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»aiümal-füieratitr
X>eutfd?c
Batumat-Xtff Statur
f?iftortfcfy frttifcfye Tlusgabe
Unter ZHittüirfung
Dr. Sdrnolb, Dr. «B. Hälfte, prof. Dr. m. %m(tif, Prof. Dr. rü. ^etfifrein,
prof. Dr. <©. 25cDaoÖeI/ Prof. Dr. ^irlinger, prof. Dr. lg. XSIümner, Dr. ff. SSoöcrtag,
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Dr. <£. iPenbelcr, Dr. (Cfj. SoIIinrj u. a.
herausgegeben
von
3ofept? £ürfcfyner
601 Banö
cEvftc ilbteilimg
Cefftngs IVevte IX. \
Berlin unt» Stuttgart,
Der lag von W. 5p cm an n
Xefftng* Wtxkt
neunter Ceti
(Erfte Abteilung
Q a $ k o o n
l^ercmsgegeben
prof. Dr. % Blümner
Berlin imfc £fittfgarf,
Der lag r>on 2D. Spemanti
Hüe Hedjte oorbefyalten
Drucf uon 8. ©. (Eeubner in £etp3tg
Qmtlcifmuju
i.
CeffingS Sctoloon ersten im 3<xf)re 17G6 in Bertin, moljin Seffing
nadfj feinem meljriäljngetjj 2Cufentf»atte in Breslau, wo er bie ©teile
eine<§ ©efretärS bei Sauenden betteibet fjatte, im Sahire 1765 roieber
übergefiebelt mar. 2tber nur bie enbgültige ©eftaltung be3 SOBetfeS, bie
g-orm, meldte e§ 'fdrjlieftlict) nadr) mannigfaltigen anbern ©ntwürfen erhielt,
ift in biefem, feinem ©rfdjetnen oorausgeljenben 2Sa*)re entftonben; au3=
gearbeitet t)at e§ Seffing im großen unb gait3en bereite in Breslau, in=
mitten ber friegerifdjen Sßirren unb ber 33ureautf)ätigfeit, inmitten einei,
rate e3 ben fjfreunben in ber %tvm erfdfjien, leidEjtfmnigen, mit allerljanb
3erftreuungen Eingebrachten Seben§; unb nocf) beträchtlich roeiter muffen
mir surücfgefjen , roenn mir bie erften Meinte ber ©dtjrift auffliegen
wollen.*) ©3 ift für Seffing felbft fowoljl al§ für ben Saofoon ungemein
6e,3eitt)nenb, roo mir biefe Äeime ,^u fudjen fjaben. 233er nadE) bem SEitel ber
«Schrift ober naef) bem 2tu3gang3punft, meldten biefelbe für ben ©ang ber
Unterfudjung nimmt, glauben mollte, bafj bie Betrachtung uon $unft=
werfen e§ gewefen, weldrje Seffing barauf führte, über bie 0renjen ber
*) StuSfil^rli* f)abc id) bie ©ittfteEjungsgefdjicfrte beS Saofoon befyanbelt in meinet
Ausgabe be3 Saofoon, 2. Slttfl. (Serlin, äBeibmaim 1880), ©mteitmtg S. (57—101.
SefpngS SBcrfe it. a
II ffiefftng imS bas lOtrljäUnts von jMalrrrt ntib tyotnt.
bilbenben .Uunft unb ber 2>id)tfunft 31t refleftieren , mürbe fefjlgc^en.
Äannte Seffing feD&ft 51t ber ftext, ba er ben Saoloon fduüeb, nur eine
nerfjältniömäjjig Heine $at)i tx»irltid^ bebeutenbcr Äunftmerfe (fetbft bie
iraofoongruppe fannte er nur aus 2(bbilbungen, nid)t im Stbgufj), fo fann
3U ber geit, roo mir bte erften ©puren ber Betrachtung ber fünfte unter
jenem ©efid)tspunfte bei ifmt entbed'en, non einer aud) nur einigermaßen
ausreidjenDen Kenntnis ber Äunft im gufammenfjange ber f)iftorifd)en
Gntroidhmg unb in ifjren raidjtigften SHepräfentanten unb ©djöpfungen
fdmiertid) bie 9?ebe fein. SBas tr)tx anjog, mar Ijier mie bei ben meiften
anbera feiner anatntiftfjen llnterfudmngen bas Problem als foIdjjeS; bas
Beftreben, bem nagen §in= unb öerreben, mie es in ben äftfjetifdien
Schriften ber Seitgenoffen über bas Berl)ältnis oon bilbenber Äunft unb
Sßoefie an ber £agesorbnung mar, burd) 2htfftel(ung fefter, aus bem
Sßefen biefer Äünfte fetbft entroidelter ©efe^e unb ©renjbeftimmungen ein
©nbe ju machen, gür feinen fdjarfen • Öetft, rceldjer nid)ts §aI6e§, feine
unflaren unb nerfdniümmenben Segriffe »ertrug, mar es r>on jefjer eine
nerlodenbe 2(ufgabe, r>erraanbte Öebiete, beren ©renjen burd) nermorrene
©pefutation nermifdjt raorben waren, genau nad) if)ren 9?edjten unb 2fru
fprüdjen gegen einanber abjufonbem.; mie im Soofoon mit ber bilbenben
Äunft unb ber 3JMerei, fo fjatte er es fdjon oorfjer gemeinf djafttid) mit
Söienbetsfofyn in ber ©djrift „Bope, ein 9JJetap[)i)ftfer!" mit bem pt)üo=
fopfjifdjen Snftem unb bem bogmatifdjen ©ebtdjt getfjan, in ber ©djrift
über bie ^aid mit ben Sidjtungsformen ber %aUl, bes (Epigramms unb
bem ©mblem; unb fo r)atte er aud) Bereits im 3>af)re 1751 es mit greuben
begrüßt, bafj burd) bie &ogartf)fd)e Beftimmung ber ^Seitenlinie als ber
©djönfjeitslinie bas tuet gebraudjte unb öiel gemißbraudjte SBort fd)ön
nid)t mcf)r bloß ein 2(usbrud" ber Gmpfinbung, foubern aud) bes Senfens
fein rcerbe.
2ßir fönnen es nidjt mit ©tdjerljeit beftimmen, mann juerft in Seffing.
ber Öebanfe, baö 311 jener 3e't ßuf ^er SEagegorbnung ftefienbe Problem
bes Bertjältniffes non Malerei unb Boefte 511 bcfjanbeln, aufgetaucht fein
mag; ja es märe bas fidjerlid) aud) if)m fetbft unmöglid) geroefen, ba
biefer ©ebanfe nid)t auf einmal, fonbern allmätjUd) unb in Berbinbung.
mit anbermeitigen 2lufgaben fid) entmid'elt 31t fjaben fd)eint. Sie Be=
fdjäftigung jebod) mit fragen, rae(d)e biret't in bies ©ebiet gehören, finben
nur bereits in bem Brief roed)fet, roetdjen er in ben gafyren 1756 unb
1757 mit üKenbelsfofjn über bas Srauerfpiet unterhielt. 2tl(erbings ift
es mefentlid) ber tlnterfd)ieb 3roifd)en §elbengebid)t unb £rauerfpiel, roeldjer
ben Snfjalt ^er Briefe bUbet; aber bie ©ishiffton bierüber führte aud)
barauf, bas Ber()a[tnis smifdjen Sidjtfttnft unb Bilbnerei ;u berühren,
unb namentlich mar es 9J!enbeIsfof)n, metd)er, menn aud) of)ne nähere
eigene .Henntnis von ber <2.ad)c, auf ©runb oon SEßincfelmannS ©rftlingä?
iciiviit „Über bie :U'nd)af)mung ber gried)ifd)en SBerfe in ^e^• SCialerei unb
SBilb^auerfunft" auf bie .verabfetumg ber Seibenfc^aften in ber bilbenben
(Einfluß b£6 ßjrlinrr Aufcntljaüs. TU
Äunft fjinrciej) unb fpcsiell bie Saofoongruppe aI3 33eleg hierfür anführte.
(5"ö ift bie gleiche ©teile au§ Sßindelmann, meldje fpäter ben 2tu3gangs>=
punft — freilief; nur ben äußerlichen — für bie im Saofoon niebergelegten
Unterfudfjungen abgeben follte. Ungefähr um bie gleiche 3ett, oa biefer
53rtefiuecf)fel geführt rairb, ift Seffing mit bem (Stubium ber <3d;rift von
2)ubo3 über SJialerei, s$oefie unb SJhtftf befdjäftigt; unb rcenn e§ ftd)
fd;on au§ bem Saofoon felbft ergiebt, baß bie§ 33itcr) nietfaef) für ifm
33eranlaffung mar, barin aufgeteilte Sfjeorieen auf§ neue 51t ermägen ober
ut befämpfen, fo fef;en mir aud), baß es» if;m bereite bamals (1757) 3Ser=
anlaffung giebt, gegen Diicolai über ba§ 33erfeb,rie ber alten £f;eorie,
bie 9tad)a[;mung jum $rtn3ip ber Äünfte 31t machen, ftd; au3jufpred;en
unb auäbrüdlid; e3 ftd; üorjube^alten , ba$ er auf bie 9lad;af;mung unb
auf bie nachgeahmten Seibenfd;aften fpäter mieber jurüdlommen motte.
@§ ift ha$ jebenfattö aud) fpäter, at3 Seffing für einige 3e^ feinen
2J>ob,nfi£ in Berlin aufgefd;Iagen f)atte (1759—1760), gefd)ef;en, mentgftenS
erfahren mir, baß bamatä jtoifdien ifjm, 3Jlofe§ 9JlenbeI§foI}n unb Nicolai
bie Duetten ber fdjönen SBiffenfdjaften unb Äünfte, „fomte oiele anbere
31t biefem ©egenftanbe gehörige Materien" ein b,äuftge§ ©efpräd)§tf)ema
gebilbet Ijaben; unb e3 lann feinem Qmexftl unterliegen, baß bie mefent--
Udjfteu ©runblagen non Seffingä £()eorte ber fdjönen fünfte bereite ba=
mala in ifjm fefte Öeftalt gewonnen unb, mir bürfen e§ raobl fagen,
audj im ©efprädje mit ben greunben, namentlid; mit ÜDienbetsSfofjn, fid)
geflärt f)aben. Selbft bie uielfad; auf ganj anbere @ebiete fid) erftredenbe
litterarifdje £f;ätigfeit jene3 erften, ntdjt einmal langen berliner 2lufent=
I)a(t§ ift für ben Saofoon nid;t of;ne SBebeutung gemefen; bie Sitteratur=
Briefe ueranlaßten tfjn, SBerfe ju befpredjen, in benen ba§ SOerroerflidje
ber poettfdjen Malerei iljm redjt beutlid) cor 2tugen trat; feine 2trbeiten
über ©opfjofleS führten il)n ganä in ben @eift ber f;etteuifd;en Sichtung
unb Senfroetfe ein, eine unerläßliche Sorbebingung für jene bemunbern§=
mürbig fd)arfe ©rfenntmä beg jpomer unb ber £ragifer, bie un§ im
Saofoon überall entgegentritt; unb bie 2tbb,anblung über bie $abel gab
if)m SBeranlaffung , ben begriff ber öanbtung in beftimmter SBeife ju
firteren, roas raieberum ntd;t ofme 33ebeutung mar für bie Definition
be§ 35erf)ältniffeö, meld;e3 bie §anb(ung als ©nmblage fünftlerifdjer 2)ar=
ftellung jur Malerei unb ^poefie I)at.
Sie in ben üorfjergefjenben Sauren burd) eigene^ ©tubium nid;t
minber al§ burd; brieflichen unb münbtid;en $erfef;r mit ben ^reunben
erhaltenen 2(nregungen mürben nun 0011 Seffing raäfjrenb feineä 33re§=
lauer 2(ufentf)alte<5 (1760—1765) »erarbeitet unb nad; unb nad; 31t jenem
planmäßigen 33au erroeitert, meldten mir bleute im Saofoon bemunbem.
