längs  der  ganzen  Erstreckung  des 
Rückenmarkes  bis  zur  Schwanzspitze  verläuft  und  in  jedem  Inter- 
vertebralraume  einen  Verbindungszweig  zu  der  seitlichen  Spinal- 
arterie (13)  sendet,  welche  aus  einem  tiefen  Aste  der  Schulterarterie 
entspringt.  Nach  Entsendung  dieser  Zweige  weichen  die  Carotiden 
unter  der  Basis  des  Mittelhirnes  wieder  aus  einander  und  setzen  sich, 
am  Chiasma,  in  die  Sehnerven  und  die  Augen  fort.  Ueberall  geben 
sie  Zweige  an  das  Gehirn  und  enden  schliesslich  mit  einer  Arterie,  die 
dem  Riechnerven  in  seiner  ganzen  Länge  folgt  und  sich  in  der  Nase 
und  Schnauzenspitze  verzweigt. 

Rechter  Aortenbogen  (ad,  Fig.  289).  — Wie  schon  bemerkt, 
liefert  der  linke  Bogen  keine  Aeste.  Der  rechte  ist  dagegen  so  zu  sagen 
ausschliesslich  für  das  Vorderglied  bestimmt ;  er  entsendet  die  beiden 
Schulter  arterien,  von  welchen  die  rechte  (sccl)  etwas  vor  der 
anderen  entspringt.  Diese  Arterie  durchsetzt  die  Muskeln,  welchen 
sie  kleine  Zweige  liefert,  und  verläuft  zum  Armgelenke,  über  welchem 
sie  sich  in  zwei  Aeste  gabelt,  die  auf  den  beiden  Armflächen  sich  ver- 
ästeln.. Wir  gehen  in  diese  Verzweigung  nicht  weiter  ein,  bemerken 
aber,  dass  die  Arterie  an  der  Gabelung  einen  Zweig  entsendet  (p^, 
Fig.  29Ü),  welcher  in  den  Seitenmuskeln  verläuft,  sich  der  ventralen 
Mittellinie  nähert  und  mit  der  oberflächlichen  Leistenarterie  anasto- 
mosirt.  Ein  anderer  Ast  geht  vor  der  Gabelung  ab;  er  durchsetzt 
die  Wirbelsäule  und  bildet  die  seitliche  Spinalarterie.  Die  linke 
Schulterarterie  geht  etwas  hinter  der  anderen  ab,  kreuzt  die 
Mittellinie,  um  zum  linken  Armgelenk  zu  gelangen,  giebt  auf  diesem 
Wege  einen  Zweig  zur  Verstärkung  der  Art.  myelica,  verhält  sich  aber 
dann  wie  die  rechte.  Wir  bemerken  noch,  dass  beide  Schulterarterien 
von  ihrem  Ursprünge  an  hart  au  der  Wii'belsäule  anliegen,  so  dass 
man  die  mächtigen  unteren  Nackenmuskeln  wegpräpariren  muss,  um 
sie  zur  Anschauung  zu  bringen. 

Die  gemeinsame  absteigende  Aorta  (12)  liegt  von  dem 
Punkte  der  Vereinigung  der  beiden  Aortenbogen  an  bis  zum  Vorderende 
der  Nieren  hart  an  der  Wirbelsäule  in  der  ventralen  Mittellinie  an, 
entfernt  sich  aber  hier  etwas,  um  sich  in  zwei  Stämme  zu  gabeln  und 
in  die  Niere  einzudringen,  wo  die  Arterien  Wundernetze  bilden,  an 
der  hinteren  Spitze  der  Nieren  aber   sich  wieder  zu  einem  Stamme  zu- 


Reptilien.  711 

sammenzuthun ,  der  als  Caudal-Aorta  (20)  in  dem  durch  die 
unteren  Dornfortsätze  gebildeten  Häraalcanal  sich  bis  zur  Schwanz- 
spitze erstreckt.  Auf  diesem  ganzen  Verlaufe  giebt  die  Arterie  in 
jedem  Intervertebralraume  Zweige  ab,  die  in  die  Austrittsöffnungen  der 
Nerven  eindi'ingen.  Am  Eintrittspunkte  gehen  Zweige  für  die  Mus- 
keln und  die  Haut  ab,  die  wesentlich  den  oberen  und  unteren  Dorn- 
fortsätzen und  den  Rippen  folgen.  Aber  diese  Zweige  communicireu 
auch  im  Inneren  des  Wirbelcauales  mit  der  Art.  myelica  und  da  diese 
wieder  mit  der  seitlichen  Spinalarterie  in  Verbindung  steht,  tragen  sie 
zu  dem  Kreislaufe  innerhalb  des  Rückenmarkes  bei. 

Oeffnet  man  vorsichtig  den  Rückencanal,  um  das  Mark  bloss  zu 
legen,  so  sieht  man  inderThat,  dassdieArt.  myelica  (14)  und  spina- 
lis  lateralis  (13)  einen  welligen  Verlauf  haben,  sich  an  jedem  Wirbel 
berühren  und  so  eine  Reihe  von  rhombischen  Figuren  (Fig.  290) 
bilden,  von  deren  Ecken  feine  Zweige  in  das  Rückenmark  und  dessen 
Hüllen  ausgehen.  Aber  ausser  diesen  Zweigen  entsendet  noch  jede 
dieser  Rhombenketten  in  der  Höhe  der  Magenkrümmung  und  des 
Beckens  feine  oberflächliche  Zweige,  die  in  das  schwarze  Peritoneum 
übertreten  und  mit  den  Aufhängefalten  des  Mesenteriums,  die  ersteren 
in  den  Ausschnitt  der  Leber,  wo  sich  das  Pankreas  findet,  die  letzteren 
zu  dem  Hinterrande  der  Fettkörper  sich  begeben. 

Ausser  den  erwähnten  Zweigen  für  das  Leibesgerüst  mit  Muskeln 
und  Haut  und  das  centrale  Nervensystem  liefert  aber  die  gemeinsame 
Aorta  noch  bedeutende  Aeste  für  die  Eingeweide  und  die  hinteren 
Gliedmaassen, 

Auf  der  ganzen  Länge  ihres  Verlaufes  entsendet  sie  durch  die 
von  der  Wirbelsäule  ausgehenden  Mesenterialfalten  Gefässe  an  die  an 
diesen  Falten  aufgehängten  Organe.  Vorn,  an  die  dorsale  Fläche  des 
Magens,  gehen  meist  kleinere  Gefässe,  unter  welchen  oft  eine  stärkere 
als  M  agen  arter  ie  bezeichnet  werden  kann.  In  der  Nähe  der  Mageu- 
krümmung  geht  ein  starker  Ast  ab,  die  Milzarterie  (A.  sple- 
nica,  16,  Fig.  290),  die  sich  besonders  in  der  Milz  und  im  Pankreas, 
aber  auch  in  den  umliegenden  Darmtheilen  verzweigt.  Etwas  weiter 
nach  hinten  geht  ein  noch  grösserer  Ast  ab,  die  Bauch fellarterie 
{A.  mesenterica,  17),  die  sich  in  den  Mesenterialfalten  des  Darmes  bis 
zum  Rectum  verzweigt.  Endlich  entsendet  die  Aorta  unmittelbar  vor 
dem  Eintritte  in  die  Niere  eine  starke  Genitalarterie  (18),  welche 
an  den  Geschlechtscanälen,  Ei-  und  Samenleitern ,  zu  den  Nebennieren 
und  Nebenhoden  vorgeht  und  zahlreiche  Gefässe  an  Eierstock  und 
Hoden  abgiebt. 

Am  Vorderende  der  Niere  (>•,  Fig.  290)  gabelt  sich  die  Aorta, 
wie  schon  bemerkt.  Jeder  Ast  tritt  in  die  entsprechende  Nierenhälfte 
ein,  lässt  sich  aber  nicht  weiter  als  unabhängiger  Stamm  verfolgen, 
weil  er  sich   in   ein  Wundernetz   von   dicken  ,   mit   einander   communi- 


712 


Wirbelthiere. 


Fia-.  290. 


Laceria  oceUalu.  —  Das  Thier  liegt  auf  der  linken  Seite  und  ist  von  rechts  her 
geöffnet.  Man  hat  die  Organe  nach  rechts  ausgebreitet,  so  weit  dies  möglich  war, 
ohne  ihre  Verbindungen  zu  lösen.  Die  Körpertheile  und  Eingeweide  sind  nur  in  Um- 
rissen angegeben  und  durch  Buchstaben  bezeichnet,  die  Arterien  sind  roth,  die  Venen 
blau,  die  Lungengefässe'  schwarz;  alle  numerirt.  Etwas  reducirte  Grösse.  Buch- 
staben   links :    n,    Nasenloch ;    o,    Auge ;    t,    Trommelfell ;   p,    Hautstück    des    Nackens, 


Reptilien.  -  713 

cirenden,  gewundenen  Gefässeu  auflöst,  von  welchen  feine  Aeste  in  die 
Nierensubstanz  eindringen.  In  der  Mitte  des  Organes,  wo  beide 
Nierenhälften  zusammenfliessen ,  tritt  durch  eine  tiefe  seitliche  Kerbe 
eine  bedeutende  Arterie  aus ,  deren  Vertheilung  wir  sofort  besprechen 
werden.  Das  Wundernetz  erfüllt  den  ganzen  vereinigten  Nieren- 
abschnitt; aus  dem  hinteren  spitzen  Ende  der  Niere  tritt  dann  die 
oben  beschriebene  Caudalaorta  (20)  aus. 

Die  erwähnte  Arterie,  welche  jederseits  aus  der  Kerbe  austritt, 
kann  die  Art.  femoro-abdominalis  (19)  genannt  werden.  Sie  schlägt 
sich  über  die  vordere  Ecke  des  rinnenartigen  Gelenkes  zwischen  dem 
Becken  und  der  Wirbelsäule  hinüber,  läuft  zum  Schenkelgelenke  und 
tlieilt  sich  hier  auf  dem  Gelenkkopfe  des  Femur  in  zwei,  längs  diesem 
Knochen  verlaufende  Aeste,  die  schwächere,  Art.  cruralis  (32),  auf 
der  Streckseite,  die  stärkere,  Art.  ischiatica  (33),  auf  der  Beuge- 
seite des  Gliedes.  Mit  einem  tieferen  Aste  zusammen  vertheilen  sich 
diese  Arterien  in  dem  Fusse.  Ausserdem  aber  liefert  jede  dieser 
Arterien  einen  Zweig,  die  Art.  ischiatica  einen  oberflächlichen  Ast  zum 
Lymphherzen  (cJ),  zur  Schenkelhaut  und  den  Schenkeldrüsen;  die  Art. 
cruralis  eine  weit  bedeutendere  Baucharterie  (31),  welche  unmittel- 
bar unter  der  Haut  an  der  äusseren  Fläche  des  Beckens  bis  zur  Sym- 
physe verläuft,  über  den  Fettkörper  wegzieht,  dem  sie,  je  nach  seiner 
Entwicklung,  stärkere  oder  schwächere  Aeste  abgiebt.  Diese  Arterie 
vereinigt  sich  mit  derjenigen  der  anderen  Seite  in  der  Mittellinie  und 
bildet  dann  zwei  Aeste,  einen  grösseren,  die  äussere  Mesenterialarterie, 
und  einen  kleineren,  oberflächlichen,  die  Bauchwandarterie. 

Die  Art.  mesenterica  externa  (30,  31)  folgt  der  medianen 
Mesenterialfalte ,   welche    den   Darm    an    die  Bauchwand   befestigt,   bis 

zurückgeschlagen;  b,  Arm;  p',  Hautstück  der  Seite;  oe,  Schlund;  pa,  Pankreas  mit 
der  Darmpfortader;  ■>:,  Wirbelsäule;  (/',  männliche  Geschlechtsorgane  der  linken  Seite, 
durch  das  Bauchfell  durchschimmernd.  Man  hat  hier  nur  die  Venen  eingetragen, 
um  die  Vene  zu  zeigen,  welche  von  da  zum  rechten  Hoden  geht,  sp,  rechter  Samen- 
leiter; d,  Muskeln  und  Tegumeute  des  Rückens;  r,  Niere;  m,  Rückenmark.  Rechter- 
seits :  mu,  Unterkiefer;  hy,  Zungenbein;  Ki/^,  seine  Bogen;  tr,  Luftröhre;  th,  Thy- 
mus; od,  rechte  Vorkammer;  r,  Herzkammer;  f^,  vordere  Lappen  der  Leber;  jxa, 
Leibes  wand  mit  den  oberflächlichen  Gefässen ;  p,  rechte  Lunge;  /,  Leber;  7-a,  Milz; 
i,  Dünndarm;  f.,  rechter  Hode ;  cg,  Fettkörper;  co,  Dickdarm;  re,  Harnblase;  ba, 
Becken;  c,  Hinterfuss ;  cl,  Lymphherz;  q,  Schwanz.  Ziffern  zur  linken  Seite.  Ge- 
fässe  bezeichnend:  1,  Art.  inira-orbitalis ;  2,  venöser  Sinus  der  Augenhöhle;  3,  Art. 
supra- orbitalis ;  4.  Art.  mandibularis ;  5,  Carotis  interna;  6,  rechte  Jugularvene ; 
7,  Verbindungsast  des  Carotisbogens ;  8,  Vena  vertebralis  ;  9,  V.  subclavia;  10.  Art. 
subclavia  dextra ;  11,  Vereinigung  der  beiden  Aortenbogen;  12,  gemeinsame  Bauch- 
aorta; 13,  Art.  spinalis  lateralis;  14,  Art.  myelica ;  15,  Magenpfortader;  16,  Art. 
splenica ;  17,  Art.  mesenterica;  18,  Ai-t.  genitalis;  19,  Art.  femoro-abdominalis ; 
20,  Aorta  caudalis.  Ziffern  rechterseits :  21,  Art.  subungualis;  22,  Art.  mandibularis; 
23,  Vena  lingualis  ;  24,  V.  cephalica  irapar  ;  25,  gemeinsamer  Carotidenbogen  ;  26,  linker 
Aortenbogen;  27,  Leberhohlvene;  28,  29,  Art.  abdominalis  parietalis ;  30,  31,  Art. 
mesenterica  externa;    32,  Art.  cruralis;    33,  Art.  ischiatica;    34,  Vena  cava  caudalis. 


714  '  Wirbelthiere. 

zum  Rande  der  Leber,  taucht  in  die  Auskehlung  dieser  Drüse  ein  und 
durchsetzt  in  schiefer  Richtung  nach  vorn  die  Lebersubstanz,  an  welche 
.sie  feine  Zweige  abgiebt.  An  dem  vorderen  Rande  der  Leber  an- 
gelangt, entsendet  sie  nach  aussen  in  der  die  Leber  mit  der  ventralen 
Seite  des  Magens  und  Schlundes  verbindenden  Mesenterialfalte  drei 
Zweige,  die  eine  Längsarterie  zusammensetzen,  welche  am  Schlünde 
und  Magen  bis  zur  Krümmung  des  letzteren  verläuft. 

Die  Art.  abdominalis  parietalis  (29)  läuft  an  der  inneren 
Fläche  der  Bauchwand  bis  zur  Symphyse  des  Beckens  und  theilt  sich 
hier  in  zwei  Aeste,  einen  kleineren  rückläufigen,  der  auf  der  Symphyse 
bis  zur  Afterspalte  verläuft,  und  einen  grösseren ,  der  in  der  ventralen 
Mittellinie  bis  zum  Aufhängebande  der  Herzspitze  aufsteigt  und  sich 
in  der  Bauchwand  und  in  der  das  Herz  an  die  Leber  befestigenden 
Mesenterialfalte  verzweigt. 

Venöser  Körperkreislauf.  — Wir  erwähnten  schon  (S.  706), 
dass  alles  vom  Körper  und  den  Eingeweiden,  mit  Ausnahme  der 
Lungen,  rückströmende  Blut  sich  in  einem  grossen,  quer  auf  der  Dorsal- 
fläche des  Herzens  gelagerten  Venen  sinus  (sv,  Fig.  289,  £)  sam- 
melt, der  die  Grenze  zwischen  Vorkammern  und  Kammer  überdeckt 
und  sich  mit  einer  Spalte  in  die  rechte  Vorkammer  öffnet.  Die  beiden 
Queräste,  welche  diesen  Sinus  zusammensetzen,  erhalten  sich  innerhalb 
des  Herzbeutels ,  verhalten  sich  aber  ausserhalb  desselben  in  ver- 
schiedener Weise.  Wir  müssen  sie  also  getrennt  behandeln ,  machen 
aber  zugleich  darauf  aufmerksam,  dass  die  peripherischen  Venen  im 
Ganzen  die  Arterien  begleiten ,  so  dass  wir  sie  in  unserer  Figur  290 
nur  dann  eingezeichnet  haben,  wenn  sie  von   den  Arterien  abweichen. 

Der  rechte  Querstamm,  der  bedeutendste,  setzt  sich  aus  drei 
Hauptästen  zusammen:  der  unpaaren  Kopfvene,  der  Jugularis  und  der 
Lebervene,  die  nahe  an  ihrer  Einmündung  die  Schultervene  und  Wirbel- 
vene  aufnimmt. 

Die  unpaare  Ko]3fvene  (vi,  Fig.  289;  24,  Fig.  290)  erscheint 
unmittelbar  am  Herzbeutel  und  legt  sich  an  die  rechte  Seite  der  Luft- 
röhre an,  wo  man  sie  bis  zur  Abgangsstelle  der  Zungenbeinbogen  ver- 
folgen kann.  Indem  sie  hier  auf  die  dorsale  Fläche  des  Zungenbeines 
übergeht,  gewinnt  sie  zugleich  die  Mittellinie  und  bildet  nun  unter 
der  Zunge  und  in  dem  Körper  derselben  jene  Sinusse,  die  wir  S.  691 
beschrieben  haben.  Diese  münden  nach  hinten  in  die  bedeutende 
Zungenvene  (23),  welche  von  beiden  Seiten  Zuflüsse  aus  den  be- 
nachbarten Theilen  erhält. 

Die  rechte  Jugularvene  (6,  Fig.  290)  folgt  der  rechten  Ca- 
rotis und  erhält  den  Artei'ien  entsprechende  Zuflüsse.  Nur  ist  zu  be- 
merken, dass  die  der  Unteraugenarterie  entsprechende  Vene  sich  unter 
den  vorderen  Hirntheilen  und   in  der  Orbita  bedeutend   erweitert,  um 


Reptilien.  715 

jene  Sinusse  zu  bilden,  welche  wir  S.  680  beschrieben  und  unter  2  auf 
unserer  Figur  290  angedeutet  haben. 

Die  Lebervene  (vc,  Fig.  289;  27,  Fig.  290)  ist  der  bedeutendste 
Gefässstamm  des  ganzen  Körpers.  Sie  tritt  am  vorderen  Ende  der 
Leber  zwischen  kleinen,  anliegenden  Läppchen  derselben  aus,  legt  sich 
an  den  Herzbeutel  an  mit  einer  zierlichen  Krümmung  und  dreht  plötz- 
lich ein ,  um  sich  mit  der  Jugularis  und  der  unpaaren  Vene  zu  ver- 
binden. Vor  dieser  Vereinigung  aber  nimmt  sie  die  rechte  Schulter- 
vene und  Wirbelvene  auf,  die  wie  die  gleichnamigen  Arterien 
verlaufen. 

Der  linke  Querstamm  ist  weit  unansehnlicher  als  der  rechte 
und  setzt  sich  nur  aus  der  linken  Jugularis  (jg)  und  Schulter- 
vene  (vscg,  Fig.  289)  zusammen,  die  unmittelbar  am  Herzbeutel 
zusammenfliessen  und  sich  sonst  wie  die  gleichnamigen  Venen  der 
rechten  Seite  verhalten.  Ein  der  unpaaren  Kopfvene  entsprechender 
Stamm  fehlt  gänzlich. 

Die  Venen  des  Rückenmarkes  verlaufen  wie  die  Arterien  und  hin- 
sichtlich der  Peritonealvenen  ist  das  Gleiche  der  Fall. 

Abgesehen  von  den  peripherischen  Communicationen,  die  vorhanden 
sein  können ,  ist  demnach  der  venöse  Kreislauf  im  Kopfe  und  den  vor- 
deren Extremitäten  durchaus  unabhängig;  das  durch  ihn  gebrachte 
Blut  strömt  durch  die  erwähnten  fünf  Stämme  in  die  beiden  Queräste 
des  gemeinschaftlichen  Veneusinus. 

Der  venöse  Kreislauf  der  hinteren  Körperhälfte  ist  verwickelter ; 
er  concentrirt  sich  gewissermaassen  in  der  Leber  und  der  Niere. 

Eine  caudale  Hohl  ven  e  (34,  Fig.  290)begleitet,  eingeschlossen 
in  dem  Hämalcanale  der  Dornfortsätze  des  Schwanzes,  die  Aorta  und 
dringt  mit  dieser  mit  mehrfachen  Sprüngen  in  die  hintere  Spitze  der 
Niere  ein,  in  welcher  sie  sich  verzweigt.  Sie  ist  also  eine  zu- 
führende Nierenvene. 

Die  Art.  femofo-ahdomincdis  (S.  7L3)  ist  auf  allen  ihren  Ver- 
zweigungen von  der  gleichnamigen  Vene  begleitet,  die  durch  dieselbe 
Seitenkerbe  in  die  Niere  eindringt,  um  sich  in  ihre  Substanz  zu  ver- 
zweigen. Diese  Vene  ist  also  ebenfalls  eine  zuführende  Vene  der 
Niere  und  führt  dieser  Drüse  alles  aus  den  Hinterbeinen  und  den  Bauch- 
wandungen rückströmende  Blut  zu.  Als  besonderen  Zweig  erwähnen 
wir  eines  vom  Lymphherzen  kommenden  Aestchens  (cl,  Fig.  290). 

Alles  dieses  durch  die  Arterien  und  zuführenden  Venen  in  die 
Niere  gebrachte  Blut  verlässt  nach  der  Circulation  die  Niere  durch  die 
vorderen  Zipfel.  Es  giebt  also  zwei  ausführende  Nierenvenen, 
die  wir  die  Genitalvenen  nennen,  weil  sie  unmittelbar  von  der 
Niere  sich  auf  die  ausführenden  Geschlechtscanäle  hinüberschlagen  und 
gemeinschaftlich   mit  den  Arterien    denselben    der  ganzen  Länge   nach 


716  Wirbel  thiere, 

folgen.  Auf  diesem  Wege  erhalten  sie  bedeutende  Zuflüsse  von  den 
Geschlechtsdrüsen,  Hoden  und  Eierstöcken.  An  dem  Vorderende  des 
Geschlechtsapparates,  den  Nebenhoden  und  Nebennieren  angelangt, 
vereinigen  sich  die  beiden  Venen  zu  einer  gemeinsamen  Genital- 
pfortader,  welche  die  Richtung  der  rechten  Genitalvene  beibehält 
und  die  linke  Genitalvene  wie  einen  längeren  Ast  aufnimmt.  Der  ver- 
einigte Stamm  dringt  in  die  hinteren  Leberlappen  an  dessen  Rande 
ein  und  verzweigt  sich  in  der  Substanz  der  Leber  als  Pfortader. 

Die  eigentliche  Pfortader,  welche  wir  die  Darmpfortader 
(pa,  Fig.  290)  nennen  wollen,  nimmt  alles  von  dem  Darm,  dem  hin- 
teren Theile  des  Magens,  dem  Pankreas  und  der  Milz  kommende  Blut 
durch  Venen  auf,  welche  in  den  Mesenterialfalten  neben  den  Zweigen 
der  Mesenterial-  und  Milzartei'ien  verlaufen.  Diese  Venen  sammeln 
sich  allmählich  in  der  Nähe  des  Pankreas  zu  einem  Stamme,  der  mit 
den  Gallengäugen  in  die  Leber  dringt,  um  sich  in  deren  Substanz  zu 
verzweigen. 

Aber  ausser  diesen  beiden  Hauptpfortadern  giebt  es  noch  einige 
feinere  unabhängige  Gefässe,  welche  sich  unmittelbar  in  der  Leber 
verzweigen,  ohne  vorher  sich  an  die  Stämme  anzuschliessen.  Dahin 
gehören  die  Zweige,  die  von  der  Vena  myelica  stammen  und  den  S.  711 
erwähnten  Peritonealarterien  folgen,  ferner  Schlundzweige,  die  den 
Venen  entstammen ,  welche  in  den  beiden  Mesenterialfalten  des  vor- 
deren Abschnittes  des  Magens  verlaufen  und  endlich  Zweige,  welche 
aus  dem  vorderen  Theile   der  Vena  femoro-parietalis   hervorgehen. 

Das  Pfortadersystem  der  Leber  zerfällt  also  in  zwei  Hauptvenen, 
die  genitale  und  intestinale  Pfortader,  und  eine  Anzahl  von  kleineren, 
unabhängigen  Zweigen.  Alles  in  diesen  Gefässen  strömende  Blut  wird 
nach  seiner  Circulation  in  der  Lebersubstanz  von  der  grossen  Leber- 
vene (27)  aufgenommen,  die  es  in  der  S.  715  beschriebenen  Weise 
dem  gemeinschaftlichen  Venensinus  zuführt. 

Lungenkreislauf.  —  Die  beiden  L u n g e n a r t e r i e n  {pd,  pg, 
Fig.  289)  entspringen  gesondert  aus  der  dorsalen  Fläche  der  Wurzel 
des  Arterienbulbus,  wo  ihr  Ursprung  durch  die  kleine  vordere  Aus- 
sackung des  Venensinus  überdeckt  wird.  Hebt  man  dieselbe  auf,  so 
siebt  man,  dass  die  Ursprünge  der  Arterien  so  sehr  dem  rechten 
Aortenbogen  genähert  sind,  dass  sie  demselben  zu  entspringen  scheinen. 
Jede  Arterie  schlägt  sich  in  einem  Bogen  über  den  Venensinus  und  die 
Lebervene  und  theilt  sich,  auf  der  Lunge  angekommen,  in  zwei  Aeste, 
einen  stärkeren,  der  auf  der  Rückenfläche  der  Lunge  nach  hinten  läuft, 
und  einen  schwächeren,  der  sich  in  den  blinden  Theil  vor  dem  Ein- 
tritte des  Bronchus  vertheilt.  Die  verzweigten  Arterien  bilden  auf  den 
Wänden  der  Areolen  sehr  dichte  Capillarnetze.  Aus  diesen  sammeln 
sich  die  zuführenden  Zweige  der  Lunge  nvene  (^'J;,  Fig.  289,  B),  die 
schliesslich  zwei,  den  Arterien  entsprechende  Aeste  bilden.    Der  daraus 


Reptilien,  -  717 

hervorgehende  Stamm  verhält  sich  aber  in  verschiedener  Weise.  Nach 
ihrer  Vereinigung  bilden  die  beiden  Aeste  der  rechten  Lunge  {vpä) 
einen  kurzen,  nach  vorn  und  links  verlaufenden  Stamm,  Dieser  nimmt 
beim  Vorüberziehen  die  beiden  Gefässe  der  linken  Lunge  gesondert 
auf  und  die  auf  diese  Weise  gebildete  gemeinsame  Lungenvene  schlägt 
sich  nun  nach  vorn,  hart  an  der  linken  Lungenarterie  angelagert.  In 
der  Nähe  der  Bulbuswarzel  mündet  sie  in  den  linken  Vorhof  auf  der 
dem  Bulbus  zugewandten  Fläche  in  unmittelbarer  Nähe  der  die  beiden 
Vorkammern   trennenden  Scheidewand. 

Lymph System.  —  Man  kann  im  Allgemeinen  sagen,  dass  sich 
dieses  System  grösstentheils  aus  wandungslosen  Lückenräumen  zu- 
sammensetzt, welche  sich  überall  zwischen  den  Organen  und  deren  con- 
stituirenden  Elementen  vorfinden,  dass  diese  Räume  mit  grösseren 
Lücken  zwischen  dem  Tegumente  und  den  anliegenden  Muskeln  in  Ver- 
bindung stehen  und  dass  schliesslich  in  einzelnen  Theilen  sich  be- 
sondere Wände  zur  Auskleidung  der  Lückenräume  ausbilden.  Dies 
geschieht  besonders  in  den  Scheiden,  welche  die  grossen  Gefässstämme 
und  die  Arterien  bis  zu  ihren  feineren  Verzweigungen  umhüllen.  Diese 
Lymphscheiden  erschweren  sogar  in  nicht  unbeträchtlicher  Weise  die  Prä- 
paration der  Arterien,  deren  feinere  Zweige  erst  aus  den  Scheiden  her- 
vortreten. Alle  diese  Lymphscheiden  erstrecken  sich  bis  zum  Herz- 
beutel, der  von  einem  weiten  Sinus  umgeben  ist,  in  welchem  man  meist 
bedeutende  Massen  coagulirter  Flüssigkeit  vorfindet.  Der  Sinus  er- 
streckt sich  bis  zur  Thymus,  die  in  Gestalt  eines  schmalen  Hufeisens 
die  ventrale  Seite  der  Luftröhre  umfasst.  Es  scheint  sogar,  dass  dieser 
Sinus  offene  Verbindungen  mit  der  Höhle  des  Herzbeutels  hat;  wir 
fanden  wenigstens  bei  manchen  durch  Chloroform  getödteten  Thiereu 
die  Höhle  des  Herzbeutels  mit  bedeutenden  Massen  coagulirter  Sub- 
stanz erfüllt,  welche  den  Abklatsch  der  einzelnen  Herztheile  zeigten. 
Wir  haben  diesen  Punkt  nicht  weiter  verfolgt. 

Die  Eidechse  besitzt  ein  Paar  Lymphherzen  (c?,  Fig.  290). 
Es  sind  kleine  runde  Bläschen,  die  auf  der  Innenseite  der  Haut  zwischen 
der  Rückenleiste  und  dem  Querfortsatze  des  letzten  Beckenwirbels 
liegen.  Wir  haben  ihre  Pulsationen  bei  lebenden  Thieren  nicht  deut- 
lich wahrnehmen  können.  Sie  stehen  jederseits  mit  einem  Aestchen 
des  Hautzweiges   der   grossen   Vena  femoro-ciMominalis  in  Verbindung. 

Wenn  auch  die  Tegumente  der  Saurier  im  Allgemeinen  dieselbe 
Structur  zeigen,  wie  unsere  tj'pischen  Gattungen,  so  fludeti  sich  doch  zahl- 
reiche Verscliiedenheiteu.  "Wir  erwähnen  besonders  die  warzige  Haut  der 
Chamaeleonideu  mit  ihren  zahlreichen  Pigmentzellen  {Chromato2}horen) 
von  verschiedenen  Farben,  welche  Aupassungsfarben  hervorbringen,  sich  aber 
auch  bei  vielen  anderen  Sauriern,  wenn  auch  weniger  entwickelt,  wieder- 
finden; ferner  die  in  Eingel  getheilte  Haut  der  Amphisbänen  und  die 
mehr  oder  minder  verknöcherten  Schuppen  der  Scincoiden.  Wir  über- 
lassen diese  und  andere  Bildungen  der  beschreibenden  Zoologie.  —  Die  Wirbel 


718  Wirbel  thiere. 

der  Geckotiden  sind  bicoucav  und  enthalten  im  Inneren  noch  Reste  der 
Chorda,  die  intervertebral  verbreitert  sind.  Bei  den  meisten  Sauriern  findet 
man  einen  Theil  der  Körper  der  Schwanzwirbel,  mit  Ausnahme  der  vordersten, 
durch  eine  Querspalte  in  zwei  Hälften  getheilt.  Der  abgebrochene  Schwanz 
regenerirt  sich  um  ein  axiales  Kuorpelrohr.  —  Der  Schulte rgürtel,  das 
Brustbein  und  das  ganze  Vorderglied  verkümmern  stufenweise  bei  den  fuss- 
losen  Sauriern  und  verschwinden  sogar  gänzlich.  Das  Schulterblatt  und  das 
Rabenbein  erhalten  sich  inmitten  der  ebenfalls  verkümmerten  Muskeln  noch 
länger  als  alle  anderen  Theile.  "Wir  verAveisen  hinsichtlich  der  Einzelheiten 
auf  Für  bringer  (s.  Lit.).  Aehnlich  verhält  sich  das  Hinterglied.  —  Reste 
des  ursprünglichen,  knorpeligen  Primordialschädels  erhalten  sich  in 
grösserem  oder  geringerem  Maasse  bei  den  meisten;  der  knöcherne  Schädel 
zeigt  nur,  wenn  auch  bedeutende,  Detailunterschiede;  doch  felilt  den  C ha- 
rn aeleonen  und  den  Amphisbänen  die  Colonnetta,  weshalb  mau  auch 
die  übrigen  Saurier  Kionocranier  genannt  hat.  —  Centrales  und  peri- 
pherisches Nervensystem  sind  nach  demselben  Plane  gebaut,  wie  bei 
unserer  typischen  Art;  ebenso  auch  das  Geruchsorgan,  dessen  Einzel- 
heiten uns  Born  (s.  Lit.)  genau  kennen  gelehrt  hat.  -~  Die  Augenlider 
zeigen  bedeutende  Verschiedenheiten.  Die  Chamaeleonen  besitzen  nur  ein 
einziges,  ringförmiges,  mit  runder  Sehöffnung,  die  sich  wie  eine  Strippe  er- 
weitert und  verengt;  bei  den  Amphisbänen  und  den  meisten  Scincoiden 
zieht  sich  scheinbar  die  äussere  Haut,  wie  bei  den  Schlangen,  über  das  Auge 
weg,  das  bei  einigen  Scincoiden  {Dihanus,   Typhline)  nur  sehr  klein  ist. 

Die  Zunge  zeigt  vielfache  Verschiedenheiten,  die  man  in  der  Zoologie 
verwerthet  hat.  Sie  ist  besonders  Tastorgan  und  zweispitzig  bei  den  Lacer- 
t  i  d  e  u  ,  M  o  n  i  t  o  r  i  d  e  n  ,  A  m  e  i  v  i  d  e  n  (Fissüingues) ;  sie  ist  kurz,  dick,  nicht 
vorziehbar,  mit  ausgeschweiftem  Ende,  weichen  und  abgeplatteten  Papillen 
besetzt  bei  unserer  zu  den  Scincoiden  gehörigen  Blindschleiche  und  den 
Ptychopleuriern  [Brevilingues) ;  bei  d en  H u m i v a g e n ,  I g u a n i d e n  und 
Gecko tiden  (Crassilingues)  wird  sie  sehr  kurz  und  dick,  vorn  abgerundet 
und  läuft  nach  hinten  in  zwei  lange  Anhänge,  wie  die  Flügel  eines  Pfeiles 
aus;  endlich  bei  den  Ch  Am  ixeleon  an  (Vermilingues)  wird  sie  ein  langer,  in 
einer  Scheide  spielender  Muskelcylinder,  der  vorn  napft'örmig  ausgehöhlt  und 
durch  die  Absonderung  sackförmiger  Schleimdrüsen  klebrig  gemacht  ist.  Ein 
verwickelter  Muskelapparat,  der  noch  durch  besondere  Bildungen  der  Blut- 
und  L3'mphgef ässe  unterstützt  wird ,  kann  diese  wurmförmige  Zunge  mit 
Blitzesschnelle  und  grosser  Kraft  bis  zu  einer  Entfernung  vorschnellen,  welche 
selbst  die  Länge  des  Körpers  übertrifft.  Diese  Zange  ist  nur  Greiforgan;  das 
Thier  schnellt  sie  auf  Lrsecten,  die  an  dem  Endnapfe  hängen  bleiben.  —  Die 
Speicheldrüsen  sind  im  Allgemeinen  wie  bei  unserer  typischen  Art  ge- 
bildet; doch  findet  sich  am  Unterkiefer  von  Heloderma  horridam,  zwischen 
Haut  und.  Knochen,  eine  grosse  lappige  Drüse,  aus  zusammengedrängten 
Drüsenkörnern  gebildet,  welche  in  die  gefurchten  Zähne  des  Unterkiefers 
Ausführungsgänge  sendet.  Obgleich  das  Thier  auch  im  Oberkiefer  Furchen- 
zähne besitzt,  so  hat  es  doch  dort  keine  besonders  entwickelten  Drüsen;  um 
zu  beisseu ,  wirft  es  sich  auf  den  Rücken  und  gilt  in  seinem  Vaterlande 
Mexico  für  giftig.  —  Vorbehaltlich  mancher  Einzelvariationen,  welche  be- 
sonders die  Gaumenzähne  betreffen ,  die  liäufig  fehlen ,  scheiden  sich  die 
Kieferzähne  je  nach  ihrer  Befestigung  in  zwei  Gruppen.  Bei  den  einen,  den 
Pleurodonten,  zeigen  sie  dasselbe  Verhältniss  zum  Kiefer,  wie  bei  unserer 
typischen  Art;  bei  den  anderen  dagegen,  den  Acrodonten,  sitzen  die  Zähne 
mit  sehr  kurzen  Sockeln  auf  den  Innenräudern  der  Kieferknochen,  und  die 
Aussenwand  des  Sockels  erhebt  sich  unmittelbar  von  dem  schneidenden  Rande 
des  Kiefers,    so   dass  dieser  wie  ausgekerbt  erscheint.     Die  tiefer  absteigende 


Reptilien.  719 

luuenwand  des  Sockels  zeigt  das  Loch  für  den  Durclitritt  der  Gefässe  und 
Nerven  in  die  Pulpe  des  Zahnes.  —  Das  Darnirohr  lässt  vom  Schlünde 
bis  zum  After  nur  unbedeiiteude  Variationen  wahrnehmen.  Der  Blinddarm 
am  Ende  fehlt  zuweilen  {Angiiis).  —  Auch  die  Urogenital-  und  Kreis- 
laufsorgane  variiren  nur  in  sehr  engen  Grenzen.  Es  versteht  sich  von 
selbst,  dass  bei  den  fusslosen  Sauriern  die  Gefässe  der  Extremitäten  ver- 
kümmert sind.  —  Die  hinteren  L  y  mi)hher  zeij  scheinen  allen  Sauriern 
zuzukonamen.  —  Kehlkopf  und  Luftröhre  bieten  keine  besonderen  Ab- 
weichungen, wohl  aber  die  Lungen,  in  deren  Aiisbildung  zwei  getrennte 
Eichtungen  sich  aussprechen.  Einerseits  entwickeln  sich  in  ihrem  Inneren 
unvollständige  Längsscheidewände,  wodurch  Brouchialbäume  und  Verästelungen 
angebahnt  werden  und  anderseits  theilt  sich  der  Lungensack  in  zwei  Ke- 
gionen ,  eine  athmende  vordere  mit  netzförmigen  Athemhöhlen  und  Ver- 
tiefungen, und  eine  hintere  Eegion  mit  glatten  "Wänden,  in  welcher  keine 
bedeutenden  Capillarnetze  ausgebildet  sind  und  die  nur  als  Luftbehälter  dient. 
Bei  den  Chamaeleoneu  entwickelt  sich  dieser  letztere  Theil  bedeutend  und 
treibt  eine  Menge  oft  sehr  seltsam  gestalteter  Blindschläuche  aus,  welche  so 
die  Bildung  der  Luftcanäle  anbahnen,  die  bei  den  Vögeln  entwickelt  sind. 
Bei  den  seh  langenf  ör  raigen  Sauriern  erhält  die  rechte  Lunge  all- 
mählich das  Uebergewicht  über  die  linke ,  die  nach  und  nach  verkümmert 
und  bei  den  Amphisbänen  gänzlich  verschwindet. 

Die  Ophidier  unterscheiden  sich  von  den  Sauriern  weder  durch  das 
Fehlen  der  Gliedmaassen,  noch  durch  die  Streckung  des  Körpers,  welche  be- 
sondere Folgen  in  der  Entwicklung  der  Eingeweide  nach  sich  zieht.  Wie 
wir  gesehen  haben,  giebt  es  Eidechsen,  wie  unsere  Blindschleiche,  welche  in 
diesen  Beziehungen  den  Schlangen  nicht  nachstehen.  Gewisse  anatomische 
Eigenthümlichkeiten  entscheiden  aUein  über  die  Stellung  der  Gattungen  und 
Familien  in  den  beiden  Ordnungen  und  auch  diese  Charaktere  sind  nicht 
absolut  und  bieten  mancherlei  üebergänge,  die  zu  berücksichtigen  sind. 

Die  Tegumente  unterscheiden  sich  nicht  von  denen  der  tj-pischen 
Saurier.  Bei  vielen  Giftschlangen  finden  sich  grosse  Lymphräume  unter  der 
Haut  des  Kopfes  und  Halses.  An  den  Lippen  der  Nattern  entwickeln  sich 
Tastkörperchen  mit  körnigen  Innenkissen,  die  von  elastischen  Fasern  in 
Spiralen  umsponnen  werden  und  mit  den  Pacini' sehen  Körpern  einige 
Aehnlichkeit  haben  und  ausserdem  noch,  sowie  am  Kopfe,  kleine  Becher- 
Organe,  die  aus  concentrisch  zusammengestellten  Epidermoidalzellen  ge- 
bildet sind. 

An  der  Wirbelsäule  kann  man  eigentlich  nur  zwei  Regionen  unter- 
scheiden, den  Eumpf  und  den  Schwanz;  alle  anderen  sind  verwischt.  Die 
Wirbel  selbst  sind  häufig  ausserordentlich  zahlreich,  mehrere  Hundert;  sie 
sind  procöl  mit  stark  vorragendem,  kugeligem,  hinterem  Gelenkkopf.  Die 
Dornfoi'tsätze  sind  häufig  mächtig  entwickelt,  die  Querfortsätze  dagegen  kuiz 
oder  verkümmert;  alle  sind  mit  den  Wirbelkörpern  verwachsen.  Atlas  und 
Axis  unterscheiden  sich  nicht  von  den  zwei  ersten  Wirbeln  der  Saurier.  Alle 
vor  dem  Schwänze  gelegenen  Wirbel  tragen  lange,  gebogene^  sehr  bewegliche 
und  an  ihrem  ventralen  Ende  freie,  dort  mit  einem  Knorpelkäppchen  ttm- 
gebene  Rippen.  Die  Schlange  geht  auf  ihren  Rippen.  Schultergürtel  und 
Brustbein  fehlen  immer;  nur  bei  den  Pj'thoniden  und  Tj'phlopiden 
existiren  hintere,  aus  zwei  oder  drei  in  den  Muskeln  verlorenen  Knochen- 
stückchen bestehende  Beckenrudimente,  welche  mit  einem  stumpfen  Nagel  zur 
Seite  des  Afters  endigen. 

Der  Hirnschädel  ist  äusserst  fest,  wie  Elfenbein,  die  Knochen  im  er- 
wachsenen Alter  sind  so  mit  einander  verschmolzen,  dass  man  nur  mit  Mühe 
die    den    Knochen    des    Saurierschädels    entsprechenden    Stücke   unterscheidet. 


720  Wirbelthiere. 

An  diesen  breiten  Hirnschädel  legt  sich  der  nach  zwei  verschiedenen  Rieh- 
tungen hin  entwickelte  Gesichtsschädel  au.  Die  Stenostomen  [Typhlo- 
piden)  haben  ein  enges,  nicht  erweiterungsfähiges  Maul  wie  die  Saui'ier ;  ihr 
Quadratbein  ist  unmittelbar  am  Schädel  oder  an  einem  fest  au  den  Schädel 
angeschweissten  Schuppenbeiu  aufgehäugt;  der  Oberkieferbogen  ist  unbe- 
weglich; nur  die  Gaumen-,  Flügel-  und  Quadratbeine  sind  beweglich;  die 
beiden  Aeste  des  Unterkiefers  sind  dui-ch  eine  faserknorpelige  Symphyse  ver- 
bunden. Bei  den  übrigen,  den  Makrostomen  dagegen  sind  alle  Knochen 
des  Gesichtsschädels  mobil,  die  einen  durch  wahre  Gelenke,  die  anderen  durch 
laxe  Eändermasseu.  Der  Unterkiefer  bogen  ist  besonders  merkwürdig; 
das  sehr  grosse  Schuppenbein  ist  einerseits  am  Schädel ,  anderseits  am 
Quadratbein  eingelenkt,  welches  seinerseits  das  Gelenk  des  Unterkiefers  trägt. 
Die  beiden  Unterkieferhälften  sind  aber  an  ihren  Enden  vollkommen  frei  und 
hier  nur  durch  laxe  elastische  Bänder  oder  durch  lauge,  kreuzweise  über 
einander  laufende  Muskeln  verbunden,  wie  wir  dies  bei  Python  constatiren 
konnten.  Diese  Einrichtung  gestattet  eine  solche  Erweiterung  des  Rachens, 
dass  die  Schlangen  Beutethiere  verschlucken  können,  deren  Durchmesser  den 
ihres  Kopfes  und  Halses  weit  übersteigt.  —  Bei  den  Giftschlangen  zeigt  der 
Oberkiefer  bogen  wesentliche  Umgestaltungen.  Der  Zwischeukiefer  ver- 
kümmert oder  verschwindet  ganz;  der  bei  den  nicht  giftigen  Schlangen  nach 
hinten  verlängerte  Oberkiefer  verkürzt  sich  schliesslich  zu  einer  kurzen  Quer- 
rolle, welche  die  Giftzähne  trägt.  Das  Präfrontale,  auf  welchem  dieser  ver- 
küi'zte  Oberkiefer  rollt,  wird  gegen  das  Stirnbein  beweglich.  Das  sehr  lange 
Plügelbein  lenkt  sich  nach  hinten  mit  dem  Quadratbeine,  nach  vorn  mit  dem 
Querbeine  und  dem  Gaumenbeine  ein  und  trägt  auf  seinem  vorderen  Theile 
krumme  Hakenzähne.  Alle  diese  Knochen  werden  nach  hinten  gezogen,  wenn 
die  Schlange  den  Mund  schliesst,  und  der  nach  innen  gerollte  Oberkiefer  birgt 
dann  seine  grossen  Giftzähne  in  einer  Falte  der  Schleimhaut  des  Gaumens. 
Oeffuet  die  Schlange  den  Rachen ,  so  wird  der  Oberkiefer  so  weit  nach  vorn 
gerollt,  dass  die  Gifthaken  über  die  Schnauzenspitze  hervorragen.  —  Das 
Zungenbein  hat  nur  ein  Paar  Hörner ;  ein  Inneubein  der  Zunge  fehlt  oft. 

Im  Mu  skelsj's  tem  e  fallen  besonders  die  zahlreichen,  scharf  getrennten 
Muskeln  auf,  welche  in  mehreren  Schichten  sich  an  die  Rippen  festsetzen  und 
diese  beweglichen  Knochen  nach  allen  Richtungen  hin  bewegen  können. 
Auch  die  Hautmuskeln  sind  beträchtlich  entwickelt. 

Abgesehen  von  der  grossen  Länge  und  dem  Mangel  jeglicher  Anschwel- 
lung gleicht  das  Rückenmark  demjenigen  der  Saurier.  Ebenso  das  Hirn; 
doch  fällt  letzteres  durch  die  bedeutende  Breite  des  Yorderhirnes  auf.  Die 
Epiphyse  ist  nicht  so  entwickelt,  wie  bei  den  Sauriern.  —  Die  Spinal- 
nerven gleichen  alle  einander,  da  den  Extremitäten  entsprechende  Plexus 
fehlen.  Die  Hirnnerven  zeigen  einige  Eigeuthümlichkeiten,  auf  die  wir  hier 
nicht  eintreten  können,  sondern  auf  die  Abhandlungen  von  Vogt  und 
Fischer  (s.  Lit.)  verweisen  müssen.  Der  Accessorius  Willisii  fehlt.  Der 
Kopftheil  des  Sympathicus  ist  sehr  bedeutend,  dagegen  die  mit  den  Spinal- 
nerven in  Verbindung  stehenden  Stränge  und  Ganglien  sehr  reducirt. 

Die  Sinnesorgane  zeigen  einige  Besonderheiten.  Der  Nase  fehlt  der 
bei  den  Sauriern  ausgebildete  Vorhof;  die  einzelnen  Höhlen,  sowie  das  Jacob- 
son'sehe  Organ  liegen  in  derselben  Flucht.  —  Das  Auge  besitzt  keine 
differenzirte  Lider ;  aber  die  Entwicklungsgeschichte  zeigt ,  dass  die  äussere 
Membran,  welche  das  Auge  bedeckt  und  die  nur  eine  Fortsetzung  der  Körper- 
haut scheint,  in  Wirklichkeit  das  untere  Augenlid,  die  Nickhaut  ist,  welche 
sieh  über  den  ganzen  Augapfel  ausgebreitet  und  mit  einem  oberen  Hautfalze, 
dem  Rudimente  eines  oberen  Lides,  verschmolzen  hat.  Nach  innen  von  dieser 
Haut  findet    sich  ein  Lymphraum    und  dann    erst   die  Conjunetiva.     Die  sehr 


Reptilien.  721 

grosse  Thränendrüse  entsendet  ihre  Absonderung  durch  den  Thränencanal 
und  das  Jacobson' sehe  Organ  in  die  Mundhöhle  und  functionirt  so  als 
accessorische  Speicheldrüse.  Die  übrigen  Augentheile  entsprechen  denjenigen 
der  Saurier.  —  Das  Hörorgan  unterscheidet  sich  von  dem  aller  übrigen 
Reptilien  durch  den  Mangel  eines  mittleren  Ohres;  Trommelfell,  Trommel- 
höhle und  Eustachische  Eöhre  fehlen  vollständig.  Doch  giebt  es  eine  Colu- 
mella  in  Gestalt  eines  theilweise  verknöcherten  Stäbchens.  Das  häutige 
Labyrinth  bietet  keine  bemerkenswerthen  Verschiedenheiten. 

In  Folge  der  allgemeinen  Streckung  des  Körpers  zeigen  die  Verdauung s - 
Organe  mannigfaltige  Modificationen.  Wir  erwähnten  schon  die  Erweiterungs- 
fähigkeit des  Rachens ,  dessen  Schleimhaut  zahlreiche  Falten ,  Drüsen  und 
Nervenkörper  zeigt.  Besonders  hervorzuheben  sind  aber  einerseits  die  Bil- 
dung der  Zunge,  anderseits  die  oft  übermässige  Entwicklung  der  mit  der 
Mundhöhle  in  Beziehung  stehenden  Drüsen.  Die  Zunge  ist  nur  Tastorgan ; 
sie  spielt  in  einer,  durch  eine  Einstülpung  der  Mundschleimhaut  gebildeten 
Scheide  und  trägt  namentlich  in  ihren  beiden  Endspitzen,  die  aus  dem  Munde 
hervorgestossen  werden  können ,  zahlreiche  Tastkörperchen ;  ihr  sehr  langer 
Stiel  wird  durch  einen  runden  Längsmuskel  {M.  hyoglossus)  gebildet,  zu  dem 
sich  noch  senkrechte  und  Kreisbündel  gesellen.  Die  Munddrüsen  sind 
zahlreich  und  je  nach  ihrer  Function  verschieden  entwickelt.  Eine  in  Iluf- 
eisenform  gekrümmte  obere  LippAidrüse  umzieht  den  oberen  Mundrand.  Sie 
liegt  ausserhalb  der  Zähne  in  der  Dicke  der  Lippe  und  theilt  sich  oft  in  zwei 
Portionen,  eine  vordere  und  eine  hintere,  die  sich  auch  durch  die  Structur 
ihrer  Follikel  und  ihrer  Ausführungsgänge  differenziren.  Bei  den  Giftschlangen 
verkümmert  dieser  vordere  Drüsentheil  nach  und  nach  und  verschwindet 
sogar  gänzlich  bei  einigen  {Trigonocephalus,  Pelamis).  Eine  ähnliche,  untere 
Lippendi'üse  umschreibt  den  Rand  der  Unterkiefer.  Auch  ist  noch  bei  den 
nicht  giftigen  Schlangen  eine  dritte  Drüse,  die  hinter  der  Nasenhöhle  ge- 
legene Nasendrüse,  stärker  ausgebildet  als  bei  den  giftigen.  Zwei  Paare  von 
Unterzungendrüsen,  von  welchen  das  vordere  Paar  sich  in  den  Vereinigungs- 
winkel der  beiden  Zungenspitzen,  das  hintere  mit  zahlreichen  Canülen  an  der 
Basis  der  Zunge  öffnet,  liefern  den  Geifer,  welcher  das  Spiel  der  Zunge  mög- 
lich macht.  Endlich  die  Giftdrüse  scheint  nur  eine  Weiterbildung  der 
hinteren  Portion  der  oberen  Lippendrüse.  Diese  Portion  wird  grösser  bei 
den  Poster oglyphen,  wo  Furchen-  oder  Canalzähne,  die  grösser  als  die 
anderen  sind,  hinten  in  dem  Oberkiefer  hinter  einigen  derben  Hakenzähnen 
stehen;  sie  wird  ganz  unabhängig  bei  den  eigentlichen  Giftschlangen,  wo 
der  rollenförmige  Obei-kiefer  nur  einen  in  Function  befindlichen  Giftzahn  und 
einige  Ersatzzähne  trägt.  Bei  diesen  Giftschlangen  wird  die  am  liinteren 
Ende  der  Eachenspalte  gelegene  Drüse  sehr  gross  und  von  einer  sackförmigen 
Sehnenhaut  umgeben.  Sie  liegt  nun  in  der  Masse  des  Beissmuskels,  durch 
den  sie  zusammengedrückt  werden  kann ,  und  mündet  durch  einen  weiten 
Ausführungsgang  auf  der  Aussenfiäche  der  Wurzel  des  gefurchten  oder  von 
einem  Canale  durchsetzten  Giftzahnes.  Wenn  dann  der  Zahn  sich  zum  Bisse 
aufstellt,  so  legt  er  sich  so  auf  die  Oeffnung,  dass  seine  Furche  oder  Röhre 
die  Fortsetzung  des  Ausführungsganges  bildet.  Die  Drüse  zeigt  im  Inneren 
weite  Lücken,  welche  als  Sammelbecken  des  Giftes  dienen.  Bei  einzelnen 
Schlangen  erreicht  die  Drüse  eine  enorme  Grösse;  in  Gestalt  einer  Röhre 
erstreckt  sie  sich  (bei  Causus)  bis  unter  die  Haut  der  Rückengegend,  bei 
Gallophis  in  die  Bauchhöhle,  wo  sie  sogar  das  Herz  und  die  übrigen  Organe 
aus  ihrer  Lage  gegen  den  After  hindrängt.  —  Die  stets  hakenförmigen  Zähne, 
die  eine  scharfe  Spitze  haben,  können  in  sehr  grosser  Zahl  (mehrere  hundert) 
vorhanden  und  auf  allen  an  der  Mundhöhle  theilnehmenden  Knochen  einge- 
pflanzt sein,  aber  vorzugsweise  auf  den  beiden  Kieferbogen  und  dem  Gaumen- 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  ^g 


722  Wirbelthiere. 

flügelbogen.  Man  unterscheidet:  derbe,  von  Zahnbein  gebildete  Zähne,  die 
nur  eine  sehr  kleine  innere  Pulpahöhle  und  an  der  Spitze  ein  Käppchen  von 
Email  haben;  bei  den  nicht  giftigen  Schlangen  {Colubei-,  Python,  Boa)  kommen 
nur  solche  derbe  Zähne  vor;  ferner  Furchenzähne,  die  man  sich  in  der  Art 
vorstellen  kann,  als  sei  ein  derber,  aber  abgeplatteter  Zahn  mit  seinen  Bän- 
dern so  aufgebogen  worden ,  dass  er  auf  seiner  äusseren ,  convexen  Fläche 
eine  mehr  oder  minder  offene  Furche  oder  Rinne  zeigt  (Naja,  Bungarus)  oder 
endlich  Canalzähne ,  wo  die  Ränder  der  Rinne  so  mit  einander  verwachsen 
sind,  dass  die  Rinne  zu  einem  auf  der  convexen  Seite  des  Zahnes  verlaufen- 
den Längscanal  umgewandelt  wird  (Vipera,  Orotaliis,  Trigonocephalus).  Diese 
Furchen-  und  Canalzähne  charakterisiren  die  giftigen  und  verdächtigen 
Schlangen  —  sie  stehen  immer  im  Oberkiefer.  Für  alle  Zähne  finden  sich 
stets  in  kleinen  Taschen  der  Mundschleimhaut  Ersätzzähne.  —  Der  Schlund 
ist  meist  kurz,  dünnwandig,  sehr  ausdehnbar  und  geht  ohne  merkliche  Grenze 
in  den  langen  Magen  über,  der  sehr  drüsige  Wände  zeigt,  die  im  oberen 
Abschnitte  Längsfalten  haben.  Die  Muskelschicht  ist  nur  unbedeutend.  Der 
meist  engere  und  von  dem  Darme  durch  eine  Klappe  getrennte  Pylorustheil 
zeigt  keine  Längsfalten,  der  meist  sehr  weite  Mitteldarm  dagegen  unregel- 
mässige Falten  oder  selbst  gefranzte  Zotten ;  der  meist  kurze,  innen  faltenlose 
E  n  d  d  a  r  m  trägt  oft  einen  Blinddarm  ,  der  bei  Pytlion  nur  klein  ,  bei  Vipera 
und  Crotalus  aber  bedeutend  entwickelt  ist.*  Im  Ganzen  zeigt  der  Darm  nur 
geringe  Windungen;  seine  Länge  übertrifft  niemals  diejenige  des  Körpers.  — 
Das  fehlende  Bauchfell  wird  durch  unbedeutende  Bindegewebsbrücken  und 
laxes  Bindegewebe  ersetzt.  Die  Leber  verlängert  sich  ungemein;  bei  einigen 
Gattungen  {Python,  Trigonocephalus)  lösen  sich  die  Gallengänge  in  ein  Netz- 
werk auf.  Das  Pankreas  zerfällt  häufig  in  zahlreiche  Läppchen ,  deren 
jedes  seinen  besonderen  Ausführungsgang  hat.  —  Die  Nieren  bestehen  aus 
einer  Menge  von  Lappen,  welche  durch  den  an  ihrem  inneren  Rande  ver- 
laufenden Harnleiter  verbunden  werden.  Letzterer  mündet  auf  einem  Wärz- 
chen in  die  Cloake  und  mit  ihm  verbindet  sich  dort  zuweilen  der  Samen- 
leiter {Tropidonotu,')).  Das  Harnwärzchen  ist  bei  den  Weibchen  stets  von  der 
Oeflfnung  des  Eileiters  getrennt.  —  Abgesehen  von  ihrer  Ausdehnung  in  der 
Länge,  sind  die  Hoden  denen  der  Saurier  ähnlich  und  die  Eierstöcke 
haben  die  Form  der  Hoden.  Aber  alle  Urogenitalorgane  zeigen  insofern  eine 
gewisse  Asymmetrie,  als  sie  sich  gegen  einander  verschieben  und  die  Organe 
der  rechten  Seite  mehr  gegen  den  Ko]Df  vorrücken,  als  die  der  linken.  Die 
Eileiter,  die  Cloake  und  die  Begattungswerkzeuge  verhalten  sich 
wie  bei  den  Sauriern;  die  Ruthen  sind  häufig  an  ihrem  ausstülpbaren  Ende 
zweitheilig  und  mit  scharfen  Dornen  besetzt,  welche  einen  kalkigen  Kern 
haben.  Die  Eier  haben  eine  faserige ,  von  Kalkablagerungen  durchsetzte 
Schale.  —  Das  Herz  zeigt  eine  den  Sauriern  ähnliche,  innere  Structur,  ist 
aber  sehr  in  die  Länge  gezogen;  aus  dem  Arterienbulbus  entspringen  zwei 
Paare  von  Aortenbogen;  das  hinterste,  bei  seinem  Austritt  aus  der  Kammer 
stark  angeschwollene  Paar  bildet  die  Lungenarterien  und  lässt  bei  den  Gat- 
tungen, wo  die  linke  Lunge  verkümmert,  ebenfalls  den  linken  Bogen  zu 
Grunde  gehen.  —  Der  peripherische  Kreislauf,  die  L  y  m  p  h  g  e  f  ä  s  s  e 
verhalten  sich  wie  bei  den  Sauriern;  letztere  sind  meist  sehr  geräumig,  um- 
geben die  Blutgefässe  wie  Scheiden  und  zeigen  pulsireude  Orgaue,  Lymph- 
herzen,  an  der  Schwanzwnrzel.  —  Milz,  Nebennieren,  Thymus  und 
Thyroidea  wie  bei  den  Sauriern.  —  Hinsichtlich  der  zahlreichen  Modi- 
ficationen  im  Baue  des  Kehlkopfes  verweisen  wir  auf  das  classische  Werk 
von  Henle  (s.  Lit.);  die  Luftröhre  is^  stets  sehr  lang,  mit  zahlreichen 
ganzen  Knorpelringen  ausgerüstet;  die  wie  bei  den  Sauriern  gebauten  Lungen 
sind  asymmetrisch;  die  linke  Lunge  wird  bedeutend  kleiner  bei  Eryx,  Tortrix', 


Reptilien.  723 

rudimentär  bei  Crotalus,  Trigonocephalus ,  Vipera,  und  verschwindet  endlicli 
ganz  bei  Elaps,  HydropMs.  \- 

Die  von  der  einzigen  Gattung  Hatteria  {Splienodon)  gebildete  Ordnung 
der  Rhyncliocephalen  stellt  ein  Bindeglied  zwischen  Eidechsen  und 
Krokodilen  her.  Die  Tegumente  sind  gebaut  wie  bei  den  Sauriern;  die  "Wirbel 
biconcav  wie  bei  den  Geckotiden;  die  Hals-  und  Brustrippen  haben  schiefe, 
den  Hakenfortsätzen  {Processus  uncinati)  der  Vogelrippen  ähnliche  Fortsätze, 
die  aber  nur  durch  Naht  mit  der  Rippe  verbunden  und  unvollkommen  ver- 
knöchert sind;  es  finden  sich  Bauchrippen  und  Bauchsternum,  die  aber  nur 
Hautbildungen  zu  sein  scheinen  und  deren  Zahl  grösser  ist,  als  diejenige  der 
Wirbel,  zu  welchen  sie  gehören  sollten.  Schulter-  und  Beckengürtel  stimmen 
eher  mit  den  gleichnamigen  Theilen  der  Embryonen  der  Sauiier,  als  mit 
denen  der  erwachsenen  Thiere  überein.  Hinsichtlich  des  Schädels  erwähnen 
wir  folgende  Einzelheiten ;  die  Colonnetta  ist  vorhanden ,  aber  in  der  Mitte 
dünn,  an  beiden  Enden  breit;  der  Äufhängeapparat  des  Unterkiefers  verhält 
sich  wie  bei  den  Krokodilen.  Es  giebt  zwar  ein  Jugale  -  quadratum ,  es  ist 
aber  mit  dem  Postfrontale,  dem  Squamosum,  Jugale,  Quadratum  und  Ptery- 
goideum  verschmolzen,  so  dass  der  Unterkiefer  durch  das  ebenfalls  mit  ver- 
schmolzene Quadratum  unmittelbar  an  den  Schädel  eingelenkt  ist  und  die 
erwähnten  Knochen  um  und  hinter  der  Orbita  complicirte  Bogen  bilden.  Die 
beiden  Unterkieferhälften  sind  durch  eine  sehnige  Symphyse  verbunden.  — 
Hatteria  besitzt  das  vollständigste  Parietalauge ,  welches  wir  kennen.  Man 
findet  an  ihm  alle  wesentlichen  Theile:  Hornhaut,  Choroidea,  KrystalUinse, 
Retina.  Hinsichtlich  der  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  die  Arbeit  von 
Baldwin  Spencer  (s.  Lit.).  Hinsichtlich  des  Darmes  und  seiner  Anfangs- 
gebilde unterscheidet  sich  Hatteria  nicht  von  den  übrigen  Sauriern,  auch 
nicht  hinsichtlich  der  inneren  Urogenitalorgane ;  wohl  aber  sollen  der  Gattung, 
nach  Günther,  Begattungsorgane  fehlen,  was  eine  höchst  bemerkenswerthe 
Ausnahme  gegenüber  allen  anderen  Reptilien  herstellen  würde. 

Die  Hydrosaurier  oder  Krokodile  vereinigen  mit  der  allgemeinen 
Körpergestalt  der  Eidechsen  eine  Menge  von  Charakteren ,  von  welchen  die 
einen  ihnen  eigenthümlich  zukommen ,  die  anderen  mit  den  Schildkröten  ge- 
meinschaftlich sind.  —  Ausser  den  gewöhnlichen  Eidechsenschuppen  zeigen 
die  Tegumente  noch  Knochenplatten,  die  auf  dem  Schädel  mit  den  Deck- 
platten verschmelzen  und  ihnen  eine  eigenthümliche  Sculptur  geben.  Diese 
in  verschiedener  Weise  gekielten  und  sculptirten  Hautknochen  bilden  auf  dem 
Rücken  und  an  den  Seiten  des  Körpers  Längsreihen,  während  auf  dem  Bauche 
sich  das  gewöhnliche  Schuppenkleid  der  Eidechsen  zeigt.  Ausser  kleinen, 
sackförmigen  Afterdrüsen  findet  sich  noch  am  Unterkiefer  jederseits  ein 
längslaufender,  grosser  Drüsensack,  der  nahe  hinter  dem  Kiefergelenke  mündet 
und  aus  der  knopflochförmigen  Mündung  eine  fettige  Flüssigkeit  von  ekel- 
haftem Gerüche  austreten  lässt.  Man  hat  diese  einzigen  Hautdrüsen  die 
Moschusdrüsen  genannt. 

Die  Wirbel  sind  meist  procöl.  Sämmtliche  Halswirbel  tragen  Rippen, 
die  nach  hinten  zu  so  allmählich  in  die  Formen  der  Brustrippen  übergehen, 
dass  bei  einer  und  derselben  Art  einige  Beobachter  sieben,  andere  neun  Hals- 
wirbel zählen.  Die  oberen  und  unteren  Bogen,  sowie  die  dorsalen  Darmfort- 
sätze der  Wirbel  sind  ausgiebig  entwickelt  und  so  innig  verbunden ,  dass  die 
Wirbelsäule  wenig  biegsam  ist.  Die  Lendenwirbel  tragen  ebenfalls  Rippen, 
deren  distale  Enden  sich  in  der  Mittellinie  vereinigen.  Man  findet  stets  zwei 
Sacralwirbel  und  eine  grosse,  aber  wechselnde  Zahl  von  mit  grossen  oberen 
und  unteren  Darmfortsätzen  versehenen  Schwanzwirbeln.  Das  Sternum 
trägt  ein  spiessförmiges  Episternum  und  ein  bis  zum  Becken  verlängertes 
Hj'posternum.  —  Der  Schultergürtel   besteht   nur   aus  Schulterblatt  und 

46* 


724  Wirbelthiere. 

Eaben'bein;  die  vordere  Extremität  zeigt  keine  charakteristische  Bildung.  — 
Im  B  e  c  k  e  n  g  tt  r  t  e  1  sind  Schambein  und  Sitzbein  mit  einander  verschmolzen. 
Schienbein  und  Wadenbein  bleiben  getrennt  luid  lenken  mit  dem  Fersenbein 
und  Sprungbein  ein,  auf  w^elche  zwei  andere  Fusswurzelknochen  folgen,  von 
w^elchen  der  auf  tibialer  Seite  gelegene  mit  dem  entsprechenden  Mittelfuss- 
knochen  zusammenlenkt.  —  Alle  den  Gesichtsschädel  zusammensetzenden 
Knochen  sind  wie  bei  den  Schildkröten  unter  einander  und  mit  den  Knochen 
des  Hirn  Schädels  zu  einem  einzigen,  durchaus  unbeweglichen  Ganzen 
verschmolzen;  namentlich  ist  das  Quadratbein  durch  Nähte  mit  dem  Felsen- 
bein und  Schuppenbein  verbunden.  Die  Kiefer  sind  stark,  bei  den  Gavialen 
übermässig  in  die  Länge  gezogen;  die  an  dem  skelettirten  Schädel  einfach 
erscheinenden  Nasenlöcher  liegen  unmittelbar  an  der  Schnauzenspitze  und 
sind  nur  durch  eine  knorpelig  -  häutige  Scheidewand  getrennt.  Die  Choanen 
dagegen  sind  ungemein  weit  hinten  an  dem  Grundbein  geöffnet,  so  dass  sehr 
lange  Nasengaumengänge  hergestellt  sind.  Da  durch  die  Verlängerung  seiner 
Stützknochen  das  Unterkiefergelenk  weit  hinter  das  Hinterhaupt  zurück- 
geworfen ist,  so  erscheint  der  aus  mehreren  Stücken  zusammengesetzte  und 
durch  eine  feste  Nahtsymphyse  mit  der  anderseitigen  Hälfte  verbundene 
Unterkiefer  um  so  länger.  —  Das  Centralnervensystem  zeigt  ein 
bedeutend  entwickeltes  Kleinhirn,  an  dem  man  schon  einen  Mitteltheil  und 
zwei  Seitentheile  unterscheiden  kann.  Die  Epiphyse  ist  gross,  zeigt  aber 
keine  einem  Auge  zukommende  Bildung.  —  Der  Accessorius  Willisii  ist  deut- 
lich differenzirt ;  ein  Ast  des  Hypoglossus  verschmilzt  auf  der  Mittellinie  im 
Inneren  der  Fleischmasse  der  Zunge  mit  dem  entsprechenden  Nerven  der 
anderen  Seite.  —  Die  Nasenöffnungen  haben  die  Gestalt  von  Halb- 
monden, die  auf  einem  Hügel  von  Bindegewebe  stehen;  sie  können  durch 
theilweise  verknöcherte  Klappen  beim  Aufenthalte  unter  dem  Wasser  voll- 
kommen geschlossen  werden.  Umgerollte  knorpelige  Nasenmuscheln,  welche 
in  den  langen  Nasengängen  zwischen  Gaumendach  und  Schädelbasis  entwickelt 
sind ,  vermehren  die  Oberfläche  der  inneren  Schleimhaut.  —  Die  Augen 
sind  klein,  haben  drei  Augenlider,  besonders  eine  grosse,  durchsichtige  Nick- 
haut und  eine  grosse  Thränendrüse  mit  weitem  Thränencanal.  —  Während 
das  Labyrinth  nur  wenig  von  dem  der  Schildkröten  verschieden  ist,  zeigt  das 
mittlere  Ohr  bedeutendere  Eigen thümlichkeiten.  Ueber  dem  Trommelfelle 
sind  zwei,  Augenlidern  ähnliche  Hautfalten  ausgebildet,  welche  von  theilweise 
verknöcherten  Scheiben  gestützt  und  mittelst  besonderer  Muskelbündel  so  fest 
zusammengeschlossen  werden  können,  dass  sie,  wie  Lider,  nur  eine  horizontale, 
der  Kopfaxe  parallele,  feiue  Spalte  übrig  lassen.  In  das  runde,  in  einem 
Knochenringe  ausgespannte  Trommelfell  ist  die  Columella  eingelassen,  welche 
mit  einem  trichterförmig  ausgehöhlten  Ende  sich  an  das  runde  Fenster  ansetzt. 
In  der  Mundhöhle  fällt  vor  Allem  die  unbewegliche  Zunge  auf, 
welche  wie  ein  mächtiges  Fleischkissen  den  ganzen  Bodenraum  zwischen  den 
Unterkieferästen  ausfüllt.  Sie  hat  eine  dicke ,  quer  gefaltete  Schleimhaut. 
Zähne  stehen  nur  im  Zwischen-  und  Oberkiefer,  sowie  im  Unterkiefer  in 
einfacher  Reihe  in  einer  tiefen  Randrinne  auf  Sockeln  von  Knochensubstanz, 
die  von  Alveolen  umgeben  sind.  Die  Zähne  sind  conisch,  an  der  Basis  längs- 
gefältelt und  mit  einer  ziemlich  geräumigen  Pulpenhöhle  versehen.  Nament- 
lich gegen  die  Schnauze  hin  finden  sich  grössere  Fangzähne,  welche  ihre 
Nachbarn  überragen  und  je  nach  den  Gattungen,  in  Ausschnitte  oder  selbst 
am  Oberkiefer  in  Löcher  des  Knochens  beim  Schliessen  des  Maules  eingreifen. 
Man  wendet  diese  Bildungen  in  der  Zoologie  zur  Unterscheidung  der  Kro- 
kodile und  Alligatoren  an.  Die  Gelenkrolle  des  Unterkiefers  steht  quer  zur 
Axe  des  Kopfes  und  ei-laubt  durchaus  keine  Seitenbewegung  des  Kiefers. 
Um  den  Rachen  aufzusperren,  hebt  das  Krokodil  auch  den  Schädel  durch  die 


Reptilien.  725 

mächtigen  Nackenmuskeln  empor.  Ein  Gaumensegel,  das  aber  nur  von  einer 
Falte  der  Schleimhaut  gebildet  ist  und  keine  Muskeln  enthält,  trennt  die 
Mundhöhle  vom  Schlundkopfe,  in  welchen  die  weit  zurückliegenden 
Choanen  und  die  Stimmritze  sich  öffnen.  Der  weite  Schlund  führt  in  einen 
kugeligen  Magen,  dessen  starke  Muskelwände,  die  eine  sehnige  Central- 
scheibe  zeigen,  sehr  an  den  Muskelmagen  der  körnerfressenden  Yögel  erinnern. 
Der  Magen  ist  scharf  von  dem  Pförtuertheile  getrennt,  der  eine  Seitentasche 
bildet,  welche  durch  eine  kreisförmige  Klappe  gegen  den  Darm  abgegrenzt 
wird.  Der  Magen  enthält  oft  Steine.  Der  Darm  mit  seinen  Nebenorganen 
bietet  keine  Besonderheiten.  —  Die  Nieren  sind  zweilappig;  die  ziemlich 
weiten  Harnleiter  münden  in  einen  dünnwandigen  Theil  der  Cloake,  der 
durch  Schleimhautfalten  eiuestheils  gegen  den  Mastdarm  und  andemtheils 
gegen  die  Geuitalöffuungen  abgegrenzt  wird.  Die  Männchen  sind  selten; 
längs  der  Hoden  erstrecken  sich  die  wenig  entwickelten  Nebenhoden;  die 
Samenleiter  verlaufen  fast  gerade  und  münden  in  die  Cloake  auf  getrennten 
Wärzchen  gegenüber  dem  Penis  und  vor  zwei  bedeutenden  Analdrüsen ,  die 
eine  fette  Substanz  mit  starkem  Moschusgeruche  absondern.  Der  aus  zwei 
sehnigen  Längskörpern  bestehende  Penis  zeigt  ausserdem  einen  schwammigen 
SchAvellkörper ;  er  ist  an  der  ventralen  Wand  der  Cloake  aogeheftet  und  von 
Schleimhaut  überzogen,  hat  einen  gekrümmten  Stiel  mit  einer  Einne  auf  der 
convexen  Seite  und  eine  kegelförmige  Eichel.  In  der  Ruhe  ist  er  nach  hinten 
zurückgeschlagen.  Bei  dem  Weibchen,  dessen  Eierstöcke  und  Eileiter 
nichts  Besonderes  aufzeigen,  entspricht  dem  Penis  eine  kleine  Clitoris.  — 
Der  Kehlkopf  zeigt  keine  Eigenthümlichkeiten ;  die  Luftröhre  bildet 
häufig  eine  Schlinge  und  ist  nahe  an  ihrer  Theilung  in  die  Bronchen  durch 
eine  senkrechte ,  in  Pfeiler  getheilte  Scheidewand  in  zwei  Canäle  geschieden ; 
die  Bronchen  setzen  sich  noch  ziemlich  weit  in  die  Lungen  fort  und  werden 
dort  sogar  noch  von  Knorpelstreifen  gestützt.  —  Mit  Ausnahme  eines  winzigen 
Verbindungsloches  {Foramen  Panizzae)  ist  die  Scheidewand  der  beiden  Herz- 
kammern vollständig  und  der  Arterienbulbus  vollständig  in  den  linken 
Ventrikel  übergegangen.  Hinsichtlich  der  grossen  Arterien-  und  Venen- 
stämme, sowie  hinsichtlich  des  Kreislaufes  im  Allgemeinen  und  Besonderen 
verweisen  wir  auf  die  Arbeiten  von  Rathke,  Brücke,  Fritsch(s.  Lit.).  — 
Die  Lymphherzen  verhalten  sich  wie  die  der  Schildkröten. 

Wenn  sich  auch  diese ,  die  Chelonier,  von  allen  übrigen  Reptilien 
durch  besondere  Eigenthümlichkeiten  wesentlich  unterscheiden,  so  nähern  sie 
sich  doch  durch  manche  Charaktere  den  Krokodilen.  Im  Grunde  ist  die 
Structur  ihrer  Haut  ganz  dieselbe;  an  den  Stellen,  wo  die  schuppige  Epi- 
dermis nicht  modificirt  ist,  wie  an  den  Füssen,  dem  Halse  und  dem  Schwänze, 
verhält  sie  sich  gleich  derjenigen  der  Krokodile.  Aber  auf  dem  Panzer  aller 
und  auf  den  Euderfüssen  der  Seeschildkröten  erreicht  die  Hornschicht  der 
Epidermis  eine  bedeutende  Mächtigkeit ;  ihre  bildenden  Zellen  verschmelzen 
vollständig  und  bilden  grosse  Platten  oder  Schuppen  mit  mannigfaltig  aus- 
gewirkter Aussenfläche,  unter  welchen  die  eigentliche  Lederhaut  so  schwindet, 
dass  die  Hornplatten  unmittelbar  auf  den  darunter  liegenden  Knochen  auf- 
ruhen, auf  welchen  sich  die  Zeichnungen  ihrer  Unterfläche  abformen.  Diese 
Hornschilder  sind  als  Schildpatt  bekannt  und  verwerthet.  Tastkörperchen 
hat  man  nur  in  der  ßückeuhaut  der  Trionj'chiden  gefunden.  Eigen- 
thümliche  Drüsen ,  welche  noch  in  der  Bauchhöhle ,  aber  ausserhalb  des 
Bauchfelles  liegen  und  mit  engen  Canälen,  meist  an  den  seitlichen  Leisten 
ausmünden,  wo  Bücken-  und  Bauchpanzer  an  einander  stossen  können  viel- 
leicht als  Hautdrüsen  betrachtet  werden.  —  In  der  Lederhaut  bilden  sich 
Knochenplatten,  welche  zum  Rückenpanzer  und  Bauchpanzer  zusammen- 
stossen  und  zugleich  mit  den  abgeplatteten  Dornfortsätzen   der  verschmolzenen 


726  Wirbelthiere. 

Bückenwirbel  und  auf  den  Seiten  mit  den  platten  Rippen  in  Verbindung 
treten  und  mit  diesen  Theilen  des  inneren  Skelettes  innig  verschmelzen.  Der 
Bauchpanzer  wird  ursprünglich  aus  einem  Mittelstücke  und  mehrei'en  seit- 
lichen Plattenpaaren  gebildet  und  kann  nicht  mit  dem  Sternum  homologisirt 
werden.  Wir  treten  nicht  in  die  Einzelheiten  über  die  fortschreitende  Ent- 
Avicklung  und  Vei'schmelzung  der  Haut-  und  Skelettknochen  zur  Bildung  der 
Panzer  ein,  welche  bei  den  Landschildkröten  den  höchsten  Grad  er- 
reicht, während  sie  bei  den  Trionychiden  nur  sehr  wenig  ausgebildet  ist 
und  bei  der  L  eder  seh  ildkr  öte  {Sphargis)  ganz  fehlt,  indem  bei  dieser 
allein  keine  Hautknochen  sich  bilden.  —  An  der  Wirbelsäule  kann  man 
stets  acht  Halswirbel  unterscheiden,  die  alle,  mit  Ausnahme  des  ersten,  Hals- 
rippen tragen ,  nur  wenig  entwickelte  Neurapophysen ,  dagegen  oft  starke 
Gelenkfortsätze  und  selbst  untere  Haemapophysen  (Chelonia)  zeigen.  Die 
Gelenke  dieser  Wirbel  unter  sich  sind  sehr  variabel;  man  findet  biconcave, 
procöle  und  opisthocöle.  Der  Bückenlendenwirbel  finden  sich  meist  zehn  vor; 
der  vordere  ist  noch  procöl,  die  anderen  durch  Zwichenscheiben  mit  einander 
verbunden.  Alle  tragen  platte,  stark  verbreiterte,  lange  Bippen,  die  mehr 
oder  minder  mit  den  Panzerplatten  verschmolzen  sind.  Ursprünglich  existiren 
nur  zwei  Sacralwirbel,  zu  welchen  indessen  noch  häufig  bei  den  Landschild- 
kröten der  erste  Schwanzwirbel  zur  Bildung  des  Kreuzbeines  hinzutritt.  Die 
an  Zahl  sehr  wechselnden  Schwanzwirbel  sind  procöl,  ihre  Dornfortsätze  nur 
klein  oder  ganz  verkümmert,  dagegen  tragen  sie  oft  noch  mit  den  Wirbel- 
körpern verwachsene  Bippen.  —  Der  Schultergürtel  wird  dorsalwärts 
aus  einem  Schulterblatte  und  einem  Oberschulterblatte ,  ventralwärts  aus 
einem  hinteren  Knochenaste,  dem  Rabenbeine,  und  einem  vorderen  Stücke 
zusammengesetzt,  über  welches  die  Ansichten  auseinander  gehen,  indem  es 
die  Einen  als  Schlüsselbein,  die  Anderen  als  einen  Fortsatz  des  Babenbeines 
betrachten.  —  Der  Humerus  ist  massiv,  mit  starken  Muskelleisten,  abgeplattet, 
häufig  S-förmig  gebogen  und  so  um  seine  Axe  gedreht,  dass  die  Seitenkanten 
vorn  und  hinten  stehen.  Badius  und  Ulna  sind  getrennt;  die  Knochen  der 
Handwurzel  in  zwei  Reihen  geordnet;  die  fünf  Finger  mit  ihren  Mittelhand- 
gliedern sind  zwar  stets  vorhanden,  aber  häufig  durch  Sehnenmassen  so  ver- 
bunden, dass  sie  ein  Ruder  (Seeschildkröten)  oder  eine  Säule  (Landschild- 
kröten) bilden.  Der  Beckengürtel  und  das  Hinterglied  entfernen  sich, 
ausser  hinsichtlich  der  Bildung  des  Endgliedes,  nicht  sehr  von  dem  bei 
anderen  Reptilien  vorhandenen. 

Trotz  seiner  ausserordentlich  verschiedenen  Form  stimmt  doch  der 
Schädel  der  Schildkröten  in  dem  Umstände  mit  dem  der  Krokodile  überein, 
dass,  wie  bei  diesem,  alle  den  Gesichtsschädel  bildenden  Knochen  innig  init 
dem  Hirnschädel  verbunden  sind,  so  dass  das  Skelett  des  Kopfes  nur  aus  zwei 
Stücken  besteht,  dem  Schädel  und  dem  Unterkiefer.  Der  kurze  und  breite 
Schädel  bildet  eine  Schachtel,  deren  seitliche  Lücken  mehr  oder  minder 
von  Knochendecken  überwölbt  sind;  die  Nasenhöhlen,  Augenhöhlen,  Schläfen- 
gruben sind  überall  scharf  umschrieben,  die  Choaneu  weit  nach  hinten  zurück- 
gestellt; der  in  der  Symphyse  ohne  deutliche  Grenze  verschmolzene,  ursprüng- 
lich aus  mehreren  Stückpaaren  zusammengesetzte  Unterkiefer  (Chelys  und 
Chelodina  ausgenommen)  ist  zwar  an  den  Schädel  durch  einzelne  Stücke 
(Quadratbein  etc.)  aufgehängt,  die  aber  mit  den  Seiten  des  Schädels  zur  Un- 
kenntlichkeit verwachsen  sind.  Diese  durchgehende  Fixirung  der  einzelnen 
Schädelknochen  giebt  dem  Ganzen  einige  Aehnlichkeit  mit  dem  Vogelschädel. 
: —  Das  Zungenbein  besteht  aus  einem  Centralstücke  und  zwei  oder  drei 
Paaren  von  Hörnern. 

Das  B  ü  c  k  e  n  m  a  r  k  zeigt  einen  tiefen  unteren  Spalt  und  den  Gliedern 
entsprechende    Anschwellungen.     Das    verlängerte    Mark    bildet    eine    ausge- 


Reptilien.  727 

sprochene  Nackenbeuge.  Das  selir  reducirte  Kleiulairn  gleicht  demjenigen 
der  Amphibien;  doch  ist  sein  hinterer,  die  Eaiitengrube  deckender  Eand 
etwas  convex  und  nach  hinten  ausgezogen.  Das  Mittelhirn  ist  von  dem 
Nachhirn  wie  von  dem  Zwischenhirn  durch  tiefe  Furchen  abgetrennt;  es 
zeigt,  von  oben  gesehen,  zwei  innen  hohle  Sehhügel;  das  kurze  und  schmäch- 
tige Zwischenhirn  zeigt  nichtsdestoweniger  zwei  Seiteulappen;  der  kaum 
ausgebildete  Hirntrichter  führt  zu  einer  voluminösen  Hj-pojDiiysis.  Die  ellip- 
tischen Hemisphären  des  Vorderhirnes,  dessen  geräumige  Seitenventrikel  durch 
ein  weites  il  o  n  r  o '  sches  Loch  commuuiciren,  sind  die  überAviegendsten  Hirn- 
theile.  —  Die  Hirnnerven  entsprechen  denen  der  übrigen  Reptilien ;  der 
Accessorius  Willisii  ist  vorhanden.  Bei  Chelonia  zeigt  der  Grenzstrang  des 
Sympathicus  vorn  am  Halse  zwei  getrennte  Stämme,  die  durch  drei  ring- 
förmige Ganglien  mit  eiuander  verbunden  werden.  —  Die  Nase  bietet  manche 
Verschiedenheiten.  Mehrere  Drüsen  münden  in  die  Nasenhöhle ;  die  oberen 
sind  die  bedeutendsten  und  fiiessen  manchmal  in  der  Mittellinie  zusammen;  die 
senkrechte  Nasenscheidewand  verschwindet  zuweilen  im  vorderen  verlängerten 
Abschnitte  der  Nasenröhre  {Trionyx).  Bei  den  Seeschildkröten  communi- 
cirt  die  Riechabtheiluug  mit  dem  Luftgange  nur  diirch  siebförmige  Oeff- 
nungen,  so  dass  das  Meerwasser  nicht  eindringen  kann.  Bei  der  Matamata 
verlängert  sich  die  äussere  Nase  zu  einem  Rüssel,  der  in  seinem  Inneren  eine 
senkrechte  Längsscheidewand  zeigt.  Die  Riechzellen  sind  sehr  lang,  cylindrisch 
und  tragen  ein  Büschel  steifer  Haare.  L'eberall  finden  sich  in  der  Nasen- 
schleimhaut einzellige  Drüsen.  In  der  Nähe  der  Choanen  wird  eine  noch 
räthselhafte  Bildung ,  der  sogenannte  Gaumenliöcker,  augetroifen ,  der . 
aus  verdichtetem  Zellgewebe  besteht.  —  Neben  oberem  und  unterem  Augen- 
lid e  ist  noch  eine  sehr  bedeutende  Nickhaut  mit  ihren  Specialmuskeln  und 
eine  grosse  Härder 'sehe  Drüse  ausgebildet.  Auch  die  Thränendrüse  ist 
voluminös  und  der  Thräuencanal  weit.  Ein  mehr  oder  minder  verknöcherter 
Ring  stützt  die  Sclerotica  namentlich  gegen  den  Hornhautrand  hin.  Die 
Krj^stalllinse  ist  kugelig.  In  den  Zapfen  der  Stäbchenschicht  der  Retina  sind 
meist  sehr  lebhaft  gefärbte,  rothe,  gelbe,  grüne  und  blaiie  oder  auch  wasser- 
helle Tröpfchen  eingeschlossen.  ^— Im  Gehörorgane  ist  eine  Anhangshöhle 
der  Paukenhöhle  zu  erwähnen  {Recesstis  cai-i  tympani) ,  die  sehr  geräumig  ist 
und  in  zwei  Theile  ausläuft,  einer  für  das  ovale,  der  andere  für  das  runde 
Fenster.  Die  Columella  legt  sich  an  das  letztere.  Die  Schnecke  (Lagena)  ist 
im  Verhältniss  zu  den  anderen  Theilen  des  Labj'rinthes  nur  wenig  ausge- 
bildet; der  Utriculus  hat  die  Form  einer  horizontalen  Wurst;  der  Sacculus 
ist  sehr  gross,  rund  und  abgeplattet. 

Der  wenig  geräumige  Mund  ist  mit  schneidenden  Uorukiefern  bewaffnet, 
die  einen  mächtigen  Schnabel  bilden.  Die  Kiefer  sind  vollständig  zahnlos ; 
selbst  bei  den  Embryonen  hat  man  keine  Anlagen  von  Zähnen  entdecken 
können.  Die  Trionychiden  haben  fleischige  Lippen,  aber  ohne  Muskeln. 
Bei  den  Cheloniden  und  Emyden  ist  die  Zunge  fast  unbeweglich  und 
mit  einem  verdickten  Epithelium  belegt ;  bei  den  Testudiniden  dagegen 
ist  sie  vorstreckbar  und  mit  langen,  oft  zweispaltigen  Papillen  ausgestattet, 
zwischen  welchen  sich  zahlreiche,  sackförmige  Drüsen  finden.  Sublinguale 
Speicheldrüsen,  die  bei  den  Landschildkröten  bedeutend  entwickelt  sind,  fehlen 
den  Seeschildkröten.  Der  längsfaltige  Schlund  ist  mit  einem  Wimper- 
epithelium  ausgestattet.  Er  geht  nach  und  nach  in  den  Magen  über,  mit 
Ausnahme  der  Seeschildkröten,  bei  welchen  er  mit  hakenförnügen  Horn- 
papillen  ausgekleidet  ist,  deren  Spitzen  nach  hinten  gerichtet  sind.  Bei  der 
Lederschildkröte  {Sphargis)  bildet  der  sehr  lange  Schlund  vor  seiner  Ein- 
mündung in  den  Magen  eine  Doppelschlinge.  Cardiatheil  und  Pförtuertheil 
des  Magens  sind  stets  deutlich  abgegrenzt.     In  der  Schleimhaut  sind  Pepsin- 


728  AVirbelthiere. 

drüsen  und  Schleimdrüsen  entwickelt.  Zuweilen  findet  sich  eine  Klappe  an 
der  Grenze  des  Pförtners  gegen  den  Darm  hin.  Ein  Blinddarm  fehlt  immer; 
Drüsen  sind  selten  im  Enddarm.  Das  Bauchfell  enthält  glatte  Muskelfasern. 
Die  Leber  ist  stets  sehr  gross,  zweilappig;  das  Pankreas  weit  voluminöser 
hei  den  Fleischfressern,  als  bei  den  Pflanzenfressern.  —  Die  Milz  liegt  am 
Anfange  des  Enddarines ;  die  Thyreoidea  wird  zwischen  den  grossen  Ge- 
fässstämmen  beim  Austritte  aus  dem  Herzbeutel  als  ein  runder  Körnerhaufen 
vorgefunden;  die  Thymus  fehlt  oder  ist  verkümmert.  —  Die  stets  getrennten, 
grossen  Nieren  sind  viellappig ;  die  Harnleiter  gehen  von  ihrem  hinteren 
Ende  ab.  Sie  haben  sehr  dicke  Wände  und  münden,  bald  vereinzelt,  bald 
mit  den  Samenleitern  zusammen,  auf  einem  an  der  Dorsalwand  der  Cloake 
gelegenen  Wärzchen.  Die  Eileiter  münden  stets  für  sich.  Die  grosse  und 
musculöse  Harnblase  mündet  auf  der  ventralen  Wand  der  Cloake.  —  Die 
Nebennieren  bilden  zwei  längliche,  eiförmige  Massen,  von  schöner  Gold- 
farbe und  liegen  auf  der  inneren  Seite  der  Nieren  zwischen  den  ausführen- 
den Gefässen  und  den  Genitalcanälen.  —  Die  Hoden  liegen  hinter  den  Nieren 
nach  aussen.  Der  Nebenhoden  empfängt  zahlreiche  Samencanälchen  aus  den 
inneren  Maschen  des  Hodens,  in  welchem  keine  Samenröhrchen  ausgebildet 
sind,  und  setzt  sich  in  einen  sehr  gewundenen  Samenleiter  fort,  der  aber  ein 
weites  Lumen  besitzt  und  durch  Bindegewebe  fest  an  die  Nieren  geheftet  ist. 
Die  voluminösen  Eierstöcke  liegen  an  derselben  Stelle  wie  die  Hoden. 
Die  Trichter  der  Eileiter  sind  mit  Wimpern  ausgekleidet;  ihre  Wände  zeigen 
zahlreiche  Drüsen.  Bei  den  Männchen  findet  man  verkümmerte  Reste  der 
Müll  er 'sehen  Gänge;  bei  den  Weibchen  der  Wolf  f  sehen  Gänge  und  der 
ürnieren.  —  After  sacke,  deren  Function  nicht  bekannt  ist,  die  aber  sehr 
voluminös  werden  können,  finden  sich  meist,  fehlen  aber  den  Seeschildkröten. 
—  Bei  allen  Männchen  findet  sich,  wie  bei  den  Krokodilen,  nur  ein  Be- 
gattungsglied, ein  in  der  Cloake  geborgener,  ausstülpbarer,  undurchbohrter 
Penis,  der  mit  eigenen  Muskeln  versehen  ist  und  aus  einem  Schwamm- 
körper besteht,  dessen  Höhlungen  mit  zwei  seitlichen  Venencanälen  communi- 
ciren.  Ausserdem  enthält  der  Penis  noch  auf  seiner  oberen  Fläche  zwei 
Peritonealcanäle,  die  in  der  Nähe  der  Eichel  blind  enden.  Die  Eichel  selbst 
ist  häufig  in  zwei  oder  gar  vier  Endstücke  gespalten.  Eine  analoge,  aber 
sehr  kleine  Clitoris  findet  sich  bei  den  Weibchen. 

Die  Athemorgane  bestehen  aus  einem  Kehlkopf,  hinsichtlich  dessen 
Bau  wir  auf  das  classische  Werk  von  Henle  (s.  Lit.)  verweisen,  einer  meist 
sehr  langen ,  von  breiten  Eingen  aus  Knorpel  oder  selbst  Sehuensubstanz 
{Ginyxis)  gestützten  Luftröhre,  die  zuweilen  (Sphargis)  durch  eine  senkrechte, 
innere  Längsscheidewand  in  zwei  Röhren  getheilt  ist  und  sich  in  zwei  Bron- 
chen von  sehr  variabler  Länge  spaltet,  die  sich  in  den  Lungen  in  zahlreiche, 
durch  Längsscheidewände  getrennte,  neben  einander  liegende  Blindröhren 
theilen.  Auf  den  reichlich  mit  glatten  Muskelfasern  ausgestatteten  Wänden 
dieser  Röhren  sind  nun  die  Maschen  und  Netzfalten  der  Schleimhaut  aus- 
gebildet. —  Das  sehr  breite  Herz  besteht  aus  zwei,  durch  eine  vollständige 
Scheidewand  getrennten  Vorkammern  und  einer  einzigen,  sehr  derb  musculösen 
Kammer,  die  meist  an  ihrer  Spitze  durch  ein,  ein  Blutgefäss  enthaltendes 
Sehnenband  an  dem  Herzbeutel  befestigt  ist.  Der  Artei'ienbulbus  ist  in  zwei 
Hälften  gespalten,  eine  für  den  linken  Aortenbogen,  die  andere,  weit  be- 
deutendere ,  für  die  übrigen  Gefässstämme.  Man  kann  mehrere  aus  diesem 
Bulbus  entspringende  Arterienbogen  unterscheiden;  die  beiden  hinteren  Bogen 
bilden  die  Lungenarterien ;  der  mittlere  Bogen  ist  nur  auf  der  rechten  Seite 
entwickelt  und  vereinigt  sich  hinter  dem  Herzen  mit  dem  isolirt  entspringen- 
den linken  Aortenbogen ,  um  am  Vereinigungspunkte  rechts  die  absteigende 
Aorta,  links  die  Eingeweidearterien  zu  bilden ;  der  vorderste  Bogen  theilt  sich 


Reptilien.  729 

fast  unmittelbar  in  Siibclavien  und  Carotiden.  Zwischen  den  Wurzeln  der 
Aortenstämme  findet  sich  ein  zuweilen  unvollständig  verknöchertes  Knorpel- 
stück. —  Die  grossen  Arterien  sind  in  Lymphscheiden  eingeschlossen.  An 
dem  Becken  findet  sich  ein  Paar  von  Lymph herzen,  die  mit  der  Hüftvene 
in  Verbindung  stehen. 

Literatur.  —  Bojanus,  Anatome  testucUnis  eiiropueae.  Doi-pat,  1819.  — 
Panizza,  Sopru  il  sistema  Unfutico  dei  RettilL  Pavia,  1833.  —  Joh.  Müller,  Ueber 
die  Existenz  vou  vier  geti'ennten ,  regelmässig  pulsirenden  Herzen.  Müller's  Archiv, 
1834.  —  Ders.,  Ueber  die  Lymphherzen  der  Schildkröten,  abend.  1840.  —  Dumeril 
et  Bibron,  Erpelologie  generale.  Paris,  1834.  —  Bischoff,  Ueber  den  Bau  des 
Krokodilherzens.  Müller's  Archiv,  1836.  — C.  Vogt,  Zur  Neurologie  von  P«/iÄo?i  tigris. 
Müller's  Archiv,  1838.  —  Ders.,  Beiträge  zur  Neurologie  der  Reptilien.  Neue  Denkschr. 
Schweiz,  naturforsch.  Gesellsch.,  Bd.  IV,  1840.  —  J.  Henle,  Vergleichend  anatomische 
Beschreibung  des  Kehlkopfes,  1839.  —  J.  Rathke,  Entwicklungsgeschichte  der 
Natter.  Königsberg,  1839.  —  Ders.,  Ueber  die  Entwicklung  der  Schildkröten, 
1848.  —  Ders.,  Ueber  die  Carotiden  der  Schlangen.  Denkschr.  Akad.  Wien,  Bd.  XI, 
1856.  —  Ders.,  Aortenwurzeln  der  Saurier.  Ebend,,  Vol.  XII,  1857.  —  Ders., 
Ueber  den  Körperbau  der  Krokodile,  1866.  —  M.  Kusconi,  Sur  les  vaisseaux  lym- 
phutiques  des  Reptlles.  Nouv.  Ann.  Soc.  Bologna,  2.  Serie,  Vol.  III,  1844.  Müller's 
Archiv,  1843.  —  Gorski,  Becken  der  Saurier.  Dorpat,  1852.  —  E.  Brücke, 
Untersuchungen  über  den  Farbenwechsel  des  afrikanischen  Chamäleons.  Denkschr.  Akad. 
Wien,  1852.  —  J.  G.  Fischer,  Die  Gehirnnerven  der  Saurier,  1852.  —  Ders., 
Ueloderma  horriduni.  Verhandlung  im  naturw.  Verein,  Hamburg,  Bd.  V,  1882.  — 
L.  Agassiz,  Contributions  Nut.  Hist.  Unit.  States,  Vol.  I,  1856.  —  J.  Clark,  Em- 
bryology  of  the  Turtle.  Agassiz's  Contributions,  Vol.  H,  1857.  —  Jacquart,  Sur 
le  coeitr  de  la  tortiie  franche.  Ann.  Sc.  natur. ,  4.  Serie,  Vol.  XVI,  1861.  —  Wy- 
mann,  Formation  of  the  Rattle  of  the  Rattlesnake.  Proceed.  Boston  Soc. ,  Vol.  III, 
1861.  —  S.  W.  Mitchel,  Venom  of  the  Rattlesnake.  Smithsonian  Contribut.,  Wash- 
ington, 1861.  —  C.  B.  Brühl,  Das  Skelett  des  Krokodiles.  Wien,  1862.  — 
A.  Günther,  Contributions  to  the  Anatomy  of  Hatteria.  Philosoph.  Transactions, 
1867.  —  S.  G.  Mivart,    On  the  Myology  of  Iguana.    Proceed.  Zoolog.   Soc.   London, 

1867.  —  Ders.,  On  the  Myology  of  Chamaeleon,  ebend.  1870..  —  Parker,  Shoulder- 
Girdle  and  Sternum  of  the  Vertebrates.  Ray.  Soc,  1868.  —  Ders.,  Skull  and 
Nerves  in  the  yreen  Turtle,  Chelonia  mydas.  Natitre,  No.  495,  Vol.  XIX,  1879.  — 
W.  K.  Parker  und  G.  T.  Bettany,  Zur  Morphologie  des  Schädels.  Uebersetzt  von 
Vetter,  1879.  —  J.  Haughton,  Musculur  Anatomy  of  the  Alligator.  Ann.  and 
Mag.  Nat.  History,  4.  Serie,  Vol.  I,  1868.  —  G.  Fritsch,  Vergleichende  Anatomie 
der  Amphibienherzen.  Müller's  Archiv,  1869.  —  Ders.,  Anatomie  der  Elephanten- 
Schildkröte.  Abhandl.  der  böhmischen  Gesellsch.,  Prag,  1874.  —  A.B.Meyer,  Gift- 
apparat der  Schlangen.  Monat^ber.  d.  Akad.,  Berlin,  1869  —  W.  Peters,  Gehör- 
knöchelchen und  Me  ekel 'scher  Knorpel  bei  Krokodilen.    Monatsber.  d.  Akad.,  Berlin, 

1868.  —  Ders.,  Gehörknöchelchen  der  Schildkröten,  Eidechsen,  Schlangen,  ebend.  1869.  — 
Ders.  bei  Sphenodon  puncto tus ,  ebend.  1874.  —  M.  Fürbringer,  Knochen  und 
Muskeln  der  Exti-emitäten  bei  den  schlangenähnlichen  Sauriern.  Leipzig,  1870.  — 
Ders.,  Zur  vergleichenden  Anatomie  der  Schultermuskeln.  Jenaische  Zeitschr., 
Bd.  Vm,  1872.  — Ders. ,  Dass.,  Morphol.  Jahrb.,  1876.  —  A.Sanders,  Myologij  of 
Platydactylus  japonicus.  Proceed.  Zoolog.  Soc,  London  1870.  —  Ders.,  Myology  of 
Liolepis  Belli,  ebend.  1872.  —  Ders.,  Myology  of  Phrynosoma  cornutum,  ebend. 
1874.  —  G.  Hasse,  Das  Gehörorgan  der  Schildkröten.    Anatomische  Studien,  1871. — 

E.  Clason,  Gehörorgan  der  Eidechsen,  ebend.  1871.  —  Ders.,  Dass.,  ebend.  1879.  — 

F.  Leydig,  Die  in  Deutschland  lebenden  Saurier,  1872.  —  Ders.,  Sinnesorgane 
der  Schlangen.  Arch.  Mikroskop.  Anat.,  Bd.  VIII,  1872.  —  Ders.,  Haut  einheimi- 
scher Ophidier,    ebend.  Bd.  IX,    1873.  —  Ders.,    Zähne    der  Schlangen,    ebend.  — 


730  Wirbelthiere. 

I)  e  r  s.,  Kopfdrüsen,  ebend.  —  Ders.,  Allgemeine  Bedeckungen  der  Amphibien,  ebend., 
Bd.  XII,  1876.  —  Ders.,  Einheimische  Schlangen.  Abh.  Senckenb.  Gesellsch,  Frank- 
furt, 1883.  —  Emery,  Studii  anatom.  sulla  Vlpera  RediL  Soc.  italian.  di  Scienze 
natur.  Milano,  Vol.  II,  1873.  —  Ders.,  lieber  den  feineren  Bau  der  Giftdrüse  von 
Naja  haje.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  II,  1873.  —  P.  Gervais,  Osteologie  du 
Sphargis  Luth.  Noitv.  Arch.  Museum,  Vol.  VIII,  1872.  —  0.  Cartier,  Feinerer  Bau 
der  Haut  der  Reptilien.  Verhandl.  physik.-med.  Gesellschaft  Würzburg,  Bd.  III, 
1872. —  L.  Stieda,  Bau  des  centralen  Nervensystems  der  Schildkröte.  Zeitschr.  f. 
wissensch.  Zool.,  Bd.  XXXV,  1875.  —  C.  K.  Hoffmann,  Bau  der  Retina  bei  Am- 
p)hibien  und  Reptilien.  Niederländ.  Archiv  f.  Zoologie,  Bd.  III,  1875.  —  Ders.,  Die 
Thränenwege  der  Vögel  und  Reptilien.  Zeitschr.  d.  naturw.  Vereins  f.  Sachsen  u. 
Thüringen,  1882.  —  Ders.,  Reptilien,  Bronn's  Thierreich,  1890.  —  Kerbert, 
Haut  der  Reptilien.  Archiv  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XIII,  1876.  —  Solger, 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  Nasenwandung  der  Reptilien.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  I, 
1876.  —  G.  Born,  Carpus  und  Tarsus  der  Saurier.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  II,  1876. — 
M.  Braun,  Das  Urogenitalsystem  der  einheimischen  Reptilien.  Arbeiten  d.  zool. 
zootom.  Instisut  Würzburg,  Bd.  IV,  1877.  —  Ders.,  Bau  und  Entwicklung  der 
Nebennieren  bei  Reptilien,  ebend.,  Bd.  V,  1879.  —  C.  Partsch,  Beiträge  zur  Kennt- 
niss des  Vorderarmes.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XIV,  1877.  —  Max  Weber, 
Nebenorgane  des  Auges  der  Reptilien.  Arch.  f.  Naturgesch.,  Jahrg.  XLIII,  1877.  — 
Rabl-Rückhard,  Centralnervensystem  des  Alligators.  Zeitschr.  f.  wissenschaftl. 
Zool.,  Bd.  XXX,  1878.  —  J.  Machale,  Ueber  den  feineren  Bau  des  Darmcanales 
von  Emys  europaea.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.,  Bd.  XXXV,  1879.  —  A.  Batelli, 
Beiträge  zur  Kenniss  der  Reptilienhaut.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XVII,  1879. — 
G.  Born,  Die  Nasenhöhlen  und  der  Thränennasengang,  Morph.  Jahrb.,  Bd.  V, 
1879.  —  Ders.,  Dass.,  ebend.,  Bd.  VIII,  1883.  —  H.  Gadow,  Bauchmuskeln  der 
Krokodile,  Eidechsen  und  Schildkröten.  Morph.  Jahrb.,  Bd.  VII,  1881.  —  Ph.  Lus- 
sana,     Sur    le    cervcm    du    Boa.      ArcJiives    ital.    de    Biologie,    Vol.    IV,    1883.    — 

F.  Reichel,  Mundhöhlendrüsen  der  Wirbelthiere.    Morph.  Jahrb.,  Bd.  VIII,  1883.  — 

G.  Retzius,  Das  Gehörorgan  der  Wirbelthiere,  Bd.  II,  1884.  —  W.  Baldwin 
Spencer,  On  the  presence  and  structure  of  the  Pineal  eye  in  Lacertdia.  Quarterly 
Journal,  Vol.  XXVII.  —  H.  Strahl  und  E.  Martin,  Die  Entwicklung  des  Parietal- 
auges  \>Q\  Anguis  und  Lacerta.     Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.   1888. 


ClasseclerVögel. 

Zahnlose  Sauropsiden ,  deren  Haut  mit  Federn  bedeckt  und  deren 
Vorderglieder  zu  Flügeln  umgewandelt  sind. 

Die  Vögel  nähern  sich  durch  eine  grosse  Zahl  von  Eigenthümlich- 
keiten  ihrer  Organisation  den  Reptilien,  von  welchen  wir  hier  nur  die 
Ausbildung  eines  einzigen  Gelenkkopfes  am  Hinterhaupte  und  die  Ent- 
wicklung sehr  voluminöser  Eier  erwähnen,  die  mit  einer  grossen  Menge 
von  Nahrungsdotter  ausgestattet  sind.  Die  befruchteten  Eier  der  Vögel 
entwickeln  sich  stets  ausserhalb  des  Mutterleibes  und  meist  unter  dem 
Einflüsse  der  Bebrütung.  Die  wesentlichsten  anatomischen  Unterschiede 
beider  Classeu   beruhen   in   der  Reduction   des  Tarsus   und  Metatarsus 


Vögel.  731 

der  Hinterglieder,  in  der  Umwandlung  des  Vordei'gliedes  und  in  der 
Structur  des  Herzens.  Anderseits  nähern  sich  die  Vögel  durch  die 
Ausbildung  ihres  Kreislaufes  und  durch  ihr  warmes  Blut  von  con- 
stanter  Temperatur  den  Säugethieren.  Endlich  können  wir  als  be- 
sondere Eigenthümlichkeiten  der  Classe  die  Bedeckung  mit  Federn 
und  die  specifische  Umbildung  der  Vorderglieder  zu  Flugwerkzeugen 
hinstellen.  Obgleich  die  Flugbewegung  in  der  Luft  auch  den  zu  den 
Säugethieren  gehörigen  Fledermäusen  eigen  ist,  so  ist  doch  der  Flügel 
dieser  letzteren  in  durchaus  anderer  Weise  gebildet,  als  derjenige  der 
Vögel. 

Wir  folgen  der  Classification  von  Claus,  welche  die  ganze  Classe 
in  acht  Ordnungen  theilt.  Bei  den  sieben  ersten  Ordnungen  trägt  das 
Brustbein  einen  mittleren ,  senkrechten  Kamm ,  an  welchen  sich  die 
mächtigen  Muskeln  der  Flügel  ansetzen.  Man  hat  sie  aus  diesem 
Grunde  zu  einer  grösseren  Gruppe,  den  Carinaten,  vereinigt.  Die  letzte 
Ordnung  bildet  die  Gruppe  der  Bauten,  bei  welchen  der  Brustbein- 
kamm fehlt  und  die  Flügelmuskeln  verkümmert  sind,  so  dass  diese 
Vögel  nur  noch  laufen,  aber  nicht  fliegen  können. 

Erste  Ordnung:  Wasservögel  {Pcdmipedes).  —  Sie  leben 
auf  dem  Wasser  und  sind  dieser  Lebensweise  durch  die  Entwicklung 
einer  dichten  Flaumendecke  und  eines  reichlichen  Fettpolsters  unter 
der  Haut  angepasst,  wodurch  die  Entziehung  ihrer  Körperwärme  ver- 
hindert wird.  Sehr  geschickt  im  Schwimmen  und  Tauchen,  zeigen  sie 
sich  täppisch  und  unbeholfen  zu  Lande ,  weil  ihre  stets  sehr  kurzen 
Beine  so  sehr  nach  hinten  gerichtet  sind,  dass  manche  selbst  im  Sitzen 
eine  aufrechte  Stellung  einnehmen.  Die  Flügel  zeigen  alle  möglichen 
Uebergänge  von  den  zu  Rudern  reducirten,  mit  Schuppenfedern  be- 
deckten Stummelflügeln  der  Tölpel  bis  zti  denjenigen  der  Fregatten- 
und  Sturmvögel,  welche  zu  den  besten  Fliegern  gehören.  Die  Bildung 
des  Schnabels  ist  sehr  mannigfaltig.  Aptenodytes,  Alca,  Colymhus, 
Anas,  Pelecanus,  Larus,  Frocellaria. 

Zweite  Ordnung:  StelzYÖgel{Gr all at or es).  —  Sie  unterscheiden 
sich  durch  meist  sehr  lange  Beine,  welchen  ein  langer  Hals  und  Schnabel 
entsprechen.  Je  nach  der  Lebensweise  sind  die  Füsse  sehr  verschieden 
gestaltet  und  zuweilen,  wie  bei  den  Palmipeden,  die  Zehen  durch  eine 
Schwimmhaut  vereinigt.  Der  Schnabel  ist  meist  spitz,  oft  lang,  zu- 
weilen löffelartig  verbreitert.  Charadrhis ,  Scolopax,  Ardea,  Eallus, 
Fulica,  Otis. 

Dritte  Ordnung:  'H.uh.xiev^ögQl  {Gull in ac ei).  —  Meist  grosse, 
schwerfällig  fliegende  Vögel,  die  leicht  laufen.  Die  Zehen  sind  mit 
krummen  Nägeln  bewaffnet,  womit  sie  die  Erde  zum  Aufsuchen  ihrer 
Nahrung    aufkratzen;    die    Flügel    meist    kurz    und    abgerundet;    der 


732  Wirbelthiere. 

Schnabel  kurz  und  kräftig.      Crax,  Megapodius,    Gcdlus ,    Crypturus, 
Tetrao,  Syrrhaptes. 

VierteOrdnung:  ^d^uhen  {C olumlidae).  —  Vögel  von  massiger 
Grösse  mit  schlankem  Körper  und  kurzen  Füssen,  an  welchen  drei 
Zehen  nach  vorn  und  eine  nach  hinten  gerichtet  sind.  Gute  Flieger 
mit  stark  entwickelten  Flügeln.  Der  Schnabel  ist  kurz,  an  den  Nasen- 
löchern angeschwollen ,  mit  weicher  Basis  und  harter  Hornspitze.  Co- 
lumba,  Didunculus. 

Fünfte  Ordnung:  Klettervögel  (Scansores).  —  Sie  haben 
Greif-  und  Kletterfüsse ,  mit  zwei  nach  vorn  und  zwei  nach  hinten  ge- 
richteten Zehen,  die  eine  Art  Zange  bilden.  Meist  schlechte  Flieger. 
Der  Schnabel  stark,  gerade  oder  hakenförmig  gekrümmt;  die  Zunge 
oft  fleischig.  Bhamphastus ,  G-alhula,  Trogon,  Bucco ,  Cucidus,  Picus, 
FsiUacus. 

Sechste  Ordnung:  Sperlingsvögel  (Passeres).  —  Meist 
kleine  Singvögel,  mit  sehr  verschieden  gestalteten  Schnäbeln,  die  ziem- 
lich gut  fliegen  und  der  Bildung  ihrer  Füsse  gemäss  sich  gern  in 
Büschen  und  Bäumen  aufhalten.  Gruppen  nach  der  Schnabelbildung: 
Leichtschnäbler  (Levirostres)  mit  grossem,  leichtem  Schnabel  (Bu- 
ceros,  Älcedo,  Merops,  Coracias);  Spaltschnäbler  (Fissirostres)  mit 
plattem ,  weit  gespaltenem ,  schwachem  Schnabel  (Hirundo ,  Cgpselus, 
Gaprinmlgus) -^  Dünnschnäbler  (Tenidrostres)  mit  langem,  dünnem 
Schnabel  {Upupa.,  Trochüus,  Certhia)]  Zahnschnähler  (Bentirostres) 
mit  mehr  oder  minder  ausgebuchtetem ,  etwas  hakigem  Oberschnabel 
(Corvus,  Paradisea,  Lantus,  Muscicapa,  Sylvia,  Turdus);  Kegel- 
schnäbler  (Conirostres)  mit  starkem,  kurzem  Kegelschnabel  (Älauda, 
Fringüla,  Loxia,  Tanagra). 

Siebente  Ordnung:  Raubvögel  (Bapaces).  —  Meist  grosse 
Vögel  mit  starkem,  zum  Zerfleischen  der  Beute  passendem  Haken- 
schnabel. Gute  Flieger,  deren  Zehen  mit  starken,  schneidenden  Haken- 
scheiden (Fängen)  bewaffnet  sind.  Man  unterscheidet:  Nachtraub- 
vögel, Eulen  (Strix,  Otus,  Buho)  und  Tagraubvögel,  Falken 
und  Geier  (Vultur,  Gypaetus,  Äqtiila,  Milvus,  Astur,  Falco,  Circus, 
Gypogeranus). 

Achte  Ordnung:  Laufvögel  {Kotita e).  —  Sie  zeichnen  sich 
durch  den  Mangel  eines  Brustbeinkammes  aus;  die  langen,  mit  zwei 
oder  drei  nach  vorn  gerichteten  Zehen  versehenen  Beine  der  meist 
grossen  Vögel  eignen  sich  zu  raschem  Laufe.  Rudimentäre  Flügel,  die 
nicht  zum  Fluge  gebraucht  werden  können.  Stridhio,  Bliea,  Casua- 
rius,  Apteryx. 

Typus.  Die  Haustaube  (Columba  domestica).  Wir  haben  die 
Haustaube    statt   des  Huhnes   ausgewählt,   weil  ihre  geringere   Grösse 


Vögel.  733 

Figuren  in  natürlicher  Grösse  erlaubt.  Wir  verdanken  die  Mono- 
grapliie  der  Taube  unserem  geschätzten  Mitarbeiter,  Herrn  Dr. 
M.  Jaquet. 

Allgemeine  Lagerung  der  Organe.  —  Um  die  Taube  zu 
präpariren ,  entfernt  man  zuvörderst  sämmtliche  Federn  des  Körpers 
und  befestigt  den  Vogel  auf  der  Korkscheibe  eines  Beckens  mittelst 
Nadeln,  welche  den  Schnabel,  die  Flügel  und  die  Beine  fest  anheften. 
Man  präparirt  das  auf  dem  Bücken  liegende  Thier  unter  Wasser.  Die 
Haut  wird  längs  der  Mittellinie  vom  Brustbeine  bis  zum  After  ge- 
spalten und  zurückgeschlagen.  Man  setzt  den  Schnitt  seitlich  über 
das  Brustbein  bis  zur  Einlenkung  der  Raben-  und  Schlüsselbeine  fort, 
trennt  diese ,  sowie  die  starken  Brustmuskeln  und  hebt  nun  das 
von  den  Rippen  getrennte  Brustbein  wie  einen  Deckel  ab.  Dann  wird 
die  Haut  des  Halses  durch  einen  bis  zum  Schnabel  reichenden  Längs- 
schnitt gespalten  und  zurückgeschlagen,  wobei  man  Sorge  trägt,  den 
Kropf  nicht  zu  verletzen,  dessen  zarte  Wand  mit  der  Haut  zusammen- 
hängt. Nachdem  man  die  Haut  seitlich  zurückgeschlagen  und  mit 
Nadeln  befestigt  hat,  zeigen  sich  die  Organe  in  der  Lagerung,  wie  sie 
Fig.  291  (a.  f.  S.)  darstellt.  Ganz  oberflächlich  verläuft  am  Halse  die  lange 
Luftröhre  (b)  mit  ihren  weisslichen  Knorpelringen;  ihr  vorderes 
Ende  wird  von  dem  Musc.  mylo-liyoideiis  (a)  bedeckt,  der  sich  zwischen 
den  Aesten  des  Unterkiefers  ausbreitet.  Dorsalwärts  von  der  Luft- 
röhre verläuft  der  zusammengefallene  S  chl  und  (c)  mit  dünnen,  längs- 
gestreiften Wänden ,  der  sich  in  der  Mitte  des  Halses  zu  einem  dünn- 
wandigen Sacke,  dem  Kröpfe  (d)  erweitert,  welcher  je  nach  der  Füllung 
sich  bis  zum  Rande  des  Brustbeines  erstrecken  kann.  Die  Körper- 
höhle ist  von  dem  Peritoneum  ausgekleidet,  das  eine  Falte  schlägt, 
um  eine  Scheidewand  über  das  musculöse  Zwerchfell  zu  ziehen,  welche 
die  Höhle  in  zwei  Kammern  trennt,  die  Brusthöhle,  in  welcher  das 
Herz  und  die  Lungen,  und  die  Bauchhöhle,  in  welcher  die  übrigen  Ein- 
geweide liegen.  Das  Herz  (/)  liegt  in  der  ventralen  Mittellinie,  es  hat 
die  Gestalt  eines  Kegels,  von  dessen  nach  vorn  gewendeter  Basis  die 
Aortenbogen  (er)  mit  den  Carotiden  (ca)  ausgehen;  seine  hin- 
tere Spitze  wird  von  der  Leber  bedeckt.  Die  seitlichen  Räume  der 
Brusthöhle  werden  dorsalwärts  von  den  an  der  Wirbelsäule  anliegenden 
Lungen  (p)  eingenommen.  Die  grosse,  rothbraune  Leber  (g)  liegt 
unmittelbar  hinter  dem  Zwerchfelle ;  sie  ist  gelappt ;  die  zwei  grössten 
dieser  Leberlappen  erstrecken  sich  ventralwärts ;  der  rechte  Lappen 
bedeckt  den  Anfangstheil  des  Darmes;  in  einem  tiefen  Ausschnitte  des 
linken  Lappens  birgt  sich  der  obere  Theil  des  Muskelmagens.  Dringt 
man  tiefer  in  die  Bauchhöhle  ein,  indem  man  die  Eingeweide  zur  Seite 
schiebt ,  so  sieht  man ,  dass  der  Schlund  sich  in  den  Drüsenmagen 
(pr)  erweitert,  dem  unmittelbar  der  Muskelmagen  (/«)  anhängt. 
Dieser  mehr  auf  der  linken   Seite  gelegene   Theil  gleicht  durch   zwei 


734 


Wirbelthiere. 


Flg.  291.  —  Columla  domestica.  —  Die  Taube  ist  von  der  Bauchseite  her  geöffliet, 
die  Haut  des  Halses  und  die  Brustmuskeln  ausgebreitet,  die  Haut  des  Bauches  das' 
Brustbein  und  ein  Theil  der  Rippen  weggenommen.     Natürliche  Grösse,     a,  M.  mylo- 


Vögel. 


735 


Fio-.   292. 


glänzende,  von  sehnigen  Ausbreitungen  gebildete  Flächen  einer  dicken, 
biconvexen  Linse.  Von  der  innei^en  Fläche  dieser  wuchtigen  Muskel- 
masse geht  der  Darm 
,t  (i)  aus,   der   sofort   eine 

Schlinge  bildet,  in  wel- 
che das  längliche,  röth- 
lich  gefärbte  Pankreas 
(7c)  eingebettet  ist.  So- 
dann beschreibt  der 
Dünndarm  vielfache,  an 
Mesenterial  falten  gehef- 
tete Windungen  (/),  bis 
er  das  Rectum  (m)  er- 
reicht, an  dessen  Grenze 
links  und  rechts  zwei 
kleine  Ausbuchtungen, 
die  Blinddärme  (7)  sich 
bemerkbar  machen.  So- 
dann mündet  der  After- 
darm in  die  Cloake 
iq) ,  welche  quer  durch 
den  gespaltenen  After 
(o)  sich  nach  aussen 
öffnet. 

Die  Urogenitalorgane 
(Fig.  292)  liegen  ganz 
auf  der  dorsalen  Decke 
der  Bauchhöhle ;  die 
Nieren  (r)  sind  lang- 
gestreckt, viellappig  und 
münden  durch  feine 
Harnleiter  (ii)  in  die 
Cloake;  die  Genital- 
drüsen liegen  an  dem 
vorderen      Rande       der 


. ;. pav 


: pa. 


cl 


C'olwnha  domesticu.   —  Lagerung  der  Urogenitalorgane, 

von  der  ventralen  Seite  gesehen.    Nat.  Gr.    Die  übrigen 

Organe  sind  weggenommen,    g,  Eiersto'ck;  ov,  Eileiter; 

c/,  Cloake;  ?•,  Nieren;  «,  Harnleiter;  t,  Luftröhre;   6r, 

Bronchen  ;  p,  Lunge  ;  p  a,  musculöse  Bauchwand ;  z,  Darm ;     Xiere    sind  aber  rechter- 

c,  Rippen,  durchschnitten;  pav,  Trichter  des  Eileiters.     ^^-^^  J^^-   ^^^  Weibchen 

nebst  dem  Eileiter  verkümmert.    Der  linke  Eierstock  {g)  zeigt  stets 
zahlreiche  Eier  in  allen    Stadien    der   Entwicklung,   er   hat   eine  röth- 

hyoideus  ;  6,  Luftröhre  ;  c,  Schlund;  (?,  Kropf ;  e,  abgeschnittene  Brustmuskeln  ;/,  Herz; 
jr,  Leber  ;  A,  Muskelmagen  ;  z,  Duodenum  ;  Z;,  Pankreas  ;  i',  Darm;  /,  Blinddarm  ;  m,  Rec- 
tum ;  0,  After;  p,  Lunge;  p?-,  Drüsenmagen;  q^  Cloake;  ;',  linker  Fuss ;  s,  linker 
Flügel,  beide  nur  in  Contur;  s^,  M.  sterno-trachealis ;  ca,  linke  Carotis;  er,  linker 
Aortenbogen;  pw,  Schambein;  ov,  Eileiter;  si,  Sj'mpathicus. 


736 


Wirbelthiere. 


liehe  Farbe.  Der  Eileiter  {ov)  bildet  eine  weite,  leicht  gewundene 
Röhre,  die  mittelst  einer  Mesenterialfalte  an  die  Körperwand  befestigt 
ist;  er  öfiFnet  sich  vorn  in  die  Bauchhöhle  mit  einem  weiten  Trichter 
{pav),  hinten  in  die  Cloake.  Die  Hoden  bilden  zwei  kreideweisse, 
eiförmige  Körper,  die  sich  unmittelbar  in  die,  in  die  Cloake  mündenden 
Samenleiter  fortsetzen.    Begattungsorgane  sind  nicht  vorhanden. 

Tegument.  —  Es  besteht  aus  den  gewöhnlichen  Schichten,  Ober- 
haut und  Lederhaut,  und  zeichnet  sich  durch  den  fast  gänzlichen 
Mangel  an  Drüsen  aus.  In  der  Epidermis  finden  wir  dieselben 
Elemente  wie  bei  den  Reptilien ,  mehrfach  über  einander  gelagerte 
Zellenschichten,  deren  innerste  das  Malpighi'sche  Netz  bilden, 
während  die  Zellen  der  äusseren  Schichten  mehr  und  mehr  sich 
abplatten,  je  näher  sie  der  Oberfläche  kommen  und  schliesslich  in 
die  Hornschicht  übergehen.  Die  Federn  und  Schuppen,  der  Schnabel 
und  die  Nägel,  sowie  die  Steissdrüse  gehören  den  Bildungen  der  Epi- 
dermis  an.      Die   Lederhaut   wechselt  sehr  an   Dicke,  je  nach   den 


Fig.  293. 


