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Full text of "Leib und seile"

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Leib und Seele. 

Darstellung und Kritik 

der neueren Theorien des Verhältnisses zwischen 

physischem und psychischem Dasein 



von 



Dr. Rudolf Eisler. 




Leipzig 1906. 

Verlag von Johann Ambrosius Barth. 



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Von demselben Verfasser erschien u.a.: 

Wörterbuch der phllOS. BeOriffe. mstorisch-queUenmä^ig bearbeitet. 2. Aufl. 
2 Bde. BerUn 1904. Mitüer & Sohn. 

Kritische EinfOhrung in die Philosophie. Berlin 1905. Mitüe^& sohn. 

Das BeWUSStSein der AUSSenwelt. Leipzig 1901. Dürrsche Buchhandlung. 

Soziologie. Leipzig 1908. J.J. Weber. 

W. WundtS Phllos. u. Psychologie. Leipzig 1902. J. A. Barth. 

Nietzsches Erkenntnistheorie und Metaphyhlk. Leipzig 1902. H.Haaoke. 

EinfOhrung in die Erkenntnistheorie. Leipzig I9O6. J.A.Barth, (im Er- 
scheinen.) 



Inhalt. 



Seite 

Vorwort V 

EinleituDg: Das Problem 1 

I. Der Baalismus 5 

1. Die Theorie 5 

2. Zur Kritik des Daalismus * . . . 12 

IL Der MateriaHsmiis 32 

1. Die Lehre 32 

2. Zur Kritik des Materialismus 40 

III. Die Identitätslehre 67 

1. Die Theorie 67 

2. Zur Kritik der Identitätslehre 85 

IV. Weehselwlrkung oder Farallelismas ........ 111 

1. Die Theorie der psychophysischen Wechselwirkung . 111 

2. Der psychophysische Parallelismus 120 

3. Kritik: 131 

a) Die Ungleichartigkeit des Psychischen und 
Physischen 131 

b) Das Prinzip der geschlossenen Naturkausalitat 138 

c) Das Prinzip der Erhaltung der Energie . . . 150 

d) Das physische Korrelat des Psychischen . . . 162 
V. Bas Problem der Unsterbliehkeit 192 

1. Die neueren Unsterblichkeitstheorien (Lotze, Fechner, 
Wundt) 192 

2. Wahrscheinlichste Lösung des Problems 196 

Literatur 205 

Register 215 



Vorwort. 



Das Problem des Verhältnisses von Leib und Seele 
gehört zu den philosophischen Fragen, mit denen man sich 
in den letzten Jahren eifrig beschäftigt hat. Gegenüber 
dem „Monismus" und „Parallelismus", wie er in wachsendem 
Maße Eingang in die Psychologie gefunden hat, erhebt 
sich seit einiger Zeit ein (vornehmlich an Lotze an- 
knüpfender) Dualismus, verbunden mit einer Wiederaufnahme 
der Wechselwirkungstheorie. Im Jahre 1903 hat L. Busse, 
ein Verfechter dieser Reaktion gegen den parallelistischen 
Monismus in seinem Buche „Geist und Körper, Seele und 
Leib" (Leipzig, Dürrsche Buchhandlung 1903) die ver- 
schiedenen Richtungen, die betreffs unseres Problems 
möglich sind, auf Grund einer außerordentlichen Fülle der 
Literatur dargestellt und kritisch erörtert. Zweifellos ist 
es ihm gelungen, so manchen Punkt dieses schwierigen 
Fragenkomplexes in ein helleres Licht zu rücken, und 
sicherlich wird jeder, Anhänger und Gegner der Wechsel- 
wirkungstheorie, von den Ausführungen bei Busse Gewinn 
haben. Auch der Verfasser der vorliegenden Arbeit hat 
durch das Bussesche Buch manche Anregungen empfangen, 
nicht zum wenigsten aus der gut orientierenden und 
distinguierenden Disposition dieses Buches. Es war nun 
dem Verfasser darum zu tun, diesem Standard work der 
dualistischen Wechselwirkungstheorie eine Darstellung und 
Kritik des Materials vom Standpunkte des parallelistischen 
Monismus gegenüberzustellen. In der Auffassung der 
absoluten Wirklichkeit als eines Reiches geistiger und 
geistartiger Faktoren, also bezüglich der „spiritualistischen" 



— VI — 

Grundlage der Erscheinungswelt, stimmt der Verfasser 
mit denen aus Lotzes Reihen überein; den Materialismus 
jeglicher Art bekämpft er so wie sie. Aber er glaubt, 
daß innerhalb der Reihe physischer Phänomene nicht- 
physische Ursachen nicht gesetzt werden dürfen, sondern 
daß — wie Leibniz es genial gedacht hat — das ganze, 
in sich geschlossene, lückenlose Naturgeschehen auf dem 
Untergrunde geistiger Regsamkeit ruht, daß es eine objektive 
Erscheinung eben dieser Regsamkeit ist, eine Erscheinung, 
die für sich konsequent methodisch zu betrachten 
und zu bearbeiten ist, auch für das Gebiet orga- 
nischer, menschlicher Handlungen. 

Der Verfasser war bemüht, die Darstellung so zu 
halten, daß auch der philosophisch nicht geschulte Kopf 
das Buch mit Verständnis lesen könne. Die Literatur- 
angaben ^) dürften genügen, um dem Leser Fingerzeige 
zu weiterem Studium zu gewähren und ihn mit dem Stand 
der Dinge in historischer Hinsicht vertraut zu machen. 



^) Zar Ergänzung vgl. man das Bach von Busse, ferner 
E. V. Hartmann, Die moderne Psychologie, Leipzig, Haacke 1901, 
und mein „Wörterbuch der philos. Begriffe", 2. Aufl., Berlin, 
E. S. Mittier & Sohn, 1904. 



Wien, Sommer 1906. 

Der Verfasser. 



Einleitung: Das Problem. 



Das Problem, das uns in dieser Schrift beschäftigen 
wird, gehört zu jenen Fragen, welche sich an der Grenze 
verschiedener Wissenschaften erheben. Es kann mit Fug 
und Recht als „Grenzproblem" bezeichnet werden. Es ist 
das ein Problem, das in mehrere Forschungsgebiete fällt 
und zugleich mit den Forschungsmitteln einer Disziplin 
allein nicht der Lösung zugeführt werden kann. Die Frage 
nach dem Verhältnis von Leib und Seele ist für zwei 
Einzelwissenschaften „empirischer" Art von Interesse : die 
Psychologie und die Physiologie, femer für die Philo- 
sophie. Und sie ist nur zu beantworten, indem die Methodik 
und die Forschungsergebnisse dieser drei Wissenschaften 
in einer umfassenden Synthese vereinigt werden. Ohne 
daß die verschiedenen Gesichtspunkte aller dieser Disziplinen 
zur Geltung kommen, kann das in Frage stehende Problem 
unmöglich in kritischer, den Anforderungen logischer Metho- 
denlehre wahrhaft entsprechender Weise behandelt werden. 

Keineswegs ist es aber zulässig, etwa die Sache so 
anzupacken, das man von irgendwelchen metaphysischen 
Voraussetzungen eines bestimmten „Systems" ausgeht. 
Der Geist „exakter", wissenschaftlicher Philosophie ver- 
bietet es streng, Erfahrungstatsachen und Zusammenhänge 
solcher aus metaphysischen, überempirischen Begriffen oder 
Lehren abzuleiten, zu deduzieren oder zu „konstruieren". 
„Metaphysisch" sind Begriffe, deren Gegenstände jenseits 

Eisler, Leib und Seele. 1 



2 Einleitung. 

aller möglichen, denkbaren Erfahrung liegen, d. h. solche 
Objekte, die absolut für das Erkennen „transzendent", 
keiner möglichen Erfahrung zugänglich sind. Solch ein 
transzendenter Begriff ist etwa die Gottesidee. Sie kann 
uns dazu dienen, unserer Erkenntnis einen idealen Abschluß 
in gewisser Hinsicht zu geben, nimmermehr aber etwa 
dazu, bestimmte Erfahrungszusammenhänge als solche zu 
erklären. Vielmehr müssen diese aus den „Tatsachen" 
selbst mit Hilfe logischer und erkenntniskritischer Methoden 
und Voraussetzungen begreiflich gemacht werden. Mit 
andern Problemen teilt das unsrige dies, daß es zu meta- 
physischen Interpretationen des Tatbestandes führt, ohne 
aber von solchen in der Lösung abhängig gemacht werden 
zu dürfen. In diesem Sinne also muß ein solches Grenz- 
problem „voraussetzungslos" betrachtet werden. Das schließt 
aber nicht aus, daß überhaupt Voraussetzungen gemacht 
werden dürfen. Im Gegenteil: es gibt kaum ein allge- 
meines, philosophisches Problem, das ohne bestimmte Voraus- 
setzungen bezw. Postulate bearbeitet werden kann. Solche 
Voraussetzungen liegen aller wissenschaftlichen Forschung 
zugrunde, teils als „apriorische", Erfahrung ermöglichende 
Denkforderungen, teils als „regulative", die Forschung 
zweckmäßig bestimmende, leitende Gesichtspunkte. Einen 
„Beweis" für die Richtigkeit dieser Voraussetzungen, welche 
teils der allgemeinen Gesetzlichkeit des Intellekts, teils 
bestimmten Richtungen und Objekten seiner Betätigung 
entspringen, gibt es nur insofern, als einerseits die Forsch- 
ung durch diese Voraussetzungen notwendig bedingt ist 
und anderseits die Erfahrung ausnahmslos und beständig 
die Zweckmäßigkeit und Ersprießlichkeit solcher „Arbeits- 
hypothesen" und Postulate erkennen läßt. 

Das Problem des Verhältnisses, das zwischen Leib 
und Seele besteht, kann demnach nur so in Angriff ge- 
nommen werden, daß die Gesichtspunkte der Physiologie 
und der Psychologie gleichermaßen berücksichtigt werden, 



Das Problem. 3 

olme aber, was nicht selten geschehen ist, durcheinander 
geworfen werden zu dürfen. Ebenso muß die philosophische, 
erkenntniskritisch-metaphysische Betrachtungsweise 
zum Worte gelangen, ohne daß sie den Standpunkt der 
Einzelwissenschaft durchkreuzt. Mit anderen .Worten: das 
Verhältnis von Leib und Seele muß zunächst auf dem 
Boden der empirischenEinzelforschungmit logischen 
Mitteln angepackt und dann erst in die Beleuchtung der uni- 
versalen Interpretation durch die Philosophie im engeren 
Sinne gerückt werden. Wie das im einzelnen gemeint ist, 
wird aus der Untersuchung selbst hervorgehen. 

Fragen wir nun nach dem Inhalt unseres Problems, 
so zeigt es sich, das die Erfahrung eine Quelle zweier 
Begriffe geworden ist, die eine doppelte Seinsweise und 
ein zweifaches Verhalten eines Lebewesens, des mensch- 
lichen Organismus insbesondere, sprachlich und logisch 
festhalten. Schwierigkeiten und Bedenken mannigfacher 
Art zeitigen die Überlegung, ob dieses zweifache Verhalten 
wirklich, d. h. unabhängig von unserem Sprechen und 
Denken, besteht oder ob es vielleicht nur den zweifachen 
Ausdruck eines einzigen Seins und Geschehens bedeutet, 
und femer, wie der empirisch zu konstatierende „Zusammen- 
hang" dieses zweifachen Verhaltens und Seins, des physischen 
{körperlichen, materiellen) und des psychischen (seelischen, 
geistigen) im Lichte philosophischer Kritik aufzufassen ist. 
Je nach dem Resultate, zu welchem die Überlegung gelangt, 
ergeben sich verschiedene Theorien, welche alle das gemein 
haben, daß sie einen, für sich allein oder auch für das 
bloße einzelwissenschaftliche Forschen unbegreiflichen Tat- 
bestand so gut als möglich begreiflich machen wollen. Ohne 
Hypothesen ist dies Ziel nicht zu erreichen, aber die 
Theorie wird den Anforderungen, welche die Logik an eine 
solche zu stellen berechtigt ist, um so besser genügen, je 
weniger Hypothetisches sie enthält und je besser dieses 
einerseits dem Geiste kritischer Methodik, anderseits ge- 

1* 



4 Einleitang. 

sicherten Erfahrungstatsachen und erprobten wissenschaft- 
Kchen Postulaten entspricht. 

Die Theorien, die sich auf das Verhältnis von Leib 
und Seele beziehen, lassen sich auf zwei Hauptklassen 
zurückführen. Erstens fragt man nach dem qualitativen 
und numerischen Verhältnis beider, d. h. a): sind Leib 
und Seele ihrer qualitativen Wesenheit nach verschieden 
oder irgendwie einerlei? b) sind Seele und Leib zwei 
Wesen oder nur Daseinsweisen eines einzigen Wesens? 
Diese Fragen beantwortet man verschieden, je nachdem 
man den Dualismus, den Materialismus, die Identitäts- 
lehre vertritt. Zweitens fragt man nach der funktio- 
nalen oder kausalen Relation zwischen Leib und Seele, 
und da nimmt man entweder eine Wechselwirkung oder 
einen bloßen Parallelismus zwischen Seelischem und 
Körperlichem an. Schließlich betrachten wir in Kürze die 
Stellungnahme einiger neuerer Denker zum Unsterb- 
lichkeitsproblem. 



I. Der Dualismus. 



1. Die Theorie. 

Der „Dualismus", von dem hier die Rede ist, ist der 
„anthropologische Dualismus". Er ist jene Lehre, nach 
welcher die Namen „Seele" und „Leib" sich wirklich auf 
zwei Wesen, zwei Realitäten beziehen. Gemeint ist also, 
daß die physischen und die psychischen Prozesse an eine 
Zweizahl von Wesen (Substanzen, Kräften) gebunden sind, 
welche im Organismus irgendwie miteinander verbunden 
sind. Dieser Dualismus ist zugleich ein „ontologischer", 
wenn er annimmt, daß Seele und Leib nicht bloß numerisch, 
sondern auch qualitativ, essentiell verschieden sind, derart, 
daß die beiden Wesen ihrer Natur nach völlig voneinander 
abweichen, ja zueinander im Gegensatz stehen. Hingegen 
ist es die Meinung des „spiritualistischen" Dualismus, daß 
es zwar zwei Wesen sind, die von uns als Seele und als 
Leib bezeichnet werden, daß diese aber qualitativ nicht 
völlig verschieden sind, sondern daß das, was den Leib 
zusammensetzt, ähnlicher Natur ist wie die Seele selbst. 

Nachdem schon im Altertum Piaton, Aristoteles, 
Plotin, im Mittelalter besonders Augustinus und die 
Scholastiker die fundamentale Verschiedenheit von Geist 
und Körper gelehrt hatten, begründete in neuerer Zeit 
Descartes die schroffe, anthropologisch-ontologische Form 
des Dualismus. Vor ihm war zwar auch schon die mensch- 
liche Seele als ein unkörperliches, mit dem Leibe ver- 



6 I. Der Dualismus. 

bundenes Wesen aufgefaßt worden, aber zugleich galt die 
Seele als das „Lebensprinzip", als die „substantielle Form" 
oder „Entelechie", welche den Organismus erst zu einem 
wirklich lebendigen macht, ihn gestaltet und in ihm ge- 
wisse Funktionen verursacht und reguliert. Völlig vom 
L eibe trennbar erscheint hier die Seele nur als vernünftige 
Seele, als Prinzip des Denkens. Im allgemeinen verhalten 
sich nach dieser Art des Dualismus Seele und Leib wie 
„Form" und „Stoff" eines Wesens, des Menschen, in dem 
sie geeint sind, so aber, daß die „Form" (im Sinne der 
Aristotelischen Lehre) ein substantiales, aktives Prinzip 
bedeutet, nicht etwa einen Zustand des Körpers.^) 

Descartes nun überspannt den Gegensatz von Seele 
und Leib auf das äußerste. Indem er die erfahrungsmäßig 
sich darbietenden Unterschiede, welche zwischen den Eigen- 
schaften des Körpers und denen des Greistes bestehen, 
metaphysisch ausdeutet, gelangt er zu dem Schlüsse, die 
Seele sei ein ganz anderes Wesen als der Leib. Gemein- 
sam ist ihnen nur das Moment der Substantialität, beide 
sind Substanzen, wenn auch (während des Lebens) „unvoll- 
ständige", da sie erst zusammen die Einheit „Mensch" 
konstituieren (Anklang an die Scholastik). Aber der Körper 
(bezw. der Leib des Menschen) besitzt als solcher keiner- 
lei „Innerlichkeit", kein Lebensprinzip, keine Innern Kräfte^ 
sondern ist nur ein Stück Materie, hat nur die Eigen- 
schaften dieser. Der Körper ist ausgedehnt (räumlich), ge- 
staltet, von außen bewegt oder bewegbar, zusammengesetzt, 
vergänglich. Von allen diesen Eigenschaften findet, nach Des- 



^) Nach Aristoteles ist die Seele die „erste Entelechie eines 
lebensfähigen Wesens, eines Organismus'S d. h. die sich selbst ver- 
wirklichende Aktivität des Organismus, die Verwirklichung der Lebens- 
potenz selbst (De anlma II, 1). Nach Augustinus ist die Seele 
„substantia spiritualis (De quantit. anim. 2,3). Nach ThomasAquinas 
ist sie „incorporea et subsistens", „forma per se subsistens", „sub- 
stantia Simplex*' (Summa theol., Paris 1879, I, 75). 



1. Die Theorie. 7 

cartes, das Denken nichts am eigenen Ich, am Subjekt des 
Denkens, an der Seele. Sie ist unansgedehnt, ohne Ge- 
stalt, ohne Bewegung; sie erscheint einfach, in sich be- 
harrend, ihr Wesen besteht im Bewußtsein (im „Denken"). 
Die psychischen Prozesse sind als Zustände und Tätigkeiten 
der Seele völlig verschieden von den materiellen Gescheh- 
nissen, welche allgemein sich auf Bewegung zurückführen 
lassen. Die Seele ist ein besonderes Wesen, welches wohl 
mit dem ganzen Leib verbunden ist, aber von einer be- 
stimmten Stelle desselben (der Zirbeldrüse des Gehirns) 
aus durch Vermittelung der (aus dem Blute hervorgehenden) 
„Lebensgeister" mit dem Körper in Wechselwirkung steht. 
Der Leib beeinflußt durch seine Bewegungen die Seele, 
diese wirkt auf den Leib ein; da aber Descartes selbst 
die Schwierigkeit einer Wechselwirkung zwischen so hete- 
rogenen Wesen bemerkt, nimmt er die „Assistenz Gottes" 
zu Hilfe, welche erst die psychophysische Wechselwirkung 
ermöglicht. Hierbei verändert die Seele keineswegs die 
„Bewegungsgröße" (m. v) des Körpers, sie vermag nur die 
Richtung der Bewegung ihres Leibes zu modifizieren. Die 
Lebensprozesse aber sind nicht Funktionen der Seele, 
sondern sind rein mechanisch zu begreifen. Die Tiere gar 
sind organische Automaten ohne Seele, ohne Bewußtsein.^) 
Das Ungenügende inDescartes' Begriffsbestimmung des 
Körpers führte zu einer Verdrängung der geometrischen 
Auffassung der Materie durch die dynamische bei Leib niz. 
Die Substanz bestimmt er als Kraftzentrum, als ein wir- 
kungsfähiges Wesen. Etwas rein Passives gibt es nach 
ihm nicht, auch der Erscheinung des Körpers liegen aktive, 
tätige Wesenheiten zugrunde. Alles Wirkliche ist Kraft, 
nicht als bloße Wirkungsfähigkeit, sondern als wirkungs- 
fähiges Subjekt, also substantielle Kraft. Die Substanz ist 



^) Principia philosophiae I, §8.53; Meditationes VI; Passiones 
animae I, § 30ff. 



6 I. Der Dualismus. 

ein Wesen, welches als Prinzip innerer Veränderungen ge- 
gedacht wird, als lebendiges, eine Reihe ,,innerer" Zustände 
entwickelndes Kraftzentrum („Entelechie", wie Leibniz 
mit Aristoteles sagt). Die Körper als Massen sind nur 
Phaenomene, aber„wolilgegründete", d.h. sie sind die Form, 
in welcher uns ein Aggregat einfacher Substanzen oder 
Kraftwesen, „Monaden", erscheint. Diese Monaden sind 
unserem eigenen Ich, unserer Seele analog: sie haben ein 
„Innensein", haben irgend einen Grad von Empfindung, 
sind selbsttätig und repräsentieren konzentriert in ihrer 
Einheit die unendliche Mannigfaltigkeit des Weltinhaltes. 
Die Seele ist nur graduell von den Körpermonaden ver- 
schieden, wenn sie auch ein einzelnes, besonderes, mit einer 
Anzahl von Körpermonaden zu einem Organismus ver- 
bundenes Wesen ist. Die menschliche Seele insbesondere 
hat nicht bloß Empfindung, Streben, Bewußtsein, sondern 
auch noch Selbstbewußtsein („Apperzeption"), sie besitzt 
die Fähigkeit der Reflexion, des Denkens, sie ist „Geist", 
d. h. Vemunftwesen. Sie ist die „herrschende" Monade im 
Organismus, ist eine „Ausstrahlung" Gottes, einfach, an 
sich unausgedehnt, beharrliöh, aber ihren Zuständen nach 
veränderlich, doch unteilbar und unvergänglich ; ohne einen, 
wenn auch winzigen, feinsten, unsichtbaren, Organismus 
besteht sie nicht, so selbständig sie ihrem Wesen nach ist. 
Sie ist nicht ein Wesen, das abgetrennt von seinen Zuständen 
besteht, sondern ist die Einheit einer Mannigfaltigkeit von 
Tätigkeiten, in denen sie sich entfaltet, zugleich ihre 
Identität bewahrend. Sie ist ein „lebendiger Spiegel" des 
Universums, dessen Inhalt sie mittelbar in ihrer Weise „aus- 
drückt", während sie unmittelbar diejenigen Vorgänge und 
Zustände erlebt, welche ihrem Leibe zugrundeliegen. Seele 
und Leib beeinflussen sich nicht direkt, sondern „entsprechen" 
einander kraft einer „prästabilierten Harmonie" (darüber 
später).^) 

*) Monadologie, § 15 ff; Principe de la nature § 4 ff. 



1. Die Theorie. 9 

Damit ist ein spiritualistischer Dualismus begründet, 
der an der numerischen Verschiedenheit von Seele und Leib 
festhält, aber den beiden eine verwandte, wesensgleiche 
Natur zuschreibt. Das physische Geschehen ist hiemach 
an sich unabhängig von unserer sinnlichen Wahrnehmung 
und von seinen Beziehungen zu anderen Dingen, also „für 
sich", dem psychischen Geschehen analog, ja es ist selbst 
psychisch. 

In etwas anderer Art führt den Dualismus Herbart 
durch. Auch er betrachtet die Seele und die den Körpern 
zugrundeliegenden Wirklichkeitsfaktoren („Reale") als 
wesensverwandt, insofern sie alle „innere" Zustände haben. 
Psychisch aber sind diese Zustände nur bei der Seele. 
Während ferner bei Leibniz das Wesen der Seele in ihrer 
vorstellenden und strebenden Tätigkeit selbst besteht, 
erklärt Herbart ihr Wesen für unbekannt. Die Seele ist 
ihm eine einfache, keinerlei Teile enthaltende Substanz 
hinter dem Bewußtsein. Die psychischen Vorgänge sind 
Eeaktionen der Seelensubstanz in dem „Zusammen" 
dieser mit Körpermonaden, aber sie konstituieren nicht das 
Was der Seele selbst. An sich ist die Seele durchaus 
beharrend, unveränderlich, da sie keine Vielheit von 
Zuständen, nur eine feste unwandelbare Qualität enthält. 
Erst die „Selbsterhaltungen" der Seele gegenüber den 
„Störungen", denen sie seitens der Umwelt ausgesetzt ist, 
sind das, was dem Bewußtseinsgeschehen unmittelbar zu- 
grunde liegt. Die Seele ist unräumlich, hat keinen festen 
Sitz im Leibe, sondern wirkt auf diesen von einem 
wechselnden mathematischen Punkt aus.^) 

Die Starrheit dieses Seelenbegriffes mußte selbst im 
Lager des Dualismus auffallen. Im Kampfe mit monistischen 



*) Allgemeine Metaphysik, Ausg. von Kehrbach II, 385 §312; 
Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie § 130; Psychologie als 
Wissenschaft I § 31, II, § 154 Lehrbuch zur Psychologie » S. 108ff. 



10 I* Der Daalismus. 

Lehren nahm denn auch der Dualismus eine mildere Form 
an, insofern nämlich der Begriff der seelischen Substanz 
sich wandelte. Dies geschah bei Lotze, der sich wieder 
Leibniz näherte, zugleich aber dem Monismus starke 
Konzessionen machte. Eine besondere, vom Leibe numerisch 
verschiedene Seelensubstanz anzunehmen, dazu meint 
Lotze, nötigt erstens die Natur unsres Intellectes, welcher 
keine Zustände oder Tätigkeiten ohne ein beharrendes 
Subjekt, einen „Träger" zu denken vermag, zweitens die 
Einheit des Bewußtseins und Ichs, die mit jeder anderen 
Art der Einheit unvergleichbar ist. Alle physische Einheit, 
auch die des organisierten Körpers, ist erst durch unseren 
Geist zu einer solchen zusammengefaßt, abgesehen davon 
setzt sie sich aus einer Vielheit von Teilen zusammen. 
Die Einheit des Bewußtseins hingegen ist ursprünglicher 
Art, ist nicht als eine Resultante einer Vielheit von 
psychischen Elementen zu begreifen. Jedes Bewußtseins- 
element setzt vielmehr schon die Einheit des Bewußtseins 
voraus, da es nicht selbständig existieren kann. Die Seele 
ist demnach ein einheitliches, substantielles Wesen, welches 
seine Tätigkeiten im Bewußtsein entfaltet. Aber sie ist 
kein „hartes und unzersprengbares Atom", keine unver- 
änderliche, starre Substanz, welche noch nach Abzug aller 
ihrer Zustände übrig bliebe, sondern Substanz ist die Seele 
nur, sofern sie ein wirkungsfähiges und im Wirken sich 
erhaltendes Wesen ist. Als „Träger des innem Lebens" 
wird die Seele (als Ich) im Selbstbewußtsein unmittelbar 
erlebt. Die Seele ist immateriell, unräumlich, übersinnlich, 
aber nicht von absoluter Einfachheit, da sie eine Vielheit 
von Zuständen einschließt. Auch ist sie nicht eine absolut 
selbständige Substanz, sondern ein relatives Kraftzentrum,, 
welches mit andern Monaden in der AUheit der göttlichen 
Substanz beschlossen ist. Mit dem Leibe, bezw. mit den 
diesen zusammensetzenden Monaden, steht sie in Wechsel- 
wirkung. Der „Ort" der Seele ist nicht fest, er ist keine 



1. Die Theorie. It 

umschriebene Stelle im Gehirn, sondern ein homogenes 
Parenchym, in welchem die Nervenerregungen sich aus- 
breiten und die Seele erreichen können.^) 

Eine solche Seelensubstanz im Sinne eines (stets oder 
zeitweilig) mit einem Körper verbundenen immateriellen 
Kraftwesens nehmen verschiedene Philosophen an, so 
LH. Fichte, Fortlage, Ulrici, M. Carriere, Brentano, 
6. Thiele, J. Bergmann, Gutberiet, Külpe, Witte,. 
Sigwart, L. Busse, W.James, Ladd, A. Vannerus u.a.^) 

Der Dualismus, von dem bisher die Rede war, ist 
substantialistischer Art. In neuester Zeit ist auch der 
Versuch gemacht worden, einen psychophysischen Dualismus^ 
im Sinne der Aktualitätstheorie aufzustellen. Nach 
dieser Theorie, die allerdings meistens von Monisten ver- 
treten wird, ist das Psychische nicht auf eine Seelen- 
substanz zurückzuführen, sondern die Seele ist identisch 
mit dem Bewußtseinszusammenhang bezw. mit dem Complex 
von Bewußtseinszuständen eines Individuums. Es ist dies 
die Anschauung der „subjektlosen" Psychologie, der 
„Psychologie ohne Seele", wie sie seit F. A. Lange ge- 
nannt wird.^) „Die Seele hat nicht Zustände oder Ver- 
mögen, wie Denken, Vorstellen, Fühlen, Haß usw., sondern 
diese Zustände in ihrer Gesamtheit sind die Seele" (Jodl,. 
Lehrbuch der Psychologie S. 31). Der „aktualistische" 



*) Metaphysik « S. 481 ; Mikrokosmos I, « 335. II, « 144 ff. ; Medi- 
zinische Psychologie S. 16ff., 180; Kleine Schriften II, 3ff.; Grund- 
züge der Psychologie §§ 63 ff. 

') vgl. insbesondere die Ausführungen über die Seelensubstanz 
bei Sigwart (Logik II,«, 201 ff., 655); Külpe (Einleitung in die 
Philosophie« S. 188 ff.); L. Busse (Geist und Körper S. 324ff.);- 
Lipps (Das Selbstbewußtsein S. 4ff.); Rehmke (Die Seele des 
Menschen S. 103 f.); James (Principles of Psychology I, 158 ff.); 
A. Vannerus (Archiv für systematische Philosophie I, 1895 S. 363 ff.). 

^) Die Aktualitätstheorie vertreten Spinoza, Hume, 
J. G. Fichte, J. St. Mill, Fechner, Paulsen, Wundt, Jodl,. 
Ribot, Cesca, E. Mach, Ebbinghaus, Jerusalem u. a. 



12 1. Der Dualismus. 

Dualismus nun besteht darin, daß das Psychische als eine 
eigene, spezifische, immaterielle Art des Geschehens von den 
physischen Vorgängen, mit denen es in Wechselwirkung 
^teht oder mit denen es in anderer (,.parallelistischer") Weise 
verknüpft ist, aufgefaßt ist. Als eine besondre Art der 
Energie betrachten das Psychische Külpe (Einleit. in 
die Philos.« S.144f.); Stumpf (Leib und Seele^ S.24); Ost- 
wald (Vorlesungen über Naturphilosophie*^ S. 377 f.) u. a.^) 



2. Znr Kritik des Dnalismns. 

Der Dualismus, welcher in älterer Zeit herrschend war, 
ivurde im 19. Jahrhundert durch monistische Seelentheorien, 
durch die „Identitätslehre" und den Materialismus, stark 
zurückgedrängt. In neuester Zeit mehren sich die Stimmen, 
welche erklären, der Dualismus sei keineswegs aufs Haupt 
geschlagen, er sei auch noch heute, vom Standpunkte einer 
fortgeschrittenen Psychologie und bei aller Beachtung der 
Abhängigkeit psychischer Vorgänge von physiologischen 
Prozessen haltbar. So wie der „Neo-Vitalismus" der 
Gegenwart der „mechanistischen" Biologie zu Leibe rückt, 
so sucht auch der Neo-Dualismus, der im wesentlichen den 
Spuren Lotzes folgt, den Monismus und den „Parallelismus" 
zu verdrängen, zum mindesten zu zeigen, daß der Dualismus 
wenn schon keine notwendige, so doch eine mögliche 
Ansicht ist. Der Grund für dieses Aufkommen dua- 
listischer Theorien liegt teils in Lücken oder Einseitig- 
keiten und Übertreibungen des Monismus, teils in den 
Schwierigkeiten, welche der Theorie des „psychophysischen 
Parallelismus", welche die moderne Psychologie größtenteils 
beherrscht, anzuhaften scheinen. Man glaubt, daß eine 



^) Die reale Verschiedenheit des Psychischen vom Physischen 
•betonen auch Her hart, Brentano, Stumpf, Busse, Jerusalem, 
Outberiet u. a. 



2. Zur Kritik des Dualismus. 13: 

Wechselwirkung zwischen Physischem und Psychischem 
doch möglich ist und kommt so leicht zu irgend einer 
Form des Dualismus, der die Tendenz hat, substan- 
tialistisch zu werden, weil sich immer wieder Leute finden, 
welche es nicht einsehen können, daß es psychische Zustände 
und Akte ohne substantiellen Träger, ohne Subjekt gibt 
Von dem, was der Dualismus am Monismus auszusetzen 
hat, wird aber erst später die Rede sein. 

Der Dualismus — der substantialistische insbesondere 
— setzt sich zusammen aus einer empirischen Tafsache 
und einer metaphysischen Deutung derselben. Denn 
daß die einfache, immaterielle, substantielle Seele, welche 
hier angenommen wird, nicht unmittelbar erlebt, wahr- 
genommen, erfahren, sondern erst aus der Einheit des^ 
Selbstbewußtseins erschlossen wird, womit jede mögliche 
Erfahrung überschritten wird, wird wohl allseitig zugegeben. 
Der Begriff der vom Leibe distinkt existierenden, ein- 
fachen, beharrlichen Seelensubstanz ist ein transzendenter 
Begriff, der allerdings in der Erfahrung eine Grundlage 
hat. Ist nun die Erfahrung wirklich so beschaffen, daß 
sie unbedingt zur Setzung einer solchen Seelensubstanz 
nötigt und ist ein solcher Seelenbegriff überhaupt mit der 
Erfahrung und mit anerkannten Tatsachen und Gesetzen 
verträglich ? Nach dieser Richtung hin muß hier die Kritik 
ihres Amtes walten. 

Wenn die Sprache psychische und physische Vorgänge 
unterscheidet, so gibt sie in der Tat erfahrungsmäßig zu 
konstatierenden Unterschieden ihre Namen. Meine „Er- 
fahrung" enhält als untrennbare Seiten oder Momente 
zweierlei: 1. Gegenstände im Räume mit qualitativ- 
quantitativen Veränderungen im Räume in gesetz- 
mäßigen, von meinem Wollen und individuellen 
Wirken völlig unabhängigen Verhältnissen undBe- 
ziehungen, 2. meine Erlebnisse, deren „Inhalt" teil- 
weise diese Gegenstände und ihre Eigenschaften 



14 I* ^^1* Doalismiis. 

bilden. Es sind nicht, wie der „naive Realismus" meint, 
erst Gegenstände da, zn denen die Erlebnisse hinzukommen, 
sondern das Ursprüngliche, Vorgefundene sind Erlebnisse, 
die einerseits einen regelmäßig wiederkehrenden, gesetz- 
mäßig verknüpften, objektiven „Inhalt" haben, anderseits 
wechselnde „Vorgänge" sind, die in einer permanenten 
Einheit, der des erlebenden „Subjekts" sich zusammen- 
schließen. Mein „Leib" ist zunächst nichts anderes als 
ein, besonders konstanter Teil meiner (des Subjektes) 
Erlebnisinhalte. Es gibt kein volles Erlebnis ohne Inhalt, ^) 
keinen Inhalt ohne irgend ein (wenn auch nicht gerade 
mein) Erlebnis. Nennt man die Einheit von Erlebnissen 
das Subjekt der Erfahrung, die Inhalte derselben ihr 
Objekt, so kann man sagen: „Kein Subjekt ohne Objekt, 
kein Objekt ohne Subjekt," womit die Korrelation beider 
Faktoren der Erfahrung formuliert ist. Den Inbegriff 
der an ein individuelles Subjekt gebundnen, zu 
einer individuellenEinheit zusammengeschlossenen 
Erlebnisse oder Bewußtseinsvorgänge nennen wir 
das Psychische, den Inbegriff derjenigen Erlebnis- 
inhalte, die sich (und sofern sie sich) gedanklich 
von der Zugehörigkeit zu einem (möglichen oder 
wirklichen) Erleben ablösen und als selbständige 
Glieder eines von unserer Willkür unabhängigen 
„Welt-Systems" betrachten lassen, nennen wir 
das Physische. Im Fortgange der wissenschaftlichen 
Abstraktion gelangt die Naturwissenschaft dazu, diese 
objektiven Inhalte der Erfahrung so sehr zu hypostasieren, 
daß sie in ihnen „Dinge an sich", d. h. Wesenheiten er- 



^) Ein ,,yoUes'*, „ursprÜDgiiches" Totaleriebnis enthält stets 
emtsn bestimmten „Inhalt^*, zum mindesten Organempfindungen. 
Gefühle allerdings, als eine „Seite" oder „Richtung** des Erlebnisses 
haben zwar verschiedene „Qualitäten' S aber keinen besondem eigenen 
Inhalt; doch ist ein Empfindungs- oder Vorstellungsinhalt stets, 
jnehr oder weniger bewußt, mit Gefühlen verknüpft. 



2. Zur Kritik des Dualismus. 15 

blickt, welche auch außerhalb jedweden Erlebens, jenseits 
aller Erfahrung, „transzendent" existieren. Es bleibt aber 
schließlich nicht aus, daß die Naturwissenschaft, gefördert 
durch die Arbeit der Erkenntniskritik, die prinzipielle 
Zugehörigkeit der Objekte als Erlebnisinhalte zum 
Subjekt, zum Erleben schlechthin, einsieht und beachtet. 
Bin konkreter psychischer Vorgang besteht darin, 
daß für ein bestimmtes Subjekt, in einer individuell be- 
stimmten Einheit ein Wechsel im Erleben statthat 
Die Beziehung zum Erlebniszentrum, zum Subjekt 
— das nicht mit dem entwickelten Ich des Selbstbewußt- 
seins zu verwechseln, sondern primär ist — ist für jedes 
Erlebnis als psychischen Vorgang wesentlich. Als „Ab- 
hängige" des Subjektes, als konkretes, unmittelbar 
erfaßtes Moment des Erlebens betrachtet, ist alles, 
was ich erlebe, „psychisch", d. h. es ist meine Empfindung, 
meine Vorstellung. Es ist insofern ein „Zustand" oder ein 
„Akt" des Subjektes bezw. ein „Wechsel" in solchen 
Zuständen. Die „Eigenschaften" psychischer Zustände und 
Vorgänge sind andere als die des Physischen. Erst dadurch 
ist ein Teil meiner Erlebnisinhalte „physisch," daß er ge- 
danklich aus der Beziehung zum Subjekt herausgehoben 
und als von mir und anderen unabhängige „Eigenschaft" 
eines einheitlichen Zusammenhanges, „Ding" genannt, auf- 
gefaßt wird. Die Eigenschaften solcher Dinge sind: Farbe, 
Härte, Wärme, räumUche Ausdehnung, Bewegung und 
dergL Vom Psychischen aber lassen sich solche Eigen- 
schaften nicht aussagen. Das Empfinden einer Farbe, 
d. h. ein Erlebnis etwa mit dem „Inhalt" Eot, ist nicht 
selbst farbig, das Vorstellen einer Ausdehnung im Räume 
oder einer Bewegung ist nicht selbst räumlich oder bewegt, 
usw. Mit anderen Worten: Die Bestimmtheiten und 
Veränderungen der (objektiven, verselbständigten, 
isoliert gedachten) Erlebnis- oder Bewußtseins- 
inhalte sind nicht identisch mit den Bestimmtheiten 



1() I. Der Dualismus. 

und Veränderungen der Erlebnisse als Zustände 
bezw. Akte des Subjektes. Die psychischen Akte sind 
demnach wohl intensiv und zeitlich, sie sind stark, schwach, 
lebendig u. dergl., nicht aber körperlich, räumlich u. dergl. 
Die Sinnesfunktionen, als Empfindungsvorgänge, ebenso die 
anderen psychischen Prozesse des Wahrnehmens, Denkens, 
Wöllens usw. sind nicht sinnlich wahrnehmbar, d. h. sie 
sind nicht Inhalte von Empfindungen oder Wahrnehmungen. 
Indem sie auftreten, sind sie „innere Wahrnehmungen", 
sind sie „für das Subjekt" da. In ihrer genaueren Be- 
schaffenheit als psychische Vorgänge aber werden sie erst 
als „Objekte" der innem „Aufmerksamkeit", der konkreten 
„Reflexion", d. h der Achtsamkeit auf den Bewußtseins- 
verlauf als solchen, bewußt und erkannt. Diese Reflexion 
kommt dann unter Umständen in einem Urteil über das 
als Erlebnis Beachtete zum Ausdruck, welches damit vollends 
aus einer bloßen Bewußtseinsfunktion zu einem Ge- 
wußten, zum Gegenstand eines Wissens und des Selbst- 
bewußtseins geworden ist. 

Diese Unterscheidung des Psychischen und des Physi- 
schen soll nicht etwa auf einer besonderen spekulativen 
Voraussetzung beruhen. Wir wollen hier weder eine 
„idealistische" noch eine „realistische" Erkenntnistheorie 
aufstellen, da wir es dahingestellt sein lassen, ob das 
Physische bloßer Erlebnisinhalt oder aber die Erscheinung 
eines „Ding an sich" ist. Die von uns getroffene Unter- 
scheidung ist nichts als das Ergebnis der Reflexion auf 
den ursprünglichen, erfahrung^mäßigen Sinn der Begriffe 
„psychisches Erleben" und „physisches Sein". Und da 
zeigt es sich, daß bei aller Zusammengehörigkeit des Sub- 
jektiven und Objektiven der an sich einheitlichen Erfahrung 
die aus ihr herausgehobenen Faktoren des Psychischen und 
Physischen in ihren Eigenschaften oder Bestimmtheiten 
wirklich voneinander sich unterscheiden. Es besteht in 
der Tat eine „empirische (phänomenale) Dualität" des 



2. Zur Kritik des Dualismus. 17 

Physischen und Psysischen, mag man letzten Endes auch 
zu einer „monistischen" Weltanschauung gelangen. 

Diese empirische Dualität nun verabsolutiert der 
Dualismus. Sei es, daß er die Existenz zweier selb- 
ständiger Reihen des Geschehens annimmt, sei es, daß er 
beide Seiten der Gesamterfahrung auf verschiedene Sub- 
jekte verteilt. Der substantialistische Dualismus löst ge- 
danklich die, in konkreter Wirklichkeit mit einem physischen 
Inhalt, mit einem „Leibe" untrennbar verbundenen psychi- 
schen Erlebnisse aus ihrer Korrelation zum Objektiven 
ab und bezieht sie auf eine besondere Substanz, als deren 
Äußerungen sie erscheinen. Schon auf einer primitiven 
Stufe der Kulturentwicklung entsteht ein substantialistischer 
Seelenbegriff. Erscheinungen verschiedener Art: Schatten, 
Spiegelbilder, Traumgesichter, Halluzinationen und dergl. 
erwecken den Glauben, daß der Mensch in doppelter Weise 
existiere, als beseelter, empfindender Leib und als unkörper- 
liches, aber doch nicht ganz immaterielles, sondern äthe- 
risches, schattenhaftes, ungreifbares Wesen, welches nach dem 
Tode weiterexistiert, nachdem es den Leib, in dem es wohnte 
und den es belebte, verlassen. Die Etymologie der Wörter 
Seele, Geist, ywxi^, anima usw. weist deutlich auf die ur- 
sprüngliche Auffassung der Seele hin. Später, bei den Philo- 
sophen, geschieht folgendes: die einen — die Materialisten 
— identifizieren die Seele, das Lebens- und Vernunft- 
prinzip, mit bestimmten feinen Teilen des Leibes selbst 
(Seelenatome bei Demokrit u. a.) oder mit einem be- 
stimmten Organe desselben (Seele als Gehirn) oder mit 
einer unsichtbaren, hypothetischen, ätherischen Substanz 
(Seele als Äther, Fluidum, „Metaorganismus" : Hellen- 
bach u. a.) — die anderen schreiten in der Abstraktion 
weiter fort und bestimmen die Seelensubstanz als völlig 
immateriell, als unräumlich und übersinnlich (Plato u. a.). 
Somit ist der volle Dualismus gegeben, der die Tätigkeiten 

Bisler, Leib und Seele. 2 



23 I- I^er Dualismas. 

und Zustände der Seele denen des Leibes als solchen 
schroff gegenüberstellt. 

Diejenigen, welche die Existenz einer besonderen 
Seelensubstanz behaupten, stützen ihre Annahme im 
wesentlichen auf zwei Gründe: erstens die Notwendigkeit, 
zu jedem Tun einen Täter, zu jedem Geschehen einen 
Substrat vorauszusetzen, zweitens die absolute Einheit des 
Bewußtseins. Sehen wir nun zu, wie es mit diesen Stützen 
steht. 

Es ist zuzugeben, daß wir keinen Zustand, kein Ge- 
schehen ohne ein Subjekt, dessen Prädikat es ist, 
denken können. Schon die Sprache weist darauf hin, 
welche alles Ausgesagte nach dem Schema „Subjekt- 
Prädikat" gliedert. Diese Gliederung ist aber auch psycho- 
logisch und logisch durchaus begründet. Die Gesetzlich- 
keit des Denkens fordert es, alles Veränderliche und 
Unselbständige an ein Selbständiges und Bleibendes, Kon- 
stantes anzuheften, und die Erfahrung zeigt uns ausnahms- 
los die Berechtigung solcher Synthesen. In der Tat: sind 
die Bewußtseinserlebnisse Vorgänge, Akte, Zustände, dann 
müssen sie einem selbständigen und permanenten Quell, 
einem konstanten Prinzip entspringen. 

Es ist femer richtig, daß die Einheit des Selbst- 
bewußtseins, der Subjektivität überhaupt, etwas Ur- 
sprüngliches ist oder einschließt und daß sie nicht als ein 
„Summationsphänomen", nicht als Produkt bloßer Verbindung 
von Elementen irgend welcher Art entstehen kann. Es 
gibt keine isolierten, selbständigen Bewußtseinselemente 
(Empfindungen, Vorstellungen usw.), welche etwa auch und 
schon vor der Subjekteinheit da sind. Das Bewußtsein 
läßt sich wohl in eine Reihe von Seiten, Faktoren, Momente, 
Elemente durch die unmittelbare Apperzeption und sodann 
begrifElich zerlegen, aber diese Elemente kommen nie und 
nirgends getrennt vom Ganzen selbständig vor. Sie sind 
keine Wesen, keine Kräfte, sie „tun" nichts, „erleiden" 



2. Zur Kritik des Dualismus. I9 

nichts; erst als Glieder des Bewußtseinszusammenhanges 
stehen sie in kausaler Eelation zueinander. Dieser Be- 
wußtseinszusammenhang ist nicht ein Aggregat schon 
vorher bestehender und wirksamer Elemente, sondern er 
ist gleichsam die Aus- und Entwicklung des ein- 
heitlichen Erlebnissubjekts, der „Seele". Wie es 
aber keine Erlebnisse ohne Subjekt gibt, so gibt es auch 
kein Subjekt ohne Erlebnisse. Es ist nicht erst ein Subjekt, 
eine Seele da, zu der das Bewußtsein hinzukommt, sondern 
das Subjekt ist in und mit dem Bewußtsein, dem* Erleben 
gegeben, es setzt sich und erhält sich im Erleben, ist 
diesem ebenso immanent, wie das Erleben ihm selbst 
immanent ist. Subjekt und Erlebnisakt sind die 
beiden untrennbaren Seiten des an sich einheit- 
lichen Bewußtseins. Das Subjektmoment liegt nicht 
jenseits des Bewußtseins, sondern ist ein Faktor der Be- 
wußtseinstätigkeit selbst. Erst das Denken und die Sprache 
trennt das in Wirklichkeit Zusammengehörende vonein- 
ander und stellt das Tun und Erleiden dem Subjekt ent- 
gegen. In Wirklichkeit vermag das Subjekt die Mannig- 
faltigkeit seiner Erlebnisse wohl von seiner Einheit zu 
unterscheiden, aber daraus folgt keineswegs die Möglich- 
keit der Existenz des Subjekts unabhängig vom Bewußtsein. 
Die „Aktualitätstheorie" in jener extremen Form, 
welche unter „Seele" nichts als die Summe, ein „Bündel", 
einen „Komplex" psychischer Elemente versteht, verstößt 
gegen die Erfahrung. Diese zeigt uns nicht bloß eine 
Vielheit von Bewußtseinszuständen, sondern zugleich eine 
sich in diesen selbst erhaltende Einheit. Die Sub- 
stantialitätstheorie des Dualismus wiederum geht zu weit, 
indem sie die Subjekteinheit hypostasiert, aus ihr gedank- 
lich ein für sich existierendes, beharrendes, einfaches 
Wesen macht. Gerade weil schon in und mit dem Be- 
wußtsein ein einheitliches, relativ permanentes und 'wirkungs- 
fähiges Subjekt gegeben ist, bedarf es nicht erst der meta- 



20 I* Der Dualismus. 

physischen Setzung eines besondern Wesens, welches irgend- 
woher kommt und mit dem Organismus sich verbindet. 
Die unmittelbare Eealität des Bewußtseins als solchen und 
das Charakteristische desselben, ein einheitliches, mit sich 
identisches, sich in der Mannigfaltigkeit seiner Inhalte 
immer wieder — während des Lebens wenigstens — 
setzendes Subjektmoment zu enthalten, macht die An- 
nahme eines besonderen Seelenwesens im Sinne einer 
Substanz hinter dem Bewußtsein unnötig.^) Eine absolut 
beharrende, unveränderliche Seelensubstanz ist wegen des 
unaufhörlichen Werdens und Geschehens im Bewußtsein 
nicht wahrhaft denkbar. „Die innere Kausalität unseres 
geistigen Lebens ist mit dem unveränderlichen Beharren 
einer Substanz nicht vereinbar" (Wundt). Ist die Seele 
Substanz", so kann sie dies jedenfalls nicht in dem Sinne 
sein, in welchem man in der Physik von unveränderlichen 
Substanzelementen (Atomen) spricht. Das gestehen sogar die 
Dualisten der Lotzeschen Eichtung ein, wie A. Vann6ru& 
und L. Busse, welcher ausdrücklich bemerkt: „Genau 
in derselben Weise, wie wir ein Atom eine Substanz 
nennen, nennen wir freilich die Seele nicht Substanz, aber 
bei aller Verschiedenheit der beiden Arten von Substanzen 
sind doch die allgemeinen Voraussetzungen, welche über- 
haupt den SubstanzbegrifE erforderlich machen, hier wie 
dort dieselben" (Geist und Körper S. 337 f.). 

Eine unüberbrückbare Kluft besteht in der Tat nur 
zwischen den Anhängern der absolut beharrlichen, absolut 
einfachen Seelensubstanz und der extremen Aktualitäts- 
theorie. Wenn die Neo-Dualisten zugeben, daß die Seele 
nicht absolut beharrlich und einfach, sowie daß sie nicht, 
ohne die und außerhalb der Bewußtseinsakte existiert, so 
nähern sie sich dem Aktualismus nicht wenig. Und wenn 

^) vgl. Wundt, Logik 112,2 S. 295 ff.; Grundriß der Psycho- 
logie ^ S. 386; Philosoph. Studien X,76, XII, 41; Essays 5 S. 128;. 
System der Philosophie ^ S. 260 ff., 277 ff. 



2. Zur Kritik des Dualismus. 21 

der letztere anerkennt, daß das Bewußtsein einen relativ 
permanenten, sich selbst erhaltenden und das Ganze der 
Bewußtseinsvielheit durchziehenden Faktor enthält und daß 
dieser Faktor, das Bewußtseinssubjekt, von urspiUnglicher 
Einheit ist, so kommt er dem Substantialismus so weit 
entgegen, als es die unbefangene Auffassung der Erfahrung 
gestattet^) Ein absolut einfaches Seelenwesen ist nicht 
mit der Vielheit psychischer Zustände vereinbar, aus der 
Einheit des Subjekts folgt die Existenz eines solchen 
Wesens noch keineswegs, wie schon Kant {in der Er- 
örterung der „Paralogismen", Kritik der reinen Vernunft, 
Ausgabe von Kehrbach S. 296 fE.) dargetan hat. Das Sub- 
jekt, die Seele, ist wohl einheitlich, eine sich als Ein- 
heit setzende und zugleich ihren Inhalt zur Einheit 
stetig verknüpfende Kraft der „Binheitsfunktion"! 
aber sie ist deswegen doch nicht ein einfaches Wesen. 
Einheit ist die Seele auch insofern, als sie nicht eigentlich 
„Teile" hat; die Vorstellungen usw. sind nicht Teile, sondern 
Aktionen bezw. Eeaktionen der Seele und Glieder des 
Bewußtseinszusammenhanges, der „entfalteten" Seelen- 
einheit. Einheit ist die Seele femer, insofern sie sich 
immer wieder als Dasselbe, als ein mit sich Identisches 
setzt 

Will man also die Seele eine „Substanz" nennen, so 
muß dies mit einer Reihe von Reservationen geschehen, 
um den Tatsachen der „innem" Erfahrung gerecht zu 
werden. Es ist daher empfehlenswert, die Seele nicht 
Substanz, sondern Subjekt zu nennen. Indem wir dies 



*) Nach Wundt lehrt die Aktualitätstheorie erstens die un- 
mittelbare Realität der Bewußtseinsprozesse selbst, zweitens dies, 
daß das geistige Leben „nicht eine Verbindung unveränderter Objekte 
und wechselnder Zustände, sondern in allen seinen Bestandteilen 
Ereignis, nicht ruhendes Sein, sondern Tätigkeit, nicht Stillstand, 
sonden^ Entwicklung" ist (Vorlesungen über die Me n sc h en- und 
Tierseele « S.495). 



22 !• Der Dualismus. 

tun, vermeiden wir jede transzendent-metaphysische Hypo- 
these, bringen die Einheit und Permanenz der Seele ge- 
bührend zur Geltung und tragen zugleich den Intentionen 
der wohlverstandenen Aktualitätstheorie Rechnung. Das- 
jenige Moment im SubstanzbegrifE, welches auch für das 
Psychische gilt, ist im SubjektbegriflE enthalten ohne die- 
jenigen Elemente, welche den Seelenbegriff zu einem 
metaphysischen und für die Psychologie wenig brauchbaren 
gestalten. Die Psychologie hat also recht, wenn sie 
erklärt, ein substantieller Seelenbegriff im metaphysi- 
schen Sinne leiste ihr nichts (Wundt, Syst. d. Philos. ® 
S. 279f., 360 f.; Paulsen, Einleitung in die Philosophie^ 
S. 1341). Aber sie weigert sich mit Unrecht, ein ein- 
heitliches Subjekt anzuerkennen, aus dessen Aktionen 
und Reaktionen, welche in typisch -gesetzlicher Weise 
erfolgen, sie die Einzelfälle des Bewußtseinsgeschehens 
zu erklären vermag. Eine Psychologie ohne Subjekt, wie 
sie etwa Münsterberg verlangt, tut den Tatsachen Ge- 
walt an, verfälscht sie, spricht von Vorgängen, die aus 
dem konkret-lebendigen Bewußtseinszusammenhang gerissen 
und zu selbständigen Elementen gemacht werden, denen als 
solchen freilich keine Wirksamkeit, keine psychische Kau- 
salität mehr eigen sein kann, so daß sie letzten Endes 
nur als abhängige Funktionen physiologischer Prozesse be- 
griffen werden sollen.^) Die von der Aktion des Subjekts 
losgelösten, isolierten, abstrakten Erlebnisinhalte sind ein 
Unwirkliches, Unwirksames. Eine psychologische Erklärung 
des Seelenlebens ist damit nicht mehr möglich, die Psycho- 
logie wird zu einem Annex der Physiologie und gerade 
das, dessen Erklärung und Verständnis für Theorie und 
Praxis so wertvoll ist, das konkrete Geistesleben mit 
seinen Elementen, Momenten, Motiven, „inneren" Ursachen 
und Wirkungen, erscheint unerreichbar. 



^) Gruodzuge der Psychologie I S. 57 ff., 202, 382. 



2. Zur Kritik des Dualismus. 23 

Ist also anzuerkennen, daß die Seele das Subjekt der 
psychischen Vorgänge ist — was nicht identisch ist mit einem 
„Substrat" derselben — so ist es möglich, daß dasselbe 
Subjekt, welches als empfindendes, wollendes usw. Seele 
heißt, „Seele" ist, zugleich das Subjekt ist, welches vom 
Standpunkt der „äußern", sinnlich vermittelten Erfahrung 
und der auf ihr fußenden Erkenntnis „Körper" heißt und 
ist. Nennen wir dieses gemeinsame Subjekt, sofern es 
eine bewußte Organisation der Funktionen aufweist, Mensch, 
so können wir vielleicht sagen, an sich gebe es noch keine 
Seelen, aber auch noch keine Körper, sondern der Mensch 
sei eines der Subjekte, welches im Hinblick auf 
die Prädikate der Bewußtseinsakte Seele, in Be- 
ziehung auf die Prädikate der objektiven Erlebnis- 
inhalte (Ausdehnung, Bewegung usw.) Körper (Leib) 
heißt und ist. Es ist damit nicht etwa gesagt, daß die 
materielle Substanz zugleich der Träger des Seelenlebens 
ist, auch nicht, daß die Seele die Substanz des Leibes ist, 
sondern nur, daß ebendasselbe, Identische, was in einer 
Hinsicht Bewußtseinssubjekt ist, in andrer Hinsicht, als 
Objekt sinnlicher Wahrnehmung und abstrakt-physikalischer 
Erkenntnis, sich als materielle Substanz, als Leib darstellt. 

Wir wollen diesen monistischen Gedanken vorläufig 
noch nicht genauer analysieren, aber auf eines müssen wir 
schon an dieser Stelle aufmerksam machen. Der Dualismus 
ist auf dem Boden einer realistischen Erkenntnistheorie 
erwachsen. Seitdem ist aber die Einsicht gereift, daß das 
Physische als solches kein „Ding an sich", kein absolut 
vom Bewußtsein Unabhängiges ist, weil es sich aus Quali- 
täten zusammensetzt, die nur als Inhalt irgend eines Bewußt- 
seins Sinn und Bestand haben. Das Physische ist zwar 
von jedem individuellen Wollen und Denken bezüglich des 
Ortes und der Zeit seines Auftretens sowie bezüglich seiner 
gesetzlich-kausalen Verbindung mit anderem Physischen 
unabhängig, bleibt aber doch immer Inhalt einer aktuellen 



24 I- Der Dualismus. 

oder möglichen Erfahrung. Der Streit kann nur noch 
darüber obwalten, ob das Physische sich darin erschöpft, 
konstanter, objektiver Erfahrungsinhalt zu sein, oder ob 
es als Erscheinung eines ganz anders beschaffenen, von 
unserem Erkennen vöUig unabhängigen „Ansich-Sein" be- 
trachtet werden darf, kurz, ob der reine Idealismus oder 
der „objektive Phänomenalismus" (Ideal-Realismus) zu Recht 
besteht. Vielleicht sind beide Standpunkte möglich, doch 
glaube ich aus mehrfachen Gründen den Phänomenalismus 
vorziehen zu dürfen.^) Hier kommt es aber zunächst nur 
darauf an, zu betonen, daß das Körperliche als solches 
nicht neben dem Bewußtsein als absolute Wesenheit existiert, 
wenn es auch „empirische Realität" (Kant) hat, d. h. in 
streng gesetzlicher Weise sich jedem Subjekt unter ge- 
wissen Bedingungen darstellt, darstellen muß, so daß es 
weit entfernt ist, bloßer „Schein", bloße „Illusion", bloß 
individuell-subjektiv zu sein. Ist es nun ein Merkmal 
alles Physischen, Inhalt eines Bewußtseins zu sein, irgend 
ein Subjektmoment als Korrelat vorauszusetzen, so hat es 
keinen Sinn mehr, zwei voneinander absolut verschiedene 
und getrennte, selbständige Welten anzunehmen. Es gibt 
demnach weder zwei heterogene Substanzen noch zwei 
heterogene reale Geschehnisse, die irgendwie miteinander 
verknüpft sind. Psychisches und Physisches sind zwar 
qualitativ unterschieden, sie sind aber nicht zwei 
Wesenheiten, sondern nur zweiSei|;en, die aus der 
einen, in sich ungeteilten Gesamterfahrung sich 
abstrahieren lassen, je nachdem man seine Auf- 
merksamkeit ausschießlich auf die Erlebnisse als 
Aktionen und Reaktionen des Subjektes oder auf 
den objektiv-gesetzlichen Zusammenhang der Er- 
lebnisinhalte in ihrer möglichsten Abstraktion vom 
Subjekt — Ausschaltung des individuellen Faktors 



^) vgl. meine „Kritische Einführung in die Philosophie" S.82ff. 



2. Zur Kritik des Dualismus. 25 

— richtet. Man kann sag'en: Vor aller begriföichen Zer- 
legung der Gesamterfahnmg ist dieselbe weder psychisch 
noch physisch, nach der Gewinnung zweier Stand- oder 
Gesichtspunkte der Betrachtung ist sie sowohl psychisch 
als physisch. Sie selbst ist das (empirisch) Identische, 
das in zweierlei Weise und in bezug auf verschiedene 
ihrer Seiten aufgefaßt und erkannt wird. Wie die Inter- 
pretation dieses Tatbestandes zur Aufstellung einer Art 
des Monismus führt, wird später gezeigt werden. Hier 
sollte nur zum Ausdruck kommen, daß die empirische 
Dualität der Erscheinungen, auf die sich der Dualismus 
beruft, nicht im mindesten zu einem metaphysischen Dualis- 
mus fähren muß. Und femer sollte dargetan werden, 
warum vom Standpunkte der Erkenntniskritik die An- 
nahme zweier gleich realer und selbständiger Seinsweisen 
nicht zulässig ist. Ein Dualismus etwa in der Form, in 
der er bei Descartes auftritt, wird denn auch nicht zu 
halten sein, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, 
welche sich der Annahme einer Wechselwirkung zwischen 
zwei heterogenen Wesen oder Vorgängen entgegenstellen. 
Diese Schwierigkeiten werden wir erst an einer andern 
Stelle zu erörtern haben. 