3Bit finb f)ter burd; ba§ 3Sorf;anbenfein oerfd;iebener ©ntmürfe unb spinne
imftanbe, ungefähr bie (Sntftef)ung§gefdE)td;te ber <Sd)rift, ma§ tf;re äiißere
^orm anlangt, 31; beurteilen, obgleid) ber 33erfud), jene ©ntroürfe d;rono=
logifd; 31t orbnen, felbftoerftänblid; nid;t mit abfoluter ®id;erf;eit cor«
IV ©ic (Lrntnmrfe A 1 imb A 2.
genommen werben fann, ba Seffing im einzelnen feine ^läne melfad; um=
geworfen unb mobifi3iert fjat. Smmer^n fann über biefe (con unS im
2ln()ang mitgeteilten) ^ßläne mit einiger 2öab,rfd)einlid)teit folgenbeS an=
genommen werben.*)
Sie erfte $orm fdjeint baS Fragment A 1 ju bieten. StlterbingS
i(t bies nod) fein (Entwurf ober $lan 5itr gati3en Schrift, aber ber £>aupt=
gebaute beS Saofoon, baS SerljäitniS 3tüifd;en 90calerei unb ^oefie, bie
Folgerungen, bie ficf> l)ierauS für bie ^oefie ergeben, unb bie Sebeutung,
roeld^e bie [pmerifdje ^oefie in biefer SBetDeiSfüJjrung f)at, alt baS liegt
in biefem (Entwürfe bereits !urj unb bünbig auSgefprodjen nor unS,
mandjeS fogar wörttiä) in ber Form, in ber mir eS im Saoloon felbft
mieberfinben. (SS ift offenbar einer ber erften, menn nid)t ber erfte
Sßerfud) SeffmgS, bie Hauptfragen, am meldje bie gaivje Schrift fid) brel)t,
in bünbiger Form nieberjufdireiben. — ©inen ausführlichen (Entwurf
Ijaben mir bagegen in A 2. 2Bät)renb in jenem ber ©ebanfengang nur
mit wenig Sßorten angebeutet ift, f;aben wir im erften 2lbfdmitt btefeS
(Entwurfes ben größten Seil beS fpäteren SBorttautS ber Sßorrebe bereits
enthalten. Ser weitere 2Beg aber, weldjer in biefem (Entwürfe einge=
fdjtagen wirb, ift burdjauS oon bem fpäter gewägten abweidjenb. 3m
Saotoon f)at Seffing befanntttd) bie inbuftiue 9J}etf)obe ber @ebanfenent=
widlung gewählt, inbem er uon einzelnen 33eifpieten, uon ber Sarftellung
tjodjgefteiaerter (Empfinbung auSgefjt unb barauS uorläufige Dtefultate
abftraf)iert, welche il)n erft in ber 9)Jttte beS ähtdjeS 31t feinem eigent=
lidien ."oauptgebanfen führen; in biefem (Entwürfe aber finben wir —
unb baS fpridjt bafür, bafj er ben anbern (Entwürfen , weldje bereits bie
Slnorbmtng beS fpäteren 23ud)eS fjaben, vorausgeht, — bie bebuttiue
sJ9letb,obe angewanbt. ©djon im 3weiten bis inerten 2(bfd)mtt wirb ber
Unterfdjieb iwn bilbenber Äunft unb ^oefie nad; tfjren allgemeinen ©e=
fetjen erörtert, in ben fotgenben bie Sdjitberung beS ©djönen unb HäfV
lidjen in Geiben fünften bel)anbett, unb erft in ben fpäteren 2tbfdt)nitten
folgen bann ein3elne Seifpiele auS Sidjtern, namentlich Homer unb
Button, Selämpfung ber 8>orfd)lüge beS Grafen (SanluS u. f. ro., lauter
Singe, weldje in ber befinitiuen Faffuua. größtenteils als rjorbereitenbe
Kapitel uorauSgefdnd't finb. (Sin3elneö in ben tt)eoretifd;en teilen biefeS
(Entwurfes ift bereits genau in ber ^-ovrn gegeben, in welcher eS Seffing
fpäter aufgenommen l;at; im ganjen aber fpielt im ©egenfai jut fpäteren
Raffung bie tfjeoretifdje Sebuftion bie Hauptrolle gegenüber ben SBeifpielen,
waS nid;t gerabe als ein 23or3ug biefeo ©ntnmrfeä beseidjnet werben
tann; unb waS uon befonberer Sebeutung ift: bie Saofoongmppe felbft
fommt in biefem (Entwürfe nod) gar nidjt iun-! — 2Btr »erben fcfjwerlid)
fefylgefjen, wenn wir annehmen, bafj berfelbe ju Slnfang ber fedjjstger ^a^re
in Breslau entftanben unb »on ba an bie gfreunbe in 33erlin gefdjidt
*) Siäftcr begri'mbct in meiner oben angeführten JCuSgabe S. TG ff. imb 51t uergt. mit
bem Herausgeber ber bei £empel in Berlin crfdjieneuen Sluägabc ©. 182 ff.
Ht£ ffintronrfj A -l unb A 5. V
roorben ift. Setbe, SDlenbeläfoIjtt roie Nicolai, fjaben ifjn mit Semerfungen
iiorfehen, unter benen namenttid) bie uon -Dienbelsfoljn uon bebeutenbem
SBerte finb; eine Sergleidmng ergießt batb, baft biefelben mdjt ofyne ©in«
flufj auf Seffing geblieben finb; beim manche ber burd) 9)ienbe(öfof)n ge=
gebenen 2lnregungen itnb Sßinte finb uon if)m aufgenommen roorben unb
fyaben 5U Grroeiterungen ober umgeftattungeu einjelner ^artieen bes Sertes
geführt. Sßas hingegen Nicolai bemerft fjat, ift grofjtenteils qualitativ
ebenfo unbebeutenb roie quantitativ.
3Bäf)renb biefe betben ©ntroürfe, »omefymlidj ber sroeite, eine %u=s
fammenljängenbe Gntrotcflung ber einseinen ©eftdjtspunfte mit bereits
Siemlid) eingefyenber Darlegung bieten, baljer ütelfadj fid; roörtlid) mit
bem Sej;t bes Saofoon bed'en, geben uns bie beiben anbern, f)ier gunädjft
in A-rage fommenben Gntroürfe A 4 unb 5 (A 3 ift eine Grroeiterung
bes Stjemas nad) bem Segriff ber ftanblung b,in unb gebort einer fpätem
Seit an) nur futje $,nf)altsangaben ber einjelnen Äapitel unb finb als
SBetfudje 51t betradjten, ben im einzelnen fdjon ausgearbeiteten unb üiet-
fad) fdron fertig niebergefdjriebenen Stoff planmäßig anjutorbnen. A 4
ift basu nod) besroegen roertooll, roeil f)ier md)t blofj ber Gntrourf für
ben erften Seit, roeldjer befanntlid) allein erfd)ienen ift, fonbern aud)
für bie gortfe^ung besfelben bereits angebeutet ift, auf roeldje mir
raeiter unten nod; jurütf'fommen raerben. ^mmerfiin ift bie fyier üerfutfjte
ätnotbmmg 0011 ber fpäter befolgten nod) beträdjtlidj entfernt; unb raenn
mir aud) im allgemeinen annehmen lönnen, baf; bie brei Slbfdjnttte, in
roeldje ber Gntrourf A 4 jerlegt ift, ungefähr ben brei Seilen, roetdje
Seffing im Serlauf feiner 2(rbeit für ben Saofoon in 2lusftd)t genommen
tjatte, entfpredjen, fo ift bod) feinesroegs ber erfdnenene erfte Seil mit
bem erften 3Ü&fä)mit biefes Gntrourfes ibentifd;, tuelmefjr finb nod) mehrere
Mapitel bes pieiten 2ibfd)nittes in jenen erften Seil hinüber genommen
morben. — Sie ©ebanfen, roeldje in ben oorfjer befprodjenen Gntroürfen
ben 2lnfang bilbeu, finb in biefem bereits auogefdjieben: Seffing fjatte fie
alfo bereits für bie Sorrebe beftimmt, in ber fie bann aua) üjre (Stelle
gefunben (jaben. Ser 2lnfang entfpridjt junädift ganj bem in ber befind
tioen Raffung beibehaltenen: es roirb uomSaotoon unb ber bei ©elegenljeit
biefes Sffierfes gemadjten 33emerfung SOSimfelmanns über ben ^I)iloftet
ausgegangen; bann aber roirb ber Gang ber Gntroicrtung ein Dielfad) ab-
roeidjenber, immerhin jebod) fo, bafj bie 2(nberuugen nur bie 2(norbnung
im einseinen treffen, nidjt aber ben ^nfjalt im grofien unb galten. Siet=
meljr finben mir aud) fjier bie Grörterungen über ben Vaofoon bes Stdjters
unb ben ber SU'tnftter, über ©pence unb Gantus; roüfjrenb bie eigentlichen
fuubamentalen Säfte, roeldje ben fedjselmten 2(bfdjnitt bes £'aofoon bilben,
erft im sroeiten 2lbfdjmtt jur 23ef)anblung lommen. Serfelbe beginnt
atlerbings mit einigen Kapiteln, roeld)e im 5aofoon fetbft ben <Sd)luf;
bilben (2Bintfelmann betreffenb); bann aber Ijaben mir im fünften bis
fiebenten Kapitel bie eigentliche Duinteffenj bes ©anjen, bie ©ä|e über
VI £)£t ©ntraurf A 5. UJerljäUnia ju Winduümnin.
bie ®runbverfd;iebenf;ett beä 91>efen3 ber beiben fünfte, über Sdjöntjeit,
Häjtfidjeä, ©telfyafteS u. f. ro. 2Ba3 bann folgt, ift jivar in einigen Ginget
Reiten and) nod; in ben erften Seit be$ Saofoon übergegangen, bem größten
Seite nad) aber unausgeführt unb für bie gfortfefcung aufgehoben geblieben,
©er Herausgeber ber bei §empet erfdjienenen Slusgabe t)at angenont«
men, bafj Seffing vielleicht nad) biefem Sßtane gearbeitet ijabz, jeroeiten bas
©rtebigte burdjftreidjenb ; e§ finb nämtidjj in biefem (Sntivurf ber gange erfte
2Ibfd;nitt unb vom stveiten 2Cbfd;nitt bie Äapitel 1, 2, 5 unb 6 burd;=
geftrid;en. Sennod) glaube id) md;t, bafj Seffing nnrHid; btefen Pan
bei ber befinitiuen 2(uöarbeitung feineS 33ud;e§ ju ©runbe gelegt tjat;
vielmehr fdjeint e3, alö fjabe er fpäter nod; einen neuen, auS uerfdnebenen
früheren Gntivürfen jufammengefteltten $Ian gemad;t, roetdjer un§ nid;t
me(;r vorliegt, ©iner oiefer anbern Gntivürfe, bei bem alterbingS fict;
bie fd;ivierige <yrage ergebt, ob er vor ober nad; bem eben befprod;enen
entftanben fei, ift un§ bagegen in A 5 ermatten. Siefer Gntivurf ift nur
angefangen, nid;t burd;gefüf;rt; er umfaßt nid;t nur femeSivege jenen
reichen 3n§att, ben ter vorige bietet, fonbern er cntfjätt aud) nicfjt einmal
ba§ gunbament beS (Saugen, ben 3nf)alt be3 16. 2lbfdmitteg. 2(l(erbing5
ftefjt ba§, mag bie beiben erften 2tbfd;nitte biefeö Gntunirfes geben, bem
Saofoon näfjer, al§ bie enifpredjenben .Hapitel im Gntivurf A 4; bafür
aber finb mieber jene ©ebant'en, tveldje in festerem gang fehlen, unb 3ivar
tveit fie für bie 33orrebe beftimmt tvorbeu roaren, lünein verflod;ten:
möglidjerroeife mit ein ^nbicium, baf; biefer Gntivurf früher ift al§ A 4.
hierfür fprtd;t aud) nod) ein anbereS -Dtoment: bie 2(rt unb äöeife, tvie
Sßind'elmann unb feine $unftgefct)id;te l;ier enuäl)nt luerben. SBetannttid;
mirb 3isindetmaun3 Äunftgefd;id;te in ben erften '25 2(bfd;nitten be£ Saotoon
burd;au§ at§ nod; nid;t erfdjienen bef;anbelt, obgleid) fie bereite gittei
Sal)re vor Grfdjeinen be3 [Saotoon fjerauägefbtnmen mar; im 18. W>--
fdmitt bemert't Seffing ausbrüdlid), er I;offe, über bie 5ßerfpefth)e bei ben
Sitten in SBindetmannä bemnädjft erfdjeinenber $unftgefd)id;te ausreidjenbe
23eleb,rung 5U finben, mit ber älnmerfung, bieö fei t. 3- 1763 gefdjrieben;
unb ben 26. 2lbfd;nitt beginnt er mit ben Söorten, Söintfelntannä ©e=
fd;id;te ber $unft fei erfdjienen, unb er rcage feinen ©a)ritt weiter, eije
er bieS 23ud; gelefen fyabe. GS ift fd;on tvieberljolt auf bie Unroa^r^
fd)einlidjteit aufmerffam gemalt raorben, bafj biefe Sarfteltung Seffingö
bem njttlttdjen Sb.atbeftanb entfprocben fjabe. G§ ift ganj unb gar uns
tfjunlid) auäunetimen, baft mirttid) bie erften 25 2(bfdmitte fo, mie fie
unä je^t vorliegen, vor bem ^at)re 1764 abgefaßt fein f ollen; vielmeltr
t)at fid; Seffing offenbar abfidjttid; ben 2lnfdjein gegeben, alä verhielte
fiel) bie Sadje fo, rcie er fagt, um einerfeitä ben <3d)ein ju vermeiben,
al'o l)abe er mit feinem 33ud;e eine Sßofenrif gegen 2Bind'etmann beabfia)tigt,
(umä ja aud; tl;atfäd)lid) nid)t ber gall ivar), unb um vietteidjt aud;
anbrerfeitS gerabe bamals, rvo eö fid; für il;n um eine anfänglich 2Bindel=
mann jugebadjte ©teile f;anbelte (bie bes tönigt. 33ibtiotf;efarQ in Berlin),
ffintfteljungsseit öea ©ntrourfs A 5. VII
burd) bie testen, fpcjteß SBinrfelmanttä ,üunftgefd)id)te befjanbelnben 2tb=
fd)nitte 3U geigen, bafj er in mannen fünften fid) bod) mit feinem großen
■Wbaten n)of)t 31t meffen imftanbe fei. G3 ift nun oott befonberem ^ntereffe,
bafj, roie au$ bem ©ntrourf A 5 fjeroorgefjt, Seffing bod) eine geitfong
roenigftenS bie 2X6fidf;t gefaßt 311 fjaben fdjeint, oon btefer g-iftton, als
fei tfjm bei ber 2lu3arbeitung ber roid)tigften 2lbfd)ttttte be3 Saofoon
fBindelmamtS Äunftgefd)id)te md)t ju §änben geioefen, 2tbftanb 3U nehmen
unb aud) bei Grörterung ber §auptpunfte, auf uietd)e e§ itjm üornetjmlid)
anfam, auf 2Bindelmann 9iüd'fid)t 31t nehmen. %n ben Reiben erften
St&fdEjnitten alterbingS ift bie§ nod) nid)t [ber ■fyalt; utetmefyr roirb im
groetten auSbrüdlid) bemerft |(am 3?anbe), jbafj bie ®efd)td)te ber Äunft
itod) nidjt erfditenen fei. ^m brüten 2lbfd)nitt aber nürb bie ®efd)tdjte
ber Äunft al3 erfdjienen ermähnt unb obgleid) ba§ liier bagegen 23emerfte
fid) junädift nur auf baS begießt, roa§ aud) im Saofoon im 26. unb 27.