Körpergegenden;  sie  besteht  aus 
verflochtenen  Netzen  von  Binde- 
gewebe, deren  Maschen  in  der  Nähe 
der  Oberhaut  sehr  dicht  und  eng, 
in  der  Nähe  der  Muskeln  weiter 
sind ;  sie  wird  von  zahlreichen  Ge- 
fässen  und  Nerven  nach  allen  Rich- 
tungen hin  durchsetzt.  Mit  Aus- 
nahme des  Schnabels,  der  Fuss- 
wurzel  und  der  Zehen  bedecken  die 
Federn  den  ganzen  Körper;  man 
kann  eigentliche  Federn  und  Dunen 
unterscheiden ;  letztere  bedecken 
unmittelbar  die  Haut,  dienen  nicht 
zum  Fluge  und  haben  nur  kurze, 
biegsame  Schäfte.  Die  Schwung- 
federn sind  an  dem  unteren  Rande 
der  Flügel,  die  Steuerfedern  an  dqm  kurzen  Schwänze  befestigt; 
beide  Gruppen  werden  an  ihrer  Basis  von  den  Dec  kf  ede  rn  über- 
deckt. Wir  müssen  der  beschreibenden  Zoologie  die  weiteren  Einzel- 
heiten überlassen.  Jede  wohl  ausgebildete  Feder  besteht  aus  einer 
harten,  elastischen  Axe ,  die  an  ihrer  Basis  rundlich  ist ,  im  weiteren 
Verlaufe  einen  viereckigen  Durchschnitt  bietet.  Die  durchscheinende 
Basis  der  Axe  ist  hohl  und  enthält  eine  gefässreiche  Papille,  die  soge- 
nannte Seele,  die  von  einem  Hautfollikel  ausgeht,  von  welcher  aus 
das  Blutgefäss  in  das  Innere  eindringt;  sie  zeigt  ausserdem  eine  obere 
Oeffnung  in  der  Nähe  des  Beginnes  der  Fahne.  Die  Fahne  selbst  be- 
steht aus    an    einander   gereihten    Hornblättchen    oder    Strahlen,    die 


Columba  domestica.  —  Steiss,  vom  Rücken 
gesehen.  Nat.  Gr.  Die  Haut  über  der 
Drüse  ist  weggenommen,  a,  Steissdrüse ; 
ö,  Steuerfedern ;  c,  Follikel ,  in  welche 
diese  eingelassen  sind. 


Vögel.  737 

meist  in  Fäserchen  sich  theilen ,  welche  oft  Häkchen  tragen ,  mit 
welchen  die  Fahnenblättchen  in  einander  greifen.  —  Hornscheiden 
überziehen  die  beiden  Kiefer  des  Schnabels  und  die  Basis  des  Tarso- 
metatarsalknochens.  Auf  der  Vorderfläche  dieser  Fussscheide  zeigt 
sich  eine  schuppenförmige  Täfelung;  diese  Schuppen  erstrecken  sich 
auf  der  Dorsalfläche  der  Zehen  bis  zur  Nagelwurzel.  —  Die  Steiss- 
drüse  (Fig.  293)  liegt  auf  der  dorsalen  Fläche  der  Schwanzwurzel, 
grösstentheils  in  die  Haut  eingelassen ;  sie  hat  die  Form  eines  Karten- 
herzens mit  etwas  verlängerter,  nach  hinten  gerichteter  Spitze, 
welche  über  die  Haut  vorspringt.  Der  Drüsenkörper  ruht  auf  der 
Basis  der  Steuerfedern  und  besteht  aus  zwei,  in  der  Mittellinie  ge- 
trennten Hälften,  deren  jede  einen  Ausführungsgang  besitzt,  welcher 
sich  in  dem  erwähnten  Endwärzchen  nach  aussen  öflFnet.  Das  Secret 
dient  zum  Einfetten  der  Federn ,  was  mittelst  des  Schnabels  ge- 
schieht. 

Skelett  [Fig.  294  (a.  f.  S.)  bis  303].  —  Man  kann  bei  der  Taube 
die  verschiedenen  Regionen  der  Wirbelsäule  nicht  so  leicht  unter- 
scheiden, wie  bei  den  Säugethieren.  Die  grosse  Zahl  und  Beweglichkeit 
der  Halswirbel  {ve,  Fig.  294),  die  geringe  Beweglichkeit  der  Rücken- 
wirbel {vcl),  die  Verschmelzung  der  Kreuzbeinwirbel  und  die  Ab- 
trennung der  wenig  zahlreichen  Schwanzwirbel  (c)  fallen  auf  den 
ersten  Blick  auf.  Die  Pneumaticität  vieler  Knochen,  die  von  Höh- 
len durchzogen  werden,  welche  mit  den  Lungen  in  immittelbarer  Ver- 
bindung stehen,  bildet  eine  specifische  Eigenthümlichkeit  des  Vogel- 
skelettes. Wir  werden  dieselbe  bei  Gelegenheit  der  Athemorgane 
/•behandeln. 

Wirbelsäule.  —  Es  giebt  zwölf  Halswirbel  {vc,  Fig.  294); 
die  vorderen,  mit  Ausnahme  des  Atlas,  sind  länger  als  breit,  die 
hinteren  dagegen  breiter  als  lang.  Der  Atlas  bildet  einen  Ring, 
dessen  verdickte  Ventralseite  eine  vordere  Auskehlung  zeigt,  in 
welcher  der  Gelenkhöcker  des  Hinterhauptes  sich  dreht;  die  seit- 
lichen Ränder  der  Gelenkhöhle  springen  nach  hinten  vor  und  zeigen 
hier  eine  Rinne  auf  der  inneren  Fläche ,  in  welche  sich  der  Gelenk- 
kopf des  Zahnfortsatzes  des  Epistropheus  einlegt.  Der  Körper 
dieses  zweiten  Halswirbels  verlängert  sich  nach  vorn  mit  gewölbter 
Ventralfläche  in  den  erwähnten,  sehr  deutlich  begrenzten  Zahn- 
fortsatz. Die  dorsalen  Dornfortsätze  des  zweiten,  wie  der  beiden 
folgenden  Wirbel  sind  sehr  bedeutend  entwickelt;  sie  dienen  den  Hebe- 
muskeln des  Hinterhauptes  zum  Ansatz.  Diese  schief  nach  hinten  ge- 
richteten Fortsätze  besitzen  auf  ihrer  Unterfläche  ein  Gelenk  zur  Ver- 
bindung mit  dem  nächstfolgenden  Wirbel.  Die  Dornfortsätze  der 
folgenden  Halswirbel  nehmen  mit  dem  Maasse  ihrer  Annäherung  an  die 
Rückengegend  an  Höhe  ab.   Die  vorderen  Gelenkfortsätze  (po,  Fig.  295) 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  47 


7:38 


Wirbelthiere. 


sind   mit    den    Wirbelkörpern    durch    vorn    sehr   breite ,    nacb '  hinten 

griffeiförmig  zugespitzte  Zwischenstücke  verbunden ,   welche   man    die 

Halsrippen    (c)    genannt  hat.      Vorn    am   ersten   Wirbel   sehr  kurz, 

Fio-.  294.  nehmen  diese  Halsrippen 

nach  hinten  an  Grösse 
zu  und  bilden  durch 
ihre  gespaltenen  Ansätze 
einen  Längscanal,  der 
sich  längs  den  Wirbel- 
körpern hinzieht  und  in 
welchem  eine  Arterie, 
eine  Vene  und  der 
Grenzstrang  des  sym- 
pathischen Nerven  ver- 
laufen. Er  heisst  der 
Wii-belcanal  (v).  Die 
hinteren ,  sehr  langen 
Gelenkfortsätze  (pp)  der 
Halswirbel  weichen  nach 
hinten  in  Gestalt  eines 
V  aus  einander  und 
sind  durch  Sehnenhäute 
mit  einander  verbunden. 
Die  zwei  letzten  Hals- 
wirbel sind  nur  sehr 
kurz ;  ihre  Körper  tra- 
gen auf  der  Unterfläche 
einen  ventralen  Dorn- 
fortsatz. 

Die  acht  Rücken- 
wirbel (Fig.  294  bis 
296)  zeigen  gewöhnlich 
den  Wirbelcanal  nicht 
mehr ;  nur  zuweilen 
findet  man  an  dem  ersten 
ein  sehr  reducirtes  Lö- 
chelchen. Die  beiden 
ersten  Rückenwirbel 
(1,2,  Fig.  296)  sind  frei; 
die  drei  folgenden  zu 
einem  Ganzen  ver- 
schmolzen ,  der  sechste 
ist  wieder  frei  und  die 
beiden  letzten  unter  sich 


Coluinba  domestica.  —  Skelett  im  Profil  und  in  halber 
Grösse,  c,  Schädel;  vc,  Halswirbel;  vd,  Rückenwirbel; 
il,  Darmbein  ;  c,  Schwanzwirbel ;  js,  Sitzbein;  p,  Scham-^ 
hein  ; /,  Femur  ;  <i,  Tibia;  tm,  Tarsometatarsalknochen; 
de,  äussere;  dm,  mittlere;  dl,  innere;  dp,  hintere 
Zehe;  st,  Brustbein;  s,  Verbindungsstücke  zwischen 
den  Rippen  c  und  dem  Brustbein;  cl,  Gabelbein;  cb, 
Ulna ;  p,  Daumen;  r,  Radius;  mi,  Unterkinnlade;  ms, 
Oberkinnlade;  om,  Schulterblatt. 


Vögel.  739 

und  mit  dem  Ileon  (il)  zu  einem  Ganzen  verschmolzen.  Man  kann  die  mit 
dem  Sternum  verbundenen  wahren  Rippen  (c)  von  den  an  ihrem  Ende 

Fig.  295. 


pa. 


Colmnha    domestica.    —    Sechster    Halswirbel,    doppelt    vergrössert.      A      im    Profil" 

B,    Vorderfläche.     /,    MeduUarcanal ;   pa,    vorderer    Gelenkfortsatz;    r,    Wirhelcanal  ■ 

pp,  hinterer  Gelenkfortsatz;  co,  Wirbelkörper ;   c,  Halsrippe. 

freien  Rippen  (/c)  unterscheiden.   An  dem  dritten,  vierten  und  fünften, 
sowie   an    dem   siebenten    und   achten   Rückenwirbel    sind    sowohl   die 


Cohimba  domestica.  —  Das  Becken  in  natürlicher  Grösse;  A,  dorsale,  B,  ventrale 
Ansicht.  «,  Vorderrand  des  Darmbeines  il;  t,  Eminentia  antitrochanterica :  is,  Sitz- 
bein; p,  Schambein;  o,  Nervendurchlässe  zwischen  den  Querfortsätzen;  sa,  Kreuz- 
bein; 3  bis  8,  Rückenwirbel;  ti;  Querfortsätze  der  Kreuzbeinwirbel:  to,  Foramen 
obturatorium  ;  e;),  Epi-ileon. 

47* 


740  Wirbeltbiere. 

Dornfortsätze  als  die  Querfortsätze  mit  einander  verschmolzen;  der 
Querfortsatz  des  fünften  Wirbels  setzt  sieb  nach  hinten  in  einen  feinen 
Dorn  fort,  welcher  sich  an  den  sechsten  Wirbel  anlegt.  Die  ventralen 
Dornfortsätze  der  fünf  ersten  Rückenwirbel  verschmelzen  zu  einer  vor- 
springenden Leiste  (e),  deren  freie  Ränder  durch  ein  Pigment  mit  ein- 
ander verbunden  sind. 

Die  Kreuzbeinwirbel  (Fig.  296,  sa)  lassen  sich  nur  schwer 
abgrenzen.  Sie  tragen  keine  Rippen  und  verbinden  sich  seitlich  mit 
dem  Becken  mittelst  ihrer  breiten  Querfortsätze  (tr) ,  die  sich  an  den 
inneren  Rand  des  Darmbeines  anlegen.  Wir  zählen  wenigstens  zwölf 
solcher  zu  einem  Stücke  verschmolzener  Wirbel.  Untersucht  man  das 
Kreuzbein  von  der  dorsalen  Fläche  aus  (Fig.  296,  Ä) ,  so  sieht  man 
auf  beiden  Seiten  eine  Reihe  kleiner  Löcher,  durch  welche  die  Nerven 

.      ,  Piff.  297. 


Columha  domestica.  —  Linke  Hälfte  des  Brustkorbes  in  Profilansiclit.    Nat.  Gr.   1  bis  8; 
Rückenwirbel;    il,    Darmbein;  fc,    falsche    Rippen;    i«,    Hakenfortsätze    der    Rippen; 
s,  Verbindungsstücke  zwischen  den  Rippen  und  dem  Brustbein  st;    e,  ventraler  Dorn- 
fortsatz der  Wirbelkörper. 

durchtreten ,  während  auf  der  ventralen  Seite  (B)  die  Querfortsätze 
(tr)  sich  deutlich  unterscheiden  lassen. 

Die  sieben  Schwanzwirbel  (c,  Fig.  294)  sind  deutlich  von 
einander  getrennt.  Der  letzte  bildet  ein  pflugscharähnliches ,  senk- 
rechtes Knochenblatt,  der  Pygostyl  genannt.  Er  enthält  keinen  Canal 
mehr  für  das  Rückenmark,  wie  alle  anderen,  die  hohe  dorsale  Dorn- 
fortsätze und  mächtige  Querfortsätze  besitzen ;  die  hintersten  haben 
auch  ventrale  Dornfortsätze. 

Es  finden  sich  acht  Paare  von  Rippen  (Fig.  297).  Die  fünf 
Paare  echter  Rippen  sind  mit  dem  Brustbeine  durch  Zwischenstücke, 
die  Sternocostalknochen  (s),  verbunden,  stark  abgeplattet  und  im  Bogen 


Vögel. 


741 


gekrümmt.  Sie  lenken  sich  an  den  Brustwirbeln  mittelst  zweier  ab- 
stehender Gelenkköpfe  ein;  der  obere  und  hintere  Kopf,  das  Capitulum, 
an  den  Querfortsatz,  der  untere  und  vordere,  das  Tuberculnm,  an  den 
Wirbelkörper  selbst ,  der  seitlich  dafür  eine  kleine  Gelenkhöhle  zeigt. 
Das  erste  Rippenpaar  setzt  sich  an  den  dritten  Brustwirbel  an.  Etwa 
von  der  Mitte  des  Hinterrandes  der  vier  ersten  Rippen  springt  ein 
nach  hinten  und  unten  gekrümmter,  platter  Fortsatz  vor,  dessen 
freies  Ende  sich  auf  die  folgende  Rippe  auflegt;  er  wird  der  Haken - 
fortsatz  (Processus  uncinatus,  u)  genannt.  Die  Festigkeit  des  Brust- 
korbes wird  durch  diese  Fortsätze  wesentlich  erhöht.  Die  Sterno- 
costalknochen  (s)  nehmen  von  vorn  nach  hinten  an  Länge  zu;   sie 

Fig.  298. 


t^- 


cl- 


Cohnnba  domestica,  —  Schultergürtel  und  Brustbein  im  Profil.  Nat.  Gr.  om,  Schulter- 
blatt; ec,  Processus  Immeralis;  c,  Kabenbein ;  e,  vordere  Kinne  des  Brustbeins; 
p,  Costal-Apophyse ;  /,  Gruben  zur  Aufnahme  von  Sternocostalknochen ;  es,  Brust- 
beinschild; p/,  hinterer  Seitenfortsatz;  o,  hintere  Brustbeinlücke;  b,  Brustbeiukamm; 
a,    episternale    Apophyse;    cl ,    Gabelbein;    t,    vordere  Muskelleiste    des  Rabenbeins; 

i,  Processus  furcularis. 


sind  schief  nach  vorn  gerichtet  und  mit  ihrem  unteren  Ende  in  eine, 
an  dem  Seitenrande  des  Brustbeines  ausgekehlte  Rinne  eingelassen, 
während  ihr  oberes  Ende  an  das  distale  Ende  der  entsprechenden 
Rippe  befestigt  ist.  Der  Körper  aller  dieser  Knochen  ist  cylindrisch, 
aber  das  proximale  Ende  der  beiden  letzten ,   die  eine  fast  horizontale 


742  Wirbelthiere. 

Stellung  einnehmen ,  bedeutend  abgeplattet.  Man  findet  drei  Paare 
falscher,  nicht  an  das  Brustbein  befestigter  Rippen  (/c),  ein  vorderes 
und  zwei  hintere;  sie  sind  nach  demselben  Plane  gebaut,  wie  die 
wahren  Rippen ,  lenken  sich  auf  dieselbe  Weise  mittelst  zweier  Köpfe 
an  die  "Wirbel  an,  sind  aber  kürzer  und  enden  frei  in  den  Muskeln. 
Das  zweite  Paar  dieser  Rippen  hat  noch  einen  rudimentären  Haken- 
fortsatz. 

Das  Brustbein  (Fig.  298)  hat,  wie  bei  fast  allen  Carinaten,  die 
Gestalt  eines  Schildes,  das  auf  seiner  gewölbten  ventralen  Fläche  einen 
senkrechten  Kamm  (&)  trägt,  an  welchen  sich  die  Brustmuskeln  an- 
heften. Man  kann  sonach  seine  Gestalt  im  Ganzen  mit  derjenigen 
eines  Bootes  vergleichen ,  dessen  Kiel  der  Kamm  Väre.  Der  dorsal- 
wärts  ausgekehlte  Körper  des  Brustbeinschildes  zeigt  einen,  in  Form 
eines  Circumflexes  ausgeschweiften  Rand,  dessen  Mitte ,  die  episternale 
Apophyse  (a),  nach  vorn  vorspringt.  An  diesen  Vorsprung  heften 
sich  die  das  Rabenbein  an  das  Brustbein  befestigenden  Sehnenbänder. 
Der  Vorderrand  zeigt  seitlich  tiefe  Auskehlungen  (e) ,  in  welche  die 
unteren  Enden  der  Rabenbeine  (c)  eingelassen  sind.  Die  verdickten 
Seitenränder  des  Brustbeinschildes  sind  vorn  durch  eine  tiefe  Rinne 
ausgekehlt,  welche  in  je  fünf  Gruben  zur  Aufnahme  der  Sternocostal- 
knochen  abgetheilt  ist.  Nach  vorn  und  hinten  ist  dieser  Ausschnitt 
stark  umwallt;  der  vordere  Wall  springt  nur  wenig  in  dem  sogenannten 
Costalfortsatze  (p)  vor;  der  hintere  dagegen  setzt  sich  in  eine  lange, 
abgeplattete  Lamelle  fort,  die  der  hintere  Seitenfortsatz  Qj?)  genannt 
wird.  Hinter  diesem  ist  der  Brustbeinrand  tief  ausgeschnitten  und 
schleift  sich  dann  zu  einer  Ecke  aus,  welche  von  einem  kleinen  Loche 
(o)  durchbrochen  wird.  Der  Kamm  (h)  bildet  stets  eine  unmittelbare, 
senkrechte  Fortsetzung  des  Schildes  auf  der  ventralen  Mittellinie;  sein 
unterer,  regelmässig  gebogener  Rand  ist  etwas  verdickt  und  läuft  nach 
vorn  in  einen  kurzen  Sporn  aus,  an  welchen  das  Gabelbeiu  mittelst 
einer  kurzen,  aber  starken  Sehne  befestigt  ist. 

Der  Brustgürtel  (Fig.  298)  besteht  jederseits  aus  dreiKnochen, 
dem  Schulterblatte,  dem  Rabenbeine  (Coracoüleum)  und  dem  Schlüssel- 
oder Gabelbeine  (Furcula).  Das  Schulterblatt  (om)  ist  einer  ge- 
krümmten Säbelklinge  ähnlich;  es  liegt  auf  dein  oberen  Theile  des 
Brustkorbes  auf  und  erstreckt  sich  mit  seinem  platten  Ende  nach 
hinten  bis  in  die  Kreuzgegend.  Der  nach  vorn  gerichtete  Griff  ist 
etwas  verdickt  und  läuft  in  zwei  Fortsätze  aus,  einen  kleineren,  inneren, 
Processus  furcularis  (i),  und  einen  grösseren,  äusseren,  Processus  liume- 
ralis  (ex),  der  mit  dem  benachbarten  Theile  des  Rabenbeines  die  Ge- 
lenkhöhle für  das  Oberarmbein  herstellt;  beide  Fortsätze  stossen  an 
das  Rabenbein  und  sind  durch  eine  weite  Lücke,  das  Foramen  trigo- 
num,  getrennt.  Das  schief  nach  unten  und  hinten  gerichtete  Raben - 
bein  (c)- verbindet   das  Schulterblatt  mit   dem  Brustbeine  und   bildet 


Vögel. 


743 


mit  ersterem  einen  nach  hinten  geöffneten  Winkel.  Es  ist  ein  mäch- 
tiger, langer  Knochen,  der  mit  seinem  verbreiterten  unteren  Ende  in 
die  entsprechende  Rinne  des  Brustbeines  eingelassen  ist.  Sein  vor- 
deres Ende  bildet  drei  Höcker,  an  welche  sich  das  Schulterblatt,  das 
Schlüsselbein  und  der  Humerus  anlegen.  Längs  des  Innenrandes 
seines  Vorderendes  springt  eine  dicke  Knochenleiste  vor,  an  welche 
die  Sehnenbänder  sich  befestigen ,  die  den  Knochen  mit  dem  Brust- 
beine verbinden.  Die  beiden  dünnen  und  langen  Schlüsselbeine  (c?) 
sind  in  der  ventralen  Mitte  so  mit  einander  zu  einem  Ganzen  ver- 
schmolzen, dass  sie  nur  einen  einzigen  V-förmigen  Knochen  dar- 
stellen, das  Gabelbein  (Furciila).  Das  verschmolzene  Ende  ist,  wie 
erwähnt,  durch  eine  kurze  Sehne  an  die  Vorderspitze  des  Brustbein- 
kammes[^befestigt. 

Der  Flügel   (Fig.   299)    wird    von    mehreren    auf  einander  fol- 
genden  Knochenstücken    gebildet,    welche    in    der   Ruhe    (Fig.    294) 

Fio-.   299. 


Columba  domestica.  —  Skelett  des  linken  Flügels  von  der  Aussenseite.  Nat.  Gr. 
h,  Humerus;  a,  Gelenkkopf  am  Schultergürtel;  b,  Muskelleiste;  c,  Oeffnung  des 
pneumatischen  Ganges  im  Humerus;  cb,  Ulna ;  r,  Eadius ;  cc,  Carpale  cubitale ; 
er,  Carpale  radiale;  m^  bis  vi^ ,  die  drei  Metacarpalknochen ;  de,  äusserer  Finger; 
dm,  erstes  Glied  des  Mittelfingers;  dm^,  zweites  Glied  desselben;  p,  Daumen. 


winkelig  zusammengefaltet  werden,  wie  ein  aus  drei  Stücken  be- 
stehender Maassstab.  Das  proximale  Ejide  des  Humerus  stösst  dann 
vorn  an  die  Ecke,  wo  Schulterblatt  und  Rabenbein  sich  zur  Bildung 
der  Gelenkhöhle  vereinigen,  das  hintere  Ende  erreicht  das  Ileon.  Dort 
liegt  dann  das  Ellbogengelenk;  die  Vorderarmknochen  erstrecken  sich 
wagerecht  nach  vorn  und  das  Handgelenk,  an  der  Schulterecke  ge- 
legen, beugt  die  Hand  wieder  nach  hinten.  Die  Knochen  der  hinteren 
Extremität  biegen  sich  in  entgegengesetzter  Richtung  zusammen. 
Durch  die  Reduction  der  Handwurzel  und  der  Hand  ist  das  Skelett 
des  Flücrels  vereinfacht. 


744  Wirbelthiere. 

Der  Humertts  (7i,  Fig.  299)  ist  durch  die  bedeutende  Ausbildung 
seines  Vorderendes  besonders  bemerkenswerth.  Sein  Gelenkkopf  (a), 
der  im  Schultergelenke  spielt,  wird  auf  seiner  inneren  Seite  von  einer 
tiefen  Rinne  begrenzt,  in  welche  sich  der  vordere  Höcker  des  Schulter- 
blattes einsenkt.  Aussen  springt  eine  Knochenleiste  (&)  vor,  an  welche 
sich  die  Flügel musk ein  ansetzen.  Auf  der  nach  unten  gekrümmten, 
ventralen  Fläche  öffnet  sich  ein  grosses  Loch  zum  Durchtritte  des 
Luftganges,  der  den  Knochen  der  Länge  nach  durchzieht.  Der  Körper 
des  Knochens  ist  cylindrisch.  Am  unteren  Ende  befinden  sich  zwei 
seitliche  Gelenkköpfe ,  die  in  entsprechenden  Höhlen  der  Vorderarm- 
knochen spielen.  Von  diesen  ist  die  Ulna  (cb)  der  längere  und 
massivere;  der  Knochen  ist  länger  als  der  Humerus.  Er  liegt,  bei  Zu- 
sammenfaltung des  Flügels,  nach  aussen,  bei  Streckung  im  Fluge  nach 
hinten  vom  Radius.  Er  ist  leicht  gekrümmt  und  auf  seinem  Aussen- 
rande  lassen  sich  Kerben  beobachten,  an  welche  die  grossen  Schwing- 
federn sich  ansetzen.  Der  Radius  (r),  kürzer  und  dünner  als  die 
Ulna ,  ist  mit  ihr  durch  starke  Sehnenbänder  verbunden.  Er  bildet 
einen  geraden,  an  beiden  Enden  etwas  verdickten  Cylinder.  DieHand- 
wurzel  ist  auf  zwei  kleine,  durch  Sehnenbänder  mit  den  Knochen  des 
Vorderarmes  und  der  Mittelhand  verbundene  Knöchelchen  reducirt. 
In  der  Fortsetzung  des  Radius  liegt  das  kleinere ,  etwas  abgeplattete 
Carpale  radiale  (er),  das  jederseits  eine  kleine  Ausbuchtung  zur 
Einlenkung  des  Radius  und  das  entsprechende  Metacarpale  trägt.  Das 
Carpale  cuhitale  (ce)  lehnt  sich  an  die  Ulna,  es  ist  etwas  grösser 
als  das  vorige  und  sehr  unregelmässig  gestaltet. 

Die  Mittelhandknochen  sind  zu  einem  einzigen  Knochen 
verschmolzen,  in  welchem  man  indess  drei  verschiedene  Stücke  er- 
kennen kann.  Das  erste  Metacarpale  (ni^)  bildet  einen  kurzen,  mit  dem 
proximalen  Ende  des  zweiten  verschmolzenen  Fortsatz,  an  welchen  der 
Daumen  (p)  eingelenkt  ist,  der  nur  aus  einem  Fingergliede  besteht. 
Das  zweite  Metacarpale  (ni^),  ein  dicker,  cylindrischer  Knochen,  ist 
mit  seinen  verbreiterten  Enden  so  mit  dem  dritten  verschmolzen,  dass 
zwischen  beiden  eine  längliche,  mittlere  Lücke  bleibt.  Das  dritte ,  an 
beiden  Enden  mit  dem  vorigen  verschmolzene  Metacarpale  (ni^)  ist 
weit  schmächtiger  als  das  zweite.  An  das  distale  Ende  der  ver- 
schmolzenen Knochen  sind  zwei  Finger  befestigt,  ein  rudimentärer, 
aus  einem  Gliede  bestehender  und  ein  weit  grösserer,  der  zwei  Glieder 
besitzt.  Die  Taube  hat  demnach  drei  Finger:  den  Daumen  (p),  dessen 
einziges  Glied  die  Form  eines  Keiles  hat  und  der  einen  besonderen 
Flügeltheil  trägt,  den  Eckflügel  {Ähila}]  den  Mittelfinger  (dm),  den 
grössten,  dessen  erstes  Glied  fast  viereckig  ist  mit  hinterer  scharfer 
Leiste,  während  das  Endglied  (dm^)  eine  dreieckige  Klinge  bildet.  Der 
dritte  Finger  (de)  ist  nur  rudimentär;  sein  einziges  Glied  passt  in 
einen  Ausschnitt  des  ersten  Gliedes  des  Mittelfingers. 


Vögel.  745 

Hintere  Extremität.  —  Wie  an  der  vorderen  treffen  wir 
hier  bedeutende  Reductionen ,  die  vorzugsweise  den  Tarsus  und  Meta- 
tarsus  beschlagen.  Das  Glied  hat  vier  Zehen,  drei  vordere  und  eine 
hintere. 

Beckengürtel  (Fig.  297).  —  Dieser  Theil,  der  mit  demKreuz- 
beine  in  engster  Weise  verbunden  ist,  besteht  jederseits  aus  drei 
Stücken ,  die  bei  der  erwachsenen  Taube  zu  einem  verbreiterten ,  nach 
hinten  convexen  Schilde  verschmolzen  sind,  an  welchem  man  zwar 
die  Nähte  nicht  mehr  wahrnehmen,  aber  doch  die  drei  Stücke,  Darm-, 
Sitz-  und  Schambein  noch  zur  Noth  abgrenzen  kann.  Das  Darm- 
bein (il)  ist  ein  langes,  fast  horizontal  liegendes  Knochenblatt,  an 
welchem  man  zwei  Seitenränder,  einen  hinteren  und  einen  vorderen 
Rand  unterscheiden  kann.  Der  Vorderrand  («)  ist  leicht  ausgeschweift 
und  bedeckt  zum  Theil  den  letzten  Rückenwirbel  mit  seiner  falschen 
Rippe.  Der  innere  Rand  bildet  einen  weit  oflPenen,  stumpfen  Winkel, 
dessen  Spitze  etwa  in  der  Mitte  liegt.  Dieser  Rand  ist  mit  den  Quer- 
fortsätzen der  Kreuzbeinwirbel  eng  verbunden.  Der  äussere  Rand  ist 
leicht  ausgeschweift  und  nimmt  an  der  Bildung  der  Gelenkhöhle  für 
den  Oberschenkel,  sowie  an  derjenigen  des  Foramen  sacro-iscMattcuni 
Theil;  er  legt  sich  an  den  oberen  Rand  des  Sitzbeines  und  seine  hin- 
tere Ecke  verlängert  sich  in  einen  stumpfen  Kegelfortsatz,  das  Epi- 
ileon  (ep).  —  Das  Sitzbein  (/s)  ist  eine  fast  vertical  nach  unten 
gerichtete  Lamelle,  welche  sich  mit  ihrem  oberen  Rande  hinter  dem 
erwähnten  Ausschnitte  an  das  Darmbein  anlegt.  Der  vorn  sehr 
schmächtige  Knochen  verlängert  sich  bis  zur  Gelenkhöhle  und  nimmt 
mit  seinem  etwas  ausgeschnittenen  inneren  Rande  vorn  an  der  Bil- 
dung des  Foramen  oMuratorium  Antheil.  Nach  hinten  verläuft  er  in  ein 
langes,  dreieckiges  Blatt,  das  sich  an  das  Schambein  anlegt.  So  wird 
zwischen  dem  ventralen  Rande  des  Sitzbeines  und  dem  Schambeine 
eine  Lücke  offen  gelassen ,  welche  sich  vorn  zwischen  dem  Foramen 
sacro-iscJiiaticum  und  der  Gelenkhöhle  zu  einer  ovalen  Lücke,  dem  Fo- 
ramen oUicratormm  (to),  erweitert.  Das  Schambein  (jp)  liegt  in  Ge- 
stalt einer  bogenförmig  nach  aussen  gewölbten  Knochenlamelle  an  der 
inneren  Fläche  des  Sitzbeines  an,  welches  der  Knochen  nach  hinten 
etwa  um  einen  Centimeter  Länge  überholt;  nach  vorn  verschmilzt  er 
hinter  dem  Foramen  ohturatorium  mit  dem  Darm-  und  Sitzbeine.  Die 
hinteren  Enden  der  Schambeine  sind  durchaus  frei  und  nicht  verbunden. 

Aus  dem  Vorhergehenden  ei-sehen  wir,  dass  die  drei  Knochen  auf 
dem  Grunde  der  grossen  Gelenkhöhle,  des  Äcetabuliuu,  in  welchem  der 
Kopf  des  Femur  spielt,  einander  begegnen.  Man  hat  diese  Gelenk- 
höhle das  F oramen  ohturatorium  (to)  genannt,  weil  sie  gänzlich 
durchbrochen  ist ;  von  oben  wird  sie  dachförmig  von  einem  Vorsprunge 
des  Sitzbeines  überwölbt  (t),  welchen  man  die  Eminentia  anti-irochan- 
terica  (t)  genannt  hat. 


746 


Wirbelthiere. 


Hinterglied.  —  Der  Femur  (/,  Fig.  294;  Ä,  Fig.  300)  ist 
ein  mächtiger,  cylin  drisch  er,  etwas  nach  aussen  gekrümmter  Knochen, 
dessen  oberer  Gelenkkopf  (t)  eine  dicke,  nach  innen  vorspringende 
Halbkugel  bildet.  Der  Trochanter  (tr)  stellt  sich  als  eine  Knochen- 
leiste mit  schneidendem ,  freiem  Rande  dar.  Zwei  grosse ,  durch  eine 
tiefe  Rinne  getrennte  Gelenkhöcker  stehen  am  distalen  Ende;  der 
äussere  (a)  ist  mit  der  Fibula,  der  innere  (c)  mit  der  Tibia  eingelenkt. 

Der  Unterschenkel  wird  fast  gänzlich  von  der  grossen  geraden 
Tibia  (B,  Fig.  300,  t)  gebildet,  die  weit  länger  ist  als  der  Femur, 
an  beiden  Enden  angeschwollen  ist  und  an  ihrem  .Obertheile  vor- 
springende Muskelleisten  zeigt.  Das  untere  Ende  zeigt  zwei  seitliche, 
durch   eine   Rinne    getrennte  Gelenkrollen.     Die  Fibula  (p)    scheint 

Fig.  300. 


Columba  domesüca.  —  Skelett  des  linken  Beines.  Vorderansicht.  Nat-  Gr.  A,  Fe- 
mur. tr,  Trochanter;  a,  c,  Gelenkrollen  für  Tibia  und  Fibula;  t,  Schenkelkopf  zur 
Einlenkung  am  Becken.  B,  Vorderbein,  t,  Tibia;  p,  Fibula;  a,  obere  Gelenkgruben; 
b,  untere  Gelenkrollen.  C,  Fuss.  ta,  Tarso'metatarsale ;  o,  Löcher  und  r,  Rinnen, 
welche  die  ursprüngliche  Dreitheilung  des  Knochens  zeigen ;  d,  Gelenkrollen  für  die 
Zehen;  de,  Aussenzehe;  dm,  Mittelzehe;  dl,  Innenzehe;  ff,  Nägel;  i,  Zwischenstück 
zwischen  Tarso-metatarsale  und  Hinterzehe;  pA.  erste  Fingerglieder. 


nur  ein  dünner  Anhang  dieses  Knochens  zu  sein;  ihr  oberes  Ende 
liegt  an  der  Gelenkhöhle  der  Tibia  an;  das  fein  zugespitzte  Ende  ist 
frei.     Sie  erreicht  nur  etwa  fünf  Sechstel  der  Länge  der  Tibia. 

Die  bei  dem  Embryo  noch   getrennten  Knochen  des   Tarsus   und 
Metatarsus  sind  bei  dem  erwachsenen  Thiere  zu  einer  einzigen  Säule, 


Vögel. 


747 


dem  Tarso-metatarsalknochen  (fa,  Fig.  300,  C)  verschmolzen.  x\uf 
der  äusseren  Fläche  dieses,  von  vorn  nach  hinten  etwas  abgeplatteten 
und  an  seinen  Enden  angeschwollenen  Knochens  kann  man  leicht  sehen, 
dass  die  Säule  aus  drei  verschmolzenen  Längsknochen  zusammengesetzt 
ist.  In  der  That  sieht  man  am  proximalen  Ende  zwei  Löcher  (o),  die 
sich  nach  unten  in  zwei  Rinnen  (r)  fortsetzen  und  so  die  Dreitheilung 
anzeigen.  An  dem  distalen  Ende  des  Knochens  wird  diese  Theilung 
noch  deutlicher,  denn  hier  findet  man  drei  tief  getrennte  Vor  Sprünge, 
deren  jeder  eine  mit  zwei  Köpfen  versehene,  doppelte  Gelenkrolle  (d) 
zur  Einlenkung  der  Zehen  trägt.  Die  Zehen  zeigen  eine  ver- 
schiedene Anzahl  von  Gliedern.  Die  hintere  Zehe  hat  nur  zwei  Pha- 
langen (g,  ph)  und  ist  durch  ein  kleines  Zwischenstück  (^)  an  den 
Tarso-metatarsalknochen  befestigt.  Von  den  drei  Vorderzehen  hat  die 
innere  {di)  drei  Phalangen;  die  mittlere,  längste,  vier  und  die  äussere 

Fie-.  301. 


^  j: 


r-P 


Columba  domesticu.  —  Kopfskelett  im  Profil.  Anderthalb  natürliche  Grösse,  i,  Zwischen- 
kiefer ;  n,  Nasenbein ;  /,  Thränenbein ;  v,  Vomer ;  /,  Stirnbein ;  a  l,  Alisphenoideum  ; 
p,  Scheitelbein;  os,  Occipitale  superius ;  s,  Schuppenbein ;  o/,  Occipitale  laterale; 
ar,  Articulare;  c,  Coronoideum ;  a,  Angulare ;  s,  Spleniale;  d,  Dentale;  cu,  Quadrat- 
bein; pt,  Flügelbein;  qj\  Quadrato-jugale ;  m,  Oberkiefer. 


fünf  kurze   Glieder,   so   dass  sie  im   Ganzen   doch   kürzer   ist   als   die 
mittlei'e.     Jedes  Endglied  trägt  einen  gekrümmten  Nagel. 

Kopfskelett  (Fig.  301,  302).  —  Mit  Ausnahme  des  sehr  be- 
weglichen Unterkiefers  und  einiger  Gesichtsknochen,  die  nur  eine  be- 
schränkte Biegsamkeit  besitzen ,  sind  alle  übrigen  Knochen  des  Ge- 
sichts und  des  Schädels ,  die  bei  dem  jungen  Thiere  noch  getrennt 
sind,  bei  dem  erwachsenen  zu  einem  festen  Ganzen  verschmolzen,  das 
etwa  die  Gestalt  einer  Birne  hat,  deren  Stiel  durch  den  Schnabel  vor- 
gestellt wird.  Die  Seitenflächen  steigen  senkrecht  herab ,  sind  aber 
vorn  durch  die  ungemein  grossen  Augenhöhlen  unterbrochen ,  deren 
Unterrand  von  dem  langen,  dünnen  Knochenstabe  des  Quadrato-jugale 
(qj)  gebildet  wird,   welcher  den  Schädel  mit  dem  Gesichte  verbindet. 


748 


Wirbeltbiere. 


Nach  hinten  findet  sich  auf  der  Unterfläche  des  Schädels  das  grosse, 
vorn  von  dem  einzigen  Gelenkkopfe  des  Hinterhauptes  begrenzte 
Hinterhauptsloch.  Der  Schädel  zeigt  zwei  Eigenthümlichkeiten,  welche 
ihn  von  demjenigen  der  Reptilien  iinterscheiden  lassen.  Zuvörderst 
die  geringe  Dicke  der  zu  einer,  meist  durchscheinenden  Kapsel  ver- 
schmolzenen Knochen  und  sodann  die  bedeutende  Grösse  der  Schädel- 
höhle, welche  von  dem  Gehirn  gänzlich  ausgefüllt  wird. 

Der   eigentliche   Schädel    wird   aus    folgenden    Stücken    zu- 
sammengesetzt.     Der    grösste   dieser    Knochen,    das   Stirnbein    (/), 


Fig.  302. 


tritt  auf  der  Rückenseite  des  Schä- 
dels hervor,  vorn  mit  dem  Nasen- 
beine, hinten  mit  dem  Scheitelbeine 
verschmolzen;  ebenso  ist  es  mit 
dem  Stirnbeine  der  anderen  Seite 
in  der  Mittellinie  vereinigt.  Es 
bildet  den  grösstenTheil  des  Schädel- 
daches; mit  seinem  äusseren  schar- 
fen Rande  begrenzt  es  von  oben 
her  die  Augenhöhle.  Nach  vorn 
sehr  verschmälert,  breitet  es  sich 
nach  hinten  aus  und  tritt  auf  die 
Seitenflächen  des  Schädels  über. 
Hinter  ihm  bildet  das  blattartige, 
viereckige ,  ebenfalls  in  der  Mittel- 
linie verschmolzene  Scheitelbein 
(p)  einen  Theil  des  Schädeldaches; 
es  stösst  nach  hinten  unmittelbar 
an  das  obere  Hinterhauptsbein  und 
seitlich  an  die  Schuppenbeine 
(s).  Diese  ziemlich  mächtigen,  unter 
dem  Stirnbeine  gelegenen  Knochen 
bilden  den  Hinterrand  der  Augen- 
höhle und  einen  Theil  der  seitlichen 
Cohmha  domestlca.   —  Kopfskelett  von    Schädelwand;  ihr  Hinterrand  stösst 

an  die  seitlichen  Hinterhauptsbeine 
(oV)  und  nach  vorn  bilden  sie  je 
einen  Fortsatz  zur  Einlenkung  an 
das  Quadratbein  (ca).  Die  Seiten- 
stücke des  Schädels  werden  auf 
der  Unterfläche  durch  die  Hinter- 
hauptsbeine verbunden.  Das  obere 
Hinterhauptsbein  (os)  ist  un- 
paar;  es  stösst  vorn  an  die  Scheitelbeine  und  begrenzt  den  Schädel 
nach  hinten,  wo  es  das  grosse  Hinterhauptsloch  von  oben  her  in  Gestalt 


unten.  Anderthalbmal  vergrössert.  t, 
Zwischenkiefer  ;  n,  Nasenbein  ;  7n,  Ober- 
kiefer; pa,  Gaumenbein;  /,  Thränenbein ; 
/,  Stirnbein;  pt,  Flügelbein;  qj,  Qua- 
drato-jugale ;  al,  Ali-sphenoideum;  ca, 
Quadratbein;  s,  Schuppenbein;  ol,  Occi- 
pitale  laterale;  os,  Occipitale  sixperius ; 
<o,  Hinterhauptsloch  ;  06,  Occipitale  basi- 
lare;   s^j,  Keilbein. 


Vögel.  749 

eines  V  umgreift.  Die  seitlichen  Hinterhauptsbeine  (ol)  liegen 
unter  den  Schuppenbeinen  und  sind  mit  dem  Felsenbeine  verschmolzen; 
sie  bilden  die  Seiten  des  Hinterhauptsloches  und  mit  den  Felsen- 
und  Schuppenbeinen  zusammen  die  Kapsel  für  das  innere  Ohr,  das 
knöcherne  Labyrinth,  Das  Grundbein  (oh)  liegt  als  unpaares,  etwas 
in  die  Länge  gezogenes  Stück  vor  dem  Hinterhauptsloche ;  es  wird 
hinten  von  den  seitlichen  Hinterhauptsbeinen,  vorn  von  dem  Keilbeine 
begrenzt  und  trägt  an  seinem  hinteren  Rande  den  mächtigen  Gelenk- 
höcker, der  in  der  entsprechenden  Grube  des  Atlas  spielt.  Vor  ihm 
liegt  das  grosse,  unpaare  Keilbein  (sjj),  das  nach  hinten  in  zwei 
seitliche  Flügel  sich  ausbreitet  und  an  dessen  Seitenränder  sich  vorn 
die  Flügel-  und  Gaumenbeine  anlegen. 

Die  Augenhöhlen  werden  von  dem  Stirnbeine,  dem  Äli-sphenoi- 
detini,  dem  Vomer  und  dem  Lacrymale  begrenzt.  Das  AI i-sphe  • 
noideum  (al)  ist  ein  senkrechtes,  quer  zur  Körperaxe  gestelltes 
Blatt,  welches  die  Vorderwand  der  Schädelhöhle  und  zugleich  die 
Hinterwand  der  Augenhöhle  bildet.  Nach  unten  stösst  es  an  das 
Quadratbein  und  das  Keilbein,  nach  aussen  an  das  Schuppenbein,  nach 
oben  an  das  Stirnbein.  Der  Vomer  {v)  bildet  den  vorderen  Theil  der 
senkrechten  Längsscheidewand,  welche  beide  Augenhöhlen  von  ein- 
ander trennt;  auch  verbreitert  er  sich  etwas,  um  mit  dem  Thränen- 
bein  in  Verbindung  zu  treten  und  ebenso  nach  oben,  wo  er  den  Vorder- 
theil  des  Stirnbeines  stützt;  der  Knochen  liegt  dem  Gaumenbeine  auf 
und  wird  nach  hinten  vom  Keilbeine  begrenzt.  Das  kleine,  etwas  ver- 
längerte Thränenbein  (l)  bildet  den  Vorderrand  der  Augenhöhle, 
indem  es  sich  unten  mit  dem  Jochbeine,  oben  mit  dem  Stirnbeine  und 
dem  Nasenbeine  verbindet.  Dieses  letztere  {n)  hat  eine  ziemlich 
complicirte  Form;  es  läuft  nach  vorn  in  zwei  aus  einander  weichende 
Spitzen  aus ,  welche  die  Nasenwurzel  umfassen.  Es  bildet  die  Basis 
des  Schnabels  und  einen  vorderen  Stirnhöcker.  Sein  unpaarer  hin- 
terer Abschnitt  verschmilzt  mit  dem  Stirnbeine ;  nach  vorn  sendet  es 
auf  der  Unterfläche  zwei  lange,  spitze,  aus  einander  weichende  Dornen 
aus,  welche  in  ihrem  Ausschnitte  das  Hinterende  des  Zwischenkiefers 
aufnehmen,  während  der  untere  Ast  auf  dem  Oberkiefer  aufruht. 

Die  Knochen  des  Gesichtsschädels  bilden,  wie  bei  den  Rep- 
tilien, mehrere  Bogen,  von  welchen  indessen  nur  einer,  der  Unterkiefer- 
bogen, die  Nahrungswege  umfasst,  während  die  beiden  anderen  in 
dem  Dache  der  Mundhöhle  an  die  Unterfläche  des  Hirnschädels  sich 
anlehnen. 

Die  Spitze  des  von  drei  oder  auch,  wie  man  will,  von  fünf 
Knochen  gebildeten  Oberkieferbogens  wird  von  der  Hornscheide 
des  Schnabels  eingehüllt,  dessen  Ende  ziemlich  hart  ist. 

Der  unpaare  Zwischenkiefer  (^),  der  durch  Verschmelzung  zweier 
symmetrischer  Hälften  entstanden  und  vorn  etwas  nach  unten  gebogen 


750  Wirbelthiere. 

ist,  stützt  das  Ende  des  Schnabels.  Nach  hinten  legen  sich  an  ihn 
die  sehr  langen,  dünnen  Oberkiefer  {m)  an,  welche  mit  ihm  und 
den  Gaumenbeinen  das  Dach  der  Mundhöhle  bilden.  Nach  hinten  ver- 
längert sich  der  stabförmige  Oberkiefer  in  eine  feine  Spitze,  welche 
sich  so  an  das  dünne  und  gebrechliche  Quadrato-jugale  (qj)  an- 
legt, dass  dieser  den  Unterrand  der  Augenhöhle  bildende  Knochen 
nur  seine  Fortsetzung  zu  sein  scheint.  Mit  seinem  hinteren  Ende 
stösst  dieser  Knochen  an  das  Quadratbein. 

Gaum  enflügelbogen.  —  Das  paarige  Gaumenbein  (pa), 
ein  langes  Knochenstückchen,  lässt  zwei  Theile  unterscheiden,  einen 
äusserst  dünnen  vorderen,  welcher  sich  an  den  Innenrand  des  Ober- 
kiefers anlegt,  und  ein  breiteres,  hinteres  Blatt,  das  mit  dem  Flügel- 
und  Keilbeine  in  Verbindung  tritt.  Das  Flügelbein  {p/)  ist  ein 
kleines ,  schief  in  die  Quere  gerichtetes ,  horizontales  Knochenstück, 
dessen  vorderes  Ende  in  der  Nähe  der  Mittellinie  sich  mit  dem  Gaumen- 
beine und  dem  Keilbeine  verbindet,  während  das  hintere  Ende  an 
den  Vorderrand  des  Quadratbeines  anstösst. 

Der  Unterkieferbogen  stimmt  in  den  Grundzügen  seiner  Bil- 
dung mit  demjenigen  der  Eidechsen  überein.  Wie  bei  diesen,  ist  er 
am  Schädel  durch  ein  bewegliches  Quadratbein  angeheftet,  welches 
durch  seine  Verbindungen  mit  dem  Oberkiefer  und  dem  Flügelbeine 
einigen  Einfluss  auf  die  freilich  sehr  beschränkten  Bewegungen  dieser 
beiden  Bogen  ausübt.  Das  Quadratbein  (ca)  bildet  allein  das  Auf- 
hängegerüst des  Unterkiefers;  es  liegt  vor  dem  vorderen  Unterrande 
des  Schuppenbeines  und  zeigt  einen  viereckigen  Mitteltheil ,  dessen 
Winkel  etwas  ausgezogen  sind.  Der  obere  und  vordere  Fortsatz,  der 
längste  von  allen,  ragt  frei  auf  dem  Boden  der  Augenhöhle  vor;  der 
obere  und  hintere  Fortsatz  trägt  die  Gelenkrolle,  auf  welcher  der  Unter- 
kiefer sich  bewegt ;  an  den  Aussenrand  des  hinteren ,  unteren  Fort- 
satzes legt  sich  das  Quadrato-jugale  an.  Die  durch  Bandmasse  vorn 
verbundenen  Hälften  des  U  nterkie  fers  bestehen  je  aus  fünf  Stücken ; 
das  hinterste  ist  das  kleine  Ar  ticul  are  (ar),  welches  an  das  Quadrat- 
bein eingelenkt  ist;  unter  ihm  bildet  das  Angulare  (an)  den  hin- 
teren Winkel  des  Kiefers ;  es  ist  etwas  gebogen  und  legt  sich  mit 
seinem  hinteren  Ende  an  die  Innenfläche  des  Articulare  an.  Vor  und 
über  ihm  erstreckt  sich  das  Coronoideum  (c)  oder  Supra- angulare, 
welches  den  oberen  Kand  der  hinteren  Hälfte  des  Unterkiefers  bildet. 
Zwischen  beide  genannte  Knochen  drängt  sich  ein  dünner  Knochen- 
splitter, das  Spleniale  (s).  Die  vordere  Hälfte  des  knöchernen  Schnabels 
wird  von  dem  langen  und  dünnen  Dentale  (d)  gebildet,  das  sehr  früh 
mit  demjenigen  der  anderen  Seiten  verschmilzt  und  gänzlich  von  der 
Hornscheide  des  Unterschnabels  eingehüllt  wird. 

Das  Zungenbein  besteht  aus  einem  gegliederten  Mittelstücke 
und  zwei  Paaren  langer,  dünner  Bogen,   die  sich  um  das  Hinterhaupt 


Vögel.  751 

herum  krümmen  und  deren  jeder  aus  zwei  Stücken  besteht,  einem 
oberen  Epibranchiale,  das  in  eine  feine  Spitze  ausläuft,  und  einem  stab- 
förmigen  Ceratobranchiale ,  das  die  Verbindung  mit  dem  Mittelkörper 
herstellt.  Der  Zungenbeinkörper,  aus  zwei  auf  einander  folgenden, 
den  Bogen  entsprechenden  Stücken  (BasibrancMalia)  gebildet,  liegt 
auf  dem  Boden  der  Rachenhöhle  in  der  Mittellinie  und  setzt  sich  nach 
vorn  in  die  Zungenwurzel  durch  zwei  dünne  Knöchelchen  fort,  welche 
das  Entogiossum  bilden.  Der  ganze  Apparat  zeigt  sich,  im  Vergleich 
zu  demjenigen  der  Reptilien,  namentlich  in  den  Bildungen  der  Bogen 
oder  Hörner  sehr  rediicirt. 

Muskelsystem  (Fig.  303  a.  f.  S.,  304).  —  Wir  können  dieses 
System  nur  summarisch  behandeln,  obgleich  es  in  Folge  der  Anpassung 
an  den  Flug  und  die  Stellung  auf  zwei  Beinen  den  Reptilien  gegen- 
über sehr  bedeutende  Modilicationen  zeigt. 

Der  Hautmuskel  (31.  c  ii  cull  CDiu  s)  wird  von  einer  sehr 
dünnen  Muskelausbreitung  gebildet,  deren  Fasern  sich  unmittelbar  an 
die  innere  Fläche  der  Haut,  des  Halses  und  des  Vordertbeiles  der  Brust 
anheften.  Man  kann  zwei  Abtheilungen  unterscheiden:  die  vordere 
(j9,  Fig.  304),  die  sich  von  oben  nach  unten  ausdehnt,  den  Nacken  ein- 
hüllt und  mit  ihrem  dünnen  Ende  sich  an  den  Hinterrand  der  Augen- 
höhle ansetzt,  und  die  hintere,  die  wir  nicht  zeichnen  konnten,  welche 
die  vordere  Hälfte  des  Halses  umgiebt,  vorn  mehr  musculös  ist,  dann 
aber  in  eine  dünne  sehnige  Haut  übergeht. 

Muskeln  des  Stammes.  — Der  J/.  longissimus  clorsi  (Id) 
bildet  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  einen  mächtigen  Muskel  mit 
quer  gerichteten  Fasern.  Sein  vorderes ,  kleineres  Bündel  heftet  sich 
oben  an  die  Dornfortsätze  der  ersten  Rückenwirbel  und  unten  an  das 
Ende  des  Humerus ;  das  hintere  Bündel  erstreckt  sich  bis  zu  dem 
Becken ,  setzt  sich  ebenfalls  an  den  Humerus  an  und  wird  in  seinem 
vorderen  Theile  von  dem  M.  dorso-liumeralis  (dh)  bedeckt,  der  sich  in 
gleicher  Weise ,  nur  oberflächlicher ,  an  die  Dornfortsätze  der  Wirbel 
und  den  Humerus  ansetzt.  Der  M.  elevator  coccygis  (cc)  erstreckt  sich 
an  der  Schwanzwurzel  zwischen  dem  Hinterrande  des  Darmbeines  und 
den  Schwanzwirbeln.  Die  tieferen  Steissmuskeln,  die  wir  in  der  Zeich- 
nung nicht  darstellen  konnten ,  haben  auf  der  seitlichen  und  der  ven- 
tralen Fläche  dieselben  Insertionspunkte,  wie  der  Heber  des  Steisses.  — 
Auf  den  Seiten  des  Körpers  bildet  der  obere  Heber  der  Rippen 
(Icp)  eine  breite,  den  hinteren  Rippen  aufliegende  Masse,  deren  quere 
Fasern  einerseits  sich  an  die  Hakenfortsätze  der  Rippen,  anderseits  an 
die  Wirbelsäule  festsetzen;  der  Muskel  bedeckt  die  Intercostal- 
muskeln  (it),  welche  zwei  Gruppen  bilden,  indem  die  eine  sich  an 
das  proximale  Ende  der  Rippe  und  den  Hakenfortsatz ,  die  andere  an 
diesen  und  die  Bauchfläche   sich  ansetzen.     Endlich   breitet   sich  nach 


752 


Wirbelthiere. 


Fis:,  303. 


Vögel.  753 

der  Höhe  der  Hakenfortsätze  ein  dünnes  Muskelblatt,  der  M.  ohJiquus 
externus  (oh),  bis  gegen  die  Mitte  der  ventralen  Fläche  des  Bauches 
aus ,  wo  er  in  eine  dünne ,  durchsichtige  Sehnenplatte  übergeht ,  die 
sich  an  den  Kamm  des  Brustbeines  ansetzt.  Der  M.  ischio-coccy - 
gens  (ir)  ist  ein  tieferer,  auf  den  Seiten  des  Steisses  verlaufender 
Längsmuskel,  dessen  vorderes  Ende  sich  an  das  Darmbein  heftet,  wäh- 
rend das  hintere  mit  einer  Sehne  etwa  in  der  Mitte  der  ventralen 
Fläche  des  Steisses  sich  inserirt.  Der  quere  Aftermnskel  (tra) 
liegt  unmittelbar  unter  der  Haut;  er  bildet  ein  Muskelband,  das  oben 
an  dem  Hinterrande  des  Darmbeines  angeheftet  ist  und  sich  an  die 
Seiten  der  Afterspalte  begiebt.  Er  bedeckt  zum  Theil  den  M.  piihi- 
coccy  getis  ipe),  der  auf  der  Seite  des  Steisses  sich  einerseits  an  das 
Schambein ,  anderseits  an  die  vorderen  Schwanzwirbel  ansetzt ;  unter 
ihm  findet  sich  der  Niederzieher  des  Steisses  {ac)  in  Gestalt 
einer  mächtigen  Muskelmasse,  die  sich  seitlich  und  hinter  dem  After 
vom  Schambeine  zur  Ventralfläche  der  Schwanzwirbel  begiebt. 

Folgende  Muskeln  sieht  man  nur  nach  Wegnahme  der  oberfläch- 
lichen Schicht.  Unter  dem  M.  ohliqtms  externus  liegt  deril/.  ohUqnus 
internus ,  der  von  der  letzten  Rippe  aus  mit  breiter  Basis  sich  an 
das  Schambein  setzt.  Nach  vorn  liegen  drei  Paare  von  Hebe- 
muskeln  der  Rippen,  die  von  den  vorderen  Rippen  zu  den  letzten 
Halswirbeln  verlaufen. 

Unmittelbar  an  der  Haut  der  Brust  liegt  der  überaus  mächtige 
Brustmuskel  (pc),  welcher  allein  fast  den  ganzen  Raum  zwischen 
dem  Kamme  und  dem  Schilde  des  Brustbeines  einnimmt.  Yon  vorn 
gesehen,  hat  er  die  Form  eines  Dreieckes,  dessen  eine  Seite  am  Rande 
des  Brustbeinkammes  verläuft,  während  die  vordere  dem  Schlüsselbeine 
entlang  zieht ,  bis  die  Fasern  sich  am  Vorderrande  des  Humerus  an- 
setzen.    Ein  kleines  kurzes,  fast  viereckiges  Muskelbündel,  der  Haut- 

Fig.  303.  —  Columha  domestica.  —  Die  Musculatur  im  Profil.  Drei  Viertel  der  natürlichen 
Grösse,  p,  M.  cucullanus,  vorderer  Theil ;  te,  M.  masseter;  g,  M.  genio-hyoideus ;  rep, 
M.  rectus  posterior;  rem,  M.  rectus  medius;  co,  M.  complexus ;  Ip,  M.  longus  colli 
posterior;  scp,  M.  spino-cervicalis ;  Ic,  M.  lateralis  colli;  Ipc,  M.  longus  colli  poste- 
rius, hinterer  Theil;  da,  M.  deltoideus  anterior;  Id,  M.  longissimus  dorsi;  de,  M. 
deltoideus  posterior;  Icp,  M.  levator  costarum  posterior;  il,  M.  iutercostalis ;  c,  M. 
sartorius ;  il,  M.  ilio - trochantericus  posterior;  i/t,  M.  ilio- tibialis ;  ec,  M.  levator 
coccygis ;  er,  Steissdrüse ;  pe,  M.  pubi-coecygeus ;  tra,  M.  transversus  analis ;  ir,  M. 
ischio-coccygeus;  d,  M.  flexor  ischiij  tr,  M.  transversus;  b,  M.  biceps  femoralis ; 
fj  a,  M.  gastrocnemius ;  Ipr,  M.  peroneus  longus;  p,  M.  peroneus ;  ta,  M.  tibialis; 
ob,  M.  obliquus  externus;  pc,  M.  pectoralis ;  ex,  M.  extensor  digiti  medii;  i,  M. 
flexor  digitorum;  int,  M.  interosseus ;  oi,  M.  abductor  digiti  medii;  ap,  M.  adductor 
pollicis ;  ep,  M.  abductor  poUicis ;  pr,  M.  pronator  superficialis ;  r  d,  M.  radialis ; 
b  r,  M,  brachialis;  ea,  M.  tensor  patagii  bicipitis ;  bi,  M.  biceps;  Ic,  M.  lateralis 
colli;  if,  M.  flexor  colli  longus;  t,  M.  tracheo-laryngeus ;  rca,  M.  rectus  anterior; 
m,  M.  mylo-cutaneus ;  mp,  M.  mylo-hyoideus ,  hinterer  Theil;  ma,  vorderer  Theil 
desselben ;  g,  M.  genio-hyoideus,  vorderer  Theil. 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  4g 


754  Wirbelthiere, 

brüst muskel  (pp),  zweigt  sich  ab  auf  der  vorderen  Fläche  und 
setzt  sich  an  die  Haut  an.  Auf  den  Brustmuskel  folgt  nach  hinten 
eine  dicke  Muskelplatte,  der  M.  transversus  {tr),  der  die  Bauch- 
wand zwischen  Brustbein  und  Becken  bildet  und  auf  seiner  dorsalen 
Fläche  unmittelbar  von  dem  Peritoneum  ausgekleidet  wird.  Nach 
oben  und  hinten  setzt  sich  der  Muskel  an  das  Schambein  an,  während 
er  ventralwärts  sehnig  wird  und  mit  der  Sehnenausbreitung  der  anderen 
Seite  in  der  Mittellinie  verschmilzt.  Der  After  wird  von  einem  ring- 
förmigen,  dünnen  Sphincter  (sa)  umschlossen.  Nach  Abhebung 
des  Brustmuskels  findet  man  den  tiefen  kleinen  Brustmuskel  in 
Form  einer  länglichen ,  an  der  ganzen  unteren  Fläche  des  Brustbein- 
schildes angehefteten  Masse,  die  von  einem  Sehnenblatte  der  Länge 
nach  durchsetzt  wird.  Der  Muskel  setzt  sich  mit  seinem  vorderen, 
cylindrischen  Ende  an  den  oberen  Höcker  der  Leiste  des  Humerus. 

Halsmuskeln.  —  Längs  der  dorsalen  Mittellinie  erstreckt  sich 
der  dünne,  theilweise  sehnige  M.longus  colli  (Ip),  der  vorn  sich 
an  das  Hinterhaupt,  nach  hinten  an  alle  Halswirbel  und  die  ersten 
Brustwirbel  festsetzt;  er  hebt  den  Kopf  und  den  Hals ;  unter  ihm  liegt 
der  breitere  31.  complexus  (co),  der  dem  vorderen  Theile  des  Halses 
entlang  vorn  sich  an  das  äussere  Hinterhauptsbein,  hinten  an  den 
fünften  Halswirbel  ansetzt;  ihm  folgt  der  M.  spino-cervicalis 
(scp),  ein  langes  Bündel,  das  die  Hals-  und  Rückenwirbel  bedeckt  und 
bis  zu  dem  Becken  sich  ausdehnt.  Die  Seitenflächen  des  Halses  werden 
zwischen  dem  Hinterhaupte  und  den  beiden  ersten  Halswirbeln  von  dem 
M.  rectus  colli  posterior  (rcp),  dem  M.  rectus  medius  (rem), 
mit  denselben  Ansätzen  auf  der  ventralen  Seite  der  "Wirbel,  und  end- 
lich von  dem  M.  lateralis  colli  (Ic),  einem  der  Länge  nach  in  zwei 
Bündel  getrennten  Muskel  gebildet,  welcher  den  Wirbeln  entsprechende, 
quere  Sehnenbänder  (inscriptiones  tendineae)  zeigt  und  von  den  vor- 
dersten Wirbeln  zu  den  ersten  Rippen  sich  erstreckt.  Auf  der  ven- 
tralen Halsfläche  tritt  längs  der  Mittellinie  zwischen  dem  dritten  und 
vierten  Halswirbel  und  den  mittleren  Rückenwirbeln  der  M.  flexor 
colli  long  US  (Jf)  besonders  hervor.  Vorn  wird  er  von  dem  M.  rec- 
tus colli  anterior  (rca)  bedeckt,  der  sich  einerseits  an  die  Hinter- 
hauptsbasis, anderseits  an  die  ventrale  Fläche  der  ersten  Halswirbel 
ansetzt.  Von  den  eigentlichen  Halsmuskeln  durchaus  selbständig 
sind  zwei  lange  Muskelstreifen,  M.  laryngo-tracheales  (t),  welche 
von  dem  Kehlkopfe  aus  längs  der  Luftröhre  verlaufen,  an  diese  durch 
Bindegewebebrücken  geheftet  sind  und  über  den  Kopf  hinaus  sich  er- 
strecken, um   ihre  Fasern   mit   denen  des  Hautmuskels  zu  vermischen. 

Kopfmuskeln.  —  Der  M.  genio-liyoideus  (g) ,  welcher  die 
Seitenflächen  des  Schädels  überdeckt,  hat  eine  sehr  verwickelte  Struc- 
tur.    In  der  Höhe  des  Zungenbeinbogens  theilt  er  sich  in  drei  Bündel. 


Vögel.  755 

Das  vordere  Bündel  {g,Fig.  303)  schlüpft  unter  dem  myJo-hyoideus 
durch  und  setzt  sich  etwa  in  der  Mitte  des  entsprechenden  Oberkiefers 
an  dessen  Innenfläche;  das  mittlere  Bündel  {g'^)  heftet  sich  an  die 
Zungenwurzel  und  das  hintere  Bündel  {g^)  verschmilzt  mit  dem 
der  entgegengesetzten  Seite  und  heftet  sich  durch  Bindegewebe  an  den 
vorderen  mylo-liyoideus.  Der  Schläfen-  oder  K  a  u  m  u  s  k  e  1  (f  e)  bildet 
eine  dicke,  hinter  der  Ohröffnung  gelegene  Masse;  er  steigt  seitlich 
herab  und  setzt  sich  an  den  Unterkiefer.  Auf  der  Ventralfläche  des 
Kopfes  findet  sich  der  dreieckige  M.  mylo-hyoideus,  der  mit  seinen 
queren  Fasern  die  Kehle  zwischen  den  Aesten  des  Unterkiefers  aus- 
füllt und  noch  hinter  demselben  ein  breites  Bündel  {)np)  zu  den  Seiten 
des  Kopfes  hinaufschickt;  nach  vorn,  gegen  die  Symphyse  hin,  wird  er 
sehnig.  Der  M.  mylo-cutaueits  (ni)  ist  ein  schmales  Muskelband, 
welches  mit  schiefen  Fasern  im  Niveau  des  dritten  Wirbels  von  der 
Haut  und  dem  Cucullanus  abgeht,  über  dem  myJo-hyoideus  nach  vorn 
verläuft  und  mit  dem  gegenständigen  Muskel  den  Raum  an  der  Sym- 
physe des  Unterkiefers  ausfüllt.  Hinter  ihm  liegt  der  M.  stylo- 
hyoideus,  der  den  Zungenbeinkörper  an  den  Unterkiefer  heftet- 
An  den  Seiten  des  Kehlkopfes  finden  sich  drei  Muskelpaare,  M.  lin- 
guales inferiores.  Der  hinterste,  dünnste  und  längste  dieser 
Muskel  erstreckt  sich  vom  Unterkiefer  zum  Hinterrande  der  Kehl- 
kopfspalte, wo  er  mit  dem  gegenständigen  Muskel  verschmilzt;  der 
zweite  erstreckt  sich  vom  Hinterrande  der  Kehlkopfspalte  bis  zur 
Wurzel  der  Zungenbeinbogen ;  der  vordere  geht  von  der  Vorderecke 
der  Kehlkopfspalte  zu  der  Symphyse  des  Unterkiefers.  Der  31.  f  racheo- 
hyoideus  erstreckt  sich,  hart  der  Luftröhre  anliegend,  von  der  Wurzel 
der  Zungenbeinbogen  in  gerader  Linie  nach  hinten  und  folgt  der  Luft- 
röhre etwa  im  ersten  Drittel  ihrer  Länge. 

Die  Muskeln  desVordergliedes  lassen  sich  in  drei  Gruppen 
betrachten;  die  einen  verlaufen  zwischen  Schultergürtel  und  Oberarm, 
die  anderen  von  diesem  zum  Vorderarm ,  die  dritten  vom  Vorderarm 
zur  Hand.  Wir  werden  die  hauptsächlichsten  dieser  Muskeln  ihrer 
schichtweisen  Lagerung  nach  aufzählen. 

Der  lange,  rundliche  üf.  costo-scapiilaris  setzt  sich  mit  seinem 
verdünnten  Vorderende  an  die  vordere  Ecke  des  Schulterblattes,  mit 
seinen  hinteren  Bündeln  an  die  ersten  Rippen,  über  dem  Abgange  des 
Hakenfortsatzes.  Der  M.  cor aco-hr achialis  verläuft  am  äusseren 
Rande  des  Rabenbeines,  an  dessen  vorderes  Ende ,  sowie  an  die  Leiste 
des  Hnmerus  sich  seine  sehnigen  Endbündel  ansetzen.  An  der  äusseren 
oder  dorsalen  Fläche  des  Flügels  verläuft,  am  Oberarme  (Fig.  303) 
der  M.  hiceps  (bi),  ein  mächtiger,  fast  dreieckiger,  die  Flügelseiten 
und  den  Vorderrand  einnehmender  Muskel,  der  sich  mit  breiten  Bün- 
deln oben  und  hinten  an  das  Rabenbein,  vorn  mit  starken  Sehnen  an 
die  proximalen  Enden  der  Vorderarmknochen  ansetzt.   Von  ihm  zweigt 

48* 


756 


Wirbelthiere. 

Fig.  304. 


Vögel.  757 

sich  ein  platter  Muskel,  31.  tensor  patagii  bi  c  ip  itis  (ca)  ab,  der 
sich  an  die  Haut  des  Flügels  und  mit  einer  Sehne  an  den  Daumen 
festsetzt;  dieselben  Ansätze  hat  der  vom  Brustmuskel  abgehende 
M.  tensor  patagii  pectoralis  (?^j, Fig.  304);  man  nennt  beide  auch 
die  Flügelhautmuskeln,  31.  pr opatag ial es.  Hinter  dem Biceps 
verläuft,  längs  dem  Hinterrande  des  Humerus,  der  M.  deltoideus 
anterior  {da,  Fig.  303),  der  sich  mit  dünneren,  sehnigen  Enden 
einerseits  an  das  Schulterblatt,  anderseits  an  die  Leiste  des  Humerus 
ansetzt.  Ihm  parallel  läuft  der  ähnlich  gestaltete  M.  deltoideus 
posterior  {de),  der  einerseits  an  das  Schulterblatt,  anderseits  an  den 
Hinterrand  des  Humerus  sich  ansetzt  und  den  hinteren  Rand  des 
Oberarmes  bildet.  Auf  der  Ventralseite  (Fig.  303)  verläuft  der  mäch- 
tige M.  extensor  hrachii  {eh)  vom  Hinterrande  des  Oberarmes 
zum  proximalen  Ende  der  Ulna. 

Am  äusseren  oder  oberen  Rande  des  Flügels  verläuft  der  be- 
deutende M.  extensor  longus  metacarpi  {hr,  Fig.  303),  der  sich 
einerseits  an  das  Oberarmbein,  anderseits  mit  einer  langen  Sehne  an 
das  proximale  Ende  des  Metacarpus  ansetzt.  Hinter  ihm  liegt  der 
M.  radialis  {rd)  mit  distalem  Ansätze  an  den  ersten  Metacarpal- 
knochen  und  theilweise  den  31.  pronator  superficialis  {pr)  be- 
deckend, der  als  langes  Bündel  dem  Radius  entlang  verläuft  und  sich 
an  diesen,  sowie  an  den  Humerus  ansetzt.  Der  31.  extensor  digiti 
medii  {ex)  ist  sehr  lang,  an  beiden  Enden  verdünnt;  er  setzt  sich 
einerseits  an  den  Humerus,  anderseits  mit  einer  langen  Sehne  an  den 
Mittelfinger.  Auf  der  inneren,  unteren  Seite  des  Flügels  (Fig.  304) 
finden  wir  den  31.  pronator  profundus  {pp),  der  den  Radius  ent- 
lang zu  dessen  distalem  Ende  verläuft,  den  dreieckigen  31.  cubito- 
carpalis  profundus  {cp),  der  die  Ulna  mit  dem  Handgelenke  ver- 
bindet, den  in  den  Ansätzen  entsprechenden,  aber  auf  der  Innenseite 
der  Ulna  gelegenen  31,  cuhito-carpalis  superficialis  {cm),  den 

Fig.  304.  —  Columha  domestica.  —  Die  Musculatur,  ventrale  Ansicht.  Drei  Viertel 
der  natürlichen  Grösse,  m,  M.  mylo-cutaneus ;  g^,  M.  genio-hyoideus,  vorderer  Theil ; 
g^,  derselbe,  mittlerer  Theil;  g^,  hinterer  Theil;  s,  M.  stylo-hyoideus ;  m,  M.  mylo- 
hyoideus; Ic,  M.  lateralis  colli;  If,  M.  flexor  colli  longus;  pp,  M.  pectoro-cutaneus; 
p  c,  M.  pectoralis ;    tp,    M.  tensor    patagii  pectoralis ;    e  u,  M.  tensor  patagii  bicipitis ; 

b,  M.  biceps  brachii ;  br,  M.  brachialis;  pp,  M.  pronator  profundus;  cp,  M.  eubito- 
carpalis  profundus;  ep,  M.  abductor  pollicis ;  ap,  M.  adductor  polUcis ;  ao,  M.  ad- 
ductor  digiti  medii;  ai,  M.  abductor  digiti  medii;  fd,  M.  flexor  digiti  tertii ;  i,  M. 
flexor  digitorum.;  cm,  M.  cubito-carpalis  superficialis;/«,  M.  cubitalis  ;  fc,  M.  flexor 
digitorum,    proximaler    Theil;    eb,    M.  extensor  brachii;     ob,    M.    obliquus    externus ; 

c,  M.  sartorius;  ft,  M,  femoro-tibialis ;  ta,  M.  tibialis ;  ga,  M.  gastrocnemius ;  ilt, 
M.  ileo-tibialis ;  sm,  M.  semi-membranosus ;  st,  ^I.  semi-tendinosus;  pit,  M.  pubi- 
ischio  femoralis ;  ira,  M.  analis  transversus ;  pe,  M.  pubi-coccygeus ;  ac,  M.  flexor 
coccygis;  sa,  M.  sphincter  ani;  tr,  M.  transversus;  rem,  M.  rectus  medius ;  rea, 
M.    rectus    anterior;    mp ,    M.    mylo-hyoideus ,    hinterer    Theil;    ma,    vorderer    Theil 

dessellien. 


758  Wirbelthiere. 

langen,  an  beiden  Enden  sehnigen  BI.  cuhitalis  (fs),  der  von  dem 
inneren  Höcker  des  Humerus  zu  der  Handwurzel  verläuft,  und  endlich 
den  M.flexor  digitorum  (fc),  der  am  äusseren  Rande  des  Vorder- 
armes verläuft,  vom  Humerus  entspringt  und  sich  am  Mittelfinger 
ansetzt. 

An  den  Rändern  des  Handskelettes  finden  wir  folgende,  von  beiden 
Seiten  her  sichtbare  Muskeln  und  zwar:  am  äusseren  Rande  (Fig.  303) 
den  M.  abductor  pollicis  (ejj),  zwischen  dem  ersten  Metacarpale  und 
dem  oberen  Rande  des  Daumens;  den  M.  adductor  poJlicis  (öj;), 
der  über  dem  Knochen  zwischen  dem  zweiten  Carpale  und  dem  Daumen 
verläuft;  den  ili.  abductor  digiti  medii  (cd),  welcher  einerseits 
sich  an  den  oberen  Rand  des  zweiten  Metacarpale,  anderseits  an  die 
Basis  des  ersten  Gliedes  des  Mittelfingers  ansetzt;  am  Hinterrande 
sieht  man  den  dicken  M.  fl  e  x  o  r  digitorum  hrevisii),  der  vom 
distalen  Ende  der  Ulna  zum  zweiten  Metacarpale  geht.  Auf  der 
Aussenfläche  der  Hand  (Fig.  303)  findet  sich:  der  31.  interosseus 
(i)it),  das  zweite  Metacarcapale  bedeckend;  auf  der  Innenfläche  (Fig.  303) 
der  M.  adductor  digiti  medii  (ao),  am  unteren  Rande  des  ersten 
Gliedes  des  zweiten  Fingers;  der  M.  flexor  digiti  tertii  (fd),  ein 
dünner,  mit  dem  Fingerbeuger  (fc)  in  Verbindung  stehender  Muskel. 

Hintere  Extremität.  Schenkelmuskeln.  —  Zwei  Mm. 
ilio-trochanterici  (Fig.  303)  verbinden  den  Schenkel  mit  dem  Becken. 
Der  hintere  (il)  ist  eine  mächtige,  unmittelbar  unter  der  Haut  ge- 
legene Muskelmasse ,  die  schief  von  dem  letzten  Rückenwirbel  zu  dem 
Trochanter  läuft  und  in  eine  Längsrinne  des  Darmbeines  eingesenkt 
ist;  er  bedeckt  den  vorderen  Muskel,  der  in  breiter  Ausdehnung  an  dem 
Rande  des  Darmbeines  sich  ansetzt.  Auf  der  Aussenseite  des  Schenkels 
verlaufen  ebenfalls  zwei  Muskeln.  Der  21.  sartorius  (c)  bildet  den 
Vorderrand  des  Schenkels  zwischen  dem  Aussenrande  des  Darmbeines 
und  der  Aussenseite  des  Knies.  Der  M.  ilio-tibialis  (?7f)  liegt  als  breiter 
Muskel  hinter  dem  Schneidermuskel;  mit  seinem  oberen  Rande  berührt 
er  den  Schenkelkoj)f  und  setzt  sich  an  den  Rand  des  Darmbeines,  er 
steigt  dann ,  dünner  werdend,  an  dem  Schenkel  hinab  und  setzt  sich 
mit  einer  Sehne  an  den  Kopf  der  Tibia.  Der  Hinterrand  des  Schenkels 
wird  von  dem  zwischen  Sitzbein  und  Tibia  verlaufenden  M.flexor 
iscliiaticus  (d)  und  weiter  gegen  den  Knochen  zu  von  dem  paralle- 
len, zwischen  Sitzbein  und  Fibula  verlaufenden  M.  hiceps  femoris 
(pu)  gebildet.  Die  Innenfläche  des  Schenkels  (Fig.  304)  lässt  noch 
am  Rande  den  M.  sartorius  und  ili.  iJeo-tibialis  gewahren;  hinter  ihnen 
verläuft  der  an  seinem  oberen  Ansätze  an  Darm-  und  Schambein  sehr 
hvexie  M.  puho-i  sclii  0- fem  oralis  (pu),  der  nach  unten  schmäler 
wird  und  sich  an  das  distale  Ende  des  Femur  ansetzt,  sodann  der 
M.  femoro-tihialis  (ft),  dessen  Sehne  über  das  Knie  hinläuft  und 
sich  am  Kopfe  der  Tibia  ansetzt.   Der  31.  semi-m  emhr  anosus  (sm) 


Vögel. 


759 


bildet  mit  dem  31.  semitendinosus  (st)  den  Hinterrand  des  Schenkels; 
beide  entspringen  am  Rande  des  Darmbeines  und  setzen  sich  der  erste 
an  die  Tibia ,  der  zweite  an  den  Femur.  Die  Aussenfläche  des  Beines 
(Fig.  303)  wird  von  dem  Ulf.  tihialis  (ta)  eingenommen,  der  sich  oben 
an  das  proximale  Ende  der  Tibia  ansetzt  und  eine  lange  Sehne  bildet, 
welche  sich  für  die  einzelnen  Finger  spaltet ;  ihm  folgt  der  M.  per o- 
neus  long  HS,  der  die  Seitenfläche  des  Beines  bedeckt,  oben  breit  an 
der  Tibia  entspringt,  dann  aber  mit  einer  langen  Sehne  auf  der  Sohlen- 
fläche des  Fusses  sich  zu  den  Fingern  begiebt.  Zwischen  dem  ge- 
nannten sieht  man  einen  Theil  des  M.  peroneus  (p) ,  welcher  der 
Fibula  entlang  läuft.  Ganz  nach  hinten  liegt  der  dicke,  spindelförmige 
M.  gastr ocnemius  (gci),  der  am  Femur  entspringt  und  nach  unten 
in  eine  dicke,  der  Achillessehne  ähnliche  Sehne  übergeht,  welche  sich 
an  den  Tarso-metatarsalknochen  ansetzt. 

Nervensystem.  —  Zwei  schon  bei  den  Reptilien  angelegte  Bil- 
dungen vervollständigen  sich  bei  denYögeln:  einerseits  die  vollständige 

Ausfüllung  der  Schädel- 
höhle durch  das  Ge- 
hirn und  anderseits  die 
Nacken  beuge  des  ver- 
längerten Markes ,  in 
deren  Folge  Hirn  und 
Rückenmark  nicht  mehr 
in  derselben  Flucht  lie- 
gen, sondern  einen  Win- 
kel bilden. 

Das  in  dem  Wirbel- 
canale  eingeschlossene 
Rückenmark  zeigt, 
den  beiden  Glieder- 
paaren entsprechend, 
zwei  etwa  einen  Centi- 
meter  lange  Anschwel- 
lungen ;  der  vordere 
Halswulst  liefert  die 
Nerven  des  Armgeflech- 
tes ,  der  hintere  Len- 
denwulst diejenigen 
des  Beingeflechtes.  Das 
Rückenmark  erscheint 
in  diesen  Anschwellungen  etwas  abgeplattet ;  die  Rückendecken  des 
Centralcanales ,  der  eine  vertical  gestellte ,  eiförmige  Spalte  darstellt, 
verdünnen  sich  und  weichen  sogar  an  dem  Lendenwulst  aus  einander, 
so  dass  sie   eine   der  Rautengrube  ähnliche,   in   den   Centralcanal  füh- 


a; 


Columhu  domesüca.  —  Querdurchschiiitt  des  Rücken- 
markes im  Niveau  der  dorsalen  Wurzel  eines  Nei'ven- 
paares.  Verick,  Oc.  3,  Obj.  2.  Camera  clara.  a, 
einwärts  springende  Falten  der  Hüllmembranen  ;  6,  dor- 
sale graue  Hörner;  c,  ventrale  Hörner;  d,  Central- 
canal ;  e,  weisse  Seitenstränge ;  /,  dorsaler  Strang ; 
y,  ventraler  Strang ;  //,  Hüllmembranen ;  i,  dorsale 
Wurzel   eines  Nervenpaares. 


760 


Wirbelthiere. 


rende,  offene  Lücke  darstellen,  welche  die  Lendengrube  genannt 
wird.  Abgesehen  von  diesen  beiden  Verbreiterungen  ist  das  Rücken- 
mark cylindrisch,  verdünnt  sich  aber  allmählich  nach  hinten  zu 
einem  feinen  Faden,  der  an  dem  Steissbeine  endet. 

Ausser  der  Nervensubstanz  spielt  in  der  histologischen  Zusammen- 
setzung des  Rückenmarkes  noch  eine  Art  von  Bindegewebe  eine 
wesentliche  Rolle,  die  als  ein  Maschennetz  von  Neuroglie  gewisser- 
maassen  das  Gerüst  des  Rückenmarkes  darstellt  und  besonders  in  der 
grauen  Substanz  sich  anhäuft,  wo  die  Zellen  in  den  Maschen  dieses 
Netzes  liegen.  Von  den  Hüllhäuten  ausgehende  feine  Lamellen 
(a,  Fig.  305  a.  v.  S.)  dringen  mehr  oder  minder  tief  von  der  Peripherie 
her  convergirend  gegen  den  Centralcanal  in  das  Mark  ein.  Die  aus 
Zellen  und  Fasern  zusammengesetzte  Nervensubstanz  vertheilt  sich  in 
der  Weise,  dass  die  Zellen  sich  vorzugsweise  in  der  Umgebung  des 
Centralcanales  anhäufen  und  mit  Fasern  untermischt,  vier  kreuzförmig 


Fig.  306. 


Columha  doniestica.  —  Ursprünge  eines  Riickenmarknervens  aus  der  Halsgegend ; 
zwölfFache  Vergrösserung.  A,  von  der  Seite ;  B,  dorsale,  C,  ventrale  Ansicht,  a,  dor- 
sale Wurzeln ;  b,  ventrale  Wurzeln ;  c,  Ganglion  ;  d,  dorsaler  Ast  des  Nervens ;  e,  An- 
satz eines  Zweiges  vom  Sympathicus ;  f,  vei'breiterter  Ansatz  eines  anderen  Zweiges 
vom  Sympathicus ;  g,  ventraler  Ast  des  Riickenmarknervens ;  h,  Umriss  des  Rücken- 
markes. 


gegen  die  Peripherie  hin  ausstrahlende  Massen ,  die  H  ö  r  n  e  r,  bilden  ; 
die  dorsalen  Hörner  (b)  entsenden  die  sensiblen  Wurzeln,  die 
ventralen  Hörner  (c)  die  motorischen  Wurzeln  der  Rückenmarks- 
nei'ven.  Auf  einem  Querschnitte  des  Markes  (Fig.  305)  bildet  die 
graue  Zellensubstanz  ein  liegendes  Kreuz  mit  dem  Centralcanale  als 
Mittelpunkt.  Zwischen  den  Schenkeln  dieses  Kreuzes  finden  sich 
Stränge  von  weisser,  nur  aus  Fasern  und  Neuroglie  gebildeter  Sub- 
stanz. Man  unterscheidet  zwei  Seitenstränge  (e) ,  einen  dorsalen  (/) 
und  einen   ventralen  Strang  (g) ,  deren  jeder  durch   einen  Längsspalt 


Vögel. 


761 


in  zwei  Hälften  getrennt  ist.  Zahlreiche  Blutgefässe  verzweigen  sich 
in  der  Nervensubstanz. 

Auf  beiden  Seiten  des  Markes  entspringen  die  Rückenmarksnerveu, 
jeder  aus  zwei  über  einander  gelagerten  Wurzeln;  die  dorsale  sensitive 
Wurzel  (a,  Fig.  306)  mit  drei  Ursprungsbündeln ,  während  die  ven- 
trale motorische  Wurzel  (b)  nur  mit  zwei  Bündeln  entsteht.  Die  drei 
Bündel  der  sensitiven  Wurzel  bilden  ein  dickes  Ganglion  (c),  an  dessen 
ventrales  Ende  die  Bündel  der  motorischen  Wurzel  herantreten ,  um 
den  gemeinschaftlichen  Rückenraarksnerven  (g)  zu  bilden,  welcher  so- 
fort einen  zu  den  Muskeln  und  zur  Haut  des  Rückens  emporsteigenden 
Rückenast  (d)  entsendet.  Der  Stamm  des  Xervens  verläuft  in  den 
Seitenwänden  des  Körpers  nach  unten  gegen  den  Bauch  und  innervirt 
auf  diesem  Wege  die  Muskeln  und  die  Haut.  Zu  jedem  Ganglion 
stossen  ausserdem  noch  zwei  Aeste  des  Sympathicus  (e,  /),  von  welchen 
später  die  Rede  sein  wird. 

Das  Hirn  der  Taube  zeigt  dieselben  Haupttheile  wie  dasjenige 
der  Reptilien  und  Amphibien.    Bei  der  Ansicht  von  oben  (Fig.  307,  ^) 

Fig.  307. 


Columha  domesüca.  —  Das  Gehirn  in  doppelter  Vergrössei-ung.  A,  dorsale  Ansicht ; 
B,  ventrale  Ansicht,  a,  Eiechknoten;  6,  Hemisphären:  h' ,  seitliche  Furche  derselben; 
c,  Epiphyse  ;  d,  Kleinhirn  ;  d',  Flocken  ;  e,  Rückenmark  ;  /,  verlängertes  Mark ;  g,  Seh- 
hügel ;  h,  Hypophyse ;  i,  Chiasma ;  k,  ventrale  Einbucht  der  Hemisphären ;  n,  Seh- 
strang ;   o,  Trennungsfurche  zwischen-  verlängertem  Mark  und  Piückenmark. 


sieht  man  vorn  die  grossen,  durch  einen  Längsspalt  getrennten 
Hemisphären  (&)  des  Vorderhirnes,  die  in  ihrer  Gesammtheit  etwa 
die  Figur  eines  Kartenherzens  zeigen,  dessen  von  den  kleinen  kegel- 
förmigen Riechknoten  (a)  gekrönte  Spitze  nach  vorn  gerichtet  ist. 
Auf  jeder  Hemisphäre  zeigt  sich  eine  seichte  Längsfurche  (?>')•  Hinter 
den   Hemisphären   springen    noch    die  grösstentheils  von   ihnen  über- 


762 


Wirbelthiere. 


deckten  Sehhügel  (g)  des  Mittelhirnes  vor  und  in  dem  Winkel 
ihres  hinteren  Ausschnittes,  am  Ende  des  Längsspaltes  liegt  die  Epi- 
physe  oder  Zirbeldrüse  (c)  in  Gestalt  eines  kleinen,  weissen 
Knötchens.  Weiter  nach  hinten  tritt  das  Kleinhirn  (d)  hervor,  das 
aus  einem  mächtigen ,  durch  einige  Querspalten  gezeichneten  Mittel- 
stücke und  zwei  kleinen,  seitlichen  Anhängen,  den  Flocken  (flocculi,  d') 
besteht.  Das  Kleinhirn  bedeckt  vollständig  die  Rautengrube  und  die 
sie  umgebenden  Tbeile  des  Nachhirnes  oder  verlängerten  Markes. 
Bei  der  Ansicht  von  unten  (F'ig.  307,  JB)  fallen  besonders  die  Hemi- 
sphären und  die  Sehhügel  durch  ihre  Grösse  auf.  Die  Riechknoten 
an  der  Spitze  der  Hemisphären  ziehen  sich  auf  der  Unterfläche  etwas 
weiter  nach  hinten  und  fliessen  in  der  Mittellinie  zusammen ;  erste  An- 
deutung einer  Bildung,  die  bei  den  Säugethieren  sich  weiter  entwickelt. 
Auch  auf  der  Unterfläche  der  Hemisphären   zeigen   sich   seitliche  Ein- 

Fig.  308. 


Columba  domestica.  —  Sagittaler  Medianschnitt  durch  das  Gehirn ,  zwischen  den 
Hemisphären  gelegt,  a,  Rautengrube;  b,  Hemisphären;  c,  Epiphyse;  d,  Kleinhirn; 
e,  Rückenmark;  /,  verlängertes  Mark;  h,  Hypophyse;  i,  Chiasma  der  Sehnerven; 
m,  Ende  des  Riechnervens ;  n,  Lappen  des  Kleinhirnes;  o,  Riechnerv;  o',  Riechknoten; 
j),  hintere  Commissur;  q,  vordere  Commissur;  r,  Corpus  callosum;  HI,  dritter  Ven- 
trikel ;  IV,  vierter  Ventrikel. 


drücke  (Je).  Die  Sehhügel  haben  eine  fast  kugelige  Form;  sie  sind 
scharf  von  den  Hemisphären  vorn  und  dem  verlängerten  Marke  hinten 
getrennt ,  sind  aber  durch  den  Seht r actus  (n) ,  von  welchem  das 
Chiasma  der  Sehnerven  (i)  ausgeht,  in  der  Mittellinie  vereinigt.  Un- 
mittelbar hinter  dem  Chiasma  tritt  in  der  Mittellinie  der  kleine,  graue, 
eiförmige  Hirnanhang,  die  H  ypophy  se  (/*),  hervor.  Das  verlängerte 
Mark  (/)  besteht  aus  zwei,  durch  eine  Längsfurche  getrennten,  nach 
unten  vorgewölbten  Massen,  die  durch  eine  deutliche,  quere  Ein- 
senkung   (o)   von   dem  schmäleren   Rückenmarke   (e)   abgegrenzt  sind. 


Vögel.  763 

Die  Flocken  des  Kleinhirnes  ragen  etwas  über  die  Seitenränder  des 
verlängerten  Markes  vor.  Ein  medialer,  zwischen  den  beiden  Hemi- 
sphären gelegter  Längsschnitt  (Fig.  308)  zeigt  uns  die  charakteristi- 
schen Faltungen  (n)  des  Kleinhirnes,  welche  den  sogenannten  Lebens- 
baum {Ärhor  vitae)  bilden.  Zwischen  Kleinhirn  und  verlängertem 
Marke  führt  die  Rautengrube  (a)  in  den  vierten  Ventrikel  (IV). 
Die  übrigens  sehr  dünne  Decke  des  dritten  Ventrikels  verdickt  sich  am 
Vorderrande  des  Kleinhirnes  zu  der  weissen,  hinteren  Commissur 
(p),  die  von  Querfasern  gebildet  wird,  welche  die  beiden  Sehhügel  mit 
einander  verbinden.  Weiter  nacb  vorn  bildet  dieselbe  Decke  die  eben- 
falls weissliche  vordere  Commissur  (g);  zwischen  beiden  Com- 
missuren  erkennt  man  auf  dem  Durchschnitt  die  erste  Anlage  des 
Schwielenkörpers,  Corpus  callosum  (r) ,  welche  ebenso  wie  die 
vordere  Commissur    die  beiden  Hemisphären   mit  einander  verbindet. 

Gehen  wir  auf  einige  Einzelheiten  ein.  Die  dorsale  Wand  des 
verlängerten  Markes  (/)  verdünnt  sich  mehr  und  mehr  bei  dem 
Durchgange  unter  dem  Kleinhirn ,  während  der  Centralcanal  sich  zur 
Rautengrube  erweitert,  in  welche  mit  den  Hüllhäuten  das  Gefässnetz 
eindringt,  das  den  Choroidealplexus  bildet  und  sich  in  dem 
weiten  vierten  Ventrikel  ausbreitet,  dessen  äusserst  dünne,  hautartige 
Decke  meist  bei  der  Zergliederung  zerreisst.  Der  Boden  des  vierten 
Ventrikels  zeigt  die  Fortsetzung  des  Centralcanales  in  Form  einer 
Längsspalte,  welche  seitlich  von  den  vorderen  Pyramiden  be- 
grenzt wird.  Das  Kleinhirn  (d),  das  dem  Wurme  des  Säugethier- 
gehirnes  entspricht,  wird  durch  vorspringende  Querfalten  der  Hüll- 
hänte ,  die  von  aussen  her  tief  in  die  Masse  eindringen ,  in  etwa 
15  Lamellen  von  nahezu  gleicher  Dicke  zerlegt.  Jede  dieser  Lamellen 
zeigt  im  Inneren  eine  weisse ,  von  Fasern  gebildete ,  etwas  wellig  ge- 
bogene Axe,  welche  ringsum  von  grauer  Zellensubstanz  umfasst  wird, 
deren  Schicht  gegen  die  Peripherie  hin  an  Mächtigkeit  zunimmt,  so 
dass  der  Durchschnitt  der  Lamelle  einen  langen  Keil  bildet,  dessen 
Spitze  mit  der  weissen  Substanz  des  Inneren  zusammenhängt.  Die 
Hüllhaut  (pia  mater)  dringt  in  die  Spalten  zwischen  den  Lamellen  ein, 
deren  Randschicht  aus  Xeuroglie  mit  kleinen  Zellen  besteht ,  die  sehr 
feine  Ausläufer  zeigen.  Die  Hauptschicht  der  grauen  Substanz  besteht 
aus  grösseren,  meist  bipolaren  Zellen  mit  starken  Ausläufern,  welche 
in  die  Rindenschicht  eindringen. 

Durch  Querschnitte  (Fig.  309  a.  f.  S.)  kann  man  die  Kenntniss 
der  Verbindungen  der  einzelnen  Hirntheile  und  der  in  ihnen  an- 
gebrachten Höhlen  vervollständigen.  Das  nach  vorn  zur  Bildung  der 
Hirnschenkel  (i)  sich  fortsetzende  verlängerte  Mark  wird  von  dem 
daraufliegenden  Kleinhirne  durch  den  vierten  Ventrikel  (d)  getrennt, 
der  sich  bald  überdacht  und  nun  einen  sehr  platten,  breiten  Canal 
darstellt,  den  Aquaediicttis   Sylvii  {m).     Das  Dach  dieses  Canales 


764 


Wirbelthiere. 


ist  stets  sehr  dünn,  haiitartig,  während  sein  Boden  sehr  dick  wird  und 
fast  seiner  ganzen  Länge  nach  durch  eine  mehr  und  mehr  sich  ver- 
tiefende Rinne  in  zwei  Hälften  zerlegt  wird,  die  aus  Längsfasern  und 
Zellen  besteben.  Die  eiförmigen  Sebhügel  (k) ,  welche  sich  von 
diesen  seitlichen  Hirnschenkeln  aus  zur  Bildung  des  Mittelhirnes  empor- 
wölben, zeigen  demnach  in  ihrem  Inneren  jederseits  eine  Höhlung, 
welche  mit  den  Seitentheilen  der  Syl vi' sehen  Wasserleitung  zu- 
sammenhängt. Die  Durchschnitte  der  Sehhügel  lassen  regelmässig  auf 
einander  gelagerte,  den  äusseren  Conturen  parallel  gebogene  Schichten 


Columha  domestica.  —  Dreifach  vergrösserte  Querdurchschnitte  durch  das  Hirn. 
A,  durch  den  hinteren  Theil  des  Kleinhirnes ;  B,  durch  den  vorderen  Theil  desselben ; 
C,  durch  den  hinteren  Theil  der  Hemisphären ;  D,  durch  das  Chiasma  der  Sehnerven. 
a,  Kleinhirn;  b,  seine  Falten;  c,  Flocken;  d,  vierter  Ventrikel ;  e,  verlängertes  Mark; 
f,  dorsale  Wand  der  Hemisphären ;  g,  Seitenventrikel ;  h,  verdickter  Boden  der  Hemi- 
sphären, Streifenkörper ;  i,  Hirnschenkel ;  ]c,  Sehhügel ;  l,  Ventrikel  der  Sehhügel ; 
m,  S  y  1 V  i '  sehe  Wasserleitung ;  71,  Zwischenhirn  ;  p,  vordere  Commissur ;  q,  dritter 
Ventrikel ;  r,  Chiasma  der  Sehnerven. 


gewahren ,   in   welche   zarte  Verlängerungen    der   Hüllhaut   mit  ihren 
Blutgefässen  eindringen.     Das  vordere  und  untere  Ende  der  Sehhügel 


Vögel.  765 

verschmilzt  mit  der  Basis  des  Chiasma.  Das  Zwisckenhirn  (Thala- 
mencephalon)  (w,  Fig.  309),  welches  aus  der  hinteren,  ungetheilten 
Hälfte  der  ersten  Hirnblase  des  Embryos  sich  entwickelt,  später  aber 
gänzlich  von  den  anderen  Hirntheilen  verdeckt  wird,  erstreckt  sich 
vom  Vorderende  der  Sylvi' sehen  Wasserleitung  bis  zum  Chiasma 
und  umhüllt  mit  seinen,  von  den  Hemisphären  bedeckten  Wandungen 
die  Fortsetzung  der  Wasserleitung,  die  sich  zu  einem  senkrecht  ge- 
stellten Canale  mit  eiförmigem  Durchschnitte,  dem  dritten  Ventrikel 
(q),  gestaltet,  dessen  Dach  theilweise  von  dem  Tractus  opticus  gebildet 
wird.  Die  Höhlung  der  sehr  dünnwandigen  Epiphyse  enthält  einen 
Choroidealplexus  und  in  den  Wandungen  ihres  etwas  erweiterten 
distalen  Endes  verzweigen  sich  zahlreiche  Blutgefässe.  Die  Hypo- 
physe besteht  aus  zwei  deutlich  unterschiedenen  Theilen,  dem  Hirn- 
trichter,  Infundihuhim,  dessen  Höhlung  eine  Fortsetzung  nach 
unten  des  dritten  Ventrikels  (III,  Fig.  308)  bildet  und  einem  an  der 
Spitze  des  Trichters  hängenden ,  eiförmigen  und  compacten  Theile 
(Ji,  Fig.  308),  der  aus  feinkörniger  Substanz  besteht.  —  Die  beiden 
Hemisphären  zeigen  in  ihrer  hinteren  Hälfte  ein  sehr  dünnes  Dach 
(/,  Fig.  309,  C)  und  einen  sehr  dicken  Boden,  zwischen  welchen  die 
Seitenventrikel  (^)  sich  erstrecken,  die  durch  das  Mo  uro 'sehe 
Loch  mit  dem  dritten  Ventrikel  zusammenhängen.  Mit  dem  Boden 
zusammen  bilden  die  Seitenwände  der  Hemisphären  die  mächtigen 
Massen  der  Streifenkörper,  Corpora  striata  (h).  Die  Quer- 
schnitte zeigen  uns ,  dass  diese  Bodenanschwellungen  vorn  sehr  ver- 
dickt sind,  nach  hinten  aber  sich  verdünnen ,  selbständig  werden  und 
sich  so  von  dem  Boden  abheben ,  dass  sie  mit  den  Seitenwänden 
{h,  B  und  C)  nicht  mehr  zusammenhängen.  Auf  ihrem  Grunde  stellen 
sich  die  Fasern  so  zusammen,  dass  sie  die  Schenkel  der  Hemisphären 
bilden ,  die  sich  mehr  und  mehr  nach  vorn  durch  ihre  Verschmelzung 
mit  den  Streifenkörpern  verdicken  und  nun  die  Seitenventrikel  (g)  als 
halbmondförmige  Höhlen  zeigen,  während  die  tiefe,  mittlere  Längs- 
spalte nach  hinten  durch  die  vordere  Quercommissur  {p)  begrenzt  und 
von  dem  dritten  Ventrikel  (q)  abgedämmt  wird. 

So  werden  denn  die  inneren  Höhlungen  des  Gehirnes  schliesslich 
von  einem  centralen  Canale  durchsetzt,  welcher  von  dem  dritten  Ven- 
trikel, der  Sylvi' sehen  Wasserleitung,  und  dem  vierten  Ventrikel  ge- 
bildet wird  und  sich  nach  oben  für  den  Eintritt  der  Choroidalnetze  in 
der  Rautengrube  öffnet.  Der  dritte  Ventrikel  communicirt  mit  zwei 
geschlossenen,  senkrechten  Verlängerungen:  der  Höhlung  der  Epiphyse 
nach  oben  und  des  Trichters  der  Hypophyse  nach  unten,  und  breitet 
sich  durch  das  M  o  n  r  o '  sehe  Loch  seitlich  in  den  Ventrikeln  der  Seh- 
hügel und  der  Hemisphären  aus. 

Die  Hü  11  häute  zeigen  die  schon  bei  den  Reptilien  beschriebene 
Anordnung  in  drei  Schichten.     Die  sehr  feste  dura  mater  überzieht 


766  Wirbelthiere. 

die  inneren  Flächen  des  Rückencanales  und  der  Schädelknochen,  liegt 
überall  fest  an  den  harten  Theilen  und  spielt  zugleich  die  Rolle  eines 
Periosts:  die  äusserst  feine  arachnoidea  legt  sich  unmittelbar  an 
sie  an.  Die  an  der  Nervensubstanz  unmittelbar  anliegende  pia 
mater  schickt  in  diese  zahlreiche  Fortsätze  und  Falten,  welche  zum 
Theil  das  Gerüst  der  Nervensubstanz  bilden  und  zugleich  die  Gefässe 
in  das  Innere  führen.  Sie  dringt  allein  von  den  drei  Schichten  in  die 
Spalten  des  Kleinhirnes  und  in  die  Höhle  des  vierten  Ventrikels  und 
bildet  die  verschiedenen  Plexus  im  Inneren  der  Hirnhöhlen. 

Peripherisches  Nervensystem.  —  Da  wir  die  einfachen 
Rückenmarksnerven  schon  betrachtet  haben  bei  Gelegenheit  des  Rücken- 
markes, so  behandeln  wir  hier  nur  noch  die  Plexus,  die  Hirnnerven 
und  den  Sympathicus. 

Der  Plexus  puden  dus  ist  aus  sieben,  schief  nach  hinten  ver- 
laufenden Nerven  zusammengesetzt  und  liegt  hinter  dem  Becken  auf 
dem  Steisse.  Die  dem  Becken  am  meisten  genäherten  beiden  ersten 
Nervenstämme  verschmelzen  bald  zu  einem  Stamme,  der  auf  die  ven- 
trale Seite  des  31.  öbturatorius  sich  schlägt  und  in  diesem  verzweigt. 
Von  der  Vorderseite  dieses  Nervens  gehen  ausserdem  zwei  Zweige  für 
die  Ausführungsgänge  der  Nieren  und  der  Geschlechtsorgane  ab.  Der 
Nerv  erhält  zwei  kurze  Verbindungsäste  vom  dritten  Nerven,  der  von 
der  ventralen  Seite  her  sich  in  den  Mm.  pubi-coccygeus  und  transver- 
sus  ani  verzweigt.  Der  vierte  Nerv  verbindet  sich  an  seinem  Ur- 
sprünge mit  dem  fünften  und  verzweigt  sich  ebenfalls  in  dievaM.  pubi- 
coccygeus.  Der  fünfte  geht  zu  den  auf  der  dorsalen  Fläche  des  Steisses 
angebrachten  Muskeln  und  zur  Haut;  während  der  sechste  und  sie- 
bente ,  an  ihrem  Ursprünge  durch  einen  Knoten  verbunden ,  sich  auf 
der  ventralen  Seite  verzweigen. 

Lendenplexus  und  Beinnerven  (Fig.  310).  —  Um  diese 
Geflechte  und  die  daraus  hervorgehenden  Nerven  zur  Anschauung  zu 
bringen,  entfernt  man  die  Haut  des  Beckens,  des  Beines  und  den 
ganzen  M.  ileo-trochantericus  und  trennt  dann  das  Darmbein  an  seiner 
Vereinigung  mit  dem  Kreuzbeine  ab.  Man  sieht  dann  unmittelbar 
zwei  Gruppen:  die  vordere,  der  Schenkelplexus  {Plexus  cruralis), 
wird  von  den  Stämmen  XXI  und  XXII  gebildet;  die  hintere,  weit  be- 
deutendere Gruppe  des  Hüftplexus  (Plexus  ischiaticus).,  wird  von 
vier  Nervenstämmen,  XXIII  bis  XXVI,  zusammengesetzt. 

Die  beiden  Stämme  des  Schenkelplexus  sind  theilweise  von 
der  Niere  umhüllt  und  verlaufen,  einander  sich  nähernd,  fast  senkrecht 
nach  unten.  Von  dem  äusseren  Rande  eines  jeden  Stammes  entsteht 
ein  Zweig  (a,  b,  Fig.  310),  der  sich  noch  im  Inneren  der  Niere  mit 
demjenigen  des  anderen  Stammes  vereinigt  und  so  einen  Nerven  (& ) 
für  die  seitlichen  Muskeln  der  hinteren  Bauchgegend  bildet.   Die  beiden 


Vögel. 


767 


Fiff.  310. 


Stämme  verschmelzen  in  einer  länglichen,  einem  Ganglion  ähnlichen 
Masse,  von  deren  hinterem  Ende  mehrere  Zweige  aussti'ahlen.  Der  be- 
deutendste dieser  Zweige  (fj 
läuft  unter  dem  31.  ileo-tibkdis 
längs  dem  Schenkel  bis  zum 
Knie,  wo  er  sich  in  der  Haut 
verzweigt.  Vor  dieser  Ver- 
zweigung giebt  der  Nerv  noch 
einen  Ast  (d)  an  den  Schnei- 
dermuskel ab.  Ferner  ent- 
sendet die  Schenkelanschwel- 
lung noch  einen  dicken,  hin- 
teren Ast  (e)  zum  31.  üeo- 
tihiälis.  Zwei  tiefe  Aeste 
(/,  g)  laufen  unter  diesem 
Muskel  durch,  vereinigen  sich 
und  bilden  einen  Stamm  {g' ), 
der  sich  an  der  Haut  der 
Innenfläche  des  Schenkels  und 
Beines  verzweigt. 

Der  Hüftplexus  wird 
von  vier ,  fast  gleich  mächti- 
gen Stämmen  gebildet,  die 
nach  hinten  convergiren  und 
schliesslich  in  einem  grossen 
Nerven,  dem  Hüft  nerven, 

Columha  domestica.  —  Lendeupiexus 
und  Nerven  des  linken  Beines  in 
natürlicher  Grösse.  XXI  bis  XXYI, 
Stämme  aus  dem  Rückenmark;  a, 
Zweig  des  Stammes  XXI ;  b,  Zweig 
des  Stammes  XXII ;  b',  Seitennen-, 
aus  der  Vereinigung  von  a  und  b 
entstanden ;  c,  Hautnerv  des  Schen- 
kels;  d,  Nerv'des  Schneidermuskels; 
e,  das  M.  ileo-tibialis ;  /,  g,  Wur- 
zeln des  Hautnervens  g'  der  inneren 
Fläche  des  Schenkels ;  h ,  Nervus 
ischiaticus;  i,  Nerv  des  M.  ileo- 
fiexor ;  k,  Nerv  des  M.  obliquus  ex- 
ternus  und  transversus  ani;  /,  Nerv 
des  M.  ischio-flexor;  m,  Nerv  des  M.  biceps  femoralis;  wi\  m^,  dessen  Zweige: 
n,  Nervus  ischiatico- femoralis  anterior;  o,  Nerv  des  M.  tibialis ;  Jh  oberflächlicher 
Wadennerv;  q,  tiefer  Wadennerv;  r,  Nerv  der  zweiten  und  dritten  Zehe;  s,  Nerv 
der  ersten  Zehe;  t,  Nervus  ischiatico -femoralis  medius ;  u,  Nerv  des  M.  gastroc- 
nemius;   v,  Nerv  der  Wadenmuskeln;  x,  N.  ischiatico-femoralis  posterior;  y,  Nerv  der 

Hinterzehe. 


768  Wirbelthiere. 

N.  iscliiaiicus  (Ji),  zusammenfliessen.  Der  Hüftnerv  entsendet  nach 
hinten  drei  Hauptzweige:  der  erste  (i)  derselben  läuft  längs  dem  proxi- 
malen Ende  des  M.  pubo-ischio-femoralis,,  giebt  diesem  einige  Zweige 
und  endet  in  dem  M.  ileo-flexor;  der  mittlere  Ast  (k)  läuft  unter  dem 
M.  hkeps  femoralis  durch  zu  dem  31.  ohliquics  externus  und  transversus 
ani.  Der  unterste  (0,  von  allen  der  längste,  versorgt  den  M.  hiceps 
femoralis  und  zuletzt  den  M.  ileo-flexor.  Etwas  hinter  diesen  Nerven 
entsteht  ein  unabhängiger  Nerv  (m),  der  sich  bald  in  zwei  Hauptzweige 
theilt,  von  welchen  der  obere  {m')  in  den  proximalen  Theil  des  hiceps 
femoralis  von  der  inneren  Fläche  her  eindringt,  während  der  untere 
(m-)  das  distale  Ende  desselben  Muskels  versorgt.  Schliesslich  theilt 
sich  hinter  dem  Femur  der  Stamm  des  Hüftnervens  in  drei  Nervi 
ischiatico -femorales,  zwei  starke,  etwa  gleich  grosse  Nerven,  zwischen 
welchen  ein  mittlerer,  dünner  Faden,  der  oft  an  dem  einen  oder  anderen 
Nachbar  fest  anliegt.  Der  N.  iscliiatico-fem.oralis  anterior  (n) 
schlägt  sich  aus  der  Kniegrube  über  die  Aussenseite  des  Gelenkkopfes 
der  Fibula  auf  den  Vorderrand  des  Beines  mit  einer  Krümmung,  von 
deren  Spitze  ein  Nerv  (o)  für  den  M.  tibialis  abgeht.  Sodann  theilt 
sich  der  Nerv  in  zwei  Wadenäste,  die  längs  der  Fibula  verlaufen;  der 
oberflächliche  Wadennerv  (jj)  läuft  anfangs  mit  dem  tiefen  zusammen 
unter  dem  M.  tibialis,  erscheint  aber  dann  auf  dem  Tarso-Metatarsal- 
knochen  unmittelbar  unter  der  Haut  und  versorgt  die  Sehnen  der 
Streckmuskeln  der  dritten  und  vierten  Zehe.  Der  tiefe  Wadennerv  (g) 
liegt  hart  an  dem  Knochen  an ,  kommt  aber  an  dem  Gelenke  zwischen 
Tibia  und  Tarso-Metatarsale  an  die  Oberfläche  und  theilt  sich  in  zwei 
Aeste ,  von  welchen  der  bedeutendere  (r)  auf  der  Vorderfläche  des 
Tarso-Metatarsale  verläuft  und  zum  Innenrande  der  dritten  und  Aussen- 
rande  der  zweiten  Zehe  ausstrahlt;  der  kleinere  Ast  (s)  läuft  längs 
dem  Innenrande  des  Tarso-Metatarsale  zu  den  Sehnen  der  Beuge- 
flächen der  zweiten  und  ersten  Zehe.  Der  N.  ischiatico-femoralis' 
meclius  (t)  läuft  am  äusseren  Rande  des -Zl£  gastrocnemius  herab,  schlägt 
sich  unter  die  distale  Sehne  dieses  Muskels,  folgt  dann  dem  Tarso- 
Metatarsale  und  verzweigt  sich  in  den  Sehnen  der  Aussenseiten  der 
vierten  und  ersten  Zehe.  Der  N.  ischiatico-femoralis  poste- 
rior (x)  verdickt  sich  in  der  Kniebeuge  etwas  und  theilt  sich  in  vier 
ungleiche  Zweige,  von  welchen  die  beiden  feinsten  (u)  sich  in  dem 
mächtigen  M.  gastrocnemius  verzweigen.  Ein  stärkerer  Zweig  (v)  ver- 
läuft nach  hinten  zu  den  Wadenmuskeln  und  der  stärkste  (y)  folgt 
dem  äusseren  Rande  der  Tibia  bis  zur  Achillessehne,  giebt  auf  diesem 
Wege  einige  Aestchen  an  die  tiefen  Wadenmuskeln  und  den  31.  gastroc- 
nemius und  endigt  an  dem  Innenrande  der  ersten  Zehe. 

Armplexus  und  Flügeln erven  (Fig.  311).  —  Das  Arm- 
geflecht wird  von  fünf  Rückenmarksnerven  gebildet,  welche  die  Num- 
mern XI  bis  XV  tragen.     Die   drei   mittleren   Stämme   sind  mächtiger 


Vögel.  769 

als  der  vordere  und  hintere,  aber  die  Beziehungen  dieser  Stämme  zu 
den  aus  dem  Plexus  hervorgehenden  Nerven  lassen  sich  deshalb  nicht 
mit  vollkommener  Sicherheit  feststellen ,  weil  sie  nicht  nur  bei  ver- 
schiedenen Individuen,  sondern  sogar  auch  auf  den  beiden  Seiten  der- 
selben Taube  variiren.  Alle  diese  Stämme  werden  durch  feine,  hori- 
zontale Aeste  mit  einander  verbunden.  !Nach  seinem  Austritte  aus 
<iem  Rückenmarke  verläuft  der  Xerv  XI  direct  nach  hinten,  giebt  einen 
Zweig  (a)  au  die  Haut  und  verbindet  sich  mit  dem  Stamme  XII. 
Dieser  entsendet  unmittelbar  nach  seinem  Austritte  einen  Ast  (e) ,  der 
sich  mit  einem  vorderen  Aste  (/)  des  Stammes  XI  zur  Bildung  des 
sehr  feinen  N.  serratus  oder  thoracicus  superior  (g)  verbindet, 
welcher  schief  über  den  Armplexus  verlaufend  sich  in  den  3Im.  costo- 
scapulares  verzweigt.  Xacli  Abgabe  dieses  Astes  läuft  der  Xerv  nach 
hinten  und  theilt  sich  in  zwei  Aeste,  von  welchen  der  vordere,  nach 
Abgabe  von  Zweigen  für  den  JSl.  äUpra-coracGideus  (b)  und  für  den 
M.  pectoralis  minor  (c,  d)  die  vordere  Wurzel  des  oberen  Armnerven 
bildet,  während  der  hintere  Ast  zur  Bildung  der  vorderen  Wurzel  des 
unteren  Armnerven  beiträgt.  Der  Stamm  XIII  läuft  in  senkrechter 
Richtung  und  theilt  sich  nach  Abgabe  einiger  Fädchen  in  zwei  gleich 
grosse  Aeste:  der  vordere  bildet  die  mittlere  Wurzel  des  oberen  Arm- 
nerven, der  hintere  diejenige  des  unteren  Armnerven.  Xach  Abgabe 
des  Verbindungszweiges  mit  dem  folgenden  Stamme  theilt  sich  der 
leicht  nach  vorn  gewandte  Stamm  XIV  in  zwei  Zweige .  eine  vordere 
Wurzel  für  den  oberen  und  eine  hintere  Wurzel  für  den  unteren  Arm- 
nerven. Es  geht  aus  dem  Gesagten  hervor,  dass  die  beiden  grossen 
Armnerven  von  drei  Stämmen,  XII,  XIII  und  XIV  gebildet  werden 
und  zwar  in  der  Art,  dass  die  vorderen  Aeste  dieser  Stämme  den 
oberen,  die  hinteren  Aeste  den  unteren  Armnerven  zusammensetzen. 
Von  der  inneren  Seite  des  Anfanges  des  unteren  Armnerven  (5,  Fig.  .311) 
gehen  zwei  mächtige  Brustnerven  (/)  für  die  grossen  Brustmuskeln 
aus.  In  ihrer  Nähe  löst  sich  noch  ein  sehr  dünner  J\".  coraco- 
hr achialis  (k)  ab,  der  in  dem  gleichnamigen  Muskel  sich  verzweigt. 
Endlich  werden  noch  von  dem  Aussenrande  des  Stammes  XIV  zwei 
Aeste  entsendet,  welche  sich  vereinigen  und  den  Nerven  (/)  für  die 
Flügelhaut  zwischen  Flügel  und  Körper  zusammensetzen. 

Der  Stamm  des  oberen  Arm  nerven  {m,  A,  Fig.  311)  läuft 
unter  dem  31.  deltoideus  xjosterior  etwas  nach  hinten  und  giebt  einen 
starken  Ast  ab,  der  sich  um  den  Gelenkkopf  des  Humerus  herum- 
schlingt und  Zweige  in  den  M.  deltoideus  anterior  (no)  und  in  den 
31.  hicejjs  (o)  sendet.  Etwas  weiter  nach  hinten  gehen  von  ihm  ab 
Nerven  für  den  31.  deltoideus  posterior  (p  und  p),  worauf  sich  der 
Stamm  in  zwei  parallele  Aeste  theilt ,  welche  noch  einige  Zeit  in  der- 
selben Scheide  verlaufen ,  sich  nach  vorn  zum  distalen  Ende  des  Hu- 
merus  schlagen   und  im  Elbogengelenke    von    einander   weichen.      Der 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  40 


770 


Wirbelthiere. 

Fiff.  311. 


Columha  domestica.  —  Armgeflecht  und  Nerven  des  linken  Flügels  in  natürlicher 
Grösse.  A,  von  der  äusseren,  B,  von  der  inneren  Fläche  aus.  XI  bis  XV,  Stämme 
aus  dem  Rückenmark;  a,  Hautnerv;  b,  Nerv  des  M.  supra-coracoideus ;  c,  d,  Nerven 
des  kleinen  Brustmuskels;  e,  f,  Wurzeln  des  oberen  Brustnei'ven  g ;  ga,  vorderer 
Ast  des  unteren  Armnerven;  ga',  Nerv  des  Abziehers  des  Mittelfingers;  h,  Verbin- 
dungszweig zwischen  den  Stämmen  XV  und  XIV;  l  Brustnerven;  k,  Nerv  des 
M.  coraco-brachialis ;  /,  Hautnerv  des  Flügels ;  m,  oberer,  Armnerv ;  n,  unterer  Arm- 
nerv;  «',  Nerv  des  M.  estensor  brachii ;  no,  Nerv  des  M.  deltoideus  anterior;  o,  Nerv 
des  M.  biceps ;  /;,  p',  Nerven  des  M.  deltoideus ;  q,  hinterer  Zweig  des  unteren  Arm- 


Vögel.  771 

vordere  Ast  giebt  einige  Fäden  an  den  31.  deUoideus  anferhr  und  schlägt 
sich  dann,  unter  der  distalen  Sehne  dieses  Muskels  fortlaufend,  auf  die 
äussere  Fläche  des  Armes ,  wo  er  sich  in  der  Haut  und  in  der  Flügel- 
haut in  Zweige  (r  bis  r  )  auflöst.  Der  hintere  Ast  {v)  schlägt  sich 
um  den  Humerus  herum  auf  die  äussere  Seite  des  Armes  und  giebt 
einen  Zweig  ab ,  der  sich  sofort  für  den  M.  extensor  metacarpi  {x)  und 
den  21.  radialis  {y)  gabelt.  Von  seinem  hinteren  Rande  geht  ein 
starker  Zweig  {z)  für  den  M.  promotor  superficialis  und  für  den 
31.  extensor  digiti  medii  (1)  ab.  Der  Stamm  durchsetzt  den  M.  pronator 
profundus.!  schlägt  sich  auf  die  Oberfläche  des  Carpus,  versorgt  den 
Jf.  adductor  (2)  und  ahducfor  pollicis  (3),  geht  auf  den  Mittelfinger  über 
und  endet  in  den  Zwischenknochenmuskeln  (4)  und  dem  Fingerbeuger. 
Zur  Präparation  des  unteren  Armnerven  {n)  entfernt  man 
bei  dem  auf  dem  Rücken  liegenden  Thiere  die  ventrale  Hälfte  des  Brust- 
korbes, das  Herz  mit  den  grossen  Gefässstämmen,  den  Dai'm  mitXeben- 
organen  und  die  innere  Haut  des  Flügels.  Nach  Wegnahme  dieser 
Theile  sieht  mau  den  Armplexus  von  innen  her  und  den  aus  ihm  her- 
vorgehenden Nerven  (ß,  Fig.  oll).  Bei  seinem  iVustritte  aus  dem 
Plexus  entsendet  er  einen  langen ,  dünnen  Zweig  zu  dem  M.  extensor 
hracJiii  (n),  der  längslaufend  sich  in  dem  Muskel  verzweigt.  Dann 
dringt  der  Nerv  mit  leichter  Krümmung  nach  vorn  in  die  Achselhöhle, 
wo  er  sich  in  drei  Aeste  theilt.  Der  dünnste,  vordere  (o)  dringt  un- 
mittelbar in  den  31.  bicepis  ein;  die  beiden  anderen  laufen  zusammen 
schief  über  den  Humerus  weg  und  gehen  erst  am  Elbogeugelenke  aus- 
einander. Der  hintere  der  beiden  Aeste  ((/)  gelangt ,  von  den  Sehnen 
des  31.  cnhifalis  und  31.  flexor  bedeckt,  zum  äusseren  Rande  des  xVrmes, 
schlägt  sich  dann  iu  scharfer  Krümmung  auf  den  äusseren  Rand  der 
Ulna ,  welcher  er  der  ganzen  Länge  nach  folgt .  um  über  den  Carpus 
und  die  Hand  zu  dem  Beugemuskel  des  dritten  Fingers  zu  gelangen, 
in  welchem  er  sich  verzweigt.  Im  Elbogengelenke  entsendet  der  Nerv 
zwei  Aeste,  einen  für  den  31.  cubitalis  (ro),  einen  anderen  für  den 
31.  Pronator  profundus  (s).  Der  mittlere  x\st  (ga)  theilt  sich  bald  nach 
seiner  Sonderung  von  den  vorigen  in  zwei  Zweige,  von  welchen  der 
hintere  (t)  zwei  Seitenäste  (to,  lo)  zu  den  beiden  Miv.  cubito-carpales 
sendet  und  dann  der  äusseren  Fläche  der  Ulna  entlang  zu  der  Hand- 
wurzel und  der  Hand  geht  (yiu),  wo  er  sich  in  dem  letzten  Gliede  des 
Mittelfingers    verzweigt.      Der   vordere   Ast  (g  a' )   läuft   dem   mittleren 

nerven;  r,  r',  /■",  Nerven  der  Flügelliaut;  ro,  Nervus  cubitalis;  s,  Nerv  des  M.  pro- 
nator profundus;  t,  hinterer  Ast  des  Nerven  ga;  u,  l<erv  des  M.  deltoideus  anterior; 
V,  hinterer  Ast  des  oberen  Armnerven;  w,  Nerv  des  M.  cubito-carpalis  superficialis; 
w',  des  M.  c,  c.  profundus,  a;,  Nerv  des  M.  extensor  metacarpi ;  i/,  Nervus  radialis; 
yvi,  Nerv  des  Carpus  iind  der  Hand;  z,  Nerv  des  M.  pronator  superficialis;  1,  Nerv 
des  Streckmuskels  des  Mittelfingers ;  2,  Nerv  des  Abziehers  des  Daumens ;  3.  Nerv 
des  Anziehers  des  Daumens ;  4,  Nerven  der  Zwischenknochenmuskeln  der  Finger. 

49- 


772 


Wirbelthiere. 


etwa  parallel,  schmiegt  sich  aber  eng  an  den  Radius,  geht  über  den 
ersten  Metacarpalknochen  und  endet  in  dem  Abziehrauskel  des  Mittel- 
fingers. 

Hirnnerven  (Fig.  312).  —  Der  Hypoglossus  (XII)  ent- 
springt dicht  hinter  dem  Vagus  vor  dem  verlängerten  Marke  und 
theilt  sich   unmittelbar   in    zahlreiche,  schief  nach    hinten   verlaufende 

Fig. 


,--XlI 


Columhu  domestica.  —  Hirunerven  der  linken  Seite.  Doppelte  Vergrösserung.  Das 
Gehirn  ist  punktirt.  I,  Riechnerv;  IV,  N.  trocLlearis ;  V,  N.  trigeminus ;  VII,  N.  fa- 
cialis; VIII,  N.  acusticus ;  IX,  N.  glossopharyngeus ;  X,  N.  vagus ;  XII,  N.  hypo- 
glossus. 1,  erster;  2,  zweiter  Halsnerv;  a,  Verbindungsast  zwischen  Hypoglossus 
und  Vagus ;  a' ,  Oberkiei'erast  des  Trigeminus  ;  h,  Nerv  des  M.  cucullanus ;  h' ,  Nerv 
des  M.  temporalis ;  c,  Verbindungsast  zwischen  Trigeminus  und  zweitem  Halsnerv ; 
c',  Nervus  post-orbitalis ;  d^  Augenast  des  Trigeminus;  e, /,  Zweige  dieses  Astes; 
g,  Gasser'scher  Knoten;  h,  Zweig  für  den  Oesophagus;  «,  Verbindungsast  zwischen 
dem  Gasser'schen  Knoten  und  dem  Facialis;  A;,  aufsteigender  Zweig  des  Augen- 
astes ;  /,  Gaumenast  des  Trigeminus ;  7n,  Verbindungsast  zwischen  Trigeminus  und 
Facialis;  w,  Nerv  der  Mm.  mylo-  und  stylo-hyoideus ;  o,  hinterer  Ast  des  Facialis; 
p,  Nerv  der  Hautmuskeln  des  Halses ;  q' ,  Verbindungszweig  zwischen  Facialis  und 
viertem  Halsnerven ;  r,  Nerv  des  Nasenloches ;  s,  Ganglion  des  Glossopharyngeus ; 
t,  vorderer  Ast  desselben ;  m,  zweiter  Ast  desselben ;  v,  Verbindungsast  mit  dem 
Glossopharyngeus;    ^r,  Zungennerv;    y,  Schlundast;    s,    Unterkieferast  des  Trigeminus. 


Vögel.  773 

Zweige,  welche  die  Muskeln  des  vorderen  Theiles  des  Halses  an  der 
ventralen  Fläche  versorgen.  Zwei  feine  Zweige  (a)  setzen  den  Nerven 
in  Verbindung  mit  dem  Vagus  und  ein  stärkerer  Communicationszweig 
mit  dem  ersten  lialsnervenpaare  (1). 

Der  Accessorius  Willi  sii  (XI)  entsteht  mit  mehreren  Wur- 
zeln an  der  vorderen  Seitenfläche  des  Rückenmarkes,  steigt  gegen  das 
Hirn  auf  und  verzweigt  sich  schliesslich  in  den  Hautmuskeln  des 
Halses. 