Der spiritualistische Dualismus, welcher die Phäno- 
menalität des Physischen anerkennt, begeht den Fehler, 
daß er Psychisches und Physisches doch insofern als gleich 
• reale Wesenheiten auffaßt, als er nicht bloß das Psychische 
auf das Physische, sondern auch dieses auf jenes wirken 
läßt. Da das Psychische und das Physische nur zwei 
Seiten eines und desselben Erfahrungsganzen sind, da sie 
nicht erst äußerlich zueinander kommen, nicht isoliert, 
selbständig existieren, so können sie nicht aufeinander 
wirken. Die „Monaden", deren Erscheinung die Körper 
sind, können wohl mit der Seele, dem Subjekt in Wechsel- 
wirkung stehen, nicht aber kann eine bloße Erscheinung, 
welche den Inhalt eines absolut realen Prozesses, des 



26 I- I^er Dualismus. 

Bewußtseins nämlich, bildet, einen Bewußtseinsvorgang- 
bewirken oder auf ihn wirken. Wo ein Bewußtseinsinhalt 
auf ein Psychisches „wirkt", da tut er dies in Wahrheit 
nur als etwas Psychisches, als Glied des Bewußtseins- 
zusammenhanges. Davon wird weiter unten noch die^ 
Rede sein. Also auch der spiritualistische Dualismus in 
der Form einer Wechselwirkungstheorie wird der logisch 
bearbeiteten Erfahrung nicht gerecht, und es war denn, 
auch von Leibniz ganz richtig gedacht, daß er seinen 
Dualismus von Seelen- und Körpermonaden mit einer 
„parallelistischen" Theorie verbinden zu müssen glaubte, 
durch die jede Wechselwirkung ausgeschlossen wird. 

Nur in einem Falle läßt sich die Annahme eines be- 
sondern Seelenwesens einigermaßen rechtfertigen. Nämlich 
wenn man, wie Leibniz, die Wirklichkeit aus einer Un- 
endlichkeit isolierter, einfacher, substantieller Wesen zu- 
sammengesetzt denkt, sie also atomisiert. Dann freilich 
ist es schwer zu begreifen, wie die Einheit eines mensch- 
lichen Bewußtseins aus der bloßen Vereinigung vieler 
Monaden zu einem Organismus resultieren soll. Dann 
scheint es einer „herrschenden" Obermonade zu bedürfen, 
welche (analog dem Stoischen „Hegemonikon") das seelische^ 
Leben lenkt und zusammenhält. Aber die Notwendigkeit 
der Setzung einer Vielheit absolut selbständiger Monaden 
besteht nicht, ja sie ist mit großen Schwierigkeiten ver- 
knüpft, die schließlich, so bei Lotze, dazu führen, den* 
innem Zusammenhang der Wirklichkeitsfaktoren in der 
Einheit des göttlichen Allseins zuzugeben. Relativ selb- 
ständige Kraftzentren, individuelle Ausgangspunkte, Subjekte 
von Aktionen kann man annehmen, aber nicht als zusammen- 
hangslose, isolierte Substanzen, sondern als Glieder des. 
universalen Zusammenhanges, dessen primäre Ein- 
heit jedem dieser Glieder immanent ist. Die 
Subjekteinheit, die von der sekundären Einheit des ent- 
wickelten Selbstbewußtseins, des historischen („empirischen") 



2. Zur Kritik des Dualismus. 27 

Ich zu unterscheiden ist, ist demnach weder ein 
Summationsphänomen noch eine einfache und absolut selb- 
ständige Substanz, sondern eine Modifikation der uni- 
versalen Einheit, die gegenüber anderen Modifikationen 
derselben relative Selbständigkeit und Individualität besitzt, 
nicht weniger und nicht mehr, als die innere Erfahrung 
erkennen läßt. Was dem Bewußtsein als solchem angehört, 
ist von unmittelbarer und voller Wirklichkeit. 
Ebenso wie die Mannigfaltigkeit ist auch die Einheit des 
Bewußtseins nicht Schein oder Illusion, sondern etwas 
durchaus Wirkliches und Wirksames. Eine^ absolute Ein-^ 
fachheit oder isolierte Substantialität aber ist im Bewußt- 
sein nirgends zu finden, sie ist eine rein metaphysische 
Hypothese, welche durch die Erfahrung keineswegs ge- 
fordert erscheint. 

Das „allzu Metaphysische" des Dualismus zeigt sich 
auch darin, daß er die Vereinigung der Seele mit dem 
Leibe nicht ohne Überschreitung aller Erfahrung begreiflich 
machen kann. Entweder er nimmt an, die Seele trete 
bei der Zeugung oder Geburt zum Leibe hinzu, sei es, 
von Gott geschaffen, oder schon vorher irgendwie vor- 
handen. Dies ist die Ansicht, welche als „Kreatianismus" 
schon früh aufgetreten ist. In neuerer Zeit vertritt diese 
Lehre u. a. Lotze. Ähnlich erklärt Busse: „Und wie 
die Entstehung des Geistigen überhaupt, so ist auch die^ 
Entstehung höherer Wesen an das Vorhandensein be-^ 
stimmter physischer Bedingungen gebunden. Wenn und 
wo immer die Bedingungen für die Betätigung einer 
höheren seelischen Wesensart gegeben sind, da tritt sie^ 
auf, nicht aus dem bereits vorhandenen geistigen Stoffe 
durch Um- und Fortbildung hervorgehend, sondern zu ihm 
hinzutretend als eine neue, durch den Sinn des Ganzen 
geforderte und vom Weltlauf an das Erfülltsein bestimmter 
Bedingungen geknüpfte Form geistigen Daseins" (Geist 
und Körper S. 476). Oder aber es wird, im Sinne des^ 



28 I- ^^^ Dualismus. 

„Traducianismus**, gelehrt, die Seele des Kindes sei ein 
Sprößling der elterlichen Seele. Macht die erste Annahme 
znviel Anleihen bei der metaphysischen Spekulation, so 
enthält die zweite einen richtigen Gedanken, der aber in 
dieser Form nicht durchführbar ist. Wie kann eine absolut 
einfache, substantielle Seele aus sich eine neue Seele 
hervorgehen lassen, da sie keiner Teilung zugänglich ist? 
Von wem stammt femer die Seele des Kindes ab, .von 
der des Vaters oder der der Mutter, oder von beiden, 
und wenn das letztere der Fall ist: wie können zwei Seelen- 
substanzen zusammen eine dritte erzeugen, da doch eine 
Verschmelzung der Eltemseelen nicht anzunehmen ist? 
Der Monismus kann ja allerdings auch nicht das Rätsel 
■der psychischen Zeugung vollständig erklären, aber er hat 
wenigstens den Vorteil, das Problem mehr empirisch, mehr 
im Rahmen der einzelwissenschaftlichen Denkweise be- 
iirbeiten zu können. 

Besonderen Schwierigkeiten begegnet der Dualismus 
hinsichtlich der Erklärung des Zusammenhanges der 
seelischen und leiblichen Funktionen und Zustände. Die 
genaue Koordination psychischer und physischer Vorgänge, 
wie sie die Erfahrung unzweifelhaft dartut, ist bei der 
Annahme zweier selbständiger Wesenheiten schwer zu 
begreifen. Es erscheint bedenklich, daß eine so selb- 
ständige Substanz, wie die Seele es sein soll, in ihren 
Zuständen und Aktionen so abhängig von einer ganz 
andern Wesenheit ist, von der man nicht recht einzusehen 
vermag, wie sie, der komplizierte, zusammengesetzte Leib, 
auf das beharrliche, absolut einfache und immaterielle 
Seelenwesen so einzuwirken vermag, daß die Zustände der 
Seele so vollkommen den Vorgängen im leiblichen Orga- 
nismus entsprechen. Die Entstehung und Entwicklung der 
psychischen Fähigkeiten, die mannigfachen Variierungen 
und Störungen bezw. Annihilationen derselben, erscheinen 
m sehr an organische Strukturen, Prozesse, Veränderungen 



2. Zar Kritik des Dualismus. 29* 

gebunden, daß schon diese Untrennbarkeit des Psychischen 
und des Physischen im Organismus gegen die Existenz 
einer selbständigen Seelenmonade spricht. Aus einer 
Wechselwirkung zwischen zwei so verschiedenen Wesen 
oder zwischen zwei selbständigen Reihen des Geschehens^ 
ist die durchgängige Korrelation des Psychischen und 
Physischen schon deshalb nicht zu begreifen, weil eine 
solche Wechselwirkung unentbehrlichen oder doch höchst 
fruchtbaren wissenschaftlichen, methodologischen Prinzipien 
widerspricht. 

Auch die an den Dualismus sich knüpfende Frage^ 
nach dem „Sitz der Seele" bezeugt die Schwäche dea 
ganzen Standpunktes. Man mag noch so sehr beteuern, 
daß die Seele zwar in einem „mathematischen Punkt" 
auf den Leib einwirken und von diesem Einflüsse erfahre,, 
selbst aber durchaus unräumlicher Natur sei, so ist es 
doch sicher, daß die immaterielle Seele von irgend einer, 
wenn auch punktuellen Eaumstelle aus nicht wirken kann, 
ohne selbst zu einem Wesen mit räumlicher Bestimmtheit 
zu werden. Hierin sowie in der Annahme einer Wechsel- 
wirkung zwischen Seele und Leib tritt es ganz deutlich 
zutage, daß die Seelensübstanz ursprünglich in materieller 
oder quasimaterieller NaturbeschafEenheit gedacht wurde 
und daß selbst die abstrakteste Fassung des substantia- 
listischen SeelenbegrifEs nicht frei von einem materia- 
listischen Einschlag ist. Das gilt auch für den Fall, 
daß die Dualisten auf einen besonderen Seelensitz ver- 
zichten und von einer „Durchdringung" des Gesamt- 
organismus seitens der Seele reden. In jedem Falle bleibt 
die Art und Weise der Vereinigung der substantiellen 
Seele mit dem Körper unbegreiflich. 

Endlich ist noch zu bemerken, daß die Setzung einer 
doppelten Welt: einer Welt von Körpern, Massen, Ener- 
gien bezw. von ihnen zugrundeliegenden starren, nicht ent- 
wicklungsfähigen „Monaden", und einer Welt von Seelen, 



.^0 I* ^^^ Dualismus. 

die von Ewigkeit her existieren oder zur Existenz bestimmt 
sind und für deren Betätigung und Zwecke die „Natur" 
allein da sein soll, dem nach Einheit des Seienden 
•energisch zustrebenden Denken und insbesondere dem 
Oeiste der modernen, das Stetigkeitsprinzip im „Evolutio- 
nismus" zur Geltung bringenden Wissenschaft jedenfalls 
weit weniger gerecht wird als der Monismus. Die Wechsel- 
beziehungen zwischen den Seelen und den Körpern ver- 
mögen keineswegs jene Einheit herzustellen, als welche 
die Wirklichkeit einem umfassenden „Geistesblick" sich 
darstellt. Wenn Stumpf (Leib und Seele * S. 24 f.) meint, 
„. . . nicht so sehr die Gleichartigkeit der Elemente oder 
der Prozesse als die Allgemeinheit des Kausalzusammen- 
hanges und die Einheitlichkeit der letzten und höchsten 
Oesetze ist es, die wir von einem einheitlichen Weltganzen 
verlangen müssen", so ist dies ja nicht zu bestreiten, vor- 
ausgesetzt, daß die Elemente oder Prozesse, welche in 
Wechselwirkung stehen sollen, auch wirklich in Wechsel- 
wirkung stehen können. Und das ist, wie später zu zeigen 
verbucht werden wird, bei Annahme der Getrenntheit, 
Selbständigkeit des Physischen und des Psychischen nicht 
der Fall. Wenn man freilich mit Stumpf das Psychische 
als eine „Anhäufung von Energien eigener Art" anzusehen 
geneigt, die ihr „genaues mechanisches Äquivalent" hat 
j(a. a. 0. S. 24), es also zu einer Art des Naturgeschehens 
macht, ja es geradezu einer physischen Energie gleich- 
setzt, dann kann man freilich glauben, daß auch ein psycho- 
physischer „Dualismus" im Grunde „monistisch" sei. 

Es sei zum Schlüsse dieses Abschnittes nochmals be- 
tont: die empirische Dualität des Physischen und Psychischen 
im Sinne zweier Betrachtungsweisen oder zweier Er- 
scheinungen einer und derselben Wesenheit ist nicht zu 
bestreiten. Wie diese Dualität des näheren aufzufassen 
und zu deuten ist, wird der folgende Abschnitt dartun. 
Mag diese oder jene Form des Monismus, dem wir uns 



2. Zur Kritik des Dualismus. 31 

nun zuwenden, berechtigt oder zu bevorzugen sein, das 
Oemeinsame eines jeden Monismus, die Betonung der 
Einheit des Wirklichen, des Wesens, welches sich 
•der Erfahrung darbietet, die Ablehnung einer be- 
sonderen, jenseits aller möglichen Erfahrung 
stehenden, mit dem Leibe nur äußerlich verbun- 
denen, auch leiblos existieren könnenden Seelen- 
substanz müssen wir schon jetzt gut heißen. 



IL Der Materialismus. 



1. Die Lehre. 

Der Materialismus ist jene Form des Monismus, welche 
den Standpunkt der äußern Erfahrung so sehr verallge- 
meinert und verselbständigt, daß die empirische Qualität 
der Betrachtungsweisen der einen Wirklichkeit nicht oder 
nicht gebührend zur Geltung kommt. Es gibt verschiedene 
Abarten des Materialismus, aber alle stimmen darin überein^ 
daß das, was wahrhaft existiert, was absolute Eealität hat 
oder aus dem einzig und allein das Psychische und dessen 
Zusammenhang zu erklären ist, die Materie bezw. bestimmte 
Gestaltungen derselben und bestimmte materielle, physische 
Vorgänge und Gesetzmäßigkeiten sind. Für jedenMaterialisten 
ist — wenigstens innerhalb der Psychologie — die „Seele'' 
nichts anderes als das Gehirn mit seinen durch das Nerven- 
system vermittelten Funktionen. Von jenem „Materialis- 
mus", der zwar die psychischen Zusammenhänge rein 
physiologisch erklären will, das Physische selbst aber letzten 
Endes als bloße Erscheinung eines Immateriellen oder als 
bloße Objektivierung unserer räumlichen Vorstellungsinhalte 
betrachtet (wie etwa F. A. Lange, Münsterberg u. a.)^ 
sehen wir zunächst ab und reden vom anthropologisch- 
psychologischen und zugleich „ontologischen", endgültigen 
Materialismus. 

In einer ersten Form lehrt der Materialismus, das 
Psychische (das Bewußtsein) selbst sei in Wahrheit nur 



1. Die Lehre, 33 

etwas Physisches, es sei entweder eine Art Stoff, etwa 
eine Ausscheidung des Gehirns, oder eine materielle Eigen- 
schaft, ein physischer Prozeß, eine Bewegung bezw. ein 
Komplex von Bewegungen von Molekülen und Atomen 
des Zentralnervensystems. Wenn die Materie aus dem 
Zustande des Anorganischen in den des Organischen über- 
gegangen ist und ein reizbares Protoplasma sich heraus- 
gebildet hat, finden jene komplizierten Bewegungen an einer 
hoch zusammengesetzten und verwickelten Struktur statt, 
welche wir psychische Vorgänge nennen. Die Empfindung 
ist eine besondere Art der Bewegung, das Denken ebenso 
usw. Es gibt keine Seele, keine immaterielle Substanz, 
aber auch kein immaterielles Geschehen. Alle Vorgänge 
in der Welt sind räumliche Veränderungen beharrender 
Massen oder Energien ; ein Spezialfall dieser Veränderungen 
sind die organischen, physiologischen Prozesse, und einen 
Spezialfall dieser wiederum stellen die sogen, psychischen 
Vorgänge dar. Die Psychologie ist daher nur ein beson- 
derer Teil der Physiologie. Während manche Materialisten 
die Bewußtseinsvorgänge mit den psychischen Prozessen 
identifizieren und sie als einen Teil des physischen Ge- 
schehens betrachten, meinen andere, das sogen. „Psychische" 
sei in Wahrheit ein physischer Vorgang, ein Nervenprozeß, 
das „Bewußtsein" aber mit seinen qualitativen Verände- 
rungen sei nur eine Art Erscheinung physiologischer 
Prozesse, eine unzulängliche [subjektive Auffassung der- 
selben, durch die der Schein entstehe, daß das Psychische 
etwas Beales sei. Was im Bewußtsein wirksam ist, das 
ist nicht irgendwelche eigenartige psychische — oder Be- 
wußtseinstätigkeit, sondern das Gehirn, die organisierte 
Materie; diese ist das wahre Subjekt des geistigen Lebens. 
In einer anderen Modifikation erscheint der Materialis- 
mus, wenn er das Psychische (das Bewußtsein) zwar quali- 
tativ vom Physischen, von der Bewegung oder physikalisch- 
chemischen Energie unterscheidet, es aber doch als etwas 

Eisler, Leib und Seele. 3 



34 II* ^^ Materialismus. 

Sekundäres, nämlich als bloße Wirkung, als Produkt 
{kausale Funktion) des Physischen, Materiellen auffaßt. Hier- 
nach geht das psychische Geschehen aus bestimmten. physi- 
schen (physiologischen) Zuständen und Prozessen hervor, 
es hat physische Ursachen — mechanischer oder qualitativ- 
energetischer Art und ist durchgängig in seinen Ver- 
bindungen und Veränderungen von der Gesetzmäßigkeit 
der physischen Prozesse abhängig, durch sie bedingt. Das 
Psychische selbst hat keine eigene Wirksamkeit in bezug 
auf das Physische, da es bloß unselbständige Wirkung 
desselben ist, ja nach manchen ist es überhaupt „inkausal^, 
d. h. es gibt keine innere, eigene „psychologische Kausalität", 
keinen dem Psychischen selbst unmittelbar entspringenden 
ursächlichen Zusammenhang der Bewußtseinserscheinungen 
untereinander, vielmehr ist aller psychischer Zusammen- 
hang nichts als die Wirkung, der Reflex physiologischer 
Zusammenhänge. Die Psychologie muß physiologisch sein, 
in dem Sinne, daß die psychischen Zusammenhänge letzten 
Endes nur aus den physiologischen Gehirn- und Nerven- 
prozessen zu erklären sind; eine reine Psychologie, eine 
Erklärung psychischer Vorgänge und Gebilde aus anderen 
oder aus allgemeinen psychischen Gesetzen und Wirksam- 
keiten ist unzulässig und undurchführbar. Einen lücken- 
losen Zusammenhang bieten nur die physiologischen Prozesse 
dar, sie allein können den Schlüssel zur Erklärung des 
Seelenlebens, innerhalb der Psychologie wenigstens, geben. 
Diese Form des Materialismus wird (von Wundt u. a.) als 
„psychophysischer Materialismus" bezeichnet, weil er das 
Psychische vom Physischen unterscheidet und zugleich 
einseitig von diesem abhängig macht. Manche Anhänger 
dieses Materialismus betonen, daß das Materielle, das in 
der Psychologie als Ursache oder doch als Erklärungsgrund 
des Psychischen betrachtet wird, vom erkenntniskritischen 
Standpunkt nicht das wahrhaft Wirkliche, sondern etwas 
Ideelles oder Phänomenales sei, das nur aus methodischen 



1« Die Lehre. 35 

Gründen, um exakte Wissenschaft zu ermöglichen, als 
Eealität gesetzt wird. 

Eine Abart des „psychophysischen Materialismus" ist 
der „parallelistische" Materialismus oder „materialistische 
Parallelismus". Nach ihm ist das Psychische nicht eine 
Wirkung, sondern eine Begleiterscheinung, ein „Epi- 
phänomen", welches den Nervenprozessen parallel geht, 
regelmäßig zugeordnet ist als eine andere Seite oder Er- 
lebnisart dieser Prozesse, von welchen sie durchaus „ab- 
hängig" ist. Es ist das kein reiner „Materialismus" mehr, 
sondern ist besser als die „materialistische" Form der 
^Identitätslehre" zu bezeichnen. 

Zum ersten Male begegnen wir dem MateriaUsmus 
bei den Vertretern der atomistischen Weltanschauung 
<Demokrit, Epikur), welche die Seele als einen Komplex 
feinster Atome bestimmen und das Psychische als Wirkung 
von Bewegungen auffassen. Der neuere Materialismus ist 
durch De sc arte s wider seinen Willen stark gefördert 
worden, wenigstens stehen die französischen Materialisten 
des achtzehnten Jahrhunderts sicherlich unter dem Einfluß 
jener Lehre, nach welcher die organischen Prozesse rein 
mechanisch begriffen werden sollen, bei den Tieren sogar 
auch die psychischen. Lamettrie und Holbach brauchten 
nur die Existenz einer immateriellen Seele auch beim 
Menschen zu bestreiten und der Materialismus war gegeben. 
An die Stelle der Seele tritt das Gehirn, dessen Funk- 
tionen die Bewußtseinsvorgänge sind, und diese letzteren 
sind durchaus abhängig von den leiblichen Zuständen. In 
England tritt zur selben Zeit der Materialismus im Gefolge 
des von Locke begründeten Empirismus und seiner Asso- 
ziationslehre auf, nachdem schon Hobbes die psychischen 
Elementarprozesse auf Bewegungen im Organismus zurück- 
geführt hatte. Priestley ging so weit, die Empfindungen 
den Nervenprozessen gleichzusetzen, während Hartley sie 
als Abhängige von solchen betrachtet. 



36 II. Der Mat^ialismus. 

Analog der Aussonderang eines Stoffes seitens eines 
Organes betrachtet die Entstehung des Psychischen wohl 
zuerst Cabanis, nach welchem das Gehirn in ähnlicher 
Weise die Gedanken erzeugt, wie die CraJle von der Leber 
produziert wird. Nach Broüssais ist die Seole ein ,,cer-' 
veau agissant". Später erklärte C. Vogt, daß „die Ge- 
danken etwa in demselben Verhältuis zum Gehirn stehen, 
wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren'^ 
(Pl^ysiologische Briefe S. 206 ; Köhlerglaube und Wissen- 
schaft * 1855 S. 32). An der Ausbildung und Verbreitung^ 
des Materialismus, welche durch den Aufschwung der 
naturwissenschaftlich mechanistischen Welterklärung und 
durch die Reaktion gegen das Übermaß d^ idealistischen Spe- 
kulation begünstigt wurde, waren femer besonders J. Mole- 
Schott (Der Kreislauf des Lebens * 1876 — 85) und noch 
mehr L. Büchner (Kraft und Stoff 1856; 19. Aufl. 1898; 
Natur und Geist 1857) beteiligt. Bei ihm geben sich die 
verschiedenen Formen des Materialismus Eendezvous. Das 
Psychische wird hier bald mit der Bewegung identifiziert,, 
bald ist es eine Wirkung der Bewegung, bald wieder eine 
Seite oder Erscheinung des Materiellen. Es gibt keine Kraft 
ohne Stoff, daher auch kein Psychisches, das nicht an den 
Stoff, an das Gehirn gebunden, von ihm unabhängig wäre- 
Ein Schwanken in bezug auf die Auffassung des Ver- 
hätlnisses des Psychischen zum Physischen weist auck 
E. Haeckels „Monismus" auf, der im allgemeinen die 
Empfindung (aber noch ohne Bewußtsein) als Eigenschaft 
der materiellen Substanz bezw. ihrer Elemente, der Atome 
betraditet (Die Welträtsel S. 254f.); es ist dies eine Art 
„Hylozoismus". Nach E. Dühring beruhen die Bewußt- 
seinsetsdieinungen auf den Wirkungen besonderer Teile 
des Gehirns (Der Wert des Lebens * S. 47). In ähnlicher 
Weise fassen das seelische Leben viele Physiologen auf.^> 

') vgl. zu dem Ganzen J.Pik 1er, Das Grundgesetz alles neuro- 
psychischen Lebens 1900; J. C. Fischer, Das Bewußtsein 1874; 



1. Die Lehre. 37 

Als „Begleiterscheinung" physiologischer Prozesse gilt 
das Psychische bei Huxley, Ribot, Meynert, Exner, \ ^ 
Forel u. a. 

Den „psychophysischen Materialismus" vertreten, 
wenigstens me1iiodologisch,M ünsterberg, Ziehen, Eich et, 
Despine, Sergi u. a., ferner K. Avenarius, Garstanjen, 
Pet^oldt, R. Willy, W. Heinrich, G. Hauptmann. 

Nach Münsterberg ist das Psychische zwar nicht 
^ine Wirkung des Physiologischen, es geht ihm nur parallel. 
Aber es ist doch insofern abhängig von ihm, als der Zu- 
sammenhang psychischer Elemente nur aus dem Zusammen- 
hang physiologischer Prozesse im Gehirn zu erklären ist 
Das Psychische als solches ist „inkausal", es hat keinen 
ihm selbst entspringenden ursächlichen Kausalnexus. Und 
zwar ist dies, nach Münsterberg, erkenntnistheoretisch zu 
verstehen. Denn die Elemente, mit denen die Psychologie 
•es zu tun hat, sind nicht das unmittelbare, konkrete, aktive 
Bewußtsein, nicht der lebendig wirksame, wertende, stellung- 
nehmende Geist, wie er in der Kultur tiieoretisch und 
praktisch sich betätigt, sondern künstliche Abstraktionsge- 
bilde, der Rest, welcher übrigbleibt, nachdem der dazu 
^geeignete Teil des Erfahrungsinhaltes zu objektiv gesetz- 
lichen, physischen Zusammenhängen seitens des meliiodischen 
Denkens verarbeitet worden ist. Das Psychische setzt sich 
aus Empfindungen zusammen, jenen einfachen Bestandteilen 
der Wahrnehmung, die eine eindeutige Beziehung zu den 
physischen Elementen haben. Psychisches und Physisches 
sind demnach beide nur Abstraktionen vom Subjekte und 
dessen unmittelbaren, konkret-wirklichen Bewußtseins- 
aktionen.^) 



M. Berg er, Der Materialism. im Kampfe mit d. Spiritual, u. Ideal. 
1883; Haeckel, Die Lebenswunder 1904; H. Kroell, Der Aufbau 
d. menschl. Seele 1900; Die Seele im Lichte des Monismus 1902; 
ü. Kr a mar, Die Hypothese der Seele 1898. 

^) Ober Aufgaben und Methoden der Psychologie S. 27 ff. ; Psycho- 
logy and Life p. 44 ff.; Grundzüge der Psychologie I, 57 ff., 62 ff., 



38 II- ^^^ Materialismus. 

Von diesem „Materialismus" auf idealistischer Grund- 
lage unterscheidet sich der psychophysische Materialismus 
von K. Avenarius und seiner Schule wesentlich nur darin^ 
daß hier als ursprüngliche, konkrete Wirklichkeit nicht 
das Bewußtsein mit dessen Subjektmoment, sondern ein 
Inbegriff unmittelbar als solcher realer „Elemente" (Aussage- 
inhalte) gilt Diese Elemente bilden zusammen die „Um- 
gebung" des Aussagenden, der ebenfalls ein Komplex solcher 
Elemente ist Es gibt, lehrt dieser „Empiriokritizismus" 
nicht zwei Welten, es gibt keine Dualität von Innen- und 
Außenwelt, von psychischen und physischen Vorgängen. 
Sondern ebendieselben Elemente, welche für sich, in ihrem 
Charakter als Umgebungsbestandteile, also „absolut" ge- 
nommen, zu den Dingen gehören, in diesem Sinne also 
physisch sind, heißen, wenn sie „relativ", d. h. in ihrer 
(funktionellen, logisch zu setzenden) „Abhängigkeit" vom 
aussagenden Individuum betrachtet werden, psychisch. Die 
Aufgabe der Psychologie ist es, die Abhängigkeit der Er- 
lebnisse von den gesetzmäßigen „Änderungen" im Gehirn 
bezw. in dem von Avenarius unter dem Namen „System 
C" zusammengefaßten Zentrum biologisch-physiologischer 
Prozesse, zur Erklärung der Veränderungen und Zusammen- 
hänge der Erlebnisse selbst zu verwerten.^) Bei der Dar- 



310, 391. Ähnlich H. Rickert, Die Grenzen der naturwissenschaft- 
lichen Begriffsbildung I, 147 ff.; P. Nato rp, Einleitung in die Psycho- 
logie S. 43 ff. ; vgl. dagegen V o 1 k e 1 1 , Psychologische Streitf ragea 
Iir, Zeitschrift für Philosophie und philos. Kritik Bd. 102 S. Iff.'^ 
W. Dilthey, Ideen über eine beschreibende und zergliedernde 
Psychologie S. 28. 

*) Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Psychologie Bd. 1^ 
S. Iff., 16f.; Der menschliche Weltbegriff S. 26ff.; Kritik der reinen 
Erfahrung I S. 33ff.; vgl. C. Hauptmann, Die Metaphysik in der 
modernen Physiologie 1893; W. Heinrich, Die moderne physio- 
logische Psychologie in Deutschland 1895; R. Willy, Vierteljahrsschr. 
f. wiss. Philos. Bd. 21 1897; J. Petzold t, Einführung in die Philo- 
sophie der reinen Erfahrung 1900. — Einen teilweise ähnlichen Stand- 



1. Die Lehre. 39 

Stellung und Kritik der „Identitätslelire" kommen wir noch 
auf den Begriff des Psychischen bei Avenarius, Mach 
u. a. zurück. 

Vom Standpunkt der Psychologie ist, wie wir sahen^ 
manche Auffassung des Verhältnisses des Psychischen zum 
Physischen als „materialistisch" zu bezeichnen, welche 
letzten Endes das Materielle für eine bloße Erscheinung, 
Vorstellung, ein ideal -methodisches Konstruktionsgebilde, 
einen Komplex von Empfindungen u. dgl. hält. Wenn nun 
Ostwald den „wissenschaftlichen Materialismus" bekämpft 
und nur „Energien" als Faktoren der Wirklichkeit an- 
erkennt, so muß er doch für den Psychologen insofern als 
„Materialist" gelten, als er geneigt ist, das Bewußtsein 
als „Eigenschaft einer besondem Art der Nervenenergie" 
zu bestimmen (Vorlesungen über Naturphilosophie ^ S. 393). 
Anderseits freilich läßt er die Möglichkeit offen, daß es 
eine besondere „geistige Energie" gibt, die aus anderen 
Energiearten hervorgeht (a. a. 0. S. 377 f.). Ein analoges 
Schwanken findet sich bei Stumpf. Das Psychische 
scheint ihm einmal eine „Anhäufung von Energien" be- 
sonderer Art zu sein, welche ihr „genaues mechanisches 
Äquivalent" haben (Leib und Seele S. 24). Dann glaubt 
er, könnten auch die psychischen Zustände „in der Weise 
Wirkungen und Ursachen physischer Vorgänge sein, daß 
keinerlei auch nur vorübergehende Verminderung und Ver- 
mehrung physischer Energie mit dieser Wechselwirkung 
verknüpft wäre" (a. a. 0. S. 25 f.). Schließlich würde er 
„auch in der Annahme keine ernstliche Schwierigkeit 
finden, daß psychisches Leben (Seele) durch organische 
Prozesse (organische Materie) in bestimmten Stadien ihrer 
Entwicklung erzeugt wurde und noch jetzt bei der Ent- 
wicklung jedes Individuums erzeugt wird" (a. a. 0. S. 33). 

punkt nimmt E. Mach ein (Beiträge zur Analyse der Empfindungen ^ 
1903; Erkenntnis und Irrtum 1905). Vgl. R. Wähle, Ober den 
Mechanismus des geistigen Lebens 1906. 



40 II* ^^^ Materialismus. 

2. Zur Kritik des Materialismus. 

Der Materialismus als Weltanschauung trat in der 
zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts neu ins 
Leben, und zwar als Reaktion gegen den überspannten 
Idealismus, wie er in der Hegeischen Spekulation seinen 
Höhepunkt erreichte. Hatte diese das „Übersinnliche" 
den „Begriff", die „Idee" als das wahrhaft Wirkliche 
bestimmt und die sinnliche Welt als ein bloßes Moment 
in der „dialektischen" Entfaltung der absoluten Vernunft 
aufgefaßt, so sehen wir schon in L. Feuerbach einen 
Denker, der für die sinnlich erfaßbare Wirklichkeit Partei 
nimmt und die „Natur" als das Ursprüngliche und primär 
Wirkliche ansieht, aus dem das Geistige, Seelische erst 
hervorgeht. Zum vollen Materialismus aber wurde der 
Schritt von allen jenen gemacht, welche die Ergebnisse 
der mächtig aufblühenden Naturwissenschaft gegen die 
Annahme einer übersinnlichen Welt ausspielen zu müssen 
glaubten. Die feste Gesetzlichkeit, wie sie in der streng 
mechanistischen Naturerklärung zut^^e trat, sollte konsequent 
durchgeführt werden, und da durfte es nichts in der Welt 
geben, was nicht physikalisch-chemisch, kurz „mechanisch" 
im allgemeinsten Sinne, zu erklären war. Indem nun auch 
die biologische Entwicklungslehre, die Deszendenztheorie, 
dazu neigte, die Stetigkeit des Seienden dahin zu deuten, 
daß auch die höchst organisierten Wesen aus niedersten 
Lebewesen, diese aus dem Anorganischen durch Umbildung 
hervorgegangen sind, blieb kein Platz mehr für die Existenz 
übernatürlicher Wesenheiten, erschien das Seelische nur 
als eine an das physische Sein und Geschehen gebundene 
Naturwirkung, als ein Entwicklungsprodukt aus physischen 
Faktoren. Nicht bloß die Dualität seelischer und körper- 
licher Substanzen fiel weg, sondern auch die des psychischen 
und physischen Geschehens, in dem Sinne, daß das erste 
entweder mit dem letzteren identifiziert bezw. als ein 



2. Zur Kritik des Materialismus. 4X 

Teil, eine Modifikation desselben angesehen oder als eine 
Wirkung, Funktion, Erscheinung des Physischen bestimmt 
wurde. 

Der Materialismus als Weltanschauung hat nun in 
den letzten Jahren bedeutend an Einfluß verloren. Aber 
er nimmt immerhin noch eine beachtenswerte Position ein 
und beherrscht vor allem noch einen guten Teil der 
Physiologen. Aber auch Psychologen, welche keineswegs 
dem Materialismus als endgültiger Weltanschauung huldigen, 
sondern zuweilen strenge Idealisten sind, haben die Tendenz, 
eine mindestens halb-materialistische Erklärung psychischer 
Geschehnisse der rein psychologischen vorzuziehen. Die 
Verfechtung eines solchen „methodischen Materialismus" 
geht auf Schopenhauer, besonders aber auf F. A. Lange 
zurück, dessen „Geschichte des Materialismus" den 
philosophischen „Kritizismus" mit der Anerkennung des 
streng mechanischen Zusammenhanges der physischen Er- 
scheinungen als solcher vereinigt. Gefördert wurde der 
psychologische Materialismus, abgesehen von der engen Ver- 
bindung, welche die neuere Psychologie mit der Physiologie 
einging, auch durch jenen „Sensualismus", welcher das 
Seelenleben in einen Komplex von Empfindungen auflöste, 
aus welchen auch die höheren Greistesakte (Denken, 
Wollen usw.) abgeleitet wurden. Das Psychische, auf ein- 
fache Empfindungen zurückgeführt, ließ sich leichter als 
eindeutig zugeordnete Funktion physischer Prozesse 
dartun. 

Jede typische Eichtung philosophischer Denkweise, 
welche ebenso im Wesen der Dinge wie in der Natur des 
Intellekts angelegt ist, hat ein Fundament in der Erfahrung 
und in logischen Forderungen allgemeiner Art. So wie wir 
die „empirische Dualität" des Psychischen und Physischen 
als das gesicherte Fundament des Dualismus gefunden haben, 
haben wir jetzt zu suchen, worauf sich der Materialismus 
mit Recht stützen kann. 



42 n. Der Materialismus. 

Die Erfahrung, welche der Materialismus in seinem 
Sinne deutet, ist die „Abhängigkeit" psychischer Zustände 
und Veränderungen von Vorgängen im leiblichen Organismus 
und das „Gebundensein" der Bewußtseinsprozesse an ein 
organisches Substrat und dessen Erregungen, an ein Zentral- 
nervensystem insbesondere. Der Ausfall bestimmter Sinnes- 
organe oder Sinnesfunktionen bedingt die Abwesenheit 
bestimmter Empfindungen. Defekte oder Hemmungen im 
Gehirn sind von bestimmten Störungen des Bewußtseins, 
des Psychischen begleitet.^)" Ein entwickelteres, differen- 
zierteres Nervensystem hat ein reicheres, feineres Bewußt- 
sein zur Folge. Modifikationen der leiblichen Zustände 
aller Art machen sich in Veränderungen der Empfindungen 
Gefühle, Affekte, Triebe, des Vorstellungsverlaufs usw. mehr 
oder minder geltend. Umgekehrt sind mit psychischen 
Vorgängen und Veränderungen, z. B. mit Affekten bestimmte 
Erscheinungen physiologischer Art (Bewegungen, Puls- 
veränderungen, sekretorische Vorgänge u. a.) verknüpft. 
In der Tat besteht also eine innige Koordination psychischer 
und physischer Vorgänge und Zustände. In der Tat kennen 
wir kein seelisches Geschehen, das nicht an ein physisches 
„Substrat" und Geschehen gebunden erscheint. Und doch 
nötigt das nicht, sich zum Materialismus zu bekennen. 

Die Erfahrung als solche lehrt uns keineswegs ein 
„Hervorgehen" psychischer Zustände aus physischen. Was 
sie zeigt, ist nur die Tatsache, daß Psychisches nirgends 
und niemals eindeutig ohne Physisches auftritt und daß 
dessen Modifikationen in bestimmter, regelmäßiger Be- 



^) Es sei nur an die verschiedenen Formen der Aphasie und 
deren Abhängigkeit von Defekten in bestimmten Partien der Groß- 
hirnrinde, an den geistigen Verfall beim Paralytiker, an die 
Depressionen des Bewußtseins unter dem Einflüsse eines Gehirn- 
tumors, an die Abhängigkeit intellektueller und emotioneUer Zustände 
vom Wechsel und der Verschiedenheit leiblicher Beschaffenheiten, 
an die Parallelität geistiger mit körperlicher Eutwicklung u. a. erinnert» 



2. Zur Kritik des Materialismus. 43' 

Ziehung zu physischen Modifikationen stehen. Es besteht 
hier eine Art Funktionsverhältnis im Sinne derMatiier 
matik, wonach mit einem bestimmten psychischen Vorgang 
A ein bestimmter physiologischer Vorgang B und umgekehrt 
^verbunden" erscheint Das Auftreten von A läßt auf Grund 
der Erfahrung und ihrer gedanklichen Ergänzung auf das. 
Dasein von B schließen, und umgekehrt ist zu erwarten, 
daß wo — unter völlig gleichen Bedingungen — B sich 
zeigt (oder zeigen könnte), auch A auftreten wird. Sa 
z. B. weist eine Empfindung a auf einen Nervenprozeß a 
hin und dieser hat jene zum Korrelat. Es bleibt hierbei 
noch völlig offen, ob das Funktionsverhältnis kausal zu 
deuten ist Daß ein psychischer Vorgang die (mathematisch- 
logische) „Funktion" eines physischen ist, nötigt noch nicht 
zu der Annahme, daß jener eine „Wirkung" des letzteren 
ist. Es könnte, zum Teil wenigstens, sich auct umgekehrt 
verhalten, d. h. der physiologische Prozeß könnte eine 
Wirkung oder „Begleiterscheinung" des psychischen Ge- 
schehens sein oder es könnten auch beide Wirkungen oder 
Erscheinungen einer gemeinsamen, einheitlichen Ursache,. 
also eines Dritten sein. Es könnte also sein, daß die 
Erregung des an sich unbekannten Wesens, das der Er- 
scheinung „Mensch" zugrunde liegt, sowohl in einem 
psychischen als auch in einem physischen Geschehen zum 
Ausdruck kommt. Daß es ein Psychisches ohne physisches. 
Substrat nicht gibt, würde dann eigentlich bedeuten, daß 
das Wesen, welches Bewußtsein, seelisches Leben hat, 
eben dasselbe ist, welches sich zugleich als Körper dar- 
stellt, und daß nur ein höher differenziertes Wesen, welchea 
auch leiblich als komplizierterer Organismus erscheint, einea 
reicheren, feineren Seelenlebens fähig ist Man könnte 
sagen: so viel Differenzierung oder Vollkommenheit im 
physischen Sein und Geschehen, so viel auch im psychischen,, 
nicht weil dieses die Wirkung des ersteren ist, sondern 
weil beide auf ein einheitliches höheres Wesen hinweisen. 



44 II' ^^^ Materialismus. 

Die „Abhängigkeit" etwa des Denkens von einem feineren 
Zentralnervensystem würde bedeuten.: erst wenn das 
bewußtseinsfähige Wesen sich in bestimmter Weise ent- 
faltet, difiEerenziert, sich eine „innere" Organisation erworben 
Jiat, die im leiblichen Organismus zur sinnlichen, phyaschen 
Erscheinung kommt, ist ein Denken, ein höheres Geistes- 
leben möglich. Der leibliche Organismus wäre dann zwar 
das (phänomenale) „Substrat", aber nichi die Ursache, 
nicht das wahre, primäre Subjekt des psychischen 
Erlebens. 

Die Psychologie kann und darf also, ja sie muß die 
funktionelle Abhängigkeit psychischer Vorgänge von physio- 
logischen anerkennen und berücksichtigen, und sie braucht 
dabei keineswegs materialistisch zu sein. Ja, sie darf es 
nicht sein, will sie wahrhaft empirisch verfahren, jede 
metaphysische Interpretation vermeiden und den logisch- 
methodologischen Forderungen sowie den erkenntnis- 
kritischen Einsichten Genüge tun. 

Zunächst ist es leicht einzusehen, daß das Psychische 
nicht selbst eine Art des Physischen sein kann. Es als 
einen Stoff anzusehen, der vom Gehirn produziert wird, 
davon sind auch die Materialisten schon abgekommen. 
Man sieht ein, daß ein Bewußtseinsvorgang kein beharrliches 
Ding, keine Substanz ist, die irgendwie im Gehirn produziert 
und ausgesondert werden kann. Es fehlen dem psychischen 
Geschehen alle Merkmale eines Stoffes, denn es ist nichts 
räumlich Ausgedehntes, Bewegliches, Widerstand Leistendes, 
und von einem übersinnlichen, immateriellen Stoff kann 
man hier auch nicht sprechen, da das Bewußtsein über- 
haupt nichts Dingliches, Ruhendes ist. Treffend bemerkt 
Lotze (Medizin. Psychol. S. 44), wenn das Geistige eine 
Gehimaussonderung wäre, so müßte es schon vor der 
Absonderung im Gehirn vorhanden sein, und zwar entweder 
schon als etwas Psychisches, dann ist dieses nicht erst 
durch Absonderung entstanden, oder als ein Physisches, 



2. Zur Kritik des Materialismus. 45 

dann weiß man nicht, wie die Aussonderung daraus ein 
Psychisches machen soll. 

Gut, sagen manche Materialisten, das Psychische ist 
kein Stoff, aber es ist eine Art des physischen Geschehens, 
es ist nur eine Bewegung] besondws komplizierter Art. 
Diese Behauptung nun widerlegt sich einfach durch den 
Hinweis auf jedermanns Erfahrung. So wenig eine Farbe 
einem Tone, ein Quadrat, einem Kreise qualitativ gleich 
sein kann, so wenig hat es einen Sinn, zu sagen, ein 
Bewußtseinsvorgang, also eine Empfindung des Roten, ein 
Gefühl der Lust, ein Urteilsakt, ein Willensentschluß, ein 
Verstehen u. dgl. sei nichts anderes als eine Gehirn- 
bewegung. Wir brauchen nur eine wirkliche oder gedachte 
Bewegung, d. h. einen Ortswechsel, mit einem der genannten 
psychischen Vorgänge zu vergleichen, so finden wir un- 
mittelbar, daß die Qualität, das Was und Wie des einen 
von dem des andern sich fundamental unterscheidet. Die 
prädikativen Bestimmtheiten einer Bewegung, eines elek- 
trischen, magnetischen Vorganges sind ganz andere als 
die eines Schmerzes, einer Vorstellungsassoziation, eiußs 
Gedankens. Was wir als Schmerz usw. bezeichnen und 
meinen, hat einen ganz andern Inhalt, eine ganz andere 
Beschaffenheit als dasjenige, was wir als Bewegung, als 
physische Energie wahrnehmen oder denken. Wer also 
etwa Denken und Bewegung gleichsetzt, glaubt etwas zu 
denken, was sich gar nicht ausdenken, nur sagen läßt 
Da ein psychischer Vorgang eben in etwas anderem als 
in einer Bewegung besteht, in einer Qualität, die ^ich 
nicht wegleugnen läßt, da sie ja wirklich von jedem 
erlebt wird, und da dieses Qualitative nichts von einer 
Ortsveränderung aufweist, sich nicht als Bewegung be- 
schreibe, definieren, legitimieren läßt, so ist die Behauptung, 
das Psychische sei nichts als Bewegung, einfach absurd.^ 

^) Ähnlich Paulsen, Einleitung in die Philos. ' S. 86; RiehK 
Der philosophische Kritizismus II, 1 S. 32; Külpe, Einleitung iu <li& 



46 II* ^^^ Materialismus. 

In der Tat meint man bei der Identifizierung des 
Psychischen mit Bewegung oft, ja meistens etwas anderes. 
Das Bewußtsein, so glaubt man, sei etwas Unwirkliches, 
Wesenloses, es sei nur eine Art Schein oder Erscheinung, 
so wie es sich darstellt; in Wahrheit sei es ein physischer 
Vorgang, eine Bewegung oder Energie, die uns anders 
erscheint, als sie in der Tat ist. Ein Schmerz z. B, ist 
nur der Wiederschein einer bestimmten Bewegung in den 
Nerven, im Gehirn, nur diese Bewegung ist das Wirkliche 
an dem ganzen Erlebnis. Ist doch auch die Farbe, der 
Ton und jede andere analoge Qualität, die wir an den 
Dingen erleben, in Wahrheit nur ein Bewegungsvorgang, 
^ine Summe von Schwingungen, die wir subjektiv als 
Farbe, Ton usw. auffassen. Darauf ist folgendes zu sagen. 
Erstens sind Farben, Töne usw., auch wenn sie auf Be- 
wegungen beruhen sollten, deshalb noch weit entfernt 
davon, bloßer „Schein" zu sein. Wir bilden uns nicht 
6twa ein, daß es solche Qualitäten gebe, sondern sie 
bestehen wirklich, d. h. sie sind wirkliche, unbez weifelbare 
Erlebnisse jedes in dieser Art empfindungsfähigen Wesens. 
Ebenso ist ein Schmerz, ein Gedanke, ein psychischer 
Vorgang überhaupt, nicht Schein, sondern etwas Wirkliches, 
ein Erlebnis. Es ist für das Subjekt da, es tritt mit 
anderen Erlebnissen als Glied des Bewußtseinszusammen- 
hanges auf und es wirkt als solches auf das Seelenleben 
ein, etwa als Motiv zu einem Willensakt. Ist auch das 
Psychische nicht greifbar, tastbar, sinnlich wahrnehmbar, 
so ist es nichtsdestoweniger ein Geschehen, welches wirklich, 
wahrhaft besteht, es ist also kein Schein, d. h. nicht etwas, 
was bloß unserer Meinung nach oder bloß in unserer Ein- 
bildung, nicht aber im unmittelbaren Erleben besteht. Es 
ist ja das Erleben eines Subjektes selbst und als solches 



Phiios. S. 132; James, Principles of Psych ology I, 146; Busse, 
Oeist und Körper S. 26 f. u. a. 



2. Zur Kritik des Materialismus. 47 

Über allen Zweifel erhaben. Aller Zweifel, alles Meinen 
setzt schon ein Erleben als Urfaktum voraus. Ohne ein 
Erleben, ohne ein Subjekt, welches etwas fälschlich beurteilt 
oder abnormal auffaßt, könnte es keinerlei Schein geben. 
Das Erleben, das Psychische, das Bewußtsein — drei 
Namen für dasselbe unbeschreibliche, aber jedem bekannte 
Geschehen — dokumentiert sich unmittelbar als seiend, 
als wirklich, es ist sogar, mit dem Inhalt, der zu ihm 
gehört, die einzige Wirklichkeit, die wir unmittelbar 
erfassen. Das Psychische kann demnach nicht bloßer 
Schein sein, es ist mindestens ebenso wirklich wie das 
Physische. Aber, wird man nun entgegnen, das Psychische 
könnte doch Erscheinung eines an sich, in Wahrheit 
anders Beschaffenen, also einer Bewegung sein, es könnte 
die subjektive Auffassung der Bewegung sein. Auch dies 
ist nicht möglich. „Erscheinung" ist etwas, sofern es 
nicht das „An sich" der Wirklichkeit selbst ist, sondern 
die Art und Weise, wie dieses sich einem erlebenden, 
wahrnehmenden Subjekt darstellt. Die Farbe z. B., wie 
sie unmittelbar empfunden T\1rd, ist eine subjektive Er- 
scheinung, d. h. sie ist die Art und Weise, wie ein optischer 
Eeiz bestimmter Art und Stärke vom Subjekt erlebt wird. 
Zur Erscheinung wird etwas in Beziehung auf ein Empfinden, 
Wahrnehmen, psychisches Erleben. Es setzt also ein solches 
voraus. Das Bewußtsein selbst aber, in dem und filr 
welches und durch welches bedingt etwas zur Erscheinung, 
zur Vorstellung wird, kann nicht selbst eine Erscheinung 
sein. Das Bewußtsein ist nicht ein Objekt, welches 
einem Subjekt erscheinen kann, sondern es ist 
dieses Subjekt und dieses Geschehen, vermöge 
dessen erst eine Erscheinung statthaben kann, 
selbst. Was die ursprüngliche Bedingung, das Kon- 
stituierende aller Erscheinung ist, kann nicht selbst Er- 
scheinung sein. Es kann wohl sich selbst im einzelnen 
anders erscheinen als es in seiner Ganzheit und vollsten 



48 2. Zur Kiitik des Mateffiaüflmw. 

Unmittelbarkeit ist, ab^ seiner Eigenart nach, als er- 
lebradeSy einen Zusammenhang y(hi BewnBtseinsakten ent- 
faHendes Snbjekt ist es die Urbedingong jeder Erscheinangy 
ist es primäre y absolute Wnidichkeit ud Wiricsamkeit, 
ist es selbst ein „An ach^. Das Physische als soldies 
kann, ja mnß E}rscheinung sein, da es ein klebendes 
Snbjekt, Empfindungen, Vorstellungen, Begriffe voraus- 
setzt; aber das Psychisdie, dieses Empfinden, Vorstellen, 
Denken selbst, durch welches etwas d^n Snbjekt obj^tiv 
erscheint, ist nicht Ek'scheinnng.') 

Das Psychische ist also weder Bewegung selbst noch 
Ersdieinung einer solchen. Es ist aber auch nidit eine 
Form physischer Energie und nicht Eigenschaft einar 
solch^L Zum Be^iff der physischen Energie gdiört 
erstens die räumliche Bestimmtheit, das Ausgehen der- 
selben von räumlich bestimmten Zentren, zweitens die ' 
Fähigkeit, mechanische oder physikalisch-chemische Arbeit 
fibeihaupt zu leisten. Wir erleben eine Mannigfaltigkeit 
solcher Energien, aber das Erleben selbst, das Psydiische, 
ist nicht eine solche Energie, es hat ganz und gar nicht 
die Merkmale derselben, ist keine physische Arbeits- 
leistung. Ein Gedanke oder Gefühl z. B. hat qualitativ 
mit dem, was wir als physische üiergie, als Arbeits- 
fähigkeit eines Körpers bezeichnen, nichts gemein, eben- 
sowenig wie mit der Bewegung. Und Erscheinung emer 
Energie kann das Psychisdie ans demselben Grunde nicht 
sein, der es unmöglich macht, daß das Subjekt-Erleben, 
die Bedingung und das Mittel des Erscheinens, sdbst 
Erscheinung sei. Das Psychische hat wohl eine gewisse 
„Energie", eine bestimmte Wirkungsfähig^eit im Reiche 
des Bewußtseins, aber es ist dies erstens eine ganz andere 



^) vgl. Lotze, Mikrokosm. I ^ 175, 295; Bergmann, Unter- 
suchungen über Hauptpunkte d. Philos. S. 886; A dick es, Kant kontra 
Haeckel 1. Aufl. S. 27; Busse, Geist und Körper S. 29 u. a. 



2. Zur Kritik des Materialismus. 49 

Art des Wirkens als die mechanische Arbeitsleistung, und 
zweitens ist das Qualitative, Wesentliche des Bewußtseins- 
vorganges selbst dadurch noch nicht festgelegt. Psychische 
„Energie" ist nicht eine Energie, welche die 
Eigenschaft hat, psychisch zu sein, sondern sie 
ist die Eigenschaft, Leistungsfähigkeit eines an 
sich primär Psychischen. Wer das Bewußtsein als 
Eigenschaft einer „Nervenenergie" auffaßt, denkt nicht 
weniger materialistisch als derjenige, für den das Psychische 
nur die Eigenschaft bestimmter Nervenbewegungen ist 
Beides, Energie wie Bewegung, gehört schon zum ob- 
jektiven Inhalt eines (allgemeingültigen) Erlebens, es ist 
ein Bestandteil der objektiven Seite der Erfahrung und 
kann schon deshalb nicht mit der Subjektivität, dem Er- 
lebnisakt identifiziert werden. Die Gleichung: Ob- 
jektiver Inhalt de^ Erlebens = subjektiver Er- 
lebnisvorgang ist absolut unaufstellbar, ist logisch 
unmöglich. Das Physische jeder Art gehört einer 
ganz andern Betrachtungsweise der Erfahrung und 
der Wirklichkeit an als das Psychische, so daß 
dieses niemals ^Is Spezialfall oder Eigenschaft 
des erstem bestimmt werden kann.^) Das Moment 
des „für sich- Seins", des „Subjektiven" im Sinne der 
sich unmittelbar als solche wissenden Bewußtseinseinheit 
fehlt dem Physischen, Objektiven, denn dieses ist ja der 
in seiner möglichsten Abstraktion vom Subjekt betrachtete 
und gedachte Erfahrungsinhalt. Es ist absolut undenkbar, 
wie das Objekt eines subjektiven Erlebens oder ein Be- 



^) Treffend bemerkt daher Riehl: „Energien gehören der 
Außenwelt an, der Welt der Objekte. Wie soll es also zu verstehen 
sein, daß irgendeine von ihnen sich selber subjektiv wird? Zwischen 
und inmitten jener objektiven Größen, die Energien heißen und 
welche, sofern sie erscheinen, für das Subjekt da sind, kann doch 
das Subjekt selbst nicht Platz nehmen'' (Einführung in die Philosophie 
der Gegenwart S. 157). 

Bisler, Leib und Seele. 4 



50 11- ^^^ Materialismus. 

standteil, eine Eigenschaft desselben dem Erleben gleich- 
gesetzt werden oder zu einem solchen Erleben selbst 
werden könnte. 

Aber auch abgesehen von diesem erkenntniskritischen 
Umstände kann das Psychische nicht eine Eigenschaft 
des Physischen sein. Der Begriff des Physischen, Mate- 
riellen hat zum Inhalte eine Reihe von Bestimmtheiten, 
deren gemeinsames Wesen die Räumlichkeit iat> Etwas 
ist physisch, ist ein Körper, ein Teil der Materie nur in 
bezug auf das Prädikat der Räumlichkeit und jene damit 
verknüpften Eigenschaften und Wirkungsfähigkeiten, welche 
als Veränderungen im Räume wahrgenommen werden oder 
sich als solche methodisch denken, konstruieren lassen. 
Die Prädikate, welche das Psychische, das Bewußtsein, 
das Erleben konstituieren, verhindern die Unterordnung 
des Psychischen unter den Begriff der Materie, des 
Körperlichen. Man kann höchstens sagen, dasselbe Wesen, 
welches als Körper erscheint, welches hinsichtlich seiner 
raum-zeitlich-dynamischen Eigenschaften Materie (oder „die 
Energie") heißt, hat auch die Fähigkeit, zu empfinden, 
zu denken, zu wollen. Aber das ist kein Materialismus 
mehr, sondern eine Form der „Identitätslehre", etwa 
Spinozismus, den ja neben dem Materialismus, aber ohne 
rechte klare Bestimmtheit, die Büchner, Haeckel e tutti 
quanti zuweilen bekennen. Seele und Leib können wohl 
zwei Daseinsweisen eines Wesens sein, aber die Seele kann 
nicht, auch nicht als „Komplex" von Bewußtseinsvor- 
gängen, ein Teil oder eine Eigenschaft des Leibes selbst 
sein. Gerade wenn man den Standpunkt physi- 
kalischer, naturwissenschaftlicher Betrachtung 
und Denkweise energisch und konsequent festhält, 
ist es nicht zulässig, die psychischen Vorgänge 
als „Eigenschaften" des Gehirns oder gar der 
Gehirnprozesse zu bestimmen. Nur in laxem, „un- 
eigentlichem" Sinne kann man allenfalls, zum Zwecke der 



2. Zur Kritik des Materialismus. 51 

Sprach- und Gedankenabkürzung, von psychischen „Eigen- 
schaften" der Nervenprozesse reden, wobei hier „Eigen- 
schaft" nur die Bedeutung einer „Punktion" (im mathe- 
matisch-logischen) Sinne haben kann. 

Das Psychische kann aber auch nicht Wirkung, 
Produkt, Resultat des Physischen sein. Es ist zunächst 
ganz undenkbar, daß das Physische, Objektive, ein Er- 
fahrungsinhalt sich in ein Psychisches, Subjektives, ein 
Erfahren, Erleben, Bewußtsein verwandele. Das Subjekt- 
sein ist etwas durchaus Ursprüngliches, ein un- 
ableitbares Moment oder Prinzip der Erfahrung, 
ein Erfahrung- und Erlebnis-Bedingendes, das in 
keiner Weise aus dem durch es Bedingten, dem 
Erfahrungsinhalt erst hervorgehen, entstehen, 
sich ableiten kann. Das Objekt kann das Subjekt 
des Erlebens, der Erlebnisinhalt oder das Objek- 
tive das subjektive Erleben, mit dem zusammen 
es die, an sich einheitliche Grunderfahrung 
in ihrer Ganzheit bildet, nicht erzeugen, nicht 
bewirken. Die Heterogenität des Physischen und des 
Psychischen ist fundamentaler Art, sie ist ganz anderer 
Art als jede andere, innerhalb des Reiches physischer 
Geschehnisse zu konstatierende üngleichartigkeit und 
Unvergleichbarkeit. Auch wenn es ein Körperliches 
TöUig unabhängig von aller möglichen Erfahrung, also 
^an sich" gäbe, wäre nicht abzusehen, wie es in ein 
Subjektsein irgendwie umschlagen könnte. Damit ein 
solches Objektives, Physisches in einen Bewußtseinsinhalt 
verwandelt werde, müßte schon ein Bewußtsein als Akt, 
Prozeß, ein Psychisches also bestehen, durch welches diese 
Umwandlung erfolgen könnte. 