Slbfdmitt, atfo nad) Grfdjeinen ber Äunftgefdjid)te, enthalten ift, fo ift bod)
von SBebeutung, baj? bie fobann folgenben 2(bjd)ititte 4—6 Singe geben,
rueldie im Saofoon in früheren 2lbfdmitten, nämlid) 22—25 unb 13 unb
14 enthalten finb, atfo nad) Seffings 2tngabe fdjon uor Grfdjeinen ber
Äunftgefdiidite niebergefdirieben fein follen. §ier liegt atfo nidjt nur
beuttid) 3u Sage, bafj jene 2lngabe im Saofoon eine abfidjtlidj fingierte
ift, fonbern es gefjt barauS aud) Ijeroor, baj? Seffing ben Sßerfud) genta d)t
f>at, fid) auf anbere 3öetfe, aU e§ ifjm fpäter beliebte, mit beut neuen
2ß intf'etntannf d)en 2Öerfe abjufinben. $di glaube baljer, bafj Seffing von
biefem Gntiuurf A 5 bie beiben erften 2tbfd)ttitte nurftid) nod) vor Gr=
fdjeinen ber SBittiMmatmfdjett $unftgefd)idjte, atfo cor 1764, in Sreölau
niebergefdjrieben fjat ; bajj biefer ©ntrourf aber liegen blieb unb fpäter,
nact) Grfdjeinen ber Äunftgefd)id)te |oon Seffing aufä neue fjeroorgeljott
mürbe, mit ber beftimmten 2(bftdjt, eine $ortfe|ung beäfelben unter "Rudy
ftdjtnafjme auf bie Äunftgefd)id)te 31t oerfudjen. -Kur bafj er bamit nid)t
roeit !am; roarum if)tn biefe 2trt ber 23el)anbtung nidjt gefiel, tonnen mir
nur oermuten; Sfjatfadje bleibt, bafj er ben ©ntnntrf nid)t fortfe^tc unb
überhaupt ben Sßtan fafjte, für feinen erften Seit einfad) 2ßindelmann§
Äunftgefd)id)te al§ nid)t uorfjanben 311 betrachten, refp. tt)r nur bie testen,
gar nid)t met)r 3ur Zad)t fetbft gehörigen Kapitel 311 roibmen, bafür oann
aber in ber gfortfefcung alterbingä mit ben 2öinde(mannfd)en Sljeorieen
fid) auäeinanber 31t fejjen, fo roie e§ un§ ber ©ntrourf A 4 geigt.
<So laffen un^ benn biefe ©ntraürfe einen äu^erft leb.rreidjen Wtä
in bie geiftige 2Berfftatt be3 Senferä tf)un. 3Bir fef)en, rcie er batb
btefen, balb jenen 2Beg einfd)lägt| um feine Sefer mögttdift auf bem beftett
unb bequemften ^fabe 3um Qiete 311 führen; mie er bie 2lnlage be§
(Sangen altmäfjlid) enoettert unb raie il)m ber «Stoff unter ber £>anb immer
mef)r anroüdjft, fo baf? i()m 3itnäd)ft nur einen flehten Seit be§fel&ea 31t
beroältigen möglid) tuirb; aber nur fef)en nid)t minber, mie großartig unb
burd)bad)t bereits ber erfte 3Jßurf ift, tute biejenigen ©ebanfen, raeld)e 311
VIII 3Die .fragt narlj irrt (ffirtnjtvt non fcxfic nnb ■Sun(i bei ben 3Utcn.
Begtünben unb von allen Seiten su beleudjten feine Hauptaufgabe mar,
fdmn uon vornherein ganj fcf;avf unb befritnnti uon ihm niebergefebrieben
werben, fo bafj fie faft unrjeränbert nur mit einigen unmefentlicben 9)iobi=
fifntionen, ber fdjUefdidjen fynffmtg be§ SßerfeS einoerteibt werben tonnen.
'So tiiacfjt ein fidler jafylreidje Slijäen für eine figurenreidje Äompofition,
»eränbert mobt aud; bie 2(norbmmg im einseinen, lafjt bort eine $igur
meg, fügt hier einen neuen 3"g Ijinp: aber ber ©ebanfebes SßerfeS in feiner
Totalität ftebt bereite, el)e er ben Ißinfel jur §anb nimmt, nor feinem
geiftigen Sluge nnb bleibt burdh alte fpäteren SBeränberungen unbeein=
irädvtigt.
II.
33euor mir baran geben, ben ©ebanf'engang be<3 Saofoon 31t jer*
gliebern, haben mir einen 23(id 51t werfen fomoljl auf bie bamatigen
SSertjältniffe in Äunft unb ^poefie, raetdje mit baju beitrugen, bafj bie
Behanblung bes> Ijier geroäbtten Themas burdjauö seifgemafs mar, alö
auf bie ©efdjidjte ber %taqe nach ben ©reiben non s^oefie unb bilbenben
fünften überhaupt. *) Senn Seffing mar roeber ber erfte, ber biefen Stoff
beljanbelte, nod) maren bie non il)m entrcidelten ©ebanten etwa burdnoeg
neue unb unausgefproebene; e§ ift melmehr eine siemlid) umfangreiche
Sitteratur namhaft 51t madjen, in wetdjer bieö Problem mehr ober raeniger
eingebenb unb fdjarfftnnig fdjon nor Seffing bet)anbelt roorben ift', unb
uon ber Seffing feinerfeits" aud) ausgiebigen ©ebraudj gemadjt t)at.
9Baö 3unädjft bie Sdjriftftelter bes 2lltertum§ anlangt, fo fann bei
biefen allerbingö uon einer aud; nur einigermaßen fnftematifeben 33ebanb=
hing ber $rage nach ben ©renken ber beiben Scbmefterfunfte ftreng ge-
nommen nidjt bie Siebe fein. Sie in ber Ginleitnng be3 £aof"oon citierte
„blenbenbe I2(ntitbefe" bes Simonibes entsieljt fid; a(3 aus bem 3llfain=
menfjang geriffelt, burdjaus unferer Beurteilung unb Prüfung auf ihre
eigentlidje 33ebeutung bin; fie hatte uieUeidjt an fid) ebenfomenig ben
meitgebenben Sinn, raekben man ifjr untergelegt Ijat, als bas fo oft
citievte JQorajifdje ,,iit] pictura poesis", irjomit aud) feinesroegs beibe
Äünfte einanber abfotut gleidjgeftellt werben follen. 2Benn mir bie griedjifcben
^bilofoptjen, $Iato unb 2(riftote(es, ober bie fpäteren fR betören, raie £>io
GbrnfoftomuS, Sucian, ^M)üoftrat u. a. burdjfehen, fo finben mir jroar,
namentlich bei tetjteren, eine nicht unbeträdvthdje gab! uon 2Uif$erungen,
meldje bas Berl)ättnis uon Malerei unb ^oefie berühren unb auf gemiffe
mefentlicf)e Unterfdnebe beiber aufmerffam madjen; namentlich ba§ Sßrinjtp
uon ber notmenbigen (Einheit ber ftanblung in ber Malerei, uom geft=
halten eines eitrigen Momentes" u. bgl. m. ift bereits uon ben 2üien
gelegentlid) ausgefprodjen morben: aber eine metbobifdje, bie funbamen=
talc ä>erfcbiebenbeit beiber fünfte au§ ihrem innerften SBefen berleitenbe
Unterfudmng ber (Stengen berfel ben ift im 2Utertum allem 2(nfd;ein nad;
*) .hierüber ift cingel;cnb ge()anbe(t in ber Cinlcitung meiner grüferen Slu§ga6e 2. 1—07.
ihitcrfdjüö äreiffljm gritdjifdjcr unb mobcrncr fiunH. IX
niemals angeftetft ober and) nur oerfudjt roorben. ©3 ift burdiaus uns
u>ai)rfd;einlid), baß in ben für un§ oerlorenen iljeoretiftfjen ©Triften bor
alten Äünftler, roeld;e Seffing in ber Borrebe berührt, bex-gleicfjen geftanben
f;abe; baS SSer^altmS jtöifc^en Sßoefie unb Malerei refp. bilbenber Äunft
mar aud; im grted;tfd;en 2lttertum ein total anbereg, al§ in ber mobernen
Seit, fo baß eine fnftematifdie ©rörterung begfelben an ftdf; fdjon über«
flüffig erfdjeinen mod;te. Niemals nämlidj f;aben bie alten Äünftler bie
Siebter einfad) illuftriert; fie t)aben il;nen roof;l if;re Stoffe entlehnt, aber
fdjon üon ben friU)eften Seiten ber Jhmft an, bereits in ben primitiuften
2Mereien beS alten fdjnmrgfigurigen BafenftüeS, ift baS mit Sßaf;rung
if;rer völligen g-reifjeit in 2Iu3roal;t roie Äonjeption ber geuml;lten ©cenen
gefdjefjen. 3a^tf°ö finb bie Äunftroerfe, meldte im 2tnfd)luß an §omer
unb fpäter an bie fragiler entftanben finb; fel;r fpärlid) bagegen foldje,
roeld;e roirflid; genau an bie uom Siebter befd;riebene Situation unb an
feinen SBortlaut fidE> Ratten. Siefe Unabf;ängigfeit oon ber SDarftellung
beS SidjterS, roetd;e fid; bie alten Stunftler burdjroeg ebenfo beroaf;rt tjabtn,
roie umgefel;rt bie 5)id;ter nur in fet;r befdjränftem 9JJaße uon ben Jtunft=
roerfen beeinflußt erfdjeinen, mod)te e3, roie gefagt, mit fid; bringen, baß
eine äHJgtengung ber Gebiete beiber al§ eine burd;au3 überflüffige 2(uf=
gäbe erfdjeinen tonnte.
2lber bie moberne $unft »erfährt onber§. Bon noniljerein baran
geroöl;nt, fid) bei ifjren Sarftellungen auS ber f;eitigen ©efdjitfjte an ben
Wortlaut ber SBibet ober ber §eiligentegenben 31: f;alten, übertrug fie
biefen engen 2tnfd;luß an bie Quellen aud) auf iljre profanen ©toffe;
unb roie fie in jener ©eite tf;rer £f;ätigfeit genötigt roar, fef;r fjäufig an
fid) gans llnbarftellbares bod) barjuftellen, fo oerlor fie aud; in biefer
burdjauö ba<3 UnterfdjeibungSoermögen für bie ©toffe, roeldje jur Sar=
ftellung geeignet roaren ober nidjt. (SS ift bat)er fefjr begreif tief» , baß
roir bie erfreu ©puren ber in ber folgenben 3eit immer meljr f;erüor=
tretenben Bermengung ber beiben fünfte bereite in ber Sitteratur ber
9ienaiffance bemerfen tonnen. Silber ti, ber befannte glorentiner Bau=
meifter (14U4 — 1472), empfiehlt auöbrüdlid; in feiner ©d;rift über bie
Malerei („Della pittura libri tre"), ber SKater folle fid; mit Sintern,
Sdebnern u. f. ro. rco()t befannt machen, teils roeit ifjn biefe mit ifjren
(Srfinbungen unterftüfcen tonnten, teils weil fie il;m für eine fd;öne £om=
pofition feiner Silber förberlid; fein tonnten. Unb ber oon Seffing me£)r=
fad) citierte £obooico Solce (1508 — 1568), in beffen „Uialogo della
Pittura, intitulato 1' Aretino" (Benebig 1557) ber befannte Bietro
2lretino als §auptunterrebner über bie größten Dealer jener 3eit, Diafaet,
9JUd;el 2(ngelo unb Sijian, (;anbelt, empfiehlt nidjt nur ebenfo ben Malern,
fid; i(;re ßrfinbungen bei ben Siebtem, unb umgefef;rt ben Beeren, fid;
bie i(;rigen bei ben 9Jia(ern 31t f;olen, fonbern er öegeidmet aud; bireft
einen guten £>id;ter als einen guten SOiater.
21lle Betrachtungen ber Berf;ältniffe jroifdjen Sidjtt'unft unb Malerei,
X AbtuTons, Stycncea unü Üaiilue' Werke.
benert wir in her ^yotge3ett begegnen, gefyen gleid) Solce uon bem bereite
im Stttertutn uorneljmlid) burd) 2lriftoteIe§ feftgeftellten Sßtinjipe au§,
baft bie 9iad)af)mung baö eigentüdje SBefen ber fünfte fei; imb inbem
fie ben Unterfd)ieb bann rein äufjerlid) nur in ber 93er)"ct)tebenf)cit be§
9)iaterialö ber 9tad)af)mung erbtid'en, tommen fie ber !ä)tefjr3al)t nad) auf
übereilte Sdjtüffe. gn brafttfdjer SBeife fprtdjt Dpit5 in ben bekannten
Werfen an feinen greunb, ben 9)Mer Strobel, biefen Stanbpunft au3:
„e3 weif? faft aud) ein $inb,
Safc bein' imb meine $unft ©efd)mifterfinber finb:
äöir fdjreibcn auf Rapier, ifjr auf Rapier unb Seber,
2luf §013, 93ietalt unb ©runb; ber ^infet macfjt ber gebet,
Sie gebet- uiieberum bem ^ßinfet alleä nad)," u. f. m.