In  der  hinteren  Gruppe  der  vom  verlängerten  Marke  entsprin- 
genden Hirnnerven  ist  der  Vagus  (X)  der  bedeutendste  Stamm.  Er 
entspringt  an  der  Seitenfläche  des  Markes  mit  zahlreichen  Wur- 
zeln, von  welchen  die  hintersten  die  längsten  sind.  Der  Stamm  des 
Nerven  verläuft  gerade  nach  hinten  und  empfängt  auf  seinem  Wege 
links  und  rechts  Anastomosen.  Die  beiden  hintersten  dieser  Verbin- 
dungszweige (a)  sind  zwei  feine,  parallele  Fäden,  welche  zum  Hypo- 
glossus  gehen.  In  derselben  Höhe  entsendet  der  Vagus  ein  sehr 
langes,  feines  Fädchen  (h) ,  welches  seitlich  sich  um  den  Hals  zu  dem 
M.  cucidlanus  schlägt  und  in  diesem  verzweigt.  Kurz  darauf  findet 
man  einen  Verbindungszweig  mit  dem  Ganglion  das  Glossopharyn- 
geus  (s),  dann  einen  langen  Ast,  der  in  Verbindung  mit  dem  Glosso- 
pharyngeus  den  Zungennerven  {x)  bildet.  Von  dem  hinteren  Vagus- 
rande gehen  zwei  feine  Fädchen  aus  (c),  welche  sich  um  die  Halsmuskeln 
herumschlingen  und  mit  den  Endigungen  des  ersten  Halsnervenpaares 
anastomosiren.  Nach  Abgang  dieser  Zweige,  die  ihn  nicht  geschwächt 
haben,  läuft  der  Vagus  längs  dem  Schlünde,  dringt  in  der  Bauchhöhle 
etwa  bis  zur  Hälfte  der  Lunge  vor  und  verzweigt  sich  in  mannig- 
faltigen Netzen  am  Magen,  der  Luftröhre,  den  Lungen  und  dem 
Herzen, 

Der  zwischen  dem  Hörnerven  und  dem  Vagus  entspringende 
Glossopharyngeus  (IX)  ist  manchmal  so  enge  mit  dem  letzteren 
verbunden,  dass  man  ihn  nicht  davon  trennen  kann.  Der  verhältniss- 
mässig  dünne  Nerv  verläuft  in  etwas  schiefer  Richtung  nach  hinten 
halsabwärts,  erhält  eine  kurze  Anastomose  vom  F'acialis,  entsendet 
einen  Verbindungszweig  zum  Vagus  und  schwillt  dann  zu  einem 
Ganglion  (s)  an,  von  dessen  distalem  Ende  vier,  nach  innen  vom  Fa- 
cialis verlaufende  Nerven  abgehen.  Der  vorderste  dieser  Aeste  (f)  läuft 
gerade  nach  vorn  und  theilt  sich  in  drei  Hauptzweige  für  den  i)/.  Wi^Zo- 
hyoidcas,  die  Zungenmuskeln  und  den  hinteren  Theil  der  Zunge.  Der 
zweite  Nerv  (ii)  läuft  anfangs  dem  vorigen  parallel ,  biegt  sich  aber 
dann  in  scharfer  Krümmung  um  den  31.  niylo-hyoideus ,  um  sich  mit 
'einem  Zweige  des  Vagus  zu  verbinden  und  den  erwähnten  Zungen- 
nerven (;/;)  zu  bilden,  der  gerade  nach  vorn  verläuft  und  in  der  Zunge 
endet.  Die  beiden  hinteren,  aus  dem  Ganglion  entspringenden  Nerven 
(7j  und  ;/)  laufen  parallel  mit  einander   zu    den  Seiten  des  Oesophagus. 


774  Wirbelthiere. 

Der  Acusticus  (VIII)  entspringt  mit  breiter  Basis  seitlich  am 
verlängerten  Marke  und  theilt  sich  sofort  in  zwei  Zweige ,  für  die 
Schnecke  und  den  Vorhof,  deren  Verhalten  wir  beim  Gehörorgane 
betrachten  werden. 

Der  Facialis  (VII)  hängt  durch  seine  Wurzel  eng  mit  dem  Hör- 
nerven zusammen.  Seiner  Feinheit  wegen  lässt  er  sich  nur  schwer 
auf  seinem  Durchtritte  durch  die  Knochen  verfolgen.  Er  tritt  hinter 
dem  Hörloche  hervor,  setzt  sich  sofort  durch  einen  feinen  Faden  {m) 
mit  dem  Unterkieferast  (,e)  des  Trigeminus  in  Verbindung,  giebt  ein 
sehr  dünnes  Fädchen  zur  Columella  und  läuft  dann  an  der  Seiten- 
fläche des  Kopfes  nach  unten.  Nachdem  er  einen  Verbindungszweig  (i) 
zum  Gasser'schen  Knoten  abgegeben  hat,  theilt  er  sich  in  zwei  Aeste, 
deren  vorderer  (n)  sich  auf  die  ventrale  Fläche  des  Halses  schlägt  und 
die  3Im.  ini/Jo-  und  sfiiJo-Jtyoidcus,  sowie  die  benachbarte  Haut  ver- 
sorgt, während  dei-  dickere,  hintere  Ast  (o)  auf  seinem  Wege  nach 
hinten  den  Jl.  f/en/o-Jiyoideus  in  seiner  vorderen  Portion  durchbohrt, 
Zweige  (pj  an  die  Haut  und  die  Hautmuskeln  des  Halses  giebt,  hierauf 
über  die  Thymus  sich  wegzieht,  welcher  er  einige  Fädchen  zusendet, 
dann  an  den  Schlund  ebenfalls  einige  Zweige  (q)  abgiebt  und  schliess- 
lich mit  scharfer  Krümmung  nach  oben  steigt,  um  sich  mit  dem  vierten 
Halsnervenpaare  (q  )  zu  verbinden. 

Der  Abducens  (VI)  (e,  Fig.  ;!17,  A)  entspringt  auf  der  ven- 
tralen Fläche  des  Vordertheiles  des  verlängerten  Markes.  Er  richtet 
sich  gerade  nach  vorn ,  tritt  durch  die  Wand  der  Schädelhöhle  in  der 
Nähe  des  Sehnerven  und  läuft  auf  dem  Boden  der  Augenhöhle  zu  dem 
geraden  äusseren  Augenmuskel,  in  welchem  er  sich  verzweigt. 

Der  Trigeminus  (V)  ents^Dringt  ganz  vorn  an  der  Seitenfläche 
des  verlängerten  Markes  unmittelbar  hinter  dem  Sehnerven.  Der  mäch- 
tige Nerv  schwillt  nach  kurzer  Erstreckung  nach  vorn  zu  einem 
grossen,  halbmondförmigen  Ganglion,  dem  Gasser'schen  Knoten  ((jr), 
an,  der  noch  in  der  knöchernen  Schädelwand  liegt.  Das  obere  Hörn 
des  senkrecht  gestellten  Halbmondes  setzt  sich  in  einen  dicken  Nerven, 
den  Augenast  (d) ,  fort,  welcher  die  Scheidewand  der  Augenhöhle 
durchbohrt  und  an  dem  Dache  derselben  nach  vorn  verläuft.  Bei 
seinem  Eintritt  an  der  Basis  des  Sehnerven  wird  er  von  dem  äusseren, 
geraden  Augenmuskel  überdeckt  und  giebt  hier  einen  Verbindungs- 
zweig zum  Oculomotorius.  Auf  seinem  Wege  längs  des  Daches  der 
Augenliöhle  liegt  er  zwischen  den  geraden  und  schiefen,  oberen  Augen- 
muskeln. Bevor  er  die  vordere  Wand  der  Orbita  durchsetzt,  giebt  er 
einige  feine  Zweige  (e,  /,  /.')  an  die  umgebenden  Gebilde  und  an  die 
Augenlider.  Er  legt  sich  nun  an  den  Riechnerven  (II)  an  und  theilt  sich 
dann  in  zwei  Aeste  von  ungleicher  Länge.  Der  innere,  längere  Ast(?) 
läuft  hart  an  der  Mittellinie  bis  zur  Schnabelspitze  und  giebt  auf 
iseinem  Wege  Aeste  an  alle  umgebenden  Theile,   an   den  Gaumen   und 


Vögel.  775 

die  Seitenränder  des  Schnabels.  Der  kürzere,  äussere  Ast  (>•)  geht 
zum  Nasenloche  imd  umfasst  dasselbe  mit  zwei  Zweigen  zangenartig. 
Der  zweite  Hauptast  des  Trigemiuus ,  der  Oberkiefernerv,  läuft 
horizontal  nach  vorn  auf  dem  Boden  der  Augenhöhle,  durchsetzt  die 
Wand  der  vorderen  Ecke  nach  Abgabe  einiger  Fäden  in  die  Um- 
gebung und  dringt  in  den  Oberkieferbogen  ein,  den  er,  sowie  die  hin- 
tere Portion  des  Gaumens,  mit  Zweigen  versorgt.  Der  untere  Schenkel 
des  Gasser 'sehen  Knotens  setzt  sich  in  den  mächtigen  Unter- 
kieferast (s)  fort.  Der  dicke  Nerv  entsendet  einige  Fäden  zum 
Schläfenmuskel  (b'}  und  tritt  dann  an  den  Unterkiefer,  den  er  in  seiner 
ganzen  Länge  bis  zur  Schnabelspitze  mit  Zweigen  versorgt.  Ein 
vierter  Ast  (c  )  entspringt  aus  dem  Gasser'scben  Knoten  etwa  in 
der  Höhe  des  Oberkieferastes;  er  gewinnt  den  hinteren  Rand  der 
Augenhöhle ,  läuft  an  deren  oberem  Rande  weiter  und  giebt  links  und 
rechts  zahlreiche  Zweige  au  den  Augapfel,  die  Lider,  die  Haut  und 
die  Hautmuskeln  der  Gegend  hinter  dem  Auge. 

Der  Troclilearis  oder  Patheticus  (lY)  (fr,  Fig.  SU,  Ä)  ist 
ein  dünner  und  sehr  langer  Nerv ,  der  dorsal  auf  der  Grenze  zwischen 
Kleinhirn  und  Sehhügeln  entspringt,  unter  den  letzteren  sich  herum- 
schmiegt und  in  der  Schädelhöhle  bis  zu  dem  Punkte  verläuft,  wo  er 
neben  dem  Sehnerven  in  die  Augenhöhle  eindringt.  Dort  angelangt, 
wendet  er  sich  gerade  nach  oben  und  geht  unter  dem  äusseren  ge- 
raden Augenmuskel  durch  zu  dem  oberen  schiefen  Augenmuskel,  auf 
dessen  Fläche  er  sich  zu  einer  länglichen  Platte  verbreitert,  von 
welcher  aus  zahlreiche  feine  Fädchen  in  den  Muskel  ausstrahlen. 

Der  Ociilo-motoy  ins  (HI)  (oc,  Fig.  317,  A)  entspringt  an  der 
Hirnbasis  etwas  hinter  der  Hypophyse,  läuft  horizontal  nach  vorn, 
durchsetzt  die  Schädelwand  mit  dem  Sehnerven,  schickt  in  der  Augen- 
höhle zuerst  einen  kurzen  Verbindungsast  (4)  zum  Augenaste  des  Tri- 
gemiuus ,  sodann  Aeste  an  den  unteren  geraden  Augenmuskel  (c)  und 
die  Muskeln  der  Nickhaiit  (f?),  und  weiter  einen  bedeutenden,  auf  den 
dem  Boden  der  Augenhöhle  verlaufenden  Ast  (e)  zum  inneren  geraden 
Augenmuskel.  Er  verzweigt  sich  schliesslich  in  dem  unteren  schiefen 
Augenmuskel  (/) ,  nachdem  er  vorher  noch  einen  Zweig  (p)  an  den 
oberen  geraden  Muskel  gegeben  hat.  Der  Stamm  des  Nerven  steht 
in  directer  Verbindung  mit  dem  Ciliar  knoten  (/7).  einem  kleinen, 
an  dem  Sehnerven  anliegenden  Ganglion,  das  zwei  lauge  Aeste  {h)  ent- 
sendet, welche  sich  mehrfach  theilen ,  den  Augapfel  umschlingen  und 
in  sein  Inneres  eindringen,  um  sich  hauptsächlich  in  der  Iris  zu  ver- 
zweigen. 

Der  Opticus  (II)  entspringt  aus  dem  Sehhügel:  er  bildet  mit 
dem  der  anderen  Seite  ein  Chiasma  und  dringt  dann  in  den  Augapfel 
ein,  wo  er  sich  zur  Retina  ausbreitet. 


776 


Wirbelthiere, 


Der  Olfactorius  (I)  bildet  die  Fox'tsetzung  der  Riechknoten ; 
er  krümmt  sich  der  Wölbung  der  Augenhöhle  entlang  und  schwillt 
bei  seinem  Zutritte  zum  Grunde  des  Geruchsorganes  etwas  an. 

Das  sympathische  Nervensystem  (Fig.  313)  breitet  sich 
zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  aus;  man  präparirt  es  am  leichtesten 
von  der  Rückengegend  aus,  indem  man  nach  Wegnahme  der  Haut  die 
Rippen  hart  an  der  Wirbelsäule  durchschneidet  und  dann  den  ganzen 
Brustkorb ,  sowie  die  Lunge  mit  Vorsicht  entfernt.  Man  sieht  dann 
den  Stamm  sehr  deutlich  und  kann  ihn  leicht  gegen  den  Kopf,  wie 
gegen  den  Schwanz  hin  verfolgen.  Hinter  dem  Lendenplexus  zeigt 
sich  jederseits  ein  einfacher  Stamm ,  der  bis  zum  Steisse  verläuft  und 
einerseits  mit  den  Rückenmarksnerven,  anderseits  mit  dem  Plexus 
pudendus  in  Verbindung  steht.  Auf  seinem  Verlaufe  nach  vorn,  wo  der 
Sympathicus  an  der   inneren  Fläche   des  Schenkel-   und  Hüftgeflechtes 


Fiff.  313. 


-y 


d 


Columha  domestlca.  —  Das  sympathische  Nervensj-stem  in  der  Rückengegend.  Drei- 
fache Vei-grösserung.  «,  Ganglien,  der  Rückenmarksnerven;  h,  Wirbelsäule;  c,  ab- 
geschnittene Rippe;  </,  ventraler  Grenzstrang  des  Sympathicus;  e,  dorsaler  Grenz- 
strang;  y,  dorsaler  Rückenmarksnerv  ;  ^, /,  die  beiden  letzten  Stämme  des  Armgeflechtes; 
h,  Hcrzncrv  ;  h,  Eingeweidenerv, 


anliegt,  verdickt  er  sich  bedeutend  und  verschmilzt  mit  diesen  Nerven, 
Weiter  nach  vorn,  zwischen  den  Plexus  der  beiden  Glieder,  finden  sich 
jederseits  an  der  Wirbelsäule  zwei  Grenzstränge  des  Sympathicus ,  die 
in  regelmässigen  Abständen  sich  in  den  Ganglien  der  Rückennerven  (a) 
vereinigen,  welche  zugleich  sympathische  Ganglien  sind  und  dann  so 
aus  einander  weichen,  dass  sie  rhombische  Figuren  {d,  e)  herstellen.  Der 
obere  Grenzstrang  (e)  geht  mit  dorsaler  Krümmung  durch  die  zwischen 
den  Gelenkköpfen  der  Rippe,  dem  Capitulum  und  Tuberculum,  befind- 
liche Lücke ;  der  untere  Strang  beschreibt  meist  stärkere ,  nach  unten 
gewendete   Bogen,   entsendet   ebenso,   wie   die   Ganglien,   eine   Menge 


Vögel.  777 

feiner  Zweige,  die  neben  und  unter  der  Wirbelsäule  Geflechte  mit  selir 
unregelraässigen  Maschen  bilden,  und  dann  sich  zu  einem  Stamme  {Je) 
verbinden,  welcher  die  Wurzel  der  verschiedenen  Geflechte  bildet,  die  sich 
auf  den  Eingeweiden,  besonders  dem  Darme,  den  Geschlechtsorganen 
und  den  Nieren  ausbreiten.  Die  beiden  Grenzstränge  setzen  sich  an  dem 
Armplexus  mit  den  Stämmen  desselben  in  Verbindung,  bilden  aber  hier 
noch  ihre  Rautenfiguren,  während  der  untere  Strang  einen  Ast  zum 
Herzen  (h)  sendet.  Welter  nach  vorn,  längs  dem  Halse,  findet  sich 
jederseits  nur  ein  Grenzstrang,  der  in  dem  Wirbelcauale  verläiift.  Da 
er  hier  sehr  fein  und  ganz  in  den  Knochen  eingeschlossen  ist,  lässt 
er  sichln  dieser  Gegend  nur  sehr  schwer  verfolgen.  Von  dem  Ganglion 
des  ersten  Halsnerven  aus  gehen  dann  feine  Yerbindungszweige  zum 
Hypoglossus,  Vagus  und  Glossopharyngeus;  schliesslich  endet  der  Nerv 
an  der  Schädelbasis  in  der  Gegend  des  Keilbeines. 

Sinnesorgane.  —  Tast-  und  Geschmackssinn  scheinen  bei  den 
Vögeln  nur  sehr  wenig  entwickelt.  In  der  Haut  des  Körpers  und  der 
Füsse  finden  sich  bei  einigen  Arten  die  unter  dem  Namen  der  Pa- 
cini' sehen  Körperchen  bekannten  Endorgane  der  Nerven.  Meist  ist 
die  Zunge  mit  einem  Epithelium  bedeckt,  das  zur  Vermittelung  von 
Geschmacksempfindungen  wenig  geeignet  erscheint ;  doch  hat  man 
bei  einigen  Arten  seitlich  an  der  Zunge  besondere  Geschmackswärzchen 
nachgewiesen. 

Das  Riechorgan  (Fig.  314)  besteht  aiTS  zwei  weiten,  an  den 
Seiten    des   Oberschnabels   vor   den    Augen    aasgegrabenen   Höhlungen. 


rij?.  314. 


Columha  domeslica.  —  Linke  Nasenhöhle  geöffnet  und  doppelt  vergrössert.  a,  Vor- 
hof; 6,  eigentliche  Nasenhöhle ;  c,  untere  Muschel;  c/>,  hintere  ^Muschel ;  rf,  mittlere 
Muschel;  e,  Blindsack  der  Nasenhöhle;  /,  Basaltheil  der  weggenommenen  linken 
Wand;  fj,  Dach  der  Nasenhöhle;  /?.,  verbreitertes  Ende  des  Riechnerven.  Der  Pfeil 
zeigt  die  Richtung  der  Choane   an. 

die  durch  eine  mittlere  Längsscheidewand  gänzlich  getrennt  werden. 
aber  durch  zwei  Oeff'nungen  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung  stehen, 
in  directer  Weise  durch  die  äussere  Nasenöffnung,  in  indirecter  durch 
die  hinteren  Öffnungen,  die  Choanen,  welche  in  die  Mundhöhle  ein- 
münden. Jede  Nasenhöhle  besteht  aus  zwei  deutlichen  Hälften ,  dem 
Vorhofe  (rt)  und  der   eigentlichen  Nasenhöhle  (b).     Der  Vorhof.  in 


778  Wirbelthiere. 

welchen  die  seitliche  Niiseuöffnung  führt,  wird  von  aussen  bedeckt 
-durch  die  bewegliche,  etwas  aufgewölbte  Klappe  des  Nasenflügels ,  der 
durch  Knorpelgewebe  in  seinem  Inneren  gestützt  und  aussen  von 
einem  Pflasterepithelium  überzogen  wird.  In  dem  Vorhofe  findet  sich 
die  vordere  oder  untere  Muschel  als  länglicher,  fleischiger  Wulst,  der 
mit  seinem  oberen  Rande  au  die  Scheidewand  angewachsen ,  an  dem 
unteren  Rande  dagegen  frei  ist.  Die  mittlere  Muschel  (d)  liegt  an 
■dem  Anfange  der  eigentlichen  Nasenhöhle;  sie  bildet  nur  einen  etwas 
erhabenen  Wulst  der  Innenwand  der  Höhle.  In  der  Fortsetzung  nach 
hinten  zeigt  sich  die  sehr  dünne,  kaum  vorspringende  hintere  Muschel 
{c2))-  Alle  drei  Muscheln  sind  mit  deutlichem  Riechepithel  überzogen. 
Nach  hinten  und  oben  verlängert  sich  die  Nasenhöhle  in  einen  blind 
g'eschlossenen  Gang  oder  Sack  (e),  welcher  in  die  Schnabelwurzel  hinan- 
steigt und  von  der  kelchförmig  ausgetieften,  distalen  Endigung  des 
Riechnerven  (/?)  umfasst  wird.  Der  untere  Nasengang,  welcher  als 
Luftgang  dient,  öff'net  sich  in  schief  absteigender  Richtung  in  der 
schlitzförmigen  Choane  am  Gaumendache.  Das  Riechepithelium  wird 
von  langen  Cylinderzellen  mit  excentrischen  Kernen  gebildet.  In  ihm 
zerstreute  Drüsen  sondern  einen  hellen,  zähen  Schleim  ab.  Die  eigen- 
thümlichen  Nasendrüsen,  welche  bei  den  meisten  Vögeln  vorkommen, 
fehlen  der  Taube. 

Sehorgan  (Fig.  315  bis  317).  —  Wir  unterscheiden  den  Aug- 
apfel und  die  accessorischen  Organe,  Muskeln,  Augenlider  und  Drüsen. 

Der  Augapfel  hat  die  Gestalt  einer  Linse  mit  fast  platter 
Vorderfläche,  die  aber  von  der  in  der  Mitte  vorspringenden  Hornhaut 
überwölbt  wird.  In  die  gleichmässig  gewölbte  Ilinterfläche  dringt  von 
unten  her,  wie  ein  Stiel,  der  Sehnerv  ein. 

Die  Sclerotica  (a,  Fig.  315,  A)  bildet  eine  sehr  feste,  von  seh- 
nigem Bindegewebe  hergestellte  Hülle,  in  welcher  sich  ein  zusammen- 
hängendes Knorpelskelett  entwickelt,  das  ihre  Festigkeit  noch  erhöht. 
Nach  vorn  ist  der  Rand  der  becherförmigen  Sclerotica,  an  welchen  sich 
die  Hornhaut  ansetzt,  noch  obenein  von  einem  Knochenringe  (B,  Fig.  315) 
gestützt,  der  aus  zehn  oder  elf  dünnen,  langen,  wie  Dachziegel  über 
einander  greifenden  Knochenblättchen  besteht,  welche  durch  festes  Binde- 
gewebe mit  einander  verbunden  sind.  Die  Choroidea  (ö, Fig.  315,  Ä) 
liegt  an  der  Innenfläche  der  Scelerotica  an  und  wird,  wie  diese,  von 
dem  Sehnerven  durchbohrt.  Vor  der  Krystalllinse  schlägt  sich  die 
Choroidea  nach  innen  ein  und  theilt  auf  diese  Weise  den  Innenraum 
des  Augapfels  in  zwei  ungleiche  Hälften,  die  vordere  (i)  von  einer 
wässerigen  Flüssigkeit  erfüllte,  kleinere  Augenkammer  und  die  weit 
grössere ,  hintere  Augenkammer  (ni) ,  welche  den  Glaskörper  enthält. 
Der  durch  den  Einschlag  gebildete,  senkrechte  Vorhang  der  Iris  (w), 
welcher  in  seiner  Mitte  von  der  kreisförmigen  Pupille  durchbohrt  wird, 
liegt  der  Vorderfläche    der  Linse   unmittelbar   an.     Die  Choroidea  be- 


Vö-el. 


779 


stellt  aus  drei  Schicliten ;  einer  äusseren  Faserschicht ,  einer  mittleren 
Oefässschicht ,  die  ein  überaus  mächtig  entwickeltes  Capillarsystem 
zeigt,  und  einer  inneren  Pigmentschicht,  die  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung mit  der  Retina  steht.  Die  Erweiterung  und  Verengerung  der 
Papille  wird  von  besonderen  Muskehi  besorgt,  einem  kreisförmigen 
Schliesser  und  einem  aus  strahlenförmig  gestellten  Fasern  gebildeten 
Erweiterer.  Zwischen  Iris  und  Choroidea  schieben  sich  noch  zwei 
charakteristische  Bildungen  dieses  Augentheiles  ein,  der  Crampton'- 
sche  Ciliarmuskel  (Ic,  Fig.  31(J,  A  a.  f.  S.)  und  die  Ciliarfort- 
sätze  (d).  Der  Cr  am  p  ton' sehe  Muskel  bildet  einen  Ring,  dessen 
äusserer  Rand  der  Choroidea  anliegt,  während  der  innere  Rand  mit 
breiter  Perührungszone  sich  an  die  Ciliarfortsätze  anheftet.    DieCiliar- 

Fiof.  315. 


Columba  domestica.  —  A,  Verticalschnitt  des  Aucjapfels.  vierfach  vergrössert.  «,  Scle- 
rotica;  b,  Choroidea;  c,  Retina;  d,  Sehnerv:  e,  Kamm;  /,  Ciliarfortsätze;  g,  Ciliar- 
muskel; k,  unteres  Augenlid;  {,  vordere  Augenkammer;  k,  Hornhaut;  /,  Linse; 
in,  hintere  Augenkammer  ;  ?<,  Iris.  B,  der  knöcherne  Scleroticaring,  von  vorn  gesehen, 
in  dreifacher  Vergrösserung.    a,  Sclerotica  ;  i,  Knochcnplättchen  des  Ringes  ;  c.  Hornhaut. 

fortsätze  (d)  bilden  einen  auf  der  inneren  Fläche  stark  pigmeutirten 
Ring  (c^),  der  einerseits  an  den  Crampton'schen  Muskel  sich  anheftet, 
anderseits  mit  vielen ,  strahlenförmig  geordneten  Falten  .  in  welchen 
starke  Gefässnetze  ausgebildet  sind,  an  die  Iris  und  die  Linse  sich  an- 
legt. —  In  der  hinteren  Augenkammer  finden  wir  das  schon  von  den 
Reptilien  her  bekannte  Gebilde  des  Kammes  (e,  Fig.  315,  A)  in 
Form  einer  viereckigen  Hautlamelle  wieder,  die  im  Grunde  des  Auges 
längs  einer  schiefen,  vom  Sehnerven  ausgehenden  Linie  angeheftet  ist 
und  mit  ihrem  freien  Rande  gegen  die  Linse  sieh  erstreckt,  welche  sie 


780 


Wirbelthiere. 


aber  nicht  erreicht,  da  sie  etwa  in  der  Mitte  der  Augenkammer  endet. 
Die  besonders  an  ihrem  distalen  Ende  stark  pigmentirte  Lamelle  ist 
in  siebzehn  regelmässige,  verticale  Falten  gelegt,  die  äusserst  reich 
entwickelte  Gefässnetze  enthalten,  welche  besonders  dann  auffallen, 
wenn  man  die  glatt  gestrichene  Lamelle  unter  dem  Mikroskope  unter- 
sucht. Jede  Falte  enthält  ein  Längsgefäss,  das  sich  nach  links  und 
rechts  in  ein  äusserst  engmaschiges  Capillarnetz  verzweigt.  In  den 
Maschen  liegen  die  Pigmentkörner;  die  Capillaren  werden  nur  durch 
spärliches  Bindegewebe  zusammengehalten. 

Fig.  316. 


Columha  domesüca.  —  .-J,  oberer  Tlieil  eines  Verticalschnittes  des  Augapfels.  Verick, 
Oc.  3,  Obj.  0.  a,  Sclerotica;  ö,  Retina;  c,  Choroidea ;  c',  hinterer  Pigmentbelag  der 
Ciliarfortsätze  d;  e,  coneentrische  Schichten  der  Linse;/,  Hornhaut;  </,  Iris;  ä,  Nick- 
haut; i,  oberes  Augenlid;  Ä-,  Crampton'seher  Muskel;  /,  äussere,  radiäi-e  Schicht 
der  Linse.  B,  Querschnitt  der  Retina  bei  schwacher  Vergrösserung.  a,  innere  Grenz- 
membran; &,  Schicht  der  Sehnervenfasern;  c,  Schicht  von  niultipolaren  Zellen;  d, 
Körnerschicht;  <?,  Zellenschicht;  y,  Basalplexus;  (/,  Sehzellenschicht;  /*,  äussere  Grenz- 
membran  ;  i,   Stäbchen  und  Zapfen  Schicht. 

Die  Retina  (e,  Fig,  315,  A)  kleidet  den  Hintergrund  des  Auges 
aus  und  erstreckt  sich,  stets  dünner  werdend,  bis  zur  Vereinigungslinie 
der  Iris  mit  der  Choroidea  {h,  Fig.  .316.  Ä).  Sie  ist  durchsichtig  und 
hat  am  Anfance  etwa  drei  Viertel  Millimeter  Dicke.    Auf  Durchschnitten 


Vögel.  781 

zeigt  sie  sich  von  innen  nach  aussen  aus  folgenden  Schichten  zu- 
sammengesetzt, deren  Elemente  aus  Nervenfasern  und  Zellen  bestehen, 
die  durch  Bindegewebe  zusammengehalten  sind  (Fig.  316,  B).  Eine 
äusserst  feine,  innere  Grenzmembran  (a)  wird  durch  Querstreifen  mit  der 
darunter  liegenden  Schicht  (b)  verbunden,  welche  von  den  Fasern  des 
Sehnerven  hergestellt  ward.  Diese  Schicht  ist  sehr  dick  in  der  Um- 
gebung des  Eintrittes  der  Sehnerven ,  verdünnert  sich  aber  zusehends 
gegen  den  vorderen  Rand  der  Retina  hin.  Nach  aussen  von  dieser 
Schicht  breitet  sich  eine  Schicht  (c),  deren  multipolare,  ovale  Zellen 
ihre  Ausläufer  in  die  ausserhalb  liegende  Körnerschicht  (d)  senden. 
Diese  Schicht  ist  die  dickste ;  sie  färbt  sich  fast  nicht  durch  Carmin 
und  zeigt  unter  starken  Vergrösserungen  dunkle,  concentrische  Zonen. 
Dann  folgt  eine  Schicht  (e)  runder  Zellen  mit  einem  oder  meh- 
reren Ausläufern ;  zwischen  einem  äusseren  Zellenlager  und  der  dicke- 
ren, inneren  Zellenmasse  zieht  sich  ein  heller  Zwischenraum  fort,  der 
von  den  Ausläufern- der  Zellen  durchsetzt  wird.  Der  Basalplexus  (/) 
bildet  eine  dünne,  zellenlose,  helle  Zone  und  wird  unmittelbar  gefolgt 
von  der  Schicht  der  Sehzellen  (g) ,  die  aus  zwei  oder  drei  Lagern 
elliptischer  Zellen  gebildet  wird ,  von  welchen  das  äusserste  an  die 
sehr  feine ,  äussere  Grenzmembran  (Ji)  sich  anlegt ,  die  stets  als  sehr 
dünne,  aber  dunkle  Linie  sich  darstellt.  Nach  aussen  von  dieser 
Membran  findet  sich  dann  die  Schicht  von  Stäbchen  und  Zapfen  (i), 
deren  Enden  in  die  Pigmentschicht  der  Choroidea  eintauchen. 

Die  verhältuissmässig  kleine  Krystalllinse  (/,  Fig.  315,  A: 
e,  Fig.  316,  A)  hat  die  Gestalt  einer  runden,  biconvexen  Linse;  sie  ist 
in  eine  structurlose  Kapsel  eingeschlossen  und  wird  zum  grössten 
Theile  aus  Schichten  concentrischer  Fasern  zusammengesetzt.  Auf 
der,  der  Papille  zugewandten  Fläche  findet  sich  eine  Schicht  strahlen- 
förmig geordneter  Cjdinderzellen  (/,  Fig.  316,  A). 

Accessorische  Organe.  - —  Der  Augapfel  wird  durch  drei 
Lider  geschützt,  ein  oberes,  ein  unteres  und  die  Nickhaut.  Die  beiden 
ersteren  sind  dicke,  mit  Federchen  besetzte  Hautfalten,  welche  sich  in 
verticaler  Richtung  bewegen  und  deren  horizontaler  Rand  etwas  an- 
geschwollen ist.  Das  obere  Augenlid  (i,  Fig.  316,  ^)  ist  kleiner  als  das 
untere,  welches  beim  Schliessen  der  Augen  fast  die  ganze  Oberfläche 
der  Hoimhaut  überdeckt.  Die  Bewegungen  geschehen  durch  besondere 
Muskeln :  den  Heber  des  oberen  Lides ,  der  sich  an  das  Dach  der 
Augenhöhle  ansetzt,  und  den  weit  grösseren  Niederzieher  des  unteren 
Lides,  der  sich  auf  dem  Boden  der  Orbita  anheftet.  Das  dritte  Augen- 
lid, die  Nickhaut  (Ji,  Fig.  316,  A]  Fig.  317,  B) ,  ist  eine  in  dem 
vorderen ,  oberen  Augenwinkel  ausgebreitete ,  durchscheinende  Falte 
der  Bindehaut  des  Auges,  welche  dasThier  nach  Belieben  über  die  Horn- 
haut ziehen  kann,  sei  es,  um  den  Staub  abzuwischen ,  sei  es,  um  allzu 
scharfes  Licht  abzuschwächen.      Die  Nickhaut  wird  von   zwei  IMuskeln 


782 


Wirbeltliiere. 


bewegt,  welclie  beide  mit  einer  Sehne  in  Verbindung  stehen,  die 
den  Augapfel  umschlingt.  Der  eine  dieser  Muskeln,  der  viereckige 
(c,  Fig.  317,  B),  ist  eine  breite  Platte,  welche  das  untere  Ende  (a)  der 
Sehne  umgiebt;  der  Muskel  legt  sich  au  die  innere  Seite  des  Augapfels 
an  und  überdeckt  den  geraden  äusseren,  den  oberen  schiefen  und 
oberen  geraden  Augenmuskel.  Sein  oberes  Ende  heftet  sich  an  die 
Sclerotica.  Der  weit  schmälere,  aber  dickere  Pyramiden  mu  skel  (h) 
windet  sich  um  die  untere  Fläche  des  Augapfels,  wo  er  von  dem  ver- 
breiterten Ende  des  inneren  schiefen  Augenmuskels  theilweise  bedeckt 
wird.  Die  Sehne  (a)  geht  von  dem  vorderen  Rande  der  Nickhaut  aus, 
läuft  in  schiefer  Richtung  nach  unten  und  hinten  über  die  ventrale 
Fläche  des  x-Vugapfels,  windet  sich  um  den  Sehnerven  herum  und  setzt 
sich  am  tiefsten  Theile  der  Sclerotica  an. 

Fig.  317. 


Z„- 


B 


Cohmha  domeallcu.  —  A,  Grund  der  linken  Augenhöhle,  etwa  vierfach  A'ergrössert. 
oc,  Nervus  oculomotorius;  a,  Verbindungsast  zwischen  ihm  und  dem  Augenaste  des 
Trigeminus ;  6,  Nerv  des  oberen  geraden  Muskels  ds ;  c,  Nei-v  des  unteren  geraden 
Muskels  dif;  d,  Nerv  der  Nickhautmuskeln;  de,  äusserer  gerader  Muskel;  e,  Nervus 
abducens ;  y,  Nerv  des  unteren  schiefen  Muskels  o'i;  ;/,  Ciliarknoten ;  h,  Nerven  der 
Iris;  i,  Nerv  des  unteren  geraden  Muskels  di;  /.-,  Harder'sche  Drüse;  /,  Oeftnung 
ihres  Canales ;  os,  oberer  schiefer  Muskel;  tr,  Nervus  trochlearis ;  tri,  Augenast  des 
Trigeminus.  B,  die  Nickhaut  und  ihre  Muskeln  in  doppelter  Vergrösserung.  Der 
Augapfel  mit  seinen  Muskehi  ist  weggenommen,  h,  Nickhaut;  a,  Sehne;  b,  Pyra- 
midenmuske] ;   c,   viereckiger  Muskel. 

Die  Harder'sche  Drüse  {k,  Fig.  317,  A)  liegt  auf  dem  vorderen 
Rande  der  Orbita,  grösstentheils  bedeckt  vom  unteren  schiefen  und 
oberen  geraden  Augenmuskel.  Sie  hat  eine  blassgelbe  Farbe  und  die 
Gestalt  eines  Dudelsackes.  Ihr  ziemlich  langer  Ausführungsgang  be- 
schreibt einen  Bogen  und  öffnet  sich  (h)  vor  dem  Auge  etwa  in  der  Höhe  des 


Vögel.  78.3 

Durchgangspunktes  des  Augenastes  vom  Trigeminus  durch  die  Scheide- 
wand der  Orbita.  Bei  schwacher  Vergrösserung  zeigt  sich  die  Drüse  aus 
mehreren,  nicht  immer  deutlich  begrenzten  Lappen  zusammengesetzt,  die 
von  einer  gemeinsamen  Hülle  umgeben  werden.  Jeder  Lappen  besteht 
aus  zahlreichen  Drüsenröhrchen,  deren  zellige  Wände  die  Flüssigkeit  ab- 
sondern, welche  aus  den  Röhrchen  in  den  gemeinsamen  Canal  übergeht. 

Die  weit  kleinere,  weissiiche  Thränendrüse  liegt  im  hinteren 
und  oberen  Winkel  der  Augenhöhle ;  sie  zeigt  deutliche  Läppchen  und 
ergiesst  ihre  Flüssigkeit  über  die  Hornhaut,  von  wo  sie  sich  in  zwei 
Thränengängen  sammelt,  die  in  dem  vorderen  Yereinigungswinkel  der 
beiden  Augenlider  beginnen.  Diese  Gänge  sind  ziemlich  weit,  verlaufen  in 
gerader  Richtung  zum  Grunde  der  Nasenhöhle  und  vereinigen'  sich  in 
einem  einzigen  Canale,  der  im  hinteren  Winkel  der  J^asenhöhle  mündet. 

Der  Augapfel  besitzt  sechs  Augenmuskeln  (Fig.  317,  A),  vier 
gerade  und  zwei  schiefe.  Der  obere  gerade  Muskel  (ds)  ist  der 
mächtigste  von  allen.  Er  geht  von  dem  oberen  Rande  des  Durchtritts- 
loches des  Sehnerven  aus,  läuft  in  etwas  schiefer  Richtung  nach  vorn 
und  bedeckt  die  beiden  schiefen  Augenmuskeln,  sowie  einen  Theil  des 
Augenastes  des  Trigeminus.  Der  untere  gerade  Muskel  (dif) 
ist  kurz;  er  erstreckt  sich  vom  Eintrittsloche  des  Sehnerven  zum 
unteren  Rande  des  Augapfels.  Der  innere  gerade  Muskel  (di) 
geht  oben  ebenfalls  vom  Eintritte  des  Sehnerven  aus  und  bedeckt  an 
der  unteren  Fläche  des  Augapfels  das  freie  Ende  der  Härder 'sehen 
Drüse.  Der  äussere  gerade  Muskel  mit  demselben  Ursprünge 
bedeckt  theilweise  den  Nervus  trochlearis.  Der  schiefe  obere 
Muskel  (os)  geht  von  der  Vorderwand  der  Orbita  aus  und  ist  auf 
seinem  Verlaufe  nach  hinten  grösstentheils  von  dem  oberen,  geraden 
Muskel  überdeckt.  Seinem  Entstehungspunkte  gegenüber  beginnt  der 
untere  schiefe  Muskel  (oi)  an  der  Orbital  wand  als  schmächtiges 
Bündel ,  umzieht  den  unteren  imd  vorderen  Rand  des  xlugapfels  und 
wird  an  seinem  proximalen  Theile  von  dem  Ausführungsgange  der 
Härder' sehen  Drüse  gekreuzt,  während  sein  distaler  Theil  das  sack- 
förmige Ende  der  Drüse  überdeckt.  Alle  diese  Muskeln  setzen  sich  mit 
breiten,  dünnen  Sehnenblättern  im  Umkreise  des  Augapfels  an  die  ent- 
sprechenden Punkte  des  Scleroticalringes  an. 

Hörorgan.  —  Es  liegt  hinten  an  dem  Schädel  in  den  Seiten- 
wänden ;  ein  äusseres  Ohr  fehlt  durchaus.  Der  im  Durchschnitt  runde, 
äussere  Gehör  gang  öffnet  sich  etwas  hinter  und  unter  dem  Auge. 
Der  untere  Rand  der  Mündung  ist  etwas  aufgewulstet.  Der  Gang 
richtet  sich  nach  innen  und  hinten  und  das  Trommelfell  liegt  so 
tief  im  Inneren  des  Ganges,  dass  man  es  von  aussen  nicht  sehen  kann. 
Es  baucht  sich  nach  aussen  auf  und  ist  an  einem  unvollständigen, 
ovalen  Rahmen  befestigt,  der  von  dem  seitlichen  Hinterhauptsbein  und 
dem  Quadratbein  gebildet  wird. 


784 


Wirbelthiere. 


Das  verliältnissmässig  kleine,  mittlere  Ohr  wird  von  derPauken- 
liöhle  gebildet,  welche  durch  die  Eustachi' sehe  Trompete  in  den 
Gaumen  unmittelbar  hinter  den  Choanen  ausmündet.  Ein  Knochen- 
stäbchen, die  Coluraella,  durchsetzt  die  Paukenhöhle.  Sein  distales, 
dem  Trommelfelle  angelagertes  Ende  ist  mit  einem  faserknorpeligen 
Stücke  in  Verbindung,  das  drei  Fortsätze  zeigt.  Der  erste  Fortsatz  legt 
sich  an  das  Trommelfell;  der  zweite,  der  ziemlich  k\irz  ist,  setzt  sich 
nach  hinten  an  den  Rahmen  des  Trommelfelles  an;  der  dritte,  längste, 
steigt  an  dem  unteren  Rande  des  Rahmens  nach  unten  und  setzt  sich 
an  das  Quadratbein  an.  Das  proximale  Ende  der  Columella  ver- 
breitert sich  zu  einer  ovalen  Knocheuplatte ,   welche   sich   in  das  ovale 

rio-.  318. 


Columba  domesttca.  —  Häutiges  Labyrinth,  etwa  sechsfach  vergrössert.  A,  mediale 
Seite;  B,  seitliche  Ansicht,  aa,  vordere  Ampulle;  ae,  äussere  Ampulle;  ap,  hin- 
tere Ampulle ;  c  a,  vorderer  halbkreisförmiger  Canal ;  c  e,  äusserer  Canal ;  cp,  hin- 
terer Canal ;  de,  Ductus  endolymphaticus;  g,  Nerv  der  Lagena;  /,  Hörwarze  der  La- 
gena;  mn,  Hörfleck  des  Eecessus  utriculi ;  n,  Eintritt  des  Hörnerven;  o,  Otolithen ; 
rp.  Hörleiste  der  hinteren  Ampulle;  s,  Sacculus ;  su,  oberer  Sinus;  sup,  hinterer 
Sinus,  i,  Lagena;   u,  Utriculus  (nach  Eetzius). 


Fenster  des  knöchernen  Labyrinthes  einlegt.  Das  häutige  Laby- 
rinth (Fig.  318)  begreift  den  Utriculus,  den  Sacculus,  die  halb  zirkei- 
förmigen Canäle  mit  ihren  Ampullen,  die  Lagena  und  den  endo- 
lymphatischen Canal.  Wir  entnehmen  dem  classischen  Werke  von 
Retzius  folgende  Einzelheiten.  Der  Utriculus  (w)  bildet  eine  un- 
regelmässige Höhle ,  die  sich  nach  vorn  in  einen  weiten ,  mit  eigenem 
Hörflecke  versehenen  Raum,   den  Recessus   utriculi   (nni),  nach  hinten 


Vögel.  785 

in  den  hinteren  Sinus  (sup),  nach  vorn  in  den  vorderen  Sinus  (su) 
fortsetzt.  Die  vordere  Ampulle  (aa)  leitet  einerseits  in  den  Re- 
cessus,  anderseits  in  den  vorderen  Canal  (ca),  der  vertical  verläuft; 
sie  erhält  einen  besonderen  Zweig  des  Hörnerven  (ra).  Die  weit 
grössere  äussere  Ampulle  (aß)  ist  der  Anfang  des  fast  horizontal 
verlaufenden  äusseren  Halbkreiscanales.  Die  hintere  Ampulle  (rtj^*), 
die  grösste  von  allen ,  die  eine  besondere  Hörleiste  mit  Nerv  (rp>)  be- 
sitzt, führt  einerseits  in  den  hinteren  Sinus  des  Utriculus ,  anderseits 
in  den  hinteren  Halbkreiscanal  (cp) ,  der  den  vorderen  in  rechtem 
Winkel  kreuzt.  Der  Sacculus  (s)  ist  eine  den  Boden  des  Recessus 
utriculi  berührende  Blase,  welche  ein  besonderes  Nervenpolster  (ms) 
besitzt.  Vom  Sacculus  geht  ein  feiner,  trichterförmiger  Gang,  der 
endolymphatische  Canal  (de)  aus,  der  senkrecht  nach  oben 
steigt  und  sich  mit  einer  kleinen ,  sackförmigen  Erweiterung  an  das 
Schädeldach  anlegt.  Anderseits  geht  von  dem  Sacculus  nach  hinten 
und  aussen  der  Canalis  sacculo-cochlearis  aus.  Nach  unten  verlängert 
sich  der  Sacculus  in  einen  weiten,  gekrümmten,  blind  endenden 
Schlauch,  die  Lagena  (l) ,  die  der  Schnecke  der  Säugethiere  homolog 
ist.  Der  häutige  Schlauch  enthält  in  seinem  Inneren  die  Rampen  des 
Trommelfelles  und  des  Vestibulums,  die  am  unteren  Ende  des  Schlauches 
zusammeufliesseu.  Ein  besonderer  Nerv  (g)  begiebt  sich  zu  einer  Höi*- 
warze  (/)  im  blinden  Ende  der  Lagena,  die  wie  alle  Hörflecken  und 
Hörleisten  besondere  Hörzellen  trägt.  Im  Inneren  der  Lagena  finden 
sich  zahlreiche  Otolithen  (o). 

Ver  dauungs  organ  e.  —  Da  die  beiden  scharfen  und  lippenlosen 
Schnabelhälften  erst  hinter  dem  Auge  im  Winkel  zusammentreffen, 
erscheint  die  Mundhöhle  sehr  lang  und  weit  gespalten.  Dach 
(Ä,  Fig.  319  a.  f.  S.)  und  Boden  (£,  Fig.  319)  der  Mundhöhle  werden 
beide  von  einem  aus  mehreren  Schichten  abgeplatteter  Zellen  ge- 
bildeten Epithelium  ausgekleidet.  Der  knöcherne  Gaumen  wird 
hinten  von  den  Keil-  und  Flügelbeinen ,  seitlich  von  den  Oberkiefern, 
vorn  von  dem  etwas  nach  unten  gebogenen  Zwischenkiefer  gebildet; 
zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie  liegen  vor  den  Flügelbeinen  die  von 
einander  getrennten  Blätter  der  Gaumenbeine.  Die  zwischen  diesen 
Blättern  geöffnete  Spalte,  die  hintere  Nasenöffnung  oderChoane 
[h,  Fig.  319,  Ä),  ist  vorn  eng,  nach  hinten  etwas  verbreitert  und  die 
Hautränder  dieser  Spalte  sind  mit  kleinen ,  kurzen  Fransen  besetzt. 
Unter  der  Haut  finden  sich  hier  zahlreiche  Schleimdrüsen  (/),  welche 
sich  in  die  Mundhöhle  öffnen.  Das  Epithelium  bildet  jederseits  zwischen 
der  Choane  und  den  Kieferrändern  einen  Längswulst  (g) ,  der  an  der 
Schnabelspitze  beginnt  und  sich  bis  zum  Anfange  des  Schlundes 
fortsetzt.  Zwischen  diesem  Wulste  und  dem  Schnabelrande  finden 
sich  noch  einige  kleine  isolirte  Schleimdrüsen,  die  sich  ebenfalls  in  die 
Mundhöhle    öffnen.      Hinter    der    Choane    liegen    die    ebenfalls   spalt- 

Vogt  u.  Yuiig,  ijrakt.  vergl.  Anatomie.    II.  _^(j 


786 


Wirbelthiere, 


förmigen  Mündungen  der  Eustachi'schen  Röhren  (c),  hinter 
welchen  die  Schleimhaut  des  Gaumens  zwei  segelartige  Vorsprüuge  (e) 
bildet,  deren  hinterer,  freier  Rand  mit  feinen,  nach  hinten  gerichteten 
Zähnelungen  vorspringt.  Diese  Vorsprünge  bezeichnen  die  Grenze 
zwischen  der  Mundhöhle  und  dem  Schlünde;  sie  enthalten  eine  grosse 
Anzahl  von  Drüsen ,  deren  Ausführungsgänge  sich  auf  kleinen ,  in  die 
Mundhöhle  vorspringenden  Wärzchen  öffnen.  Der  Boden  der  Mund- 
höhle (B,  Fig.  319)  wird  von  den  beiden  Hälften  des  Unterkiefers  be- 
grenzt und  ist  grösstentheils  von  Muskeln  und  Drüsen  mit  Einschluss 
der  Körperhaut  gebildet.  Hinter  der  Zungenwurzel  sieht  man  die 
Stimmritze  (o)  in  Gestalt  einer  Amphore,  mit  querer,  vorderer  Er- 

Fio-.  319. 


A 


C'oluinba  domesüca.  —  Die  Mundhöhle  in  doppelter  Vergrösserung.  A,  Gaumeiidach. 
«,  Schnabelspitze;  ö,  Choane ;  c,  Eustachi' sehe  Röhre;  d,  Schlund;  e,  Drüsenwulst ; 
y,  blossgelegte  Drüsen  zu  beiden  Seiten  der  Choane ;  g,  Mittelwulst.  jB,  Boden  der 
Mundhöhle;  rechterseits  ist  die  Schleimhaut  weggenommen.  «,  Unterkiefer ;  &,  Zungen- 
drüsen ;  c.  deren  OefFnuugen ;  d,  Muskel  von  der  Glottis  zum  Boden  gehend ;  e, 
äussere,  intermandibulare  Drüse;  J\  (/,  Mm.  genio-hyoidei ;  h,  M.  mylo-hyoideus ; 
i,  äusserer  Verengerer  der  Stimmritze;  in,  hintere  Zähnelungen  des  Drüsenwulstes  /; 
?i,  OefFnungen  der  Drüsen  des  Wulstes ;  o,  Stimmritze ;  p,  OefTnungen  der  Drüsen 
des  Wulstes  q;  r,  Epithelium  des  Mundbodens;  s,  innerer  Verengerer  der  Stimm- 
ritze; t,  Oeftnungen  der  inneren  Intemiandibulardrüsen  ü/ ;  v,  Muskel  dieser  Drüse; 
,    ir,  linke  Hälfte   der  durch   einen  Länsfssclinitt  setheilten  Zun^e. 


weitei'ung,  die  nach  hinten  in  eine  Längsspalte  ausläuft  und  sehr  dicke, 
gezähnelte  Lippen    zeigt.      Zu   ihren    Seiten   sieht   man    zwei  fleischige 


Vögel.  7S7 

Wülste,  die  von  dem  Yerengerer  der  Stimmritze  (s)  gebildet  werden. 
Die  Hinterränder  dieser  Wülste  heben  sich  ab,  indem  sie  aus  einander 
weichen  and  einen  V-förmigen  Raum  zwischen  sich  lassen,  in  welchen 
die  zahlreichen,  nach  hinten  gerichteten  Zähnelungen  vorragen,  mit 
welchen  der  liinterrand  der  Wülste  besetzt  ist.  Vor  diesen  Zähne- 
Inngen  liegen  in  der  Dicke  der  Schleimhaut  zahlreiche  Drüsen  (1), 
deren  unter  der  Lupe  sichtbare  Mündungen  (m)  auf  der  Spitze  kleiner 
Wärzchen  sich  in  die  Mundhöhle  öffnen.  Diese  unteren  Wülste  liegen 
den  ebenso  gebildeten,  oberen  Wülsten  so  gegenüber,  dass  beide  sich 
beim  Schliessen  des  Schnabels  berühren ;  sie  erleichtern  durch  ihre  Ab- 
sonderung  das  Hinunterschlucken  der  Nahrung  und  verhindern  zu- 
gleich durch  ihre  Zähnelungen  den  Rücktritt  in  die  Mundhöhle.  Vor 
der  Stimmritze,  in  dem  zwischen  ihr  und  den  hinteren  Anhängen  der 
Zunge  liegenden,  vorgewölbten  Räume  finden  sich  zahlreiche  Drüsen  (5). 
deren  regellos  zerstreute  Mündungen  f^:»)  mit  blossem  Auge  sicht- 
bar sind. 

Die  Zunge  (iv,  Fig.  olD,  B)  hat-  die  Gestalt  eines  schmalen 
Lanzeneisens;  die  Spitze  wird  von  einer  hornigen  Lamelle  gebildet, 
nach  hinten  verlängert  sie  sich  in  zwei  seitliche  Flügel ,  die  bis  zur 
Stimmritze  reichen ,  die  Hinterzungendrüse  (q)  umfassen  und  an  ihren 
freien  Rändern  mit  rückwärts  gerichteten  Zähnelungen  besetzt  sind. 
Die  vorderen  zwei  Drittel  der  Zunge  sind  frei,  das  hintere  Drittel  ist 
durch  ein  musculöses  Band  an  dem  Boden  der  IMundhöhle  befestigt. 
Ein  (^)uerschnitt  der  Zunge  zeigt  einen  dreieckigen  ümriss;  die  obere, 
dorsale  Fläche  ist  etwas  eingedrückt,  die  beiden  Seitenflächen  leicht 
vorgewölbt.  Unter  der  Schleimhaut  der  Seitenflächen  finden  sich  die 
Zungendrüsen  (h)  in  Gestalt  zweier  länglicher,  nach  vorn  sich 
verschmälernder,  nach  hinten  breiter  werdender  Körper,  deren  Aus- 
führungsgänge sich  mit  etwa  einem  Dutzend  von  ^Mündungen  (c)  in 
rgelmässigen  Zwischenräumen  vorn  an  den  Seiten,  hinten  auf  der  Rück- 
seite der  Zunge  bis  zum  Abgange  der  Flügel  öff'nen.  Ein  verhorntes 
Epithelium  überzieht  das  ausserdem  aus  dem  Zungenknochen,  den  Mus- 
keln, Nerven  und  Gefässen  gebildete  Organ. 

Munddrüsen.  —  Ausser  den  angeführten  Drüsen  des  Gaumens, 
der  Zunge  und  der  Umgebung  der  Stimmritze  finden  sich  noch  inner- 
halb der  Unterkieferäste  auf  beiden  Seiten  der  Mittellinie  zwei  ge- 
sonderte, dem  Unterkiefer  parallel  laufende  Drüsenkörper,  die  Zwischen- 
kieferdrüsen. Die  innere,  bedeutendere  Drüse  (11,  Fig.  319,  B) 
wird  von  etwa  einem  Dutzend  dickwandiger  Drüsenschläuche  gebildet, 
welche  vorn  und  hinten  kürzer,  in  der  Mitte  am  längsten  sind,  .Jeder 
Schlauch  mündet  isolirt  in  der  Nähe  der  Mittellinie  mit  einer,  mit 
blossem  Auge  sichtbaren  Oeffnung  (t).  An  das  blinde  Ende  jedes 
Schlauches  setzen  sich  einige  Muskelbündelchen  an.  die  zusammen- 
fliessen  und  so  einen  Schliesser  der  Stimmritze  (r)  bilden,  der  sich  an 

50* 


788  Wirbelthiere. 

den  Rändern  der  Stimmritze  anheftet.  Von  der  Innenwand  jedes 
Schlauches  gehen  vorspringende  Längsfalten  aus,  deren  Flächen  mit 
Drüsenzellen  ausgekleidet  sind:  ein  Querschnitt  eines  Schlauches  bietet 
demnach  das  Bild  eines  Rades,  von  welchem  strahlenförmige  Speichen 
nach  innen  strahlen  und  so  Gefache  bilden,  die  sich  in  eine  centrale 
Höhle  öffnen,  welche  durch  die  Wirkung  der  angehefteten  Muskelfasern 
des  Stimmritzenschliessers  entleert  werden  kann.  Die  äussere 
Zwischenkieferdrüse  (e),  die  weit  kleiner  als  die  vorige  ist,  hat 
gefranste  Ränder  und  gleicht  einer  lang  ausgezogenen,  etwas  ge- 
krümmten Traube.  Jedes  Korn  der  Traube  mündet  durch  eine  be- 
sondere Oeffnung  in  die  Mundhöhle.  Unmittelbar  an  dem  Unterkiefer- 
gelenk liegt  noch  eine  kleine ,  in  die  Länge  gezogene,  traubige  Drüse, 
die  Eckdrüse;  sie  mündet  mit  einem  einzigen  Ausführungsgange  in 
die  Rachenhöhle. 

Der  Schlund  (c,  Fig.  291)  hat  die  Gestalt  eines  sehr  weiten 
Trichters ,  der  sich  rasch  verengt ,  innere  Längsfalten  zeigt  und  längs 
des  Halses,  unmittelbar  an  der  Luftröhre  anliegend,  herabsteigt;  er 
erweitert  sich  plötzlich  in  einen  weiten  Sack,  den  Kropf  (cZ,  Fig.  291), 
der  bei  der  Taube  eine  wichtige  Rolle  spielt,  indem  er  nach  dem 
Ausschlüpfen  der  Jungen  aus  dem  Ei  eine  weissliche,  käsige  Masse  ab- 
sondert, womit  die  Eltern  ihre  Jungen  in  der  ersten  Zeit  speisen.  Der 
Kropf  liegt  an  dem  unteren  Halsende  in  dem  Winkel  zwischen  den 
Aesten  des  Gabelbeines  als  eine  dorsal  abgeplattete,  nach  beiden  Seiten 
ausgebreitete,  ventrale  Erweiterung  des  Schlundes,  deren  Volumen  sehr, 
je  nach  dem  Zustande  der  Füllung,  variirt;  die  Wände  sind  in  der 
Nähe  der  Oeffnungen  bedeutend  verdickt,  sonst  aber  sehr  dünn  und 
durchscheinend  und  in  Abständen  mit  Längs-  und  Querbündeln  von 
Muskeln  ausgestattet.  Die  hintere  Oeffnung  liegt  auf  der  dorsalen 
Seite  und  zeigt  fünf  grössere  und  drei  kleinei^e,  vorspringende  Längs- 
falten, welche  sich  in  den  Oesophagus  fortsetzen.  In  diesen,  mit 
dickem ,  verhorntem  Epithelium  überzogenen  Wülsten  finden  sich 
Drüsen,  welche  mit  zahlreichen  Oeffnungen  an  den  Seiten  der  Wülste 
ausmünden. 

Hinter  dem  Kröpfe  nimmt  der  Schlund  seine  vorigen  Dimensionen 
au  und  geht  dann  in  den  Drüsenmagen  über.  Querschnitte  zeigen  als 
Bildungselemente  des  Schlundes  aussen  die  seröse  Hülle  aus  netz- 
förmigem Bindegewebe. mit  zahlreichen,  länglichen  Kernen,  sodann  eine 
Schicht  von  Kreismuskelfasern ,  auf  die  eine  Schicht  von  Längsfasern 
folgt,  die  in  einzelne,  im  Bindegewebe  eingehüllte  Bündel  zerfällt, 
zwischen  welchen  zahlreiche  Nerven  und  Gefässe  verlaufen.  Die  sehr 
dicke,  innere  Schleimhaut  besteht  aus  zahlreichen  Schichten  von  Zellen, 
die  am  Grunde  runde  Kerne  zeigen ,  welche  sich  leicht  mit  Carmin 
färben,  während  die  Kerne  der  oberflächlichen ,  verhornten  Zellen  ab- 
geplattet sind  und  sich  nicht  färben. 


Vöffel. 


7S< 


Der  Drüsenmagen  Qrr,  Fig.  291)  ist  ein  sehr  dickwandiger 
Hohlcylinder ,  dessen  hinteres  Ende  an  den  dorsalen  Rand  des  Muskel- 
magens herangeht.  Die  Schicht  von  Längsmuskelfasern,  welche  auf 
die  seröse  Hülle  folgt,  ist  nur  sehr  dünn,  während  die  Quermuskeln 
einen  zusammenhängenden  Hohlcylinder  bilden,  in  dessen  Gewebe  ab- 
geplattete Kerne  liegen.  Die  dickste  Schicht  wird  innen  von  grossen, 
dicht  an  einander  gepressten  Drüsen  gebildet,  welche  die  Gestalt  eines 
langgestreckten  Kegels  haben  und  mit  ihrem  blinden,  weiteren  Ende 
auf  der  inneren  Längsmuskelschicht  aufsitzen.  Diese  durch  Binde- 
gewebe zusammengehaltenen  zahlreichen  Drüsenkegel  reihen  sich  nach 
schiefen,  parallelen  Linien  an  einander.  Ihre  Mündungen  finden  sich 
auf  kleinen,  in  die  Höhle  des  Drüsenmagens  vorspringenden  Wärzchen 
und  sind  weit  genug,  um  mit  blossem  Auge  erkannt  werden  zu  können. 
Jeder  Drüsenschlauch  hat  eine  eigene  Hüllmembran ,  und  in  seine 
innere    Höhlung   springen   strahlig   gestellte   Fältchen    vor,    auf  deren 

Fio-.  520. 


Columbu   domeslica.    —    Der  iluskelinagpii   in  natürlicher  Grösse.     A.   der  grossen  Axe 

nach  und    den   Seiten    parallel    in    zwei    Hälften    getheilt.      B,    Querschnitt    durch    die 

Mitte  der   Seitenflächen,     a,  Centrum    der  Seitenfläche    ohne  Muskeln;    b,  Muskellao'e 

in  ihrer    grössten  Dicke  ;   c,   innere  Höhlung  ;   c/,   Einmündung  des  Drüsenmagens. 

Flächen  die  Drüsenzellen  liegen  und  die  kleine  Kämmerchen  bilden,  die 
ihre  Absonderung  in  den  Centralcanal  des  Drüsenschlauches  entleeren. 
Der  Muskelmagen  {h,  Fig.  291)  hat,  wie  oben  gesagt,  die  Ge- 
stalt einer  biconvexen  Linse.  Er  liegt  in  dem  hinteren  Abschnitte 
der  Bauchhöhle  in  der  Art,  dass  seine  äussere  Fläche  sich  an  die  Wand 
der  Bauchhöhle  anlegt,  während  die  innere  Fläche  den  Darmwindungen 
zugewendet  ist.  Beide  Flächen  schillern  glänzend  in  Folge  der  Aus- 
bildung von  Sehnenblättern,  welche  in  der  Mitte  sehr  verdickt  sind, 
aber  gegen  die  Ränder  hin  zusehends  dünner  werden.  Die  dicken 
Wände  sind  von  Kreismuskeln  gebildet,  welche  in  der  Nähe  des  Mittel- 
punktes jeder  Fläche  entspringen.  Die  Mitte  des  Magens  selbst  ist 
aber  dünn    (a,  Fig.  320,  A) ,   da   sie   nur  von    der   erwähnten    Sehnen- 


790 


Wirbelthiere. 


ausbreituug  gebildet  und  von  der  inneren  Hornschicbt  überzogen  wird. 
Der  anfangs  dünne  Muskel  schwillt  gegen  die  Ränder  hin  zusehends 
an  und  bildet  hier  eine  ausserordentlich  dicke  Lage  (b).  Ein  durch 
das  distale  Ende  des  Drüsenmagens  gelegter  Längsschnitt  (^,  Fig.  320) 
durchsetzt  die  Muskellage  in  ihrer  grössten  Dicke.  Hier  sowohl,  wie 
auf  Querschnitten  (B,  Fig.  320)  sieht  man,  dass  die  Muskelmasse  aus 
concentrisch  gelagerten  Schichten  besteht  (b) ,  welche  durch  Binde- 
gewebe zusammengehalten  werden.  Bei  stärkerer  Vergrösserung 
(Fig.  321,  J3)  kann  man  deutlich  diese  Schichten  (a),  das  eingeschaltete 
Bindegewebe  (b)  und  dann  eine  innere  Schicht  von  Längsmuskelfasern 


Fiff.  321. 


«s-  -^ 


A 


B 


Columha  domestlca.  —  Innenwand  des  Muskelmagens.  A,  Quersclmitt  der  Drüsen. 
Verick,  Oc.  3,  Obj.  7.  a,  Drüsenzellen;  b,  ihre  Kerne;  c,  Umhüllungshaut  der 
Drüsen ;  d,  Centralcanal ;  e,  die  Drüsen  vereinigendes  Bindegewebe.  B,  Längsschnitt 
der  Di'üsen  bei  geringer  Vergrösserung.  u,  Kreismuskeln ;  b,  Bindegewebe ;  d,  Längs- 
muskeln;  e,  Drüsenwände  ;  y',   Cuticula  ;  g,  Canäle   der  Drüsen. 


(d)  unterscheiden,  auf  welche  eine  Schiclit  langer  Drüsenschläuche  (e) 
folgt,  welche  eine  sehr  dicke,  innere  Hornhaut  (/)  absondern.  Die 
Hornschicbt  ist  runzelig ,  rauh ,  färbt  sich  kaum  mit  Cai-min  und 
dringt,  sich  verdünnernd,  sowohl  in  das  Ende  des  Drüsenmagens  als  in 
den  xinfang  des  Darmes  ein.  Auf  gefärbten  Schnitten  tritt  die  Drüsen- 
schicht besonders  deutlich  hervor;  sie  besteht  aus  zahllosen,  mit  ihren 
blinden ,    etwas    erweiterten    Enden    (g)     auf  die    Längsmuskeln    ein- 


Vögel.  791 

gepflanzten  Schläncheu.  Jeder  Drüseuschlauch  (Fig.  -321,  Ä)  ist  von 
einer  eigenen  Hüllmembran  (c)  umkleidet;  seine  Wände  werden  von 
strahlig  gestellten  Cylinderzellen  (a)  gebildet,  deren  runde  Kerne  am 
Grunde  liegen ;  die  weiten  Mündungen  der  Drüsenschläuche  springen 
mit  ihren  Wandungen  etwas  vor,  so  dass  Längsschnitte  (B)  die  Figur 
eines  Kammes  zeigen. 

Das  Duodenum  (/,  Fig,  291;  g  und  i,  Fig.  323)  entspringt  auf 
der  Innenfläche  des  Muskelmagens,  nahe  bei  dem  Eintritte  des  Drüsen- 
magens; es  bildet  eine  das  Pankreas  umschliessende  Schlinge  und  setzt 
sich  unmittelbar  in  den  Dünndarm  (?'^,  Fig.  291)  fort,  welcher  zahl- 
reiche, an  Mesenterialfalten  aufgehängte  Windungen  beschreibt,  die 
fast  den  ganzen  Hinterraum  der  Bauchhöhle  einnehmen.  In  den  Dünn- 
darm münden  am  Ende  zwei  seitliche,  etwa  einen  Centimeter  lange  Blind- 
därme (l).  Das  etwa  fünf  Centimeter  lange  Rectum  (m)  mündet  in 
die  weite  Cloake  (d,  Fig.  291),  die  sich  durch  den  After  (o,  Fig.  291), 
eine  von  einem  Sphincter  umgebene  Querspalte  mit  gefalteten  Rän- 
dern, nach  aussen  und  unten  öffnet.  Die  Vorderwand  der  Cloake 
bildet  zwei  über  einander  liegende  Falten ,  welche  die  Vordergegend 
der  Cloake  in  drei  Kammern  theilen  ,  die  ventrale  Afterkammer,  die 
mittlere  Urogenitalkammer  und  die  obere  Kammer,  das  Protodaeum. 
Die  Afterkammer  ist  die  geräumigste ;  sie  bildet  die  Fortsetzung  des 
Afterdarmes ;  die  weit  kleinere  Mittelkammer  nimmt  die  Producte  der 
Harn-  und  Geschlechtsorgane  auf.  Auf  der  Hiuterwand  dieser  Kammer 
springen  nahe  an  der  Mittellinie  die  Mündungen  der  Hai'nleiter  als 
kleine  Wärzchen  vor;  nach  aussen  von  ihnen  liegen  beim  Männchen 
die  spaltförmigen  Oeffnungen  der  Samenleiter.  Die  obere,  sehr  ge- 
räumige Kammer  führt  durch  eine  dreieckige,  vordere  Oeffnung  in  die 
Fabricius'sche  Tasche,  ein  birnförmiger  weiter  Beutel,  der  etwa 
zwei  Centimeter  lang,  einen  Centimeter  breit  ist  und  mit  einem  nach 
hinten  gerichteten  Canale  in  di»  Cloake  mündet.  Die  Tasche  ist  durch 
ein  Sehnenband  an  die  Wirbelsäule  angeheftet. 

Die  Wand  des  Darmes  (Fig.  322  a.  f.  S.)  wird,  wie  gewöhn- 
lich, nach  aussen  von  einer  an  Blutgefässen  und  Nerven  reichen, 
serösen  Hülle  (d)  aus  Bindegewebe  gebildet.  Darauf  folgt  eine  dicke 
Kreismuskelschicht  (e),  zwischen  deren  Fasern  glatte  Kerne  liegen, 
dann  die  dünne  Schicht  von  Längsmuskeln  (c)  und  ganz  nach  innen 
die  Schleimhaut  (rt),  die  sehr  zahlreiche,  fingerförmige  Zotten  bildet, 
welche  oft  bis  in  die  Mitte  der  Darmhöhle  reichen  und  in  den  Maschen 
des  sie  bildenden  Bindegewebes  Netze  von  Blutgefässen  (b)  und  Lymph- 
gefässen  enthalten.  Die  Zotten  sind  im  Duodenum  und  dem  Dünn- 
darm sehr  lang  und  schmal,  in  den  Blinddärmen  dagegen  sehr  breit, 
so  dass  sie  grosse  Massen  bilden,  welche  fast  vollständig  die  Höhle  der 
Blinddärme  ausfüllen.  Zwischen  den  Zotten  zeigen  sich  in  der  Schleim- 
haut die  Lieber  kühn 'sehe  n  Drüsen    (g) ,   lange,   feine  Schläuche, 


792 


Wirbelthiere. 


rig-.  322. 


welche  mit  ihrem  geschlossenen  Grunde  auf  der  Längsmuskelschicht 
aufsitzen.  Das  Endothelium  dieser  Drüsenschläuche  (r/)  wird  von 
grossen  Cylinderzellen  mit  länglichen  Kernen  gebildet,  deren  Mündungen 
in  den  Centralcanal  des  Schlauches  mit  einer  auch  bei  schwachen  Ver- 
grösserungen  sichtbaren  Grenzschicht  (70  ausgekleidet  sind.  Die 
Lieberkühn"  sehen  Drüsen  finden  sich  in  grosser  Menge  im  Duo- 
denum und  Dünndarm; 
in  den  Blinddärmen  sind 
sie  selten. 

Die  Anhangsgebilde 
des  Darmes  (Fig.  32.3) 
bestehen  aus  der  Milz, 
dem  Pankreas  und  der 
Leber. 

Die  Milz  (b ,  Fig. 
323)  ist  verhältniss- 
mässig  sehr  klein,  ab- 
geplattet und  von  läng- 
licher Gestalt.  Durch 
Mesenteriallamellen  ist 
sie  einerseits  an  den 
Hiuterrand  des  dorsalen 
Leberlappens,  anderseits 
an  das  hintere  Ende  des 
Drüsenmagens  (c)  an- 
geheftet und  zeigt  die 
gewöhnliche ,  an  Blut- 
gefässen so  reiche  Aus- 
stattung, in  deren  Ein- 
zelheiten wir  nicht  ein- 
gehen. 

Das  Pankreas  (f,h, 
Je,  Fig.  323)  bildet  eine 
lange,  feste  Drüse  von  grauröthlicher  Farbe,  die  in  der  Schlinge  des 
Duodenums  eingeschlossen  ist.  Sie  besteht  aus  drei  Ha.uptlappen,  von 
welchen  zwei  auf  der  einen,  der  dritte  auf  der  entgegengesetzten 
Fläche  des  Gekrösblattes  aufliegt,  welches  die  beiden  Schenkel  der 
Darmschlinge  mit  einander  verbindet.  Auf  der  ventralen  Seite  sieht 
man  in  der  Höhe  des  Anfanges  des  Duodenums  einen  Lappen  (It), 
dessen  hinteres  Ende  das  Gekrösblatt  durchsetzt  und  sich  in  die  dor- 
sale Hälfte  der  Drüse  fortsetzt.  Nach  hinten  zeigen  sich  zwei  eng 
verbundene  Lappen  (/und  7;),  deren  kleinerer  sich  bis  in  den  Winkel 
der  Darmschlinge  verlängert.  Auf  der  dorsalen  Fläche  des  Gekrös- 
blattes   liegt    nur    ein    grosser,    länglicher    Lappen  (h).      Der   Bauch- 


Colmnba  domestica.  —  Querschnitt  der  DaimwanJ. 
a.  Durchschnitt  einer  Papille ,  die  ein  Getäss  b  ent- 
hält:  c,  Längsmuskeln  mit  Gefässen  /';  c/,  serüse 
Haut :  e,  Kreismuskeln  :  g,  Drüsenzellen  :  fi,  Cuticula 
der    I)rüsen ;    i.    Lieberkühn'sche   Drüsenschläuche. 


Vcio^el. 


'93 


Speichel  wird  durch  drei  besondere  Gänge  in  den  Darm  ergossen;  zwei 
Yon  diesen  Gängen  (?)  kommen  aus  den  ventralen  Lappen,  der  dritte 
{)i)  aus  dem  dorsalen  Lappen. 

Die  Leber  (o,  a\  Fig.  323)  bildet  vor  dem  Drüsenmagen  eine 
dicke  Masse  von  brauner  Farbe  und  setzt  sich  aus  zwei  grossen  Lappen 
zusammen,    die    an   den   Bauchwänden    anliegen    und,    die   Spitze    des 

Fio-.  323. 


Columba  domesticu.  —  Dorsale  Ansicht  des  Duodenums  und  seiner  Anliangsorgane  iu 
natürlicher  Grösse,  a,  linker  Leberlappen;  a-"-.  rechter  Leberlappen:  c.  Ende  des 
Drüsenmagens;  c^,  Durchschnitt  desselben:  cZ,  Arterie  des  Muskelmagens:  f,  h.  ven- 
trale Lappen  des  Pankreas  ;  g,  absteigender  Ast  der  Duodenalschlinge  :  /,  aufsteigender 
Ast  derselben ;  l\  dorsaler  Lappen  des  Pankreas ;  /,  untere  Ausführungsgänge  des 
Pankreas:   ;?!.   oberer  Ausführungsgang;   o,  p,   Gallengänge. 


794  Wirbel  thiere. 

Herzens  umfassend,  in  der  ventralen  Mittellinie  an  einander  stossen.  Der 
linke,  grössere  Lappen  (ft)  reicht  mit  seiner  hinteren  Spitze  bis  an  die 
Nieren  und  bedeckt  zum  Theil  den  kleineren,  rechten  Lappen  (a').  Die 
Hinterränder  der  nach  vorn  stark  verdickten  Lappen  schärfen  sich  zu ; 
die  Masse  verschmilzt  nach  vorn  und  umgiebt  einen  grossen  Theil  des 
Drüsenmagens.  Jeder  Lappen  zerfällt  in  einige  secundäre  Läppchen. 
Die  äusseren  Flächen  der  Leber  sind  glatt  und  gewölbt,  auf  der  inneren 
Fläche  zeigen  sich  tiefe  Eindi'ücke,  in  welchen  Theile  der  Darm- 
schlingen liegen.  Der  grösste  dieser  Eindrücke,  der  am  linken  Lappen 
ausgegraben  ist,  nimmt  die  vordere  Hälfte  des  Muskelmagens  auf. 
Eine  Gallenblase  fehlt;  die  Galle  wird  dem  Duodenum  unmittelbar 
durch  zwei,  an  Länge  und  Dicke  sehr  ungleiche  Gallengänge  zugeführt; 
der  weitere,  aber  kürzere  dieser  Gänge  (p)  beschreibt  eine  leichte 
Curve  nach  hinten  und  mündet  in  das  proximale  Ende  des  Duodenums; 
der  andere,  feinere  aber  längere  (o),  folgt  dem  inneren  Rande  des  auf- 
steigenden Schenkels  der  Darmschlinge  und  mündet  in  ^diese  in  der 
Nähe  der  hinteren  Ausführungsgänge  des  Pankreas. 

Harnorgane,  —  Die  Niereu  (Fig.  331)  liegen  symmetrisch 
zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  unmittelbar  an.  Jede  Hälfte  be- 
ginnt hinter  der  Leber  und  besteht  aus  drei,  von  vorn  nach  hinten 
au  Volumen  zunehmenden  Massen.  Das  Bauchfell  ti-ennt  sie  von  der 
Eingeweidehöhle  ab,  indem  es  sie  nur  auf  ihrer  venti'alen  P^läche  über- 
zieht, welche  eine  Menge  von  kleinen  Windungen  zeigt,  die  an  die 
Hirnwindungen  erinnern.  Auf  der  unmittelbar  den  Wirbeln  an- 
liegenden dorsalen  Fläche  drücken  sich  die  Unebenheiten  der  Wirbel 
ab;  an  dem  vorderen  Lappen  (r)  diejenigen  des  Darmbeines  und  der 
Querfortsätze  des  Lendenwirbels;  der  mittlere  Lappen  (r^)  wird  von 
den  Nervenstämmen  durchsetzt,  welche  das  Hüftgeflecht  bilden,  er 
zeigt,  wie  der  hintere  Lappen  (r-),  eine  tiefe  Längsrinne,  in  welche  der 
Harnleiter  verläuft.  Dieser,  auf  seiner  dorsalen  Fläche  in  Form  einer 
Halbkugel  vorgewölbte  Lappen  passt  in  die  Griibe  des  Darmbeines 
hinter  dem  Foramen  obturatorium.  Wie  überall,  bestehen  die  Nieren 
aus  einem  bindegewebigen  Stroraa,  in  welchem  Blut-  und  Lymph- 
gefässe,  Nerven  und  Harncanäle  verlaufen.  Letztere  sind  sehr  fein; 
die  Bowm  an 'sehen  Kapseln,  aus  welchen  sie  hervox'gehen  ,  liegen 
grösstentheils  in  der  Rindensubstanz.  Die  sehr  geschlängelten  Harn- 
canälchen  fliessen  zusammen  und  mündeu  in  ein  auf  der  ventralen 
Fläche  der  Niere  nahe  an  ihrem  Innenrande  angebrachtes,  in  die  Länge 
gezogenes  Becken,  aus  welchem  der  Harnleiter  entspringt.  Die 
beiden  Harnleiter  krümmen  sich  nach  ihrem  Austritte  aus  der  Niere 
um  die  Fahr icius' sehe  Tasche  herum  und  münden,  jeder  für  sich, 
auf  einem  kleinen  Wärzchen  in  die  Ui"ogenitalkammer  der  Cloake. 
Der  Harn  ist,  wie  derjenige  der  Reptilien,  breiig  und  von  weisser 
Farbe. 


Vögel.  795 

Die  Nebennieren  (ec,  Fig.  331)  liegen  als  gelbliche,  etwa 
erbsengi'osse  Körper  jederseits  vor  dem  Vordereude  des  ersten  Nieren- 
lappens, zwischen  diesem  und  den  Geschlechtsdrüsen.  Sie  enthalten 
zahlreiche,  gewundene  Blindschläuche;  die  Zellen  ihrer  Wandungen 
sind  undeutlich,  etwas  in  die  Länge  gezogen  und  besitzen  grosse, 
runde,  excentrische  Kerne.  In  dem  zelligen  Protoplasma  sind  zahl- 
reiche, stark  lichtbrechende  Körnchen  zerstreut. 

Geschlechtsorgane.  —  Die  wurstförmigen,  gelblichweisseu 
Hoden  (t,  Fig.  331)  liegen  auf  der  Innenseite  des  Vorderendes  des 
ersten  Nierenlappens,  von  einem  besonderen  Mesenterialblatte  umgeben. 
Die  äussere,  sehnige  Hülle  sendet  vorspringende  Blätter  nach  innen 
und  theilt  so  das  Organ  in  Kammern,  in  welchen  die  Samencanälchen 
vielfach  gewunden  und  verästelt  verlaufen.  Die  Canälchen  sammeln 
sich  in  einem  unscheinbaren  Nebenhoden,  der  sich  in  den  am  Innen- 
raude  der  Stirnlappen  neben  dem  Harnleiter  verlaufenden  Samenleiter 
fortsetzt.  Dieser  mündet,  ohne  eine  Erweiterung  in  seiner  Länge  zu 
zeigen,  auf  die  beschriebene  Weise  in  die  Cloake. 

Der  Eierstock  (g, Fig.  292)  liegt  an  dem  lunenrande  des  ersten 
linken  Nierenlappens  hart  an  der  absteigenden  Aorta,  von  welcher  er 
eine  starke  Arterie  erhält.  Seine  Gestalt  und  Grösse  wechseln  un- 
gemein, je  nach  Alter  und  Jahreszeiten.  Bei  jungen  Thieren  bildet 
er  einen  in  dorso- ventraler  Richtung  abgeplatteten,  vorn  breiteren, 
hinten  schmäleren  Körper  von  gelblicher  Farbe,  auf  dessen  Oberfläche 
man  Querfältchen  gewahrt.  Auf  Schnitten  kann  man  ein  Epithelium 
mit  Cylinderzellen  unterscheiden ,  welches  die  Kapsel  des  Eierstockes 
bildet.  In  dem  losen ,  aus  Bindegewebe  gebildeten  Stroma  liegen 
Eichen  in  verschiedeneu  Entwicklungsstadieu.  Der  Eierstock  eines 
erwachsenen  Thieres  liegt  näher  an  der  Mittellinie  der  Wirbelsäule 
und  hat  die  Gestalt  einer  Traube,  an  welcher  Eier  von  verschiedener 
Grösse  stark  vorspringen.  Nicht  selten  findet  man  einen  vei'kümmerten, 
rechten  Eierstock  in  Gestalt  einer  kleinen,  runzeligen  Masse,  die  dem 
ersten  Nierenlappen  rechterseits  anliegt. 

Der  Eileiter  (o r,  Fig.  292)  bildet  einen  abgeplatteten  Schlauch, 
der  durch  eine  Mesenterialfalte  an  die  Körperwand  geheftet  ist  und 
nach  vorn  mit  einem  weiten  Trichter  beginnt,  dessen  Gestalt  und 
Grösse  je  nach  den  Jahreszeiten  sehr  wechselt.  Die  Oeffnung  des 
Trichters  (par)  ist  bald  dem  Eierstocke  zugewendet,  bald  von  dem- 
selben abgewendet.  Der  Schlauch  verläuft  mit  vielen  Windungen,  die 
sich  bald  hier,;  bald  dort  verwischen,  längs  den  Nierenlappen  nach 
hinten.  Auf  seiner  ganzen  Länge  zeigt  der  Schlauch  im  Inneren 
Längsfalten.  Seine  Wände  zeigen  aussen  eine  dünne,  seröse  Hülle, 
dann  eine  Längsmuskelschicht,  deren  Mächtigkeit  an  verschiedenen 
Abschnitten  wechselt.  Dann  folgt  eine  Bindegewebsschicht  mit  zahl- 
reichen   Blutgefässen    und    ganz    nach    innen    eine    von    Cylinderzellen 


796 


Wirbeltbiere. 


gebildete  Drüsenschicht,  welche  das  Eiweiss,  die  Schalenhaut  und  die 
Schale  absondern.  Der  Eileiter  mündet  durch  eine,  ausserhalb  des 
linken  Harnleiters  gelegene  Spalte  in  die  Cloake.  Sowie  man  Rudi- 
mente des  rechten  Eierstockes  antrifft,  findet  man  auch  zuweilen,  als 
Rest  des  rechten  Eileiters,  das  Ende  desselben  in  Form  einer  blätterigen 
Verdickung  von  weisslicher  Farbe  und  der  Länge  eines  Centimeters, 
die  ausserhalb  der  Cloake  liegt  und  durch  ein  Mesenterialblatt  an  die 
Körperwand  angeheftet  ist. 

Die  Athemorgane  bestehen  aus  zwei  Kehlköpfen,  einem  oberen 
und  einem  unteren,  aus  der  Luftröhre,  den  Lungen  iind  den  Luft- 
säcken, welche  den  Vögeln  eigenthümlich  sind.  Als  Nebenorgane 
können  noch  die  Diaphragmen  angesehen  werden. 

Der  obere  Kehlkopf  (Fig.  324)  ist  eine  zur  Aufnahme  der 
Athemluft  bestimmte  Erweiterving  des  oberen  Endes  der  Luftröhre, 
welche  sich  durch  eine  Längsspalte,  die  Glottis,  in  die  hintere  Racben- 
höhle   öffnet.      Die   Wände   der    relativ   weiten   Kehlkopfhöhle  werden 

Fig.  324. 


Columhu  domestlcu.    —    Oberer  Kehlkopf,   dreifach  vergrüssert.     A,  im   Profil.    B,   dor- 
sale Fläche,      oj",   Cartilago  arytaenoidea;    an,    vordere  Erhebixng  desselben;    er,   Car- 
tilago   cricoidea  ;  s,   Verbindungsstück  zwischen   den    genannten  Knorpeln;   t^   Cartilago 
thyroidea  mit  den  daran  angebrachten  Lücken  o. 


durch  Knorpelringe  gestützt,  die  nur  modificirte  Luftröhrenringe  sind, 
aber  eine  schiefe  Lagerung  angenommen  haben  und  im  Verein  mit 
einem  unpaaren,  ventralen  Stücke  eine  feste  Kapsel  bilden,  deren 
Zwischenräume  durch  Bindegewebe  ausgefüllt  sind.  Der  vordere  Ring, 
der  Gie  sskann  enk  norpe  1  (Cartilago  arytaenoidea,  ar,  Fig.  321) 
ist  unvollständig,  da  er  unten  klafft.  Der  auf  der  dorsalen  Fläche 
verbreiterte  Knorpel  wird  durch  eine  tiefe  Querfurche  in  zwei  Theile 
getheilt.  Der  vordere  Theil  (an)  bildet,  von  der  Seite  gesehen  (A), 
einen  starken  Vorsprung  und  ist  von  dem  hinteren  Theile  auf  der 
Rückenfläche  (B)  scharf  gesondert.  Die  unteren  Schenkel  des  Ringes 
ruhen  auf  einem  ventralen,  unpaaren  Stücke,  dem  Schildknorpel 
(Cartilago  thyroidca,  t),  einer   vorn  schmalen,  nach  hinten  in  der  Art 


Vögel.  797 

verbreiterten  Platte ,  dass  die  Flügel  an  den  Seiten  des  Kehlkopfes  in 
die  Höhe  steigen.  Der  Knorpel  zeigt  kleine  Durchlöcherungen  (o). 
Der  Ringknorpel  {CartUago  cricoidea,  er)  besteht  aus  zwei  seit- 
lichen ,  oben  wie  unten  getrennten  Hälften ,  die  bogenartig  gekrümmt 
sind.  Das  untere  Ende  ruht  auf  dem  Schildknorpel,  das  obere  stösst 
auf  einen  kleinen,  unpaaren,  stabförmigen  Knorpel  (s),  der  nach  hinten 
etwas  verdickt  ist  und  nach  vorn  sich  unter  den  Giesskannenknorpel 
einschiebt. 

Die  Luftröhre  hat  ia  ihrer  ganzen  Länge  dasselbe  Kaliber.  Ihre 
Wände  werden  durch  zahlreiche  Knorpelriuge  gestützt,  die  auf  der 
ventralen  Seite  etwas  schmäler  sind  als  auf  der  dorsalen.  Das  innere  Endo- 
thelium  des  Rohres  (Fig.  325,  B)  besteht  aus  cylindrischen  Wimper- 
zellen (g),  die  auf  einer  Drüsenschicht  (/)  auflagern;  die  Ausführungs- 
gäuge  dieser  Drüsen  ergiessen  zähen  Schleim  in  die  Luftröhre.     Nach 

Fig.  ;;25. 


^-^^^ 


.  h 


i  d 


so 


B 

t'uhuiihu  domtstlva.  —  A,  doppelt  vergröbserter  Syriux,  von  der  ventralen  Fläche  aus. 
a,  h,  die  beiden  letzten  Luttröhrenringe ;  b  <•,<  Bronchen ;  c,  erster  Ring  derselben : 
rJ,  Schallmenibrau ;  e.  M.  broncho- trachealis.  B,  Querschnitt  der  Luftröhrenwand. 
Leitz,  Oc.  3,  Obj.  3.  a,  Umhüllungshaut ;  &,  Läugsmuskeln ;  c.  Perichondrium : 
d,  Knorpel;   e.  Blutgefässe;/',  Drüsen:   </,   inneres  Epithelium:   /(.   Bindegewebe. 

aussen  von  der  Drüsenschicht  findet  sich  ein  reich  mit  Blutgefässen 
(e)  ausgestattetes  Bindegewebe  {li),  dessen  äussere  Schicht  die  Knorpel- 
ringe (ß)  mit  ihrem  Perichondrium  (c)  einschliesst ;  dann  folgt  eine 
namentlich  seitlich  entwickelte  Schicht  von  glatten  Längsmuskelfasei-n, 
ip)  und  eine  feine,  äussere  Hüllhaut  (a). 

Der  untere  Kehlkopf  oder  Syrinx  (A,  Fig.  325)  ist  der  ton- 
gebende Apparat.  Er  besteht  in  einer  kegelförmigen,  dorso- ventral 
abgeplatteten  Erweiterung  des  hinteren  Endes  der  Luftröhre ,  deren 
Basis  sich  plötzlich  am  Ursprünge  der  Bronchen  (br)  einschnürt  und 
die,   ebenso   wie    die  Bronchen,   von  unvollständigen  Ringen  umgeben 


798 


Wirbelthiere. 


Fig.  326. 


ist,  welche  beim  Eintritte  der  Bronchen  in  die  Lungen  aufhören.  Der 
Syrinx  ist  fast  ausschliesslich  auf  Kosten  der  beiden  letzten  Luftröhren- 
ringe und  der  sie  verbindenden  Haut  gebildet.  Die  beiden  schmalen 
Knorpelringe  (a  und  h)  fliessen  auf  der  ventralen  Seite  in  eine  breite 
Platte  zusammen,  während  sie  auf  den  Seiten  stark  aus  einander  weichen 
und  auf  der  dorsalen  Seite,  wo  sie  durch  Längsbildchen  sich  vereinigen, 
einander  parallel  sich  erstrecken.  Der  zwischen  diesen  Ringen  blei- 
bende Raum  wird  von  der  Seh  all  m  em  br  an  (d)  ausgefällt,  die  durch 
den  an  den  Seiten  der  Luftröhre  sich  hinziehenden  broncho- 
trachealen  Muskel  (e)  gespannt  werden  kann. 

Die  Lungen  (Fig.  326)  unterscheiden  sich  von  denjenigen  der 
Reptilien  insofern,  dass  sie  nicht  mehr  weite  Säcke  "läarstellen ,  auf 
deren    Wänden    die   Blutgefässe    sich    verzweigen ,    sondern   aus   einem 

schwammigen  Stroma  bestehen,  in  wel- 
chem sowohl  die  Luftgänge  als  auch  die 
Gefässe  sich  verästeln.  Sie  liegen  sym- 
metrisch zu  beiden  Seiten  der  Wirbel- 
säule im  vorderen  Theile  der  Eingeweide- 
höhle und  nehmen  verhältnissmässig  weit 
weniger  Raum  ein,  als  die  Lungen  der 
Amphibien  und  Reptilien.  .Jede  Lunge 
hat  etwa  die  Gestalt  einer  dreiseitigen  Py- 
ramide, deren  innere,  gerade  Fläche  (/;) 
sich  der  Wirbelsäule  anschmiegt,  von  dem 
ersten  Rückenwirbel  an  bis  zu  dem  Anfange 
der  Niere.  Die  hintere  Basis  der  Pyra- 
mide (l)  ist  kaum  convex;  der  äussere 
Rand  (m)  dagegen  der  Brustwand  ent- 
sprechend gewölbt.  Die  beiden  in  diesem 
Rande  zusammenstossenden  Flächen  sind 
sehr  ungleich  gebildet;  die  ventrale 
Fläche  ist  glatt  und  eben,  die  dorsale  da- 
gegen zeigt  fünf  tiefe  Querfurchen ,  in 
welche  die  vorspringenden  Rippen  sich 
einlegen.  Auf  der  ventralen  Fläche  sieht 
man  eine  durchscheinende,  dünne  Hüll- 
haut, welche  von  mehreren  OefFnungen 
durchbohrt  wird,  die  den  Zutritt  der  Luft- 
canäle  ermöglichen.  Im  vorderen  Drittel 
der  ventralen  Fläche  findet  sich  der  Ein- 
tritt des  Bronchus  (e),  dessen  stets  ab- 
nehmende Knorpelringe  an  diesem  Punkte 
ganz  verschwinden.  Unmittelbar  nach 
seinem    Eintritte    in    die   Lungensubstanz 


Columha  domesfica.  —  Ventrale 
Ansicht  der  linken  Lunge  in  natür- 
licher Grösse.  a ,  Austrittsloch 
des  Ganges  zu  dem  interclavicu- 
lären  Lut'tsacke;  h,  Austrittsloch 
des  Ganges  zum  vorderen ,  sub- 
costalen  Luftsacke ;  c,  Austritts- 
loch zum  hinteren ,  subcostalen 
Luftsacke ;  d,  Austrittsloch  zum 
abdominalen  Luftsacke  ;  e,  Eintritt 
des  Bronchus  ;  /,  Eintrittsloch  der 
Lungenarterie;  g,  Austrittsloch 
der  Lungenvene ;  h ,  der  Länge 
nach  geöffneter  Bronchialcanal 
erster  Ordnung,  die  Mündungen 
der  Canäle  zweiter  Ordnung  in 
Reihe  zeigend  ;  i,  Austrittsloch  des 
Ganges  zum  supra-laryngealen 
Luftsacke  ;  k,  Innenrand  der  Lunge; 
/,  Hinterrand  ;  in,  Ausscnrand  der- 
selben. 


Vögel.  799 

erweitert  sich  der  Bronchus  zu  einer  Luftkammer,  an  welcher  die  nach 
verschiedenen  Richtungen  hin  verlaufenden  Luugenbroncheu  erster 
Ordnung  entspringen.  Unter  diesen  befindet  sich  ein  besonders  weiter 
Caual  (Ä),  der  gerade  nach  hinten  verlauft  und  an  seiner  dorsalen 
Wand  ]  1  Oeffnungen  zeigt,  welche  in  die  secundären  Lungenbronchen 
führen,  die  nach  der  dorsalen  Fläclie  hin  sich  links  und  rechts  in  eine 
Menge  feinerer  Lungenbronchen  dritter  Ordnung  verzweigen.  Ausser 
diesem  weiten  Canale,  der  in  den  abdominalen  Luftsack  einmündet, 
entspringen  von  der  Luftkammer  noch  mehrere  Canäle  erster  Ordnung, 
welche  die  Lungensubstanz  durchsetzen  und  in  die  Luftsäcke  ein- 
münden, nachdem  sie  auf  ihrem  Wege  links  und  rechts  feinere  Canäl- 
chen  entsendet  haben,  die  sich  in  der  Lungensubstanz  verzweigen 
und  dieser  den  Sauerstoff  der  Luft  zuführen.  Die  Yertheilung  dieser 
Canälchen  ähnelt  einer  Federbilduug  und  unterscheidet  sich  dadurch 
von  der  baumförmigen  Verästelung  der  Luftcanäle  in  den  Lungen  der 
Säugethiere. 

Bevor  wir  die  Untersuchung  der  Luftsäcke  beginnen,  müssen  wir 
ein  Wort  von  den  Diaphragmen  sagen.  Man  hat  mit  diesem 
Namen  zuvörderst  ein  dünnes  Muskelblatt  bezeichnet,  welches  von  der 
Eückenwand  des  Brustkastens  ausgeht  und  die  untere  Fläche  der 
Lunge  überzieht;  es  ist  vielfach  für  den  Durchtritt  der  Luftgänge  und 
der  Gefässe  durchlöchert.  Ausserdem  wird  die  Eingeweidehöhle  durch 
zwei  senkrechte  Sehnenblätter,  welche  sich  vom  Rücken  zur  Bauch- 
wand erstrecken ,  in  drei  Kammern ,  eine  mittlere  uud  zwei  seitliche, 
getheilt.  Die  mittlere  Kammer  enthält  die  Eingeweide.  Jede  der 
beiden  seitlichen  Kammern  wird  durch  eine  Querscheidewand  in  zwei 
Abtheilungen  zerlegt;  die  vordere  A'Dtheilmig  enthält  den  vorderen, 
die  hinteren  den  hinteren  subcostalen  Luftsack. 

Die  Präparation  der  Luftsäcke  bietet  manche  Schwierigkeiten. 
Zwei  verschiedene  Methoden  sind  angewendet  worden.  Nach  der  einen 
wird  Luft  eingeblasen  und  dann  präparirt.  Da  aber  die  Wände  der  Luft- 
säcke äusserst  dünn  sind,  reissen  sie  sehr  leicht;  die  eingeblasene  Luft 
entweicht  plötzlich;  der  Luftsack  fällt  zusammen  und  lässt  sich  nicht 
mehr  unterscheiden.  Diese  Methode  erheischt  also  eine  äusserst  ge- 
schickte Hand.  Die  zweite  Methode  beruht  auf  dem  Einspritzen 
flüssiger  Substanzen  in  der  Wärme,  die  beim  Erkalten  fest  werden.  Bei 
einiger  Uebung  liefert  sie  gute  Resultate.  Nachdem  man  den  Körper 
des  Thieres  bis  zu  vollständiger  Durchwärmung  in  Wasser  von  be- 
stimmter Temperatur  gehalten  hat,  spritzt  man  die  flüssige  Masse  (am 
besten  mit  Chromgelb  gefärbte  Gelatine)  durch  die  Luftröhre  ein.  Die 
Einspritzung  muss  mit  sehr  geringem  Drucke  und  sehr  langsam  voll- 
führt werden;  sobald  man  Widerstand  fühlt,  muss  man  einen  Augen- 
blick einhalten,  sonst  würde  man  die  dünnen  Wände  der  Säcke  sprengen. 
Bevor  man  einspritzt,    spaltet   man  den  Humerus ,    um    der  Luft  einen 


800 


Wirbelthiere. 


Ausweg  zu  verschaffen  und  während  der  Operation  hält  man  den  Körper 
in  senkrechter  Stellung. 

Man  präparirt  die  Säcke  mit  ihrem  erstarrten  Inhalte  vom  Halse 
aus  und  löst  vorsichtig  die  Haut  ab.  Unmittelbar  unter  der  Haut 
liegt  vor  dem  Winkel  des  Gabelknochens  der  unpaare,  peritracheale 
oder  Z  wische  n  schlüsselbeinsa  ck  (c,  Fig.  327).  Er  wird  ven- 
tral  von    der  Haut  und   dem   vorderen  Rande  des  Brustbeines,  seitlich 

von   den   Raben-   und   Schlüssel- 
'^^'  '    ''  beiuen,  dorsal  vom  Schlünde  und 

/^  der  Luftröhre  begrenzt  und  lässt 

sich  nur  sehr  schwer  ganz  bloss- 
legen.  Von  der  ventralen  Seite 
des  Sackes  geht  ein  Canal  aus, 
der  in  das  Brustbein  eindringt 
und  sich  dort  verzweigt.  Die 
beiden  Gänge,  welche  dem  Sacke 
die  Luft  zuführen ,  entspringen 
aus  der  Lunge  etwas  nach  innen 
von  dem  Eintritte  der  Lungen- 
arterie (a,  Fig.  326).  Jederseits 
setzt  sich  der  peritracheale  Luft- 
sack in  einen  weiten  Gang  fort, 
der  unter  dem  Rabenbeine  dxirch- 
geht  und  sich  dann  zu  einem 
Sacke  von  höchst  unregelmässiger 
Gestalt  erweitert,  der  ausserhalb 
des  Brustkorbes  sich  ausbreitet 
und  theilweise  das  Schulterblatt 
umgiebt;  dies  ist  der  Unter- 
schultersack (f?,  Fig.  327), 
den  man  nach  AVegnahme  des 
grossen  Brustmuskels  sieht.  Von 
seinen  Seiten  gehen  zellenartige 
Ausstülpungen  aus,  welche  zwi- 
schen die  dorsalen  Muskeln  des 
Brustkorbes  eindringen.  Von  dem 
vorderen  Ende  dieses  Sackes  geht 
der  Luftcanal  aus,  welcher  in 
den  Humerus  eindringt  und 
sämmtliche  Knochen  des  Flügels 
durchzieht.  Zwischen  diesem 
Sack  und  der  Wirbelsäule  er- 
streckt sich  der  Oberkehlkopfsack  (b,  Fig.  327),  der  mit  seinem 
einfachen,  hinteren  Zipfel  die  Lunge  berührt  und  hier  die  beiden  Luft - 


Coluniba  domestica.  —  Schematische  Figur 
der  Luftsäcke,  von  der  ventralen  Seite  aus. 
a,  Luftröhre;  b,  Halsfortsätze  des  supra- 
laryngealen  Luftsaokes ;  c,  interclavicularer 
Luftsack ;  d,  dessen  seitliche  Ausstülpungen ; 
e,  Lun2;e ;  f,  vorderer,  suhcostaler  Luftsack; 
fj,  hinterer,  suhcostaler  Sack ;  Ji,  ahdominaler 
Sack. 


Vögel.  801 

canäle  aufnimmt,  welche  etwas  vor  dem  Eintrittspunkte  der  Bronchen 
(i,  Fig.  326)  die  Lunge  verlassen.  Nach  vorn  sendet  der  Sack  zwei 
an  den  Seiten  des  Halses  bis  zum  hinteren  Drittel  der  Länge  auf- 
steigende Zipfel  (h,  Fig.  327)  aus,  die  an  ihren  blinden  Enden  kolbig 
angeschwollen  sind  und  von  welchen  die  Canäle  ausgehen,  welche  in 
die  Halswirbel  eindringen.  In  der  Brusthöhle  liegen  auf  beiden  Seiten 
die  nicht  in  directer  Verbindung  mit  einander  stehenden  Unter - 
rippensäcke;  der  vordere  (/,  Fig.  327)  wird  dorsal  von  der  Lunge, 
ventral  von  den  Leberlappen,  nach  vorn  von  dem  Diaphragma,  nach 
hinten  von  dem  unmittelbar  daran  liegenden  hinteren  Sacke  be- 
grenzt. In  das  vordere  Ende  dieses  Sackes  mündet  ein  Luftcanal,  der 
etwas  hinter  der  Eintrittsstelle  der  Bronchen  die  Lunge  verlässt 
(&,  Fig.  326).  Der  hintere  Unterrippensack  (g,  Fig.  327)  ist  etwas 
länger  als  der  vordere ;  er  erstreckt  sich  bis  zum  Muskelmagen ;  sein 
Canal  entspringt  aus  dem  hinteren  Rande  der  Lunge  (e,  Fig.  326). 
Die  Bauch  sacke  (h,  Fig.  327)  sind  grösser  als  alle  übrigen  und  von 
einander  unabhängig;  der  rechte  ist  meist  etwas  weiter  als  der  linke. 
Sie  umgeben  die  Eingeweide  und  schwellen  durch  Einblasen  von  Luft 
in  der  Weise  an,  dass  sie  die  Eingeweidehöhle  überragen.  Jeder  dieser 
Säcke  schickt  einen  Zipfel  nach  hinten ,  welcher  die  Nieren  umgiebt 
und  sich  in  den  Canal  fortsetzt,  der  in  den  Schenkelknochen  und  die 
übrigen  Knochen  des  Beines  eindringt. 

Folgende  Knochen  enthalten  kein  Mark,  sondern  an  seiner  Stelle 
Luftcanäle :  die  Lendenwirbel  von  den  hinteren  dorsalen  Zipfeln  der 
Bauchsäcke;  die  Rückenwirbel  von  den  seitlichen  Zipfeln  der  Unter- 
schulterblattsäcke; die  Halswirbel  von  den  Oberkehlkopfsäcken.  Der 
Unterschulterblattsack  liefert  auch  die  Canäle  für  das  Brustbein,  Raben- 
bein und  denjenigen  des  Humerus,  der  sich  bis  in  die  Knochen  des  Armes 
und  der  Hand  verzweigt.  Das  Becken  und  die  Knochen  des  Beines, 
mit  Ausnahme  des  Wadenbeines  und  der  letzten  Zehenglieder,  werden 
von  dem  Zipfel  des  Bauchsackes  aus  versorgt.  Mit  Ausnahme  des  hin- 
teren Fortsatzes  des  Quadrato-jugale,  des  Nasenbeines  und  der  vorderen 
Enden  der  beiden  Kiefer  sind  alle  Kopfknochen  pneumatisch;  sie  erhalten 
aber  ihre  Luft  nicht  von  den  Lungen,  sondern  von  den  Choanen,  den 
Eustachi'schen  Röhren,  den  Nasenhöhlen  und  dem  Gehörgange. 

Kreisl  auf  s  Organe.  —  Das  Herz  (Fig.  328  bis  331)  liegt  in 
der  ventralen  Mittellinie,  unmittelbar  auf  dem  Brustbeine.  Es  hat  die 
Gestalt  eines  Kegels,  dessen  nach  vorn  gerichtete  Basis  die  Gabelspitze 
der  beiden  Schlüsselbeine  erreicht.  Man  kann  eine  dorsale  und  eine 
ventrale  Fläche,  zwei  Seitenwände,  die  in  der  nach  hinten  gerichteten 
Spitze  zusammentreffen  und  die  vordere,  eiförmige  Basis  unterscheiden, 
von  welcher  fast  alle  grossen  Gefässstämme  ausgehen.  Der  linke  Rand 
(ga)  ist  leicht  nach  aussen  gewölbt,  der  rechte  (gd)  dagegen  etwas 
eingezogen,  so  dass  die  Spitze  leicht  nach  rechts  gedreht  ist.   Das  Herz 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  52 


802 


Wirbelthiere. 


Fig.  328. 


}^s 

^ 

ffi-   so 

'   .acu 
.-°3 

\iaay 

vpo 

po 

-ug 

aa^ 

Columha  domestlca.  —  Das  Herz  mit  den  Hauptgefässstämmen  in  doppelter  Grösse. 
A,  ventrale  Seite.  Die  Arterien  sind  roth,  die  Venen  blau.  B,  dorsale  Fläche.  Die 
Venen  sind  geöffnet,  um  ihre  Klappen  zu  zeigen,  aa,  Arteria  axillaris;  ad,  Art. 
diaphragmatica ;  ao,  Aorta;  a-oe,  Art.  oesophagica ;  ns,  Art.  subscapularis ;  at,  Art. 
thyroidea ;  atj,  Zweig  derselben  zum  Kröpfe;  a»,  Art.  vertebralis ;  hrd,  Art.  brachio- 
cephalica  dextra;  brg,  Art.  sinistra;  cc,  Carotis  communis;  ga,  linker  Rand  des 
Herzens;  gd,  rechter  Rand;  od,  rechte  Vorkammer;  og,  linke  Vorkammer ; /?c,  Art. 
pectoralis ;  ro,  Art.  scapularis  ;  ty,  Thyroidea;  va,  Vena  cava  superior  dextra;  vax, 
Vena  axillaris;  vd,  rechte  Herzkammer;  vg,  linke  Herzkammer;  vi,  Vena  caya  in- 
ferior; V),  Vena  jugularis ;  vpc,  Vena  pectoralis;  vpl,  Venae  pulmonares;  vsg,  Vena 
Cava  superior  sinistra ;  lo,  Klappen  der  oberen  rechten  Hohlvene ;  a: ,  Valvula  Eu- 
stachii ;  i/,  Valvula  Thebesii, 


Vögel.  803 

besteht  aus  zwei  dünnwandigen  Vorkammern  {od  und  og,  Fig.  328), 
welche  die  vordere  Basis  einnehmen  und  zwei  dickwandigen  Kam- 
mern {vd,  vg),  welche  etwa  zwei  Drittel  seiner  Masse  ausmachen. 
Meist  bezeichnet  ein  an  dem  hinteren  Rande  der  Vorkammern  sich 
hinziehender  weisser  Fettbelag  die  Grenze  zwischen  den  Vorkammern 
und  Kammern.  Das  Herz  ist  frei  in  dem  sehr  dünnen,  weisslichen 
Herzbeutel  aufgehängt  und  wird  durch  eine  Längsscheidewand  voll- 
ständig in  eine  linke  und  rechte  Hälfte  getheilt,  die  nicht  mit  einander 
communiciren.  Jede  Hälfte  besteht  also  aus  einer  Vorkammer  und 
einer  mit  dieser  in  offener  Communication  stehenden  Kammer. 

Wir  betrachten  zuerst  die  rechte  Vorkammer  (od)  von  der 
dorsalen  Seite  aus  (J5,  Fig.  328).  Sie  ist  ein  weiter  Sack  mit  dünnen 
Wänden ,  welcher  den  grössten  Theil  der  Herzbasis  einnimmt  und  die 
Stämme  der  rechten  (va)  und  linken  (vsg)  oberen  Hohlvenen, 
sowie  den  der  unteren  Hohlvene  (vi)  aufnimmt.  Diese  Venen 
münden  in  die  Vorkammer  mit  gesonderten,  im  Halbkreise  um  den 
rechten  Rand  derselben  gestellten  Mündungen.  Rechts  oben  mündet 
die  rechte  obere  Hohlvene  (va);  ihre  beiden  Klappen  sind  verschieden 
gebildet;  die  vordere  (w)  wird  durch  eine  Falte  der  Wand  hergestellt; 
die  auf  der  rechten  Seitenwand  der  Vene  angebrachte  hintere  Klappe 
(iv^)  hat  die  Gestalt  eines  halbmondförmigen  Taschenventiles ,  dessen 
längliche  Oeffnung  in  die  Höhle  der  Vorkammer  schaut.  Die  Mündung 
der  unteren  Hohlvene  bildet  eine  schiefe,  auf  der  dorsalen  Fläche  der 
Vorkammer  angebrachte  Spalte ,  deren  Längsaxe  in  der  Fortsetzung 
der  rechten  oberen  Hohlvene  liegt.  Zwei  häutige  Klappen  (x) ,  die 
von  den  Lippen  der  Spalte  ausgehen,  können  dieselbe  vollständig 
schliessen;  sie  entsprechen  den  Eustachi'schen  Klappen  der  Säuge- 
thiere.  Die  linke  obere  Hohlvene  (vsg)  mündet  etwas  rechts  von  der 
dorsalen  Mittellinie  mit  einer  knopflochartigen  Oeffnung  in  die  Vor- 
kammer; ein  halbmondförmiger  Wulst,  die  T  heb  esius' sehe  Klappe 
(y),  verhindert  bei  der  Zusammenziehung  der  Vorkammer  den  Rückfluss 
des  Blutes  in  die  Vene. 

Entfernt  man  die  Rückwand  der  Vorkammern  (Fig.  329, -4  a.  f.  S.), 
so  sieht  man  in  die  längliche ,  sehr  unregelmässige  Höhle  der  rechten 
Vorkammer  (od),  die  einige  seitliche,  mehr  oder  minder  tiefe  Buchten 
zeigt.  Die  dicken  Wände  der  Aorta  (ao^)  bilden  in  der  Mitte  der 
ventralen  Fläche  einen  Wulst;  nach  links  hin  bildet  die  Höhle  eine 
tiefe  Bucht  (od'^),  welche  die  ventrale  Seite  der  beiden  Lungenvenen 
(vpl)  umschliesst.  Hinter  der  Klappe  der  oberen  linken  Hohlvene 
wird  die  Wand  der  Vorkammer  durch  einige  isolirte  Muskelbündel  (/) 
verstärkt.  Ganz  nach  hinten  sieht  man  auf  dem  Boden  der  Vorkammer 
die  zweite  Oeffnung  (h),  welche  unmittelbar  in  die  Kammer  führt. 

Um  die  Bildung  der  linken  Vorkammer  zu  untersuchen,  ent- 
fernt  man   zuerst  die   dorsale  Wand   der   rechten  Vorkammer  und  der 

51* 


804 


Wirbelthiere. 


oberen  linken  Hohlvene,  spaltet  dann  mit  einer  feineu  Scheere  die 
Lungenvenen  (vpl)  bis  zu  ihrem  Zusammenflusse;  deren  dorsale  Wand 
man  mit  derjenigen  der  Vorkammer  selbst  wegnimmt.  Mau  sieht  so- 
fort, dass  die  beiden  Lungenvenen  in  eine  gemeinsame  Kammer  mit 
glatten  "Wänden  münden ,  weiche  durch  eine  an  der  Vorderwand  an- 
geheftete halbmondförmige  Falte  (n)  in  zwei  Abschnitte  getheilt  wird, 
einen  unpaaren,  dorsalen  Vorhof,  in  welchen  die  Venen  zusammen- 
münden und  eine  weitere,  ventrale  Aussackung  mit  dickeren  Wänden 
(og).  Um  die  linke  Vorkammer  im  Ganzen  überschaiien  zu  können, 
legen  wir  das  Herz  auf  seine  dorsale  Fläche  (J5,  Fig.  329)  und  spalten 
die  ventrale  Wand.  Die  seitlichen  und  ventralen  Wände  der  eiförmigen 
Höhle  (og^)  werden  durch  Muskelsäulen  (q)  verstärkt,  welche  sich  aus- 
wurzeln und  netzartig  mit  einander  verbinden. 

Fig.  329. 

a^p  ^3  «-7' 

hrdy 


A  B 

Columba  domestica.  —  Präparation  des  Herzens  in  doppelter  Grösse.  A,  die  dorsale 
Wand  der  Vorkammern  ist  weggenommen  ,  um  die  Eingänge  der  Hohh^enen  und  der 
Lungenvenen  zu  zeigen.  B ,  die  ventralen  Wände  der  Vorkammern  und  der  Herz- 
kammern sind  weggenommen ,  ixm  die  Ursprünge  der  Gefässstämme  zu  zeigen,  ao, 
Aorta;  ao^,  durch  die  Wände  der  Aorta  erzeugter  Wulst;  ap,  Lungenarterien; 
brd,  Arteria  brachio-cephalica  dextra  ;  brg,  Arteria  sinistra;  f,  Muskeltrabecula  der 
Wand  der  rechten  Kammer;  Ji,  rechte  auriculo-ventriculare  Oeffnung;  m,  Scheide- 
wand zwischen  den  beiden  Herzkammern  ;  n,  halbmondförmige  Scheidewand  zwischen 
dem  Vorhofe  o  und  der  Höhle  der  linken  Vorkammer;  od,  Wand  der  rechten  Vor- 
kammer; od^,  deren  Höhle;  od^,  deren  Blindsack;  og^,  Höhle  der  linken  Vorkammer ; 
q,  ihre  Ti-abecula ;  r,  rechte  auriculo-ventriculare  Klappe;  .s,  Taschenventile  der  Lungen- 
arterie; t,  Scheidewand  der  Herzkammern;  u,  Trabecula  der  linken  Herzkammer; 
V,  linke  auriculo-ventriculare  Klappe;  va,  rechte  obere  Hohlvene;  vd^,  Wand  des 
rechten    Ventrikels;    vy^,  Wand    der    linken    Herzkammer;    vpl,    Lungenvenen;    vsg, 

linke  obere  Hohlvene. 


Vögel.  805 

Um  die  rechte  Herzkammer  zu  untersuchen,  spaltet  man  ihre 
dorsale  Wand  der  Länge  nach  und  breitet  sie  aus.  Man  sieht  dann, 
dass  diese  dünne,  innen  glatte  Wand  auf  der  Rückenseite  in  die  Wand 
der  linken  Herzkammer  übergeht,  mit  der  sie  durch  einige  Muskel- 
säulchen  verbunden  ist.  Die  Höhlung  windet  sich  um  die  linke  Herz- 
kammer herum  auf  die  ventrale  Seite,  wo  die  Lungenarterien  (fljj) 
abgehen.  Die  Auriculo-ventricularklappe  ist  eine  einfache  Falte  der 
ventralen  Wand,  deren  freier  Rand  (r)  gegen  die  Höhle  des  Ventrikels 
vorspringt,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  bei  dem  Rückprall  des  Blutes 
eine  beuteiförmige,  gegen  die  Kammer  hin  geöffnete  Tasche  gebildet 
wird.  Um  den  Austritt  der  Lungenarterien  (aj))  sehen  zu  können, 
muss  man  die  rechte  Kammer  auf  der  ventralen  Seite  spalten ;  man 
sieht  dann  drei  feinhäutige,  halbmondförmige  Klappen  (s) ,  die  sich 
nach  den  Arterien  hin  öffnen,  beim  Rückprall  des  Blutes  aber  mit  ihren 
freien  Rändern  berühren  und  das  Lumen  vollständig  schliessen;  eine 
dieser  Klappen  liegt  dorsal,  die  beiden  seitlichen  ventral.  Man  sieht  dann 
auch,  dass  die  Höhlung  der  Kammer  im  Halbkreise  die  linke  Kammer 
umfasst  und  über  die  linke  Hälfte  des  Herzens  hinüber  greift ,  so  dass 
sie  vorn  etwa  zwei  Drittel  des  HerznmCanges  einnimmt,  dass  sie  nach 
oben  hin  sich  weit  unter  die  linke  Vorkammer  hin  fortsetzt,  gegen  die 
Herzspitze  hin  aber  sich  ebenfalls  zuspitzt. 

Die  linke  Kammer  hat  die  Form  eines  mit  seiner  breiteren 
Basis  nach  vorn,  mit  der  Spitze  nach  hinten  gerichteten  Kegels;  ihre 
innere  Höhlung  ist  nur  gering,  da  ihre  Wände  sehr  dick  sind,  wenig- 
stens vier  Mal  dicker  als  die  der  rechten  Kammer.  Im  Inneren  zeigen 
diese  Wände  zahlreiche,  vorn  dickere,  nach  hinten  dünnere  Längs- 
balken (it,  Fig.  329,  J5),  die  sich  verästeln  und  ein  festes  Netzwerk  mit 
engen  Maschen  bilden.  Vom  Vorderende  der  Kammer  geht  die  mäch- 
tige gemeinsame  Aorta  (ao)  aus,  an  deren  Ursprung  drei,  der- 
jenigen der  Lungenarterie  ähnliche  Taschenventile  angebracht  sind. 
Am  linken  Rande  der  Atrio-ventricularöfiFnung  liegen  zwei  Taschen- 
ventile neben  einander;  rechterseits  entspricht  ihnen  eine  häutige 
Segelklappe  mit  ausgezackten  Rändern ,  deren  Zacken  durch  Sehnen- 
fäden an  die  Muskeltrabekeln  der  Innenwand  angeheftet  sind.  Die 
Scheidewand  zwischen  den  beiden  Herzkammern  (m)  ist  wie  die 
zwischen  den  Vorkammern  durchaus  vollständig,  so  dass  keine  Mischung 
des  in  beiden  Herzhälften  befindlichen  Blutes ,  des  arteriellen  und 
venösen,  stattfinden  kann,  wie  dies  noch  bei  den  Reptilien  der  Fall  ist. 

Arterieller  Kreislauf  (Ä,  Fig.  328).  —  Unmittelbar  nach 
ihrem  Austritte  aus  der  linken  Herzkammer  theilt  sich  die  gemein- 
same Aorta  in  drei  Gefässstämme :  die  rechte  (brd)  und  linke 
(hrg)  Kopf- Arm- Arterie  und  die  x\orta  (ao).  Die  beiden  Kopf- 
armarterien bilden  zwei  rasch  aus  einander  weichende  Gefässbogen ; 
sie   versorgen    den   Kopf    und    die   vordere  •  Extremität.      Das    zuerst 


806  Wirbelthiere. 

jederseits  abgehende  Gefäss  ist  die  gemeinsame  Carotis  (cc);  sie 
läuft  in  schiefer  Richtung  gegen  die  Mittellinie  des  Halses  hin  und 
entsendet,  hinter  der  Schilddrüse  angekommen,  einen  dicken  Stamm, 
welcher  sich  in  mehrere  Arterien  theilt:  die  Wirbelarterie  (av)  zu 
den  Muskeln  des  Halses;  die  Schlundarterie  (aoe)  zum  Oesopha- 
gus; die  Oberschulterarterie  (as),  die  im  Bogen  hinter  der  Thy-- 
roidea  sich  zu  den  Muskeln  der  Schulter  begiebt,  und  endlich  die 
Schilddrüsenarterie  (at),  welche  nach  Abgabe  eines  Zweiges  zum 
Kröpfe  (at^)  sich  gänzlich  in  der  Schilddrüse  verästelt  und  dort  so 
enge  Capillarnetze  bildet,  dass  das  Organ  nach  einer  guten  Injection 
mit  Chromgelb  nur  einen  gelben  Klumpen  darstellt.  Die  Schlund- 
arterie hat  einen  gewellten  Verlauf  neben  der  Jugularvene;  sie  ver- 
sorgt den  Kropf,  die  Haut  des  Halses  und  giebt  Zweige,  welche,  dem 
Laufe  der  Rückenmarksnerven  folgend,  in  den  Rückencanal  und  die 
Hüllhäute  des  centralen  Nervensystems  vordringen.  Die  Wirbelarterie 
dringt  mit  der  entsprechenden  Vene  und  dem  Grenzstrange  des  Sym- 
pathicus  in  den  seitlichen  Canal  an  den  Wirbelkörpern  ein;  sie  ent- 
sendet nach  hinten  einen  Zweig,  den  man  bis  zu  den  mittleren  Rücken- 
wirbeln verfolgen  kann;  ihr  stärkerer,  nach  vorn  verlaufender  Ast 
giebt  Zweige  an  die  Halsmuskeln,  die  Halswirbel  und  den  Rückencanal 
und  verbindet  sich  schliesslich  am  Hinterkopfe  mit  dort  verlaufenden 
Zweigen  der  inneren  Carotis.  Nach  Abgabe  der  angeführten  Aeste 
schlüpft  die  Carotis  unter  die  ventralen  Halsmuskeln  und  verläuft,  an 
diese  Zweige  abgebend,  hart  an  der  Mittellinie  in  Gemeinschaft  mit 
der  Arterie  der  anderen  Seite.  In  der  Höhe  des  dritten  Halswirbels 
trennt  sie  sich  wieder  von  ihrer  Nachbarin,  erscheint  an  der  Aussen- 
fläche  des  Halses  und  theilt  sich  hier  in  zwei  Stämme,  einen  inneren 
und  einen  äusseren. 

Die  äussere  oder  Gesichtscarotis  (a,  Fig.  330)  beschreibt 
eine  Schlinge,  die  sie  etwas  nach  innen  von  dem  Unterkiefergelenke 
an  die  Seite  des  Halses  bringt.  Vom  Gipfel  dieser  Schlinge  geht  ein 
Zweig  (h)  aus,  der  einerseits  eine  baumartige,  ansehnliche  Verästelung 
in  dem  M.  cucullanus  bildet,  anderseits  einen  kleinen  Ast  (c)  zum 
Gehörgange  sendet;  von  dieser  äusseren  Ohrarterie  gehen  kleine  Zweige 
zum  Kaumuskel.  Sodann  theilt  sich,  noch  auf  dem  Gipfel  der  Schlinge, 
die  äussere  Carotis  in  drei  Aeste  von  etwa  gleicher  Mächtigkeit.  Der 
obere  Ast,  die  Gesichtsarterie  (c),  giebt  zuerst  einen  Zweig  zum 
Kaumuskel,  läuft  dann  unter  dem  Auge  durch  und  giebt  vor  demselben 
Zweige  an  den  M.  mylo-hyoideus  und  an  die  Drüse  der  Unterkiefer- 
ecke. Hinter  dem  Nasenloche  löst  sie  ein  reiches  Gefässnetz  aus,  dessen 
Hauptzweige  zum  Gaumen  (/i),  zur  Nase  (i)  und  zum  Nasenloche  (k) 
gehen.  Dann  schlingt  sich  die  Arterie  um  den  Augapfel  herum  (I) 
und  verzweigt  sich  schliesslich  in  der  Stirnhaut.  —  Der  zweite  von  der 
Carotidenschlinge  ausgehende  Ast  ist  die  innere  Gesichtsarterie  (w). 


Vögel. 


807 


Sie  läuft  längs  dem  Quadrato-jugale  nach  vorn,  giebt  zuerst  einen 
Zweig  an  das  Dach  des  hinteren  Gaumens ,  dann  mehrere  Aeste  (o)  zu 
den  Seitentheilen  des  Eachens  und  communicirt  schliesslich  an  der 
Nasenwurzel  durch  ein  Capillarnetz  mit  den  Zweigen  der  äusseren 
Gesichtsarterie  (e).  —  Der  dritte  Ast  der  äusseren  Carotis  theilt  sich 
bald  nach  seinem  Ursprünge  aus  der  Schlinge  derselben  in  zwei  Aeste. 
Der  eine  dieser  Aeste  (p)  läuft  zur  dorsalen  Fläche  des  Halses  und  ver- 
ästelt sich  in  dem  vorderen  Theile  der  Thymus  und  den  Geweben  der 
Umgebung;  der  andere  (g)  begiebt  sich  zum  Unterkiefer  und  entsendet 
auf  seinem  Verlaufe  einen  dicken  Zweig,  die  Luft  rö  hrenarterie  (r), 

Fig.  330. 


5--' 


Cohimba  domestica.  —  Verzweigung  der  Carotis  externa  a;  b,  Arterie  des  M.  cucul- 
lanus;  c,  Art.  auricularis ;  e,  Art.  facialis;  /,  Arterie  des  M.  masseter;  g,  Arterie 
des  M.  mylo-hyoideus;  h,  Gaumenarterie;  (,  Nasenarterie;  k,  vor  dem  Augapfel 
vorüber  gehender  Zweig  derselben;  m,  Art.  facialis  interna;  n,  Arterie  des  Gaumen- 
daches •  o,  Arterien  der  seitlichen  Gaumenwände ;  p,  Arterie  der  Eückenfläche  des 
Halses ;  q,  Art.  mandibularis ;  r,  Art.  trachealis ;  s,  Art.  oesophagi ;  t,  Art.  inter- 
mandibularis  ;  v,  Art.  lingualis ;    v,  Contur  des  Auges  ;    x,  Gehörgang ;    y,  Luftröhre  ; 

z,  Schlund. 

welche  nach  hinten  läuft  und  sich  auch  an  den  Schlund  (s)  verzweigt. 
Hierauf  legt  sich  die  Arterie  an  die  Haut  zwischen  den   beiden  Unter- 


808  Wirbelthiere. 

kieferästen  (t)  und  verläuft  darin  bis  zur  Schnabelspitze,  nachdem  sie 
vorher  noch  einen  Ast  zur  Zunge  (u)  abgegeben  hat. 