Daß physikalisch -chemische Reize im Gehirn etwas 
anderes bewirken können sollten als physische Zustände 
"bezw. Zustandsänderungen, ist unerfindlich. Die Wirkung 
«ines Körpers auf einen andern besteht ja in einer gesetz- 

4* 



52 n. Der Materialismus. 

mäßigen, quantitativ bestimmbaren Änderung des Zustandes 
des zweiten Körpers, in einer molaren oder molekularen 
Bewegung oder in irgend einer Form von Energie. Alle 
äußeren und inneren (intraorganischen) Reize können also» 
im Gehirn nichts anderes bewirken als bestimmte Ver- 
änderungen desselben^ die als solche physischer Art sind. 
Niemand würde, auch mit den besten Instrumenten, im 
Gehirn jemals etwas anderes vorfinden als Bewegungen 
oder Energien physikalisch-chemischer Natur, Umlagerungen 
kleinster Teilchen. Etwas Seelisches im oder am Gehirn 
würde und könnte niemand finden, da, wie wir bereits 
dargetan haben, das Psychische weder selbst Bewegung^ 
noch eine Eigenschaft oder Bestimmtheit von Bewegung 
(oder Energie) ist. Mag eine Bewegung noch so kom- 
pliziert sein, sie bleibt immer Bewegung, weist rein aus 
sich selbst auf keine andere Seinsweise hin. Das hat 
schon Leibniz gut dargetan. „Man muß femer notwendige 
zugestehen, daß die Perzeption und was von ihr abhängt, 
aus mechanischen Gründen, d. h. aus Gestalt und Be-^ 
wegung, nicht erklärbar ist. Denkt man sich etwa eine 
Maschine, deren Einrichtung so beschaffen wäre, daß sie 
zu denken, zu empfinden und zu perzipieren vermöchte,, 
so kann man sie sich unter Beibehaltung derselben Ver- 
hältnisse vergrößert denken, so daß man in sie wie in eine 
Mühle hineintreten könnte, untersucht man alsdann ihr 
Inneres, so wird man in ihm nichts als Stücke finden, die 
einander stoßen, niemals aber etwas, woraus man eine 
Perzeption erklären könnte." ^) Mag das Gehirn noch so. 
fein organisiert sein, noch so leicht auf Eeize reagieren,, 
es ist ein Körper, und ein solcher kann immer nur, durch 



^) Monadologie 17, G. W. Leibniz, Hauptschriften zur Grand- 
legung der Philosophie II, 439 ; Philos. Bibl. Bd. 106. „Man kann es. 
wohl verstehen, daß die Maschine die schönsten Dinge der Welt 
hervorbringt, niemals aber, daß sie sich dieselben zum Bewußtseia 
bringt" (a. a. 0. S. 408f.). 



2. Zur Kritik des Materialismus. 53 

was er auch erregt werden mag, in seiner, also in phy- 
sischer Weise verändert werden. Diese Veränderungen 
sind nur durch Prädikate zu beschreiben, wie Physik und 
Chemie sie verlangen. Mögen wir sie noch so genau 
kennen und erkennen, so wird das Psychische, das mit 
diesen Gehimprozessen verbunden sein mag, aus den Ge- 
hirnbewegungen selbst nicht zu ersehen, nicht kausal ab- 
zuleiten sein. Daß mit einem bestimmten Gehimprozeß a 
ein psychischer Vorgang a verknüpft ist, kann ich nur 
dann erschließen, wenn mir erfahrungsmäßig schon be- 
kannt und gewiß ist, daß a mit a regelmäßig koordiniert 
ist. Um also einen physiologischen Prozeß zur „Erklärung" 
eines psychischen Vorganges bezüglich seines Auftretens 
oder Ausbleibens oder Gestörtseins wenigstens indirekt 
verwerten zu können, muß uns der Zusammenhang beider 
Vorgänge oder wenigstens beider Arten, Typen von Vor- 
gängen schon gegeben, bekannt sein. Rein für sich 
genommen, enthält der physiologische Vorgang 
nichts, was ihn als Ursache oder Grund des 
psychischen Geschehens begreifen ließe. 

Das Psychische kann also nicht die Wirkung von 
Nervenprozessen sein, denn diese haben zwar bestimmte 
Wirkungen, aber sie sind als Zustandsänderungen im 
Leibe bekannt oder gedanklich zu bestimmen. Wie aus 
einer Gehimbewegung eine Empfindung, ein Gefühl, ein 
Willensakt hervorgehen soll, erscheint völlig unbegreiflich. 
Es liegt hier aber nicht ein „Welträtsel" vor, dem gegen- 
über wir uns mit einem „Ignorabimus" bescheiden müssen, 
wie etwa Dubois-Keymond glaubt, sondern es ist ein 
solcher „Übergang" des Physischen ins Psychische logisch, 
methodologisch und erkenntniskritisch nicht anzunehmen. 
Gewiß wissen wir auch nicht, wie ein physischer Vorgang 
es anfängt, einen andern physischen Vorgang oder Zustand 
zu „bewirken", wie es z. B. kommt, daß Belegung sich 
in Wärme „umsetzt". Aber hier sind die beiden Vorgänge 



54 n. Der Materialismus. 

wenigstens Glieder einer einheitlichen, nämlich der 
räum -zeitlichen, physischen Art des Geschehens, sie sind 
nicht unvergleichbar, sinil* auf etwas Gemeinsames zu 
bringen, sei es — vom Standpunkte mechanistischer Natur- 
erklärung — Bewegung, sei es — vom Standpunkt der 
energetischen Auffassung — physikalische Energie, Arbeits- 
fähigkeit von bestimmter Größe. Zwischen Empfindung 
und Bewegung aber fehlt es an einem auch nur denk- 
baren, methodisch zu setzenden inneren Zusammenhange 
dieser Art, die Empfindung bedeutet der Bewegung gegen- 
über etwas durchaus Neues, Heterogenes, sie läßt sich 
nicht als Kontinuation und Transformation d^er 
Bewegung auffassen. Nicht einmal hypothetisch läßt 
sich hier die Kluft zwischen Ursache und Wirkung über- 
brücken, während innerhalb der Reihe des physischen 
Geschehens die Verhältnisse viel günstiger liegen.^) 
Übrigens haben wir die Möglichkeit einer Wechselwirkung 
zwischen Physischem und Psychischem später noch genauer 
zu prüfen. Es wird sich zeigen, daß die Annahme eines 
Bewirktwerdens psychischer Vorgänge durch physiologische 
Prozesse zu Konsequenzen führt, welche den methodischen 
Voraussetzungen und Axiomen der Naturwissenschaft wider- 
streiten, so daß eine solche materialistische Psychologie 
in dieser Beziehung zum Teil genau dieselben Fehler 
begeht wie der Dualismus.^) Nur hat dieser immerhin 
dies voraus, daß er uns sagt, worin oder woran denn die 



*) vgl. Lotze, Medizin. Psychol. S. 11; Mikrokosm. P, 164 f.; 
Dubois-Reymond, Über die Grenzen des Naturerkennens 1891 S. 42, 
69; Külpe, Einleit. in d. Philos.* S. 129; Adickes, Kant contra 
Haeckel S. 30f.; Pauls en, Einl. in d. Philos.^ S. 8lf.; L. Busse, 
Geist und Körper S. 40 u. a. nehmen hingegen an der Unvergleich- 
barkeit des Psychischen und Physischen keinen Anstoß bezüglich 
der Möglichkeit einer Wechselwirkung zwischen beiden (die aber 
Paulsen aus anderen Gründen ablehnt). 

^) Wie Heymans es richtig dargetan hat (Einführ, in d. Met. 
S. 136f.). 



2. Zur Kritik des Materialismus. 55 

Gehimtätigkeit das Bewußtsein bewirkt, auslöst, nämlich 
in der Seele; wogegen der Materialismus das Greliim man 
weiß nicht worauf wirken läßt, da es ja nach ihm keine 
Seele, kein besonderes psychisches Sein gibt. Daß das 
Gehirn, ein bestimmtes körperliches Ding, in einem 
anderen körperlichen Ding, dem übrigen Leibe, eine Zu- 
standsänderung herbeiführt, ist ohne weiteres verständlich; 
daß das Gehirn aber ein psychisches Geschehen 
gleichsam im und am Nichts bewirken, daß es ein 
Nichtseiendes verändern könne, das erscheint doch 
absurd. Sollte das Gehirn überhaupt eine psychische 
Wirkung haben, so müßte schon ein Bewußtsein voraus- 
gesetzt werden, welches durch Gehimprozesse gereizt und 
modifiziert wird — offenbar die dualistische Theorie des 
Verhältnisses von Seele und Leib. 

Es gibt nun eine Form des „psychophysischen Materia- 
lismus", welche die psychischen Vorgänge, als einen 
Komplex elementarer Qualitäten (Empfindungen), für eine 
neben der Reihe der physischen Prozesse im Organismus 
hergehende „Begleiterscheinung" hält, welche ihrer Qualität 
nach nicht aus dem Physischen abzuleiten, von dem kau- 
salen Zusammenhange desselben aber abhängig ist, so daß 
die einzige Ursächlichkeit, welche den psychischen Zu- 
sammenhang gesetzlich bedingt und herstellt, im Physischen, 
in bestimmten Gehimprozessen zu suchen ist (Münsterberg 
u. a.). Charakteristisch für diesen Standpunkt ist die 
Leugnung einer psychologischen Kausalität, einer imma- 
nenten Wirksamkeit und Gesetzlichkeit des Psychischen. 

Zunächst müssen wir diesem Standpunkte gegenüber 
wieder betonen, daß das Psychische weder eine bloße Begleit- 
erscheinung, ein „Epiphaenomen" physiologischer Prozesse, 
noch ein Abstraktionsprodukt gleich dem Physischen ist 
Das Physische als solches ist der objektive Inhalt des 
Erlebens in seiner relativen Verselbständigung und Unab- 
hängigkeit vom individuellen Erleben, es ist bei ihm vom 



56 II* ^^^ Materialismus. 

Subjekt und der Bedingtheit durch dasselbe methodisch 
abstrahiert worden. Aber auch wenn das Physische mehr 
wäre als ein objektiver Erfahrungsinhalt, ein Ideales oder 
eine Erscheinung, auch wenn es ein „Ding an sich" wäre, 
könnte es keine Begleiterscheinung psychischer Art haben. 
Um sich irgendwie „erscheinen" zu können, müßte 
das Physische schon mehr als physisch sein, denn 
„sich erscheinen" ist schon eine psychische, geistige 
Funktion. Das Psychische ist eben, man mag sich drehen 
und wenden wie man will, nicht aus dem Physischen heraus- 
zulocken, ja es ist überhaupt als allgemeines Prinzip nicht 
abzuleiten. Das Psychische, das Bewußtsein, die Sub- 
jektivität ist ein ursprüngliches Prinzip der Wirklichkeit, 
ist Voraussetzung jedweder Erklärung seines Bestehens. 
Es ist nicht Erscheinung, sondern (als Prinzip) ein „An 
sich", es hat und ist absolute, unmittelbare, primäre Wirk- 
lichkeit. Es ist nicht Begleiterscheinung des Physischen, 
es ist diesem nicht subordiniert, sondern mindestens ebenso 
wirklich und wirksam wie das Physische, mit dem zusammen 
es das einheitliche Sein und Geschehen im Organismus 
bildet. Eher läßt sich noch umgekehrt das Physische als 
Begleiterscheinung des Psychischen ansehen, denn hier 
ist wenigstens die Möglichkeit des „Erscheinens" gegeben. 
Abzulehnen ist ferner die Ansicht, das Psychische, wie es 
die Psychologie untersuche, sei nicht das lebendige Geistes- 
leben, welches schöpferische Kraft besitzt, sondern eine 
unwirksame, unwirkliche Abstraktion vom Subjekt, ein ab- 
straktes Gebilde, ein Produkt der Analyse, welches als 
solches ebensowenig existiere wie etwa das Atom. Diese 
Ansicht Münsterbergs enthält ja etwas Richtiges, über- 
treibt aber die Anologie der Psychologie zur Physik. Die 
physikalische Analyse ist rein quantitativer Art, sie 
zerlegt die Körper gedanklich in letzte Einheiten, um das 
zusammengesetzte Geschehen in der Natur besser, leichter, 
einheitlicher verstehen und berechnen zu können. Diese 



2. Zur Kritik des Materialismus. * 57 

letzten Einheiten sind rein begrifflicher und hypothetischer 
Art, sie sind vielleicht bloße methodische Fiktionen. 
Anders die psychologische Analyse. Diese ist wesent- 
lich qualitativer Art, sie sucht den Reichtum an Quali- 
täten, der im Bewußtsein und den komplizierten Formen 
desselben eingeschlossen liegt, immer klarer, immer voll- 
ständiger und genauer zu apperzipieren und begrifflich zu 
ordnen. Diese Qualitäten kommen allerdings nie und nie- 
mals isoliert oder absolut „rein" vor, die „reine Em- 
pfindung", das „reine Gefühl" usw. sind sicherlich als 
solche schon Abstraktionsprodukte. Aber deshalb sind die 
,,Elemente" des Bewustseins noch nicht „unwirklich". Sie 
sind vielmehr wirkliche Bestandteile, Faktoren des Be- 
wußtseins, sie gehören dem Erleben selbst an, haben un- 
mittelbare anschauliche Wirklichkeit. Für das Bewußtsein 
als solches ist Bewußtsein und Sein identisch. Was im 
und für das Erleben als Element sich apperzipieren 
läßt, ist eo ipso ein wirklicher Bestandteil des 
Psychischen, Geistigen, und was im Bewußtsein als 
Einheit sich setzt und erfaßt, ist eo ipso wirkliche 
Einheit; der äußerliche Gegensatz von Subjekt und 
ObjektfälltinnerhalbderSubjektivität,derGeistig- 
keit als solcher völlig weg, damit auch der Gegen- 
satz von Erscheinung und Sein. Richtig ist nur, daß 
das konkrete Geistesleben nicht eine Summe von Empfin- 
dungs- und Gefühlselementen ist, welche schon vorher 
selbständig existieren. Richtig ist ferner, daß solche 
isolierte Elemente, die ja gar nicht existieren, nichts 
wirken, daß sie „inkausal" sind. Richtig ist, daß wenn 
das Bewußtsein ein Aggregat, ein Komplex solcher Ele- 
mente wäre, ein innerer Zusammenhang, eine wahre Ein- 
heit des Bewußtseins, eine Kontinuität desselben nicht zu- 
stande käme. Da aber die psychischen Elemente nur 
Glieder, Faktoren des einheitlichen Bewußtseinszusammen- 
hanges sind, aus dem sie die Aufmerksamkeit, die Apper- 



58 * II* ^^^ Materialismus. 

zeption zu methodischen Zwecken heraushebt, da sie dem^ 
Seelenleben immanent sind, wirklich zu ihm gehören, so sind 
sie keine Fiktionen oder Gedankengebilde gleich den Atomen.. 
Femer kann die Psychologie nicht vom erlebenden Subjekt 
abstrahieren, weil das Wesen des Psychischen gerade darin * 
besteht, daß etwas für ein Subjekt da ist als dessen Zu- 
stand, Akt, Erlebnis. Was den Psychologen interessiert, 
ist die typisch-individuelle Art des Erlebens als Subjekt-^ 
Verhaltens in seiner Gesetzlichkeit, nicht aber ein Komplex 
fiktiver Gebilde, die eine unmögliche Stelle zwischen Natur 
und Geist einnehmen. 

Ist dem so, dann hat die Psychologie auch die Auf^ 
gäbe, den Zusammenhang im geistigen Leben als solchen 
zu erforschen und die ihm immanente Gesetzlichkeit und 
Kausalität zu ergründen. Die Physiologie kann niemals 
an die Stelle der Psychologie treten; die Psychologie gibt 
sich selbst auf, wenn sie auf die rein psychologische Er- 
klärungder Bewußtseinsvorgänge undBewußtseinszusammen- 
hänge verzichtet. Es ist aber gar nicht möglich, psychische^ 
Zusammenhänge rein physiologisch zu erklären. Zunächst 
ist es klar, daß wenn physische Einzelprozesse nicht 
psychische Zustände „bewirken" können, es auch nicht 
möglich ist, daß raumzeitliche Zustände als Verbindungen 
von Nervenprozessen irgendwelche psychische Wirkungen 
haben können. Gesetzt also, es ließen sich aus physiologischen 
psychische Zusammenhänge „erklären", so braucht und ver- 
mag man deshalb noch nicht die Annahme zu machen, da& 
der psychische Zusammenhang (z. B. eine Assoziation) durch 
den physiologischen Konnex „erzeugt" wird. Diesen groben 
Materialismus begehen Psychologen wieMünsterbergaller- 
dings nicht. Aber auch die Meinung, als ob der psychischeZu- 
sammenhang, der von dem physischen nur funktionell, in- 
direkt abhängig sein soll, aus dem letzteren jedenfalls allein 
zu erklären sei, ist unhaltbar. Die Physiologie der 
zentralen Nervenprozesse, der ^Gehirnleistungen,. 



2. Zur Kritik des Materialismus. 59^ 

bedarf schon der Psychologie als Hilfswissenschaft, 
kann allein mit den anatomisch-histologischenGe-^ 
hirnbefunden nichts anfangen. Erst muß man mittelst 
der „innem" Erfahrung psychische Zusammenhänge^ 
kennen gelernt und begrifflich fixiert haben, bevor man die 
zugehörigen Gehimprozesse in ihren funktionellenLeistungen,. 
in ihrer neuropsychischen Bedeutung überhaupt und im 
einzelnen verstehen kann. Ohne z. B. die als „Assoziation" 
bezeichnete psychische Verbindungsart schon zu kennen,, 
vermöchte der Physiologe nicht einmal das Wenige, Unzu- 
reichende betreffs der parallelen Gehirnfunktionen auszu* 
sagen, worüber er heute verfügt. ^) Weit entfernt, daß 
der Physiolog erst psychische Zusammenhänge begrifflich 
setzt und erklärt, geht er schon immer bewußt oder 
unbewußt, direkt oder indirekt, von einem psycho- 
logischen Befund und dessen immanenter Inter- 
pretation aus. Je mehr die Psychologie fortschreitet, je 
weiter die Physiologie sich von der Plumpheit der Vulgär- 
psychologie, von den Konstruktionen der spekulativ-meta-^ 
physischen Psychologie frei macht und entfernt, desto 
günstigere Resultate kann sie auf dem Gebiete der Gehim- 
lehre erzielen. Gleichwohl wird immer da, wo der Charakter 
der innem Erfahrung schon längst gesetzliche Zusammen- 
hänge des Bewußtseins aufgezeigt hat, die Physiologie mit. 
Hypothesen sich begnügen müssen.^) 



*) Nach Wandt hat die Physiologie „viel mehr Fragen an die 
Psychologie gestellt, von deren Beantwortung ihre eigene Deutung 
der Befunde abhängt, als daß sie selbst imstande gewesen wäre, die 
psychologische Analyse zu unterstützen" (DiePhilos. im Beginn de? 
20. Jahrhund. I, 25; vgl. Grundzüge der physich Psych ol. II*, 629 
Philos. Studien XII, 14 f. 17, 20, 30 ff). Vgl. dazu R. Wähle,. 
Ober den Mechanismus des geist. Lebens, S. 9. 

^) Man weiß eigentlich nur das sicher, daß es so etwas wie 
„BahnuDg'' gibt, daß Prozesse, die oft in einer Nervenleitung oder 
in Nervenzellen verlaufen, diese Wege für sich leichter gang« 
bar machen, was man sich molekularmechanisch oder chemisch 



^0 IL Der Matarialwams. 

Esist sehrfraglichy obför dieMannigf alti^eit psychischer 
Yerbindüngen jemals das entsprechende Eoirelat im Grehim 
sich finden wird. Sollte aber anch der Mechanismus des 
Oehims völlig lückenlos uns zugänglich werden, ans ihm 
^ein würden wir nicht das Greringste in psychologischer 
Beziehung verstehen, wenn nicht schon eine bestimmte 
Koordination psychischer und physiologischer Prozesse be- 
kannt wäre. So wenig man es einem Nervenprozeß an- 
merken kann, daß ihm eine bestimmte Empfindung parallel 
geht, wenn man nicht schon das Parallelgehen beider kennt, 
ebensowenig vermag man aus der Auffindung gewisser 
Bahnen, Faserzüge u. dgl. im Grehim schon zu entnehmen, 
welcher psychische Zusammenhang mit der Funktion dieser 
Oehimpartien verbunden ist Was die Physiologie für die 
Psychologie leisten kann, ist gewiß nicht zu unterschätzen, 
insbesondere hat die Sinnesphysiologie der Seelenkunde 
wichtige Dienste leisten können und auch sonst haben 
physiologische Hilfsmittel und Methoden zur Unterstützung, 
Ergänzung und Vertretung psychologischer Gesichtspunkte 
und Ergebnisse hohen Wert. Die Sache liegt so : Von der 
Psychologie, die eine selbständige Wissenschaft der un- 
mittelbaren (innem) Erfahrung ist und die als solche den 
Zusammenhang der psychischen Elemente und Momente 
festlegt, erhält die Physiologie Fingerzeige für die Er- 
forschung der Gehimfunktionen und ihrer Zusammenhänge. 
Nachdem sie einmal mit annähernder Sicherheit die Koor- 
dination bestimmter psychischer mit gewissen physiologischen 
Verbindungen konstatiert hat, vermag sie samt der Nerven- 



K a s s o Wit z u. a.) begreiflich macht. Man glaubt „Assoziationssphären" 
annehmen zu dürfen, lehnt aber die Flechsig'sch e Theorie der 
,, Assoziationszentren'' meist ab, ebenäo die Ansicht, daß bestimmten 
Vorstellungen und anderen Einzelgebilden einzelne Ganglienzellen ent- 
sprechen. Man weiß noch nicht genau und sicher die Art der anato- 
misch-funktionellen Verknüpfung der verschiedenen Gehirntraktc zu 
4>estimmen. 



2. Zur Kritik des Materialismus. 61 

Mstologie der Psychologie zu bieten: 1. eine teilweise^ 
Veranschaulichung und Analogisierung von Be- 
wußtseinszusammenhängen; 2. Fingerzeigezurnoch 
genaueren Untersuchung und Formulierung psy- 
chischer Zusammenhänge; 3. einen vorläufigen oder 
endgültigen Ersatz, ein Surrogat, eine Substitution 
für Lücken des Bewußtseinszusammenhanges selbst,, 
mit dem Vorbehalt, daß die wahre Erklärung, das wahre 
Verständnis auch hier nur rein psychologisch zu er- 
zielen wäre. ^) Psychologie und Physiologie sind Wissen- 
schaften, welche einander ergänzen und unterstützen, da& 
darf aber nicht auf Kosten der Konsequenz und 
möglichsten Festhaltung des einen oder des anderen. 
Standpunktes der Wirklichkeitsbetrachtung ge- 
schehen. Wie es der Methodik der Einzelwissenschaft 
keineswegs angemessen ist, physikalisch-chemische Vorgänge 
als solche psychologisch erklären zu wollen, ebenso un- 
wissenschaftlich ist es, die psychologische Erklärung der 
psychischen Prozesse und Zusammenhänge durch die physio- 
logische Auffassung ?u ersetzen, zu verdrängen. Es ist 
bemerkt worden. Psychisches könne doch nicht durch 
Psychisches, d. h. durch sich selbst erklärt werden, man 
müsse zu etwas Außerpsychischen übergehen, um daran» 
das psychische Geschehen begreiflich zu machen. ^ Darauf 
ist zu erwidern, daß allerdings das Psychische als Prinzip,, 
als allgemeine Seinsweise, nicht weiter aus psychischem 

^) Beispi^e: ad 1. Die „Bahnungen" u. dgl. im Gehirn als 
Veranscbaulichung von Übungs- und Assoziationsvorgängen; ad 2. 
Struktur und Funktion der Netzhautelemente als Hilfsmittel für die 
Theorie des Sehens; ad 3. Physiologische „Dispositionen^* (Molekül- 
umlagerungen, potentielle Energien u. dgl.) als Surrogat für die nicht 
bewußten psychischen Dispositionen, Anlagen u. dgl.; Gehirn- 
störungen als Surrogat für nicht bewußte oder nicht apperzipierbare 
psychische Störungsfaktoren. 

^ R. Go 1 d s c h e i d , Zur Ethik des Gesamtwillens I, 10 ff ; 
R. Wähle, Über den Mechan. d. geist. Lebens, S. 14. 



ß2 n. Der Materialismus. 

Sein zu deduzieren ist, ebensowenig wie das Physische als 
allgemeine Daseinsweise physikalisch zu erklären ist. Aber 
wie es dem Naturforscher gestattet ist und von ihm ge- 
radezu gefordert wird, einzelne physische Vorgänge aus 
der Gesetzlichkeit und Kausalität des Physischen selbst, 
aus dem Zusammenhange mit anderen physischen Vorgängen 
^u erklären, ebenso muß und darf der Psycholog bestimmte 
psychische Einzelfälle als Repräsentanten typischer 
psychischer Prozesse, als Glieder des psychischen 
^Zusammenhanges, als Abhängige anderer psy- 
chischer Geschehnisse und Zustände erklären. So 
lassen sich Vorstellungen als Produkte der Verschmelzung 
und Komplikation von Empfindungen, Affekte aus dem 
^Zusammenwirken von Gefühlen und Vorstellungen, Willens- 
iandlungen aus Zusammenhängen von Gefühlen, Empfin- 
<iungen, Vorstellungen begreiflich machen, Handlungen der 
verschiedensten Art aus typischen Gefühls- und Willens- 
xeaktionen, aus typischen Impulsen und Motiven ableiten. 
Das Recht, eine eigene psychologische Kausalität 
anzunehmen, zu setzen kann niemand bestreiten, der unbe- 
iangen den Standpunkt der innem Erfahrung würdigt. 
Wir brauchen nicht erst eine Kausalität von außen, sei es 
vom Physischen oder (wie E. v. Hartmann will) vom 
„Unbewußten" her in das psychische Geschehen hineinzu- 
tragen. Weit entfernt, keine eigene Kausalität zu besitzen, 
ist das Bewußtseinsleben sogar der subjektive Urquell 
aller Kausalität, es ist die einzige Wirklichkeit, an und 
in der wir Wirksamkeit, Wirken (relativ) unmittelbar 
erleben oder setzen können, und von hier aus übertragen 
wir erst die Kategorie der „Wirksamkeit" auf das objek- 
tive, physische Geschehen, welches für uns dadurch erst 
zur Manifestation uns analoger aber für unser Wahrnehmen 
durchaus „transzendenter" Faktoren wird.^) Jedenfalls ist 

1) vgl. meine Kritische Einführ, in d.Philos. S. 114ff.; L. W. 
Stern, Person und Sache I. 



2. Zur Kritik des Materialismus. 63 

•der Zusammenhang im Psychischen „innerlicher", durch- 
sichtiger als der Konnex physikalischer Vorgänge, deren 
inneres „Band" uns nicht selbst objektiv gegeben ist. 
Jedenfalls läßt sich das Denkgesetz von Grund und Folge, die 
logische Wurzel des Kausalitätsbegriffs, ebensogut auf 
das psychische Geschehen anwenden als auf das physische. 
Bestimmte Gefühle bewirken typische Willensreaktionen, 
Affekte und Leidenschaften zeigen sich als Ursachen von 
psychischen Wirkungen verschiedener Art; die Aufmerk- 
vsamkeit, das Denken beeinflußt den Ablauf von Vor- 
stellungen; durch Prozesse der Verschmelzung, Komplika- 
tion, assoziativen und apperzeptiven Synthese entstehen 
jnannigfache geistige Gebilde, kurz überall im psychischen 
Leben tritt eine Wirksamkeit eigener Art zutage, aus 
vsrelcher die psychischen Verbindungen und Zusammenhänge 
in typischer Weise resultieren und durch welche sie min- 
•destens besser, „exakter" als durch physiologische Hypo- 
thesen zu erklären sind. Denn auf dem Gebiete geistigen 
Lebens kommt es in erster Linie auf die Qualität an, 
xmd dieses Qualitative des psychischen Geschehens ist durch 
4ie mehr quantitative Wirklichkeitsbestimmung der Physio- 
logie nicht zu ersetzen. Die Eigenart psychischer Gebilde, 
4as Hervorgehen neuer Qualitäten und Werte durch Syn- 
these von Elementen und einfacher Gebilde zu höheren 
<Tebilden, das „Wachstum geistiger Energie", d. h. die 
^schöpferische" Produktion immer neuer geistiger Quali- 
täten und Werte, die Zunahme des Reichtums an geistigem 
<jehalt des Bewußtseins, die Mannigfaltigkeit der Beziehungen 
zwischen diesen Inhalten ist physiologisch nicht begreiflich 
ÄU machen.^ „Auf der einen Seite steht vor uns die 
Ärmlichkeit und qualitative UndifEerenziertheit des nervösen 
Geschehens . . . Auf der andern Seite stellt sich gegenüber 
der innere Reichtum, die feine Differenzierung, die Unzahl 

«) Wundt, SystemderPhilosophie«, S. 301ff.; Philos. Stud.X 
107«.; Logik II «, 2 S. 275«.; Grundriß der Psychol. » S. 395 f. 



64 II* I^or Materialismus. 

wechselnder Nuancen des Seelenlebens" (H. Schwarz, Der 
moderne Materialismus S. 70). 

Diese psychische Kausalität ist freilich nicht so zu 
denken, als ob es eine Summe psychischer Agentien gäbe, 
die selbständig miteinander in Wechselwirkung treten. 
Die psychischen Vorgänge sind keine Dinge, keine be- 
harrenden Objekte, keine substantiellen Kräfte, sie ver- 
binden und trennen sich nicht von selbst. Was im Psychi- 
schen „wirkt" ist schließlich immer die Psyche, die 
Seele, das einheitliche Subjekt, dessen Wesenheit 
sich im Bewußtsein entfaltet und unmittelbar-real 
bekundet. Typische Aktionen, Reaktionen und 
Passionen dieses Subjekts oder dessen Tätigkeiten 
sind es, deren Gesetzlichkeit im Zusammenhange 
der psychischen Einzelvorgänge [sich darstellt.^) 
Es^handelt sich bei allen Formen geistiger Verbindungen, 
Zusammenhänge und Gebilde um die Art und Weise, 
wie die vom Subjektzentrum gleichsam ausgehende 
Einheitsfunktion sich in der Mannigfaltigkeit der 
Subjekterregungen setzt und erhält. „Aktives" und 
„passives" Bewußtseinsgeschehen sind nur verschiedene 
Formen der „Reaktion" eines Erlebens-Subjekts auf die 
ihm zukommenden äußeren und inneren Reize.- Die ein- 
zehien Vorgänge, welche einem individuellen Bewußtseins- 
zusammenhang angehören, sind voneinander abhängig erst 
als Glieder und Momente dieses Zusammenhanges bezw. 
als „Modi", als „Affektionen" und „Reaktionen" oder 
„Aktionen" des Subjekts, des seelischen Einheitszentrums. 
Ohne zur alten „Vermögenspsychologie" zurückkehren zu 
müssen, auch ohne Herbarts „Selbsterhaltungen" des ein- 
fachen Seelenlebens erneuern zu wollen, können wir doch 
den psychischen Kausalnexus, die gegenseitige Ab hängig - 



^) vgl. meine ^Prolegomena zu einer philos. Psychologie*, Zeit- 
schrift für Philos. u. philos. Kritik Bd. 122 S. 80ff. 



2. Zur Kritik des Materialismus. ß5 

keit der Bewußtseinsvorgänge voneinander als Ausdruck 
und Kesuiltat der einheitlichen und lebendigen Aktivität 
oder Reaktivität der Psyche, des Bewußtseinssubjekts auf- 
fassen. Diese Aktivität ist nicht, wie E. v. Hartmann ^) 
glaubt, völlig und immer unbewußter Art, sie ist nicht 
jenseits alles Bewußtseins gelegen, sondern gehört diesem 
selbst an. Hätten wir nicht unmittelbar^ im Willensent- 
schluß, im planmäßigen geistigen Schaffen, in der Zweck- 
setzung des Bewußtseins psychische Tätigkeit, so kämen 
wir überhaupt nicht zum Begriff der Tätigkeit, deren Vor- 
bild geradezu die Bewußtseinsaktivität selbst ist. Richtig 
ist nur, daß die geistige Tätigkeit als solche nicht dem 
einzelnen Bewußtseinsinhalt angehört, sie bekundet 
sich vielmehr in der „Form" des Bewußtseins, in dem 
lebendigen Zusammenhange desselben, von dem sie 
ebenso untrennbar ist, wie dieser von ihr. Richtig ist 
femer, daß die Partialursachen bestimmter psychischer 
Vorgänge manchmal relativ unbewußt (oder auch unter- 
bewußt) sind, d. h. sich der „Apperzeption" dauernd oder 
zeitweilig entziehen, indem sie nicht] für sich aus der 
Ganzheit des Bewußtseins, des Erlebens heraus- und her- 
vortreten, sondern gleichsam im „Hintergrunde" der Psyche 
bleiben. Prinzipiell aber ist die geistige Aktivität eine 
„Seite" des Bewußtseins selbst; ist sie ja doch das „Sub- 
jektive" desselben in seiner kraftvollen Beziehung zu 
fremden Subjekten und zu sich selbst. „Tätigkeit" ist 
etwas, was das Subjekt wohl nicht als bestimmten „Inhalt" 
unter anderen Bewußtseinsinhalten vorfindet, wohl aber 
eine Kategorie, die für das Subjekt selbst mehr als 
„formal" ist, weil sie die synthetische Einheitsfunk- 



^) „Die unmittelbaren Ursachen des jeweilig gegebenen Bewußt* 
seinsinhalts liegen jenseits des Bewußtseins und ebenso die Gesetze, 
nach denen diese außerbewußten Ursachen wirken" (Die moderne 
Psychologie S. 30). Vgl. 0. Ewald, Kants Methodologie in ihren 
Grundzügen S. 85 ff. 

Bisler, Leib und Seele. 5 



66 n. Der Materialismus. 

tion des wollenden Bewußtseins selbst, die sich u.a. 
in der Setzung der Kategorien, der Grundformen aller 
Erfahrung, bekundet, zum Ur- und Vorbild hat. Ist Tätig- 
keit (Kraft, Wirken) eine „Kategorie", so ist sie jedenfalls 
eine Synthese, in welcher das Subjekt, die Ichheit, 
sich selbst am unmittelbarsten setzt und erfaßt. 
Das Ich ist eben kein jenseits des Bewußtseins belegenes 
Ding mit unbekannten Qualitäten, sondern es ist ein sich 
in der Fülle seiner Erlebnisse selbst setzendes und er- 
haltendes, oder Einheit und Kraft bewährendes Agieren 
und Eeagieren. Dies ist es freilich nicht als bloßes Objekt 
reflexiven Erlebens und Beurteilens, sondern als Subjekt 
als Einheit von und in „Tathandlungen". 



I. Die Identitätslehre. 



1. Die Theorie. 

Unter „Identitätslehre" verstehen wir hier in weite- 
stem Sinne jede monistische Auffassung des Verhältnisses 
von Leib und Seele, nach welcher ein und dasselbe 
Sein oder Geschehen, ein Identisches es ist, was 
in einer Beziehung psychisch, in einer anderen 
physisch heißt und ist. Im engeren Sinne gehört dazu 
auch die Betonung der empirischen Dualität phy- 
sischer und psychischer Erscheinungen. Es ist also das 
Psychische nicht selbst eins mit dem Physischen, sondern 
-es soll nur eine Wesenheit (substantialer oder aktualer Art) 
^eben, welche sich auf zweifache Weise darstellt, ein 
Wesen mit zwei „Attributen", mit zweierlei Daseins- oder 
Erscheinungsweisen oder aber eine einheitliche Erfahrung 
mit zweierlei Betrachtungsweisen. Psychisches und Phy- 
sisches sind nicht Zustände zweier Arten von Substanzen, 
auch nicht zwei real getrennte, selbständige Reihen des 
Geschehens, sondern es gibt an sich nur eine Wirklichkeit 
und Wirksamkeit, deren Gehalt sich doppelt manifestiert, 
■derart, daß je ein Modus der einen einem Modus der andern 
Daseinsweise oder Erscheinung entspricht. Seele und Leib 
sind demnach in Wahrheit nur ein Wesen, welches in bezug 
auf die Bewußtseinsprädikate Seele, in bezug auf die phy- 
sischen Bestimmtheiten Leib heißt und ist. Diese Identi- 
tätslehre tritt in verschiedenen Modifikationen auf, bald 

5» 



58 in. Die Identitatslehre. 

mehr dnaUstisch, bald mehr monistisch gefärbt, bald anf 
realistisch-kritischer^ bald auf idealistischer Gnmdlage, bald 
mehr spiritnalistisch, bald dem Materialismus sich nähernd. 

Die Identitätslehre tritt historisch zuerst in realistischer 
and noch halbdualistischer Form auf als Lehre yon dem 
einen Wesen mit zwei Grundeigenschaften. So im Hylo- 
zoismus der Stoa, nach welcher das „Pneuma'^, der 
universale, jedem Einzeldinge immanente Kraftstoff, zu- 
gleich geistig (vernünftig) und körperlich ist. Später 
schreibt Giordano Bruno den Wirklichkeitselementen 
(Monaden) Empfindungsfähigkeit und Ausdehnung zu, und 
einen ähnlichen Hylozoismus vertreten in der Folge 
Gassendi, Glisson, Maupertuis, Diderot, Robinet,. 
Buffon, Goethe, Naegeli, Zöllner, Noir6 u. a., gegen- 
wärtig besonders Ernst Haeckel, letzterer in materia- 
listischer Färbung (Die Perigenesis der Plastidule S. 38f. 
Die Welträtsel S. 254 f.). 

Realistisch, aber mit einer Wendung zum Phäno- 
menalismus — im Sinne der Auffassung des Einzelseins 
als Erscheinung des allein absolutwirklichen Allseins — 
begründet Spinoza die Identitätslehre. In Wahrheit (an 
sich) gibt es nur ein Wesen, eine einheitliche, unteilbare, 
unendliche „Substanz". Diese hat zwei „Attribute": 
Denken (Bewußtsein) und Ausdehnung (Materialität). Jedes 
Einzelding ist ein „Modus", eine unselbständige Besonderung 
des göttlichen Allwesens. Da nun dieses (außer anderen^ 
die beiden Attribute des Physischen und Psydiischen hat,, 
so ist jedes Ding zugleich körperlich und geistig, letzteres 
für sich oder bloß als Glied des allgemeinen Geistes, des 
göttlichen Intellekts. Geist und Körper, Seele und Leib 
sind also nicht — wie bei Descartes — zwei Substanzen,, 
sondern nur zwei Seinsweisen eines Wesens, dessen Be* 
schaffenheit und Wirksamkeit doppelt zum Ausdruck kommt,, 
auf zweifache Weise begriffen, aufgefaßt wird. Der Mensch 
insbesondere ist Leib als Modus des Attributes „Aus- 



1. Die Theorie. 69 

dehnung", Seele als Modus des Attributs ^ßewußtsein und 
ist doch nur ein Wesen, welches sich doppelt darstellt. 
Da aber Geistiges und Körperliches nur zwei Ausdrucks- 
weisen derselben Wesenheit, d. h. des Zusammenhanges 
oder der Gesetzlichkeit im Allsein, in der Substanz sind, 
so gibt es keine Wechselwirkung zwischen ihnen, sondern 
jedem psychischen entspricht notwendig ein bestimmtes 
leibliches Geschehen.^) Der psychische Einzelzustand ist 
ja nur die „idea"* (das geistige Bild, der seelische Ausdruck) 
des zugehörigen leiblichen Zustandes. Die Seele ist keine 
Substanz, sondern die „idea corporis", der dem Leibe 
entsprechende Komplex von Vorstellungen und anderen 
Bewußtseinsakten, und der Leib ist das „obiectum" der 
Seele, das gegenständliche, physische Sein derselben 
Wesenheit, die subjektiv als Seele sich erfaßt (Ethica ü, 
prop. Xin, XV, XIX squ). Beide aber sind „unum et 
idem Individuum, quod iam sub cogitationis, iam sub 
extensionis attributo concipitur" (1. c. prop. XXI). 

Sieht man bei Leibniz davon ab, daß er anthro- 
pologischer Dualist ist, eine besondere Seelenmonade annimmt, 
so kann man ihn als Vertreter einer spiritualistisch ge- 
gefärbten Identitätslehre ansprechen. Das Körperliche ist 
nach ihm bloßes Phänomen, eine „wohlgegründete Er- 
scheinung". Zugrunde liegt dem Körperlichen eine Ordnung 
immaterieller Wesen, von Monaden. Es sind dies individuelle 
Zentren von „Perzeptionen" und „Begehrungen". Für sich 
sind diese Monaden rein psychisch, in ihrer Verbindung 
zu Komplexen erscheinen sie sich als räumlich ausgedehnte, 
bewegte, kurz als körperliche Dinge. Physisches und 
Psychisches sind also auch hier nicht zwei aufeinander 
wirkende Wesen oder Tätigkeiten, sondern nur zwei 
Daseinsweisen einer Wesenheit, die aber körperlich nur 



^) „Ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio 
rerum** (Ethica II, prop. VII). 



^ 



70 ni. Die Identitätslehre. 

in der sinnlicheli Erscheinung, psychisch in ihrem unmittel- 
baren Eigensein ist. Das Seelische ist geradezu die 
(absolute) Wirklichkeit des Körpers, das, was in ihm real 
ist, beharrt und lebendig -primär wirkt. Der Körper 
ist eine Manifestation, Sichtbarwerdung, Erscheinung der 
in den verschiedensten Graden des Bewußtseins bis herab 
zum Unterbewußten existierenden Geistigkeit. Die Wirk- 
lichkeit ist, ihrer Totalität nach, ein Zusammenhang 
geistigen Seins, welcher sowohl psychisch als physisch 
zum Ausdrucke kommt, jede Monade ist ein lebendiger 
Weltspiegel, jede bringt auf ihre Weise, von ihrem Ge- 
sichtspunkt das Universum zum „Ausdruck", und alle ihre 
„innem" Zustände stellen sich im Zusammenhange der 
Monaden untereinander als physische Geschehnisse dar 
(Opera, ed. Erdmann p. 714 squ.; Monadologie 3 ff.). 

Man kann nun den Phänomenalismus noch weiter 
ausdehnen und noch subjektivistischer gestalten, als Leibniz 
es tut, dann kommt man zur Idee des völlig unerkennbaren 
„Ding an sich", welches uns nur in seinen, durch die Ge- 
setzlichkeit unseres Intellekts bedingten Erscheinungen 
bekannt ist, zum „kritischen Idealismus" Kants. Nach 
ihm ist das Psychische unseres Bewußtseins als Gegen- 
stand des „innem Sinnes" ebenso phänomenal, bloße Er- 
scheinung wie das Physische. Aber, meint Kant, es wäre 
möglich, daß ebendasselbe Wesen (Ding an sich), welches 
den metaphysischen Urgrund des Psychischen bildet, zu- 
gleich — qualitativ oder „numerisch", das ist bei Kant 
nicht ganz sicher zu ersehen^) — das Ursubjekt des 
Physischen sei. „Ob nun . . . gleich die Ausdehnung, die 
Undurchdringlichkeit . . ., kurz alles, was uns äußere Sinne 
nur liefern können, nicht Gedanken, Gefühl, Neigung oder 
Entschließung sein oder solche enthalten werden, als die 
überall keine Gegenstände äußerer Anschauung sind, so 



1) vgU Busse, Geist und Körper S, UOff. 



. 1. Die Theorie. 71 

könnte doch wohl dasjenige Etwas, welches den äußeren 
Erscheinungen zugrunde liegt, was unsem Sinn so afflziert, 
daß er die Vorstellungen von Kaum, Materie, Gestalt usw. 
bekommt, dieses Etwas, als Noumenon (oder besser als 
transzendentaler Gegenstand) betrachtet, könnte doch auch 
zugleich das Subjekt der Gedanken sein." „Auf solche 
Weise würde ebendasselbe, was in einer Beziehung körper- 
lich heißt, in einer anderen zugleich ein denkend Wesen 
sein, dessen Gedanken wir zwar nicht, aber doch die 
Zeichen derselben in der Erscheinung anschauen können. 
Dadurch würde der Ausdruck wegfallen, daß nur Seelen 
(als besondere Arten von Substanzen) denken; es würde 
vielmehr wie gewöhnlich heißen, daß Menschen denken, 
d. i. ebendasselbe, was, als äußere Erscheinung, ausgedehnt 
ist, innerlich (an sich selbst) ein Subjekt sei, was nicht 
zusammengesetzt, sondern einfach ist und denkt" (Kritik 
der reinen Vernunft, Keclamsche Ausgabe S. 305 f.). 

Solch ein „kritischer Monismus" wurde besonders im 
ersten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts herrschend, 
besonders als Lehre, daß das Wesen des „Ding an sich", 
des Identischen im Sinne eines „objektiven Idealismus" 
als Geist, objektive Vernunft und dergl. bestimmt wurde, 
deren Inhalt sowohl im Individuell-Psychischen als in der 
Natur, im Physischen sich entfaltet. Nach I. G. Fichte 
erscheint das Ich „von zwei Seiten angesehen, als Wille 
und als Leib" (System der Sittenlehre S .XVII). Fries nennt 
Seele und Leib „zweierlei Ansichten derselben Welt" 
(Neue Kritik der Vernunft II, 113) und nimmt an, daß uns 
„in den Geistestätigkeiten und im körperlichen Leben das- 
selbe Wesen erscheine, aber nach ganz verschiedenen Er- 
scheinungsweisen" (Handbuch der psychischen Anthro- 
pologie § 2). Zur Geltung wurde die „Identitätsphilosophie" 
besonders durch Schelling gebracht. Nach ihm ist das 
„Absolute", die „Identität des Subjektiven und Objektiven", 
dasjenige Sein, welches, an sich übergeistig und übernatürlich, 



72 lU. Die IdeDtitätslehre. 

sich im Psychischen wie im Physischen betätigt, entfaltet 
bekundet Ideales und Beales sind zwei „Seiten" des einen 
Absoluten, so aber, daß die Natur der „sichtbare Greist" 
ist (WW., herausg. von K. RA. Schelling, 1,10 S. 145; 
Ideen zu einer Philosophie [der Natur * S. 64 fE.). Seele 
und Leib sind nur der zweifache Gedanke einer Wesen- 
heit (WW. 17, 417 ff.); die Seele ist der „unmittelbare 
Begriff" des Leibes (WW. 1 6, 514). Weil ein Wesen es 
ist, das in Natur und Psyche wirksam ist, entsprechen 
bestimmten seelischen Zuständen bestimmte physische Da- 
seinsweisen. Als verschiedene Seinsweisen eines und des- 
selben Wesens, welches für sich geistig ist und als Leib 
nicht bloß erscheint, sondern auch in ihm, den es sich 
anbildet, wirksam ist, betrachten das Psychische und 
Physische C. G. Carus (Vorlesungen über Psychologie 1, 12); 
L. Oken, Steffens (Anthropologie S. 307, 442); Sua- 
bedissen, Heinroth (Psychologie S. 197 f.); Burdach 
Anthropologie §201, 208 ff., 391 ff.); Carriere, Fort- 
lage u. a. 

Nach Hegel sind Seele und Leib „eine und dieselbe 
Totalität derselben Bestimmungen". Der Leib ist die 
„Äußerlichkeit" der. Seele (Ästhetik 1, 154 ff.). Dieselbe Ver- 
nunft, welche in der Natur sich entfaltet, kommt im Geiste 
zum Bewußtsein ihrer selbst; die Seele ist ein Moment 
in der „dialektischen" Selbstentwicklung des Absoluten. 
Michelet, K. Rosenkranz, J. E. Erdmann betrachten 
ebenso die Seele als ideale Einheit desselben, was als 
leiblicher^^Organismus erscheint. „Der [sogen. Zusammen- 
hang des Leibes und der Seele besteht darin, daß es ein 
und dasselbe Wesen ist, welches als Mannigfaltiges und 
Äußeres, eben darum der Außenwelt Angehöriges und ihr 
Aufgeschlossenes Leib, "als Eines und Inneres, welches 
als der immanente Zweck die Mannigfaltigkeit ideell setzt 
und durchdringt, Seele ... ist" (Erdmann, Grundriß der 
Psychologie § 14 f.). Im Sinne der Schleiermacherschen 



1; Die Theorie. 73 

Philosophie erklärt H. Ritter: „Wir haben von jedem er- 
scheinenden Dinge zu setzen, daß es sich in reflexiven 
Tätigkeiten als Geist, jedem andern Dinge in äußern Zu- 
ständen als Körper erscheint" (System der Logik 1, 305). 
Beneke, Lotze, I. H. Fichte u. a. nehmen zwar ein 
besonderes Seelenwesen an, fassen aber zugleich den Leib 
als Erscheinung seelenähnlicher Wesen oder Kräfte auf. 
Ja nach dem letztgenannten Philosophen ist der Leib ge- 
radezu das „Kaum- und Zeitbild" der Seele (Anthropologie 
S. 267; Psychologie 1, 13). Es gibt nach ihm eiuen „innem" 
oder „Geistleib", der „von der Seele selbst durch vor- 
bewußte raumkonstruierende Phantasietätigkeit produziert" 
wird (Psychol. 1, 13, 66). A. Lassen identifiziert den 
^Leib an sich", die innere Wirklichkeit und „Entelechie" 
des Organismus mit der Seele (Der Leib S. 54, 71 f., 78 ff.). 
Nach E. V. Hart mann sind Seele und Leib „reelle Teil- 
funktionen als Glieder derselben absoluten Funktion des 
absoluten Subjekts" (Die mod. Psychol. S. 335), so aber, 
daß die Seele dem Innensein der Leibesatome gegentlber 
ein Plus, eine Art „Zentralmonade" bedeutet (a. a. 0. S.288ff.). 
Es ist, wie Drews es formuliert, die Seele „das lebendige 
System von unbewußten . . . Willensakten der absoluten 
Substanz, deren äußere Erscheinung unser Leib und deren 
innere Erscheinung die Gesamtheit unserer bewußten 
psychischen Funktionen bildet" (Das Ich S. 301). Das 
„Unbewußte" ist also das Identische des Bewußtseins und 
des Leibes, beide sind Erscheinungen desselben (so auch 
I. H. Fichte, Psychol. 1, 196). 

Die Identitätslehre, wie sie jetzt in Kraft steht, geht 
hauptsächlich auf Schopenhauer und Fechner zurück, 
wenn sie auch im einzelnen teilweise modifiziert erscheint. 

Nach Schopenhauer ist die Wirklichkeit an sich 
Wille, der Erscheinung nach Vorstellung, deren Inhalt das 
Physische bildet. Ein und dasselbe, der (an sich unbewußte) 
Wille faßt sich im Bewußtsein unmittelbar, als Leib aber 



74 ni. Die Identitätslehre. 

mittelbar, nämlich als sinnlich vermittelte „Objektität" 
seiner selbst, auf. Der Leib ist uns „auf zweifache Weise 
gegeben: einmal als Vorstellung in verständiger Anschauung, 
als Objekt unter Objekten und den Gesetzen dieser unter- 
worfen; sodann aber auch zugleich auf eine ganz andere 
Weise, nämlich als jenes jedem unmittelbar Bekannte, 
welches das Wort ,Wille* bezeichnet". „Mein Leib und 
mein Wille sind eines." Der Leib ist der „sichtbar ge- 
wordene Wille", der „sichtbare Ausdruck" desselben. „Die 
Aktion des Leibes ist nichts anderes als der objektivierte, 
d. h. in die Anschauung getretene Akt des Willens" (Die 
Welt als Wille und Vorstellung Bd. 1 §§ 18 ff.). WiUens- 
akt und Bewegung sind nur zwei Auffassungen eines 
Geschehens, denn was „der inneren Wahrnehmung (dem 
Selbstbewußtsein) sich als wirklicher Willensakt kundgibt, 
dasselbe stellt sich in der äußeren Anschauung, in welcher 
der Leib objektiv dasteht, sofort als Aktion desselben dar" 
(a. a. 0. Bd. 2 C. 4). 

Nach Fechner ist das „An sich" der Dinge ebenfalls 
immaterieller, geistiger Art. Das Geistige ist „Selbst- 
erscheinung", unmittelbar sich selbst erfassende Wirklichkeit, 
deren es verschiedene Seinsstufen gibt, vom niedersten, 
dem Anorganischen zugrunde liegenden „Innensein" bis 
zum göttlichen Allgeist, der das Universum in sich befaßt 
und in dem auch jede Seele, jedes Individualbewußtsein 
einbeschlossen ist (Zend-Avesta 11, 1641; I S. XIX, 252; 
Elemente der Psychophysik 11, 455). Das Körperliche ist 
Erscheinung desselben Wesens, das sich selbst unmittelbar 
als Geist, als psychisch erfaßt. Der verschiedene („innere" 
oder „äußere") Standpunkt der Betrachtung ist es, was 
die eine Wirklichkeit bald als psychisch, bald als materiell 
erscheinen läßt. „In der Tat, ein gemeinschaftlich Wesen 
liegt der geistigen Selbsterscheinung und der leiblichen 
Erscheinung für anderes, als das Selbst ist, unter. Innerlich 
erscheint's sich selbst so, anderem äußerlich so; was aber 



1. Die Theorie. 76 

erscheint, ist eines (Zend-Av. I, 252 f.). „Was dir auf 
innerem Standpunkt als dein Geist erscheint, der du selbst 
Geist bist, erscheint auf äußerem Standpunkt dagegen als 
dieses Geistes körperliche Unterlage" (Elemente der Psycho- 
physik 1,4). Der Leib ist die „Außenseite" desselben 
Wesens, dessen „Innenseite" seelisch ist (über die Seelen- 
frage S. 9 ff.). Die Seele ist das „einheitliche Wesen, das 
niemand als sich selbst erscheint" (a. a. 0. S. 110 ff.). 
„Das psychisch Einheitliche und Einfache knüpft sich an 
ein physisch Mannigfaltiges, das physisch Mannigfaltige 
zieht sich psychisch ins Einheitliche, Einfache oder noch 
Einfachere zusammen" (Elemente der Psychophysik n, 526). 
Das Identische beider Erscheinungsweisen liegt in nichts 
als in der „untrennbaren Wechselbedingtheit" beider (Über 
die Seelenfrage S. 220 f.). Es ist so, wie wenn ein Kreis- 
bogen von innen gesehen konkav, von außen aber konvex 
erscheint. Ähnlich lehrt Paulsen: „Die Wirklichkeit 
wendet uns zwei Seiten zu; von außen, mit den Sinnen 
gesehen, stellt sie sich als Körperwelt dar, im Selbst- 
bewußtsein, von innen gesehen, offenbart sie sich als 
seelisch -geistiges Leben" (System der Ethik I ^, 207). 
„Das Körperliche ist Erscheinung und Symbol des seelisch- 
geistigen Lebens, dieses ist das eigentlich oder an sich 
Wirkliche" (ibid. vgl. Einleitung in die Philosophie ^ S. 115). 
Ähnlich fassen das Verhältnis von Leib und Seele ferner 
auf F. A. Lange, Laßwitz, nach welchem dasselbe 
„System" als „gesetzliche Verbindung eines Mannigfaltigen" 
physisch ist in Beziehung auf andere Systeme, psychisch in 
Beziehung auf sich selbst (Fechner S. 154 ff.), E. Koenig, 
Adickes (Kant kontra Haeckel S. 65), C. Peters, Bruno 
Wille, Wundt (s. unten) u. a. So auch Ebbinghaus, 
welcher erklärt: „Seele und Nervensystem sind nichts 
real Getrenntes und einander Gegenüberstehendes, sondern 
sie sind ein und derselbe reale Verband, nur dieser in 
verschiedenen und auseinander fallenden Manifestations- 



76 UL Die Identiti€slehre. 

weisen. Seele ist dieser reichhaltige Verband, so wie er 
«ich gibt nnd sich darstellt für seine eigenen Glieder, für 
-die ihm angehörigen Teilrealitäten. Gehirn ist derselbe 
Verband, so wie er sich andern analog gebauten Verbänden 
■darstellt, wenn er von diesen — menschlich ausgedrückt — 
gesehen und getastet wird (Grundzüge der Psychologie 1,42). 
Beide Manifestationsweisen des Wirklichen sind gleich echt 
und wahr, keine ist subjektiver Schein (a. a. 0. S. 43). Aus- 
gesprochener idealistisch-spiritualistisch ist die Identitäts- 
lehre bei Heymans. Die Wirklichkeit stellt sich uns 
^primär" als Reihe von Bewußtseinsprozessen, „sekundär" 
aber, in der Sinneswahmehmung und der ihr entsprechenden 
Denkweise, als Reihe der möglichen Naturerscheinungen 
4ar. Was im Subjekt A ein Bewußtseinsvorgang ist, wird 
von einem Subjekt B (oder dem „idealen Beobachter") als 
■Gehimprozeß beobachtet. Die physische Reihe ist nichts 
als die (ideale) Reihe möglicher Wahrnehmungen der 
primären Reihe des Psychischen, von der sie abhängig 
ist, wenn sie auch ihre eigenen Gesetze hat (Zeitschrift 
iür Psychologie und Physiologie der Sinne Bd. 17 S. 62 ff.). 
Das Physische ist demnach nur der Zusammenhang von wirk- 
lichen oder vorausgesetzten, methodisch gedachten Wahr- 
nehmungsmöglichkeiten (unter „günstigen Bedingungen"), 
denen an sich primäre psychische Prozesse in Subjekten 
entsprechen.^) Eine zum Teil verwandte Anschauung hat 
^uch Ziehen (Psychophysiol. Erkenntnistheorie 1898; 
Über die allgemeinen Beziehungen zwischen Gehirn und 
Seelenleben 1902), der aber auch einen (idealistisch fun- 



^) Den ^psychischen Monismus'' begründet Heymans aus- 
führlich in seiner Einführung in die Metaphysik 1905 S. 227 ff. «Der 
Monismus nimmt an, daß die Gegenstände aller möglichen Hirn- 
prozeß Wahrnehmungen, also die Wirklichkeiten, welche unter günstigen 
Bedingungen diese Wahrnehmungen veranlassen könnten, im aller- 
buchstablichsten Sinne mit den Bewußtseinsvorgängen identisch . . . 
sind« (a. a. 0. S. 239). 



1. Die Theorie. 77 

(Herten) „psychophysischen Materialismus" vertritt (Zurück- 
fühning der Materie auf „reduzierte Empfindungen"). 

Die letztgenannten Vertreter der Identitätslehre be-^ 
zeugen die Neigung, die psychische Seite der Wirklichkeit 
als das in primärer Weise Reale, als das unmittelbare^ 
Eigen-Sein derselben zu betrachten. Bei anderen tritt die 
Identitätstheorie in einer realistisch-phänomenalistischen Art 
auf, so daß Psychisches und Physisches als gleichartige 
Erscheinungen oder Betrachtungsweisen einer und derselben 
Wesenheit gelten. Wir begegnen solch einer Ansicht bei 
A. Bain (Mind and Body, eh. 7; Mind VHI, 402 ff.), Hux- 
ley, P. Carus, nach welchem Geistiges und Körperlichem 
„two aspects of one reality" sind (Fundam. Probl. * S. 180 fE.), 
Clifford, Taine, Paulhan, Grot (Archiv für System. 
Phüos.IV), Lewes (Probl. of Life and Mind H, 457 ff.), 
Spencer. Nach ihm erscheint dasselbe, was objektiv be- 
trachtet ein Nervenprozeß ist, subjektiv als Empfindung. 
Beide sind „the inner and the outer faces of the same 
change". Die absolute Realität, die uns zweifach erscheint,, 
ist an sich unerkennbar (Princ. of Psychol. I ^ p. 107 fE., 
627). Femer bei Sibbern, Höffding (Psychol.« C. 2; 
Philos. Probl. S. 26 fE.) u. a. Kiehl lehrt einen „kritischen. 
Monismus", demzufolge er Psychisches und Physisches 
als zwei Erscheinungsarten des Wirklichen bestimmt. Der 
Gegensatz von Körper und Geist hat nur „die Bedeutung^ 
entgegengesetzter Richtungen der Betrachtung" (Der philos. 
Kritizismus 111,63). „Dasselbe, was vom Standpunkte 
des Ich ein Empfindungsprozeß ist, ist von dem des Nichtr^ 
Ich ein zerebralef Vorgang" (a. a. 0. S. 270). „Unser 
empirisches Ich ist der summarische Ausdruck der Einheit 
des individuellen Lebens, es ist dieselbe Einheit innerlich 
erfaßt, die sich den äußeren Sinnen als Organismus mit 
der Wechselwirkung seiner Teile und seiner Funktionen^ 
darstellt" (a. a. 0. 112, 198). In Wahrheit sind nur „zwei 
verschiedene Betrachtungsweisen eines einzigen Vorganges"* 



78 II'* ^^^ Identitätslehre. 

gegeben, welche „jederzeit auf zwei verschiedene Subjekte 
verteilt" sind. „Wir schließen auf die Identität des 
realen Vorganges, der dieser doppelseitigen Erscheinung 
zugrunde liegt. Die Welt ist nur einmal da; aber sie ist 
dem objektiven, auf die äußern Dinge bezogenen Bewußt- 
sein als Zusammenhang quantitativer physischer Vorgänge 
und Dinge gegeben, während ein Teil derselben Welt 
einem bestimmten organischen Individuum als seine be- 
wußten Funktionen und deren Zusammenhang gegeben ist" 
(Zur Einführ, in d. Phüos. d. Gegenwart S. 164). Ähnüch 
erklärt Jodl: „Was in der inneren Wahrnehmung als 
Vorstellung, Gefühl, Gedanke von bestimmtem Gehalt und 
l)estimmter Färbung auftritt, das würde uns, wenn wir 
uns in demselben Moment zugleich als organischen Körper 
und in unserer physischen Struktur vollkommen durch- 
:sichtig vor Augen haben könnten, als eine Koordination 
molarer und molekularer Bewegungen der Zentralteile in 
Nervenzellen und Nervenfasern entgegentreten und um- 
gekehrt" (Lehrb. d. Psychol. C. 2 § 24). 