©ans ben gleiten Stanbpuntt uerttat DpifcenS greunb SBudjner
(1591—1661) in feinem „9jßegweifer jur beutfdjen 'Sicfjthtnft" (^ena 1663).
Unb wenn biefe rein äufjerltdje Sdjeibung ber beiben Ä'ünfte, ber totale
■Mangel an ©rfenntnis ifjrer inneren SSerftrjiebenrjeit , felbftuerftänblid)
md)t oljne Ginflufj blieb auf bie Schöpfungen ber 3)id)tet, wie ber URaler,
fo madjteu fid) felbft in ber pfyilologifdjen gorfefjung bie nadjteitigen
folgen biefer £fjeorie geltenb, inbem man ba§, waö man für an fid) 31t
3ied)t bcftel)enb fjieft, raao man non gleidjjeitigen itünftlem unb Sidjtern
felbft gelehrt unb geübt fat), aud) als für ba§ 2lltertum gültig betrad)tete
unb auf ©runb beffen bie alten Sidjtungen unb ßunftroerfe nad) biefem
^riii3tpe bel)anbelte. ^rviei fold)er Sßerle, in benen ba§ am beutlid)ften
I)en)ortritt , l)at baijer Seffing felbft im Saofoon befprod)en: Qofepft,
2Ibbifon3 (1672—1718) „©efprädje über bie 9Mn3en" (1702), worin
ber SSerfud) gemad)t ift, bie iUmntmö ber alten Äunftwerle 311 einem
nü^lid)en SUtölegungömittel für bie alten ®id)ter ju ergeben, raa3 ja ein
an unb für fid) felbft burdjauS rid)tiger unb löblicher ©ebanfe ift, aber
nur bann, wenn er mit ber nötigen ©rfenntniS beö 35erljättniffe3, in
weldjem ^]oefie unb Hunft bei ben 2Uten 3ueinanber geftanben I)aben, an-
gewanbt lutrb. 5)a3 mar aber bei 2(bbifon tnelfad) nid)t ber galt, unb
nod) weniger in gofepl) SpenceS (1698 — 1768) „^ohimetiS" (1747),
morin auöbrüdlid) auögefprodjen wirb, lein Sing tonne in einer poetifd)en
33efd)reibung gut fein, meldjeö, wenn man e3 in einer Statue ober in
einem ©emiübe uorftellte, von unfd)idtid)er Sßirtung fein würbe. — $n
ben gleichen get)ter, nur nad) einer anbertt 9tid)tung ()in, uerfiet ein
britteö, uon Seffing eingeljenb befprod)eneö Shtd), be§ ©rafen (Sanluö
(1692 — 1765) „Tableaux tires de l'Iliade, de TOdyssee d'Hornere
et de l'Eneide de Virgile" (1757). (Sat)luä fd)abete feinem fonft fo
banfenömerten ä>orfd)lage, baf? bie Äünftler an Stelle be3 fonft für mi)tf)0=
Iogifd)e Stoffe non if)nen geplünberten Duib lieber an §omer fid) galten
modjten, baburd), bafj er bei ben twn i()m uorgefd)riebenen ©emälben
fid) 3U ftreng an ben S)id)ter f)ielt, bem .Uünftler 311 enge ©reiben ftedte
unb überhaupt, wie Seffing es treffenb auöbrütft, bie Sörandjbarteit für
Die Srljrtften Sljaftcabunjs , Kirijaröfons, TOebbs. XI
bcu SWater sunt ^robierftein bei- Siebter madjte unb bie 9iangorbnung
ber lc|teren nadj ber 3n^ ber ©emätbe, raeldje fie bem Slünftler bieten,
beftimmen wollte.
Sic Süterotur bei- äfÜjetifdEien Sdjriften au$ ber erften Hälfte bes
oorigen Qaf;vf)imbertö, weld)e fid) mit ber Stjeorie ber Malerei unb s}>oefie
Befcpfttgen unb babei auf bereu gegenseitigem 3Jer[)ältni3 meljr ober
weniger etnläfjücö, SÜicffidjt neunten, ift stenxtirf; umfangreid); unb obgleid)
fid) barunter aud) fct)r oiel roertlofe Spreu finbet, fo läfjt fid) bod) eben=
foioenig »erlernten, baji in mandjen biefer Unterfudjungen ganj treffenbe
©ebant'en au3gefprod)en finb, lueldje ben oon Seffing im £aoroon bar=
gelegten bereite fef)r nalje fommen. ©ine Ijeroorragenbe ©teile nehmen
in biefer ftinfidjt bie (Snglänber ein. ®er jüngere ©raf ©fjafteSburo
(1671—1713)*) entiutcfelt in feiner ©djrift „Sbee beä fjiftorifdjen ®z=
mälbeä, ober ber £ablatur oon bem Urteil beö <£>ertules" (1713) fdjarf=
finnig unb geiftreid), wie ber Moment einer §anblung befdjaffen fein
muffe, loetdjen man für eine bilblidje Sarfteltung ju roäfjten f)abe, inbem
er namentlid) auf bie Ginfjeitltdjfeit ber ftanblung unb auf bie grudjts
barfeit bc3 9Jtomente3 fjiuiueift, weldjer ebenfo bie ©pur be§ ooran=
gegangenen erlernten laffe, alö aud) ben tommenben SRoment anbeuten
folle. — SBentge ^jaljre fpäter erfdjien ^ionatfjan Diidjarbfons
(1665—1745) „Essay on the theory of painting" (1718). %m erften
Seile biefeö §8udje§, beffen meiterer 5>nl)alt bie Äunfttennerfdjaft, $unft=
befdjreibungen u. f. m. betrifft, wirb bie Sfyeorie ber Malerei entioictett.
i'effutg l)at biefe ©djrift ioof)l gefannt; ber 9iad)laf? juttt Saoloon enthält
SBemerlungen 511 einer franjöfifdjen Überfettung ber ©djrift (2(mfterbam
1728), ugl. in unferer 2(uögabe unter C 13, Sir. 15 — 30, aud) im
Saotoon felbft ift fie meljrfad; citiert: im allgemeinen aber tonnte bas,
ioas> er f)ier fanb, ifnn nidjt gerabe ju 33aufteinen für fein ©tjftem bienen.
Senn obgleid) Nidjarbfon l)iev unb ba ganj richtige ©ebanfen entioidelt,
mie 3. 93. über bie 2_ßaf)t einer einljeittidjen .franblung, über ba§ Skrmeiben
oon 3iebenl)anblungen u. bgt. m., fo ftefjt er im allgemeinen bod) burdjauö
auf bem ©tanbpunft, bafj Malerei unb Sidjtfunft im loefentüdjen ben
gleichen ©efe|en unterworfen feien, unb bafj bie Regeln, meldje notmenbig
feien, um ein ©emälbe gut auäuorbnen, beinahe biefelben feien, loelcfje
man bei 2lbfaffung eines ©ebidjteä beobadjten muffe. $011 irgeubwe(d)er
tieferen ©rf'enntnis be<3 ltnterfd)iebe3 beiber Äüufte ift bal)er bei il)m
nidjt bie 3iebe; ebenfomenig bei feinem SanbStnann Saniel 2Bebb
(1730—1788), beffen „Enquiry into the beauties of painting" (1764),
ein bamal§ oiel gelefeneg unb aud) in§ Seutfdje überfe^teS 23ud), Seffing
roo()l rannte, obgleid; er e§ im Saofoon nid)t anführt, roaä tt)m bamalo
fogar oon mandjen 3um SSorrourf gemad)t raurbe (©d;effner an §erber
am 6. Slug. 1766, in „§erber§ SeöenSbtlb" oon ©. ©. o.§erber I, 2, 163).
*) Seine Sebeutuiui für ben £aofoon tjat S. ©roffe in Sd;abeS aEiffenfc^aftl.
SDiomitoblättcnt f. 1877 ©. 105 befprodjen.
XII ■fjurris' Discourse ort Music, Painting and Poetry.
3C6er nidjtö mar fo unbegrünbet, aI3 ber SBorwurf, Seffing f)nbc im
Saofoon SCßebb benutd, oljne il)ti 311 nennen. Die „feinften Semerfungen",
rceldje er mm ifjm entlehnt Ijaben foffte, befcjjrcmlen fiel) auf einige
wenige, feine§it)eg§ neue ober SBeBB eigentümliche, fonbern bamalo all=
gemein anerfannte ©ä|e, mie baf5 bie ftanbltmg ber l)iftorifd)en Malerei
blofj einen 2(ugenblid' banern bürfe, bafj Öraäie immer Seroegung erljeifdje
(luefcfje Definition bereits auf §ome surücfgcljt) it. bgt. m.; im übrigen
aber ftcl)t 'Üebb bitrdjauS auf bem Stanbpunft ber gebanf'enlofeften SSer=
mengung beS Malerifdjen unb ^>oetif d)en, meldje ebenfomot)t in ben
uutnberlid)ften Ü>orfd)lägen für Mater, als in ber 6mpfef)lung an bie
Didjter, fid) moglidjft oft unb eng an bie Äitnftroerfe an3ufcl)ttef}en, t)er=
nortrttt. ^oefie unb Malerei feien unter alten fünften eiuanber am
näd)ften nerraanbt; nie erfdjeine jene lieblidjer, als roenn fte fid) mit ber
Maleret fdjmüd'e; nie reifte biefe mef)r Jjiri, als wenn fte fid) beftrebe,
ben füfjnen %Iuq ber Didjthtnft 51t erreidjen unb fid; ifjre Silber anjiu
eignen. 3?on ber Malerei lernten bie Siebter bie ©egenftänbe ju gruppieren
unb anguorbnen, itjve Silber 31t flottieren unb inä Sidjt 31t fefcen, einen
3ierlicl)en ilmrtfj 31t madjen unb bie hinten ber @d)önl)ett anzulegen
it. f. 10. Sd)on biefe gaii3e Terminologie, roeldje bie ÄunftaitSbrüd'e ber
Malerei auf bie Didjtfunft anroenbet unb umgefeljrt, jeigt, bafj Sikbb
abfolut auf feinem ijöfjern Stanbpunft in biefer 3rna.e ftef)t, al§ bie
meifien feiner Vorgänger ober ^ettgehoffen. Unb bod) mar fdjon lange
oor feiner ©dEjrift ein Sind) erfdjienen, raeldjeS ilnn ben SBeg 31t richtigerer
(rrfenntnis Ijätte roetfen tonnen; baS ift ool)ti ftarriS' (1709—1750)
„Discourse on Music, Painting and Poetry" (1744)*), ein 31a* 33e=
urteilung beffen, maS Seffing an Brauchbarem Material für feine 3Ti)corte
uorfanb, fefjr it)id)tigeS Sind). JjjarriS ftellt fiel) in bemfelben bie Aufgabe,
Stonfoutft, Maleret unb Didjjtfunft untereinanber auf baS tljnen Öemein--
fame unb auf ifjre SSerfdjieben^eiten t)in 311 prüfen. Dbgteid) er nun
gleichfalls von ber 2lriftotettfd)en Definition ber 9tad)afjmung auägeljt, fo
füfjrt ifm biefe bod) auf einen anbem üEBeg, als itjn fonft bie Df)eo=
retifer jener 3^it manbeln: er bleibt nidjt bei bem alten Sßlutardjifdjen
vXrj -nal TQonoLs (iifirioscat; Öiacptgovoi fteljen, monad) ber eitrige
Unterfdjieb ber fünfte baS Matertal, beffen fie fid) bebieuen, unb bie
2lrt ber 9cad)al)mung fei; uielmeljr unterfudjt er biefe 2lrt ber 9cad)al)immg
näfjer auf i()r innerfteS SKJefen unb madjt 311m Sßrinjip ber llnterfdjeibung
bie oerfrijiebenen 3cid)en, beren fid; bie Äünfte bei iljrer 9iad)af)mung
bebienen. Die Malerei unb Donntnft afjmcn burd) natürliche Mittel, bie
Didjtfunft aber meift burd) fünftlidte ober mtUtürlicbe nad). 2luf ©runb
beffen mirb beim entfdjieben, baf; fiel) bie Die()tfunft ben anbem Münften
gegenüber im Vorteil befinbet, inbem fie bttrcl) fold)e unllt'ürlicl;e, burd)
*) Über ftarriö' 25ert)rtltMic> tu Seffing ljaiibcln, nufscr .Berber im erften tntifclicn
Sffiälbcfjen Slbfc^n. 19, SDilttjci) in ben Sßreufcifd&en ^aln-büdient f. 1867, 8b. J 2. 186,
«nb ©roffe in 2d;abeö äBiRenf^ofÜ. SDlonatSbl. f. 1876 3. I8ff.
Hu ^resuon, be ^Warfij, ijenn) Watetet, fflubos. XIII
Serttag angenommene 3etdjen, b. l). burd) SSBorie nadjaljmt; fie i(t baburd)
tmffanbe, £anblungen oon beliebiger Sauer 31t ifirent Öegenftanbe 31t
mäljlen, roäfjrenb bie 9Jtalerei auf ©infjett ber ftanbtung angemiefen ift.