An  der  Schädelbasis  angekommen,  theilt  sich  die  innere  oder 
Hirncarotis  in  zwei,  sofort  stark  auseinander  weichende  Aeste,  wo- 
von der  kleinere  sich  in  den  am  Hinterhaupte  und  den  beiden  ersten 
Halswirbeln  angebrachten  Muskeln  verzweigt.  Der  andere,  weit  stär- 
kere Ast  verläuft  an  der  Schädelbasis  nach  vorn  und  giebt  die  Augen- 
arterie ab,  welche  in  die  Aiigenhöhle  eindringt  und,  an  dem  Seh- 
nerven weiter  gehend,  den  Augenmuskeln,  den  Lidern,  der  Nickhaut 
Zweige  abgiebt  und  in  den  Augapfel  eintritt,  wo  sie  besonders  die 
Choroidea  mit  reichlichen  Verästelungen  speist.  Etwas  hinter  der 
Augenarterie  noch  giebt  die  innere  Carotis  die  Oh  rar  t  er  ie  ab,  welche 
sich  in  dem  Labyrinthe  verzweigt  und  die  halbkreisförmigen  Canäle 
auf  der  Aussenseite  umkreist.  Endlich  bildet  sie  an  dem  hinteren 
Ende  des  Keilbeines  die  eigentliche  Hirnarterie,  welche  der  Hirn- 
basis entlang  läuft  und  sich  in  allen  einzelnen  Theilen  des  Gehirnes 
verzweigt. 

Nach  Abgabe  der  gemeinsamen  Carotiden  bilden  die  mit  ihnen 
und  der  gemeinsamen  Aorta  entspringenden  Armkopfstämme,  indem 
sie  nach  hinten  verlaufen,  die  Unter  sc  hlüsselbeinarterien 
(sc,  Fig.  328,  Ä),  welche  sich  bald  in  folgende  Stämme  auflösen.  Die 
Achselarterie  (aa)  geht  unter  dem  Armgeflechte  durch,  schickt 
einen  dünnen  Zweig  (ro)  zu  den  Muskeln  des  Schulterblattes  und 
läuft  dann  als  Armarterie  den  Humerus  entlang  in  der  seichten 
Einne  zwischen  dem  M.  biceps  und  M.  extensor  brachii,  an  welche  sie 
grosse  Aeste  abgiebt.  Am  Ellbogen  angekommen,  theilt  sich  die  Ar- 
terie in  zwei  gleich  starke  Aeste;  der  eine,  die  Cubitalarterie,  ver- 
läuft auf  der  Innenfläche  des  Armes,  giebt  dem  M.  cubitalis  Aeste, 
durchbohrt  dann  den  M.  radialis,  dringt  in  den  M.  flexor  ein,  dem  sie 
Aeste  abgiebt,  verläuft  auf  der  Handwurzel  über  die  Sehne  des  Beu- 
gers des  Mittelfingers  und  theilt  sich  dann  in  zwei  Aeste,  von  welchen 
der  kleinere  die  Daumenmuskeln  versorgt,  während  der  grössere  der 
Hand  entlang  läuft  und  sich  in  dem  Abzieher  des  Mittelfingers  und 
dem  Beuger  des  dritten  Fingers  verzweigt.  —  Der  andere  Gabelzweig 
der  Armarterie,  die  Radialarterie,  windet  sich  um  die  proximale 
Sehne  des  Armmuskels,  giebt  einen  dicken  Zweig  an  den  M.  extensor 
metacarpi,  und  läuft  dann  längs  der  Mm.  radialis,  extensor  digiti  medii 
und  Pronator  superficialis.  Auf  der  Handwurzel  angelangt,  geht  die 
Arterie,  sich  theilend,  auf  die  Hand  über  und  verästelt  sich  in  den 
Zwischenknochenmuskeln  und  dem  Fingerbeuger. 

Die  beiden  Brustarterien  (jjc,  Fig.  328,  A)  entspringen 
etwa  in  derselben  Höhe;  die  vordere  dringt  vorn  in  die  Masse  des 
grossen  Brustmuskels  ein  und  theilt  sich,  am  Gabelknochen  angelangt, 
in  zwei  Aeste,  welche  axisser  den  umgebenden  Muskeln  noch  die  Haut 


Vögel.  809 

der  Seiten  und  des  Bauches  versorgen.  Die  hintere  Brustarterie  geht 
auf  die  dorsale  Fläche  des  Briistbeinschildes  über  und  versorgt,  indem 
sie  sich  gabelt,  die  hinteren  Brustmuskelmassen.  —  Endlich  geht  von 
dem  Hinterrande  der  Unterschlüsselbeinarterie ,  etwa  der  Achselarterie 
gegenüber,  die  kleine  Zwerchfellarterie  (ad)  ab,  die  sich  in  den 
Sterno-costalmuskeln  und  dem  Diaphragma  verzweigt. 

Sobald  die  Aorta  (ao)  sich  von  den  Kopfarmarterien  losgelöst  hat, 
wendet  sie  sich  in  einem  regelmässigen,  um  den  rechten  Bronchus  ge- 
schlungenen Bogen  auf  der  linken  Seite  des  Schlundes  nach  oben  gegen 
die  Wirbelsäule,  deren  Mittellinie  sie  sich  eng  anschmiegt  und  bis  zur 
Schwanzgegend  verfolgt.  Auf  ihrem  Verlaufe  zwischen  den  beiden 
Lungen  giebt  sie  einige  Zweiglein  an  den  Schlund  und  die  Inter- 
vertebralmuskeln.  Etwas  vor  dem  Hinterrande  der  Lunge  giebt  sie 
die  mächtige  Eingeweidearterie  {Arteria  coeJiaca)  ab,  die  bei 
ihrer  Erstreckung  am  Hinterrande  der  Milz  dieser  einen  Ast  abgiebt 
und  sich  dann  in  drei  Zweige  theilt:  einen  rechten  für  den  rechten 
Leberlappen  und  das  Mesenterialblatt,  welches  den  aufsteigenden  Ast 
des  Duodenums  an  die  Darmwindungen  heftet;  einen  linken,  welcher 
sofort  einen  Zweig  in  den  entsprechenden  Leberlappen  sendet  und  sich 
dann  in  zwei  gleich  starke  Arterien  theilt,  von  welchen  die  eine  längs 
dem  Drüsenmagen  emporsteigt  und  dort  zahlreiche  Capillarnetze  bildet, 
während  die  andere  auf  den  Muskelmagen  übergeht,  auf  dessen  Peri- 
pherie man  ihre  Hauptäste  verfolgen  kann.  Ein  dritter  Ast  der  Ein- 
geweidearterie, der  bedeutendste,  ist  die  obere  Gekrösarterie, 
welche  sich  in  der  Schleife  des  Duodenums  an  den  dort  gelegenen  Organen 
verzweigt.  —  In  der  Höhe  des  Hinterrandes  der  Lunge  entspringt  un- 
mittelbar von  der  Aorta  die  untere  Gekrösarterie;  ein  starkes, 
unpaares  Gefäss,  welches  in  allen,  den  Darm  anheftenden  Mesenterial- 
blättern  bis  zum  Rectum  hin  sich  verästelt  und  sich  in  den  Darmwandun- 
gen verzweigt.  Wenig  weiter  nach  hinten  entspringen  von  der  Aorta 
die  Genitalarterien  (ag,  Fig.  331);  zwei  gleich  starke  Gefässe  für  die 
Hoden  und  Nebennieren  des  Männchens ,  eine  linke  Arterie  für  den 
Eierstock  und  den  oberen  Theil  des  Eileiters  bei  dem  Weibchen.  In 
der  Höhe  der  vordersten  Nierenlappen  entspringt  von  der  Aorta  jeder- 
seits  eine  Crur alarterie,  welche  in  schiefer  Richtung  nach  aussen 
und  hinten  die  Niere  durchsetzt  und  so  zu  dem  Rande  des  Beckens  in 
der  Nähe  des  Foramen  obturatorium  gelangt,  wo  sie  sich  in  dreiAeste 
theilt;  eine  innere  Beckenarterie,  welche  dem  Schambeine  auf  seiner 
ganzen  Länge  folgt  und  kleine  Zweige  an  die  hinteren  Abschnitte 
des  Darmes,  des  Eileiters,  die  Muskeln  und  die  Haut  des  Bauches 
giebt;  eine  Schenkelarterie,  welche  dem  Femur  entlang  läuft  und 
alle  dortigen  Muskeln  versorgt,  mit  Ausnahme  des  M.  sartorius  und 
ileo-tibialis,  welche  ihre  Gefässe  von  dem  dritten  Aste  der  Cruralarterie 
erhalten.  —  Weiter  nach  hinten  entspringt,  mit  der  Aorta  einen  spitzen 


810 


Wirbelthiere. 


Winkel  bildend,  jederseits  die  mächtige  Hüftarterie  {Art.  ischia- 
tica,  ac).  Dieser  dicke  Stamm  giebt  zuerst  eine  Nierenarterie  ab, 
verlässt  dann  durcb  das  Foramen  ischiaticum  das  Becken  und  dringt 
in  die  hinteren  Schenkelmuskeln  ein.  Zuerst  giebt  die  Arterie  ein 
Zweiglein,  das  am  Trochanter  endet;  weiterhin,  etwa  im  Drittel  der 
Schenkellänge ,  giebt  sie  einen  Ast  für  die  Mm.  pubo-ischio-femoralis, 
semi-tendinosus  und  semi-membranosus.  Dann  läuft  die  Arterie  am 
Femur  entlang  zur  Kniebeuge,  kreuzt  die  entsprechende  Vene,  vor 
welcher  nach  aussen  sie  liegt,  giebt  einen  Zweig  zur  Haut  des  Knies 
und  zu  dem  M.  gastrocnemius  und   theilt  sich   dann  in  zwei  Tibial- 

Fig.  331. 


-via- 


..dliy 


Columba  domestlca.  —  Ventrale  Ansicht  der  Urogenitalorgane  nebst  ihren  Gefässen, 
nach  Wegnahme  der  übrigen  Eingeweide,  in  natürlicher  Grösse,  ac,  Arteria  ischia- 
tica;  ag,  Art.  genitalis ;  an,  After;  ao,  Aorta;  ajjit,  Art.  pudenda ;  cd,  Samenleiter; 
CS,  Nebenniere ;  y,  Fabricius'sche  Tasche;  z7c,  Vena  iliata  externa;  ?7i,  Vena  iliaca 
interna;  is,  Nervus  ischiaticus ;  of,  OefFnung  der  Fabri eins' sehen  Tasche;  og,  Oeff- 
nungen  der  Samenleiter  in  die  Cloake ;  or,  Oeffiiungen  der  Harnleiter;  p,  Hinterrand 
der  Lunge;  r,  vorderer  Nierenlappen;  7-^,  mittlerer  Nierenlappen;  re^,  sein  innerer 
Theil ;  r^,  hinterer  Nierenlappen;  re^,  sein  innerer  Theil ;  re,  geöffnete  Cloake; 
t,  Hode ;  vc,  Steissvene;  wp,  Vena  pudenda. 


afterien,  welche  der  vorderen  und  hinteren  Fläche  des  Schienbeines 
folgen  und  sich  in  den  Muskeln  des  Beines,  des  Tarso-metatarsus  und 
der  Zehen  verzweigen. 


Vögel.  811 

Durch  die  Abgabe  der  Hüftarterien  nimmt  die  Aorta  stark  an 
Volumen  ab,  liefert  aber  doch  noch  ein  Paar  S  cham  arterien  (ajj)2f)' 
die  nach  hinten  laufen  und  sich  in  dem  hinteren  Nierenlappen  und  den 
benachbarten  Bauchmuskeln  verzweigen.  Die  Fabricius'sche  Tasche 
erhält  ihre  Gefässe  von  der  linken  Schamarterie  und  dem  Schwanz- 
theile  der  Aorta,  die  in  der  Gegend  der  Steissdrüse  endet. 

Venöser  Kreislauf.  —  Das  Körperblut  wird  durch  drei  grosse 
Gefässstämme  zum  Herzen  zurückgebracht  (Fig.  328,  Ä)  und  in  die 
rechte  Vorkammer  ergossen;  das  vom  Kopfe,  Halse  und  der  vorderen 
Extremität  durch  die  beiden  oberen  Hohlvenen  {va,  vsg),  das  vom 
übrigen  Körper  zurückströmende  durch  die  untere  Hohlvene  (vi). 

Die  oberen  Hohlvenen  (va,vsg)  werden  durch  die  vom  Kopfe 
und  Halse  kommenden  Jugularvenen  (vj),  die  Achselvenen  (vax)  vom 
Flügel  und  die  Brustvenen  («;jjc)  von  den  grossen  Brustmuskeln  her 
gespeist.  Die  Jugularvene  (vj)  läuft  dem  Halse  entlang  neben  der 
Thymus  und  dem  Vagus;  sie  legt  sich  dicht  an  die  Schilddrüse  an. 
Sie  erhält  auf  diesem  Laufe  Zuflüsse  durch  die  Schultervenen,  welche 
von  dem  aus  den  Scbultermuskeln  und  der  benachbarten  Haut  kom- 
menden Zweige  gespeist  werden.  Aus  der  Schilddrüse  kommen  un- 
mittelbar zwei  starke  Venen,  vor  welchen  noch  eine  aus  dem  Kröpfe 
kommende  Vene  sich  in  den  Stamm  ergiesst.  So  lange  die  Jugularis 
dem  Schlünde  folgt,  erhält  sie  von  diesem  zahlreiche  kleine  Zweige. 
In  der  Höhe  des  ersten  Halswirbels  beschreibt  die  Jugularis  einen 
Bogen ,  vereinigt  sich  mit  der  Vene  der  anderen  Seite  und  erhält  am 
Ende  des  Bogens  drei  starke  Zuflüsse,  die  oberflächliche  und  die 
tiefe  Gesichtsvene  und  die  hintere  Kopfvene.  Die  oberfläch- 
liche Gesichtsvene  erhält  ihre  Zuflüsse  vom  Hinterkopfe,  dem  M.  genio- 
hyoideus,  den  Augenlidern,  dem  Gehörgange  und  der  hinteren  Kopf- 
haut. Die  tiefe  Gesichtsvene  verläuft  unter  dem  Zungenbeinhorne  und 
nimmt  Zweige  vom  Schlünde,  dem  oberen  Theile  der  Liiftröhre,  der 
Zunge  und  den  Unterkieferdrüsen  auf.  —  Die  hintere  Kopfvene  wird 
von  dem  Kaumuskel  und  dem  Zungenbeinhorne  überdeckt;  sie  erhält 
Zuflüsse  vom  Gehörorgane  und  nimmt  eine  Occipitalvene  auf,  welche 
sich  aus  den  Venen  des  grosssen  und  kleinen  Gehirnes  und  der  Hinter- 
hauptsgegend zusammensetzt.  In  den  Gipfel  des  die  beiden  Jugular- 
venen vei"bindenden  Bogens  ergiessen  sich  noch  zwei  schmächtige 
Venen,  die  eine  kommt  vom  Unterkiefer,  die  andere  vom  Gaumen, 
vom  Augapfel  und  der  Nasengegend. 

Vor  ihrer  Einmündung  in  die  untere  Hohlvene  erhält  die  Achsel- 
vene (vax)  einen  Zufluss  durch  ein  in  schiefer  Richtung  von  den  vor- 
deren Halswirbeln  bis  zum  Hinterhaupte  sich  erstreckendes  Gefäss,  das 
in  unmittelbarer  Verbindung  mit  der  Hinterhauptsvene  steht  und  mit 
der  Arterie  und  dem  Grenzstrange  des  Sympathicus  in  dem  Seiten- 
canale  zwischen  den  Halsrippen  und  den  Wirbelkörpern  eingeschlossen 


812  Wirbelthiere. 

ist.  Die  grösste  Armvene  ist  die  Vena  basilica,  welche  unmittelbar 
nach  Wegnahme  der  Haut,  die  den  äusseren  Rand  der  ülna  bedeckt, 
zum  Vorschein  kommt.  Diese  Vene  beginnt  in  dem  Beuger  des  dritten 
Fingers  und  dem  Abzieher  des  zweiten,  an  dessen  hinterem  Rande  sie 
verläuft;  sie  erhält  dann  einen  Zufluss  von  den  Daumenmuskeln,  läuft 
zuerst  über  die  Hinterfläche  der  Handwurzel  und  stets  anschwellend 
dem  äusseren  Rande  der  Ulna  entlang,  wo  sie  von  jeder  Schwungfeder 
ein  kleines  Aestchen  erhält.  An  dem  Ellbogen  nimmt  sie  bedeutende 
Oberarmvenen  auf,  welche  das  Blut  aus  dem  Biceps  iind  dem  Aus- 
breitemuskel des  Armes  bringt ,  und  steigt  dann  parallel  mit  der 
kleineren  Armvene  dem  Humerus  entlang  nach  vorn.  Die  Armvene 
sammelt  das  Blut  aus  den  tiefen  Radial-  und  Cubitalvenen,  welche  aus 
den  Mm.  interossei,  pronatores,  cubitalis  und  radialis  entstehen.  Beide 
Venen,  die  brachialis  und  basilica,  vereinigen  sich  an  dem  proximalen 
Ende  des  Humerus,  um  die  Achselvene  zu  bilden. 

Die  Brustvene  (tJ^c)  wird  von  zwei  dicken  Stämmen  gebildet, 
welche  das  Blut  aus  den  am  Brustbeinkiel  angehefteten  Muskelmassen 
zurückführen. 

Die  untere  Hohlvene  (vi)  setzt  sich  aus  der  Pfortader,  der 
hinteren  Hohlvene,  den  Beinvenen  und  der  Nabelvene  zusammen.  Die 
Pfortader  sammelt  das  Blut  aus  dem  Darme,  der  Milz,  dem  Pankreas 
und  der  Leber.  Die  aus  dem  Darme  kommenden  feinen  Venen  sammeln 
sich  allmählich  zu  grösseren  Gefässen  in  den  Blättern  des  Bauchfelles, 
welche  den  Darm  halten  und  bilden  schliesslich  einen  grossen,  durch 
eine  Mesenterialfalte  an  der  Wirbelsäule  aufgehängten  Stamm,  in  welchen 
sich  die  aus  dem  Pankreas  und  dem  Duodenum ,  aus  der  Innenfläche 
des  Muskelmagens  kommenden  Venen  und  eine  Steissgekrösvene  er- 
giessen,  die  aus  der  Cloake  und  der  Fabricius' sehen  Tasche  stammt. 
Die  so  zusammengesetzte  Mesenterialvene  dringt  neben  der  Aus- 
trittsfalte des  Gallenganges  in  den  rechten  Leberlappen  ein,  verzweigt 
sich  in  der  Lebersubstanz  und  bildet  mit  den  von  der  Leberarterie 
stammenden  Gefässen  Capillarnetze,  aus  welchen  schliesslich  zwei 
grosse  Venen,  eine  äussere  und  eine  innere  entstehen,  welche  sich  am 
vorderen  Rande  des  rechten  Leberlappens  vereinigen  und  hier  durch 
Zusammenfluss  mit  der  linken  Lebervene  die  obere  Lebervene  bilden, 
die  bald  sich  mit  der  hinteren  Hohlvene  vereinigt  und  so  einen  Theil 
des  grössten  Gefässstammes  des  ganzen  Körpers,  der  unteren  Hohlvene 
bildet.  Die  Venen,  welche  von  der  äusseren  Fläche  des  Muskelmagens 
und  dem  distalen  Abschnitte  des  Drüsenmagens  kommen,  sammeln  sich 
in  einer  besonderen  Pfortader,  welche  in  den  linken  Leberlappen  ein- 
dringt, sich  in  dessen  Substanz  verzweigt  und  dann  die  linke  Leber- 
vene bildet,  welche,  durch  die  Nabelvene  verstärkt,  sich  in  die  obere 
Lebervene  ergiesst.  Die  Nabelvene  ist  ein  unpaares,  unmittelbar 
unter   der  Haut  etwas  links   von    der   Mittellinie  verlaufendes  Gefäss, 


Vögel.  813 

das  in  der  Nähe  der  Afteröfifnuug  beginnt  und  das  Blut  von  den  Baucli- 
wänden  und  aus  den  dort  meist  angehäuften  Fettmassen  zurückieitet. 
Das  Pfortadersystem,  welches  das  aus  dem  Darme  und  den  übrigen  Ein- 
geweiden zurückströmende  Blut  in  der  Leber  vei^theilt,  wird  demnach 
nicht  von  einem,  sondern  von  mehreren  Stämmen  gebildet. 

Das  von  dem  proximalen  Ende  des  Drüsenmagens  rückgeführte 
Blut,  sowie  dasjenige  der  Kranzvenen  des  Herzens  wird  dagegen  direct 
in  die  linke  obere  Hohlvene  ergossen. 

Das  aus  der  hinteren  Extremität  zurückströmende  Blut  sammelt 
sich  in  einem  grossen  Stamme,  in  der  äusseren  Hüftvene  (iJe, 
Fig.  331),  welche  zwischen  den  beiden  vorderen  Nierenlappen  verläuft, 
um  sich  in  die  Hohlvene  zu  ergiessen.  Sie  nimmt  vor  ihrem  Eintritte 
in  die  Nierenlappen  die  grosse  vordere  Schenkelvene  auf,  welche 
Zuflüsse  aus  dem  Mm.  sartorius ,  ileo-tibialis ,  den  Muskeln  der  Bauch- 
wand erhält  und  ausserdem  die  tiefe  Schenkelvene  aufnimmt,  welcher 
in  der  Nähe  der  Niere  die  B  auchd ecken  vene  zufliesst,  die  dem 
Schambeine  entlang  in  den  Bauchdecken  verläuft.  Die  Schenkelvene 
erstreckt  sich  dann  auf  der  inneren  Seite  des  Femur  und  nimmt  Venen 
aus  den  Mm.  pubo-ischio-femoraiis,  semi-tendiuosus  und  semi-membra- 
nosus  auf.  Am  distalen  Ende  des  Femur  erhält  sie  zwei  Zuflüsse, 
einen  vom  Knie,  den  anderen  von  M.  gastrocnemius.  Am  Unter- 
schenkel verlaufen  zwei  S  chienb  einv  enen  ;  die  innere  (?7?)  sammelt 
das  Blut  aus  den  hinteren,  die  äussere  das  aus  den  vorderen  Muskeln 
des  Beines.  Beide  beginnen  an  dem  Metatarsus  und  den  ersten  Zehen- 
gliedern. 

Die  inneren  Hüftvenen  (ili)  verlaufen  grösstentheils  in  der 
Nierensubstanz;  man  sieht  sie  am  inneren  Rande  des  ersten  Nieren- 
lappens. Hinter  der  Niere  fliessen  sie  zu  einer  Schlinge  zusammen. 
Während  ihres  Verlaufes  in  der  Nierensubstauz  nehmen  sie  die  Kreuz- 
beinvenen vom  Becken,  die  Zwischen wirbelvenen  aus  der  Gegend  des 
Beingeflechtes,  zahlreiche  Nierenveuen  und  Venen  aus  dem  vorderen 
Abschnitte  der  Geschlechtscanäle  auf.  In  die  Schlinge  ergiesst  sich 
die  unpaare  Steissvene  (vc),  die  auf  der  dorsalen  Mittellinie  des 
Bürzels  verläuft  und  Zuflüsse  vom  Steisse,  von  den  Steuerfedern  und 
den  an  den  Wirbeln  dieser  Gegend  angebrachten  Muskeln  erhält. 
Ausserdem  münden  an  der  Schlinge  auch  die  Schamvenen  (vpu)^ 
die  an  der  Cloake  jederseits  sich  aus  einem  inneren  und  einem  äusseren 
Aste  zusammensetzen ,  welche  das  Blut  aus  den  entsprechenden  Re- 
gionen der  Cloake  und  der  hinteren  Abschnitte  der  Harn-  und  Ge- 
schlechtsgänge zurückleiten. 

Lungenkreislauf.  —  Die  beiden  Lungenarterien  (aj), 
Fig.  329,  JS)  entspringen  am  vorderen  Ende  der  rechten  Herzkammer 
aus  einem  gemeinsamen  Stamme,  der  von  der  Kammer  durch  drei 
Klappen  geschieden   wird;   sie   weichen   schnell  von   einander,   durch- 


814  Wirbelthiere. 

setzen  den  Herzbeutel  und  dringen  sofort  jede  in  die  entsprecliende 
Lunge  ein ,  wo  sie  an  der  Innenfläche  der  Bronchen  reiche  Capillar- 
netze  bilden.  Das  oxygenirte  Blut  wird  von  den  beiden  Lungenvenen 
(vpl,  Fig.  329,  Ä),  die  sich  erst  innerhalb  des  Herzbeutels  zu  einem 
Stamme  vereinigen,  in  den  Vorhof  (o)  der  linken  Vorkammer  des  Her- 
zens ergossen. 

Das  Lymphsystem  lässt  sich  nicht  leicht  im  Ganzen  darstellen, 
da  seine  Canäle  nicht  überall  eigene  Wandungen  besitzen  und  Lücken- 
räume zwischen  den  Geweben  und  auf  den  Luftsäcken  sich  in  seine 
Fortsetzungen  einschieben.  Im  Allgemeinen  folgen  die  Lymphgefässe 
den  Venen ;  sie  setzen  schliesslich  einen  weiten  Canal  zusammen ,  der 
in  der  Rückengegend,  wo  er  die  Gefässe  aus  den  Beinen,  dem  Darme, 
der  Leber  und  dem  Magen  aufnimmt,  sich  an  die  Aorta  anlehnt.  In 
der  Höhe  der  Lungen  gabelt  sich  der  Lymphstamm  in  zwei  Aeste, 
welche  vor  ihrer  Einmündung  in  die  entsprechende  obere  Hohlvene, 
jederseits  die  Gefässe  vom  Kopfe,  vom  Halse  und  dem  Flügel  aufnehmen. 

Als  Anhang  zu  dem  Gefässsysteme  erwähnen  wir  noch  die  beiden 
drüsenartigen  Organe,  Thymus  und  Thyreoidea. 

Die  Thymus  beginnt  jederseits  am  Halse  hinter  dem  Zungen- 
beinhorn  und  zieht  sich  als  langgestreckter  Körper  über  die  drei  vor- 
deren Viertel  des  Halses  fort.  Scheinbar  besteht  sie  arus  platten,  ovalen 
Lappen  von  rosa  Farbe.  Hebt  man  sie  aber  auf,  so  sieht  man,  dass 
sie  die  Gestalt  eines  langen,  schmalen,  vielfach  gewundenen  Bandes 
hat,  dessen  Schlingen  über  einander  greifen. 

Die  Thyroidea  (ty,  Fig.  328)  liegt  hinter  der  Thymus,  hart  an 
der  Luftröhre,  als  ein  rothbrauner,  cylindrischer  Körper  von  etwa 
einem  Centimeter  Länge.  Auf  Durchschnitten  zeigt  sie  eine  äussere, 
bindegewebige  Hülle,  die  zahlreiche  Blindschläuche  einschliesst,  deren 
Wände  von  cubischen  Zellen  mit  grossen  Kernen  gebildet  werden. 
Zwischen  den  Schläuchen  schlängeln  sich  zahlreiche  Blutgefässe  und 
Lymphcanäle.  Die  Structur  ist  derjenigen  der  Nebennieren  ziemlich 
ähnlich. 

Die  Tegumente  der  Vögel  haben  meist  dieselbe  Structm'  wie  bei 
unserer  typischen  Art.  Die  Oberhaut  ist  zuweilen  au  federlosen  Stellen, 
wie  an  den  Kämmen  und  sonstigen  Hautanliängen  der  Hühnervögel,  so  dünn, 
dass  das  rothe  Blut  durchscheint ;  oft  mischen  sich  auch  mit  dem  Eoth  be- 
sondere Pigmente ,  vorzugsweise  von  blauer  Earbe.  Auch  werden  diese  An- 
hänge öfter  erectil.  —  Anderwärts  wird  die  Oberhaut  dick ,  hornig  und 
bildet  dann  Schuppen ,  Schilder ,  Scheiden  für  die  Kiefer  (Schnabel)  und  die 
Zehen  (Nägel,  Krallen) ;  zuweilen  auch  isolirte  Auswüchse ,  Sporne  und  der- 
gleichen. Mit  Ausnahme  des  Daumens,  der  zuweilen  einen  Nagel  trägt,  sind 
die  übrigen  Finger  der  Hand  stets  uagellos.  Wir  übei'lassen  die  eingehende 
Beschreibung  dieser  Bildungen  der  Zoologie.  Der  hornige  Schnabel  schliesst 
im  Allgemeinen  die  Bildung  von  Zähnen  aus;  doch  hat  man  bei  den  Em- 
bi'yonen  einiger  Papageien  (Cacatoa,  Melopsittacus  ,  Nymphicus  Novae  Hollan- 
diae)  Anlagen  von  Zähnen  in  den  Kiefern  gefunden,  welche  auf  die  Bezahnung 


Vögel.  815 

der  fossilen  Zahnvögel  (Odontomithes)  hinweisen.  —  Bei  den  Eatiten  fehlen 
in  der  Leder  haut  jegliche  Drüsen;  bei  den  anderen  Vögeln  finden  sich 
einfache  Talgdrüsen  im  Gehörgange  und  die  zum  Fetten  der  Federn  be- 
stimmte Steissdrüse,  welche  besonders  bei  den  Wasservögeln  ausserordentlich 
entwickelt  ist  und  wohl  eine  zu  besonderer  Function  ausgebildete  Talg- 
drüse ist. 

Bekanntlich  geht  die  Entwicklung  der  Federn  von  einer,  den  Schuppen 
der  Reptilien  ähnlichen  Hautwarze  aus ,  die  zuerst  von  einer  runden  Ver- 
tiefung umgeben  ist ,  dann  sich  aber  in  dem  Maasse ,  als  das  Wärzchen  aus- 
wächst,  in  die  Haut  einsenkt  und  so  den  Follikel  der  Feder  bildet.  Der 
Federkeim  umgiebt  sich  dann  mit  einer  Hornscheide ,  welche  sich  in  eine 
Menge  von  Strahlen  zerschleisst ,  die  oft  noch  secundäre  Bärtchen  tragen. 
So  entsteht  die  Flaumfeder ,  welche  aus  einem  Hautschaft  gebildet  ist ,  der 
im  Inneren  Zellen  der  Mal  pighi' sehen  Schicht  enthält  und  von  einer  am 
Ende  zerschlissenen  Hornscheide  umgeben  wird.  Mit  solchen  Dunen  bedeckt, 
verlässt  der  junge  Vogel  das  Ei;  sie  erhalten  sich  während  des  ganzen  Lebens 
als  allgemeine  Bedeckung  bei  einigen  Arten  {Apteryx),  bei  anderen,  besonders 
Wasservögeln  {Eidergans)  nur  an  bestimmten  Stellen.  Die  definitive  Feder, 
wie  wir  sie  beschrieben  haben,  entsteht  unter  der  Dunenfeder ,  etwa  wie  die 
Ersatzzähne  und  stösst  ihre  Vorgängerin  durch  das  Hervorwachsen  aus. 
Wir  überlassen  der  beschreibenden  Zoologie  die  Darstellung  der  Modifica- 
tionen ,  welche  die  Federn  erleiden ,  die  zuweilen  auf  den  Schaft  reducirt 
werden  und  dann  Haare  oder  Stacheln  bilden,  sowie  der  für  einzelne  Gruppen 
charakteristischen  Federfluren,  auf  welche  sich  dieselben  vertheilen. 

Das  Skelett  der  Vögel  unterscheidet  sich  von  demjenigen  der  Reptilien 
durch  seine  Leichtigkeit,  die  fast  gänzliche  A^erdrängung  des  Knorpels  durch 
Knochensubstanz  und  durch  die  Lufträume ,  welche  die  meisten  Knochen 
durchziehen  und  sich  als  Ausläufer  der  häutigen  Luftsäcke  darstellen.  Xur 
selten  findet  sich ,  wie  bei  den  Eatiten ,  Mark  in  den  langen  Knochen :  ge- 
wöhnlich werden  die  Wände  nur  durch  einzelne  Knochenbälkchen  mit  ein- 
ander verbunden.  Die  Wirbel  und  ihre  Anhänge,  Eippen  u.  s.  w.,  zeigen  eine 
ähnliche  Bildung  wie  bei  unserer  typischen  Art;  aber  es  finden  sich  be- 
deutende Verschiedenheiten  in  Bezug  auf  die  Zahl  der  Wirbel  in  den  ein- 
zelnen Eegioneu  ,  sowie  hinsichtlich  ihrer  Verschmelzung  mit  einander.  Die 
Länge  des  Halses  hängt  sowohl  von  der  Verlängerung  der  einzelnen  Wirbel- 
körper, wie  von  der  Vermehrung  ihrer  Zahl  ab;  die  Zahl  der  im  Kreuzbein 
verschmolzenen  Wirbel  ist  stets  bedeutender  als  bei  den  Eeptihen.  Der  Schwanz- 
stiel wird  wenigstens  aus  sechs  mit  einander  verschmolzenen  Wirbeln  ge- 
bildet, welche  im  Embryo  noch  getrennt  sind  und  bei  einigen  Eatiten  wäh- 
rend des  ganzen  Lebens  erhalten  bleiben.  Die  Hakenfortsätze  der  Eippen 
kommen  überall  vor,  wechseln  aber  an  Länge  und  Gestalt. 

In  der  Bildung  des  Schultergürtels,  des  Brustbeines  und  des  Flügels 
zeigen  sich  bedeutende  Verschiedenheiten.  Bei  allen  Carinaten  zeigt  der 
Seh  alter  gürtel  denselben  Bauplan,  aber  einige  Eatiten  [Casuarius,  Bromaeus) 
und  einige  Erdpapageien  [Pezophorus)  haben  nur  verkümmerte  Gabelbeine, 
während  Schulterblatt  und  Eabenbein  stets  ausgebildet  sind.  Das  Brustbein 
variirt  noch  mehr.  Zwar  ist  das  Schild  stets  als  Träger  der  Eingeweide  vor- 
handen ;  es  ist  aber  bald  vollständig ,  bald  durch  Lücken  und  Ausschnitte 
unterbrochen,  welche  für  die  einzelnen  Gruppen  charakteristisch  sind,  in- 
dessen stets  durch  Sehnenhäute  ausgefüllt  werden.  —  Die  Entwicklung  des 
Brustbeinkammes  hängt  von  derjenigen  der  zum  Fluge  und  zum  Eudern 
dienenden  Brustmuskeln  ab.  Der  Kamm  ist  bei  guten  Fliegern  {Colibris,  Fre- 
gatte) ausserordentlich  entwickelt,  wird  bei  einigen  Erdcariuaten  [Stegops) 
rudimentär   und   verschwindet   ganz   bei   den   Eatiten.     Bei   einioen   Wasser- 


816  Wirbelthiere. 

vögeln  {Schwäne)  wird  der  Kamm  hohl  und  nimmt  eine  Schlinge  der  Luft- 
röhre auf.  —  Die  Knochen  des  Ober-  und  Unterarmes  verhalten  sich  meist 
wie  bei  der  Taube ;  bei  den  Ratiten  verkümmern  sie  und  bei  Apteryx  trägt 
der  sehr  kurze,  aller  Muskelleisten  baare  Humerus  nur  sehr  kleine,  rudimen- 
täre Vorderarmknochen.  Bei  Apteryx  und  Casuarius  ist  die  Handwurzel  auf 
einen  einzigen  Knochen  reducirt.  Zahl  und  Stellung  der  Finger  variiren ; 
Struthio  und  Apteryx  haben  nur  zwei  Finger,  welche  ebenso  wie  bei  Pala- 
medea,  Nägel  tragen;  alle  übrigen  Vögel  haben  drei  Finger,  aber  zuweilen 
trägt  der  Daumen  oder  der  zweite  Finger  einen  Nagel,  während  der  dritte 
stets  unbewaffnet  ist. 

Das  Becken  lässt  sich  leichter  von  demjenigen  der  fossilen  Dinosaurier, 
als  von  dem  der  heutigen  Reptilien  ableiten.  Die  drei  Beckenknochen  ver- 
sclimelzen  stets  mit  einer  grösseren  Anzahl  von  Wirbeln  als  bei  den  Eeptilien; 
sie  sind  bei  den  Eatiten  [Apteryx)  ausserordentlich  massiv.  Der  Strauss  besitzt 
allein  unter  allen  Vögeln  eine  wahre  Symphyse  der  Schambeine ;  bei  allen  übrigen 
ist  das  Becken  auf  der  ventralen  Seite  mehr  oder  minder  weit  offen.  —  Trotz 
bedeutender  Variationen  in  den  Proportionen  und  der  Entwicklung  der  ein- 
zelnen Knochen  des  Beines  bleibt  doch  der  Grundplan  derselbe  wie  bei 
unserer  typischen  Art;  der  Femur  wird  hei  äenljäuievn  {Eatiten,  Hühnervögel) 
massiver  und  zeigt  stärkere  Muskelleisten.  Das  Wadenbein  ist  stets  als  rudi- 
mentäre Knochennadel  der  Tibia  angeschweisst.  Letztere  verlängert  sich  und 
verschmilzt  an  ihrem  distalen  Ende  mit  der  ersten  Reihe  der  Fusswurzelknochen 
zur  Bildung  des  Tibio-tarsale.  Anderseits  verschmelzen  die  ursprünglich  ge- 
trennten Stücke  des  Mittelfusses  sowohl  unter  sich,  als  auch  mit  der  unteren 
Reihe  der  Fusswurzelknochen  und  bilden  so  den  Tarso-metatarsalknochen, 
der  an  seinem  distalen  Ende  die  Gelenkrollen  für  die  ersten  Zehenglieder 
trägt.  So  wird  also  die  Fusswurzel  als  eigene  Abtheilung  des  Beinskelettes 
gänzlich  unterdrückt,  aber  das  Gelenk  zwischen  den  beiden  Reihen  der  Fuss- 
wurzelknochen bleibt  bestehen,  mit  nach  hinten  gewendetem  Winkel.  Mehr 
oder  minder  tiefe  Rinnen  und  Furchen  zeigen  noch  auf  die  ursprüngliche 
Selbständigkeit  der  verschmolzenen  Knochen  hin.  Bei  einigen  Pinguinen 
vertiefen  sich  diese  Rinnen  sogar  zu  weiten  Löchern  zwischen  den  Meta- 
tarsalstücken.  Bei  vielen  Vögeln  bildet  sich  an  der  inneren  Seite  des  Meta- 
tarsus  ein  Auswuchs,  der  mit  einer  Horuscheide  bedeckt  wird  und  als  Waffe 
dient,  der  Sporn.  Meist  finden  sich  zwei  Phalangen  am  Daumen,  drei  an 
der  zweiten ,  vier  an  der  dritten  und  fünf  an  der  letzten  Zehe.  Häufig  fehlt 
der  Daumen  ganz ;  wenn  vorbanden ,  ist  er  meist  nach  hinten  gedreht  und 
stellt  sich  den  anderen  Zehen  gegenüber  um  Gegenstände,  wie  Zweige,  um- 
greifen zu  können ;  bei  den  Läufern  und  den  Steganopoden  aber  steht  er, 
Avie  die  übrigen  Zehen,  nach  vorn.  Bei  den  Klettervögeln  stehen  zwei  Zehen 
nach  vorn,  zwei  nach  hinten.  Bei  dem  Strausse  finden  sich  nur  noch  zwei 
Zehen,  die  dritte  und  vierte. 

Das  Skelett  des  Kopfes  unterscheidet  sich  von  demjenigen  der 
Reptilien  durch  die  Unterdrückung  des  Knorpels ,  die  totale  Verschmelzung 
der  ursprünglich  getrennten,  dünnen  und  leichten,  aber  meist  pneumatischen 
Knochen  des  Hirnschädels  und  der  das  Hörlabyrinth  umschliessenden  Stücke 
und  durch  die  bedeutende  Grösse  der  Hirn-  und  Augenhöhlen.  Es  ähnelt 
dem  der  Reptilien  durch  die  Lage  des  einen  Gelenkkopfes  unter  dem  grossen 
Hinterhauptsloche.  Der  stets  sehr  in  die  Länge  gezogene  Zwischenkiefer  ist 
mit  dem  Schädel  durch  einen  dünnen,  biegsamen  Stiel  verbunden,  so  dass  er 
etwas  beweglich  wird;  bei  den  Papageien  bildet  sich  hier  sogar  ein  wahres 
Gelenk.  Die  Aehnlichkeit  mit  den  Eidechsen  zeigt  sich  in  der  Existenz 
eines  mehr  oder  minder  beweglichen  Quadratbeines ,  an  welchem  der  Unter- 
kiefer eingelenkt  ist  und  das  durch  sehr  wechselnde  Verbindungen,  aller  den 


Vögel.  817 

Schnabel  bildenden  Knochen ,  Quadratjochbeinen ,  Gaumenbeinen ,  Flügel- 
beinen ,  Vomer  und  Oberkiefer  eine  gewisse  Beweglichkeit  mittheilt.  Der 
Unterkiefer  verhält  sich  etwa  wie  bei  der  Taube.  —  Das  Zungenbein  ist 
meist  auf  den  Körper  und  das  letzte  Hörnerpaar  reducirt,  das  aber  eine  be- 
deutende Länge  erreichen  kann,  so  dass  es,  bei  den  Spechten  z.  B.,  um  den 
ganzen  Hinterkopf  sich  herumbiegt  und  oben  auf  der  Stirn  an  der  Basis  des 
Schnabels  mit  seinem  Ende  befestigt  ist. 

Die  Entwicklung  des  Muskelsj'stemes  geht ,  wie  immer ,  Hand  in 
Hand  mit  derjenigen  des  Skelettes.  Die  Hautmuskeln  sind ,  wie  bei  der 
Taube,  besonders  am  Halse  und  Kopfe  entwickelt.  Die  grossen  Steuerfedern, 
sowie  gewisse  Schmuckfedern  haben  oft  eine  grosse  Beweglichkeit  und  be- 
sitzen dann  besondere  Muskelbündel  an  ihrer  Basis ,  meist  in  der  Vierzahl. 
Die  Brustmuskeln  bilden  sich  im  Verhältniss  zu  dem  Fluge  oder  zum 
Schwimmen  aus,  wenn  die  Flügel,  wie  bei  den  Pinguinen,  als  Euder  dienen ; 
bei  den  Katiteu  verkümmern  sie.  Eine  merkwürdige,  mechanische  Anpassung 
findet  sich  in  der  Anordnung  der  Sehnen  der  Beugemuskeln  der  Zehen, 
welche  über  das  Knie-  und  Fussgelenk  laufen  und  die  Zehen  mechanisch  krüm- 
men, wenn  der  Vogel  niedei'hockt ;  sie  ist  bei  den  auf  Bäumen  schlafenden 
Vögeln  am  meisten  ausgebildet ;  die  Thiere  umkrallen  die  Zweige,  aufweichen 
sie  schlafen,  ohne  Mitwirkung  des  Willens.  Die  Schenkel-  und  Beinmuskeln 
sind  bei  den  Läufern  und  den  Eatiten  besonders  stark  entwickelt. 

Das  centrale  und  peripherische  Nerve nsj'stem  bietet  keine  beson- 
deren Verschiedenheiten  von  unserer  typischen  Art. 

Der  Tastsinn  ist  bei  den  Vögeln  nur  schwach  ausgebildet;  doch 
findet  man  Tastkörperchen  zerstreut  in  der  Haut,  oder  an  bestimmten  Orten, 
wie  auf  der  Zunge ,  an  dem  Schnabel  (Entenvögel)  oder  an  der  Innenseite 
der  zum  Greifen  dienenden  Zehen,  wie  bei  den  Papageien.  Die  im  Inneren 
der  Mundhöhle  angebrachten  Tastkörperchen  mögen  wohl  als  Geschmacks- 
organe  fungiren. 

Das  Riech organ  bietet  wenig  Variationen.  Meist  liegen  die  Nasen- 
öffnungen an  der  Basis  des  Schnabels;  bei  Apterj'x  aber  finden  sie  sich  an 
der  Schnabelspitze,  und  zwei  lange,  enge  Canäle  führen  dui'ch  den  dünnen 
Schnabel  zu  dem  an  der  "Wurzel  desselben  gelegenen  Geruchsorgane.  Häufig 
aber  sind  die  meist  spaltförmigen  Nasenöffnungen  von  besonderen  Knochen- 
röhren umhüllt  oder  von  Knochenschuppen  bedeckt.  Meist  findet  sich  auch 
eine  besondere  Nasendrüse,  welche  den  Tauben  abgeht.  Sie  liegt  gewöhnlich 
in  besonderen  Gruben  des  Stirnbeines ,  verlängert  sich  nach  hinten  oder  hat 
die  Gestalt  eines  Halbmondes ;  zuweilen  verschmelzen  die  beiden  seitlichen 
Drüsen  in  der  Mittellinie.  Die  Ausführungsgänge  gehen  von  dem  äusseren 
Theil  der  Drüse  in  der  Höhe  des  Thränenbeines  ab ,  verlaufen  nach  vorn 
und  münden  an  der  Innenseite  des  Nasenloches.  Die  Homologien  dieser 
Drüse  lassen  sich  bei  dem  gegenwärtigen  Zustande  unserer  Kenntnisse  nicht 
genauer  bestimmen. 

Da  die  Zunge  meist  mit  einem  dicken,  hornigen  Epithelium  überzogen 
ist,  kann  der  Geschmack  wohl  nur  wenig  entwickelt  sein.  Vielleicht 
haben  nur  die  Papageien ,  welche  eine  fleischige ,  mit  weichen  Papillen  be- 
setzte Zunge  haben,  deutlichere  Geschmacksempfindungen.  Wenn  aber  die 
Schnabelwände  weich  sind,  so  finden  sich  darin  eine  Menge  von  Nerven- 
körpern, die  wohl  eine  gewisse  Eolle  in  den  Geschmacksempfindungen  spielen 
mögen. 

Das  Auge  ist  schon  bei  den  Embryonen  ungemein  gross ,  und  im  All- 
gemeinen nach  gemeinsamem  Bauplane  construirt.  Doch  variirt  der  Bau 
des  Knochenringes  der  Sclerotica  in  weiten  Grenzen ;  zuweilen  hat  er  die 
Gestalt   eines   in   der  Mitte  zusammengeschnürten  Doppelbechers  {Eulen).     In 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  gO 


818  Wirbelthiere. 

anderen  Fällen  findet  man  einen  zweiten,  einfachen  Knochenring  um  die 
Eintrittsstelle  des  Sehnerven.  Der  stets  gefaltete ,  äusserst  pigment-  und 
gefässreiche ,  aus  einer  einspringenden  Falte  der  Choroidea  gebildete  Kamm 
fehlt  bei  Apteryx ;  bei  allen  übrigen  Vögeln  ist  er  vorhanden,  aber  bald  drei- 
eckig {Hühner),  rechtwinklig  {Tauben),  rautenförmig  {Enten)  u.  s.  w.  Die  Zahl 
der  Falten  variirt  bedeutend:  vier  Falten  finden  sich  beim  Casuar;  sieben 
beim  Strausse;  achtzehn  beim  Haushuhne;  vieruudz wanzig  bei  dem  Trut- 
hahne. Ebenso  v%,riirt  sein  Vordringen  in  den  Augapfel;  es  ist  n^^r  gering 
bei  der  Taube,  während  bei  den  Papageien,  den  Geiern  und  den  Truthühnern 
der  Kamm  bis  an  die  Krystalllinse  vorgeht. 

Ein  äusseres  Ohr  geht  den  Vögeln  ganz  ab,  wenn  man  nicht  als  solches 
einen  beweglichen  Federkranz  betrachten  will,  welcher  bei  einigen  Eulen  den 
äusseren  Gehörgang  umgiebt.  Das  mittlere  und  innere  Ohr  verhalten  sich 
wie  bei  der  Taube. 

Das  Verdauungssystem  zeigt,  je  nach  der  Nahrung,  mancherlei 
Modificationen.  Wir  überlassen  der  beschreibenden  Zoologie  die  vielfachen 
Schnabelformen  und  bemerken  hier  nur,  dass  der  Boden  der  Mundhöhle  sich 
bei  Pelicanen  zu  einem  enormen  Kehlsack  ausweitet,  der  als  Magazin  für  die 
gefangenen  Fische  dient,  dass  bei  den  gründelnden  Enten  und  Gänsen  der 
Gaumen  zahlreiche  Falten  und  die  Schnabelränder  weiche  Lamellen  auf- 
weisen, die  reich  mit  Tastpapillen  besetzt  sind,  und  dass  bei  den  männlichen 
Trappen  zwischen  den  Aesten  des  Unterkiefers  ein  in  die  Mundhöhle  sich 
öffnender  erectiler  Sack  sich  vorfindet,  der  zur  Verstärkung  des  Schalles 
der  Stimme  zu  dienen  scheint.  Die  in  die  Mundhöhle  sich  öffnenden  Drüsen 
können  kaum  mit  den  Speicheldrüsen  der  Säugethiere  parallelisirt  werden, 
um  so  weniger,  als  ihre  Absondei-uug  nur  zur  Befeuchtung  der  Nahi"ungs- 
mittel  dient,  aber  keine  verdauenden  Substanzen  enthält.  Sie  variiren  sehr, 
je  nach  der  Nahrung.  Die  auf  den  Seiten  der  Zunge  liegenden  Zungen- 
drüsen verkümmern  in  gleichem  Maasse  wie  die  Zunge ,  welche  bei  den  Ra- 
uten sehr  reducirt  ist ;  sie  fehlen  bei  Otis  und  Picus,  welche  letztere  dagegen 
ausserordentlich  entwickelte  Unterzungendrüsen  besitzen.  Durch  ihre  Horn- 
scheide  wird  die  Zunge  häufig  ein  Fangwerkzeug ;  bei  den  Spechten  wird  sie 
eine  Harpune ,  mittelst  welcher  die  Thiere  die  im  Holze  eingebohrten  In- 
secten  anstechen  und  hervorziehen;  bei  den  Coliiris  wird  sie  ein  eingerollter 
Rüssel  zum  Aufsaugen  von  Honigsäften ;  bei  den  Trichoglossen  ein  Pinsel,  der 
kleine  Insecten  im  Grunde  tiefer  Blumenkronen  aufkehrt.  Bei  den  Enten, 
Flamingos  vervollständigt  die  Zunge  durch  Entwicklung  rückwärts  gerichteter 
Lamellen  den  Apparat  zum  Gründein.  Nur  bei  den  Papageien  wird  sie 
fieischig  und  der  Säugethierzunge  ähnlich.  —  Der  Schlund  wird  bei  den- 
jenigen Vögeln,  welche  ihre  Beute  unzertheilt  verschlucken,  sehr  ausdehnbar ; 
er  erreicht  10  Centimeter  Durchmesser  bei  Bucorax  a'byssinicus.  —  Der  Kropf 
entwickelt  sich  besonders  bei  den  Körnerfressern ;  man  findet  ihn  in  allen 
Entwicklungsstadien  von  einer  einfachen  Ausweitung  der  vorderen  Wand  der 
Speisei'öhre  {Casuarius ,  Strix)  bis  zu  einem  weiten,  in  dem  Gabelknochen 
gelagerten  Quersacke ,  wie  bei  den  Columliden ,  Psittaciden  und  Fringilliden. 
Er  fehlt  bei  den  Straussen,  bei  Apteryx ,  bei  den  LamelUrostren  und  vielen 
Passeriden.  —  Der  Drüsenmagen  ist  bei  den  Kö rner fresse rn,  wo  der 
Muskelmagen  sehr  ausgebildet  ist,  von  diesem  am  schärfsten  geschieden,  weit 
weniger  bei  den  Raubvögeln.  Bei  den  Körner-  und  Pflanzenfressern 
ist  der  Drüsenmagen  ein  langer  Hohlcylinder  mit  dicken,  wenig  ausdehn- 
baren Wänden;  bei  den  Fleischfressern  sind  seine  Wände  weit  dünner 
und  ausdehnbarer.  —  Der  Muskelmagen,  schwächer  bei  den  Raubvögeln, 
zeigt  meist  dieselbe  Structur,  wie  sie  bei  der  Taube  beschrieben  wurde; 
seine  beiden  Hälften  werden  zuweilen,    wie  bei  Gänsen  und  Truthühnern,  un- 


Vögel.  819 

gleich  stark.  —  Bei  Plotus,  Fidica,  Ardea  bildet  sich  zwischen  ihm  und  dem 
Darme  eine  Pförtnertasche  aus.  —  Der  Darm  variirt  sehr  hinsichtlich  seiner 
Länge;  kurz  bei  solchen,  die  Früchte  und  lusecten  fressen,  wird  er  sehr  lang 
bei  denen ,  welche  sich  von  Kräutern ,  Körnern  und  Fischen  nähreu.  Der 
Darm  bildet  stets  vielfache  Schlingen  in  der  Bauchhöhle ,  deren  Anordnung 
und  Lagerung  in  Beziehung  zur  Körperaxe  man  sogar  zur  Abgrenzung  ein- 
zelner Gruppen  hat  beuutzen  wollen.  —  Die  Blinddärme  sind  nur  rudimentär 
bei  den  Tauben  und  den  Sperlingsvögeln,  die  sich  von  Körnern  und  Insecten 
nähren ,  sowie  bei  den  fischfressenden  Tauchern ,  Alca ,  Larus ,  Pelargus ;  sie 
werden  im  Gegentheil  sehr  lang  bei  dem  Strausse,  wo  sie  70  Centimeter 
erreichen,  bei  Rhea ,  Apteryx  und  den  Lamellirostren ,  die  sich  vorzugsweise 
von  Vegetabilien  nähren,  aber  auch  bei  den  Fleischfressern  Strix ,  Corvus, 
Cuculus.  Bei  den  Casuaren  und  anderen  Vegetariern  sind  sie  von  mittlerer 
Länge. 

Die  Leber  zeigt  bei  den  meisten  Vögeln  die  beiden  grossen  Haupt- 
lappen mit  ihren  secundären  Läppchen ,  vai'iirt  aber  sehr  an  Volumen.  Bei 
den  Ea  üb  vögeln  ist  sie  am  kleinsten,  bei  den  Schwimmvögeln  am 
grössten.  Bei  den  meisten  Tauhen  und  Papageien  fehlt  die  Gallenblase ,  die 
bei  den  Eaubvögeln  und  den  fleischfressenden  Schwimmvögeln  sehr  gross 
ist.  Meist  finden  sich  zwei  Ausführungsgänge  für  die  Galle :  der  dem  linken 
Leberlappen  entstammende  Leberdarmgang  mündet  in  die  Mitte  der  Duo- 
denalschlinge ;  der  Gang  aus  dem  rechten  Leberlappen  erweitert  sich  zur 
Gallenblase  und  in  diesem  Falle  bilden  sich  zwei  Gänge,  der  Leberblasengang 
und  der  Blasendarmgang. 

Das  Pankreas  bietet  keine  wesentlichen  Variationen. 

Die  stets  an  der  rechten  Seite  des  Drüseumagens  liegende  Milz  variirt 
sehr  in  Grösse  und  Farbe ;  bei  den  Sängern  und  den  Schwimmvögeln 
ist  sie  sehr  voluminös,  kleiner  bei  den  Eaubvögeln.  Meist  ist  sie  roth- 
braun ,  wird  aber  dunkelroth  bei  den  Bähen  und  Spechten  und  fast  schwarz 
bei  den  Schicalben. 

Die  länglichen  oder  runden  Schilddrüsen  liegen  stets  an  der  ge- 
meinsamen Carotis  in  der  Höhe  des  Abganges  der  Wirbelarterie.  Sie  sind 
stets  im  Verhältniss  zur  Körpergrösse  sehr  klein. 

Die  seitlich  am  Halse  ,  längs  der  Jugularvenen  gelegenen  T  h  3'  m  u  s  - 
drüsen  variiren  an  Volumen  je  nach  dem  Alter  des  Thieres. 

Die  Nieren  behaupten  stets  dieselbe  Lage,  wie  bei  der  Taube,  und 
scheinen  bei  den  Wasservögeln  am  grössten  zu  sein.  Sie  bestehen  immer 
aus  wenigstens  drei  Lappen ,  die  aber  in  seltenen  Fällen  sich  seitlich  aus- 
breiten. Häufig  sind  sie  asymmetrisch  und  theilweisv  in  der  Mittellinie  ver- 
schmolzen. Die  Harnleiter  sind  bei  den  Straussen  in  der  Nierensubstanz 
vergraben ,  sonst  aber  frei  bis  zu  ihrer  Mündung  in  die  Cloake ;  eine  Harn- 
blase fehlt  ganz  allgemein.  Die  Nebennieren  bieten  keine  neunenswerthen 
Variationen. 

Die  Genitaldrüsen  liegen  stets  unmittelbar  vor  den  Nieren.  Die 
Hoden  sind  immer  paarig,  von  weisser,  selten  von  gelblicher  oder  bräunlicher 
Färbung ,  aber  ausserordentlich  variabel  an  Grösse  bei  verschiedenen  Indi- 
viduen derselben  Art,  wie  auch  je  nach  der  Jahreszeit.  Meist  sind  sie 
eiförmig,  zuAveilen  rund;  manchmal  ist  der  linke  Hoden  grösser  als  der 
rechte.  Die  Samenleiter  münden  stets  auf  zwei  getrennten  Wärzchen  in  die 
Cloake.  —  Der  Eierstock  ist  zwar  den  Hoden  entsprechend  gelagert,  ent- 
wickelt sich  aber  nur  auf  der  linken  Seite ;  der  rechte  Eierstock  verkümmert 
und  bildet  nie  reife  Eier.  Bei  den  Tagraubvögeln  findet  man  den  rechten 
Eierstock  noch  am  meisten  ausgebildet  und  mit  ihm  ein  der  Cloake  an- 
hängendes Eudiment  des  Eileiters.     Aber  vollständig  zeigt  sich  nur  der  liuke 

52* 


820  Wirbelthiere. 

Eileiter  bei  allen  Vögeln  ohne  Ausnahme  und  überall  zeigt  dieser  dieselbe 
Structur  und  dieselben  Absonderungsproducte  um  das  Ei,  Eiweiss,  Schalen- 
haut und  Schale.  Wenn  iiian  aus  der  Structur  des  Eiweisses  schliessen  darf, 
so  windet  sich  das  Ei  in  Sjjiraldreliungen  durch  den  Eileiter  zum  Aus- 
gange. Die  Grösse  der  Eier  steht  nicht  in  directeni  Verhältnisse  zu  der 
Körpergrösse ;  Apieryx  scheint  die  relativ  grössten  Eier  zu  legen. 

Eine  Cloake  findet  sich  bei  allen  Vögeln  in  Gestalt  eines  durch  zwei 
Ealten  in  drei  Abtheilungen  geti-eunten  Darmabschnittes ;  diese  Kammern 
öffnen  sich  nach  hinten  in  ein  Behältniss ,  das  durch  den  After  nach  aussen 
mündet.  In  die  untere  Kammer  mündet  der  Mastdarm,  die  mittlere  nimmt 
die  Producte  der  Hai'n-  und  Geschlechtsorgane  auf  und  die  obere  conimuni- 
cii"t  mit  der  E  abricius'schen  Tasche  und  enthält  den  Penis,  wenn  ein 
solcher  vorhanden  ist.  In  der  That  ist  ein  solcher  nur  bei  Eatiten  und 
einigen  Wasservögeln,  bei  Struthio,  Ehea,  Casuarius,  Dromaeus,  Apteryx,  Oygnus 
und  Anas  gut  ausgebildet;  bei  einigen  Hühnervögeln,  wie  Crax,  Penelope, 
Crypturus,  Pelargtis ,  Otis,  existiit  nur  ein  verkümmerter  Penis  in  Gestalt 
eines  zungenföi'migen  Fortsatzes.  Bei  Struthio  hat  das  Organ  etwa  20  Centi- 
nieter  Länge  und  eine  fast  dreieckige  Gestalt ;  es  ist  aus  zwei  seitlichen 
Faserkörpern  und  einem  erectilen  Mittelkörper  gebildet  und  wird  von  eigenen 
Muskeln,  Vorziehern,  Rückziehern  und  Hebern  aus-  und  eingestülpt. 

Die  Fabricius'sche  Tasche,  deren  Function  durchaus  räthselhaft 
ist,  die  aber  mit  den  Afterdrüsen,  den  Cowper' sehen  Drüsen  und  der  Pro- 
stata homologisirt  wurde ,  variirt  in  sehr  bedevitenden  Grenzen.  Sie  scheint 
erst  mit  der  Geschlechtsreife  ihre  volle  Grösse  zu  erreichen,  schrumpft  aber 
später  ein  und  verkümmert  gänzlich  bei  alten  Thieren,  mit  Ausnahme  der 
Eatiten ,  bei  welchen  sie  selbst  in  hohem  Alter  ihre  Dimensionen  beibehält, 
die  nicht  unbedeutend  sind.  Bei  Ehea  Darwini  hat  die  Tasche  14  Centimeter 
Länge  auf  7  Centimeter  Breite. 

Die  Athemorgaue  variiren  besonders  in  Bezug  auf  den  unteren  Kehl- 
kopf und  die  Luftröhre.  Der  Larj'nx  wird  meistens  von  sechs,  seltener  nur 
von  vier  festen  Stücken  gestützt;  zwei  Muskehi,  ein  Verengerer  und  ein  Er- 
weiterer, öffnen  und  schliessen  die  spaltförmige  Stimmritze.  Die  Zahl  der 
stets  vorhandenen ,  bald  knorpeligen ,  bald  knochigen  Luftröhrenringe  variirt 
zwischen  30  {Lanius)  und  350  [Phoenicopterus). 

Bei  Dromaeus  bildet  die  Luftröhre  auf  der  ventralen  Seite  des  Halses, 
Avo  mehrere  Einge  unterbrochen  sind ,  einen  Bruchsack ,  der  mit  dem  Alter 
an  Grösse  zunimmt  und  durch  einen  langen  Spalt  mit  der  Eöhre  communi- 
cirt.  Wenn  die  Luftröhre  meist  cylindrisch  ist,  so  zeigt  sie  doch  auch  öfter 
Abplattungen,  wie  bei  manchen  Bauten,  Papageien  und  Raubvögeln  oder 
auch  Erweiterungen ,  die  meist  bei  den  Männchen  in  der  Mitte  des  Halses 
sich  finden ;  die  Einge  dieser  Aussackungen  erscheinen  dann  mehr  oder 
minder  aufgeblasen  {Melanitta ,  Metopiana).  Man  muss  dieselben  wohl  von 
den  sogenannten  Labyrinthen  unterscheiden,  die  sich  weiter  unten  an  dein 
Ursprünge  der  Bronchen ,  bei  den  erwachsenen  Männchen  mancher  Lamelli- 
rostren  ausbilden  und  die  aucli  bei  den  weiblichen  Küchlein  sich  finden, 
aber  später  zurückgebildet  werden.  Diese  Labyrinthe  entstehen  aus  der  Ver- 
schmelzung von  wenigstens  sechs  Eingen ,  die  jederseits  eine  Knochenblase 
bilden,  von  welchen  aber  die  linke  meist  die  grössere  ist. 

Bei  vielen  Vögeln  wird  die  Luftröhre  länger  als  der  Hals,  beschreibt 
also  Windungen  und  folgt  nicht  so  regelmässig  der  Krümmung  der  Wirbel- 
säule, wie  bei  der  Taube.  Am  aufifallendsten  ist  diese  Bildung  bei  dem 
Singschtoane  entwickelt,  wo  die  Luftröhre  in  dem  hohlen  Brustbeinkamme 
eine  Schlinge  bildet ,  bevor  sie  sich  in  die  Bronchen  theilt.  Eine  ähnliche 
Bildung  zeigen  auch  die  Kraniche.    Meist  aber  liegen  die  Schlingen  vor  dem 


Vögel.  821 

Gabelknochen ,  sei  es  in  der  Mitte  des  Halses ,  wie  bei  den  Männchen  von 
Tetrao  oder  den  alten  Weibchen  von  Rhjjnchaea,  sei  es  in  dem  Winkel  des 
Gabelknochens ,  wie  bei  Guttera.  Bei  einigen  Spheni seiden  und  Röhrennasen 
findet  sich  in  der  Luftröhre,  vor  dem  Abgange  der  Bronchen,  eine  sagittale 
Längsscheidewand,  die  mit  Wimperepithelium  ausgekleidet  ist. 

Der  untere  Kehlkopf  oder  Syrinx  kann  drei  verschiedene  Stellungen 
einnehmen:  er  ist  tracheal,  wenn  er  nur  an  der  Luftröhre  ausgebildet  ist; 
broncho  -  tracheal ,  Avenn  Luftröhre  und  Bronchen  an  seiner  Bildung  Theil 
nehmen ;  endlich  bronchial ,  wenn  er  nur  die  Bronchen  betrifft.  Bei  den 
Cathariden  und  Pelargiden  ist  der  Syrinx  verkümmert,  bei  einigen  Eatiten 
[Casiiarius,  Struthio,  Apteryx)  sehr  einfach.  Der  tracheale  SjTinx  wird  durch 
die  dorso  -  ventrale  Abplattung  der  letzten  sechs  Luftröhrenringe  gebildet, 
welche  sehr  dünn  werden  und  nur  aus  dorsalen  und  ventralen,  getrennten 
Bogenstücken  bestehen,  die  durch  elastische  Haut  mit  einander  verbunden 
sind.  Die  mit  einem  solchen  Syrinx  ausgestatteten  Vögel  zeigen  nur  geringe 
Modulation  in  ihrer  Stimme.  Am  häufigsten  findet  sich  der  besonders  bei 
Singvögeln  und  Papageien  ausgebildete  broncho  -  tracheale  Syrinx,  der  meist 
sechs  Paare  von  eigenen  Muskeln  besitzt,  Avelche  die  meist  halbmondförmigen 
Schallmembranen  in  den  Zwischenräumen  zwischen  den  Ringen,  au  welche 
sie  sich  ansetzen,  spannen  können.  Der  Bronchial -Syrinx,  welcher  sich  bei 
Cuculus  und  Strix  findet,  ist  in  sehr  einfacher  Weise  durch  die  Umbildung 
einiger  Einge  eines  jeden  Bronchus  gebildet. 

Die  Lungen  zeigen  hinsichtlich  ihres  Baues  grosse  Einförmigkeit.  Die 
Bronchen  legen  kurz  nach  dem  Eintritte  in  die  Lungen  ihre  Knorpelringe 
ab,  und  tlieileu  sich  in  Canäle,  von  welchen  die  grössten  gegen  die  Oberfläche 
hin  ausstrahlen  und  sich  in  die  Luftsäcke  öffnen,  Avährend  die  anderen,  sowie 
die  auf  den  Hauptcanälen  entspringenden  secundären  Aeste  sich  in  der  Masse 
verzweigen  und  mit  einander  anastomosiren.  Die  weiten  Luftsäcke,  deren 
dünne  Faserwände  Blutgefässe,  zahlreiche  Lyraphgefässe  und  platte  Muskel- 
fasern enthalten,  lagern  sich  zwischen  die  Eingeweide  und  stehen  in  directer, 
permanenter  Verbindung  mit  den  die  Lungensubstanz  durchsetzenden  Luft- 
gängen; sie  sind  stets  mehr  oder  minder  mit  Luft  gefüllt  und  speisen  damit 
die  Luftcanäle  der  Knochen  durch  Oeffnungen,  die  an  den  Gelenken  ange- 
bracht sind.  Die  Lufträume  der  Kopfknochen  erhalten  ihre  Luft  nicht  durch 
Verzweigungen  der  Luftsäcke,  sondern  aus  der  Paukenhöhle,  der  Eustachi'- 
schen  Eöhre  und  den  Choanen.  Meist  unterscheidet  mau  einen  interclavi- 
culären,  in  dem  Winkel  des  Gabelknochens  liegenden  Luftsack,  jederseits  einen 
vorderen  und  einen  hinteren  Zwerchfellsack  und  ganz  nach  hinten  einen  ab- 
dominalen Luftsack,  der  grösste  von  allen,  der  im  hinteren  Körperabschnitte, 
den  Extremitäten  und  oberhalb  der  Nieren  sich  ausbreitet. 

Je  nach  der  Flugfähigkeit  modificirt  sich,  die  Vertheilung  der  Luftgänge 
in  den  Knochen  im  höchsten  Grade.  Man  kann  sagen,  dass  bei  den  besten 
Fliegern,  wie  Colibris  und  Fregatten,  es  nicht  einen  einzigen  Knochen  giebt, 
welcher  nicht  pneumatisch  wäre;  bei  den  meisten  anderen  Vögeln  hält  sich  die 
Vertheilung  etwa  in  den  Grenzen,  welche  AAT-r  für  die  Tauhe  angaben;  bei 
den  Erdvögeln  ziehen  sich  die  Canäle  nach  und  nach  aus  den  distalen  Knochen 
zurück  und  bei  den  Wasservögeln  und  Ratiten  verkümmern  sie  so  sehr,  dass 
beim  Strausse  z.  B.  der  Humerus  keinen  Luftgang  mehr  zeigt  und  bei  den 
Pinguinen  alle  Knochen  voll  sind  und  nur  noch  unter  der  Haiit  und  im 
Bauche  sich  Luftsäcke  vorfinden. 

Die  Luftsäcke  und  Luftcanäle  gehören  den  Vögeln  ausschliesslich  an. 
Freilich  kommen  bei  vielen  Säugethieren  Luftzellen  in  den  Knochen  vor, 
aber  alle  diese  Zellen  (Sinus  frontalis,  maxillai-is  etc.)  stehen  mit  den  Nasen- 
höhlen und  nicht  mit  den  Lungen  in  Verbindung.     Einige  Eeptilien,   beson- 


822  Wirbelthiere. 

ders  die  Chamäleons,  zeigen  häutige  Anhänge  der  Lungen,  welche  die  Luft- 
säcke und  Luftcanäle  der  Vögel  anzubahnen  scheinen,  aber  durchaus  auf  die 
Bauchhöhle  beschränkt  bleiben. 

Das  Kreislaufsystem  zeigt  bei  den  Vögeln  nur  wenige  Variationen. 
Das  Herz  ist  überall  nach  demselben  Grundplane  gebaut.  Bei  Aquila  chry- 
saetos  hat  man  an  der  Armarterie  und  an  der  Ventralfläche  der  Luftröhre 
ausgebildete  Wundernetze  beschrieben.  Bei  anderen  Vögeln  finden  sich  solche 
Wundernetze  am  Kopfe,  an  der  Kehle  und  den  Kaumuskeln. 

Die  dünnwandigen  und  gewellten  Lymphge fasse  folgen  im  Allgemeinen 
dem  Laufe  der  Venen.  Die  Gefässe  der  hinteren  Körperhälfte  und  der  Ein- 
geweide sammeln  sich  in  einem  weiten,  unter  der  Bauchaorta  verlaufenden 
Stamme,  der  sich  etwa  in  der  Höhe  des  Abganges  der  Eiugeweidearterie  in 
zwei  Aeste  theilt,  welche  jederseits  der  entsprechenden  Hohlvene  zulaufen 
und  in  diese  nach  Aufnahme  der  vom  Halse,  vom  Kopfe  und  den  Lungen 
stammenden  Aeste  münden.  Nach  Stannius  vereinigen  sich  die  von  den 
hinteren  Extremitäten  kommenden  Lymphgefässe  in  einem,  mit  contractilen, 
musculösen  Wänden  ausgestatteten  Sacke,  einem  wahren  Lymphherzen.  Man 
hat  solche  Lymphherzen  bei  den  Straussen,  den  Casuaren  und  einigen  Schwimm- 
vögeln nachgewiesen.  Im  Verlaufe  der  Lymphgefässe  des  Mesenteriums  finden 
sich  zahlreiche  Lymphdrüsen. 

Literatur.  —  L.  Jacobson,  Sur  une  glande  conglomeree  appartenant  ä  la 
cavite  nasale.  Noitv.  Bull.  Sciences,  Soc.  Philom.  Paris,  T.  III,  1813.  —  V.  Hub  er, 
Delingua  et  osse  liyo'ideo  Pici  viridis.  Stuttgart,  1821.  —  C.  Pander  et  E.  d'Alton, 
Die  Skelette  der  straussartigen  Vögel.  Bonn,  1827.  —  E.  Lauth,  Sur  le  muscle  ten- 
seur  de  la  membrane  auterieure  de  Vaile  des  Oiseaux.  Mem.  de  la  Soc.  d'Hist.  nat. 
de  Strasbourg,  T.  I,  1830.  —  Bischoff,  Ueber  den  Bau  der  Magenschleimhaut. 
Müller's  Archiv,  1835.  —  E.  Huschke,  Ueber  die  Gehörzähne,  einen  eigenthüm- 
lichen  Apparat  in  der  Schnecke  des  Vogel  obres.  Müller's  Archiv,  1835.  —  K.  Steifen- 
sand,  Untersuchungen  über  die  Ampullen  des  Gehörorganes.  Müller's  Archiv,  1835. 
—  G.  Breschet,  Recherches  anatomiques  et  physiologiques  sur  l'organe  de  Paudition 
chez  les  Oiseaux.  Paris,  1836.  —  A.  Krohn,  Ueber  die  Structur  der  Iris  der  Vögel 
und  ihren  Bewegungsmechanismus.  Müller's  Archiv,  1837.  —  E.  Blyth,  On  the 
Osteology  of  the  great  Auh  [Alca  impennis).  Proc.  Zoolog.  Soc.  London,  1837.  — 
E.  Jacquemin,  Description  anatomique  de  la  Corneille  [Corvus  corone).  Comptes 
rendus,  1837.  —  L'Herminier,  Recherches  anatomiques  sur  quelques  genres  d'oiseaux 
rares  ou  peic  connus.  Ann.  des  Sc.  nat.,  2.  Ser.,  T.  VIII,  1837.  —  Macgillivray , 
Obsei'vations  on  the  digestive  organs  of  Birds.  Mag.  of  Zool.  and  Bot,,  1837.  — 
A.  Lereboullet,  Anatomie  comparee  de  Vappareil  respiratoire  dans  les  animaux  ver- 
tebres.  Strasbourg,  1838.  —  E.  Platner,  Ueber  das  Quadratbein  und  die  Pauken- 
höhle der  Vögel.  Dresden,  1839.  —  J.  Henle,  Vergleichende  anatomische  Beschrei- 
bung des  Kehlkopfes.  Leipzig,  1839.  —  Jacquemin,  Sur  la  pneumaticite  du  sque- 
lette  des  Oiseaux.  Nov.  Act.  Ac.  Leop.  CaroL,  T.  XIX,  1842.  —  W.  Marbach,  De 
nervis  spinalibus  avium  nunnullarum.  Vratislaviae ,  1840.  —  A.  Mayer,  Appareil 
genito-urinaire  des  Oiseaux,  l'Institut,  1841.  —  K.  Kessler,  Osteologie  der  Vogel- 
füsse.  Bull.  Soc.  imp.  Natur.  Moscou,  1841.  —  E.  Weber,  Ueber  den  Bau  der 
Lungen  bei  Vögeln.  Braunschweig,  1842.  —  G.  Ercolani,  Ricerche  anatomiche 
suW  organo  deW  udito  degli  Ucelli.  Nuov.  Ann.  Sc.  nat.  dl  Bologna,  T.  IX,  1843.  — 
W.  Rapp,  Ueber  die  Tonsillen  der  Vögel.  Müller's  Archiv,  1843.  —  E.  Kay,  De 
sinu  rhomboidali  in  medulla  spinali  avium.  Halle,  1844.  —  0.  Köstlin,  Der  Bau 
des  knöchernen  Kopfes  in  den  vier  Classen  der  Wirbelthiere.  Stuttgart,  1844.  — 
A.  Ecker,  Der  feinere  Bau  der  Nebennieren  beim  Menschen  und  den  vier  Wirbel- 
thierclassen,  1846.  —  E.  Bruecke,  Ueber  den  Musculus  Cramptonianus  und  über 
den  Spannmuskel  der  Chorioidea.     Müller's  Archiv,  1846.    —    Ph.  Sappey,  Recher- 


Vögel.  823 

dies  sur  Pajjpareil  respiratoire  des  Oiseaiix.  Comj)t.  rend.  Ac.  Sc,  T.  XXII,  1846.  — 
H.  Guillot,  Memoire  sitr  Vappareil  de  la  respiration  dans  les  Oiseaux.  Ann.  Sc. 
Nat.,  3.  Ser.,  T.  V,  1846.  —  J.  Prechtl.  Untersuchungen  über  den  Flug  der  Vögel. 
Wien,  1846.  —  E.  Gurlt,  Anatomie  der  Hausvögel.  Berlin,  1849.  —  H.  Stan- 
nius,  Ueber  die  Lymphherzen  der  Vögel.  Miiller's  Archiv,  1849.  —  R.  Owen, 
On  the  Anatomi/  of  tke  Southern  Apteryx.  Transact.  Zoolog.  Soc.  London,  Vol.  III, 
1849.  —  H.  Rathke,  Ueber  die  Carotiden  der  Vögel.  Müllers  Archiv,  1850.  — 
K.  Mol  in,  Sugli  stomachi  degll  uccelli.  Denkschr.  kaiserl.  Akademie.  Wien.,  Math., 
Naturw.,  Cl.  III,  1852.  —  P.  Gratiolet,  Sur  la  reine  porte  du  rein  et  des  capsules 
surrenales  des  Oiseaux.  Institut,  T.  XXJ,  1853.  —  Nitzsch,  Vergleichung  des  Skelettes 
von  Dicholophus  cristatus  mit  dem  Skelettypus  der  Raubvögel,  Trappen,  Hühner  und 
Wasserhühner.  Abhandl.  der  naturf.  Ges.  zu  Halle,  1853.  —  Basslinger,  Unter- 
suchungen über  die  Schichtung  des  Darmcanales  der  Gans.  Sitzungsb.  math.-naturw. 
Classe,  Akad.  Wiss.  Wien,  Bd.  XIII,  1854.  —  Leydig,  Ueber  die  Vater-Pacini'schen 
Körperchen  der  Taube.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoolog.,  Bd.  V,  1854.  —  C.  Giebel,  Der 
letzte  Schwanzwirbel  des  Vogelskelettes.  Berlin,  1855.  —  Metzler,  De  medullae 
spinalis  avium  textura.  Dorpat,  1855.  —  F.  Leydig,  Der  hintere  Scleroticalring  im 
Auge  der  Vögel.  Miiller's  Archiv,  1855.  —  R.  Anderson,  Xotice  of  a  organ  in  the 
trachea  of  the  Erneu.  Naturalist,  T.  VI,  1856.  —  E.  Blanchard,  Des  caracteres 
ostcologiques  chez  les  Oiseaux  de  la  famille  des  Psittacides.  Campt,  rend.  Ac.  Sc, 
T.  XLIII,  Paris,  1856.  —  W.  Boccius,  Ueber  den  oberen  Kehlkopf  der  Vögel. 
Müller 's  Archiv,  1858.  —  Giebel-Nitzsch,  Die  Zunge  der  Vögel  und  ihr  Gerüst. 
Zeitschr.  ges.  Naturw. ,  Bd.  XI,  1858.  —  Ders.,  Ueber  den  Scleroticalring,  den 
Fächer  und  die  Härder 'sehe  Drüse  im  Auge  der  Vögel.  Zeitschr.  ges.  Naturw., 
Berlin,  1857.  —  S.  Jourdain,  Recherches  sur  la  veine  porte  renale.  Ann.  Sc.  Nat., 
4.  Ser.,  T.  XII,  1859.  —  Blanchard,  Observations  sur  le  Systeme  dentuire  chez  les 
Oiseaux.  C'ompit.  rend.  Ac.  Sc,  Paris,  1860.  —  0.  Deiters,  Untersuchungen  über 
die  Schnecke  der  Vögel.  Müller's  Archiv,  1860.  —  J.  Ebert,  Ueber  Flimmerepithel 
im  Darme  der  Vögel.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoolog.,  Bd.  X,  1860.  — •  C.  Minot,  Studies 
on  the  Tongue  of  Reptiles  and  Birds.  Ann.  Mem.  Boston,  Soc.  Nat.  Eist.,  1860.  — 
C.  Bergmann,  ..Einiges  über  den  Drüsenmagen  der  Vögel.  Müller's  Archiv,  1862. 
—  C.  Gegenbaur,  Vergleichend -anatomische  Bemerkungen  über  das  Fussskelet  der 
Vögel.  Müller's  Archiv,  1863.  —  J.  Giebel,  Zur  Anatomie  der  Papageien,  Zeitschr. 
ges.  Naturw.,  Bd.  XIX,  1862.  —  J.  Hyrtl,  Wundernetze  und  Geflechte  bei  Vögeln 
und  Säugethieren.  Denkschr.  Akad.  Wiss.  Wien,  Bd.  XXI,  1863.  —  F.  Klemm,  Zur 
Muskulatur  der  Raben.  Zeitschr.  ges.  Xaturw.,  Bd.  XXIII,  1864.  —  A.  Milne- 
Edwards,  Observations  sur  Vappareil  respiratoire  de  quelques  Oiseaux.  Ann.  des 
Sc.  Nat.,  1865.  —  W.  Müller,  Ueber  den  feineren  Bau  der  Milz.  Leipzig  und 
Heidelberg,  1865.  —  H.  Curschmann,  Zur  Histologie  des  Muskelmagens  der  Vögel. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zoolog.,  Bd.  XVI,  1866.  —  W.  Drosier,  On  the  function  of  Air- 
Cells  and  the  mode  of  Respiration  in  Birds.  Ann.  and  Mag.  Nat.  Eist.,  1866.  — 
J.  Giebel,  Ueber  einige  Xebenknochen  am  Vogelskelet.  Berlin,  1866.  —  C.  Hasse, 
Ueber  den  Oesophagus  der  Tauben  und  das  Verhältniss  der  Secretion  des  Kropfes 
zur  Milchsecretion.  Zeitschr.  f.  ration.  Medicin,  Bd.  XXXIII,  1866.  —  J.  Giebel, 
Die  Wirbelzahlen  am  Vogelskelet.  Berlin,  1866.  —  Ch.  Nitzsch,  Mehrere  Abhand- 
lungen in:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturw.,  1857,  1862,  1863,  1866.  —  Graudry, 
Structure  de  la  capsule  surrenale.  Journal  de  d^Anat.  et  Physiol. ,18&~.  —  H.  ^lagnus, 
De  muscidis  costarum  sternique  avium,  1867.  —  J.  Milne-Edwards,  Note  addition- 
nelle  sur  Vappareil  respiratoire.  Ann.  des  Sc  Nat.,  1867.  —  Schmidt.,  Die  Skelette 
der  Hausvögel.  Frankfurt,  1867.  —  S.  Haughton,  Muscitlar  anatomy  of  the  Erneu. 
Proceed.  Roy.  Ir.  Ac,  1868.  —  Magnus,  Physiologisch-anatomische  Untersuchungen 
über  das  Brustbein  der  Vögel.  Müller's  Archiv,  1868.  —  N.  Ruedinger,  Die 
Muskeln  der  vorderen  Extremitäten  der  Reptilien  und  Vögel.  Harlem,  1868.  — 
Grandry,    Sur   les   corpuscules    de  Pacini.     Journ.  de  VAnat.  et  de  la  Physiol.  norm. 


824  Wirbelthiere. 

et  path.,  T.  VI,  1869.  —  P.  Hai'ting,  Observations  sur  Vetendue  relative  des  alles 
et  le  poids  des  muscles  pectoraux  chez  les  animaiix  vertebres  volants.  Arch.  neerl.  des 
Sc.  exactes  et  nat.,  T.  IV,  La  Haye,  1869.  —  A.  Macalister,  On  the  anatomy  of 
the    Ostrich    (Struthio    camelus).     Proceed.    Roy.     Irlsh    Academy.      Dublin,    1869.    — 

E.  Selenka,  Bronn's  Classen  und  Ordnungen  des  Thierreiches,  1869.  —  L.  Stieda, 
Studien  über  das  Centralnervensystem  der  Vögel  und  Säugethiere.  Zeitschr.  f.  wiss. 
Zoolog.,  Bd.  XIX,  1869.  —  Th.  Brüh  in,  Die  Iris  der  Vögel.  Zoolog.  Garten, 
1870.  —  W.  Wilczewski,  Untersuchungen  über  den  Bau  der  Magendrüsen  der 
Vögel.  Breslau,  1870.  —  Ihlder,  Die  Nervenendigungen  in  der  Vogelzunge.  Arch. 
Anat.  u.  Physiol.,  1870.  —  C.  Gegenbaur,  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Beckens  der 
Vögel.  Jenaisch.  Zeitschr.,  Bd.  IV,  1871.  —  V.  Ebner,  Das  Nervenepithel  der 
Crista  acustica  in  den  Ampullen  der  Vögel.  Berichte  des  naturw.  med.  Vereines  in 
Innsbruck,  1872.  —  W.  Marshall,  lieber  die  knöchernen  Schädelhöcker  der  Vögel. 
Niederl.  Arch.  f.  Zoolog.,  Harlem,  1872.  —  R.  Wiedersheim ,  Die  feineren  Structur- 
verhältnisse  der  Drüsen  im  Muskelmagen  der  Vögel.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  VIII, 
1872.  —  Th.  Allis,  On  the  Skeleton  of  the  Apteryx.  London,  1873.  —  W.  Donitz, 
üeher  die  Halswirbelsäule  der  Vögel  aus  der  Gattung  Plotus.  Arch.  f.  Anat.  und 
Physiol.  Leipzig,  1873.  —  A.  Garrod,  On  the  carotid  arteries  of  Birds.  Proceed. 
Zoolog.  Soc,  1873.  —  C.  Gegenbaur,  Ueber  die  Nasenmuscheln  der  Vögel.  Jenaisch. 
Zeitschr.,  Bd.  VII,  1873.  —  Jobert,  Recherches  pour  servir  ä  l'histoire  de  la  diges- 
tlon  chez  les  Oiseavx,  Compt.  rend.,  1873.  —  V.  Mihalcovics,  Untersuchungen 
über  den  Kamm  des  Vogelauges.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  Bd.  IX,  1873.  —  Alix,  Sur 
la  determination  du  muscle  long  suplnateur  chez  les  Oiseaux.  Journ.  de  Zoolog.,  T.  III, 
1874.  —  Ders.,  Essai  sur  Vappareil  locomoteur  des  Oiseaux.  Paris,  1874.  — 
Andre  et  Beauregard,  Sur  le  peigne  ou  marsupium  de  Voeil  des  Oiseaux,  Compt. 
rend.  Ac.  Sc.  Paris,  T.  XI,  1874.  —  Garrod,  Anatomy  of  the  Colombae.  Proceed. 
Zoolog.  Soc.  London,  1874.  —  V.  Alesi,  Sulla  borsa  di  Fabricio  negli  uccelli.  Soc. 
Stat.  Atti.  Milano,  T.  XVIII,  1875.  —  Campana,  Physiologie  de  la  respiration  chez 
les  Oiseaux.  Paris,  1875.  —  Asper,  Mittheilung  über  die  Tastkörperchen  der 
Schwimmvögel.  Centralbl.  f.  med.  Wiss.,  1876.  —  F.  Hosch,  Ueber  den  Sehapparat 
der  Vögel.  Zoolog.  Garten,  1876.  —  P.  Meyer,  Etudes  histologiques  sur  le  labi/rinthe 
membraneux  et  plus  specialement  sur  le  litnaqon  chez  les  Reptiles  et  les  Oiseaux.  Stras- 
bourg, 1876.  —  M.  Duval,  Recherches  sur  le  simis  rhomboidalis  des  Oiseaux.  Journ. 
de  VAnat.  et  de  la  Physiol.  Paris,  1877.  —  W.  Forbes,  On  the  bursa  Fabricii  in 
Birds.  Zoolog.  Soc.  Proceed.,  1877.  —  Gervais  et  Alix,  Osteologie  et  myologie  des 
Manchots.  Journ.  de  Zoolog.,  T.  VI,  1877.  —  H.  Strasser,  Die  Luftsäcke  der 
Vögel.  Morph.  Jahrb.,  Bd.  III,  1877.  —  Wildenmuth,  Der  feinere  Bau  der  luft- 
haltigen Vogelknochen.  Jenaisch.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoolog.  Jena,  1877.  —  F.  Hesse, 
Ueber    die  Tastkugeln    des  Entenschnabels.     Arch.    f.  Anat.    und  Entwickl.,    1878.  — 

F.  Merkel,  Die  Tastzellen  der  Ente.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  1878.  —  Viallanes, 
Note  sur  le  iube  digestif  du  Carpophage  Goliath.  Ann.  Sc.  nat.,  6.  Ser.,  T.  VII,  1878.  — 
Ders.,  Note  sur  les  muscles  peauciers  du  Lophorina  superba,  ibid.  —  H.  Gadow, 
Versuch  einer  vergleichenden  Anatomie  des  Verdauungssystemes  der  Vögel.  Jenaisch. 
Zeitschr.,  Bd.  XIII,  1879.  —  W.  Haswell,  Notes  on  the  anatomy  of  Birds.  Proceed. 
Lin,  Soc.  new  South  Wales,  1879.  —  M.  Mac  Leod,  Sur  la  structure  de  la  glande 
de  Härder.  Bidl.  Ac.  Roy.  de  Belgique,  2.  Ser.,  T.  XLVII,  1879.  —  A.  Meyer, 
Abbildungen  von  Vogelskeletten.  Dresden,  1879.  —  Haswell,  The  myological  charac- 
ters  of  the  Columbidae.  Proceed.  Linnean  Soc.  of  new  South  Wales,  1880.  — 
H.  Gadow,  Zur  vergleichenden  Anatomie  der  Musculatur  des  Beckens  und  der  hin- 
teren Gliedmaassen  der  Ratiten ,  1880.  —  Ed.  Remouchamps,  Sur  la  glande 
gastrique  du  Nandou  d'Amerique.  Arch.  de  Biolog.,  1880.  —  Acconci,  Nervi  laringei 
inferiori  e  glossophariiigei  negli  uccelli.  Atti  Soc.  Toscana,  1881.  —  W.  Forbes, 
On  the  conformation  of  the  thoracic  and  of  the  trachea  in  the  Ratite  Birds.  Proceed. 
Zoolog.  Soc,  1881.  —  P.  Fraisse,  Ueber  Zähne  und  Zahnpapillen  bei  Vögeln.    Sitzb. 


Vögel.  825 

d.  naturw.  Ges.  zu  Leipzig ,[  1881.  —  Hanau,  Beiträge  zur  Histologie  der  Haut  des 
Vogelfusses.  Inaug. -Dissert.  Frankfurt,  1881.  —  W.  Tegetmeyer,  On  the  cir- 
convohiüons  of  the  irachea  in  Birds.  London,  1881.  —  Boulart,  Note  sur  im 
Systeme  particulitr  des  sacs  aeriens  observes  ckez  quelques  Oiseaitx.  Journ.  de  l'Anat. 
et  de  kl  Physiol.,  T.  XVHI,  1882.  ■ —  J.  Carriere,  Kurze  Mittheilungen  zur  Kenntniss 
der  Herbst'schen  und  Gaudry' sehen  Körperchen  im  Schnabel  der  Ente.  Arch.  f. 
mikr.  Anat.,  Bd.  XXII,  1882.  —  B.  Hoffmann,  Die  Thränen-wege  der  Vögel  und 
Reptilien.  Zeitschr.  ges.  Naturw.,  1882.  —  T.  Huxley,  On  the  respiratory  organs  of 
Apteryx.  Proceed.  Suc,  1882.  —  Bellonci,  Les  lohes  optiques  des  Oiseav.x.  Archiv. 
italiennes  de  Biologie,  1883.  —  A.  Bumm,  Das  Grosshirn  der  Vögel.  Zeitschr.  f. 
wiss.  Zoolog.,  Bd.  XXXVIII,  1883.  — ■  W.  Parker,  Note  an  the  respiratory  of  Rhea. 
Proceed.  Zoolog.  Soc,  1883.  —  Albertina  Carlson,  Beiträge  zur  Kenntniss  der 
Anatomie  der  SchwimmTÖgel.  Svenska  Vet.  Akad.,  Vol.  IX,  1884.  —  Blasius,  Ueber 
Vogelbrustbeine.  Journ.  f.  Ornith.  Leipzig,  1884.  —  A.  Brunn,  Beiträge  zur  Kennt- 
niss der  Samenkörper  und  ihrer  Entwicklung  bei  Säugethieren  und  Vögeln.  Arch.  f. 
mikr.  Anat.,  1884.  —  Cattaneo,  Istologia  e  sviluppo  deW  apparato  gastrico  degli 
uccelli.  Atti  Soc.  Ital.  Sc.  nat.,  T.  XXVII,  1884.  —  Ders.,  Recherches  sur  ia  struc- 
ttire  normale  des  corpiiscides  de  Pacini  chez  les  Oiseaitx.  Archiv,  italiennes  de  Biologie, 
T.  VI,  1884.  —  G.  Baur,  Zum  Tarsus  der  Vögel.  Leipzig,  1885.  —  Boulart,  Note 
sur  les  sacs  aeriens  cervicaux  du  Tuntale.  Bull.  Soc.  zoolog.  de  France,  1885.  — 
F.  Beddard,  On  the  heart  of  Apteryx.  Proceed.  Roy.  Soc,  1885.  —  G.  Cattaneo, 
Sulla  struttura  e  formazione  dello  strato  cuticolare  del  ventricolo  muscolare  degli  uccelli. 
Ballet.  Scient.,  1885.  —  E.  Ficalbi,  Alcune  ricerche  sulla  struttura  istologica  delle 
sacche  aerifere  degli  uccelli.  Att.  Soc.  Toscan.  Sc.  7iat.,  T.  VI,  1885.  —  ^I.  Für- 
bring er,  üeber  das  Schulter-  und  Ellenbogengelenk  bei  Vögeln  und  Reptilien.  Mor- 
phol.  Jahrb.,  Bd.  XI,  1885.  —  Laffont,  Recherches  sur  Panatomie  et  la  physiologie 
comparees  des  nerfs  trijumeau ,  facial  et  sympathique  cephalique  chez  les  Oiseaux. 
Compt.  rend. ,  1885.  —  L.  Magnien,  Sur  le  ganglion  genicule  chez  les  Oiseaux. 
Compt.  rend.,  1885.  —  Ders.,  Recherches  sur  Panatomie  comparee  de  la  corde  du  tympan 
des  Oiseaux.  Compt. rend.,  1885.  —  E.  Retterer,  Contribittion  ä  Petude  du  cloaque  et 
de  la  boitrse  de  Fabricius  chez  les  Oiseaux.  Journ.  de  PAnat.  et  de  la  Physiol.,  1885. — 
F.  Rochas,  Sur  quelques  particularites  relatives  aux  connexions  des  ganglions  cer- 
vicaux du  grand  sympathique  et  ä  la  distribution  de  leurs  rameaux  aferents  et  ejferenis 
chez  PAnas  boschas.  Compt.  rend.,  1885.  —  Ders.,  Des  nerfs  qv.i  ont  ete  appeles 
vidiens  chez  les  Oiseaux.  Compt.  rend.,  1885.  • — •  J.  Bemmelen,  Die  Visceraltaschen 
und  Aortenbogen  bei  Reptilien  und  Vögeln.  Zoolog.  Anz.,  1886.  —  Canfield,  Ver- 
gleichend-anatomische Studien  über  den  Accommodationsapparat  des  Vogelauges.  Arch. 
f.  mikr.  Anat.,  Bd.  XX^^II,  1886.  —  M.  Cazin,  Recherches  sur  la  structure  de  Pesiomac 
des  Oiseaux.  Compt.  rend.,  1886.  —  Charbonnell-Salle  et  C.  Phisalix,  Sur  la 
secretion  lactee  du  Jabot  de  Pigeons  en  inciibation.  Compt  rend.,  1886.  —  Dogiel, 
Ueber  den  Musculus  dilatator  pupillae.  Arch.  f.  mikr.  Anat.,  1870  und  1886.  — 
B.  So  lg  er,  üeber  die  Ungleichheit  der  Hoden  beider  Körperhälften  bei  einigen  Vögeln. 
Arch.  f.  mikr.  Anat.,  1886.  —  F.  Beddard,  Notes  on  the  visceral  anatomy  of  Birds. 
Proceed.  zoolog.  Soc,  1888.  —  F.  Bignon,  Sur  les  cellules  aeriennes  du  cräne  des 
Oiseaux.  Compt.  rend.  Soc  Biolog,  Paris,  1887.  —  Cazin,  Claudes  gastriques  ä 
mucus  et  ä  ferment  chez  les  Oiseaux.  Compt.  rend.,  1887.  —  Ders.,  Recherches 
anatomiques,  histologiques  et  embryogeniques  sur  Pappareil  gastriqv.e  des  Oiseaux.  Ann. 
Soc.  nat.,  7.  Ser.,  T.  IV,  1888.  —  H.  Gadow,  Remarks  on  the  cloaca  and  on  the 
copulatory  organs  of  the  Amniota.  Philos.  Trans.  London,  1887.  —  F.  Gasch,  Bei- 
träge zur  vergleichenden  Anatomie  des  Herzens  der  Vögel  und  Reptilien.  Anat.  f. 
Xaturg.,  1888.  —  M.  Teichmann,  Der  Kropf  der  Taube.  Arch.  f.  mikr.  Anat,, 
Bd.  XXXIV. 


826  Wirbelthiere. 


Classe   der   Säuget  liiere    (Mammalia). 

Der  Embryo  dieser  Wirbelthiere  besitzt  besondere  Hüllhäute,  Am- 
nios  und  Allantois.  Die  Temperatur  der  Thiere  bleibt  constant  zwi- 
schen 30  und  40^0.,  die  Haut  ist  mit  Haaren  bedeckt  (Pelifera).  Sie 
unterscheiden  sich  von  den  voi'hergehenden  Sauropsiden  durch  die  Aus- 
bildung zweier  seitlicher  Gelenkhöcker  am  Hinterhaupte ,  durch  das 
Gebären  lebendiger  Junge  (mit  Ausnahme  von  Ornithorhynchus  und 
Echidna)  und  durch  die  Ausbildung  von  Milchdrüsen,  die  meist  durch 
Umbildung  von  Talgdrüsen  der  Haut  entwickelt  werden  und  durch 
deren  Absonderung,  die  Milch,  die  Jungen  in  ihrer  ersten  Lebenszeit 
ernährt  werden. 

Wenn  auch  durch  die  Ausbildung  dieser  leicht  auffindbaren  Charak- 
tere die  Säugethiere  eine  scharf  umschriebene  Gruppe  darstellen,  so 
zeigen  doch  einige  derselben,  die  Monotremen,  manche  Annäherungen 
zur  Bildung  der  Vögel. 

Die  grossen  Verschiedenheiten  in  der  Lebensweise  der  Säugethiere 
haben  unzählige  Modificationen,  besonders  in  ihrer  äusseren  Körper- 
bildung, bedingt.  Die  meisten  bewegen  sich  auf  der  Erde  mittelst 
ihrer  vier  Füsse  (Quadrupeden),  deren  Endglieder  mit  einer  wechseln- 
den Zahl  von  Zehen  ausgestattet  sind,  von  einer  (Einhufer)  bis  zu  fünf. 
Die  Zehen  bleiben  entweder  frei  und  sind  dann  meist  mit  Nägeln  ver- 
sehen (Unguiculata),  oder  sind  an  ihren  Enden  in  Hufen  eingeschlossen 
(üngulata);  zuweilen  sind  sie  durch  fibröses  Gewebe  zu  einer  Flosse 
vereinigt. 

Aber  es  giebt  auch  Säugethiere,  welche  ein  grösstentheils  unter- 
irdisches Leben  führen,  Wühlthiere;  andere,  die  auf  Bäume  klettern; 
manche  leben  im  Wasser,  andere  fliegen  in  der  Luft.  Alle  diese  ver- 
schiedenen Lebensweisen  bedingen  bedeutende  Umwandlungen  der 
Extremitäten  zu  Schaufeln,  Greif  händen,  Flossen  oder  Flügeln,  und  die 
Gesammtorganisation  passt  sich  diesen  Umwandlungen  an.  Mag  aber 
auch  die  Verschiedenheit  zwischen  einem  Walfische  und  einer  Fledermaus, 
einem  Maulwurfe  und  einem  Affen  noch  so  gross  sein,  so  finden  sich 
dennoch  immer  die  oben  aufgeführten  Grundcharaktere  bei  allen  wieder. 

Die  Haut  zeichnet  sich  stets  durch  die  Behaarung  und  die  mannig- 
faltigen ,  von  der  Epidermis  ausgehenden  Drüsen  aus ,  welche  in  ihr 
entwickelt  sind.  Die  Zähne,  welche  nur  ausnahmsweise  fehlen,  fallen 
durch  den  Reichthum  ihrer  verschiedenen  Formen  auf. 

Die  Wirbelsäule  zeigt  meist  fünf,  wohl  charakterisirte  Regionen, 
von  welchen  die  erste,  die  Halsregion,  sich  durch  die  constante  Zahl 
der  sie  zusammensetzenden  Wirbel,  die  letzte,  die  Schwanzgegend,  da- 
gegen   durch    die    grosse   Variabilität   in   der   Zahl   ihrer    Wirbel   aus- 


Säugethiere.  827 

zeichnet.  Bei  den  Vögeln  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  das  gerade  Gegen- 
theil  der  Fall.  Die  Wirbel  sind  meist  durch  Gelenkfortsätze,  welche 
von  dem  Wirbelbogen  ausgehen,  unter  einander  beweglich  eingelenkt; 
bei  den  Cetaceen  sind  ausnahmsweise  ganze  Regionen  unbeweglich  ver- 
bunden. 

Der  Schädel  unterscheidet  sich  durch  die  intime  Verschmelzung 
des  Hirnschädels  mit  dem  Gesichtsschädel. 

Das  Centralnervensystem  fällt  durch  die  bedeutende  Ausbildung 
des  Vorderhirues  und  seiner  Hemisphären  auf,  welche  die  meisten 
übrigen  Hirntheile  überwölben  und  bei  den  höheren  Typen  durch  Fal- 
tungen ihrer  Rindeusubstanz  die  sogenannten  Hirnwindungen  erzeugen. 
Die  beiden  Hemisphären  sind  durch  eine  mächtige  Commissur,  den 
Schwielenkörper  {Corpus  caUosum),  mit  einander  verbunden,  die  um  so 
bedeutender  wird,  eine  je  höhere  Stufe  das  Thier  einnimmt. 

Das  Muskelsystem  zeigt  die  vielfachsten  Differenzirungen.  Wir 
erwähnen  hier  nur  die  Ausbildung  von  mimischen  Gesichtsmuskeln, 
von  welchen  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  kaum  Spuren  gefunden 
werden. 

Der  Athemapparat  steht  niemals  mit  Luftsäcken ,  ähnlich  den- 
jenigen der  Vögel,  in  Beziehung;  das  Kreislaufsystem  unterscheidet 
sich  dagegen  nicht  wesentlich  von  demjenigen  der  vorigen  Classe. 

Das  Urogenitalsystem  zeigt  bei  den  Didelphen  (Monotremen  und 
Beutelthiere),  und  ganz  besonders  bei  den  ersteren  manche  Aehnlich- 
keit  mit  dem  der  Vögel.  Bei  den  Monodelphen  aber  ist  es  durchweg 
verschieden  in  Folge  des  Verschwiudens  der  gemeinsamen  Cloake  und 
der  mehr  oder  minder  vollständigen  Verschmelzung  der  Hinterenden 
der  Müller'schen  Gänge,  die  so  weit  geht,  dass  die  Ausfuhrcanäle  der 
weiblichen  Geschlechtsorgane  nur  in  ihren  vorderen  Abschnitten  ge- 
trennt bleiben  (Eileiter),  im  hinteren  Abschnitte  dagegen  zu  unpaaren 
Organen  (Uterus)  zusammenfliessen.  Eierstöcke  und  Hoden  entstehen 
ursprünglich  an  derselben  Stelle,  aber  die  letzteren  wandern  häufig 
durch  den  Leistencanal  aus  der  Bauchhöhle  aus  und  werden  in  einer 
besonderen  Tasche,  dem  Hodensacke,  getragen.  Begattungsorgane  sind 
stets  ausgebildet. 

Hinsichtlich  ihrer  embryonalen  Entwicklung  theilen  sich  die  Säuge- 
thiere in  zwei  scharf  geschiedene  Gruppen:  die  xlplacentar  ier ,  wo 
die  verhältnissmässig  grossen  Eier  als  solche  nach  aussen  befördert  und 
selbst  in  einer  Bruttasche  ausgebrütet  werden  (Monotremen)  oder  auch 
im  Uterus  ausschlüpfen,  dort  eine  Zeit  verweilen,  ohne  eine  Verbindung 
mit  den  Wänden  der  Gebärmutter  einzugehen  und  in  sehr  unreifem 
Zustande  in  einen  äusseren  Brutbeutel  befördert  werden,  wo  sie  mit 
Milch  ernährt  werden  und  sich  weiter  entwickeln  (Beutelthiere). 

In  der  bei  Weitem  zahlreicheren  Gruppe  der  Piacentarier  bildet 
sich  das  Junge  in  der  Gebärmutter  vollständig  aus;  es  entwickeln  sich 


828  Wirbelthiere. 

organische  Verbindungen  zwischen  der  vom  Embryo  ausgehenden  Al- 
lantois  und  der  Wand  des  Uterus,  welche  zur  Ausbildung  eines  Zwischen- 
organes,  des  Mutterkuchens  (Placenta),  führen,  durch  welches  der 
Embryo  ernährt  wird. 

Bei  der  Geburt,  wo  Mutter  und  Junges  sich  trennen,  löst  sich  die 
übrigens  sehr  verschieden  gestaltete  Placenta  los ,  wobei  entweder  ein 
Theil  der  Uterinschleimhaut,  die  sogenannte  hinfällige  Haut  (De- 
cidua),  mitgenommen  wird  oder  nicht.  Daher  die  Unterscheidung  von 
zwei  Untergruppen,  die  Deciduaten  und  die  Adeciduaten. 

Man  kann  folgende  Eintheilung  der  Säugethiere  annehmen: 

1.  Gruppe.  Aplacentarier.  "Während  des  Embryonallebens  bildet 
sich  keine  Placenta  aus. 

I.Ordnung:  Cloakenthiere ,  Monotremen.  Eine  Cloake  mit 
einer  einzigen  gemeinsamen  Oeffnung  für  die  Ausstossung  der  Ex- 
cremente  und  der  Urogenitalproducte.  Haben  schnabelförmige,  zahn- 
lose oder  nur  mit  vier  Hornplatten  besetzte  Kiefer.  Legen  Eier,  die  in 
einer  Bruttasche  ausgebrütet  werden.  Mit  Beutelknochen  am  Becken. 
OrnitJiorhynclnts,  Ecliidna. 

2.  Ordnung:  Beutelthiere,  Marsiipialia.  Die  Zitzen  sind  in 
einer  ventralen  Tasche  angebracht  (Marsupium),  die  von  den  am  Scham- 
beine sitzenden  Beutelknochen  gestützt  wird.  Ebenso  verschiedene 
Zahnsysteme  wie  bei  den  placentalen  Säugethieren.  Gebären  lebendige 
Junge,  die  aber  nur  sehr  klein  zur  Welt  kommen,  da  sie  im  Uterus 
nur  durch  den  Dottersack  und  die  Zellen  des  Chorions  ohne  Vermitt- 
lung einer  Placenta  ernährt  werden.  Die  Jungen  vollenden  ihre  Ent- 
wicklung in  der  Beuteltasche.    Macropus^  Didelphys,  Phascolomys. 

II.  Gruppe.  Piacentarier.  Es  entwickelt  sich  ein  Zwischen- 
organ zwischen  Uterus  und  dem  Embryo  als  Placenta. 

A.  Erste  Untergruppe:  Adeciduaten.  Meist  eine  zerstreute 
oder  aus  einzelnen  Zellen  gebildete  Placenta.  Eine  hinfällige  Haut 
wird  nicht  gebildet. 

3.  Ordnung:  Zahnarme,  Edentata.  Haben  keine  Schneide- 
zähne und  wurzellose  Backenzähne.  Ihre  Zehen  sind  mit  grossen 
Sichelkrallen  bewaffnet.    Myrmecopliaga,  Manis,  JBradypus. 

4.  Ordnung:  Walthiere,  Cetacea.  Haben  Fischgestalt  und  leben 
im  Wasser.  Fleischfresser  ohne  hintere  Extremitäten,  aber  mit  einer 
horizontalen  Schwanzflosse  versehen.  Ihre  Vorderglieder  sind  zu  Flossen 
umgewandelt.  Sie  haben  nur  wenige  oder  gar  keine  Haare,  aber  eine 
dicke  Specklage  unter  der  Haut.  Gleichförmige  Zähne,  die  zuweilen 
durch  Fischbeinplatten  ersetzt  werden.  Kein  Hals ,  Nasenlöcher  auf 
der  Stirn,  Zitzen  in  der  Schamgegend.    Delphmus,  JPhyseter,  Balacna- 


Säugethiere.  829 

5.  Ordnung:  Sirenen,  FiscMörmig ,  ohne  Hinterglieder,  mit 
horizontaler  Schwanzflosse.  Die  Vorderglieder  mit  bandförmigen  Flossen, 
Kopf  deutlich  vom  Rumpfe  abgesetzt,  wohl  entwickeltes  Zahnsystem, 
Nasenlöcher  auf  der  Schnauzenspitze ,  Zitzen  an  der  Brust.  3Ianatus, 
Hälicore.  ► 

6.  Ordnung:  Perissodactylen.  Hufthiere  mit  urspünglich  fünf- 
zehigen Füssen.  Der  Mittelfinger  wiegt  vor,  bildet  die  Axe  des  Fusses 
und  trägt  schliesslich  allein  das  Gewicht  des  Körpers,  indem  die  Seiten- 
zehen verkümmern.  Drei  Arten  dififerenzirter  Zähne:  die  Backzähne 
mit  mehreren  Wurzeln.     Tapints,  Bhinoceros,  Eqims. 

7.  Ordnung:  Artiodactylen.  Die  Füsse  dieser  Hufthiere  haben 
höchstens  vier  Zehen,  von  welchen  zwei  mittlere  (die  dritte  und  vierte) 
das  Uebergewicht  haben  und  schliesslich  allein  das  Gewicht  des  Kör- 
pers tragen,  während  die  Nebenzehen  verkümmern.  Zähne  aller  drei 
Arten,  doch  fehlen  öfter  die  Eckzähne  und  die  oberen  Schneidezähne. 
Man  unterscheidet  zwei  Untergruppen:  die  Dickhäuter  {Sus^  Hippo- 
potanius)  und  die  Wiederkäuer  (CameJus,  Cervus,  Bos,  Ovis). 

B.  Zweite  Untergruppe:  Deciduaten.  Es  bildet  sich  eine 
hinfällige  Haut  aus;  die  Placenta  ist  meist  Scheiben-  oder  gürtelförmig. 

8.  Ordnung:  Rüsselthiere,  Prob  ose  iclea.  Grosse,  mit  einem 
langen  Rüssel  versehene  Hufthiere,  der  als  Tast-  und  Greiforgan  dient. 
Eigenthümliches  Zahnsystem:  zwei  Schneidezähne  im  Zwischenkiefer, 
keine  Eckzähne,  grosse,  aus  Schmelzlamellen,  die  durch  Cement  ver- 
bunden sind,  zusammengesetzte  Backenzähne.    Eleplias. 

9.  Ordnung:  Nager,  Eodentia.  Meist  kleinere  Krallenthiere 
mit  meisselförmigen  Schneidezähnen,  die  durch  eine  weite  Lücke  von 
den  aus  queren  Schmelzlamellen  bestehenden  Backenzähnen  getrennt 
sind.    Keine  Eckzähne.    Lepus,  Hystrix,  Mus. 

10.  Ordnung:  Inseetenfresser ,  Tnsectivora.  Kleine  Krallen- 
thiere mit  vollständigem  Zahusystem ,  meist  kurzen  Eckzähnen  und 
spitzhöckerigen  Backenzähnen.    Erinaceus,  Sorex,  Tdlpa. 

11.  Ordnung:  Fledermäuse,  Chiroptera.  Die  vorderen  Ex- 
tremitäten durch  Ausbildung  einer  Flughaut  zwischen  den  sehr  ver- 
längerten Fingern  zu  Flügeln  umgewandelt.  Vollständiges  Zahnsystem 
wie  bei  den  Insectenfressern.  Brustzitzen.  Pteropus ,  Vespertilio, 
PJiyllostoma. 

12.  Ordnung:  Flossenfüsser,  Pinnipedia.  Wasserthiere, 
deren  vier  Glieder  zu  Flossen  umgewandelt  sind.  Keine  Schwanzflosse. 
Vollständiges  Zahnsystem  mit  allen  drei  Arten  von  Zähnen.  Die  oberen 
Eckzähne  zuweilen  zu  Hauern  ausgebildet.     Trichechus,  Phoca,  Otaria. 


830  Wirbelthiere. 

13.  Ordnung:  Raubthiere,  Carnivora.  Krallenthiere  mit  voll- 
ständigem Zahnsystem  und  drei  Arten  von  Zähnen,  unter  welchen  die 
Eckzähne  besonders  hervorstehen.  Meist  ist  in  der  Reihe  der  schnei- 
denden Backenzähne  ein  besonderer  Reisszahn  entwickelt.  Ursus,  Canis, 
Felis,  Mustela,  Viverva. 

14.  Ordnung:  Halbaffen,  Prosimiae.  Kletterthiere,  meist  mit 
Händen  an  allen  vier  Extremitäten.  Augenhöhlen  unvollständig.  Voll- 
ständiges Zahnsystem ,  welches  demjenigen  der  Insectenfresser  nahe 
steht.  Doppelter  oder  zweihörniger  Uterus.  Galeopithecus ,  Lemur, 
Chiromys. 

15.  Ordnung:  Affen,  Primates.  Entgegenstellbare  Daumen  an 
allen  Extremitäten  (Quadrumanen).  Vollständiges  Zahnsystem  mit  allen 
drei  Arten  von  Zähnen.  Augenhöhlen  geschlossen.  Einfacher  Uterus. 
Hapale,  Pithecia,  Semnopithecus,  Simia,  Troglodytes. 

16.  Ordnung:  Mensclien,  Bimana.  Nur  an  den  vorderen  Ex- 
tremitäten Greifhände  mit  entgegenstellbaren  Daumen.  Grosse  Ent- 
wicklung des  Gehirns.  Zahnsystem  ähnlich  demjenigen  der  Affen. 
Aufrechte  Stellung.    Homo. 

Typus.  Lepus  cuniculus  L.  Das  Kaninchen  findet  sich  als 
Hausthier  überall.  Die  verhältnissmässig  geringe  Grösse,  die  Leichtig- 
keit, womit  man  es  sich  verschaffen  und  züchten  kann,  lassen  diesen 
Nager  meist  in  den  Laboratorien  zum  Studienobject  auswählen.  Ausser- 
dem ist  die  Kenntniss  seiner  sehr  vollständig  untei'suchten  und  be- 
kannten Anatomie  unerlässlich  für  den  Physiologen;  denn  neben  dem 
Meerschweinchen,  dem  Hunde  und  der  Katze  ist  das  Kaninchen  das- 
jenige Säugethier,  welches  meist  zu  Vivisectionen  und  physiologischen 
Versuchen  verwendet  wird.  Wir  besitzen  eine  vortreffliche  anatomische 
Monographie  von  W.  Krause,  die  wesentlich  im  Hinblick  auf  physio- 
logische Versuche  verfasst  und  den  Studirenden  der  Medicin  sehr  zu 
empfehlen  ist. 

Allgemeine  Lagerung  der  Organe  (Fig.  332).  —  Ehe  wir 
in  die  Schilderung  der  Einzelheiten  eingehen,  geben  wir  eine  Ueber- 
sicht  über  die  Anordnung  der  Organe  im  Allgemeinen. 

Man  tödtet  das  Thier  durch  Chloroform,  legt  es  auf  den  Rücken 
und  befestigt  es  mit  ausgebreiteten  Gliedern  und  gestrecktem  Halse 
und  Kopf  auf  einem  Brettchen  mit  Nägeln  und  Haken.  Um  nicht  durch 
die  Haare  behindert  zu  werden,  rasirt  man  sie  oder  benetzt  sie  reich- 
lich mittelst  eines  in  Wasser  getauchten  Schwammes.  Hierauf  trennt 
man  die  Haut  durch  einen  in  der  Mittellinie  des  Bauches  geführten 
Schnitt  von  dem  Kinne  bis  zum  Becken ,  indem  man  den  Nabel  auf 
der  linken  Seite  umgeht.  Man  bemerkt  bei  dieser  Gelegenheit  die 
äusseren  Bildungen,  die  verschiedenen  Haare,  die  Füsse  mit  ihren  Zehen 
und  Endkralleu,  die  Zitzen,  die  hinteren  Oeffnungen  des  Darmes  und 
ürogenitalsystemes  u.  s.  w.    Indem  man  die  Haut  mit  dem  Stiele  eines 


Säugethiere.  831 

Scalpells  abbalgt,  gewahrt  man  die  Ansätze  der  Hautmuskeln.  Die  Haut 
der  Glieder  wird  durch  einen  längs  der  Mittellinie  ihrer  Innenfläche 
geführten  Längsschnitt  gespalten  und  iu  gleicher  Weise  ahgebalgt. 

Die  auf  diese  Weise  bloss  gelegte  Muskelschicht  zeigt  in  der  Mittel- 
linie des  Bauches  eine  weisse  Sehnenhaut,  die  man  mit  der  Pincette 
aiifhebt  und  spaltet,  um  dann  die  Incision  einerseits  bis  zum  Becken, 
anderseits  bis  zum  Zwergfelle  fortzusetzen.  Man  öffnet  so  die  Bauch- 
höhle und,  um  die  Eingeweide  nicht  zu  verletzen,  hebt  man  die  Bauch- 
wände mit  den  Fingern  der  linken  Hand  auf,  während  die  rechte  das 
Messer  führt. 

Man  löst  die  Anhaftung  des  Zwerchfelles  an  dem  Schwertfortsatze 
des  Brustbeines  und  schneidet  dann  die  Rippen  zu  beiden  Seiten  des 
Brustbeines  bis  zum  Schulterblatte  durch,  dessen  Einlenkung  man  löst. 
Hier  muss  man  sorgfältig  die  Verletzung  der  grossen  Gefässe  ver- 
meiden ,  die  unmittelbar  an  den  Knochen  anliegen.  Man  nimmt  das 
Brustbein  mit  den  durchschnittenen  Enden  der  Rippen  weg  und  spaltet 
nach  vorn  die  Halsmuskeln ,  welche  die  Luftröhre  und  den  Kehlkopf 
überlagern. 

Man  sieht  nun  die  Eingeweide  in  ihrer  natürlichen  Lagerung 
(Fig.  332).  Vorn  die  Muskeln  des  Unterkiefers  (b ,  c,  cl ,  e),  die 
Speicheldrüsen  (g),  der  Kehlkopf  mit  der  Luftröhre  (h,  Je),  die  Schild- 
drüse (/),  die  Lungen  (/),  das  Herz  (n,  o)  mit  seinen  grossen  Gefäss- 
stämmen,  das  Zwerchfell  (?),  welches  die  Bauchhöhle  von  der  Brust- 
höhle trennt,  die  Leber  mit  ihren  Lappen  (v),  welche  den  Magen  {u) 
grossentheils  bedecken,  und  unter  diesem  die  Milz  (aj),  ferner  die  Massen 
des  vielfach  verschlungenen  Darmes,  unter  welcher  der  eingekerbte 
Dickdarm  {y)  und  der  weite  und  lange  Blinddarm  {£)  sich  besonders 
bemerklich  machen.  Um  die  übrigen  Organe  sehen  zu  können,  muss 
man  den  Darm  bei  Seite  schieben,  wo  dann  die  Nieren  mit  den  Harn- 
leitern, die  Nebennieren,  die  Harnblase  (r)  und  die  Genitaldrüsen  mit 
ihren  Anhängen  zum  Vorschein  kommen.  Man  untersucht  zugleich 
die  Ausbreitungen  des  Bauchfelles,  dessen  Falten  sich  zum  Darme  und 
den  übrigen  Organen   begeben  und  das  Gekröse  (Mesenterium)  bilden. 

Um  die  Beziehungen  der  Organe  zu  einander  genauer  kennen  zu 
lernen,  leisten  auch  mit  einer  feinen  Säge  an  gefrorenen  Leichen  ge- 
machte Durchschnitte  vortreffliche  Dienste.  Man  kann  solche  Durch- 
schnitte auch  an  Neugeborenen  machen,  wo  die  Knochen  noch  nicht  hart 
genug  sind,  um  dem  Rasirmesser  Widerstand  zu  leisten,  oder  auch  an 
Individuen,  die  man  längere  Zeit  in  einer  20procentigen  Lösung  von 
Salpetersäure  gehärtet  hat.  Unsere  Fig.  333  (S.  834)  zeigt  einen  sagit- 
taleu  Durchschnitt  eines  neugeborenen  Kaninchens,  das  zuerst  mit 
Pikrin Schwefelsäure  und  dann  mit  Alkohol  behandelt  wurde,  iu  natür- 
licher Grösse.  Es  ist  nicht  ganz  leicht,  solche  Schnitte  so  zu  führen, 
dass  sie  sich  genau  in  der  senkrechten  Mittelebene  des  Körpers  halten; 


832 


Wirbelthiere. 


Fig.  332 


Säugethiere.  833 

es  gehört  dazn  eine  grosse  Rasirraesserklinge  und  zur  Leitung  dienen 
die  Dornfortsätze  der  Wirbel.  Weitere,  mehr  seitlich  gelegte  Sagittal- 
schnitte,  sowie  senkrechte  Querdurchschnitte  durch  Kopf,  Hals,  Brust 
und  Bauch  geben  werthvolle  Aufschlüsse  über  die  Topographie  des 
Hirnes,  die  Beziehungen  des  Bauchfelles  zu  den  Eingeweiden,  die 
Lagerung  der  grossen  Gefässstämme  u.  s.  w.  Endlich  lässt  sich  auch 
die  Methode  auf  die  Glieder  anwenden ,  wo  sie  besonders  über  die 
Grössenverhältnisse  der  Muskelmassen  Aufschluss  giebt.  Wir  haben 
beim  Kaninchen  diese  Methoden  nicht  weiter  angewendet,  verweisen 
aber  hinsichtlich  ihrer  Durchführung  an  gefrorenen  Leichen  auf  die 
Monographie  des  Hundes  von  Ellenberger  und  Baum  (siehe 
Literatur). 

Man  wird  bei  Vergleichung  der  beiden  Fig.  332  u.  333  bemerken, 
dass  das  neugeborene  Kaninchen  sich  von  dem  erwachsenen  durch  den 
längeren  Hals,  die  stärkere  Krümmung  der  Schädelwölbung  und  die 
geringere  Ausbildung  des  Gesichtes  unterscheidet;  abgesehen  von  diesen 
Verschiedenheiten  in  den  Proportionen  der  einzelnen  Körperregionen 
und  dem  gegenseitigen  Verhältnisse  einzelner  Organe  ist  die  allgemeine 
Lagerung  dieselbe  und  erhält  sich  auch  in  allen  Lebensaltern. 

Tegumente.  Die  Dicke  der  Haut  variirt  je  nach  den  einzelnen 
Körpergegenden.  Sehr  mächtig  an  den  Lippen,  wird  sie  äusserst  dünn 
an  den  Ohren.  Sie  ist  überall  behaart,  jedoch  in  sehr  verschiedener 
Dichte.  Die  wenigsten  Haare  finden  sich  auf  der  Innenfläche  der  Ohren, 
während  ein  dicker  Pelz,  namentlich  im  Winter,  den  Rücken  und  den 
Bauch  bedeckt;  sogar  auf  den  Fusssohlen  finden  sich  nur  einige  kleine, 
nackte  Stellen.  Die  Haare  selbst  stecken  schief  in  der  Haut  und  sind 
mehr  oder  minder  dick;  die  stärksten  finden  sich  an  der  Oberlippe  (die 
Tasthaare  des  Schnurrbartes),  die  feinsten  bilden  die  den  Bauch  be- 
deckende Wolle. 

Die  Haut  ist  von  den  darunter  liegenden  Muskeln  durch  eine  lose 
Schicht  vom  Bindegewebe  getrennt,  die  in  den  Falten  der  Glieder  am 
mächtigsten,  an  den  Innenflächen  der  Füsse  und  der  Ohren  dagegen 
äusserst  unbedeutend  ist.     Selbst   bei  sehr  gut   genährten   Kaninchen 

Fig.  332.  —  Lepus  cunlculus.  —  Allgemeine  Lagerung  der  Organe  in  halber 
Grösse.  Das  Tliier  liegt  auf  dem  Rücken  und  ist  der  Mittellinie  des  Bauches  nach 
aufgespalten,  a,  Oberlippen  mit  dem  Schnurrbarte;  6,  Mm.  buccinatorii;  c,  Mm.  de- 
pressores  labii  inferioris;  d,  Mm.  mylo-hyoidei;  e,  M.  masseter;  f,  membrana  hyo- 
thyroidea;  gr,  Unterkieferdrüsen;  h,  Kehlkopf;  i,  durchschnittene  Schilddrüse;  h,  Luft- 
röhre; /,  Lungen;  m,  Schlund;  n,  Herzkammer;  o,  Vorkammern;  p,  Aortenbogen; 
/)',  absteigende  Aorta;  p",  untere  Hohlvene;  q,  Carotiden;  r,  äussere  Jugular%^ene ; 
/,  Stamm  der  Art.  subclavia;  r",  hintere  Gesichtsvene;  s,  durchschnittene  Rippen; 
<,  Zwerchfell;  u,  Magen;  v,  Leber;  x,  Milz;  y,  Dickdarm;  z,  Blinddarm;  1,  Dünn- 
darm; 2,  Harnblase;  3,  Urogenitalöffnung;  4,  After;  hi,  M.  biceps  brachii;  ai,  M.  an- 
conaeus  internus;  al,  M.  anconaeus  longus;  tr,  M.  extensor  longus  antibrachii;  de, 
M.  rectus  femoris;  pg,  M.  plantaris  gracilis;  ta,  M.  tibialis  anticus;  gi,  M.  gastro- 
enemius  internus;  dl,  M.  rectus  internus;  dm,  semi-membranosus. 
Vogt  xaiÖL  Tung,   prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  53 


834 


Wirbelthiere. 


^P 


enthält  diese  Schicht  nur  selten  solche  Fettablagerungen,   wie  bei  an- 
deren Säugethiei'en. 