Der Hauptvertreter der ideal-realistischen, spiri- 
tualistisch gefärbten Identitätstheorie der Gegenwart ist 
Wundt. Den Identitätsstandpunkt formuliert er auf einer 
dreifachen Grundlage, nämlich 1. methodologisch-erkenntnis- 
^itisch, 2. psychophysisch (psychologisch) und 3. meta- 
physisch (ontologisch). adl: „Äußere" und „innere" Er- 
fahrung bedeuten „nicht verschiedene Gegenstände, sondern 
verschiedene Gesichtspunkte . . ., die wir bei der 
Auffassung der an sich einheitlichen Erfahrung anwenden". 
Diese Gesichtspunkte ergeben sich daraus, „daß sich jede 
Erfahrung unmittelbar in zwei Faktoren sondert: in 
einen Inhalt, der uns gegeben wird, und in unsere Auf- 
fassung dieses Inhalts. Wir bezeichnen den ersten dieser 
Faktoren als die Objekte der Erfahrung, den zweiten 
^s das erfahrende Subjekt, daraus entspringen zwei 
JBichtungen für die Bearbeitung der Erfahrung. Die eine 



1. Dio Theorie. 79 

ist die der Naturwissenschaft: sie betrachtet die Ob- 
jekte der Erfahrung in ihrer von dem Subjekt unabhängig 
gedachten BeschafEenheit. Die andere ist die der Psycho- 
logie: sie untersucht den gesamten Inhalt der Erfahrung 
in seinen Beziehungen zum Subjekt und in den ihm von 
diesem unmittelbar beigelegten Eigenschaften" (Grundr. d. 
Psychol. * S. 3). Es gibt keine Naturerscheinung, die nicht 
auch psychologisch zu untersuchen ist (a. a. 0. S. 2) d. h. 
gegeben ist ursprünglich eine einheitliche Gesamterfahrung 
mit zwei Seiten. Die objektive Seite, d. h. die Erfahrungs- 
inhalte in ihrer Abstraktion vom Subjekt, und die subjektive 
.Seite, das Erfahren, Erleben als solches, in seinem unmittel- 
baren Ich-Zusammenhange, sind nur Faktoren einer und 
derselben empirischen Gegebenheit. Dies kann als „metho- 
dologischer Monismus" bezeichnet werden. Psychisches und 
Physisches sind nicht verschiedene Gegenstände ver- 
schiedener Erfahrungen, sondern Komponenten einer Er- 
fahrung, die in sich selbst Momente zu einer doppelten 
Betrachtungs- und Bearbeitungsweise darbieten. Die Psy- 
chologie betrachtet das Erfahren und dessen Inhalt in seiner 
unmittelbaren, vom Subjekt abhängigen Qualität und Ver- 
bindung, die Naturwissenschaft ersetzt das unmittelbar 
Erlebte durch methodisch konstruierte begriffliche Gebilde 
(a. a. 0. S. 6). Beide Betrachtungsweisen sind aber in Wirk- 
lichkeit aneinander gebunden. „Dieses Verhältnis ent- 
springt aber mit Notwendigkeit daraus, daß in Wahrheit 
die Erfahrung nicht ein Nebeneinander verschiedener Ge- 
biete, sondern ein einziges zusammenhängendes Ganzes ist, 
das in jedem seiner Bestandteile sowohl das Subjekt, das 
die Erfahrungsinhalte auffaßt, wie die Objeßte, die dem 
Subjekt als Erfahrungsinhalte gegeben werden, voraussetzt. 
Darum kann auch die Naturwissenschaft nicht von dem 
erkennenden Subjekt überhaupt, sondern sie kann nur von 
denjenigen Eigenschaften desselben abstrahieren, die ent- 
weder, wie die Gefühle, verschwinden, sobald man sich 



80 lU. Die Identitätslehre. 

das Subjekt hinwegdenkt, oder die, wie die Qualitäten der 
Empfindungen, auf Grund der physikalischen Untersuchung 
dem Subjekte zugeschrieben werden müssen. Die Psycho- 
logie dagegen hat den gesamten Inhalt der Erfahrung in 
seiner unmittelbaren Beschaffenheit zu ihrem Gegenstande" 
(a. a. 0. S. 6). Die objektiven und subjektiven Faktoren 
der Erfahrung kommen „niemals als real geschiedene Vor- 
gänge" vor (a. a. 0. S. 18). — ad 2: Die lebendige Reg- 
samkeit und der stetige Tätigkeitscharakter sowie die un- 
mittelbare Eealität des Geistigen verbietet die Annahme 
einer besondem Seelensubstanz. Anderseits kann die Seele 
nicht materiell oder Wirkung physischer Vorgänge sein« 
setzt doch der Begriff des Materiellen schon das erfahrende 
Subjekt, welches ihn erzeugt, voraus. Die Koordination 
des Physischen und Psychischen, die Analogie der Einheit 
und Organisation des Psychischen mit der einheitlichen 
Organisation des Leibes führen zu dem Gedanken, daß 
„was wir Seele nennen, das innere Sein der nämlichen 
Einheit ist, die wir äußerlich als den zu ihr gehörigen Leib 
erkennen" (Grundzüge der physiol. Psychol.II *, 648; Philos. 
Stud. X,41f.; Logik 1 2, 561; Syst. d. Philos. « S. 379 f.). 
Die Seele ist gleichsam die „Entelechie", die lebendige 
Wirklichkeit und Verwii-klichung des Organismus; ist sie 
doch „der gesamte Zweckzusammenhang geistigen Werdens 
und Geschehens, der uns in der äußeren Beobachtung als 
das objektiv zweckmäßige Ganze eines lebenden Körpers 
entgegentritt" (Syst. d. Philos. ^ S. 606). Das Innensein, 
die Geistigkeit ist aber nicht sekundärer Art, nicht Er- 
scheinung, sondern das volle, absolute, das An sich-Sein der 
Wirklichkeit (Grundz. d. physiol. Psychol. 11 *, 648). Vom 
Standpunkte psychophysischer Betrachtung ist der Organis- 
mus der Träger sowohl der psychischen als auch der 
physischen Vorgänge, aber dieser Organismus ist, wie alles 
Wirkliche, an sich etwas Geistiges. Da der Organis- 
mus als Ganzes das Korrelat der Seeleneinheit ist, gibt 



1. Die Theorie. 81 

es keinen besonderen Seelensitz. Den Elementen des Leibes 
kommt ein inneres Sein zu, das in durchgängiger Verbindung 
steht (Logik I*, 651). — ad 3: Vom metaphysischen, end- 
gültigen Standpunkt, wie ihn die Vernunfterkenntnis be- 
dingt, zeigt sich als das Wesen der Wirklichkeit die 
Geistigkeit. Indem die Objektivität, welche den Außen- 
weltsvorstellungen eigen ist, auf eine Tätigkeit außer uns 
bezogen werden muß, die unsre eigene Subjekt-Tätigkeit, 
unser Wollen, zu vorstellender Tätigkeit bestimmt, ergibt 
sich als metaphysischer Seelenbegriff die Idee des „reinen 
Willens" als der primärsten Bedingung des empirischen 
Bewußtseinszusammenhanges, die aber nicht isoliert und 
absolut selbständig existiert, da der individuelle Wille das 
Teilglied allgemeiner Willenszusammenhänge bildet (System 
d. Philos. * S. 372 ff.). Metaphysisch ist also eine und die- 
selbe Wirklichkeit subjektiv Wille, objektiv Vorstellungs- 
inhalt, wie er aus den konstanten Beziehungen der Willens- 
einheiten zueinander gesetzmäßig resultiert. Psychisches 
und Physisches sind verschiedene Betrachtungsweisen so- 
wohl dieser einen Wirklichkeit als auch der Grunderfahrung, 
welche den Ausgangspunkt der Zerfällung des Gegebenen 
in subjektives Innensein und objektives Außensein bildet. 
Insofern das Objektive als Komplex von Relationen der 
Wirklichkeitseinheiten zueinander gemäß der Gesetzlich- 
keit des erkennenden Intellekts gedacht und erkannt wird, 
ist es ein im Idealen sich darstellendes Reales, nicht sub- 
jektiver Schein, wiewohl es an sich keine Materie oder 
Körperlichkeit gibt. 

Als eine Abart der Identitätslehre, jedenfalls aber des 
Monismus ist jene Theorie anzusehen, der gemäß über- 
haupt keine Zweiheit von Erscheinungen, auch nicht em- 
pirisch-phänommenal besteht. Sondern, so wird gesagt, 
dasselbe Qualitative, was im Zusammenhang mit anderen 
seiner Art „physisch" heißt, ist „psychisch", sofern auf 
seine „Abhängigkeit" vom erlebenden und aussagenden 

Eisler, Leib und Seele. 6 



82 ni* I^ie Identitätslehre. 

Organismus, bezw. von dessen Sinnes-, Nerven-, Gehirn- 
prozessen geachtet wird. Es gibt hiemach nur einerlei 
Geschehen in zweifacher Beziehung und Abhängig- 
keit („Monismus des Geschehens", wie Jerusalem diese 
Anschauung nennt). Es soll damit die Unterscheidung eines 
Innen- und Außenseins, einer Innen- und Außenwelt als 
zweier Sphären des Seins oder der Erscheinung als nichtig 
dargetan werden. Idealismus und Realismus, Spiritualismus 
und Materialismus vereinigen sich in dieser Auffassung in 
verschiedenem Mischungsverhältnis. Bei R. Avenarius 
und seiner Schule (Carstanjen, E. Willy, J. Kodis, 
Petzoldt, C. Hauptmann, W. Heinrich u. a.) nähert 
sich dieser Standpunkt mehr dem Materialismus. Avenarius 
glaubt das Psychische als „Innensein" eliminieren zu 
können. Es ist nur das Produkt einer unzulässigen „Intro- 
jektion", einer Hineinverlegung desselben Inhalts unsrer Aus- 
sagen in das Ich, der in Wahrheit einen Bestandteil der 
„Umgebung" bildet, die das Ich — das menschliche In- 
dividuum — in Verbindung mit sich selbst und mit andern 
Individuen vorfindet. Fälschlicherweise machen wir aus der 
Relation: Mensch-Umgebungsbestandteile (Objekt) ein Ent- 
haltensein von Vorstellungen (Wahmehmungsinhalten) in 
den Erkennenden und stellen diesen inneren Vorgängen die- 
selben Geschehnisse, Inhalte noch einmal, als Dinge außer 
uns gegenüber. In Wahrheit gibt es nur eine Reihe von 
Aussageinhalten oder „Elementen"; in ihren gesetzlichen 
Beziehungen zueinander sind sie Gegenstand der Physik, 
in ihren funktionellen Abhängigkeiten vom Organismus 
(bezw. von dessen Repräsentanten, dem „System C") sind 
sie Gegenstand der Psychologie (Vierteljahrsschr. f. wissensch. 
Phüos. Bd. 19 S. 4, 16 ff.; Der menschL Weltbegriff S. 26 ff.; 
Krit. d. rein. Erfahr. I). 

Mehr im Sinne des Idealismus erscheint der Ausgangs- 
punkt der Betrachtungen von E. Mach. Das Wirkliche 
sind nicht Körper, welche Empfindungen erregen, sondern 



1. Die Theorie. 33 

„Elemente" wie Farben, Töne, Wärmen, Drücke, Räume 
u. dergl., die in gesetzlichen Zusammenhängen und Kom- 
plexen auftreten. Auch der Leib ist nur ein solcher relativ 
beharrender Komplex. Achte ich auf die Abhängigkeit der 
Elemente voneinander, so nenne ich sie physisch, achte 
ich hingegen auf ihre Abhängigkeit vom Elementenkomplex 
des Organismus, so sind sie „Empfindungen", psychisch. Das 
„Ich" ist nur ein Name für einen Komplex von Empfin- 
dungen, Erinnerungen, Begehrungen usw., kein Wesen für 
sich. Aus dem Strome zusammenhängender Elemente heben 
sich einerseits Objekte, bestimmte Komplexe, die von den 
aussagenden organischen Komplexen sich räumlich unter- 
scheiden, anderseits diese organischen Komplexe, zu denen 
auch abgeblaßte Gebilde (Erinnerungsvorstellungen) gehören, 
ab, ohne daß die Grenze zwischen Ich und Nicht-Ich eine 
scharfe ist. Die „Elemente" sind der einheitliche StofE, 
dessen Verdichtungen gleichsam die Individuen und die 
Körper bedeuten (ähnlich Clifford). Ich empfinde usw. 
heißt: ein „Element" ist jetzt ein Glied meines Ich-Kom- 
plexes, ist jetzt abhängig von diesem. Aber es gibt nicht 
psychische Geschehnisse und außerdem noch „extramentale", 
jenseits der Erlebnisse belegene Vorgänge oder Dinge. 
Verschieden ist nur die Betraditungs-, die Untersuchungs- 
weise des Wirklichen. Nur zu praktischen, „denkökono- 
mischen" Zwecken bilden wir die Gedankensymbole „Körper" 
und „Ich". „In der sinnlichen Sphäre meines Bewußtseins 
ist jedes Objekt zugleich physisch und psychisch" (Analys. 
d. Empfind.* S. V, 12 fE., 36). In seiner neuesten Schrift 
„Erkenntnis und Irrtum" bestimmt Mach „die Gesamt- 
heit des für alle im Räume unmittelbar Vorhandenen" 
als das Physische, „das nur einem unmittelbar Gegebene, 
allen anderen aber nur durch Analogie Erschließbare" als 
das Psychische (a. a. 0. S. 6). „Empfindungen" sind die 
Elemente des Wirklichen, sofern sie vom Leib abhängig 
sind (a. a. 0. S. 8). „Das Physische und das Psychische 

6* 



34 in. Die Identitätslehre. 

enthält also gemeinsame Elemente" (a. a. 0. S. 9). Die 
Empfindung bildet die Grundlage alles psychischen Lebens, 
sie ist „stets mehr oder weniger aktiv" (a. a. 0. S. 21). 
Das Bewußtsein besteht bloß in einem „besondern Zu- 
sammenhang gegebener Qualitäten" (a. a. 0. S. 41). Be- 
wußt wird die Empfindung „durch die Einordung in die 
Erlebnisse der Gregenwart" (ibid.). Die Physik schließt 
„Variationen des beobachtenden Subjekts" aus, abstrahiert 
von ihnen (a. a. 0. S. 147). 

Verwandt mit diesem Standpunkt ist der „sprach- 
psychologische Monismus" von G. Kunze. Nach ihm sind 
es Sprachgewohnheiten, auf Grund deren wir die Denk- 
gewohnheit ausgebildet haben, Innen- und Außenwelt ein- 
ander gegenüberzustellen (Metaphysik S. 377 ; vgl Sprache 
und Eeligion 1889). Der Gegensatz von Aktivum und 
Passivum, den die Sprache in dem Begriflspaar Ich-Objekt 
ausdrückt, ist in Wahrheit fließend. Jede passive Vor- 
stellung, die als solche ein Element der Wirklichkeit ist, 
ist zugleich ein aktiver Koeffizient in unserem aktiven 
Selbstbewußtsein, Bestandteil des Ich. „Jedes reale Denk- 
objekt ist zugleich mitschöpferische Kraft bei der Ge- 
dankenbildung." „Das Reale, von dem wir wissenschaftlich 
reden, ist zugleich Produzent des Idealen, und der selbst- 
bewußte schaffende Geist ist, sofern man von ihm reden darf, 
zugleich reales Produkt, soweiteben jedes ObjektProdukt 
unseres Vorstellens ist" (Met. S. 375). Zwischen Ich-Kom- 
plex und Gehimleben ist kein weiterer Unterschied als 
zwischen Vorstellung und Vorstellung, d. h. Vorgestelltem 
und Vorstellendem, wobei es nur eine Art von Wirklich- 
keitselementen gibt, die einerseits das Ich, anderseits die 
Welt der Dinge konstituieren ; Geist und Materie sind nur 
zwei Ausdrücke für dieselbe gedachte Wirklichkeit (a. a. O. 
S. 379). 

Auch nach der Lehre der „Immanenzphilosophie^ 
(Schuppe, Eehmke, Schubert-Soldern) sowie nach 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. 86 

jener des „objektiven Idealismus" (Bergmann, Lipps u.a.) 
gibt es an sich nur eine, und zwar eine geistige Wirklichkeit, 
das Bewußtsein. Seele und Leib sind Teilinhalte des all- 
gemeinen Bewußtseins, die miteinander gesetzmäßig ver- 
knüpft sind, und zwar nach Schuppe (Der Zusammenhang 
von Leib und Seele 1902); Bergmann (Untersuchungen 
über Hauptpunkte der Philosophie 1900); Rehmke (Außen- 
welt, Innenwelt, Leib und Seele 1898) kausal, nach 
Schubert-Soldern, Ziehen u. a. im Sinne der paralle- 
listischen Koordination (vgl. Rickert, Psychophys. Kausal, 
und psychophys. Parallelism., Sigwart-Festschrift 1900). 

2. Zur Kritik der Identitätstheorie. 

Die Identitätstheorie bietet, wie wir sehen werden, 
alle Vorteile, die der Materialismus besitzt oder zu besitzen 
glaubt, ohne die Fehler desselben zu teilen. Dies ist auch 
zum Teil der Grund, weshalb die moderne Psychologie, 
welche aus methodologisch-erkenntniskritischen Gründen 
monistisch, aber nicht materialistisch sein möchte, vorzugs- 
weise den Standpunkt der Identitätslehre in irgend einer 
Form einnimmt. Indem Leibliches und Seelisches als zwei 
Seiten eines Wesens bestimmt werden, ergibt sich die 
Möglichkeit, die Eigenart beider Arten von Seinsweisen 
in ihrer Gesetzlichkeit konsequent festzuhalten, den physi- 
kalisch-physiologischen und den psychologischen Stand- 
punkt der Betrachtung reinh'ch auseinanderzuhalten und 
doch, durch Verbindung der Resultate beider Betrach- 
tungsweisen, dem Gesamtverhalten der Dinge, des lebenden 
Organismus insbesondere gerecht zu werden. 

Welche Motive führen zur Identitätstheorie, worauf 
stützt sie sich? Die Antwort lautet: Erstens auf den 
innigen Zusammenhang, auf die durchgängige Korrelation 
und Koordination von Leib und Seele, physiologischen und 
psychischen Zuständen und Vorgängen, auf die Wechsel- 



36 11^* l^ie Identitätslehre. 

beziehungen zwischen ihnen im Einzelgeschehen wie im Zu- 
sammengehen der organischen Entwicklung mit der geistigen 
überhaupt, welche auf die Existenz nur eines gemeinsamen 
„Trägers" des Psychischen und Physischen hinweisen. 
Die Schwierigkeiten des Dualismus bedingen den Monismus. 
Zweitens ist die Identitätstheorie erkenntniskritisch fundiert. 
Die Eeflexion, daß das Objektive, Physische als solches 
untrennbar an ein erkennendes Bewußtsein gebunden oder 
doch durch die Gesetzlichkeit des Wahmehmens und 
Denkens mitbedingt ist, daß das Materielle als Materielles 
nicht absolute Kealität im Sinne eines „An sich", sondern 
nur Erscheinungscharakter haben kann, verbunden mit der 
Ansicht, daß auch das Psychische, wie es sieh als Inhalt 
der „inneren Wahrnehmung" unmittelbar zeigt, nicht das 
„Ding an sich" sei, zeitigte den Gedanken, daß dasselbe 
„Ding an sich", welches dem Psychischen zugrundeliegt, zu- 
gleich die wahre, absolute Wirklichkeit des Physischen 
bildet. Drittens hat die Analogie große Kraft, daß das, 
was den Außendingen an sich zugrundeliegt, was ihr „Für 
sich -Sein" ausmacht, identisch ist mit dem, als was 
wir in uns selbst unmittelbar erfassen, daß es also auch 
eine Art Innensein, Geistigkeit, Ichheit, Subjektivität, 
Lebendigkeit, innere Kegsamkeit u. dergl. ist. * 

Die Identitätstheorie, die auf diese Weise ersteht, tritt 
in drei Grundformen auf: 1. Ein und dasselbe „Wesen 
an sich" ist oder erscheint als Geist und Materie, Seele 
und Leib. 2. Das psychische Geschehen selbst ist in ge- 
wisser Beziehung physisch. 3. Das physische (objektive) 
Geschehen ist in bestimmter Hinsicht selbst das Psychische. 
Die erste Form nähert sich der zweiten, wenn sie das 
Psychische, Geistige als das die Wirklichkeit primär und 
unmittelbar Charakterisierende auffaßt. 

Die erste Form der Identitätslehre, die Identitätstheorie. 
xat" iSoxv'^j ist realistisch, wenn Geistiges und Körper- 
liches als zwei Attribute oder Eigenschaften einer Substanz, 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. 37 

idealistisch oder phänomenalistisch, wenn sie als 
zwei Erscheinungsweisen oder Betrachtungsarten derselben 
Wirklichkeit bestimmt werden. Die realistische, „ attributive " 
Identitätstheorie ist eigentlich noch halbdualistisch. Die 
psychischen und die physischen Vorgänge sind hier real 
verschiedene Geschehnisse, die nur dadurch einander durch- 
gängig entsprechen, daß sie Zustände, Eigenschaften, Seins- 
weisen eines und desselben Wesens sind, daß sie einen 
gemeinsamen, identischen „Träger" haben. Gegen diese 
Form und Abart der Identitätstheorie erhebt sich berech- 
tigtes Bedenken. So meint u. a. Stumpf, die einheitliche 
Substanz, die sich in den beiden Attributen des Physischen 
und Psychischen „ausdrücken" soll, sei „nichts weiter als 
ein Wort, das nur das Bedürfnis ausdrückt, dem Dualismus 
zu entgehen, ohne aber die Kluft für unser Verständnis 
wirklich zu überbrücken" (Leib und Seele S. 16). Daß die 
Berufung auf die Existenz eines Identischen von Psychi- 
schem und Physischem nicht genügt, daß sie allein noch 
nichts erklärt, betonen Lotze (Medizin. Psychol. S. 54, 65; 
Mikrokosm. I ^, 169),Külpe,Kehmke,Höfler,Wentscher 
James, Erhardt, Busse u. a. Nach letzterem bleibt die 
Identität des Psychischen und Physischen eine „leere Be- 
hauptung". „Wir haben zwei ,Seiten* ohne ein Etwas, 
dessen Seiten sie sind." Die Gleichnisse, die man zur 
Erläuterung dieser Identität gebrauche, seien hinkend, statt 
der Linie usw. mit zwei Seiten, deren Wesen uns bekannt 
ist, hätten wir hier ein unbekanntes X, „von dem nun 
zwar behauptet wird, daß es zwei Seiten habe, von dem 
aber weder gezeigt wird, daß es sie haben muß, noch, 
wie es sie haben kann, ohne in sie auseinanderzufallen" 
(Geist u. Körper S. 133 ff.). In der Tat: solange man bei 
der Auffassung des Psychischen und Physischen als zweier 
gleich. realer Attribute des einen Wesens bleibt, welches 
in ihnen auf verschiedene Weise zum „Ausdruck" kommtj 
ist man dem Gegner der Identitätslehre gegenüber ohne 



88 in. Die Identitätslehre. 

Macht. Man bleibt mit einer solchen Behauptung auf 
halbem Wege stehen, d. h. man vermeidet folgenschwere 
Fehler der dualistischen Wechselwirkungstheorie sowie die 
unnötige und bedenkliche Hypothese eines besonderen 
Seelenwesens, aber man zeigt nicht in einleuchtender, plau- 
sibler Weise, weder wie die Dualität der beiden Seinsweisen 
sich an der einen Substanz miteinander vertragen, noch 
was diese Substanz außer ihren sie konstituierenden Attri- 
buten noch sein könnte, noch wodurch in Wirklichkeit die 
durchgängige Korrespondenz des psychischen und physischen 
Geschehens notwendig bedingt ist. Die IJeterogenität der 
beiden Seinsweisen ist hier ebenso groß wie vom Stand- 
punkte des Dualismus und die Verbindung beider Arten 
des Geschehens zur Einheit des lebenden Organismus ist 
hier mehr angedeutet als dargetan und erklärt. Will man 
also nicht den „Agnostizismus", den Gedanken der absoluten 
ünerkennbarkeit der letzten, ursprünglichsten Wirklichkeit 
vertreten, so ergibt sich die Notwendigkeit, die Identitäts- 
theorie besser zu begründen. 

Um es kurz zu sagen: es sind in erster Linie er- 
kenntniskritische Gesichtspunkte, welche der Identitäts- 
lehre den nötigen Halt und den verständlichen Gehalt 
geben. Bei Leibniz, Kant, Fechner, Wundt u. a. 
kommen denn auch solche Gesichtspunkte zur Geltung. 

Daß das Seiende an sich zweierlei so total ver- 
schiedene „Attribute" wie das Psychische und das Physische 
haben soll, ist schwer zu begreifen. Wesentlich leichter 
ist es aber, zu denken, daß ein und dasselbe Wesen sich 
in zweifacher Erscheinungs- oder Auffassungsweise so 
verschieden darstellt. Die empirische Dualität der beiden 
Seinsweisen wird erst auf dem Boden des Phänomena- 
lismus verständlich. Daß ein Identisches verschieden 
erscheinen kann, je nach der Art, wie es betrachtet 
und erkannt wird, das ist zum mindestens plau- 
sibler, als daß ein Identisches eine doppelte Seins- 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie, 89 

weise an sich hat. Freilich, warum das Wesen über- 
haupt erscheinen muß, das läßt sich vielleicht nicht sagen, 
das ist vielleicht eine Urtatsache, die jedenfalls nicht 
restlos erklärt werden kann. Aber jede Erklärung von 
Dingen muß ja schließlich zu letzten Prinzipien der Er- 
klärung und des Erkennens gelangen, die selbst nicht 
weiter zu erkläi-en sind, wofern es wahrhafte Prinzipien, 
wirklich unanalysierbare und nicht weiter deduzierbare 
„ürtatsachen" sind.^) 

Eine ausführliche Theorie des Erkennens kann hier 
nicht gegeben werden, es muß hier manches, was ander- 
wärts kritisch begründet worden ist, nur skizziert werden.^ 
Die Einsicht in die Bedingtheit alles dessen, was die 
Sinneswahmehmung an den Objekten erkennen läßt, der 
Sinnesqualitäten (Farben, Töne usw.), aber auch der 
räumlichen Ausdehnung und der Bewegung, durch die 
Gesetzlichkeit der Intellektuajfunktionen, die Organisation 
des erkennenden Bewußtseins überhaupt, zeitigt mit Not- 
wendigkeit den Gedanken, daß die sinnlich vermittelte 
Erkenntnis zwar nicht bloßen subjektiven Schein, aber 
auch nicht das „An sich", das Eigensein des Wirklichen, 
sondern nur dessen, durch dieses Wirkliche selbst mit- 
bedingte Erscheinung zum Gegenstande hat. Man braucht 
keineswegs so weit zu gehen. Kaum, Zeit, Kausalität, 
Substantialität für rein „subjektiv" zu erklären, man braucht 
auch nicht anzunehmen, daß die Dinge der Außenwelt 
nichts seien als „Vorstellungen", als bloße Bewußtseins- 
inhalte von Individuen, sondern man darf ohne logische 
und erkenntniskritische Bedenken ein vom Erkennen völlig 
unabhängiges, absolut selbständiges „An sich" der Dinge 
voraussetzen, denkend postulieren. Aber mag auch 
dieses „An sich", das „Für sich-Sein" der Dinge in dem. 



*) Dies gegen Stumpfs Bemerkung (Leib u. Seele S. 31). 

') vgl. meine „Kritische Einfuhrung in die Philosophie" S. 82ff. 



90 IQ- Die Identitätslehre. 

was wir objektiv, wissenschaftlich gereinigt und berichtigt^ 
von der Außenwelt erkennen, irgendwie symbolisch in 
einer Art „Zeichensystem" zum Ausdruck kommen,^) mag 
es in seinen Beziehungen zu anderen Wirklichkeitsfaktoren 
und zum Subjekt in der Weise des letzteren sich objektiv, 
allgemeingültig, konstant, gesetzlich darstellen, so ist uns 
doch dieses „An sich" in seiner unmittelbarsten, ureigensten 
Wesenheit und Beschaffenheit nicht zugänglich; es ist 
nicht selbst das Objekt unseres Erkennens, sondern 
der (metaphysische) Urgrund, die transzendente^ 
aller Erfahrung entrückte Urbedingung des Auf- 
tretens, (^er Existenz von Objekten für ein Subjekt. 
Die Sinnes|ualitäten, die räumliche Ausdehnung, kurz die 
sinnlich vermittelten Qualitäten und Quantitäten „äußerer" 
Erfahrungsinhalte sowie die kausalen Zusammenhänge und 
(relativ) beharrenden Komplexe solcher mögen wohl sicher 
ein Korrelat im „An sich" haben, durch die Relationen 
der „intelligiblen", „transzendenten" Faktoren zueinander 
mit bedingt und im einzelnen bestimmt sein,*) sie sind 
deshalb noch nicht unmittelbare Beschaffenheiten des an 
sich Seienden selbst, konstituieren nicht das Eigen- 
sein, sondern das für andere- und für uns-Sein^ 
nicht die „Subjektivität" oder das „Innensein", 
sondern die Objektivität oder das „Außensein" des 
Wirklichen. Daß es so etwas wie „Erscheinungen" gibt, 
dies gründet sich auf die Urtatsache und Grundbestimmung 
der Erfahrung, daß es erlebende Subjekte gibt, in deren 
Wahmehmungs- und Begriffsinhalten das Wirkliche sich 
so darstellt, wie es das Bewußtsein des Subjekts ermöglicht 
und bedingt. Die Phänomenalität oder Objektivität ist 
ein Resultat der Beziehungen der Wirklichkeitsfaktoren 
oder Subjekte zueinander. 

1) vgl. L. Dilles, Weg zur Metaphysik I 1903, II 1906. 

2) vgl. Heymans, Einfuhr, i. d. Met.; L. W. Stern, Person 
und Sache I; Lotze, Mikrokosmos. 



2. Zur Kritik der Identitätstheoric. 91 

Das Objektive im Eaume, also das Physische, 
Materielle ist (um mit Leibniz zu reden) „wohl- 
gegründete" Erscheinung, es ist ein gedanklich ver- 
arbeiteter, gesetzlicher Zusammenhang wirklicher und mög- 
licher Erfahrungsinhalte, dessen „Bestimmtheiten", weil 
sie vom Subjekt unabhängig sind, auf extramentale, trans- 
zendente Bedingungen, Gründe hinweisen. Wir sehen 
also, ein und dasselbe Wirkliche, vorläufig für uns ein X 
kann anders erscheinen, anders in bestimmter Beziehung 
wahrgenommen, vorgestellt, gedacht werden, als es an oder 
für sich selbst ist oder erfaßt wird. Nun könnte man 
weitergehen und sagen: auch das Psychische ist nicht 
das „An sich" etwa des Menschen, sondern nur eine 
Erscheinung dieses An sich, eine Art der Wahrnehmung 
oder Betrachtung desselben Wirklichen, das sich auf andere 
Art als Körper unter Körpern erkennt. Versteht man 
unter unmittelbarer oder „Selbst- Erscheinung" (im Sinne 
FechneVs) wirklich nichts anderes, als dies, daß das 
Wirkliche sich selbst zum „unmittelbaren Objekt" wird, 
ohne sich dadurch prinzipiell-qualitativ zu modifizieren, so 
kann man ohne Bedenken auch das „Psychische" als eine 
Erscheinung des „Ding an sich" bestimmen. Aber es 
muß (gegenüber Kant u. a.) mit Entschiedenheit betont 
werden, daß das Geistige als Prinzip, als Geistigkeit, 
„Innensein", Erleben, Bewußtseinstätigkeit, als Subjekt 
und Subjektfunktion nicht bloße Erscheinung, auch 
nicht eine leere Form ist, sondern absolute Wirk- 
lichkeit selbst hat und ist. Wir haben bereits früher dar- 
getan, daß zu aller Erscheinung ein Erscheinung-Setzendes, 
ein „Subjekt" und dessen „Tun" gehört, das nicht wieder 
Erscheinung sein kann. Es hat keinen Sinn mehr zu 
sagen, auch das Bewußtsein, die „Ichheit" oder „Sub- 
jektivität", vermöge deren etwas zum Objekt, zur Er- 
scheinung wird, sei nichts als Erscheinung eines absolut 
Unbekannten. Wie weit man auch erkenntniskritisch zurück- 



92 m* I^i® Identitätsieh rc. 

gehen mag, so wird das Letzte, das „An sich", des 
Psychischen bei dem man stehen bleibt, doch ein Geistiges, 
eine Subjektivität sein müssen; ein Perzipierendes, Wollendes, 
das Subjekt des Bewußtseins und dieses selbst als ein- 
heitliches Ganzes von psychischen Erlebnissen ist also 
nicht Erscheinung, sondern ein „An sich" des lebenden 
Wirklichen, des Organismus. Und auch die einzelnen 
psychischen Vorgänge und ihr Verlauf mögen in der 
unmittelbaren Wahrnehmung oder Erinnerung nicht immer 
treu und vollständig erfaßt werden, sie mögen sich in 
der Keflexion begrifflicher Analyse und Abstraktion anders 
darstellen als im lebendigen, vollen einheitlichen Zusammen- 
hange des Bewußtseins selbst, aber sie bleiben doch im 
Unterschiede vom Physischen das, was sie an sich sind, 
in qualitativer Beziehung, nämlich psychische Vorgänge, 
Momente der Geistigkeit oder Innerlichkeit, weü eben hier, 
im Selbstbewußtsein, erfassendes und apperzipiertes 
Subjekt eins sind, weil hier die Objektheit Resultat 
der Kelation des Subjekts zu sich, zu seiner 
Funktion selbst ist. Das Subjekt, die Ichheit ist das, 
wovon die äußeren Objekte qualitativ bedingt sind, es 
selbst aber ist nur durch sich selbst bedingt^ ist unabhängig 
von jedem fremden Erleben und Erfassen. In unserer 
eigenen Ichheit, in unserem Innensein haben wir das Ur- 
und Vorbild aller transzendenten, extramentalen, jenseits 
eines Fremdbewußtseins gelegenen Existenz, denn das 
Ich, das Bewußtsein eines Wesens braucht nicht nur 
nicht Inhalt eines erkennenden Bewußtseins zu sein, es 
kann dies gar nicht, ist nie selbst Inhalt oder Objekt 
fremden Erlebens, sondern wir nehmen nur körperliche 
Phänomene („Leiber") wahr, denen wir, wegen ihrer 
Analogie zu unserem Leibe und dessen Verhalten ein 
Innensein, eine lebendige Eegsamkeit, eine Ichheit, wie. 
wir selbst sie haben, beilegen. Ursprünglich schreibt der 
Mensch allen ihm auffallenden Dingen eine Seele, einen 



2. Zur Kritik der Identitätstbeorie. 93 

Willen, ein psychisches Wirken und Sein zu, später unter- 
scheidet man die Fälle, in welchen die Auffassung der 
Körper als Manifestationen psychischer Kräfte berechtigt 
ist, von jenen, wo das Motiv dazu zu fehlen scheint. 
Endlich ergibt sich seitens der metaphysischen, dem Sinn 
der Welt nachgehenden Wirklichkeitsbetrachtung die Mög- 
lichkeit, ja Notwendigkeit, alle Wirklichkeit als an sich 
in irgend einem Grade als „beseelt", d. h. als teilhabend 
an dem universalen Prinzip der Geistigkeit zu bestimmen, 
allem wahrhaft Wirklichen ein dem unseren zwar nicht 
gleiches, aber doch im Wesen analoges „Innensein" zu- 
zuschreiben. Da das Psychische, das Erleben nicht aus 
Physischem oder aus Nichts entstanden sein kann, da die 
Subjektivität aus dem Objektiven nicht hervorgehen kann, da 
Geistigkeit ein Prinzip der Erfahrung wie des Seins ist, 
sein muß, so muß man annehmen, daß wenigstens die 
Potenz zum Psychischen schon der einfachsten Art 
des Wirklichen eigen ist, mag auch etwa im An- 
organischen eine „Mechanisierung" des Bewußtseins (im 
Sinne der psychologischen Wirkung der Gewohnheit, Übung, 
Wiederholung) vorliegen. In diesem, nicht in einem phan- 
tastisch-poetischen Sinne, ist der Panpsychismus, die 
Allbeseelungslehre, zulässig. 

Das „An sich" also, welches für die äußere, sinnlich 
bedingte und vermittelte Erfahrung und Erkenntüis als 
physische oder physikalisch- chemische Erscheinung sich 
darstellt, erfaßt sich in jedem Wirklichkeitszentrum selbst, 
sofern es einheitlich ist, in der unmittelbaren, „inneren" 
Erfahrung oder Apperzeption als das, was es für sich 
selbst ist, nämlich als psychisches Kraftzentrum, als 
Einheitspunkt psychischer Vorgänge und Zustände. Das 
Selbstbewußtsein gibt den Schlüssel zur Beant- 
wortung der Frage: was sind die Dinge, abgesehen 
davon, daß sie Objekte, Phänomene, Erkenntnis- 



94 in. Die Identitätslehre. 

Inhalte sind.^) Das „absolute An sich" der Wirklichkeit, 
d. h. die Allheit des Seins in der festen Einheit von Objekt 
und Subjekt im Absoluten, Unendlichen können wir als 
endliche Wesen freilich nicht erkennen, aber das, was 
gegenüber den objektiven Phänomenen die Innerlichkeit, 
das Eigensein der Wirklichkeitsfaktoren konstituiert, 
dies ist uns teils anschaulich — im eigenen Selbst- 
bewußtsein — teils indirekt, begrifflich, analogien weise 
zugänglich. Es ist demnach der Mensch sowohl Subjekt 
als Objekt, sowohl psychisch als physisch, sowohl Geist 
als Materie, aber nicht so, daß er aus zwei Wesen sich 
zusammensetzt, auch nicht so, daß er in zwei selbständige 
Seinsweisen auseinanderfällt, sondern so, daß er eine 
bestimmte Organisation des Wirklichen ist, die 
sich unmittelbar als Subjekt, als Einheit von Sub- 
jektaktionen, von psychischen Erlebnissen weiß, 
sinnlich und naturwissenschaftlich aber als Objekt 
unter Objekten, als Leib, als physischen Organis- 
mus erkennt. Das Psychische ist das unmittelbare 
Sein desselben Wirklichen, welches mittelbar, für 
andere und für seine eigene Sinnesperzeption und 
deren begriffliche Verarbeitung sich als Körper 
und physisch darstellt. So wie die „transzendenten 
Paktoren", die uns ähnlichen oder analogen Wirklichkeits- 
zentren insofern physisch sind, als sie von uns, von einem 
Subjekt überhaupt mittels der Sinne wahrgenommen werden 
oder den permanierenden Grund solcher gesetzlicher 
Wahmehmungs- und Erfahrungsmöglichkeiten bilden, so 
vermögen auch wir uns selbst in sinnlich vermittelter 



^) Es ist die QueUe und Stütze eines „PersoDalismus", welcher 
die abstrakte, rein begrifflich konstruierte Welt phänomenale Objekte 
durch die Konzeption einer Welt lebendiger, aktiv-reaktiver, ziel- 
strebiger Subjekte metaphysisch ergänzt. Vgl. L. W. Stern, 
Person u. Sache. Nach ihm sind die physischen wie die psychischen 
Vorgänge Erscheinungen, Manifestationen personaler Faktoren. 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. 95 

Weise, d. h. als räumlich -bewegtes, den Sitz physischer 
Energien bildendes, körperliches Objekt aufzufassen. Die 
Prädikate, deren Komplex das Psychische bildet, und die 
Prädikate, deren Summe das Physische ist, beziehen sich 
auf ein Identisches, welches erst und nur in der ver- 
schiedenen Betrachtung seiner selbst verschieden 
ist, so aber daß diese Verschiedenheit, diese empirisch- 
phänomenale Dualität, in der Natur des Wirklichen selbst 
gegründet ist, das Wesen selbst gleichsam in zwei Sprachen 
(Höffding) zum Ausdruck bringt. Seele und Leib sind 
nicht zwei heterogene Wesen, die Seele ist auch nicht 
eins mit dem Körper, nicht Wirkung desselben, sondern 
was für sich selbst Seele ist, ist in Beziehung zur sinnlich 
vermittelten Art der Erkenntnis physisch. Die psycho- 
logische Gesetzlichkeit ist der unmittelbare Zusammen- 
hang der Erlebnisse oder Bewußtseinszustände des Subjekts, 
die physikalische Gesetzlichkeit hingegen ist der 
begrifiQich-symbolische Ausdruck und die Objektivation der 
konstanten Relationen der Subjekte zueinander. Der 
innere Zusammenhang des „An sich" der Dinge spiegelt 
sich gleichsam in den objektiven, raumzeitUch-kausalen 
Verbindungen der physischen Erscheinungen. „So viel 
Schein, so viel Hindeutung aufs Sein" (Herbart). 

Vom Standpunkt der naiv-äußeren Erfahrung ist das 
Objekt nichts als ein einheitlicher Zusammenhang von 
Wahmehmungsinhalten als Repräsentanten eines ihnen zu- 
grunde liegenden „An sich" und zur Einheit der Gegenstands- 
kategorie im konkreten Denken verknüpft. Das Physische 
erschöpft sich hier darin, wirklicher und möglicher, (er- 
warteter, erschlossener) Erfahrungsinhalt zusein, dessen 
absolute, vom Subjekt völlig unabhängige Existenz des- 
wegen vorausgesetzt wird, weil man die Unabhängigkeit 
der Objekte von unserem Wollen und Einbilden kennt, 
nicht aber die Mitwirkung subjektiver Tätigkeit an der 
Objektbildung bemerkt. Indem nun das methodische, wissen- 



96 m* ^i<) Identitätslehre. 

schaftliche Denken das Qualitative der Objekte als Ab- 
hängige des Subjekts erkennt, bleibt als das Konstituens 
des Physischen nur das übrig, was nach Abstraktion von 
der Verschiedenheit subjektiver Zutaten und Standpunkte 
als das Allgemeingültige, Konstante, von allen auf gleiche 
Weise Denkbare sich erhält, nämlich das Räumlich- 
Dynamische, das nur noch von der allgemeinen An- 
schauungs- und Denkform, nicht mehr von der Mannig- 
faltigkeit der besonderen Sinnesfunktionen abhängig ist. 
Während also auf der ersten Erkenntnisstufe das Physische 
als solches eigentlich nichts anderes ist als objektivierter, 
hypostasierter Vorstellungsinhalt, ist es für die Natur- 
wissenschaft, für die gedanklich verarbeitete Erfahrung, 
etwas begrifflich und abstrakt Gegebenes oder Ge- 
setztes, ein Komplex von räumlich-dynamischen Relationen 
(Kräften, Energien, Massenbewegungen), welche nur Quanti- 
täten, aber nicht Qualitäten enthalten. Metaphysisch 
endlich, für die spekulative Vemunfterkenntnis, welche den 
Zusammenhang der Phänomene durch den Regreß auf ihr 
„An sich", auf das Eigensein der Dinge sinnvoll zu deuten 
sucht, sind die Dinge Einheitszentren und Komplexe von 
Vorgängen, die unseren psychischen Zuständen analog zu 
denken sind; hier kommt also die Qualität wieder zur 
Geltung. Mit dem „Außensein" der Dinge hat es die 
Naturwissenschaft, mit einem Teil des „Innenseins" der- 
selben die Psychologie, mit der Interpretation des 
Äußern durch das Innere die Metaphysik zu tun. Das- 
selbe, was für fremde Subjekte metaphysisch, transzendent, 
ein „An sich" der Dinge ist, ist für uns selbst, für unser 
eigenes, unmittelbares Erleben psychologisch, immanent, 
ein „Selbst-Sein" unseres Organismus. Das Physische aber 
istgleichsamdieBrückezwischenSubjektund Subjekt, 
es ist Erscheinung eines Subjekts für ein Subjekt 
oder Erscheinung eines Psychischen für ein Psy- 
chisches, die Weise, wie ein an sich psychisches 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. 97 

Subjektsein für ein Subjekt zum konstanten, all- 
gemeingültigen Objekt werden kann. Die gesamte 
Wirklichkeit ist psychisch und physisch zugleich, denn 
jedes Objektsein weist auf eine zugehörige Innerlichkeit 
hin, jedes Subjektive muß, sobald ein passendes Subjekt 
in Beziehung zu ihm tritt, als Objekt erscheinen, sich als 
physisch darstellen. Insofern aber das Innensein auch ist 
und bleibt, wenn gerade kein fremdes Bewußtsein es er- 
kennt, ist es allein von absoluter, primärer, unmittel- 
barer Eealität, ist es eben das „An sich" der Dinge, 
während das Physische als solches zwar objektiv-real, aber 
erst in bezug auf ein mögliches Bewußtsein zu verwirk- 
lichen, insofern also auch idealer Art ist, ein Produkt 
„kategorialer" Verarbeitung anschaulicher Inhalte, ein in 
dieser Verarbeitung allgemeingültig und notwendig Gesetztes. 
Berechtigt ist also nur eine Identitätstheorie, welche 
gegenüber dem phänomenal-idealen Charakter des Mate- 
riellen den primären Charakter der Geistigkeit, des Psy- 
chischen anerkennt, also eine spiritualistisch gefärbte 
Identitätslehre. Da aber das Subjekt des Erlebens sich 
nicht in den einzelnen Bewußtseinsvorgängen erschöpft, 
da es eine permanente Einheit ist, welche sich in der 
Mannigfaltigkeit psychischer Zustände und Akte entfaltet, 
auswirkt, da das Subj ekt auch als ein relativ beharrlicher 
Komplex von bestimmt gerichteten, ererbten Dis- 
positionen (Anlagen) zu psychischen Zuständen und Ee- 
aktionen betrachtet werden kann, so ist es am besten, zu 
sagen, daß das Psychische und das Physische die beiden 
empirisch-methodologisch verschiedenen Daseins- 
weisen einerund derselben ontologischen Wesenheit 
sind. Nennen wir (mit Leibniz) das Wirkliche in seiner 
unmittelbaren Wirkungsfähigkeit primäre, metaphysische 
„Kraft", von welcher die phänomenalen Kraftwirkungen 
und Energien der körperlichen Erscheinungen zu unter- 
scheiden sind, so läßt sich die Identätstheorie auch so 

Eisler, Leib und Seele. 7 



98 UI. Die Identitätslehro 

formulieren: Ein und dasselbe Kraftsystem betätigt 
sich unmittelbar — an sich im Psychischen und er- 
scheint mittelbar in den physikalisch-chemischen 
Kräften und Energien, d. h. in gesetzlichen Zu- 
sammenhängen objektiver Erfahrungsinhalte. Der 
intersubjektive Zusammenhang oder KausaJnexus der 
primären Kraftbetätigungen manifestiert sich auf symbolische 
Weise im empirisch-objektiven Kausalzusammenhang von 
Bewegungen und Energien, und beides bezieht sich auf 
eine einzige Wirklichkeit. Es sind in Wahrheit gar nicht 
zwei koexistierende Keihen des Geschehens real mit- 
einander verknüpft, sondern es ist immer an sich nur ein 
Geschehenszusammenhang, der teilweise aktuell, vielfach 
aber nur potentiell auch physisch erscheint. Jedem Innen- 
entspricht ein Außensein, jedes Psychische ist zugleich 
physisch und umgekehrt, heißt also, genaugenommen: zu 
jeder Betrachtungsweise eines Wirklichen wie es 
für sich ist, gehört aktuell oder der Möglichkeit 
(Denkbarkeit) nach eine Betrachtungsweise des- 
selben Wirklichen, wie sie der Standpunkt der 
äußeren oder physikalisch-physiologischenErkennt- 
nis bedingt. Es gibt keine Seele ohne Nervensystem 
oder Leiblichkeit überhaupt, weil alles, was für sich un- 
mittelbar Seele ist, auch als körperliche Erscheinung auf- 
treten kann oder muß, jedenfalls aber die Bedingung zu 
solcher Wahrnehmbarkeit in sich hat; und es gibt kein 
materielles Sein ohne seelenartige Innerlichkeit, weil jeder 
Erscheinung ein Eigensein des Wirklichen entsprechen 
muß, ohne welches das gesetzliche Auftreten der Erscheinung 
nicht befriedigend zu verstehen ist. ^) 



^) Auf irgend etwas außer dem individuellen Subjekt Existierendes, 
auf ein „Bewußtsein überhaupt**, ein allgemeines Bewußtsein, welches, 
als unendlich, dem Einzel-Ich gegenüber transzendent ist, muß ja 
auch der reine Idealismus (Schuppe, Ber g m ann u. a.) verweisen, 
um die Objektivität der Erfahrungsinhalte zu erklären. 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. 99 

Der ganze Organismus ist in seinem unmittelbaren 
Für sich-sein Seele, er ist „von innen gegeben" eine 
Subjekteinheit, die aber nicht einfach ist, sondern eine 
Organisation des Innenseins erkennen läßt. Vom Stand- 
punkt der unmittelbaren, inneren Erfahrung und der ihr 
gemäßen, ihre Lücken ergänzenden Denkweise ist alles 
Geschehen am Organismus psychisch, es ist ein System 
aktueller oder potentieller Bewußtseinsvorgänge direkter 
oder reflexiver, sinnlicher oder „geistiger" (höherer) Art. 
Ebenderselbe Organismus erscheint der äußerlichen, physi- 
kalisch-chemischen oder physiologischen Betrachtung und 
Denkweise als ein System von Massen und Bewegungen, 
Kräften und Energien. Verbinden wir nun die in Wirk- 
lichkeit untrennbaren Standpunkte der äußern und innem 
Erfahrung an dem einen Organismus unseres Ichs, so zeigt 
sich eine durchgängige Koordination oder Korrespondenz 
psychischer und physischer Vorgänge, weil die eine Wirk- 
lichkeit zwar nicht an sich, aber für die Betrachtung zwei 
Seiten darbietet. Die Empfindung z. B. ist nicht eine Ge- 
himbewegung, und diese ist nicht selbst ein Empfindungs- 
vorgang, sondern was in einer Beziehung Empfindung ist, 
erscheint in der anderen als Gehirnprozeß oder wird 
wenigstens methodisch als solcher gedacht, um den Stand- 
punkt der äußeren Erfahrung ebenso konsequent festzu- 
halten wie den Gesichtspunkt der Psychologie; es geht 
eben nicht ein Sein an sich dem andern parallel, 
sondern nur eine Erscheinung einer anderen bezw. 
einem Sein, oder eine Betrachtungsweise der 
andern. „Wille und Bewegung sind identisch", bedeutet 
nur: was für sich Wille ist, erscheint dem eigenen oder 
fremden Subjekt unter bestimmten Umständen notwendig 
als Gehimbewegung oder läßt sich mindestens als Gehirn- 
prozeß interpretieren nach der Analogie anderer psychischer 
Vorgänge (z. B. Affekte), die in leiblichen Vorgängen zum 
Ausdruck kommen. So wenig es zurzeit oder dauernd 



100 UI* ^^0 Identitätslehro. 

möglich ist, alle psychischen Geschehnisse als physische 
wirklich wahrzunehmen und deshalb die Physiologie sich 
der Hypothese bedienen muß, so kann auch nicht alles 
Innensein, welches der physiologischen Betrachtung des 
Organismus entspricht, für sich apperzipiert, als besonderer 
Bewußtseinsbestandteil erfaßt und erkannt werden. Das 
Innensein einer Reihe physiologischer (vegetativer u. a.) 
Prozesse ist uns nur als unanalysierter, unanalysierbarer 
Komplex unterbewußter, relativ unbewußter Vorgänge oder 
Zustände gegeben und die psychischen ».Dispositionen", die 
wir zur Erklärung der Übungs- und Gedächtniserscheinungen 
annehmen müssen, sind ebenfalls nicht für sich apperzipier- 
bar, sondern hypothetische Wirkungsmöglichkeiten, die nur 
in ihren aktuellen Wirkungen zum Bewußtsein kommen. 
Es darf überhaupt nicht übersehen werden, daß nicht 
alles, was Bewußtseinsfunktion oder Glied des Be- 
wußtseinszusammenhanges ist, auch Inhalt oder 
Gegenstand eines reflexiven Bewußtseins, einer 
Innern Apperzeption zu sein braucht. Alles Psychische 
gehört zum Bewußtsein, ist mindestens ein „Bewußtseins- 
difCerential", aber nicht alles Psychische ist gewußt und 
selbstbewußt. So erklärt es sich, daß wir nicht die 
psychischen Korrelate aller physiologischen Einzel- 
prozesse angeben können, und damit wird ein ge- 
wichtiger Einwand gegen die Identitätstheorie entkräftet. 
In dem verworrenen Komplex der „Organempfindungen" 
z. B, haben wir einen großen Teil der physischen Glieder^ 
welche physiologischen Prozessen parallel gehen, ohne 
durchweg einzeln und klar apperzipiert zu werden. 

Auf der ersten Stufe der Erkenntnis, wie sie im 
praktischen Leben noch vielfach eingenommen vnrd, ist 
das physische Geschehen eigentlich, d. h. kritisch be- 
leuchtet, nichts anderes als ein auf das Transzendente, Be- 
wußtseinsunabhängige instinktiv bezogener Zusammenhang 
eben derselben Qualitäten, die in anderer Beziehung, als 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. JOl 

Erlebnisse des Subjekts, Vorstellungsinhalte sind. Die 
Objekte der naiven Wahrnehmungserkenntnis sind ur- 
sprünglich nur hypostasierte Zusammenhänge von Vor- 
stellungsinhalten plus den Kräften und Tätigkeiten, die 
wir diesen introjizieren oder supponieren, indem wir jene 
eben als Maiaifestationen oder Eigenschaften von uns ana* 
logen Wesen auffassen. Zu diesen Vorstellungsinhalten 
gehören auch die räumlichen Veränderungen der Objekte, 
die Bewegungen und Energien. Die Bewegung ist auf 
zweierlei Weise bestimmbar: erstens ist sie etwas Physi- 
sches, d. h. hypostasierter, methodisch verselbständigter 
Vorstellungsinhalt oder, fttr die Physik, begrifflich fixierte, 
allgemeingültig bestimmte Kaumveränderung, zweitens aber 
ist sie Bewegungsvorstellung oder ein Komplex, ein Ver- 
lauf von Bewegungsempfindungen, d. h. von Wahmehmungs- 
inhalten als Abhängigen des Subjekts, als Erlebnissen, als 
Bewußtseinsvorgängen. Der ganze Leib ist ebenso, aktuell 
oder potentiell, für die unmittelbare Wahrnehmung nur 
ein Komplex von Wahrnehmungsinhalten als Erlebnissen. 
Die Bewegungen meines Armes z. B. sind mir unmittelbar 
als Ablauf von „Bewegungsempfindungen" und Gesichts- 
wahmehmungen gegeben, bedingt entweder durch äußere 
Kräfte oder durch meinen Willen, durch mein Streben. 
Das „Leibliche" fällt demnach für den Standpunkt un- 
mittelbarer Erkenntnis mit der Gesamtheit des „Sinnlichen" 
im Unterschiede vom „Geistigen" im engeren Sinne zu- 
sammen, dieses „Leibliche" ist nicht dasselbe wie das 
Materielle der Physik, ist nicht das denkend gesetzte, 
erarbeitete Gebilde, welches aus Massen, Molekülen, 
Atomen, mechanisch-energischen Vorgängen u.dgl. besteht. 
Wir werden später die Wichtigkeit dieser Unterscheidung 
erkennen, denn sie dient uns dazu, begreiflich zu machen, 
inwiefern tatsächlich eine Wechselbeeinflussung der Geistig- 
keit und Leiblichkeit (Sinnlichkeit) im Menschen besteht, 
ohne daß eine Wechselwirkung zwischen Psychischem und 



102 11^' ^^ Identitätidehre. 

Physischem (Materiellem) zugegeben werden mnß. Der 
Begriff „leiblich", „Leib" hat eben einen Doppelsinn, er 
bedeutet bald etwas Physisches im Sinne der 
Naturwissenschaft, bald nur den sinnlichen („physi- 
schen") Untergrund unseres höheren Geisteslebens^ 
von dem dieser ebenso Einflüsse erfährt wie er 
selbst es bedingt und beeinflußt. Es wird sich zeigen, 
daß die vermeintliche Wechselwirkung zwischen Geist 
und Körper, Seele und Leib,, wie die Erfahrung sie zu 
bezeugen scheint, in Wahrheit nur eine Wirkung von 
Psychischem auf Psychisches, von einer Form oder Stufe 
des Innenseins auf eine andere ist. — 

Die Einsicht, daß das Physische der naiven Wahr- 
nehmungserkenntnis nur aus hypostasierten Wahmehmungs- 
inhalten (räumlich geordneten Qualitäten) sich zusammen- 
setzt, darf nicht etwa der Ansicht von Mach u. a. gleich- 
gesetzt werden, als ob die Körper nichts als Komplexe 
von Empfindungen wären. Erstens sind auch schon 
für die naive Erkenntnis die Dinge mehr als objektive 
Qualitätenkomplexe, nämlich Subjekte, deren Tätigkeiten 
in ihren Eigenschaften und Eigenschaftsveränderungen sich 
bekunden. Zweitens sind die Körper, auch wenn man von 
der Setzung transzendenter Wirklichkeitsfaktoren absieht, 
also reiner „Idealist" (Immanenzler) sein will, wissenschaft- 
lich immer noch etwas anderes als bloße Komplexe eben- 
derselben „Elemente", welche als „Abhängige" des Sub- 
jekts „Empfindungen" heißen. Schon die Körper der 
naiven Erkenntnis sind physisch, körperlich erst und nur 
in ihrer (unbewußten) Abstraktion von der Existenz des 
Subjekts und in ihrer (wenn auch unberechtigten) Ver- 
absolutierung. Man kann daher nicht sagen, daß sie „aus 
Empfindungen bestehen", denn die Empfindungen sind 
nicht selbständige, vom Erleben und Bewußtseinszusammen- 
hang isoliert existierende Wesenheiten, sondern uns immer 
nur als Teilinhalte eines subjektiven Erlebens, als Ab- 



2. Zur Kritik der Identitätstlieorio. 103 

hängige des Subjekts gegeben. Physik, Physiologie, 
Erkenntniskritik haben einstimmig dargetan, daß es Em- 
pfindungsqualitäten nur als Keaktionen eines (von ihnen 
naturgemäß verschiedenen) Subjektes und einer bestimmten 
Organisation desselben geben kann. Die Physik abstrahiert 
daher mit Eecht von den sinnlichen Qualitäten, welche die 
Wahmehmungsobjekte nur als subjektive Bewußtseinsinhalte 
konstituieren können und bestimmt den Begriff des Körpers 
begrifflich, rein formal, quantitativ-dynamisch, als 
Einheit gesetzmäßiger, mathematisch bestimm- 
barer und allgemeingültig denkbarer Eelationen 
zu anderen Einheiten ebensolcher typischer Rela- 
tionen. Zwar zeigt es sich vom Standpunkt der Er- 
kenntniskritik, daß nun auch das so bestimmte Körperliche 
als solches nicht die absolute, letzte, an sich seiende Wirk- 
lichkeit ist, aber für die Naturwissenschaft kommt 
dieses Resultat gar nicht in Betracht, weil sie auf 
methodischem Wege nur einen allgemeingültigen 
physischen Objektbegriff, einen solchen, mit dem 
sich wissenschaftlich-einheitlich operieren läßt, 
erstellt hat. Ein Komplex von Empfindungen, die in Wirk- 
licM:eit stets „Gefühlstöne" haben und mit Strebungen 
und dgl. zu einer untrennbaren Einheit verbunden sind, 
die eigentlich nur aus einer solchen Einheit herausgehoben 
sind, ist nicht einmal mit dem naiven, geschweige denn 
mit dem naturwissenschaftlichen Körperbegriff identisch* 
Der aus „Empfindungselementen" bestehende Körper ist 
kein empirisches, auch kein methodisches Wissenschafts- 
gebilde, sondern eine metaphysische Konstruktion, 
die auf einer unsicheren Grundlage sich aufbaut. 