\>ier liegt, memi auä) erft im ileime, ba§ g-unbament uor/ auf nieldjem
Seffing bie ©ä£e feines fedjäefjnten 21£>ydt)nitteö aufbaut, vor allem bie
unterfdjeibung jmtfd^en natürlichen unb niillfürlidjen 3eid)en; aud) bie
3umeifuug be§ $oer,iftenten an bie Sialerei, be§ ©ucceffioen an bie
^oefte, ift bereite auägefprodjen. 9iur bie raeitere $o!ge, meldte Seffing
barauä 5ief)t, bafj bie ^ßoefie Staublungen, bie Malerei aber Sörper ju
ifjrem ©egenftanbe fjabe, ift nidjt gesogen; unb barum ift aud) baS 9ie=
fultat, 31t nieldjem jlparoä gelangt, bafc bie Malerei weit fnnter ifjrer
Sdjmeftert'unft jurücffieljen muffe, ein neriefjrteS; unb uon ben ©efetjen,
meldje Seffing auf ©runb jener §|8rämtffett für beibe fünfte aufftellt, uor
allem von bem Verbot für ben Sinter, Äörper 31t befd)reiben, unb für ben
Hialer, Semegung barjuftellen, ift bei §arrt§ nod) feine Diebe.
Sie fran3öfifd;e Sttteratur jener fttit befifct mehrere £et)rgebid)te über
bie 9Jialerei, melcfje in manäjer §infid)t intereffant finb, aber für unfern
3med" menig $8raud)bare3 bieten. 3rcei baoon finb freilid) ftreng ge=
nommen nidjt 3itr fransöftfdjcn Sitteratur 31t redmen, oa fie in lateinifdjen
§ei:ametern abgefaßt finb, baS eine non bu $re§norj (1611 — 1665):
„De arte grapkica liber" (1684 publiziert »on 9)Jignarb), ba§ anbere
von be 9)Jarfn (1714—1763): „Pictura" (1736). 3)a3 britte ift in
franjöfifcfjen 2tle;ranbrmern uerfafst unb rüfjrt bjer uon §enrn Söatelet
(1718—1786): „L'art de peindre" (1760). 2Uie brei fanben ifjrer 3eit
tuet 33euumberung unb 2lnerfenmmg, audj im 2lu3tanbe; namentlid; bu
^-resnou ift mefjrfad; überfeist unb fommentiert morben, am genaueften
non be ^üe3, beffen Äommentar aud) Seffing. im £aofoon getegentlid)
citiert. Söefenttid) djaraitertftifd; für biefe £eb,rgebtd)te ift bie Übertragung
ber bamatä für baä Srama sum Sogma erhobenen brei einleiten ber
foanbluug, be3 DrtS unb ber 3eü auf bie 9)Merei. ©0 roenig an unb
für ftd) gegen biefe Übertragung einsuroenben ift, fo ungenügenb ift bie
2(rt, mie biefelbe begrünbet wirb, unb fo mangelhaft bie Folgerungen,
bie baran gefnüpft merben. — fiefjrretdjer finb bie rein tljeoretifdjen
^>rofafd)riften ber fransöjtfdjen 2(ftf)etifer , unter benen Dornefjmlid) , at3
r>on Seffing benutzt unb mefjrf ad; citiert, 23ead)tung uerbienen be§ 2lbbe
S) üb o3 (1670—1742): ,, Reflexions critiques sur la poesie, la pein-
ture et la musique" (1719).*) Senn obgleid; audj 5)ubo3 nod; immer
im „ut pictura poesis" brinfted't, fo finben mix bod) bei ib^m eine
ÜDlenge feinere 33eobad;tungen, meldje ftellenmeife bereite ben £effingfd)en
©ebanten siemlid; nafje fommen. ©§ gilt bciZ namenttid; uon bem, roa§
Suboä über bie 23ef;anblung eineä unb beSfelben ©ujetä burd) ben
*) Über ©ubo§' a>crl)äitni'j ;u Seffing oergletdje man fionr. ßetjfa^t, Dubos et
Lessing. Öireifdiuatb 1874, tmb G. 0rofie in ben äBiffenfdjaftt. 2Jonat§6t. f. 1870
©. 7 ff.
XIV <CI). -ßattntr. ©iberots ßrbcutung für bie frags.
Siebter einerfeitö unb burdj ben üTJiater anbrerfett3 fagt; non ber 33er=
utteilung ber rein altegorifdjen ©atftcUungcn u. a. m. 2lud) bei 2)ubo3
finben mir bereite, alfo geraume 3eit cor £>arri3, bie Unterfdjeibuug ber
natürlichen 3eidjen i>er Malerei von ben millfürtid)en ber ^oefie: er
folgert aber barau3, ganä im ©egenfatj gu .^arriei, bafc bie 9Jiad)t ber
■Dlalerei auf bie 9Dcenfd;en größer fei, atö bie ber Sßoefte, roeit bie burdt)
baö 2luge jugefjenben ©inbrücfe mächtiger feien, als» bie burd) anbere
©inne in bie Seele gelangenben, unb meil natürliche 3e"^n allgemeiner
uerftänbtid) unb besfyatb roirffamer feien, als fünftlidje, oerabrebete. 2lud)
t)ier alfo, nüe bei ftarriö, finben mir auö richtigen 3Jorauofeluingen ein
fatfdfjeö 3tefultat gebogen: all ba§ au$ bem leibigen 23eftreben, bie bagumal
oiel gelehrte Äöpfe befdjäftigenbe müßige <yrage, ob bie 2)id;ttunft cor
ber DJJalerei ben 2jorjug nerbieue ober nidjt, gu l'bfen, anftatt tiefer geljenb
baä SGBcfen beiber Äünfte 311 beftimmen unb einer jeben iljre eigene, gteidp
berechtigte (Stellung baburd) gu roafjren. ^rotjbem ift e3 fidjer, baß SuboS
für feine 3eitSß"offen unb 9iad)folger uon außerorbentlid) anregenber unb
nachhaltiger SBirtung gercefen ift. £>arriö ift I)öd)ft u>af)rfd)einlid) nidrjt
unbeeinflußt uon ifjrn geblieben; bie fdnueigerifdjen Äunftlrittfer ftefjen
uollftänbig auf feinen ©djultern; unb roie Seffing ftcfj mefjrfad) an tr)n
angelehnt tjat, fo aud) äßind'etmann unb Siberot. Seigerer aber ift
Don allen frangöfifdjen 2iftt)etifern, ja mir tonnen uielfeidjt oljne Übertreis
bung fagen, uon alten 2lftf)etifern jener 3e't überhaupt, berjenige, roeldrjer
Seffing am nädjfteu getommen ift. SBäfjrenb ba3 uiel benntnberte unb
fanonifdie ©eltung erlangenbe 2ßert uon (Sl)arle3 33atteur. „Cours des
belles lettres" (1747) fid) fnnfidjtlid) ber ©rengeu ber }>oefie unb Malerei
auf bem alteroberffädjlidjften ©tanbpuntt l)ält, ja felbft meit hinter 2)ubo3
gurüdbteibt unb beibe fünfte als ganj übereinftimmenbe, über bie man
gteidjfam mit benfelben Sßorten unb ©ebanten fprecfjen tonnte, befjanbelt,
faßt 23atteu£' ©egner Siberot*) biefe gfrage in ber %f)at in foldjer SSev-
tiefung, baß er fid; hierin al§ ein Seffing ebenbürtiger ©eift geigt. £>te=
jenige ©djrift, meld;e l)ier befonbers in 23etrad)t 311 jietjeu ift, ift feine
,. Lettre sur les sourds et muets" (1751). 23er ©egenftanb ber ©d)rift
füf)rt £>tberot uon felbft auf bie uerfdjiebenen 3eid)en *>er 9iad)afmumg;
unb er fpridjt r)ier fogar ben Sßunfd) au%, raelcfjer batb barauf burd) ben
Vaofoon erfüllt rcerben follte, baß ein unterrichteter unb fdjarffinmger
©eift fid) einmal bamit befdjäftigen m'bd)te, biefe 3eW)en untereinanber
ju Dergleichen. Gr felbft tfjut bieS freilief; nietjt pringtpiell, fonbem nur an
einigen 33eifpielen, meldte aber fel)r beutüd) geigen, baß fein ©tanbpunft
barin burdjauS ber eineö befonnenen unb geiftretetjen ÄunftfennerS mar.
3ttd)t minber enthält fein „Essai sur la peinture" (1705) eine ganje
1 Über TiberotS akrfjättniS ju Seffing »gt. man aujjcr Kofen!ranj, SliberotS
8c6en unb SBerfe, 1. •■>'■< ff. noeft Scbercr im Sinnig, f. bcutidicj Sttltertutn u. bciitfcb. ßitter.
i. 1-7«'., -^b. II. 1 2. sr, ff. unb erief, Sdimibt in ber ©egemuart f. iss'_>, Sb. 1, 2.
133 u. 153, unb berf, Seffing II, 41.
Dir S5djn»t?er ßobnur unb rörettinger. XV
9teib,e trefflicher unb feiner Veobadjtungen naa) biefem ©efidjtSpunft
f)in. Sebr fdjarffinnig wirb t)ier auSeinanbergefetjt, ma$ unb in wetdjer
SBeife ber ttünftler an einer if»m com Siebter gegebenen (Situation 0u
änbern ^a6e; bafj er fid) ber ©rimaffe, ber fjödjften Stufe ber Seiben=
fd^aft enthalten muffe, um bie Sdjönfjeit nidjt ju oernidjten; bafj ber
Äünfifer fid) an bie S)arfteIIung eine§ einjigen 9Jiomente3 galten foüe,
benfelbeu aber fo geftatten tonne, baf$ er bie Spuren beä oorangegangenen
erlernten laffe; bafs oorübergefjenbe 2lffette nierjt barjufteUen feien, u. bgl. m.
3n allen biefen fünften, and) in ber Verurteilung ber 2lllegorie, ftefjt
2)iberot gang unb gar auf Seffingö Stanbpunft; es> fefjlt bei tfjm nur
bie fi)ftemattfcf)e, au3 bem SBefen ber Äünfte felbft abgeleitete 33egrünbung
feiner gorberung, unb manebeä madjt ben iSinbrud, als> wäre e3 mef)r
ber 2tusbrud' feines feinen äftljetifdjen ©efüfjtS, al3 bie $olge ber (Sr=
fenntniS unabänberlicber aftljetifdjer ©efc^e.
Sie biefjer betradjteten Schriften ber (Snglänber unb granjofen
nehmen sur ©runblage ibrer Unterfudjungen mefjr ober weniger bie
Malerei; bie fjier jimädjft oornetjmUd) in Setradjt fommenben beutfdjen
SBerfe bagegen gefjen oon ber Sidjtfunft au3, beren Sfjeorie in Seutfdp
lanb über ijunbert %a§vt ^an% "n Dtel bezauberter unb oiel umftrittener
©egenftanb war, wobei Vergleiche unb parallelen mit ber Malerei felbft=
oerftänblidj nidjt ausbleiben tonnten. (Sine iuict)tige 3iolle nehmen ()ier
bie beiben .Süricfjer S- 3- Vobmer unb 3. $. 93reitinger ein: teuerer
mit feiner „Ifritifdjen Sidjtf'unft" (1740), erfterer in feinen „(Sritifdjen
Betrachtungen über bie poetifdjen ©emälbe ber Sinter" (1741). (Seutfdje
9lat.=2itt. 33b. 42.) Veibe erklären bie Säuberung torpertidjer ©egenftänbe
für einen ganj befonbern Sieij ber Voefie; unb wenn fie unter ifyren „poe=
ttfa)ert ©emälben" aud; bie anfdjaulidje unb lebenbige Vefdjreibung oon
§anblungen mit oerftefjen, wenn and) oereinjelte treffenbe 83emerfungen
über beftimmte Unterfdnebe beiber fünfte nidjt fef)Ien, fo ift ifmen bod) im
wefentlidjen bie (Sinfidjt ber funbamentalen Öegenfä^e berfelben nidjt auf=
gegangen, unb bafjer fterjen fie in äfttjetifdjer <piufid)t bebeutenb fjinter SuboS
unb öarrig jurüd. 2)a§ gleite gilt aber im allgemeinen and) oon 3Bindet=
mann, ber in feinen äftfjetifdjen Vrinjipien in oieler §infid;t al3 ein Sdjüter
ber Sdjroeijer betrachtet werben mufj.*) SBindelmann mar feiner gangen
i (ilmratteriftifdj ift tjierfür, i»a§ ber au§ bem Stßiudelmaunfdien SWefwedjfel be*
fannte 3"ri(#er Seon^. Üfteri am 20. gebruar 1761 au§ Siom an Sobmer fdjreibt: „^c^
fetje jenen l'tpollo, jenen £ao{oon unb jo niete ältere Stüde ber Sübfiauer alä jo niete
i£tüdc an, bie mit fjomerijrfjen unb euripibifdien 33efd)reibungen um ben Slang [treuen.