Lej).  cun.  —  Sagittaler 
Medianschnitt  eines 
PP       neugeborenen     Kanin- 
chens, in   natürl.  Gr., 
fuf   um     die    Beziehungen 
der  Organe  zu  einander 
zu  zeigen.    (?«',  Schnei- 
dezähne;   /e,    Lippen; 
mi,     Unterkiefer;      /, 
Zunge;    pa,  Gaumen- 
scheidewand   zwischen 
Mund-      und     Nasen- 
höhle; c/i,  Choane;  c?;, 
Nasenmuscheln;       er, 

Schädeldach ;  h  a, 
Grundbein;  so^  oberes 
Hinterhauptsbein ;  sjj, 
Keilbein;  c»,  Wirbel- 
körper; wa,  Neurapo- 
physen;  ea,  Dornfort- 
sätze; s<,  Brustbein; 
^o,  Riechlappen;  ce, 
Hemisphäre;  ?ne,  Mit- 
telhirn; c6,  Kleinhirn; 
m  a,  verlängertes  Mark ; 
me,  Rückenmark;  la, 
Kehlkopf;  tr,  Luft- 
röhre ;  pp ,  Lungen- 
lappen; th,  Thymus; 
p  h,    Schlundkopf;    g  s, 

Speicheldrüse;  oes, 
Schlund;  e,  Magen 
ig,  Dünndarm;  gi, 
Dickdarm;  r.  Rectum; 
a,  After;/,  Leber;  vb, 
Gallenblase ;rf,  Zwerch- 
fell; c,  Herz;  or,  Vor- 
kammern; i',  Kammern; 
ao,  Bauchaorta;  vu, 
Harnblase;  ur,  Harn- 
röhre; gl,  Cowper'- 
sche  Drüse;  oug,  Uro- 
genitalöffnung. 


ou^ 


Wir  gehen  nicht  auf  die  Einzelheiten  der  histologischen  Structur 
der  Haut  ein,  die  man  einerseits  auf  sorgfältigen  Zerzupfungen  von  in 


Säugethiere.  835 

Müller'scher  Flüssigkeit  oder  in  einer  zweiproceutigen  Lösung  von 
doppeltchromsaurem  Ammoniak  macerirten  Stücken,  anderseits  auf  mit 
denselben  Mitteln  oder  einfach  in  Weingeist  gehärteten  und  in  feine, 
senkrechte  Schnitte  zerlegten  Stücken  untersuchen  muss  —  zu  unseren 
Zwecken  genügt  Weingeist  als  Härtungsmittel.  Man  färbt  ana  besten 
mit  Hämatoxylin  oder  Pikrocarmin.  Um  die  Gefässe  der  Haut  zu  unter- 
suchen ,  müssen  Injectionen  gemacht  werden ;  die  Nervenendigungen 
werden  mit  Osmiumsäure  oder  Goldchlorid  behandelt.  Die  Dissociation 
der  verhornten  Zellen  an  den  Haaren  und  Nägeln  geschieht  durch 
Schwefelsäure  oder  eine  heisse,  40procentige  Lösung  von  kaustischem 
Kali  (siehe  das  Handbuch  der  Histologie  von  Ranvier). 

Die  Haut  besteht  aus  zwei  Hauptschichten :  Oberhaut  und  Leder- 
haut. 

Die  Epidermis  (Fig.  334,  E,  a.  f.  S.)  besteht  ihrerseits  wieder 
aus  zwei  Lagen,  der  aus  Lamellen  oder  kleinen  Schüppchen  von  ab- 
gestorbenen Zellen  bestehenden  Cuticula  (ep),  die  meist  nur  sehr  dünn 
ist  und  nur  auf  den  Fusssohlen  dicker  wird,  aber  immerhin  nicht  so 
dick  wird,  wie  bei  den  Säugethieren  mit  nackten,  unbehaarten  Fuss- 
sohlen. Die  Cuticula  bildet  sich  auf  Kosten  der  unten  liegenden, 
schleimigen,  Malpighi'schen  Schicht,  die  aus  mehrfachen  Lagen 
polyedrischer  Zellen  besteht,  zwischen  welchen  zuweilen  Pigment  ab- 
gelagert ist.  Auf  manchen  Schnitten  sieht  man  zwischen  der  Cuticula 
und  der  Malpighi'schen  Schicht  eine  durchsichtige  Lamelle,  das  Stra- 
tum lucidum,  deren  zellige  Natur  sich  zwar  noch  erkennen  lässt,  aber 
durch  die  zunehmende  Verhornung  der  bildenden  Elemente,  welche  in 
die  Hornschicht  übergehen,  nach  und  nach  verschwindet. 

Die  Lederhaut  (D)  besteht  aus  verfilztem  Bindegewebe,  in  wel- 
chem sich  elastische  Faserbündel,  Muskelbündel,  zahlreiche  Blutgefäss- 
und  Lymphgefässnetze  und  Nervenzweige  vorfinden.  Die  letzteren 
enden  entweder  in  keulenförmigen  Endkörpern  oder  in  verwickelten, 
an  den  Haarbälgen  ausgebildeten  Netzen.  Die  äusseren  Schichten  der 
Lederhaut  sind  aus  dichter  Filzmasse  gebildet,  deren  Fasern  die  Räume 
zwischen  den  Haaren  ausfüllen;  die  tieferen  Schichten  zeigen  ein  loseres 
Gewebe  und  netzartiges  Aussehen;  man  findet  häufig  Fettanhäufungen 
darin  (gr).  Die  unter  dem  Namen  der  Hautpapillen  bekannten  Er- 
hebungen der  oberen  Lederhautschicht,  die  namentlich  auf  den  unbe- 
haarten Hautstellen  beim  Menschen  und  vielen  anderen  Säugethieren 
so  deutlich  hervortreten ,  fehlen  beim  Kaninchen.  Doch  findet  man 
Spuren  davon  in  der  Haut  der  Schnauze,  wo  sie  in  die  Malpighi'sche 
Schicht  vordringen. 

Die  Haare  (Fig.  334,  po)  entstehen  ursprünglich  von  der  Epi- 
dermis aus  und  zeigen  in  dieser  Hinsicht  Aehnlichkeit  mit  den  Federn 
der  Vögel.  Ihre  Anlagen  bilden  sich  in  der  That  auf  Kosten  der  ver- 
hornten Epidermiszellen  und  erscheinen  beim  Embryo  als  Verdickungen 

53* 


836 


Wirbelthiere. 


der  Malpighi'sclien  Schicht,  die  gegen  die  Lederhaut  hin  Vorsprünge 
bilden  und  sich  nach  und  nach  in  dieselbe  einsenken.  Jeder  dieser 
Vorsprünge  ist  die  Anlage  eines  Haarbalges,  der  auf  allen  Seiten  von 
dem   verfilzten   Bindegewebe   der  Lederhaut  umgeben  wird.     Verfolgt 


Fig.  334. 


Lep.  cun.  —  Senkrechter  Schnitt  durch  die  Haut  der  Oberlippe  eines  neugeborenen 
Kaninchens  (Leitz,  Oc.  1,  Obj.  l).  A',  Oberhaut;  Z),  Lederhaut;  ep,  Hornschicht  der 
Oberhaut;  cm,  Malpighi'sche  Schleimschicht;  gs,  Talgdrüsen;  po,  Haare;  fo,  Haar- 
bälge; i,  Schaft  eines  Tasthaares;  m,  Marksubstanz  des  Haares;  e,  Rindenschicht  des 
Haares;  s,  Blutsinus;  es,  Schwammkörper;  gi,  innere  Scheide  der  Haarwurzel;  ge, 
äussere  Scheide;  re,  in  den  Haarbalg  eindringender  Nerv;  p,  Gefässpapille;  «>,  quer 
durchschnittene  Blutgefässe  der  Lederhaut;  v' ^  Längsschnitte  von  Blutgefässen;  gr 
Fetto-ewebe;  rn,  Muskeln. 


man  die  weitere  Ausbildung  beim  Embryo,  so  sieht  man  die  Basis  des 
Haarbalges  mit  einer  länglichen,  bindegewebigen  Warze  in  Verbindung 
treten,  die  zahlreiche  Blutgefässe  enthält.  Diese  Warze  wächst  in  die 
Axe  des  Haarbalges  hinein,  so  dass  dessen  modificirte  Epidermoidal- 
zellen  sie  wie  eine  Scheide  umgeben.   Die  Zellen  metamorphosiren  sich, 


Säugethiere.  837 

werden  länger,  kleben  an  einander  und  bilden  endlicb  fest  vereinigte 
Bündel  von  Hornfasern,  die  gegen  die  Oberfläche  der  Haut  verwachsen 
und  so  den  Haarschaft  bilden,  dessen  unteres,  verdicktes,  mit  der 
Warze  zusammengewachsenes  Ende  die  Haarzwiebel  genannt  wird. 
Die  Zellen  der  Haarzwiebel  proliferiren,  fügen  neues  Material  zu  dem 
Haarschafte,  der  so  lange  weiter  wächst,  als  die  Verbindung  mit  der 
Warze  bestehen  bleibt.  Denn  später,  wenn  er  ausgewachsen  ist,  trennt 
er  sich  von  der  Warze,  die  dann  einschrumpft.  Das  Haar  mit  voller 
Zwiebel  hört  dann  auf  zu  wachsen  und  unterscheidet  sich  dadurch  von 
dem  Haare  mit  hohler  Zwiebel,  in  dessen  Innerem  die  Gefässpapille 
fortbesteht. 

Bei  dem  erwachsenen  Thiere  zeigen  die  Haare  eine  mehr  oder 
minder  pigmentirte,  aus  verhornten  und  unkenntlich  gewordenen  Horn- 
zellen  gebildete  Rindenschicht  (e),  deren  Zellen  sich  nur  unter  der 
Einwirkung  sehr  starker  Reagentien  von  einander  trennen,  und  eine 
Axen-  oder  Marksubstanz  (tu),  deren  Zellen  weniger  modificirt 
sind.  Die  bei  dem  Kaninchen  sehr  mächtige  Marksubstanz  enthält 
Luftbläschen,  welche  bei  durchfallendem  Lichte  wie  schwarze  Streifen 
aussehen ;  sie  vermindert  sich  nach  und  nach  gegen  die  Spitze  des 
Haares  hin,  welche  nur  von  der  Rindenschicht  gebildet  wird.  Dies  ist 
namentlich  bei  den  feinen  Unterhaaren  der  Fall,  deren  Rindenschicht 
ausserdem  kleine,  mit  ihren  Spitzen  gegen  den  Gipfel  des  Haares  hin 
gerichtete  Rauhigkeiten  zeigt. 

Die  Haarwurzel,  d.  h.  derjenige  Theil  des  Haares,  der  in  der 
Lederhaut  steckt,  ist  mit  feinen  Hornblättchen  bekleidet,  welche  eben- 
falls von  modificirten  Epidermiszellen  abstammen  und  die  Oberhaut- 
schicht des  Haares  bilden.  Diese  ist  wieder  von  mehreren  Scheiden 
umhüllt:  die  innere  Scheidenschicht  (g i)  von  sehr  verwickelter 
Structur,  an  welcher  die  Histologen  mehrere  Lagen  unterschieden  haben 
(He  nie 'sehe  Schicht,  Huxley'sche  Schicht),  und  die  äussere 
Scheidenschicht  (ge),  deren  Zellen  sehr  wenig  von  denjenigen  der 
Malpighi'schen  Schicht,  die  alle  diese  Bildungen  vermittelt  hat,  sich 
unterscheiden.  Die  Haarzwiebel  ist  eiförmig,  von  einer  Bindegewebs- 
hülle umgeben  und  enthält  ein  sehr  blutreiches,  spongiöses  Ge- 
webe (er),  in  dessen  Gängen  und  Höhlen  das  Blut  kreist.  Die  Gefässe 
und  Nerven  durchsetzen  die  Bindegewebshülle.  Die  Follikel  der  grossen 
Tasthaare  sind  sehr  voluminös;  sie  enthalten  zuweilen  zwei  Haare,  ein 
älteres,  warzenloses  und  absterbendes  ohne  Wärzchen  und  ein  junges, 
dessen  hohle  Zwiebel  eine  Papille  einschliesst;  der  dicke  Schwamm- 
körper wird  von  einem  Nerven  durchsetzt  (n),  der  sich  in  ein  dichtes 
Netz  um  die  Wurzel  herum  auflöst  (Low,  Merkel,  Bonnet  —  siehe 
Literatur).  An  die  Aussenfläche  des  Follikels  setzen  sich  Muskelbündel 
an,  die  Aufrichter  des  Haares  (M.  arrectores  loilorum).  Wir  haben 
sie  nur  an  den  grossen  Haaren  vorgefunden. 


838  Wirbelthiere. 

Die  Follikel  der  feinen,  wolligen  Unterhaare  der  äusseren  Fläche 
des  Ohres,  des  Rückens  und  Bauches  stehen  in  kleinen,  dicht  an  einander 
gedrängten  Gruppen  zu  fünf  bis  sechs  so  eng  zusammen,  dass  es  manch- 
mal aussieht,  als  ob  mehrere  Haare  aus  einem  einzigen  Follikel  hervor- 
gewachsen seien. 

Die  Krallennägel  an  den  Enden  der  Zehen  sind  lang,  gebogen, 
oben  gewölbt,  auf  der  unteren  Fläche  ausgekehlt  und,  wie  die  Haare, 
aus  verhornten  Oberhautzellen  gebildet,  die  sich  in  einem  Falze  der 
Haut  entwickeln,  welche  das  letzte  Zehenglied  überdeckt.  Der  ventrale 
oder  untere  Theil  dieses  eingestülpten  Falzes,  auf  welchem  die  Kralle 
aufliegt,  bildet  das  Nagelbett,  der  hintere  eingefalzte  Rand,  in 
welchem  die  Nagelwurzel  steckt,  den  Nagelfalz.  Der  mittlere 
Theil  der  Nagelwurzel  zeigt  weniger  veränderte  Zellen  als  die  Rinden- 
schicht, in  welcher  die  Zellen,  wie  bei  den  Haaren,  gänzlich  verhornt 
und  zusammengeschweisst  sind. 

Es  finden  sich  nur  wenige  Hautdrüsen  beim  Kaninchen-, 
Schweissdrüsen  fehlen  fast  ganz;  nur  in  der  Haut  des  Gesichtes 
finden  sich  Spuren  davon.  Die  Talgdrüsen  (Fig.  334,  gs)  sind 
häufiger,  besonders  in  der  Haut  der  Lippen,  der  Augenlider  etc.  an- 
zutreffen. Sie  entstehen,  wie  die  Haarbälge,  in  der  M  alpighi'schen 
Schicht  und  senken  sich  in  die  Lederhaut  ein.  Ihre  Gestalt  ist  der- 
jenigen der  Haarbälge  ähnlich,  mit  welchen  sie  in  Verbindung  bleiben 
durch  ihre  Ausfuhrgänge.  Sie  bleiben  einfach  und  verästeln  sich  nicht, 
wie  bei  anderen  Säugethieren. 

An  die  Hautdrüsen  schliessen  sich  die  After drüsen,  sowie  die 
Cowp  er 'sehen  und  Vorhautdrüsen  an,  die  wir  bei  Gelegenheit 
der  Geschlechtsorgane  betrachten  werden.  Auch  die  Milchdrüsen 
gehören  den  acinösen  Hautdrüsen  an.  Nach  Stein  (siehe  Literatur) 
sind  sie  ihrer  Entstehung  und  Ausbildung  nach  zum  Zwecke  der  Er- 
nährung der  Jungen  umgewandelte  Talgdrüsen.  Sie  entstehen  bei 
beiden  Geschlechtern  als  Verdickungen  der  Malpighi'schen  Schicht, 
die  sich  in  der  Lederhaut  verzweigen ;  sie  entwickeln  sich  aber  voll- 
ständig nur  bei  den  Weibchen  während  der  Trächtigkeit.  Dann  er- 
scheinen sie  als  zusammengesetzte  Drüsen  von  röhrigem  Bau;  die  Aus- 
fuhrgäuge  convergiren  gegen  die  vorspi-ingende  Zitze,  auf  deren  Gipfel 
sie  münden.  Die  Zitzen  vergrössern  sich  bedeutend  während  des 
Säugens,  wo  die  Epithelialzellen  der  Drüsenröhren  das  Fett  vind  die 
übrigen  Bestandtheile  der  Milch  absondern.  Man  sieht  dann  auch  die 
Zitzen  in  einer  Doppelreihe  längs  des  Bauches,  sechs  bis  zehn  auf  jeder 
Seite,  stark  vorragen;  die  vorderen  Zitzen  sind  die  kleinsten.  Man 
braucht  zu  dieser  Zeit  nur  die  Haut  um  die  Zitzen  abzuziehen,  um 
die  von  Milch  strotzenden  Ausfuhrgänge  zu  sehen. 

Skelett.  Um  das  Skelett  zu  präpariren,  balgt  man  das  Thier  ab, 
entfernt  die  grossen  Muskelmassen,   die  Eingeweide,  Augen  etc.,   des- 


Säugethiere.  839 

articulirt  den  Kopf  und  entleert  das  Gehirn  mittelst  eines  durch  das 
Hinterhauptsloch  eingeführten  gebogenen  Drahtes  und  macerirt  dann 
das  Ganze  so  lauge,  bis  man  mit  Kratzen  und  Bürsten  die  Ansätze 
der  Muskeln  und  Sehnen  an  den  Knochen  ablösen  kann.  Man  kann 
die  langwierige  Maceration  im  Wasser  durch  Behandlung  mit  einer 
einprocentigen  Lösung  von  Potasche  abkürzen.  Doch  möchten  wir 
nicht  zu  sehr  auf  der  Anwendung  der  Alkalien  bestehen;  die  Knochen 
lösen  sich  zu  vollständig  und,  um  Irrungen  und  Verwechslungen  zu 
vermeiden,  muss  man  sie  etikettiren,  in  dem  Maasse,  als  sie  abfallen. 
Wir  verweisen  hinsichtlich  der  Aufstellung  auf  die  technischen  Lehr- 
bücher. Da  unser  Zweck  hauptsächlich  analytisch  ist,  so  nehmen  wir 
an,  dass  der  Leser,  der  unseren  Angaben  folgen  will,  ein  vollständig 
aufgestelltes  Kaninchenskelett,  wie  man  es  sich  leicht  verschaffen  kann, 
vor  sich  hat  und  dass  er  nöthigenfalls  desarticulirte  Knochen,  wie  er 
sie  selbst  präpariren  kann,  zu  Rathe  zieht. 

Die  Axe  des  Skelettes,  die  Wirbelsäule  (Fig.  335  a.  f,  S.), 
welcher  sich  mehr  oder  minder  unmittelbar  alle  anderen  Knochen  an- 
schliessen,  besteht  aus  46  Wirbeln,  welche  durch  lange  Bänder  und 
intervertebrale  Faserknorpelscheiben,  die  bei  alten  Thieren  verknöchern, 
mit  einander  verbunden  sind.  Die  Wirbelkörper  sind  opisthocoel;  sie 
tragen  Neurapophysen,  welche  sich  zu  Doi*nfortsätzen  vereinigen, 
Querfortsätze  und  Gelenkfortsätze,  die  alle  nach  und  nach  an  den 
Schwanzwirbeln  verkümmern.  Jederseits  am  Körper  findet  sich  ein 
Querfortsatz  und  zwei  schiefe  oder  Gelenkfortsätze,  ein  vorderer  und 
ein  hinterer.  An  dem  Ansatzpunkte  der  Neurapophyse  an  den  Wirbel- 
körper findet  sich  ein  kleiner  Ausschnitt,  vorn  und  hinten,  welcher 
ähnlichen  Ausschnitten  der  beiden  benachbarten  Wirbel  entspricht,  so 
dass  auf  diese  Weise  durch  die  Anlagerung  Zwischenwirbellöcher 
hergestellt  werden,   durch  welche  Nerven  und  Gefässe  hindurchtreten. 

Man  kann  folgende  Regionen  unterscheiden:  die  aus  sieben  Wir- 
beln bestehende  Halsregiou  (vc),  die  Brustregion  (vd)  mit  zwölf  Wir- 
beln, die  Lendenregion  (vi)  mit  sieben  Wirbeln,  die  Kreuzbeinregion 
(vs)  mit  vier  und  die  Schwanzregion  mit  sechzehn  arg  verkümmerten 
Wirbeln. 

Die  sehr  beweglichen  Halswirbel  (vc)  ordnen  sich  in  einer 
etwas  nach  unten  gebogenen  Längsreihe.  Der  Schädel  ist  unmittelbar 
an  den  ersten  Halswirbel  durch  die  beiden  Gelenkköj)fe  des  Hinter- 
hauptes eingelenkt;  dieses  Gelenk  bewerkstelligt  die  senkrechten  Kopf- 
bewegungen. Der  erste  Halswirbel,  der  Atlas  (Fig.  336,  S.  841),  zeigt 
die  Form  eines  vorn  wie  hinten  concaven  Ringes.  Der  Körper  (o)  des 
Wirbels  ist  abgeplattet  und  auf  der  oberen,  dem  Rückenmarke  zu- 
gewendeten Fläche  etwas  ausgekehlt,  so  dass  der  Zahnfortsatz  des 
zweiten  Wirbels  sich  in  diese  Rinne  einlegen  kann.  Am  Hinterende 
des   Wirbelkörpers   findet   sich   ein   hinterer   Höcker   {t})).     Die   von 


840 


Wirbelthiere, 


Fig.  335 


Säugetliiere.  841 

den  Neurapophysen  gebildeten  seitlichen  Bogen  des  Ringes  setzen  sich 
links  und  rechts  in  zwei  breite  Querfortsätze  oder  Flügel  fort  (cd), 
an  -welche  bedeutende  Muskeln  sich  ansetzen  und  deren  Wurzel  von  einem 
Querloche  (tt)  durchbohrt  wird,  das  den  Anfang  eines  Canales  bildet, 
der  durch  homologe  Löcher  an  den  folgenden  Halswirbeln  vervollstän- 
digt wird.  An  der  Vorderfiäche  des  Ringes  liegen  die  beiden  Gelenk- 
Fig.  336.  Fig.  337. 

tu. 

to 


tp 

Fig.  336.  —  Lep  ciui.  —  Der  Atlas,  von  oben  und  hinten  gesehen.  Doppelte  Grösse. 
c,  Körper    des  Wirbels;    tp,    hinterer  Knorren;    sa,  Gelenkfläche    zum  Epistropheus; 

tt,  Querloch;  at,  Querfortsatz;    to,  schiefes  Loch;  ta,  vorderer  Knorren. 

Fig.  337.  —  Lep.  ciin.  — ■  Das  Epistropheus,  von  vorn  und  links  gesehen.     Doppelte 

Grösse,     aß,    Zahnfortsatz;    ae,    nach    vorn    verlängerter  Dornfortsatz;    sa,    vorderer 

Gelenkfortsatz;    tt,  Querloch. 

gruben ,  in  welchen  die  Gelenkköpfe  des  Hinterhauptes  sich  bewegen ; 
hinter  ihrem  vorderen  Rande  findet  sich  das  schiefe  Loch  {tö),  durch 
welches  der  erste  Halsnerv  nach  aussen  tritt.  Die  Hinterfläche  trägt 
an  dem  unteren  Theile  der  Querfortsätze  zwei  leicht  ausgehöhlte  Flächen 
{sa)  zur  Einlenkung  mit  dem  zweiten  Halswirbel. 

Dieser,  Axis  oder  Epistropheus  Fig.  337),  ist  kaum  länger 
als  der  Atlas,  aber  weit  höher,  sein  Körper  trägt  eine  vordere,  kegel- 
förmige ,  überknorpelte  und  nach  vorn  gerichtete  Verlängerung ,  den 
Zahnfortsatz  (Processus  odontoideus,  ao),  um  welchen  sich  der  Atlas 
bei  den  Rotationsbewegungen  des  Kopfes  dreht.  Die  Entwicklungs- 
geschichte zeigt  uns,  dass  dieser  Fortsatz  ursprünglich  der  Körper  des 

Fig.  335.  —  Lep.  cun.  —  Profilansicht  des  Skelettes.  Ein  Drittel  natürlicher  Grösse. 
VC,  Halswirbel;  atl,  Atlas;  ax,  Epistropheus;  vd,  Rückenwirbel;  vi,  Lendenwirbel; 
vs,  Kreuzbeinwirbel;  vq,  Schwanz wirbel;  co,  Co',  echte  Rippen;  fc,  falsche  Rippen; 
st,  Brustbein;  man,  Manubrium  des  Brustbeines;  xip,  Schwertfortsatz  desselben; 
OS,  oberes  Hinterhauptsbein;  par,  Scheitelbein;  as,  Augenbrauenbogen;  on,  Nasen- 
bein; im,  Zwischenkiefer;  mi,  Unterkiefer;  apt,  Flügelfortsatz;  acm,  Gelenkfortsatz; 
azt,  Jochfortsatz  des  Schläfenbeines;  /,  Thränenbein;  om,  Schulterblatt;  to,  Kopf 
desselben;  eo,  Schulterbeinkamm;  acr,  Acromion;  ac,  Hakenfortsatz;  ämto,  Humerus; 
tr,  Trochlea;  cub,  ülna;  rad,  Radius;  c,  Carpus;  mo,  Mittelhand;  ph,  Phalangen; 
eil,  Körper  des  Darmbeines;  ail,  Flügel  desselben;  puh,  Schambeinfuge;  tis,  Sitz- 
beinknorren; bis,  bis',  oberer  und  unterer  Ast  des  Sitzbeines;  acht,  Acetabulum; 
to,  Foramen  obturatorium ;  /,  Femur;  tr,  äusserer  Trochanter;  r,  Kniescheibe;  tib, 
Tibia;  per,  Peroneum;    t,  Tarsus;    cad,   Fersenbein;  mt,    Mittelfuss;   ph,  Phalangen 

der  Zehen. 


842  Wirbelthiere. 

Atlas  ist,  der  sich  aber  von  diesem  trennt,  um  dem  zweiten  Wirbel 
angescbweisst  zu  werden.  Links  und  rechts  finden  sich  die  ebenfalls 
überknorpelten  Flächen  (sa),  auf  welchen  der  Atlas  hier  eingelenkt 
ist,  während  auf  der  Hinterfläche  die  Gelenkgruben  für  den  dritten 
Halswirbel  angebracht  sind.  Die  Querfortsätze,  welche  weniger  gross 
sind  als  diejenigen  des  Atlas,  tragen  an  ihren  Wurzeln  das  Querloch  (tt). 
Der  stark  ausgebildete  Dornfortsatz  hat  die  Gestalt  eines  vei-ticalen,  in 
die  Länge  gezogenen  Kammes  (»e),  der  mit  seinem  Yorderende  weit 
über  die  Neurapophysen  hinausragt  und  bedeutenden  Kopfmuskeln 
zum  Ansätze  dient. 

Die  anderen  Halswirbel  zeigen  keine  vorstechenden  Besonderheiten; 
ihre  Gelenkfortsätze  sind  stärker  entwickelt,  als  bei  den  beiden  ersten; 
die  Dornfortsätze  werden  nur  bei  den  drei  letzten  bedeutend;  die  Quer- 
fortsätze sind  nach  der  Bauchseite  hin  gebogen.  Der  Körper  des  sie- 
benten Halswirbels ,  der  mit  dem  ersten  Rückenwirbel  sich  einlenkt, 
hat  horizontale  Lagerung ,  während  die  anderen  in  Folge  der  Hals- 
krümmung eine  etwas  schiefe  Richtung  zeigen. 

Die  Rückenwirbel  (Fig.  335,  rd)  nehmen  von  vorn  nach  hinten 
an  Dicke  und  Höhe  zu,  aber  auch  an  Breite  ab.  Sie  unterscheiden  sich 
namentlich  von  den  Halswirbeln  durch  mächtigere  Körper  und  weit 
grössere,  schief  nach  hinten  geneigte  Dornfortsätze.  Letztere  werden 
auf  dem  dritten  und  vierten  Rückenwirbel  am  höchsten;  weiter  nach 
hinten  zu  verkürzen  sie  sich  und  platten  sich  seitlich  ab.  Die  Quer- 
fortsätze sind  nur  wenig  entwickelt;  sie  zeigen  an  ihrem  freien  Rande 
eine  Gelenkfläche,  die  sich  bis  auf  den  Wirbelkörper  hinzieht  und  zur 
Einlenkung  des  Kopfes  der  Rippen  dient.  Seitlich  entspringt  ein 
kleiner  Nebenfortsatz,  der  auf  dem  ersten  Rückenwirbel  kaum 
bemerklich,  auf  den  folgenden  aber  sehr  deutlich  ist;  an  den  ersten 
sieben  Rückenwirbeln  richtet  sich  dieser  Fortsatz  gegen  den  Hals,  an 
den  anderen  gegen  die  Lenden.  Jeder  Rückenwirbel  trägt  vorn  und 
hinten  je  zwei  schiefe  Gelenkfortsätze;  die  vorderen  Gelenkfortsätze, 
deren  Gelenkflächen  vertical  gestellt  sind,  tragen  einen  Höcker,  den 
Zitzenfortsatz,  der  um  so  bedeutender  wird,  je  weiter  nach  hinten 
der  Wirbel  sich  findet. 

Diese  Zitzenforfcsätze  (Fig.  338,  am)  erreichen  in  der  That  an  den 
Lendenwirbeln  (Fig.  335,  vi)  ihre  grösste  Ausbildung,  wie  denn 
überhaupt  die  Lendenwirbel  die  mächtigsten  der  ganzen  Wirbelsäule 
sind ,  deren  Fortsätze  sich  am  meisten  entwickeln.  Die  Querfox'tsätze 
(Fig.  338,  at)  sind  sehr  lang,  nach  vorn  und  unten  gerichtet;  die 
Gelenkfortsätze  (sa)  treten  scharf  hervor.  Sämmtliche  Einrichtungen 
für  den  Ansatz  von  Rippen  fehlen  diesen  Wirbeln  gänzlich.  Ihre  Dorn- 
fortsätze (ae)  sind  hoch,   blattartig   nach   vorn   in   die  Länge   gezogen. 

Das  Kreuzbein  (Fig.  339),  welches  seitlich  mit  den  Darmbeinen 
durch  hufeisenförmige  Gelenkflächen  verbunden  ist,  besteht  aus  vier  in 


Säugethiere. 


843 


der  Art  verschmolzenen  Wirbeln,  dass  das  Ganze  die  Gestalt  einer  lan- 
gen, abgestutzten  Pyramide  bat,  deren  Basis  nach  vorn  gewendet  ist. 
Seine  innere,  ausgekehlte  Fläche  zeigt  eine  mittlere,  durch  die  Xaht- 
linie  der  verschmolzenen  Wirbelkörper  unterbrochene  Rinne;  an  diesen 
Nahtlinien  finden  sich  seitlich  die  Sacrallöcher  (ts),  welche  in  kurze 
Canäle  führen,  die  dorsalwärts  in  den  Rückenmarkscanal  münden  und, 
als  Homologe  der  Zwischenwirbellöcher,  den  Rückenmarksnerven  Durch- 
lass  gewähren.  Die  Yorderfläche  des  Kreuzbeines  verbindet  sich  mit 
dem  letzten  Lendenwirbel  unter  einem  stumpfen  Winkel  und  bildet  so 
einen    in    das    Becken    ragenden   Yorsprung,    das    Promontorium.     Die 


Fig-.  338. 


Fig.  339. 


Fig.  338.    —    Lep.  ciin.    —    Der  zweite  Lendenwirbel,    von  vorn    und    links  gesehen. 

Doppelte  Grösse,     c,  Körper  des  "Wirbels;  sa,  vorderer  Gelenkfortsatz;  sap,  hinterer 

Gelenkfortsatz;  ai,  Querfortsatz;   am,  Zitzent'ortsatz;  ae,  Dorntbrtsatz. 

Fig.  339.  —   Lep.  citri.  —  Das  Kreuzbein  von  seiner  unteren  Fläche.     Man  sieht  die 

vier  Wirbel,    die    es    zusammensetzen.    Natürliche  Grösse,    ai,  Gelenkfläche  gegen  den 

letzten  Lendenwirbel;   o i,  Zwischenknöchelchen;  <s,  Kreuzbeinlöcher. 


Gelenkfortsätze  {ai)  bleiben  erhalten,  sie  sind  aber  seitlich  abgeplattet 
und  nach  hinten  geneigt. 

Der  Schwanz  besteht  meist  aus  sechzehn  Schwanzwirbeln 
(Fig.  .3.35,  V q) ,  die  in  einer  nach  hinten  convexen  krummen  Linie 
an  einander  gereiht  sind  und  durch  die  Yerkümmerung  ihrer  Apo- 
physen  nach  und  nach  den  \Yirbelcharakter  verlieren.  Der  Rücken- 
canal  verschwindet  von  dem  siebenten  Wirbel  an  und  am  Schwanzende 
finden  sich  nur  noch  die  Körper  in  Gestalt  kleiner,  an  ihren  Enden 
etwas  angeschwollener  cylindrischer  Knöchelchen.  Der  letzte  Schwanz- 
wirbel endet  spitz. 

Der  Thorax  wird  von  den  Rippen  und  dem  Brustbeine  begrenzt; 
die  Höhlung  des  Brustkorbes  hat  die  Gestalt  eines  hinten  abgestutzten 


844 


Wirbelthiere. 


Ellipsoides.    Der  Querdurchschnitt  zeigt  eine  Ellipse,  deren  grosse  Axe 
dorsoventral  gelagert  ist. 

Rippen  (Fig.  335)  giebt  es  zwölf  Paare;  wir  haben  einmal  ein 
Kaninchen  mit  dreizehn  Rippenpaaren  angetroffen.  Man  unterscheidet 
sieben  Paare  echter  Rippen  {co),  deren  ventrale  Enden  sich  an  das 
Brustbein  anlegen,  und  fünf  Paare  falscher  Rippen  (/c),  von  welchen 
zwar  die  drei  ersten  Paare  durch  ihre  Knorpelfortsetzungen  indirect 
mit  dem  Brustbein  verbunden  sind,  die  zwei  letzten  Paare  dagegen, 
die  man  auch  flottirende  Rippen  genannt  hat, 
keine  Verbindung  mit  dem  Brustbeine  ein- 
gehen. Die  vier  mittleren  Rippenpaare  sind  die 
längsten,  sowohl  nach  vorn  wie  nach  hinten 
nehmen  die  anderen  an  Länge  ab.  Das  ven- 
trale ,  mehr  oder  minder  abgeplattete  Ende 
jeder  echten  Rippe,  das  sich  mit  dem  Brust- 
bein verbindet,  bleibt  knorplig;  alle  zeigen 
ausser  ihrer  Krümmung  auch  noch  eine  Art 
von  Torsion  um  ihre  grosse  Axe.  Die  vorderen 
Rippen  richten  sich  schief  nach  vorn,  die  hin- 
teren nach  hinten.  Ihr  mit  Knorpel  überzogenes 
dorsales  Ende  bildet  einen  rundlichen  Kopf 
(Fig.  340,  t),  der  an  den  entsprechenden  Wirbel 
in  die  oben  beschriebene  Grube  eingelenkt  ist. 
Das  Rippenköpfchen  ist  mittelst  eines  dünneren 
Theiles,  dem  Halse  (c),  in  den  Rippenstab 
fortgesetzt.  Dieser  Hals  trägt  bei  allen,  mit 
Ausnahme  der  beiden  letzten  Rippen,  eine 
Gelenkauftreibung ,  den  Rippenhöcker  (tu), 
der  sich  an  den  Querfortsatz  des  entsprechen- 
den Rückenwirbels  anlegt.  Durch  diese  beiden 
Gelenke  können  sich  die  Rippen,  übrigens  doch 
nur  in  beschränktem  Maasse ,  von  oben  nach  unten  und  von  hinten 
nach  vorn  bewegen. 

Das  lange  und  schmale,  auf  seiner  Aussenfläche  etwas  gewölbte 
Brustbein  (Fig.  335,  st)  schliesst  den  Brustkorb  auf  der  ventralen 
Mittellinie;  es  besteht  aus  sechs,  durch  niemals  verknöchernde  Knorpel- 
scheiben an  einander  gereihten  Knochenstücken.  Das  erste  dieser  Stücke, 
das  längste,  ist  nach  vorn  und  oben  gerichtet  und  springt  mit  seiner 
halben  Länge  über  die  erste  Rippe  gegen  den  Hals  vor;  sein  Vorder- 
rand ist  schneidend;  auf  den  Seiten  trägt  es  die  ovalen  Gelenkflächen 
für  das  erste  Rippenpaar;  man  nennt  es  den  Griff  des  Brustbeines 
{Manahrhim  sterni,  man).  Hierauf  folgen  vier  Knochen,  welche  zu- 
sammen den  Körper  des  Brustbeines  bilden  (st)  und  zuletzt  ein 
langes   und    dünnes,    etwas   nach   rechts    abweichendes   Knochenstück, 


Lep.  Clin.  —  Die  sechste 
Rippe  in  natürlicher  Grösse. 
t,  Kippenköpfchen;  c,  sein 
Hals;  tu,  Knorren;  co,  Kör- 
per;  ca,  Rippenknorpel. 


Säugethiere.  845 

welches  in  den  Schwertfortsatz  (Processus  xiphoideus,  scip)  ausläuft, 
der  ein  Knorpelblatt  darstellt,  an  welches  sich  das  Zwerchfell  und  der 
gerade  Bauchmuskel  anheften.  Das  Brustbein  besteht  beim  Embryo 
aus  einem  zusammenhcängenden  Knorpelstreifen,  mit  welchem  die  Rippen- 
knorpel seitlich  verschmolzen  sind.  Bei  dem  erwachsenen  Thiere  ist 
der  siebente  Rippenknorpel  an  dem  Ende  des  Brustbeinkörpers  ein- 
gelenkt. Die  Knorpel  der  drei  falschen  Rippen  (Fig.  335,/?')  vereinigen 
sich  zu  einem  fast  horizontalen  Knorpelstreifen,  der  sich  an  den  Knorpel 
der  letzten  echten  Rippe  anlegt,  ohne  das  Brustbein  zu  erreichen. 

Das  bisher  beschriebene  Knochengerüst  bildet  das  Rumpfskelett, 
an  welches  sich  der  Kopf  und  die  Extremitäten  anheften.  Wenn  auch 
der  Kopf  wohl  aus  Metameren  zusammengesetzt  ist,  so  können  wir 
doch  auf  diesen  Punkt,  der  unzählige  theoretische  Discussionen  ver- 
anlasst hat,  hier  nicht  weiter  eingehen. 

Der  Schädel  begreift  in  sich  den  eigentlichen  Hirnschädel, 
welcher  das  centrale  Nervensystem  einschliesst;  den  Gesichtsschädel, 
die  Visceralbogen,  die  an  dem  Schädel  nur  noch  in  dem  Unter- 
kiefer erhalten  sind,  das  Zungenbeingerüst  und  die  Gehör- 
knöchelchen der  Paukenhöhle,  die  wir  bei  dem  Gehörorgane  be- 
handeln werden. 

Der  Hirnschäder(Fig.  341,  342,  343  a.  f.  S.)  hat  die  Gestalt 
eines  langgezogenen  Ovoids,  das  länger  als  breit  uud  breiter  als  hoch 
ist  und  am  abgerundeten  Hinterende  am  breitesten  ist.  Seitlich  ist  er 
durch  die  grossen,  nach  hinten  und  unten  weit  geöffneten  Augenhöhlen 
aus  geschürft;  hinter  diesen  münden  die  Gehörgänge.  Die  dorsale 
Fläche  ist  fast  gerade  und  horizontal  und  trifft  fast  im  rechten  Winkel 
mit  der  verticalen  Hinterfläche  zusammen.  Die  Knochen  sind  durch 
Nähte  vereinigt,  welche  meist  während  des  ganzen  Lebens  sichtbar 
bleiben;  am  trockenen  Schädel  lassen  sich  die  Nähte  nicht  trennen, 
wohl  aber  durch  Behandlung  des  frischen  Schädels  mit  siedendem 
Wasser.  Die  Knochen  sind  sehr  dünn,  durchscheinend  und  einige,  be- 
sonders die  seitlichen  Hinterhauptsbeine,  fallen,  namentlich  bei  jungen 
Individuen ,  durch  ihre  Porosität  auf.  Der  Schädel  des  Kaninchens 
unterscheidet  sich  sofort  von  demjenigen  des  Hasen  durch  die  Persi- 
stenz des  Interparietalknochens  (Fig.  341,  ?'j;),  der  bei  dem  Hasen  mit 
den  Scheitelbeinen  verschmilzt. 

Das  Hinterhauptsbein  setzt  sich  aus  vier  Stücken  zusammen, 
dem  Grundbeine  {ocdpitale  hasilare) ,  welches  einen  Wirbelkörper 
repräsentirt,  dessen Neurapophysen  von  den  seitlichen  Hinterhaupts- 
beinen und  der  Dornfortsatz  von  der  Schuppe  des  oberen  Hinter- 
hauptsbeines dargestellt  würden.  Diese  vier  Knochen  begrenzen  das 
grosse  Hinterhauptsloch,  dessen  beinahe  verticale  Stellung  und  drei- 
eckige Form  wir  schon  erwähnten  (Fig.  342,  to). 


846  Wirbelthiere. 

Das  Grundbein  liegt  horizontal  (Fig.  342,  to);  es  verbindet  sich 
nach   vorn   durch   eine  faserknorplige  Lamelle   mit   dem  hinteren  Keil- 

Fig.  341. 
sl  


Lejg.  cun.  —  Scheitelansicht  des  Schädels  in  natürlicher  Grösse,  o  s^  oberes  Hinter- 
hauptsbein; ip,  Interparietale;  sl,  Lambdanaht;  pa,  Scheitelbeine;  ss,  Pfeilnaht; 
se,  Schuppennaht;  sc,  Kranznaht;  <e,  Schuppe  "des  Schläfenbeines;  ta,  äusseres 
Gehörloch;  azt,  Jochfortsatz  des  Schläfenbeines;  o,  Augenhöhle;  aoj),  hinterer  Ober- 
augenfortsatz; aoa,  vorderer  Oberaugenfortsatz;  tso,  Oberaugenhöhlenloch;  fr, 
Stirnbeine;  smf,  Stirnnaht;  m,  Wangenbein;  azm,  Jochfortsatz  des  Oberkiefers;  ??!, 
Wangenbein;  ms,  Oberkiefer;  en,  Nasendorn;  snf,  Nasenstirnuaht;  on,  Nasenbeine; 
smn,  Nasennaht;  amf,  Kieferfortsatz  des  Stirnbeines;  afi,  Stirnfortsatz  des  Zwischen- 
kiefers; im,  Zwischenkiefer;  i,  Schneidezähne. 


beine,  zeigt  jederseits  ein  Grübchen,  in  welches  sich  das  Paukenende 
des  Schläfenbeines  einlegt;  seine  Innenfläche  ist  ausgekehlt,  seine 
Aussenfläche  zeigt  eine  mittlere  Rinne.  Von  seinen  Seiten  steigen  die 
seitlichen   Hinterhauptsbeine,   das  grosse   Loch   umfassend,   fast 


Säiiojethiere. 


847 


senkrecht  empor;  sie  verlängern  sich  nach  vorn  durch  ihren  Joch- 
fortsatz  (djo)  bis  zum  Felsenbeine  und  tragen  seitlich  und  unten 
die  Gelenkköpfe   (Fig.  342  u.  343,  ac)  für  die  Einlenkung  mit  dem 

Pio-.   342. 


oj- 

^'J/     ac 

|l> 

/a 

k  It 

bo 

^ 

ssli 

apno 


Lep.  Clin.  — •  Ansicht  der  Schädelbasis.  Natürliche  Grösse,  os,  oberes  Hinterhaupts- 
bein; CO,  Leiste  desselben;  to,  Hinterhauptsloch;  ac,  Gelenkköpfe  des  Hinterhauptes 
ec,  Zwischenfurche;  ho,  Grundbein;  th,  Durchtrittsloch  des  N.  hypoglossus;  ajo, 
Jugularfortsatz  des  Hinterhauptsbeines;  hl,  Blasentheil  des  Schläfenbeines;  amt,  Zitzen- 
fortsatz desselben;  ta,  äusseres  Gehörloch;  ssh,  Grundbein-Keilbeinnaht;  sp,  hinterer 
Keilbeinkörper;  sa,  vorderer  Keilbeiukörper;  ts.  Keilbeinloch;/?«,  Unterkiefergrube; 
azt,  Jochfortsatz  des  Schläfenbeines;  ap ,  Flügelfortsatz;  o,  Augenhöhle;  aoa,  vor- 
derer Oberaugenfortsatz;  av,  Flügel  des  Vomer;  ch,  Choaneu;  j)h,  horizontaler  Ast 
des  Gaumenbeines;  i**')  verticaler  Ast  desselben;  t}) ,  Gaumenlöcher;  apm,  Gauraen- 
fortsatz  des  Oberkiefers;  spm,  Kiefergaumennaht;  m,  Wangenbein;  cZjn,  Backenzähne ; 
ms,  Oberkiefer;    cn,  Nasenscheidewand;    im,  Zwischenkiefer;    i,  Schneidezähne;    is, 

Ersatzzähne. 


848  Wirbelthiere. 

Atlas,  die  glatt,  von  unten  nach  oben  verlängert  und  an  ihrer  Basis 
durch  eine  breite  Bucht  (Fig.  342,  ec)  getrennt  sind,  in  welcher  das 
Grundbein  sichtbar  ist.  Am  oberen  Ende  dieser  Gelenkköpfe  sieht  man 
kleine  Löcher,  durch  welche  der  Nervus  hypoglosstis  nach  aussen  tritt 
(Fig.  342,  Jiy).  Mit  ihren  oberen  Rändern  stossen  diese  Knochen  an 
die  vorn  breitere,  hinten  schmälere,  convexe  Hinterhauptsschuppe 
(Fig.  341,  os),  welche  das  Hinterhauptsloch  nach  oben  schliesst.  Hier 
zeigt  die  Schuppe  einen  Ausschnitt,  der  den  Gipfel  des  dreieckigen 
Loches  bildet  und  bei  dem  Hasen  nicht  ausgebildet  ist.  Auf  der 
äusseren  Fläche  des  Knochens  ist  eine  Querleiste  ausgebildet,  welche 
den  unteren  Nackentheil  von  dem  oberen  Scheiteltheile  abtrennt;  ausser- 
dem finden  sich  zwei  seitliche  Leisten,  welche  sich  auf  die  Schuppe 
des  Schläfenbeines  fortsetzen.  Auf  der  Innenfläche  machen  sich  drei 
Gruben  bemerklich;  in  die  mittlere  tiefste,  die  Kleinhirngrube,  legt  sich 
der  Wurm  des  kleinen  Gehirnes. 

Das  Keilbein  liegt  vor  dem  Grundbeine  auf  der  Mittellinie  der 
Schädelbasis  (Fig.  342,  sp);  sein  Körper  besteht  aus  zwei,  durch 
Knorpel  vereinigten  Stücken;  das  hintere  trägt  die  grossen,  das 
vordere  die  kleinen  Keilbeinflügel. 

Von  unten  betrachtet,  hat  das  hintere  Keilbein  (Fig.  342,  sp) 
die  Gestalt  eines  gleichschenkligen  Dreieckes,  dessen  Basis  nach  hinten 
gewendet  und  von  einem  Loche  (ts)  zum  Durchtritte  einer  grossen 
Vene  durchbohrt  ist.  Auf  seiner,  dem  Gehirne  zugewendeten  oberen 
Fläche  trägt  es  eine  tiefe  Höhle,  den  Türkensattel,  in  welche  sich 
der  Hirnanhang  {Hypopliysis)  einlegt,  und  die  nach  hinten  durch  einen 
schwammigen  Vorsprung,  den  Sattelrücken,  begrenzt  wird.  Auf  den 
Seiten  erheben  sich  die  grossen  Flügel  (alisphenoidaUa)  in  Gestalt 
dünner,  auf  der  Hirnseite  concaver  Blätter,  die  sich  hinten  und  seitlich 
an  das  Schläfenbein  anlegen,  dessen  Schuppe  sie  theilweise  bedeckt. 
Mit  ihrer  vorderen,  stark  convexen  Fläche  nehmen  die  grossen  Flügel 
Antheil  an  der  Bildung  der  Augenhöhle;  ihr  Hinterrand  verlängert 
sich  zu  einem  sehr  dünnen,  schuppigen  Pterygoidfortsatze  (oj)), 
der  sich  nach  vorn  mit  der  senkrechten  Lamelle  des  Gaumenbeines 
verbindet. 

Das  vordere  Keilbein  (so)  ist  etwas  höher  als  breit;  es  zeigt 
an  seinem  vorderen  Theile  eine  Menge  kleiner  Gruben,  die  Keilbein- 
sinus, und  sendet  seitlich  zwei  kurze  Fortsätze  aus,  welche  die  Nasen- 
höhle nach  hinten  abschliessen.  Es  trägt  die  kleinen  Flügel,  welche 
nach  hinten  mit  dem  Vorderende  der  grossen  Flügel  durch  eine  Naht 
verbunden  sind  und  schief  in  die  Höhe  steigen,  um  sich  mit  dem 
Augentheile  des  Stirnbeines  zu  verbinden.  Sie  zeigen  vorn  einen  starken 
Ausschnitt,  der  an  der  ßildiing  des  Durchtrittsloches  für  den  Seh- 
nerven (Fig.  343,  to)  in  die  Augenhöhle  Antheil  nimmt. 


Säugethiere.  849 

Auf  der  dorsalen  Schädelfläche  (Fig.  341)  stösst  das  obere  Hinter- 
hauptsbein mit  den  beiden  Scheitelbeinen  (pa)  in  der  queren 
Lambdanaht  (s?)  zusammen.  Im  Vereinigungswinkel  findet  sich  ein 
kleines,  unpaares  Knochenstück  von  Rautengestalt,  das  Zwi  sehen - 
Scheitelbein  O'p),  das  bei  den  meisten  Säugethieren,  selbst  beim 
Hasen,  mit  dem  Hinterhaupte  verwächst.  Die  eigentlichen  Scheitel- 
beine decken  als  rechteckige,  dünne,  etwas  convexe  Platten  wie  ein 
Dach  die  Schädelhöhle;  sie  vereinigen  sich  in  der  Mittellinie  durch  die 
Pfeilnaht  {siitura  sagütalis,  ss),  über  welcher  sich  ein  wenig  vor- 
stehender Kamm  erhebt,  der  sich  bis  zum  Zwischenscheitelbeine  fort- 
setzt. Auf  der  Innenfläche,  wo  man  die  Eindrücke  der  Hirnhautgefässe 
sieht,  entspricht  diesem  Kamme  eine  Rille.  Ein  kleiner  Schuppenfort- 
satz geht  von  dem  hinteren  Rande  der  Scheitelbeine  aus  imd  schiebt 
sich  unter  die  Schuppe  des  Schläfenbeines. 

Die  vor  den  Scheitelbeinen  gelegenen  Stirnbeine  (Fig.  341,  fr) 
werden  in  der  Mittellinie  durch  die  Stirnnaht  (smf)  vereinigt,  die  bei 
älteren  Thieren  verwächst.  Ihr  Hinterrand,  der  durch  die  quere  Kranz- 
naht (sc)  an  die  Scheitelbeine  stösst,  ist  breiter  als  der  vordere,  der 
durch  die  Nasenstirnnaht  (snf)  sich  mit  den  Nasenbeinen  verbindet. 
Hier  findet  sich  ein  medianer  Vorsprung,  der  Nasendorn  (er/,),  welcher 
sich  zwischen  die  Nasenbeine  einschiebt  und  durch  tiefe  Ausschnitte 
von  den  seitlichen  spitzen  Kieferfortsätzen  (anif)  getrennt  ist.  Die 
Stirnbeine  krümmen  sich  nach  der  Seite  und  unten,  um  den  grössten 
Theil  der  Umgebung  der  Augenhöhle  zu  bilden.  Nach  hinten  ver- 
einigt sich  der  Augentheil  mit  der  Schuppe  des  Schläfenbeines,  nach 
unten  mit  dem  Oberrande  der  kleinen  Keilbeinflügel  xmd  mit  dem 
Siebbeinfortsatze  des  Keilbeines.  Nach  vorn  verlängert  sich  dieser 
Theil  durch  den  schon  erwähnten  Kieferfortsatz,  der  sich  der  Länge 
nach  an  den  Stirnfortsatz  des  Zwischenkiefers  (cifi)  anlegt.  Auf  dem 
Augenbrauenbogen  (Fig.  343,  as),  wo  der  Stirntheil  und  Augen- 
theil des  Stirnbeines  zusammentreffen,  finden  sich  zwei  starke  Ob  er- 
äugen dornen,  ein  vorderer  (Fig.  341,  aoa)  und  ein  hinterer  (aop), 
welche  eine  Ai-t  gewölbten  Vordaches  mit  schneidendem  Rande  vor 
der  Augenhöhle  bilden.  Der  grössere  hintere  Dorn  verschmilzt  zu- 
weilen mit  der  äusseren  und  hinteren  Ecke  des  Stirnbeines,  wie  das 
der  Fall  bei  einem  uns  vorliegenden  Schädel  ist;  beide  Dornen  sind 
aber  von  der  Stirnbeinplatte  stets  durch  tiefe  Einschnitte  getrennt, 
welche  bei  der  Verwachsung  in  S upra-Or bitall ö eher  (tso)  umge- 
wandelt werden.  Am  Vorderrande  der  Knochen  finden  sich  wenig  ent- 
wickelte, mit  der  Nasenhöhle  in  Verbindung  stehende  Sinus.  Wie 
bei  den  Scheitelbeinen,  sieht  man  auf  der  Hirnfläche  der  Knochen  die 
Eindrücke  der  Hirnhautgefässe, 

Die  Schläfenbeine  (Fig.  341,  te)  sind  zwischen  das  Hinter- 
hauptsbein,   das    Keilbein    und    das    Scheitelbein    eingeschoben.       Sie 

Vogt  n.  Yuiig,  prakt.  vcrgl.  Anatomie.     II.  7\^ 


850  Wirbelthiere. 

zeigen  zwei  scharf  geschiedene  Theile:  oben  und  vorn,  die  an  das  Keil- 
bein und  Scheitelbein  stossende,  mit  letzterem  durch  die  Schuppen- 
naht  (se)  verbundene  Schläfenbeinschuppe  (te)  und  einen  hinteren 
und  unteren  Felsenpaukentheil,  der  selbst  wieder  aus  dem  com- 
pacten Felsentheile  und  dem  hohlen  Paukentheile  zusammengesetzt, 
aber  bei  den  erwachsenen  Thieren  untrennbar  verschmolzen  ist. 

Die  Schläfenbeinschuppe  (Fig.  341,  te)  ist  leicht  nach  aussen 
gewölbt  und  macht  sich  besonders  durch  zwei  bedeutende  Fortsätze 
bemerklich.  Der  vordere,  der  Jochbeinfortsatz  {ast),  richtet  sich 
schief  nach  unten  und  vorn  und  bildet  mit  dem  entsprechenden  Fort- 
satze des  Oberkiefers  den  Jochbogen;  an  seinem  Anfange  sieht  der 
weiterhin  abgeplattete  Fortsatz  wie  gewunden  aus.  Der  andere,  der 
Schuppenfortsatz  (Fig.  343,  asq),  hat  die  Gestalt  einer  Säbelklinge-, 
er  richtet  sich  nach  hinten  und  unten  und  vereinigt  sich  mit  dem 
Felsentheile  des  Knochens  unter  und  hinter  dem  äusseren  Gehörloche 
{ta).  Unmittelbar  unter  diesem  Fortsatze  befindet  sich  die  Gelenkgrube, 
in  welcher  der  Unterkiefer  spielt. 

Der  Paukenfelsentheil  lässt  sich  seiner  unregelmässigen  Form 
wegen  nur  schwer  beschreiben.  Er  ist  dick,  massig,  nach  unten  ab- 
gerundet und  zeigt  oben  und  aussen  das  Loch  des  äusseren  Gehör- 
ganges (ta).  Wir  unterscheiden  den  äusseren  und  unteren,  durch  seine 
glatte  und  blasige  Beschaffenheit  ausgezeichneten  Theil,  den  Pauken- 
theil, und  einen  oberen  und  inneren  Abschnitt,  den  Felsentheil.  Beide 
sind  äusserlich  durch  eine  seichte  Rille,  die  Felsenpau kenspalte 
(Fig.  344,  S|3i(),  von  einander  getrennt. 

An  seiner  äusseren  Fläche,  wo  das  Felsenbein  mit  dem  Pauken- 
theile verschmolzen  ist,  entsendet  es  den  Zitzenfortsatz  (Fig.  342, 
amt),  einen  langen,  an  dem  hinteren  Rande  des  äusseren  Gehörganges, 
parallel  mit  dem  Jochfortsatze  des  Hinterhauptes  verlaiifenden  Vor- 
sprung; mit  seiner  inneren,  rauhen  Fläche  nimmt  er  an  der  Bildung 
der  Schädelwand  Antheil.  Man  sieht  hier  eine  kleine  Oeffnung,  das 
innere  Gehörloch,  welche  in  das  Labyrinth  des  Ohres  führt  und 
das  wir  bei  diesem  Sinnesorgane  besprechen  werden.  Hinter  diesem 
Loche  zeigt  sich  die  tiefe  Zitzengrube,  in  welche  sich  die  Kleinhirn- 
flocken einlegen. 

Der  blasenförmige  Paukentheil  grenzt  innen  an  das  Grundbein, 
vorn  und  oben  an  die  Schläfenbeinschuppe  und  das  Felsenbein.  Seine 
Höhlung  öffnet  sich  nach  aussen  durch  das  äussere  Gehörloch 
(Fig.  342  u.  343,  ta),  dessen  unregelmässig  eiförmiger  Rand  scharf 
schneidend  ist. 

Gesichtsschädel.  Er  liegt  vor  dem  Hirnschädel,  ist  ebenso  lang, 
aber  schmäler  als  dieser  und  enthält  zwei  über  einander  liegende  Höhlen, 
oben  die  Nasenhöhle,  unten  die  Mundhöhle.  Die  erstere  wird  von  den 
Thränenbeinen,   dem   Siebbeine,   dem  Vomer,  den  Nasenmuscheln  und 


Säugethiere. 


851 


den  Nasenbeinen,  die  letztere  von  den  Gaumenbeinen,  den  Ober-  und 
Zwiscbenkiefern  und  der  Unterkinnlade  umschlossen.  Mit  Ausnahme 
des  Unterkiefers  sind  die  meisten  dieser  Knochen  durch  feste  Nähte 
verbunden,  so  dass  sie  sich  nur  schwer  trennen  lassen. 

Das  Siebbein  gehört  noch  theilweise  zum  Hirnschädel;  es  schiebt 
sich  in  den  Ausschnitt  der  Stirnbeine  ein  und  schliesst  die  Hirnhöhle 
nach  vorn.  Aber  mit  seinem  grösseren  Theile  dringt  es  in  die  Nasen- 
höhle vor  und  aus  diesem  Grunde  behandeln  wir  es  hier.  Sein  hin- 
terer, dem  Siebfortsatze  des  Keilbeines  anliegender  Theil ,  die  Sieb- 
beinplatte,  hat  eine  dreieckige  Gestalt  und  wird  von  vielen  Löchern 
durchsetzt,  durch  welche  die  Fasern  des  Riechnerven  in  die  Schleim- 
haut der  Nase  dringen.  Um  diesen  Theil  sehen  zu  können,  muss  mau 
die  Nasen-  und  Stirnbeine  entfernen.  Nach  vorn 
verlängert  sich  die  Siebplatte  in  einen  senk- 
rechten Kamm,  der  die  beiden  Seitentheile,  die 
Labyrinthe  des  Siebbeines ,  von  einander 
scheidet.  Diese  Labyrinthe  bestehen  aus  zahl- 
reichen, in  einander  gewundenen  Knochenblätt- 
chen,  welche  jederseits  eine  blätterige  Masse 
bilden,  deren  von  der  Riechschleimhaut  aus- 
gekleidete Zellen  und  Höhlungen  mit  der  Nasen- 
höhle in  Verbindung  stehen. 

Vor  dem  Siebbeine  liegt  das  Pflugschar- 
bein (Vomer,  siehe  Fig.  342,  av),  das  aus  einer 
medianen,  senkrechten  Lamelle  und  zwei  flügei- 
förmigen, sehr  zarten  Seitentheilen  besteht,  die 
sich  an  die  Siebbeinlabyrinthe  anlegen.  Der 
obere  Rand  der  senkrechten  Lamelle  zeigt  eine 
Längsrille,  in  welche  sich  die  knorpelige  Nasen- 
scheidewand (en)  einlegt.  Der  untere  Rand  des 
Vomer  legt  sich  an  die  Gaumenfortsätze  des 
Zwischenkiefers  und  der  Gaumenbeine. 
Das  Thränenbein  (Fig.  344,  oV)  ist  ein  kleines  Knochenstück- 
chen von  unregelmässiger  Gestalt,  welches  sich  zwischen  den  vorderen 
Winkel  der  Augenhöhle  und  den  hinteren  Winkel  der  Nasenhöhle  ein- 
schiebt und  so  beide  schliesst.  Die  Nasenbeine  (Fig.  341,  on)  bilden 
das  Dach  der  Nasenhöhle;  sie  treffen  unter  einem  stumpfen  Winkel  in 
der  stets  sichtbaren  mittleren  Nasennaht  (srnn)  zusammen.  Die 
obere  Fläche  dieser  in  die  Länge  gezogenen  Knochen  ist  glatt  und 
etwas  gewölbt;  die  innere  Nasenfläche  trägt  eine  zweite  Knochen- 
schuppe, welche  eine  weit  nach  hinten  geöffnete  Höhle,  das  Marsttpium 
nasale  (Fig.  343,  mn)  abgrenzt,  in  welche  sich  das  vordere  Ende  des 
Siebbeinlabyrinthes  einschiebt.  Mit  ihren  Seitenrändern  legen  sich  die 
Nasenbeine   an   den  Stirnfortsatz   des  Zwischenkiefers.     Ihre   vorderen, 

54* 


Lep.  Clin.  —  Das  linke 
Nasenbein  von  der  unte- 
ren Fläche  gesehen.  6p, 
hinterer  Rand;  6i,  innerer 
Rand;  ha,  vorderer  Rand; 
c,  Kammleiste;  r/i»,  Mar- 
supium  nasale. 


852  Wirbelthiere. 

ausgekehlten  Ränder  sind  frei  und  bilden  die  oberen  Ränder  der  herz- 
förmig ausgeschnittenen  und  in  der  Mitte  getheilten  Nasenöffnung,  die 
seitlich  von  den  Zwischenkiefern  begrenzt  wird. 

Die  obere  Kinnlade  wird  vorn  von  den  Zwischenkiefern,  in 
welchen  die  Schneidezähne  eingekeilt  sind,  weiter  nach  hinten  von  den 
damit  verschmolzenen  Oberkiefern  gebildet.  Die  grossen  Nagezähne 
(Fig.  341  u.  344,  i),  hinter  welchen  noch  zwei  kleine,  für  die  Familie 
der  Hasen  charakteristische  Reservezähne  (is)  stehen,  sind  in  den  Körper 
des  Zwischenkiefers  (jm)  eingelassen,  von  welchem  zwei  Fortsätze 
ausgehen,  ein  Stirnfortsatz  (afi),  an  dessen  seitlichem  Unterrande 
sich  eine  Rille  befindet,  in  welche  sich  der  Kieferfortsatz  des  Stirn- 
beines einlegt,  und  ein  kürzerer  Ganmenfortsatz,  den  eine  Naht  mit 
dem  Oberkiefer  verbindet.  Der  Zwischenkiefer  ist  ursprünglich  paarig; 
die  beiden  Hälften  sind  durch  eine  Naht,  die  Schneidenaht,  mit 
einander  verbunden. 

Die  Oberkiefer  (Fig.  341  u.  344,  mr)  sind  die  Hauptknochen 
des  Gesichtes.  Sie  liegen  hinter  dem  Zwischenkiefer;  ihre  seitliche 
Aussenfiäche  erscheint  porös  durch  eine  Menge  kleiner  Löcher  und 
Grübchen;  ausserdem  trägt  sie  die  Mündung  des  Nasenthränenganges. 
Der  massive  Körper  des  Knochens  treibt  in  der  Augenhöhle  eine  Er- 
höhung mit  drei  Wölbungen  (ams)  auf,  welche  den  Wurzeln  der  drei 
hinteren  Backenzähne  entsprechen,  deren  Kronen  an  dem  Zahnrande  des 
Knochens  vorragen.  Von  der  Aussenfiäche  geht  ein  starker  Fortsatz, 
der  Jochfortsatz,  aus,  der  mit  einem  ursprünglich  isolirten  Knochen, 
dem  Joch-  oder  Wangenbeine  (Fig.  344,  m),  verschmilzt,  das  ander- 
seits sich  an  den  entsprechenden  Fortsatz  des  Schläfenbeines  anlegt 
und  so  den  Jochbogen  vervollständigt,  der  den  seitlichen  äusseren 
Rand  der  Augenhöhle  bildet.  Die  Jochschläfennaht  besteht  während  des 
ganzen  Lebens;  die  Jochkiefernaht  ist  nur  bei  jungen  Thieren  sichtbar. 
An  der  Wurzel  des  Jochfortsatzes  des  Kiefers  bemerkt  man  eine  runde 
Grube,  auf  deren  Grunde  kleine  Löchlein  sich  zeigen,  weichein  die  Alveolen 
der  Backenzähne  führen.  Auf  seiner  Innenfläche  zeigt  der  Knochen  ein 
horizontales  Blatt,  den  Gaumenfortsatz  (Fig.  342,  apm),  der  mitseinem 
Gegenüber  durch  eine  Naht  vereinigt  ist,  nach  hinten  sich  an  die  hori- 
zontale Platte  des  Gaumenbeines  (pJi)  anlegt  und  so  die  Scheidewand 
zwischen  Nasenhöhle  und  Mundhöhle  vervollständigt.  Endlich  müssen 
wir  noch  den  Keilbeinaugen fortsatz  (Fig.  344,  aso)  erwähnen, 
welcher  nahe  an  der  Wurzel  des  Jochfortsatzes  vertical  wie  eine  Säule 
emporsteigt  und  sich  einerseits  mit  dem  Hinterfortsatze  des  Stirnbeines, 
anderseits  mit  dem  Siebbeinfortsatze  des  vorderen  Keilbeines  verbindet. 
Der  Oberkiefer  hat  demnach  Beziehungen  zu  vielen  Knochen,  Stirn- 
bein, Jochbein,  Thränenbein,  Nasenbein,  Zwischenkiefer  und  ausserdem 
noch  zu  den  Gaumenbeinen,  die  bei  dem  Kaninchen  nur  sehr  schwach 
entwickelt  sind. 


Säusethiere. 


853 


Die  Gaumenbeine  (Fig.  342,  pli,  ]_rv)  bestehen  aus  einem  hori- 
zontalen und  einem  verticalen  Theile.  Ersterer  vereinigt  sich  mit  dem 
Gaumenfortsatze  des  Oberkiefers  durch  die  Gaumenkiefernaht 
{spm)  und  bildet  so  die  Wölbung  des  knöchernen  Gaumens;  mit  seinem 
Gegenüber  trifft  er  in  der  mediären  Gaumennaht  zusammen,  die  nur 
bei  jungen  Thieren   sichtbar  ist.     Der  Hinterrand  zeigt  an   dem  Ver- 

Fig.  344. 


Lep.  Clin,  —  Profilansicht  des  Schädels  von  der  linken  Seite.  Natürliche  Grösse. 
OS,  oberes  Hinterhauptsbein;  ac,  Gelenkkopf;  aj ,  Jochfortsatz  des  seitlichen  Hinter-, 
hauptsbeines;  ta,  äusseres  Gehörloch;  ht,  Blasentheil  des  Schläfenbeines;  azt,  Joch- 
fortsatz desselben;  as,  Augenbraueubogen ;  oZ,  Thränenbein;  ams,  in  die  Augenhöhle 
vorspringender  Zahnwulst  des  Oberkiefers;  to-,  Eintrittsloch  des  Sehnerven;  ?«,  Joch- 
oder Wangenbein;  tal,  Alveolarloch ;  aso,  Augenhöhlenfortsatz  des  Keilbeines;  amf, 
Kieferfortsatz  des  Stirnbeines;  afi,  Stirnfortsatz  des  Zwischenkiefers;  ms,  poröser 
Theil  des  Oberkiefers;  im,  Zwischenkiefer;  i,  Schneidezähne;  is,  Ersatzzähnchen; 
b,  Zahnlücke  (diastema);  mi,  Unterkiefer;  tm,  Kinnloch;  pf,  Lücke  im  verticalen 
Aste  des  Unterkiefers;  acm,  Gelenkfortsatz  desselben;  cor,  Kronenfortsatz;  hd,  ab- 
steigender Rand  des  Unterkiefers;  ap<,  Flügelfortsatz;  cms,  halbmondförmiger  Aus- 
schnitt. 

einigungspiinkte  einen  kleinen  Kamm,  den  hinteren  Nasendorn,  an 
welchem  das  Zäpfchen  des  Gaumens  befestigt  ist.  Auf  dieser  horizon- 
talen Platte  sieht  man  zwei  Löcher,  die  Mündungen  {tp)  der  Flügel- 
gaumencanäle,  welche  den  Knochen  durchsetzen  und  sich  in  die  Augen- 
höhle öffnen.  Der  dünne,  abgeplattete,  vertical  gestellte  Theil  des 
Knochens  stützt  die  Wand  der  hinteren  Nasenhöhlen.  Sein  unterer 
Eand  ist  frei ;   durch   den  Hinterrand   verbindet   sich  dieser  Theil  mit 


854  Wirbelthiere. 

dem  Flügelfortsatze  des  Keilbeines,  durch  deu  Vorderrand  mit  dem 
Oberkiefer  und  durch  den  vorderen  Abschnitt  seines  oberen  Randes 
mit  dem  vorderen  Keilbeine  und  dessen  Siebbeinfortsatze. 

Der  Unterkiefer  (Fig.  344,  nii)  besteht  aus  zwei  grossen  Hälften, 
die  sich  in  der  unvollkommen  verwachsenen  Symphyse  des  Kinnes  unter 
einem  spitzen  Winkel  vereinigen.  Wir  unterscheiden  den  vorderen, 
meist  abgerundeten  Theil,  an  dessen  freiem  Ende  die  Alveolen  der 
grossen  Schneidezähne  sich  finden  und  der  auf  der  Aussenfläche  das 
Kinn  loch  (tm),  die  Ausmündung  des  Alveolarcanales,  zeigt.  Dieser 
horizontale  Ast  des  Unterkiefers  plattet  sich  nach  hinten  seitlich  ab 
und  geht  so  allmählich  in  den  verticalen  Ast  über.  In  dem  Winkel, 
wo  beide  Aeste  zusammenstossen,  stehen  auf  dem  oberen  Rande  des 
horizontalen  Theiles  die  fünf  unteren  Backenzähne  und  hinter  diesen 
sieht  man  auf  der  Innenfläche  ein  ovales  Loch,  das  Kieferloch,  durch 
welches  ein  Gefäss  tritt.  Der  hintere  verticale  Ast  ist  eine  häufig 
durchlöcherte  (p/),  durchscheinende  Knochenlamelle,  deren  oberer  Rand 
von  dem  Gelenk fortsatze  (acm)  gekrönt  wird,  welcher  sich  in  die 
am  Schläfenbeine  angebrachte  Gelenkhöhle  einlegt.  Dieser  Rand  trägt 
eine  tiefe  Rille,  deren  äusserer  schneidender  Rand  einen  kleinen,  blatt- 
artigen Kranz fortsatz  (cor)  trägt,  der  sich  über  die  Rille  herüber 
schlägt.  In  der  Nähe  des  Kieferloches  mündet,  auf  der  inneren  Fläche 
der  verticalen  Lamelle»  die  hintere  Oeffnung  des  Alveolarcanales.  Der 
untere,  absteigende  Rand  des  senkrechten  Astes  (hd)  ist  couvex;  er 
endet  mit  einem  spitzen  Pterygoid fortsatze  {apt)^  an  welchen  sich 
der  M.  pterygoideiis  mternus  ansetzt.  Beide  Flächen  des  verticalen 
Astes  sind  leicht  ausgehöhlt;  man  sieht  namentlich  auf  der  Aussen- 
fläche vorspringende,  durch  die  Anheftung  der  verschiedenen  Muskeln 
bedingte  Linien.  Das  Kiefergelenk  wird  von  einer  Faserknorpelschicht 
umschlossen,  welche  seitliche  Bewegungen  gestattet. 

Mit  Einschluss   der  kleinen  Ersatzzähnchen   zählt  das  Kaninchen 

p  A  O  O 

28  Zähne,    die  folgende   Formel   geben:    -^  — ;    C  — ;  P  — ;  Jf  — •     Die 

L  yj  Ji  o 

Nagezähne  wachsen  beständig;   nur  ihre  Aussenfläche  ist  mit  Schmelz 

überzogen,  um   sie  scharf  schneidend   zu  erhalten.    Die  oberen  zeigen 

vorn  eine  mittlere  Längsrinne,  welche  den  unteren  fehlt.    Hinter  ihnen, 

nicht  neben  ihnen ,   stehen   noch  im  Zwischenkiefer   die  kleinen ,   schon 

erwähnten  Reservezähnchen ,   welche   nur  den  Hasen   zukommen.    Von 

den   Backenzähnen   sind   die   Schneidezähne   durch   eine   grosse  Lücke 

(diasteina,  h)  getrennt. 

Jeder   Backenzahn   hat  nur   eine,   in   die   Alveole   eingepflanzte 

Wurzel;  oben  zählt  man  sechs,  von  welcher  der  vordere  und  hinterste 

Zahn  die  kleinsten  sind;  unten  ist  der  hinterste  Zahn  der  kleinste,  der 

vorderste  der  grösste  von  den  fünfen.     Ihre  Kronen  sind  quer  gefaltet; 

die  Schmelzlamellen,  welche  die  einzelnen  Dentinschichten  von  einander 


Säugethiere.  855 

trennen,  bilden  auf  der  Kronenfläche  schneidende  Klingenränder.  Die 
oberen  Backenzähne  sind  von  vorn  nach  hinten  zusammengedrückt; 
die  unteren  zeigen  einen  quadratförmigeu  Durchschnitt.  Die  Kronen- 
flächen der  unteren  Backenzähne  im  Ganzen  sind  nicht  horizontal, 
sondern  nach  aussen  geneigt;  die  entgegengesetzte  Neigung  zeigt  sich 
an  den  Kronen  der  oberen  Backenzähne  —  eine  Anordnung,  welche 
das  Zusammentreffen  der  schneidenden  Schmelzlamellen  bei  den  seit- 
lich mahlenden  Bewegungen  des  Kiefers  ermöglicht. 

Das  Zungenbein,  der  dritte  Visceralbogen,  ist  sehr  verkümmert. 
Es  besteht  aus  einem  Mitteltheile,  dem  Körper,  an  welchen  vier  lange 
Stücke  eingelenkt  sind,  die  vorderen,  die  kleinen  Zungenbein- 
hörn er,  sind  etwa  um  die  Hälfte  kürzer,  als  die  hinteren  grossen 
H  ö  r  n  e  r. 

Die  vier  Extremitäten  sind  zwar  gut  entwickelt,  doch  etwas 
weniger  als  bei  dem  Hasen,  und  namentlich  ist  der  Unterschied  zwi- 
schen den  weit  mächtigeren  Hintergliedern  und  den  Vordergiiedern, 
von  welchen  wesentlich  die  Fähigkeit  des  Springens  abhängt,  bei  dem 
Hasen  bedeutender  als  bei  dem  Kaninchen,  obgleich  er  auch  bei  diesem 
sehr  in  die  Augen  fällt. 

Vorderglied.  Der  Schulte rgürtel  (Fig.  3.35,  om)  ist  weder 
auf  der  dorsalen ,  noch  auf  der  ventralen  Seite  geschlossen.  Von  den 
drei  Stücken ,  welche  ihn  zusammensetzen,  ist  nur  das  Schulterblatt 
entwickelt;  das  Schlüsselbein  ist  auf  ein  mehr  oder  minder  verknöcher- 
tes Knorpelstückchen  reducirt,  das  in  dem  Ligamente  liegt,  welches 
das  Sternum  mit  dem  Kopfe  des  Humerus  verbindet ,  so  dass  keine 
Knochenverbinduug  zwischen  Schulter  und  Brustbein  hergestellt  ist, 
und  das  Rabenbein  ist  zu  einem  kleinen  Fortsatze  des  Schulterblattes 
verkümmert. 

Das  spateiförmige ,  innen  etwas  concave  und  aussen  convexe 
Schulterblatt  (Fig.  335,  ow)  liegt,  etwas  schief  von  hinten  nach  vorn 
gerichtet,  auf  der  Aussenfläche  des  Brustkorbes.  Oben  breit,  unten  griflF- 
artig  verschmälert,  um  den  Kopf  des  Schulterblattes  (to)  zu  bilden, 
erscheint  es  als  gleichschenkeliges,  verlängertes  Dreieck  mit  abgerundeten 
Ecken,  dessen  Basis  nach  oben  schaut.  Der  Kopf  ist  mit  dem  blatt- 
artigen Theile  durch  einen  dünnen  Hals  verbunden;  er  trägt  auf 
seiner  Unterfläche  die  Gelenkhöhle,  in  welche  der  Kopf  des  Humerus 
eingeschlossen  ist  (Schultergelenk).  Am  vorderen  Winkel  des  Kopfes 
ragt  über  dem  Gelenke  eine  kleine  Erhöhung  hervor,  auf  deren  Innen- 
seite der  Raben fortsatz  als  ein  kleiner,  gegen  die  Axe  des  Körpers 
gebogener  Haken  sich  zeigt.  Bei  dem  Embryo  ist  dieser  Fortsatz  durch- 
aus unabhängig;  bei  jungen  Thieren  sieht  man  häufig  noch  Synchon- 
drose  zwischen  ihm  und  dem  Schulterblatte ,  die  beim  Erwachsenen 
stets  verknöchert  ist.  Ueber  die  Mitte  der  Aussenfläche  des  Schulter- 
blattes  zieht  sich   ein  Längskamm,   der  diese  Fläche   gewissermaassen 


856  Wirbelthiere. 

in  zwei  Gruben  theilt;  er  ist  dreieckig,  mit  nach  unten  und  hinten 
gerichteter  Spitze  und  setzt  sich  als  dornartige  Verlängerung,  als 
Acromion  (acr)  über  den  Hals  fort,  mit  welchem  diese  Spitze  durch 
einen  kleineu,  in  rechtem  Winkel  nach  hinten  abgehenden  Hakenfort- 
satz (ae)  verbunden  ist. 

Der  Oberarm  wird,  wie  immer,  nur  von  einem  einzigen  langen 
Knochen,  dem  Humerus  (Fig.  335,  hum),  gebildet,  der  mitten  cylin- 
drisch,  an  beiden  Enden  abgeplattet  und  etwa  um  90*^  um  seine  Axe  ge- 
dreht ist.  Durch  das  Schultergelenk  ist  er  mit  dem  Schulterblatte,  durch 
das  Ellbogengelenk  mit  den  Vorderarmknochen  verbunden.  Beide  Ge- 
lenke sind  von  starken  Faserkapseln  umhüllt.  Der  leicht  nach  vorn  convexe 
Körper  des  Knochens,  seine  Diaphyse,  ist  deutlich  spiralig  gewunden; 
er  trägt  auf  seinem  vorderen  Rande  den  wenig  vorstehenden  Kamm 
des  Humerus.  Die  Epiphysen  sind  dick  überknorpelt.  Der  obere  Gelenk- 
kopf, der  in  der  Höhle  des  Schulterblattes  spielt,  ist  dick  und  hat  die 
Gestalt  einer  Halbkugel;  er  zeigt  am  äusseren  Rande  zwei  ungleich 
grosse  Höcker,  die  durch  eine  seichte  Furche  getrennt  sind.  Die  untere 
Epiphyse  trägt  wegen  ihrer  rollenförmigen  Gelenkfläche  den  Namen 
der  Trochlea  (tr).  Auf  ihren  beiden  Flächen  zeigen  sich  tiefe  Gruben, 
die  nur  durch  eine  dünne,  zuweilen  von  einem  Loche  durchbohrte 
Knochenlamelle  von  einander  geschieden  sind.  Jederseits  von  der 
Gelenkrolle  zeigen  sich  Höcker,  von  welchen  der  äussei'e  zur  Insertion 
der  Streckmuskeln ,  der  innere  zum  Ansätze  der  Beugemuskeln  des 
Vorderarmes  dient. 

Der  Vorderarm  besteht  aus  zwei  Knochen,  die  mit  ihren  Epi- 
physen innig  verbunden,  an  ihren  Diaphysen  aber  durch  einen  schmalen 
Zwischenraum  von  einander  getrennt  sind.  Der  kürzere  Radius 
(Fig.  335,  racl)  ist  leicht  von  vorn  nach  hinten  abgeplattet;  er  liegt 
vor  der  Ulna  oder  Cubitus  (c2iJ))  auf  der  inneren  Seite.  Sein  pro- 
ximales Ende  bildet  mit  der  Gelenkfläche  der  Ulna  eine  halbkreis- 
förmige Grube,  fossa  sigmoides,  in  welche  die  Trochlea  eingelenkt  ist. 
Das  distale  Ende  trägt  auf  der  Unterfläche  eine  doppelte ,  wenig  tiefe 
Gelenkgrube ,  in  welche  sich  die  beiden  ersten  Carpalknochen  ein- 
lenken. Die  Ulna  überragt  den  Radius  durch  eine  dicke  Verlängerung 
ihres  oberen  Endes,  das  Olecranon  (o?),  welches  hinter  dem  Ellbogen- 
gelenk aufsteigt  und  an  seinem  Vorderrande  einen  spitzen  Höcker,  den 
Schnabel  des  Olecranon,  bildet,  der  sich  in  die  hintere  Trochleargrube 
einlegt.  Die  Diaphyse  der  Ulna  ist  in  der  V^'"eise  von  vorn  nach  hinten 
zusammengedrückt,  dass  sie  auf  der  Vorderfläche  einen  inneren,  schnei- 
denden Rand  zeigt,  den  Ulnarkamm.  Das  distale  Ende  ist  in  eine 
kleine  Aushöhlung  des  Ulnarknochens  der  Handwurzel,  des  os pyramidale, 
eingelenkt;  es  ist,  wie  dasjenige  des  Radius,  stark  verknorpelt. 

Der  Vorderfuss  ist  derjenige  eines  Halbsohlengängers  (semi- 
plantigrad);  die  Mittelhandknochen  bleiben  beim  Gehen  theilweise  über 


Säuffetliiere. 


587 


Fig.  34c 


den  Boden  erhoben.     Er  besteht  aus  der  Handwurzel,    der  Mittelhand 
und  den  Fingern. 

Die  Handwurzel  (Carpus)  besteht  aus  neun,  in  zwei  Querreihen 
geordneten  unregelmässigen  Knöchelchen,  vier  in  der  ersten,  fünf  in 
der  zweiten  Reihe.  In  der  ersten  (Fig.  345)  finden  sich,  von  innen 
nach  aussen,  das  Carpo -radiale  oder  Scapboideum  (sc),  das  Semi- 
Innare  (sl) ,  das  Carpo-ulnare  oder  Pyramidale  (py)  und  das  kleine 
Erbsenbein  (Pisiforme) ,  das  man  in  unserer  Figur  nicht  sieht,  weil  es 
auf  der  Sohlenfläche  unter  dem  Hinterrande 
des  Pyramidale  liegt.  In  der  zweiten  Reihe 
liegen  das  Trapezium  (t  r) ,  das  Trapezoideum 
(t  z) ,  das  Centrale  (c  e) ,  welches  in  zwei  kleine 
Knöchelchen  zerfällt,  und  das  Hakenbein  (er), 
das  grösste  von  allen,  welches  mit  dem  Pyra- 
midale und  dem  Semilunare  eingelenkt  ist. 
Nur  bei  alten  Kaninchen  sind  diese  Stücke 
gänzlich  verknöchert;  häufig  sind  die  beiden 
Ceutralknöchelchen  verschmolzen,  so  dass  dann 
nur  acht  Handwurzelknocheu  vorhanden  sind. 
Uebrigens  geben  sie  durch  ihre  Gelenke  dem 
Vorderfusse  eiue  grosse  Beweglichkeit.  Das 
distale  Ende  des  Radius  ist  mit  dem  Scapboi- 
deum und  dem  Semilunare,  dasjenige  der  Ulna 
mit  dem  Pyramidale  und  dem  Pisiforme  ein- 
gelenkt. Die  fünf  Mittelhandknochen  (me) 
sind  cylindrisch  mit  angeschwollenen  Enden  ;  der 
dem  Daumen  entsprechende  radiale  Mittelhand- 
knochen ist  sehr  kurz;  der  zweite  und  dritte  sind 
die  längsten.  Von  den  Fingern  hat  der  Daumen 
nur  zwei  Phalangen,  die  übrigen  drei;  sie  sind  cy- 
lindrisch mit  angeschwollenen  Enden  ;  die  Basal- 
glieder am  längsten;  die  spitzen  und  gekrümmten 
Endglieder  sind  von  den  Nägeln  bedeckt. 

Der  ventralwärts  geschlossene  Becken- 
gürtel  (Fig.  336,  pah)  verbindet  die  hintere 
Extremität  mit  der  "Wirbelsäule  und  bildet  so 
die  Beckenhöhle,  die  sich  von  vorn  nach  hinten 
verlängert  und  deren  grosse  Axe  schief  nach  vorn  ansteigt.  Auf  den 
Seiten  wird  das  Becken  von  den  Darm-  und  Sitzbeinen,  dorsalwärts 
vom  Kreuzbeine,  ventralwärts  von  den  Schambeinen  und  dem  ventralen 
Aste  des  Sitzbeines  begrenzt.  Die  dem  Bauche  zugewendete  Mündung 
der  Beckenhöhle  ist  in  Folge  der  bedeutenderen  Ausweitung  der  Flügel 
am  Darm-  und  Schambeine  bei  dem  Weibchen  geräumiger  als  bei  dem 
Männchen.  Auf  jeder  Aussenfläche  des  Beckens  ist  die  halbkugelförmige 


pA  - 


Lep.  euu.  —  Skelett  des 
linken  Vorderfusses ,  von 
oben  gesehen.  Natürliche 
Grösse,  rad,  Radius;  rc, 
sein  überknorpeltes  Ende; 
cw6,  Ulna;  cc,  ihr  über- 
knorpeltes Ende ;  sc,  Sca- 
phoideum;  s/,  Semilunare; 
py,  Pyramidale;  tr,  Tra- 
pezium; tz,  Trapezoideum; 
ce,  Centralia;  er,  Hama- 
tum;  po,  Daumen:  mc, 
Mittelhandknochen;  ph, 
Phalano-en  der  Fintier. 


858  Wirbelthiere. 

Grube  des  Schenkelgelenkes,  das  AcetaLulum  (acht)  angebracht,  in 
welche  der  Gelenkkopf  des  Femur  eingelassen  ist;  links  und  rechts 
von  der  Schambeinfuge,  welche  den  Boden  des  Beckens  bildet,  findet 
sich  ein  grosses  ovales  Loch,  Foramen  ohturatoriuni  (to). 

Bei  jungen  Thieren  sind  die  drei  symmetrischen  Knochen,  welche 
jederseits  den  Beckengürtel  zusammensetzen,  noch  durch  knorplige 
Zwischenstreifen  geti'ennt;  bei  alten  Thieren  verwachsen  diese  Grenzen 
vollständig  und  erhalten  sich  nur  in  der  Umgegend  des  Acetabulum. 
Wir  haben  das  Skelett  eines  einen  Monat  alten  Kaninchens  vor 
uns  und  können  unschwer  die  dorsalen  Darmbeine,  die  ventralen 
Schambeine  und  die  hinteren  Sitzbeine  aus  ihren  Verbindungen  lösen. 
Das  Darmbein  {ilion,  Fig.  335,  il)  zeigt  einen  unteren  oder  ven- 
tralen Theil  in  Gestalt  eines  dreieckigen  Prisma,  den  Körper  (c^Z), 
welcher  den  Knochen  nach  hinten  mit  dem  Sitzbeine,  nach  unten  mit 
dem  Schambeine  verbindet;  sein  hinterer  und  äusserer  Rand  begrenzt 
vorn  das  Acetabulum.  Dieser  prismatische  Theil  verlängert  sich  nach 
oben  und  vorn  in  eine  mit  der  sagittalen  Ebene  des  Körpers  parallele 
Platte,  den  Darmbeinflügel  {all),  dessen  vorderer  Rand  scharf,  der 
hintere  rauh  und  der  obere  abgerundet  ist.  Dieser  Rand  wird  durch 
einen  kleinen  inneren  Vorsprung  in  zwei  Abschnitte  getheilt,  deren 
hinterer  dicker  ist  als  der  vordere.  Die  Aussenfläche  des  Flügels  ist 
convex ;  die  innere  concave  Fläche  trägt  hinten  eine  Gelenkfläche  zur 
Verbindung  mit  dem  Kreuzbeine. 

Der  Körper  des  Sitzbeines  (ischion,  is)  trifft  mit  dem  Darm- 
und Schambeine  in  der  Gelenkgrube  zusammen;  seine  innere  Fläche 
vereinigt  sich  mit  der  äusseren  unter  einem  scharfen  Winkel  und  bildet 
so  den  dorsalen  Rand,  der  sich  in  den  Sitzbeindorn  (eis)  fortsetzt; 
nach  hinten  verlängert  er  sich  in  einen  dorsalen  Ast;  der  sich  gegen 
sein  Ende  hin  stark  verdickt  und  den  Sitzbeinknorren  (tis)  bildet, 
von  welchem  ein  innerer  ventraler  Ast  abgeht,  der  mit  seinem  Gegen- 
über in  der  Sitzbeinsymphyse  zusammentrifft,  welche  die  Schambein- 
fuge verlängert.  Diese  Aeste  begrenzen  nach  hinten  das  Foramen 
obturatorium  (tö). 

Das  Schambein  (pulis,  puh)  besteht  aus  zwei  abgeplatteten 
Stücken,  die  unter  einem  stumpfen  Winkel  zusammentreffen.  Das  obere 
Stück  bildet  den  unteren  und  mittleren  Theil  des  Acetabulum,  und 
trifft  hier  durch  sein  eines  Ende  mit  dem  Darm-  und  Sitzbeine  zu- 
sammen ;  das  andere  Ende  verbindet  sich  mit  seinem  Gegenüber  in  der 
Schambeinfuge.  Das  untere  Längsstück  verschmilzt  nach  hinten  mit 
dem  ventralen  Aste  des  Sitzbeines.  Die  Ausschürfung  zwischen  beiden 
Aesten  begrenzt  vorn  das  Foramen  obturatorium.  Die  beiden  Scham- 
beine treffen  in  der  Symphyse  unter  einem  stumpfen  Winkel  zusammen 
und  bilden  so  eine  sehr  geringe  äussere  Schamfugenleiste.  Untersucht 
man  die  Umgebung  des  Acetabulum  bei  jungen  Thieren,  so  sieht  man 


Säugethiere.  859 

unten  am  Vereinigungspunkte  der  drei  Knochen  ein  kleines  Gelenk- 
knöchelchen,  das  aber  bald  mit  den  anderen  Knochen  verschmilzt. 

Der  Oberschenkel  besitzt  nur  einen  Knochen,  den  Femur  (siehe 
Fig.  335,  /),  dessen  cylindrische  Diaphyse  leicht  nach  vorn  und  aussen 
gekrümmt  ist.  Die  proximale  Epiphyse  steckt  mit  ihrem  runden  oder 
ellipsoiden  Gelenkkopfe  im  Acetabulum,  dessen  Tiefe  noch  durch  einen 
Knorpelring  vermehrt  wird,  der  den  Gelenkkopf  kapseiförmig  umgiebt. 
Der  Schenkelhals,  der  den  Kopf  mit  dem  Femur  verbindet,  hat 
eine  schiefe  Richtung;  er  zeigt  eine  obere  Grube  für  den  Ansatz  des 
runden  Bandes.  In  der  Verlängerung  der  Axe  des  Halses  findet  sich 
auf  der  Aussenseite  des  Schenkelbeines  ein  rauher  Vorsprung,  der 
grosse  Trochanter  (t r),  der  von  dem  Gelenkkopfe  durch  eine  Ein- 
senkung  getrennt  ist,  unter  welcher  man  auf  der  Aussenseite  die  tiefe 
Trochantergrube  findet.  Zwei  dem  Trochanter  analoge,  aber  weit 
weniger  vorstehende  Höcker  finden  sich,  der  kleine  Trochanter  auf  der 
Innenfläche,  der  äussere  auf  der  Aussenfläche;  beide  setzen  sich  auf 
der  Diaphyse  durch  unbedeutende  Leisten  fort.  Die  distale  Epiphyse 
des  Femur  zeigt  eine  Gelenkrolle  für  das  Kniegelenk  mit  der  Tibia. 
Auf  der  Aussenfläche  zeigt  die  Rolle  eine  Furchenrinne,  die  Knie- 
scheibenfurche, in  welcher  die  von  Knorpel  umgebene  Kniescheibe 
(r)  gleitet.  Die  Rolle  ist  von  zwei  Gelenkköpfen,  einem  inneren  und 
einem  äusseren,  gebildet,  welche  warzige  Seiteuflächen,  die  Epicondylen, 
zeigen,  an  welchen  sich  Muskeln  inseriren  und  durch  eine  tiefe  Zwischen- 
furche von  einander  getrennt  sind.  Die  Kniescheibe  (r)  ist  ein 
ovales  Knochenscheibchen,  aussen  convex,  innen  concav,  das,  wie  gesagt, 
auf  der  Aussenfläche  des  Kniegelenkes  auf-  und  abgleitet. 

Von  den  beiden  Knochen  des  Vorderbeines  ist  nur  die  Tibia 
(tih)  als  ein  cylin drischer  Knochen,  der  etwas  länger,  aber  auch  etwas 
schmächtiger  ist  als  der  Femur,  gut  entwickelt;  das  Wadenbein 
{peroneum ,  per)  ist  zu  einem  kleinen  Knochendorn  verkümmert,  der 
sich  an  die  Tibia  anlegt  und  etwa  bis  zur  Mitte  seiner  Länge  mit  ihr 
verschmolzen  ist.  Das  Vorderende  dieses  Dornes  zeigt  eine  Art  über- 
knorpelten  Gelenkkopfes,  der  sich  an  den  äusseren  Condylus  der  Tibia 
anlegt.  Die  proximale  Epiphyse  der  Tibia  zeigt  drei  Facetten  und 
endet  mit  einem  überknorpelten  Kopfe,  der  zwei,  durch  eine  Zwischen- 
furche getrennte,  etwas  concave  Gelenkhöcker  trägt.  Dieser  Theil  stellt 
wesentlich  das  sehr  complexe  Kniegelenk  her,  an  dem  nach  vorn 
die  Kniescheibe  und  hinten  drei  kleine,  aus  der  Verknöcherung  der 
Muskelsehnen  hervorgegangene  Sesambeine  theilnehmen,  welche  in 
die  Gelenkhöhle  vorspringen;  die  Gelenkhöcker  haben  rauhe  Ränder; 
der  äussere  deckt  den  Ansatz  des  Wadenbeines.  Die  Seitenflächen  der 
Tibia  treffen  in  einem  scharf  vortretenden  Winkel,  dem  Schienbein- 
kamme {c r  i) ,  auf  der  Vorderfläche  zusammen,  der  aber  nur  oben 
stark  hervortritt,   während  das   untere  Ende   der  Diaphyse  cylindrisch 


860 


Wirbeltliiere, 


wird.  Die  distale  Epiphyse  endet  mit  zwei  Gelenkrollen,  an  deren 
Seiten  man  zwei  hakenförmige  Vorsprünge ,  den  äusseren  und 
inneren  Knöchel,  bemerkt. 

Der  Fuss  besteht,  wie  gewöhnlich,  aus  Fusswurzel  (Tarsus,  t), 
Mittelfuss  (Metatarsus,  tnt)  und  den  Zehen  (ph).  Die  Fusswurzel 
besteht  aus  zwei  Querreihen  von  Knochen ;  die  proximale  Reihe  wird 
von  den  zwei  mächtigsten  Knochen  gebildet,  dem  Fersenbeine  und 
Sprungbeine;  die  Distale  von  vier  kleineren  Stücken.  Das  Sprung- 
bein (astragaJus,  Fig.  346,  ast)  liegt  nach  innen  auf  der  Tibial- 
Fig.  346.  Seite ;    sein   oberes   Ende   trägt  eine  Rolle  zur 

Einlenkung  mit  der  Tibia  und  seine  innere 
Sohlenfläche  eine  tiefe,  schiefe  Furche  zur  Ein- 
lenkung mit  dem  Fersenbeine.  Nach  vorn 
schwillt  der  Knochen  etwas  an  und  bildet  einen 
Gelenkkopf,  dessen  convexe  Endfläche  mit  dem 
Scaphoideum  articulirt.  Das  Fersenbein  (cal- 
caneum,  cal)  liegt  auf  der  Peronealseite  und 
verlängert  sich  weit  nach  hinten  über  die  Tibia 
hinaus  mit  einem  Fortsatze  (tc),  an  welchen 
sich  die  Achillessehne  ansetzt.  Der  Fortsatz 
liegt  in  der  Mittelaxe  des  Fusses,  hat  aber  eine 
etwas  schiefe  Richtung  gegen  die  Tibia;  auf 
der  Innenseite  trägt  er  einen  spiralig  gewun- 
denen Knorren,  durch  welchen  er  an  das  Sprung- 
bein eingelenkt  ist.  Das  vordere,  angeschwollene 
Ende  des  Fersenbeines  ist  mit  den  Würfelbeinen 
der  zweiten  Reihe  eingelenkt,  und  hat  in  Folge 
davon  eine  sehr  unregelmässige  Gestalt.  Die 
Knochen  der  distalen  Reihe  sind  das  schon  er- 
wähnte Scaphoideum  (sc)  vor  dem  Astragalus ; 
die  beiden  Keilknochen  (Cuneiformia,  cu),  vor 
dem  Scaphoideum  und  das  Würfelbein  (Cuboi- 
deum,  cfc),  das  aus  zwei  hinter  einander  liegen- 
den Stücken  zusammengewachsen  ist.  Das  Scaphoideum  berührt  nur 
mit  seinem  inneren  Winkel  den  ersten  Mittelfussknochen ;  es  ist  der 
grösste  Knochen  der  distalen  Reihe  und  ist  zwischen  den  Astragalus 
und  die  Keilknochen  eingeschoben,  die  mit  dem  ersten  und  zweiten 
Mittelfussknochen  eingelenkt  sind,  während  an  das  Cuboideum  sich  der 
dritte  und  vierte  Mittelfussknochen  einlenken. 

Die  vier  horizontalen  Mittelfussknochen  sind  länger  und  stärker 
als  die  Mittelhandknochen,  cylindrisch,  mit  angeschwollenen  Enden  und 
bilden,  eng  an  einander  gedrängt,  einen  etwas  gewölbten  Fussrücken. 
Der  Daumen  fehlt  am  Hinterfusse;  jede  der  vier  vorhandenen  Zehen 
hat  drei  Phalangen,  die  wie  an  dem  Vorderfusse  beschaffen  sind. 


Lep.  Clin.  —  Skelett  des 
linken  Hinterfusses ,  von 
oben  gesehen.  Natürliche 
Grösse,  asi,  Astragalus; 
■t  c ,  Knorren  des  Fersen- 
beines ;  ac,  Gelenkfläche 
desselben ;  sc,  Scaphoi- 
deum.; cu,  Cuneiformia; 
c 6,  Cuboideum;  ?»?,  Mittel- 
fussknochen. 


Säugethiere.  861 

Muskelsystem.  Die  Muskeln  des  frisch  getödteten  Thieres 
sindblass,  weich  und  wenig  deutlich;  die  Fascien,  welche  sie  nament- 
lich in  der  Rückengegend  einhüllen,  die  von  einem  bald  festen  und 
elastischen ,  bald  mehr  schwammigen  Gewebe  gebildeten  Aponeurosen, 
die  sie  verbinden,  gehen  ohne  genaue  Grenzen  in  einander  über.  Man 
erleichtert  sich  die  Präparation  der  Muskeln  sehr,  wenn  man  das  aus- 
geweidete und  abgebalgte  Thier  während  einiger  Tage  in  eine  20pro- 
centige  Lösung  von  Salpetersäure  legt,  welche  das  Muskelgewebe  festigt 
und  gelb  färbt,  während  das  Bindegewebe  weicher  und  nachgiebiger 
wird,  so  dass  die  Muskeln  und  die  Richtung  ihrer  Fasern  weit  deut- 
licher werden.  Selbstverständlich  müssen  die  Gewebe  durch  gründ- 
liches Aussüssen  in  viel  Wasser  von  der  überschüssigen  Salpetersäure 
befreit  werden. 

"Wie  bei  den  Sauropsiden ,  kann  man  zwei  Gruppen  von  Muskeln 
unterscheiden,  die  Hautmuskeln  und  die  an  Knochen  oder  Knorpel 
sich  ansetzenden  Skelettmuskeln.  Erstere  sind  wegen  der  grösseren 
Beweglichkeit  der  Tegumente  weit  weniger  differenzirt  als  letztei'e. 
Man  findet  fast  überall  mehrere,  einander  deckende  und  häufig  auch 
kreuzende  Muskelschichten.  Mit  Ausnahme  des  Zwerchfelles  sind  alle 
übrigen  Muskeln  symmetrisch  zu  beiden  Seiten  des  Körpers  entwickelt, 
so  dass  es  genügt,  nur  diejenigen  einer  Seite  zu  beschreiben,  und  werden 
wir  die  bei  dem  Skelette  vorgenommene  Ordnung  befolgen,  indem  wir 
erst  die  Hautmuskeln ,  dann  die  an  der  Wirbelsäule  imd  den  Rippen, 
hierauf  die  des  Kopfes  ins  Auge  fassen,  um  mit  den  Muskeln  der  Ex- 
tremitäten zu  enden.  Indessen  können  wir  nicht  in  alle  Einzelheiten 
eingehen  und  müssen  uns  auf  die  wichtigeren  Muskeln  beschränken, 
welche  der  Anfänger  leicht  präpariren  kann. 

Die  Hautmuskeln  sieht  man  beim  Abbalgen  des  Thieres;  der 
grosse  Hautmuskel  erstreckt  sich  jederseits  unter  der  Haut  der 
Brust  und  des  Bauches  mit  ausstrahlenden  Fasern,  von  dem  Vorder- 
gliede  an  bis  zur  Schwanzwurzel  und  zur  mittleren  weissen  Bauchlinie. 
Der  Streckmuskel  des  Schwanzes  ist  nur  ein  x^usläufer  dieses 
grossen  Muskels;  er  lässt  sich  etwa  an  dem  ersten  Drittel  des  Schwanzes 
erkennen. 

Der  Gesichtshautmuskel  entspi'ingt  in  der  Höhe  der  Nasen- 
knorpel auf  den  Seiten  des  Zwischenkiefers  und  heftet  sich  an  die 
Haut  der  Nase  und  Stirn ;  mit  den  Niederziehern  der  Nasenflügel  und 
der  Nasenscheidewand  unterhält  er  die  für  das  Kaninchen  so  charakte- 
ristischen beständigen  Schniipperbewegungen  der  Nase. 

Von  der  Haut  der  Brust  bis  zu  den  Wangen  erstreckt  sich  über 
den  Unterkiefer  hinweg  ein  dünnes  Muskelblatt,  Platysma  myoides. 

Die  Muskeln  der  Augen  und  Ohren  behandeln  wir  bei  Gelegen- 
heit dieser  Organe. 


862 


Wirbelthiere. 


•    Säugethiere.  863 

Stammmuskeln.  An  dem  abgebalgt en  und  auf  der  rechten  Seite 
liegenden  Thiere  sieht  man  sofort  die  grossen  Sebnenhäute,  welche  die« 
Rückenmuskeln  umhüllen  und  diesen  sogar  theilweise  zum  Ansätze 
dienen.  Man  muss  diese  Fascien  und  Aponevrosen  spalten,  um  die 
Muskeln  und  ihre  Ansätze  zur  Anschauung  zu  bringen..  Ohne  weitere 
Präparation  unterscheidet  man : 

Deu  M.  trapecius  s.  cucullaris  (Fig.  347,  tr),  welcher  einen 
grossen  Theil  der  vorderen  Rückeugegend,  vom  Halse  bis  zu  den  Lenden, 
bedeckt.  Er  zerfällt  in  zwei  deutlich  getrennte  Theile,  den  Halstheil 
(trc),  der  von  dem  Hinterhauptshöcker  und  dem  Nackenbande  entspringt 
und  mi^  convergirenden  Bündeln  sich  an  das  Acromiou  und  deu  Haken- 
fortsatz des  Schulterblattes  an-setzt,  imd  den  Rückeutheil  (trd),  welcher 
sich  seitlich  an  der  Wirbelsäule  erstreckt,  hinten  von  der  Fascia  dorso- 
lumbaris  (fdl)  entspringt  und  sich  au  die  Dornfortsätze  der  Rücken- 
wirbel ansetzt.  Er  bedeckt  grossentheils  die  Muskeln,  welche  sich  von 
der  Wirbelsäule  zum  Arme  begeben. 

Er  bedeckt  aucli  zum  Theil  den  M.  latissimus  dorsi  (gd),  einen 
breiten,  platten  Muskel,  der  schief  an  der  Brustseite  entwickelt  ist. 
Seine  Anfangssehnen  heften  sich  an  die  Fascia  dorso  -  lumbaris ,  die 
Dornfortsätze  der  drei  letzten  Rückenwirbel  und  die  entsprechenden 
falschen  Rippen.  Die  Bündel  convergiren  nach  vorn  und  unten,  sie  laufen 
über  den  unteren  Winkel  des  Schulterblattes ,  bedecken  zum  Theil  den 
M.  rotundus  und  verlängern  sich  bis  zum  Dorne  des  Humerus.  Seine 
Sehne  verschmilzt  am  dortigen  Ansätze  mit  dei-jenigen  des  M.  rotundus. 

Auf  den  Seiten  zeigen  sich  der  M.  obliquus  abdominis  (go),  der 
M.  longissimus  dorsi  (Id)  und  die  Ansätze  des  M.  serratus  (gde),  auf  die 
wir  zurückkommen  werden.  Hebt  man  den  M.  cucullaris  auf,  so  sieht 
man  darunter  die  beiden  Rautenmuskeln.  Der  vordere,  M.  rhomboi- 
dalis  cervicalis,  entspringt  unter  dem  Nackenbande  und  geht  an  den 

Sig.  347.  —  Lep.  ciin.  —  Muskelpräparat  der  linken  Seite.  Ein  Drittel  der  natür- 
lichen Grösse,  trc,  Halsportion  des  M.  trapezius ;  trd,  Rückenportion  desselben;  gr, 
M.  teres  magnus ;  gd,  M.  dorsi  magnus;  fdl,  die  Rückenlendenfascia,  gespalten,  um 
die  darunterliegenden  Muskeln  zu  zeigen;  le,  M.  spinalis  longus ;  Id,  M.  dorsi 
longus;  sl,  M.  sacrolumbaris;  go,  M.  obliquus  major;  ap,  Bauchaponevrose,  den  M. 
abdominis  rectus  bedeckend;  gde,  M.  serratus  major;  gp,  M.  pectoralis  major;  se, 
M.  supraspinosus;  sa,  M.  orbito-auricularis;  _;'«,  M.  jugo-auricularis;  t,  M.  temporalis ; 
Is,  M.  levator  labii  superioris;  hi,  M.  levator  nasi;  <öc,  M.  buccinatorius;  pz,  M.  zygo- 
maticus  minor;  dli,  M.  depressor  labii  inferioris;  mas,  M.  masseter;  sm,  M.  sterno- 
mastoideus;  dm,  M.  cleido-mastoideus;  del,  M.  deltoideus,  Schlüsselbeinportion;  del', 
Schulterportion  desselben;  ab,  M.  acromio-basilaris  ;  ae,  M.  anconeus  externus ;  al, 
M-  anconeusjongus;    bri,  M.  fle.xor  brachii  brevis ;    bi,  M.  biceps  brachii;  er,  M.  ex- 

'tensor  carpi  radialis;  ecd,  M.  extensor  digitorum  communis;  ced,  M.  extensor  digi- 
torum  externus;  lap,  M.  abductor  pollicis  longus  ;  ce,  M.  cubitalis  externus  ;  s,  M.  flexor 
carpi^j  gf,  M.  glutaeus  major;  bi,  M.  biceps  femoris ;  dm,  M.  semi-membranosus  ; 
dt,M.    semi -tendinosus ;    ge,  M.  gastrocnemius   externus;    sol,    M.  solearis;    if,    M. 

'flexor  longus;  ^j^,  Sehne  des  M.  peroneus  minor;  Ip,  M.  peroneus  longus;  tfl,  M. 
extensor  fasciae  latae ;  c  o,  M.  sartorius. 


864  Wirbelthiere. 

oberen  Rand  des  Schulterblattes;  der  hintere,  stärkere,  M.  rhomboi- 
dalis  dorsalis,  entspringt  parallel  mit  dem  Rückentheile  des  M. 
cucullaris,  der  ihn  deckt,  an  den  sieben  ersten  Rückenwirbeln  und 
inserirt  sich  an  dem  oberen  Rande  des  Schulterblattes. 

Die  Heber  des  Schulterblattes  (M.  levator  scapulae  major  und 
minor)  werden  von  den  Rautenmuskeln  überdeckt.  Sie  liegen  an  den 
Seiten  des  Halses,  entstehen  an  der  Naht  zwischen  Keilbein  und  Grund- 
bein des  Schädels  und  inseriren  sich  am  unteren  Winkel  des  Schulter- 
blattes, der  eine  an  dem  Knochen  selbst,  der  andere  zwischen  dem 
Acromion  und  dem  Hakenfortsatze,  neben  dem  Halstheile  des  Musculus 
cucullaris. 

Nach  Wegnahme  des  M.  latissimus'  dorsi  sieht  man  die  beiden 
Sägemuskeln.  Der  grössere,  M.  serratus  anticus  (gde),  entspringt 
auf  allen  Rippen ,  von  der  dritten  bis  zur  neunten ,  mit  ebenso  viel 
getrennten,  platten  Sehnen,  die  seinem  Ansätze  ein  gezacktes  Ansehen 
geben.  Die  Bündel  bilden  einen  platten  Muskel  und  convergiren  dann 
gegen  die  Innenfläche  des  Schulterblattes,  wo  sie  sich  ansetzen.  Der 
M.  serratus  posticus  ist  kleiner,  dünn,  aber  breit;  er  entspringt  an 
dem  Nackenbande  und  der  Fascia  dorso-lumbaris;  seine  Bündel  kreuzen 
sich  mit  denjenigen  des  vorigen  und  setzen  sich  an  die  Aussenfläche 
der  Rippen,  von  der  vierten  bis  zur  zwölften. 

Nach  Wegnahme  der  den  Rücken  vom  Nacken  bis  zur  Lenden- 
gegend einhüllenden  Fascien  kann  man  die  Muskeln  präpariren ,  die 
mit  der  Wirbelsäule  in  engster  Beziehimg  stehen. 

Die  Bündel  des  M.  splenius  entstehen  am  Nackenbande,  laufen 
nach  vorn  und  inseriren  sich  mit  einer  breiten  Sehne  an  der  Schuppe 
des  Hinterhauptsbeines  und  dem  Zitzenfortsatze  des  Schläfenbeines. 

Der  M.  sacro-spinalis  ist  ein  langer  Muskel,  der  die  Vertiefung 
zwischen  den  Dornfortsätzen  der  Wirbel  und  den  Gelenkköpfen  der 
Rippen  ausfüllt.  Die  der  Wirbelsäule  parallel  laufenden  Bündel  ent- 
stehen an  dem  Kamme  des  Darmbeines,  laufen  über  das  Kreuzbein 
und  die  Lendengegend  weg  und  trennen  sich,  an  den  Rippen  angelangt, 
in  zwei  Muskeln.  Der  untere,  M.  ileo-costalis  (si),  der  mehr  bauch- 
wärts  liegt,  verlängert  sich  bis  zum  letzten  Halswirbel.  Er  setzt  sich 
mit  zwölf  getrennten  Sehnen,  von  welchen  die  der  sieben  vordersten 
Rippen  die  längsten  und  dünnsten  sind,  an  die  Aussenseite  aller  Rippen 
an.  Die  vor  dem  Darmbeine  entstehenden  Bündel  sind  mit  denen  des 
M.  sacro-spinalis  verschmolzen ;  sie  werden  durch  Bänder  verstärkt,  die 
von  den  vorderen  Rippen  kommen. 

Der  obere,  grössere  Muskel,  der  sich  abtrennt  und  selbständig 
wird,  der  M.  longissimus  dorsi  (Id),  zeigt  nach  der  Trennung  Inser- 
tionen an  die  Querfortsätze  der  Lendenwirbel,  und  weiter  nach  vorn 
an  alle  Rippen  und  Wirbelfortsätze  bis  zu  dem  Hinterhaupte.  Gegen 
den  Kopf  zu  wird  er  nach  und  nach  schmächtiger.    Man  hat  drei  Ab- 


Säugethiere.  865 

schnitte,  den  Rücken-,  Hals-  und  Kopftheil  unterschieden ,  und  die  bei- 
den letzteren  unnöthiger  Weise  als  M.  complexus  minor  und  M.  trans- 
versalis  colli  besonders  abgehandelt. 

Als  Mm.  Sinnales  (Je)  bezeichnen  wir  ein  System  kleiner,  unter 
den  vorigen  gelegenen  Muskeln,  welche  mit  kurzen  Sehnen  von  den 
Dorn-  und  Zitzenfortsätzen  der  vorderen  Lendenwirbel  und  hinteren 
Rückenwirbel  entspringen ,  ein  oder  zwei  Wirbel  überspringen  und 
sich  dann  an  die  entsprechenden  Fortsätze  der  vorderen  Rückenwirbel 
und  der  Halswirbel  festsetzen.  In  der  Nackengegend  vereinigen  sich 
die  Bündel  zu  einem  Muskel,  üf.  complexus  major,  der  sich  an  das 
Hinterhaupt  inserirt.  Da  diese  Wirbelmuskeln  noch  Verstärkungen 
durch  Sehnen  vom  M.  longissimus  dorsi  erhalten,  so  sind  sie  oft  ebenso 
wenig  difFerenzirt ,  als  darunter  liegende  kleine  Bündel,  welche  die 
tiefste  Schicht  der  Musculatur  der  Wirbelsäule  bilden.  Ueberall,  vom 
Kreuzbein  bis  zum  Halse,  finden  wir  schiefe  Bündel,  welche  sich  zwi- 
schen den  Wirbelfortsätzen  erstrecken;  am  mächtigsten  sind  sie  in  der 
Lendengegend.  Sie  vermitteln  die  sehr  beschränkten  Bewegungen  der 
einzelnen  Wirbel  unter  einander;  ihr  Ganzes  ist  auch  als  31.  muUifidtis 
beschrieben  worden;  je  nach  den  einzelnen  Gegenden  mischen  sie  sich 
noch  mit  Bündeln,  welche  zwischen  den  Querfortsätzen  oder  den  Dorn- 
fortsätzen der  Wirbel  (Mm.  interspinales  und  Mm.  intertransversarii) 
sich  entwickelt  haben. 

An  das  Kreuzbein  heften  sich  noch  die  speciellen  Schwanz- 
muskeln, unter  welchen  man,  ausser  dem  schon  erwähnten  äusseren 
Hautmuskel,  zwei  seitliche  Extensoren ,  zwei  Abductoren  und  einen 
Beugemuskel  unterscheiden  kann. 

Die  Stammbauchmuskeln  (Fig.  348  a.  f.  S.)  bilden  die  seit- 
lichen und  ventralen  Körperwände.  Die  Brustmuskeln  (gj),  pp),  welche 
einen  indirecten  Antheil  an  der  Bildung  der  Bauchwäude  nehmen, 
werden  wir  bei  Gelegenheit  der  vorderen  Extremität  behandeln.  Nach 
ihrer  Wegnahme  sieht  man  erst  die  eigentlichen  Stammmuskeln.  Die 
Mm.  intercostal.es  (i  c)  spannen  sich ,  wie  ihr  Name  besagt ,  in  den 
Zwischenräumen  der  Rippen  aus ;  ihre  Fasern  verlaufen  schief,  von 
vorn  und  oben  nach  hinten  und  unten  von  dem  Hinterrande  einer 
Rippe  zum  Vorderrande  der  folgenden  in  der  äusseren  Schicht,  wäh- 
rend die  Fasern  der  inneren  Schicht  sich  in  entgegengesetzter  Rich- 
tung mit  den  äusseren  kreuzen.  Die  Mm.  Jevatores  costarum  liegen 
dorsalwärts  von  ihnen;  sie  entstehen  an  den  Querfortsätzen  der  Rücken- 
wirbel und  setzen  sich  an  die  entsprechende  Rippe. 

Das  Zwerchfell  (Fig.  332,  t)  bildet  eine  im  Ganzen  quer  und 
senkrecht  gestellte ,  elliptische  Muskelscheibe ,  welche  die  Brusthöhle 
von  der  Bauchhöhle  scheidet  und  zum  grössten  Theile  sehnig  ist.  Die 
dorso- ventrale  Axe  dieser  Scheibe  ist  grösser  als  die  Queraxe ;  sie  ist 
leicht  convex  gegen  die  Brusthöhle  hin.    Der  Wirbeltheil,   der  sich 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  xx 


866 


Wirbelthiere. 

Fig.  348. 


Säugethiere.  867 

mit  drei  Bündeln  an  die  Lendenwirbel  ansetzt,  lässt  in  der  Mitte  einen 
Raum,  der  von  der  Bauchaorta  durchsetzt  wird.  Der  Rippentheil 
entsteht  mit  sieben  fingerförmigen  Bündeln  an  den  Rippenknorpeln 
und  zwei  weiteren  Bündeln  an  dem  Schwertfortsatze  des  Brustbeines, 
und  wird  vom  Schlünde  und  der  Hohlvene  durchbrochen.  Die  Fasern 
des  fleischigen  Theiles  convergiren  gegen  eine  mittlere,  dünne  und 
durchscheinende  Sehnenausbreitung,  Centrum  pbrenicum. 

Die  eigentlichen  Bauchmuskeln  zeigen  mehrere  Schichten.  Von 
aussen  nach  innen  folgen  sich:  der  M.  öbliqims  abdominis  extermis 
(Fig.  347  u.  348,  go),  der  grösste  von  allen.  Er  entspringt  vorn  mit 
zehn  Bündeln  an  den  zehn  letzten  Rippen  und  dem  Schwertfortsatze, 
oben  an  dem  oberflächlichen  Blatte  der  Fascia  dorso  -  lumbaris.  Die 
Ursprünge  an  den  Rippen  werden  von  den  Fasern  des  grossen  Rücken- 
muskels (gel)  gekreuzt;  die  Fasern  laufen  schief  nach  hinten  und  unten 
und  setzen  sich  mit  einer  Aponeurose  (oj;)  an  die  lange  und  schmale 
weisse  Mittellinie  des  Bauches  an,  welche  den  geraden  grossen  Bauch- 
muskel (gdah)  deckt.  Die  hintersten  Fasern  erstrecken  sich  bis  zum 
Kamme  des  Darmbeines. 

Ueber  diesem  Muskel  (bei  der  Lage  des  Präparates  auf  der  Rücken- 
fläche unter  ihm)  verläuft  der  M.  ohliqims  abdominis  internus,  ein 
dünner,  rautenförmiger  Muskel,  dessen  schief  nach  oben  und  vorn  ge- 
richtete Fasern  sich  theils  an  das  Leistenband,  theils  an  die  Fascia 
dorso -lumbaris  und  an  die  fünf  letzten  Rippen  ansetzen.  Der  Muskel 
bedeckt  den  M.  transversus  abdominis ,  dessen  quere  Fasern  zwischen 
dem  mittleren  Theile  des  Leistenbandes  und  der  Fascia  dorso-lumbaris 
bis  zum  siebenten  Rippenpaare  sich  ausdehnen. 

Nach  Wegnahme  der  Brustmuskeln  sieht  man  an  dem  auf  dem 
Rücken  liegenden  Thiere  den  Ursprung  des  M.  recfus  ahdominis  (siehe 
Fig.  348,  gdah),  der  mit  einer  breiten  Sehne  an  der  ventralen  Fläche 
des  Brustbeines  des  Schwertfortsatzes  und  der  zweiten  bis  siebenten 
Rippe  sich  ansetzt.  Der  Muskel,  der  in  der  Mitte  anschwillt,  nach 
beiden  Enden  sich  verschmälert,  verläuft  gerade  nach  hinten  und  zeigt 
sechs  weisse  Querbinden  (Inscriptiones  tendineae).  Mit  seinem  Gegen- 
über  in    der   weissen   Bauchlinie    verbunden ,    setzt   er    sich   mit   einer 

Fig.  348.  —  Lep.  cun.  —  Muskelpräparat  der  Bauchseite  (nach  einer  Zeichnung  von 
G.  Cuvier  und  Laurillard),  dli,  M.  depressor  labii  inferioris;  hc,  M.  buccinator; 
mh,  M.  mylo-hyoideus ;  mas,  M.  masseter;  dig,  M.  digastricus;  pti,  M.  pterygoideus 
internus;  sth,  M.  stylo-hyoideus ;  sh,  M.  sterno-hyoideus;  th,  M.  thyroideus ;  st,  M. 
sterno  -  thyroideus  ;  sc,  M.  scalenus  ;  stm,  M.  sterno  -  mastoideus  ;  dm,  M.  cleido- 
mastoideus;  clb,  M.  cleido-basilaris ;  tr,  M.  trapezius ;  pp,  31.  pectoralis  minor;  gp, 
M.  pectoralis  major;  del  M.  deltoideus ;  se,  M.  supra-spinosus ;  gda,  M.  rectus 
anterior  grandis ;  gd,  M.  dorsi  magnus;  gde,  M.  serratus  magnus;  go,  M.  oWiquus 
major;  p  o,  M.  obliquus  minor;  ap,  Aponevrose,  welche  den  M.  rectus  abdominis 
magnus,  gdab,  überdeckt;  bri,  M.  brachii  internus;  bi,  M.  biceps  brachii;  ai,  M. 
anconeus  internus;  al,  M.  anconeus  longus   (Schulterbündel  des   M.  triceps). 


868  Wirbelthiere. 

gemeinsamen  Sehne  an  die  Schambeinfuge  an.  Der  M.  quadratus  lum- 
bofum,  der  den  Zwischenraum  zwischen  den  letzten  Rippen  und  dem 
Kamme  des  Darmbeines  ausfüllt,  schliesst  die  Reihe  der  Bauchmuskeln. 

Kopfmuskeln.  Fünf  kurze,  von  den  Nackenmuskeln  bedeckte, 
zwischen  dem  Hinterhaupte  und  den  Halswirbeln  ausgespannte  Muskel- 
paare, worunter  drei  gerade  und  zwei  schiefe,  heften  den  Kopf  an  die 
Wirbelsäule.  Der  M.  capitis  redus  major  geht  vom  Dornfortsatze  des 
Epistropheus  zur  Hinterhauptsschuppe;  der  zum  Theil  vom  vorigen 
bedeckte  M.  rechts  capitis  minor  von  dem  hinteren  Höcker  des  Atlas  zum 
Vorsprunge  des  Hinterhauptsbeines;  der  M.  rectus  capitis  lateralis  vom 
Querfortsatze  des  Atlas  zum  hinteren  Rande  des  Jochfortsatzes  des  Hinter- 
hauptsbeines; er  legt  sich  in  die  Rille  zwischen  diesem  und  dem  Gelenk- 
kopfe des  Hinterhauptsbeines;  der  M.  ohliguus  capitis  major,  der  grösste 
von  allen,  geht  von  dem  Dornfortsatze  des  zweiten  Wirbels  zum  Quer- 
fortsatze des  ersten ;  der  31.  ohliquus  capitis  minor  erstreckt  sich  zwi- 
schen dem  Querfortsatze  des  Atlas  und  dem  Seitenrande  des  äusseren 
Hinterhauptsknorrens. 

Die  anderen  Kopfmuskeln  lassen  sich  in  drei  Gruppen  theilen : 
Gesichtsmuskeln,  Kaumuskeln  und  Halsmuskeln. 

Die  Gesichts muskeln  sind  kleine,  von  den  Hautmuskeln  in 
der  Art  abgezweigte  Bündel,  dass  sie  an  Knochen  entstehen,  aber  sich 
an  der  Haut  ansetzen.  Wir  unterscheiden:  den  kleinen  und  grossen 
M.  zygomaticus,  von  dem  Jochfortsatze  des  Schläfenbeines  zur  Haut  der 
Wange  bis  zur  Oberlippe  (Fig.  347,  pz);  den  M.  levator  labii  supe- 
rioris,  von  der  Grube  an  der  Wurzel  des  Jochbeinfoi'tsatzes  des  Ober- 
kiefers zur  Oberlippe  (7  s);  den  M.  levator  nasi  vom  unteren  Rande  der 
Augenhöhle  zur  Seitenfläche  der  Nase  (In);  den  M.  levator  anguli  oris 
vom  Oberkiefer  zum  Mundwinkel;  den  M.  huccinator  (bc),  von  dem 
hinteren  Theile  des  Oberkiefers  zu  beiden  Lippen;  den  31.  depressor 
labii  inferioris  (dli),  vom  unteren  Rande  des  Unterkiefers  zur  Lippe. 
Er  wird  von  dem  Unterkinnmuskel  bedeckt. 

Alle  Kaumuskeln  heften  sich  einerseits  an  den  Schädel,  ander- 
seits an  den  Unterkiefer  an;  der  mächtigste  ist  der  31.  masseter 
(Fig.  347,  mas),  der  aus  zwei  Schichten  besteht,  einer  oberflächlichen, 
die  an  der  Seitenfläche  des  Jochfortsatzes  entsteht  und  einer  tieferen, 
die  auf  der  Innenfläche  desselben  Fortsatzes  angebracht  ist.  Beide  ver- 
einigen sich,  um  sich  an  der  Seitenfläche  des  Unterkiefers  anzusetzen. 
Der  3£.  temporalis  (t)  heftet  sich  an  den  Kronenfortsatz  des  Unterkiefers; 
er  entsteht  an  der  Aussenfläche  des  Schläfenbeines  in  der  Schläfengrube. 
Die  31m.  pterygoidei  vermitteln  die  seitlichen  Bewegungen ;  der  kleinere 
innere  geht  von  der  Flügelgrube  aus  (Fig.  348,  pti),  der  stärkere 
äussere  erstreckt  sich  zwischen  dem  seitlichen  Blatte  des  Flügelfort- 
satzes zum  Kieferloche. 