Ebenso unhaltbar ist die Behauptung Machs und 
anderer, das Psychische sei dasselbe Qualitative, das in 
Abhängigkeit von anderen „Elementen" physisch und das 
nur in Abhängigkeit vom Organismus psychisch genannt 
wird. Erstens unterscheidet sich das Psychische — nicht 



104 in. Die Identitatslehre. 

bloß als Gefühl, Wollen, Denken usw. — qualitativ vom 
Physischen im Sinne der naturwissenschaftlichen Erkenntnis- 
weise. Die Erlebnisse des Subjekts in ihrem individuell- 
typischen Zusammenhange sind nicht dasselbe wie die 
begriflElich bestimmten, methodisch erarbeiteten gesetzlichen 
Zusammenhänge und Einheiten physischer Kelationen, wenn 
sie auch beide nur verschiedene Auffassungs- und Be- 
arbeitungsweisen einer Grunderfahrung sind. Aber das 
Psychische ist auch nicht mit dem verselbständigten Inhalt 
der Sinneswahrnehmung, dem vom naiven Erkenntnisstand- 
punkt als physisch bezeichneten Vorstellungsobjekt iden- 
tisch. Psychisch ist nur das Erlebnis als solches, als 
Dasein eines Inhaltes für ein Subjekt, als Bewußt- 
seinsvorgang, der in Einem Akt, Prozeß ist und 
einen wechselnden Inhalt hat; nur als Bestandteil 
des Erlebens, als diesem immanentes Moment ist 
der Inhalt selbst psychisch, nicht in seiner Ver- 
selbständigung und Lostrennung vom Subjekt. Es 
sind also nicht primäre Inhalte (Elemente) da, die auch 
vom Subjekt abhängig gedacht werden können, sondern 
das „Gegebene" ist schon primär die Korrelation von 
Subjekt-Moment und Erlebnissen, also das Psychische. 
Es soll damit nur betont werden, daß das Psychische 
nicht bloß nicht sekundär, sondern geradezu das Primäre 
ist, während das Physische seiner Natur nach schon ein 
„Erleben" voraussetzt. Ein Erlebnisinhalt ist schon primär 
eine „Abhängige" des Subjekts. Es geht nun nicht an, 
an Stelle dieses ürfaktors, des Subjektmoments etwas zu 
setzen, was schon Erlebnisinhalt, Objekt ist. Das 
Gehirn (oder „System C") und was damit zusammenhängt, 
mag Erscheinung desselben sein, was für sich Subjekt ist, 
so ist es doch nicht zulässig, es als das Subjekt selbst zu be- 
stimmen, in Beziehung zu welchem etwas psychisch ist. Das 
Gehirn gehört schon mit zur Eeihe der Objekte des 
Psychischen und setzt selbst schon ein Subjekt- 



2. Zur Kritik der Identitätstbeorie. 105 

Erleben (Vorfinden, Wahrnehmen, geistiges Ver- 
arbeiten) voraus, ist selbst schon vom Subjekt ab- 
hängig, sofern es Vorstellungs- oder Begriffsinhalt 
ist.^) Die Abhängigkeit eines Wirklichkeitselements von 
Nervenprozessen kann keine andere sein als die inter- 
objektive Abhängigkeitsart, nämlich ein gesetzlicher, kau- 
saler Zusammenhang. Solch eine Abhängigkeit ist ganz 
unfähig, das Charakterische des Psychischen, des Bewußt- 
seins, des Subjekt-Seins zu beschreiben oder zu bestimmen, 
sie setzt immer schon das Erleben, Vorfinden, kurz das 
Psychische voraus. Der psychophysische Materialismus, der 
in jener Form der Identitätstheorie steckt, welche das 
Psychische irgendwie auf das Physische oder auf eine 
Relation des Physischen zu anderem Physischen (dem 
Gehirn, den Sinnesfunktionen) reduzieren und damit im 
Grunde eliminieren will, macht sich einer unwissentlichen 
Erschleichung schuldig, „spottet seiner selbst und weiß 
nicht wie"; er krankt an der Verkennung des ursprüng- 
lichen, nicht ableitbaren und alles Objektive, allen Komplex 
von „Elementen", zu dem auch das Nervensystem und die 
Sinneswerkzeüge schon gehören, mitbedingenden Subjekt- 
Seins, des Primats des Bewußtseins, der Subjektivität, 
von der wohl etwas abhängig, die aber nicht selbst 
ein selbständiges Objekt sich gegenüber hat, von 
dem sie (primär) abhängig ist. Nicht von den Sinnes- 
funktionen und den Gehimprozessen ist das psychische 
Einzelgeschehen letzten Endes „abhängig", sondern von 
derjenigen Einheit, welche nur in ihrer objektiven Er- 
scheinung als Gehirn usw. sich darstellt, für sich aber 
erst das wahre Subjekt dieser Einzelerlebnisse ist Erst 
die Betrachtung dieser Abhängigkeit der Empfindungen, 
Gefühle, Vorstellungsverbindungen usw. von typischen Ee- 
aktionen und Aktionen des Subjekts und von der im Be- 



») vgl. 0. Ewald, Richard Avenarius, 1905 S. 71 ff. 



106 in. Die Identitätslebre. 

waßtsemsznsammenhang sich manifestierenden psycho- 
logischen Kausalität ergibt das Charakteristische der 
psychologischen im Unterschiede von der physiologischen 
oder psychophysiologischen Betrachtungsweise. Das gilt 
sowohl gegenüber Avenarius^) als auch gegen Mach;, 
denn, wenn nach letzterem das Sinnes- und Nervensystem 
nichts ist als ein Komplex von Empfindungselementen, so 
ist nicht anzusehen, wie Elemente dadurch psychisch, Em- 
pfindungen sein sollen, daß sie von anderen, nämlich den 
des Nerven- und Sinnesleben zusammensetzenden gleich- 
artigen Elementen abhängig sind. Was macht denn, so 
muß man fragen, die Sinnes- und Nervenelemente selbst 
zu Empfindungen? Etwa die Abhängigkeit von andern 
Elementen eines Organismus? Machs u. a. Fehler ist, 
das Wesen der Subjektivität zu verkennen, das 
Subjekt zu einem Objekt unter Objekten um- 
wandeln zu wollen. In der Keihe der objektiven Vor- 
gänge und Elemente findet das Subjekt, die ürbedingung 
des Stattfindens solcher Objekterlebnisse nicht selbst 
Platz, es ist nicht restlos aus der Vielheit sinnlicher und 
geistiger Elemente herauszudestillieren; das „Formende", 
Aktive, Synthetische des Bewußtseins ist nimmer- 
mehr als Kesultante oder Komplex einer Mannig- 
faltigkeit von Erlebnisinhalten herauszubekommen, 



^) Wenn Avenarius nur die „Introjektion" der Erlebnisse und 
ihrer Inhalte in das Gehirn oder eine angenommene substantielle 
Seele als etwas den Erfahrungsbefund Verfälschendes bestritte, so 
hätte er vollkommen recht. Aber er geht viel zu weit, wenn er 
das Bewußtsein als Zusammenhang von Vorgängen, die wir von den 
Objekten der Außenwelt unterscheiden, als bloßes Gebilde einer ver- 
fälschenden Introjektion von Inhalten in das Subjekt bestimmt. Ohne 
die schon ursprüngliche Existenz eines erlebenden Subjekts, eines 
Bewußtseinszusammen banges und eines sich in ihm setzenden und 
vorfindenden Subjekts wäre die „Introjektion" gar nicht möglich. 
Sie setzt das, was sie ableiten will, schon voraus. Dies zeigt u. a. 
Ewald, R. Avenarius S. 37 ff. 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. 107 

wiewohl es nicht ein unbekanntes Ding an sich 
jenseits aller Bewußtheit ist Das Subjekt ist weder 
„post rem", noch „ante rem", sondern „in rebus" — um 
die Sprache des scholastischen üniversalienstreits zu ge- 
brauchen. Es ist das Verdienst von Denkern wie Hume, 
J. St. Mill, E. Mach u. a., die metaphysische Unbestimmt- 
heit des Bewußtsseinsubjekts durch ihre scharfsinnige Ana- 
lyse des Ichbegriffs beseitigt zu haben. Möge nicht über 
der Versenkung in den reich gegliederten Inhalt des 
„empirischen" Ichs die Ichheit, die Subjektheit als 
solche, als die lebendig wirksame, immanente Be- 
wußtseinsform übersehen und vernachlässigt werden, 
jene Einheit aktiver Apperzeption Kants, jenes schöpfe- 
rische oder nachbildende „Setzen" der Ichheit, von der 
J. G. Fichte spricht. Das Verfehlte in der Lehre Machs 
und anderer Immanenzphilosophen dieser Art ist nicht 
so sehr der Empirismus, dem man bis zu einer gewissen 
Grenze zustimmen könnte, als der Sensualismus, der 
Wahn, als ob das gesamte Geistes- und Willensleben sich 
restlos in „Empfindungen" auflösen ließe; die Folge da- 
von ist u. a. ein falscher Ichbegriff, die Vernachlässigung 
der primären Einheit und Subjektheit des Bewußtseins, 
des Psychischen, die Verteilung der Aktivität der Psyche 
auf die einzelnen Bewußtseinselemente, die dadurch zu 
selbständigen Dingen oder Kräften werden. Es ist der 
Fehler Machs sowie einer ganzen Reihe von Psychologen, 
den Ich-Zusammenhang zu äußerlich aufzufassen, nicht zu 
beachten, daß dieses „Zusammenhängen" nur auf dem 
Grunde einer mit dem Erleben untrennbar ver- 
schmolzenen, gleichwohl aber wirklich wirksamen 
Synthese, eines aktiven Prinzips — welches sich 
besonders als Wille betätigt — verständlich ist. 

Damit kommen wir zu einem engeren Begriff der 
Seele und zu einer „endgültigen", metaphysischen Formu- 
lierung des Verhältnisses von Seele und Leib. Die Psycho- 



108 ^n* ^^^ Identitätslehre. 

logie zeigt uns, daß das im Bewußtsein Wirksame, Tätige, 
Aktive der (einfache oder entwickelte) Wille ist. Schon 
das primitive Seelenleben zeigt sich vom Willen, der hier 
als „Trieb" auftritt, beherrscht, es besteht in triebhaften 
(impulsiven, instinktiven) Reaktionen lebendiger Subjekte, 
die sich als einfache Organismen darstellen. Eeflexe und 
„automatische" Reaktionen höherer Organismen lassen sich 
vielfach als „mechanisierte", durch Übung vereinfachte, 
abgekürzte, relativ unbewußt gewordene Trieb- und Willkür- 
akte begreifen und erklären. Wir können aber, metaphy- 
sisch, noch weiter gehen und annehmen, daß alles Natur- 
geschehen anorganischer Art, insofern ihm „transzendente 
Faktoren" zugrunde liegen, die wir unserem eigenen 
„Innensein" analog denken, an sich in einer Summe solcher 
mechanisierter Triebreaktionen in eindeutig-ge- 
setzlicher Weise besteht. Nun ist es richtig, daß der 
Wille als einfaches Element, als leerer oder inhaltsloser 
Wille nicht existiert; einen an sich unbewußten Willen im 
Sinne Schopenhauers oder auch E. v. Hartmanns 
brauchen wir nicht anzunehmen. Empirisch zeigt sich das 
Wollen stets als ein spezifischer und primärer Bewußtseins- 
akt, aber als ein eigenartiger Zusammenhang aktiv-reaktiver 
Art, der als Momente oder Elemente stets, mehr oder 
weniger deutlich, Gefühl und Empfindung bezw. Vorstellung 
enthält. Es gibt, wie schon Augustinus gelehrt hat, 
nichts im Bewußtseinsgeschehen, was nicht selbst Willens- 
handlung einfacher oder komplizierter Art ist oder aber 
auf eine solche als Wirkung zurückgeführt werden kann, 
wenngleich der Wille nicht etwas Einfaches, nicht selbst 
ein Bewußtseinselement ist. Die Bewußtseinstätigkeit 
als solche, wie sie sich, wenn sie vollständig, 
primär, unabgekürzt, ungehemmt in dem Zusammen- 
hange des Seelenlebens auswirkt, ist Wille, und 
sie ist „reiner" Wille, insofern vom besonderen 
Inhalt des Erlebens abgesehen und auf den Cha- 



2. Zur Kritik der Identitätstheorie. IQ9 

rakter der unbeschreibbaren Aktivität und Eeak- 
tivität allein geachtet wird. Man nennt oft die innere 
Eegsamkeit und lebendige Wirksamkeit eines Dinges die 
„Seele" desselben. So kann man denn auch sagen: die 
Seele des Organismus ist kat exochen der Wille, 
das „Triebwerk" des Bewußtseins, das Einheit-setzende, 
Synthetische, sichimBewußtseinszusammenhange entfaltende, 
auswirkende und erhaltende subjektive Prinzip. Das Sub- 
jekt ist Wille, der Wille ist das Subjekt, welches 
von sich, im Selbstbewußtsein, das Objekt als den Inbe- 
griff gesetzlich verknüpfter Bewußtseinsinhalte bestimmter 
Art unterscheidet und es auf die Tätigkeit oder Eeaktivität 
fremder Subjekte instinktiv sowohl als methodisch-denkend 
bezieht.^) Die Seele ist demnach als Subjekt, als innerster 
Kern des „Seelenlebens", der Mannigfaltigkeit psychischer 
Erlebnisse, Wille, „vorstellender Wille" (Wundt) wobei 
die Vorstellungsinhalte auf Eechnung der (nie fehlenden) 
Eelationen zu neben dem Subjekt vorhandenen Willens- 
einheiten zu setzen sind. Die objektiven Vorstellungs- und 
Begriffsinhalte sind demnach die „Außenseite" und zugleich 
Eesultat der Beziehungen der Subjekte oder Willensein- 
heiten zueinander. Da nun das Physische identisch ist 
mit dem praktisch und methodisch-wissenschaftlich verselb- 
ständigten Objekt-Zusammenhänge, den wir bereits als Er- 
scheinung des transzendenten „Innenseins" der Wirklich- 
keit bestimmt haben, so läßt sich jetzt die Identitätstheorie 
metaphysisch so formulieren: Der Wille ist das Iden- 
tische(Gemeinsame) des psychischenundphysischen 
Geschehens, psychische und physische Vorgänge 
sind das Innen- und das Außensein, die unmittelbar 
und die sinnlich erscheinende Wirkungsweise des 
Willens. Sowohl die Seele als auch der Leib sind an 
sich Wille, er ist es, der sowohl dem psychischen wie dem 



^) vgl. dazu Wundt, System d. Philos.« S. 399 ff. 



110 III* I^io Identitätslehre. 

physischen Geschehen als letztes Prinzip zugrunde liegt, 
als „Kraft" im metaphysisch-realen Sinne des Wortes. Die 
Psychologie als empirische Wissenschaft freilich braucht 
sich um diese metaphysische, endgültige Bestimmung des 
Verhältnisses von Leib und Seele nicht zu kümmern, es 
muß ihr die methodologisch-erkenntniskritische Formulierung 
dieses Verhältnisses — Psychisches und Physisches als 
zwei Betrachtungs- oder Erscheinungsweisen desselben 
Seins — genügen. Ein volles Verständnis der Identitäts- 
theorie kann aber erst die Metaphysik, zu deren Problemen 
auch das unsrige gehört, bieten, indem sie uns den Willen 
als das „Identische" des geistigen und des leiblich- 
sinnlichen Daseins und Lebens dartut Die Wechsel- 
beziehung zwischen Seele und Leib ist somit letzten Endes 
die Wechselwirkung zwischen der sinnlichen und 
der geistigen Provinz d er psychischen Organisation 
oder zwischen den triebhaften und mechanisierten 
und den aktiv-intellig.enten Willensfunktionen. Das 
Physische als solches aber, als Gegenstand der äußeren 
Erfahrung und begrifflichen Erkenntnis wirkt nicht real 
auf das Psychische, wird nicht von diesem kausal beein- 
flußt, da es ja nur die „Außenseite" desselben Seins und 
Geschehens ist, welches, unmittelbar erfaßt, psychisch ist. 
Dieser „psychophysische Parallelismus" ist die notwendige 
Folgerung aus der Identitätstheorie, ist nur ein anderer 
Ausdruck für das gegenseitige Sidi-entsprechen und die 
untrennbare Zusammengehörigkeit des Psychischen und des 
Physischen. Zugleich ist er aber das Ergebnis methodo- 
logischer Prinzipien. Das wird nun im folgenden zu 
zeigen sein. 



IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 



1. Die Theorie der psychophysischen 
Wechselwirkung. 

Es ist die Lehre, daß Seele und Leib zwei verschiedene 
Substanzen oder Geschehensweisen sind, welche derart zur 
Einheit verknüpft sind, daß sie einander gegenseitig kausal 
beeinflussen, indem die Seele auf den Leib wirkt, die 
physisch-physiologischen Prozesse in ihrem Ablaufe beeinflußt, 
und indem umgekehrt die Seele, das psychische Geschehen 
von selten des Leibes, der körperlichen Vorgänge Einflüsse 
erfährt. Die Einheit im Zusammengehen, in der regel- 
mäßigen Korrespondenz des Psychischen und des Physischen 
gilt hier als Eesultat der psychophysischen Wechselwirkung. 
Mit bestimmten Willensimpulsen z. B. sind bestimmte Be- 
wegungen kausal verknüpft und bestimmte Nervenbe- 
wegungen veranlassen die Seele zu bestimmten Bewußt- 
seinsakten oder bewirken unmittelbar psychische Vorgänge 
^Vorstellungen usw.). Die Seele, welche entweder eine 
immaterielle Substanz oder ein Zusammenhang psychischer 
Prozesse ist, wirkt auf das Gehirn bezw. die Nervenpro- 
zesse ein, erregt und modifiziert solche und beeinflußt mittels 
dieser die leiblichen Zustände, welche ihrerseits wieder 
durch das Medium des Nervensystems auf das Psychische 
zurückwirken. Unmittelbar stehen also nur Psychisches 
und Nervensystem in Wechselwirkung, ja am unmittel- 
barsten steht die Seele, nach manchen Dualisten, nur mit 



112 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

.einem Punkte des Gehirns in Wechselwirkung, nämlich 
dort, wo die immaterielle Seele ihren „Sitz" hat. Die Ver- 
schiedenheit des Psychischen und des Physischen, die als 
ein Hindernis für ihre Wechselwirkung erscheint, wird 
nach den einen durch die Gottheit, durch die „Assistenz 
Gottes" (Descartes, Cartesianer) überbrückt, nach 
andern sind die physischen Vorgänge nur Anlässe, Ge- 
legenheitsursachen für das Auftreten des Psychischen durch 
göttliche Wirksamkeit (Okkasionalisten: Clauberg, 
de la Forge, Geulincx, Malebranche u. a.), andere 
wieder erklären, das Physische sei an sich selbst immate- 
riell, sei nur Erscheinung immaterieller Wesen und 
Prozesse (Herbart, Lotze, v. Hartmann, Erhardt, 
Busse u. a.) und schließlich meint man, die Heterogenität 
des Psychischen und Physischen bilde überhaupt kein 
Hindernis für ihre Wechselwirkung (Sigwart, Went- 
scher. Stumpf, Höfler, Külpe, James u. a.). „Ur- 
sache und Wirkung brauchen nicht gleichartig zu 
sein. Nur die Erfahrung kann lehren, was als Ursache 
und Wirkung zueinander gehört" (Stumpf, Leib und Seele 
S. 22). „Das Kausalitätsprinzip können wir eben nicht auf 
das Prinzip der Identität zurückführen" (Busse, Geist und 
Körper S. 187). Zu beachten ist, daß jene anthropologischen 
Dualisten, welche das Physische als Erscheinung eines 
Immateriellen betrachten, eine Wechselwirkung der phy- 
sischen Erscheinungen auf die Seele annehmen ; denn eine 
kausale Wechselbeziehung zwischen Seelensein und dem 
„An sich" der Dinge, die keineswegs eins ist mit einer 
psychophysischen Wechselwirkung, nimmt auch die paraJle- 
listische Identitätstheorie an oder kann sie annehmen. 
Interessant ist es freilich, daß mancher Bestreiter des 
Parallelismus eine Theorie aufstellt, welche die behauptete 
Wechselwirkung eigentlich als bloße Erscheinung hin- 
stellt. So sagt Busse (im Sinne Lotzes u. a.): „Die 
mannigfachen Beziehungen wechselseitiger Beeinflussungen, 



1. Die Theorie der psychopbysischen Wechselwirkung. 113 

die zwischen ihr (der Seele) und dem Eeich der DingmO'- 
naden bestehen, stellen sich ihr in ihrer sinnlichen An- 
schauung als ein Eingreifen in die Körperwelt und ein 
Beeinflußtwerden durch körperliche Vorgänge, also als 
psychophysische Wechselwirkung dar" (Geist und Körper 
S. 1721). 

Der Dualismus der Wechselwirkungstheorie wird gern 
durch den Hinweis auf die Einheit des Alls, welche Geist 
und Körper gleicherweise in sich faßt und zusammenhält, 
gemildert. So besonders von Lotze, in dessen Sinne 
Busse erklärt: „Geist und Körper, Seele und Leib sind 
einander zugleich entgegengesetzt und stehen in Wechsel- 
wirkung miteinander als einander ergänzende Bestandteile 
des absoluten, sie beide umfassenden und in sich fassenden 
Weltganzen" (Geist und Körper S. 474). Und ein anderer 
Vertreter der Wechselwirkungstheorie, derjenige, der (nebst 
S ig wart) in neuester Zeit besonders zu ihrer Wieder- 
aufnahme und Weiterbildung beigetragen hat. Stumpf, 
sagt: „Zur Sache selbst müssen wir uns die Frage vor- 
legen, ob nicht die Konsequenz der Naturforschung, ins- 
besondere der Entwicklungslehre dahin drängt, die Welt 
in allen . ihren Teilen als ein kausal zusammenhängendes 
Ganzes aufzufassen, worin jedes Wirkliche seine Arbeit 
leistet, keines von der allgemeinen Wechselwirkung aus- 
geschlossen ist" (Leib und Seele S. 22). „Es wäre also, 
soviel ich sehen kann, eine psychophysische Mechanik 
wohl denkbar . . ., die die geistigen Vorgänge in den 
allgemeinen gesetzlichen Kausalzusammenhang einfügte und 
dadurch erst eine im wahren Sinne monistische Anschauung 
begründete. Denn nicht so sehr die Gleichartigkeit der 
Elemente oder der Prozesse, als die Allgemeinheit des 
Kausalzusammenhanges und die Einheitlichkeit der letzten 
und höchsten Gesetze ist es, die wir von einem einheit- 
lichen Weltganzen verlangen müssen" (a.a.O. S. 24f.). 

Die psychophysische Wechselwirkung, behauptet m^,n 

Eis! er, Leib und Seele. 8 



114 IV. Wechselwirkung oder Parailelismus? 

femer, ist eine empirische Tatsache oder jedenfalls die nächst- 
liegende und natürlichste Deutung eines erfahrungsgemäß 
gegebenen Zusammenhangs. Ja die Wirkung psychischer 
Prozesse (z. B. des Willens) auf leibliche Bewegungen, 
also auf das Physische sei geradezu das Muster aller 
Kausalität.^) „Die unmittelbare Wahrnehmung zeigt einen 
Zusammenhang von Willensimpuls und Bewegung, den nur 
eine in bestimmten Hypothesen schon befangene Auffassung 
sich weigern kann, als ein wirkliches Kausalverhältnis 
anzusehen" (Sigwart, Log. 11 ^, 571). Ebenso seien die 
Einflüsse, welche die Seele seitens des Leibes erfahre, 
nur in kausalem Sinne zu verstehen. Unsere Handlungen 
sind nur zu begreifen, wenn wir annehmen, daß psychische 
Vorgänge und Akte (Vorstellungen, Gedanken, Motive) 
unsere Bewegungen leiten, unsere physische Energie nach 
bestimmten Richtungen hin dirigieren. Das menschliche 
Handeln, wie es individuell und gattungsmäßig, impulsiv 
und willkürlich, wie es im Schaffen von Kulturgebieten 
aller Art sich betätigt, ist ohne Beeinflussung des Physischen 
durch psychische, geistige Akte unbegreiflich. Schon eine 
Reihe biologischer Tatsachen ist nur mit Zuhilfenahme 
psychischer Faktoren zu verstehen; die Erfahrung lehrt, 
daß das Psychische eine biologische, lebenerhaltende und 
lebenvervollkommnende Wirkung auf organische Funktionen 
im Kampf ums Dasein ausübt. Kurz, als ein rein physi- 
kalisch-chemischer, mechanischer Automat sei der Mensch 
in seinem Handeln und Schaffen absolut unverständlich, 
nur psychische Ursachen können das leisten, was der 
Mensch zustandebringt.^ 

^) ygl. Külpe, Einl. in d. Philos. S. 148; Erhardt, Die Wechsel 
Wirkung zwischen Leib und Seele S. 111, 116 ff.; Hof 1er, PsychoL 
S. 60f.; Jerusalem, Rinl. in d. Philos. S. 146; Busse, Geist und 
Körper S. 185f., 191. 

*) James, Principl. of Psychol. 1,128 ff.; Sigwart, Logik 11 ^ 
541 f.; Erhardt, Die Wechselwirkung S. 122, 146; Busse, Geist 
und Körper S. 242 ff. u. a. 



1. Die Theorie der psych ophysischen Wechselwirkung. 115 

Die Gegner der Wechselwirkungstheorie halten dieser 
vor, daß diese mit dem „Prinzip der geschlossenen Natur- 
kausalität" in Widerspruch gerate; dieses fordert, daß alles 
physische Geschehen aus physischen Vorgängen erklärt 
werde und daß keine Lücke in der physischen Kausal- 
reihe bleibe, welche etwa durch psychische Ursachen 
ausgefüllt werden könnte. Für das Wirken psychischer 
Faktoren ist innerhalb des Naturzusammenhanges als 
solchen kein Platz. Darauf erwidern dief Anhänger der 
Wechselwirkungstheorie, weder sei das Prinzip der ge- 
schlossenen, lückenlosen Naturkausalität ein denknot- 
wendiges, logisches, apriorisches Prinzip, noch sei es eine 
empirisch zu erhärtende Tatsache; es sei vielmehr nur 
eine metaphysische oder naturphilosophische Hypothese, 
die für das Anorganische wohl passe, nicht aber universale, 
auch das Organische einbegreifende Geltung hat. Die 
Annahme einer solchen sei nur ein Dogma, ein Vorurteil, 
eine petitio principii, „ein Vorurteil unserer Zeit, das aus 
der Überschätzung der Naturwissenschaften und aus der Über- 
spannung einer bloßen Arbeitsrichtschnur der unorganischen 
Naturwissenschaften zu einer Arbeitsrichtschnur aller 
Wissenschaft überhaupt entsprungen ist" (E.v. Hartmann, 
Die moderne Psychologie S. 413).-) 

Gegen die Behauptung (z. B. Hoff dings, Psychol.^ 
S. 38), das Trägheitsprinzip mache die Wechselwirkung 
zwischen Seele und Leib unmöglich, bemerkt Busse, die 
„äußere" Ursache, welche jede Zustandsänderung eines 
Körpers sicherlich erfordere, müsse ja nicht gerade eine 
physische Ursache sein (Geist und Körper S. 25 ; ähnlich 
E. V. Hartmann, Höfler u. a.). 

Von dem Energieprinzip, dessen Geltung der Wechsel- 



«) vgl. Erhardt, Die Wechselwirkung S. 52ff.; Wentscher, 
Über phys. u. psych. Kausal. S. 81, 40; Rehmke, Die Seele des 
Menschen 8.38; Busse, Geist u. Körper S. 8871!., 89Sft 

8* 



116 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

Wirkungstheorie vorgehalten wird, meinten die Wortführer 
dieser, es sei kein apriorisches Prinzip, noch aus einem 
solchen zu deduzieren, sondern nur eine Induktion aus 
der Erfahrung, die nur so weit Gültigkeit beanspruchen 
könne, als sie durch Erfahrung beglaubigt wird. Daß die 
physische Gesamtenergie des Universums konstant sei, 
sich stets gleich bleibe, so daß sie weder vermehrt noch 
vermindert werden könne, sei nur eine Hypothese, nur 
eine Folgerung aus dem dogmatischen Prinzip der ge- 
schlossenen Naturkausalität. Das Konstanzprinzip ist nur 
mit der Wechselwirkungstheorie vereinbar, wenn man es 
so versteht, daß die Summe der physischen und psychischen 
Energie in der Welt konstant bleibt, sonst ist es unvereinbar 
mit der Theorie, ist aber kein Einwand gegen sie, da die 
Konstanz der physischen Gesamtenergie nur ein Dogma 
ist. So Busse (Geist und Körper S. 417 ff., 455 ff.) u.a., 
während einige Anhänger der Wechselwirkungstheorie das 
Konstanzprinzip als mit ihr durchaus vereinbar ansehen. 
Busse dagegen hält nur das Äquivalenzprinzip damit für 
vereinbar. Dieses Prinzip besagt nur, ,.daß, wenn die 
Körper aufeinander wirken, für jede aufgewandte physische 
Energie ein gleich großer Betrag physischer Energie wieder 
erstattet wird" (Geist und Körper S. 407). Es sagt aber 
nichts darüber aus, „welcher Art die Energieformen sind, 
welche einander hervorrufen und sich ineinander ver- 
wandeln" (a.a.O. S. 419), es läßt die Möglichkeit offen, 
daß physische Energie durch psychische Faktoren erzeugt 
wird, daß „bei der Art und Weise der Umwandlungen der 
mechanischen, materiellen Energie nichtmechanische, nicht- 
materielle Kräfte bestimmend mitgewirkt haben" (E. v. Hart- 
mann, Die mod. PsychoL S. 415). 

Die Wechselwirkung zwischen Seele und Leib ist 
nach einigen Forschern mit dem Konstanzprinzip im weiteren 
oder im engeren Sinne vereinbar. 

Nach Stumpf ist das Energiegesetz ein Gesetz der 



1. Die Theorie der psychophysischen Wechselwirkung. 117 

Transformation : „Wenn kinetische Energie (lebendige Kraft 
sichtbarer Bewegung) in andere Kraftformen umgewandelt 
und diese schließlich in kinetische Energie zurückverwandelt 
werden, so kommt der nämliche Betrag zum Vorschein, 
der ausgegeben wurde." „Worin diese anderen Energie- 
formen bestehen, darüber sagt das Gesetz nicht das 
Mindeste. Und so ließe sich ... das Psychische ganz 
wohl als eine Anhäufung von Energien eigener Art an- 
sehen, die ihr genaues mechanisches Äquivalent hätten. 
Gewisse psychische Funktionen würden mit einem fort- 
währenden Verbrauch, andere mit einer ebenso fortgehenden 
Erzeugung physischer Energie verknüpft sein" (Leib und 
Seele S. 24). Ähnliches bringen Külpe (Einl. in d. Philos.* 
S. 144 f.; Zeitschrift für Hypnotismus VH, 97 f.), Ostwald 
(Vorles. über Naturphilos. S. 373, 377 f., 396), Ladd (Philos. 
of Mind, p. 214) u. a. 

Eine andere Theorie hält eine Wirksamkeit von Leib 
und Seele und umgehehrt für möglich, ohne daß die 
physische Energie einen Zuwachs bezw. eine? Minderung 
erfährt. Es ist dies die „Doppeleffekt-" und die „Doppel- 
ursachentheorie", wonach erstens eine physische Ursache 
eine physische Wirkung und einen psychischen Neben- 
effekt, oder aber eine psychische Ursache eine psychische 
Wirkung und einen physischen Nebeneffekt, zweitens eine 
physische Wirkung eine physische Ursache und eine psy- 
chische Nebenursache, oder aber eine psychische Wirkung 
eine psychische Ursache und eine physische Nebenursache 
soll haben können (vgl. darüber Busse, Geist und Körper 
S. 428 ff.). Es ist dies offenbar eine Form der Wechsel- 
wirkungstheorie, die der Lehre vom „psychophysischen 
Parallelismus" bedenklich nahe kommt, so sehr, daß sogar 
Parallelisten wie Wundt, König, Spaulding sie für zu- 
lässig erklären. Formuliert wird diese Theorie wiederum 
von Stumpf, welcher sagt: „Indessen steht . . . noch ein 
anderer Weg offen, um das Physische ohne Verletzung 



118 ^^* Wechselwirkung oder Parallelismus? 

des Energiegesetzes in den allgemeinen Kausalzusammen- 
hang einzufügen. Die psychischen Zustände könnten in 
der Weise Wirkungen und Ursachen physischer Vorgänge 
sein, daß keinerlei auch nur vorübergehende Verminderung 
und Vermehrung physischer Energie mit dieser Wechsel- 
wirkung verknüpft wäre. Wir würden sagen: ein bestimmter 
Nervenprozeß in bestimmter Gegend der Gehirnrinde ist 
die regelmäßige Vorbedingung für das Zustandekommen 
einer bestimmten Empfindung; diese geht als notwendige 
Folge neben den physischen Wirkungen aus ihm hervor . . . 
Aber dieser Teil der Folgen absorbiert keine physische 
Energie und kann in seinem Verhältnis zu den Bedingungen 
nicht durch mathematische Begriffe und Gesetze aus- 
gedrückt werden. Desgleichen kommt ein bestimmter 
Prozeß in den motorischen Zentren der Rinde zustande, 
nicht durch bloß physiologische Bedingungen, sondern stets 
nur unter Mitwirkung eines bestimmten psychischen Zu- 
standes (Affektes, Willens), ohne daß doch das Quantum 
physischer Energie durch diesen beeinflußt wird" (Leib 
und Seele S. 26).^) 

Es wird auch die Annahme gemacht, daß bei der Ein- 
wirkung der Seele auf den Leib nur in diesem vorhandene 
potentielle Energie ausgelöst wird, ohne daß die Menge 
der Energie sich hierbei verändert. So lehrt besonders 
Wentscher (Über phys. u. psych. Kausal. S. 34 f., 44, 113, 
118; Zeitschr. f. Phüos. u. phil. Krit. Bd. 117 S. 83 ff.) 

Endlich meint man, die Seele lasse in ihrem Wirken 
auf das Physische die Konstanz der Energie unverändert, 
da sie nur die Eich tun g der Bewegungen (ohne Ge- 
schwindigkeitsänderung) beeinflusse. Neue Bewegungen 
oder Energien bringe die Seele nicht hervor. So lehrt 



1) Ähnlich Erhardt, Die Wechselwirk. S. 85, 94; Rehmke, 
Lebrb. d. aUgemeinen Psychol. S. 110 ff.; Die Seele d. Mensch. S.28; 
Wentscher, E. v. Hartmann u. a. 



1. Die Theorie der psycbopbysiscben Wechselwirkung. 119 

schon Descartes (Kespons. ad IV object. p. 126), in 
neuerer Zeit außer Volkmann, Kroman u. a. besonders 
E. V. Hartmann. Nach ihm wirkt das Psychische auf 
das Physische analog einer Seitenkraft, welche „die Ge- 
schwindigkeit des bewegten Teilchens nicht vermehrt, auch 
die konstante Energiesurarae des mechanischen Systems nicht 
vermehrt, weil ihre dynamische Leistung völlig dadurch absor- 
biert wird, den Widerstand zu überwinden, den das bewegte 
Teilchen nach dem Beharrungsgesetz einer Änderung seiner 
Bewegungsrichtung entgegensetzt" (Diemod.PsychoL S. 354f.) 
„Die Bewegung hat dann an Energie in der ursprünglichen 
Richtung so viel verloren, wie sie in der dazu senkrechten 
Richtung gewonnen hat" (a. a. 0. S. 395, 418). Nach E. 
V. Hartmann ist die psychophysische Wechselwirkung 
durch das „Unbewußte" vermittelt, dessen Erscheinungen 
Seele und Leib sind. „Wie bei der Reizung die unbe- 
wußt seelische Tätigkeit durch die molekulare Bewegung 
im Zentralorgan gestört, gehemmt und zur Reaktion er- 
weckt wird, und diese Reaktion dann nach innen als Ge- 
fühl und Empfindung reflektiert wird, so wird bei der 
Willenshandlung zuerst die unbewußt psychische Tätigkeit, 
das Wollen, durch die sie motivierende Vorstellung erregt, 
und diese unbewußt psychische Tätigkeit übt dann erst, 
als zur Natur gehörig, physische Wirkungen im Zentral- 
organ durch ihre nichtmechanischen und nichtmateriellen 
Kraftäußerungen aus" (a. a. 0. S. 416). Wenn auch die 
mechanische Energie sich nicht in psychische direkt um- 
setzen kann, so kann doch „die Intensität der Bewegung, 
die in der aktuellen Energie liegt, sich in Intensität der 
Empfindung umsetzen, wenn die Bewegungsintensität als 
solche durch Übergang der aktuellen Energie in potentielle 
verschwindet" (a. a. 0. S. 415). 



120 I^' Wechselwirkung oder Parallelismus? 

2. Der psychophysische Parallelismus. 

In seiner allgemeinsten Form besagt die Theorie des 
psychophysischen Parallelismus zunächst nur etwas Nega- 
tives: die Unmöglichkeit oder Nichtannehmbarkeit einer 
realen Wechselwirkung zwischen Geist und Körper, Seele 
und Leib. Als Gründe für diese Negation bringt man vor: 

1. Die Heterogenität des Psychischen und des Physischen. 

2. Die Phänomenalität oder Idealität des Physischen, 
Materiellen. 3. Das Prinzip der geschlossenen Natur- 
kausaJität. 4. Das Prinzip der Erhaltung der Energie. 
Die positive Seite dieser Negation ist nun, daß Psychisches 
und Physisches, die ja aufeinander nicht wirken können, 
nur miteinander regelmäßig verknüpft sind, einander nur 
„parallel" gehen, korrespondieren, derart, daß bestimmten,, 
seelischen Vorgängen bestimmte physische (physiologische) 
Prozesse „entsprechen" und umgekehrt. Es ist also z. B, 
die Bewegung nicht eine direkte Wirkung des Willens, 
sie geht nicht kausal aus ihm hervor, sondern tritt als 
seine „Begleiterscheinung", als sein physisches Korrelat 
im Organismus auf, ist also zugleich mit ihm gegeben. In 
analoger Weise ist etwa eine Vorstellung nicht die kausale 
Folge einer Gehimbewegung, sondern ein diese begleitender 
Vorgang besonderer Art. WohlgibteseineArtFunktions- 
verhältnis zwischen psychischen und physischen Gescheh- 
nissen, so daß eine bestimmte Art des einen niemals 
ohne eine bestimmte Art des anderen auftritt oder zu 
erwarten ist; in diesem Sinne sind beide an einander 
„gebunden", ist eines von dem andern funktionell „ab- 
hängig". Aber das Psychische ist nicht die kausale 
Wirkung des Physischen, dieses nicht eine Wirkung des 
Psychischen. Jede der beiden Reihen ist in sich geschlossen 
und an sich lückenlos, kein Glied der einen kann ein Glied 
der anderen kausal beeinflussen oder gar es „bewirken". 

Worauf beruht nun die regelmäßige Korrespondenz 



2. Der psych ophysische Parallelismus. 121 

des Physischen mit dem Psychischen, da es doch eine 
Wechselwirkung zwischen ihnen nicht geben soll? Diese 
Frage läßt der dualistische Parallelismus unbeantwortet, 
sei es, daß er die Parallelität des Physischen und des 
Psychischen für eine ürtatsache hält, sei es, daß er im 
Sinne des Agnostizismus den Urgrund der Parallelität für 
unerkennbar erklärt. Der monistische Parallelismus hin- 
gegen erklärt die psychophysische Korrespondenz durch 
den Hinweis auf ein Identisches, als dessen Daseins- 
weisen, Erscheinungen oder Betrachtungsweisen das Psy- 
chische und Physische anzusehen sind, also durch die 
Identitätstheorie in ihren verschiedenen Abarten. 

Während der Parallelismus als endgültiger, meta- 
physischer Standpunkt bei der Parallelität zweier Daseins- 
oder Erscheinungsweisen einer Wesenheit stehen bleibt, be- 
hauptet der empirisch-methodische Parallelismus nur, 
daß für die Gesichtspunkte der Einzelwissenschaft, nämlich 
der Psychologie, Physiologie und Psychophysik nichts weiter 
als eine antikausale Korrespondenz psychischer mit phy- 
sischen Vorgängen, wie sie die Erfahrung an die Hand 
gibt und wie methodologische Prinzipien sie fordern, zu 
statuieren sei, während er es unausgemacht läßt, wie die 
empirisch-phänomenale Qualität seitens der Metaphysik 
etwa rein monistisch interpretiert werden kann. Sollte es 
vom metaphysischen Standpunkt etwa nur eine geistige 
Wirklichkeit geben, so würde der psychophysische Parallelis- 
mus letzten Endes auf eine psychopsychische Wechsel- 
wirkung zurückzuführen sein, d. h. es wäre zu sagen, 
daß die Seele mit dem psychischen „An sich" der Dinge 
in Wechselwirkung steht. Als empirisches, relatives Prinzip, 
als Arbeitsprinzip der Forschung käme aber nur ein Paralle- 
lismus in Betracht, nicht — wie etwa James will — als 
bloße „provisorische" Hypothese (Princ. of Psychol. 
1, 182), wohl aber als eine dem empirisch-wissenschaftlichen 
Standpunkt dualer Betrachtungsweise des Gegebenen mög- 



122 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

liehst angemessene Formel. Es ist das keineswegs, wie 
Busse meint (Geist und Körper S. 69) ein „Pseudoparallelis- 
mus". Die Leugnung der Möglichkeit psychophysischer 
Wechselwirkung, mindestens die Negation der Begreiflich- 
keit einer solchen gehört allerdings zum Parallelismus ;. 
insofern haben Busse, Wentscher, Aars u. a. recht, 
aber ihr Vorwurf trifft die empirischen ParalleliStenWundt, 
E., König, Münsterberg, Ziehen, Heymans, Ebbing- 
haus u. a. nicht. ^) Man kann sehr wohl ein Anhänger 
des psychophysischen Parallelismus sein, ohne daraus 
eine Weltanschauung zu machen. 

Als „Koordinationsparallelismus" bezeichnet E. v.Hart- 
mann jene Auffassung, nach welcher Psychisches und 
Physisches gleich selbständige Daseinsweisen sind; unter 
,;Subordinationsparallelismus" versteht er die Ansicht, daß 
die psychische Reihe ein passiver Nebenerfolg oder eine 
unselbständige Begleiterscheinung der materiellen Reihe 
oder aber das materielle Geschehen eine unselbständige 
Begleiterscheinung des Psychischen ist (Die mod. PsychoL 
S. 399). 

Bezüglich des Geltungsumfangs gibt es einen univer- 
sellen und einen partiellen Parallelismus. Ersterer be- 
steht darin, daß allen physischen Vorgängen psychische 
Prozesse und umgekehrt zugeordnet sind, letzterer schränkt 
die Parallelität auf das Organische ein, oder er schreibt 
nur den elementaren psychischen Vorgängen und ihren 
Zusammenhängen, nicht aber den Qualitäten, Werten^ 
Synthesen des höheren Geisteslebens physische Korrelate zu. 

Historisch ist die Theorie des psychophysischen 
Parallelismus in Anknüpfung an die von Descartes auf- 



^) Als bloße FormulieruDg der Tatsache, „daß jedem Bewußt- 
seinsvorgang ein physiologischer Prozeß im Gehirn . . . gesetzmäßig 
entspricht" hält K ü 1 p e das parallelistische Prinzip für „so recht 
geeignet, der exakten Forschung . . . gute Dienste zu leisten" (Einleit. 
in die Philos. ^ S. 152). 



2. Der psychophysische Parallelismus. 123 

gestellte Wechsel wirkungstheorie entstanden. Descartes 
selbst war sich der Schwierigkeit dieser Theorie bewußt, 
daher erklärte er die psychophysische Wechselwirkung als 
durch den „Beistand Gottes" vermittelt. Diesen Gedanken 
griffen die Okkasionalisten: Eegis, Cordemoy, Clau- 
berg, de la Forge, Geulincx, Malebranche u. a. auf. 
Gott ist es, welcher bei Anlaß einer psychischen Verände- 
rung den zugehörigen physischen Vorgang und umgekehrt 
korrespondieren läßt. Die Bewegung, von der ich nicht 
weiß, wie sie mein Wille hervorbringen sollte, „begleitet" 
ihn nur (comitatur), folgt nicht kausal aus ihm (Geulincx, 
Eth. annot. p. 211). Seele und Leib korrespondiereii mitein- 
ander „sine Ulla alterius in alterum causalitate vel influxu", 
wie zwei Uhren, die ständig in Übereinstimmung mitein- 
ander gebracht werden (1. c. p. 212). Und Malebranche 
bemerkt: „Toute alliance de Tesprit et du corps, qui nous 
est connue, consiste dans une correspondance naturelle et 
mutuelle des pensees de l'äme avec les traces du cerveau, 
et des emotions de Täme avec les mouvements des esprits 
animaux" (Rech, de la verit. 11, 5). 

Noch weiter geht Spinoza, dessen Identitätslehre wir 
bereits kennen gelernt haben. Seelisches und Körperliches 
können aufeinander nicht wirken, weil sie nur verschiedene 
„Ausdrücke" des einen Wesens sind. „Nee corpus mentem 
ad cogitandum, nee mens corpus ad motum, neque ad quie- 
tem, nee ad aliquid . . » aliud determinare potest." Geistiges 
kann nur wieder durch Geistiges, Körperliches nur durch 
Körperliches bewirkt oder bestimmt werden : „Id ergo, quod 
mentem ad cogitandum determinat, modus cogitandi est et 
non extensionis, hoc est non est corpus" (Eth. n prop. VI, 
in, prop. n). Es gibt an sich nur eine Ordnung der 
Dinge, die einerseits in der Ordnung der körperlichen Vor- 
gänge, anderseits in der ihr entsprechenden psychischen 
Ordnung zum Ausdrucke kommt (1. c. schol.). 

Den Okkasionalismus bildete Leibniz zur Hypothese 



124 ^' Wechselwirkung oder Parallelismus? 

der „praestabilierten Harmonie" weiter, indem er die von 
Gott hergestellte Korrespondenz des Psychischen und 
Physischen als eine von Ewigkeit her gesetzte, ein für 
allemal zu Eecht be'stehende auffaßte, wie es übrigens 
schon ein Teil der Okkasionalisten gemeint haben dürfte 
(Malebranche besonders). Die Welt besteht an sich aus 
„Monaden". Alle sind unkörperlich, aber es gibt Seelen- 
monaden und Komplexe von Körper-Monaden, d. h. von 
Monaden, deren Erscheinung der zu einer Seele gehörige 
Leib ist. Zwischen den einfachen „fensterlosen" Monaden 
gibt es keine Wechselwirkung, sondern Gott hat das Uni- 
versum und die Monaden so eingerichtet, daß der Ablauf 
der Geschehnisse in jeder Monade genau dem Ablauf des 
übrigen Geschehens enspricht, angepaßt ist, so daß es 
scheint, als ob die Monaden einander direkt beeinflußten. 
So verhalten sich auch Seele und Leib zueinander wie 
zwei Uhren, die so eingerichtet sind, daß ihr Gang für 
alle Zeiten ein übereinstimmender ist (Philos. Schrift., herausg. 
von Gerhardt IV, 498). Die psychische und die physische 
Kausalität haben jede ihr spezifisches Gesetz, die Seele ist 
teleologisch, zielstrebig und zweckverfolgend tätig, der 
Körper mechanisch, und doch sind beide Eeihen des Ge- 
schehens in Harmonie miteinander, obwohl die Körper 
wirksam sind, als ob es (per impossibile) keine Seelen, die 
Seelen aber handeln, als ob es keine Körper gäbe (Monadol. 
78 — 81). Alles psychische Geschehen ist die Entfaltung 
der Seelenkraft selbst (Gerh. II, 58). Diese beeinflußt das 
physische Geschehen nicht, welches vielmehr seine ihm 
eigene Energiegröße und Bewegungsrichtung behält (Gerh. 
ni, 121 f.). Zwischen den psychischen Vorgängen und den 
leiblichen Prozessen besteht ein vollkommener „Parallelis- 
mus" ; selbst die abstraktesten Gedanken sind von materiellen 
Korrelaten begleitet (G. W. Leibniz, Hauptschrift n, 54). 
Vom metaphysischen Standpunkte ist das Physische, welches 
die Seelenprozesse begleitet, selbst ein Psychisches niederer 



2. Der psychopbysiscbe Parallelismus. 125 

Art, das „Innensein" der Körpermonaden, welches durch 
das göttliche Weltgesetz mit dem „Innensein" anderer 
Monaden in Einklang gebracht ist. 

Eine parallelistische Auffassung des Verhältnisses von 
Seelischem und Leiblichem tritt zutage bei Hartley, 
Bonnet (Ess. de PsychoL, pr.), Schiller (Über den Zu- 
sammenhang d. tier. Nat. d. Mensch, mit sein, geist. § 12), 
Destutt de Tracy (Eiern, d' ideolog. V, 527), Maine de 
Biran (Oeuvr. I, 33, 39; III, 403) u. a., in anderer Weise 
beiChr. Wolff, währendBaumgarten,Crusius,Eüdiger 
Knutzen u. a. die Wechselwirkung zwischen Leib und 
Seele verteidigen. 

Schelling lehrt einen Parallelismus zwischen den 
verschiedenen Stufen (Potenzen) der Entfaltung des Idealen 
und Eealen. Es besteht eine Harmonie zwischen der 
unbewußten und der bewußten Daseinsweise des Absoluten, 
zwischen Natur und Geist als den beiden Seiten des Abso- 
luten. In der von Schelling beeinflußten Schule wird öfter 
vom „Parallelismus" des Seelischen und Körperlichen ge- 
sprochen. 

In einer den Bedürfnissen der empirischen Wissenschaft 
genügenderen Form begründete die Lehre vom psycho- 
physischen Parallelismus Fechner. Nach ihm besteht ein 
universeller Parallelismus des Geistigen und Körperlichen 
als der beiden Erscheinungsweisen des Allwesens (Zend- 
Avesta n, 141). Jedem psychischen Vorgang entspricht ein 
physischer Vorgang, jedem physischen Geschehen ein (be- 
wußtes oder unbewußtes, intra- oder extraindividuelles) 
psychisches Geschehen. Nicht der physische Eeiz als 
solcher wirkt in der Seele, sondern das Innensein des 
Eeizes, welches selbst schon psychischer Art ist, veranlaßt 
die Empfindung. Im übrigen sowie bezüglich der ver- 
fc^chiedenen Arten der Parallelismustheorie neuerer Zeit ist 
auf unsere Darstellung der Identitätstheorie zu ver- 
weisen. 



126 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

Den universellen Parallelismus vertreten Paulsen, 
Höffding, Adickes, Heymans, Verworn u. a. Hin- 
gegen entspricht nach Jodl, Kibot, Spencer, Riehl u. a. 
zwar jedem Bewußtseinsvorgang ein physischer Vorgang 
(eine „Zerebration"), aber nicht umgekehrt jedem physischen 
und physiologischen Geschehen ein Bewußtseinsvorgang. 
Nach Wundt u. a. wieder ist nicht alles Geistige physio- 
logisch vertreten, denn „Natur und Geist . . . sind zwei 
sich kreuzende Gebiete, die nur einen Teil ihrer Ob- 
jekte miteinander gemein haben" (Log. II ^ 2, 258). Nach 
Münsterberg aber ist die konsequente Durchführung des 
Parallelismus für das Verhältnis der Seele zutn Leibe eines 
Wesens ein Postulat (Grundz. d. Psycho! I, 435, 492). 

Die Heterogenität des Psychischen und Physischen 
wird von den neueren Parallelisten nicht so sehr wie die 
Geschlossenheit der Naturkausalität und damit im Zusammen- 
hang auch das Energieprinzip zur Motivation der Paralle- 
lismustheorie verwertet. So erklärt Eiehl: „Aus dem 
Energieprinzipe folgt, daß der Verlauf der Vorgänge in 
der äußern Natur ein in sich geschlossener ist Jede 
physische Wirkung ist nach diesem Prinzipe durch ihre 
physische Ursache völlig bestimmt, jede physische Ursache 
erschöpft sich durch ihre physische Wirkung ... In diesen 
geschlossenen Naturverlauf nun kann eine nicht-physische 
Ursache nicht eingreifen, denn sie hätte nichts mehr zu 
bewirken . . . Psychische Funktionen also können in 
diesen Prozeß weder als Ursachen noch als Wirkungen 
eingeschaltet sein" (Zur Einf. in d. Philos. S. 156 fE.). Den 
Empfindungen entsprechen Bewegungen, d. h. Vorgänge, 
welche den Sinnen als Bewegungen erscheinen und welche 
als solche gedacht werden müssen, also Phänomene (Philos. 
Krit. n 2, 37, 178, 196). Das Bewußtsein entspricht nicht 
einer einzelnen Energieform, sondern „sein objektives 
Gegenstück ist eine Struktur, der Bau des Nervensystems, 
genauer die durch diese Struktur ermöglichte, durch sie 



2. Der psychophysische Parallelismus. 127 

geleitete Zusammenordnung von Energien" (Zur Einführ. 
S. 159 f.). Wundt begründet den Parallelismusstandpunkt 
yne folgt. Die logische Anwendung des Kausalprinzips 
zunächst fordert, Gleichartiges aus Gleichartigem abzuleiten, 
denn Grund und Folge setzen stets ein gleichartiges Ganze 
voraus, in welchem sie als Glieder enthalten sind (System 
d. Philos.^ S. 380; Philos. Stud. X, 88 f.). Gleichartig 
kann aber ein Ganzes nicht sein, dessen Glieder völlig 
verschiedenen Betrachtungsweisen der Erfahrung ange- 
hören (Log. n^ 2, 259). Gegen die psychophysische Wechsel- 
wirkung spricht aber vor allem das Prinzip der geschlossenen 
Naturkausalität, welches ein logisches Postulat und zugleich 
ein methodisch-regulativer Grundsatz ist, der nur in seiner 
Erweiterung über das Erfahrbare hinaus metaphysisch wird, 
an sich es aber nicht ist. Es sagt aus, daß „Naturvor- 
gänge immer nur in andern Naturvorgängen, nicht aber 
in irgend welchen außerhalb des Zusammenhanges der 
Naturkausalität gelegenen Bedingungen ihre Ursachen 
haben können", und fordert auf, „jeden Naturzusammenhang 
auf Kausalgleichungen zurückzuführen, in die lediglich genau 
analysierbare und auf die allgemeinen Naturgesetze zurück- 
führbare Naturvorgänge als ihre Glieder eingehen". Es 
beruht dieses Prinzip auf der notwendigen Voraussetzung, 
daß „die Eigenschaften, die wir der Materie zuschreiben 
müssen, um eine vollständige Naturerklärung im Prinzip 
zustande zu bringen, nur von den beharrenden Elementen 
der Materie, nicht aber von den mehr oder minder ver- 
wickeiteren Verbindungen abhängig sind, in denen sie 
vorkommen". „Überall da, wo ein stetiger Verlauf von 
Naturvorgängen eine exakte Feststellung zuläßt, da führt 
diese zu der Voraussetzung, daß die Naturkausalität ein in 
sich geschlossenes Gebiet bildet." Ein lückenloser Natur- 
zusammenhang schließt denn auch die Umwandlung physi- 
scher in psychische Energie und umgekehrt aus (Logik II * 
.1, 332; n^ 2, 258; Syst. d. Philos. 380, S. 599; Essays 



128 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

S. 115; Philos. Stud. X, 41, 89, 911). Ebenso läßt sich 
Psychisches nur psychologisch erklären (Log. 11* 2, 259). 
Die Parallelismustheorie ist eine Folgerung aus diesen 
methodischen Prinzipien und zugleich ein Ausdruck der 
Zweiheit der Betrachtungsweise der an sich einheitlichen 
Erfahrung, sie ist der Satz, „daß alle diejenigen Erfahrungs- 
inhalte, die gleichzeitig der mittelbaren, naturwissenschaft- 
lichen und der unmittelbaren, psychologischen Betrachtungs- 
weise angehören, zueinander in Beziehungen stehen, indem 
innerhalb jenes Gebietes jedem elementaren Vorgange auf 
psychischer Seite ein solcher auf physischer entspricht." 
Die Theorie geht davon aus, „daß es an und für sich nur 
eine Erfahrung gibt, die jedoch, sobald sie zum Inhalt 
wissenschaftlicher Analyse wird, in bestimmten ihrer Be- 
standteile eine doppelte Form wissenschaftlicher Betrach- 
tung zuläßt: eine mittelbare, die die Gegenstände unseres 
Vorstellens in ihren objektiven Beziehungen zueinander, 
und eine unmittelbare, die sie in ihrer anschaulichen 
Beschaffenheit inmitten aller übrigen Erfahrungsinhalte des 
erkennenden Subjekts untersucht. Soweit es nun Objekte 
gibt, die dieser doppelten Betrachtung unterworfen sind, 
fordert das psychologische Parallelprinzip eine durchgängige 
Beziehung der beiderseitigen Vorgänge zueinander." Denn 
dem, was das Geistige spezifisch konstituiert, den Beziehungs- 
und Verbindungsformen des Psychischen, entspricht nichts 
Qualitatives auf physischem Gebiet. „Ihnen werden zwar 
Verbindungen physischer Prozesse insofern parallel gehen, 
als überall, wo ein psychischer Zusammenhang auf eine 
regelmäßige Koexistenz oder Sukzession physischer Vor- 
gänge zurückweist, diese direkt oder indirekt ebenfalls in 
einer kausalen Verknüpfung stehen müssen ; von dem eigen- 
tümlichen Inhalte der psychischen Verbindung kann aber 
die letztere Verknüpfung nichts enthalten", weil ja von 
jenem bei der naturwissenschaftlichen Betrachtung geflissent- 
lich abstrahiert worden ist. „Hieraus folgt dann weiterhin, 



2. Der psychophysische Parallelismus. 129 

daß auch die Wert- und Zweckbegriffe . . . gänzlich 
außerhalb des Gesichtskreises der dem Parallelismusprinzip 
subsumierbaren Erfahrungsinhalte liegen" (Grundriß der 
Psychol. * S. 389 ff. ; Vorles. ^ S. 485 ff. ; Philos. Stud.X, 42 ff. ; 
Xn, 14 ff.; Log. n^ 2, 259). Wegen der praktischen 
Schwierigkeit, den Zusammenhang des Individualbewußtseins 
lückenlos herzustellen, weil femer die Empfindungsreize 
uns empirisch nur als physische Prozesse gegeben sind, 
ist stellenweise die Substitution physischer m Stelle psychi- 
scher Glieder gestattet, mit dem Vorbehalte, daß unmittel- 
bar und kausal nur der zugehörige Parallelvorgaug bewirkt 
wird. Denn letzten Endes muß man annehmen, daß „nicht 
der physische Sinnesreiz die Empfindung erzeugt, sondern 
daß diese aus irgend welchen psychischen Elementarvor- 
gängen entspringt, die unter der Schwelle unseres Bewußt- 
seins liegen und in denen unser Seelenleben mit einem 
allgemeineren Zusammenhange psychischer Elementarvor- 
gänge in Verbindung steht" (Vorles. ^ S. 490, Das Physische 
wirkt auf die Seele nur, sofern es an sich selbst psychisch 
ist (Grundz. d. physiol. Psychol. HS 633 ff.; IS 26). 

Nach Schubert-Soldern u. a. gibt es einen Parallelis- 
mus nur innerhalb der Erscheinungswelt, da alles Sein 
Bewußtsein ist (Zeitschr. f. immanente Philos. 1, 21). Ähn- 
lich erklärt H. Cornelius: „Unsere Empfindungen müssen 
bestimmten physischen Vorgängen parallel gehen, weil die 
physischen Vorgänge ihrem Begriffe nach nichts anderes 
sind als die gesetzmäßigen Zusammenhänge, denen wir 
unsere Empfindungen einordnen" (Einleit. in d. Philos. 
S. 310 f.). Den dualistischen Parallelismus auch phäno- 
menaler Art bestreitet R. Avenarius. Es gibt nach ihm 
nur einen „empirischen" Parallelismus zwischen den mecha- 
nischen und „amechanischen" Bedeutungen der Prozesse 
im Organismus und einen Parallelismus zwischen bestimmten 
Änderungen des physiologischen „System C" als logischen Be- 
dingungen und den Empfindungs- und Geftthlserlebnissen als 

Bisler, Leib und Seele. 9 



130 ^^* Wechselwirkung oder Parallelismus? 

logischen Abhängigen dieser Ändemngen, m. a. W. zwischen 
der „nnabhängischen Vitah-eihe" und den „abhängigen 
Vitah-eihen" (Krit. d. rein. Erfahr. I, 85 fE.; Viertel jahrsschr. 
f. wiss. Philos. Bd. 19 S. 13 fE.). E. Mach statuiert einen 
ähnlichen Parallelismus zwischen den Erlebnissen und den 
physiologischen Elementenkomplexen, von welchen jene 
abhängig sind (Anal. d. Empfind. ^ S. 49 fE.). 

Als Produkt der psychophysischen Wechselwirkung 
faßt, ähnlich wie I. H. Fichte (Psychol. 1, 263, 274), 
E. V. Hartmann den Parallelismus auf. „Der Parallelismus 
im Sinne einer homologen (aber weder durchweg äquiva- 
lenten noch proportionalen) Korrespondenz beider Er- 
scheinungssphären ist zwar keine unmittelbare Tatsache, 
wohl aber eine induktiv wohlbegründete Hypothese, und 
zwar entspricht jeder mechanischen materiellen Bewegung 
eine Bewußtseinserscheinnung in irgendwelchem Individuum 
irgendwelcher Ordnung. Diese homologe Korrespondenz 
ist aber weder ein letztes Weltgesetz, noch unmittelbarer 
Ausfluß der Wesensidentität, sondern Produkt der inter- 
individuellen Wechselwirkung der unbewußten ideellen Teil- 
tätigkeiten miteinander und der Wechselwirkung beider 
Erscheinungsseiten untereinander innerhalb desselben In- 
dividuums" (Die mod. Psychol. S. 338, 421; Kategorienlehre 
S. 407fE.; Arch. f. sytemat. Phüos. V, IfE.; Das Probl. d. 
Lebens S.423fE.). 