©ie bunten mid) Äinber bcö gleidjen poetifrfjen ^euero ;u fein, bad biefe belebte, unb nur
bie 21rt fid) auc-jubrütfen madit bie SJerfdjieben^eit. Ser Satfoon mit feinen beiben Sötjnen
ift ein Stürf, bno bes (SuripibeS mürbig märe, ©er ©djöpfer beäfetben muf;te miffen,
iuetd)eS bie ebetfte Slrt märe, biefeö fieiben ;u ertragen, unb burd) metd)e 3üge, burd)
metdie (it)ara{ter fie fid) äußerte. %enc tjotje nadjbrüdtidje Einfalt, bie allen Serroirrungen
auimeiäiet unb bie 2Ber{e, bie man porftellen fall, beftimmet, ift roie in einem (Sebidjt fo
in einer Sitbfäute ober in einem (Öroup ein Söeroei-S beä Gieifte§, beffen geuer burd)
Kenntnis unb Überlegung gemäfjigt mirb." öier prt man ebeufo ben ©etiler S8obmer§,
n>ie ben Sindelmanns.
XVI ffeflntg «nö IflUtnckelmann. Cljr. ffi. t>. •Qagebom.
Natur nad) freilief) nidjt barauf angelegt, bie fünfte in ifjrem innerften
Sßefeu mit bem fdjarfen Keffer ber analntifcöen $ritif ju 3ergtiebern;
feine entfjufiaftifdje 9tatur, in raeldjer ba§ ©efüfjl oft ben Sieg über ben
grüfietnben Sßerftanb bauon trägt, eignete fidj tiid)t 3U einer folgen
aüriortftifdjen 58etrad)tungiju>eife ber Äunft. 2Benn rair uns nun nodj
erinnern, bafj äßindetmann befanntlid) in ber mobernen Äunft oon einer
im§ fjeutsutage unbegreiflid) erfdjeinenben ^Befangenheit raar, bie ifjn
iOtater rate 9JJengs, Defer für b/ödjfte 9Jieifter ber Äunft 31t Ratten unb
neben SJafaet unb bie größten Italiener 311 ftelten üeranlafite, fo roerben
nur um barüber nid;t uerrounbern , ifm in feinen unfere ^yrage betref=
fenben Sfjeorieen burdnoeg auf bem neralteten ©tanbpunfte 31t finben,
roonad) bie Malerei ebenfo raeite ©rensen fjabe, als bie Sidjtfunft, unb
e3 bem 9Jiater folglid; möglid) fei, ebenfo bem Sidjter 3U folgen, roie bie
9Jtuft! e§ 31t tljun imftanbe ift. 3lid)t minber befangen ift ber ©taub;
punft, roetdjeu er ber Allegorie gegenüber einnimmt; für biefe blatte er
befanntlid; eine feltfame Vorliebe, roeldje itjtt basu oerleitet fmt, ©inn=
bitber 31t empfehlen, roeldje al3 bie fraffefte 23ermengung beS s^oetifd;en
unb be3 ÜQiaterifdjen beseidmet roerben fönnen. SSemt nun trotjbem e§
ein Satj SBindelmannß ift, oon roeldjem Seffing im Sftotoon auögeljt,
bie £r)eorie uon ber §erabfetjung beä 2lffefte3 burd) bie Äunft, roeldje
an unb für fitf; ja aud) S-efftng 3ugiebt, fo barf bod) nidjt oerfannt
roerben, bafj bie 23egrünbung biefeö ©atjeö bei Sßindelmann eine gan3
anbere ift, a(§ bei Seffing: jener führte bie 9Jtilberung be3 2(ffefteö barauf
jurüd, bafj ber Äünftler Ijierburd; bie ©eetengröfje feiner Reiben in tt)rev
Irofjen S^eatttät djarafterifieren rooUte; Seffing aber ftellte bie äßafjrung
ber Scrjönfyeit unb bie Sermeibung beö Sranfttorifdjen in ber Äunft, alfo
bie prin3tpiellen ©runbgefefce ber bilbenben fünfte im GJegenfat^ 3ur
2)id;tfunft, al3 Urfadje biefeg §erabfetjenä ber Stffette bin.
3)a3 bebeutenbfte 2tnfer)en unter ben iunfttf)eoretifcf)en Sdjriften ber
Seutfcfien genojj in jener ßeit, ^13 ber Saotoon »erfaßt mürbe, bie ©djjrtft
von Gi)r. Subro. 0. ,'pageborn (1713—1780): „33etrad;tungen über
bie TOaterei" (1762). Sßenn aud) .^ageborn im roefentlid)en mcfjt über
ben 2(nfd)auung3rrei!o ber bamaligen Slftljetiter (jinauStommt unb ebenfo
ftdf) jum Serteibiger ber allegorifdjen Öemälbe aufrairft, raie er bie Öefelje
ber SDtalerei gtetdjjeitig für bie 2)td)ter gelten taffen roilt, fo finben fidj
bod; bei il)in einige treffenbe, aud} uon Seffing aufgenommene ©ebanlen,
roie 3. S3. bie iBerraerfung beö .V)äfdid)en unb ©felerregenben, gegenüber
ber gulaffung be§ Sd)redüdjen, bie Betonung be§ t?inb/eitlicb/eu ber 31t
roa()lenben vanblung u. bgl. m. , Singe freilid;, raeld;e Mageborn nid;t
auo innem ©rünben herleitete, fonbern rein uom fubjeftio = äftijetifdjen
Öefüf)t au$ red;tfertigt.
2lm metften unter allen, raeldje bie <yrage nad; ben Örensen ber
Aiünfte oebanbdt Ijaben, nicfjt blof; unter ben Seutfdjcn, fonbern unter
allen ©djriftjtettew überfjaupt, ift auf Seffing oon (Sinfluft geraefen
jffBtcntiflaroljtts öinftuff auf ffieflittg. XYII
9)Iofe3 SDlenbelsfofjn. Sßir fjaben fd)on oben Sßeranloffung gehabt,
jenen $Sriefioed)fet beiber 9Jtänner 311 berühren, worin 9)cenbel3fof)n jum
erftenmale auf bie burd) SBindefmann Ijeroorgefwbene frerabfefeung beS
Stffefteö 311 fpredjen fomntt; eS ift aud) barauf aufmerffant gemacht
worben, bafj 9Jtenbelöfol)n einem ber erften (Entwürfe beS Saofoon fefyr
beachtenswerte Bewertungen beigefdjrieben Fiat, uon benen aud) Sefftng
in ber Sfjat an mefjr als einer ©teile ©ebrauef) gemacht Fjat. ©ans
befonberS aber ift e§ eine Sdjrift 9ßenbeI§fol)n§, weld)e für Seffing uon
Ijoljer SBebeutung gewefen ift: bte „Betrachtungen über bie Duellen ber
fcfjönen SSiffenfdjaften unb fünfte" (1757). GS ift cor allem uon fwfjer
Sebeutung, bafj SlienbetSfofyn bei ber ltnterfudnmg, waS bie uerfdnebenen
©egenftänbe ber einseinen fünfte untereinanber gemein Ijaben, um ba=
burd) 3U einem ein3igen 6nb3wed übereinftimmen 311 tonnen, uon ber bis
bal)in immer nod) beibehaltenen Seljre uon ber 9iad)af)mung ber Statur
burd) bie fünfte abgebt unb baS SBefen ber fd)önen fünfte unb 2ßiffen=
fdjaften uielmeljr in einer burd) bie Äunft uorgeftellten ftnnlidjen 23olI=
tommenljeit fudjt. 9JtenbelSfoI)n erörtert junädjft baS ^erfjältniS, wetdjes
bie fd)önen fünfte im allgemeinen sur Statur fjaben, unb welches bie ©r=
forberniffe eines bureb, bie Äunft gefd)affenen 2(bbilbeS finb, wobei er 3U
bem 3tefu(tate fommt, bafj ber ßünftter bie Statur 3U uerlaffen f)at, um
ben ibeellen (Stfjönfjeiten näfjer 31t fommen, als bie Statur in biefem ober
jenem Seile gefommen ift. §nbem er nun aber barauf auSgeljt, bie
fdjönen fünfte untereinanber einguteitett unb 31t unterfdjeiben, bafiert er
feine Unterfudnmg burd)auS auf bie 33efd^affent)ext ber ßeidjen, beren bie
fünfte fid) bebienen, fofern biefelben nämlid) entweber natürliche, wobei
bie SBerbinbung beS 3eid)enS mit ber be3eid)neten ©ad)e in ben ©igen;
fd)aften beS Seseidjneten felbft gegrünbet ift, ober willfürlidje finb, meldje
oermöge il)rer Statur mit ber Bejetdjneten <Bad)t nichts gemein Iwben,
aber bod) willfürlid) bafür angenommen finb. SieS wirb bann ange-
wenbet auf bie fd)önen SBiffenfdjaften, b. f). 2)td)tfunft unb Berebfamfeit,
metd)e fid) ber n)illfürlid)en 3e'd)en bebienen, unb auf iEanjrunft, 33ilb=
tjauerfunft, Malerei unb Saufunft, meldte fid; ber natürlichen bebienen.
$ür Malerei unb Bilbfjauerfunft wirb barauS bie Stotwenbigteit ber
2öaf)[ eines fruchtbaren 2(ugenbIideS gefdfjloffen. — 5aft a^e ^^efe ®e;
bauten, bie wir äf)nlid) 311m Teil fd)on bei frarriS gefunben l)<xben, bie
aber I)ier uiet metfwbifdjer entwidelt finb, finben mir im Saofoon wieber.
2(ber gteid) wie <parriS, nad)bem er fo toeit gefommen unb gewifferma^en
bie Drittel jut Söfung beS Problems in ber §anb I)ielt, nid)t weiter ging,
fonbern barauf eine ganj überflüffige Unterfudnmg ber SBertfdjäijung ber
fünfte bafiert, fo ift aud) ber ©ebraud), ben SJienbelSfotm uon bem ge=
funbenen 2luSgangSpunt'te mad)t, ein verfehlter: olme nun nämlid) auS
ber 93erfd;iebenr)eit ber uon i^n fünften gebrauchten 3etdjen bie einer
jeben 3ufommenben Stitgefe^e 51t entiuideln, gef)t er auf baS 3netnanber--
laufen ber oerfd)iebenen ©renjen über unb auf bie 5ra9c' imuiefern bem
Seffing? «Berte 9. b
XVIII Problem bes ff. brennrnbe .frage. £■ unbamente bereits nefunben.
Äünftfer ber ©ebraud) ber mitlfürlidjcn 3etdtjen freiftefje, eine jwar an
fief) auc^ fetjr wichtige $rage, bk aber erft beantwortet werben fonnte,
nadjbem bie Örenjen ber Äünfte nod) fdjärfer umfdEjrieben morben waren,
als. eä 9Jtenbel§foljn getrau tjatte. Sie ÜHefuItate, ju benen er rjier ge=
fangt, finb benn aucr) in uieler £tnfidjt feljr bebenflid).
2Bas wir nun aus biefer- furjen Überfielt entnehmen, i[t alfo fol=
genbes: einmal war bas Problem, welches Seffing in feinem Saofoon
(b. [). in bem gangen, auf brei £eile angelegten 2ßerfe) ju löfen ftdE)
uorgenommen fjatte , ein öegenftanb, meldjer bamals gerabe auf ber
Sagesorbnung ftanb, eine, man fönnte faft fagen, brennenbe $rage ber
2lftr)etif geworben; unb p>eiten§: bte ^-unbamente, oon benen Seffing
ausging, bie llnterfdjeibung ber ßeidjen ^er Malerei unb ©tdjtfunft als
natürliche unb unllfürlidje, als ftdjtbare unb t)örbare, unb barnacr) bte
3uweifung bes Äoerjftenten, Äörperlidjen an bie üDlalerei, bes ©ucceffioen,
ber §anbhtng an bie Voefie, waren bereits gefunben, wenn aud) feines=
wegs allgemein oerbreitet ober anerfannt. Von biefen oor if>m gefunbenen
©efefcen madjte Seffing ofnie weiteres ©ebrandj; es beruht baljer nur auf
llnfemttnts ber £l)atfarf)en, wenn man früher aud; baß Verbienft, biefelben
aufgefunben 511 t)aben, tfjm anwies. ©5 ift wat)r, er r)at es nirgenbs
ausbrüdtidj ausgefprodjen ober burd; (Jttate barattf fjingewtefen, bafj er
biefe ft-unbamenie feinen Vorgängern entlegne; aber ba biefelben fdjon
feit ©egennien wären attsgefprodjen morben, ba er glauben ntufjte, bafj
Diejenigen, weldje fidt) ernftlid; für bas Problem intereffierten, aud) mit
ber Öefdndjte besfelben »ertraut waren, fo fonnte er fidj bamit begnügen,
bttrdj bie einfachen SBorte: „SBenn es waln* ift, bafs u. f. w." (2lbfdnt.
XVI.) anjubeuten, baf? er f)ier nidjts Unbefanntes »ortrage unb nur bie
barattf gebauten ©djlüffe als fein geiftiges (Eigentum bcanfprudje.
111.
3Benn wir bemnad) erft wenig »or bem Grfdjeinett oon Sefftngs
Saofoon allmäljlid) bie ti'rfenntnis ber funbatuentalen SBerfdjiebenljeit ber
Aufgaben oon Sßoefie unb bilbenben fünften auftauchen fefjett, wär)renb
uorfjer unb 311m 7dl aud) nod) gleid;3eittg bie £f)eorettfer burdjweg
©idjtern unb SKalern es prebigen, bafj it)re fünfte in 2luf gaben unb
3M6,obe bureftaus uerfdjwiftert unb gleichberechtigt feien, fo ift es fet)r
begreif tid), baf? wir ÜKaler unb Siäjter auf bem gleidjen Sßege feigen,
weld)en bas Sßublifum unb bie Äunfrridtjter für umf)r unb richtig fjielten,
wcldjer aber notroenbig gur Vermifdniug beiber (Gattungen führen mufjte.