Säugethiere.  869 

Halsmuskeln.  Auf  den  Seiten  des  Halses  finden  sich  zuerst 
drei  3Iin.  scaleni  (Fig.  348,  sc),  sie  laufen  parallel  schief  nach  hinten 
und  unten  von  den  Querfortsätzen  der  Halswirbel  zu  der  Äussenfläche 
der  ersten  Rippen.  Der  31.  lonr/us  colli  hat  die  Gestalt  eines  in  die 
Länge  gezogenen  Dreieckes;  seine  Bündel  entstehen  an  den  Körpern  der 
letzten  Halswirbel  und  der  letzten  Brustwirbel  und  setzen  sich  an  die 
vorderen  Halswirbel ,  besonders  an  den  unteren  Theil  des  Ringes  des 
Atlas.  Der  M.  rectus  capitis  anticus  major  entsteht  mit  mehreren  Bün- 
deln an  den  Querfortsätzen  der  sechs  ersten  Halswirbel;  der  gemein- 
same Muskelbauch  setzt  sich  an  die  Naht  zwischen  dem  Grundbeine 
und  Keilbeine.  Der  von  ihm  bedeckte  M.  rectus  capitis  anticus  minor 
setzt  sich  etwas  weiter  hinten  am  Grundbeine  an;  er  entsteht  am 
Querfortsatze  des  Atlas.  Der  M.  cJeido-mastoideus  (clm)  verläuft  als 
langer,  dünner  und  glatter  Muskel  schief  an  der  Aussenseite  des  Halses 
zu  der  das  Schlüsselbein  ersetzenden  Sehne.  Der  31.  hasi-humeralis 
läuft  in  derselben  Richtung  vom  Grundbeine  zur  Schlüsselbeinsehne ; 
seine  Fortsetzung  auf  dem  Arme  bildet  der  31.  deltoideus  (del),  von 
dem  später  die  Rede  sein  wird. 

Die  Halsmuskeln  der  ventralen  Seite  stehen  fast  alle  mit  dem 
Zungenbeinapparate  in  Verbindung  und  umgeben  die  Luftröhre.  Zu 
ihnen  gehören  der  31.  sterno  -mastoideus  (Fig.  348,  stm),  der  an  der 
Mittellinie  vom  Handgriffe  des  Brustbeines  ausgeht  und  schief  nach 
vorn  laufend  sich  neben  dem  M.  cleido-mostoideus  an  den  Zitzenfort- 
satz des  Schläfenbeines  setzt.  Der  31.  sterno -hyoideus  (sh)  entsteht  an 
demselben  Orte  wie  der  vorige;  er  legt  sich  aber  an  die  Luftröhre  an 
und  inserirt  sich  an  dem  Zungenbeine  und  den  grossen  Hörnern  des- 
selben. Der  31.  sterno -tliyroideus  (st)  hat  denselben  Ursprung  und 
Verlauf,  setzt  sich  aber  an  der  Seitenfläche  des  Schildknorpels  des 
Kehlkopfes  an.  Der  ziemlich  dicke  31.  tliyroideus  (th)  erstreckt  sich 
hinter  dem  vorigen  zwischen  Schildknorpel  und  grossem  Zungenbein- 
horne.  Die  beiden  3f»i.  stylo-hyoidei  (stli)  gehen  vom  Jochfortsatze  des 
Hinterhauptsbeines,  der  grössere  zum  grossen,  der  kleinere  zum  kleinen 
Hörne  des  Zungenbeines,  an  deren  Enden.  Der  31.  mylo-hyoideus  (mh) 
liegt  auf  der  Unterkieferdrüse  und  reicht  vom  Körper  des  Zungen- 
beines zum  Wirbel  der  beiden  Aeste  des  Unterkiefers ,  begleitet  vom 
31.  genio-hyoideus,  der  etwa  denselben  Verlauf  hat. 

Muskeln  des  Vordergliedes.  Wir  haben  die  Schulter - 
muskeln  schon  am  Halse  und  dem  Thorax  angetroffen,  wo  ihre 
Ursprünge  sich  befinden.  So  breiten  sich  die  Brustmuskeln  zwi- 
schen dem  Brusteine,  wo  sie  entstehen,  und  dem  Humerus  aus,  wo  sie 
sich  ansetzen.  Der  31.  pectoralis  major  (Fig.  348,  gj))  entsteht,  wie 
der  31.  pectoralis  minor  {pp),  den  er  zum  Theil  bedeckt,  an  der  Mittel- 
linie des  Brustbeines  und  heftet  sich  an  den  Dornfortsatz  des  Humerus 
an,  während  der  andere  sich  zum  Theil  an  die  Schlüsselbeinsehne  und 


870 


Wirbelthiere. 


zum  Theil  an  den  oberen  Rand  des  Schulterblattes  ansetzt.  Der  M. 
deltoideus  (Fig.  347,  348,  del)  bildet,  in  dem  von  dem  Schulterblatte 
und  dem  Humerus  hergestellten  Winkel,  die  Fortsetzung  des  M.  basio- 
humeralis,  den  wir  schon  am  Halse  erwähnten.    Er  besteht  aus  einem 

Fig.  349. 


Lep.  cun.  —  Muskeln  der  Innenseite  des  Vorderfusses  (nach  Cuvier  und  Lauril- 
lard).  om,  Schulterblatt;  ss,  M.  sub-scapularis ;  se,  M.  supro  -  spinosus ;  gr,  M. 
teres  major;  cb,  M.  coraco-brachialis ;  bi,  M.  biceps  brachii ;  ai,  M.  anconeus  in- 
ternus (Armportion  des  M.  triceps);  al,  M.  anconeus  longus  (Schulterportion  des  M. 
triceps);  ap,  M.  anconeus  posterior;  le,  M.  extensor  brachii  longus;  h,  humerus; 
er,  M.  extensor  carpi  radialis;  i-jj,  M.  pronator  magnus;  fr,  M.  flexor  carpi  radialis; 
f]),  M.  flexor  profundus  digitorum ;  fs,  M.  flexor  superficialis;  lap,  Sehne  des  M. 
abductor  pollicis  longus;  ci,  M.  cubitalis  internus. 

Bündel  vom  Schulterblatte,  einem  anderen  vom  Acromion,  die  nach 
ihrer  Vereinigung  eine  lange  Sehne  bilden,  welche  sich  an  den  Vorder- 
rand des  Humerus  ansetzt  und  diesen  beugt. 

Unter  dem  M.  deltoideus  liegt  auf  der  Aussenfläche  des  Schulter- 
blattes der  M.  epispinosus,  grossentheils  von  dem  M.  irapezius  bedeckt, 


Säugetbiere.  871 

der  von  dem  Kamine  des  Schulterblattes  ausgebt,  dessen  obere  Grube 
erfüllt  und  sich  an  den  grossen  Knorren  des  Kopfes  des  Humerus  an- 
setzt (Fig.  349,  se).  Der  M.  siibsphiosus  entspricht  dem  vorigen  in 
der  unteren  Grube  und  setzt  sich  ebenfalls  an  den  Kopf  des  Humerus. 
Beide  Muskeln  sind  Strecker  der  Schulter;  sie  ziehen  den  Arm  nach 
vorn. 

Ihre  Antagonisten ,  also  Beuger ,  sind  die  Mm.  ieres  major  und 
minor.  Erster  er  entsteht  mit  einer  breiten  Sehne  am  unteren  Rande 
der  unteren  Schiilterblattgrube ,  und  setzt  sich  unter  dem  M.  sub- 
spinosus  an  den  Humerus ;  der  letztere,  welcher  sehr  dick  und  fleischig 
ist,  liegt  in  dem  Winkel  zwischen  dem  Schulterblatte  und  dem  Humerus, 
an  dessen  Kopf  er  sich  ansetzt  (Fig.  349,  gs),  und  wird  theilweise  von 
dem  M.  trapezius  und  M.  latissimus  dorsi  bedeckt. 

Der  M.  subscapuJuris  (Fig.  349,  ss),  der  die  Schulter  streckt,  geht 
von  der  inneren  Fläche  des  Schulterblattes  aus  und  setzt  sich  mit 
seinen  fächerartig  geordneten ,  durch  Sehnenblätter  getrennten  Bün- 
deln an  den  kleinen  Knorren  des  Kopfes  des  Humerus  an. 

Die  Armmuskeln,  Beuger  und  Strecker,  bewegen  den  Vorder- 
arm in  dem  Ellbogengelenke ;  ihre  Anfänge  sind  von  den  Schulter- 
muskeln bedeckt. 

Strecker.  Der  M.  extensor  antUjracliü  (Fig.  349,  le)  erstreckt 
sich  als  glatter  und  breiter  Muskel  von  der  die  Mm.  teretes  umhüllen- 
den Fascie  zum  hinteren  Rande  des  Olecranon.  Die  Mm.  anconaei, 
welche  an  ihrem  Ursprünge  getrennt  sich  in  einer  Endsehne  zusammen- 
finden, und  so  den  M.  trkeps  bilden.  Man  unterscheidet  den  M.  an- 
conaeus  longus ,  der  stärkste  von  den  dreien ,  welcher  am  Hinterrande 
des  Schulterblattes  neben  dem  M.  teres  major  entsteht  und  unter  dem- 
selben direct  zum  Acromion  geht;  etwa  in  der  Hälfte  der  Länge  des 
Humerus  verbindet  er  sich  mit  dem  31.  anconaeus  curtus.  der  auf  der 
Aussenfläche  des  Armes  liegt,  und  setzt  sich  mit  ihm  an  das  Olecranon 
an.  Der  M.  anconaeus  internus  (ai),  theilweise  von  dem  M.  anconaeus 
longus  bedeckt,  läuft  parallel  mit  dem  Knochen  an  der  Innenseite  des 
Armes  zu  demselben  Insertionspunkte,  bleibt  aber  auf  seiner  ganzen 
Länge  isolirt. 

Beuger.  Der  M.  hice2)S  hracMi  oder  M.  gleno-uJnaris  (bi)  ent- 
springt mit  einer  Sehne  innen  an  der  Kapsel  des  Schultergelenkes  und 
setzt  sich  mit  zwei  getrennten  Sehnen  an  den  Radius  und  die  Ulna. 
Der  31.  traclin  internus  (Fig.  347,  hri)  entsteht  mit  zwei  Bündeln  an  . 
der  inneren  und  äusseren  Leiste  des  Humerus,  läuft  dem  Knochen  ent- 
lang und  endigt  mit  einer  Doppelsehne,  deren  Aeste  sich  an  die  Knorren 
des  Radius  und  der  Ulna  neben  den  vorigen  ansetzen. 

Die  spindelförmigen  Muskeln  des  Vorderarmes ,  welche  die  Hand 
und  die  Finger  bewegen,  enden  mit  langen  Sehnen,  die  sich  an  die 
Knochen  der  Handwurzel  ansetzen.   Die  Strecker  liegen  auf  der  äusseren 


872  Wirbeltliiere. 

und  der  dorsalen  P'läche  des  Vorderarmes ;  sie  entstehen  meist  an  dem 
äusseren  Gelenkkopfe  der  distalen  Epiphyse  des  Humerus.  Dazu  ge- 
hören: der  M.  extensor  carpi  radialis  (Fig.  349,  er),  der  auf  der  Dorsal- 
fläche des  Radius  liegt;  der  fleischige  Muskelbauch  theilt  sich  in  ein 
oberflächliches  langes  und  ein  kurzes  tiefes  Bündel,  dessen  Sehnen  sich 
an  den  zweiten  und  dritten  Mittelfussknochen  ansetzen ;  der  M.  extensor 
digitorum  cotmmmis  (ecd),  der,  theilweise  von  dem  vorigen  bedeckt,  auf 
der  Uinarseite  des  Vorderai'mes ,  etwa  in  derselben  Länge  desselben 
entsteht;  er  setzt  sich  mit  vier  Endsehnen  an  die  Mittelhandknochen 
und  Phalangen  der  vier  äusseren  Finger;  der  31.  extensor  digitorum 
externus  (ced)  geht  nur  an  die  drei  äusseren  Finger.  Die  Muskeln  des 
Daumens  liegen  tiefer;  der  31.  äbductor ][)oJliciS  (Jap)  entsteht  auf  einer 
kleinen  Leiste  der  Ulna  einerseits,  auf  der  Aussenfläche  des  Radius 
anderseits;  er  verläuft  in  der  Rille  zwischen  den  beiden  Knochen  und 
setzt  sich  mit  einer  langen  Sehne  an  die  Basis  des  ersten  Mittelhand- 
knochens; der  M.  extensor  pollicis  endet  mit  zwei  Sehnen,  von  welchen 
die  bedeutendere  sich  an  den  Daumen,  die  andere  an  den  zweiten  Finger 
ansetzt. 

Die  Beuger  des  Vorderarmes  entstehen  grossentheils  an  dem  inneren 
Gelenkkopfe  der  distalen  Epiphyse  des  Humerus  und  verlaufen  auf  der 
inneren  und  hinteren  Fläche  des  Gliedes.  Hierher  gehören  der  31.  Pro- 
nator teres  (Fig.  349,  rp),  der  sich  etwa  in  der  Mitte  des  Radius  auf 
dessen  ventraler  Fläche  anheftet,  dem  Roller  des  Radius  beim  Men- 
schen entspricht,  aber  wenig  bedeutend  ist,  da  der  Radius  des  Kanin- 
chens sich  nicht  an  der  Ulna  bewegt;  der  31.  flexor  carpi  radialis 
(Fig.  349, /r),  der  M.  flexor  digitorum  superficialis  und  profundus  (fs, 
fp)  sind  die  Antagonisten  der  gleichnamigen  Streckmuskeln ,  die  wir 
erwähnten ,  und  setzen  sich  an  die  Unterflächen  der  entsprechenden 
Mittelhandknochen;  der  31.  palmaris  ist  ein  Beuger  der  Fusssohle,  dessen 
Sehne  mit  der  Fascie  der  Sohle  verschmilzt.  Die  eigenen  Muskeln  der 
Hand  sind  kleine  Bündel,  die  sich  an  die  vier  äusseren  Finger  an- 
setzen; sie  liegen  alle  auf  der  Sohlenfläche  der  Hand. 

Muskeln  der  hinteren  Extremität.  Die  Musculatur  des  Hinter- 
fusses  ist  weit  mächtiger,  aber  auch  complicirter,  als  die  des  Vorder- 
fusses.  Namentlich  finden  sich  um  das  Becken  herum  manche  kleine 
Muskeln,  die  es  an  die  Wirbelsäule  heften  und  deren  Beschreibung  uns 
zu  weit  führen  würde.  Wir  erwähnen  die  wichtigsten ,  machen  aber 
denjenigen,  welcher  die  Gegend  präparirt,  auf  die  anderen,  nicht  er- 
wähnten, aufmerksam.  Uebrigens  gruppiren  sich  die  Hintermuskeln 
entsprechend  der  nachgewiesenen  Homologie  der  beiden  Extremitäten- 
paare, in  gleicher  Weise  wie  die  Muskeln  des  Vorderfusses. 

Die  Hüftmuskeln  entsprechen  den  Schultermuskeln.  Sie  gehen 
von   den  Lenden-  und  Kreuzwirbeln  oder  dem  Becken  selbst  aus,   au 


Säugetliiere,  873 

dem  übrigens  einige  sich  festsetzen,  während  die  anderen,  die  länger 
und  mehr  differenzirt  sind,  sich  an  den  Femur  heften. 

Auf  der  Innenseite  finden  wir  den  31.  i^soas.  Er  hat  zwei  Köpfe; 
der  vordere  (Fig.  350,  gps)  entspricht  dem  grossen  Psoas,  der  hintere 
{i  T)  dem  M.  iJiacus  (/  /) ,  beide  vereinigen  sich  aber  zu  einem  gemein- 
schaftlichen Bauche  und  einer  Sehne,  die  sich  an  den  kleinen  Trochanter 
festsetzt.  Man  kann  deshalb  den  Muskel  auch  den  71/.  iliaco-])Soas 
nennen.  Der  Psoaskopf  entspringt  an  den  Körpern  und  Querfortsätzen 
der  Lendenwirbel,  der  Darmbeinkopf  an  dem  Kreuzbeine  und  an  dem 
Gelenke  zwischen  diesem  und  dem  Darmbeine.  Der  M.  psoas  minor 
(p>ps)  entsteht  an  den  vier  letzten  Lendenwirbeln,  läuft  gerade  nach 
hinten  und  inserirt  sich  mit  einer  langen  Sehne  an  den  Darmbein- 
knorren und  das  Leistenband.  Der  M.  oljtnrator  internus  geht  von 
der  Umgebung  des  Foramen  olturaiorium  aus  und  heftet  sich  in  einer 
Grube  am  Innenrande  des  grossen  Trochanter  an;  er  zieht  den  Schenkel 
nach  innen. 

Die  äusseren  Hüftmuskeln  bilden  mehrere  über  einander  liegende 
Schichten.  Aeusserlich  findet  man,  am  Vorderrande  des  Schenkels,  den 
M.  extensor  fasciae  Jatae  (Fig.  347,  tfl),  der  vorn  am  Rande  des  Darm- 
beinflügels entspringt,  schief  nach  hinten  und  unten  verläuft,  theil- 
weise  mit  den  Gesässmuskeln  verschmilzt  und  in  die  Fascia  lata,  welche 
die  Schenkelmuskeln  umhüllt,  ausstrahlt.  Zur  tieferen  Schicht  gehören: 
der  M.  pyriforniis  oder  pyramidalis,  der  auf  der  ventralen  Fläche  des 
Kreuzbeines  entspringt  und  mit  einer  runden  Sehne  sich  an  den  freien 
Kopf  des  grossen  Trochanter  festsetzt ;  der  M.  quadrattis  femoris ,  von 
rautenförmiger  Gestalt,  vom  oberen  Aste  des  Sitzbeines  zur  Trochanter- 
grube;  die  kleinen  Mm.  gemelJi,  superior  und  inferior,  welche  wie  die 
vorigen  den  Schenkel  nach  vorn  ziehen,  an  dem  Sitzbeindorne  ent- 
stehen und  sich  an  die  proximale  Epiphyse  des  Femur  ansetzen. 

Die  Schenkelstrecker  liegen  an  der  vorderen ,  die  Schenkelbeuger 
an  der  hinteren  Fläche  des  Oberschenkels.  Auf  der  Innenfläche  liegen 
die  Anzieher  oder  Adductoren. 

Hauptstreckmuskel  ist  der  M.  cruralis  (puadriceps ,  ein  gewaltiger 
Muskel,  welcher  die  Yorderfläche  und  theilweise  die  Seitenflächen  des 
Schenkels  überdeckt.  Er  setzt  sich  aus  vier  Köpfen  zusammen ,  die 
man  mit  besonderen  Namen  belegt  hat,  die  aber  eine  mächtige  Sehne 
bilden,  in  welcher  die  Kniescheibe  eingelagert  ist  und  die  als  Knie- 
scheibenligament sich  an  die  Leiste  der  Tibia  ansetzt.  Folgende  sind 
die  einzelnen  Köpfe:  der  M.  rectus  femoris  (Fig.  350,  de),  der  mit  einer 
Sehne  an  dem  oberen  Rande  des  Darmbeines  entspringt;  der  M.  cru- 
ralis, der  am  grossen  Trochanter  inserirt;  der  ihn  bedeckende  M.  vastus 
externus,  der  auf  der  Aussenfläche  des  Schenkelhalses  entspringt,  und 
der  M.  vastus  internus  {vi),  der  ebenfalls  am  Schenkelhalse  entspringt, 
aber  auf  der  Innenfläche. 


874  Wirbeltliiere. 

Die  wesentlichsten  Beugemuskeln  sind:  der  Miisc.  cruralis  hiceps 
(Fig.  347,  &?'),  ein  langer  und  starker  Muskel,  der  die  hintere  und 
äussere  Fläche  des  Gesässes  bildet  und  sich  vom  Becken  bis  etwa  zur 
Hälfte  der  Tibia  erstreckt;  seine  drei  Köpfe  entstehen,  der  eine  an  den 
unteren  Fortsätzen  des  Kreuzbeines  und  der  vorderen  Schwanzwirbel, 
die  beiden  anderen  an  dem  Sitzbeinknorren;  der  gemeinsame  Muskel- 
bauch läuft  gegen  das  Kniegelenk,  beschreibt  hier  eine  Curve,  und 
setzt  sich  mit  einer  breiten  Aponeurose ,  die  sich  mit  der  Fascia  lata 
des  Schenkels  und  der  Fascia  des  Unterschenkels  verbindet,  an  die 
Leiste  der  Tibia. 

An  der  hinteren  und  inneren  Fläche  verlaufen:  der  M.  semi-mem- 
hranosus  (Fig.  347  u.  350,  dm),  ein  runder  Muskel,  der  zwischen  dem 
Sitzbeinknorren,  wo  er  entsteht,  und  dem  Kniegelenk,  unter  welchem 
er  sich  an  die  Tibia  ansetzt,  eine  Curve  beschreibt,  und  der  31.  semi-ten- 
dinosus  (dt),  ein  langer,  fleischiger,  zwischen  dem  M.  biceps  und  dem 
vorigen  gelegener  Muskel,  dessen  proximales,  an  dem  Sitzbeinknoi-ren 
entstehendes  Ende  auf  der  Aussenfläche  des  Schenkels  liegt,  während  das 
distale,  an  dem  inneren  Gelenkhöcker  der  Tibia  inserirte  Ende  auf  der 
Innenseite  des  Schenkels  liegt. 

Die  Anzieher  liegen  auf  derselben  Innenseite.  Zu  ihnen  gehören: 
der  M.  sartorius  (Fig.  347,  co),  der  schief  vom  äusseren  Winkel  des 
Sitzbeines  zum  inneren  Gelenkhöcker  der  Tibia  verläuft;  der  M.  graciUs 
(Fig.  350,  di),  der  von  der  Schambeinfuge  entspringt  und  mit  einer 
breiten  Sehne  sich  an  den  inneren  Gelenkhöcker  der  Tibia  ansetzt  und 
unter  ihnen,  in  der  tieferen  Schicht,  der  M.  pectinatus  (Fig.  350,  pect), 
sowie  die  drei  eigentlichen  Anzieher,  M.  addudor  longus,  medius  (ma) 
und  curtus  (ca).  Diese  drei  Muskeln  entstehen  an  der  ventralen  Hälfte 
des  Beckens,  namentlich  an  der  Schambeinfuge  und  gehen,  der  erste 
zum  inneren  Gelenkhöcker  des  Femur,  die  beiden  anderen  zum  Tro- 
chanter. 

Die  Muskeln  des  Vorderbeines  sind  spindelförmig,  nur  an  ihrem 
proximalen  Ursprünge  fleischig  und  enden  in  lange  und  dünne  Sehnen, 
welche  die  Gelenke  des  Knies  und  der  Fusswurzel  in  Bewegung  setzen; 
sie  erstrecken  sich  bis  zu  den  Zehen  und  verlaufen  namentlich  auf 
der  vorderen ,  äusseren  und  hinteren  Fläche  des  Beines ,  nicht  auf  der 
Innenfläche,  wo  die  Tibia  unmittelbar  nach  dem  Abbalgen  der  Haut 
bloss  liegt. 

Strecker.  Der  Jf.  tibialis  anticus  (Fig.  350,  ta)  liegt  ganz  ober- 
flächlich an  der  Vorderseite ;  er  entsteht  an  dem  äusseren  Gelenkhöcker 
und  der  Leiste  der  Tibia;  seine  lange,  neben  derjenigen  des  folgenden 
Muskels  verlaufende  Sehne  setzt  sich  an  den  ersten  Mittelfussknochen. 
Der  M.  extensor  longus  (Je)  entsteht,  von  dem  vorigen  bedeckt,  mit 
einer  runden  Sehne,  die  über  das  Kniegelenk  läuft,  an  dem  äusseren 
Gelenkhöcker    des  Femur.     Der  dünne  Muskelbauch   bildet   sich  erst 


Säugethiere, 


875 


unterhalb  des  Knies  aus;   seine  Endsehne  spaltet  sich  auf  dem  Mittel- 
fusse  in  Zweige,  die  zu  den  Zehen  gehen. 

Auf  der  äusseren  oder  seitlichen  Fläche  liegen  die  Wadenmuskeln : 
der  M.  xyeroneus  longtis  (Fig.  347,  Z^j)  unter  dem  M.  extensor  longus, 

Fig.  350. 


ffpS   — 


pps--- 


pe£-  _^ 


^:^, 


Le'p.  cun.  —  Muskeln  der  Innenfläche  des  Hiutert'usses  (nach  Cuvier  u.  Laurillard). 
gps,  M.  psoas  major;  il,  M.  iliacus;  pps,  M.  psoas  minor;  de,  M.  rectus  femoris  ; 
vi,  M.  vastus  internus;  pec,  M.  pectinatus ;  ca,  M.  adductor  brevis ;  ma,  M.  ad- 
ductor  medius ;  di,  M.  rectus  internus;  dm,  M.  semi-membranosus ;  dt,  M.  semi- 
tendinosus;  h',  Ligament  der  Kniescheibe ;.  </?,  M.  tibialis  posterior;  ta,  M.  tibialis 
anterior;  If,  M.  flexor  longus;  le,  Sehne  des  M.  extensor  communis  longus;  tl,  Tibia; 
sul.  Sehne  des  M.  solearis;   pg,  M.  plantaris  gracilis;   gi,  M.  gastrocnemius  internus. 

der  M.  peroneus  curtus,  der  am  äusseren  Geleukhöcker  der  Tibia  ent- 
springt, während  die  31m.  peroneus  tertius  und  qiiartus  an  dem  ver- 


876  Wirbelthiere. 

kümmerten  Dorne  des  Peroneum  ihren  Ursprung  nehmen.  Alle  vier 
enden  mit  dünnen  Sehnen  auf  den  Mittelfussknochen  und  den  Pha- 
langen der  Zehen. 

Zu  den  Beugern  des  Unterschenkels ,  die  zugleich  Strecker  des 
Fussgelenkes  sind,  gehören:  der  oberflächlich  an  der  Hinterseite  des 
Unterschenkels  verlaufende  M.  cruralis  triceps ,  der ,  wie  sein  Name 
besagt,  aus  drei  mehr  oder  minder  verschmolzenen  Muskeln  besteht, 
dem  M.  gastrocnemius  internus  (Fig.  350,  gi),  der  am  inneren  Gelenk- 
höcker der  distalen  Epiphyse  des  Femur  entspringt  und  etwa  in  der 
Mitte  der  Tibia  einerseits  mit  dem  M.  gastrocnemius  internus,  ander- 
seits mit  dem  il£  solearis  (sol)  sich  vereinigt,  welcher  von  dem  Kopfe 
des  Peroneum  kommt.  Die  gemeinschaftliche,  sehr  starke  und  feste 
Sehne  dieser  Muskeln  bildet  die  Achillessehne,  die  sich  an  den 
Höcker  des  Fersenbeines  ansetzt. 

Unter  den  Köpfen  des  M.  triceps  finden  wir  noch  auf  der  Hinter- 
fläche den  M.  plantaris  graciUs  (pg),  welcher  am  äusseren  Gelenkhöcker 
des  Femur  und  den  benachbarten  Sesambeinen  entsteht.  Seine  End- 
sehne windet  sich  um  die  hintere  Fläche  des  Fersenbeines  und  theilt 
sich  auf  der  Fusssohle  in  vier  Zweige,  die  sich  auf  der  Plantarseite 
der  Phalangen  ansetzen.  Der  Muskel  beugt  das  Knie  und  die  Finger 
und  streckt  zugleich  das  Fussgelenk. 

Tiefer  liegen:  der  il£  flexor  communis  longus  digitorum  (If);  er 
füllt  den  Zwischenraum  zwischen  Tibia  und  Peroneum  und  entsteht 
auf  der  Hinterfläche  der  Köpfe  der  beiden  Knochen.  Die  Endsehne 
läuft,  in  eine  Sehnenrolle  eingeschlossen,  über  den  inneren  Knöchel 
und  theilt  sich  auf  der  Fusssohle  in  vier  Zweige,  welche  sich  zwischen 
den  zweiten  und  dritten  Phalangen  der  entsprechenden  Finger  fest- 
setzen. Der  ihm  benachbarte  M.  tibialis  posterior,  der  aber  kürzer  und 
dünner  ist,  entsteht  auf  der  Innenseite  des  Peroneum ;  seine  sehr  lange 
und  dünne  Sehne  heftet  sich  an  den  zweiten  Mittelfussknochen.  Der 
M.  popliteus  entspringt  in  der  Kniegelenkkapsel  am  äusseren  Gelenk- 
höcker des  Femur;  er  durchbohrt  die  Kapsel  und  setzt  sich  an  den 
Innenrand  der  Tibia,  die  er  nach  aussen  dreht.  Wir  übergehen  einige 
kleine  Muskeln  des  Fusses,  welche  die  vorigen  in  der  Streckung  und 
Beugung  der  Finger  unterstützen. 

Nervensystem.  —  Seines  zarten  Gewebes  wegen  verlangt  die 
Präparation  des  Nervensystemes  besondere  Vorsicht.  Das  in  dem  Schädel 
und  dem  Rückencanal  eingeschlossene  Centralnervensystem  (Fig.  333, 
ce,  me)  wird  mit  Hülfe  des  Meisseis  bloss  gelegt.  Man  sprengt,  wenn 
man  von  oben  her  präparirt,  die  Schädeldecke  und  öffnet  dann  den 
Rückencanal  durch  Wegnahme  der  Neurapophysen  von  vorn  nach  hinten. 
Um  die  Nervenursprünge  bloss  zu  legen,  arbeitet  man  von  der  Schädel- 
basis aus  und  entfernt  die  Gesichtsknochen,  das  Keilbein,  Grundbein 


Säugethiere.  877 

und  die  Wirbelkörper  nach  vorheriger  Erhärtung  der  Nervenwurzehi 
in  Weingeist.  Die  Präparation  wird  durch  Einwirkung  von  Salpeter- 
säure, welche  die  Knochen  erweicht,  die  Nerven  dagegen  erhärtet,  sehr 
erleichtert.  Zu  weiteren  Untersuchungen  können  Gehirn  und  Rücken- 
mark nach  Durchschneidung  der  abgehenden  Nerven  herausgenommen 
werden. 

Centrales  Nervensystem.  —  Das  Gehirn  macht  sich  durch 
die  bedeutende  Entwickelung  des  Vorderhirnes  (Prosencephalon)  oder 
der  Hemisphären  bemerklich,  welche  das  aus  den  Sehhügeln,  dem  grauen 
Höcker  (Tiiber  cinereum)  und  dem  Hirntrichter  bestehende  Zwischen- 
hirn (Thalamencephalon),  sowie  das  aus  den  Vierhügeln  und  den  Hirn- 
schenkeln bestehende  Mittelhirn  (Mesencephalon)  bedecken.  In  der 
That  gleitet  während  der  embryonalen  Entwicklung  die  ursprüngliche 
Blase  des  Zwischenhirnes  allmählich  in  das  Vorderhirn  und  wird  von 
diesem  in  der  Art  umschlossen,  dass  dieses  schliesslich  gänzlich  darin  auf- 
geht und  man  beim  Erwachsenen  die  Unterlappen  der  Hemisphären 
aus  einander  biegen  muss,  um  es  zu  sehen.  Der  Boden  des  Zwischen- 
hirnes durchläuft  insofern  bedeutende  Entwicklungsphasen,  als  der 
hohle  Hirntrichter  mit  seinem  unteren  Ende  mit  einem  dem  Gehirne 
ursprünglich  nicht  zugehörenden  Organe,  der  Hypophysis  {Glandula 
pitwitaria)  verschmilzt,  das  hinter  dem  Chiasma  der  Sehnerven  liegt. 

Das  Hinterhirn,  Kleinhirn  (Metencephalon ,  Cerebellum),  schliesst 
sich  nicht  unmittelbar  den  Hemisphären  an ;  bei  der  Ansicht  von  oben 
sieht  man  in  dem  Räume  zwischen  beiden  die  Schwellung  der  Vier- 
hügel. Betrachtet  man  das  Hirn  von  der  Ventralseite,  so  sieht  man 
deutlich ,  dass  das  Kleinhirn  mit  dem  Mittelhirne  durch  die  Varols- 
brücke  zusammenhängt,  deren  bedeutende  Entwicklung,  ebenso  wie  die 
der  Hemisphären ,  das  Gehirn  der  Säugethiere  von  dem  der  Vögel 
unterscheidet.  Anderseits  verbindet  die  Varolsbrücke  das  Mittelhirn 
mit  dem  Nachhirne  oder  dem  verlängerten  Marke,  an  welchem  die 
Nackenbeuge  sich  zeigt. 

Um  den  Bau  eines  so  complicirten  Organes,  wie  des  Gehirnes,  zu 
verstehen,  muss  man  nothwendiger  Weise  auf  seine  Entwicklung  zurück- 
kehren. Wir  verweisen  zu  diesem  Behufe  auf  die  Lehrbücher  der  Ent- 
wicklungsgeschichte von  KöUiker  und  Hertwig,  und  speciell  für  das 
Kaninchen  auf  die  Arbeit  von  Mihalcowicz  (siehe  Literatur).  Die 
Höhlen  der  ursprünglichen  Hirnblasen  erhalten  sich ,  freilich  sehr  ver- 
engert, während  des  ganzen  Lebens  in  ihrem  Zusammenhange  unter 
sich  wie  mit  dem  Rückenmarkscan ale.  Man  unterscheidet  aber  an 
ihnen  einzelne  Abschnitte:  die  Rautengrube  oder  den  vierten 
Ventrikel  im  Nachhirne,  die  Sylvi'sche  Wasserleitung  im 
Hinterhirne,  den  dritten  Ventrikel  im  Mittelhirne,  die  Seiten- 
ventrikel,  welche  durch  das  Monro'sche  Loch  mit  dem  dritten 
Ventrikel  zusammenhängen,  im  Vorderhirne. 


878  Wirbelthiere. 

Das  Rückenmark  (Fig.  333,  nie)  hat  die  Gestalt  eines  von  oben 
nacli  unten  etwas  abgeplatteten,  in  der  Kreuzbeingegend  sich  zuspitzen- 
den Cylinders.  Der  Endkegel,  der  sich  durch  einen  Endfaden  bis 
in  den  siebenten  Schwanzwirbel  fortsetzt,  ist  von  zahlreichen  Nerven 
umgeben,  welche  den  sogen.  Pferdeschweif  (Cauda  equina)  bilden.  In 
der  Höhe  des  Armgeflechtes  zeigt  das  Rückenmark  eine  Verdickung, 
die  Nackenschwellung,  und  eine  ähnliche  am  Beingeflechte,  die 
Lendenschwellung.  Auf  Querschnitten  sieht  man  den  Central- 
canal  in  Gestalt  einer  mit  Epithelium  ausgekleideten  senkrechten 
Spalte ;  er  öfi'net  sich  vorn  in  der  Rautengrube  und  endet  nach  hinten 
mit  einem  blind  geschlossenen  Endventrikel;  es  existirt  also  keine 
Lendengrube,  wie  bei  den  Vögeln. 

Das  Rückenmark  besteht  aus  Neuroglie,  Nervenfasern  und  Nerven- 
zellen;  letztere  sind  in  ähnlicher  Weise  vertheilt,  wie  bei  dem  Men- 
schen; sie  setzen  die  graue  Substanz  zusammen,  welche  sich  um  den 
Centralcanal  herum  anhäuft,  von  weisser  Substanz  umgeben  ist  und 
in  vier  Bündel  oder  Hörner  gegen  die  Peripherie  ausläuft,  die  multi- 
polare Nervenzellen  enthalten;  die  dorsalen  Hörner  strahlen  in  die 
sensitiven  Wurzeln  der  Rückenmarksnerven  ajjs,  die  ventralen  Hörner 
in  die  motorischen  Wurzeln. 

Nach  vorn  setzt  sich  das  Rückenmark  von  dem  ersten  Paare  der 
Rückenmarksnerven  in  das  verlängerte  Mark  fort  (Fig.  351,  ma), 
das  die  Form  eines  abgestutzten  Kegels  hat,  dessen  Basis  nach  vorn 
an  die  Varolsbrücke  (Fig.  352,  p^J)  anstösst.  Die  obere  und  die  Seiten- 
flächen sind  von  dem  Kleinhirne  überdeckt.  Auf  der  ventralen  Fläche 
des  verlängerten  Markes,  von  welcher  die  hinteren  Hirnnerven  ab- 
gehen, zeigt  sich  eine  Längsrinne,  als  Fortsetzung  der  gleichen  Bil- 
dung auf  dem  Rückenmarke  (Fig.  352,  sv).  Auf  beiden  Seiten  dieser 
ventralen  Rinne  sieht  man  längliche  Anschwellungen,  die  Pyramiden, 
welche  nach  vorn  durch  einen  leichten  Querhügel,  den  Rauten- 
körper (Fig.  362,  py  und  ctr),  und  seitlich  durch  mehr  oder  minder 
vorspringende  Leisten ,  die  Oliven  (oT),  begrenzt  sind.  Die  ange- 
schwollenen Seiten  des  verlängerten  Markes  tragen  den  Namen  der 
Netzkörper  (Corpora  restiformia\  Fig.  351,  er);  sie  erstrecken  sicji 
bis  auf  die  dorsale  Fläche  zu  beiden  Seiten  der  Rautengrube.  Bei 
einigen  Individuen  sehen  wir  hier  wenig  ausgeprägte  Längsrinnen, 
welche  Wülstchen  begrenzen,  die  den  Bur  dach 'sehen  und  den 
dünnen  Strängen  der  menschlichen  Anatomie  entsprechen;  aber 
diese  Bildungen  sind  nur  angelegt  und  häufig  unfindbar. 

Die  dorsale  Furche  des  Rückenmarkes  erweitert  sich  zu  der  offenen 
Rautengrube  (sr),  die  aber  durch  eine  dünne  Lamelle  Aev  pia  mater 
mit  reichlichen  Gefässnetzen  bedeckt  ist,  welche  den  Choroideal- 
p  lex  US   bilden.     Diese   Choroideallamelle    zieht   sich   über   das   ganze 


Säugethiere. 


879 


verlängerte   Mark   weg   und    setzt   sich    nach  vorn   mittelst  einer   ein- 
geschlagenen Falte  in  die  pia  mater  des  Kleinhirnes  fort. 

Die  Rautengruhe  wird  ausserdem  noch  von  dem  Wurme  (Venms) 
des  Kleinhirnes  (Fig.  351,  rm)  bedeckt,  während  ihr  Boden  theilweise 
von  dem  verlängerten  Marke,  theilweise  von  der  Varolsbrücke  her- 
gestellt wird.  Nach  hinten  verengert  sie  sich,  um  den  Calamus  scrip- 
tori'US  zu  bilden;  nach  vorn  verlängert  sie  sich  in  einen  engen  Canal, 
den  Äquaedticüis  Sylvii,  der  in  den  dritten  Ventrikel  führt.  Jederseits 
sieht  man  einen  kleinen  rundlichen  Wulst,  den  Ilörwulst  {Tubercuhmi 


Fio-.  351. 


Fig.  352. 


Fig.  351.  —  Lep.  cun.  —  Dorsale  Ansicht  des  Gehirnes,  /o,  Riechlappen;  Z/,  Stirn- 
. läppen;  loc,  Hinterlappen;  äc,  Grosshirnhemisphären;  /"/,  Längsspalte;  ss,  Sj'lvi'sche 
Spalte;  sp,  parallele  Furche;  tqj,  Vierhiigel;  j)e,  Grosshirnschenkel;  vm,  Wurm  des 
Kleinhirnes;  hch,  Hemisphären  des  Kleinhirnes;  wa,  verlängertes  Mark;  er,  Netz- 
körper; sr,  Rautengrube  (vierter  Ventrikel);  me,  Rückenmark;  gs,  Sympathicus. 

Fig.  352.  —  Lep.  cun.  —  Ventrale  Ansicht  des  Gehirnes,  lo,  Riechlappen;  b  of, 
Riechstränge;  It,  Schläfenlappen;  ss,  Sylvi'sche  Spalte;  Ih,  Pferdefusslappen;  sc, 
Seitenspalte;  ch,  Chiasma;  no,  Sehnerven;  ^op.,  Sehstränge;  tc-,  grauer  Höcker;  inf., 
Hirntrichter;  cm,  Warzenkörper;  pc,  Grosshirnschenkel;  nom,  N.  oculomotorius;  n]], 
N.  patheticus;  po,  Varolsbrücke;  sb,  Basalfurche;  ntr,  N.  trigeminus;  nad,  N.  ab- 
ducens;  nf,  N.  facialis;  7iac,  N.  acusticus;  ctr,  Rautenkörper;  py,  Pyramiden;  o /, 
Oliven;  fl,  Flocken  des  Kleinhirnes;  nky,  N.  hypoglossus;  nr,  Rückenmarksnerven; 
SV,  Ventralfurche  des  Rückenmarkes  me. 


880  Wirbelthiere. 

acusticuin,   Fig.  353,   ta),   und  hinter   diesem   ein  graues,   im  Winkel 
gebogenes  Band,  die  Lamina  cinerea  (bc). 

Nach  vorn  wird  das  verlängerte  Mark  durch  den  Ringwulst  der 
Varolsb rücke  (Fig.  352,  pv)  begrenzt,  die  aus  einem  grauen,  von 
Querfasern  umgebenen  Kerne  besteht.  Die  Brücke  erstreckt  sich  bis 
zu  den  Hirnschenkeln  (p  c) ,  zeigt  auf  ihrer  Unterfläche  eine  Längs- 
furche. Die  Basalfurche  {sh)  ist  seitlich  von  den  Flocken  des  Klein- 
hirnes (/?)  bedeckt  und  bildet  mit  ihrer  Dorsalfläche  den  Boden  des 
vierten  Ventrikels  und  die  Basis  der  Vierhügel.  Mit  den  Hemisphären 
des  Kleinhirnes  ist  sie  durch  die  aufsteigenden  Fasern  des  Klein- 
hirn schenkeis  (Fig.  353,  jjc??)  verbunden. 

Das  verhältnissmässig  grosse  Kleinhirn  liegt  über  der  Brücke, 
bedeckt  grossentheils  das  verlängerte  Mark  und  legt  sich  nach  vorn 
an  die  Hemisphären  des  Vorderhirnes  an.  Doch  bleibt  zwischen  ihm 
und  diesen  in  der  Mitte  ein  dreieckiger  Raum,  auf  dessen  Grunde  man 
die  Vierhügel  (Fig.  351,  tcij)  vorragen  sieht.  Das  Kleinhirn  zeigt 
bei  der  Ansicht  von  oben  einen  vorragenden  Mitteltheil,  den  vorn 
schmäleren,  hinten  breiteren  Wurm  (Vermis)  (vm)  und  zwei  Seiten- 
theile,  die  Kleinhirnhemisphären.  Der  Wurm  zeigt  auf  seiner 
Oberfläche  acht  Querfalten,  die  ihm  ein  gegliedertes  Ansehen  verleihen; 
er  ist  vorn  und  hinten  frei  und  hängt  nur  in  der  Mitte  mit  den  Hemi- 
sphären zusammen.  Diese  sind  selbst  durch  fünf  Querspalten  in  dicke 
Blätter  getheilt,  welche  durch  mehr  oder  minder  tiefe  Kerben  in  Lappen 
und  Läppchen  geschieden  werden,  unter  welchen  man  die  Flocken 
(flocculi)  (fl)  unterscheidet,  die  aus  kleinen,  abgerundeten  Anhangs- 
lamellen gebildet  sind,  welche  in  tiefe  Gruben  des  Hinterhauptes  sich  ein- 
senken und  nur  schwer  ohne  Beschädigung  auspräparirt  werden  können. 

Die  ganze  Oberfläche  des  Kleinhirnes  besteht  aus  grauer,  der 
Kern  des  Organes  aus  weisser  Substanz,  welche  den  Lappen  entsprechend 
Markblätter  gegen  die  Peripherie  hin  ausstrahlen  lässt,  die  anfangs 
einfach  sind,  dann  aber  den  Einkerbungen  entsprechend  sich  gliedern 
und  verästeln,  so  dass  sie  auf  Sagittalschnitten  die  Figur  eines  ver- 
zweigten Baumes  zeigen,  welche  von  den  alten  Anatomen  der  Lebens- 
baum (Arhor  'vi(ae)  genannt  wurde.  Die  weisse  Substanz  setzt  .sich 
continuirlich  in  diejenige  der  Brücke  dos  verlängerten  Markes  und  der 
Vierhügel  durch  die  Klein  hirn  Schenkel  (Fig.  353,  pc&)  fort,  die 
man  durchschneiden  muss,  wenn  man  das  Kleinhirn  isoliren  will. 

Wir  betrachten  das  Mittelhirn  von  unten,  da  es  dorsal wärts  von 
den  Hemisphären  bedeckt  ist.  Unmittelbar  vor  der  Varolsbrücke  sehen 
wir  zwei  dicke  Markstränge,  die  durch  eine  Mittelfurche  getrennten 
Hirnschenkel  (Fig.  352,  J5c),  auf  welchen  die  auf  ihrer  dorsalen 
Fläche  durch  eine  Kreuzfurche  in  vier  Anschwellungen  getheilten 
Vierhügel  (Fig.  351,  tqj)  aufsitzen.  Die  beiden  vorderen  Hügel 
(festes   der   alten    Anatomen)    sind   beim    Kaninchen    grösser    und   ab- 


Säuffethiere. 


881 


gerundeter  als  die  hinteren  {nates)  (Fig.  353,  ca,  cp).  Unter  ihnen  ver- 
läuft die  schon  erwähnte,  von  grauer  Substanz  umgebene  Sylvi'sche 
Wasserleitung,  welche  ihre  Grenze  gegen  die  Hirnschenkel  herstellt. 

Das  Zwischenhirn  besteht  wesentlich  aus  den  Sehhügeln 
(Fig.  353,  co),  zwei  zusammenstossenden  dreieckigen  Massen,  welche 
vor  den  Vierhügeln  und  den  Hirnschenkeln  liegen.  Ihre  obere  gewölbte 
Fläche  wird  ganz  von  den  Hemisphären  überdeckt,  die  man  wegnehmen 


Fig.  353. 


SP  .. 


.  -,-  Pd 


muss,  um  sie  zur  Ansicht  zu  bringen;  auf  der 
Mittellinie  zeigt  sich  eine  vom  Choroideal- 
plexus  überzogene  Läugsfurche,  die  Mon- 
ro'sche  Furche  {sm).  Am  hinteren  Ende 
dieser  Furche,  zwischen  den  vorderen  Vier- 
hügeln, zeigt  sich  ein  cylindrischer,  grauröth- 
licher  Vorsprung  ,  die  E  p  i  p  h  y  s  e  oder 
Zirbeldrüse  {gp). 

Die  Innenflächen  der  Sehhügel  bilden  die 
Seitenwände  des  dritten  Ventrikels,  eines 
engen,  in  der  Mitte  etwas  erweiterten  Ca- 
nales,  der  durch  das  Monro'sche  Loch  sich 
in  die  Seitenventrikel  der  Hemisphären  öffnet. 
Ein  über  den  Ventrikel  gespanntes  graues 
Bändchen,  die  mittlere  Hirncommissur, 
verbindet  die  beiden  Hemisphären  an  dieser 
Stelle.  Der  Ventrikel  stülpt  sich  vor  dieser 
Commissur  nach  unten  gegen  die  Hirnbasis 
aus  und  bildet  so  den  Hirntrichter.  An 
der  Hinterfläche  der  Sehhügel  sieht  man 
jederseits  zwei  kleine  Erhebungen ,  die  an 
die  Vierbügel  anstossen,  die  inneren  und 
äusseren  Kniehöcker  {Corpora  genicnlafa, 
Fig.  353,  cg).  Auf  derselben  Seite  entstehen 
zwei  weisse  Markstränge ,  welche  sich  um 
den  vorderen  Kniehöcker  herumschlingen, 
gegen  die  Hirnbasis  hin  convergirend  um- 
biegen und  so  die  Sehbänder  (Tracti  optici)  bilden.  Sie  vereinigen 
sich  in  dem  Chiasma  der  Sehnerven  (Fig.  352,  hop,  c/«),  wo  ihre 
meisten  Fasern  sich  kreuzen ,  um  die  beiderseits  gegen  die  Augen  hin 
sich  fortsetzenden  Sehnerven  (?io)  zu  bilden. 

Hinter  dem  Chiasma  sieht  man  auf  dem  Boden  einer  eiförmigen 
Anschwellung  den  grauen  Höcker  (ic),  vor  welchem  der  Hirn- 
trichter  {inf)  sich  gegen  die  Hypophyse  einsenkt,  die  als  eine 
braunrothe  Masse  in  dem  Türkensattel  eingesenkt  liegt,  so  dass  ihre 
Präparation  grosse  Vorsicht  erheischt.  Sie  besteht  aus  einem  vorderen 
und  hinteren  Lappen.    Hinter  dem  grauen  Höcker  gewahrt  man  noch 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  gg 


Lep.  cun.  —  Dorsale  Ansicht 
des  Mittel-  und  Hinterhirnes 
nach  Wegnahme  des  Klein- 
hirnes und  der  Hemisphären. 
m  a ,  verlängertes  Mark  ;  s  ;•, 
Rautengrube;  /t,  lamina  ci- 
nerea ;  < a ,  Hörknoten  ;  p  ch, 
Kleinhirnschenkel ;  cp,  hintere 
Vierhügel  (collieuli  posterio- 
res); Ca,  vordere  Vierhügel; 
CO,  Sehhügel;  cg,  Kniekörper 
(corpora  geniculata);  gp,  Epi- 
physe;  sm,  Monro'sche  Furche. 


882  Wirbelthiere. 

eine  weisse,  runde,  äusserlich  ungetheilte  Anschwellung,  welche  den 
Warzenhügeln  {Corpora  mamiUaria)  des  menschlichen  Gehirnes  ent- 
spricht (cm).  Die  Einsenkung  zwischen  dieser  Anschwellung  und  den 
Hirnschenkeln  wird  von  einer  grauen  Lamelle  ausgefüllt,  welche  zahl- 
reiche Gefässe  enthält  und  die  durchlöcherte  Lamelle  {Lamina  per- 
forata)  genannt  wird. 

Vor  den  Sehhügeln  liegen  zwei  birnförmige  Wülste,  die  in  die 
Hemisphären  vordringen,  die  Streife nkörper  {Corpora  striata). 

Die  Hemisphären  des  Vorderhirnes  (Fig.  351,  Jic)  bedecken, 
wie  schon  bemerkt,  alle  Hirntheile  bis  zum  Kleinhirne.  Sie  erscheinen 
von  dreieckiger  Form  und  sind  durch  eine  Längsspalte  (/7)  getrennt, 
in  welche  eine  Falte  der  harten  Hirnhaut,  die  Hirnsichel,  eindringt. 
Wenn  auch  ihre . Oberfläche  im  Allgemeinen  glatt  ist,  so  sieht  man 
doch  darauf  einige  seichte  Rillen ;  die  vor  ihnen  gelegenen  keulen- 
förmigen Riechlappen  (Fig.  351,  1  o)  sind  deutlich  begrenzt;  eine 
leichte  seitliche  Einsenkung,  der  Anfang  der  Sylvi'schen  Spalte  {ss)^ 
lässt  allenfalls  einen  vorderen  Stirnlappen  ilf)  unterscheiden.  Auf 
der  Rückenfläche  verläuft ,  parallel  mit  der  Spalte ,  eine  seichte  Rille 
{sp).  Man  bemerkt  hier  auch  die  Eindrücke  der  grösseren,  in  der  pia 
mater  verlaufenden  Gefässe ,  aber  stärker  ausgebildete  Faltungen  der 
Hirnrinde,  welche  die  bei  den  höheren  Säugethieren  entwickelten  Win- 
dungen bedingen,  fehlen  vollständig. 

Auf  der  Unterfläche  der  Hemisphären  fallen  besonders  in  die  Augen 
die  weissen,  faserigen  Riechstränge  (Fig.  352,  hof),  welche  die 
Riechlappen  nach  hinten  fortsetzen,  ferner  die  schon  erwähnte 
Sylvi'sche  Spalte  (ss),  und  eine  durch  die  eingelagerte  Seiten vene  be- 
zeichnete Seiten  für  che  (sc),  welche  den  äusseren  Schläfenlappen  (It) 
von  dem  inneren  Pferdefusslappen  (Ih)  trennt,  der  sich  an  den  medianen 
grauen  Höcker  anlegt. 

Zum  Studium  der  inneren  Organisation  der  Hemisphären  muss 
man  Längs-  und  Querschnitte  zu  Hülfe  nehmen.  Beide  Hemisphären 
werden  durch  ein  Gebilde  von  Querfasern  mit  einander  verbunden,  durch 
den  Schwielenkörper  (Corpus  callosum),  den  man  im  Hintergrunde 
der  Hirnspalte  sieht,  und  durch  die  vor  dem  Monro'schen  Loche  ge- 
legene vordere  Commissur.  Der  nach  oben  gewölbte  Schwielen- 
körper biegt  sich  mit  seinem  vorderen  und  hinteren  Rande  nach  unten 
und  bildet  so  zwei  Wülste,  von  welchen  der  vordere  das  Knie  genannt 
wird;  der  hintere  Wulst  legt  sich  über  die  Sehhügel  und  erstreckt  sich 
bis  zu  den  Vierhügeln.  Die  Unterfläche  des  Schwielenkörpers  bildet 
mit  ihrer  Vorderhälfte  und  ihren  Seitentheilen  die  Decke  der  Seiten- 
ventrikel, nach  hinten  geht  sie  in  das  Hirngewölbe,  den  Fornix,  über, 
eine  dreieckige  Platte,  welche  über  die  Sehhügel  sich  legt  und  theil- 
weise  das  Dach  des  dritten  Ventrikels  bildet.  Der  Fornix  fliesst  mit 
einem   in   die   Seiten  Ventrikel   vorspringenden   Wulste    zusammen,    der 


Säugethiere.  883 

wegen  seiner  gekrümmten  Gestalt  das  Ammonshorn  genannt  wird. 
Für  die  unter  dem  Schwielenkörper  und  vor  dem  Fornix  ausgehöhlten 
Seitenventrikel  bildet  die  Marksubstanz  der  Hirnbasis  den  Boden; 
sie  werden  nach  vorn  enger  und  setzen  sich  bis  in  die  Riechlappen  fort. 

Hirnhäute.  —  Wie  bei  den  Vögeln  und  Reptilien,  zeigt  das 
Hirn  drei  aus  Bindegewebe  gebildete  Hüllhäute;  die  äussere,  feste  und 
sehnige  Hülle  ist  die  harte  Hirnhaut  {dura  niater),  die  unmittelbar 
an  den  Knochen  anliegt  und  entfernt  werden  muss,  wenn  man  das  Hirn 
biossiegen  will.  Ihr  folgt  die  Spinnwebehaut  (araclmoiclea),  ein 
feines,  durchsichtiges  Gewebe,  das  mit  der  inneren  Hülle,  der  Gefäss- 
haut  (pia  mater),  innig  zusammenhängt.  Die  letztere,  mit  der  binde- 
gewebigen Grundsubstanz  der  Hirnmasse  in  engster  Verbindung  stehende 
Hüllhaut  ist  besonders  an  den  Gewölbtheilen  des  Hirnes  sehr  gefäss- 
reich ;  sie  hängt  durch  Fäden  mit  der  Spinnwebehaut  zusammen  nnd 
geht  an  den  Austrittsstellen  der  Nervenwurzeln  in  die  Scheide  dieser 
Wurzeln  über. 

Wie  schon  erwähnt,  verbindet  sich  die  pia  mater  mit  der  Epithelial- 
decke  der  Rautengrube,  um  deren  Decke  zu  bilden,  an  deren  Unter- 
fläche der  Choroidealplexus  sich  ausbildet  und  in  die  Grube  vorspringt. 
Von  dem  Kleinhirne  aus  führt  sie  die  Choroidealnetze  durch  die  Hirn- 
höhlen über  die  Vierhügel  und  in  die  Seitenventrikel  hinein. 

Peripherisches  Nervensystem.  —  Die  dem  centralen  Nerven- 
systeme entstammenden  Nerven,  welche  sich  zur  Peripherie,  zu  den 
Muskeln  und  den  Sinnesorganen  begeben ,  können  in  zwei  Gruppen 
getheilt  werden,  die  Rückenmarksnerven  und  die  Hirnnerven. 

Wir  zählen  37  symmetrische,  den  Metameren  des  Körpers  ent- 
sprechende Paare  von  Rückenmarksnerven,  acht  Halsnervenpaare, 
zwölf  Rückennerven,  sieben  Lendennerven,  vier  Kreuznerven  und  sechs 
Steissnervenpaare.  Jeder  Nerv  wird  von  zwei  Wurzeln  gebildet,  die 
selbst  wieder  aus  Nervenfaserbündeln  zusammengesetzt  sind  und,  wie 
gesagt,  aus  den  Hörnern  der  grauen  Substanz  entspringen.  Die  Wur- 
zeln convergiren  gegen  das  Zwischenwirbelloch ,  wo  die  obere  dorsale 
Wurzel  ein  kleines  Spinalganglion  bildet.  Hierauf  vereinigen  sich 
beide  Wurzeln  zu  einem  kürzen,  gemischten  Nerven,  der  sich  in  zwei 
Hauptäste  theilt,  einen  dorsalen  für  die  dorsalwärts  von  der  Körper- 
axe  angebrachten  Muskeln  und  die  Haut,  und  einen  grösseren  ven- 
tralen Ast,  welcher  die  Muskeln  der  Seiten,  des  Bauches  und  der 
Extremitäten  versorgt.  Die  ventralen  Aeste  sind  durch  einen  Visceral- 
zweig  mit  dem  Sympathicus  und  ausserdem  noch  durch  Schlingen 
mit  einander  verbunden.  Von  diesen  so  gebildeten  Nerven  gehen  die 
peripherischen  Zweige  aus,  welche  oft  noch  mit  einander  anastomo- 
siren  und  Geflechte  bilden. 

Die  Muskeln,  welche  von  diesen  Geflechten  versorgt  werden,  erhalten 
somit  Fasern,   welche   mehreren  Wurzeln   entstammen.     Solche  Plexus 

56* 


884 


Wirbelthiere. 

Fig.  354. 


mcL 


^fniy  Stil' 


Lep.  Clin.  —  Ansicht  der  Halsgegend  mit  den  Hauptstämmen  der  Hirnnerven  (nach 
einer  Zeichnung  von  Schneider),  am,  äussere  Kieferarterie;  mm,  M.  mylo-hyoideus; 
»IS,  M.  masseter;  mpm,  M.  pteryoideus  internus;  st,  M.  styloglossus;  fm.  Sehne  des 
M.  mandibularis;  sm,  abgeschnittenes  oberes  Ende  des  M.  sterno-mastoideus  sm';  al, 
Zungenarterie;  ch,  grosses  Hörn  des  Zungenbeines;  acc,  Carotis  externa;  ao,  Arteria 
occipitalis;  aci,  Carotis  interna;  mcl,  oberes  Ende  des  durchschnittenen  M.  cleido- 
mastoideus;  nh,  N.  hypoglossus;  pv,  ganglionartiges  Geflecht  des  Vagus;  vji,  Vena 
jugularis  interna;  nl,  N.  laryngeus  superior;  na,  N.  auricularis;  sy,  N.  sympathicus; 
nv ,  N.  Vagus;  nc,  dritter  Halsnerv;  nac,  N.  accessorius  Willisii;  ac,  Carotis  com- 
munis; als,  Art.  thyroidea  superior;  nc' ,  vierter  Halsnerv;  mf ,  M.  trapezius;  mbh, 
M.  basi-humerajis  rectus;  meo,  M.  levator  scapulae  magnus;  nc",  fünfter  Halsnerv; 
nc'",  sechster  Halsnerv;  7)1  d,  M.  deltoideus;  m/j,  M.  pectoralis  minor;  cl,  Schlüssel- 
bein; uph,  N.  phrenicus;  mst,  M.  sterno-hyoideus;  vjt,  Vena  jugularis  transversa; 
stni,  M.  sterno-mastoideus;  nc"",  sechster  Halsnerv;  vsc,  Vena  subcutanea  brachii; 
vto,  V.  transversa  scapulae;  vje,  V.  jugularis  externa;  mbh,  M.  basi -humeralis; 
hd,  absteigender  Ast  des  N.  hypoglossus;  vf,  V.- facialis  posterior;  als,  Art.  laryngea 
superior;  gp,  ventraler  Theil  der  Parotis;  vf,  V.  facialis  anterior;  rm,  V.  maxillaris 
externa;    rsm,   Unterkinnvene;    gs,  Untei-kieferdrüse;    ht,    membrana    hyo -thyroidea. 


Säugethiere.  885 

werden  von  allen  ventralen  Aesten  der  Rückeuraaiksnerven  gebildet, 
mit  Ausnahme  der  Nerven  3  bis  12  des  Rückens  und  1  bis  3  der 
Lendennerven,  die  unabhängig  bleiben  und  sich  unmittelbar  zu  den 
Muskeln  und  der  Haut  ihres  Bezirkes  begeben.  Wir  betrachten  jetzt 
die  einzelnen  Plexus  und  die  sie  bildenden  Nerven. 

Das  Halsgeflecht  {FJexus  cervicdlis)  wird  von  den  ventralen 
Aesten  der  vier  ersten  Halsnerven  gebildet.  Seine  Zweige  versorgen 
die  Muskeln  des  Hinterhauptes  und  des  Vorderhalses;  ein  Zweig,  der 
Ohrnerv  (Fjg.  354,  va),  begiebt  sich  zum  äusseren  Ohre.  Der  vierte 
Zweig,  der  bedeutendste  (wc'),  giebt  die  Supra-clavicularnerven  zu  den 
Schultermuskeln  und  den  Zwerchfellnerven  {N.  ])lirenicus,  Fig.  354, 
nph),  der  mit  den  grossen  Venenstämmen  in  die  Brusthöhle  eindringt 
und.  sich  in  dem  musculösen  Theile  des  Zwerchfelles  verästelt. 

Das  durch  seine  zahlreichen  Anastomosen  sehr  complicirte  Arm- 
geflecht  {Plexus  hracMcäis)  nimmt  die  vier  hinteren  Halsnerven 
(Fig.  354,  n",  n'",  n""),  einen  dicken  Ast  vom  ersten  Rückennerven  und 
einen  dünnen  vom  zweiten  auf.  Es  versorgt  alle  Muskeln  der  vorderen 
Extremität  bis  zu  den  Fingerspitzen  und  verbindet  sich  durch  Zweige 
mit  dem  Zwerchfellnerven.  Die  bedeutendsten  daraus  hervorgehenden 
Nerven  sind:  die  Brust-  und  Unterschulterblattnerven  zu  den 
entspi'echenden  Muskeln;  die  Haut  nerven  des  Armes,  welche  die 
Haut  der  Schulter,  des  Oberarmes  und  Vorderarmes  versorgen;  der 
Mittelnerv,  welcher  der  Achselarterie  folgt  und  zahlreiche  Aeste  an 
die  Muskeln  liefert,  die  seinem  Verlaufe  genähert  sind;  der  Radial- 
und  Cubitalnerv,  deren  Namen  den  Verlauf  angeben.  Diese  drei 
letzteren  Nerven  entspringen  mit  mehreren  Wurzeln  aus  den  hinteren 
Schlingen  des  Plexus. 

Das  Lendengeflecht  liegt  unter  den  Querfortsätzen  der  Lenden-  • 
wirbel  zwischen  dem  viereckigen  Lendenmuskel  und  dem  grossen  Psoas- 
muskel  und  wird  von  den  Bauchästen  der  letzten  vier  Lendennerven 
gebildet.  Der  vierte  und  fünfte  Nerv  bilden  die  erste  Schlinge  des 
Geflechtes,  der  fünfte  mit  dem  sechsten  die  zweite  u.  s.  w.  Die  drei 
ersten  Lendennerven  nehmen,  wie  schon  bemerkt,  an  der  Bildung  des 
Geflechtes  keinen  Antheil;  der  vierte  Lendennerv  entsendet  Zweige  zu 
dem  viereckigen  Lendenmuskel  und  den  beiden  Psoasmuskeln;  der 
fünfte  liefert,  ausser  einigen  Verbindungsästen,  den  N.  genito-cruralis, 
der  bei  dem  Männchen  bis  zur  Haut  des  Hodensackes,  bei  dem  Weib- 
chen in  die  Schamlippen  und  das  runde  Ligament  des  Uterus  sich  er- 
streckt. Sein  Hauptast  aber  geht  nach  hinten  und  verbindet  sich  mit 
dem  Vorderaste  des  sechsten  Nerven  zur  Bildung  des  N.  cruralis,  wäh- 
rend sein  Hinterast  eine  der  Wurzeln  des  N.  ohturatorius  bildet. 

Der  Schenkelnerv  (N.  cruralis,  Fig.  355,  er)  giebt  einige  Aeste 
an  den  31.  iliacus  und  läuft  dann  nach  unten  und  hinten,  um  sich  in 
dem  Schenkel   in   mehrere  Aeste  aufzulösen ,  von   welchen   der  bedeu- 


Wirbelthiere. 


tendste   der  N.  saphenus  (sm)  ist.      Audere   Aeste    versorgen    andere 
Zweige  und  gehen  in  die  verschiedenen  Schenkelmuskeln. 

Der  Nervus  oUiiratorius  (o)   durchsetzt   den   grosen   Psoasmuskel 
und  verzweigt  sich  in  der  Umgegend  des  Foramen  oUuratoriiim  an  die 

Beckenmuskeln.  Der  siebente 
Lendennerv  ist  der  bedeutendste 
von  allen  ;  ausser  einigen  kleinen 
Verbindungsästen  zum  Schenkel- 
und  Lochnerven  bildet  er  den 
mächtigen  Hüft  nerven  (N. 
ischiaticus) ,  der  ausserdem  noch 
Fasern  vom  ersten  Kreuznerven 
erhält.  Derselbe  giebt  zahlreiche 
Zweige  an  die  Schenkelmuskeln 
(M.  tensor  fasciae  latae,  Mm. 
glutaei,  M.  biceps,  M.  semi-mem- 
branosus,  M.  semi-tendinosus ,  M. 
aääuctor  magnus  etc.).  Im  vor- 
deren Drittel  des  Schenkels  theilt 
sich  sein  Hauptstamm  in  zwei 
parallel  in  die  Beine  bis  zu  der 
Fusssohle  und  den  Zehenspitzen 
verlaufende  Nerven,  N.  tibialis 
und  N.  peroneus. 

Das  Kreuzgeflecht,  das  an 
der  ventralen  Fläche  des  Kreuz- 
beines gelegen  ist,  wird  von  den 
vier  Kreuznerven  gebildet,  von 
welchen  der  erste  durch  Aeste, 
die  zum  Hüftnerven  gehen,  mit 
dem  Lendengeflecht  in  Verbin- 
dung steht;  der  letzte  verbindet 
sich  in  ähnlicher  W^eise  mit  den 
ersten  Nerven  des  Steissge- 
flechtes.  Der  Hauptnerv  des 
Kreuzgeflechtes  ist  der  Scham- 
nerv  (N.  pudendus,  pu),  der  aus 
der  zweiten  Schlinge  des  Plexus 
entspringt,  hinter  dem  Abzieh- 
muskel des  Schwanzes  verlaufend, 
sich  auf  die  äussere  Fläche  des 
Sitzbeindornes  begiebt  und  von  der  Beckenfuge  aus  bei  dem  Männchen 
sich  im  Penis  und  dem  Scrotum,  beim  Weibchen  in  der  Clitoris  und 
den    Schamlippen   verzweigt.     Die   beiden  letzten    Schlingen   des  Ge- 


Lep.  cun.  —  Lenden  -  und  Kreuzgeflecht 
(nach  Krause),  vi,  fünfter,  sechster  und 
siebenter  Lendenwirbel;  s,  Kreuzbein;  ts, 
Kreuzbeinlöcher;  il,  Darmbein;  er,  N.  cru- 
ralis;  sm,  N.  saphenus;  o,  N.  obturatorius; 
is,  N.  ischiaticus;  pu,  N.  pudendi  in  drei 
Bündeln  vereinifft. 


Säugethiere.  887 

flechtes  liefern  die  Hämorrhoidalnerven,  welche  am  After  und  Rectum 
sich  verzweigen. 

Das  von  den  dünneu  Ventralzweigen  der  sechs  Steissnerven  ge- 
bildete S teissgeflecht  ist  äusserst  zart;  die  von  ihm  abgehenden 
Zweige  versorgen  die  Muskeln  und  die  Haut  des  Schwanzes. 

Hirnnerven  (Fig.  356).  —  Wir  zählen  zwölf  Paare,  von  welchen 
zehn  aus  den  hinteren  Hirntheilen ,  eines  aus  dem  Zwischenhirne  und 
eines  aus  dem  Vorderhirne  entspringt.  Wir  besprechen  sie  der  Reihe 
nach  von  hinten  her. 

Der  N.  hypogJossus  (XII),  der  Zungenfleischnerv,  entspringt  an 
der  Seite  der  Pyramiden  aus  dem  verlängerten  Marke  mit  mehreren 
Wurzelfäden  (Fig.  352,  nliy)^  welche  nach  Durchsetzung  der  dura 
mater  zwei  Bündel  bilden,  dann  aber  bald  zu  einem  Stamme  zusammen- 
fliessen.  Der  Nerv  tritt  durch  die  Gelenklöcher  des  Hinterhauptes 
(Fig.  342,  th)  aus,  legt  sich  an  die  innere  Carotis  an,  kreuzt  sich  uiit 
dem  Beinerven  und  dem  Vagus,  biegt,  unter  dem  M.  sterno-liyoideiis 
angelangt,  nach  vorn,  schickt  einen  absteigenden  Ast  {hd),  der 
sich  durch  mehrere  Fädchen  mit  dem  ersten  Halsnerven  und  dem  Vagus 
verbindet  und  sich  in  den  M^n.  sterno-liyoideus  und  sterno-thyroideus 
verzweigt.  Der  vordere  Ast,  der  Zungenast  (Fig.  356,  hl),  läuft 
neben   der  Zungenarterie  nach  vorn   und   verästelt   sich  in  der  Zunge. 

Der  Beinerv  {N.  accessorius,  XI)  setzt  sich  aus  etwa  zehn  sehr 
feinen  Wurzelfäden  zusammen ,  von  welchen  die  hintersten  noch  an 
dem  Rückenmarke  zwischen  den  dorsalen  und  ventralen  Wurzeln  der 
Nerven  entspringen.  Die  Würzelchen  verlaufen  nach  vorn  und  ver- 
einigen sich  noch  vor  dem  Eintritte  in  das  grosse  Hinterhauptsloch  zu 
einem  Stamme,  der  an  das  ganglionartige  Geflecht  des  Vagus  Zweige 
abgiebt,  und  dann  einen  hinteren  oder  äusseren  Nerven  bildet 
(Fig.  354,  356,  nac),  welcher  den  Hypoglossus  kreuzt,  an  die  Mm- 
sterno-cleido-mastoidei  Zweige  giebt  und  sich  schliesslich  in  dem  M. 
trapezius  verästelt. 

Der  N.  vagus  (X)  ist  weit  mächtiger  als  die  vorigen.  Er  ent- 
springt mit  mehreren  Wurzeln  an  der  Lamina,  auf  dem  Boden  des 
vierten  Ventrikels,  und  tritt  hinter  dem  N.  glossopharyngeus  durch  das 
Jugularloch  aus  dem  Schädel,  wo  er  ein  kleines  Ganglion  bildet.  Die 
von  diesem  Knoten  ausgehenden  Fasern  bilden  sofort  einen  dicken, 
ganglionartigen  Plexus  (Fig.  354  und  356,  pr).  in  welchem  sich 
Ganglienzellen  finden,  und  die  Verbindungsfäden  vom  Beinerven  zu- 
mischen. Vor  diesem,  den  Hypoglossus  umschlingenden  Plexus  geht  ein 
Ohrast  ab,  der  in  dem  Zitzentheile  des  mittleren  Ohres  und  der  Haut 
der  Ohrmuschel  sich  verzweigt.  Aus  dem  Plexus  gehen  einige  Schlund- 
kopfnerven hervor.  Sodann  läuft  der  Stamm  am  Halse  (Fig.  354 
und  356,  nv)  und  giebt  Zweige  ab,  die  meist  längs  den  Arterien  ver- 
laufen ,    was   ihre   Präparation    erleichtert.     Beim   Austritte   aus    dem 


Wirbelthiere. 

Plexus  giebt  der  Stamm  deu  bedeutenden  oberen  Kehlkopfnerven 
(nl)  ab,  der  sich  in  der  Schleimhaut  des  Kehlkopfes  verzweigt;  etwas 
hinter  diesem  geht  der  Herzast  ab,  der  längs  der  Carotis  verläuft 
und  dann   mit  Fäden   vom  Sympathicus   das  Herzgeflecht  bildet.    Von 

Fig.  356. 


pv 


Lep.  Clin.  —  Schematische  Figur  der  Hirnnerven  und  ihrer  Hauptäste.  I,  in  der 
Nasenschleimhaut  verzweigte  Fasern  des  Riechnerven;  H,  N.  opticus;  o,  Augapfel; 
HI,  N.  oculo-motorius;  rs,  sein  oberer  Ast;  IV,  N.  patheticus;  V,  N.  trigeminus,  sein 
dicker  Theil  und  daneben  der  dünnere;  G,  Gas s er' scher  Knoten;  no,  N.  ophthal- 
micus;  rp,  sein  Augenlidast;  rlc,  sein  Thränenast;  rf,  Stirnast;  rac,  ramus  naso- 
ciliaris;  mx,  Oberkieferast;  ro,  Augenhöhlenast;  rsp,  ramus  spheiio-palatinus;  rd, 
r.  dentalis  posterior;  rd',  r.  dent.  medius;  rd",  r.  dent.  anterior;  rb,  r.  bucci- 
nator  des  ünterkiefernerven ;  rm,  r.  massetericus ;  rt,  r.  temporalis;  md,  r.  man- 
dibularis;  nl,  Zungenast;  VI,  ab,  N.  abducens;  VII,  N.  facialis;  na,  ramus  auri- 
cularis;  zt,  r.  z3'gomatico -temporalis;  bis,  r.  bucco -labialis  superior;  bis,  r.  bucco- 
labialis  inferior;  VIII,  N.  acusticus;  IX,  N.  glosso-pharyngeus;  gp,  ganglion  petrosum ; 
rp,  Gaumenast,  der  mit  einem  gleichnamigen  Zweige  vom  ganglionartigen  Plexus 
anostomosirt;  rl,  Zungenast;  X,  Wurzeln  des  N.  vagus;  pv,  plexus  gangliformis ;  nl, 
r.  laryngeus  superior;  nv,  N.  vagus;  XI,  N.  accessorius;  nac,  sein  hinterer  Ast; 
XII,  N.  hypoglossus;  hl,  sein  Zungenast;  ha,  sein  absteigender  Ast.  Das  Gehirn  ist 
nur  durch  Conturen  angedeutet;    A,  Grosshirn;  B,  Kleinhirn;   C,  verlängertes  Mark; 

D,  Rückenmark. 


diesem  Punkte  an  wird  der  Verlauf  auf  beiden  Seiten  ungleich.  Der 
rechte  Vagus  legt  sich  an  die  gemeinschaftliche  Carotis  an ,  giebt  in 
der  Höhe  der  Arteria  subclavia  den  unteren  oder  rückläufigen 
Kehlkopfnerven  ab,  welcher  zum  Kehlkopfe  geht,  legt  sich  dann  an 
den  Schlund  an ,   dringt  mit   diesem   durch   die  Brusthöhle   und  in  die 


Säugethiere.  889 

Bauchhöhle,  auf  welchem  Wege  er  die  Bronchen,  die  Lungen  und  die 
dorsale  Fläche  des  Magens  reichlich  mit  Zweigen  versorgt.  Der  linke 
Vagus  läuft,  wie  der  rechte,  längs  der  Carotis,  giebt,  wie  dieser,  einen 
Kehlkopfast  ab,  der  aber  erst  in  der  Höhe  des  Bogens  der  Aorta  ab- 
geht, läuft  dann  am  Oesophagus  und  der  Luftröhre  entlang  und  ver- 
zweigt sich  auf  der  ventralen  Fläche  des  Magens.  Die  Luftröhren-  und 
Magenäste  des  Vagus  anastomosiren  mit  Fasern  vom  Sympathicus  und 
bilden  mit  diesen   die  sehr  complicirten  Lungen-  und  Magengeflechte. 

Der  G-losso-j)haryngeus  (IX)  entspringt  am  Vorderrande  des 
verlängerten  Markes  an  der  Grenze  der  Varolsbrücke  mit  zwei  kurzen, 
bald  zu  einem  Stamme  sich  vereinigenden  Wurzeln,  der  durch  das 
Jugularloch  den  Schädel  verlässt.  Hier  bildet  er  das  kleine  Ganglion 
petrosum  (Fig.  356,  gp),  von  welchem  ein  feiner  Verbindungsast  zum 
Ohraste  des  Vagus  und  der  N.  tympanicus  zum  mittleren  Ohre  abgeht. 
Vom  Ganglion  her  setzt  sich  der  Nervenstamm  fort,  läuft  längs  der 
inneren  Carotis  und  gabelt  sich  dann  in  zwei  Theile,  einen  Schlund- 
kopfast (Fig.  356,  rj)),  der  sich  mit  dem  gleichnamigen  Aste  des 
Vagus  verbindet  und  mit  diesem  die  Schlundkopfmuskeln  versorgt,  und 
einen  Zun  genast  (r?),  der  sich  auf  den  Seiten  des  Pharynx  und  der 
Zungenwurzel  verzweigt. 

Der  Hörnerv  (VIII)  (Fig.  352,  nac)  geht  ebenfalls  von  der  ven- 
tralen Fläche  des  Vordertheiles  des  verlängerten  Markes  ab,  dringt 
durch  den  Porus  acusticus  in  das  Labyrinth  und  theilt  sich  hier  in 
zwei  Aeste,  die  wir  beim  Hörnerven  besprechen  werden,  den  Vor  hof- 
nerven und  den  Schneckennerven. 

Der  Nervus  facialis  (VII)  (Fig.  352,  nf)  entspringt  sehr  nahe 
am  Hörnerven  und  tritt  mit  diesem  in  den  inneren  Gehörgang  ein,  wo  er 
eine  Anschwellung,  das  knieförmige  Ganglion,  bildet,  von  welchem 
ein  oberflächlicher  Felsennerv  abgeht.  Nach  Abgabe  des 
zum  mittleren  Ohre  gehenden  Astes,  welchen  man  die  Chorda  tym- 
pani  genannt  hat,  verlässt  der  Stamm  den  Schädel  durch  das  Foramen 
stylo-mastoideum  und  läuft  unter  der  Ohrspeicheldrüse  nach  vorn,  theilt 
sich  aber  am  Mundwinkel,  hinter  dem  M,  masseter,  in  viele  Aeste,  von 
welchen  die  einen  zum  Ohre  gehen.  Nervi  auriculares  profundi,  anterior 
et  posterior  (Fig.  356,  na),  die  anderen  die  Muskeln  des  Gesichtes  und 
des  Unterkiefers  versorgen,  N.  zygomatico-temporalis  (Fig.  356,  zt), 
N.  hucco-lahiaJis  superior  et  inferior  (Fig.  356,  6Zs,  hli). 

Der  Nervus  ahducens  (VI)  (Fig.  352,  nad)  entspringt  vom  ver- 
längerten Marke  am  Vorderende  der  Pyramiden ,  läuft  nach  vorn  an 
dem  Gass er' sehen  Knoten  des  Trigeminus  vorbei,  durchbohrt  die  harte 
Hirnhaut  an  der  hinteren  Augenhöhlenspalte  und  vertheilt  sich  in  dem 
geraden  äusseren  Augenmuskel. 

Der  Nervus  tri geminu  s  (V)  (Fig.  352,  ntr)  ist  der  stärkste 
Hirnnerv;  er  entspringt  am   Hinterrande  der  Varolsbrücke,  nahe   an 


890  Wirbelthiere. 

den  Kleinhirusclaenkeln  und  theilt  sich  sofort  in  zwei  ungleich  starke 
Stämme.  Der  grössere  dieser  Stämme,  die  sensitive  Wurzel  des  Vagus, 
wird  aus  mehreren ,  mit  Ganglienzellen  untermischten  Bündeln  ge- 
bildet,  welche  den  dicken,  halbmondförmigen  Gasser'schen  Knoten 
(Fig.  356,  G)  zusammensetzen.  Dieses  mächtige  Ganglion  liegt,  von 
der  dura  mater  bedeckt,  in  der  seichten  Keilbeingrube  auf  der  Innen- 
fläche des  grossen  Flügels  des  Keilbeines  und  entsendet  drei  Nerven- 
stämme, den  N.  ophthahnicus,  maxiUaris  superior  und  maxillaris  inferior. 

Der  Bamus  oplitlialmicus  (Fig.  352,  no)  läuft  neben  dem  Nervus 
trochlearis  nach  vorn  und  oben  durch  die  Augenhöhlen  spalte  und  giebt, 
in  der  Orbita  angelangt,  sofort  einen  Augenlidnerven  ab  (rp),  der 
zwischen  dem  geraden  unteren  Augenmuskel  und  der  Unteraugen- 
höhlendrüse hindurch  sich  zum  unteren  Augenlide  begiebt.  Etwas 
weiter  hin  giebt  der  Stamm  einen  Ramics  lacrymdlis  (rlc)  ab,  der  sich 
in  der  Thränendrüse  und  dem  oberen  Augenlide  verzweigt,  läuft  go- 
dann  über  den  Sehnerven  zur  vorderen  Fläche  des  Augapfels  und  theilt 
sich  hier  in  einen  Stirnast  (rf),  der  die  Haut  der  Stirn  und  des 
oberen  Augenlides  versorgt  und  einen  Ranms  naso - ciliaris  (rnc), 
welcher  an  den  inneren  Augenwinkel  Zweige  sendet,  die  Siebbeinplatte 
durchsetzt  und  sich  in  der  Haut  und  der  Schleimhaut  der  Nase  ver- 
zweigt. 

Der  Nervus  maxillaris  (Fig.  356,  mx)  läuft  am  Nasentheile  des 
Gaumenbeines  und  theilt  sich  in  drei  Aeste:  a)  den  Bamus  suhcutaneus 
malae  (ra),  der  durch  den  Canal  des  Jochbeines  nach  aussen  tritt  und 
sich  in  der  Wange  verzweigt;  b)  den  B.  sidlieno-palatinus  (rsp),  der 
nach  kurzem  Verlaufe  das  kleine,  gleichnamige,  dreieckige  Ganglion 
bildet,  aus  welchem  feine  Aeste  ausstrahlen,  Nervus  petrosiis,  naso- 
palatinus  und  palatinus,  deren  Namen  die  Verzweigungsorte  angeben, 
und  schliesslich  c)  den  B.  dentalis  supero -posterior  (rd),  welcher  sich 
in  den  Alveolen  der  hinteren  Backzähne  und  den  Zähnen  selbst  ver- 
zweigt. 

Nach  Abgabe  dieser  drei  Aeste  setzt  sich  der  Stamm  als  Nervus 
Siib - orbitalis  fort  und  gabelt  sich  in  zwei  Zahnnerven,  einen  mitt- 
leren {rd')  undi  einen  vorderen  {rd")  für  die  Prämolaren  und  die 
Schneidezähne. 

Der  Unterkiefernerv  {N.  nmndihularis)  {Fig.  352,  md)  setzt  sich 
aus  der  kleinen  Wurzel  des  Trigerainus  und  einem  aus  dem  Gasser'- 
schen Knoten  entspringenden  Stamme  zusammen.  Er  ist  der  grösste 
Ast  des  Trigeminus  und  theilt  sich ,  wie  der  vorhergehende ,  in  drei 
Zweige:  N.  huccinator  {rh)  für  die  gleichnamigen  Muskeln  und  die 
Wange;  N.  massetericus  {rni)  für  den  grossen  Kaumuskel  und  N. 
tempor alis  {rt)  für  den  Schläfenmuskel  und  die  Haut  des  Ohres. 

Nach  Abgabe  dieser  Aeste  bildet  das  Endstück  des  Nerven  einen 
Ramus  mandibularis  {nid),  der  sich  in  der  Haut  des  Kinnes,  der 


Säugethiere.  891 

Unterlippe  iiud  den  Zahnhöhlen  des  Unterkiefers  verzweigt,  und  einen 
Znngenast  (nl),  der  die  Schleimhaut  der  dorsalen  Fläche  der  Zunge 
versieht. 

Der  Nervus  trochlearis  oder  patheticus  (IV)  (Fig.  352,  iix)) 
entspringt  hinter  den  Vierhügeln,  dringt  auf  seinem  Laufe  nach  vorn 
und  unten  neben  dem  Augenmuskelnerveu  in  die  Augenhöhle,  und  ver- 
zweigt sich  in  dem  oberen  schiefen  Augenmuskel. 

Der  Nervus  oculo-motorhis  (III)  (Fig.  o62,nom)  entspringt 
an  den  Hirnschenkeln  und  dringt  zwischen  den  beiden  vorderen  Augen- 
muskelnerven in  die  Augenhöhle  ein.  Mit  Ausnahme  des  äusseren 
geraden  und  des  unteren  schiefen  Augenmuskels,  die  ihre  eigenen 
Nerven  (IV  und  VI)  haben,  versorgt  er  alle  übrigen  Augenmuskeln. 
Am  Grunde  der  Augenhöhle  theilt  er  sich  in  zwei  Aeste,  einen  oberen 
(rs),  der  sich  zum  geraden  oberen  und  zum  Hebemuskel  des  oberen 
Lides  begiebt,  und  einen  unteren,  welcher  den  geraden  unteren, 
geraden  inneren  und  unteren  schiefen  Augenmuskel  versieht.  Letzterer 
Ast  giebt  noch  einige  feine  Fädchen  zu  dem  kleinen  Ciliar gangliou 
ab,  das  über  ihm,  nahe  an  dem  Sehnerven  liegt  und  wesentlich  dem 
Sympathicus  angehört.  Der  Ciliarknoten  entsendet  die  äusserst  feinen 
Ciliarnerven. 

"Wie  schon  beim  Gehirne  bemerkt  wurde,  entsteht  der  Nervus 
0])ticus  (II)  (Fig.  352,  no)  aus  den  Sehsträngen  des  Zwischenhirnes. 
Die  Fasern  der  beiden  Sehnerven  kreuzen  sieb  im  Chiasma  (ch)  und 
dringen  sodann  in  den  Augapfel  durch  seine  hintei'e  Fläche  ein ,  um 
sich  im  Inneren  zur  Retina  auszubreiten. 

Der  Nervus  olfactorius  (I)  wird  durch  zahlreiche,  aus  den 
Riechlappen  (Fig.  352,  lo)  kommende  Fasern  gebildet,  welche  die  Sieb- 
beinplatte durchsetzen  und  sich  in  der  Schleimhaut  des  Grundes  der 
Nasenhöhle  verzweigen. 

Sympathisches  Nervensystem.  —  Es  begreift  die  längs  der 
Wirbelsäule  verlaufenden  Grenzstränge,  sowie  die  zahlreichen  Gan- 
glien und  Geflechte,  welche  an  den  Eingeweiden  und  Gefässstämmen 
entwickelt  sind.  Es  steht  vorn  in  Verbindung  mit  den  Hirnnerven, 
namentlich  dem  Vagus,  und  mit  den  Spinalnerven,  die,  wie  schon  ge- 
sagt, aus  ihren  Ventralästen  kleine  Visceralzweige  zur  Verbindung 
mit  dem  Sympathicus  abgeben.  Meist  findet  sich  an  der  Vereinigung 
dieser  Nerven  mit  dem  Grenzstrange  ein  sympathisches  Ganglion, 
welches  zuweilen  mit  seinen  Nachbarn  derselben  Seite  verschmilzt  und 
so  einen  grösseren  Ganglionkörper  herstellt.  Solche  Bildungen  finden 
sich  vorzugsweise  an  den  Seiten  des  Halses ,  während  am  Thorax  die 
Ganglien  wohl  von  einander  getrennt  bleiben.  Es  gilt  also  für  das 
Kaninchen  das  bei  der  Taube  Gesagte :  man  kann  am  leichtesten  den 
Grenzstrang  in  der  Thoraxgegend  biossiegen  und  seine  metamerische 
Anordnung  nachweisen. 


892  Wirbelthiere. 

Der  Grenzstrang  beginnt  am  Halse  mit  einem,  am  Ursprünge 
der  äusseren  Carotis  dem  Ringknorpel  des  Kehlkopfes  anliegenden 
vorderen  oder  oberen  Halsganglion,  das  nach  vorn  Zweige  ent- 
sendet, welche  das  Carotisgeflecht  um  die  beiden  Halsarterien  bilden. 
Von  diesem  Plexus  ausstrahlende  Fäden  können  bis  zu  den  meisten 
Hirnnerveu    und    den    sympathischen   Kopfganglien    verfolgt    werden, 

namentlich  zu   dem   mit  dem  Oculo-motorius  verbundenen  Ciliarknoten 

* 
und  bis   zum  Ganglion  spheno-palatinum,   das   mit  dem  Oberkieferast 

des  Trigeminus   in  Beziehung   steht  (man  vergleiche  die  Beschreibung 

dieser  Nerven).   Ein  eigentlicher  Grenzstrang  lässt  sich  am  Kopfe  nicht 

nachweisen. 

Der  Grenzßtrang  läuft  am  Halse  parallel  mit  der  gemeinschaft- 
lichen Carotis  und  dem  Vagus,  mit  dem  er  durch. Fädchen  verbunden  ist 
(Fig.  351,6?/);  in  der  Höhe  der  ersten  Rippe  entsendet  er  einen  starken 
Ast  zum  Schlünde  und  bildet  dort  das  hintere  oder  untere  Hals- 
ganglion, das  durch  zahlreiche  Fäden  mit  dem  Vagus  und  dem  das 
Armgeflecht  bildenden  Halsnerven  verbunden  ist.  Auch  sendet  es  Fäden 
an  die  Arteria  subclavia  und  einen  Ast  zu  dem  Herzgeflechte.  Von 
dem  Ganglion  aus  läuft  der  Grenzstrang  im  Thorax,  bildet  dort  an  dem 
Gelenkkopfe  einer  jeden  Rippe  ein  Brustganglion,  so  dass  der 
Grenzstrang  hier  eine  wirkliche  Kette  von  Ganglien  herstellt,  die  bis 
zum  Zwerchfelle  zwölf  Ganglien  enthält,  deren  erstes  dem  hinteren 
Halsganglion  sehr  genähert  ist.  Hinter  dem  Zwerchfelle  setzt  sich  die 
Kette  längs  der  Bauchaorta,  durch  die  Bauch-  und  Lendengegend  bis 
zu  dem  Kreuzbeine  fort  und  nähert  sich  stets  mehr  den  Wirbelkörpern, 
auf  deren  ventraler  Fläche  sie  angelagert  ist.  Man  zählt  etwa  sieben 
Ganglien  in  der  Lendengegend  und  vier  am  Kreuzbeine;  da  die  Knoten 
aber  sehr  klein  und  unscheinbar  sind,  lassen  sie  sich  nur  schwer  zählen 
und  ausserdem  scheinen  auch  bedeutende  individuelle  Verschiedenheiten 
Platz  zu  greifen.  In  der  Steissgegend  endet  der  Grenzstrang  mit  einem 
feinen  Faden,  der  sich  mit  demjenigen  der  anderen  Seite  zu  einem 
kleinen,  terminalen  unpaaren  Steissganglion  vereinigt. 

Auf  seinem  ganzen  Verlaufe  sendet  der  Grenzstrang  eine  Menge 
von  Nervenfäden  aus,  welche  bald  aus  den  Ganglien,  bald  aus  den 
Verbindungssträngen  dazwischen  entstehen,  sich  ins  Unendliche  ver- 
ästeln, vorzugsweise  die  Arterien  begleiten  und  mit  diesen  in  den  Ge- 
flechten der  Eingeweide  sich  auflösen.  Die  bedeutendsten  Aeste  sind 
die  Herznerven,  aus  dem  hinteren  Halsganglion  und  dem  ersten 
Thoraxganglion;  sie  vereinigen  sich  mit  den  Herzästen  des  Vagus  und 
bilden  Geflechte  an  den  grossen  Gefässstämmen  und  im  Herzen.  Nicht 
minder  bedeutend  sind  die  Eingeweidenerven,  die  aus  den  hin- 
teren Thoraxganglien  entstehen,  Fasern  von  den  Zwischenrippennerven 
aufnehmen,  die  Aorta  umspinnen  und  mit  ihr  das  Zwerchfell  durch- 
setzen,  um  das   vor  den  Nebennieren   gelegene  Ganglion  coeliacum 


Säugethiere.  898 

zu  erreichen,  hinter   welchem   sie  sich   durch   einen  feinen  Zweig  bis 
zum  Nierengeflechte  fortsetzen. 

Die  einzelnen  Plexus  der  Eingeweide  stehen  in  so  verwickelten 
Beziehungen  zu  einander,  dass  man  sie  nicht  scharf  begrenzen  kann. 
Wir  erwähnen  folgende:  a)  der  Plexus  caroticus  internus  um- 
spinnt die  innere  Carotis  bis  in  den  Kopf  hinein;  b)  das  Herzge- 
flecht  liegt  zwischen  der  Aorta  und  der  Lungenarterie  und  zeigt 
ausser  den  schon  erwähnten  Aesten  ein  kleines ,  über  dem  Aorten- 
bogen zwischen  der  linken  Carotis  und  Subclavia  gelegenes  H  e  r  z  - 
ganglion;  der  Plexus  verbindet  sich  mit  den  beiden  Lungenge- 
flechten und  mit  den  Kranz ge flechten  des  Herzens,  welche  in 
die  Substanz  der  Ventrikel  eindringen;  c)  die  Plexus  coeliacus  und 
mesentericus,  welche  die  gleichnamigen  Arterien  umspinnen;  d)  die 
Plexus  der  Leber,  der  Milz,  der  Nieren  und  der  Nebennieren;  e)  das 
Beckengeflecht  (Plexus  hypogastricus),  auf  der  äusseren  Becken- 
wand gelegen.  Es  steht  mit  kleineren  Geflechten  an  den  Geschlechts- 
organen und  dem  After  in  Verbindung,  die  man  Plexus  vaginalis, 
cleferentialis,  haemorrhoidalis  etc.  genannt  hat. 

Sinnesorgane.  —  W^ir  besprachen  schon  bei  der  Haut  (S.  835) 
den  allgemeinen  Tastsinn  und  die  Tasthaare.  Es  bedarf  einer  beson- 
deren histologischen  Untersuchung,  um  die  länglich  eiförmigen  Körper- 
chen zu  untersuchen,  in  welchen  die  Hautnerven  enden.  Sie  gleichen 
sehr  den  Tastkörperchen  der  menschlichen  Haut,  nur  ist  ihre  Structur 
einfacher. 

Die  Geschmacksorgane  sind  in  der  Mundschleimhaut,  und 
namentlich  auf  der  Oberfläche  und  den  Seiten  der  Zunge  zerstreut, 
wo  sich  zahlreiche  Papillen  finden ,  die  man  mit  einer  starken  Lupe 
untersuchen  kann.  Es  giebt  zugespitzte ,  federförmige  und  mehr  ab- 
gestumpfte, kegel-  oder  schwammförmige  Papillen;  zu  ihrer  Basis 
begiebt  sich  ein  Fädchen  des  Glossopharyngeus ,  das  sich  am  Ende 
zu  einer  einfachen  Nervenfaser  reducirt,  welche  in  einer  Gruppe 
von  Geschmackszellen  endet,  die  sich  besonders  auf  den  Seiten  der 
Zungenwurzel  bemerklich  machen,  wo  man  sie  bei  der  Profilansicht  mit 
blossem  Auge  sehen  kann.  Man  hat  sie  geblätterte  Geschmacks- 
wärzchen {Papulae  foliatae)  genannt,  weil  sie  in  der  That  aus  einer 
mehr  oder  minder  vorspringenden  Reihe  von  Schleimhautfältchen  ge- 
bildet sind,  die  durch  parallele,  tiefe  und  enge  Spalten  von  einander 
getrennt  werden,  in  welchen  becherförmige  Häufchen  von  Sinneszellen 
angebracht  sind.  Wir  verweisen  hinsichtlich  der  genaueren  Unter- 
suchung dieser  Organe,  welche  verwickelte  histologische  Methoden 
erheischt,  auf  die  Arbeit  von  H.  v.  Wyss  und  Hermann  (siehe 
Literatur). 

Die  Riech  Zellen  sind  auf  der  Schleimhaut  der  Nasenhöhle  locali- 
sirt,  die  ziemlich  gross  und  von  vorn  nach  hinten  in  die  Länge  gezogen 


894 


Wirbelthiere, 


ist.  Die  knorpelige  Scheidewand,  welche  die  beiden  Nasenhöhlen  von 
einander  trennt,  geht  von  dem  vorderen  Rande  des  Siebbeinkammes 
aus  und  erstreckt  sich  bis  zur  birnförmigen  Nasenöffnung,  wo  sie  mit 
dem  Knorpel  verschmilzt,  der  die  Nase  über  die  Knochen  hinaus  ver- 
längert. Die  ganze  Nasenhöhle  ist  von  der  Schleimhaut  überkleidet, 
aber  nur  im  Hintergrunde  derselben,  in  der  eigentlichen  Riech - 
gege nd,  wo  sie  eine  bräunliche  Färbung  besitzt,  finden  sich  die 
Sinneszellen,  während  die  blassere  vordere  Gegend  nur  zur  Athmung 
in  Beziehung  steht. 

Die  knorpeligen  Seitenwände  der  Nasenhöhle  tragen  Falten,  welche 
ihre  Oberfläche  bedeutend  vergrössern  und  als  hintere  (Fig.  357,  ep), 
mittlere  {cm)  und  vordere  {ca)  Nasenmuscheln  bezeichnet  werden; 
letztere   zeigen   den   verwickeltesten    Bau.     Die   Muscheln   theilen    die 

Fig.  357. 


Lep.  cun.  —   Sa'gittalschnitt    der  Nase    (natiirl.    Grösse),     ca,    vordere  Nasenmuschel; 
mn,  Marsupium;    om,  Nasenbein;    cm,    mittlere  Muschel;    cp ,    hintere  Muschel;    oj, 
Jacobson'sches  Organ ;  ap,  Gaumenfortsatz  des  Oberkiefers  ;  c,  Vorderhirn ;  «m,  Zwischen- 
kiefer;  i,  Schneidezahn. 


Nasenhöhle  in  eine  Menge  secundärer,  unter  einander  communicirender 
Höhlen  ab  und  nähern  sich  der  Scheidewand  so  sehr,  dass  hier  nur 
eine  enge  Spalte,  die  sogen.  Riechspalte  übrig  bleibt.  Alle  diese 
Verhältnisse  lassen  sich  auf  Querschnitten  untersuchen. 

In  dem  zwischen  der  Rinne  des  Gaumenbeines  und  dem  Zwischen- 
kiefer bleibenden  Binnenraume  liegt  ein  horizontal  verlaufendes  Knor- 
pelrohr, in  welches  die  Nasenschleimhaut  sich  fortsetzt.  Es  ist  das 
Jacobson'sche  Organ  (Fig.  357,  oj).  Seine  Structur  wurde  zu- 
letzt von  Klein  untersucht  (siehe  Lit.).  Es  erhält  feine  Zweige  vom 
Riechnerven  und  zeigt  körnige  Drüsen ,  die  einen  eiweissartigen  Saft 
absondern,  welcher  durch  eine  enge,  vor  dem  Nasengaumengange  ge- 
legene Oeffnung  in  die  Mundhöhle  abfliesst. 

Das  Riechepitheliura  wird  von  mehreren  Arten  von  Zellen 
zusammengesetzt:  lange,  körnige  Wimperzellen  mit  grossen,  eiförmigen 


Säugethiere. 


895 


Kernen,  runde  Basalzellen  und  eigentliche  Sinneszellen,  deren  Körper 
durch  einen  eiförmigen  oder  runden  dicken  Kern  aufgeschwollen  er- 
scheint, und  die  zwei  varicöse  Fortsätze  zeigen,  einen  dickeren,  der 
freien  Oberfläche  der  Schleimhaut  zugewendeten  und  einen  sehr  feinen, 
welcher  sich  in  die  Tiefe  senkt  und  wahrscheinlich  in  ein  Fädchen  des 
Riechnerven  ausläuft.  Diese  Riechzellen  gleichen  sehr  denjenigen  des 
Frosches  (Fig.  247,  B,  C;  S.  582). 

Sehorgan.  —  Es  besteht  aus  dem  Augapfel  und  den  zum  Schutze 
und  zur  Bewegung  dienenden  Nebenorganen ,  Muskeln ,  Augenlidern, 
Drüsen. 

Die  Augen  liegen  seitlich,  wie  bei  den  Vögeln,  in  ihren  Höhlen, 
welche  die  Gestalt  eines  abgestutzten  Kegels  oder  einer  Pyramide  haben, 


Fig.  358. 


pu 


Lep.  cun.  —  Das  linke  Auge 
nach  dem  Leben  in  natürlicher 
Grösse,  ps^  oberes  Augenlid; 
pi,  unteres  Lid;  inn,  drittes 
Lid  (Nickhaut);  ca,  Thränen- 
carunkel;^«,  Pupille;  ir,  Iris, 
durch  die  Hornhaut  durch- 
scheinend; sc,  vSclerotica. 


deren  nach  aussen  gewendete  Basis  die  Pupille 
als  Mittelpunkt  hat;  der  Gipfel  der  Pyramide 
entspricht  dem  Eintritte  des  Sehnerven.  Man 
unterscheidet  vier  Flächen  der  Augenhöhle; 
die  vordere,  hintere,  obere  und  untere.  Letztere 
ist  offen,  aber  der  Augapfel  ruht  hier  auf  der 
sehnigen  Orbitalhaut,  die  über  die  Al- 
veolen der  oberen  Backzähne  (Fig.  343,  a>«s). 
und  die  Unteraugenhöhlendrüse  gespannt  ist. 
Der  Augapfel  ist  fast  kugelrund,  nach 
vorn  vorgewölbt  durch  die  Hornhaut,  die 
relativ  grösser  ist  als  beim  Menschen  und 
deren  Durchmesser  demjenigen  der  Augenlid- 
spalte gleich  kommt,  so  dass  man  im  Leben 
bei  geöffnetem  Auge  nur  eiuen  sehr  kleinen 
Theil  (Fig.  358,  sc)  oder  gar  nichts  von  der  weissen  Augenhaut  sieht. 
Es  unterscheidet  sich  vom  Vogelauge  durch  die  mehr  sphärische  Form, 
den  Mangel  eines  Knochenringes  in  der  Sclerotica,  den  Mangel  des 
Kammes  und  die  Reduction  der  Nickhaut,  die  viel  von  ihrer  Beweglich- 
keit eingebüsst  hat. 

Man  präparirt  das  frische  Auge  unter  Wasser,  indem  man  es  mit 
feinen  Scheeren  dem  Aequator  oder  dem  Meridian  nach  in  zwei  Hälften 
spaltet.  Zur  Erhärtung  der  Augen  für  feinere  Schnitte,  welche  zum 
Studium  der  Einzelheiten  unentbehrlich  sind,  dient  Eintauchen  wäh- 
rend mehrerer  Wochen  in  Müller'sche  Flüssigkeit  oder  in  eine 
Lösung  von  doppeltchromsaurem  Kali.  Die  Herausnahme  des  Aug- 
apfels aus  der  Höhle  bietet  keine  Schwierigkeiten;  man  bedient  sich 
dazu  auf  das  Blatt  gekrümmter  Scheeren,  womit  man  die  Muskeln  und 
den  Sehnerven  durchschneidet. 

Die  äussere  der  drei  Augenhäute,  die  Sclerotica  (Fig.  859,  sc), 
ist  weiss,  undurchsichtig  imd  aus  einem  dichten  Filze  fester  Binde- 
gewebsfasern gewebt.     Sie   steht  in  Continuität   mit  der  Sehnenscheide 


896 


Wirbelthiere. 


PIL  — 


hci,  — 


des  Sehnerven ,  welche  selbst  wieder  nur  eine  Fortsetzung  der  dura 
mater  des  Gehirnes  ist,  enthält  keinen  Knorpel  und  erreicht  ihre  grösste 
Dicke  einerseits  am  Eintrittsloche  des  Sehnerven,  anderseits  im  Um- 
kreise der  Hornhaut  {co).  Hier  nehmen  ihre  Fasern  eine  andere  Rich- 
tung an,  werden  durchsichtig  und  bilden  die  Hornhaut.  Auf  der  Grenze 
zwischen  beiden  Häuten  liegt  ein  kreisförmiger  Venensinus ,  der 
Schlemm'sche  Canal  {es). 

Auf  der  Aussenfläche  der  Hornhaut  dehnt  sich  eine  der  Haut  ent- 
stammende Schicht  von  Bindegewebe  mit  einem  Epithelium  aus  und 
bildet  so  die  Conjunctiva  der  Hornhaut.     Auf  der  Innenfläche  ist  sie 

mit  einer  structurlosen, 
durchsichtigen  Haut,  der 
Descement'  s  chen 
Haut,  ausgekleidet.  Die 
Hornhaut  enthält  ver- 
kümmerte Blutgefässe, 
Lymphräume  und  Ner- 
ven, welche  sehr  geeig- 
nete Objecte  für  histo- 
logische Forschungen 
abgeben. 

Die  zweite  Haut,  die 
Choroidea  (ch),  kleidet 
die  Innenfläche  der 
Sclerotica  aus  und  ist 
von  dieser  durch  einen 
Lymphraum  getrennt, 
der  von  einem  Netz- 
werke laxer  Bindege- 
websfasern durchzogen 
wird.  Sie  besteht  aus 
mehreren,  eher  braunen 
als  schwarzen  Pigraent- 
schichten,  in  welchen  zahlreiche  Gefässe  verlaufen,  die  in  der  inneren 
Lage  ein  dichtes  Capillarnetz,  memhrana  chorio-capülaris,  bilden.  Man 
unterscheidet  an  der  Choroidea  zwei  durch  eine  schmale  Zone,  die 
sogen.  Ora  serrata,  getrennte  Theile;  die  hintere  Hälfte  ist  glatt,  die 
vordere  dagegen  strahlenförmig  gefaltet,  und  diese  Falten  erheben  sich 
gegen  das  vordere  Ende  der  Choroidea  hin,  springen  mehr  vor  und 
bilden  so  die  Ciliarfortsätze  (pc),  welche  ausser  vielem  Pigment, 
das  freilich  bei  den  weissen  Kaninchen  fehlt,  noch  glatte  Muskelzellen 
enthalten,  die  sich  besonders  an  der  Aussenfläche  zur  Bildung  des 
Ciliar muskels  zusammenlegen,  welcher  bei  der  Accommodation  des 
Auges  eine   grosse  Rolle  spielt.     Loewe  (siehe  Literatur)   hat  eine  ins 


Lep.  Clin.  —  Sagittalschnitt  des  Auges,  dreifach  ver- 
gvössert.  Schematische  Figur,  co,  Hornhaut;  Äa, 
vordere  Kammer;  pw,  Pupille;  ir,  Iris;  c?',  Linse; 
p  c,  Ciliarfortsätze;  et-,  hintere  Kammer  mit  dem  Glas- 
körper; sc,  Sclerotica;  ch,  Choroidea;  re,  Retina;  es, 
Schlemm'scher  Canal;  ps,  oberes  Augenlid;  pi,  un- 
teres Augenlid;  cc,  Conjunctivalsack. 


Säugethiere.  897 

Einzelne  gehende  Beschreibung  der  Structur  und  der  Function  des 
Accommodationsapparates  im  Auge  des  Kaninchens  gegeben,  auf  die 
wir  um  so  mehr  verweisen,  als  sich  in  dieser  Arbeit  auch  viele  An- 
gaben über  die  Histologie  der  Augenhäute  finden. 

Die  Choroidea  schlägt  sich  vor  der  Linse  nach  innen  ein,  um  die 
braune,  bei  den  Albinos  rothe  Iris  zu  bilden,  welche  in  der  Mitte  von 
der  fast  kreisförmigen  Pupille  (pm)  durchbohrt  wird,  deren  verticaler 
Durchmesser  indessen  ein  wenig  grösser  ist,  als  der  horizontale.  Die 
der  Vorderfläche  der  Linse  anliegende  innere  Fläche  der  Iris  ist  mit 
einer  bedeutenden  Pigmentschicht,  der  Uvea,  belegt,  an  welcher  sich 
die  zahlreichen  Radialfalten  der  Iris  besonders  bemerklich  machen. 
Ausser  zahlreichen  Gefässnetzen,  denen  der  Choroidea  ähnlich,  enthält 
auch  die  Iris  Bündel  glatter  Muskelfasern,  die  kreisförmige  Anordnung 
um  die  Pupille  zeigen  und  einen  Sphincter  bilden,  dessen  Erweite- 
rung und  Verengerung  mit  der  Intensität  des  in  das  Auge  fallenden 
Lichtes  in  Wechselwirkung  steht. 

Die  dritte,  innerste  Hülle  ist  die  Retina  (re),  welche  die  innere 
Fläche  der  Choroidea  von  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven  bis  zur 
Ora  serrata  auskleidet.  "Während  des  Lebens  durchscheinend,  trübt 
sie  sich  sofort  nach  dem  Tode  und  hat  dann  das  Ansehen  eines  faltigen 
Vorhanges  mit  purpurfarbigen  Flecken ,  der  sich  sehr  leicht  von  der 
Choroidea  loslöst.  Man  fixirt  sie  mit  Osmiumsäure,  und  untersucht  sie 
auf  Schnitten  oder  nach  Zerfaserung.  Wir  verweisen  hinsichtlich  der 
Technik  auf  die  Handbücher  der  Histologie.  An  der  Eintrittsstelle  des 
Sehnerven  zeigt  sich  ein  weissliches  Wärzchen ,  von  dessen  Spitze  die 
Gefässe  ausstrahlen  und  dessen  Lage  nicht  ganz  dem  hinteren  Pole 
des  Auges  entspricht,  da  es  etwas  nach  aussen  und  unten  davon  liegt. 
Ein  gelber  Fleck  fehlt  durchaus. 

Die  Retina  besteht  aus  Nervenelementen  und  bindegewebigen  Stütz- 
gebilden (Fig.  360,  ts),  die  in  dem  vorderen  Theile  der  Retina  einzig 
vorhanden  sind;  der  hintere  Abschnitt  ist  demnach  allein  empfindlich 
für  das  Licht  und  dort  herrschen  auch  die  nervösen  Elemente  vor  und 
bilden  mehrere  Schichten,  welche  auf  in  dieser  Gegend  gefertigten 
Schnitten  einander  in  folgender  Weise  auflagern.  Zuerst  eine  innere 
Grenzmembran  (li),  an  welcher  Bündel  von  Bindegewebsfasern  (tc) 
sich  ansetzen;  dann  die  Schicht  der  Sehnervenfasern  (/o),  welche 
in  der  Nähe  des  Wärzchens  ziemlich  dick  ist,  aber  nach  vorn  allmäh- 
lich abnimmt;  hierauf  eine  Schicht  multipolarer  Ganglienzellen 
(cw?);  dann  eine  innere  Körnerschicht  (gi),  das  Hirngeflecht  von 
Ran  vi  er;  eine  Schicht  uni-  und  bipolarer  Zellen  (cti);  eine  äussere 
Körnerschicht  (ge),  Ranvier's  Basalschicht;  eine  Schicht  von  Seh- 
zellen (cv),  die  von  der  äussersten  Stäbchen-  und  Zapfenschicht 
(ch)  durch  eine  feine  äussere  Grenzmembran  (Je)  getrennt  ist.  Die 
Stäbchenschicht  steckt  nach  aussen  in  einer  Pigmentschicht,  dem  Tapetum 

Vogt  \\.  Tung,  vergl.  prakt.  Anatomie.    II.  gy 


898 


Wirbelthiere. 


tS' 


nigrum.  Für  die  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  das  Handbuch  der 
normalen  Histologie  von  Orth  und  die  citirte  Arbeit  von  Loewe 
(siehe  Literatur). 

I>er  Innenraum   des  Augapfels   zerfällt  in  zwei  Abtheilungen,  die 
vordere  Augenkammer  (Fig.  359, /m)  zwischen  der  Hornhaut  vorn, 

der  Linse  und  der  Iris  hinten,  mit 
wässeriger  Flüssigkeit,  liumor  aqueus, 
erfüllt,  und  die  hintere  Kammer 
(c  v)  zwischen  der  Linse,  den  Ciliar- 
fortsätzen  und  der  Retina,  welche 
den  gelatinösen ,  durchsichtigen 
Glaskörper  enthält,  der  von  einer 
äusserst  feinen  Hüllhaut  umschlossen 
ist;  die  Linse  (er)  istbiconvex;  die 
Radien  ihrer  beiden  "Wölbungen  sind 
beinahe  gleich,  doch  ist  ihre  Vorder- 
fläche etwas  stärker  convex,  als  die 
Hinterfläche.  Sie  besteht  wesentlich 
aus  bandartigen  Fasern,  welche  con- 
centrische  Schichten  zusammen- 
setzen ,  die  gegen  den  Kern  der 
Linse  hin  dichter  werden,  als  an  der 
Peripherie.  Sie  wird  von  einer 
structurlosen  Haut ,  der  Linsen- 
kapsel,  eingeschlossen,  die  mit  der 
Ciliarzone  {soniila  Zinnii)  zu- 
sammenhängt, welche  von  der  Innen- 
fläche der  Ciliarfortsätze  ausgeht 
und  auf  dem  Aequator  der  Linse 
mit  der  Kapsel  verschmilzt. 

Nebenorgane.  —  Es  giebt 
sieben  Augenmuskeln,  die  sich 
leicht  präpariren  lassen,  da  sie  nicht 
so  sehr  in  Fett  eingebettet  sind, 
wie  bei  vielen  anderen  Säugethieren. 
Man  zählt  vier  gerade  Augenmuskeln, 
zwei  schiefe  und  einen  Rückzieh- 
muskel des  Augapfels.  Erstere  ent- 
springen im  Grunde  der  Augenhöhle, 
rings  um  den  Eintritt  des  Sehnerven, 
und  strahlen  gegen  die  äussere  Halbkugel  des  Auges  aus.  Es  sind 
dünne,  glatte  Muskeln,  welche  sich  mit  breiten  Sehnenblättern  an  die 
Sclerotica  ansetzen;  der  obere  und  untere  gerade  Muskel  sind  etwas 
länger   und    setzen    sich   näher   an  der  Cornea  an,   als  der  innere  und 


Lep.  Clin.  —  Verticalschnitt  der  Eetin.i. 
Vergrösserung  300  Durchm.  (Nach 
Orth.)  li,  Membrana  limitans  interna; 
fo,  Schicht  der  Sehnervenfasern;  cm, 
Schicht  der  multipolaren  Ganglienzellen ; 
gi,  innere  Körnerschicht;  cu,  Schicht 
von  uni-  und  bipolaren  Ganglienzellen; 
g e,  äussere  Körnerschicht,  cv,  Sehzellen- 
schicht; le,  M.  limitans  externa;  cb, 
Stäbchen  und  Zapfenschicht;  ts,  Stütz- 
ffewebe. 


Säugethiere.  899 

äussere.  Der  obere  schiefe  Augenmuskel  entspringt  am  vorderen 
Rande  des  Sehnerveneintrittes,  läuft  schief  nach  aussen  und  hinten  über 
den  vorderen  geraden  Muskel  weg  und  setzt  sich  an  die  Sclerotica 
etwas  hinter  der  Sehne  des  geraden  oberen  Muskels.  Der  untere 
schiefe  Muskel  entspringt  an  der  vorderen  Unterecke  des  Thränen- 
beines,  läuft  nach  aussen  und  hinten  und  setzt  sich  an  die  hintere 
und  untere  Fläche  des  Augapfels.  Der  Rückzieher  ist  ein  kleiner, 
runder  Muskel,  der  unter  den  geraden  Muskeln  im  Umkreise  des  Seh- 
nerven entspringt,  und  wie  die  geraden  Miiskeln  in  vier  Bündel  aus- 
strahlt, welche  sich  unter  den  Sehnenblättern  der  geraden  Muskeln  an 
die  Sclerotica  anheften.  Er  zieht  den  Augapfel  als  Ganzes  in  den 
Grund  der  Augenhöhle  zurück. 

Das  obere  und  untere  Augenlid  (Fig.  358  und  359)  werden 
von  Hautfalten  gebildet,  welche  den  Augapfel  decken  und  durch  ihre 
Bewegungen  die  Thränenflüssigkeit  ausbreiten.  Ihre  Aussenfläche  ist 
stark  behaart.  Indem  sich  die  Innenschicht  im  Grunde  umschlägt,  um 
die  Aussenfläche  des  Augapfels  zu  überziehen ,  bildet  sie  die  C  o  n  - 
junctiva  mit  dem  geschlossenen  Bindehautsack  (Fig.  359,  c).  Die 
Lidspalte  wird  von  einem  zwischen  äusserer  Haut  und  Conjunctiva 
liegenden,  kreisförmigen  Schliessmuskel  umgeben.  Der  Heber  des 
oberen  und  der  Senker  des  unteren  Augenlides  sind  seine  An- 
tagonisten. Die  Lider  zeigen  keine  Tarsalknorpel.  Die  freien  Ränder 
der  Lidspalte  sind  pigmentirt  und  mit  Wimpern  besetzt.  Sie  ent- 
halten nur  eine  Reihe  Meibom 'scher  Drüsen,  welche  einen  schmalz- 
artigen, klebrigen  Stoif  absondern.  Die  Drüsen  des  oberen  Augenlides 
sind  länger,  als  die  des  unteren,  welches  dafür  auf  seiner  Innenfläche 
einen  von  Lyraphsäckchen  gebildeten  kleinen  Längswulst  zeigt  (siehe 
Fig.  361 ,  //).  In  beiden  Ecken  des  Lidspaltes  verbindet  ein  dünnes 
Band  die  beiden  Lider. 

Ausser  den  beiden  verticalen  Lidern  besitzt  das  Auge  des  Kanin- 
chens ein  drittes  Lid  (Fig.  358,  iiin) ,  welches  der  Nickhaut  der 
Reptilien  und  Vögel  und  der  halbmondförmigen  Falte  im  Menschen- 
auge homolog  ist.  Es  besteht  aus  einem  scheibenförmigen  Hautfalze, 
welcher  eine  Knorpellamelle  einschliesst  (Fig.  361,  ca),  die  aber  nur 
zwei  Di'ittel  seiner  Länge  einnimmt.  Der  freie  häutige  Saum  des 
Lides  ist  pigmentirt  und  trägt  kleine  AVärzchen.  In  der  Nähe  findet 
sich,  den  Nasenwinkel  des  Auges  ausfüllend,  die  Thränenwarze 
(caruncula  lacrymälis),  als  wenig  vorspringender  Drüsenwulst. 

Der  Augapfel  wird  von  drei  Drüsen  umgeben,  die  sich  nach  Weg- 
nahme des  Apfels  in  der  Orbita  präpariren  lassen. 

a)  Die  Thränendrüse  (Fig  361,  gl)  ist  länglich,  viellappig  mit 
unregelmässigen  Conturen;  sie  liegt  in  der  Schläfenecke  unter  dem 
gewölbten  Dache  der  Augenhöhle.  Ihre  feinen  Ausführungsgänge, 
etwa  drei  bis  fünf  an  der  Zahl,  durchsetzen  die  Conjunctiva  des  oberen 

57* 


900 


Wirbelthiere. 


Augenlides.  Die  Thränenfeuchtigkeit  ergiesst  sich  über  die  Hornhaut 
und  sammelt  sich  in  dem,  in  der  Nasenecke  des  Auges  in  der  Nähe 
des  Wärzchens  einige  Millimeter  unter  dem  freien  Rande  des  unteren 
Lides  angebrachten  Thränenpunkte.  Der  von  einem  kleinen  Kreis- 
wulste umgebene  Thränenpunkt  ist  die  obere  Mündung  des  Thränen- 
canales,  welcher  horizontal  nach  vorn  läuft  und  bald  in  den  Nasen- 
thräneugang  übergeht.  Dieser  hat  eine  Länge  von  etwa  3  bis  4  cm; 
er   läuft   schief  nach   vorn   und   unten   und   mündet  vor   der   vorderen 

Muschel  in  die  Nasenhöhle,  in  welche 
also  die  Thränenflüssigkeit  sich  er- 
giesst. 

b)  Die  Harder'sch  e  Drüse 
(Fig.  361,  gH)  ist  gross,  gelappt, 
und  da  sie  an  dem  Thränenbeine 
im  vorderen  Augenwinkel  liegt,  bildet 
sie  gewissermaassen  ein  Kissen  für 
die  vordere  Hälfte  des  Augapfels. 
Sie  hat  eine  Länge  von  etwa  2  cm; 
ihre  Oberfläche  zeigt  zahlreiche  Spält- 
chen ,  welche  die  Läppchen  um- 
schreiben, deren  Ausführungsgänge 
in  einen  Sammelcanal  münden,  der 
Lep.cun.  —  Der  Grund  der  linken  Augen-  das  viel  Fett  enthaltende  Secret  auf 
höhle    nach    Wegnahme    des   Auges    und     die    Innenfläche     der    Nickhaut     er- 


Umstülpung  der  Augenlider,  um  die 
Drüsen  zu  zeigen  (natürl.  Grösse),  iis^ 
Innenfläche  des  oberen  Augenlides;  gM, 
M  e  i  b  o  m  '  s  c  h  e  Drüsen ;  'pi,  unteres 
Augenlid;  fl,  seine  Lymphfollikel ;  mn, 
drittes  Augenlid;  ca,  seine  Knorpel- 
lamelle; gH^  Harder'sche  Drüse;  gl, 
Thränendrüse  ;  gio  ,  Unteraugendrüse  ; 
^r,  Fett. 


giesst.     Wir  verweisen  auf  die  Ar- 
beit von  Wen  dt  (siehe  Literatur). 

c)  Die  Unteraugenhöhlen- 
drüse (Fig.  361,  gio)  liegt  in  dem 
unteren  Vorderwinkel  des  Auges  vor 
und  unter  der  Harder'schen  Drüse, 
von  welcher  sie  durch  die  Orbital- 
haut getrennt  ist.  Da  sie  zu  den 
Speicheldrüsen  gehört,  werden  wir  sie  beim  Verdauungsapparate  näher 
betrachten. 

Hörorgan.    —    Es   besteht   aus    einem   inneren,    mittleren   und- 
äusseren    Ohre.     Da    nur   das   erstere   Schallempfindungen    aufnehmen 
kann,  die  beiden  anderen  Theile  aber  nur  Leiter  der  Schallwellen  sind, 
so  kann  man  sie  auch  als  Nebeuorgane  betrachten. 

Das  äussere  Ohr  begreift  den  äusseren  Gehörgang,  der  aus 
einer  knöchernen,  vom  Schläfenbeine  gebildeten  Portion  (Fig.  362,  ta) 
und  einer  knorpeligen  besteht,  welche  sich  in  den  Knorpel  der  Ohr- 
muschel fortsetzt.  Diese  findet  sich  nur  bei  den  Sängethieren  und 
ist  phylogenetisch  der  jüngste  Theil,  der  zum  Auffangen  der  Schall- 
wellen dient.    Die  Ohrmuschel  ist  eine  sehr  grosse  Duplicatur  der  Haut, 


Säuffethiere. 


901 


die  durch  einen ,  wie  gesagt ,  vom  Hörgange  ausgehenden  Knorpel 
gestützt  wird,  welcher  gegen  die  Peripherie  hin  zusehends  dünner  wird. 
Der  untere,  die  eigentliche  Muschel,  ist  trichterförmig  hohl;  der 
äussere  Theil,  der  Lappen  (scaj^ha) ,  fast  eben.  Auf  mehr  als  der 
Hälfte  seiner  Länge  ist  der  Yorderraud  nach  innen  eingekrempt ; 
weniger  ist  dies  am  Hinterrande  der  Fall.  Diese  Einkrempungen  bilden 
den  vorderen  und  hinteren  Helix;  ersterer  begrenzt  nach  unten  die 
auf  der  Vorderseite  gelegene  Muschelgrube  (fossn  conchae). 
Beide  Einkrempungen  kommen  nicht  an  dem  oberen  Rande  der  Muschel 
zusammen,  die  von  zahlreichen  Muskeln  bewegt  wird,  von  welchen  die 
kleineren  auf  dem  Knorpel  selbst  sich  ansetzen,  während  die  grösseren 
von    dem   Kopfe    ausgehen.     ^Yir   erwähnen    unter   den   letzteren   die 

Fio-.  362. 


Lep.  cim.  —  Felsenzitzentheil  des  Schläfenbeines,  dreifacli  vergrössert.  A,  von  aussen. 
op,  Os  petro-mastoideum;  tu,  äusserer  Gehörgang;  öf,  Blasentheil  des  Schlätenheines: 
ain^  Zitzenfortsatz;  is,  Foramen  stylo-mastoideum.  B,  von  unten,  et,  Xebentrommel- 
höhle;  fm^  Muskelgrube;  pr,  Promontorium;  fo,  ovales  Fenster;  //•,  rundes  Fenster; 

am.  Zitzentortsatz. 


Musculi  scididares,  welche  von  der  Stirnhaut  zum  Basaltheile  der 
Muschel  (scutulum)  gehen  und  die  Ohrmuschel  heben;  die  Mm. 
parotideo- auriculares  von  der  Haut  des  Halses  zum  hinteren  Helix, 
welche  die  Muschel  herabziehen;  die  Mm.  maxillo-awicidares  und 
temporo-auriculares  von  der  Aussenfläche  des  Kiefergelenkes  und  des 
Schläfenbeines  zur  äusseren  und  inneren  Fläche  des  vorderen  Helix, 
welche  die  Oeffnung  der  Ohrmuschel  nach  vorn  drehen ,  während  die 
Mm.  cervico-auricidares  und  occij)ito-auricul.ares  die  entgegengesetzte 
Bewegung  vermitteln.  Die  kleineren  Muskeln  unterstützen  und  variiren 
diese  Bewegungen. 

Das  mittlere  Ohr  besteht  wesentlich  aus  der  grossen,  in  dem 
Blasentheile  des  Schläfenbeines  ausgehöhlten  Trommelhöhle  (ht, 
Fig.  362,  A).  Um  sie  bloss  zu  legen,  muss  man  den  knöchernen  Gehör- 
gang und  das   denselben    schliessende  Trommelfell   entfernen.     Mittelst 


902  Wirbelthiere. 

einer  feinen  Säge  gemachte  Durclischnitte  dui^cli  das  Schläfenbein  lassen 
die  Beziehungen  zu  den  benachbarten  Theilen  deutlicher  erkennen. 
Die  Trommelhöhle  ist  unregelmässig  rundlich,  hinten  enger  als  vorn. 
An  ihrer  oberen  Wand  sieht  man  eine  kleine,  eiförmige  Einsenkung, 
die  Nebentrommelhöhle  (Fig.  362  B,  et),  die  zum  Theil  in  dem 
Felsenbeine  ausgehöhlt  ist.  Ihre  innere  Wand  zeigt  zwei  kleine  Oeflf- 
nungen:  das  ovale  Fenster  (fo),  welches  zum  Vorhofe  des  Laby- 
rinthes, das  runde  Fenster  (fr),  welches  zur  Schnecke  führt;  beide 
sind  mit  Sehnenhäuten  überspannt;  vor  ihnen  findet  sich  eine  kleine 
Aufwulstung,  Aa,%  Promontorium  {pr).  Die  äussere  Fläche  ist  durch 
das  sehr  dünne  Trommelfell  geschlossen,  welches  in  einem  hufeisen- 
förmigen, nach  oben  offenen  Knochenringe  ausgespannt  ist.  Zwischen 
dem  Trommelfelle  und  dem  ovalen  Fenster  wird  eine  zur  Leitung  der 
Schallwellen  geeignete  Verbindung  hergestellt  durch  eine  Kette  von 
in  einander  gelenkten  Knöchelchen ,  welche  aus  der  Differenzirung 
einiger  embryonaler  Kiemenbogen  hervorgegangen  ist. 