Als „Schattentheorie" bezeichnet Stumpf jene Form 
des Parallelismus, nach welcher die Bewußtseinsvorgänge nur 
wesenlose, unwirksame, unselbständige Begleiterscheinungen 
(Epiphänomene) der physiologischen Eeihe sind (Huxley, 
Eibot, Dubois-Keymond, manche Physiologen u. a.). 
Es ist das eine Ansicht, die bei einigen ihrer Vertreter 
schon hart an den Materialismus streift. 



3. Kritik. 131 

3. Kritik. 

Wir versuchen im folgenden die bdden Theorien, die 
der psychophysischen Wechselwirkung und die Lehre vom 
psychophysischen Parallelismuä; in Einem kritisch zu be- 
leuchten, indem wir eine Reihe von Punkten daraufhin 
untersuchen, ob sie der einen oder anderen Theorie günstig 
oder nicht sind, um dann die der Parallelismustheorie 
eigenen, von den Gegnern angegriffenen positiven Sätze 
zu erörtern und schließlich zu einem Resumö zu kommen. 

a) Die Ungleichartigkeit des Psychischen und Physischen. 

Die Heterogenität des Psychischen und Physischen 
sei, meint man seit Lotze besonders, kein Einwand gegen 
die Möglichkeit einer psychophysischen Wechselwirkung. 
Es hängt dies mit der, seit Hume zur Geltung ge- 
kommenen, „positivistischen" Auffassung der Kausalität zu- 
sammen, nach welcher, empirisch wenigstens, die Ursäch- 
lichkeit in nichts anderem besteht, als daß mit einem Vor- 
gang A ein anderer, bestimmter Vorgang B regelmäßig 
und notwendig, d. h. unter bestimmten Bedingungen aus- 
nahmslos, verknüpft erscheint. Was im einzelnen Ursache 
oder Wirkung ist, sein kann, das läßt das Kausalprinzip 
unbestimmt; a priori ist dieses nur, sofern wir uns nichts 
denken können, was nicht in kausale Verbindung zu bringen 
wäre, jeder einzelne Kausalnexus aber ist empirisch be- 
dingt Es wäre also, argumentiert man weiter, sehr wohl 
möglich, daß psychische Vorgänge mit physischen Gescheh- 
nissen kausal verknüpft sind. Aber nicht bloß möglich ist 
dies, sagt man endlich, sondern die Erfahrung zeigt uns 
in unanfechtbarer Weise solchen Kausalnexus, indem ja 
z. B. unser Wille Bewegungen unseres Organismus bewirkt 
Hier liege ein Fall unzweifelhafter psychophysischer Kau- 
salität vor und die bloß parallelistische Deutung der Sache 
sei unnatürlich, künstlich, erfahrungsfeindlich. 



132 IV. Wecbselwirkung oder Parallelismus? 

Merkwürdig ist es aber, daß so mancher, der diese 
Ansicht teilt, sich beeilt, darauf hinzuweisen, daß ja meta- 
physisch die Ungleichartigkeit des Psychischen und Physi- 
schen gar nicht bestehe, indem das Materielle an sich 
immateriell oder gar selbst* psychisch sei. Es zeugt dies 
sicherlich davon, daß man doch recht froh ist, wenn die 
Heterogenität der beiden Arten des Geschehens sich weg- 
schaffen läßt. Man ist sich, man mag sagen, was man 
will, im geheimen bewußt, daß eine Wechselwirkung 
zwischen Leib und Seele nur möglich ist, wenn eines der 
Glieder der Kausalreihe dem andern qualitativ angenähert 
wird. Man sieht dies auch bei jener Art des Dualismus, 
nach welchem das Psychische eine eigene Art der Energie 
ist, welche mit den physischen Energien in Wechselwirkung 
steht. Hier ist der Begriff der Energie, dasjenige, was die 
Heterogenität der beiden Geschehensweisen überbrücken 
soll. Endlich zeigt sich dasselbe Bemühen in jenen 
Passungen des Seelenbegriffes, welche die Seele als eine 
feine, etwa ätherartige Substanz bestimmen, kurz: Die 
Heterogenität des Psychischen und Physischen 
wird von den Dualisten entweder so gemildert 
oder beseitigt, daß das Physische dem Psychischen 
oder so, daß das Psychische dem Physischen an- 
genähert wird. Machen die letzteren den Fehler, das 
Geistige zu materialisieren, es zu sehr nach Analogie des 
Physischen, Materiellen zu betrachten, ihm einen Charakter 
zuzuschreiben, der dem Geistigen eben nicht zukommt, so 
vermengen die ersteren die richtige Behauptung, daß das 
„An sich" des Physischen, welches nicht selbst physisch 
ist, mit der Seele in Wechselwirkung steht, mit der un- 
zulässigen Auffassung, daß das Physische als solches auf 
die Seele wirke. Das Physische als solches, antworten 
wir, braucht nicht auf die Seele zu wirken, weil schon 
das „An sich" desselben dies tut; es kann aber auch nicht 
auf die Seele als Physisches wirken, weil eine bloße Er- 



3. Kritik. 133 

scheinung, die schon die Seele und psychisches Geschehen 
voraussetzt, in gewissem Sinne schon ein Produkt des 
Seelischen ist, nicht das Psychische bewirken oder auf es 
einwirken kann. Keinesfalls kann eine physische Er- 
scheinung in demselben Sinne auf die Seele wirken wie 
das „An sich" des Körpers, und keinesfalls kann es zu- 
gleich mit diesem wirken, denn wir hätten dann zwei 
Ursachen eines psychischen Vorganges oder einer Modi- 
fizierung desselben, von denen eine überflüssig ist. Macht 
man damit ernst, daß das Physische, das räumlich Aus- 
gedehnte, Sinnenfällige und der äußern Erfahrung gemäß 
Gedachte nur Erscheinung eines an sich Immateriellen ist, 
dann kann es wohl einen empirisch-phänomenalen Kausal- 
nexus, eine wechselseitige „Abhängigkeit" physischer Vor- 
gänge, nicht aber eine Wirkung des Physischen auf das 
Psychische • geben, sondern es kann nur das dem Physi- 
schen zugrundeliegende „An sich" oder „Transzendente" in 
Wechselwirkung mit der Seele stehen, während das Physische 
als solches mit dem Psychischen nur „parallel gehen" kann. 
Wo scheinbar Psychisches und Physisches in Wechsel- 
wirkung miteinander stehen, da läßt sich leicht dartun, 
daß letzteres schon als „psychischer Keiz" oder als Motiv, 
d. h. als Empfindung, Gefühl oder Vorstellung die Seele, 
d. h. das Geistesleben beeioflußt, und daß dieses letztere 
nur in seinem physischen „Außensein", als Gehimprozeß 
das übrige leibliche Sein und Geschehen beeinflußt. 

Es ist ja nicht zu bestreiten, daß zwischen Ursache 
und Wirkung kein Verhältnis der Identität bestehen muß, 
beide sind in der Tat stets numerisch verschieden und oft 
auch qualitativ unterschieden. Wenn aber darauf hinge- 
wiesen wird, daß z. B. Wärme in Bewegung, Bewegung 
in Wärme übergeht, obgleich das zwei verschiedenartige 
Phänomene sind, so ist das mit der Heterogenität des 
Psychischen und Physischen doch nicht zu vergleichen. 
Bewegung und Wärme haben, so verschieden sie auch er- 



134 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus ? 

scheinen, etwas Gemeinsames, Verwandtes, sie sind beide 
Zustände räumlicher Dinge, sind entweder, wie die streng 
mechanistische Naturauffassung es lehrt, nur verschiedene 
Formen eines und desselben Geschehens, welches einmal, 
als molekulare, das anderemal a^ molare Bewegung sich 
darstellt bezw. zu denken ist, oder sie sind, wie die 
energetische Theorie es verlangt, nur verschiedene Formen 
der physischen, räumlich zentrierten und gerichteten Energie, 
in deren Größe sie ihr gemeinsames Maß haben. Mindestens 
sind beide quantitativ bestimmbare Prozesse, welche der 
einheitlichen Beihe des Naturzusammenhanges als solcher 
angehören, mindestens haben sie das gemein, daß sie beide 
Objekte äußerer Erfahrung und mittelbarer, physikalischer 
Erkenntnis sind. Das gilt von allen Naturphänomenen in 
ihrem kausalen Verhältnis zueinander. Mag es auch wahr 
sein, daß wir bei ihnen von dem innem Bande, welches 
Ursache und Wirkung aneinander knüpft, nichts wissen, 
daß also in diesem Sinne die psychophysische Kausalität 
nicht weniger begreiflich wäre als die physiophysische, so 
ist es doch nicht minder wahr, daß die Wirkung vom 
Physischen auf Physisches methodologisch unanfechtbar ist, 
nicht aber die psychophysische Kausalreihe. Es ist näm- 
lich der Prozeß der Anwendung des Kausalprinzips nicht 
derart, daß wir etwa ein physisches Geschehen isoliert 
haben und dazu nach irgend einer Ursache suchen, welche 
weiß Gott welcher Art, also auch psychisch sein könnte. 
Sondern gegeben ist uns vom Standpunkt der äußeren Er- 
fahrung, von dem allein aus es Physisches als solches gibt, 
eine nirgends und niemals begrenzte Eeihe von Gescheh- 
nissen raumzeitlicher Art. Kegelmäßigkeiten von Geschehnis- 
verbindungen im Verein mit der apriorischen Gesetzlichkeit 
unseres Intellekts nötigen uns, bestimmte Glieder der Er- 
fahrungsreihe in ihrem Zusammenhange mit anderen heraus- 
zuheben und sie als voneinander im Sinne des Kausal- 
verhältnisses abhängig zu setzen. Ursache und Wirkung 



3. Kritik. I35 

sind nnr zwei aus der unbegrenzten und stetigen 
Eeihe von Geschehnissen methodisch herausge- 
griffene, isolierte, fixierte Bestandteile, deren Zu- 
sammenhang besonders ersichtlich und begreiflich ist. Ur- 
sache und Wirkung sind also Momente eines einheitlichen, 
fortlaufenden Geschehens, welches sich aber analytisch 
in zahlreiche, niemals zu erschöpfende Elemente zerlegen 
läßt. Die Ursache, die wir zu einem Geschehen bestimmter 
Art suchen, wird stets als in der Reihe des Gesamtge- 
schehens enthalten gedacht, ebenso die gesuchte Wirkung 
eines Dinges. Dieses Gesamtgeschehen nun ist einheitlicher, 
homogener Art, es kann eben nichts anderes aktuell oder 
potentiell enthalten, als was Gegenstand äußerer, sinnlich 
vermittelter Erfahrung sein und werden kann, also nur 
Physisches. Ebenso gibt es vom Standpunkt innerer, un- 
mittelbarer Erfahrung nur Psychisches, nur eine fortlaufende 
Reihe von Erlebnissen, auf welche wir gleichfalls da^ 
Kausalprinzip anwenden müssen. Dies geschieht so, daß 
je zwei Glieder dieser Reihe in ihrem Zusammenhange 
besonders bemerkbar und zugleich begreifbar werden. Immer 
also sind Ursache und Wirkung Glieder eines prinzipiell 
gleichartigen Ganzen. Es ist das Gesunde im „positi- 
vistischen" Zuge der Naturforschung, daß sie, bewußt oder 
unbewußt, im Sinne der methodisch richtigen Anwendung 
des Kausalprinzips zu verfahren bemüht ist, indem sie 
physische Phänomene rein physikalisch, d. h. aus typischen 
Phänomenen der einen, durch den Standpunkt der äußern 
Erfahrung bedingten Reihe des Daseins und Geschehens 
erklärt. Ebenso konsequent muß auch die Psychologie 
verfahren und psychische Einzelprozesse psychologisch, d. h. 
aus typischen Bewußtseinsvorgängen ableiten, soweit sie 
es nur vermag. 

Das hindert keineswegs, auch dem Zusammenhang von 
Leib und Seele gerecht zu werden. Aber er muß richtig 
aufgefaßt werden. Die Erfahrung von Beeinflussungen 



136 ^V- Wechselwirkung oder ParaUelismus? 

geistiger durch „leibliche" Zustände und umgekehrt, auf 
welche sich die Anhänger der Wechselwirkungstheorie so 
gern berufen, besteht wirklich. Die Parallelisten brauchen 
sie nicht zu verleugnen, nicht zu entstellen, sie ist ganz 
harmlos. So wie der Leib als solcher eine Organisation 
von Funktionen darstellt, so ist auch die Seele, deren ob- 
jektive Erscheinung der Leib ist, nichts Einfaches, sondern 
eine einheitliche Organisation von Teilprozessen mehr oder 
weniger bewußter, einfacher und komplizierterer, niederer 
und höherer Art. So wie der leibliche Organismus aus 
verschiedenen, miteinander kausal verknüpften Organen 
und deren Funktionen besteht, so gibt es auch gleichsam 
verschiedene „Organe", „Provinzen" der seelischen Orga- 
nisation. Es gibt ein „sinnliches" Leben, gegeben in 
Organ- und Sinnesempfindungen, sinnlichen Gefühlen und 
Strebungen, und es gibt ein „geistiges" Leben, ein Denken, 
Wollen usw., welches über dem sinnlichen Leben sich 
aufbaut, dieses genetisch voraussetzt und seiner als Unter- 
grund, Stoff und Mittel bedarf, ohne von ihm, mit dem 
zusammen es ja die Seeleneinheit konstituiert, trennbar zu 
sein. Ebenso baut sich über dem vegetativen, motorischen 
und Nerven-Geschehen des leiblichen Organismus das Ge- 
hirn mit seinen Funktionen auf, welches die Gesamtheit 
des Leibes vertritt und funktionell zusammenfaßt, zugleich 
aber in Wechselwirkung mit den einzelnen Teilen des 
Leibes steht; innerhalb des Gehirns gibt es eine Wechsel- 
wirkung zwischen niederen und höheren Zentren anato- 
misch-funktioneller Art. 

Es handelt sich eben um eine „Organisation", welche 
sich einmal als psychisch, einmal als physisch darstellt. 
Innerhalb dieser Organisation gibt es Wechselwirkung 
zwischen einzelnen Zuständen, Vorgängen, Teilen. Was 
vom Standpunkte innerer Erfahrung, unmittel- 
bar erlebt oder derunmittelbaren Erkenntnisweise 
gemäß gedacht, Wechsel wirkungz wischen geistigen 



3. Kritik. I37 

und sinnlichen, bewußten (apperzipierten) und unter- 
bewußten oder relativ unbewußten Prozessen ist, 
erscheint, äußerlich betrachtet und gedacht, als 
Wechselwirkung zwischen verschiedenen Pro- 
vinzen des Leibes in ihrer Vertretung im Gehirn, 
im Nervensystem überhaupt. Zwei Beispiele sollen 
uns dies verdeutlichen. 1. Es ist eine Erfahrung, daß 
unser Denken durch eine schlechte Verdauung gestört 
werden kann. Ist dies ein Fall physiopsychischer Kausalität? 
Nein. Sondern erfahren wird unmittelbar nur, daß Organ- 
empfindungen nebst ihrem Gefühlstone den Ablauf unseres 
Denkens beeinflussen. Es wirkt hier also ein organischer 
Zustand als psychisch auf einen anderen als psychisch er- 
lebten organischen Zustand; und analog ist es in anderen 
Fällen, nur tritt das „Innensein" organischer Zustände 
nicht immer für sich ins Bewußtsein, muß aber konse- 
quenterweise als „mögliche Erfahrung" gesetzt werden, 
ebenso wie die Naturwissenschaft auf ihrem Gebiete er- 
schlossene Möglichkeiten annimmt. 2. Es ist eine Erfah- 
rung, daß unser Wille die Bewegung etwa eines Armes zur 
Folge hat. Ist das psychophysische Kausalität? Nein. 
Vielmehr erleben wir unmittelbar nur, daß ein Willens- 
impuls, der an Gefühle und Vorstellungen anknüpft, eine 
Eeihe von Muskel- oder Bewegungsempfindungen, event. mit 
einer Bewegungsvorstellung, bewirkt, also die Wirkung 
eines Psychischen auf Psychisches. Dem geht parallel die 
Wirkung des Gehirns auf die motorischen Nerven und dieser 
auf die Muskeln, die den Arm strecken oder beugen, also 
die Wirkung von Physischem auf Physisches. In populärer 
oder abgekürzter Eedeweise, also ohne Betonung des 
methodisch-erkenntniskritischen Gesichtspunktes, darf man 
wohl sagen, geistige Vorgänge seien von „physischen" 
und umgekehrt „abhängig", aber man darf hierbei niemals 
vergessen, daß das Wort „leiblich" (physisch) äquivok ist, 
sowohl das sinnliche und das unterbewußte Innensein des 



138 IV* Wechselwirkung oder Parallelismüs? 

Organismus als auch die physikalisch-chemische E}rscheiimngs- 
weise desselben ausdrückt. Im streng wissenschaftlichen 
Sinne ist das Geistige wohl von „organischen" Zuständen 
und Prozessen abhängig, aber dieses „Organische" ist dann 
so gemeint, wie es sich der unmittelbaren Erkennt- 
nisweise daxstellt, also schon als eine Stufe der psy- 
chischen Daseinsweise. Gewisse Bestandteile der innem 
und äußeren Betrachtungsweise des organischen Geschehens 
entsprechen einander so, daß sie als gleichzeitig zu 
denken siijd, z. B. Willensimpuls und ein bestimmter Ge- 
himprozeß zentralster Art; andere Glieder wieder stehen 
zueinander im Verhältnis der Sukzession, z. B. Willens- 
impuls und Armbewegung. Diese ist in der Tat eine Folge 
des Willensimpulses, weil dieser ja nur ein Anfangsmoment 
der ganzen „innem Willenshandlung" ist. Die „Außen- 
seite" der ganzen Willenshandlung ist die ganze Reihe 
des Geschehens, deren Anfangs- und Endpunkte einerseits 
ein Gehimprozeß, andererseits die Armbewegung ist. Nicht 
diese geht dem Willensimpuls parallel, sondern ihm ent- 
spricht äußerlich nur ein bestimmter Gehirnprozeß, 
während <iie Armbewegung in ihrer zerebralen Ver- 
tretung zum psychischen Korrelat Bewegungsempfin- 
dungen hat. Es ist also einerseits ganz begreiflich, daß 
erfahrungsgemäß die Bewegung (des Armes) dem Willen 
(-impuls) zeitlich folgt, andererseits ist es klar, daß dies 
dem wohlverstandenen Parallelismus in keiner Weise 
widerspricht. 



b) Das Prinzip der geschlossenen Naturkausalität. 

Zu den gewichtigsten Stützen, auf welchen die Parallelis- 
mustheorie ruht, gehört das Prinzip der Geschlossen- 
heit der Naturkausalität. Es besagt, daß Physisches 
stets wieder nur aus Physischem zu erklären ist, daß 
physische Vorgänge stets nur physische Ursachen und 



8. Kritik. I39 

Wirkungen haben können, daß die Eeihe der physischen Kau- 
salität lückenlos, geschlossen ist, so daß an keinem Punkte 
eine Durchbrechung der Eeihe durch nichtphysische, psy- 
chische Ursachen möglich ist. Die Natur als solche ist eine 
in sich geschlossene Totalität von Prozessen, deren einer 
durch andere kausal bedingt ist usw. in infinitum ; nie und 
niemals bricht die Eeihe des Naturgeschehens ab und sie 
darf auch nicht methodisch übersprungen werden. 

Die Gegner des Parallelismus sagen nun, dieses 
Prinzip sei weder eine Erfahrungstatsache noch eine Denk- 
notwendigkeit Mag es auch richtig sein, daß im Eeiche 
des Anorganischen und zum Teil auch im Gebiete des 
Organischen ausnahmslos physische Wirkungen aus phy- 
sischen Ursachen entspringen, so sei doch die Ver- 
allgemeinerung dieses Umstandes auch für Gebiete, wo 
psychisches Geschehen in Frage kommt, eine bloße petitio 
principii, ein Dogma, ein Zirkelbeweis. Die durch Induktion 
erhärtete Gültigkeit des Prinzips für den Teil der Wirk- 
lichkeit, der rein physisch erscheint, hindere nicht, „daß 
da, wo organische Prozesse mit psychischen Vorgängen 
verbunden sind — beim Menschen also bei den Gehim- 
prozessen — , die Möglichkeit, daß diese Vorgänge in den 
Verlauf der physischen Prozesse eingreifen, auch eine ganz 
andere ist als etwa da, wo seelisches Leben überhaupt 
nicht vorhanden ist" (Busse, Geist und Körper S. 396). 
Die „Allgemeingültigkeit" eines Naturgesetzes wird dadurch 
nicht beeinträchtigt, „daß es für den Fall, daß das eine 
Glied des Kausalverhältnisses ein psychisches Element ist, 
nicht anwendbar ist" (a. a. 0. S. 399). „Die Natur ist 
schließlich nicht das Weltganze, sondern nur ein Teil 
desselben, der der Ergänzung durch einen andern Teil — 
die seelische Welt — bedarf. Diese Eigenschaft, Teil 
eines Ganzen zu sein, bringt eben der fragmentarische 
Charakter der Natur, den sie, wenn das Prinzip der 
geschlossenen Naturkausalität nicht gilt, sondern psychische 



140 IV. Wechselwirkung oder Parailelismos? 

Faktoren unter besonderen Umständen in die physischen 
Vorgange einzugreifen imstande sind, hat, zum Ausdruck." 
„Das Weltganze müssen wir allerdings als eine in sich 
abgeschlossene Totalität ansehen, aber wir haben kein 
Eecht, dasselbe auch von der Natur zu verlangen" (a. a. 0. 
S. 402).*) 

Demgegenüber ist ja zuzugeben, daß die Greschlossenheit 
der Naturkausalität keine empirische „Tatsache" ist, auf 
die man sich einfach deskriptiv berufen kann. Sie ist 
Wohl durch wissenschaftliche Erfahrung ausnahmslos in 
dem Sinne erhärtet, als nirgends ein Fall sich eingestellt 
hat, der die Anwendung des Geschlossenheitsprinzips nicht 
zuließe, aber die Erfahrung allein ist weder die Quelle des 
Prinzips noch vermag sie von sich aus die Unmöglichkeit 
des Eingreifens nichtphysischer Faktoren zu beweisen. 
In der Tat, das Geschlossenheitsprinzip ist in erster Linie 
eine „Voraussetzung", ein „Postulat", das wir an die Er- 
fahrung denkend heranbringen, nicht ein bloßes Induktions- 
ergebnis. Aber es ist deswegen doch keineswegs ein 
Dogma oder eine Erschleichung, es ist ein methodo- 
logisch-erkenntniskritisches Prinzip, das zugleich 
höchste regulativ-heuristische Bedeutung hat. Ihm 
verdankt die Naturwissenschaft ihren Aufschwung, ja ihre 
Möglichkeit als exakte und empirische Wissenschaft, denn 
dieses Prinzip bringt erst den völligen Bruch mit der 
mythologischen, aber auch mit der metaphysischen Welt- 
anschauung und läßt erst den zwar einseitigen, aber not- 
wendigen und als solchen konsequent durchzuführenden 
Standpunkt der äußeren Erfahrung und mittelbaren 
Erkenntnis voll und ungetrübt zur Geltung kommen 



^) vgl. E. Koenigs Ausführungen für die Geltung des Qte- 
schlossenheitsprinzips in Zeitschr. f. Philos. u. philos. Krit. Bd. 115, 
119. Dagegen B u s s e in derselben Zeitschrift Bd. 116 u. We n t s c h e r 
Bd. 117. 



3. Kritik. 141 

Kein Geringerer als Leibniz, der ja den psychophysischen 
Parallelismus lehrt, ist als einer der ersten sich der Not- 
wendigkeit der reinlichen Scheidung naturwissenschaftlich- 
phänomenaler von der metaphysischen Erklärungsweise der 
Wirklichkeit und zugleich der Vereinigung beider Stand- 
punkte in der philosophischen Synthese bewußt geworden. 
Und Kant hat in eindringlichster Weise die Notwendigkeit 
konsequenter Einhaltung des Standpunktes möglicher Er- 
fahrung auf wissenschaftlichem Gebiete hervorgehoben. 

Das Kausalprinzip überhaupt, logisch eine Anwendung 
4es Satzes .vom Grunde, fordert die durchgängige, nie 
und nirgends unterbrochene Verknüpfung von Erfahrungs- 
inhalten nach dem Schema von Ursache und Wirkung. 
Sollen objektive Zusammenhänge eindeutiger Art, soll ein- 
heitliche Naturerkenntnis möglich sein, so muß das Kausal- 
prinzip universell durchgeführt werden, darf es gedanklich 
nirgends Halt machen, muß es ausnahmslos für alle mög- 
liche Erfahrung gelten. Jedes Glied des Erfahrungs- 
zusammenhanges muß demnach mit irgendwelchen andern 
Gliedern desselben kausal zu verknüpfen sein; irgend ein 
ursach- oder wirkungsloses Geschehen kann methodisch 
nicht gedacht, nicht gesetzt werden, und die Erfahrung 
läßt sich in der Tat ausnahmslos in diesem Sinne geistig 
verarbeiten, wie sie auch im einzelnen die Handhabe für 
die besondere Anwendung des Kausalprinzips, für die Wahl 
bestimmter Glieder des Erfahrungsverlaufes als Ursachen 
und Wirkungen bietet. Immer aber sind das Glieder dea 
einen, einheitlichen Erfahrungsverlaufes, wie er 
sich von einem bestimmten Gesichtspunkt aus dar- 
stellt. Die an sich ungetrennte Gesamterfahrung läßt 
sich, wie wir wissen, zweifach auffassen und methodisch 
bearbeiten, d. h. die Gesamterfahrung stellt sich das eine 
Mal durchgängig als physische Reihe objektiver Zusammen- 
hänge, das andere Mal als psychische Eeihe subjektiver 
Erlebnisse dar. Es sind nicht zwei Seins- oder Erfahrungs- 



142 IV*. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

gebiete nebeneinander selbständig gegeben, es steht nicht 
dem „Geist" eine absolut selbständige „Natur" als (Objekt- 
zusammenhang) gegenüber, sondern es gibt nur zweiBe- 
trachtungs- oder Erkenntnisweisen einer einzigen 
Wirklichkeit. Vom Standpunkt der „äußeren" Er- 
fahrung muß das Kausalprinzip ebenso konsequent 
und universell angewandt werden, wie von dem der 
^inneren" Erfahrung. Wie es dort nur physisches 
Geschehen und also nur physische Kausalität gibt, 
so kann es hier nur psychisches Geschehen und 
äIso nur psychische Kausalität geben. Die Ge- 
schlossenheit der Naturkausalität hat zum Korrelat die 
Geschlossenheit psychischer (sinnlich- geistiger) Kausalität 
nnd beides ist die logische Folge aus der Scheidung der 
ursprünglichen Gesamterfahrung in zwei methodisch ge- 
trennte, relativ selbständige Erfahrungs- und Erkenntnis- 
weisen. Die Forderung des logischen Denkwillens, 
das Kausalgesetz auf die Erfahrung konsequent- 
allgemein anzuwenden, bringt die Geschlossenheit 
der Gesamtkausalität methodisch hervor, und diese 
kommt in der Geschlossenheit der Naturkausalität 
einerseits, der psychischen Zusammenhänge ander- 
seits, zum adäquaten Ausdruck. 

Eine Wechselwirkung zwischen Physischem und Psy- 
chischem kann es nicht geben, weil beide verschiedenen 
Betrachtungsweisen einer Wirklichkeit angehören. 
Wo vom Physischen die Eede ist, geschieht das aus einem 
Gesichtspunkte, dem nirgends ein Psychisches gegeben ist; 
hier hat das Psychische als solches nichts zu suchen. 
Umgekehrt gibt es für den rein psychologischen Gesichts- 
punkt nur Psychisches, hier hat das Physische als solches 
nichts zu suchen. Auch der menschliche Organismus 
stellt sich aus dem Gesichtspunkte der äußeren Erfahrung 
und der mittelbaren Erkenntnis der Naturwissenschaft 
durch und durch als Leib, als Komplex physischer. 



3. Kritik. 143 

physikalisch -chemischer Tatsachen dar, und es liegt in 
der Konsequenz des Eausalprinzips, alles Geschehen am 
physisch erscheinenden Organismus aus physischen Phä- 
nomenen kausal zu erklären. Die Bewegung eines Körpers 
als solche mag vorkommen an welchem Dinge immer, sie 
bleibt ein den anderen Bewegungen gleichartiger Vorgang, 
der wie jede Bewegung physisch zu erklären ist. Es ist 
ein Denkprinzip, Gleichartiges nach der Weise des 
Gleichartigen zu erklären, das Prinzip der Er- 
klärung in dessen Identität treu, konsequent in 
allen Variationen der Fälle festzuhalten. Dieses 
Denkprinzip ist die logische Wurzel des Geschlossenheits- 
prinzips, ist dessen Seele und das mehr oder weniger 
bewußte Motiv aller exakten Forschung. 

Sagt man nun, das Organische mache teilweise eine 
Ausnahme gegenüber allem anderen Sein, weil in ihm 
psychische Faktoren gegeben sind, welche kausal zu 
berücksichtigen seien, so ist darauf folgendes zu erwidern. 
G^wiß ist das Organische jener Teil des Wirklichen, wo 
teüs im Selbstbewußtsein unmittelbar, teils mittelbar mit 
Gewißheit bezw. mit höchster Wahrscheinlichkeit ein 
psychisches Geschehen erkennbar ist. Von einem um- 
fassenden, „metaphysischen" Gesichtspunkte aus ist es 
aber nicht nur zulässig, sondern geradezu geboten, allem 
Wirklichen ein „Innensein" psychischer oder „psycho- 
physischer" Art zuzuschreiben. Vom Standpunkt der^äußeren 
Erfahrung gibt es nur physische Phänomene, Objekt- 
Zusammenhänge, die als solche zu einem möglichen Bewußt- 
sein gehören und zugleich als Erscheinungen eines vom 
erkennenden Bewußtsein völlig unabhängigen, unserer 
eigenen Ichheit analogen „An sich" zu betrachten sind. 
Die kausale Erklärung des objektiven Geschehens im Sinne 
der mechanistischen oder energetischen Naturauffassung 
ist, erkenntniskritisch beleuchtet, nicht mehr und nicht 
weniger als die Zurückführung von Phänomenen auf 



144 IV*. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

allgemeinere, konstantere, in ihrer Gesetzlichkeit bereits 
erkannte Phänomene der gleichen Art. Diese kausale 
Beschreibung und Ableitung der Natur, der phänomenalen 
Welt physischer Objekte, sagt uns als solche noch gar 
nichts über den Sinn, die Bedeutung dessen, was in 
diesen Phänomenen sich darstellt, erscheint. Natur- 
erklärung ist noch nicht Wirklichkeitsverständnis. 
Letzteres ist nur möglich, indem letzten Endes die physischen 
Phänomene sinnvoll gedeutet, d. h. aus ihren, der exakten 
Wissenschaft nicht zugänglichen, metaphysischen Prinzipien 
oder „Gründen" abgeleitet werden. Und dies geschieht 
nicht in mystischer oder mythologischer Weise, sondern 
so, daß mit vollster Berücksichtigung der Differenzen des 
Anorganischen und Organischen, die äußere Erfahrung 
universal durch den Befund der inneren ergänzt 
wird. Was bei uns selbst und den anderen Organismen 
großenteils noch „wissenschaftlich" möglich ist, das Ver- 
ständnis des äußeren Mechanismus des Geschehens durch 
die Hilfe der inneren Erfahrung und psychologischen Inter- 
pretation, kann für das übrige Sein nur „metaphysisch", 
„spekulativ" und hypothetisch geleistet werden. Das 
organische Geschehen also, soweit es rein naturwissen- 
schaftlich sich darstellt, ist physisch zu erklären wie 
alles andere Geschehen; aber verstanden, gedeutet 
werden kann es, wie alles andere Geschehen, nur 
aus dem, was seiner objektiven Erscheinung „innerlich" 
zugrunde liegt, aus seinem „Prinzip", dem Psychischen, 
indem die „Biomechanik" und „Biochemie" durch eine 
„Biopsychik" ergänzt wird. Das Leben ist eben nicht 
nur ein physischer Prozeß, es ist dies nur in seinen 
Äußerungen; für sich selbst ist es schon etwas Psychisches, 
nur aus psychologischem Gesichtspunkte Verständliches. 
Die psychischen Vorgänge sind ebensosehr ein 
Teil der biologischen Prozesse als diese selbst 
schon an sich einen Teil des psychischen Ge- 



3. Kritik. 145 

schehens bilden, psychisch sind. Biologie und Psycho- 
logie müssen einander wechselseitig unterstützen und aus- 
helfen, so aber, daß die Eeinheit und Konsequenz jedes 
Standpunktes der Erfahrungsbearbeitung streng bewahrt 
wird, also gemäß dem Geschlossenheitsprinzip. 

Wenn also gesagt wird, daß ein Teil der organischen 
Vorgänge rein physikalisch nicht verstanden werden kann, 
so ist das richtig, insofern aus dem Gesamtgebiete des 
physischen Geschehens gerade das komplizierte organische 
Verhalten der psychologischen Interpretation zur Ergänzung 
des „äußeren" Standpunktes besonders fähig und bedürftig 
möglich ist. Aber diese Interpretation und endgültige Be- 
gründung kann und darf nicht die physische Erklärung er- 
setzen, sie nicht verdrängen wollen, sie braucht nicht die 
physische Kausalreihe gedanklich zu durchbrechen. Man kann 
nur sagen: vom Standpunkte äußerer Erfahrung gibt es auch 
im Organismus nur physische Ursachen und physische 
Wirkungen; wie aber jedes physische Phänomen zwar 
empirisch-kausal mit anderen physischen Phänomenen ver- 
knüpft ist, aber samt dieser Verknüpfung seinen „Grund" 
im „An sich" und dessen Ordnung hat, so ist jedes physio- 
logische Geschehen physisch bedingt und bedingend, hat 
aber seinen „Grund" in psychischen Vorgängen. Die 
„Gründe" der physischen Phänomene liegen nicht in der 
Heihe des physischen Erfahrungszusammenhanges, aber sie 
sind auch nicht Ursachen, welche diese Eeihen durchbrechen, 
sondern die ganze Eeihe der Phänomene ist als solche 
durch die Ordnung des Innenseins mitbedingt, die vom 
Standpunkt abschließender Interpretation der Dinge als ein 
System aktiver Grundlagen, Prinzipien derselben zu be- 
trachten sind. Daß z. B. ein bestimmter Gehimprozeß eine 
Armbewegung zur Wirkung hat und daß die Gehimbe- 
wegung selbst auf physische Ursachen zurückzuführen ist, 
ist die dem Prinzip der geschlossenen Naturkausalität allein 
angemessene Erklärung des organischen Prozesses. Die 

Ei 8 1 er, Leib und Seele. 10 



146 ^^* WechselwirkOng oder Parallelismus? 

„causa efficiens", das „Woher" des Prozesses ist damit an- 
gegeben, der Vorgang ist möglichst yollständig mechanisch 
oder energetisch beschrieben. Wollen wir nun auch den 
Sinn, das „Warum" im engeren Sinne verstehen, so können 
und müssen wir sagen: ein Willensimpuls ist der Grund, 
nicht etwa der Armbewegung als solcher, sondern des Auf- 
tretens des phänomenalen Kausahiexus zwischen Grehim- 
prozeß und Bewegung. Der „Grund" von dem hier die 
Eede ist, ist also nicht eine objektive Ursache unter 
und neben anderen, wie es etwa die „Doppelursachen- 
Theorie" — die den Sachverhalt streift, ohne ihn richtig 
aufzufassen — meint, sondern das innere Prinzip des 
äußeren, empirisch-phänomenalen Kausalnexus 
selbst, ein Prinzip, welches zugleich und nur insofern eine 
„Ursache" ist, als es auch als Glied der psychischen Reihe sich 
darstellt, wenn und wofern der psychologische Standpunkt ein- 
genommen wird. Solche überphänomenale Gründe sind 
nicht nur auf dem partiellen, organischen Gebiete, sondern 
für alle Phänomene zu statuieren, nur daß sie uns beim 
Menschen und den übrigen Lebewesen leichter zugänglich 
sind. Was bei dem Anorganischen nur „metaphysisch" ist, 
ist hier direkt psychisch, wissenschaftlich darstellbar. Nicht 
bloß in den Organismen, auch sonst käme kein Phänomen, 
kein phänomenaler Kausalnexus objektiver Art vor, wenn 
es nicht im „InteUigiblen" — das uns im Selbstbewußtsein 
unmittelbar vorliegt — ein in gewisser Ordnung sich ab- 
spielendes kraftvolles Geschehen, eine „innere Regsamkeit" 
als permanentes Fundament phänomenaler Relationen 
und Relationsänderung gäbe, in welchen jenes symbolisch 
zum Ausdruck kommt. Mit einer solchen Auffassung ist 
aber der Parallelismus im Sinne der Bestreitung einer 
psychophysischen Wechselwirkung durchaus vereinbar und 
es zeigt sich, daß das von den Anhängern der Wechsel- 
wirkungstheorie gut gemeinte aber methodologisch unbe- 
friedigend formulierte auch auf dem Boden des Geschlossen- 



^. Kritik. I47 

heitsprinzips zur Geltung kommen kann. Es gibt demnach 
keine psychophysische Wechselwirkung, sondern nur einen 
Parallelismus zwischen den beiden Arten, wie das Wirkliche 
sich darstellt und denken läßt; aber dieser Parallelismus 
schwebt nicht in der Luft, sondern ist durch intelligible 
Ordnungen des Geschehens bedingt, so daß dieses Intelli- 
gible, welches für sich selbst psychisch ist, den Grund für 
das Auftreten physischer Kausalverbindungen darbietet, ohne 
jemals als Ursache die Eeihe des Physischen, Objektiven, 
Phänomenalen zu durchbrechen. 

Inwiefern ist der Parallelismus als solcher durch das 
„Intelligible" bedingt? Letzten Endes müssen wir, teils 
dem Geschlossenheitsprinzip gemäß, teils aus schon be- 
kannten erkenntniskritisch-metaphysischen Gründen, alles 
Physische als Erscheinung eines an sieh nicht Physischen, 
nicht Objektiven, sondern Psychischen, Subjektiven auf- 
fassen. So sind denn auch die „Eeize", welche in uns 
Empfindungen auslösen, an sich nicht physisch, sondern 
„intelligible", unserem „Innensein" analoge Geschehnisse 
transzendenter Faktoren. Aus den Wechselbeziehungen 
zwischen diesen und der Seele, dem „Innensein" des Or- 
ganismus, resultiert die physische Erscheinung, die wir 
zum Teil auf uns, zum Teil auf fremde Subjekte beziehen, 
zu diesen Wechselbeziehungen gehört auch die Rückwir- 
kung des in bestimmter Weise organisierten, entwickelten 
Subjekts auf sich selbst. Der Parallelismus physischer 
Erscheinungen und psychischer Vorgänge ist also 
dj^s Resultat einer psychopsychischen, interpsy- 
chischen Wechselwirkung. Psychisches wirkt nur auf 
Psychisches, unbewußt oder bewußt; zu einem Teil des 
Psychischengehören Inhalte, deren Objektivation und Fremd- 
beziehung das Physische ergibt, welches als solches ein 
Abstraktionsprodukt ist, das zum Korrelat schon das Formale 
des Bewußtseins hat, also nicht mit dem Bewußtsein, dem 
Psychischen in Wechselwirkung stehen kann. In Wechsel- 

10* 



148 IV. WecheelwirkuDg oder Parallelismus? 

Wirkung stehen primär nur die Subjekte, deren 
Produkte sich sowohl als psychische Geschehnisse 
wie als physische Phänomene betrachten lassen, 
zwischen denen insofern ein Parallelismus besteht 
Wie die physische, so ist auch die psychische Reihe 
an und in sich abgeschlossen, Ittckenlos. Das muß aber 
cum grano verstanden werden. Erstens ist nicht jed^ 
Glied des intraindiyiduellen Bewußtseinszusammenhanges 
für sich bewußt, es bildet oft nur einen unapperzipierbaren 
Teil des Gesamtbewußtseins, oder tritt kaum ttber die 
Schwelle des Bewußtseins. Zweitens ist zwar die psychische 
Kausalität stetig, aber nicht die höhere geistige (logische, 
ethische usw.) Kausalität; diese wird vielfach durchkreuzt 
und unterbrochen durch die niedere, sinnliche Kau- 
salität des Seelischen, und das ganze individuelle Innen- 
leben wird beeinflußt und durchbrochen durch die — an 
sich ebenfalls psychischen — Faktoren der Umwelt, deren 
Einwirkungen die Stetigkeit der individualpsychischen Tätig- 
keit vermindern. Das Wort „Natur" bedeutet einmal alles 
Seiende, sofern es als Objekt-Zusammenhang betrachtet 
wird, im Gegensatz zum Psychischen als solchen. Im 
engeren Sinn ist aber „Natur" alles, was der höheren 
geistigen, kulturellen, selbsttätigen Wirklichkeit und Wirk- 
samkeit gegenübergestellt wird, also dem „Geiste" im 
engeren Sinne und der „Kultur". Diese beiden Bedeutungen 
haften nun auch dem Worte „Naturkausalität" an. Ist 
Naturkausalität als äußere Betrachtungsweise einer an 
sich psychischen, wenn auch „mechanisierten" Kausalität 
gemeint, so gibt es zwischen psychischer und Naturkausalität 
als solcher keine Wechselwirkung. Versteht man aber 
unter Naturkausalität die Wirksamkeit teils außer — 
teils innerindividualer „niederer" (sinnlicher, trieb- 
hafter, „mechanisierter") Faktoren, so hat man voll- 
kommen das Eecht, von Wechselbeziehungen zwischen 
dieser Art der Kausalität und der, mit einer Eigengesetz- 



3. Kritik. I49 

lichkeit ausgestatteten, ^spontanen^ geistigen (logischen, 
ethischen) Kausalität zu reden. Die Natur, welche in 
dem einen Sinne die Objektivation und Manifestation 
eines an sich geistigen Kosmos ist, ist in dem andern 
Sinne eine Grundlage und permanente Bedingung, 
zugleich ein Stoff und Mittel geistig-aktiver, 
schöpferischer, formender, zwecktätig gestaltender 
und sich zu immer größerem Reichtum des Inhalts 
und immer mannigfaltigeren Entwicklungen 
potenzierender Kraft. ^) 

Das Prinzip der geschlossenen Kausalität, dessen 
Spezialleistungen das Prinzip der geschlossenen Naturkau- 
salität und das Prinzip der geschlossenen psychischen Kau- 
salität sind, ist also keine bloße „Lieblingsvorstellung einzelner 
Naturforscher" (Busse), sondern es ist ein allgemeines 
methodologisches Prinzip, welches im logischen 
Identitätssatze wurzelt, welcher fordert, den je- 
weilig eingenommenen Standpunkt der Erfahrungs- 
verarbeitung in allen möglichen Einzelfällen treu 
und unabänderlich, stetig festzuhalten und konse- 
quent durchzuführen, also die physikalische nicht mit 
der psychologischen (oder der metaphysischen) Betrachtungs- 
weise innerhalb eines Gebietes zu vertauschen, zu ver- 
mengen. Ebensowenig wie Physisches aus psychischen 
Ursachen, ist irgendwie Psychisches aus physischen Ur- 
sachen zu erklären, abzuleiten ; methodologisch-erkenntnis- 
kritisch betrachtet sind da zweijleihen von Prozessen, deren 
jede prinzipiell in sich abgeschlossen ist und die gleichsam 
so betrachtet werden müssen oder können, als ob die andere 
Reihe nicht existierte. Aber diese isolierte Betrachtung 
der einen Wirklichkeit ist nur einemethodische Isolation, 
zum vollständigen Verständnis des organischen Lebens ge- 
hört die Ergänzung der einen Betrachtungsweise durch 
die Befunde der anderen, in der Biologie und in der 

') Ähnlich Wandt, Syst. d. Philos. », S. 568 ff., 619 f. 



150 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

Psychologie. Und die Metaphysik mag versuchen, 
wenigstens im Prinzip auch das nichtorganische „Außensein" 
der Wirklichkeit aus ihrem „Innensein" sinnvoi^ zu machen. 



c) Das Prinzip der Erhaitung der Energie. 

Das Energieprinzip schließt, wie Wundt ausfährt, 
außer dem Entropieprinzip, das uns hier nichts angeht, 
das Äquivalenz- und das Konstanzprinzip ein.^) Das Äqui- 
valenzprinzip besagt, daß bei allen Umwandlungen 
physischer Vorgänge oder Zustände ineinander die Energie, 
d. h. die Fähigkeit, mechanische Arbeit zu verrichten, sich 
gleich bleibt, indem für jeden Energieverbrauch an einer 
Stelle eine andere Energieform von gleicher Größe an 
anderer Stelle auftritt. „Für ein bestimmtes . . . Quantum 
des einen Agens oder Prozesses, das irgendwo für unsere 
Beobachtung verschwindet, entsteht anderswo ein be- 
stimmtes Quantum eines andern Agens, und stets ist dabei 
die Energie, d. h. der Arbeitswert der einander äquivalenten 
Quanta von derselben Größe" (Ebbinghaus, Grundz. d. 
Psychol. S. 29 f.). Eine Energie kann so viel Arbeit er- 
zeugen, als die, aus der sie entstanden ist (Helmholtz, 
Vorträge u. Reden I *, 33 f.). Zwischen den verschiedenen 
Kräften besteht ein Verhältnis der Äquivalenz, der gleichen 
Leistungsfähigkeit verschiedener Umsetzungsformen einer 
Kraft (Rob. Mayer): Die Energie ist das gemeinsame 
Maß, mit dem alle physikalischen Zustandsänderungen ge- 
messen werden können (Mach, Ostwald). Das Konstanz- 
prinzip sagt aus, daß die Menge der aktuellen und poten- 
tiellen Energie des Universums sich stets gleich bleibt, 
konstant ist, weder vermehrt noch vermindert werden 
kann, daß es also keine Neuschöpfung oder absolute Ver- 
nichtung von Energie im All gibt, daß, wie Rob Mayer 



Logik II», 621 ff., IPl, 302ff., 453ff. ; Syst. d. Philos.» " 481 ff. 



3. Kritik. 151 

es formuliert, die Kraft „unzerstörlich" ist. „Das Weltall 
besitzt ein für allemal einen Schatz von Arbeitskraft, der 
durch keinen Wechsel der Erscheinungen verändert, ver- 
mehrt oder vermindert werden kann und der alle in ihm 
vorgehende Veränderung unterhält" (Helmholtz, Vortr. u. 
Eed. I^ 187). 

Aiif das Energieprinzip stützt sich die Theorie des 
psychophysischen Parallelismus: Soll die Energie des physi- 
schen Geschehens konstant sein, so kann es keine Ein- 
griffe in die Reihe energetischer Prozesse geben, weil durch 
jene ein Zuwachs von Energie erfolgen würde; umgekehrt 
können physische Vorgänge nicht psychische Wirkungen 
haben, weil dann physische Energie verloren ginge. Die 
Vertreter der Wechselwirkungstheorie bilden dagegen zwei 
Lager. In dem einen erklärt man, die psychophysische 
Wechselwirkung sei mit dem Konstanzprinzip nicht ver- 
einbar, aber das letztere sei nur ein Dogma; die andern, 
in der Mehrzahl Vertretenen, meinen, die Wechselwirkung 
zwischen Seele und Leib sei mit dem Energieprinzip 
durchaus vereinbar. 

Betrachten wir zuerst das Argument der ersten 
Partei! Nach ihr ist das Äquivalenzprinzip ein empirisch 
genügend bestätigter und korrekt verallgemeinerter Satz von 
universeller Gültigkeit (Busse, Geist u. Körper S. 454). 
Aber dieser Satz sagt nichts darüber aus, welcher Art die 
Energieformen sind, welche einander hervorrufen (a. a. 0. 
S. 419). Das Prinzip bestimmt nur, „wie sich, wenn ein 
Körper auf einen andern Körper wirkt, die aufgewandte 
physische zur neu erzeugten physischen Energie verhält" 
und läßt die Frage ganz offen, „was nun geschieht, wenn 
nicht ein Körper auf einen andern, sondern der Leib auf 
die Seele und die Seele auf den Leib wirkt." „Daß nun 
in diesem Fall, auf den sich das Äquivalenzprinzip gar 
nicht bezieht, dasselbe nicht gilt, bedeutet ebensowenig 
eine Beeinträchtigung seiner universellen Gültigkeit, als 



152 ^' WechsdwiriniDg oder Parmllelisiiiiis ? 

es eine solche z. B. der amyersellen Gültigkeit der Gesetze, 
bedeutet, welche sich anf den Stoß elastischer Engeln be- 
ziehen, daß sie dann nicht mehr anwendbar sind, wenn 
eine elastische Engel anf dne unelastische stoßt'' Das 
Gesetz hat wie jedes Naturgesetz nnr innerhalb der Nator 
Gültigkeit Daß diese aber ein geschlossenes Ganzes ist 
nnd daß die Gresamtsnmme der physischen Energie kon- 
stant ist, das ist nnr ein naturwissenschaftliches Vorurteil 
(a. a. 0. S. 4661) Das Eonstanzprinzip folgt nnr ans der 
Annahme der geschlossenen Natnrkansalität, diese aber 
ist durchaus willkfirlich (a. a. 0. S. 455 f.). 

Dazu bemerken wir nun das folgende. 

Zunächst ist die Ansicht, welche Busse mit Lotze, 
Sigwart, Eroman, E. v. Hartmann, P. Volkmann u. a. 
teilt, daß nämlich das Energieprinzip keine apriorische 
Grundlage habe, abzulehnen. Lange vor der exakten, 
durch empirische Ergebnisse gestützten Formulierung des 
Energieprinzips ist dasselbe in verschiedener Weise aus- 
gesprochen worden. Von verschiedener Seite wurde zu- 
nächst die Erhaltung der Materie behauptet, dann aber 
das Eonstanzprinzip auf das Geschehen als Eraft aus- 
gedehnt, so von Descartes auf die Bewegungsgröße, von 
Huyghens, Leibniz, D'Alembert u. a. auf die „lebendige 
Eraft", auf die Bewegungsenergie. Diese innerhalb der 
Mechanik erkannte Eonstanz wurde dann von Rob. Mayer, 
Joule, Helmholtz u. a. auf das Verhältnis mechanischer 
Eraft zu anderen Eraftformen (Wärme usw.) übertragen. 
D.h. ein aus einem logischen Postulat erfließender 
und in einem Gebiet bereits angewandter Satz 
wurde, durch Erfahrung und Experiment begünstigt, 
anf das Gesamtgeschehen in der Natur angewandt. 

Daß das Energieprinzip eine apriorische Grundlage 
hat, bemerkt schon Eob. Mayer, welcher auf den Satzj 
„causa aequat efEectum" verweist und das Prinzip in Be- 
ziehung zur Erhaltung der Substanz bringt; daß bei ihm 



3. Kritik. 163 

zugleich das empirische Moment für die Anwendung des 
apriorischen Fundaments und tttr die exakte Formulierung 
des Energieprinzips eine wichtige ßolle spielt, steht außer 
Zweifel. Der Satz: „causa aequat eflEectum" drückt aus, 
daß die Ursache in der Wirkung sich erhält, daß in der 
Effektuierung der Ursache nichts von der Kraft der Ur- 
sache verloren geht und auch nicht melir Kraft enthalten 
ist als in der Ursache. Warum glauben wir dies mit 
solcher Bestimmtheit, solange wir wenigstens klar und 
konsequent denken? OflEenbar infolge der Beschaffenheit 
des Kausalgesetzes überhaupt. Denn dieses fordert zu 
jedem Geschehen eine „zureichende", bestimmte Ursache 
und Wirkung zu suchen. Da nun jedes physische Ge- 
schehen irgendwie meßbar ist, eine Größe hat, so fordert 
4as naturwissenschaftlich-exakte Denken a priori, als Be- 
dingung einheitlich-stetiger, objektiver Erkenntnis, die 
durchgängige Bestimmtheit auch der Größe der 
Glieder eines Kausalnexus. Auch quantitativ muß jedes 
Geschehen, jede Kraftaufwendung in der Natur ihren zu- 
reichenden Grund haben, d. h. sie muß ihr Äquivalent in 
einem andern Geschehen haben, gemessen an etwas, was 
allen Arten der Kraftaufwendung, des Naturgeschehens 
gemeinsam angehört. Als dieses Gemeinsame fand man 
erst die „Bewegungsgröße" (m. v.), später richtiger die 
„lebendige Kraft", die „Energie" (^^) welche jetzt also 
das Kraftmaß, die Kraftleistung bezeichnet. Daß die Kraft, 
die Wirkungsfähigkeit im Wandel ihrer Erscheinungsformen, 
ihrer Äußerungen sich gleich bleibt, ist in der Tat, wie 
Leibniz bemerkt, „der Vernunft gemäß." Welche Menge 
einer Kraftform (z. B. Bewegung) welcher Menge einer 
andern (z. B. Wärme) äquivalent ist, das freilich kann nur 
die Erfahrung lehren. Daß aber jeder Naturprozeß sein 
Äquivalent in anderen haben muß und daß beim Übergange 
einer Kraft- oder Geschehnisform in andere nichts verloren 
gehen, nichts hinzukommen kann, das beruht auf einem a priori. 



154 I^- Wechselwirkung oder Parallelismus ? 

auf der logischen Gesetzlichkeit des Denkens. Der Satz der 
Kausalität läßt sich auch so formulieren: Nichts wird aus 
nichts und zu nichts; was wird und wieviel wird, hat 
seinen Grund in einem andern und in eben solcher 
Menge des andern. Verschwände irgendwo Energie — 
nicht bloß scheinbar, sondern völlig — so würde etwas zu 
nichts; entstände irgendwo neue Energie, also mehr, als 
in den bestehenden Bedingungen potentiell enthalten ist, 
so würde aus nichts etwas. Beides aber widerstreitet dem 
Sinne des Kausalprinzips und das ist der wahre Grund, 
warum die Naturwissenschaft, soweit sie folgerichtig denkt, 
das Energieprinzip, das Konstanzprinzip überhaupt so zäh 
festhält. 

Schön, wird man nun sagen, das Äquivalenzprinzip ist 
absolut gesichert. Wie steht es aber nun mit der Unver- 
änderUchkeit der Weltenergie, ist die auch sicher oder ist 
sie nur ein Dogma? Die Antwort lautet: Daß Energie 
aus nichts nicht entstehen und nicht zu nichts werden 
kann, gibt jeder zu. Nur in dem Sinne könnte also die 
Naturenergie nicht konstant sein, daß physische Energien 
in psychische, psychische Energien in physische Energie 
sich verwandelt, wie es etwa Stumpf annehmen möchte. 
Dann wäre die Menge physischer und psychischer Energie 
in der Welt konstant. An und für sich ist ja dagegen 
nichts zu sagen, dem Konstanzpnnzip wäre auch dami^ 
Genüge getan. Aber es steht dieser Ansicht die Eigenart 
des Psychischen im Wege. Wir haben schon früher 
dargetan, daß das Psychische keine Energie im Sinne der 
Naturwissenschaft hat oder ist, es leistet als solches keine 
mechanische oder andere physische Arbeit, es hat kein 
Äquivalent in anderen Energieformen, es ist kein räum- 
liches Geschehen, kann nicht stoßen, drücken, anziehen, 
wärmen, leuchten usw., kurz es kann nicht als ein Ana- 
logon physischer Energien betrachtet werden. Es gehört 
einer ganz anderen Art der Wirklichkeit an, ist nicht 



3. Kritik. 155 

ein Geschehen in der Natur neben anderem Geschehen^ 
sondern das „Innensein" ebenderselben Wirklichkeit, die 
„äußerlich" als physisch, als Bewegung, Energie erscheint. 
Ist das Psychische das Innensein energetischer Prozesse, 
sind diese die Objektivation oder eine andere Betrachtungs- 
weise desselben Innenseins, so hat es keinen Sinn mehr, 
von einem Austausch physischer mit psychischen Energien 
zu reden. „Das psychische Greschehen ist das nicht- 
energetische Geschehen in der Natur", sagt Eiehl treffend 
(Zur Einführ, in d. Philos.^ S. 158). Das Subjektsein 
kann niemals ein Glied des mit ihm untrennbar 
verbundenen Objekt-Zusammenhanges bilden, nie- 
mals aus demObjektiven entstehen, niemals in (bloß) 
Objektives sich verwandeln, es ist die Urbedingung 
alles Objektseins. Energien sind, wie alles Physische, 
Gegenstand und Inhalt des Erlebens, des Bewußtseins, und 
solche können unmöglich Bewußtsein, psychisches Erleben 
erzeugen oder sich in solches umsetzen oder zu wirklichen 
„Eigenschaften" (Attributen) haben, was Ostwald über- 
sieht, obwohl er selbst weiß, daß uns Energie nur als In- 
halt des Erkennens gegeben ist. Die Auffassung des 
Psychischen als Energie führt überdies zu Konsequenzen, 
die Busse erörtert — Unvereinbarkeit mit dem Wachstum 
geistiger Potenzen und Inhalte, sowie die Möglichkeit, daß 
das psychische Energiequantum, welches eine Menschen- 
seele repräsentiert, einmal gänzlich in physische Energie 
umgesetzt werde, so daß nichts mehr von ihr übrig bleibe, 
(Geist und Körper S. 424 f.) — Konsequenzen, die freilich 
vielleicht zu vermeiden wären. 

Daß das Prinzip der Konstanz der Weltenergie gültig 
wäre, wenn das Prinzip der geschlossenen Naturkausalität 
feststände, gibt man zu, bezweifelt aber die Gültigkeit 
des letzteren. Wir haben aber hoffentlich zur Genüge 
dargetan, daß das Geschlossenheitsprinzip fest gegründet 
ist und so müssen wir gegenüber Busse, E. v. Hart- 



156 ^' Wechselwirkung oder ParaHelismus ? 

mann n. a. auch die Eonstanz der Weltenergie im 
Sinne der physischen Energie als logisch-methodo- 
logisch gefordert hinstellen. Ob wir das Psychische 
als Energie auffassen oder nicht, keinesfalls kann es die 
Seihe des Physischen durchbrechen, sowohl wegen seiner 
prinzipiellen Verschiedenheit vom Physischen als auch 
wegen der methodisch geforderten Eeinheit und Eonsequenz 
des Betrachtungsstandpunktes der Erfahrung. Es ist un- 
zulässig, das Psychische als eine Welt neben der des 
Physischen, beide als reale Teile des Alls zu betrachten, 
es ist das eine Yerselbständigung von Daseinsweisen, die 
in Wahrheit nur zwei Seiten einer Welt, eines Seins sind. 
Das ganz« Sein, das gesamte Universum ist, in der 
einen Beziehung, physisch, Natur, und das gesamte 
Sein ist, in der anderen Betrachtungsweise, für sich 
unmittelbar, psychisch, Geist. Ist *^es also ein logisches 
Postulat, eine Grundbedingung möglicher Erfahrung und 
Erkenntnis, alles Wahrnehmbare und Denkbare in kausalen 
Zusammenhang zu bringen, so muß die Eausalreihe sowohl 
auf der physischen als auch auf der psychischen Seite 
des Seins oder Geschehens stetig, lückenlos, in sich ab- 
geschlossen sein. Vom Standpunkt der äußeren Erfahrung 
und ihrer methodischen Verarbeitung gibt, es nichts als 
physische Energien, die sich ineinander umsetzen, dem 
Äquivalenzprinzip gemäß. Da Energien nicht aus nichts 
und zu nichts werden können, da femer die gesamte 
Wirklichkeit aus dem „äußeren" Gesichtspunkte nur 
physisch, nur energetisch sein kann, so bleibt hier für 
ein Eingreifen nichtphysischer Ursachen kein Eaum, die 
Sphäre physischer Erscheinungen, die in bezug auf ihre 
Arbeitsfähigkeit Energien heißen, ist (Öwd/Liei) unendlich, 
unbegrenzt, da die „äußerliche" Betrachtungsweise der 
Welt gedanklich nicht bloß keine Schranke hat, sondern 
logisch mit eiserner Eonsequenz für allen „inöglichen" 
Inhalt (im Sinne Eants) zu fordern ist. Das Psychische 



3. Kritik. 157 

aber gehört einer anderen Betrachtungsweise dieses 
energetischen Weltzusammenhanges an, kann daher weder 
in diesem etwas erzeugen, noch vernichten, noch ver- 
ändern. Es ist ja nicht eine der Formen des objektiven 
Geschehens, sondern etwas, was diesem schon primär 
zugrunde liegt, es sowohl erkenntniskritisch als auch 
ontologisch bedingt, was in ihm sich äußert, zur sinnlichen 
Erscheinung gelangt. 