Seffing f)at in ber Vorrebe es ausgefprodjen, wof)in biefe „2(ftcrt'rttif"
geführt Ijat: fie Ijat in ber Sßoefie bie 3dnlbcrungsfud)t, in ber bilbenben
Munft bie 2lllegorifterei erjeugt. liefen beiben Sftitfjtungen, als bemjemgen,
was Seffing im Saoloon nadj ber pralrifcfjen Seite f)in ju befämpfen
fid) norgeietd batte, tjaben wir bal)cr l)ier eine Betrachtung ju mibmeit.
^aö 5iinäcl)ft bie cd;ilberttngsfucl)t in ber Sßoefie, b. t). bte Se=
Sdjüömmg in bra iJotfu. XIX
fdjreibung förperlidjer ©egenfiänbe anfangt, fo fjat Seffing felbft im
Saofoon auefüfjrlid) genug bargelegt, wie fidf» bie alte ^oefie baju »er*
f)ält. @r fmt nor allem gejetgt, bafj §omer baoon burtfjauS frei ift, bafj
bie fpäteren Sidjter bagegen, foioobt bie gviecf;ifdjen beö aler.anbrinifd)en
3eitatter§, al§ bie Körner, ftfjort mefjr ba3u hinneigen. ©3 ift bisher
nocl) feine einläftlidjere llnterfudnmg barüber angeftellt worben, rote bie
Siebter beä 2tttertumö naa) Konter fia) 311 .ber poetifdjen Sefdjreifiung imb
bem non Seffing fo öorgügltdj bargelegten „Äunftgriff ftomerS" »erhalten;
eine foldje würbe jebenfallö aber 311 bem Nefultate führen, bafs bie ^enbenj
311 fd)ilbem mit ber 21bna()me ber bidjterifdjen Sßotenj altmäl)lid) junimmt,
bajj jebodf) bei wa£)rl)aft bebeutenben Siebtem bie Bermanblung be$
.Hoeriftenten in ein ©ucceffü>e§ bei weitem gegenüber ber trod'nen Be=
fdireibung norwaltet, wie beim ßeffmg felbft gelegentlich barauf Ijinweift,
bajj 3. B. Cüib meift fuccefftuer ©emiübe fia) bebient. — 2ludj in ber
erjäljlenben ^Soefte be3 äRittelalterö tonnen mir eine äfjnlidje 33cobad)tung
madjen, rcie in ber beS 2tltertum3. Sag alte SolBepoä läjjt fidtj eben=
fomenig auf öefdjreibung ein, raie ftomer. SBie biefer einfad; »on
§efena fagt, fie mar fdjön, of)ne irgenb metdje nähere ©djtlberung biefer
©d)önf)eit 311 Derfudjen, fo fyeifjt e3 aud) in ben Nibelungen oon &'riem=
f)ilt nur: „sie wart ein scoene wip"; roenn fie au§ itjrer Äcmenate
fjeroortritt, madjt un3 ber Sidjter ifjre l)inreifjenbe ©djönfjeit nidjt burd)
2(uf3ä()lung ifjrer 9teije flar, fonbern nie! treffenber unb finniger, inbem
er fie mit bem au§ trüben Wolfen {jeruortretenben üDionbe oergleidjt.
Senn ©iegfrieb mit feinen Pannen in 3BormS einreitet, fo fagt ber
Sicfjter oon üjrer Bewaffnung gans fürs weiter nid)t3, atS: ,,Ir schilde
waren niuwe, lieht unde breit, und viel scoene ir keime"; I)öd)ften3
baf} ber 3aum ber^Sferbe golbfarben, ilw Bruftriemen feiben genannt wirb.
Unb wenn bie Bewaffnung ber Brünfjilbe erwähnt wirb, fo werben 3war
einige !ur3e befdjreibenbe 3il9e emgemifdjt, aber immer in birefter Ber=
binbung mit ber Königin, welche fie tragen foll, ober mit benen, meldje
ifjre 2Rad£>t im Kampfe nerfpüren follen. ©er ©djilb ift grof? unb breit,
unter weldjem bie tmnmgltdje 2JJaib fptelen wollte; er ift mit einem
fd)önen, ebelfteinbefe|ten Banbe gefdjmüdt: ber mufjte gar füfjix fein,
welchem biefe grau f)o!b werben füllte; ber ©djtlb war oon ©tat}! unb
<s)olbe, reidj genug: oier ifjrer dümmerer 3ug(eid) tönneu ir)n faum
tragen u. f. w. — ©an3 anberS aber uerl)ält fia) bie Ijöfifdje @pif. Öerabe
jene Nebenbinge, meldje ba<3 alte Bolföepos gans fürs abmadjt, fpielen
fjier eine Hauptrolle; Sradjt unb SBoffen, Geräte unb öebäube werben
nunmefjr mit ber allergrößten, uiele 23erfe füllenbeu Breite biö in alle
Setailö gefdjilbert. Unb gans ber gteidje Jall ift in ber "^oefie ber
romanifd)en Golfer: aud) bie fran^öfiferjen unb italienifd;en §elbengebid;te
ergeben fid) mit Vorliebe in Befd;reibungen. Nidjt minber gab bie Neigung,
weldje bie ^oefie beö 3JlitteIaIterä für bie Allegorie blatte, 311 ©djilberungen
2(n(aß; benn begreiflidjerraeife begnügte man fid) nidjt, biefe ^erfoni=
b*
XX (Cngürdjcr öinfluß auf btc allcgovifdjc imb bcfriireibfnöe Ktdjtung.
fifationen Ijanbeln 31t (äffen unb fie burd) i!)re §anblungen als ba3, maS
fie norftellen füllten, ju djaratterifieren, fonbern man nerfab, fie reidjlid)
mit Sinnbilbern unb befd;rie6 fie uom &opf btä 3U ben ^-üßen.
9tad; beiben Seiten b,in, nad) ber allegorifdjen roie nadfj ber be*
fdn*eibenben 9tid)tung, fjat bann in ber folgenben gut bie englifdje
S)id)tung einen bebeutenben ©influß ausgeübt, raetd)er namentlid) in ber
beutfdjen $oefie feEjr mertlid) 3U Sage tritt. %m fed)3ef)nten Sa^lninbert
fjatte ©bnumb Spencer in feinem allegorifdjen ©pos „Sie fyeentönigin"
(The fairy Queen), mo nad; bem Sorbilbe bes Slrioft unb 21a ff 0 2llle=
gorie unb Sftomantif in reidjer ^fyantafte fidt) oerfdjmeljen unb 23eranlaffung
ju 3ab,Ireid)en Sdnlberungen geben, ein benmnbertes unb tuet nad;=
geahmtes §8orbitb biefer Spanier gefetjaffen. Qn feiner Sßeife bidjtete
SJJidjael Sranton (1503—1621); unb aud; 9Jftlton ift in feinem „verlöre*
nen ^arabiefe" oon ber Senbenj 3U fdnlbern nidjt freijufpredjen, obgletd;
feine roafyrljaft großartigen Sdnlberungen größtenteils roeit über eine
faljle 33efd)reibung t>on Singen fjinausgefyen. Seffing t)at fein* ridjtig
bemertt, baß feine Starte nidjt in ben »ereinselten Malereien torperlidjer
©egenftänbe, fonbern in feinen fuccefftoen 0emälben liegt. Safjer fommt
aud) bie im £aofoon berührte ©eringfdjäfcung 9){iItons non feiten beS
©rafen Ganlus, roeldjer benjenigen Sidjter für ben befteu tnelt, ber ben
SRalern bie meiften Stoffe bietet. 2(ber bie Smuptuertreter ber eigene
Itdjen befdjreibenben 9iid;tung in ber englifdjen s^oefie finb 5ßope unb
Sfjomfon; jener mit feinem „Windsor forest" unb in feinem an Spencer
fidt) anlefmenben „Temple of fame", biefer cor alten Singen in feinen
berühmten „^aljregjeiten", in benen bie Sdjilberung ber Statur in ifjren
mannigfaltigen Sßfjafen bes Safjreslaufes ben alteinigen SynljaÖ ausmadjt:
alterbings in meifterfiafter SBeife, meldjer felbft Seffing (in einer i. Q.
1756 gefdjriebenen Äritit) feine 2tnert'ennung nidjt »erjagen tonnte. —
Sljomfortö Spanier, obgleid; oon etnfidjtSoolten Äennern, roie Sroift, als
ein S'-'nrieg erfannt unb roegen Mangels an föanblung uerworfen, fanb
bennoeb, nidjt nur in (Snglanb 3al)lreid)e 9iad)af)mer (5. 58. Stomas ©rat)
u. a., raeldje Seffing Jurjroeg „bie £f)omfonfd;en Sidjter" nennt), fonbern
aud; in Seutfdjlanb, 100 „bie 3al)res3eiten" uom Hamburger 33rodeö
(Seutfdje 9£at. = £itt. 33b. 39) überfefct unh non biefem unb äafüreidjen
anbern jum SJJufter befdjretbenber SJtaturfdjilberungen genommen raur=
ben. ,3n>ei unter biefen 9cad;af)mern ragen über bie 9JJenge ber übrigen
bebeutenb Ijeroor: Malier mit feinen „2llpen", (Seutfdje 5Rat. -Sitt.
58b. 41, 2) mo bas 33efd;reibenbe freilid; nidjt ?ur .s^auptfadje gemad^t ift,
fonbern neben bem bibaftifdjen (Slement be§ 0ebid;tes in ben §inter=
grunb tritt; unb Gioalb uon Hleip „A-rüf)ling" mit feinen reisoollen,
anmutigen Sdjilberungen be§ i'anblebenö, benen freilief; aud) sur 33e=
lebung bie öanblung fef)tt, ein SKangel, meldten nad; Sefftngä fidicr
autt)entifd)er 2luöfage ber 2)id)ter fpäter felbft empfanb unb bei einer
neuen Üluögabe 511 erfe^en gebadete. I5f)arafteriftifd;e .33eifpiele aber,
Die Metrie ititb bic Ijcllirntfdjc ßitn|i. XXI
rcofjtn biefe Sfticfjtung ßei ©intern ofme Talent führen mufjte, finben mir
in einigen SRejenftonen Seffingä, in feinen „Briefen, bie neuefte Sirteratur
betreffenb". 3m fedjften ©riefe mirb ber „2en3" be3 $?errn oon Sßaltljen
befprodjen unb wen Seffing alö eine ©ammtung oon alle beut beseidjnet,
raaö bei- SSerfaffer bei ttßerfefcung be§ ;JI)omfonfd)en fjfrüljUngiB Sd;(edj=
tereS gebadet fjat; a(3 eine Sammlung von Qüqen unb Silbern, bie
Sfjomfon unb Äleift unb fetDft ßadjariä uerfdnnäljt fjaben. „©r malt
äßütfen, unb ber £immet gebe, bafj un3 nun batb jemanb and; -Dlücten*
füfje male!" — %m 41. SBriefe merben bie (profaifdjen) „©djilberungen
au§ bem Reidje ber Ratur unb ber Sittenlehre" non Sufd) befprodjen,
metdier feine Raturfdjüberungen nad) ber Reihenfolge ber ÜWonate an-
georbnet f»atte. Seffing bejeidjnet fie alö einen „beftänbigen Gento au§
§ßope, ÜEfjomfon, ^aroe«, 2)oung, pfeift, £>al{er unb graangig anbern". —
Siefe Richtung in ber ^oefie ftanb nod) in uotfer fterrfdjaft, at3 ber
Saofoou gefdjrieben mürbe; fie 31t bekämpfen, fie aus! innerlidjen ©rünben
aI3 I)a{t{o<3 unb bem Sßefen ber ^oefte felbft rotberfpredjenb 51t erroeifen,
mar bie eine 2(ufgabe, meldte Seffing ftd) im Saofoon ftettte.
Sie anbere öpi^e ber ©dfjrift fefjrt ftdr) , wenn aud; in einer etroaö
weniger fdjarfen Sßeife, gegen ben Öebraud), ober beffer gefagt gegen ben
nnoerftänbtgen unb übertriebenen ©ebraud) ber 2Utegorie in ber Äunft,
unb mir fjaben bafjer, 31t befferem äSerftänbntä ber Sebeutung, me(d)e
biefelbe in ber bamaligen Äunft f;atte, and) bie 2(nmenbung ber StUegorie
in ber Äunft in lurjen 3"Setl fjiftorifa) 51t beleuchten.*) — 2tud) i)ier
finben mir bie griect)ifct)e Äunft burd) ÜDJafdmtten auSgejeidjnet. Sie
üKefjrjal)! ber griecljifcljen ©Ortzeiten finb jroar urfprünglidjSerfotüfifationen,
»on Raturfrüften, etfjifdijen Segriffen u. f. ro., — aber 3ur ^tit, ba bie
Äunft fid) irjrer 31t bewältigen beginnt, maren fie boa) mirfüd) gebadjte,
tonfrete Jßefen, mit beftimmtem 2(uf3ern, and) ofyne ft;mbo(ifcr)e 2(ttribute
jebein oollftänbig t'far unb fenntlidj. Hub raenn and) im Sauf ber 3eit
in biefe ©öttermett en^elne giguren Slufnaljme finben, mzld)e mef)r ben
urfprüngüd) aKegorifdjen ßfjarafter bemafjrt Ijaben unb namenttid) burd)
ifjre 2ittribute benfetben fenntlidj 5111* ©djau tragen, fo finb bod) aud)
biefe für ben Seltenen nidjt b[o§e abftrafte, mefentofe Sdjemen, fonbem
ju mirllia) unb inbimbueU gebauten götttidjen SBefen gemorben, beren
fünft(erifd)e Sarftelhtng niemanb als 2lltcgorie in unferm (Sinne mirb
gelten {äffen fönnen. Reben biefen giebt eö bann allerbingS, namentlid)
in ber Soefie, aud) ^perfonififationen abftratter Segriffe, meldje niemals
;u inirflicrjeix, antfjropomorpfyifd) gebadjten unb göttlid; oeref)rten Sßefen
geroorben finb ; aber biefe fanben in ber Äunft nur eine befdjränfte 2(uf=
nannte, unb rao mir fie finben, unterfdjetben fie fid) in ber Reget äu^er=
tid) in nidjtä Don gemöfnilidjen Sterblidjen unb finb nur burd) bie 6et=
gefd)riebenen -Kamen als Serfonififationeu geiftiger 2(ffette erfennbar.