Das  erste  dieser  Knöchelchen,  der  Hammer  (maJIeus),  hat  einen 
dicken  Kopf  und  einen  durch  einen  engeren  Hals  davon  ausgehenden 
säbelförmigen  Stiel.  Die  Hinterfläche  des  Kopfes  zeigt  eine  Gelenk- 
fläcbe  zur  Verbindung  mit  dem  Amboss  (incus),  von  dessen  Körper 
zwei  Foi'tsätze  abgehen ,  ein  kurzer  nach  hinten  und  ein  langer  nach 
unten,  an  dessen  Spitze  das  Linsenknöchelchen  liegt,  welches  beim 
Embryo  noch  isolirt  ist,  später  aber  mit  dem  langen  Fortsatze  des 
Ambosses  verschmilzt.  An  das  Linsenknöchelchen  lenkt  sich  der  Steig- 
bügel (stajjes) ,  der  seinen  Namen  mit  Recht  trägt,  mit  seiner  Spitze 
ein,  während  sein  Bügelstück  in  die  Haut  des  ovalen  Fensters  ein- 
gesenkt ist. 

Die  Gehörknöchelchen  können  nur  sehr  beschränkte  Bewegungen 
ausführen,  die  von  zwei  kleinen  Muskeln  bewerkstelligt  werden;  der 
Hammermuskel  setzt  sich  an  den  oberen  Theil  des  Hammerstieles, 
der  Steigbügelmuskel  an  die  Hinterfläche  des  Kopfes  des  Knöchel- 
chens an. 

Die  Trommelhöhle  ist  von  einer  dünnen  Schleimhaut  ausgekleidet, 
deren  tiefere  Schicht  mit  dem  Periost  zusammenfliesst.  Sie  mündet 
durch  einen  engen  Canal,  die  Eustachi'scbe  Trompete,  in  den 
Schlundkopf.  Der  Canal  verläuft  zuerst  in  dem  Trommeltheile  des 
Schläfenbeines  und  sodann  längs  des  langen  Halsmuskels,  um  den  hin- 
teren Abschnitt  des  Schlundkopfes  zu  erreichen. 

Das  innere  Ohr  oder  häutige  Labyrinth  (Fig.  363  und  364) 
ist  eine  geschlossene  Blase  von  sehr  unregelmässiger  Form,  deren  binde- 
gewebige Wandung  mit  Pflasterepithel  ausgekleidet  ist.  Es  liegt  in 
dem  Felsentheile  des  Schläfenbeines  in  seiner  Form  entsprechenden,  von 
sehr  festem  Knochengewebe  umgebenen  Höhlungen,  das  knöcherne 
Labyrinth  genannt,  die  es  aber  nicht  vollständig  ausfüllt.  Die  Zwischen- 


Säugethiere, 


903 


räume  sind  mit  der  flüssigen  Perilymphe  ausgefüllt,  im  Gegensatze 
zu  der  Endolymphe,  die  sich  innerhalb  des  häutigen  Labyrinthes 
befindet.  Die  schwierige  Präparation  kann  nur  unter  der  Lupe  und 
mit  Hülfe  von  Osmiumsäure  vorgenommen  werden,  welche  die  häutigen 
Wände  fixirt  und  festigt. 

Das  häutige  Labyrinth  zerfällt  in  zweiHaupttheile:  denütriculus 
und  den  Sacculus,  beides  kleine  Säckchen,  die  in  dem  Centraltheile  des 

Tier,  363. 


csp 


Lep.  CUV.  —  Das  linke  häutige  Labyrinth  von  der  seitlichen  oder  äusseren  Fläche 
gesehen  (etwa  zehnfach  vergvössert ,  nach  G.  Eetzius).  ss,  oberer  Sinus  des  Utri- 
culus;  sp,  hinterer  Sinus;  ru,  Recessus  utriculi;  aa,  vordere  Ampulle;  ap,  hintere 
Ampulle;  ae,  äussere  Ampulle;  csa,  vorderer  Halbkreiscanal;  csp,  hinterer;  cse, 
äusserer  Canal;  s,  Sacculus;  cios,  Canalis  utriculo-saccularis;  li,  Schnecke;  l,  Lagena; 
m&,  Membrana  basilaris;  raa,  Xerv  der  vorderen  Ampulle;  rap,  Xerv  der  hinteren; 
rae,    Nerv  der  äusseren  Ampulle;    nru,    Nerv    des  Recessus  utriculi;    tas,  Hörfleck 

des  Sacculus. 


knöchernen  Labyrinthes,  dem  Vestibulum,  eingeschlossen  sind.  Die 
Aussenfläche  des  Vestibulum  ist  der  Trommelhöhle  zugewendet  und 
zeigt  das  ovale  Fenster,  die  obere  Fläche  ist  mit  dem  spiralförmigen 
Anhange  der  Schnecke  (Fig.  36.3,  //)  in  Beziehung,  und  die  hintere 
setzt  sich  in  die  halbzirkelförmigen  Canäle  fort. 

Der  Utriculus  hat  die  Gestalt  einer  unregelmässigen  Röhre  mit 
mehreren  Ausbuchtungen,  dem  oberen  Sinus  (ss),  an  der  Ver- 
einigungsstelle  der  beiden  senkrechten  Halbkreiscanäle;  dem  hinteren 


904 


Wirbelthiere. 


Sinus   (sp)   an   der  hinteren  Ampulle   und   dem   nach   oben  und  vorn 
gewendeten  Mecessus  utriculi  {ru). 

An  beiden  Enden  des  ütriculus  entstehen  die  drei  Halbkreis- 
c  anale,  die  an  ihrem  Ursprünge  je  eine  Erweiterung  zeigen,  die 
drei  AmjDullen  {aa,  ajo,  ae).  Der  obere  oder  vordere  {csa)  und 
der  untere  oder  hintere  Halbkreiscanal   {csp)  liegen  in   fast 

Fig.  364. 


Lep.  Clin.  —  Das  linke  häutige  Labyrinth  von  der  inneren  oder  medialen  Seite 
gesehen  (etwa  zehnfach  vergrössert,  nach  G.  Retzius.)  u,  Ütriculus;  ss,  oberer 
Sinus  desselben;  sp ,  hinterer  Sinus;  ru,  Recessus  utriculi;  aa,  vordere  Ampulle; 
ae,  äussere  Ampulle;  ap ,  hintere  Ampulle;  csa^i  oberer  oder  vorderer  Halbkreis- 
canal; csp,  unterer  oder  hinterer  Canal;  cse,  äusserer  Halbkreiscanal;  s,  Saceulus;  ce, 
Ductus  endolymphaticus;  er,  Canalis  reuniens;  ml),  Basalmembi-an  der  Schnecke;  tau, 
Hörfleck  des  Ütriculus;  tas,  Hörfleck  des  Saceulus;  iia,  Hörnerv  mit  dem  Schnecken- 
ast r&;  ra,  vorderer  Ast  des  Hörnerven;  raa,  Nerv  der  vorderen  Ampulle;  rap, 
Nerv  der  hinteren  Ampulle;    rae,    Nerv   der  äusseren  Ampulle;    nf,    Nervus  facialis. 

verticalen  Ebenen  und  treffen  unter  einem  rechten  Winkel  zusammen; 
der  obere  Canal  ist  etwas  länger,  als  der  untere.  Der  dritte,  der 
äussere  Halbkreiscanal  (cse),  verläuft  horizontal  und  krümmt  sich 
nach  aussen ;  er  ist  kürzer,  als  die  vorigen. 

Die  beiden  senkrecbten  Canäle  vereinigen  sich  an  ihren  Gipfeln, 
um  einen  gemeinschaftlichen  Canal  zu  bilden,  der  in  den  oberen  Sinus 
des  ütriculus  {ss)  mündet.  Der  äussere  Halbkreiscanal  bleibt  unab- 
hängig;  er   hat  nur  eine  Ampulle,   die  äussere  (ae),   und  mündet  mit 


SäugetMere.  905 

seinem  anderen  Ende  ohne  Erweiterung  in  den  Utriculus  etwas  über 
der  Ampulle  {ap)  des  hinteren  Canales. 

Der  Sacculns  (s)  liegt  in  Gestalt  eines  unregelraässig  eiförmigen 
Säckchens  an  der  inneren  Fläche  des  Utriculus.  Von  ihm  geht  ein  feiner 
conischer  Canal  aus,  Canalis  endolymphaticus  (ce),  der  nach  unten  uod 
vorn  sich  in  die  Schnecke  (?/)  fortsetzt  und  mit  ihr  durch  einen 
kurzen  Canal,  Canalis  reuniens  Hensenii  (er),  verbunden  ist. 

Die  Schnecke  (li)  liegt  ausser  und  vor  dem  Yestibulum  in  einer 
eigenen  Knochenhöhle.  Es  ist  eine  lange,  spiralförmig  aufgewu^ndene 
Röhre,  die  zwei  und  eine  halbe  Windung  macht  und  mit  einem  kleinen 
Blindsacke,  der  Lagena  (l),  endet.  Die  Axe  des  Organes,  um  welche 
sich  die  Röhre  windet,  wird  die  Columella  genannt;  in  ihr  verläuft 
der  Nerv  der  Schnecke. 

Der  H  ö  r  n  e  r  V  (na)  dringt  durch  das  innere  Hörloch  in  das 
Labyrinth  ein  und  theilt  sich  sofort  in  zwei  Aeste.  Der  vordere  dieser 
Aeste  zerfällt  fast  unmittelbar  in  drei  Nerven,  für  den  Recessus  tdriciili 
(nru),  die  vordere  Ampulle  (raa)  und  die  äussere  Ampulle  (rae).  Idw 
hintere  Ast  theilt  sich  ebenfalls  in  drei  Nerven,  einen  für  den  Sacculns, 
einen  für  die  hintere  Ampulle  (rap)  und  einen  sehr  bedeutenden  für  die 
Schnecke.  Somit  werden  alle  Theile  des  Labyrinthes  von  diesen  Aesten 
versorgt,  deren  zahlreiche  und  feine  Verzweigungen  bis  zum  inneren 
Epithelium  vordringen.  Dieses  modificirt  sich  wesentlich  an  den  En- 
digungsstellen;  es  wird  dicker  und  springt  in  das  innere  Lumen  des 
Labyrinthes  vor,  in  den  Ampullen  in  Gestalt  von  Hörleisten,  im 
Utriculus  und  Sacculns  in  Form  rundlicher  Polster,  welche  man  Hör- 
flecke genannt  hat.  Die  letzten  Fäserchen  des  Hörnerven  enden  in 
den  modificirten  Epithelialzellen,  den  Hörzellen,  die  an  ihrem  freien 
Ende  eine  steife  Borste  tragen.  Diese  Hörhärchen  ragen  in  die 
Endolymphe  hinein.  Um  die  Hörflecke  sammeln  sich  Häufchen  kleiner 
Krystalle  aus  kohlensaurem  Kalk,  die  Otolithen.  Die  Endigungen  des 
Schneckennerven  zeigen  weit  verwickeitere  Bildungen,  die  man  das 
Corti'sche  Organ  genannt  hat.  (Hinsichtlich  dieser,  sowie  über- 
haupt für  alles  auf  Histologie  Bezügliche,  verweisen  wir  auf  das  Werk 
von  R  e  t  z  i  u  s.) 

Verdauungssystem.  —  Es  besteht  aus  dem  Darmcauale  und 
seinen  Anhangsdrüsen. 

Die  Mundhöhle  bildet  einen  langen,  vorn  engeren,  hinten 
weiteren  gewölbten  Gang,  dessen  Eingangsthor  durch  die  Hautfalten, 
welche  die  Kiefer  bedecken,  begrenzt  wird.  Diese  Falten,  in  welche 
die  Gesichtsmuskeln  eindringen,  bilden  vorn  die  für  die  Säugethiere 
charakteristischen,  bei  anderen  Wirbelthieren  nicht  vorhandenen  Lippen 
und  zur  Seite  die  Wangen.  Durch  die  Bildung  dieser  musculösen 
Hautfalten  wird  vor  der  eigentlichen,  von  den  Kiefern  begreuzten 
Mundhöhle   eine  secundäre   Höhle,   der   Vorhof  des   Mundes,   her- 


906  Wirbelthiere. 

gestellt,  welcher  zwischen  den  Lippen  und  Wangen  einerseits  und  den 
Kiefern  anderseits  sich  ausdehnt.  Bei  dem  Kaninchen  stellt  die  Zahn- 
lücke hinter  den  Schneidezähnen,  in  welcher  die  Eckzähne  fehlen, 
eine  weite  Verbindung  zwischen  Vorhof  und  Mundhöhle  her. 

Die  Oberlippe,  welche  die  grossen,  früher  beschriebenen  Tasthaare 
trägt  (S.  837),  ist  in  der  Mitte  gespalten,  so  dass  man  durch  diese 
Hasenscharte  die  oberen  Schneidezähne  sieht  (Fig.  332,  a).  Die 
Zähne  wurden  früher  (S.  854)  behandelt.  In  dem  Milchgebisse  neu- 
geborener Kaninchen  finden  sich  nur  sechzehn  Zähne.  Erst  in  der 
dritten  Woche  nach  der  Geburt  brechen  die  zwölf  Backenzähne  durch, 
so  dass   das  Gebiss   auf  die  Zahl  von  28  Zähnen   vervollständigt  wird. 

Das  Gewölbe  der  Mundhöhle,  der  Gaumen,  wird  von  den  Gaumen- 
beinen und  den  Gaumenfortsätzen  des  Oberkiefers  (Fig.  342,  ph,  apm) 
gestützt  und  von  einer  sehr  dicken  Schleimhaut  überzogen,  welche 
tiefe  Querfalten  (Fig.  373,  j))  aufzeigt.  Unmittelbar  hinter  den 
kleinen  accessorischen  Schneidezähnen  sieht  man  eine  rundliche  Schleim- 
hautplatte, an  deren  Rändern  jederseits  der  Nasengau  mengang 
(S  tenon' scher  Canal)  in  Gestalt  einer  engen  Spalte  mündet  und  so 
die  vordere  Nasenhöhle  mit  der  Mundhöhle  in  Verbindung  setzt  (siehe 
Fig.  373,  cnj)). 

Der  Hintergrund  der  Mundhöhle  wird  von  dem  Schlundkopfe 
durch  einen  Muskelvorhang,  das  quere  Gaumensegel  geschieden, 
das  zahlreiche  körnige  Drüsen  enthält.  Sein  freier  Rand  ist  in  der 
Mitte  nicht,  wie  bei  dem  Menschen  und  vielen  anderen  Säugethieren, 
zu  einem  Zäpfchen  ausgezogen,  bildet  aber  seitlich  zwei  musculöse 
Gewölbefalten,  die  Gaumenpfeiler,  welche  bei  ihrer  Contraction  das 
Gaumensegel  herabziehen  und  verengern.  Der  vordere  Pfeiler  (Ärcics 
palato-glossus)  heftet  sich  an  den  Seiten  der  Zungen wurzel,  der  hintere 
{Arcus  p(.ilato-pharyngcus)  an  dem  Schlundkopfe  an.  Gehoben  und  er- 
weitert wird  das  Gaumensegel  durch  einen  Hebemuskel  (ili.  levator  veli 
palatini) ,  der  an  der  Unterfläche  des  Felsentheiles  des  Schläfenbeines 
entspringt  und  durch  einen  Spannmuskel  (Jf.  tensor  veli  palatini), 
welcher  an  der  Aussenfläche  des  Flügelfortsatzes  des  Keilbeines  sich 
festsetzt.  Ausser  ihrer  Wirkung  auf  das  Gaumensegel,  dienen  auch 
beide  Muskeln,  der  ersteige  zur  Verengerung,  der  zweite  zur  Erweite- 
rung der  Eustachi' sehen  Röhre  des  mittleren  Ohres. 

Zwischen  den  beiden  Pfeilern  des  Gaumensegels  liegen  die  übri- 
gens sehr  kleinen  Mandeln  {ToritiVae).  Jede  Mandel  bildet  eine  seichte 
Eiusenkung,  deren  Wände  mit  zahlreichen  Lymphsäckchen  gespickt 
sind ,  während  auf  dem  Grunde  zahlreiche  lappige  Schleiradrüschen 
münden.     Um  sie  zu  untersuchen,   muss  man  feine  Schnitte  anfertigen. 

Die  Zunge  ist  durch  eine  Schleimhautfalte,  das  Fremihim,  an 
dem  Boden  der  Mundhöhle  festgeheftet.  Sie  wird  von  einer  fleischigen 
Masse   gebildet,    welche   von    der    mit  Papillen    besetzten   Schleimhaut 


Säugethiere.  907 

überzogen  wird.  Wir  haben  diese  Papillen  bei  Gelegenheit  des  Ge- 
schmackssinnes erwähnt  (Seite  893);  der  hintere  Theil  der  Zunge  ist 
durch  eine  Knorpellamelle  (Fig.  373,  7  c)  aufgewölbt. 

Die  Zungenmuskeln  lassen  sich  in  vier  Gruppen  zerlegen.  Der 
eigentliche  Zungenmuskel  (M.  lingu(dis)  steht  in  keiner  A^erbin- 
dung  mit  dem  Skelette;  er  besteht  aus  verfilzten  Längs-,  Quer-  und  Ver- 
ticalbündeln ,  welche  sich  an  die  Schleimhaut  und  das  intermusculäre 
Bindegewebe  anheften.  Der  M.  liyogJossus  besteht  aus  drei  Bündeln,  welche 
an  dem  Körper  und  den  Hörnern  des  Zungenbeines  entstehen  und  seitlich 
in  die  Zunge  ausstrahlen,  wo  sie  bis  in  die  vordere  freie  Hafte  verfolgt 
werden  können;  sie  ziehen  die  Zunge  in  die  Mundhöhle  zurück.  Der 
M.  genioglossus  heftet  sich  in  dem  Kinnwinkel  an  der  Vereinigungs- 
stelle der  beiden  Unterkiefer  an  —  er  strahlt  fächerförmig  nach  hinten 
gegen  die  Rückenfläche  der  Zunge  aus.  Die  beiderseitigen  Muskeln  sind 
durch  eine  senkrechte  Lamelle  von  Bindegewebe,  das  Z  ungenseptum , 
getrennt,  das  sich  durch  die  ganze  Länge  der  Zunge  erstreckt.  Der 
M.  stylogj ossus  entspringt  am  Griffelfortsatze  des  Schläfenbeines, 
dringt  in  die  Zungenwurzel  ein,  von  wo  aus  seine  Bündel  auf  der  dor- 
salen Fläche  nach  vorn  bis  in  die  Spitze  der  Zunge  sich  verfolgen 
lassen. 

Drüsen  der  Mundhöhle.  —  Sie  sind  sehr  zahlreich  und  haben 
verschiedene  Functionen.  Die  kleinsten  (Lippen-,  Wangen-  und  Zungen- 
drüsen) liegen  in  der  Dicke  der  Schleimhaut  selbst  und  sondern  Schleim 
ab.  Die  grossen,  mehr  differenzirten  Speicheldrüsen  liegen  ausser- 
halb der  Schleimhaut,  oft  in  ziemlicher  Entfernung  von  ihr,  und  ent- 
senden den  von  ihnen  abgesonderten  Speichel  durch  Canäle,  welche 
die  Schleimhaut  durchbohren.  Zwischen  diesen  beiden  extremen  Gruppen 
finden  sich  auch  Drüsen  mittlerer  Grösse,  welche  die  beiden  Functionen, 
Absonderung  von  Schleim  und  von  Speichel,  mit  einander  zu  ver- 
einigen scheinen.  Zu  diesen  letzteren  gehören:  obere  und  untere 
Munddrüsen  {Glandulae  buccales),  kleine  Drüsenhäufchen  mit  kurzen 
Ausführungsgängen,  die  hinter  der  Schleimhaut  der  Wangen,  zwischen 
dieser  und  dem  M.  buccinator  und  in  der  Nähe  der  Backenzähne  an 
dem  Rande  des  Unterkiefers  liegen;  ferner  oberflächliche  Man- 
dibulardrüsen  am  äusseren  Rande  des  Unterkiefers  in  der  Nähe 
der  Schneidezähne,  und  endlich  Intra-orbitaldrüsen  im  unteren 
Innenwinkel  der  beiden  Augenhöhlen  (Fig.  361,  gio),  die  wir  schon 
erwähnten.  Diese  kleinen,  länglichen  Drüsen  haben  einen  eigenen, 
feinen  Ausführungsgang,  der  in  der  Höhe  des  dritten  oberen  Backen- 
zahnes in  die  Mundhöhle  sich  öffnet. 

Es  giebt  drei  Paare  von  Speicheldrüsen  (Fig.  332,  ^).  Die  ziem- 
lich grosse  Ohrspeicheldrüse  (Parotis,  gjj)  ist  eine  unregelmässig 
gelappte  Drüse,  welche  an  der  Basis  der  Ohrmuschel  etwas  hinter  dem 
Winkel  der  Kiefer  liegt;  ihr  verhältnissmässig  weiter  Ausführungsgang, 


908  Wirbeltliiere. 

der  Stenon'sche  Gang,  geht  von  dem  oberen  Lappen  der  Drüse 
aus ,  schlägt  sich  um  die  Aussenfläche  des  Kaumuskels  herum  und 
durchbohrt  die  Schleimhaut  der  Wange,  um  dem  letzten  oberen  Backen- 
zahne gegenüber  zu  münden.  Die  Unterkieferdrüse  (Fig.  332,  g)  ist 
fast  eiförmig;  sie  liegt  unter  der  Parotis,  nach  innen  vom  Kaumuskel 
und  über  dem  M.  mylohyoideus,  und  verschmilzt  mit  der  Drüse  der 
gegenüberstehenden  Seite;  ihr  Ausführungscanal,  der  Wharton'sche 
Gang,  entspringt  an  ihrem  Yorderrande  und  mündet,  nach  einem  Ver- 
laufe von  einigen  Centimetern  Länge,  seitlich  am  Frenulum  der  Zunge. 
Die  in  die  Länge  gezogene  Unter zungendrüse  ruht  auf  dem 
Boden  der  Mundhöhle;  ihre  zahlreichen  Ausführungsgänge  vereinigen 
sich  meist  in  einen  gemeinschaftlichen  Canal,  den  Bartholin'schen 
Gang,  der  unter  der  Zunge  mündet.  (Ueber  die  physiologischen 
Functionen  der  Speicheldrüsen  Näheres  bei  Krause;  siehe  Literatur). 

Der  Schlundkopf  (Fig.  333,  373  ph)  vermittelt  den  Uebergang 
der  Mundhöhle  zur  Speiseröhre.  Seine  untere  Fläche  geht  in  den 
Kehlkopf  über,  von  welchem  er  durch  die  Epiglottis  (Fig.  373,  Cjj) 
geschieden  ist;  das  Gaumensegel  scheidet  ihn  von  der  Nasenhöhle; 
seine  Rückenwand  (fornix)  liegt  der  Schädelbasis  an.  Er  hat  die 
Gestalt  eines  mit  dem  dünneren  Ende  in  den  Schlund  übergehenden 
Trichters  und  ist  von  Muskelbündeln  umgeben,  die  ihn  verengern 
(31.  constrictor  pliaryngis)  oder  erweitern  (ilf.  stylo-pliaryngcus)  können. 

Der  Schlund  (Fig.  338,  ocs)  besteht  aus  einer  langen,  zwischen 
der  Wirbelsäule  und  der  Luftröhre  vom  Schlundkopfe  bis  zum  Magen 
verlaufenden  Röhre,  welche  das  Zwerchfell  durchbohrt  und  beim  Ein- 
tritte in  den  Magen  sich  trichterförmig  erweitert.  Seine  ziemlich 
dünnen  Wände  enthalten  Schichten  von  Längs-  und  Quermuskelfasern; 
die  schwach  längs  gefaltete  Schleimhaut  zeigt  viele  traubige  Drüsen, 
welche  Schleim  absondern ,  der  das  Hinabgleiten  der  Nahrungsmittel 
erleichtert. 

Der  Magen  (Fig.  333,  e)  ist  ein  weiter  und  langer,  sehr  aus- 
dehnbarer Quersack,  der  fast  stets  von  Nahrung  erfüllt  ist,  da  das 
Kaninchen  so  zu  sagen  beständig  frisst.  Seine  grosse  Axe  ist  quer 
gerichtet,  der  Pylorustheil  ragt  weiter  nach  vorn,  als  der  Cardialtheil. 
Er  besitzt  eine  kleinere  vordere  und  eine  grössere  hintere  Krümmung 
(Fig.  365,  pc  und  gc);  eine  leichte  Einschnürung  der  letzteren  (s /) 
bildet  die  Trennungslinie  des  links  gelegenen  Cardialtheiles  und  des 
rechts  liegenden  Pylorustheiles,  Links  von  der  Cardia  bildet  eine  nach 
vorn  gerichtete  Aufwulstuug  der  grossen  Curvatur  den  sogenannten 
grossen  y^nlsi  {Fundus,  gt);  eine  weniger  bemerkliche  Auftreibung  am 
Pylorustheile  wird  der  kleine  Wulst  (Antrum,  pt)  genannt.  Uebri- 
gens  variirt  die  Gestalt  des  Magens  je  nach  dem  Grade  seiner  Füllung 
bedeutend;  namentlich  giebt  der  Cardialtheil,  welcher  weit  schwächere 
Muskelwände  besitzt,  dem  Drucke  der  darin  aufgehäuften  Nahrungsstoffe 


Säuofethiere. 


909 


viel  mehr  nach  als  der  Pylorustheil.  Die  Muskelhaut  besteht  wesentlich 
aus  Längsfasern,  die  nur  längs  der  Curvaturen  zusammenhalten,  aber 
auf  den  Wänden  sich  zerstreuen  und  vereinzelt  verlaufen  und  aus 
Querfasern,  welche  an  der  Cardia  und  dem  Pförtner  dicke  Ringschichten 
bilden.  An  der  Uebergangsstelle  des  Pförtners  in  den  Dünndarm 
bildet  diese  Riflgmuskelschicht  nach  innen  einen  kreisförmigen  Yor- 
sprung,  die  Pförtnerklappe.  Die  Schleimhaut  des  Magens  ist  sehr 
dick,  unregelmässig  gefaltet  und  auf  ihrer  ganzen  Ausdehnung  mit 
röhrigen    Drüsen    gespickt,    deren    Zellen    aber    im    Cardialtheile    eine 


dUy 


Fig.  365 


P^- 


Lep.  cun.    —    Der  Magen  in  natürlicher  Grösse,    Ton  der  Ventralfläche  aus  gesehen. 

oes,  Schlund;    ca,  Cardia;    gc,  grosse  Curvatur;   pc,    kleine  Curvatur;    gt,  grosser 

Wulst;   pt,  kleiner  Wulst;    rc,  Cardialtheil ;    rp,  Pylorustheil;    si,  Furche  zwischen 

beiden  Theilen;  py,  Pylorus;   du,  Duodenum. 


andere  Structur  zeigen,  als  im  Pylorustheile  (Einzelheiten  bei  Ebstein, 
siehe  Literatur).  Faltenblätter  deS  Bauchfelles  heften  den  Magen  an 
die  Wirbelsäule  und  das  Zwerchfell  (Mesogastrium) ,  an  die  Leber,  die 
Milz  und  den  Dünndarm  {Ligamenta  gastro -hepaticum ,  gastro-lienale, 
gastro-intestinale).  Häufig  sind  diese  Bänder,  sowie  überhaupt  das  Ge- 
kröse, mit  Blasen  eines  Bandwurmes,  des  Cysticercus  pisiformis,  besetzt. 
Vom  Pylorus  an  wird  das  Darmrohr  enger  und  bildet  den  Dünn- 
darm, der  etwa  zehn-  bis  elfmal  länger  ist  als  der  Körper,  und  somit 
eine  Menge  zusammengelegter  Darmschlingen  bildet,  welche  durch 
Faltenblätter  des  Bauchfelles,  durch  das  Gekröse  verbunden  werden, 
in  welchem  die  Blut-  und  Lymphgefässe  verlaufen.  Alle  diese  Gekrös- 
falten  sind  an  der  dorsalen  Wand  der  Bauchhöhle  aufgehängt  und 
überziehen  den  Darm  selbst,  dessen  äusserste,  sogenannte  seröse  Wand- 
schicht sie  bilden.   Nach  innen  von  dieser  Schicht  findet  sich  die  Muskel- 


910  Wirbelthiere. 

haut,  aussen  von  Längsfasern,  innen  von  Querfasern  zusammengesetzt, 
dann  eine  Schicht  von  ßindegewebe  und  endlich  die  Schleimhaut, 
welche  eine  Unzahl  von  bald  vereinzelten,  bald  zu  Gruppen  vereinigten 
(Peyer'schen  Drüsen)  Lymphfollikeln  und  ausserdem  noch  verschiedene 
traubenförmige  Drüsen  enthält,  welche  den  Darmsaft  absondern.  Man 
untersucht  dieselben  auf  feinen  Schnitten,  welche  durch  vorher  mit 
Osmiurasäure,  Pikrinsäure,  Alkohol  fixirte  Darmstückchen  gelegt  wer- 
den und  sehr  schöne  Präparate  liefern. 

Nach  Untersuchung  des  Darmes  in  seiner  Lagerung  entrollt  man 
ihn  auf  einem  Brettchen,  indem  man  ihn  von  dem  Gekröse  abtrennt. 
Seine  vordere  Abtheilung,  das  Duodenum  (Fig.  367,  du)^  bildet  eine 
enge,  U- förmige  Schlinge,  deren  Convexität  nach  hinten  gerichtet 
ist;  die  vei-hältnissmässig  dicken  Wände  dieses  Theiles  werden  von 
dem  Gallengange  und  dem  Bauchspeichelgange  durchsetzt,  deren  Mün- 
dungen weit  von  einander  abstehen.  Mit  Ausnahme  dieser  Mündungen 
und  unwesentlicher  Verschiedenheiten  in  der  histologischen  Structur 
der  Schleimhaut  lassen  sich  keine  besonderen  Abschnitte  in  der  ganzen 
Länge  des  Dünndarmes  nachweisen ,  so  dass  die  in  der  menschlichen 
Anatomie  gebräuchlichen  Unterscheidungen  eines  Duodenum,  Jejunum 
uud  Ileum  hier  keine  Anwendung  finden. 

Der  mittlere  Abschnitt  des  Dünndarmes  ist  häufig  durch  Gas- 
ansammlungen ausgedehnt,  welche  die  Dünne  und  Durchsichtigkeit  der 
Wände  anschaulich  machen.  Gegen  sein  Ende  hin  werden  die  Wände 
bedeutend  dicker  und  bilden  hier  eine  rundliche  Auftreibung,  den  Sac- 
culus  r ottin dus  (Fig.  336,  sr),  hart  an  dem  Uebergange  in  den 
Dickdarm ,  an  dessen  Mündung  eine  klappenartige  Falte  vorspringt, 
die  Valvula  ileo-coecalis. 

Der  Dickdarm  zeichnet  sich  durch  die  enorme  Entwicklung  des 
Blinddarmes  (Fig.  332,  z  und  366,  coe)  aus,  der  auf  der  rechten 
Seite  seines  Anfanges  liegt  und  bis  zu  der  grossen  Curvatur  des  Magens 
nach  vorn  sich  erstreckt.  Er  enthält  stets  dicke  Kothmassen,  und  da 
seine  dünnen  Wände  leicht  zerreissen,  muss  man  bei  seiner  Präparation 
sehr  vorsichtig  zu  Werke  gehen.  Die  Schleimhaut  des  Anfangstheiles 
des  Blinddarmes  ist  glatt;  auf  der  Aussenseite  sieht  man  spiralige 
Rinnen  {si)  in  gleichen  Abständen,  die  gegen  die  Mitte  der  Länge  hin 
an  Tiefe  zunehmen,  dann  aber  allmählich  sich  verflachen,  so  dass  sie 
iin  letzten  Viertel  verschwinden,  während  zugleich  der  Blinddarm  enger 
und  seine  Wände  dicker  werden.  Schliesslich  endet  der  Blinddarm  mit 
einem  fleischigen,  einem  Handschuhfinger  ähnlichen  Anhange,  dem 
Wurmfortsatze. 

Der  Dickdarm  (Fig.  332,  y)  zeigt  eine  besondere  Bildung  seiner 
Muskelschicht,  die  sich  von  dem  Ursprünge  des  Blinddarmes  an  zu 
drei  Längsbändern  (Taeniae  coli,  Fig.  366,  tc)  gruppirt,  zwischen 
welchen  die  Querfasern   in  der  Weise  vorspringen,  dass  dadurch  Quer- 


Säugethiere.  911 

falten  (Fig.  366,  rs)  gebildet  werden,  die  eine  Reihe  kleiner,  buckeliger 
Säcke  von  einander  scheiden.  Diese  Bildung  verschwindet  allmählich 
gegen  das  Ende  des  Dickdarmes  hin,  so  dass  dieser  ohne  scharfe  Grenze 
in  den  Afterdarm  übergeht,  dessen  Schleimhaut,  wie  diejenige  des 
Dünndarmes,  Längsfalten  zeigt  und  der  stets  runde  Kothballen  ent- 
hält, welche  ihm  das  Ansehen  eines  Rosenkranzes  geben. 

Der  Endtheil  des  Afterdarmes  (Fig.  370,  r)  läuft  auf  der  dor- 
salen Seite  der  Harnblase  und  der  Geschlechtscanäle,  mit  welchen  er 
durch  Bindegewebe  verbunden  ist,  zum  After,  in  dessen  Umkreise  die 

Fig.  366. 


Lep.  cun.    —    Das  Ende  des  Dünndarmes    und  der  Anfang  des  Dickdarmes  in  natür- 
licher   Grösse,     ig,    Ende    des  Dünndarmes;    sr,    Sacculus    rotundus;    ic,    Stelle    der 
Ileo-coecal-Klappe;  coe,  Anfang  des  Blinddarmes;  si,  seine  Spiralfurclien ;  co,  Dick- 
darm; tc,  Taeniae  coli;  rs,  sigmoidale  Falten. 

quere  Muskelschicht  eine  bedeutende  Mächtigkeit  gewinnt,  und  so  den 
inneren  Schliessmuskel  des  Afters  bildet,  der  mit  Beihülfe  des 
äusseren,  von  der  Haut  abhängigen  Sphincters,  den  Schluss  der  After- 
öflfnung  bewerkstelligt.  (Wir  behandeln  die  Afterdrüsen  bei  Gelegen- 
heit der  Geschlechtsorgane.) 

Anhangsdrüsen  des  Darmes.  Leberund  Bauchspeicheldrüse 
sind  ursprünglich  Ausstülpungen  der  Darmwand,  die  sich  canalartig 
verzweigen  und  durch  Proliferation  ihres  Epitheliums  das  Drüsen- 
gewebe bilden.  Je  mehr  sich  dieses  diflferenzirt,  desto  mehr  entfernen 
sie  sich  von  dem  Darme,  mit  welchem  sie  schliesslich  nur  durch  ihre 
Ausführungsgänge  in  Verbindung  stehen. 

Die  Leber  (Fig.  332,  r)  ist  eine  grosse  Drüse  von  dunkelbraun- 
rother    Farbe ,    welche    mit   ihrer   hinteren    eingebogenen    Fläche    den 


912 


Wirbelthiere. 


Fig.  367. 


Idv 


Säugetliiere.  913 

Magen  umscliliesst ,  während  ihre  convexe  Vorderfläche  sich  an  das 
Zwerchfell  eng  anlegt.  Der  dorsale  Rand  ist  abgerundet,  der  ventrale 
zugeschärft.  Sie  hängt  mit  dem  Zwerchfelle  durch  eine  sagittale  Falte 
des  Bauchfelles,  das  Ligamentum  Suspensorium  Jiepatis^  zusammen.  Tiefe 
Einschnitte  trennen  die  Leber  in  Lappen  und  Läppchen ;  letztere  sind 
nur  auf  der  gegen  den  Darm  gerichteten  Hinterfläche  sichtbar;  sie 
zeigen  von  einem  Individuum  zum  anderen  grosse  Verschiedenheiten 
in  ihrer  Ausbildung.  Man  unterscheidet  zwei  grosse  Hauptlappen, 
einen  rechten  und  einen  linken,  die  durch  einen  tiefen  Ausschnitt  ge- 
trennt sind.  Jeder  dieser  Lappen  zerfällt  wieder  in  zwei  secundäre 
Lappen ,  einen  ventralen  und  einen  dorsalen.  Der  rechte  ventrale 
Nebenlappen  trägt  in  einer  Querfurche  die  Gallenblase  (Fig.  367,  t' 6) ; 
an  dem  Rande  des  rechten  dorsalen  Nebenlappens  legt  sich  in  eine 
ähnliche  Einsenkung  die  rechte  Niere  ein.  Ein  grosses  Blutgefäss,  die 
untere  Hohlvene  (vci),  verläuft  in  dem  Einschnitte  zwischen  dem  rechten 
und  linken  Leberlappen  und  nimmt  hier  die  aus  der  Drüse  herkommen- 
den Lebervenen  auf.  Die  durch  die  Einlagerung  der  Gallenblase  be- 
dingte Einsenkung  erzeugt  auf  der  Rückenfläche  einige  Abschnitte, 
welche  man  als  Dependenzen  des  rechten  Lappens  betrachten  kann. 
Sie  heissen  der  viereckige  und  der  Spiegel'sche  Lappen.  Der  vier- 
eckige Lappen  (Fig. 367, 7e)  hat  eine  unregelmässige  Gestalt;  erliegt 
ventralwärts  unter  der  Gallenblase  und  ist  mit  dem  linken  ventx'alen 
Läppchen  durch  eine  Substanzbrücke  verbunden.  Der  ebenfalls  sehr  un- 
regelmässig gestaltete  Spiegel'sche  Lappen  (?s)  liegt  dorsalwärts  und 
ist  mit  dem  rechten  dorsalen  Läppchen  verbunden;  zwischen  diesen  beiden 
Lappen  geht  die  Hohlvene  durch.  Dorsalwärts  zeigt  der  Spiegel'sche 
Lappen  einen  zungenförmigen  Vorsprung,  das  Tuberculum  papilläre  {tp). 
Die  Lebersubstanz  setzt  sich  aus  einer  Menge  polyedrischer  Drüsen- 
läppchen zusammen,  die  durch  interstitielles  Bindegewebe,  worin  die 
Capillaren  verlaufen ,  zu  einem  Ganzen  verbunden  sind.  Diese  Läpp- 
chen werden  von  den  Leberzellen  gebildet,  deren  Absonderung,  die 
Galle,  durch  Gallencanälchen  in  Sammelgänge  {ch)  übergeführt 
wird,  die  aus  der  Leber  austreten  und  zum  Theile  (zwei  oder  drei)  in 
den  Blasen  gang  {Ductus  hepatico  -  cysticus)  oder  in  den  gemeinsamen 
Lebergang  (Ductus  hepaticus,  ch)  einmünden. 

Fig.  367.  —  Lep.  cun.  —  Die  Anhangsdrüsen  des  Darmes  eines  jungen  Thieres  in 
natürlicher  Grösse.  Die  Leber  ist  nach  vorn  zurückgeschlagen,  so  dass  man  ihre 
hintere  Fläche  und  ihre  Lappen  sehen  kann.  Igv,  linker  Ventrallappen;  Igd,  linker 
Dorsallappen;  Idv,  rechter  Ventrallappen;  Idd,  rechter  Dorsallappen;  Ic,  viereckiger 
Lappen;  Is,  Spiegel' scher  Lappen;  tp ,  Tuberculum  papilläre;  vb,  Gallenblase  in 
ihrer  Grube  fa  liegend;  cc,  Blasengang;  ch,  gemeinsamer  Lebergang;  cc/t,  Canalis 
choledochus;  och,  seine  Mündung  in  das  Duodenum;  pa,  Pankreas;  Im,  Mesenterial- 
falte;  c j9 ,  Bauchspeichelgang;  ocj),  seine  Oeffnung  in  die  aufsteigende  Schlinge  des 
Duodenums;    es,  Magen;    py,  Pylorus;    Ihd,    Ligamentum    hepatico -duodenale;    du, 

Duodenum  (seine  Umbiegungsschlinge -ist  abgeschnitten);  vci,  untere  Hohlvene. 

Vogt  u.  Yimg,  prakt.  vergl.  Anatomie.     H.  5g 


914  Wirbelthiere. 

Die  Gallenblase  hat  die  Gestalt  eiuer  in  die  Länge  gezogenen 
Birne;  ihr  Hals  verlängert  sich  in  einen  dünnen  Canal,  den  Blasen- 
gang (es),  der  sich  nait  dem  Lebergauge  vereinigt,  um  den  gemein- 
samen Gallengang  (Ductus  choledochus,  cch)  zu  bilden,  welcher  in 
einer  Peritonealfalte,  dem  Ligamentum  hejjatico-duodenale,  zum  Duodenum 
verläuft,  um  dort  in  der  Nähe  der  Pförtnerklappe  einzumünden. 

Das  Volumen  der  Gallenblase  und  der  Durchmesser  der  Canäle 
variiren  sehr,  je  nach  den  Individuen.  Bei  jungen  Thieren  ist  die 
Gallenblase  oft  so  klein,  dass  sie  ganz  in  der  Einsenkung  verborgen 
und  der  Blasengang  kaum  sichtbar  ist. 

Die  Bauchspeicheldrüse  (Fig.  367,  JJ«)  ist  eine  platte,  sehr 
verlängerte  Traubendrüse  mit  zerstreuten  Drüsenläppchen.  Sie  breitet 
sich  in  der  Gekröslamelle  aus  (Im),  welche  die  beiden  Schenkel  der 
Schlinge  des  Duodenums  zusammenhält;  man  erkennt  sie  leicht  an 
ihrer  losen  traubigen  Form.  Die  einzelnen  weissen  oder  leicht  rosig 
gefärbten  Läppchen  lassen  sich  deutlich  erkennen,  wenn  man  die  sie 
enthaltende  Gekröslamelle  unter  Wasser  ausbreitet.  Jedes  Läppchen 
hat  einen  feinen  Ausführungsgang,  der  sich  mit  den  benachbarten 
Gängen  verbindet,  um  Sammelcanäle  herzustellen,  welche  sich  schliess- 
lich zu  einem  einzigen  Canale,  dem  Bauchspeichelgange  oder  Wir- 
sung'schen  Gange  (cp),  vereinigen,  der  in  einer  Entfernung  von 
etwa  30  bis  40  cm  von  dem  Gallengange  in  den  Schenkel  der  Duodenal- 
schlinge  mündet.    Diese  Anordnung  ist  für  das  Kaninchen  eigenthümlich. 

Hinsichtlich  der  histologischen  Eigenthümlichkeiten  der  Läppchen 
und  der  absondernden  Drüsenzellen  des  Pankreas  verweisen  wir  auf 
die  Abhandlung  von  Lange rh ans  (siehe  Literatur).  / 

Athemorgane.  —  Wir  kommen  nicht  auf  das  früher  (S.  894) 
über  die  Nasenhöhlen  Gesagte  zurück,  welche  den  Vorhof  und  Zufuhr- 
canal  der  eigentlichen  Athemorgane  bilden,  die  aus  dem  Kehlkopfe,  der 
Luftröhre  und  den  Lungen  bestehen.  Diese  sind,  wie  die  Nebendrüsen, 
ursprünglich  Dependenzen  der  vorderen  Abtheilung  des  Urdarmes. 
Ihre  erste  Anlage  wird  von  einer  Verdickung  der  ventralen  Wand  des 
Schlundes  gebildet  (siehe  die  Lehrbücher  der  Entwicklungsgeschichte 
von  Oscar  Hertwig  und  Kölliker). 

Der  Kehlkopf  (Fig.  368)  bildet  einen  etwa  1  cm  langen  Trichter, 
der  im  Hintergrunde  des  Schlundkopfes  auf  der  ventralen  Fläche  liegt. 
Er  wird  wesentlich  von  Knorpelplatten  gebildet,  die  durch  Bänder 
und  besondere  Muskeln  verbunden  sind,  und  führt  unmittelbar  in  die 
Luftröhre. 

Der  Schildknorpel  (CartUago  tJii/roidea,  Fig.  368,  et)  ist  ein 
dorsal wärts  geöffneter  Ring,  der  aus  zwei  seitlichen  liam eilen  gebildet 
ist,  welche  unter  einem  spitzen  Winkel  in  der  ventralen  Mittellinie 
zusammentreffen    und   eine   vorspringende   Kante,    den   Adamsapfel 


Säugethiere.  915 

(Protuberantia  laryngea),  herstellen.  Beide  Lamellen  verlängern  sich 
in  zwei  obere,  nach  vorn  gerichtete  (es)  und  zwei  unterere,  kürzere 
und  nach  hinten  gerichtete  {ci)  Hörner,  die  an  dem  oberen  Rande  des 
Ringknorpels  (CarWago  crkoidea)  eingelenkt  sind.  Letzterer  bildet 
einen  geschlossenen,  ventralwärts  schmalen,  dorsalwärts  stark  ver- 
breiterten Ring.  Am  Vorderrande  der  dorsalen  Platte  zeigen  sich  zwei 
kleine  Gelenkflächen,  in  welchen  die  unregelmässig  dreieckigen  Giess- 
kannenknorpel  (Cartilagmes anßenoideae, cä)  eingelenkt  sind,  welche 
aussen  eine  vorragende  Muskelleiste  zeigen.  An  ihrer  Spitze  liegen 
die  kleinen,  hakenförmig  gekrümmten  Santorini'schen  Knorpel- 
chen. Endlich  finden  sich  noch  zwischen  den  Giesskannenknorpeln 
und  der  Epiglottis   zwei  winzige,  mit  dem  Stimmdeckel   durch  Binde- 

Fig.   368. 
A  B 


.,e.p 

\l 

M/' 

3 

itl 

r^ 

er.. 

l'M 

-^J--^^ 

r 

d, — 

-Ä^ 

WJ 

,.&> 

1 

cua 

1 

M-trm. 

r 

1 

m-^ 

Lep.  Clin.  —  Der  Kehlkopf,  A  die  ventrale,  B  die  dorsale  Fläche.  e_/j,  Epiglottis; 
gl,  Stimmritze;  et,  Schildknorpel;  es,  seine  oberen  Hörner;  ci,  seine  unteren  Hörner; 
er,  Ringknorpel;  ca,  Giesskannenknorpel;  Ic,  Ligamentum  crico-thyroideum ;  tr,  Luft- 
röhre;   ac,    ihre  Knorpelringe;    trm,    Quermembran;    li,    Zwischenbänder  der  Ringe. 


gewebe  verbundene  Knorpelchen,  die  keilförmigen  oder  Wrisberg'- 
schen  Knorpel. 

Der  Kehldeckel  oder  die  Epiglottis  (Fig.  368,  ep)  besteht  aus 
einer  verhältnissmässig  grossen,  aufrecht  vor  dem  Schildknorpel  auf- 
gestellten Knorpellamelle,  deren  Innenfläche  ausgekehlt  ist,  während 
ihr  Hinterrand  zwei  kleine,  nach  hinten  und  unten  vorspringende 
Hakenfortsätze  (HumuJi  ejnglottici)  trägt. 

Die  Bänder,  welche  die  einzelnen  Kehlkopfknorpel  mit  einander 
verbinden,  werden  nach  diesen  benannt;  die  stärksten  sind  die  Liga- 
menta crico-thyroiclea  (Ic)  und  die  Ligamenta  thyro-hyoidea,  welche  den 
Schildknorpel  an  das  Zungenbein  befestigen.  In  gleicher  Weise  werden 
die  zahlreichen,  auf  der  inneren,  wie  auf  der  äusseren  Fläche  des  Kehl- 
kopfes entwickelten  Muskelbündel  benannt,  von  welchen  die  einen  den 
Kehlkopf  erweitern,  die  anderen  aber  ihn  verengern. 

58* 


916  Wirbelthiere. 

Die  Luftröhre  (Fig.  332,  Ä;;  Fig.  333  und  Fig.  368,  tr)  ist  ein 
langes,  nach  hinten  sich  ein  wenig  verjüngendes,  cylindrisches  Rohr, 
das  parallel  mit  dem  langen  Halsmuskel  zwischen  dem  Schlünde  und 
den  ventralwärts  angebrachten  M.  sterno-hyoideus  und  M.  sterno- 
tJiyroiäeus  dem  Halse  entlang  läuft.  Loses  Bindegewebe  heftet  die  aus 
etwa  fünfzig ,  auf  der  Rückenfläche  unterbrochenen  Knorpelringen 
(Fig.  368,  ac)  zusammengesetzte  Luftröhre  an  die  ventrale  Wand  des 
Schlundes.  Die  freien  Enden  der  Knorpelringe  sind  durch  glatte  Quer- 
muskelbündel zusammengeheftet  und  die  ganze  ünterbrechungszone 
von  einer  Bindehaut  (Membrana  transversa,  trm)  bedeckt.  Diese  Bil- 
dung ermöglicht  eine  gewisse  Ausdehnungsfähigkeit  der  Luftröhre, 
sowie  einiges  Ausweichen  beim  Durchgange  grosser  Bissen  durch  den 
Schlund.  Um  die  Präparation  einzuleiten,  blasen  wir  die  Luftröhre 
und  Lungen  mittelst  einer  eingeführten  dicken  Glasröhre  auf.  Die 
Knorpelringe  sind  durch  Bindehäute,  Ligamenta  interannularia  (li), 
mit  einander  verbunden.  Die  Innenwand  ist  von  Schleimhaut  aus- 
gekleidet. In  der  Brusthöhle  angelangt,  theilt  sich  die  Luftröhre  in 
zwei  Bronchen,  für  jede  Lunge  einen,  welche  sich  in  dem  Lungen- 
gewebe weiter  verästeln. 

Bei  der  Präparation  stösst  man  auf  die  Schilddrüse  {Glandula 
tliyroiäea  —  Fig.  332,  ^';  Fig.  373,  gl),  die  wir  deshalb  hier  erwähnen, 
weil  sie,  wie  die  Luftröhre  selbst,  sich  aus  dem  Urdarme  hervorbildet. 
Sie  besteht  aus  zwei  platten,  länglichen  Seitenlappen,  die  in  der  Mitte 
durch  eine  Brücke  (Isthmus)  mit  einander  verbunden  werden;  ihre 
braunrothe  Farbe  lässt  sie  leicht  von  der  helleren  Luftröhre  unter- 
scheiden. Sie  hat  keine  Ausführungsgänge,  ebenso  wenig  wie  die 
Milchnerdrüse  {Grl.  thynius) ,  die  bei  jungen  Thieren  bedeutend  isj;, 
mit  zunehmendem  Alter  aber  mehr  und  mehr  schwindet  bis  zu  gänzlicher 
Verkümmerung.  Sie  hat  zwei  unregelmässige  seitliche  Lappen,  von 
welchen  der  linke  stets  voluminöser  ist  als  der  rechte,  und  liegt  nahe 
an  der  Theilungsstelle  der  Luftröhre  in  der  Umgebung  der  grossen, 
aus  dem  Herzen  austretenden  Gefässe,  an  welche  sie  durch  loses  Binde- 
gewebe geheftet  ist. 

Die  verhältnissmässig  kleinen  Lungen  (Fig.  332,  l;  Fig.  373,  p) 
bilden  zwei  weiche  und  ausdehnbare,  in  der  Brusthöhle  gelegene  Säcke 
aus  schwammigem  Gewebe.  Die  rechte,  grössere  Lunge  ist  in  drei 
hinter  einander  gelegene  Lappen  getheilt;  der  hintere  Lappen  ausser- 
dem noch  durch  eine  Einfaltung  in  einen  äusseren  und  inneren  Lappen 
geschieden.  Die  linke,  kleinere  Lunge  besteht  aus  nur  zwei  hinter 
einander  gelagerten  Lappen.  Alle  diese  Lappen  sind  durch  tiefe  Ein- 
schnitte getrennt  und  zeigen  abgerundete  Dorsalränder,  während  ihre 
ventralen  Ränder  zugeschärft  sind.  Ihre  Aussenfläche  wird  von  der 
glatten,  serösen  Pleura  gebildet,  welche  eine  senkrechte  Scheidewand 
herstellt,  die  von  der  Wirbelsäule  zum  Brustbeine  geht  und  das  Medi- 


Säugethiere.  917 

astinum  bildet.  Die  Gipfel  der  Lungen  finden  sich  an  der  Eintritts- 
stelle der  Bronchen;  ihre  breitere  Basis  stösst  an  das  Zwerchfell  an, 
mit  dem  sie,  wie  mit  der  Wirbelsäule,  durch  Falten  der  Pleura,  Liga- 
menta pulmonum,  verbunden  sind. 

Die  sonst  durchaus  getrennten  Lungen  sind  an  ihren  Gipfeln  durch 
die  Gabelung  der  Bronchen  mit  einander  verbunden.  Jeder  Bronchus 
vertheilt  sich  sofort  nach  seinem  Eintritte  in  mehrere  asymmetrische 
Aeste.  Der  rechte  Bronchus  giebfc  einen  vorderen  Zweig  ab,  der  vor 
der  rechten  Lungenarterie  verläuft  und  sich  in  dem  vorderen  Lappen 
der  rechten  Lunge  verzweigt;  der  hintere  Ast  theilt  sich  nach  kurzem 
Verlaufe  in  mehrere  Aeste,  welche  hinter  der  Lungenarterie  verlaufen 
und  sich  in  dem  mittleren  und  hinteren  Lungenlappen  vertheilen.  Da 
die  Vertheilung  das  Bild  eines  Baumes  giebt,  so  sagt  man,  dass  der 
Bronchialbaum  der  rechten  Lunge  einen  eparteriellen  und  einige  hypar- 
terielle  Aeste  habe.  Der  eparterielle  Ast  fehlt  in  der  linken  Lunge ; 
der  Bronchus  theilt  sich  hier  sofort  in  zwei  hyparterielle  Aeste  für  den 
vorderen  und  hinteren  Lappen,  die  sonach  dem  mittleren  und  hinteren 
Lappen  der  rechten  Lunge  entsprechen.  Die  Bronchen  verzweigen  sich 
meist  dichotomisch  und  unter  spitzen  Winkeln  bis  zu  Endzweigen 
(BroncMoli),  welche  in  die  zahlreichen  Läppchen  der  Lungenmasse  ein- 
dringen; sie  bilden  an  ihrem  Ende  Ausbuchtungen,  die  Alveolen, 
setzen  sich  aber  als  Alveolargänge  weiter  fort  und  enden  schliesslich 
mit  kleinen  Bläschen,  den  Lungenbläschen.  Die  grossen  Bronchen 
und  ihre  Hauptäste  besitzen  noch  Knorpelringe  und  glatte  Muskelfasern, 
wie  die  Luftröhre;  erstere  schwinden  aber  nach  und  nach  bei  der  Ver- 
ästelung, und  in  den  Bronchiolen  findet  sich  keine  Spur  mehr  davon. 
Die  Wände  dieser  Endzweige  bestehen  nur  noch  aus  einer  dünnen 
Bindegewebeschicht,  welche  innen  mit  einem  Flimmerepithelium  aus- 
gekleidet ist  und  sehr  dünne,  glatte  Muskelfasern  enthält.  Ein  äusserst 
engmaschiges  Netz  von  Capillaren  umspinnt  die  Alveolen  und  die 
Endbläschen.  Da  die  Wände  dieser  Haargefässe  und  das  Epithelium 
der  Endbildungen  äusserst  dünn  sind,  so  wird  der  osmotische  Aus- 
tausch der  Gase  zwischen  dem  Blute  und  der  in  den  Bronchialzweigen 
befindlichen  Luft  sehr  befördert,  um  so  mehr,  als  die  respiratorische 
Gesammtoberfläche  in  Folge  der  Unzahl  von  Endzweigen,  Alveolen 
und  Endbläschen  eine  ausserordentliche  Ausdehnung  besitzt. 

Harnorgane.  —  Die  Nieren  (Fig.  369,  370)  liegen  , auf  der 
Rückenseite  der  Bauchhöhle  jederseits  hart  an  dem  Lendenwirbel  ausser- 
halb des  Bauchfelles,  das  nur  ihre  ventrale  Fläche  überzieht.  Um  sie 
blosszulegen ,  muss  man  den  Darm  entfernen.  Es  sind  zwei  bohnen- 
förmige  Körper,  die  an  ihrem  inneren  Bande  einen  Ausschnitt,  den 
Hylus,  zeigen,  von  welchem  der  Harnleiter  ausgeht  (Fig.  370,  ur)  und 
in  welchem  die  Blutgefässe  der  Niere  ein-  und  austreten,  Arterien  (ar) 
und  Venen   (vr).     Bei   dem   Kaninchen   zeigen   die  Nieren   eine   glatte, 


918 


Wirbelthiere. 


Fiff.  369. 


eZ,.. 


gleichförmige  Oberfläche  ohne  Lappeneinschnitte;  sie  sind  von  einer 
faserigen  Nierenkapsel  umhüllt,  die  sich  in  dem  Hylus  nach  innen  ein- 
schlägt und  eine  Ausbuchtung  des  Parenchyms,  das  Nierenbecken,  aus- 
kleidet (Fig.  369 ,  6  r).  Bei  alten  Thieren  besonders  enthält  das  die 
Nieren  umhüllende  Bindegewebe  oft  sehr  viel  Fett.  Die  rechte  Niere 
liegt  etwas  weiter  nach  vorn  als  die  linke,  so  dass  die  Nierengefässe 
rechterseits  in  schräger  Richtung  von  hinten  nach  vorn,  linkerseits  von 
vorn  nach  hinten  verlaufen. 

Das  Parenchym  der  Niere  ist  ziemlich  fest;   es   besteht  wesentlich 
aus  Harncanälchen,   die   durch  knappes  interstitielles  Bindegewebe 

zusammengehalten  sind.  Die 
Anordnung  der  Harncanälchen 
ist  in  der  Rindenschicht 
(Fig.  369,  cc)  des  Organes 
sehr  verschieden  von  der- 
jenigen in  der  Marksub- 
stanz (cjw),  so  dass  man  diese 
beiden  Schichten  sehr  gut  auf 
einem  Flächenschnitte,  welcher 
die  Niere  in  zwei  Hälften  theilt, 
unterscheiden  kann.  In  der 
Rindenschicht  haben  die  Canäl- 
chen  einen  gewundenen,  in 
der  Marksubstanz  einen  mehr 
gerade  gestreckten  Verlauf. 

Die  Harncanälchen  sind  in 
der  Marksubstanz  derart  zu- 
sammengestellt, dass  sie  wenig 
geschiedene  Bündel  in  Gestalt 
von  Kegeln  oder  Pyramiden 
bilden  (Malpighi'sche  Pyra- 
miden), deren  Gipfel  gegen 
den  Hylus  hin  convergiren  und  in  einer  von  mehreren  kleinen  OefF- 
nungen  durchbohrten  Papille  (p)  enden,  welche  in  dem  durch  die 
Ausweitung  des  Harnleiters  (^tr)  gebildeten  Nierenbecken  (&)  vor- 
springt. Die  Grenze  der  Pyramiden  werden  durch  leere  Lücken  (eü) 
deutlich  gemacht,  die  in  der  Peripherie  der  Marksubstanz  sich  zeigen. 
Hinsichtlich  der  histologischen  Structur  der  Niere  verweisen  wir 
auf  die  betreffenden  Handbücher;  man  muss  zu  dieser  Untersuchung 
besondere  Methoden  und  auch  die  Injection  der  Blutgefässe  zu  Hülfe 
nehmen.  Die  Harncanälchen  beginnen,  wie  beim  Menschen,  mit  einem 
in  der  Rindensubstanz  gelegenen  Bläschen,  der  Bowman'schen  Kapsel, 
die  einen  Gefässknäuel,  den  Malpighi'schen  Glomerulus,  einschliesst. 
Von   hier  aus   verlaufen   die   vielfach   geschlängelten  Canälchen   gegen 


icjj.  Clin.  —  Längsschnitt  der  Niere,  doppelt 
vergrössert.  c  c ,  Rindenschicht ;  cm,  Kern- 
masse, von  den  strahlenförmig  geordneten  Harn- 
canälen  gebildet;  eJ,  Lückenräume  zwischen 
den  Pyramiden;  ip,  Papille  mit  Oeffnungen  der 
Harncanäle;  &,  Nierenbecken;  ttr,  Harnleiter; 
sr,  Hylus  der  Niere. 


Säugetlnere.  919 

die  Marksubstanz  hin,  in  welcher  sie  sich  bedeutend  verengern.  Nach- 
dem sie  mehr  oder  minder  tief  in  die  Pyramiden  eingedrungen  sind, 
biegen  sie  in  scharfer  Windung  gegen  die  Rindensubstanz  hin  um,  so  die 
Henle'schen  Schiingen  bildend,  und  vereinigen  sich  dann  mit  benach- 
barten Canälchen  zu  Sammelcanälchen,  welche  mit  anderen  zusammen- 
fliessen  und  so  die  mächtigen  Papillarcanäle  bilden,  die  auf  dem 
Gipfel  des  Pyramidenwärzchens  münden  und  dort  den  Urin  in  das 
Nierenbecken  ergiessen.  Sämmtliche  Canäle  sind  von  einer  structur- 
losen  Haut  gebildet  und  mit  einem,  in  den  einzelnen  Abschnitten 
verschieden  gestalteten  Epithelium  ausgekleidet.  Ausser  diesen  Harn- 
canälen  enthält  die  Niere  zahlreiche  Blutgefässe.  Die  der  Aorta  ent- 
stammende Nierenarterie  tlieilt  sich  in  viele  Zweige,  welche  an  der 
Grenze  zwischen  Rindenschicht  und  Marksubstanz  sich  in  complicirte 
Capillarnetze  auflösen.  Viele  dieser  Zweige  gehen  zur  Peripherie  und 
bilden  hier  die  erwähnten  Gefässknäuel,  die  nur  Wundernetze  sind, 
indem  die  kleine  Arterie  wieder  als  solche  aus  der  Bowman'schen 
Kapsel  austritt  und  dann  Capillarnetze  um  den  Anfang  der  Harncanäl- 
chen  bildet,  aus  welchen  erst  die  Venen  hervorgehen,  welche  sich  nach 
und  nach  in  der  grossen  Nierenvene  sammeln. 

Der  Harnleiter  (Fig.  367,  370,  ur)  beginnt  mit  dem  Nieren- 
becken, das  nur  eine  trichterförmige  Erweiterung  seines  Anfanges 
ist,  und  setzt  sich  in  Gestalt  eines  engen,  weisslichen  Canales  längs 
des  Psoasmuskels  nach  hinten  fort.  Bei  dem  Männchen  kreuzt  er  auf 
der  dorsalen  Fläche  des  Grundes  der  Harnblase  den  Samenleiter  und 
mündet  mit  einer  kleinen  spaltförmigen  Oeffnung.  Die  Wandungen 
des  Harnleiters  zeigen  eine ,  innen  mit  Schleimhaut  ausgekleidete 
Muskelschicht. 

Die  Harnblase  (Fig.  379,  t),  welche  den  Urin  ansammelt,  hat 
die  Gestalt  einer  Birne ,  die  sich  nach  hinten  in  den  Blasenhals  ver- 
längert, der  über  die  Symphyse  des  Beckens  sich  fortzieht  und  bei 
dem  Weibchen  mit  einer  kurzen  Harnröhre  endet,  welche  in  den  Vor- 
hof der  Scheide  mündet.  Bei  dem  Männchen  mündet  der  Blasenhals 
in  den  ürogenitalcanal ,  von  welchem  später  die  Rede  sein  soll.  Wie 
der  Plarnleiter,  besitzt  die  Blase  eine  innere  Schleimhaut  und  eine 
Muskelhaut.  Sie  ist  bedeutender  Erweiterung  fähig.  Der  Harn  ist 
gelblich  und  stets  trübe. 

Die  Nebennieren  (Fig.  370,  es)  liegen  in  Gestalt  zweier  rund- 
licher Körper  von  gelber  Farbe  in  der  Nähe  der  Nieren,  von  welchen 
sie  übrigens  gänzlich  unabhängig  sind.  Die  rechte  Nebenniere  liegt 
dem  oberen  Innenrande  der  Niere  und  der  unteren  Hohlvene  hart  an ; 
die  linke  liegt  weiter  nach  hinten  in  dem  Winkel  zwischen  der  Hohl- 
vene und  der  Nierenvene ,  berührt  aber  die  linke  Niere  nicht.  Die 
Structur  dieser  Körper  ähnelt  dei-jenigen  der  Lymphdrüsen;  ihre  Func- 
tion ist  noch  nicht  befriedigend  bekannt. 


920 


Wirbelthiere. 

Fig.  370. 


Säugethiere.  921 

Die  Gesell lechtsorgane  muss  man  bei  älteren  Thieren  unter- 
suchen, wo  sie  vollständig  entwickelt  sind;  bei  jüngeren  Thieren  weichen 
sie  sehr  ab,  sowohl  hinsichtlich  der  Beziehungen  zwischen  ihren  ein- 
zelnen Theilen,  als  auch  hinsichtlich  ihrer  Dimensionen. 

Männliche  Organe.  —  Die  Hoden  (Fig.  370,  t)  bilden  erst 
lange  nach  der  Geburt  zwei  vorspringende  Wülste  zu  beiden  Seiten 
des  Afters;  sie  liegen  dann  ausserhalb  der  Bauchhöhle,  aus  der  sie 
durch  den  Leistenring  (ai)  ausgetreten  sind,  durch  welchen  der 
Samenleiter,  der  Samengang  (Canal^s  deferens) ,  Nerven  und  Gefässe 
ebenfalls  durchgehen.  Sie  zeigen  eine  dreifache  Umhüllung:  eine  ihnen 
unmittelbar  anliegende,  feste  und  weisse  Sehnenhaut,  die  Tunica  albu- 
ginea;  sodann  die  Scheidenhaut  (T.  vaginalis),  eine  vom  Bauchfelle 
ausgekleidete  Ausstülpung  der  Bauchwand,  und  endlich  den  Hoden- 
sack,  eine  Ausweitung  der  äusseren  Haut,  welche  durch  eine  ziemlich 
dünne  Faserhaut,  die  Tunica  dartos,  gestützt  wird,  die  dem  Unterhaut- 
zellgewebe angehört.  Die  Muskelschicht  der  Bauchwand  setzt  sich  in 
Bündel  fort,  welche  die  Scheidenhaut  umspannen  und  so  den  Hebe- 
muskel des  Hodens  (M.  cremaster)  herstellen. 

Die  Hoden  sind  zwei  bohnenförmige ,  etwa  3  cm  lange  Körper, 
deren  Innenwand  leicht  eingebuchtet  ist.  Ihr  Parenchym  wird  durch 
zahlreiche  dünne  Scheidewände  von  Bindegewebe  in  kegelförmige 
Kammern  getheilt,  deren  Spitzen  nach  dem  Einschnitte,  dem  Hylus, 
convergiren ,  der  durch  einen  dicken  Knäuel ,  das  Corpus  Highmori, 
erfüllt  wird.  In  den  durch  die  Scheidewände  hergestellten  Kammern 
finden  sich  Knäuel  von  sehr  engen  Samencanälchen ,  die  aus  einer 
structurlosen  Haut  gebildet  und  innen  mit  einem  Epithelium  aus- 
gekleidet sind ,  in  welchem  die  Spermatozoon  sich  bilden ,  die  einen 
abgeplatteten  Kopf  und  einen  langen  Schwanz  haben  und  grösser  sind, 
als  beim  Menschen.  (Ueber  die  Spermatogenese  beim  Kaninchen  ver- 
gleiche man  die  Abhandlung  von  Brissaud,  siehe  Literatur.) 

Der  Hoden  im  Ganzen  ist  eine  Drüse  von  netzförmigen  Röhrchen. 
Die  Samencanälchen  sammeln  sich,  nachdem  sie  das  Corims  Highmori 
durchsetzt  haben,  indem  sie  nach  und  nach  zusammenmünden,  zu 
Hodencanälchen  in  dem  Nebenhoden. 

Der  Nebenhoden  (Fig.  370,  ep)  ist  ein  langes,  am  Inuenrande 
des  Hodens  entwickeltes  Gebilde,  das  nach  vorn  und  hinten  übergreift. 

Fig.  370.  —  Lef.  cun.  —  Geschlechtsorgane  eines  erwachsenen  Männchens,  r,  Nieren; 
CS,  Nebennieren;  ur,  Harnleiter;  v,  Harnblase;  ou,  OefFnungen  der  Harnleiter  in  die 
Blase;  cur,  Canalis  uro-genitalis;  mu,  Uringang;  t,  Hoden;  tv,  Ligamentum  vaginale; 
tv,  Scheidenhaut  des  Hodens;  sc,  Hodensack;  ep,  Kopf  des  Nebenhodens;  q,  Schwanz 
desselben;  csp,  Samenstrang;  gi.  Leistenring,  durch  welchen  der  Samenstrang  in  die 
Bauchhöhle  eintritt;  cd,  Caualis  deferens;  acd,  Ampulle  desselben;  cc,  Schwell- 
körper; ^y,  Penis;  gl,  Eichel;  vs,  Samenblase;  pr,  Prostata;  gO,  Cowper'sche 
Drüsen;  gp,  Vorhautsdrüsen;  r,  Mastdarm;  a,  After;  vci,  untere  Hohlvene;  vr, 
Nierenvenen;  aa,  Aorta;  ar,  Nierenarterien. 


922  Wirbel  tliiere. 

Man  unterscheidet  an  ihm  einen  dickeren ,  helmförmigen  Kopf  (ep) 
und  einen  dünneren  Schwanz  (q).  Die  Hodencanälchen  begeben  sich 
zum  Kopfe  und  münden  in  den  vielfach  gewundenen  Sammelcanal 
des  Nebenhodens  ein,  der  an  dem  Schwänze  aus  dem  Knäuel. sich  aus- 
löst und  nun  als  Vas  deferens  bezeichnet  wird  (cd).  Dieser,  durch 
die  Dicke  und  Festigkeit  seiner  Wände  ausgezeichnete  Canal  läuft 
unter  Schlängelungen  durch  den  verengerten  Theil  der  Scheidenhaut 
nach  vorn,  durchsetzt  gemeinschaftlich  mit  dem  Samenstrange  (cp) 
den  Leistenring,  und  dringt  so  in  die  Bauchhöhle  ein,  wo  er  den 
Harnleiter  kreuzt  und  auf  der  Dorsaltläche  der  Harnblase  sich  um- 
biegt, um  in  dem  Urogenitalcanal  (cur)  auf  einem  kleinen  Wärz- 
chen mit  einer  verhältnissmässig  weiten  Oeffnung  zu  münden.  In  dem 
der  Harnblase  anliegenden  Abschnitte  bildet  der  Canal  eine  Erweite- 
rung, welche  die  Ampulle  des  Vas  deferens  (acd)  genannt  wird. 

Der  Urogenitalcanal  beginnt  am  Blasenhalse  und  setzt  sich 
nach  hinten,  zwischen  den  Schwammkörpern  des  Penis  fort.  Man  kann 
einen  hinteren,  prostatischen  und  einen  vorderen  Ruthenabschnitt  unter- 
scheiden; er  endet  auf  der  Spitze  der  Eichel  der  Ruthe  durch  die  Harn- 
röhre (mti),  welche  zur  Austreibung  des  Harnes  und  des  Samens  dient. 
Auf  der  dorsalen  Wand  des  prostatischen  Abschnittes  ist  ein  langes, 
abgeplattetes  Bläschen  mit  dünnen,  aber  contractilen  Wänden  ent- 
wickelt, die  Samenblase  (Fig.  370,  vs),  an  deren  vorderem,  dem 
Rectum  anliegenden  Ende  zwei  seitliche  Ausstülpungen  sich  finden, 
welche  den  Hörnern  des  Uterus  entsprechen.  Die  Samenblase  endet 
nach  hinten  mit  einem  kurzen,  unter  die  Prostata  sich  schiebenden 
Halse. 

Die  in  die  Länge  gezogene  gelbliche  Prostata  (Fig.  370,  jps)  liegt 
quer  über  dem  Beginne  des  Urogenitalcanales  auf  der  dorsalen  Fläche 
der  Samenblase,  und  zeigt  einen  mittleren  und  zwei  Seitenlappen.  Sie 
besteht  aus  zahlreichen,  von  glatten  Muskeln  umsponnenen  Drüsen- 
läppchen. Ihre  histologische  Structur  wurde  von  Leydig  untersucht 
(siehe  Literatur).  Die  Läppchen  münden  auf  der  Schleimhaut  des 
Urogenitalcanales  mit  zahlreichen,  punktförmigen  Oeffnungen,  welche 
vor  den  Mündungen  der  Vasa  deferentia  liegen.  Die  Schleimhaut  zeigt 
hier  einen  in  der  Mitte  etwas  angeschwolleneu,  wenig  erhabenen  Längs- 
wulst, welcher  dem  veru  montanum  der  menschlichen  Anatomie  entspricht. 

Der  Penis  (Fig.  370,  p)  erreicht  im  Zustande  der  Erection  etwa 
4  cm  Länge.  Seine  dem  Becken  angeheftete  Wurzel  wird  von  den  fast 
cylindrischen  Schwellkörpern  (cc)  gebildet,  die  an  der  Basis  zwiebel- 
artig anschwellen,  an  dem  die  Eichel  berührenden  Ende  etwas  zuge- 
spitzt sind.  Sie  neigen  sich  von  dem  Becken  aus  gegen  einander  und 
berühren  sich  auf  der  Rückenfläche  des  freien  Theiles  des  Penis  voll- 
ständig. Sie  sind  von  einer  dicken  Faserhaut  umhüllt,  welche  Fort- 
sätze nach   innen   sendet  und  so   das  schwammige  Gewebe  bildet,   das 


Säugetbiere.  923 

von  erweiterten  Bluträumen  durchzogen  wird.  Sie  wurzeln  auf  dem 
Bogen  der  Schambeinfuge  und  werden  von  den  Hebemuskelu  des  Penis, 
Mm.  isdiio-cavcmosi,  umgeben.  Ein  Hautfalz,  die  Vorhaut,  umgiebt  die 
Eichel  wie  ein  Futteral;  ihre  Oeffnung  ist  elliptisch;  im  Zustande  der 
Ruhe  hüllt  dieses  Futteral  den  Penis  ganz  ein. 

Ausser   der  Prostata   finden   sich  noch  folgende  Drüsen  am  Penis: 

Die  Cowper'schen  Drüsen  (Fig.  370,  gC),  kleine,  in  die  Länge 
gezogene,  lappige  Drüsen,  welche  jederseits  hinter  der  Prostata,  auf 
den  Wurzeln  der  Schwellkörper  liegen  und  ihr  Secret  in  den  Uro- 
genitalcanal  ergiessen. 

Die  Vorhautdrüsen  (Fig.  370,  gp),  von  eiförmiger  Gestalt  und 
brauner  Farbe,  liegen  unter  der  Umhüllungshaut  des  Penis  und  lassen 
sich  mit  dieser  abziehen.  Ihr  auf  die  Haut  sich  ergiessen  des  Secret 
hat  einen  starken  Geruch. 

Nahe  bei  den  vorigen,  aber  auf  beiden  Seiten  der  Afteröffnung 
und  des  Mastdarmes,  liegen  die  mit  den  Geschlechtsorganen  nicht  in 
Beziehung  stehenden  Afterdrüsen;  ihr  fettartiges  Secret  erleichtert 
den  Austritt  der  Excremente.  Sie  stammen  aber  nicht  von  dem  Darme, 
sondern  sind,  wie  die  Vorhautdrüsen,  nur  weiter  entwickelte  Haut- 
drüsen (siehe  S.  838). 

Weibliche  Organe.  —  Die  Ovarien  (Fig.  371,  ov)  sind  zwei 
leicht  abgeplattete,  eiförmige  Körper,  deren  Oberfläche  durch  die  in 
,  Form  runder,  heller  Blasen  vorspringenden  Graafschen  Follikel  mit 
ihren  reifen  Eiern  gebuckelt  erscheint.  Sie  liegen  hart  an  dem  grossen 
Psoasmuskel  in  der  dorsalen  Wölbung  der  Bauchhöhle  einander  gegen- 
über an  dem  vierten  Lendenwirbel.  Sie  zeigen  einen  freien  convexen 
und  einen  leicht  eingebuchteten  geraden  Rand,  an  welchen  sich  das 
breite  Haltband  (Ligamentum  latum,  Im)  heftet,  ein  breiter  Peritoneal- 
falz,  welcher  dem  Eierstocke,  den  Eileitern  und  dem  Uterus  gegenüber 
dieselbe  Rolle  spielt,  wie  das  Gekröse  gegenüber  dem  Darme,  indem 
es  die  einzelnen  Theile  unter  sich  und  an  die  Bauchwand  befestigt. 
Zahlreiche  glatte  Muskelbündel  und  Blutgefässe,  letztere  besonders 
zahlreich  zwischen  den  Hörnern  des  Uterus  und  der  Scheide,  verlaufen 
in  dieser  sonst  zarten,  serösen  Falte  des  Bauchfelles.  Zur  Ranzzeit 
und  während  der  Fruchtentwickelung  sind  diese  Gefässe,  wie  überhaupt 
alle  Gefässe  des  Uterus,  strotzend  mit  Blut  gefüllt.  In  Pikrinschwefel- 
säure  gehärtete  Eierstöcke  liefern  schöne  Schnitte  zu  mikroskopischer 
Untersuchung  (Bisch off  und  van  Beneden;  siehe  Literatur). 

Die  an  der  Oberfläche  des  Ovariums  austretenden  reifen  Eier 
fallen  in  den  Trichter  des  Eileiters  (Fig.  371,  jj),  der  sie  in  den 
Uterus  überführt  und  etwa  10  cm  Länge  hat.  Der  mit  Fransen  be- 
setzte Trichter  ist  an  das  breite  Band  angeheftet  und  umfasst  den 
Eierstock  bis  zu  seinem  vorderen  Rande.  Der  Abschnitt  des  Eileiters, 
in   welchen   der  Trichter   übergeht,    ist   verhältnissmässig  weit,   etwas 


924 


Wirbeltliiere, 

Fig.  371. 


Säugethiere.  '  925 

gewunden  und  zeigt  Erweiterungen  oder  Ampullen  (am),  dann  wird 
der  Canal  in  dem  Maasse,  als  er  sich  dem  Uterus  nähert,  enger  (?s) 
und  gestreckter  in  seinem  Verlaufe.  Die  Grenze  zwischen  diesen  beiden 
Abtheilungen  ist  verschwommen.  Die  Muskelwände  des  Eileiters  sind 
innen  mit  einem  Flimmerepithelium  ausgekleidet,  durch  dessen  Schwin- 
gungen die  Eier  nach  dem  Uterus  hin  befördert  werden.  Im  Uterus 
mündet  jeder  Eileiter  durch  eine  kleine,  rundliche  Oeffnung  (ou). 

Der  Uterus  (iit)  ist  zweihörnig  oder,  besser  gesagt,  zweitheilig 
{Uterus  hipartitus)^  da  jedes  der  in  seinem  ganzen  Verlaufe  unabhängigen 
Hörner  mit  einer  gesonderten  Oeffnung  in  die  Scheide  mündet.  Nur 
berühren  sich  die  beiden  Canäle  in  der  Nähe  der  Scheide  auf  der  Länge 
von  einigen  Millimetern.  Die  Hörner  sind  8  bis  9  cm  lange  Röhren, 
weit  geräumiger  als  der  Eileiter  und  mit  dicken  Muskelwänden  ver- 
sehen, die  sich  während  der  Schwangerschaft  bedeutend  ausdehnen 
und  dann  den  Darm  nach  oben  und  hinten  verdrängen.  Die  Eier 
werden  im  Uterus  befruchtet;  die  Placenten  setzen  sich  an  den  Wänden 
fest.  Die  Oeffnungen  {os  tincae)  münden  in  die  Scheide  auf  zwei  mit 
Fransen  besetzten  Papillen,  welche  dicht  neben  einander  im  Grunde 
der  Scheide  vorragen  (ovo). 

Die  Scheide  selbst  ist  eine  lange  und  weite  Röhre,  die  zwischen 
der  Blase  und  dem  Mastdarme,  mit  welchem  sie  durch  Bindegewebe 
verbunden  ist,  nach  hinten  verläuft  und  zwei  Abschnitte  unterscheiden 
lässt,  einen  vorderen,  den  eigentlichen  Scheidentheil  (v),  welcher  sich 
bis  zur  Einmündung  der  Harnröhre  erstreckt  und  Längsfalten  der 
Schleimhaut  im  Inneren  zeigt,  und  einen  hinteren  mit  glatter  Schleim- 
haut, der  Scheidenvorhof  (vv),  der  sich  bis  zur  Scham  erstreckt  und 
dem  Urogenitalcanal  entspricht.  Die  Harnröhrenmündung  (imi)  be- 
zeichnet also  die  Grenze  der  beiden  Abschnitte  und  dort  finden  sich 
auch  wenig  vorspringende  Falten  der  Schleimhaut,  welche  man  als 
Scheidenklappen  bezeichnet  und  die  dem  Hymen  (liy)  entsprechen. 

Die  Vulva  (vii)  bildet  eine  weite  Spalte  unter  dem  After,  die  von 
Pinseln  steifer  Haare  umgeben  ist;  die  Schamlippen  haben  eine  rosen- 
rothe  Farbe  und  schliessen  zahlreiche  Talgdrüsen  ein.  An  ihrer  ven- 
tralen Commissur  tritt  auf  einer  ventralen  Falte  die  Clitoris  (c7)  in 
Gestalt  einer  ziemlich  festen,  etwa  2cm  langen  Zunge  hervor,  die 
sich  mit  zwei,  den  Schwellkörpern  des  Penis  analogen  Wurzeln  an  den 

Fig.  371.  —  Lep.  cun.  —  Geschlechtsorgane  eines  erwachsenen  Weibchens.  Man  hat 
auf  der  Ventralseite  der  Scheide  und  des  Uterus  Lücken  geschnitten,  um  die  OeiTnun- 
gen  zu  zeigen,  ov ,  Eierstöcke;  ^,  Trichter  des  Eileiters;  am,  Ampulle  desselben; 
is,  Isthmus  desselben;  Im,  Ligamentum  latum  (Mesometrium);  o«,  Oeffnung  in  den 
Uterus;  ut.  Hörner  des  Utei-us;  itc,  Winkel  ihres  Zusammentreffens;  ova,  Oeffnungen 
der  Uterushörner  in  die  Scheide;  v.  Scheide;  vv,  ihr  Vorhof;  liy ,  Scheidenklappe 
(Hymen);  v^l,  Vulva;  cl,  Clitoris;  ur,  Harnleiter;  ■»,  Harnblase;  cv,  Blasenhals;  m,u, 
Harngang;  cu,  Urogenitalcanal;  v ci,  untere  Hohlvene;  aa,  Bauchaorta;  r,  Mastdarm. 


926  Wirbelthiere. 

Beckenrand  festsetzt.  Die  Eichel  au  ihrem  Ende  misst  im  Zustande 
der  Erection   nur  einige  Millimeter   und  zeigt  eine  stumpfe  Endspitze. 

Die  Cowper'schen,  die  Vorhaut-  und  Afterdrüsen  finden  sich  wie 
beim  Männchen  vor.  Von  den  Milchdrüsen,  welche  sich  während 
der  Schwangerschaft  bedeutend  entwickeln,  haben  wir  schon  (S.  838) 
gesprochen. 

Kreislauf.  —  Das  aus  zwei  Vorkammern  und  zwei  Kammern 
bestehende  Herz  liegt  in  der  ventralen  Mittellinie  des  Körpers  auf  dem 
Brustbeine  in  der  Höhe  der  ersten  Rippen  (Fig.  332, «,  o;  Fig.  373,  av). 
Es  hat  die  Form  eines  Kegels,  dessen  Basis  von  den  Vorkammern  her- 
gestellt wird,  während  die  nach  hinten  gerichtete  und  etwas  auf  die 
linke  Seite  geneigte  Spitze  von  den  Kammern  gebildet  wird.  Auf  der 
ventralen  Seite  zeigt  sich  zwischen  den  Vorkammern  die  Kranz- 
furche (Fig.  373,  sc),  über  welche  der  Stamm  der  Lungenarterie 
verläuft;  ausserdem  sieht  man  dort  eine  seichte,  oft  kaum  bemerkbare 
Längs  für  che,  welche  der  Scheidewand  der  beiden  Herzkammern 
entspricht.  Diese  Furche  verläuft  etwas  schräg  nach  rechts,  so  dass 
die  Spitze  des  Herzens  selbst  nur  von  der  linken  Kammer  gebildet 
wird. 

Die  Muskelsubstanz  des  Herzens  (Myocardium)  wird  aussen  von 
einem  Umschlage  des  serösen  Herzbeutels  (Pericardium)  überzogen, 
während  die  inneren  Höhlen  mit  einer  Bindegewebeschicht  (Endo- 
cardium)  ausgekleidet  sind.  Die  Muskelwand  der  Vorhöfe  ist  weit 
dünner  als  diejenige  der  Kammern;  überhaiipt  entspricht  die  Dicke 
der  Wandung  der  Kraft,  welche  die  Theile  entwickeln  müssen,  um  das 
Blut  weiter  zu  treiben.  Aus  diesem  Grunde  ist  auch  die  Muskelwand 
der  linken  Herzkammer  weit  mächtiger  als  diejenige  der  rechten  Kammer, 
wovon  man  sich  leicht  auf  einem  durch  die  Kammern  geführten  Quer- 
schnitt (Fig.  372)  überzeugen  kann. 

Die  Scheidewand  der  Kammern  (Fig.  372,  iv)  ist  schief  von 
vorn  und  rechts  nach  hinten  und  links  gerichtet;  sie  ist  vollständig 
und  zeigt  keine  Unterbrechung,  ebenso  wenig  als  die  Scheidewand 
zwischen  den  Vorhöfen.  Dagegen  finden  sich  zwischen  Vorkammern 
und  Kammern  weite,  mit  sehnigen  Klappen  versehene  Oeffnungen.  An 
diese  Klappen ,  welche  den  Durchtritt  des  Blutes  von  den  Vorhöfen  in 
die  Kammern  bei  der  Systole  der  ersteren  gestatten ,  aber  die  Rück- 
stauung bei  der  Zusammenziehung  der  Kammern  und  der  Diastole  der 
Vorhöfe  verhindern,  setzen  sich  von  den  Kammern  her  Sehnenfäden 
(et)  an,  welche  von  starken  Muskelfortsätzen  der  Kammerwände,  den 
Warzenmuskeln  (wp),  ausgehen,  deren  Zusammenziehung  die  Klappen 
in  die  Kammer  hineinziehen  und  so  den  Weg  öffnen. 

Die  rechte  Vorkammer  (Fig.  372,  od)  umgiebt  den  Ursprung 
der  Aorta  und  zeigt  auf  ihrer  ventralen  Seite  eine,  in  unserer  Fig.  372 
weggeschnittene   Ausbuchtung,   das   rechte  Herzohr,   in    dessen   Nähe 


Säugetliiere. 


927 


die  Hohlvenen  (vcs)  mit  gesonderten  Oeffnungen  einmünden,  welche 
mit  Klappen  versehen  sind. 

Die  linke  Vorkammer  (og),  in  welche  die  Lungenvenen  (vp) 
einmünden,  zeigt  ebenfalls  eine  Ausweitung,  das  linke  Herzohr, 
welches  sich  um  den  Stamm  der  Lungenarterie  herumschlägt. 

Die  rechte  Herzkammer  (Fig.  372,  vcl)  liegt  der  linken 
Kammer  in   der  Weise  an,   dass   sie   dieselbe  theilweise  umgiebt;   auf 

rie;.  372. 


od-^ 


ct^- 


Tjd 


—  et 


TTVp^' 


Lep.  Clin.  —  Das  Herz  in  doppelter  Grösse.  Seine  ventralen  Wandungen  sind  weg- 
genommen, um  die  Hohlräume  im  Inneren  zu  zeigen,  iv,  Scheidewand  zwischen  den 
beiden  Herzkammern;  vd,  rechte  Kammer;  vg,  linke  Kammer;  et,  Sehnenstränge; 
mp,  Warzenmuskeln;  vav,  Yalvula  bicuspis  oder  mitralis;  vav',  Valvula  tricuspis; 
od,  rechte  Vorkammer;  og,  linke  Vorkammer;  ves,  obere  Hohlvene;  i'j:),  Lungen- 
venen;  ap,  Lungenarterien;  ao,   Aorta. 


einem  Querschnitte  zeigt  ihre  Höhlung  die  Gestalt  eines  Halbmondes, 
die  aber  weniger  ausgesprochen  ist,  als  bei  den  Vögeln;  wegen  der 
Dünne  ihrer  Wände  scheint  ihre  Höhlung  bei  der  Leiche  weit  grösser 
als  diejenige  der  linken  Kammer.  Gegen  ihr  dorsales  Ende  hin  bildet 
die  Kammer  eine  Art  Trichter,  den  Arterienconus,  der  sich  in  die 
Lungenarterie  fortsetzt,  an  deren  Ursprung  drei  halbmondförmige 
Klappen  angebracht   sind.     Die  Segelklappe  an  der  Oeffnung  zwischen 


928  Wirbelthiere. 

rechter  Kaminer  und  Vorkammer  besteht  aus  drei  Segellappen  {Välvula 
tHcuspis,  vav'). 

Die  linke  Herzkammer  {vg),  deren  Höhlung  in  Folge  der 
Dicke  ihrer  Wände  weit  geringer  erscheint,  lässt  an  ihrem  Vorder- 
rande den  Stamm  der  Aorta  entstehen,  an  dessen  Ursprung  ebenfalls 
drei  halbmondförmige  Klappen  angebracht  sind.  Die  Segelklappe  der 
linken,  nahe  an  der  Aortenöffnung  liegenden  Atrio-ventricular-Oeflfnung 
(Valvula  mitralis,  vav)  hat  dagegen  nur  zwei  Segellappen. 

Das  Herz  liegt  in  dem  Herzbeutel,  der  eine  innere  seröse  und 
eine  äussere  fibröse  Schicht  zeigt.  Er  liegt  dem  Brustbeine  und  dem 
Zwerchfelle  an  und  setzt  sich  auf  der  dorsalen  Seite  an  die  grossen 
Gefässstämme  an ,  mit  deren  Wänden  seine  Faserschicht  verschmilzt. 
Er  enthält  eine  geringe  Menge  einer  serösen,  wasserhellen  Flüssigkeit. 

Blutgefässe.  —  Sie  begreifen  die  Arterien,  in  welchen  das 
Blut  in  centrifugaler  Richtung  von  dem  Herzen  aus  zu  den  Organen 
strömt;  die  Venen,  worin  es  in  entgegengesetzter  Richtung  nach  dem 
Herzen  zurückgeführt  wird,  und  das  Zwischenreich  der  Capillaren,  das 
von  den  letzten  Zweigen  der  Arterien  und  den  ersten  der  Venen  gebildet 
wird.  Wir  verweisen  hinsichtlich  der  Verschiedenheiten  in  der  Structur 
dieser  drei  Arten  von  Gefässen  auf  die  Lehrbücher  der  menschlichen 
Anatomie;  ihre  Structur  ist  überall  dieselbe  bei  allen  Säugethieren, 
nur  ihr  Verlauf  variirt.  Die  grossen  Gefässstämme  können  ohne  weitere 
Injection  an  dem  getödteten  Thiei'e  präparirt  werden;  um  feinere  Zweige 
verfolgen  zu  können ,  muss  man  sie  einspritzen ,  wozu  wir  eine  mit 
Chromgelb,  Carmin  oder  Berliner  Blau  gefärbte,  warme  Gelatinelösung 
benutzen.  Bei  langsamem ,  stetigem  Drucke  mittelst  einer  Spritze 
dringt  die  Masse  an  durch  Chloroform  getödteten  und  noch  warmen 
Thieren  leicht  in  die  feineren  Zweige  ein.  Man  spritzt  durch  die  Aorta 
ein  für  den  Körperkreislauf,  durch  die  Lungenarterien  für  den  kleinen 
Kreislauf;  für  die  Injicirung  des  Veuensystems  sucht  man  die  Venen 
so  weit  als  möglich  vom  Herzen  auf.  Feinere  Injectionen  einzelner 
Organe  gewinnt  man,  wenn  man  dieselben  von  ihren  besonderen  Ge- 
fässen aus  einspritzt. 

Grosser  oder  Körperkreislauf.  Arterien.  —  Der  gemein- 
same Stamm  aller  diesem  Abschnitte  zugehörenden  Arterien ,  die  alle 
Organe,  mit  Ausnahme  der  Lungen,  speisen,  ist  die  Aorta  (Fig.  373,  ao), 
welche  aus  der  linken  Kammer  entspringt  und  an  ihrer  Wurzel  seichte 
Eindrücke  {Sinus  Valsalvae)  zeigt,  die  den  drei  halbmondförmigen 
Klappen  entsprechen,  welche  wir  bei  Beschreibung  des  Herzens  er- 
wähnten. Noch  vor  ihrem  Austritte  aus  dem  Herzbeutel  giebt  die 
Aorta  zwei  Kranzarterien  des  Herzens  ab,  welche  sich  in  den  Vor- 
kammern und  Kaiumern  verzweigen.  Die  linke  Kranzarterie  ist  weit 
stärker  als  die  rechte;  bisweilen  haben  beide  einen  kurzen,  gemein- 
schaftlichen Stamm. 


Säugethiere,  929 

Die  Aorta  läuft  zuerst  neben  der  Lungenarterie  nach  vorn,  wendet 
sich  dann  aber  nach  links  und  beschreibt  den  Aortenbogen  {ca), 
dessen  Fortsetzung  sich  au  die  Wirbelsäule  anlegt  und  die  absteigende 
Aorta  {Aorta  descendens)  bildet,  an  welcher  man  den  bis  zum  Zwerch- 
fell sich  erstreckenden  Brustabschnitt  (adt)  und  den  hinter  dem 
Zwerchfelle  gelegenen  Bauchabschnitt  unterscheiden  kann. 

Der  Aortenbogen  liegt  hinter  dem  Handgriffe  des  Brustbeines;  auf 
seiner  Convexität,  die  nach  vorn  gerichtet  ist,  entspringen  die  Arterien 
des  Kopfes  und  der  Vorderglieder,  der  Kopfarm  stamm  (Truncus  ano- 
nymiis)  und  die  linke  Schlüsselbeinarterie  (Suhclavia  sinistra).  Der 
anonyme  Stamm  (Fig.  373,  ta)  liegt  etwa  in  der  Mittellinie;  er  ist 
sehr  kurz  und  theilt  sich  sofort  in  drei  Hauptäste,  die  rechte  Sub- 
clavia (ascd)  und  die  rechte  und  linke  gemeinsame  Carotis 
(card  und  carg).  Uebrigens  variirt  der  gemeinsame  Stamm  sehr  je 
nach  den  Individuen;  er  ist  zuweilen  so  kurz,  dass  die  Carotiden  direct 
aus  dem  Bogen  zu  entspringen  scheinen;  in  anderen  Fällen  entspringt 
die  rechte  Subclavia  gesondert  aus  dem  Aortenbogen  neben  der  linken 
(Krause). 

Die  beiden  gemeinsamen  Carotiden  verzweigen  sich  jederseits 
in  derselben  Weise:  der  Stamm  läuft  neben  der  Luftröhre  unter  den 
Mm.  sterno-hyoideus  und  sterno -thyroideus  bis  zum  Winkel  des  Unter- 
kiefers und  zu  dem  Hinterrande  der  Parotis,  wo  er  sich  in  zwei  Haupt- 
äste ,  die  innere  und  äussere  Carotis ,  theilt.  Vor  der  Theilung  giebt 
er  aber  einen  nach  innen  und  oben  umbiegenden  Ast  zur  Schilddrüse, 
die  Arteria  tliyroidea  (Fig.  373,  at),  welche  ausserdem  noch  Zweige  an 
die  Luftröhre  und  den  Schlundkopf  abgiebt. 

Die  äussere  Carotis  (Fig.  373,  ce)  die  aus  der  Gabelung  der 
gemeinsamen  Carotis  hervorgeht,  ist  stärker  als  die  innere.  Sie  ver- 
sorgt hauptsächlich  das  Gesicht;  giebt  zuerst  nahe  an  ihrem  Ursprünge 
eine  kleine  Ari.  taryngea  superior  (Fig.  354,  als)  und  hierauf  von 
ihrem  inneren  Rande  die  Zungenarterie  [Art.  liiigualis,  Fig.  354,  a?), 
die  in  die  Zungenwurzel  eindringt  und  die  ganze  Zunge  bis  zu  ihrer 
Spitze  mit  Zweigen  versieht;  sodann  die  Art.  maxillaris  interna  (am), 
welche,  dem  unteren  Rande  des  Unterkiefers  entlang  laufend,  die 
benachbarten  Theile,  besonders  die  Kaumuskeln  und  die  Speicheldrüsen 
versorgt  und  ausserdem  Aeste  an  die  Haut  der  Wange,  der  Nase  und 
der  Lippen  giebt.  Von  ihrem  dorsalen  Rande  entsendet  sie  die  A)i. 
occipitalis  (Fig.  354,  av),  die  bis  zu  dem  Querfortsatze  des  Atlas 
emporsteigt  und  die  Haut  des  Halses  mit  Zweigen  versieht,  dann  aber 
sich  in  eine  Art.  temporaJis  superficialis  und  eine  ^r^  maxillaris  interna 
gabelt.  Erstere  biegt  um  die  Blase  des  Schläfenbeines  herum  und 
giebt  die  vordere  und  hintere  Ohrrauschelarterie  (Art.  aitri- 
cidaris  anterior  und  posterior)  ab,  deren  Verlauf  und  Pulsationen  man 
deutlich   sehen  kann,   wenn   man  die  Ohrmuschel  des  lebenden  Thieres 

Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.    II.  qQ 


930  Wirbelthiere. 

gegen    das   Licht   hält.      Sodann   steigt   der   Stamm    gegen    die   obere 
Fläche  des  Kopfes  hinan,    entsendet  zuerst  einen  bedeutenden  Ast,  die 


quere  Gesichtsarterie,   die  unter   dem  Jochbogen  verläuft  und  die 
Gesichtshaut  und.  das  untere  Augenlid  versorgt.     Die  Art.  maxillaris 


Säugethiere.  931 

interna  läuft  auf  der  Innenseite  des  M.  pterygoideus,  giebt  Zweige  an 
die  Backzähne  und  gabelt  sich  in  eine  Art.  infraorhitalis,  welche  die 
Intermaxillargegend,  die  Augendrüsen  und  die  Nickhaut  versieht,  und 
in  eine  Art.  pterygo-imJutina ,  die  sich  an  dem  Gaumen  und  der  Nasen- 
höhle verzweigt.  Vor  der  Gabelung  sendet  der  Stamm  noch  Zweige 
an  das  Trommelfell,  die  Zähne,  die  dura  niater  des  Gehirnes  und  eine 
Art.  opJithahnica  inferior,  welche  an  die  Thränendrüse ,  die  Augen- 
muskeln etc.  Zweige  giebt  und  mit  der  aus  der  inneren  Carotis  ent- 
springenden Art.  ophthalmica  superior  communicirt. 

Die  innere  Carotis  (Fig.  373,  ci),  welche  aus  der  Gabelung  des 
gemeinsamen  Stammes  am  Unterkieferwinkel  hervorgeht,  gehört  wesent- 
lich dem  Gehirne  an.  Sie  wird  durch  den  M.  styloglossus  von  der 
äusseren  Carotis  geschieden ,  läuft  nach  vorn  und  dringt  durch  den 
Carotidencanal  des  Schläfenbeines  in  die  Schädelhöhle  ein,  Sie  ent- 
sendet sofort  die  Art.  comniunicans  posterior,  welche  nach  hinten  zum 
Hirntrichter  umbiegt  und  mit  der  Art.  cerehraJis  posterior  anastomosirt, 
die  aus  dem  später  zu  erwähnenden  Truncus  cervico-vertehralis  stammt. 
Ferner  giebt  sie  ab:  die  Art.  ophtliahnica  superior,  welche  durch  das 
Foramen  opticum  in  die  Augenhöhle  dringt,  in  dem  Sehnerven  verläuft 
und  die  Ciliar -arterien  sowie  die  centrale  Arterie  der  Netzhaut  bildet. 
Hierauf  theilt  sich  die  innere  Carotis  in  zwei  Aeste,  eine  Art.  cerehralis 
anterior,  welche  den  Sehnerven  kreuzt  und  die  Siebbeingegend  sowie 
die  Stirnlappen  der  Hemisphären  versorgt,  und  eine  Art.  cerehraJis 
media,  welche  in  der  Mittelgegend  der  Hemisphären  sich  verzweigt. 

Die  rechte  Subclavia  (Fig.  373,  ascd),  die  aus  dem  Truncus 
anonymus  entspringt,  wendet  sich  direct  zu  dem  entsprechenden  Vorder- 
gliede  und  verästelt  sich  in  demselben  in  gleicher  "Weise,  wie  die  direct 
aus  dem  Aortenbogen  entspringende  linke  Subclavia  (ascg)  in  dem 
Arme  ihrer  Seite,  so  dass  die  gleiche  Beschreibung  für  beide  gilt.  Der 
erste  Ast,  die  Art.  cervico-vertehralis,  entspringt  an  dem  dorsalen  Rande 
und  theilt  sich  bald  in  zwei  Zweige,  von  welchen  der  eine,  Ad.  verte- 

Fig.  373.  —  Lep.  tun.  —  Das  Herz  und  die  Haupt-Gefässstämme  in  halber  Grösse. 
Die  rechte  Hälfte  des  Unterkiefers  mit  der  Zunge  ist  auf  die  Seite  geschlagen ,  um 
den  Schlundkopf  und  den  Kehldeckel  zu  zeigen.  Die  linke  Unterkieferhälfte,  nii,  ist 
in  ihrer  Lage  belassen,  a,  linkes  Herzohr;  v,  linke  Herzkammer;  sc,  Kranzfurche; 
sl,  Längsfurche;  ac,  Kranzarterien;  vc,  Kranzvenen;  ap,  Lungenarterie;  ao,  Ursprung 
der  Aorta;  ca,  ihr  Bogen;  ta,  Truncus  anonymus;  ascg,  linke  Subclavia;  ascd, 
rechte  Subclavia;  card,  rechte  gemeinsame  Carotis;  carg,  linke  gemeinsame  Carotis; 
af,  Arterie  der  Schilddrüse;  cV,  innere  Carotis;  ce.  äussere  Carotis;  adt,  absteigende 
Brust-Aorta;  vcd,  rechte  obere  Hohlvene;  vcg,  linke  obere  Hohlvene;  vsc,  Yenae 
subclaviae;  vje,  äussere  Jugularvene;  vf,  hintere  Gesichtsvene;  vf',  vordere  Gesichts- 
vene; vme,  äussere  Maxillar-Yene;  vmi,  innere  Maxillar-Yene ;  vji,  innere  Jugular- 
vene; vci,  untere  Hohlvene;  C7ip,  OefFnung  des  Nasengaumenganges;  sp ,  quere 
Gaumenfalten;  din,  Backzähne;  ini,  linke  Unterkieferhälfte;  mi' ,  zurückgeschlagene 
rechte  Unterkieferhälfte;  Ic,  Knorpellamelle  der  Zunge;  pf,  blattartige  Geschmacks- 
wärzchen; phi  Schlundkopf;   ep,  Epiglottis;  p,  Lungen. 

59*  - 


932  Wirbelthiere. 

hniUs,  in  das  Nervenloch  des  sechsten  Halswirbels  eindringt,  nach  vorn 
verlaufend  an  das  Rückenmark  gebende  Art.  spwaJes  abgiebt,  an  dem 
Atlas  die  dura  water  durchsetzt,  auf  der  Unterfläche  des  verlängerten 
Markes  umbiegt  und  dort  sich  mit  der  gleichnamigen  Arterie  der 
anderen  Seite  zur  Bildung  der  unpaaren  Art.  hasüaris  vereinigt,  welche 
sich  in  allen  hinteren  Abschnitten  des  Gehirnes,  namentlich  auf  der 
Varolsbrücke  und  dem  Kleinhirn  verzweigt.  Der  andere  Ast,  Art. 
cervicalis  superficialis,  dringt  nicht  ein,  sondern  verzweigt  sich  in  den 
Halsmuskeln. 

In  der  Nähe  der  Art.  cerrico -vertehralis  entspringen  aus  der  Sub- 
clavia noch  einige  Zweige  für  den  Hals  und  die  benachbarten  Thorax- 
gegenden, die  wir  hier  nur"  erwähnen,  da  ihre  Namen  hinlänglich  ihre 
Verzweigungsbezirke,  ja  sogar  den  Weg  andeuten,  welchen  sie  zu  den- 
selben einschlagen:  Art.  maxiUaris,  intercostaUs  superficialis,  cervicalis 
superficialis,  transversa  colli  etc.  Die  Zweige  dieser  einzelnen  Aeste 
anastomosiren  vielfach  mit  einander. 

Nach  Abgabe  dieser  Aeste  geht  die  Subclavia  weiter  zum  Arme 
und  tritt  in  die  Achselhöhle  ein ,  wo  sie  den  Namen  Art.  axillaris 
annimmt.  Dort  giebt  sie  Aeste  {Art.  thoracica.,  suh-scapularia,  circum- 
flexa  etc.)  an  die  Brustmuskeln,  die  Muskeln  des  Schulterblattes  und 
des  Oberarmes.  Als  Art.  Immeralis  oder  hracMalis  läuft  sie  dem  Arme 
entlang,  die  Muskeln  speisend  und  collaterale  Aeste  abgebend  bis  zum 
Ellbogen,  wo  sie  sich  in  zwei  Aeste  gabelt,  die  Art.  radialis  am  Radius, 
die  Art.  ulnaris  oder  cubitdlis  an  der  Ulna.  Erstere  versorgt  die  an 
der  Innenseite  des  Vorderarmes  gelegenen  Muskeln;  einer  ihrer  Haupt- 
äste ist  die  Art.  recurrens  radialis,  welche  sich  auf  die  Aussenseite  des 
Ellbogengelenkes  herumschlägt.  Am  Handgelenke  geht  sie  auf  die  dor- 
sale Fläche  der  Hand  über,  schickt  in  die  Tiele  Zweige  zum  Daumen 
und  Zeigefinger  und  liefert  einen  Theil  der  Palmar- Arterien  {Art. 
princeps  und  volaris).  Die  Art.  cubitalis  speist  zuerst  die  äusseren 
Muskeln  des  Vorderarmes,  {Ati.  ciibitcüis  recurrens,  interossea,  anti- 
hrachicdis),  giebt  dann  in  der  Handfläche  Zweige  an  die  äusseren  Finger 
und  biegt  endlich  gegen  die  Radial-Arterie  ein,  um  mit  dieser  im  Arcus 
volaris  zusammenzufliessen ,  von  welchem  auch  die  Zweige  ausgehen, 
welche  die  Dorsalfläche  der  Finger  speisen. 

Die  Aorta  descendens  (Fig.  373,  adt)  bildet  den  grossen  Stamm, 
welcher  die  Aeste  für  den  Thorax,  den  Bauch  und  die  hinteren  Ex- 
tremitäten liefert.  Ihr  Brusttheil  erstreckt  sich  vom  Aortenbogen  bis 
zum  Schlitze  {hiatus  aorticus)  des  Zwerchfelles,  hinter  welchem  sie  als 
Aorta  ahdominalis  bezeichnet  wird.  Sie  liegt  anfänglich  auf  der  dor- 
salen Fläche  des  Herzbeutels,  kreuzt  den  Schlund  linkerseits,  läuft  auf 
der  dorsalen  Fläche  desselben  weiter  nach  hinten ,  parallel  mit  dem 
Lymphstamme,  von  welchem  später  die  Rede  sein  wird,  und  zwar  auf 
der  linken  Seite  desselben. 


Säugethiere.  933 

Die  Aorta  ahdomin  alis  (Fig.  370,  «a)  läuft  zwischen  den  Psoas- 
muskeln  in  der  von  diesen  gebildeten  Rinne  auf  der  haemalen  Fläche 
der  Lendenwirbel  bis  zu  dem  Kreuzbein  und  wird  auf  diesem  Wege 
rechterseits  von  der  unteren  Hoblvene  (vci)  begleitet.  Sie  liefert 
Arterien  (Art.  ^parietales,  viscerales^  terminales)  an  die  Bauchwände,  dann 
an  die  Eingeweide  und  die  Hinterglieder  in  folgender  Ordnung: 

Die  Eingeweidearterie  {Art.  coeJiaca)  entspringt  unmittelbar 
hinter  dem  Zwerchfellschlitze  von  der  ventralen  Seite.  Dieser  unpaare 
Stamm  theilt  sich  in  drei  Aeste  für  die  Leber,  den  Magen  und  die  Milz. 

Die  Art.  liepatica,  läuft  rechterseits  von  der  Cardia  zur  Leber,  an 
deren  Lappen,  sowie  an  die  Gallenblase  {Art.  cystica)  sie  Zweige  giebt. 
Bevor  sie  aber  die  Leber  erreicht,  giebt  sie  rechterseits  die  Art.  coro- 
naria  stomachi  dextra  an  die  Cardia  und  die  kleine  Curvatur  des  Magens 
und  eine  Art.  gastro-duodenaUs,  die  an  den  Anfang  des  Duodenums 
Zweige  sendet  und  sich  -in  zwei  Aeste  theilt:  Ati.  gastro-epiijJoica  für 
die  grosse  Magen-Curvatur  und  Art.  pancreatico-duodenalis  siiperior  für 
das  Pancreas  und  den  benachbarten  Abschnitt  des  Duodenums. 

Die  der  rechten  weit  überlegene  Art.  coronaria  stomachi  sinistra, 
die  aus  der  jiri.  liepatica  entspringt,  verzweigt  sich  an  der  kleinen 
Curvatur,  an  der  Cardia  und  dem  unteren  Abschnitte  des  Schlundes, 
sie  anastomosirt  mit  der  gleichnamigen  rechten  Arterie. 

Nach  Abgabe  der  Art.  gastro-eptiptoica  sinistra  an  die  grosse  Magenr 
Curvatur  verästelt  sich  die  Art.  splenica  in  der  Milz  und  dem  Gekröse 
der  Umgebung. 

In  geringer  Entfernung  hinter  der  Art.  coeliaca  entspringt  die 
Art.  mesenterica  anterior.  Sie  giebt  zahlreiche  Aeste  an  den 
Dünndarm  und  den  Dickdarm,  deren  Verzweigungen  in  dem  Gekröse 
dieser  Darmabschnitte  man  leicht  verfolgen  kann.  Kurz  nach  ihrem  Ur- 
sprünge entsendet  sie  eiue  Art.  p)ancreatico-diiodencdis  inferior,  welche  mit 
der  gleichnamigen  oberen,  aus  der  Art.  gastro-duodenalis  entspringenden 
Arterie  anastomosirt  und  denselben  Verbreitungsbezirk  versorgt. 

Die  Nierenarterien  (Fig.  370,  ar)  gehen  in  fast  rechtem  Winkel 
seitlich  von  der  Aorta  ab,  die  rechte  etwa  in  ein  Centimeter  Entfernung 
von  der  linken.  Jede  Nierenarterie  läuft  direct  zum  Hilus,  um  sich  in 
der  Nierensubstanz  zu  verzweigen;  bevor  sie  aber  denselben  erreicht, 
giebt  sie  einen  Ast  an  die  Bauchwand,  welcher  einen  Zweig  zu  den 
Nebennieren  entsendet. 

Die  sechs  Paare  von  Lendenarterien  verhalten  sich  ebenso  wie 
die  Intercostal- Arterien  der  Aorta  tJioracica;  sie  verlaufen  als  kleine 
Gefässe  zwischen  den  Lendenwirbeln  und  verästeln  sich  in  den  benach- 
barten Muskeln. 

Die  Art.  sper maticae  entstehen  wie  die  Nierenarterien,  hinter 
einander,  laufen  nach  hinten,  kreuzen  den  Harnleiter,  treten  durch 
den    Leistenring    und    verzweigen    sich    in    den    Hoden    und    Neben- 


934  Wirbelthiere, 

hoden.  Beim  Weibchen  durchlaufen  sie  das  Mesometrium  und  speisen 
die  Eierstöcke  und  die  Eileiter. 

Nicht  weit  hinter  dieser  Arterie  entspringt  die  unpaare  Art.  me- 
senterica  posterior,  die  sich  in  der  Höhe  des  sechsten  Lenden- 
wirbels in  zwei  Aeste  theilt:  Art.  coli  sinistra  (die  gleichnamige  rechte 
entspringt  aus  der  Art.  mesenterica  anterior),  welche  sich  an  den  Dick- 
darm verzweigt,  und  die  Art.  haenwrrhoidcdis  interna,  welche  den  End- 
abschnitt  des  Dickdarmes   und   den  Anfang   des  Mastdarmes  versorgt. 

Die  Art.  sacralis  media,  die  man  als  die  vei-küramerte  Schwanz- 
fortsetzung der  Aorta  betrachten  kann,  entspringt  nahe  an  der  Gabelung 
derselben ,  giebt  Aeste  zum  letzten  Lendenwirbel  und  setzt  sich  als 
unpaares  Gefäss  auf  der  Ventralfläche  der  Schwanzwirbel  fort. 

Der  durch  die  Abgabe  der  oben  erwähnten  grossen  Gefässe  sehr 
verringerte  Stamm  der  Aorta  gabelt  sich  am  Kreuzbeine  in  zwei  Haupt- 
stämme,  Art.  iliacae  communes,  zwei  sehr  kurze  Stämme,  deren  jeder, 
nach  Abgabe  einer  Art.  ileo-lumharis  zu  den  Beckenmuskeln,  einer 
Art.  vesicalis  superior  zur  Blase  und  dem  Samengange  und,  beim 
Weibchen,  einer  Art.  interna  zum  Uterus  und  zur  Harnblase,  sich 
wieder  in  zwei  Stämme  gabelt,  Art.  iliaca  interna  oder  hypogastrica 
und  Art.  iliaca  externa. 

Die  Art.  iliaca  interna  verästelt  sich  an  dem  Becken  und  den 
darin  eingeschlossenen  Organen.  Ihre  Hauptäste  sind:  Art.  haemor- 
rhoidalis  media  zum  Rectum ,  der  Prostata  beim  Männchen  und  der 
Scheide  beim  Weibchen;  Art.  ohturatoria  zu  den  Muskeln  in  der  Um- 
gebung des  Foranien  oUuratorium:  Art.  ischiatica  zu  den  Steissrauskeln; 
Art.  sacralis  lateralis  an  der  Seite  des  Schwanzes  und  Art.  pudenda 
interna,  zu  den  Begattungsorganen,  Penis,  Clitoris  etc. 

Die  Art.  iliaca  externa  oder  Art.  femoralis  läuft  nach  Aussen 
und  Hinten  von  der  Innenfläche  des  Psoas,  tritt  aus  dem  Becken  an 
den  Oberschenkel  (Art.  cruralis),  giebt  aber  vorher  eine  Art.  epigastrica 
inferior  an  die  Bauchmuskeln,  und  aus  dieser  eine  Art.  spermatica 
externa,  die  beim  Männchen  an  der  Scheidenhaut  des  Hodens  und  dem 
Hodensacke,  beim  Weibchen  an  den  Schamlippen  sich  verzweigt. 

Die  Fortsetzung  der  Art.  iliaca  externa,  die  J.r^.  cruralis,  bildet 
den  Hauptstamm  für  die  hintere  Extremität;  sie  läuft  anfangs  in  der 
Furche  zwischen  den  Adductoren  und  dem  M.  vastus  internus,  durch- 
setzt den  grossen  Adductor  und  erreicht  die  Kniekehle ,  wo  sie  den 
Namen  Art.  poplitea  erhält.  Auf  dem  Wege  dorthin  giebt  sie  an  die 
benachbarten  Schenkelmuskeln  Zweige  ab:  Art.  femoralis  profunda, 
Art.  circumflexa  femoris  und  Art.  saphena.  Letztere  setzt  sich  bis  in 
den  Fuss  fort,  wo  sie  auf  die  Rückenfläche  einen  Ast  sendet,  der  sich 
dort  verästelt. 

Nach  Abgabe  einiger  Zweige  zum  Kniegelenke  (Art.  articiüares) 
theilt  sich  die  Art.  poplitea  in  einen  Ast  längs  des  Schienbeines ,  Art. 


Säugethiere.  935 

tibiäfis  anterior  und  einen  weit  kleineren  für  das  Wadenbein.  Art.' 
peronea ,  beide  verästeln  sich  an  allen  Theilen  des  Fusses ,  Tarsus, 
Metatarsus  und  Zehen. 

Venen.  Im  xlllgemeinen  verlaufen  die  Venen  neben  den  Arterien 
und  tragen  dieselben  Namen,  so  dass  wir  ihre  Anordnung  nicht  weiter 
zu  beschreiben  brauchen.  Alle  Venen  vereinigen  sich  zwar  in  den 
oberen  und  unteren  Hohlvenen,  die  in  die  rechte  Vorkammer  einmünden, 
aber  bei  dem  Kaninchen  findet  sich,  den  meisten  Säugethieren  und 
dem  Menschen  gegenüber,  die  Eigeuthümlichkeit,  dass  die  beiden  Kopf- 
Arm -Venen  sich  nicht  zu  einer  gemeinsamen  oberen  Hohlvene  ver- 
einigen, sondern  gesondert  in  die  rechte  Vorkammer  einmünden,  so 
dass  das  Blut  aus  der  vorderen  Körperhälfte  durch  zwei  Hohlvenen, 
eine  rechte  und  eine  linke,  in  das  Herz  zurückkehrt,  während  es  aus 
dem  Stamme  und  der  hinteren  Körperhälfte  sich  in  die  einzige  untere 
Hohlvene  sammelt.  Es  giebt  also  drei  grosse  Sammelstämme  des 
venösen  Blutes. 

Die  rechte  obere  Hohlvene  (Fig.  37.3,  vcd)  bildet  sich  aus 
dem  Zusammenflusse  der  äusseren  und  inneren  rechten  Jugularvene 
{vji,  vje)  und  der  rechten  Schlüsselbein vene,  so  wie  sich  die  linke 
obere  Hohlvene  aus  denselben  Zuflüssen  der  linken  Seite  bildet;  aber 
die  rechte  Vene  erhält  noch  besondere,  ihr  allein  zukommende  Zuflüsse, 
worunter  namentlich  die  Vena  azygos ,  welche  noch  innerhalb  der 
Brusthöhle,  in  der  Nähe  des  Herzens,  einmündet  und  sich  aus  Zweigen 
zusammensetzt,  welche  von  den  Lenden,  den  hinteren  Rippen  und 
Rückenwirbeln  herstammen.  —  Anderseits  erhält  die  linke  obere 
Ho  hl  vene,  die  etwas  hinter  der  vorigen  in  die  Vorkammer  einmündet, 
als  Zuflüsse  in  der  unmittelbaren  Nähe  des  Herzens  die  Kranzvene 
(Fig.  .373.  vc)  desselben  und  einige  Venen  aus  dem  Thorax,  wie  die 
obere  Zwerchfellvene  und  einige  kleine  Wirbelvenen  von  der  linken  Seite. 

Indessen  bleiben,  wie  schon  gesagt,  die  Jugular-  und  Achsel-Venen 
die  wesentlichsten  Zuflüsse  der  oberen  Hohlvenen. 

Die  äussere  Jugularvene  (Fig.  354  und  Fig.  373,  vje)  fällt 
ihrer  Dicke  und  ihres  oberflächlichen  Verlaufes  wegen  sofort  auf,  wenn 
man  die  Haut  vom  Halse  abzieht.  Sie  bildet  sich  etwas  hinter  dem 
Kehlkopfe  durch  den  Zusamraenfluss  der  vorderen  und  hinteren  Ge- 
sichtsvenen (Fig.  354  und  Fig.  373,  vf,  vf')  und  läuft  zwischen  der 
Luftröhre  und  dem  M.  sierno  -mastoideus  am  Halse  herab.  Vor  der 
Spitze  des  Brustbeines  sind  die  äusseren  Jugularvenen  der  beiden  Seiten 
durch  eine  quere  Jugularvene  mit  einander  verbunden.     (Fig.  354,  vjt.) 

Die  vordere  Gesichtsvene  (Fig.  373,  ff'),  der  grösste  Zustrom 
der  äusseren  Jugularis ,  setzt  sich  zusammen  aus  der  äusseren  (v  ni  e) 
und  inneren  (vmi)  Maxillarvene.  Erstere  sammelt  das  Blut  aus  dem 
Gesichte  (Lippen,  Wangen  etc.),  letztere  aus  den  inneren  Theilen  unter 
der  Zunge,  dem  Kinne  u.  s.  w. 


936  Wirbelthiere. 

Die  hintere  Gesichtsvene  {vf)  geht  hinter  dem  Unterkiefer- 
winkel durch  und  sammelt  namentlich  aus  den  leicht  sichtbaren  Venen 
der  Ohrmuschel  das  Blut  auf,  sowie  von  den  Schläfen  und  einer  un- 
paaren  Wirbelvene. 

Die  innere  Jugularis  (Fig.  354  und  Fig.  373,  vji)  wird  durch 
zahlreiche  Zuflüsse  von  den  venösen  Bluträumen  des  Gehirnes  gespeist; 
sie  ist  weit  enger  und  weniger  auffällig  als  die  äussere,  da  sie  an  dem 
Halse  hinter  der  Carotis  verläuft.  Sie  fliesst  erst  bei  der  Achselvene 
mit  der  äusseren  Jugularis  zusammen. 

Die  Achselvene  geht  aus  der  Vereinigung  sämmtlicher  ober- 
flächlicher und  tiefer  Venen  der  vorderen  Extremität  hervor;  sie  läuft 
neben  der  Armarterie  und  setzt  sich  in  der  Vena  subclavia  (Fig.  354 
und  Fig.  373,  vsc)  fort,  welche  ausser  dem  Blute  des  Armes  und  der 
Schulter  auch  noch  andere  oberflächliche  Zuflüsse  erhält,  wie  z.  B.  die 
V.  mammaria  externa. 

Der  grösste  Venenstamm  des  Körpers  wird  von  der  unteren 
Hohlvene  (Fig.  373,  vci)  hergestellt,  die  auf  dem  Kreuzbeine  aus 
der  Vereinigung  der  beiden  F.  iliacae  entsteht.  Sie  läuft  auf  der  dor- 
salen Seite  der  Bauchhöhle  an  der  rechten  Seite  der  Bauchaorta, 
durchsetzt  das  Zwerchfell  durch  eine  besondere  Spalte  (foramen  venae 
cavae),  läuft  in  der  Brust  rechterseits  neben  dem  Schlünde  und  ergiesst 
sich  in  die  Rückenwand  der  rechten  Vorkammer.  Sie  nimmt  die  Zu- 
flüsse aus  der  hinteren  Körperhälfte  und  den  Eingeweiden  auf.  Wir 
erwähnen  nur  die  wesentlichsten  Stämme  in  ihrer  Reihenfolge  von 
hinten  nach  vorn. 

Die  F.  iliaca  communis^  die  nur  sehr  kurz  ist  und  aus 
der  F.  iliaca  externa  und  interna  sich  zusammensetzt,  vereinigt  sich 
zur  Bildung  der  Hohlvene  mit  dem  Stamme  der  anderen  Seite  vor 
dem  Promontorium  (s.  S.  843),  in  dem  durch  das  Zusammentreffen 
des  Kreuzbeines  mit  dem  letzten  Lendenwirbel  gebildeten  stumpfen 
Winkel. 

Die  F.  iliaca  interna  nimmt  auf:  die  vom.  Rectum  und  den  be- 
nachbarten Theilen  kommende  F.  haemorrhoidalis,  die  F.  ischiatica  vom 
Becken  und  die  F.  pudenda  von  den  Geschlechtsorganen. 

In  die  F.  iliaca  externa  münden:  die  F.  ilio-lunibalis  von  den 
Lenden ,  die  F.  vesicalis  von  der  Harnblase  und  den  benachbarten 
Theilen,  Mastdarm,  Geschlechtscanälen.  Aber  ihr  Hauptzufluss  wird 
von  der  F.  cruralis  gebildet,  deren,  Zuflüsse  das  Blut  aus  der  hinteren 
Extremität  zurückführen  und  die  auf  ihrem  Laufe  die  oben  beschrie- 
benen Arterien  begleiten,  deren  Namen  sie  auch  führen. 

Nachdem  durch  diese  Zuflüsse  die  Hohlvene  gebildet  ist,  empfängt 
dieselbe  unmittelbar  auf  ihrem  Laufe  nach  vorn  die  Venen,  welche  aus 
den  Eingeweiden  und  den  Bauchwänden  kommen  und  den  gleich- 
namigen Arterien   entsprechen:    F.  spefmaticae,  renales,  suprarenales, 


Säugethiere.  937 

phrenicae  posteriores  von  der  hinteren  Fläche  des  Zwerchfelles  und 
fünf  V.  hepaticae  aus  den  verschiedenen  Leberlappen. 

Letztere  führen  der  Hohlvene  das  Blut  zu,  welches  vorher  in  dem 
Pfortadersysteme  circulirt  hat. 

Die  Pfortader  sammelt  in  der  That  das  Blut  nur  aus  dem  Darme 
und  dem  Gekröse  durch  die  F.  mesenterica  superior  und  inferior^  die 
F.  coronaria  stowachi,  V.  pyloricci;  ihr  Stamm  verläuft  in  dem  Uga- 
mentum  Jiepatico- duodenale  (Fig.  367,  thd),  geht  hinter  dem  Gallen- 
gange durch  und  theilt  sich  dann  in  zwei  Hauptäste,  einen  für  die 
rechten,  einen  für  die  linken  Leberlappen.  Diese  verästeln  sich  in  der 
Lebersubstanz,  wie  Arterien,  zu  einem  dichten  Capillarnetze,  das  die 
ganze  Leber  durchzieht  und  aus  welchem  sich  nach  und  nach  die 
erwähnten  Lebervenen  zusammensetzen,  welche  sich  in  die  Hohlvene 
ergiessen. 

Kleiner  oder  Lungenkreislauf.  Die  ihn  bildenden  Gefässe 
leiten  das  Blut  aus  der  rechten  Herzkammer  in  die  Ljingen  und  führen 
es  in  die  linke  Vorkammer  zurück. 