Das Prinzip der geschlossenen Naturkausalität führt 
also unweigerlich zur Anerkennung des Satzes von der 
Konstanz der Gesamtenergie in der Natur. Hiemach 
kann keine Energie auftreten, ohne daß ein bestimmtes 
Quantum anderer physischer Energie aufgewandt wird und 
zugleich gibt es in der Welt als Natur nur physische 
Auslöser von Energien und nirgends eine Vermehrung 
oder Verminderung der jeweilig vorhandenen potentiellen 
und aktuellen Energie. Innerhalb jedes Einzelsystems ist 
die Kausalreihe insofern geschlossen, als sämtliche Glieder 
derselben dem Äquivalenz- und Konstanzprinzip unter- 
worfen sein müssen. Die Energiemenge, die „Eigen- 
energie" des Organismus kann während der Entwicklung 
wachsen, sie kann auch abnehmen, aber immer in bestimmter 
Äquivalenz zu den Energien der Umwelt. Vom Eintreten 
des „Keizes" in den Organismus bis zur Beendigung einer 
muskulären Reaktion und samt allen Nervenprozessen, 
welche psychischen Vorgängen parallel gehen, gibt es nur 
Umsetzungen physikalisch-chemischer Energien 
von einer bestimmten „Richtung", welche durch die 
„Struktur", die spezifische und individuelle „Form" des 
Organismus vorgezeichnet, bedingt ist. Nirgends kann die 
Kette abgebrochen, lückenhaft sein. Indem ein Teil des 
organischen Systems auf einen andern wirkt, verbraucht 
er Energie, welche ihr Äquivalent in der Energie des 
Teiles, auf den eingewirkt wird, haben muß (abgerechnet 
das Maß von Energie, das nach außen abgegeben wird). 



X58 I^* Wechselwirkung oder Parallelismus? 

Würde der Teil auf die Seele wirken, so ginge, da diese 
nicht selbst wieder physische Energie erzeugen kann, 
Energie verloren und das Energieprinzip wäre durch- 
brochen. Ebenso wirkt ein Teil des Organismus auf einen 
Ändern nur, wenn er von irgendwo Energie zugeführt 
bekommt. Die Wirkung der Seele auf diesen Teil wäre 
völlig nutzlos, da er ja seine Fähigkeit, zu wirken, rein 
physisch vermittelt erhalten hat und er auf jeden Fall 
den physikalisch-chemischen Gesetzen zufolge wirken muß. 
Damit ist sowohl die „Doppeleffekt-" als die „Doppel- 
nrsachentheorie" gerichtet. Das haben schon Anhänger der 
Wechselwirkungstheorie treffend dargetan. Soz.B.Sigwart, 
welcher bemerkt: „Die Wirkungsfähigkeit der Grehim- 
substanz ist in den äquivalenten physiologischen Vorgängen 
erschöpft und kann also nicht noch ein Mehr von Wirkung 
hervorbringen, das in keiner Weise in das Verhältnis der 
Äquivalenz zu Molekularbewegungen gesetzt werden kann" 
<Log. nS 525; vgl. Eiehl, Phü. Krit. 112, 178). Eichtig 
bemerkt Busse: „Zum Begriff des Wirkens gehört bei 
physischen Dingen auch die Aufwendung von Energie", 
mag es nun auf einen Körper oder auf die Seele wirken, 
in bezug auf seine Wirkensart bleibt es sich stets gleich 
<Geist und Körper S. 430 f., gegen Rehmke). „Wenn nun 
der Leib Energie aufwenden muß, so geht bei jedem 
Wirken des Leibes auf die Seele physische Energie verloren, 
ohne durch ein gleich großes Quantum physischer Energie 
ersetzt zu werden" (a. a. 0. S. 435). Umgekehrt: „Ist . . . 
die Energie, welche der bewirkte physische Vorgang 
repräsentiert, auf Rechnung der physischen Ursache zu 
setzen, so trägt eben diese allein die gesamten Kosten 
und ist daher die alleinige Ursache" (a. a. 0. S. 436). Die 
Ursache erschöpft sich in der Wirkung, es bleibt nichts 
übrig für eine Nebenwirkung, die nicht selbst einen Teil 
der physischen Gesamtwirkung bildete, und die physische 
Ursache eines physischen Vorganges ist schon der aus 



a Kritik. 159 

dem Gesichtspunkt äußerer Erfahrung zureichende Grund 
der Wirkung, hier hat eine psychische Nebenursache nichts 
mehr zu tun (Lotze, König, Adickes u. a.). 

Das Gesetz der Konstanz physischer Energie ist also 
in der bisher betrachteten Weise mit der Wechselwirkungs- 
theorie nicht vereinbar. Daß dies schon gar nicht der 
Fall ist, wenn man mit Stumpf oder Ostwald das 
Psychische selbst als eine Energie auffaßt, liegt auf der 
Hand; denn es würde bei der Wirkung des Physischen 
auf das Psychische physische Energie als solche verloren 
gehen, bei der Wirkung des Psychischen auf den Leib 
aber physische Energie neu entstehen. Die Annahme, die 
Külpe in der ersten Auflage^) seiner „Einleitung" macht, 
daß nämlich das Energiequantum, welches dem Physischen 
bei dessen Umsatz in psychische Energie entzogen wird, 
durch den Umsatz der letzteren in neue physische Energie 
wieder eingebracht würde (a. a. 0. S. 150), ist schon des- 
wegen zu verwerfen, weil, wie Busse richtig bemerkt 
(Geist und Körper S. 423), das Konstanzprinzip verlangt, 
„daß die Summe der physischen Energie sich stets und 
in jedem Augenblick gleich bleibe; ihm wird nicht dadurch 
genügt, daß ein Schaden, der einmal entstanden ist, später 
wieder gut gemacht wird, sondern nur dadurch, daß über- 
haupt nie ein Schaden entsteht, daß jede Möglichkeit auch 
eines vorübergehenden Verlustes ausgeschlossen bleibt". 

In anderer Weise sucht die Konstanz der physischen 
Energie jene Hypothese zu wahren, nach welcher die 
Seele auf den Leib nur in der Weise wirkt, daß sie die 
in diesem vorrätige Menge potentieller Energie auslöst, 
sich entladen läßt, ohne diese Menge zu verändern 
(Wentscher u. a.). Aber die Schwäche auch dieser Theorie 



^) In der 2. Aufl. bemerkt er. daß die Schwierigkeiten, die sich 
bei genauerem Durchdenken einer solchen Annahme einstellen, deren 
Voraussetzung innerhalb der empirischen Wissenschaft vorläufig 
untunlich erscheinen lassen (a. a. 0. S. 145). 



160 1^* WechselwirkuQg oder Parallelismus? 

ist recht durchsichtig. Auch sie ist eine von den Be- 
strebungen, die Tätigkeit der Seele in bezug auf den Leib 
so weit zu materialisieren, als es nur geht. Auslösung 
ist ebenso ein physischer Prozeß wie jede andere Form 
der Zustandsänderung in der Natur, sie ist Wirksamkeit 
eines Körperlichen auf ein Körperliches, setzt nicht bloß 
einen Energievorrat voraus, der durch Hinwegräxunung 
eines Hindemisses zur Entladung, Aktualisierung gebracht 
wird, sondern auch einen Energieaufwand physischer 
Art, der nötig ist, um das Bündemis zu beseitigen. So 
wenig etwas Psychisches einen Körper stoßen, bewegen 
kann, so wenig hat es die Energie, welche nötig ist, um 
potentielle in aktuelle Energie ttberzufähren; mag diese, 
die Auslösung bedingende Energie noch so klein sein, sie 
kann niemals den Wert Null erreichen, das widerspräche 
sowohl dem Kausalgesetz als auch dem Energieprinzip.^) 
Nicht anders steht es mit der Lehre, die Seele ver- 
ändere nur die Richtung der Bewegung, der Energie- 
betätigung, lasse aber die Menge der Energie konstant 
(Descartes, E. v. Hartmann u. a.). Dagegen hat Ebbing- 
haus eingewandt: „Eichtungsänderung bewegter Teilchen 
heißt, mechanisch ausgesprochen, allemal Einfährung einer 
Seitenkraft von bestimmter Richtung und von bestimmtem 
Arbeitswert" (Grundz. d. Psychol. I, 114; so auch Busse, 
Sigwart-Festschr. S. 114). Das bedeutet also einen Zu- 
wachs an Energie, wenn die Richtungsänderung dem 
Psychischen entstammen soll. E. v. Hart mann bestreitet 
dies, weil die dynamische Leistung der Seele „völlig 
dadurch absorbiert wird, den Widerstand zu überwinden, 
den das bewegte Teilchen nach dem Beharrungsgesetz 
einer Änderung seiner Bewegungsrichtung entgegensetzt* 
(Mod. Psychol. S. 354 f.). Die Geschwindigkeit der Be- 



^) Wie Ostwald, Riehl, König, Adickes, Ebbinghaus, 
Busse (Geist u. Körper S. 441) u. a. richtig bemerken. 



3. Kritik. 161 

wegung bleibt hierbei' ungeändert. An einem Beispiel 
zeigt nu# Busse, daß zur Überwindung des Widerstandes 
des bewegten Teiles ein Energieaufwand nötig ist, der in 
„verborgener Bewegung", Lageenergie, Wärme u. dgl. sein* 
Äquivalent hat und den Energievorrat des bewegten 
Körpers vermehrt, ohne daß die Geschwindigkeit der 
Bewegung zunimmt (Geist und Körper S. 446f.). Busse 
hat (auch gegen König) Eecht: „Keine Richtungsänderung 
ohne gleichzeitige Energieveränderung".] 

Alle Versuche, die Wechselwirkung zwischen Seele 
und Leib mit dem Konstanzprinzip in Eioklang zu bringen, 
müssen demnach als gescheitert angesehen werden. Ist 
das Prinzip der Erhaltung der Energie universell gültig, 
ist jedes physische Geschehen als solches durch physische 
Ursachen und Wirkungen eindeutig bestimmt, kann keine 
Energieform aktuell werden außer durch einen Energie- 
aufwand, ist alles Geschehen in der Natur energetischer 
Art, ist endlich die gesamte Wirklichkeit in ihrer objektiven 
Erscheinung Energie, dann kann es keine psychophysische 
Wechselwirkung geben. Das Energieprinzip im Ver- 
ein mit der Summe spezieller Naturgesetze gibt 
jedem physischen Geschehen seine feste, durch 
die Gesamtbeschaffenheit des physischen Kosmos, 
inbegriffen aber die Eigenbeschaffenheit des sich 
verändernden Dinges seljbst, bedingte, durch 
nichts außer 'der Natur zu modifizierende Be- 
stimmtheit. Dies hindert nicht, daß wir den Glauben 
Wundts teilen, „daß der kosmische Mechanismus nur die 
äußere Hülle ist, hinter der sich ein geistiges Wirken und 
Schaffen, ein Streben, Fühlen und Empfinden verbirgt, 
dem gleichend, das wir in uns selber erleben" (Syst. d. 
Philos. ^ S. 422 ff.), dies hindert nicht, daß wir, wie 
Fechner es will, letzten Endes die „Nachtansicht" der 
abstrakt -quantitativen Naturauffassung mit der „Tages- 

Eisler, Leib und Seele. 11 



162 IV' Wechselwirkung oder Parallelismus? 

ansieht^ der lebendigen Einfählnng in den Sinn des Welt- 
geschehens vertauschen. # 

d) Das physische Korrelat des Psychischen. 

Nachdem wir dargetan haben, daß in dem Streite 
zwischen der Wechselwirkungstheorie und der Theorie des 
psychophysischen Parallelismus (auf identitätsphilosophischer 
Grundlage) der letzteren der Vorzug gebührt, kommen wir 
zur Erörterung gewisser Bedenken, die gegen die Durch- 
führbarkeit des Parallelismusprinzips geäußert werden. Alle 
diese Bedenken, von welchen hier die Rede ist, laufen 
darauf hinauf, daß es nicht möglich sei, zu dem 
Eigenartigen des geistigen Lebens ein entsprechen- 
des physiologisches Korrelat anzugeben oder daß 
man, um dem Physiologischen mittels desParalle- 
lismusprinzipes gerecht zu werden, diese Eigenart 
des Geistigen eliminieren, verfälschen, umdeuten 
müsse. 

Die Mannigfaltigkeit des psychischen Greschehens, sagt 
man, kann physiologisch nicht zum Ausdruck kommen.^) 
Von dem eigentümlichen Inhalt, des Psychischen, von den 
geistigen Qualitäten, Beziehungen, Synthesen, Werten, 
Zwecken usw. findet sich nichts in den Gehimprozessen. 
Ebensowenig kommt die Einheit des Bewußtseins physio- 
logisch vor, da die Einheit des Organismus, des Gehirns 
keine absolute und primäre Einheit, sondern Resultat einer 
Vielheit von Teilen sei, die außer und neben dem Nerven- 
system oder Organismus bestehen, während das Bewußt- 
sein seine Teile in sich als seine Elemente habe. Auch 



*) Nach S ig wart versagt jede Möglichkeit, „die endlosen Ver- 
knüpfungen, die durch Denken oder phantasievolle Kombination in 
unerschöpflicher Mannigfaltigkeit hergestellt werden, durch irgend- 
welche räumliche Anordnungen, Faserverbindungen oder dgl. vor- 
stellig zu machen' (Log. IP, 538). Ähnlich H. Schwarz, Der mod. 
Material. S. 70ff.; Ladd, Philos. of Mind p. 341 u.a. 



3. Kritik. 163 

der Eigenart psychischer Kausalität mid Gesetzlichkeit, 
geistiger Spontaneität und Entfaltung im Sinne des „Wachs- 
tums geistiger Energie" und „schöpferischer Synthese" ent- 
spricht nichts physiologisch.^) 

Bevor wir diesem Bedenken in positiver Weise Rech- 
nung tragen, muß ausdrücklich gesagt werden, daß die 
Frage nach den Einzelheiten dessen, was dem psychischen 
Vorgängen parallel geht, nicht mehr methodologisch-erkennt- 
niskritischer Art ist, sondern in das Gebiet der Psycho- 
physiologie fällt Und da muß zugestanden werden, daß 
die Physiologie noch lange und viel wird arbeiten müssen, 
bis sie in der Lage sein dürfte, die physischen Korrelate 
aller psychischen Grund- und Teilphänomene mit einiger 
Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit anzugeben. Es wird 
ihr dies sicherlich in immer mehr zunehmendem Maße ge- 
lingen, besonders, wenn sie die heuristischen Winke einer 
möglichst exakten Psychologie auszunützen versteht. 
Sollte aber selbst ein bedeutender Fortschritt gegenüber 
dem bisher Erreichten nicht möglich sein, so würde das 
zwar die Schwierigkeit der Sache dartun, könnte aber 
keinen gewichtigen Einwand gegen das Parallelismusprinzip 
als solches bilden. Denn dieses sagt allgemein nur, daß 
jedem psychischen ein bestimmtes physisches Geschehen 
im Organismus entsprechen, daß jeder „Selbsterscheinung" 
desselben eine objektive Erscheinung oder Erscheinungs- 
möglichkeit parallel gehen muß. Differenzen, Modifikationen, 
Störungen auf psychischem Gebiete müssen Differenzen, Medi- 
al In origineller Weise hat im Hinblick auf die von ihm be- 
hauptete Diskrepanz zwischen Geist und Gehirn den ParaUelismus 
als Paralogismus H. Bergson bekämpft (Le paralogisme psycho- 
physiologique, Revue de met et de moraie 1904. Vgl. Bullet, de 
la Soc. franc. de philos. I 1901). Nach ihm entspricht nur jenen Ge- 
himfunktionen etwas Psychisches, welche die „niecanismes moteurs", 
das motorische Getriebe der Vorstellungen besorgen. Die „reine Er- 
innerung* ist völlig ohne physisches Korrelat (vgl. Überweg-Heinze, 
Grundr. d. Gesch. d. Philos. IV»o, 441. 

11» 



Iß4 I^* Wechselwirkung oder Parallelismus? 

flkationen, Störungen physiologischer Art zugeordnet sein 
bezw. methodisch zugeordnet werden. W eich e physiologische 
Korrelate bestimmten Seelenprozessen parallel gehen, kann 
nur die Jempirische Forschung und Interpretation annähernd 
aufzeigen. Von vornherein wird nur zu erwarten sein, 
daß psychische Prozesse, welche in Wahrheit gar nicht 
selbständige „Vermögen" und dgl. sind, keine physio- 
logischen Sonderkorrelate haben werden, daß man also 
nicht erwarten darf, psychologische Fiktionen und 
Konstruktionen physiologisch konstatieren zu 
können. 

Vor allem aber muß jeder „Abbilder-Parallelismus" 
energisch abgelehnt werden. Die physiologische physika- 
lische Betrachtungsweise gehört einer Stufe des Erkennens 
an, auf welcher von allem qualitativen Inhalt des Erlebens 
geflissentlich abstrahiert und die Wirklichkeit rein begriff- 
lich, als System räumlich-dynamisch er Eelationen beharrender 
Raumerfüllungen aufgefaßt und gedacht wird. Von dem 
eigentümlichen Inhalt psychischer Vorgänge, von ihren 
spezifischen Qualitäten, also von den Empfindungsinhalten,, 
Gefühlstönen, Vorstellungs- und Begriffsbedeutungen usw. 
kann das physiologische Korrelat des Psychischen absolut 
nichts enthalten. Diese Qualitäten kommen nur einmal 
vor, auf der Seite des Psychischen, das sie ja als Abhängige 
des erlebenden Subjekts konstituieren, während das Physi- 
kalisch-Physiologische schon ein Abstraktionsgebilde ist. 
Die psychischen Inhalte können nicht durch ein ihnen 
völlig Ungleichartiges abgebildet werden. Nicht den In- 
halten als solchen gehen physiologische Prozesse parallel, 
sondern nur dem Auftreten solcher Inhalte für das Sub- 
jekt, im Bewußtseinszusammenhang. Empfinden, Wahr- 
nehmen, Vorstellen, Urteilen usw. kurz alle psychischen 
Vorgänge und Akte, sind nur verschiedene Modifikationen 
dieses „Auftretens" oder „Habens" von Erlebnisinhalten, 
unterschieden teils durch den Grad der Tätigkeit, teils 



3. Kritik. 165 

durch die Gattung und Art der Tätigkeit des Subjekts 
bezw. der „Organe" und „Zentren" derselben, sofern man 
auch psychologisch von solchen reden darf. Den Ver- 
schiedenheiten im Grade, in der Gattung und Art psychi- 
scher Tätigkeit werden Verschiedenheiten der Gehimpro- 
zesse parallel gehen, z. B. aktiver und passiver Aufmerk- 
samkeit, der Apperzeption und Association, der Empfindung 
und Vorstellung, aber auch der Verschiedenheit der Sinnes- 
empflndungen bis herab zu den Elementarvorgängen. Die 
Verschiedenheit der Inhalte kann physiologisch 
nur so weit zum Ausdruck kommen, als sie zugleich 
eine Verschiedenheit der psychischen Erlebnisart, 
des psychischen Erlebnisgrades, des psychischen 
Erlebniszusammenhanges bedeutet, nicht als reine 
Inhaltsverschiedenheit. 

Es ist also, wie Busse zugibt, „ein Irrtum, zu meinen, 
daß die inhaltliche Bedeutung der psychischen Vor- 
gänge irgendwie physisch ,ausgedrückt*, repäsentiert werden 
müsse, dergestalt, daß man aus der Form und Art der 
Gehimvorgänge die inhaltliche Bedeutung und die inhalt- 
lichen Beziehungen der ihnen . . . korrespondierenden psychi- 
schen Akte erschließen, gewissermaßen ablesen könne" 
(Geist und Körper S. 210). Das physiologische Korrelat der 
Empfindung „rot" z. B. braucht nicht selbst rot zu sein, 
„die räumliche Ordnung der Bestandteile einer Phantasie- 
vorstellung braucht nicht einer gleichen räumlichen Anord- 
nung der Teilprozesse zu entspringen" u. dgl. (a. a. 0. 
S. 213). Auch die Werte können nicht „als Werte in das 
Gehirn hineinprojiziert werden". „Der Forderung der 
Kongruenz wird aber auch in diesem Falle genügt, wenn 
den verschiedenen Werten und ihren Gegenteilen ver- 
schiedene, mit den Prozessen, welche die für uns wert- 
oder unwertvollen seelischen Vorgänge begleiten, verbundene 
oder verschmolzene physiologische Korrelate entsprechen" 



IQQ IV. Wechselwirkaag oder PaxaUelismus? 

(a. a. 0. S. 215).^) Wenn Busse (mit Mttnsterberg) gegen 
Wundt u. a. meint, daß es inkonsequent sei, nur den 
elementaren psychischen Prozessen und deren Verbindungen 
physiologische Korrelate zuzuschreiben, so hat er insofern 
Eecht, als bei Wundt die richtige Ablehnung eines Ver- 
tretenseins der geistigen Werte, Zwecke usw. im Physio- 
logischen leicht als eine Verkennung des Umstandes er- 
scheinen kann, daß den Prozessen des Wertens, Zweck- 
setzens, Denkens usw. als Aktionen des Subjekts sehr 
wohl physiologische Parallelerscheinungen entsprechen 
könnnen (vgl Mttnsterberg, Grundz. d. Psychol. S. 436 ff.). 
In bezugauf die psychischen Akte und Eeaktions- 
formen muß der Parallelismus konsequent durchgeführt 
werden, unbeschadet des bloß einmaligen Vertreten- 
seins der Inhalte und Werte dieser Akte. 

Was immer den beiden Betrachtungsarten des Orga- 
nischen gemeinsam angehören kann, muß dem Parallelis- 
musprinzip entsprechend behandelt werden. Intensität 
und Art des psychischen Geschehens sowie die Art der 
simultanen und sukzessiven Verbindung psychischer Vor- 
gänge müssen ihr Korrelat in der Intensität, Art, Ver- 
bindungsweise der Gehirnprozesse haben. Empfindung 
(Wahrnehmung) und Vorstellung, Gefühl, Emotion, Wille, 
AssQziations- und Apperzeptionsvorgänge, Perzeption und 
aufmerksames Erleben, Urteilen, Vergleichen, Beziehen 
und alle Arten der apperzeptiven Geistesfunktion über- 
haupt müssen in Verschiedenheiten, Formen, Komplikationen, 
Koordinationen u. dgl. der Gehimtätigkeit zum sym- 
bolischen Ausdruck gelangen. Die inhaltlichen Produkte 
geistiger Synthesen und Analysen, vergleichend-beziehender 
Tätigkeit, die mannigfachen Beziehungen, welche das 
Subjekt zwischen den Inhalten seines Bewußtseins aktiv 
oder reaktiv setzt, vorfindet, haben kein besonderes Korrelat 



^) So auch Wundt, Münsterberg, Ziehen, Heinrich u.a. 



3. Kritik. 167 

im Nervensystem, wohl aber die psychischen Prozesse, 
durch welche und in welchen solche Synthesen, 
solche Beziehungen hergestellt und erkannt wer- 
den.^) Aber man darf diese Prozesse nicht als Beziehungs- 
oder Vergleichungsvorstellungen auffassen (wie dies bei 
Mänsterberg der Fall ist). Erstens sind die Beziehungen 
zwischen den Vorstellungsinhalten, wenn auch in Be- 
schaffenheiten derselben begründet, nicht selbst besondere 
Einzelvorstellungen, sondern geistige Synthesen, Leistungen 
der Apperzeption. Zweitens würde diese Auffassung der Be- 
ziehung und Vergleichung mit mehr Recht der Einwand treffen, 
daß dieBeziehung ein neuer, zu dem Vorstellungsinhalte hinzu- 
tretender Akt nur da sein kann, wo an diesen Inhalt 
„eine nachfolgende, diesen Inhalt zum Gegenstande habende 
Überlegung anknüpft" (Busse, Geist und Körper S. 224). 
Es gibt in der Tat nicht bloß reflexive, sekundäre, begriff- 
liche, sondern auch primäre, unmittelbar an und in 
der Anschauung sich betätigende Beziehungakte und 
Synthesen, d.h. die Anschauung ist nach ihrer „forma- 
len" Seite selbst eine solche primäre, für sich nicht 
apperzipierte Synthese. So die Raumanschauung, aber 
auch jedes einheitliche Zusammenfassen einer Mannigfaltig- 
keit zu einem Ganzen unter Schonung der Teilinhalte. 
Wir können, sagt Busse richtig, „zwei Inhalte nicht wahr- 
nehmen, vorstellen, denken, ohne uns ihrer als vonein- 
ander verschiedener, voneinander unterscheidbarer, ohne 
uns ihrer als zweier, als einer Mehrheit bewußt zu sein, 
ohne sie also voneinander zu unterscheiden und dadurch 
zugleich sie zu einer Gesamtheit zusammenzufassen. Und 
überall fehlt auf der physischen Seite eben das, was zu 
den einzelnen physiologischen Prozessen, welche den Teilen 
des psychischen Vorganges entsprechen, noch hinzukommen 
müßte, damit dem einheitlichen psychischen Vorgang ein 



*) Ähnlich Münsterberg, Grandz. d. Psychol. I S. 448. 



1^ IV. Wechselwirkung oder ParaUelismus ? 

gleich einheitlicher physiologischer Vorgang als physisches 
Analogen gegenüberstände^ (a. a. 0. S. 225; ähnlich 
H. Schwarz, Der mod. Material S. 82ff., nach welchem 
den geistigen Akten der „Aufgipfelung" nichts Physio- 
logisches entsprechen kann). 

Ist hier der Parallelismus wirklich erschöpft, gibt es 
• geistiges Sein ohne physisches Korrelat, d. h. ohne die 
Möglichkeit, ein phänomenales Analogen zudenken? Wir 
glauben es nicht. Eine scharfe Analyse des Bewußtseins- 
lebens und eine vertiefte physiologische Forschung werden 
sicherlich auch die den höheren geistigen Prozessen eigen- 
tümlichen Tätigkeitsformen, wenigstens den allgemeinen 
Umrissen nach, physiologisch denken lassen. Schließlich 
bleibt aber ein „Rest" auf psychischer Seite, der in physio- 
logischen Einzelprozessen nicht mehr zum Ausdruck 
kommt, nämlich die Funktion der Einheitsetzung, als 
deren verschiedene Formen und Anwendungen die geistigen 
Synthesen und Reaktionen sich darstellen. Die Einheit 
des Bewußtseins und ihr Enthaltensein in der Mannig- 
faltigkeit der Bewußtseinserlebnisse ist nicht ein besonderer 
einzelner psychischer Vorgang, sondern das formal-aktuale 
Grundwesen des Bewußtseins selbst, eine ürbedingung 
und zugleich ein Urfaktor desselben. Die (primäre) Ein- 
heit des Erlebens, das Subjektmoment desselben, ist schon 
die Bedingung der Mannigfaltigkeit von Erlebnissen, wenn 
sie auch stets und nur in einer solchen, niemals isoliert 
auftritt. Kraft dieser Einheit faßt das Subjekt seine Er- 
lebnisse zu synthetischen Einheiten zusammen; alle Einheit 
der Bewußtseinsinhalte als solcher ist ein Reflex der 
universalen, primären Einheitsfunktion, in welcher das 
Subjekt sich betätigt. Es ist richtig: dieser Einheit und 
Einheitsfunktion geht kein besonderer Nervenprozeß 
parallel. Aber nur deshalb, weil auch psychisch die 
Einheit des Bewußtseins kein einzelner Prozeß ist, 
der zu den übrigen erst hinzukäme. Es ist aber 



3. Kritik. 169 

nicht wahr, daß, wie E. v. Hartmann, Eehmke, Went- 
scher, Busse u. a. meinen, dieser Art von Einheit kein 
physiologisches Korrelat entspreche; es gibt nur kein 
physiologisches Einzelphänomen, welches der primären 
das Gesamterleben begleitenden, bedingenden, als Bewußt- 
sein konstituierenden Bewußtseinseinheit parallel ginge. 

Der Bewußtseinseinheit und deren Punktion entspricht 
physiologisch der Organismus, vertreten und kon- 
zentriert im Zentralnervensystem. Ebenso primär 
wie das psychische Subjekt und dessen primäre Einheit 
ist auch die physische Substanz, welche zum differenzierten 
Organismus sich entwickelt. Ebenso einheitlich wie das 
Bewußtsein und (Jessen synthetische Funktion ist auch die 
„Form" des organischen Körpers, die physiologische Orga- 
nisation, die analog dem Bewußtsein eine Einheit in der 
Mannigfaltigkeit bedeutet und bewirkt. Ebenso ein- 
heitlich wie die Bewußtseinsfunktion ist die vereinigte, 
koordinierte und zentrierte Betätigung des physischen 
Organismus. So wenig die Organisation des Leibes etwas 
Einfaches ist, so wenig ist das Bewußtsein von absoluter 
Einfachheit, mag es auch absolut einheitlich und in sich 
identisch sein. Die Anerkennung der primären Einheit des 
Bewußtseins genügt vollkommen, um der Gefahr einer 
willkürlichen „atomistischen" Psychologie, einer „Mind- 
Stuff" -Theorie zu entgehen. Einheitlichkeit ist nicht not- 
wendig Einfachheit, ist ein Begriff, der mit dem der 
Mannigfaltigkeit sich durchaus verträgt. Und ebenso wie 
im Bewußtsein eine Mannigfaltigkeit einheitlich verbunden 
ist, kann das „Zusammen" von Nervenprozessen durch die 
gemeinsame organische Grundlage und durch funktionelle 
Wechselbeziehung einheitlich sich darstellen. Richtig ist 
nur, daß das Spezifische, das in der Bewußtseinseinheit 
liegt, physiologisch ebensowenig zum Ausdruck kommt wie 
der Bewußtseinsinhalt als solcher. Alle physische „Einheit" 
ist, wie gesagt, nur ein Reflex der Bewußtseinseinheit, nur 



170 ^^' Wechselwirkung oder Parallelismus? 

das phänomenale Korrelat der als solche nur einmal^ 
nur psychisch erlebbaren Bewußtseinseinheit. Man kann 
sagen: weder der Bewußtseinsinhalt als solcher noch 
das Formale des Bewußtseins hat einzelne physio- 
logische Prozesse zum Korrelat, sondern es ent- 
sprechen nur der Verschiedenheit der Bewußtseins- 
vorgänge Verschiedenheiten der Nervenprozesse, 
so aber, daß das Formale des Bewußtseins, die 
synthetische Einheit desselben, in der organischen 
„Form", der einheitlichen Organisation und deren 
synthetischen Funktion zur Erscheinung kommt 
So ist es allein begreiflich, daß, wie Fechner erklärt, 
das psychisch Einheitliche sich an ein physisch Mannig- 
faltiges knüpft (Elem. d. Psych ophys. II, 526); denn dieses 
Mannigfaltige ist gleichfalls von einer substantiell-funktio- 
nellen Einheit umschlossen. 

Es ist also, wie Eiehl sagt: „Nicht irgend einer 
einzehien Energieform also entspricht das Bewußtsein; sein 
objektives Gegenstück ist eine Struktur, der Bau des 
Nervensystemes, genauer die durch diese Struktur er- 
möglichte, durch sie geleitete Zusammenordnung von 
Energien" (Zur Einf. S. 159); oder auch, wie Hoff ding 
ausführt: das Nervensystem verbindet analog dem Bewußt- 
sein eine Mannigfaltigkeit miteinander (Psychol. * S. 62), 
wobei allerdings nicht zu vergessen ist, daß der daraus 
resultierenden funktionellen Einheit schon die „substantielle" 
Einheit des Organismus und dessen Nervensystem zugrunde 
liegt. Gegen Rehmke (Lehrb. d. allgem. Psychol. S. 96) 
und Busse (Geist u. Körper S. 227) ist zu bemerken, daß 
die Einheit des Nervensystems gegenüber dessen Teilen 
und Teilfunktionen sich nicht anders verhält als die Ein- 
heit des Bewußtseins und dessen Funktionen gegenüber 
der Mannigfaltigkeit des Bewußtseinsinhalts. Die Teile 
des Organismus werden durch das Zentralnervensystem 
nur so weit verbunden, als sie in ihm nervös vertreten 



3. Kritik. 171 

sind, und insofern sind diese Teile nicht neben und 
außer dem Nervensystem, sondern in diesem selbst 
enthalten uud vereinigt. Dem einheitlichen Zusammenhang 
des Nervenlebens und der Organisation überhaupt entspricht 
der einheitUcke Bewußtseinszusamraenhang. Und so, wie 
die einzehien Bewußtseinsvorgänge nicht „Teile", sondern 
Modifikationen der primären Bewußtseinseinheit bedeuten, 
so sind auch die organischen Prozesse nicht Teile des 
Organismus, sondern Eeaktionen und Aktionen, Modi- 
fikationen der organischen Gesamtkraft, deren Einheit 
nicht zu den Prozessen äußerlich hinzukommt, 
sondern sie schon von vornherein bedingt, so daß 
Busse (a. a. 0. S. 333) gegen Jodl, Adickes, Wundt u. a. 
keineswegs im Recht ist, wie er es meint. 

Haben wir aber in der einheitlichen koordinierend- 
synthetischen Tätigkeit des Organismus bezw. in dessen 
Konzentration, die durch das Zentralnervensystem geschieht, 
das Parallelglied zur synthetischen Einheit des Bewußt- 
seins gefunden, so fällt alles, was man bezüglich der 
„atomistischen" Konsequenzen des Parallelismus ins TreflEen 
geführt hat (James, Rickert, Busse u. a.), hinweg. Und 
ebenso erweist sich dann die Behauptung nicht als stichhaltig, 
daß der Parallelismus nur mit einer Assoziationspsychologie, 
welche das seeliche Leben künstlich mechanisiert, vereinbar 
sei Man kann einen wohlverstandenen psychophysichen 
Parallelismus zugeben und doch den Standpunkt der Apper- 
zeptionspsychologie vertreten, wie es ja bei Wundt 
u. a. der Fall ist. Soweit das seelische Leben selbst 
„mechanisiert" ist, d. h. durch phylo- und ontogenetische 
Übung in triebmäßig-assoziativer Weise sich abspielt, soweit 
gehen ihm auch mehr oder weniger feste Mechanismen 
physiologischer Koordination parallel. Sofern aber die 
aktive, spontane, von bestimmten Zwecken bewußt ge- 
leitete Apperzeptionstätigkeit, im logischen Denken, in der 
aktiv gestaltenden Phantasie, im vernünftig-planvollen 



172 IV. Wechselwirkung oder Paralielismus? 

Handeln wirksam ist, entspricht dem auf physiologischer 
Seite die volle, höchstgesteigerte und höchstkonzen- 
trierte Gehirnarbeit, mag diese nun auch anatomisch 
„lokalisiert" sein oder nicht, d. h. mag das „Apperzeptions- 
zentrum" einen Teil des Gehirns bilden oder nur in einer 
besonders lebendigen, energischen anpassungsfähigen, funk- 
tionell einheitlichen Koordination verschiedener Gehirn- 
partien bestehen. Es ist nicht wahr, daß das geistige 
Leben rein „mechanischer" Art sein müßte, wäre es das 
Innensein der Gehimarbeit Denn nicht die elementaren 
mechanisch-energetischen Vorgänge in den Teilen des Ge- 
hirns und seiner Zellen sind das Korrelat des entwickelten 
Bewußtseinslebens, sondern dieses hat zum objektiven 
Phänomen, zur Parallelerscheinung die eigenartige, bio- 
logisch entwickelte, differenzierte und zentralisierte Form der 
Gehimarbeit, durch welche die „Richtung" der mechanisch- 
energetischen Prozesse bestimmt ist. Den einfachen physi- 
schen Vorgängen im Organismus 'entsprechen, sofern der- 
selbe sich wirklich in solche Elemente zerlegen läßt, 
einfache psychische Vorgänge, die nur den Hinter- und 
Untergrund des „Zentralbewußtseins" bilden, während 
dieses selbst an die Leistungen der Organe und Organ- 
verbindungen des Leibes geknüpft oder zu knüpfen ist 
und an die physiologisch zu beschreibende Eigengesetz- 
lichkeit nervöser Prozesse, welche letzten Endes sich 
auf allgemeine mechanisch-chemische Gesetze quantitativ 
zurückführen lassen muß, in ihrer Eigenart, ihrer Form 
aber eine besondere Gestalt des physischen Ge- 
schehens bedeutet, eine besondere Koordination und 
Eichtungsweise, eine besondere individualisierte 
Konzentration physikalisch-chemischer Prozesse. Das 
Physiologische, Biologische in seiner individuellen und 
generellen Eigenart gehört wie alles Physische dem Gebiet 
der Natur und der Naturkausalität an, es beruht nicht auf 
spezifischen „Lebenskräften" unbekannter Art, wie der 



3. Kritik. I73 

„Vitalismus" meint. Aber es ist auch nicht aus der all- 
gemeinen Gesetzlichkeit mechanisch-energetischer Vorgänge 
allein zu begreifen, sondern es muß, abgesehen von der 
bereits früher erwähnten Ergänzung des physiologischen 
durch den psychologischen Gesichtspunkt, die Bedingtheit 
der physiologischen Prozesse durch die generisch- 
individuelle Form des Organismus zur Geltung 
kommen, welche „Form" teils ursprünglicher Natur, teils 
ein Produkt der Entwicklung des Lebewesens, also gene- 
tisch zu verstehen ist. So wenig wir also das geistige 
Leben in einen bloßen Mechanismus assoziativer Vorgänge 
auflösen können, sondern die „apperzeptive", den Vor- 
stellungsverlauf hemmende, regulierende, ordnende, formende, 
hierbei mehr oder weniger aktiv sich verhaltende Bewußt- 
seinskraft "zum Verständnis der logischen, technischen, 
ethischen Geisteswirksamkeit benötigen, ebenso sind die 
Gehimprozesse in ihrer eigenartigen Koordinierung und 
Zentrierung nicht die bloße Summe mechanischer Vorgänge, 
sondern bestimmte, von der Umgebung relativ unabhängige, 
selbständige Eeaktionsformen des lebenden Organismus. Es 
darf nicht übersehen werden, daß auch sonst in 
der Natur alle [physikalische Gesetzmäßigkeit die 
Existenz von Dingen, physischen Kraftzentren 
relativ permanenter Art voraussetzt, welche nicht 
selbst, als Bestandteile des „Seienden", aus [der 
Gesetzlichkeit des Geschehens, der Seins-Rela- 
tionen restlos abzuleiten sind. Und ein Spezialfall 
der Bedingtheit de& Geschehens durch die Substanz und 
deren Form ist das „Gerichtetsein" der physischen Pro- 
zesse im Organismus und im Zentralnervensystem, im Ge- 
hirn. Wie die physiologischen Prozesse auf dem [Boden 
der allgemeinen Naturgesetzlichkeit sich aufbauen, diese 
einschließen und doch von den anorganischen Vorgängen 
sich unterscheiden, so erhebt sich die geistige „Spontaneität" 
und Gesetzlichkeit auf dem Untergrunde assoziativer und 



174 ^V- Wechselwirkung oder Parallelismus V 

„mechanisierter" Seelenregungen , ohne mit diesen zu- 
sammenznfaQen. Eine „Antinomie" zwischen der geistigen 
und der physiologischen Gesetzlichkeit besteht also nicht, 
wenn man nur bedenkt, daß der eigentümliche Inhalt, 
welcher das logische, ethische, äthetische Bewußtsein kon- 
stituiert, wie jede andere Bewußtseinsqualität physiologisch 
nicht „abgebildet" wird. Das Eigenartige des logischen, 
ethischen, des „höheren" Bewußtseins überhaupt, liegt in 
der „zweckmäßigen Richtung" der Geistestätigkeit, in der 
dem selbstgesetzten Zwecke angemessenen Einheits- 
funktion des Bewußtseins. Das Logische usw. als solches 
ist etwas Geistiges und kann allerdings im Physischen nicht 
vorkommen. Wohl aber kann die Art und Weise physischen 
Geschehens einen Hinweis auf einen ihm zugrunde liegen- 
den Logos, eine vernünftige Zwecksetzung oder Zielstrebung 
enthalten. In der Tat lassen sich die organischen Prozesse, 
die nervösen einbegriffen, nicht bloß kausal-mechanisch 
analysieren, sondern auch zum guten Teil teleo- 
logisch interpretieren, und insofern kann man sagen, 
daß die dem Geistigen selbsteigene Gesetzlichkeit auch 
biologisch-physiologisch zum Ausdruck, zur Objektivation 
kommt, genau so, wie in der Maschine der Logos und 
das Telos des Ingenieurs objektiviert ist. Zu jeder 
Maschine gehört neben dem Mechanismus ein Zweck- 
system, das durch diesen Mechanismus verwirklicht 
werden soll, und so ist auch das Gehirn als eine lebendige, 
sich selbst regulierende „Maschine", als ein reaktiver und 
aktiver, höchst anpassungsfähiger ,.Autömat" zu betrachten, 
dessen Zweckmäßigkeit das Gegenstück zur Zielstrebigkeit 
und Zwecksetzung des Psychischen darstellt, eine Zweck- 
mäßigkeit, deren Ursprung bis in das Dunkel weiter Ver- 
gangenheit genetisch zurückführt und die letzen Endes nur als 
Erscheinungsprodukt psychischer Wirksamkeit zu verstehen 
ist, die im Verein mit den Einflüssen der Umgebung die 
seelische Organisation immer zweckmäßiger gestaltet hat. 



3. Kritik. 176 

Daß die immanent-teleologisclie Interpretation des Seins und 
Geschehens in keiner Weise der kausalen Erklärung der Tat- 
sachen widerspricht, daß es sich hier nicht um zwei selb- 
ständige Wirkungsreihen, sondern um verschiedene Be- 
trachtungsweisen eines Zusammenhanges handelt, 
der von „innen" gesehen, final, „äußerlich" erfaßt kausal 
ist, daß der Mechanismus des Geschehens als ein System 
von Mitteln zur Eealisierung von Zwecken zur Erreichung 
von Zielen, also zur Verwirklichung von WiUenstendenzen 
gedeutet werden kann und muß, das haben Leibniz, 
Kant, Lotze, Sigwart, Wundt u. a. einleuchtend dar- 
getan.^) 

Daß es sich mit der Willensfreiheit nicht anders 
verhält als mit der Eigengesetzlichkeit des Geistigen über- 
haupt, dürfte klar sein. Im psychologischen Sinne ist der 
WiUe frei, sofern er aus der Persönlichkeit selbst ent- 
springt, sofern er durch Vemunftmotive bestimmt, dirigiert 
ist, die der Natur der vernünftigen Persönlichkeit gemäß 
sind. Ein solcher WiUe ist wahrhaft „autonom" und doch 
nicht grundlos, er ist so frei von. den äußern Impulsen der 
Umwelt und von den innem Momentanreizen des Handelnden 
selbst, als es überhaupt für ein endliches, beschränktes, 
in den Zusammenhang des Wirklichen eingereihtes Wesen 
möglich ist. Jede Handlung, die dem „Grundwillen" der 
Persönlichkeit entquillt, ist zwar motiviert, innerlich be- 
gründet, aber dieser Determinismus ist ein „Autodetermi- 
nismus", eine Bedingtheit des Handelns und Wollens 



^) vgl. 0. Liebmann, Gedanken und Tatsachen S. 295 ff.; 
Sigwart, Log. II«587f.; Eisler, Krit. Einf. in d. Philos. S. 182ff.; 
Rickert, Sigwart Festschrift S. 68f.; L.W.Stern, Person und 
Sache I, 1906, 225 ff. Bei dem letzteren finden sich bezüglich der 
Teleologie, sowie anderer erkenntniskritischer- ontologfsch er Funda- 
mentalbegriffe Anschauungen, welche mit den in meiner „Krit. 
Einf. in d. Philos."" und anderen Schriften enthaltenen Ansichten 
eine erfreuliche Verwandtschaft aufweisen. 



176 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus ? 

durch die Gesetzlichkeit des Geistes selbst. Und 
diesem Autodeterminismus entspricht physiologisch die Ab- 
hängigkeit zentralnervöser Reaktionen nicht von der Um- 
welt, sondpm wesentlich von dem lebenden Organismus 
und dessen Nervenzentrum selbst. Daß letzten Endes jedes 
Einzelsein durch das Alleinsein und dessen Glieder mitbe- 
dingt ist, daß es nicht isoliert-selbständig, nicht absolut 
unbeeinflußt handehi kann, daß es keine „Aseität^ besitzt, 
verhindert nicht die Willensfreiheit im autodeterministischen 
Sinne. ^) 

Inwiefern die empirische Tatsache, daß der Wille 
unsern „Leib" beeinflußt, parallelistisch zu begreifen 
ist, wurde früher gezeigt. Diese Beeinflussung besteht 
darin, daß ein WiDensimpuls das „Initialmoment" einer 
Willenshandlung bildet, welche in einer Abfolge von Be- 
wegungsempfindungen ihr Endmoment hat ; es wirkt hier 
also eine geistige Funktion auf das seelische System 
oder auf Glieder desselben, und dem geht parallel 
die Wirkung zentraler Prozesse im Nervensystem 
auf den übrigen Organismus. Damit wird 'es auch 
klar, wieso man als Parallelist sehr wohl von einer Mit- 
wirkung psychischer Faktoren in der biologischen 
Entwicklung sprechen und wie man sogar sagen kann, 
daß die Seele ihren Organismus gestaltet und um- 
bildet, wie dies seit Aristoteles viele Philosophen ge- 
lehrt haben. Durch ihre Funktionen wirkt die Seele, 
das Erlebnisfähige, auf sich selbst zurück, 
es paßt diese Funktionen sich, sich seinen Funk- 
tionen und diese einander an, es gestaltet sich 
dadurch zu einer immer zweckmäßiger werdenden 
psychischen Organisation aus. „Äußerlich" kommt dies 



*) vgl. Pechner, Elem. d. Psychophys. P 48; König, Zeitr 
schr. f. Philos. Bd. 119, S. 38 und die gegnerische Ansicht von 
Busse, Geist u. Körp. S. 363 f. 



3. Kritik. I77 

in einer Rückwirkung des Organismus auf sich 
selbst und, bei differenzierten Wesen, in der Wir- 
kung des Nervensystems und besonders zentraler 
Nervenprozesse auf den übrigen Organismus zum 
Ausdruck. Das Bewußtsein ist ein Mittel zur Erhaltung und 
Eegulierung des Organismus, ein Faktor, von dessen aktiver 
Anpassung die Umwelt bezw. das An sich dieser selbst ab^ 
hängt, aber so, daß „von innen gesehen" das Bewußtsein auf die 
seelisch-sinnliche Organisation (gleichsam den „Seelenleib"), 
„von außen" betrachtet aber das Nervensystem, das Gehirn 
auf die übrigen Organe und Punktionen des Leibes, schließ- 
lich auch auf sich selbst wirkt. ^) Physiologisch erscheint 
die Mitwirkung des Psychischen in der biologischen Ent- 
wicklung als Anpassungsvorgänge im Organismus, 
welche durch das Zentralnervensystem (bezw. was 
dieses vertritt) vermittelt werden. Die biologischen 
Vorgänge werden durch psychische Prozesse auf allen 
Stufen der Entwicklung mehr oder minder beeinflußt, 
weil sie selbst an sich innerlich schon psychische oder 
quasipsychische Geschehnisse sind. Weil die gesamte 
körperliche Entwicklung eine objektive Erscheinung oder 
eine Betrachtungsweise der an sich psychischen Ent- 
wicklung ist, ist sie von Anfang bis zu Ende, direkt 
oder indirekt, reaktiver oder aktiver, impulsiv-reflektorischer, 
triebhafter oder willentlicher Weise in psychischen Fak- 
toren gegründet. 

Nur wenn man der „Schattentheorie" huldigt, also in 
halbmaterialistischer Weise annimmt, daß das Psychische 
nur ein unwirksames Epiphänomen des Physischen, Phy- 
siologischen ist, muß man sich den Vorwurf gefallen lassen, 
daß das Psychische hier eigentlich als biologisch nutzlos 
erscheint, weil es ja an der organischen Entwicklung nicht 

*) Wundt, Fouillee, König, Spaulding u. a. bleiben 
also im Recht gegenüber E. v. Hartmann, Busse (Geist u. Körper 
S. 280) u. a. 

Eisler, Leib und Seele. 12 



178 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

beteiligt sein kann. Aber immerhin bliebe hier noch die 
Wirkung des Organismus und seines Gehirns auf sich selbst 
als Surrogat für die psychische Mitarbeit an der Ent- 
wicklung. Unsere Auffassung des Parallelismus aber, welche 
methodologisch -erkenntniskritisch ganz anders fundiert 
ist, als die „Schattentheorie" oder der auf halbem Wege 
stehengebliebene dualistische Parallelismus, macht die 
psychischen Vorgänge keineswegs biologisch nutzlos, er- 
kennt ihre (direkt psychische und phänomenal-physiologische) 
Wirksamkeit unbedingt an, ja fordert geradezu diese Mit- 
wirkung zum vollen Verständnis der Biologie, welche gleich- 
wohl das Organische auch konsequent rein physikalisch- 
chemisch analysieren und erklären muß, sofern es sich um 
die einseitige aber notwendige ^äußere" Erkenntnisweise 
der organischen Einzelheiten aus quantitativ-dynamischen 
Gesichtspunkten handelt.*) 

Soweit die biologischen Vorgänge sich als Bewegungen 
oder als Energien darstellen, sind sie kausal nur aus Be- 
wegungen oder Energien zu erklären. Sofern sie aber 
eben jenem Ausschnitte der Wirklichkeit angehöreu, deren 
formale Beschaffenheit eben das Organische und Biologische 
ausmacht, muß die physikalische Betrachtungsweise, soweit 
es geht, durch die biopsychische ergänzt und vervoll- 
ständigt werden. Kommen wir endlich in das Gebiet 
menschlicher Kulturarbeit, wie sie sich bei den Indivi- 
duen und in der Gesellschaft und Geschichte, auf allen 
Feldern geistiger Wirksamkeit darstellt, dann muß die 
psychologische, „innerliche" Betrachtungs- und Interpre- 
tationsweise in erster Linie zur Geltung kommen, so sehr 
auch die Einflüsse des objektiven „Milieu", der Naturkausali- 
tät berücksichtigt werden müssen. Insoweit Kulturprozesse 
und Kulturwerke aus dem Gesichtspunkt äußerlicher physi- 



2) Vgl. James, Princ. of Psychol. I, 138; E. v. Hartman u, 
Mod. Psychol. S. 431 f; Stumpf, Leib und Seele, S. 19; Busse, 
Geist u. Körper S. 242. 



3. Kritik. I79 

kalischer Betrachtungsweise als mechanisch-energetische 
Vorgänge bezw. als Komplexe physischer Objekte erscheinen, 
müssen sie ebenso rein physikalisch analysiert und erklärt 
werden, wie die biologischen [und wie die anorganischen 
Vorgänge. Jede menschlische Handlung als bloße Körper- 
bewegung ist im Sinne einer richtig verstandenen „Auto- 
matentheorie" kausal zu erklären, aus Impulsen des Gehirns, 
als natumotwendiges Produkt physiologischer Vorgänge 
zentralster Art. Aber hier ist zugleich der Vorwurf abzu- 
weisen, als ob dadurch das Handehi des Menschen und 
dessen Erzeugnis ein Spiel des „Zufalls" oder „blind" 
wirkender Naturkräfte wäre. Auch physiologisch sind die 
Handlungen des Menschen durch die Individualität, Aus- 
bildung, Entwicklung, durch die besondere Struktur 
und Koordination des Organismus, insbesondere des Gehirn- 
lebens und nicht durch die ZufäUigkeiten äußerer Faktoren 
bedingt. Nur ein in seiner phylogenetisch-ontogenetischen 
Entwicklung auf fernste Vergangenheiten und schließlich 
auf physische ürfaktoren zurückführendes Gehirn vermag 
gerade eine solche Handlung und mittels ihrer ein solches 
Gebilde zu bewirken, wie es etwa ein Kunstwerk objektiv 
ist. Aus der allgemeinen, abstrakten Naturgesetz- 
lichkeit allein ist das Zustandekommen von Kultur- 
gebilden ebensowenig zu begreifen, wie das ge- 
ringste individuell Bestimmte. Schon innerhalb der 
physikalischen Betrachtungsweise der Wirklichkeit muß 
der formale und individuale Faktor des Seins und 
Geschehens berücksichtigt werden, es darf nicht übersehen 
werden, daß alle Gesetzlichkeit in der Natur ein konstantes 
Verhalten von Dingen bedeutet, die nicht selbst in lauter 
allgemeine Gesetzlichkeiten aufzulösen, sondern Bedingungen 
und Formen der konkreten Gestaltung dieser Gesetzlich- 
keiten sind. 

Aus der „Individualität" der Gehirnprozesse und ihrer 
Konstellationen muß oder müßte alles physische Handeln 

12* 



180 IV. Wechselwirirang odw Parallelismus? 

und Schaffen des Menschen kausal zu erklären sein, ohne 
daß .man sich hier noch aof die psychische Innenseite des 
Handels zu berufen braucht Das Gehirn kann biologisch 
als ein höchst ausgebildeter und hierbei höchst anpassungs- 
fähiger, in allen Veränderungen und Störungen sich selbst 
erhaltender und wiederherstellender, zugleich aber fortent- 
wickelnder „Automaf^ angesehen werden, dessen Existenz 
keineswegs unbegreiflich ist, wie schon Spinoza und 
Leibniz es gesagt haben. Insofern hat auch Paulsen 
Recht, wenn er bemerkt: „Was die Unfähigkeit des Körpers 
zu solchen ,automatischen^ Leistungen anlangt, so kann 
man mit Spinoza antworten: bisher hat noch niemand 
die Grenze dessen gefunden, was der Körper als solcher 
leisten könne" (Einl. in d. Phüos. * S. 92 f.). NatürHch 
ist das Gehirn, wie alles Organische, mehr als ein kfinst- 
licher Automat; es hat nicht die für alle Zeit festgelegte 
ein- und gleichförmige Funktion, sondern die Potenz zu 
mannigfachen Reaktionen, deren Richtung im Einzelnen 
sehr variieren kann ; das Moment der Entwicklung, der 
Möglichkeit des Überganges von einem labilen Gleichge- 
wichtszustand zu einem andern, ist für den Organismus, 
für das Gehirn charakteristisch. Aus der Beschaffenheit 
und Entwickelungsweise des individuellen Gehirns muß, 
wenigstens theoretisch, jedes physische Tun eines Menschen, 
sei es die Arbeit an einem Kunstwerk, an einem Buche, 
sei es die Lenkung einer Schlacht usw. kausal abgeleitet 
werden können. 

Aber damit soll keineswegs einer materidistischen 
oder naturalistischen Theorie der Kultur und Geschichte 
das Wort geredet werden. Sie folgt keineswegs, wie 
Stumpf, Sigwart, James, Busse (Geist u. Körp. S. 242 ff.) 
u. a. meinen, mit Notwendigkeit aus dem psychophysichen 
Parallelismus, sofern dieser richtig, also nicht als „Schatten- 
theorie" verstanden und formuliert wird. Menschliche 
Kulturhandlungen und deren Gebilde sind nicht bloß phy- 



3. Kritik. 181 

sische Erscheinungen, sondern sie haben vor allem einen 
Sinn, einen Inhalt, eine Bedeutung, einen Wert, 
der nur vom Standpunkt der „innern" Betrachtung 
zu erfassen und zu verstehen ist. Dieser geistige In- 
halt und Gehalt ist es sogar erst, was uns von kulturellen 
Handlungen aller Art und von Geschichtsereignissen sprechen 
läßt. Alles Kulturelle und Historische als solches ist schon 
ein Begriff, der seine Grundlage in der subjektiv-psycho- 
logischen Betrachtungs- und Erkenntnisweise hat und der 
eine geistige Interpretation und Erklärung von Kultur- 
handlungen fordert und bedingt. Was an einer Handlung 
und einem Werke den das Kulturelle konstituierenden In- 
halt und Wert bildet, ist nur psychologisch-kulturhistorisch 
zu verstehen, ist wesentlich auf geistige Faktoren, auf 
persönliche Anlagen, Talente, erworbene Fertigkeiten, Ideen, 
Gefühle, WiDensimpulse, sowie auf den Zeit- und Lokal- 
geist, Volksgeist u. dgl. kausal und teleologisch zurückzu- 
führen. Goethes „Faust" z. B. ist, physikalisch betrachtet, 
ein bestimmter Körper, ein „Buch" mit Buchstaben, Worten, 
Sätzen in bestimmter Anordnung, dessen Zustandekommen 
aus Impulsen seitens der Organisation des Goethe'schen 
Gehirns demjenigen klar sein würde, der dieses Gehirn 
genau in seiner Beschaffenheit und Entwicklung hätte 
erkennen können. Aber diese physiologische Erklärung 
betrifft nicht das Kunstwerk „Faust", nicht den Inhalt, 
Gehalt, die geistige Bedeutung des Werkes, die nur 
psychologisch, ästhetisch, literaturhistorisch, kulturgeschicht- 
lich verstanden und erklärt werden kann. Keine kausale 
Analyse physischer Phänomene kann mehr leisten, 
als uns den Zusammenhang derselben mit andern 
Phänomenen dartun. Was diese Phänomene sonst noch 
bedeuten, welchen Sinn sie ausdrücken, das kann die 
bloß mechanistisch-energetische Betrachtungsweise der 
Dinge nicht enthüllen. Am allerwenigsten bei den kom- 
plizierten Phänomenen, in welchen die Kulturhandlungen 



182 ^' WechadwiriDmg oder Parallelismos? 

zum objektiven Aasdrack, zur „Verkörperung" gelangen. 
Hier ist die Interpretation aus dem Gesichtspunkte 
innerer Erfahrung das Wichtigste, Wesentlichste, 
allein Befriedigende, die physisch-phänomenale 
Auffassung und Erklärung größtenteils neben- 
sächlich. Die letztere kommt nur insoweit in Betracht, 
als eben die Eulturhandlungen in ihrer physischen Er- 
scheinung sich auch physiologisch-physitaJisch auffassen 
und erklären lassen müssen. Sie würden freilich als physische 
Erscheinungen nicht bestehen, wenn ihnen nicht an sich 
psychische Akte zugrundelägen, die sie objektiv zum 
Ausdruck bringen. Aber die physiologisch-physikalische 
Betrachtungsweise muß oder kann methodisch hier wie 
sonst davon absehen. ^) Sie kann und muß es, wiewohl es 
nicht erlaubt ist, etwa die physischen Vorgänge als das 
Reale, die psychischen als bloße Epiphänomene zu betrachten. 
Es verhält sich vielmehr umgekehrt: die psychischen Vor- 
gänge haben primäre, unmittelbare Wirklichkeit und Wirk- 
samkeit, die physischen hingegen sind nur empirisch-reale, 
objektive Phänomene, die als solche durchgehend im Psy- 
sichen ihr „An sich" oder mindestens ihr Eigensein haben 
und insofern durch psychische Zustände „mitbedingt" sind, 
ohne daß diese aber in die Reihe phänomenaler, physischer 
Kausalität gehören oder eingreifen, der sie ja schon von 
vornherein zugrunde liegen. 

Jede Handlung als physisches Phänomen genommen, 
ist rein physisch zu erklären. Sofern sie aber eine in- 
dividuell bestimmte, auf ein Ziel gerichtete Tat ist, inso- 
fern sie als Handlung einen Sinn hat, kann sie nur psycho- 
logisch verstanden werden. Es muß aber, prinzipiell 



») vgl. Riehl, Phüos. Kritik. II 2, 183 ff ; Jodl, Lehrbuch d. 
Psychol. S. 74; König, Zeitschr. f. Philos. Bd. 119 S. 86; Paulsen, 
Zeitschr. f. Philos. Bd. 115 S. 7 ff; Heymanns a. a. 0. S. 98 ff. 
und die gegnerischen Behauptungen bei Sigwart, Erhardt, 
W entscher, Busse] (Geist u. Körper S. 256 ff.) u. a. 