Die  Lungenarterie  (Fig.  372,  Fig.  373,  ap)  entspringt  am 
oberen  Rande  der  rechten  Herzkammer,  krümmt  sieb  sofort  zwischen 
dem  Bogen  der  Aorta  und  der  linken  Vorkammer  ebenfalls  in  einem 
Bogen  nach  links  und  hinten  und  theilt  sich  an  dem  Theilungswiukel 
der  Luftröhre  in  einen  rechten  und  linken  Hauptast  für  je  eine  Lunge, 
Die  Aeste  und  Zweige  dieser  Lungenarterien  folgen  den  Verästelungen 
der  Bronchen  bis  zu  den  Lungenbläschen,  in  deren  Wänden  sie  ein 
äusserst  reiches  Capillarnetz  bilden.  Aus  diesem  Netze  sammeln  sich 
die  Gefässe  zu  grösseren  Stämmen,  welche  schliesslich  in  den  Lungen- 
venen zusammenkommen.  Deren  giebt  es  zwei  für  jede  Lunge,  die 
getrennt  für  sich  auf  der  rechten  und  linken  Seite  der  Hohlvene  zum 
Herzen  laufen  und  sehr  nahe  bei  einander  in  die  linke  Vorkammer 
münden.  Zuweilen  verschmelzen  sie  mit  einander  auf  ihrem  Verlaufe 
innerhalb  des  Herzbeutels. 

Lymphgefässsystem.  Die  Gefässe  dieses  Systemes,  welche  das 
in  allen  Lücken  der  Gewebe  sämmtlicher  Organe  und  den  Capillar- 
gefässen  ausschwitzende  Plasma  des  Blutes  aufnehmen,  also  überall 
entstehen,  vereinigen  sich  in  Aeste,  welche  im  Allgemeinen  den  Venen 
folgen  und  schliesslich  in  den  grossen  Sammelcanal,  Cancüis  tlioracicus, 
münden.  Auf  ihrem  Wege  finden  sie  aber  mehr  oder  minder  ansehn- 
liche Zellenhaufen,  die  sogenannten  Lymphdrüsen,  in  welchen  die 
Lymphköi'perchen  gebildet  werden. 

Die  peripherischen  Lymphgefässe  lassen  sich  nur  schwer  darstellen. 
Ueberall  in  ihrem  Verlaufe  finden  sich  Klappen,  welche  einer  Injection 
von  den  Stämmen  aus  gegen  die  Peripherie  hindernd  in  den  Weg 
treten;  ihre  ausnehmende  Dünne  gestattet  keine  Präparation  an  dem 
fi'ischen  Thiere,  so  dass  wir  uns  auf  die  Erwähnung  der  Hauptsammei- 


938  Wirbelthiere. 

gänge  beschränken ,  die  man  durch  ihre  helle  Farbe  und  die  Zartheit 
ihrer  Wände  von  anderen  Gefässen  unterscheiden  kann.  Die  Jugular- 
stämme,  die  neben  den  gleichnamigen  Venen  verlaufen,  bringen  die 
Lymphe  vom  Kopfe  und  Halse,  der  grosse  Brustgang  sammelt  die 
Lymphe  von  den  hinteren  Körpertheilen ,  den  Elingeweiden  und  dem 
Chylus  vom  Darmsysteme. 

Der  unpaare  Brustgang  bildet  sich  in  der  Lendengegend  der 
Bauchhöhle  aus  den  seitlichen  und  hinteren  Zuflüssen  und  beginnt  mit 
einer  Erweiterung,  Oisterna  chyJi;  er  verläuft  zur  rechten  Seite  der 
Aorta  und  über  derselben  nach  vorn ,  durchsetzt  mit  ihr  das  Zwerch- 
fell und '  mündet  in  die  linke  Schlüsselbeinvene ,  F.  subclavia  sinistra, 
wo  sein  Inhalt,  Lymphe  und  Chylus,  sich  mit  dem  Blute  mischt. 
Sein  Durchmesser  wechselt  sehr  bei  den  einzelnen  Individuen ,  ist  aber 
geringer,  als  derjenige  der  Aorta.  Die  Chylusgefässe  des  Gekröses,  die 
sich  in  ihn  ergiessen ,  lassen  sich  durch  ihre  milchweisse  Farbe  un- 
mittelbar nach  Beendigung  der  Verdauung  im  Darme  leicht  erkennen. 

Die  Lymphdrüsen  sind  meist  kleine  Knötchen  von  rosenrother 
Farbe,  oft  sehr  inconstant.  Die  wesentlichsten  sind:  die  Halsknoten, 
die  oberflächlichen  liegen  unter  der  Haut  an  der  äusseren  Jugularvene, 
in  der  Gegend  des  ersten  Lufti'öhrenringes ,  die  tieferen  unter  dem 
M.  sterno-mastoideus  auf  der  Aussenseite  des  N.  vagus  und  der  Caro- 
tiden;  die  Kieferdrüsen  au  dem  Winkel  des  Unterkiefers,  nahe  an 
dem  Ansätze  des  Kaumuskels;  die  Achseldrüsen  in  der  Achselhöhle 
unter  der  Vene;  die  Bronchialdrüsen  an  dem  Thejlungswinkel  der 
Luftröhre;  die  meist  grossen  oberen  Mesenterialdrüsen  {Pan- 
creas  Äselli)  an  der  Wurzel  des  Gekröses;  die  unteren  Mesenterial- 
drüsen an  den  unteren  Gekrösarterien  im  Niveau  des  absteigenden 
Dickdarmes;  die  oberen  und  unteren  Leistendrüsen,  erstere  in  der 
Leistenfalte,  letztere  am  Anfange  des  Schenkels  u.  s.  w. 

Wir  erinnern  zum  Schlüsse,  dass  die  Milz  (Fig.  332,  x),  die  man 
meist  bei  Gelegenheit  des  Verdauungscan  als  zu  behandeln  pflegt,  mit 
diesem  ursprünglich  keine  Beziehungen  hat,  wohl  aber  sehr  innige  mit 
dem  Blutgefäss  -  und  Lymphsysteme.  Die  Milz  ist  ein  Organ  von 
dunkelrother  oder  brauner  Farbe ,  in  Gestalt  eines  platten ,  länglichen 
Kuchens,  das  an  dem  hinteren  Rande  der  grossen  Curvatur  des  Magens 
liegt  und  in  dieser  Lage  durch  eine  Mesenterial  falte,  das  Ligamentum 
gastro-splenicum^  erhalten  wird.  Sie  enthält  eine  Menge  von  Lymph- 
follikeln  {Corpuscula  Malpighii)  und  spielt  eine  bedeutende  Rolle  in 
der  Bildung  und  Zerstörung  der  Blutkörperchen. 

Die  Schilddrüse ,  die  Thj^mus  und  die  Nebennieren ,  welche  wir 
schon  abgehandelt  haben,  gehören  ebenfalls  in  die  Categorie  der 
Gefässdrüsen. 


Säugetliiere.  939 

Wir  sagten  schon  im  Anfange  dieses  Capitels,  dass  die  Säugethiere  zwar 
eine  bestimmte  Anzahl  von  Charakteren  besitzen,  welche  sie  unter  allen  Um- 
ständen als  Säugethiere  kennzeichnen ,  dass  sie  aber  zugleich  sich  an  zahl- 
reiche und  verschiedene  Existenzbedingungen  angepasst  haben,  wodurch  ihre 
vergleichende  Anatomie  äusserst  verwickelt  wird. 

Das  Tegument  zeigt  stets  dieselbe  fundamentale  Organisation  aus  zwei 
Schichten :  die  Oberhaut  mit  der  äusseren  Hornschicht  und  der  inneren 
Zellenschicht  des  Malpighi'schen  Netzes;  sodann  die  aus  Bindegewebe  ge- 
filzte Leder  haut,  die  von  Nerven,  Blut-  und  Lymphgefässen  durchzogen 
wird,  meist  glatte,  seltener  gestreifte  Muskelbündel  und  häufig  in  den  unteren 
Schichten  bedeutende  Ansammlungen  von  Fett  aufweist. 

Die  mehr  oder  minder  dicke  Epidermis  lässt  die  vielfachsten  Bildungen 
entstehen:  die  Nägel  (welche  nur  den  Cetaceen  und  den  langen  Flügelfingern 
der  Fledermäuse  abgehen),  aus  welchen  die,  zuweilen  zurückziehbaren  (Katzen) 
Krallen  und  die  Hufe  hervorgehen ,  die  Hornscheiden  der  Wiederkäuer ,  die 
Hörner  der  Nashörner,  die  Gesässschwielen  vieler  Affen,  die  Hornschuppen, 
welche  bald  nur  klein  sind,  wie  an  den  Schwänzen  mancher  Nager  (Mus, 
Castor) ,  bald  sehr  gross  werden ,  sich  ziegelartig  übereinander  lagern  und 
den  Rücken  und  die  Seiten  bedecken  (Schuppenthiere). 

Die  Malpighi'sche  Schicht  enthält  häufig  Pigmente,  welche  zur  Färbung 
der  Haut  beitragen. 

Die  Lederhaut  treibt  gegen  die  Epidermis  hin  warzenförmige  Erhöhungen, 
Papillen,  welche  bald  nur  Capillarnetze  enthalten  (Gefässpapillen),  häufig 
aber  Nerven  und  Tastkörperchen  zeigen  (Tastpapillen).  Diese  Papillen  fehlen 
oder  sind  nur  wenig  in  den  mit  Haaren  bedeckten  Hautstellen  entwickelt; 
bei  den  nackten  Säugethieren  (Walthiere)  dagegen  Averden  sie  enorm  gross. 
Der  Lederhaut  gehören  die  Knochenstücke  an,  welche  den  Panzer  der  Gürtel- 
thiere   bilden  und  theilweise  auch  die  Geweihe  vieler  Wiederkäuer  (Hirsche). 

Die  Hautdrüsen  gehören  zwar  alle  ursprünglich  der  Epidermis  an, 
dringen  aber  meist  mehr  oder  minder  tief  in  die  Lederhaut  und  über  diese 
hinaus  ein.  Ausser  den  röhrenförmigen  Schweissdrüsen,  die  nur  selten  (Mäuse, 
Maulwurf,  Wassersäugethiere)  fehlen,  und  den  lappigen  Talgdrüsen  können 
wir  den  Hautdrüsen  zuzählen:  die  Afterdrüsen,  welche  besonders  bei 
Fleischfressern,  Nagern,  Edentateu  ausgebildet  sind;  die  Präputialdrüsen 
der  Biber  und  Ratten,  welchen  auch  der  ungeheure  Drüseusack  des  Moschus- 
thieres  angehört ;  die  Hinter hauptsdrüsen  der  Kameele,  die  Wangen- 
dr üsen  der  Cerviden,  die  Schläfendrüsen  der  Elephanten,  die  Schenkel- 
drüsen der  männlichen  Monotremen ,  die  Kreuzbeindrüse  der  Pecaris, 
die  Meibom'scben  Drüsen  der  Augenlider,  die  Schmalzdrüsen  des 
äusseren  Gehörganges  und  die  von  Weber  (s.  Lit.)  bei  dem  Känguruh  und 
der  Zwerg-Antilope  beschriebenen  Drüsen,  die  ein  gefärbtes  Secret  liefern. 

Die  Milchdrüsen  gehören  ebenfalls  den  Hautdrüsen  an.  Bei  den 
Monotremen,  wo  sie  eine  äusserst  einfache  Structur  zeigen,  bilden  sie  sich 
nach  Gegenbaur  (s.  Lit.)  aus  Schweissdrüsen  hervor,  während  sie  bei  den 
übrigen  Säugethieren  weiter  entwickelte  Talgdrüsen  sind.  Zitzen  fehlen  bei 
den  Monotremen  vollständig.  Die  von  den  Drüsen  abgesonderte  Flüssigkeit 
ist  noch  keine  wahre  Milch ;  sie  ergiesst  sich  über  die  den  Drüsenöffnungen 
benachbarten  Haare,  bald  auf  der  Oberfläche  der  Haut  selbst  (Schnabelthier), 
bald  im  Grunde  einer  Tasche  (Echidna)  und  Avird  von  dem  Jungen  aufgeleckt, 
aber  nicht  gesaugt.  —  Bei  allen  übrigen  Säugethieren  finden  sich  Zitzen,  die 
bald  in  Gestalt  von  Warzen  das  ganze  Feld  besetzen,  auf  welchem  die  Drüsen- 
gänge ausmünden  (Beutelthiere ,  Primaten),  oder  auch  von  einer  Hautfalte, 
welche  das  Drüsenfeld  umgiebt,  eingeschlossen  werden,  so  dass  sich  die  Oeflf- 
nungen  auf  dem  Grunde  einer  Art  von  Trichter  öffnen  (Carnivora,  Einhufer). 


940  Wirbeltbiere. 

Die  Zahl  der  Zitzen  entspricht  meist  der  Zahl  der  Jungen  ,  welche  geworfen 
werden.  Ihre  Lagerung  vai'iirt  sehr;  auf  dem  ganzen  Bauche  der  Kaub- 
thiere,  der  Schweine  etc.  findet  man  zwei  Längsreihen  von  Zitzen  nahe  der 
Mittellinie;  bei  den  Hufthieren  und  d en  Walthieren  liegen  sie  in  den  Weichen; 
an  der  Brust  bei  den  Sirenen,  Fledermäusen  und  Primaten.  Bei  den  Halbaffen 
und  den  Fledermäusen  finden  sich  ausser  den  gut  entwickelten  Brustzitzen, 
welche  allein  functioniren  ,  häufig  noch  rudimentäre  Zitzen  am  Bauche  oder 
den  Weichen. 

Die  Haare  sind  durchaus  charakteristisch  für  die  ganze  Classe.  Zu- 
weilen ist  die  Behaarung  beim  Embryo  dichter  als  beim  Erwachsenen  und 
in  Form  eines  feinen  Wollhaares  (lanugo)  ausgebildet;  meist  sind  die  Haare 
beim  Erwachsenen  über  den  ganzen  Körper  in  regelmässiger  Anordnung  aus- 
gebreitet und  nur  selten  auf  einige  Stellen  beschränkt  (Lippen  der  Walthiere, 
Rücken  der  Rüsselthiere).  Der  Durchmesser  der  Haare,  ihre  Dicke,  wechselt 
mannigfaltig  und  sie  tragen  danach  verschiedene  Bezeichnungen:  Flaum, 
Haare,  Stichelhaare,  Borsten,  Stacheln,  die  sich  alle  auf  demselben  Individuum 
vorfinden  können.  Die  Stacheln  des  Stachelschweines  und  des  Stacheligels 
mögen  die  dicksten  sein.  Auch  ihre  Gestalt  wechselt  in  weiten  Grenzen ;  meist 
sind  sie  glatt  mit  rundem  oder  etwas  ovalem  Durchschnitt,  oder  plattgedrückt 
und  gekräuselt  (Wollhaare);  zuweilen  knotig  (Marder)  oder  geriefelt  (Fleder- 
mäuse) u.  s.  w.  Tasthaare,  wie  wir  sie  beim  Kaninchen  beschrieben  haben, 
kommen  sehr  häufig,  besonders  an  den  Lippen  vor  und  bilden  einen  Schnurr- 
bart. Ein  periodischer  Haarwechsel  (Mauserung)  kommt  bei  den  Säugethieren 
kälterer  Länder  vor  und  ist,  namentlich  in  den  Polargegenden,  mit  einem 
Wechsel  der  Färbung  verknüpft. 

Die  Phylogenie  der  Haare  ist  neuerdings  mehrfach  behandelt  worden. 
Maurer  leitet  sie  von  den  Hautsinnesorganen  der  Wasserthiere  ah.  Ihre 
Beziehungen  zu  den  Schuppen,  Zähnen  etc.  sind  jetzt  allgemein  anerkannt. 

Bevor  wir  die  Haut  verlassen,  müssen  wir  noch  die  mächtigen  Fett- 
ablagerungen erwähnen ,  welche  sich  in  dem  Unterhautzellgewebe  entwickeln 
und  theils  localisirt  sein  können  (Buckel  der  Kameele  und  Buckelochsen), 
theils  auch,  wie  bei  Wasserthieren,  eine  continuirliche  Speckschicht  bilden, 
welche  den  ganzen  Körper  einhüllt. 

Das  Skelett  ist  niemals  pneumatisch  —  an  Stelle  der  Luftcanäle  der 
Vögel  treten,  mit  einem  eigen thümlichen  Fette,  dem  Knochenmarke,  er- 
füllte Räume. 

Die  Wirbelsäule  der  Säugethiere  zeichnet  sich  durch  die  scharfe 
Trennung  der  verschiedenen  Regionen,  Hals-,  Brust-,  Lenden-,  Kreuzbein-  und 
Schwanzgegend  aus.  Nur  bei  den  Walthieren,  die  keine- Hinterglieder  be- 
sitzen ,  bildet  sich  kein  Kreuzbein  aus.  Die  Wirbelkörper  tragen  keine  Ge- 
lenkflächen; sie  sind  durch  faserknorplige  Zwischenscheiben  mit  einander 
verbunden;  die  Gelenke  werden  auf  den  Wirbelbogen  und  besonderen  Fort- 
sätzen derselben  entwickelt.  Im  Gegensatze  zu  den  Vögeln  ist  die  Zahl  der 
Halswirbel  normirt,  während  diejenige  der  S  cli  wanzwirbel  in  sehr 
weiten  Grenzen  variirt.  Mit  Ausnahme  des  Manati,  der  nur  sechs  Hals- 
wirbel besitzt,  und  einiger  Faulthiere,  die  acht  oder  selbst  neun  zeigen,  haben 
alle  anderen  Säugethiere  sieben  Halswirbel,  mag  nun  der  Hals  so  lang  wie 
der  der  Giraffe,  oder  so  kurz  wie  der  des  Walfisches  sein. 

Die  Halswirbel,  welche  sich  durch  die  sehr  geringe  Ausbildung  ihrer 
Dornfortsätze  und  Rippen-Rudimeute  im  Allgemeinen  auszeichnen,  sind  meist 
sehr  beweglich  gegen  einander,  jedoch  bei  den  Walen  und  einigen  Zahnarmen 
(Chlamydophorus)  im  Gegentheil  mit  einander  verwachsen.  Wie  bei  dem 
Kaninchen,  dreht  sich  der  erste,  der  Atlas,  um  den  Dornfortsatz  des  zweiten, 
des  Epistropheus ,    bei   den   seitlichen  Bewegungen  des  Kopfes ,    während   die 


Sängethiere.  941 

verticalen  Bewegungen,  Nicken  und  Aufrichten,  zwischen  dem  Atlas  und  den 
seitlichen  Gelenkhöckern  des  Hinterhauptes  stattfinden. 

Die  Dorufortsätze  der  Rückenwirbel  stehen  im  Verhältuiss  zum 
Gewichte  des  Kopfes  und  der  Länge  des  Halses.  Bei  den  Pferden,  Kameelen, 
Giraften,  Hirschen  u.  s.  w.  sind  sie  deshalb  ungemein  mächtig.  Alle  Rücken- 
wirbel tragen  Rippen,  die  mit  ihrem  ventralen  Ende  sich  entweder  mit  dem 
Brustbeine  verbinden  (wahre  Rippen),  oder  auch  frei  bleiben  (falsche  Rippen). 
Meist  finden  sich  zwölf  oder  dreizehn  Rückenwirbel;  einige  Fledermäuse  und 
Gürtelthiere  haben  weniger,  während  bei  anderen  die  Zahl  auf  18  (Equus), 
19  bis  20  (Nashorn,  Elephant)  oder  gar  auf  23  bis  24  (Bi'adypusj  steigen  kann. 

Die  Lendenwirbel,  welche  entweder  gar  keine  oder  nur  rudimentäre 
Rippen  entwickeln ,  die  schon  in  der  Embryonalzeit  sich  an  die  ventrale 
Fläche  der  Querfortsätze  anlegen  und  mit  diesen  verschmelzen  (Rosenbergj, 
zeigen  meist  die  Zahlen  sechs  bis  sieben;  bei  Ornitliorhynchus  und  Myrmeco- 
phagus  finden  sich  mir  zwei ,  bei  Stenops  dagegen  sogar  neun  und  mehr. 
Die  schwankenden  Zahlen  beruhen  besonders  auf  dem  Antheile,  welchen  die 
hinteren  Lendenwirbel  an  der  Bildung  des  Kreuzbeines  nehmen,  während  an 
den  vorderen  sich  dagegen  Rippen  entwickeln,  die  sie  als  Rückenwirbel  be- 
trachten lassen. 

Die  Fauhhiere  und  Gürtelthiere  besitzen  die  grösste  Zahl  von  Kreuz- 
beinwirbeln, acht  oder  neun.  Die  Zusammensetzung  des  Kreuzbeines 
variirt  indessen  sehi*.  Ursprünglich  besteht  es  nur  aus  zwei  Wirbeln,  ver- 
längert sich  aber  durch  die  Heranziehung  einer  mehr  oder  minder  grossen 
Zahl  von  Schwauzwirbeln,  die  in  den  weitesten  Grenzen  variiren.  Die 
geringste  Zahl  von  Schwanzwirbeln  findet  sich  bei  den  anthropoiden  Affen, 
wie  beim  Menschen;  die  grösste  (30  und  mehrj  bei  einigen  amerikanischen 
Affen.  Stets  zeichnen  sich  die  Schwanzwirbel  durch  die  geringe  Ausbildiing 
ihrer  Fortsätze  aus,  die  schliesslicii  ganz  verschwinden,  so  dass  am  Ende 
des  Schwanzes  nur  noch  cylindrische  Wirbelkörper  vorhanden  sind. 

Das  Skelett  des  Koi^fes  zeichnet  sich  vor  dem  der  Yögel  und  der 
meisten  Reptilien  durch  drei  voi ragende  Charaktere  aus;  die  Nackenbeuge 
zwischen  der  Wirbelsäule  und  dem  Kopfe  ist  weit  ausgebildeter;  der  Schädel 
ist  voluminöser  durch  die  bedeutendere  Entwickelung  der  Schädelwölbung 
und  drittens  ist  der  Hirnschädel  weit  inniger  mit  dem  Gesichtsschädel  ver- 
bunden. Namentlich  dieses  letztere  Verhältniss  ist  sehr  bemerkenswerth : 
der  Mandibularbogen  dient  nicht  mehr  als  Suspensorium  des  Unterkiefers, 
sondern  wird  in  seiner  oberen  Hälfte  zur  Bildung  des  Hammers  und  des  Amboss 
in  dem  mittleren  Ohre  verwendet,  während  die  obere  Hälfte  des  zweiten  Vis- 
ceralbogens ,  des  Hyoidbogen .  sich  spaltet,  um  einerseits  das  dritte  Gehör- 
knöchelchen, den  Steigbügel,  und  anderseits  den  Griffelfortsatz  des  mit  dem 
Schläfenbeine  verschmolzenen  Zitzenbeines  zu  bilden. 

Ferner  sind  die  Schädelknochen  meist  weit  fester  mit  einander  ver- 
bunden ,  als  bei  den  übrigen  Wirbelthieren.  Die  Nähte ,  in  welchen  sie 
zusammenstossen ,  bleiben  zwar  meist  zeitlebens  sichtbar,  können  aber  doch, 
wie  bei  den  Monotremen,  und  alten  Individuen  vieler  Arten,  so  mit  einander 
verschmelzen,  dass  die  ganze  Schädelkapsel  nur  aus  einem  einzigen  Stücke 
zu  bestehen  scheint. 

Die  vier  Stücke  des  Hinterhauptsbeines  verschmelzen  immer.  Jedes 
der  seitlichen  Hinterhauptsbeine  trägt  einen  Gelenkhöcker  für  den  Atlas  und 
häufig  (Artiodactyleu,  Solipeden)  noch  einen  absteigenden  Fortsatz,  apophysis 
paramastoidea. 

Die  bei  dem  Embryo  getrennten  Knochenkerne  des  Prae  - ,  Epi  -  und 
Opisthoticum  verschmelzen  stets  zu  einem  Knochen,  dem  Felsenbeine,  auf 
welches   sich  eine  Deckplatte,   das  Schuppeubeiu,    auflegt  und  meist  mit  dem 


942  Wirbelthiere. 

Felsenbeine  zu  einem  Knochen,  dem  Schläfenbeine,  verschmilzt,  dessen 
Schuppe  die  Deckplatte  bildet  und  einen  Portsatz  nach  vorn  entsendet,  welcher 
sich  mit  dem  Os  jugale  zur  Bildung  des  Jochbogens  vereinigt.  Schon  bei 
den  Cetaceen  und  Wiederkäuern  nimmt  die  Schuppe  des  Schläfenbeines  einigen 
Antheil  an  der  Bildung  der  inneren  Schädelwand^  der  bei  den  höheren  Typen 
grösser  wird  und  bei  den  Primaten  sein  Maximum  erreicht.  Mit  dem 
Schläfenbein  tritt  ausserdem  noch  der  Trommelfellring  in  Verbindung,  der 
bei  den  höheren  Säugethieren  sich  röhrenförmig  auszieht  und  den  äusseren 
Glehörgang  darstellt. 

Das  Keilbein  zeigt  im  Ganzen  wenig  Modificationen;  es  besteht  meist, 
wie  beim  Kaninchen ,  aus  seinen  zwei  Abschnitten  mit  ihren  seitlichen 
Flügeln  (alisphenoidalia).  Aehnlich  verhalten  sich  die  Deckknochen  des  Hirn- 
schädels, die  Scheitel-  und  Stirnbeine,  deren  Dimensionen  der  Grösse  des 
Gehirnes  angepasst  sind.  Bei  Wiederkäuern,  Pferden  und  anderen  verschmelzen 
die  Scheitelbeine  zu  einem  Stücke.  Das  bei  dem  Kaninchen  getrennte 
Zwischenscheitelbein  verschmilzt  meist  mit  dem  Hinterhauptsbein,  zu- 
weilen auch  (Wiederkäuer)  mit  den  Scheitelbeinen.  Die  ursprünglich  stets 
paarigen  Stirnbeine  verschmelzen  sehr  häufig  (Fledermäuse,  Elephanten, 
Primaten  etc.)  und  bilden  bei  den  Säugethieren,  welche  Hörner  oder  Geweihe 
tragen,  Knochenzapfen,  x\m  welche  sich  die  Scheiden  der  Hörner  ausbilden 
oder  auf  welchen  die  Geweihe  aufsitzen.  Zuweilen  (Elephanten)  werden  die 
zu  den  Nasenhöhlen  gehörenden  Stirnhöhlen  ganz  enorm. 

In  Folge  der  mannigfachen  Ausbildung  der  Kiefer-  und  Nasengebilde 
zeigt  der  vordere  Abschnitt  des  Schädels  zahlreiche  Variationen.  Die  Hirn- 
höhle ist  vorn  durch  die  Siebplatte  des  Ethmoideum  geschlossen,  deren 
zahlreiche  Löcher  die  Fasei-bündel  der  Riechnerven  durchtreten  lassen.  Nur 
beim  Schnabelthiere  finden  sich ,  wie  bei  den  niederen  Wirbelthieren ,  zwei 
einfache  Löcher  zum  Durchtritte  der  beiden  Riechnerven.  Meist  ist  das 
Siebbein  gänzlich  von  Unten  her  durch  die  Gaumen-  und  Kieferknochen  so 
bedeckt,  dass  es  erst  nach  Entfernung  dieser  Knochen  sichtbar  wird.  Nur 
bei  einigen  Edentaten  und  den  Primaten  existirt  das  Papierblatt  des  Sieb- 
beines ,  welches  an  der  Bildung  der  Innenwand  der  Orbita  Antheil  nimmt. 
Die  aus  der  Vereinigung  der  seitlichen  Theile  mit  dem  Körper  des  Siebbeines 
hervorgegangene  senkrechte  Platte,  unter  welcher  der  ursprünglich  doppelte 
Vom  er  liegt,  stützt  meistens  die  Zwischenwand  der  Nasenhöhlen.  Man 
homologisirt  meist  die  Seitentheile  des  Siebbeines,  welche  mehr  oder  minder 
entwickelte  Sinus  und  Muscheln  zeigen ,  mit  den  vorderen  Stirnbeinen  der 
Fische. 

Die  Thränenbeine,  welche  jederseits  dem  Siebbeine  vorliegen,  sind 
bei  den  Pinnipeden  und  einigen  Cetaceen  (Delphinus),  mit  den  benachbarten 
Knochen  verschmolzen. 

Die  Nasenbeine,  die  über  dem  Siebbeine  liegen ,  sind  ursprünglich 
stets  paarig,  verschmelzen  aber  bei  einigen  Aifen.  Ihre  Entwicklung  richtet 
sich  nach  der  Länge  der  Schnauze ;  bei  den  Cetaceen  und  Primaten  sind  sie 
nur  klein. 

Bei  den  höheren  Typen  bleiben  die  kleinen  Flügelbeine  getrennt. 
Sie  werden  aber  bei  einigen  Zahnarmen  (Dasypus)  und  Cetaceen  sehr  lang, 
nehmen  dann  einen  bedeutenden  Antheil  an  der  Bildung  des  Gaumengewölbes 
und  vereinigen  sich  sogar,  um  wie  bei  manchen  Reptilien,  die  stark  nach 
hinten  gerückten  hinteren  Nasenöffnungen  (Choanen)  zu  umfassen. 

Aber  meist  wird  das  G a u m e n g e w ö  1  b e  von  den  Gaumenbeinen 
und  ihren  Fortsätzen  gebildet ,  die  sich  seitlich  mit  den  Oberkiefern  und 
vorn  mit  den  Zwischenkiefern  verbinden  und  so  die  Nasenhöhle  von 
der   Mundhöhle    scheiden.      Die    Zwischenkiefer   werden    bei   Edentaten    und 


Säugethiere.  943 

Fledermäusen  rudimentär;  sie  verschmelzen  bei  den  Primaten  mit  den 
Oberkiefern. 

Das  Jochbein  fehlt  nur  selten  (Sorex),  meist  verbindet  es  sich  mit 
dem  Jochfortsatze  des  Schläfenbeines  zur  Bildung  des  Jochbogens ,  der  bei 
Myrmecophaga ,  Bradypus  und  anderen  unvollständig  wird,  indem  das  mit 
dem  Oberkiefer  verbundene  Jochbein  den  Fortsatz  des  Schläfenbeines  nicht 
erreicht.  Bei  den  Pferden,  Wiederkäuern  und  anderen  verbindet  sich  das 
Jochbein  ausserdem  noch  mit  dem  Stirnbeine  und  scheidet  so  die  Orbita  von 
der  Schläfengi'ube  ab. 

Der  Unterkiefer  setzt  sich  stets  aus  zwei  Deckplatten  zusammen,  welche 
sich  um  den  unteren  Abschnitt  des  ersten  Visceralbogens,  den  Meckel'schen 
Knorpel,  herum  lagern.  Die  Kiefer  bleiben  bei  den  niederen  Typen  getrennt, 
sie  verschmelzen  in  der  Symphyse  bei  den  Fledermäusen  und  den  Primaten. 
Wir  haben  oben  die  Umbildung  des  proximalen  Abschnittes  dieses  ersten 
Visceralbogens  zu  Hörknöchelchen  erwähnt.  Der  zweite  Tisceralbogen ,  der 
Hj'oidbogen ,  verbindet  sich  (mit  Ausnahme  des  kleinen  Stückchens,  welches 
sich  zum  Steigbügel  ausbildet)  am  Schädel  mit  dem  Boden  der  Gehörkapsel 
und  bildet  dort  den  Griffelfortsatz  des  Felsenbeines;  sein  distaler  Theil  ver- 
bindet sich  mit  dem  Körper  des  Zungenbeines  und  bildet  die  kleinen  Zungen- 
beinhörner.  Der  mittlere  Abschnitt  verknöchert  nur  selten,  er  bildet  das 
lAgamentum  stylo-hyoideum.  Der  Körper  des  Zungenbeines  ist  breit 
und  platt;  er  wird  durch  ein  Band  (ligamenhim  thyro-hyoideum)  an  den 
Vorderrand  des  Kehlkopfes  befestigt.  Bei  den  mit  Kehlsäcken  ausgestatteten 
Affen  zeigt  dieser  Theil  besondere  Bildungen.  Er  stellt  die  C'opula  eines 
Bogens  dar,  dessen  Seitentheile  von  den  grossen  Zungenbeinhörnern  gebildet 
werden,  und  zeigt  zahlreiche  Modificationen ,  hinsichtlich  welcher,  wie  hin- 
sichtlich der  unzähligen  Variationen  der  einzelnen  Knochen  wir  auf  die 
speciellen  Lehrbücher  der  vergleichenden  Osteologie  und  besonders  auf 
Giebel's  Werk:    Die  Säugethiere,  in  Bronn's  Thierreich  verweisen. 

Zum  Schlüsse  machen  wir  noch  auf  die  eigenthümliche  Tendenz  auf- 
merksam, welche  der  Gesichtsschädel  zeigt,  der  nach  und  nach  unter  den 
Hirnschädel  unterschlüpft,  statt  vor  demselben  zu  lagern.  Bei  den  Primaten 
zeigt  sich  dieses  Verhalten  auffallend,  und  bei  dem  Menschen  liegt  fast  der 
ganze  Gesichtsschädel  unter  und  nicht  vor  dem  Hirnschädel. 

Ein  vollständiger,  aus  den  drei  getrennten  Knochen:  Schulterblatt, 
Schlüsselbein  und  Eabenbein  gebildeter  Schulte rgürtel  findet  sich  nur 
hei  den  Monotremen.  Bei  allen  anderen  Säugethieren  verschmilzt  das,  übrigens 
aus  einem  selbständigen  Knochenkerne  entstehende  Eabenbein  mit  dem  Schulter- 
blatte, von  dem  es  dann  nur  einen,  über  dem  Schultergelenke  entwickelten 
Fortsatz,  processus  coraeoideus,  bildet.  Nur  ausnahmsweise  (Sorex)  finden  sich 
Spuren  des  sternalen  Endes  des  Eabenbeines  in  Gestalt  von  Knorpelfortsätzen 
des  Brustbeinstieles.  Das  Schlüsselbein  bildet  sich  bei  den  Säugethieren, 
deren  Vorderglieder  nur  dem  Gange  (Ungulaten,  Carnivoren)  oder  dem 
Schwimmen  (Cetaceen)  gewidmet  sind,  nicht  aus  und  wird  meistens  durch 
eine  Sehne  ersetzt.  Bei  den  fliegenden  (Fledermäuse^,  kletternden  oder 
grabenden  Säugethieren  dagegen  (Edentaten,  Nager,  Insectivoren .  Halbaften) 
entwickelt  sich  das  Schlüsselbein  in  sehr  bedeutendem  Grade.  Das  Schulter- 
blatt ist  stets  vorhanden  und  stützt  meist  allein  das  Glied;  es  verbreitert 
sich  oft  bedeutend,  entwickelt  einen,  bei  den  Monotremen  angelegten,  Kamm 
zum  Ansatz  der  Muskeln ,  der  mit  einem  mehr  oder  minder  vorspringenden 
Fortsatze  über  dem  Schultergelenke,  dem  Acromion,  endet. 

Der  Beckengürtel  ist  nur  bei  den  Cetaceen,  welche  keine  hintere 
Extremität  besitzen ,  rudimentär  und  durch  zwei  kleine .  in  den  Muskeln 
verlorene   und  nicht  mit  der  Wirbelsäule  verbundene  Knochenstückchen  ver- 


944  *  Wirbelthiere. 

treten.  Bei  allen  übrigen  Säugethieren  ist  der  ursprünglich  aus  drei  paarigen, 
getrennten  Knochen  gebildete  Beckengürtel  vorhanden.  Bei  der  Geburt  sind 
diese  Knochen  meist  noch  durch  Zonen  von  Knorpel  getrennt ,  deren  Spuren 
sich  meist  in  der  Nähe  des  Hüftgelenkes,  wo  sie  zusammenstossen,  erhalten, 
während  sonst  die  Knochen  miteinander  verschmelzen.  Das  Darmbein 
(Ilium)  heftet  sich  stets  an  das  aus  einer  variabelen  Menge  von  verschmol- 
zenen Wirbeln  gebildete  Kreuzbein  an;  nur  bei  den  Faulthieren  und  Gürtel- 
thieren  verbindet  sich  auch  das  Sitzbein  {Ischion)  mit  dem  durch  diese 
Verbindung  stark  verlängerten  Kreuzbeine.  Bei  den  Beutelthieren  und  den 
meisten  Hufthieren  vereinigen  sich  die  Sitzbeine  in  der  ventralen  Mittellinie 
durch  eine  Symphyse  {S.  ischiatica) ,  während  bei  den  übrigen  der  Schluss 
nur  durch  eine  Symphyse  der  Darmbeine  (S.  pubis)  hergestellt  wird.  Bei 
einigen  Insectivoreu  und  Fledermäusen  wii-d  die  Symphyse  durch  ein  nach- 
giebiges Band  ersetzt.  Im  Allgemeinen  erhält  der  Beckengürtel  durch  das 
Verschmelzen  der  Knochen  unter  einander  und  mit  der  Wirbelsäule  eine  weit 
grössere  Stabilität  und  Tragfähigkeit,  als  der  Schultergürtel.  Bei  den  Mono- 
tremen  und  Beutelthieren  stehen  auf  dem  Vorderrande  der  Schambeine  in 
der  Nähe  der  Symphyse  zwei  nach  vorn  gerichtete  Knochen,  die  eigeu- 
thümlichen  Beutelknochen,  die  durchaus  für  diese  beiden  Gruppen 
charakteristisch  sind  und  sonst  nirgends  vorkommen.  Sie  sind  vielleicht 
homolog  mit  den  bei  den  Amphibien  voi'kommenden  Vorknorpeln  des  Beckens 
{Cartilagines  epipubiales).  Man  vergleiche  Wieder sheim's  Anatomie  der 
Wirbelthieie. 

Die  vordere  Extremität  fehlt  nie,  ist  aber,  je  nach  ihrer  speciellen 
.Bestimmung  sehr  verschieden  gestaltet.  Bei  den  Schwimmern  (Cetaceen)  ist 
sie  sehr  kurz  und  wenig  beweglich,  da  alle  sie  bildenden  Knochen  fest  mit- 
einander verbunden  sind  ohne  Gelenke.  Die  Sirenen  besitzen  schon  ein 
Ellbogengelenk ,  und  bei  den  Pinnipeden ,  wo  die  Hand  noch  ein  plattes 
Ruder  darstellt,  wird  der  Arm  beweglich  genug,  um.  eine  Fortbewegung  auf 
dem  Boden  möglich  zu  machen. 

Bei  den  Säugethieren,  wo  das  Vorderglied  nur  zum  Stützen  und  Gehen 
benutzt  wird,  verbinden  sich  Radius  und  Ulna  in  unbeweglicher  Weise  (Artio- 
dactylen),  oder  verschmelzen  sogar  miteinander  (Einhufer).  Wenn  aber  zu 
diesen  primitiven  Functionen  weitere ,  specialisirte  hinzukommen ,  wie  das 
Ergreifen  oder  Fliegen,  so  wächst  die  gegenseitige  Beweglichkeit  der  Knochen, 
was  wir  von  den  Beutelthieren  bis  zu  den  Primaten  bestätigen  können.  Nicht 
nur  wird  dann  der  Radius  vollkommen  unabhängig  von  der  Ulna,  er  dreht 
sich  auch  um  dieselbe,  so  dass  sein  distales  Ende  einen  Kreis  beschreibt  und 
die  an  ihn  eingelenkte  Hand  jene  Bewegungen  ausführen  lässt,  die  wir  als 
Pronation  und  Supination  bezeichnen  und  die  mit  einer  Torsion  des  distalen 
Endes  des  Humerus  (Martins),  sowie  mit  einer  Abweichung  der  Axe  seines 
Kopfes  (Sabatier)  zusammenfallen,  die  besonders  bei  den  Primaten  und 
dem  Menschen  sehr  ausgesprochen  ist. 

Bei  den  Wühlern  wird  das  Oberarmbein  kurz ,  dick  und  mit  starken 
Muskell  eisten  ausgestattet;  zuweilen  (Talpa)  wird  es  sogar  kürzer  als  die 
Vorderarmknochen.  Bei  den  Springern  ist  die  vordere  Extremität  stets  weit 
kürzer  als  die  hintere.  Bei  den  Läufern  (Einhufer)  und  den  Fliegern  (Fleder- 
mäuse) verlängert   sich   der  Arm;    doch    bieten  sich  hier  manche  Differenzen. 

Die  Zahl  der  Knochen  des  Carpus  variirt  mit  derjenigen  der  Pinger; 
sie  liegen  gewöhnlich  in  zwei  Reihen  geordnet.  Bei  allen  Pentadactylen 
kann  während  der  Embryonalzeit  ein  Centrale  constatirt  werden ,  das  aber 
häufig  (Primaten)  schon  vor  der  Geburt  mit  dem  Carpo-radiale  verschmilzt, 
um  das  Scaphoideum  zu  bilden  (Leboucq,  s.  Lit.).  Die  Maximalzahl  der 
Finger  ist  fünf,  sie  können  aber  successiv  bis  auf  zwei  (der  dritte  und  vierte, 


Säugethiere.  945 

Wiederkäuer),  oder  selbst  auf  einen  (Einhufer),  reducirt  werden  durch  Atrophie 
der  ursprünglich  angelegten  seitlichen  Finger,  von  welchen  man  öfter  noch 
Rudimente  findet.  Bei  den  Artiodactylen  fehlt  stets  der  Daumen;  der  zweite 
und  fünfte  Finger  erreichen  oft  den  Boden  nicht  (Suiden);  das  Gewicht  des 
Körpers  wird  also  vom  dritten  und  vierten  Finger  getragen.  Bei  den  Perisso- 
dactylen  wiegt  stets  der  dritte,  der  Mittelfinger  vor,  und  trägt  schliesslich 
allein.  Die  Paläontologie  lehrt  uns  die  Uebergangsformen  zwischen  penta- 
dactylen  und  monodactylen  Typen  kennen.  Die  Emhrj'ologie  zeigt  uns  bei 
den  letzteren  die  Anlagen  von  fünf  Fingern,  die  sich  aber  nicht  entwickeln; 
sie  liefert  den  definitiven  Beweis,  dass  die  Eeduction  der  Finger  ein  Resultat 
der  Erwerbung  ist.  Vielleicht  waren  Hand  und  Fuss  ursprünglich  nicht 
fünf-,  sondern  siebenfingerig  (Wiedersheim). 

Die  hintere  Extremität  fehlt  nur  den  Cetaceen  und  Sirenen.  Bei 
Balaenoptera  hat  man  im  Fleische  ein  Rudiment  des  Femur,  bei  Balaena  ein 
solches  der  Tibia  vorgefunden.  Sonst  findet  sich  das  Hinterglied  allgemein, 
aber  ebenfalls  in  sehr  verschiedener  "Weise  ausgebildet.  Bei  den  Pinnipeden 
dient  es  als  Ruder ,  ist  der  Körperaxe  parallel  nach  hinten  gerichtet  und 
seine  Finger  sind  durch  eine  strafte  Memhran  mit  einander  verbunden.  Bei 
den  Springern  (Känguruh ,  Springmaus)  ist  es  im  Verhältniss  zum  Vorder- 
beine sehr  lang.  Meist  ist  der  Femur  kürzer  aber  stärker ,  als  die  Unter- 
schenkelknochen; bei  den  Perissodactjden  besitzt  er  einen  dritten  Trochanter. 
Die  Tibia  ist  stets  weit  stärker  als  das  Wadenbein;  häufig  (Nager,  Insecten- 
fresser)  sind  beide  Knochen  mit  einander  verlöthet  oder  auch  (Wiederkäuer, 
Einhufer)  wird  das  Wadenbein  rudimentär.  Dagegen  sind  bei  manchen 
Beutelthieren  die  beiden  Knochen  so  unabhängig  von  einander ,  dass  die 
Tibia  um  das  Wadenbein  gerollt  werden  kann.  Die  als  Sesambein  in  der 
äusseren  Strecksehne  des  Beines  entwickelte ,  dem  Kniegelenke  aufliegende 
Kniescheibe  ist  sehr  constant;  sie  fehlt  nur  den  Fledermäusen  und  ver- 
schmilzt bei  einigen  Beutelthieren  mit  dem  Wadenbeine. 

Der  Fuss  ist  mit  dem  Unterschenkel  durch  das  Calcaneum  und  den 
Astragalus  eingelenkt,  die  zuweilen  sehr  verlängert  sind  (Tarsius).  Die 
distale  Reihe  der  Tarsalknochen  bietet,  je  nach  der  Reduction  der  Zehen, 
manche  Schwankungen.  Die  Reductionen  der  Zehen  entsprechen  denjenigen 
der  Finger,  doch  nur  hinsichtlich  der  Art  und  Weise,  nicht  hinsichtlich  der 
Zahl,  die  verschieden  sein  kann;  so  haben  Tapj'rus,  Hyrax  vier  Finger  vorn, 
und  drei  Zehen  hinten ,  während  bei  manchen  Affen  (Colobus)  der  Daumen 
an  der  Hand  fehlt,  am  Fusse  dagegen  gut  entwickelt  ist.  Uebrigens  ist  bei 
vielen  Primaten ,  besonders  Krallenaffen  und  Plattnasen ,  der  Daumen  des 
Hinterfusses  mehr  entgegensetzbar  als  derjenige  der  Hand.  Bei  dem  Menschen 
kann  bekanntlich  nur  der  Daumen  der  Hand  den  übrigen  Fingern  entgegen- 
gesetzt werden,   während   derjenige    des  Fusses  nur  abgezogen  werden  kann. 

Wir  verweisen  hinsichtlich  der  zahllosen ,  in  speciellen  Arbeiten  dar- 
gelegten Modificationen  des  Muskelsystems  auf  das  Resume,  das  Giebel 
in  B  r  o  n  n  '  s  Thierreich  gegeben  hat,  und  erwähnen  hier  nur  die  wichtigsten 
Eigen thümlichkeiten.  Im  Allgemeinen  sind  die  Muskeln  bei  den  Säugethieren 
mehr  specialisirt  und  hesser  definirt,  als  bei  den  übrigen  Wirbelthieren ,  wie 
dies  bei  dem  Hautmuskel  der  Fall  ist,  welcher  bei  den  Arten,  die  sich 
zusammenrollen  können  (Echidna,  Dasypus,  Erinaceus) ,  ausserordentlich  ent- 
wickelt ist;  sein  vordei'er  Abschnitt  persistirt  bei  den  Primaten  auf  den 
Seiten  des  Halses  {Platysma  myoides)  und  greift  selbst  auf  das  Gesicht  über 
(Troglodytes,  Satj'rus). 

Ebenso  sind  die  mimischen  Gesichtsmuskeln,  von  welchen  man 
bei  den  niederen  Wirbelthieren  nur  Spuren  findet ,  bei  den  Primaten  und 
dem  Menschen  hoch  entwickelt:  um  die  Ohren,  den  Mund,  die  Nase,  die 
Vogt  u.  Yung,  prakt.  vergl.  Anatomie.     II.  60 


946  Wirbelthiere. 

Augen,  auf  den  Schläfen  und  der  Stirn;  sie  stammen  alle  vom  Hautmuskel 
des  Halses  ab. 

Die  beim  Kaninchen  beschriebenen  Stammmuskeln  finden  sich  mit  be- 
sonderen Anpassungen  fast  überall  wieder.  Der  gerade  Bauchmuskel  zeigt 
eine  variable  Anzahl  von  Myokommen;  die  langen  Halsmuskeln  (M.  sterno- 
hyoideus ,  sterno  -  thyreoideiis  etc.),  welche  ihn  bei  den  niederen  Wirbelthieren 
fortsetzen,  sind  hier  unabhängig  geworden. 

Bei  den  Monotremen  und  den  Beutelthieren  findet  sich  ein  grosser 
Pyramidenmuskel  auf  der  äusseren  Fläche  des  geraden  Bauchmuskels;  er 
entspringt  am  Innenrande  der  Beutelknochen  und  ist  um  so  mächtiger,  je 
grösser  der  Brutbeutel  für  die  Jungen  ist.  Bei  den  Placentalen  finden  sich 
nur  Rudimente  dieses  Muskels. 

Die  Muskeln  der  Glieder  sind  um  so  zahlreicher  und  differenzirter ,  je 
ausgebildeter  die  Functionen  sind,  während  mit  der  Vereinfachung  dieser 
letzteren ,  wie  bei  den  Walthieren ,  sich  auch  die  Muskeln  vereinfachen.  Bei 
den  Säugethieren ,  welclie  den  Radius  rollen  können ,  finden  sich  Pronatoren 
und  Supinatoren ,  die  bei  den  übrigen  nicht  vorkommen.  Erstere  entstehen 
von  den  Beugern,  letztere  von  den  Streckern  der  Hand. 

Bei  allen  Säugethieren  zeigt  das  Gehirn  eine  bedeutende  Entwicklung 
der  vom  Prosencephalon  ausgehenden  Hemisphären ,  welche  stets  das  ganze 
Mittelhirn  und  wenigstens  noch  einen  Theil  des  Kleinhirnes  überdecken.  Die 
Knielappen  liegen  stets  an  der  IJnterfläche  der  Hemisphären.  Durch  diese 
Charaktere  unterscheidet  sich  das  Gehirn  der  Säugethiere  wesentlich  von  dem 
aller  anderen  Wirbel thiere.  Doch  muss  bemerkt  werden,  dass  von  den  Mono- 
tremen bis  zum  Menschen  sich  eine  aufsteigende  Vervollkommnung  nach- 
weisen lässt,  deren  Stufen  bei  den  verschiedenen  Ordnungen  ausgebildet  sind. 
Das  Hirn  der  Monotremen  ist  demjenigen  der  Vögel  näher  verwandt,  als 
demjenigen  der  Primaten. 

Die  allmähliche  Vervollkommnung  zeigt  sich  besonders  deutlich  in  dem 
Systeme  der  Commissureu  ,  welche  das  Corpus  callosum  bilden  und  in  der 
Zunahme  der  grauen  Substanz  der  Hirnrinde,  welche  die  unter  dem  Namen 
der  Hirnwindungen  bekannten  Palten  in  Folge  ihrer  Ausdehnung  wii'ft. 
Das  Corpus  callosum  ist  bei  den  Monotremen  und  den  Beutelthieren  noch 
rudimentär,  wie  in  dem  Vogelhirn;  es  bildet  sich  stufenweise  bei  den  Zahn- 
armen ,  Nagern  und  Insectivoren  aus ,  um  schliesslich  bei  den  Raubthieren 
und  besonders  den  Primaten  den  Höhepunkt  seiner  Entwicklung  zu  erreichen. 
Die  Monotremen,  Beutelthiere  und  Zahnarmen  haben  noch  ein  glattes  Gehirn; 
wenig  zahlreiche  und  symmetrische  Windungen  treten  bei  den  Nagern,  Insecti- 
voren und  Fledermäusen  auf;  bei  den  Halbaffen  sind  sie  noch  selten ,  ver- 
mehren sich  aber  bedeutend  bei  den  Raubthieren,  Walthieren,  Flossenfüssern, 
Primaten  und  Rüsselthieren.  Ihre  Anordnung  unterliegt  gewissen  Gesetzen 
und  ihr  Studium  bildet  einen  bedeutenden  Vorwurf  der  vergleichenden  Ana- 
tomie des  Gehirnes  (s.  Wieder sheim,  Lehrbuch).  Wenn  aber  auch  bei 
den  einzelnen  Gruppen  sich  bestimmte  charakteristische  Anordnungen  zeigen, 
so  dai-f  doch  nicht  vergessen  werden,  dass  die  Ausbildung  der  Furchen  und 
Windungen  auch  wesentlich  von  der  Grösse  der  Thiere  abhängt ,  so  dass 
man  sagen  kann:  je  grösser  das  Thier,  desto  windungsreicher  sein  Hirn. 

Das  Mittelhirn  ist  regelmässig  durch  eine,  nur  bei  den  Monotremen 
wenig  ausgebildete  Kreuzfurche  in  die  Vierhügel  getheilt.  Die  Zirbel- 
drüse, welche  bei  den  erwachsenen  Thieren  nur  aus  Epithelialgebilden 
besteht,  ist  regelmässig  durch  stielartige  Verlängerungen  an  das  Zwischen- 
hirn geheftet,  dem  sie  angehört.  Dieses  zerfällt  in  zwei  Massen,  die  Sehhügel, 
welche  den  dritten  Ventrikel  umgeben  und  sich  nach  hinten  und  unten  verlängern, 
um   den  Hirntrichter  zu   bilden,  an  welchen  sich  die  Hypophyse  anlegt. 


Säugethiere.  947 

Das  Kleinhirn  zeigt  immer  drei  Lappen,  den  mittleren  "Wurm  und 
die  beiden  seitlichen  Kleinhirnhemisphären,  die  hei  den  höheren  Typen  an 
Grösse  zunehmen.  Der  Wurm  ist  noch  verhältnissmässig  bedeutend  und  die 
Hemisphären  klein  bei  den  Mouoti-emen,  Beutelthieren,  Zahnarmen  und  Fleder- 
mäusen; die  Hemisphären  werden  bei  den  Fleischfressern  grösser  und  erreichen 
den  Höhepunkt  ihrer  Entwicklung  bei  den  Primaten.  Die  auf  der  unteren  Fläche 
entwickelte  Quercommissur ,  welche  sie  vereinigt,  die  Varolshrücke, 
bildet  sich  im  Verhältniss  zu  den  Hemisphären  aus ;  sie  ist  sehr  schmal  bei 
den  Monotremen ,  am  mächtigsten  bei  den  Primaten.  Die  Windungen  des 
Kleinhirns ,  welche  den  sogenannten  Lebensbaum  bilden ,  zeigen  bei  den 
Wiederkäuern,  wo  sie,  wie  bei  manchen  anderen  Hufthiereu,  asymmetrisch 
sind,  eigenthümliche  Anordnungen. 

Die  senkrechten  und  horizontalen  Falten  der  festen  Hirnhaut,  welche 
als  H  i  r  n  s  i  c  h  e  1  die  beiden  grossen  Hemisphären  und  als  H  i  r  n  z  e  1 1  die 
Hemisphären  des  Grosshirnes  von  dem  Kleinhirne  trennen ,  sind  den  Säuge- 
thieren  eigenthümlich.     Das  Hirnzelt  verknöchert  zuweilen  (Delpbinus). 

Das  verlängerte  Mark  variirt  wenig;  seine  Seitenstränge,  die  Oliven 
und  die  Netzkörper,  sind  bei  den  höheren  Typen  am  besten  entwickelt. 

Das  Rückenmark,  welches  nur  selten  bis  zum  Ende  des  Eücken- 
canales  reicht  und  bei  Insectenfressern  und  Fledermäusen  ganz  besonders 
kurz  ist,  bildet  fast  immer  am  Ende  eine  C'auda  eqxdna,  welche  die  Nerven 
der  hinteren  Extremitäten  begreift,  die  noch  eine  Strecke  weit  im  Eücken- 
canal  verlaufen.  Die  Anschwellungen  des  Eückenmarkes  entsprechen  der 
Entwicklung  der  Extremitäten;  bei  den  Cetaceen  fehlt  demnach  die  Lenden- 
anschwellung. Ebenso  verhalten  sich  die  von  den  Extremitätennerven  ge- 
bildeten Plexus  hinsichtlich  der  Zahl  der  an  ihnen  Antheil  nehmenden 
Nervenstämme. 

Die  zwölf  Paare  der  Hirnnerven  sind  meist  vorhanden.  Nur  bei 
den  Monotremen  vereinigen  sich  die  Bündel  des  Riechnerven  zu  einem 
gemeinsamen  Stamme;  bei  allen  anderen  treten  die  Bündel  gesondert  durch 
die  Löcher  des  Siebbeines  in  die  Nasenhöhle.  Der  Facialis  ist  ausschliesslich 
motorisch,  er  versorgt  die  mimischen  Muskeln  des  Gesichtes.  Der  Hypo- 
glossus  wird  besonders  bei  denjenigen  Säugethieren  sehr  mächtig,  deren 
Zungenmusculatur  für  andere  Functionen  (Greiforgan)  ausgebildet  ist.  Trige- 
minus  und  Vagus  zeigen  keine  bedeutenden  Variationen. 

Ebenso  zeigt  das  sympathische  Nervensystem  hinsichtlich  seiner 
Ganglien  und  Geflechte,  sowie  seiner  Verbindungen  mit  dem  Trigeminus  und 
Vagus  dieselbe  fundamentale'  Anordnung  überall. 

Die  Organe  der  fünf  Sinne  sind  überall  ausgebildet.  Der  Tastsinn 
zeigt  oft  grosse  Feinheit  und  localisirt  sich  vorzugsweise  an  den  haarlosen 
Hautstellen  (Schnauze ,  Handteller)  oder  an  den  mit  Tasthaaren  besetzten 
Gegenden  (Obei-lippe). 

Die  Flügelhaut  der  Fledermäuse,  der  Eüssel  des  Maulwurfes,  des  Ele- 
phanten,  des  Tapirs  zeichnen  sich  durch  ein  ausserordentlich  feines  Tast- 
gefühl aus.  Bei  den  Fledermäusen  haben  die  Tastkörperchen  die  Gestalt 
einer  Keule  (Vater'sche  oder  Pacini'sche  Körperchen),  ähnlich  denjenigen, 
welche  sich  im  Gekröse  und  dem  Pankreas  einiger  ßaubthiere  (Katzen)  finden. 

Die  Endknospen,  welche  als  Geschmacksorgane  fungiren  und  in  den 
am  Eingange  des  Verdauungsorganes  entwickelten  Papillen  sich  finden ,  die 
auf  der  Zunge  und  anderen  Theilen  der  Eachenschleinahaut  stehen ,  variiren 
nur  hinsichtlich  ihrer  Zahl,  kaum  in  Beziehung  auf  ihren  Bau. 

Die  Endapparate  der  Geruchsnerven  finden  sich  stets  im  Hinter- 
grunde des  oberen  Abschnittes  der  Nasenhöhlen ,  auf  den  oberen  und  mitt- 
leren Nasenmuscheln  und  dem  oberen  Theile  der  Scheidewand.    In  Folge  der 

60* 


948  Wirbelthiere. 

verwickelten  Bildung  des  Nasenlabyrintlies,  sowie  des  Zusammenhanges  mit 
den  Nebenhöhlen  im  Stirnbein,  Keilbein  und  dem  Oberkiefer,  wo  sich  eben- 
falls Endapparate  finden  können,  bietet  die  Eiechgegend  bei  den  Säugethieren 
eine  weit  grössere  Oberfläche ,  als  bei  allen  übrigen  Wirbelthieren.  Am 
wenigsten  sind  in  dieser  Hinsicht  die  Monotremen  und  Cetaceen  bedacht. 
Bei  den  Cetaceen  ist  der  Eiechapparat  durchaus  verkümmert  und  geschwunden ; 
die  zuführenden  Nasenhöhlen  sind  Spritzrohre  geworden,  welche  sogar 
bei  einigen  (Delphinus)  nur  eine  einzige  äussere  Oeffhung  zeigen.  Bei  den 
Flossenfüssern  und  einigen  anderen  Wasserthiereu  können  die  Nasen  Öffnungen 
beim  Tauchen  durch  Klappen  geschlossen  werden  (Zuckerkandl,  s.  Lit.). 
Die  Knorpelstücke,  welche  die  Nasenhöhlen  umgeben  und  an  welche  die 
äusseren  Nasenmuskeln  sich  ansetzen,  verlängern  sich  bei  den  Eüsselthieren 
zu  einem  zugleich  als  Tast-  und  Greiforgan  dienenden  Eüssel;  kürzere 
Verlängerungen  der  Art ,  die  besonders  zum  Wühlen  dienen ,  finden  sich  bei 
Tapirus,  Sus  etc.  und  werden  bei  unterirdischen  "Wühlern  (Maulwürfen)  oft 
durch  besondere  Knorpel  gestützt. 

Das  Jacobson'sche  Organ  ist  bei  den  niederen  Typen  besser  ent- 
wickelt, als  bei  den  höheren.  Es  besteht  aus  zwei,  in  der  Basis  der  Nasen- 
scheidewand liegenden ,  von  Knorpel  umgebenen  Bohren ,  welche  durch  die 
Schneidecanäle  des  Zwischenkiefers  vorn  in  die  Mundhöhle  münden. 

Die  Gestalt  der  Augen  variirt  je  nach  dem  Wohnorte.  Bei  den 
Wasserthiereu  ist  die  horizontale  Axe  verkürzt,  die  Hornhaut  weniger  gewölbt, 
als  bei  den  Landthieren;  doch  ist  bei  den  Wiederkäuern  der  Breitendurch- 
messer etwas  grösser,  während  bei  den  Fledermäusen  das  Gegentheil  der 
Fall  ist.  Meist  hat  der  Augapfel  eine  der  Kugel  genäherte  Gestalt.  Seine 
Grössenverhältnisse  variiren  sehr;  bei  den  unterirdischen  Wühlern  (Talpa) 
werden  die  Augen  sehr  klein  und  können  selbst  ganz  unter  der  Haut  ver- 
borgen sein  (Spalax  ,  Chrysochloris).  Meist  liegen  sie ,  wie  beim  Kaninchen, 
mehr  seitlich  am  Kopfe,  rücken  aber,  besonders  bei  den  Primaten,  mehr  und 
mehr  auf  die  Vorderfläche. 

Unter  den  bemerkenswerthen  Eigenthümlichkeiten  des  Baues  der 
Augen  erwähnen  wir  bei  den  Cetaceen  die  ausserordentliche  Dicke  der  Scle- 
rotica,  die  übrigens  niemals  einen  Knochenring  zeigt,  wie  bei  den  Vögeln. 
Die  Augen  der  Eaubthiere,  Wiederkäuer,  Einhufer  etc.  leuchten  im  Dunkeln 
in  Folge  der  Ausbildung  einer,  Interferenzerscheinungen  bedingenden  Stelle 
in  der  Choroidea ,  welche  das  Tapetum  genannt  wird.  Die  Farbe  der  Iris 
variirt.  Meist  ist  die  Pupille  rund;  horizontal  -  oval  ist  sie  im  Allgemeinen 
bei  Thieren  der  Ebene  (Hufthiere ,  einige  Beutelthiere) ,  senkrecht -oval  bei 
Kletterthiereu  (Katzen).  Die  Kr3stalllinse  ist  kugelrund  bei  den  Wasser- 
thiereu ;  bei  den  anderen  ist  ihre  Vorderfläche  stärker  gewölbt  als  die  Hinter- 
fläche. Die  Eetina  zeigt  stets  dieselben  Formelemente  wie  beim  Kaninchen, 
ohne  bedeutende  Variationen. 

Die  beiden  senkrechten,  mit  Wimpern  ausgestatteten  Augenlider 
fehlen  nie.  Die  Nickhaut  ist  bei  den  Cetaceen  nicht  ausgebildet  und  bei 
den  Primaten  auf  die  halbmondförmige  Falte  im  inneren  Augenwinkel  reducirt. 
Bei  den  Aplacentariern  ist  sie  noch  verhältnissmässig  gross,  hat  aber  keine 
besonderen  Muskeln ,  die  man  übrigens  unter  den  Piacentariern  noch  beim 
Elephanten  nachgewiesen  hat. 

Die  T  h  r  ä  n  e  n  d  r  ü  s  e  n  fehlen  ganz  bei  den  Cetaceen  und  Elephanten 
und  sind  sehr  verkümmert  bei  anderen  Wassei'bewohnern  (Phoca,  Lutra, 
Hippopotamus).  Bei  den  Elephanten  scheinen  sie  durch  die  verhältnissmässig 
sehr  grosse  Harder'sche  Drüse  ersetzt,  welche  übrigens  in  gleichem 
Maasse  abnimmt,  Avie  die  Nickhaut,  und  bei  den  Primaten  vollständig  ver- 
kümmert. 


Säugethiere.  949 

Die  äussere  Ohrmuschel  fehlt  den  Monotremen ,  Cetaceen ,  Sireuen 
und  Seehunden ,  bei  welchen  der  äussere  Gehörgang  sehr  kurz  ist  und  das 
Trommelfell  nahe  an  der  Oberfläche  liegt.  Uebrigens  ist  die  Ohrmuschel 
sehr  verschieden  ausgebildet.  Sehr  klein  bei  den  Otarieu  und  den  Wühl- 
thieren,  wird  sie  bei  Einhufern,  Elephanten  und  vielen  anderen,  wie  Eaub- 
thieren,  Nagern  und  Wiederkäuern  sehr  gross  und  bietet  besondere  Eigen- 
thümlichkeiten  bei  manchen  Nachtthieren  (Fledermäuse,  Halbaffen).  Der  oft 
sehr  entwickelte  Muskelapparat  der  Ohrmuschel  verkümmert  bei  den  Primaten, 
kann  aber  selbst  noch  bei  dem  Menschen  in  einzelnen  Fällen  fanctionsfähig 
bleiben. 

Das  mittlere  Ohr  besitzt  stets  die  Kette  der  Gehörknöchelchen,  die 
bei  den  Monotremen  noch  sehr  an  die  Columella  der  Eeptilien  erinnert. 
Doch  tritt  der  Steigbügel  niemals  direct,  sondern  nur  durch  Vermittlung 
des  Hammers  und  Amboss  mit  dem  Trommelfelle  in  Verbindung;  bei  den 
Wiederkäuern  und  Einhufern  lüthet  er  sich  an  den  Eand  des  ovalen  Fensters 
an.  Die  Paukenhöhle  ist  sehr  geräumig  bei  den  Cetaceen;  sie  mündet  stets 
durch  die  Eustachi'  sehe  Eöhre  in  den  Pharj'nx ,  zuweilen  auch  in  die 
Nasenhöhle  (Cetaceen).     Bei  den  Einhufern  ift  diese  Eöhre  sehr  weit. 

Der  wesentliche  Charakter  des  inneren  Ohres  beruht  auf  der 
UmAvandlung  der  Lagena  in  eine  spiralförmig  aufgewundene  Eöhre ,  die 
Schnecke,  die  bei  den  Monotremen  noch  sehr  unscheinbar  ist.  Sie  bildet 
von  anderthalb  (Cetaceen ,  Igel)  bis  zu  fünf  Windungen  (Coelogenys).  Die 
Zweige  des  Astes  des  Hörnerven,  welcher  diese  Verlängeftmg  des  Sacculiis 
durchläuft,  enden  in  eigenthümlichen  Bildungen,  in  sogenannten  Corti'schen 
Organen.  Die  Gestalt  des  Sacculus  variirt  in  ziemlich  weiten  Grenzen; 
weniger  diejenige  der  halbkreisförmigen  Canäle ,  welche  bei  den  Cetaceen 
sehr  klein ,  bei  den  Nagern  dagegen  sehr  gross  sind.  Ueber  die  Einzelheiten 
vergleiche  man  das  Werk  von  Eetzius,  und  über  die  Kreislaufsverhältnisse 
in  der  Schnecke  des  Kaninchens  Schwalbe  (s.  Lit.). 

Das  Verdauungssystem  bietet  mannigfache  Modificationen.  '  Bei 
den  Wurmzünglern  ist  die  Mundhöhle  sehr  eng ,  bei  manchen  Cetaceen 
(Balaena,  Physeter)  ungeheuer  weit  und  geräumig.  Mit  Ausnahme  der  Mono- 
tremen und  Cetaceen,  wo  die  Kieferränder  zugleich  die  Mundränder  bilden, 
finden  sich  bei  allen  übrigen  Säugethieren  bewegliche ,  mit  3Iuskeln  ausge- 
stattete Hautfalten,  die  Lippen,  die  eine  Art  Vorhof  umschliessen  und 
zuweilen  selbst  (Wiederkäuer)  zum  Ergreifen  der  Nahrungsmittel  dienen  können. 
Seitliche  Erweiterungen  und  Einstülpungen  der  Lippen  lassen  die  bei  vielen 
Nagern  und  Primaten  entwickelten  Backentaschen  entstehen,  die  zu- 
weilen (Hamster)  eine  solche  Grösse  erlangen ,  dass  sie  sich  unter  der  Haut 
der  Brust  und  des  Bauches  weit  nach  hinten  erstrecken. 

Die  in  der  Mundschleimhaut  entstehenden  Zahne  sind  stets  auf  dem 
freien  Kieferrande  in  Alveolen  eingepflanzt,  was  wir  bis  jetzt  nur  bei  den 
Krokodilen  gesehen  haben.  Mit  Ausnahme  von  Delphinus,  wo  alle  Zähne 
gleiche  Gestalt  haben,  zeigen  sich  verschiedene,  speciellen  Functionen  ange- 
passte  Formen  (heterodonte  Bezahnung).  Sie  fehlen  nur  bei  den  Ameisen- 
fressern (Echidna,  Manis,  Myrmecophaga).  Beim  Schnabelthiere ,  wo  die 
erwachsenen  Thiere  nur  Hornplatten  epithelialer  Natur  besitzen,  und  bei  den 
Walfischen ,  wo  Fischbeinplatten  vorkommen ,  hat  man  bei  den  Embryonen 
Anlagen  echter  Zähne  entdeckt,  die  sich  nicht  ausbilden.  Als  Monophyo- 
donten  bezeichnet  man  die  Säugethiere,  bei  welchen  die  erste  Bezalmung 
definitiv  für  das  ganze  Leben  hergestellt  wird  (Cetaceen,  Edentaten),  währejid 
man  die  übrigen,  wo  ein  Milchgebiss  existirt ,  das  in  einer  gewissen 
Periode  der  Jugend  durch  ein  anderes,  definitives  Gebiss  ersetzt  wird,  Diphyo- 
donten    genannt   hat.     Mit   geringen  Ausnahmen  (Schneide-    oder    Stosszähne 


950  Wirbelthiere, 

der  Elephanten ,  Schneidezähne  der  Nager)  sind  es  die  vorderen  Zähne, 
welche  ersetzt  werden.  Die  eigentlichen  Mahlzähne ,  welche  hinten  in  den 
Kiefern  stehen ,  gehören  erst  dem  zweiten ,  definitiven  Gebisse  an.  Bei  den 
Beutelthieren  wird  meist  nur  ein  Zahn  in  jeder  Kieferhälfte  ersetzt  und  bei 
den  Fledermäusen  vollzieht  sich  die  Abstossung  des  Milchgebisses  und  der 
Ersatz  durch  das  definitive  Gebiss  noch  vor  der  Geburt. 

Sobald  die  Zähne  ihre  vollständige  Entwicklung  erreicht  liaben ,  ver- 
engert sich  ihre  anfänglich  weite  Innenhöhle  und  verAvandelt  sich  an  der 
Wurzel  in  einen  eugen  Canal,  durch  welchen  Gefässe  und  Nerven  zur  Zahn- 
pulpa  treten.  Die  Zähne  wachsen  dann  nicht  mehr.  Die  Schneidezähne, 
zuweilen  auch  die  Backzähne  der  Nager,  machen  eine  Ausnahme  von  dieser 
Regel;  sie  wachsen  beständig  fort  und  ersetzen  so  die  Abnutzung  ihrer 
freien  Krone.  Während  der  Schmelz ,  der  nur  selten  fehlt  (Stosszähne  der 
Elephanten),  die  Zahnkronen  gewöhnlich  von  allen  Seiten  umgiebt,  entwickelt 
er  sich  an  den  Schneidezähnen  der  Nager  nur  auf  der  äusseren  Fläche. 

Die  meist  meisselartigen  Schneidezähne  fehlen  in  beiden  Kiefern 
der  Zahnarmen  [Dasypus  scxcinctiis  ausgenommen)  und  im  Oberkiefer  der 
Wiederkäuer.  Bei  dem  Narwal  (Monodon)  verkümmert  der  Schneidezahn 
der  einen  Seite,  während  der  andere  sich  zu  einem  langen  und  spitzen, 
spiralig  gewundenen  Stosszahn  ausbildet;  bei  dem  Dugong  (Halicore)  werden 
die  starken  oberen  Schneidezähne  zu  Hauern,  die  abwärts  gerichtet  sind, 
während  die  homologen  Stosszähne  der  Elephanten  sich  nach  oben  krümmen. 

Die  Eckzähne  fehlen  den  Nagern ,  Elephanten ,  den  meisten  Wieder- 
käuern und  Edentaten ;  sie  bleiben  rudimentär  bei  den  weiblichen  Einhufern, 
wie  sie  denn  überhaupt  bei  dem  männlichen  Geschlechte  meist  stärker  aus- 
gebildet sind.  Bei  den  Raubthieren  und  grossen  Affen  werden  sie  gefährliche, 
hakenförmig  gekrümmte  und  schneidende  Waffen. 

Die  Backzähne  zeigen  die  meisten  Variationen,  sowohl  in  Hinsicht 
der  Form  ihrer  Kronen  als  auch  der  Zahl  ihrer  Wurzeln.  Faltungen  der 
Zahn'sabstanz  bilden  verwickelte  Formen ,  welche  bei  den  Elephanten  die 
höchste  Ausbildung  erreichen;  sie  zeigen  Furchen,  Höcker  etc. 

Hinsichtlich  der  Zahl  der  Zähne  dieser  verschiedenen  Kategorien  ver- 
weisen wir  auf  die  zoologischen  Handbücher;  die  Zahl  und  Anordnung, 
welche  man  durch  eine  Zahnformel  ausdrückt,  spielen  eine  wesentliche 
Rolle  in  der  Classification.  In  den  entsprechenden  Kieferhälften  sind  Zahl, 
Form  und  Anordnung  durchaus  symmetrisch;  dagegen  kann  die  Bezahnuug 
des  Unterkiefers  von  derjenigen  des  Oberkiefers  sehr  verschieden  sein.  Im 
Allgemeinen  kann  man  sagen ,  dass  die  fortschreitende  Entwicklung  eines 
Typus  durch  die  zunehmende  Reduction  der  Zahl  der  Zähne  documentirt 
wii'd.  (Man  vergleiche  die  Arbeiten  von  Owen,  Blainville,  F.  Cuvier, 
Tomes,  He n sei,  Pulton  u.  A.) 

Die  von  dem  Zungenbeine  gestützte  und  mit  eigenen  Muskeln  ver- 
sehene Zunge  variirt  sehr  je  nach  den  ihr  zukommenden  Functionen  und 
ihrer  Theilnahme  an  dem  Ergreifen  der  Nahrung.  Meist  abgeplattet  und 
beAveglich,  wird  sie  bei  den  Cetaceen  unbeweglich  an  den  Boden  der  Mund- 
höhle angeheftet,  während  sie  bei  manchen  Wiederkäuern  (Giraffe)  ein 
äusserst  bewegliches  Greiforgau  und  endlicli  bei  den  Wurmzünglern  (Echidna, 
Myrmecophaga)  rund,  lang,  wurmförmig  und  selbst  erectil  wird.  Die 
Spitze  ist  meist  abgerundet;  die  Basis  auf  der  dorsalen  Fläche  bei  Nagern 
und  Wiederkäuern  Avulstig  verdickt  und  erhaben.  Bei  Halbaffen  und  Fleder- 
mäusen zeigt  sich  auf  der  Unterfläche  eine  einfache  oder  gespaltene  Unter- 
zunge. Die  ohere  Fläche  ist  mit  Papillen  besetzt,  die  meist  bi-eit  und 
glatt ,  zuweilen  aber  auch  kegelförmig  und  spitz  werden ,  so  verhornen ,  dass 
die    Zunge    einer   Raspel   gleicht ,    deren    Sägezähnchen    ebenfalls   verhornten 


Säugethiere.  951 

Querfalten  des  Gaumens  entsprechen  (Katzen ,  Wiederkäuer).  Ein  einfacher 
oder  doppelter  Vorsprung  bildet  bei  einigen  Insectivoren  eine  sogenannte 
Nebenzunge.  Die  Gaumenwölbung  communicirt  vorn  mit  den  Nasenhöhlen 
durch  den  Gaumen-Nasengang  (Stenon' scher  Gang),  der  bei  Suiden  und 
"Wiederkäuern  voll  ausgebildet  ist,  bei  den  höheren  Typen  und  dem  Menschen 
dagegen   rudimentär  wird   und  fast  spurlos  verschwindet  (Leboucq,   s.  Lit.). 

Die  Speicheldrüsen  fehlen  den  Cetaceen,  sind  rudimentär  bei  den 
Flossenfüssern ,  dagegen  sehr  entwickelt  bei  den  Gras  -  und  Blattfressern 
(Wiederkäuer,  Edentaten).  Bei  Ecliidna  stehen  die  weit  hinten  am  Halse 
liegenden,  sehr  grossen  Parotiden  mit  der  Mundhöhle  durch  einen  sehr  langen 
und  weiten  Gang  in  Verbindung;  die  Unterkieferdrüsen  sind  hier  ebenfalls 
sehr  voluminös. 

Der  Schlund  köpf  ist  meist  geräumig,  der  Schlund,  je  nach  der 
Länge  des  Halses ,  mehr  oder  minder  gestreckt  und  innen  längsgefaltet ,  der 
Magen,  je  nach  der  Ernährungsweise  ausserordentlich  vielgestaltig.  Seine 
Bildung  ist  einfach  bei  den  Fleischfressei-n ,  complicirter  bei  den  Pflanzen- 
fressern. Seine  Gestalt  ist  im  Allgemeinen  die  eines  Dudelsackes  mit  quer 
gerichteter  grosser  Axe  (längsgerichtet  bei  Phoca),  an  dem  man  zwei  Ab- 
schnitte unterscheiden  kann,  die  oft  sehr  erweiterte  Cardialhälfte  und  die 
engere  Pylorushälfte.  Diese  schon  bei  den  Eaubthieren  deutliche  Schei- 
dung spricht  sich  noch  mehr  bei  den  Nagern,  Zahnarmen  und  Aplacentariern 
aus ,  wo  dev  Magen  häufig  durch  eine  tiefe  Einbuchtung  der  grossen  Cur- 
vatur  in  zwei  getrennte  Kammern  geschieden  wird.  Die  Vergrösserung  der 
Cardialkammer  und  ihre  Theilung  in  zwei  oder  mehrere  Abschnitte  führt 
dann  zur  Bildung  eines  zusammengesetzten  Magens,  wie  man  ihn  im 
höchsten  Grade  der  Ausbildung  bei  den  Wiederkäuern  findet.  Die  Bildung 
wird  durch  die  Cetaceen  eingeleitet,  wo  viele  drei  Mägen  besitzen;  der  vor- 
derste ist  einfach  eine  Erweiterung  des  unteren  Endes  der  Speiseröhre ,  der 
zweite  entspricht  der  Cardialkammer  der  Nager,  der  dritte  der  Pjlorushälfte. 
Letztere  aber  bildet  häufig  Blindsäcke  und  Erweiterungen ,  so  dass  manche 
Forscher  bis  zu  sieben  Mägen  gezählt  haben.  Bei  den  Wiederkäuern  zählt 
man  meist  vier  Mägen,  die,  von  der  Cardia  angefangen,  heissen:  Pansen 
(ßumen) ,  Netzmagen  (Eeticulum) ,  Blättermagen  (Omasus) ,  Labmagen  (Ab- 
omasus).  Der  Blättermagen  fehlt  den  Tylopoden  und  den  Moschiden.  Hin- 
sichtlich der  Specialitäten  in  der  Bildung  des  Magens  der  Wiederkäuer  vei'- 
weisen  Avir  auf  die  Arbeit  von  Cordier  (s.  Lit.).  Jedenfalls  sind  sie  nicht 
die  einzigen  Säugethiere,  Avelche  eine  solche  Vervielfältigung  zeigen:  eine 
Schlundrinne,  welche  den  dritten  Magen  in  directe  Verbindung  mit  der  Cardia 
bringt  und  zu  dem  Wiederkäuen  in  engster  Beziehung  steht,  findet  sich  schon 
beim  Känguruh  und  einigen  Edentaten. 

Der  Dünndarm  ist  bei  den  Fleischfressern  weit  kürzer  als  bei  den 
Pflanzenfressern;  seine  drei  Abschnitte,  welche  man  in  der  menschlichen 
Anatomie  anzunehmen  pflegt,  unterscheiden  sich  besonders  durch  die  Bildung 
der  Schleimhaut  und  deren  Drüsen.  DerEnddarm  ist  meist  sehr  geräumig, 
daher  der  Name  Dickdarm;  sein  Anfangsabschnitt  zeigt  zahlreiche  Win- 
dungen ,  sein  Endabschnitt  (Rectum)  verläuft  meist  in  gerader  Linie.  Der 
am  Anfange  des  Dickdarmes  meist  vorhandene  Blinddarm  fehlt  den 
Mustelideu,  Ursiden,  den  carnivoren  Beutelthieren,  vielen  Edentaten  (Bradypus), 
Insectivoren ,  Fledermäusen ,  Walthieren  etc.  Bei  den  meisten  Carnivoren  ist 
der  Blinddarm  vorhanden,  aber  nur  kurz;  er  verlängert  sich  bei  den  Frucht- 
fressern und  wird  sehr  gross  bei  den  Grasfressern  (Wiederkäuer,  Einhufer). 
Sein  blindes  Ende  verengert  sich  oft  (Nager ,  Halbaffen)  und  verkümmert 
endlich  bei  den  Primaten  und  dem  Menschen  zu  dem  sogenannten  Wurm- 
fortsatze.     Bei  allen,  mit  Ausnahme  der  Cloakenthiere,  mündet  das  Eectunj 


952  Wirbelthiere. 

durch  eine  von  dem  Urogenitalapparate  getrennte  Oeffnung,  den  After, 
nacli  aussen. 

Die  Leber  ist  stets  ursprünglich  zweilappig ,  aber  bei  vielen  Säuge- 
thieren  (Camivoren ,  Nager ,  Primaten)  zerfallen  diese  Lappen  in  secundäre, 
so  dass  vielfache  Formverschiedenheiten  erzeugt  werden.  Sie  ist  bei  den 
Fleischfressern  grösser,  als  bei  den  Pflanzenfressern.  Die  Ausführungsgänge 
variiren  ungemein.  Eine  Gallenblase  fehlt  bei  manchen  Nagern  (Dipus,  Castor), 
bei  den  Einhufern  ,  einigen  Cetaceen  (Balaena)  und  Wiederkäuern  (Camelus, 
Cervus)  etc.  Wenn  sie  vorhanden,  finden  sich  Blasengänge  und  Gallengänge, 
welche  mancherlei  verschiedene  Combinationen  eingehen. 

Das  Pankreas  liegt  stets  als  köi-nige  Drüse  in  der  Schlinge  des  Dünn- 
darmes; es  ist  besonders  ausgebreitet  bei  den  Nagern;  sein  Ausführungsgang, 
der  W  i  r  s  u  n  g '  sehe  Gang ,  der  sich  auch  gabeln  kann  ,  mündet  bald  un- 
mittelbar neben  dem  Gallengange,  oder,  wie  bei  dem  Kaninchen,  in  grösserer 
Entfernung  von  demselben. 

Der  Athemapparat  variirt  im  Ganzen  nur  unbedeutend.  Die  ein- 
zelnen Kehlkopfknorpel  mit  ihren  Muskeln  sind  schärfer  differenzirt ,  als  bei 
den  übrigen  Wirbelthieren.  Besonders  ist  der  Schildknorpel  stets  gut 
auf  der  ventralen  Seite  entwickelt.  Der  Kehldeckel  verkümmert  bei  den 
Sirenen,  verlängert  sich  aber  bei  den  Walthieren,  gemeinschaftlich  mit  den 
Giesskannenknorpeln ,  zu  einer  Röhre,  welche  sich  in  die  Choanen  einlegt 
und  so  einen  ringsum  vollständig  geschlossenen  Luftweg  herstellt.  Zuweilen 
stellen  sich  seitliche  Erweiterungen,  Kehlkopfsäcke,  her,  welche  theils 
als  Luftsäcke  (Balaena),  theils  als  Eesonanztrommeln  für  den  Schall  dienen 
(einige  Affen:  M3'cetes,  Anthropoiden).  Nur  bei  Bradypus  bildet  die  Luft- 
röhre eine  Schlinge,  sonst  läuft  sie  überall  gerade  am  Halse  herab,  durch 
Knorpelringe  gestützt,  die  gegen  den  Schlund  hin  unvollständig  sind  (bei 
Balaena  auch  auf  der  ventralen  Seite)  und  zuweilen  (Cetaceen,  Sirenen)  eine 
spiralige  Anordnung  zeigen.  Von  ihrer  Theilstelle  aus  sendet  die  Luftröhre 
in  jede  Lunge  einen  Bronchialstamm,  von  welchem  aus  die  seitlichen  Bron- 
chen abgehen ,  die  theilweise  über  (eparterielle  Bronchen) ,  theilweise  unter 
(hyparterielle  Bronchen)  der  betreffenden  Lungenarterie  abgehen.  Meist 
zeigen  diese  Bronchen  nur  am  Anfange  Knorpelringe;  nur  bei  den  Cetaceen 
gehen  die  Ringe  bis  zu  ihren  Enden,  während  sie  im  Gegentheile  bei  den 
Beutelthieren  und  einigen  Piacentariern  ganz  fehlen.  Der  eparterielle  Bron- 
chialbaum fehlt  häufig  auf  der  linken  Seite,  ebenso  wie  der  ihm  entsprechende 
Lungenlappen,  so  dass  dann  die  rechte  Lunge  einen  Lappen  mehr  hat,  als 
die  linke.  Die  Bronchen  verästeln  sich  in  immer  feinere  Zweige  (Bronchiolen) 
und  enden  mit  bläschenförmigen  Erweiterungen  (Lungenbläschen),  Avelche  bei 
den  Cetaceen  sehr  geräumig  werden. 

Man  findet  stets  auf  der  ventralen  Seite  des  Kehlkopfes  und  der  Luft- 
röhre die  Schilddrüse  [Gl.thyroidea),  welche  bei  den  Monotremen  und  Eden- 
taten aus  zwei  gänzlich  getrennten,  seitlichen  Lappen  besteht,  die  aber  bei 
den  übrigen  durch  eine  Mittelbrücke  vereinigt  werden.  Etwas  weiter  nach 
hinten,  an  der  Gabelung  der  Luftröhre  und  um  die  grossen  Gefässe  liegt  die 
besonders  bei  Jungen  stark  entwickelte  Thymusdrüse,  die  nur  bei  Flossen- 
füssern  und  einigen  Cetaceen  während  des  ganzen  Lebens  persistirt,  bei  den 
übrigen   aber  nach   der  Säugungsperiode   nach  und  nach  gänzlich  schwindet. 

Die  Nieren  liegen  ganz  allgemein  in  der  Lendeugegend  zu  beiden 
Seiten  der  Wirbelsäule  ausserhalb  des  Bauchfelles,  das  nur  ihi'e  ventrale 
Fläche  überzieht.  Während  der  Embryonalperiode  sind  sie  in  Lappen  ge- 
theilt,  die  bei  den  Cetaceen,  Flossenfüssern  und  einigen  Baubthieren  (Ursus, 
Lutra)  während  des  ganzen  Lebens  persistiren,  bei  anderen  (Bos,  Elephas) 
nur  durch  buckelartige  Erhöhungen  noch  angedeutet  bleiben,  bei  den  meisten 


Säugethiere.  953 

aber  zu  einer  einzigen  Masse  verschmelzen,  wie  beim  Kaninchen.  In  diesem 
Falle  deuten  nur  noch  die  in  dem  Nierenbecken  convergirenden  Pyramiden 
die  ursprüngliche  Lappenbildung  an.  Die  Harnleiter  münden  immer  auf 
der  dorsalen  Seite  der  Harnblase,  die  nach  Gestalt  und  Grösse  sehr  variirt. 

Die  Hoden  liegen  ursprünglich  stets  vor  den  Nieren ,  behalten  aber 
diese  embryonale  Lage  nur  bei  den  Monotremen ;  bei  den  Cetaceen ,  den 
Eüsselthieren  und  einigen  Edentaten  gleiten  sie  hinter  die  Nieren,  bleiben 
aber  noch  in  der  Bauchhöhle ,  aus  welcher  sie  bei  den  meisten  Eaubthieren, 
Halbaffen,  Primaten  durch  den  vom  Bauchfell  ausgekleideten  Leistencanal 
nach  aussen  wandern,  um  in  einem  Hautsacke,  dem  Hodensacke,  getragen 
zu  werden.  Bei  vielen  Beutelthieren ,  Nagern ,  Fledermäusen  und  anderen 
bleibt  der  Leistencanal  wegsam,  so  dass  die  Hoden  nur  zur  Brunstzeit  hervor- 
treten und  nachher  in  die  Bauchhöhle  zurücktreten.  Bei  den  Primaten  und 
anderen  schliesst  sich  der  Leistencanal  derart,  dass  die  Lagerung  im 
Hodensacke  definitiv  bleibt.  Ausnahmsweise  liegt  dieser  bei  Beutelthieren 
vor  dem  Penis. 

Die  aus  einer  Umwandlung  der  "Wolf f  sehen  Gänge  hervorgehenden 
Samenleiter  bleiben  bei  den  Aplacentariern  und  den  Cetaceen  einfach, 
treiben  aber  meist  gegen  ihr  Ende  hin  drüsige  Samenblasen  hervor,  welche 
bei  vielen  Nagern  und  Insectenfressern  ungemein  gross  werden,  bei  den  Ein- 
hufern aber  einfach  bleiben.  Die  Samenleiter  münden  in  den  Urogenital- 
sinus, in  die  Harnröhre,  umgeben  von  den  Prostatadrüsen,  die  bald  einen 
vollständigen  Ring  um  sie  bilden  (Fledermäuse),  bald  nur  auf  der  dorsalen 
Seite  entwickelt  sind  (Primaten),  oder  auch  grosse,  getrennte  und  durch  die 
Ausführungsgänge  mit  einander  verbundene  Lappen  aufzeigen  (Erinaceus). 
Der  Urogenitalsinus  mündet  bei  den  Monotremen  in  die  Cloake ,  bei  allen 
übrigen  gesondert  nach  aussen.  Im  ersten  Falle  liegt  der,  übrigens  sehr 
kurze,  beim  Schnabelthier  in  zwei,  beim  Schnabeligel  in  vier  Warzen  ge- 
theilte  Penis  in  einer  auf  der  Grenze  zwischen  LTrogenitalsinus  und  Cloake 
angebrachten  Tasche ,  bei  allen  anderen  Säugethieren  ist  die  Oelfnung  von 
der  Afteröffnung  getrennt.  Freilich  sind  beide  Oeffnungen  bei  den  Beutel- 
thieren einander  noch  ausserordentlich  genähert  und  von  einem  gemeinsamen 
Sphincter  umgeben,  aber  bei  allen  Piacentariern  ist  die  Trennung  vollständig. 
Der  Urogenitalcanal  verlängert  sich  dann  in  den  Penis  und  öffnet  sich  an 
dessen  Ende,  der  Eichel,  mit  einer,  nur  ausnahmsweise  (einige  Beutelthiere) 
mit  zwei  Mündungen,  wo  dann  auch  die  Eichel  gespalten  erscheint.  Form, 
Grösse  und  Anheftung  des  Penis  und  der  Eichel  variiren  ungemein.  Bei 
Fledermäusen ,  Baubthieren ,  Primaten  bildet  sich  in  der  Scheidewand  der 
Schwellkörper  ein  Penisknochen  aus. 

Die  Neben drüsen,  Avelche  an  dem  Urogenitalsinus  sich  finden  (Cow- 
p  er 'sehe  und  Vorhautdrüsen  etc.),  kommen  fast  allgemein  vor:  sie  fehlen 
nur  bei  den  Cetaceen;  bei  den  Beutelthieren  finden  sich  mehrere  Paare. 

Die  Eierstöcke  sind  meist  paarig  und  symmetrisch  zu  beiden  Seiten 
der  Lendenwirbelsäule  gelegen;  nur  bei  den  Monotremen  verkümmert,  ähnlich 
wie  bei  den  Vögeln,  das  rechte  Ovarium ,  während  das  linke,  das  einer 
Traube  ähnlich  sieht ,  allein  Eier  entwickelt.  Die  Monotremen  haben  auch 
keine  Vagina;  die  Eileiter  sind  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  unabhängig  und 
.münden  gesondert  in  den  mit  der  Cloake  zusammenhängenden  Urogenital- 
sinus. Eine  einigermaasseu  ähnliche  Bildung  findet  sich  noch  bei  einigen 
Beutelthieren  (Didelphys),  wo  zwei  getrennte  Eileiter,  Uteri  und  Scheiden- 
canäle  (Vagina)  existiren.  Bei  den  übrigen  Beutelthieren  versishmelzen  die 
Müller'schen  Canäle,  aus  welchen  die  Eileiter  hervorgehen,  auf  eine  gCAvisse 
Strecke ,  um  sich  dann  wieder  zu  trennen ,  so  dass  die  beiden  Uteri  in  eine 
gemeinsame  Tasche   münden,    aus   welcher   zwei  Scheidencanäle  hervorgehen, 


954  Wirbelthiere. 

welche  getrennt  in  den  Urogenitalcanal  sich  öffnen.  An  dem  Vereinigungs- 
punkte der  Müller' sehen  Gänge  bildet  sich  oft  noch  ein  vaginaler,  nach 
hinten  gerichteter,  mittlerer  Blindsack  (Phalangista,  Phascolomys) ,  der  sogar 
bei  Macropus  Bennettii  sich  bis  zum  Urogenitalsinus  erstreckt  und  in  diesen 
mündet,  so  dass  dann  drei  Scheidencanäle  vorhanden  sind. 

Bei  allen  anderen  Säugethiereu  bedingt  die  von  hinten  her  fortschrei- 
tende Verschmelzung  der  Müller 'sehen  Gänge  die  Bildung  einer  einfachen 
Vagina.  Erstreckt  sich  die  Verschmelzung  weiter  nach  vorn,  so  bewirkt  sie 
schliesslich  die  Bildung  eines  einfachen  Uterus,  aber  der  Anfangsabschnitt 
der  Müller 'sehen  Gänge  bleibt  unter  allen  Umständen  unabhängig,  so  dass 
stets  zwei  Eileiter  mit  ihren  Trichtern  vorhanden  sind,  die  sich  von  dem 
Uterus  und  der  Scheide  durch  engeres  Lumen  und  dünnere  Wände  untev- 
scheiden.  Die  Verschmelzung  zeigt  verschiedene  Stadien.  Bei  vielen  Nagern 
findet  sich,  wie  beim  Kaninchen,  ein  doppelter  Uterus;  beide  Hälften  münden 
mit  gesonderten  Oeffnuugen  in  die  Scheide  ein;  bei  anderen  Nagern  (Cavia, 
Mus)  vereinigen  sich  die  beiden  Hälften  am  Ende  zu  einer  gemeinsamen 
Mündung.  Dies  führt  zu  dem  zweihornigen  Uterus  (Uterus  bicornis)  der 
Insectivoi-en ,  Carnivoren,  Cetaceen,  Hufthiere  etc.,  bei  welchen  sich  ein  un- 
paarer  Uterus  in  zwei  Hörner  theilt,  in  deren  Spitzen  die  Eileiter  einmünden. 
Bei  den  Fledermäusen  und  Halbaffen  werden  schon  die  Hörner  sehr  kurz  im 
Vei'hältniss  zu  dem  gemeinsamen  Uterus,  und  endlich  finden  wir  bei  den 
Primaten  und  dem  Menschen  nur  den  gemeinsamen  Theil,  in  dessen  Ecken 
die  Eileiter  gesondert  münden. 

Die  musculösen  Wände  und  die  Schleimhaut  des  Uterus  bleiben  bei 
den  Monotremen  und  Beutelthieren  sehr  einfach,  bei  den  Piacentariern  dagegen 
entstehen  Complicationen  durch  die  Verbindungen,  welche  die  modificirte 
Eihaut  (Choriou)  und  später  die  Harnhaut  (Allantois)  des  Embryo  mit  der 
Schleimhaut  des  Uterus  eingehen.  Die  Placenta,  welche  aus  diesen  Ver- 
bindungen hervorgeht,  zeigt  bei  den  einzelnen  Ordnungen  sehr  bedeutende 
Vei'schiedenheiten  in  ihrer  Bildung ;  wir  verweisen  in  dieser  Hinsicht  auf  das 
im  Eingange  des  Capitels  Gesagte,  sowie  auf  das  Lehrbuch  der  Embryologie 
von  0.  Hertwig  und  die  Abhandlungen  von  Turner  (s.  Lit.). 

Die  unpaare  Vagina  mündet  in  den  Urogenitalsinus  (Scheidenvorhof) 
und  diese  Mündung  ist  bei  den  Primaten  von  einer  ringförmigen  Falte  der 
Schleimhaut,  dem  Hymen,  umgeben,  von  der  sich  Spuren  auch  bei  einigen 
Carnivoren  und  Wiederkäuern  vorfinden.  Die  Vulva  ist  von  Schamlippen 
(meist  nur  den  kleinen  Schamlippen  der  menschlichen  Anatomie)  eingefasst 
und  zeigt  eine  aus  Schwellkörpern  und  einer  Eichel  zusammengesetzte  Clitoris, 
die  dem  Penis  der  Männchen  homolog  ist.  Zuweilen  (Nager,  Halbaffen)  wird 
die  Clitoris  von  der  Harnröhre  durchsetzt;  sie  ist  stets  weit  kleiner  als  der 
Penis ,  erreicht  aber  doch  bei  einigen  Affen  (Ateles)  eine  ziemliche  Grösse. 
In  den  Scheidenvorhof  münden  Nebendrüsen  (D  u  verney '  sehe  und  Bar- 
tholin'sehe  Drüsen),  die  den  Cetaceen  und  auch  einigen  Carnivoren  abgehen. 

Das  Gefässsystem  zeigt  im  Allgemeinen  eine  grosse  Uniformität  bei 
den  Säugethiereu.  Das  vom  Herzbeutel  umgebene  |Herz  liegt  stets  in  der 
Brustgegend  in  der  Mittellinie;  seine  hintere  Spitze  richtet  sich  bei  den 
höheren  Typen  nach  links  hin.  Es  ist  meist  kegelförmig;  bei  den  Rüssel- 
thieren  und  einigen  Cetaceen  (Delphinus)  wird  es  aber  rautenförmig,  von 
vorn  nach  hinten  abgeplattet ,  und  eine  tiefe  Einne  trennt ,  auch  bei  den 
Sirenen,  an  seinem  hinteren  Rande  die  Spitzen  der  beiden  Herzkammern. 
In  den  Scheidewänden  zwischen  Kammern  und  Vorkammern  finden  sicii 
zuweilen  Knorpelbildungen  (Wiederkäuer);  sonst  sind  dieselben,  sowie  die 
Atrio  -  Ventricularklappen  (Valvula  mitralis  und  tricuspidalis)  durchaus  in 
derselben  Weise  angeordnet,  wie  beim  Kaninchen. 


Säugethiere.  955 

Der  Bogen  der  Aorta  ist  als  DauerbilduDg  des  linken  embrj-onalen 
Kiemenbogens  stets  nach  links  gerichtet  tind  setzt  sich  in  die  Bauchaorta 
fort,  die  je  nach  der  Entwicklung  der  Eingeweide,  der  Hinterglieder,  des 
Schwanzes  etc.  mancherlei  Anpassungsvariationen  zeigt,  auf  die  Avir  hier 
nicht  eingehen  können.  Mehr  Verschiedenheiten  zeigen  sich  in  der  Art  und 
Weise,  wie  die  Armkopfarterien  von  dem  Aortenbogen  entspringen.  Bald 
entstehen  sie  aus  einem  gemeinschaftlichen  Armkopfstamm ,  von  welchem 
symmetrisch  zuerst  die  beiden  Art.  suhclaviae  für  das  Vorderglied ,  dann  die 
beiden  Carotiden  für  den  Kopf  abgehen  (die  meisten  Hufthiere);  bald  finden 
sich  zwei  Armkopfstämme,  deren  jeder  die  Subclavia  und  Carotis  seiner 
Seite  liefert  (Fledermäuse);  bald  zeigt  sich  rechterseits  nur  ein  Armkopfstamm, 
welcher  die  Subclavia  dieser  Seite  und  die  beiden  Carotiden  liefert,  während 
unabhängig  von  ihm  die  linke  Carotis  direct  aus  dem  Aortenbogen  ihren 
Ursprung  nimmt  (die  meisten  Nager,  wie  das  Kaninciien,  Carnivoren,  einige 
Halbaffen);  endlich  findet  sich  rechterseits  ein  Armkopfstamm  für  die  rechte 
Subclavia  und  Carotis,  während  die  linke  Subclavia  und  linke  Carotis  direct 
aus  dem  Aortenbogen  entspringen  (Monotremen,  einige  Beutelthiere ,  Eden- 
taten etc.). 

Die  oberen  Hohlvenen  zeigen  mancherlei  Variationen;  sie  bleiben 
nur  bei  den  Monotremen  und  Beutelthieren ,  den  meisten  Nagern  und  In- 
sectenfresseru  paarig  und  symmetrisch.  Bei  den  anderen  Säugethieren  ergiesst 
eine  Quercommissur  einen  grösseren  oder  geringeren  Theil  des  in  der  oberen 
linken  Höhlvene  strömenden  Blutes  in  die  rechte  Vene,  die  dadurch  ein  be- 
deutendes Uebergewicht  bekommt,  so  sehr,  dass  die  linke  Hohlveue  zu 
schwinden  beginnt  (Wiederkäuer,  Einhufer)  und  gänzlich  verödet  bei  den 
Cetaceen,  Carnivoren,  Primaten,  wo  nur  noch  eine  obere  Hohlvene,  die  rechte, 
übrig  bleibt ,  die  durch  die  Vereinigung  der  beiden  Jugularveuen  gebildet 
wird.  Dieser  Schwund  der  linken  oberen  Hohlvene  zieht  auch  Veränderungen 
im  Laufe  der  Vena  azygos  nach  sich;  die  linke  V.  azygos  ergiesst  sich  durch 
eine  Anastomose  in  die  rechte,  ihr  centraler  Theil  schwindet  vollständig; 
man  hat  sie  deshalb  auch  als  F.  hemi- azygos  bezeichnet.  Bei  den  Cetaceen 
und  Sirenen  wird  die  fehlende  V.  azygos  durch  intravertebrale  Venen  ersetzt, 
die  in  dem  Eückencanal  verlaufen  und  ihr  Blut  in  die  stets  unpaare,  untere 
Hohlvene  ergiesseu;  welche  alles  Blut  aus  den  Eingeweiden  und  den  hinteren 
Körpertheilen  sammelt. 

In  einigen  Fällen  constatirt  man  die  Bildung  von  Wundernetzen, 
welche  die  Bestimmung  haben ,  den  Blutlauf  in  einzelnen  Gefässbereichen  zu 
verlangsamen;  so  in  den  Gliedern  von  kletternden  und  grabenden  Arten  (Mono- 
tremen, Bradypus,  Myi'mecophaga) ,  oder  im  Verlaufe  der  inneren  Carotis 
(Wiederkäuer,  Suideu) ,  oder  auch  an  den  intercostalen  Arterien  (Delphinus). 

Das  Lymphsystem  ist  überall  etwa  nach  demselben  Plane  wie  beim 
Kaninchen  entwickelt;  seine  Gefässe  enthalten,  wie  bei  den  Vögeln,  zahl- 
reiche Klappen ,  dagegen  fehlen  pulsirende  Lymphherzen  durchaus ,  während 
zahlreiche  Lymphdrüsen  an  den  einzelnen  Gefässen  fast  in  allen  Theileu  des 
Körpers  ausgebildet  sind.  Diese  Drüsen  oder  Ganglien,  in  welchen  sich  die 
Lymphkörperchen  bilden,  beginnen  schon  im  Anfange  der  Verdauungswege 
mit  den  Mandeln;  sie  sind  sehr  zahlreich  im  Dünndarme  und  dort  unter 
dem  Namen  der  Peyer'schen  Drüsen  bekannt;  ferner  finden  sie  sich  in 
grosser  Anzahl  im  Gekröse  (Mesenterialdrüsen)  und  vereinigen  sich  hier  zu- 
weilen zu  einer  Masse,  welche  man  Pancreas  Aselli  genannt  hat. 

Die  Milz,  welche  viel  mit  den  Lymphdrüsen  gemein  hat,  fehlt  niemals. 
Vielleicht  muss  man  auch  zu  diesen  Organen  die  sogenannte  Fettdrüse 
vieler  Insectenfresser  (Igel),  Nager  (Murmelthier)  und  der  Fledermäuse  zählen, 
welche  Winterschlaf  halten.      Sie   findet   sich   als  eine  gelappte  Masse  in  der 


956  Wirbelthiere. 

Brusthöhle ,  von  wo  aus  sie  sich  iu  den  Hals ,  die  Achselhöhlen  und  selbst 
bis  auf  den  Bücken  erstreckt;  sie  enthält  viel  Fett  und  schwindet  während 
des  Winterschlafes  bedeutend  zusammen. 

Litteratur.  —  G  eo  f  f  ro  y-Sai  n  t-Hi  la  i  r  e,  Philosophie  anatomiqiie.  Paris, 
1818.  —  F.  Cuvier,  Les  Dents  des  Mammiferes.  Paris,  1825.  —  Georges  Cuvier, 
Le^ons  d'Anatomie  comparee.  Paris,  1835  bis  1846.  —  G.  Cuvier  et  Laurillard, 
Anatomie  cotnparee  {Recueil  de  ■plavches  de  myologie).  Paris,  1849.  —  I.  Geoffroy- 
Saint-Hilaire,  Memoire  sur  les  Monotremes.  Ann.  des  Sc.  nat.  2.  Ser.,  T.  II, 
1834.  —  Fan  der  und  d' AI  ton.  Vergleichende  Osteologie.  Bonn,  1838.  —  D.  de 
B 1  ai n  V  i  1 1  e ,  Osteographie  ou  description  comparee  du  squelette  et  du  Systeme  dentaire 
des  Mammiferes  recents  et  fossiles  {avec  Atlas  de  323  planches).  Paris,  1839  bis 
1864.  —  R.  Owen,  Odontographie.  London,  1840  bis  1845.  —  Ders. ,  Artikel: 
Mammalia,  Marsupialia ,  Monotremata,  Teeth,  in  Cyclopedia  of  Anatomy  and 
Physiology.  London,  1843.  —  Ders.,  On  the  characters ,  principles  of  division 
and  primary  groups  of  the  class  Mammalia.  Journ.  Proc.  Linn.  Soc. ,  T.  II, 
1858.  —  Ders.,  On  the  Anatomy  of  Vertehrates  (T.  III,  Mammals).  London, 
1866.  —  Vrolik,-  Recherches  d'' Anatomie  comparee  sur  le  Chimpanze.  Amsterdam, 
1841.  —  Bischoff,  Entwicklungsgeschichte  des  Kaninchens.  München,  1842.  — 
H.  Rathke,  Ueber  die  Entwicklung  der  Arterien,  welche  bei  Säugethieren  von  den 
Bogen  der  Aorta  ausgehen.  Müller's  Archiv,  1843.  —  Leydig,  Zur  Anatomie  der 
männlichen  Geschlechtsorgane  und  Analdrüsen  der  Säugethiere.  Zeitschr  iür  wiss. 
Zool. ,  Bd.  II,  1850.  —  0.  Gumoens,  De  systemate  nervorum  Sciuri  vulgaris. 
Inaug.-Dissert.  Bern,  1852.  —  Ders.,  Ueber  die  äusseren  Bedeckungen  der  Säuge- 
thiere, Müller's  Archiv,  1859.  —  Gegenbaur,  Untersuchungen  über  die  Tasthaare 
einiger  Säugethiere.  Zeitschr.  für  wiss.  Zool.,  Bd.  III,  1851.  —  Ders.,  Ueber  die 
Drehung  des  Humerus.  Jenaische  Zeitschr.,  Bd.  IV.  —  Ders.,  Zur  genaueren  Kennt- 
niss  der  Zitzen  der  Säugethiere.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  I,  1876.  —  Ders.,  Zur  Kennt- 
niss  der  Mammarorgane  der  Monotremen.  Leipzig,  1886.  —  Ders.,  Lehrbuch  der  vergl. 
Anatomie,  1870.  —  W.  von  Rapp,  Anatomische  LTntersuchungen  über  die  Edentaten, 
Tübingen,  1852.  —  Dareste,  Memoires  sur  les  circonvolidions  du  cerveau  chez 
les  Mammiferes.  Ann.  des  Sc.  nat.,  1852  bis  1854  bis  1855.  —  P.  Gervais, 
Histoire  naturelle  des  Mammiferes.  Paris,  1854  bis  1855.  —  Duvernoy,  Des 
characteres  anatomiques  des  Singes  Anthropomorphes.  Arch.  du  Museum,  T.  VIII, 
1855.  —  Ch.  Martins,  Comparaison  des  membres  pelviens  et  thoraciques  chez 
VHomme  et  les  Mammiferes.  Mem.  de  VAcad.  des  Sc.  et  Lett.  de  Montpellier, 
1857  et  1862.  —  Gratiolet,  Memoire  sur  les  plis  cerehraux  de  VHomme  et  des 
Primates.  Paris,  1854.  —  Leuret  et  Gratiolet,  Anatomie  comparee  du  Systeme 
nerveux.  Paris,  1857.  —  Gurlt,  Handbuch  der  vergleichenden  Anatomie  der  Haus- 
säugethiere.  Berlin,  1860.  —  E.  Pflüger,  Die  Eierstöcke  der  Säugethiere  und  des 
Menschen.  Leipzig,  1863.  —  G.  Mivart,  Notes  on  the  crania  and  the  dentition 
of  Lemurida.  Proc.  Zool.  Soc,  1864.  —  W.  Peters,  Ueber  die  Säugethiergattung 
Clüromys,  Abb.  der  Berliner  Akad.,  1865.  —  W.  Müller,  Ueber  den  feineren  Bau 
der  Milz.  Leipzig,  1865.  —  Lucae,  Die  Hand  und  der  Fuss.  Abhandl.  d.  Senkenb. 
naturf.  Gesellsch.,  Bd.  V,  Frankfurt,  1866.  —  Ders.,  Zur  Morphologie  des  Säugethiei'- 
schädels,  ebend.,  Bd.  VIII,  1872.  —  Ders.,  Die  Robbe  und  die  Otter,  ebend.,  Bd.  VIII, 
1872.  —  Schneider,  Topographische  Anatomie  des  Vorderhalses  beim  Kaninchen, 
Inaug.-Dissert.,'  Berlin,  1867.  —  Goette,  Zur  Morphologie  der  Haare,  Arch.  f. 
mikrosk.  Anat. ,  Bd.  IV,  1868.  —  H.  et  A.  Milne-Edwards,  Recherches  pour 
servir  ä  l'histoire  naturelle  des  Mammiferes.  Paris,  1868  bis  1870.  —  Arloing, 
Etüde  comparative  sur  les  organes  genitaux  du  lievre,  du  lapin  et  du  leporide. 
Journ.  de  Vanat.  et  de  la  physiol.,  T.  V,  1868.  —  W.  K.  Parker,  Monography 
on  the  structure  and  development  of  the  Shoulder  Girdte  and  Sternum  in  the  Ver- 
tebrata.     London,  1868.  —  Van  Beneden  et  Gervais,  Osteographie  des  Cefaces. 


Säugethiere.  957 

Paris,  1868  bis  1880.  —  Schwalbe,  lieber  die  Geschmacksorgane  der  Säugethiere 
und  des  Menschen.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  IV,  1868.  —  Langerhans,  Beiträge 
zur  mikroskopischen  Anatomie  der  Bauchspeicheldrüse.  Berlin,  1869.  —  H.  von 
Wyss,  Die  becherförmigen  Organe  der  Zunge.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  ü,  1870. — 
Stieda,  Studien  über  das  centrale  Nervensystem  der  Wirbelthiere.  Zeitschr.  f.  wiss. 
Zool.,  Bd.  XX,  1870.  —  Hyrtl,  Das  Nierenbecken  der  Säugethiere  und  des  Menschen. 
Denkschr.  d.  k.  Akad.  Wien,  Bd.  XXXI,  1870.  —  Waldeyer,  Eierstock  und  Ei. 
Leipzig,  1870.  —  Ders. ,  Atlas  der  menschlichen  und  thierischen  Haare  etc.  Lahr, 
1884.  —  Schöbl,  Die  Flughaut  der  Fledermäuse.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  VII, 
1871.  —  L.  Frank,  Anatomie  der  Hausthiere.  Stuttgart,  1871.  —  W.  Turner, 
De  la  'placentation  des  Cetaces  comparee  ä  celle  des  autres  Mammiferes.  Journ. 
de  Zoologie,  T.  I,  1872.  —  Ders.,  Lectures  on  the  Anatomy  of  tlie  placenta.  Edin- 
burg,  1876.  —  Jobert,  Etiides  d'anatomie  comparee  sur  les  organes  du  toucher. 
Ann.  Sc.  nat.  5.  S^r.  T.  XVI,  1872.  —  M.  Duval,  Vaisseaux  et  substance 
meditUaire  des  poils.  Journ.  de  VAnat.  et  de  la  physiol.,  T.  IX,  1873.  — 
A.  Sabatier,  Etudes  sur  le  coeur  et  la  cireulation  centrale  dans  la  serie  des 
Vertebres.  Montpellier  et  Paris,  1873.  —  Ders.,  Observations  sur  les  transformations 
du  Systeme  aortique  dans  la  serie  des  Vertebres.  Ann.  des  Sc.  nat.,  5.  Ser.,  T.  XIX, 
1874.  —  Ders.,  Comparaison  des  ceintures  et  des  membres  dans  la  serie  des 
Vertebres.  Montpellier  et  Paris,  1880.  —  J.  Chatin,  Recherches  sur  Vanatomie  des 
glandes  odorantes  des  Mammiferes  {Carnassiers  et  Rongeurs).  Ann.  des  Sc.  nat., 
T.  XIX,  1874.  —  C.  G.  Giebel,  Die  Säugethiere  in  Bronn's  Thien-eich,  Bd.  VI,  1874 
(im  Druck  begriffen).  —  H.  George,  Monographie  du  genre  Daman.  Ann.  des  Sc. 
nat.,  6.  Ser.,  T.  n,  1875.  —  Merkel,  Tastzellen  und  Tastkörperchen  bei  den  Haus- 
thieren  und  beim  Menschen.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  IX,  1875.  —  Ders.,  lieber 
die  Endigung  der  sensiblen  Nerven  in  der  Haut  der  Wirbelthiere.  Kostock,  1880.  — 
Fürbringer,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Kehlkopfiiiusculatur.  Jena,  1875.  — ■ 
W.  H.  Flower,  Introduction  to  the  Osteology  of  the  Mammalia.  London,  1876.  — 
Kosenberg,  lieber  die  Entwicklung  der  Wirbelsäule  und  das  Centrale  carpi  des 
Menschen.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  I,  1876.  —  Solger,  Zur  Anatomie  der  Faulthiere. 
Morphol.  Jahrb.,  Bd.  I,  1876.  —  Wendt,  lieber  die  Harder'sche  Drüse  der  Säuge- 
thiere. Inaug.-Dissert.  Strassburg,  1877.  —  L.  Döderlein,  lieber  das  Skelett  des 
Tapirus  Pinchacus.  Inaug.-Dissert.  Bonn,  1877.  —  Mihalkovics,  Entwicklungs- 
geschichte des  Gehirns.  Leipzig,  1877.  —  Afanassiew,  üeber  Bau  und  Entwicklung 
der  Thymus  der  Säugethiere.  Arch.  f.  Mikrosk.  Anat.,  Bd.  XIV,  1877.  —  R.  Bonnet, 
Studien  über  die  Innervation  der  Haarbälge  der  Hausthiere.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  IV, 
1878.  —  L.  Loewe,  Bemerkungen  zur  Anatomie  der  Tasthaare.  Arch.  f.  Mikrosk. 
Anat.,  Bd.  XV,  1878.  —  Ders.,  Beiträge  zur  Anatomie  des  Auges.  Ebend.,  Bd.  XV, 
1878  (behandelt  speciell  das  Kaninchenauge).  —  Ders.,  Histogenese  der  Retina.  Ebend., 
Bd.  XV,  1878.  —  J.  Krueg,  lieber  die  Furchung  der  Grosshirnrinde  der  Ungulaten. 
Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Zool.,  Bd.  XXXI,  1878.  —  P.  Maisonneuve,  Etudes 
anatomiques  sur  le  Vespertilio  m,urinus.  Paris,  1878.  —  Rüge,  Entwicklungs- 
vorgänge   an    der    Musculatur    des    menschlichen   Fusses.       Morphol.    Jahrb.,    Bd.    TV, 

1878.  —  Ders.,  Zur  vergleichenden  Anatomie  der  tieferen  Muskeln  in  der  Fusssohle. 
Ebend.  —  Ders.,  Untersuchungen  über  die  Extensorengruppe  am  Unterschenkel  und 
Fuss  des  Menschen  und  der  Säugethiere.  Ebend.  —  P.  Broca,  Anat.  comp,  des 
circonvolutions  cerebrales.  Revue  d^ Anthropologie,  Paris,  1878.  —  A.  Pansch, 
Beiträge    zur    Morphologie    des    Grosshirns   der    Säugethiere.     Morphol.  Jahrb.,  Bd.  V, 

1879.  —  R.  Hensel,  Ueber  Homologien  und  Varianten  in  den  Zahnformen  einiger 
Säugethiere.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  V,  1879.  —  A.  M.  Marshall,  Morphology  of 
the  Vertebrate  Olfactory  Organ.  Quart.  Journ.  of  microsc.  Science,  T.  XIX, 
1879.  —  A.  Rauber,  Ueber  den  Ursprung  der  Milch  u.  s.  w.  Leipzig,  1879.  — 
Brissaud,  Etüde  sur  la  Spermatogenese  chez  le  Lapin.  Arch.  de  Physiologie, 
2.  Ser.,  T.  VI,  1880.  —  H.  Leboucq,  Recherches  sur  le  mode  de  disparition  de  la 


958  Wirbelthiere. 

eorde  dorsale  chez  les  Vertebres  superieurs.  Arch.  de  biologie,  T.  I,  1880.  —  Ders., 
Le  canal  naso-palatin  chez  VHomme.  Ebend.,  T.  II,  1881.  —  Ders.,  Recherches  sur 
la  morpJwlogie  du  carpe  chez  les  Mammiferes.  Ebend.,  T.  V,  1884.  —  Ch.  Aeby, 
Der  Bronchialbaum  der  Säugethiere  und  des  Menschen.  Leipzig,  1880.  —  A.  Brass, 
Beiträge  zur  Kenntniss  des  weiblichen  ürogenitalsystems  der  Marsupialen.  Inaug.- 
Dissert,,  Leipzig,.  1880.  —  Mac  Leod,  Contributions  ä  Vetude  de  la  structure  de 
Vovaire  des  Mammiferes.  Arch.  de  biologie,  T.  I  etil,  1880  bis  1881.  —  H.  Schulin, 
Zur  Morphologie  des  Ovariums.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XIX,  1881.  —  G.  Rein, 
Untersuchungen  über  die  embryonale  Entwicklungsgeschichte  der  Milchdrüse.  Arch, 
f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XX,  1882.  —  Ders.,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Reifungs- 
erscheinungen und  Befruchtungsvorgänge  am  Säugethierei.  Ebend.,  Bd.  XXII,  1883.  — 
W.  Leche,  Zur  Anatomie  der  Beckenregion  bei  Insectivoren  u.  s.  w.  Acad.  royale 
de  Stockholm,  T.  XX,  1882.  —  Cattaneo,  Sugli  organi  riproduttori  femmini 
delV  Halmaturus  Benetti  Qould.  Mailand,  1882.  —  W.  Harz,  Beiträge  zur  Histo- 
logie des  Ovariums  der  Sängethiere.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XXII,  1883.  — 
G.  Born,  Ueber  die  Derivate  der  embryonalen  Schlundbogen  und  Schlundspalten  bei 
Säugethieren;  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XXII,  1883,  —  Klaatsch,  Zur  Mor- 
phologie der  Säugethierzitzen.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  IX,  1883.  —  W,  Krause,  Die 
Anatomie  des  Kaninchens.  2.  Aufl.  Leipzig,  1884,  —  L.  Testut,  Les  anomalies 
miisculaires  chez  VHoynme  expliquees  par  V Anatomie  comparee.  Paris,  1884.  — 
Carl  Vogt,  Die  Säugethiere  in  Wort  und  Bild.  München,  1884,  —  G,  Retzius, 
Das  Gehörorgan  der  Wirbelthiere,  Bd.  II,  Stockholm,  1884.  —  Weldon,  On  the 
suprarenal  bodies  of  Vertebrata.  Quart.  Joiorn.  of  mikrosk.  Sc,  1885.  —  G.  Baur, 
Bemerkungen  über  den  Asti-agalus  und  das  Intermedium  der  Säugethiere.  Morphol, 
Jahrb.,  Bd.  XI,  1885.  —  Boas,  Ein  Beitrag  zur  Morphologie  der  Nägel,  Ki-allen, 
Hufe  u.  s.  w.  Morphol.  Jahrb.,  Bd.  XI,  1885,  —  Bardeleben,  Ueber  neue  Be- 
standtheile  der  Hand-  und  Fusswurzel  der  Säugethiere,  Jenaische  Zeitsclir,,  1886.  — 
G,  Schwalbe,  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Circulationsverhältnisse  in  der  Gehör- 
schnecke, Festschrift  zu  Carl  Ludwig's  70.  Geburtstag,  Leipzig,  1886.  —  Ders,, 
Lehrbuch  der  Anatomie  der  Sinnesorgane.  Erlangen,  1887.  —  Tafani,  Sülle  con- 
dizioni  uteroplacentari  della  vita  fetale.  Florenz,  1886.  —  Sardemann,  Die 
Thränendrüse.  Bericht  der  naturforsch.  Gesellschaft  zu  Freiburg  i.  B.  1887.  — 
E.  Zuckerkandl,  Das  peripherische  Geruchsorgan  der  Säugethiere.  Stuttgart, 
1887.  —  Tatar  off,  Ueber  die  Muskeln  der  Ohrmuschel,  Arch.  für  Anat.  und 
Physiol.,  1887.  —  Rüge,  Untersuchungen  über  die  Gesichtsmusculatur  der  Primaten. 
Leipzig,  1887,  —  W.  Haacke,  Ueber  die  Entstehung  des  Säugethiers.  Biol.  Ceutral- 
blatt,  Bd.  VIII,  1888.  —  E.  Martin,  Ueber  die  Anlage  der  Urniere  beim  Kaninchen. 
Arch.  für  Anat,  und  Physiol,,  1888.  —  V.  von  Ebner,  Zur  Spermatogenese  der 
Säugethiere.  Arch,  f.  mikrosk.  Anat,,  Bd.  XXXI,  1888.  —  E,  Poulton,  The  true 
teeth  and  the  horny  plates  of  Ornithorhynchus.  Quart.  Journ.  of  mikrosk  Sc, 
T.  XXIX,  1888.  . —  A.  Cuenod,  L^articulation  du  coude.  Internationale  Monats- 
schrift für  Anat.  und  Physiol.,  Bd.  V,  1888.  —  M.  Weber,  Ueber  neue  Hautsecrete 
bei  Säugethieren.  Arch.  für  miki-osk.  Anat.,  Bd.  XXXI,  1888.  —  Hermann,  Studien 
über  den  feineren  Bau  der  Geschmacksorgaue.  Sitzungsber.  d.  k.  bayer.  Akad.,  1888.  — 
Van  Bambeke,  Sur  des  follicules  de  Vepiderme  de  la  mächoire  superieure  chez 
le  Tursiops  tursio.  Bull.  Acad.,  Belgique,  1888.  —  Ran  vi  er,  Traite  techiiique 
d'histologie.  2,  edit.,  Paris,  1889,  —  Ellenberger  und  Baum,  Systematische  und 
topographische  Anatomie  des  Hundes,  Berlin,  1891,  —  Oudemans,  Die  accesso- 
rischen  Geschlechtsdrüsen  der  Säugethiere,  Haarlem,  1892,  —  Cordier,  Recherches 
sur  Vanatomie  comparee  de  Vestomac  des  Ruminants.  Ann.  des  Sc.  nat.,  8.  Ser., 
T,  XVI,  1893.  —  M.  Weber,  Bemerkungen  über  den  Ursprung  der  Haare  und  über 
Schuppen  bei  Säugethieren.  Anat.  Anzeiger,  1893.  —  C,  Emery,  Ueber  die  Verhält- 
nisse der  Säugethierhaare  zu  schuppenartigen  Hautgebilden.     Anat.  Anzeiger,   1893. 


INHALTSVERZEICHNISS. 


Seite 

Arthropoden  im  Allgemeinen 1 

Classe  der  Crustaceen 8 

Astacus  ßuviatilis 13 

Pantopoden   oder  Pycnogoniden     67 

Xiphosuren   oder  Poecilopoden 69 

Tardigraden 73 

Linguatuliden  oder  Pentastomen 74 

Classe  der  Onyelioplioren  (Peripatus) 77 

Classe  der  Myriapoden 87 

LitJiobius  forßcatus 89 

Classe  der  Hexapoden  oder  Inseeten 135 

Melolontha  vulgaris • 136 

Classe  der  Araehniden 193 

Epeira  diadetna 195 

Tunieaten  im  Allgemeinen 263 

Classe  der  Thaliaden .  265 

Salpa  democratica-mucronafa 266 

Classe  der  Aseidien 296 

Ciona  infestinalis •   .    .    .    .  297 

Wirbelthiere  im  Allgemeinen 328 

Classe  der  Aeranier  oder  Leptoeardier 335 

Amphioxus  lanceolatus 335 

Classe  der  Cyelostomen 379 

Petromyzon  fluviatilis 381 

Classe  der  Fische 470 

Perca  fiuviatilis 475 

Classe  der  Amphibien 543 

Rana  esculenta 544 

Classe  der  Reptilien 628 

Lacerta  viridis 633 

Classe  der  Vögel 730 

Columha  domestica 732 

Classe  der  Säugethiere 826 

Lepus  cuniculus      830 


ALPHABETISCHES  VERZEICHNISS 

der  in  diesem  Bande  gegebenen  Monographien  und  ihrer  Verfasser. 


Name                                                  Classe  Verfasser 

A^nphioxus  lanceoJatus  (Yarrell)     ....  Acranier  .    .  .  M.  Jaquet 

Astacus  fluviatilis  (Rondelet) Crustaceum  .  E.  Yung  . 

Ciona  intestinalis  (Linne) Tunicate  .    .  .  E.  Yung  . 

Columha  domestica  (Linue) Vogel    .    .    .  .  M.  Jaquet 

Epeira  diadema  (Linne) Arachnide    .  .  C.  Vogt    . 

Lacerta  viridis  (Linne) Eeptil    .    .    .  .  C.  Vogt    . 

Lejpus  cuniculns  (Linne) Säugetbier  .  .  E.  Yung  . 

Lithohius  forficatus  (Linne) Myriapode   .  .  C.  Vogt    . 

Melolontha  vulgaris  (Fabricius) Inseet    .    .    .  .  E.  Yung  . 

Perca  fluviatilis  (Linne) Fiscb     .    .    .  .  M.  Jaquet 

Peripatus  capensis  (Grube) Ouyc.bopbore  .  C.  Vogt    . 

Petromyzon  fluviatilis  (Linne) Cyclostome  .  .  C.  Vogt    . 

Rana  esculenta  (Linn^) Amphibium  .  E.  Yung  . 

Salpa  democratica-miicronata  (Forskai)    .  Tunicate  .    .  .  C.  Vogt    . 


Seite 

.  335 

.  13 

.  297 

.  732 

.  195 

.  633 

.  830 

.  89 

.  136 

.  475 

,  77 

,  381 

.  544 

.  266 


m^i 


Qf 


Ost 


J^%  ^.