3. Kritik. 183 

wenigstens, eine rein physiologische Erklärung möglich sein. 
Nun ist es ja wahr, daß die physiologischen Konstruktionen der 
Assoziationspsychologie viel zu wünschen übrig lassen, daß 
sie teils unvollständig, teils noch roh und teils überhaupt 
dem physischen Sachverhalt nicht entsprechend sind. Auch 
die „Aktionstheorie" von Münsterberg, nach welcher die 
Empfindung erst an die Entladung eines sensorisch-zentri- 
petalen in den motorisch-zentrifugalen Nervenprozeß ge- 
knüpft sein soll (Grdz. d. Psychol. S. 527 ff.), ist durchaus 
nicht einwandfrei. Mit Eecht kann man, mit Busse u. a. 
fragen, warum nicht schon dem sensorischen Nervenprozeß 
ein psychischer Parallelvorgang entsprechen soll, und femer, 
ob denn das von Münsterberg u. a. an der Assoziations- 
psychologie gerügte Moment der „Zufälligkeit" im Auftreten 
gerade einer bestimmten Assoziation nicht auch der Aktions- 
theorie anhaftet, welche nicht eindeutig feststellt, wovon 
denn das Statthaben einer bestimmt gerichteten „Ent- 
ladung" abhängt (vgl. Busse, Geist u. Körper S. 302 f.) 
Sicherlich ist auf dem Gebiete der Himphysiologie noch die 
Hauptarbeit zu leisten und vielleicht kann man heute noch 
viele psychophysische Eeaktionen des Organismus nervenphy- 
siologisch noch keineswegs befriedigend, eindeutig erklären. 
Wie verschieden aber auch die besondere Art physiologischer 
Verbindungen von Teilprozessen des Gehimlebens sein mag 
und wie die verschiedenen „Bahnungen" u. dgl. Zustande- 
kommen mögen, sicher ist, daß durch phylo- und onto- 
genetische Übung und Einübung (Wiederholung) gleichartiger 
und anolöger Eeaktionen physiologische Konnexe im Gehirn 
strukturell und funktionell entstehen. Jedenfalls kann man 
sagen: 1. Verschiedene Reize erregen verschiedene Partien 
des Gehirns verschieden oder erregen in ihm verschiedene 
Eeaktionen; 2. infolge der Einheitlichkeit der Gehim- 
organisation besteht in derselben die Tendenz, daß gleich- 
artige Reize, welche gleichartige Reaktionen („innere" 
Reize) hervorrufen, durch diese auch stets konstante Neben- 



184 I^* Wechselwirkung oder ParaUelismos? 

oder Folgereaktionen auslösen. Ein Gehimprozeß A, der 
wiederholt mit einem Gehimvorgang B zusammen aufge- 
treten ist, erregt unter günstigen Umständen — Fehlen 
von Hemmungen, genügende Intensität und Ausbreitung 
der Erregung u. dgl. — dieses B, welches aber auch seiner- 
seits A „reproduzieren" kann. Infolge der Wiederholung 
des „Zusammen" von A und B bildet sich eine „Verbind- 
ung" zwischen ihnen, deren anatomisch-physiologische Be- 
schaffenheit wir dahingestellt sein lassen. Das „Zusammen" 
von A und B ist teils durch ererbte, auf präindividuelle 
Einübung und „Bahnung" beruhende Anlagen, teils durch 
individuelle Übung bedingt. Das Gehirn erscheint 
somit als ein durch Übung auf bestimmte Arten 
von Reizen angepaßtes und sich stetig weiter an- 
passendes organisches System, dessen Teile oder 
Teilfunktionen in bestimmter, von der gesamten 
phylo-undontogenetischenEntwicklungsgeschichte 
abhängigen Gesetzlichkeit miteinander verknüpft 
sind. Die besondere „Auswahl" der Reize seitens des 
Gehirns und bestimmter Partien (Partialfunktionen) des- 
selben ist nicht dem „Zufall", dem äußeren Milieu anheim- 
gesteUt^ sondern ein Resultat des Zusammenwirkens äußerer 
Reize mit der Eigengesetzlichkeit des Gehimlebens. 

Phylo- und ontogenetische Übung und Anpassung hat 
das Gehirn des Menschen zu einem ungemein feinen Apparat 
gestaltet, der auf sehr kleine Verschiedenheiten äußerer, 
physikalisch -chemischer Reize durch intraorganische 
Transformationen und durch differenzierte Fort- 
eitung zu verschiedenen Funktionsprovinzen des 
Gehirns sehr verschieden reagieren kann. Mit Recht 
hat man auf die Verwandtschaft physiologischer Erregungen 
mit den Erscheinungen der „Auslösung" hingewiesen. 

Wie ist es nun zu erklären, daß einem geringfügigen 
Unterschiede zweier Reize eine erhebliche Differenz 
organischer Reaktionen entspricht? Offenbar nur dadurch. 



8. Kritik, 185 

daß der Reiz A im Organismus anders „verarbeitet" wird 
als der Reiz B, und zwar infolge Übung, Anpassung, 
Differenzierung und Verbindung innerhalb der organischen 
Struktur und Funktion. Jemand erhält ein Telegramm, 
sein Sohn Eritz sei an dem Ziele seiner Reise angekommen; 
er liest es, freut sich und arbeitet etwa ruhig weiter. 
Ein anderes Mal erhält derselbe Mann ein Telegramm mit 
dem Inhalte, Fritz sei umgekommen; er liest, erschrickt, 
gerät in furchtbare Aufregung, die etwa mit einem Schlag- 
anfall oder gar mit Tod endigt. Nun behaupten Erhardt 
(Die Wechselwirkung S. 156 f.), Busse (Geist und Körper 
S. 311 ff.) u. a., die Verschiedenheit der Wirkung der 
Telegramme auf den Empfänger sei rein physiologisch 
nicht zu erklären, sie werde erst dann begreiflich, wenn 
man annimmt, daß die physischen Reize, d. h. die optisch- 
akutischen Eindrücke „Fritz angekommen" bezw. „Fritz 
umgekommen" psychische Prozesse erzeugen, welche sehr 
verschiedenartig sind und daher zu verschiedenen orga- 
nischen Reaktionen führen. Es sei gleich bemerkt, daß 
auf die Bemerkung von Paulsen (Zeitschr. f. Philos. 
Bd. 115 S. 6f.) und König (a. a. 0. S. 192): die Wechsel- 
wirkungstheorie könne die Verschiedenheit der Reaktion 
jedenfalls nicht besser erklären als die Parallelismustheorie, 
Busse zugeben muß, daß die Physiologie als solche durch 
die Einschiebung seelischer Momente nichts gewinnt (Geist 
und Körper S. 318 f.), aber als philosophische Theorie 
verhelfe uns die Wechselwirkungslehre wenigstens zu 
einem Verständnis der Sache, zu einer „cognitio rei" im 
Sinne Lotzes (a. a. 0. S. 319). Nun teilen wir durchaus 
die Ansicht, daß menschliche Handlungsweisen als solche 
nur psychologisch zu verstehen, sinnvoll zu erfassen und 
abzuleiten sind. Aber das hindert nicht, die phänomenale 
Reihe, als welche sich ein Handlungszusammenhang objektiv 
darstellt, als eine in sich geschlossene, nirgends durch- 
brochene zu betrachten und zu erklären. 



186 IV*. Wechselwirkung oder Parallelismus ? 

Wir sehen die Seele auf einen geringfügigen Unter- 
schied von Reizen sehr verschieden reagieren. Diese 
Reize sind Empfindungen bezw. sinnliche Wahrnehmungen 
sehr ähnlicher Art^) Ähnlich sind die durch beide Reize 
ausgelösten Sprachvorstellungen „Eritz angekommen" — 
„Fritz umgekommen". Aber jetzt hört die Ähnlichkeit 
der psychischen Teilursachen des Gesamtverhaltens des 
Subjekts auf. Denn die Sprachvorstellungen A und B 
sind jede durch eine, teils „natürliche", teils „konventionelle" 
Assoziation mit verschiedenen Bedeutungen (in Vor- 
stellungen, Begriffen, Urteilen) verknüpft. Die Wort- 
vorstellung „Fritz angekommen" führt assoziativ — infolge 
des Bekanntseins der Bedeutung des Wortkomplexes Fritz — 
angekommen — zu einer ganz anderen Vorstellungs- 
reihe mit ganz anderen Gefühlen und Strebungen, 
als die Wortvorstellung „Fritz umgekommen". Analog 
verhält es sich nun auf der physiologischen Seite. Die 
ähnlichen Reize erregen ähnliche (der Wahrnehmung 
parallel gehende) Gehimprozesse, diese erregen ähnliche 
(der Wortvorstellung entsprechende) zentral motorische 
Prozesse, und diese nun sind assoziativ mit sehr ver- 
schiedenen (der Wortbedeutung entsprechenden) 
Gehirnvorgängen verknüpft, welche sehr verschiedene 
(motorische, vasomotorische u. a.) physiologische Reaktionen 
bedingen. Mögen auch nicht alle Einzelheiten der physio- 
logischen Reihe eindeutig bekannt sein, so sieht man doch 
wohl, daß sie in sich geschlossen sein kann und daß ihr 
Verlauf dem des psychischen Geschehens analog ist. In 
beiden Reihen ^besteht gleichsam eine Stelle, wo infolge 
der Assoziation von ähnlichen Sprachgebilden mit sehr 
verschiedenen Bedeutungen die Reaktion des Individuums 



^) Geringfügige Dissonanzen können stärkste Unlust erregen, 
kleine Fehler eines Gemäldes die ästhetische Wirkung desselben 
unwirksam machen, geringe VorsteUungs- oder Wortunterschiede 
ganz verschiedene Assoziationen oder Gedanken auslösen. 



3. Kritik. 187 

eine andere, eventuell sehr verschiedene Richtung nimmt. 
Das Prinzip des psychophysischen Parallelismus bleibt 
also hier wie auch sonst intakt. 

Schließlich haben wir noch das Wachstum geistiger 
Energie mit dem Gesetze der Konstanz der physischen 
Energie in Einklang zu bringen. Auch hier kann von einer 
Inkongruenz beider Betrachtungsweisen des Organismus 
nicht die Rede sein. Denn zunächst besagt das Konstanz- 
prinzip keineswegs, daß die Menge der einem organischen 
Individuum zur Verfügung stehenden physischen Energie 
sich zu aUen Zeiten gleich bleiben muß. Im Verlaufe 
phylo- und ontogenetischer Entwicklung erfolgt vielmehr 
ein Wachstum organischer Energie (Jodl u. a.) eine 
zunehmende Aufspeicherung potentieller Energien besonders 
im Zentralnervensystem, durch welche dieses zu 
größeren, umfassenderen, potenzierteren Leistungen be- 
fähigt wird. Parallel diesem Wachstum organischer Energie 
erfolgt nun auch ein Wachstum psychischer „Energie" 
oder geistiger Leistungsfähigkeit, „gemessen" durch die 
Intensität und Extensität der geistigen Arbeit, welche in 
der Überwindung von Hindernissen besteht, die der „Ver- 
arbeitung", der Formung und Synthese von Bewußtseins- 
inhalten sich entgegenstellen. Der entwickelte Geist 
vermag viel mehr und viel bessere geistige Leistungen zu 
erzielen als das unentfaltete, undifferenzierte, ärmere 
Bewußtsein. Indem die Seele an ihrer eigenen Entwicklung 
rastlos arbeitet, vermehrt sie ihren Schatz an Energie, 
kann sie immer gehaltvollere Geistesarbeiten verrichten. 
Diese Art des Wachstums geistiger Energie kann gleich 
dem Wachstum organischer Energie mit dem Konstanz- 
prinzip vereinbar sein, wenn man nämlich annimmt, daß 
die in geistiger Arbeit verbrauchten Kräfte eine Art 
Äquivalent in der Summe von geistigen Anlagen und 
erworbenen Fähigkeiten besitzen. In diesem Sinne kann 
man mit Jodl, Münsterberg u. a. das Konstanzprinzip 



288 I^* Wechselwirkung oder ParaUelismus? 

auch auf das seelische Geschehen anwenden. Damit 
scheint aber das von Wundt u. a. formulierte Wachstum- 
prinzip wohl vereinbar. Es können nämlich bei aller 
Konstanz psychischer Gesamtkraft die geistigen QuaKtäten, 
Inhalte, Werte sehr wohl zunehmen, indem durch die 
Synthese relativ elementarer Inhalte ganz neue, 
qualitativ in den Elementen noch nicht enthaltene 
Inhalte und Werte geschaffen werden. Das Prinzip 
der „schöpferischen Synthese**, welches für alle geistige 
Kausalität charakteristisch ist, bezieht sich auf den quali- 
tativen Inhalt, dessen Entfaltung zu immer neuen Gebilden 
in keinem Widerspruch zur Konstanz physischer und 
organischer Energie steht; bei gleichbleibender Größe 
dieser Energie „können die in ihr repräsentierten Werte 
und Zwecke von sehr verschiedener Größe sein" (Wundt, 
Grundr. d. Psychol. S. 377 f.; Syst. d. Phüos.^ S. 304 ff.; 
Log. n« 2, 275 f.; Vorles. ^ S. 334 ff.; Phüos. .Stud. X, 
112 ff.). — 

Nirgends und in keiner Beziehung wird also durch 
das ParalleKsmusprinzip der Eigengesetzlichkeit des 
Geistes Abbruch getan. Im Gegenteil, die llieorie des 
psychophysischen Parallelismus auf erkenntniskritisch- 
monistiseher Grundlage ermöglicht erst die volle und 
ungeschmälerte Berücksichtigung des Wesens und der 
Gesetzlichkeit des Geistigen, ohne die methodologisch- 
erkenntniskritisch geforderte Konsequenz und Geschlossen- 
heit der naturwissenschaftlich-abstrakten Erkenntnisweise 
im geringsten zu gefährden. Die parallelistische Theorie 
ist durchaus nichts „Künstliches", sie macht den Zusammen- 
hang des Psychischen und des Physischen so klar, als es 
die Natur der Sache erlaubt Sie gibt dem Geistigen, was 
des Geistes ist, dem Physischen, was des Körpers ist, 
ohne die empirisch -phänomenale Dualität äußerer und 
innerer Betrachtungsweise des Wirklichen zu ignorieren 
und ohne der Eigenart und Gesetzlichkeit der psy- 



3. Kritik, 189 

chischen und der physischen Daseinsweise der Dinge etwas 
zu nehmen. Mit der größten Strenge bezüglich reinlicher 
Auseinanderhaltung der beiden Gesichtspunkte 
empirischer Erkenntnis vereinigt sie die eifrigste Bemühung, 
diese methodisch isolierten Gesichtspunkte zur Einheit 
der vollständigen Erkenntnis, der wissenschaftlich 
verarbeiteten Gesamterfahrung zu verknüpfen, wobei sie 
letzten Endes die metaphysische Ergänzung der 
Tatsachen zu Hilfe nimmt, ohne aber mit Metaphysik 
anzufangen; ihre Grundlage ist vielmehr rein methodo- 
logisch-erkenntniskritischer Art. Die vermeintliche 
„Wechselwirkung" zwischen Geist und Materie weiß sie auf 
Wechselbeziehungen zwischen bewußtem und „unbewußtem" 
(und „unterbewußtem"), geistigem und sinnlichem Seelen- 
sein, welche sich in inter- und intraindividuellen Wechsel- 
wirkungen physischer Art manifestieren, zurückzuführen. 
In diesem Sinne gibt die parallelistische Theorie auch 
das Bedingtsein physischer Phänomene durch psychische 
Prozesse zu, ohne aber die letzteren als phänomenale 
Ursachen, als Glieder der physischen Kausalreihe an- 
zuerkennen. Nur insofern sind alle, insbesondere die 
organischen Phänomene psychisch „mitbedingt", als sie 
eben Erscheinungen, Objektivationen, der Ausdruck „trans- 
zendenter Faktoren" sind, deren Qualität als „psychisch" 
wir bei uns selbst unmittelbar kennen und die bei den 
anderen Wesen von uns als der uns bekannten mehr oder 
weniger analog gedacht wii'd. Die gesamte Eeihe physischer 
Phänomene ist in sich abgeschlossen, zugleich aber hat 
sie in der ebenso geschlossenen Eeihe psychischer Faktoren 
ihren ontologischen Grund und sie ist letzten Endes nur 
aus diesem „Innensein" sinnvoU zu verstehen. In der 
Biologie zeigt sich die Notwendigkeit, psychische Faktoren 
zum Verständnis des Lebens und der Entwicklung heran- 
zuziehen, um so mehr, als „Leben", „Organisation", 
„Entwicklung" formale Begriffe sind, die den beiden 



190 IV. Wechselwirkung oder Parallelismus? 

Betrachtungsweisen der Wesen gemeinsam angehören 
und daher eine doppelte Interpretation erfordern, deren 
jede aber in ihrer Art und auf ihrem Gebiete konsequent 
sein muß. Die Psychologie und die Geisteswissenschaften 
vollends wenden ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse 
vorwiegend demjenigen zu, was dem menschlichen Leben 
erst einen Sinn und Wert gibt, also dem eigengesetzlichen 
Zusammenhange des Innen- oder Für sich-Seins des Wirk- 
lichen, wie er aus dem Gesichtspunkt der unmittelbaren 
Erfahrung und Erkenntnisweise sich darstellen und metho- 
disch konstruieren läßt. 

Um jedem Mißverständnis zu begegnen, sei nochmals 
betont, daß der psychophysische Parallelismus, wie er 
methodologisch - erkenntniskritisch aufzufassen ist , keine 
metaphysische Weltanschauung ist, welche einen realen 
Dualismus selbständiger psychischer und physischer Prozesse 
lehrt, die einander parallel gehen und zugleich in un- 
begreiflicher Weise in genauester Weise miteinander 
korrespondieren. Man kann sich vielleicht mit einem 
dualistischen Parallelismus als vorläufiger psychophysischer 
Formulierung des Verhältnisses von Leib und Seele 
begnügen und im Sinne des Agnostizismus alles weitere 
ablehnen, aber als endgültige Weltanschauung kann eine 
dualistische Parallelismuslehre nur sehr wenig bestechen. 
Der echte, brauchbare, haltbare Parallelismus ist nur der 
spiritualistisch fundierte oder höchstens noch der Parallelis- 
mus zweier Erscheinungsweisen eines an sich Unerkennbaren. 
Wir bekennen uns zu dem spiritualistisch fundierten 
Parallelismus, nach welchem das eine Wirkliche in 
seiner unmittelbaren Wirklichkeit, Wirksamkeit 
nnd in seiner Selbstauffassung Seele, dagegen als 
objektive Erscheinung, als Gegenstand mittel- 
barer, d. h. sinnlich vermittelter und naturwissen- 
schaftlich-abstrakter Erkenntnis, Leib ist. Im 
vollsten Gegensatze steht diese Art des „Parallelismus" 



3. Kritik. 191 

zum materialistisclien Halbparallelismns, nach welchem 
das Psychische nichts ist als der an sich unwirkliche und 
unwirksame Abglanz, der Schatten, die Nebenerscheinung 
physischer Prozesse, die ontologisch oder wenigstens 
methodisch realer und aktualer seia sollen. Soweit die 
Vorwürfe, denen die parallelistische Theorie ausgesetzt 
ist, nicht den metaphysisch-dualistischen Parallelismus oder 
unzureichende Formulierungen und Begründungen des 
kritisch-monistischen Parallelismus treffen, gelten sie für 
die materialistisch gefärbte Parallelismustheorie. Was dann 
von diesen Vorwürfen noch bleibt, das ist, wie wir es 
dargetan zu haben hoffen, unberechtigt.^) 



*) vgl. zu dem Ganzen: L.W. Stern, Person u. Sache I; 
A. Ran, Der moderne Panpsychismus 1901; AI. Pf &n der, Einführ. 
in d. Psychol. 1904; J. Geyser, Grundlegung der empir. Psychol. 
1902; H. Swoboda, Studien zur Grundleg. d. Psychol 1905; 
P. Schulz, Gehirn u. Seele 1906. 



V. Das Problem der Unsterblichkeit. 



1. Die neueren Unsterbllchkeitstheorien. 

(Lotze. Fechner. Wundt.) 

Nach der Spaltung der Hegeischen Schule in eine 
theistische, theologisierende Rechte, eine gemäßigte pan- 
entheistische Mitte und eine radikale, pan- und atheistische 
Linke sehen wir die ünsterblichkeitslehre in drei Haupt- 
typen verbreitet. Die eine Eichtung ist der Glaube an 
eine persönlich individuelle Unsterblichkeit, sei es der 
rein immateriellen Seele, sei es des mit einem „Ätherleib" 
umgebenen „transzendentalen Subjekts".^ Eine andere 
Eichtung vertreten jene, welche entweder keinerlei Un- 
sterblichkeit als die der Kraft oder des StofEes annehmen 
(L. Büchner, Czolbe, Haeckel u. a.) oder auch betonen, 
der Mensch lebe in seinen Werken und im Gedächtnis 
der Nachwelt fort, der Menschengeist als Gattung habe eine 
das Individuum überdauernde Weiterexistenz (L. Feuer- 
bach, D. Fr. Strauß, Gizycki, Carneri, Mach u. a.). 
Es ist das die Lehre von der unterpersönlichen Un- 



*) Als Vertreter der Lehre von der individueUen UnsterbUchkeit 
des Seelenwesens nennen wir C. H. Weisse, I. H. Fichte, 
M. Carriere, G. Claß, Rohmer, Ranze, Spicker, Kirchner, 
Dorner, J. D. Haber, Thiele, Gatberlet, Hagemann, 
Renouvier a.a., femer Reichenbach, Hellenbach, duPrel, 
Droßbach, Spiller, G. A.Spieß, Flügel u.a. Teüweise ge- 
hören auch Lotze, Fechner u.a. hierher. 



1. Die neueren Unsterblichkeitstheorien. 193 

Sterblichkeit, vom Weiterleben bloß der psychisch-physischen 
Elemente des Menschen. Endlich gibt es noch Anhänger 
einer „Theorie" der überpersönlichen Unsterblichkeit, 
welche in verschiedener, bald mehr individualistischer, 
bald mehr nniversalistischer Weise von einem Fortleben 
des Geistes im göttlichen Allgeist spricht (Lotze, Planck, 
Wundt, E. V. Hartmann, Fechner, Bruno Wille, 
Eenan, Schuppe, Münsterberg u. a.: Unsterblichkeit 
des allgemeinen, zeitlosen Bewußtseins, welches allen 
Seelen immanent ist). 

Als besonders charakteristisch für verschiedene Stufen 
des Fortschrittes der traditionellen zu einer geklärteren 
Unsterlichkeitslehre— die freilich schon bei älteren Denkern 
vorgebildet erscheint — greifen wir die Ideen heraus, 
welche Lotze, Fechner und Wundt in bezug auf das 
Unsterblichkeitsproblem entwickelt haben. 

Lotze betont ausdrücklich, die persönliche Unsterb- 
lichkeit sei nicht beweisbar, sei überhaupt kein Gegenstand 
rein theoretischer Entscheidung. Die Seelen sind „Posi- 
tionen", gleichsam Ausstrahlungen des göttlichen Absoluten, 
die, einmal geschaffen, mit relativer Selbständigkeit 
als „Zentralmonaden" von Organismen wirken. An 
und für sich ist die Vergänglichkeit individueller Seelen 
wohl denkbar, indem es als möglich erscheint, daß das 
Absolute seine „Positionen" zurücknimmt. Es kann aber 
sehr wohl sein, daß dies nicht geschieht oder daß nur ein 
Teil dieser Positionen „zurückgenommen" wird. Welcher 
Teil? Wir wissen es nicht, aber man darf glauben, alles 
was einmal entstanden ist, werde ewig fortdauern, sobald 
es für den Zusammenhang der Welt einen unveränderlichen 
Wert hat; aber es werde selbstverständlich wieder aufhören 
zu sein, wenn dies nicht der Fall ist. Oder etwas anders 
formuliert: „Ist in der Entwicklung eines geistigen Lebens 
ein Inhalt realisiert worden von so hohem Werte, daß er 
in dem Ganzen der Welt unverlierbar erhalten zu werden 

Bisler t Leib und Seele. 13 



194 ^* ^^ Problem der Unsterblichkeit. 

verdient, so werden wir glauben können, daß er erhalten 
wird.'' Freilich fügt Lotze hinzu, „dieser Grundsatz ist 
in unseren Händen ganz unanwendbar: wir können uns 
nicht vermessen, zu sagen, worin die Verdienste bestehen 
könnten, die diese Dauer rechtfertigen, oder worin der 
Mangel, der sie unmöglich macht'' (Mediz. PsychoL S. 164; 
Grundz. d. Psych.* S. 74; Metaphys.« S. 487). 

Phantasie voller ist die Unsterblichkeitstheorie Fech- 
n er s. Nach ihm ist der Tod nur „ein rascherer und plötz- 
licherer Wechsel des Leibes und damit das schnelle Er- 
steigen einer neuen Lebensstufe" (Über d. Seelenfrage S. 120), 
ein Aufhören des sinnlichen Anschauungslebens (Zend-Avest 
n, 191). Das Jenseit ist nicht eine besondere Welt, welche 
vom Diesseit schroff geschieden ist, sondern es ist nur 
„die Erweiterung des diesseits schon in Gott geführten 
Lebens" (Die Tagesans. S. 39). Nach dem Erlöschen des 
in sinnlicher Anschauung befangenen Lebens folgt ein 
Erinnerungsleben im höheren, umfassenderen Geiste, im 
göttlichen Allgeiste. Aber die Seele ist dknn nicht bloßes 
Erinnerungsbild in Gott, sondern hat in ihm ein Fiir-sich-Sein, 
ein Eigenleben und hat Anteil am göttlichen Selbstbewußt- 
sein. Was die Individualität der Seele während des 
Lebens bildet, geht nicht verloren. Vielmehr lebt jene 
im „Tatenleibe" der Seele fort, d. h. in dem für Gott als 
Individualität erkennbaren Ganzen der von der Seele im 
Leben ausgegangenen psychischen Wirkungen, welche von 
außen als physische Teilprozesse der Welt erscheinen. 
Der umfassendere Geist nimmt die individuellen Geistes- 
formen in sich zurück und verwertet sie in neuerer Weise 
als Glieder seines und letzten Endes des Allorganismus, 
in welchem eine Gemeinschaft der Geister besteht (Die 
Tagesans. S. 41; Zend-Av. ü, 191 fE.; Das Büchlein vom 
Leben nach dem Tode S. 47 ff.). Ähnlich lehren Paulsen 
(Einl. in d. Philos.« S. 250), Laßwitz (G. Th. Fechner 
S. 62, 187 f.), Bruno Wille (Lehre vom „Tatenleib" in: 



1. Die inneren Unsterblichkeitstheorien. 195 

Offenbarungen des Wacholderbaums ü, 49 u. ff.) u. a. 
Ähnlicli sagt auch Renan: „In dem Gedächtnisse Gottes 
sind die Menschen unsterblich," und: „Das menschliche 
Leben zeichnet wie eine Zirkelspitze durch seine moralische 
Kehrseite eine kleine Furche in den Schoß der Unendlich- 
keit" (Dialoge und Fragmente S. 101 fl.).^) 

Nach E. V. Hart mann ist nicht das einzelue Ich, 
sondern das allen Ichs zugrunde liegende eine Subjekt, das 
„Unbewußte", unsterblich (Thilos, d. Unbew. * S. 707; vgl 
Drews,' Das Ich S. 299fE.). Nach Schuppe u. a. ist das 
allgemeine, zeitlose Bewußtsein, welches allen Ichs imma- 
nent ist, unsterblich; Tod und Geburt „betreffen nur die 
Konkretion des einen, in allen identischen Bewußtseins 
überhaupt in einem Leibe" (Grundz. d. Ethik S. 393 ff.). 

Wundt bekämpft den.Hedonismus, der sich im Un- 
sterblichkeitsglauben vielfach findet. Dieser egoistische 
Hedonismus, der in erster Linie nach einer Fortsetzung 
des individuellen Seins über das Leben hinausstrebt, kann 
nicht berechtigt sein, nichts spricht dafür, daß ein solcher 
egoistischer Grund die Unsterblichkeit wahrscheinlich 
macht. In der geläuterten Unsterblichkeitsidee darf der 
Wunsch nach Genuß subjektiver Unsterblichkeit nicht der 
Vater des Unsterblichkeitsgedankens sein. Übrigens könnte 
die von den Monadologen angenommene einfache Seelen- 
substanz, welche den Tod tiberleben soll, den Wunsch nach 
Erhaltung des individuellen Ichs mit seinen Erinnerungen 



*) Heymans hält die Vermutungen Fechners für berech- 
tigt, betont aber, eine Unsterblichkeit des Individuums im strengen 
Sinne des Wortes sei damit nicht gegeben. „Denn so wie unsere 
Erinnerungskomplexe zwar die zugrunde liegenden V^Tahmehmungen 
überdauern, sich jedoch gegen andere psychische Inhalte viel weniger 
scharf abschließen als diese . . ., so ist auch von den individueU- 
menschlichen Bewußtseinen anzunehmen, daß sie nach dem Tode 
nicht mehr durch eine gleich tiefe Kluft wie im Leben voneinander 
getrennt sein werden" (Einführ, in d. Met. S. 846 f.) 

13» 



196 ^' ^^ Problem der Unsterblichkeit. 

USW. nicht wahrhaft befriedigen. „Eine ans allen ihren 
Verbindungen gelöste einfache Seele entbehrt der Be- 
dingungen, anf denen die Erhaltung des Selbstbewußtseins, 
also das Dasein eines persönlichen Lebens beruht'' Ein 
Postulat, eine „transzendente Idee'' ist zunächst nur die 
fiberpersönliche Unsterblichkeit, die Erhaltung geistiger 
Werte, die Unzerstörbarkeit aller geistigen Schöpfungen. 
An Stelle der Vergeltungsidee, der Idee ausgleichender 
Gerechtigkeit tritt der Gedanke in den Vordergrund, „daß 
die erstrebten und erreichten sittlichen Gfiter nicht dem 
Untergang preisgegeben sein können, daß also jeder für 
unsere empirische Betrachtung vergängliche Zweck einem 
unvergänglichen Zweck dienen solle." Diese Idee des 
unvergänglichen Wertes sittlicher geistiger Güter führt 
nun zur „Überzeugung von der ünvergänglichkeit des Geistes 

in dem Sinne , daß, weil der Geist selbst nur als 

unablässiges Werden und Schaffen zu denken ist, jede 
geistige Kraft ihren unvergänglichen Wert in dem Werde- 
prozeß des Geistes behauptet. Unter dieser Voraussetzung 
müssen nun notwendig alle Bestandteile der geistigen Ent- 
wicklung, das individuelle persönliche Leben ebenso wie 
die geschichtlichen Gestaltungen des Gesamtgeistes, an 
jenem unvergänglichen Zweck teilnehmen" (Syst. d. Phüos. * 
S. 670«.). 

2. Wahrscheinlichste Lösung des Problems. 

Zweifellos ist das Problem geistiger Unäterblichkeit 
ein metaphysisches Problem, welches sich einer end- 
gültigen Lösung entzieht. Wir können nicht mit absoluter 
Bestimmtheit sagen, was aus unserer Seele nach dem Tode 
wird, nicht mit Sicherheit wissen, in welcher Form und 
in welchem Grade der Bewußtheit die Seele nach der Auf- 
lösung des Organismus weiter existieren mag. Versuche, 
die persönliche Fortdauer des Seelenseins irgendwie be- 



2. Wahrscbeinlicbste Losung des Problems. 197 

greiflich zu machen, können, so geistreich und phantasie- 
voll sie oft sind, wohl einen gewissen Glauben an die 
Möglichkeit der Sache erwecken oder bestärken, kaum aber 
einen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erzeugen, als 
es nötig wäre, um den vernünftig fundierten Glauben zum 
Bange einer wissenschaftlichen Theorie zu erheben. 

Wir haben in früheren Ausführungen die Annahme 
einer einfachen, substantiellen Seele, welche mit dem Leibe 
nur äußerlich verbunden ist, als unnötig und in ihren Kon- 
sequenzen schwer begreiflich abgelehnt. Gesetzt aber, es 
wäre die Seele eine solche immaterielle Monade sub- 
stantieller Art, so könnte sie freilich unsterblich sein, 
wenn sie es auch, wie Kant, Lotze u. a. dargetan haben, 
nicht sein müßte. Höchstens aber könnte sie ihrer Sub- 
stanz nach, also als geistiges Kraftzentrum unsterblich sein. 
Der gesamte Inhalt ihres Bewußtseins, den sie während 
des Lebens im Verkehre mit der Außenwelt und mittels 
ihres Organismus erworben, in sich entfaltet hat, zeigt 
sich in seinem ungestörten Bestände so abhängig von 
einem normalen Funktionieren des lebendigen Organismus, 
daß es nur auf sehr künstliche Weise gelingt, die Möglich- 
keit einer Portdauer des „empirischen" Ichs, d. h. der im 
Leben entwickelten Individualität der Seele mit ihren be- 
sonderen Erlebnissen und Erinnerungen, plausibel zu machen. 
Man müßte sich etwa denken, daß die den Leib über- 
dauernde Seele eine Summe von Dispositionen besitzt, 
welche durch irgendwelche Anreize zu aktuellen Erinne- 
rungen an ihre frühere Daseinsform werden können.^) Der 
Tod würde dann nur die Aufhebung des Bandes zwischen 
Seele und Außenwelt bedeuten oder eine neue, etwa freiere 
Form der „Verleiblichung" der Seele, ein Freiwerden 



1) vgl. Beneke, Lehrb. d. Psychol. § 340 ff., Syst. d. Metaphys. 
S. 456ff.; J.H. Pichte, Anthropol. S. 317ff.; Kirchner, Psychol." 
S. 140 f. u. a. 



198 V. Das Problem der Unsterblichkdt. 

von den Banden der sinnlichen Organisation, einen Auf- 
schwung zu reinerer, geistigerer Schaumig des Univer- 
sums — so wie es sich seit Plato viele Philosophen und 
Theologen gedacht haben. 

Eine solche persönliche Unsterblichkeit wäre also wohl 
denkbar, wenn es wirklich einfache und immaterielle Seelen - 
Substanzen gäbe. Da aber gegen die Existenz solcher 
Seelenwesen sehr vieles spricht, können wir von einer 
solchen Fassung des UnsterblichkeitsbegrifFes keinen Gre- 
brauch machen. Vielleicht aber wird sich zeigen, daß 
diese Fassung doch etwas Haltbares einschließt. 

Wir gehen, um eine Stellung zum Unsterblichkeits- 
problem zu gewinnen, von der identitätsiheoretisch-paralle- 
listischen Formulierung des Verhältnisses von Leib und 
Seele aus. Wir haben gesehen, daß es sehr wohl be- 
gründet und berechtigt ist, alles Physische als Erscheinung 
oder Objektivation eines an und für sich Psychischen oder 
Seelenartigen, eines „Innenseins" zu deuten, ohne es da- 
mit einzelwissenschaftlich „erklären" zu wollen. Ver- 
schiedenen Formen und Entwicklungsstufen des materiellen, 
phänomenalen Seins und Geschehens entsprechen ver- 
schiedene Formen, Arten und Grade des psychischen 
Innenseins. Den Elementen, in welche sich der mensch- 
liche wie jeder andere Organismus gliedern läßt und in 
welche er nach dem Tode zerfällt, können nur primitive, 
undifferenzierte „Psychoide" entsprechen. Die besondere 
Art des menschlichen und weiter des individuellen Bewußt- 
seins ist das psychische Korrelat zu der eigentümlichen 
menschlich-individueUen Organisation des Leibes. Insofern 
nun das Bewußtsein eines Menschen das Innensein dessen 
ist, was an ihm „Organismus", „Menschheit", „Individuum** 
oder „empirisches Ich" ist, kann es in der ihm eigentüm- 
lichen, einen bestimmten Inhalt aufweisenden Form nicht 
mehr mit individuell-personaler Existenz weiterbestehen, 
wenn einmal der dazu gehörige Organismus zerstört ist» 



2. Wahrscheinlichste Lösung des Problems. 199 

So viel Schein, so viel Hindeutung aufs Sein — einem ein- 
schneidenden Wechsel in der Beschaffenheit des physischen 
Phänomens muß ein ebenso bedeutsamer Wechsel im psychi- 
schen Innensein des Dinges entsprechen, parallel gehen. 
Es ist nicht denkbar, daß dasjeiuge, was der objektiven 
Erscheinung zugrunde liegt, noch in seiner Form weiter- 
besteht, wenn das Objektbild, welches ihm phänomenal ent- 
spricht, nicht einmal der Möglichkeit nach mehr existiert. 
Nicht etwa, weil die Seele nur* ein Produkt des leiblichen 
Organismus ist, wie es der Materialismus annimmt, gibt 
es keine individuelle Unsterblichkeit substantieller Art, 
sondern umgekehrt, weil der Leib nur die objektiv-phäno- 
menale Daseins- oder Betrachtungsweise desselben Wirk- 
lichen, was für sich Seele ist, bedeutet. Mit dem Zerfalle des 
Organismus in seine Bestandteile muß auch eine Auflösung 
des „empirischen Ich", der menschlichen Individualität 
ihrem Innensein nach, einhergehen. Ein Wesen, welches 
nach dem Tode weiter will, denkt, vorstellt, sich erinnert, 
fühlt usw., in der Weise, wie es mittelst der psychisch- 
physischen Organisation allein möglich war, nun aber 
ohne diese Organisation, ohne Sinne, ohne intrapsychische 
Verbindungen und dgl., ein solches Wesen ist ein Ge- 
spenst, aber kein wahrhaft philosophischer Begriff. 

Zunächst können wir also nur eine unterpersön- 
liche Unsterblichkeit konstatieren, denkend setzen, näm- 
lich die Fortdauer jener psychischen, innerlichen Zustände, 
welche' den Elementen eigen ist, in welche der Organis- 
mus nach dem Tode zerfällt. Ebensowenig wie das Physi- 
sche, Materielle, Objektive als Prinzip jemals entstehen 
oder vergehen kann, ebensowenig wie Stoff, Kraft, Energie 
zu nichts werden kann, ebensowenig ist es denkbar, daß 
das Psychische als solches, als Innerlic&keit, Für sich-Sein, 
Subjektivität, als „An sich" dessen, was als physisch er- 
scheint, jemals vernichtet werden könnte. Das Psychische 
ist ein Weltprinzip, ein ewiges Korrelat des Physischen, 



200 V. Das Problem der Unsterblichkeit! 

sich parallel mit diesem entfaltend, aber nicht durch dieses 
erzeugt. Aller Wechsel im Physischen, Materiellen läßt 
das Materielle selbst konstant bestehen. Ebenso betrifft 
alles Bewußtseinsgeschehen nur den Wechsel der besondern 
Art des Psychischen, ohne dieses selbst als Prinzip zu 
alterieren. So wie jedes physische Geschehen eine Modi- 
fikation des universalen Körperseins ist, so läßt sich jedes 
psychische Einzelgeschehen als Modifikation und Moment 
der universalen Geistigkeit auffassen. In stets neuen 
Formen und Besonderungen tritt das Psychische auf, in 
allem Wechsel aber sich als Totalkraft erhaltend und 
setzend. Nach dem Tode des Menschen existiert also, 
wie nach dem Zerfall eines jeden Dinges, das Psychi- 
sche in elementarer Weise, als Innensein der 
anorganischen Körperelemente und ihrer Ver- 
bindungen, weiter. Der Zerfall des Organismus ist 
aber nicht von besonderen GeftLhlen begleitet, weil die 
Einheit des Ichs, die eine Bedingung solchen gefühls- 
mäßigen Reagierens ist, mit dem Moment des Todes auf- 
gehört hat.^) 

Gibt es demnach auch keine persönliche Unsterblich- 
keit im Sinne einer substantiellen Erhaltung des Einzel- 
ichs, so hat doch wohl das Persönliche Anteil an der 
Fortdauer geistiger Werte. Es gibt nichts, was das Ich 
gefühlt, gedacht, erstrebt hat, was nicht in den Wirkungen 
des Individualgeistes auf andere Geister niederer und 
höherer Art irgendwie weiterlebt, weiterwirkt. Jedes 
individuelle Sein bestimmt und beeinflußt die Umwelt als 
ein Kraftzentrum besonderer Art, es strahlt damit gleichsam 
sein Eigenwesen in die Dinge, in die Welt hinein, es ver- 
ewigt sich in seinem Wirken, in seinen Wirkungen. Vom 
Standpunkte des psychophysischen Parallelismus ist dieses 



^) Damit erledigt sich das von Busse (Geist u. Körper S. 375 f.) 
Vorgebrachte. 



2. Wahrscheinlichste Lösung des Problems. 201 

Sich- Verewigen objektiv-phänomenal eine physische Beein- 
flussung der physischen Umwelt, subjektiv-innerlich aber 
ein Aufprägen der eigenen seelischen Individualität im 
Wirken auf das seelische Innensein der Welt. Betrachten 
wir jetzt nur die Menschenseele, so können wir sagen: 
die Eigenart jeder Individualpsyche geht, mehr 
oder weniger merklich und bedeutsam, in die Hand- 
lungen und Schöpfungen der Seele ein und wird 
dadurch, daß fremde Geister momentan oder kon- 
stant im Sinne dieser Handlungen und geistigeÄ 
(logischen, ethischen, ästhetischen, technischen 
usw.) Gebilde geformt, beeinflußt werden, stabili- 
siert, verewigt. Ja, alles Leben kann als ein Prozeß 
der Verewigung einer Sonderart geistiger Entfaltung auf- 
gefaßt werden. Nicht in substantiell-individueller Weise, 
wohl aber in aktualer, dynamischer Form besteht die 
Eigenart jedes lebendigen Wesens in allem, was unter der 
Einwirkung dieser Wesen gestanden hat, fort, und zwar 
in der untermenschlichen Welt in nur relativ un- 
bewußter Weise, im Menschen, in der Nachwelt 
aber mehr oder weniger klar bewußt. „Es kann die 
Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehen" 
— das gilt, auch wenn die Menschheit, in deren Gedanken 
die Individualität fortlebt, nicht mehr sein wird, auch wenn 
es keine Erde mehr geben sollte, das gilt für alle Ewig- 
keit; denn das Fortwirken der Eigenart eines Wesens 
kann nie und nirgends aufhören, niemals unterbrochen 
werden, alles Künftige und Fernste muß davon irgendwie, 
nicht bloß phänomenal, materiell, sondern auch an sich, inner- 
lich, geistig tangiert werden, muß von ihm Kunde geben, für 
den Geist, der alles durchschauen und zusammenschauen 
kann, für den Allgeist. Zwar ist nicht das Individuum 
unsterblich, es ist entstanden und ist vergänglich und „wert 
daß es zugrunde geht", aber die Individualität des Seins 
hat gleichsam ihre Projektion im „Tatenleibe", ist ewig 



202 V* ^^ Problem der Unsterblichkeit. 

einbeschlossen in das Getriebe des Weltengeschehens, ist 
ein unaustilgbares Glied des Allzusammenhanges. Einmal 
als „Erinnerung" im Allgeiste, dessen überzeitUches All- 
bewußtsein in zeitloser Weise alles einschließt, was jemals 
war und sein wird, dann aber auch im lebendigen Wirken 
am Weltgetriebe, als ein aktual-dynamisches Moment im 
Weltsysteme und dessen innerer Einheit. Ein eigenes 
Selbstbewußtsein freilich im Sinne des Wissens um die 
eigene Individualität können wir dem, was von der Per- 
sönlichkeit dauert, nicht wohl zuschreiben, mag es auch 
ein Moment, einen Inhalt des göttlichen Allbewußtseins 
bilden. Eine höhere Stufe nimmt die Seele nach dem 
Tode nur insofern ein, als alles Seelische an der immer 
reicheren Entfaltung des Weltinhaltes dynamisch mitbe- 
teiligt ist und in dessen höhere Formen eingeht. Zu immer 
neuen Formen und Gebilden wird das psychische Einzel- 
geschehen vom Allbewußtsein verwertet, welches die 
seelischen Formen in sich erzeugt und wieder in 
sich zurücknimmt, um in ewiger Schöpferkraft 
stets neue Formen in sich zu setzen. 

Man kann also in gewissem Sinne sagen j das selb- 
ständige Individuum vergeht, die Individualität besteht. 
Lange nachher, wenn jener individuelle Bewußtseinszu- 
sammenhang, den wir das Individuum nennen, angehört 
hat als solcher zu bestehen, wirkt die Eigenart des Ichs 
noch im Weltgetriebe aktiv mit. 

Und nun kommen wir zur überpersönlichen Un- 
sterblichkeit, die eigentlich nur die Betrachtung der bisher 
besprochenen Formen der Unsterblichkeit „sub specie aeter- 
mitatis", also im Sinne der überzeitlichen Zeitlosigkeit und 
Einheit des Allgeistes ist. jede Einzelpsyche ist ein relativ, 
selbständiger und wirksamer Konzentrationspunkt des, der 
Allheit des Universums als zeitloser Urgrund immanenten 
Allgeistes. Die primäre Einheit, welche jedes psychische 
Einzelgeschehen schon bedingt und welche die Mannig- 



2. Wahrscheinlichste Lösung des Problems. 203 

faltigkeit aller wirklichen und möglichen Bewußtseinsinhalte 
synthetisch verknüpft, sie zu Momenten eines umfassenden 
und unendlichen Bewußtseinszusammenhanges macht, diese 
pjimäre Einheit ist letzten Endes, metaphysisch betrachtet, 
die Funktion des absoluten Geistes, dessen Un- 
endlichkeit und Ewigkeit erst dadurch zur Greltung kommt, 
daß er sich in einer unendlichen Pulle von Einzelgeistem, von 
psychischen Kraftzentren setzt, welche alle, wieLeibniz 
sagt, das Universum gleichsam „abspiegeln" und vertretend 
darstellen, als Mikrokosmen, in denen Gott alles, was in der 
Welt geschieht, symbolisch ablesen könnte. Insofern jedem 
„Punkte" der Welt die Einheit des Allgeistes 
dynamisch-aktual immanent ist, eine Einheit, die 
durch nichts zerfällt, die in keiner Weise geteilt werden 
kann, weil sie über die Kategorie der Quantität und Zahl 
erhaben ist, insofern jedes Einzelbewußtsein eine Aus- 
prägung dieser Einheit ist, das, was man als das allen 
gemeinsame „Selbst" (Indische Philosophie), als den 
„tätigen Intellekt" (Aristoteles, Averroös u. a.), als die 
„unendliche Vernunft" (intellectus infinitus: Spinoza),^) als 
das „Absolute" (Pichte, Schelling, Hegel, E. v. Hart- 
mann TL a.), als das „Allbewußtsein" (Pechner, Schupp e, 
Bergmann, Lipps u. a.), als den „Weltwillen" (Wundt 
u. a.) usw. bezeichnet hat , gibt es eine überpersönliche, 
zeitlose Unsterblichkeit, ein ewiges Sein in Gott oder de? 
Göttlichen in uns. Unsterblichkeit im höchsten Sinne ist 



^) Nach Spinoza ist der menschliche Geist unsterblich, indem 
er sich und sein objektives Korrelat ,,sub specie aetemitatis", als 
zeitloses Moment in der göttlichen „Substanz*' auffaßt, in welcher 
von dieser objektiven Außenseite eine ewige , Jdee*' besteht. „Quam- 
vis non recordemur nos ante corpus exstitisse, sentimus tamen men- 
tem nostram, quatenus corporis essentiam sub aetemitatis specie 
involvit, aeternam esse et hanc eius existentiam tempore definiri 
sive per durationem explicari non posse" (Ethica V. prop. XXIII). 
Als ewiger Gedanke Gottes ist jeder Mensch im zeitlosen Sinne un- 
sterblich. 



304 ^- ^^ Problem der Unsterblichkeit. 

also das in Gott beschlossene, in ihm gesetzte zeitlose 
oder überzeitliche Sein bezw. die Teilnahme an diesem 
All-Sein. Eine streng logische Demonstration dieser Art 
Unsterblichkeit ist freilich nnmöglich, hier beginnt schon 
das Gebiet des Vernunftglaubens und einer Mystik, 
die aber nicht in Mystizismus, noch weniger in Mythologie 
ausarten darf .^) 



^) Zu diesem Abschnitte: J. Royce, The Idea of Immortali ty 
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— Köhlerglaube und Wissenschaft. 3. Aufl. Gießen 1855. 
Tolkelt, J., Psychologische Streitfragen. 1893. 

Tolkmann, P.^ Erkenntnlstheor. Grundzüge der Naturwissenschaf ten. 

Leipzig 1896. 
Tolkmann, W* F. Ton Tolkmar, Lehrbuch der Psychologie. 4. Aufl. 

Cöthen 1894 f. -. 

Waddin^n, Die Seele des Menschen. 1880. 

Wagrner, B., Der Kampf um die Seele. 1857. 

Walde, B«, Das Ganze der Philosophie und ihr Ende. Wien 1894. 

— Gehirn und Bewußtsein. Wien 1884. 

— Über die Mechanik des Seelenlebens. Wien 1906. 

Waitz, Th«, Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft. 1849. 

Weifie, €• H«, Psychologie und ünsterblichkeitslehre. Leipzig 1869. 

Wentseher, M., Über physische und psychische Kausalität und die 

Prinzipien des p^ychophysischen Parallelismus. Leipzig 1896. 

— Ethik I. Leipzig 1902. 

— Der psychophys. Parallelism. in der Gegenw. Zeitschr. für 

Philos. Bd. 117. 
Willy, B», Die Krisis in der Psychologie. Vierteljahrsschrift für 

wissensch. Philos. Bd. 2L 
Witte, J«, Das Wesen der Seele. Halle 1888. 
Wollny, F., Der Materialismus. Leipzig 1888. 
Wandt, W., Grundzüge der physiologischen Psychologie. Leipzig 

4. Aufl. 1893. 5. Aufl. 1902 f. 

— Grundriß der Psychologie. Leipzig 1896. 5. Aufl. 19>)2. 

— System der Philosophie. 2. Aufl. Leipzig 1897. 

— Logik. 2. Aufl. Stuttgart 1893—95. 

— Essays. Leipzig 1886. 

— Über psychische Kausalität u. d. Prinzip des psychophys. 

Parallelismus. Philos. Stud. Bd. 10. 



214 Literaturverzeichnis. 

Wundl, W«, Über die Definition der Psychologie. Philos. Stud. 
Bd. 12. 

— Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele. 2. Aufl. 1892. 

3. Aufl. 1897. 4. Aufl. Hamburg und Leipzig 1906. 
Ziegrler, Th., Das Gefühl. 1893. 
Ziehen, Th«, Leitfaden der physiologischen Psychologie. 2. Aufl. 

Jena 1898. 

— Psychophysiologische Erkenntnistheorie. Jena 1896. 

— Über die allgemeinen Beziehungen zwischen Gehirn und 

Seelenleben. Leipzig 1902. 



Autoren-Register. 



Aars 122. 

Adickes 48, 54, 75, 

126, 159, 171. 
D'Alembert 151. 
Aristoteles 5, 0,8, 203. 
Augustinus 5, 6, 106. 
Aveoarius 37 f., 82, 

1041, 129 f. 
Averroes 203. 

Bain 77. 

Baumgarten 125. 

Beneke 73, 197. 

Berger, M. 37. 

Bergmann, J. 11« 48, 
85, 98, 203. 

Bernies, V. 204. 

Bergson, H. 163. 

Biran, Maine de, 125. 

Bonnet 125. 

Brentano 11, 12. 

Broussais 36. 

Büchner 36, 192. 

Buffon 68. 

Burdach 72. 

Busse 11, 12, 2'), 27, 
46, 48, 64, 70, 87, 
112, 113, 111, 115, 
116, 117, 122, 139f., 
149, 161 f. ,165, 168, 
16«), 161, 166f., 167, 



169, 171, 176, 177, 
178, 180, 1^, 183, 
186, 200. 

Cabanis 36. 
Carneri 192. 
Carriere 11, 72, 192. 
Carus, C. G. 72. 
Carus, P. 77. 
Carstanjen 37. 
Cartesianer 112. 
Clauberg 112, 122. 
Cesca 11. 
Clifford 77, 83. 
Claß, G. 192. 
Cordemoy 122. 
Cornelius, H. 129. 
Grusius 126. 
Czolbe 192. 

Demokrit 17, 35. 
Descartes Ti, 6 f., 26, 

36, 112, 119, 122, 

162, 160. 
Despine 87. 
Diderot C8. 
Dilles 90. 
Dilthey 38. 
Domer 192. 
Drews 73, 196. 
Droßbach 192. 



Du Bois-Reymond 63, 

54. 
Dühring 36. 

Ebbinghaus 11, 75, 

122, 150, 163. 
Eisler, Rud. 24, 62. 

64, 89, 176. 
Epikur 36. 
Erdmann, J. E. 72. 
Erhardt 87, 112, 114, 

115, 118, 182, 185. 
Ewald, 0. 65, 105 f. 
Exner, S. 37. 

Fechner 11, 731, 87, 
91, 125, 161, 170, 
176, 192, 193, 194, 
203. 

Feuerbach, L. 40, 192. 

Fichte, J. G. 11, 71, 
107, 203. 

Fichte, J.H. 11, 73, 
130, 192, 197. 

Fischer, J. C. 36. 

Flechsig 60. 

Flügel 192. 

Forel 37. 

Forge, dela 112, 122. 

Fortlage 11, 72. 

Fouillee 177. 

Fries 71. 



216 



Autoren-Register. 



Gasseodi 68. 
Geulincx 112. 122. 
Geyser, J. 191. 
Gizycki 192. 
Glisson 68. 
Goethe 68. 
Goldscheid, R. 61. 
Grot 77. 
Gutberiet 11, 12, 192. 

Haeckel 36f., 68, 192. 

Hagemann 192. 

Hartley 36, 125. 

Hartmann, Ed. v. 62, 
73, 108, 112, 115, 
116, 118, 119, 122, 
130, 152, 155, 160, 
169, 177, 178, 193, 
203. 

Hauptmann, C. 37, 82. 

Hegel 72, 203. 

Heinrich, W. 37 f., 82, 
166. 

Heinroth 72. 

Hellenbach 17, 192. 

Helmholtz 150 f., 152. 

Herbart 9, 10, 95. 112. 

Heymans 54, 76, 90. 
122, 125, 182, 195. 

Hobbes 35. 

Hoffding 77, 115, 125. 

Höfler 87, 112, 114, 
115. 

Holbach 35. 

Huber, J. D. 192. 

Hume U, 107, 131. 

Huxley 87, 77. 130. 

Huyghens 152, 

James 11,46,87.112, 
114, 121. 17U.178, 
180. 204. 



Jerusalem 11, 12, 82, 

114. 
Jodl 11, 78, 125, 171, 

182, 187. 
Joule 152. 

Kant 21. 70, 87, 91. 

107, 141, 175. 197. 
Kassowitz 60. 
Kirchner 192, 197. 
Knutzen 125. 
Kodis 82. 
Koenig, E. 75, 117, 

122, 140, 159, 160, 

161, 176, 177, 182, 

185. 
Kramaf 37. 
Kroell, H. 37. 
Kroman 152. 
Külpe 11, 12, 45, 54, 

87, 112, 114, 117, 

122, 159. 

Ladd 11, 117, 162. 
Lamettrie 35. 
Lassen 73. 
Laßwitz 75. 
Leibniz 7 f., 26, 52, 

69,87,91,97,122!., 

141, 152, 175, 180. 
Lowes 77. 
Lipps 11, 85, 203. 
Locke 35. 
Lotze 10, 26 f.. 44, 

48, 54, 73, 87, 90. 

112, 113, 131, 152. 

159. 175, 185, 192f., 

197. 

Mach,E. 11,39,82!., 
102, 107. 150, 192. 
Malebranche 112, 122. 
Maupertuis 68. 



Mayer, Roh. 150!., 

152. 
Meynert 37. 
Michelet 72. 
Mill. J. St. 11. 107. 
Moleschott 86. 
Münsterberg 32, 37, 

55!., 122, 166, 167, 

183, 187, 193. 

Naegeli 68. 
Natorp 88. 
Noire 68. 

Ok kasionalisten 1 12, 

122. 
Oken 72. 
Ostwald 12, 39, 117. 

150, 155, 159, 160. 

Paulsen 11, 22, 45, 
64, 75, 77, 125, 180. 
182, 186. 

Peters, C. 75. 

Petzoldt 37 f.. 82. 

P!änder 191. 

Pikler 36. 

Planck 193. 

Plato 5. 17. 198. 

Plotin 5. 

Prel, du 192. 

Priestley 35. 

Rau, A 191. 

Regis 122. 

Rehmke 11. 84!.. 87, 

115, 118. 158. 169 

170. 
Reichenbach 192. 
Renan 193, 195. 
Renouvier 192. 
Ribot 11. 87, 125, 130. 
Riebet 37. 
Rickert 38. 85, 171,175. 



Autoren-Register. 



217 



Riehl 45, 49, 77, 125, 
156, 158, 160, 170, 
182. 

Ritter, H. 73. 

Robinet 68. 

Rehmer 192. 

Rosenkranz, K. 72. 

Royce, J. 204. 

Rüdiger 125. 

Runze 84, 192. 

Schelling 71, 125, 203. 
Schiller 125. 
Schleiermacher 72. 
Scholastik 5. 
Schopenhauer 41, 73f., 

108. 
Schubert-Soldern, R.v. 

841, 129. 
Schulz, P. 191. 
Schuppe 19, 84 f., 

981, 203. 
Schwarz, H. 162, 168. 
Sergi 37. 
Sibbern 77. 



Sigwart 11, 112, 113, 
114, 152, 158, 162, 
175, 180, 182. 

Spaulding 117, 177. 

Spencer 125, 126. 

Spicker 192. 

Spieß, G. A. 192. 

Spiller 192. 

Spinoza 11,681, 122, 
178, 203. 

Steffens 72. 

Stern, L. W. 62, 90, 
94, 175, 191. 

Stoa 68. 

Strauß, D. Fr. 192. 

Stumpf 12, 80, 87, 89, 
112,113,1161,130, 
154, 159, 178. 180. 

Suabedissen 72. 

Swoboda, H. 191. 

Taine 77. 

Thiele, G. 11, 192. 
Thomas von Aquino 6. 
Tracy, Destutt de 125. 



Uhici 11. 

Tann6rus 11, 20. 
Volkelt 38. 
Volkmann, P. 119, 162. 
Verworn 125. 

Wähle, R. 39, 59, 61. 

Weisse, C. H. 192. 

Wentscher82,87, 112, 
115, 118, 122, 140, 
159. 169. 

Wille, Br. 75, 193, 194. 

Willy 371 

Witte 11. 

Wolff, Chr. 125. 

Wundt 11, 201, 34, 
59, 63, 75, 781, 88, 
109,117,122,1251, 
149, 150, 166, 171, 
175, 177, 188, 193, 
1951, 203. 

Ziehen37,76,122,168. 
Zöllner 68. 



-<S>- 



Von demselben Verfasser erschien im gleichen Verlag: 

W. Wundfs 

Philosophie und Psychologie. 

In ihren Grundlehren dargestellt von Dr. Rud. Eis 1er. 
VI, 210 S. 1902. Mk. 8.20, geb. Mk. 4.-. 

Pfidagog. Jahresbericht. 

Die Schrift hat den Zweck, die Lehren desselben in ihren 
Grundzügen in einfacher und anschaulicher, leicht faßbarer Form 
in möglichst engem Anschluß an den Wortlaut darzustellen und 
so zu dem Studium der Werke des Meisters hinzuführen und vor- 
zubereiten. Die Beziehungen Wundts zu anderen Philosophen 
sind überall hervorgehoben. 

ZeKsohrift f. Payohologie. 

Es trägt keine Widmung an Wundt, dieses Buch, das kaum ein 
paar Monate vor seinem 70. Geburtstage erschienen ist ; aber es ist 
doch eine Gabe zu diesem Tage, über die sich der greise Gelehrte 
gefreut haben wird. Und auch vielen anderen wird sie willkommen 
gewesen sein, besonders denen, welche die Bedeutung dieses seltenen 
Mannes mehr ahnen als genau zu würdigen in der Lage sind. An 
sie vor allem wendet sich der Verf. 

Ann^e Psyohologique. 

Bon resume de la philosophie de Wundt. L'auteur expose 
clairement les idees essentielles du philosophe de Leipzig sur la 
Psychologie (p. 29 — 84), la theorie de la connaissance (p. 84 — 131), 
la Philosophie generale et la metaphysique (p. 131^194). II donne 
en outre une bibliographie des ouvrages de Wundt. 

Uterar. Zentralblati 

Ref. ist überzeugt, daß das Buch zur Einführung und nicht 
minder (für den Fernerstehenden) zur zureichenden Orientierung 
über W. durchaus geeignet ist. 

Arohiv f. Kriminalanthropologie. 

Wem es daran liegt, die Hauptpunkte in der philosophischen 
Lehre des wahrscheinlich größten Philosophen der Jetztzeit: 
W. Wundts in Leipzig, kennen zu lernen, dem kann obiges 
Werk auf das Allerbeste empfohlen werden. Verf. versteht es, 
die psychologischen, erkenntnistheoretischen und metaphysischen 
Prinzipien Wundts in der Kürze und in der Hauptsache aus- 
gezeichnet wiederzugeben, wobei er. sehr vernünftigerweise, oft 
Wundts eigene Worte anführt. Schön auch ist Verfassers Dar- 
legung der Stellung Wundts anderen Philosophen gegenüber und 
die Würdigung seiner großen Verdienste, besonders daß er als 
Erster auf die Metaphysik die exakte wissenschaftliche Methode 
anwandte. Aber auch etwaige Fehler deutet er an, besonders in 
seiner dankenswerten Zusammenfassung von Wundts Welt- 
anschauung, die zweifellos als eine großartige und so exakt als 
mögliche zu bezeichnen ist. 

Buchdruckerei Robert Noske, Borna -Leipzig. 



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Phil ei14,4 
L*ib und SMie 
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