*) Cingcfienb f>a6e tef) hierüber ge^anbelt in meinen 2aofoon=Stubien, ßeft I: Über
ben ©ebrnuc^ ber 2lUegcrie in ben bilbenben fünften, /jreiburg 1881,
XXII ®i« Allegorie in ber römifcljcit unb djnftlidjen ßunft.
Grft bie finfenbe Sunft bes öeUeniömus fängt an, fiel) auf fompÜ3iertere
2(llegorieen einjulaffen; jroor begegnen mir unter ben SBecJcn bei- be=
beutenberen Jtünftler, feien e3 nun 33Ubf)auer ober DJtater, foldjen (Sujets
nur uereinjelt; aber eo finb bod; bereits größere, rein allegorifdje Scenen
barunter, fafyte 2(bftrattionen ber nüchternen Siefterjon, ir>etct)e wir au$
einem burdjaus anbern ©efidjtSpimft betrachten muffen, ato jene urfprüng=
lirf; aud) attegortfdjen, aber burd) 2Iufna£)me in bie SoKSrettgion lebenbig
geworbenen Öeftalten ber uorljergebenben (Spodjen, bie bod; größtenteils
eben baburdfj, bafs fie im innigften gufatnmenljctttge mit ber poetifdjen unb
reügibfen 2(nfd;auung be3 isolfeö fielen, für bie Seltenen aufhörten 2(lle=
gorieen ju fein.
Sie Grbfdjaft ber ijetteniftifdjen Äunft trat bie römifdje Äunft an,
bie fid; entfpredjenb ber römifd)en Religion unb HuttuS gern SBefen
jur ©arftettung »äljtte, meiere ifyrem ibeaten ^rtr)atte nad) mefyr an ben
Serftanb, als an baö ©emüt unb bie Sßtjantafie appellierten. Sie mäljtte
baljer aua) weniger bie bei ben ©rieben uorwattenben ^erfonifitationen
pfndjologtfdjer 2lffefte, at§ uiehnefyr bie objeftiueren, allgemeine menfd)lid)e
,3uftänbe, Gigenfdjaften, Sugenben u. f. m.; unb fie bringt fie für ge=
wöljnlidj aua) nidjt, wie jene, in beftimmte Serbinbungen, wobei ba§
adegorifdje SBefen jugteidj fyanbelnb ober wenigftens burd) feine 2tnwefen()eit
bei einer gewiffen §anblung fid; in feinem Gfjarafter tennäeidmet, fonbern
fie ftettt fie ifofiert bar, fowofyt in Statuen, al3 namenttid) auf SJU'mjen
unb gefdjmttenen Steinen, Äunftwerten freilid), weldje Seffing al§ jur
33ilberfprad;e gehörig uon äftt)etifcr)en fragen au3gefd)[offen wiffen will.
2(ber, foweit wir bieg fjeutjutage nod) ju beurteilen imftanbe finb, biefe
Weftatten fdjeinen fid; bod) in ber römifcfjen Äunft nie fo feft eingebürgert
51t f)aben, bafs fie auf allgemeine äkrftänblidjfeit rechnen tonnten; bem
SBolfe waren feine alten ©ötter uon jefyer oertrauter, ftl§ bie mefyr mit
ber f)bfifd)en, foäufagen offigieden iiunft in gufammenrjang ftetjenben
2(degorieen, welche baf>er in ben meiften AÜIlen aua) einer ertlärenben
$8eifd;rift nidjt entbehrt Ijaben werben, wie wir foldjc auf SJJünjtvjpen faft
regelmäßig beigegeben finben.
Sie dwiftlidje Äunft beS 931ittefalter3 nimmt eine grofje 3a0t biefer
römifdjen 2(llegorieen of)ne weiteres auf; uornefymüd) bie ^erfonifitationen
uon Xugenben ober Sftftem unb bie ber belebten Statur, inbem fie (entere
äunädjft tro£ ifjreö auögefprodjcn fyeibnifdjen ©Ijarafterä uodj gang rufng
in iljreu ftreng dwiftlidjen SSorfteUungeu ber v}>afftons>= ober ^eiligen*
gefdjidjte anwanbte, jene nod) um neue ©eftolten fpejieö dwiftlidjer
Sugenben ober 2(bftraftionen (ilirdje, Ölaube, Äe^erei u. bgl. m.) uer=
mehrte. 3» biefer SEBeife madjte bie d;riftlid;e Äunft uon ber 2(lIegorie
einen uorerft nod; jtemlic^ befri^eibenen, mefyr beiläufigen ©ebraud;; al§
aber im 13. unb 14. 2S<d)id)unbert bie 2(Uegorie in t^rer a(terfd)(immften,
abftrafteften 2(rt in ber ^oefie bie betiebtefte unb bewunbertfte J-orm
unb 2(uobrud'oweife würbe, als gan3e 33üd;er in ^rofa unb in SSerfen
Die Allegorie im ^Mittelalter, in ber Iknatffanrt unb ilnqeit. XXIII
oon 2lnfang Bio ©nbe mir auo allcgortfcfjen Vorgängen, meiere uon ab--
ftratten Begriffen aBgefpielt mürben, Geftanben, ba ging biejer 3Wif$braudj
auef) in bie Äunft üBer unb erzeugte ba eine alfegorifierenbe Südjtung,
roeldje fetbft Bei ben gtöfjten 3Mftew nur oerfeljtte Sßerfe inö SeBen
rufen tbnnte. SBenn Sante bie SBermäljIung be$ l). gfrangiäfUiS mit ber
2(rmut fdiilbert, fo modite baö bein Siditer, meldier nermittelft ber ©pradje
feine allegorifdien Figuren beutlidj at§ fotdie fennseidjnen lonnte, nod)
nadjgefefjen merben; roenn aber ©iotto biefen gleichen attegorifdien $or=
gang matte, fo mufjte er burd) bie feinen 2tllegorieen BeigefdirieBenen DJamen
M$ Unuermögen be§ Äünftlerö, ben ©ebanlen beo SiditerS bem 33efdiauer
of)ne raeitereö beutlidj vov 2lugen 31t führen, raiber SÖilten fetbft Bejeugen.
Unb roie in ber Äunft be3 ^iittelaltersä, fo Behält bie Allegorie tfjren
feften $(a£ in Sfutptur unb Malerei ber 3?enaiffance. ©el&ft bie größten
Äünftter ber mobernen Hunft, SRafael, 9)ttdiefangefo, Sijian, Sürer, £>ol--
Bein — fie alte B/xBen mefjr ober weniger ber 2tt(egorie tftren SriBut
entrichtet; nitfit immer gerabe in fo tomptisierten altegor ifdjcn £)anblungen,
u'ie ©iotto unb beffen Seitg'enoffen, aber bafür in um fo 3al)lreid)eren
allegorifdien ©injelfiguren, rooneBen e$ bann immer audj nod) üBlid; BlieB,
©terBlidje, roeldje mau in Bilblicfjer Sarftellung irgenbnue uertjerrlidjen
wollte, aufjer mit ben ©Ottern be3 2(ttertumö auef) mit jenen aUegorifdjen
g-aBettoefen in birette SSerbinbung 31t Bringen. %n *>er ©tulptur finbet
bafjer bie 2(ltegorie Befonberö fjaufige SSerroenbung Bei ©raBmütem,
namentltdi bie figurenreidjen ©raBmäter ber Sßäpfte oon 23ernini unb
feiner ©diute leiften barin ba3 Slufjerfte an ©efdimactlofigfeit; eBenfo
finb Gln'enbenfmäter Beriifjinter Sßerfönltc^feiten in ber bieget mit ber=
artigem SBeiroerf Derfeljen roorben, unb atttfj 311m ptaftifcfien Scfjmutf
monumentaler Sauten, Brunnen, Sßatäfte u. f. ro. fyotte man ftdj bie
9)iotioe Bei ber 2tllegorie. $n alten fotdjen fällen tjat bie 2(llegorie,
rcenn audj nicfjt immer in ber Iraffeu g-orm be$ 17. unb 18. $,ai)t--
tjunbertS, Bio auf ben heutigen Sag ifiren ^tafc in ber ©tulptur Be-
Befjauptet. — 2Jid)t minber Imt bie Malerei fie in ben mannigfaltigften
formen fultioiert; unb ba ganj BefonberS ba3 17. ^arjrrjixnbifrt l)ier=
oon in ausfdjweifenber SBeife Öebraudj madjte, bie grofjen ®emälbe=
ctjften, burd) weldje SiuBenS bie Slcaria von 9)JebiciS, Sebrun Subtuig XIV.
uerljerrlicfjte, faft burdnueg auf altegorifdjer 33afi3 Beruhten, unb bie
233anbgemälbe ber §ßatrijiert^äufer nidjt minber at§ bie Äupferftidrje unb
§ol3fdmitte, rcetd;e man gelehrten ober poetifcfjen SBerten at§ SitetBtätter
üorfejjte, ber gleichen 9iid)tung fjulbigten, fo ift eö Begreif titfi , baf? biefe
fo altgemein oerBreitete, in ^Soefie unb Wunft gleict) rjodigefteltte 25er=
roenbung ber 2tllegorie bie SBcaditung ber SBeoretiter finben unb je nad;
bem ©tanbpunft beö Setreffenben ©egenftanb uerfdjiebenartiger 33eur=
teilung merben mu^te. g-aft alte SBetfe über Malerei unb ^poefie, rceldje
mir oBen angeführt, unbmen batjer aud) biefem fünfte eingejjenbe Se^
trad^tung; e§ mar in ber Jl)at 3ttr 3°ii ^eö ©tfd^einenä be§ Saoloon
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XXVI üorrcöc miö fiapttel I.
nidjt minbcr eine brennenbe $rage, rate bte über ben äBert ber Sd;tibe=
rang für bte Sßoefie. Hub wenn Seffing ber leideren 9iidjtung nürHid)
ben Sobesftoß werfest f;at , inbem er mit unerbittlicher ©d)ärfe ba3
•Kidjtige berfelben fo unübertrefflid) nacfjrateö, fo fann man eö nur be=
baitem, baß er bte 2(llegorie in jenem erften Seile feines §Buä)e§ nur
mel)r geftreift, aber mrgenbä ausfüljrlidjer beljanbelt bat. 3Bäre er baju
gefommen, aud) Ijier mit ber ganzen ©djärfe unb Sßudjt feinet ©eifteä
bie ifmt ju ©ebote fteljenben fiegreidjen SÖaffen gegen jene Unnatur in
ber Äunft 311 fdnoingen, roer raeiß, ob ntdjt audj bie 2ll(egorie in ber
Mnnft burd) ifjn ba§ gleidje Soö erfahren fjätte, raie bie befdjreibenbe
Sitdjtung in ber ^oefie, raäfjrenb fie jeljt nadj raie nor luftig iljre Stuten
treibt, ftreilid) bürfen rair ntdjt nergeffen, baß l'efftng feine3roeg§ bie
2Ulegorie mit ©tumnf unb ©tief ausgerottet raiffen wollte, roa§ ja aud)
burdjauS nidjt begrünbet wäre, fonbern nur gegen bie ,,.2Ulegortfteret",
bie übermäßige unb oerteljrte 2(nraenbung non 2lt(egorieeu fid) erftärte,
obfdjon er fretltd) 31t einer beftimmten Sarlegung feiner 2tnfid)t über
biefen ^untt leiber nie gefommen ift.
IV.
SBir gefyen nunmehr ba3it über, ben ©ebanrengang beö Saofoon in
föür3e 5« entraid'eht.
3n ber Sorrebe roirb bie SSeranlaffung ber ©cbrift bargetegt, foraie
il)r ^roed, raeldjer barauf Ijinauöläuft, bem falfdjen Öefdjmad ber Siebter
unb. ßtinftfer, roeld;er 3111- ©djtlbentngöfudjt uttb 2tUegorifterei geführt
bat, foraie ben ungegrünbeten Urteilen ber Ärttifer, roetdje raillfürlid)
Übereinftimmung uon 9JMerei unb ^oefie angenommen unb barau3 bie
tf)örid)tften Singe gefdjloffen fjaben, entgegen3uarbeiten. Sie ©djrift felbft
gefyt im I. H'ap. aus von ber befannten, beut nod) fjäufig citierten Sufjerung
SBindelmanmS, baß baö allgemeine worsüglidje Äen^eidjen ber gried)ifd)en
Äunft „eble Ginfatt unb ftille 05röße" foraoI)( in ber (Stellung als im
2lu3brud fei, raofür SÖindelmann als Seifpiel ben leibenben Saot'oon
anführt, raeldjer fein Seiben cbenfo groß trage, raie beö @opbofte§ ^iloftet.
Seffing pfltdjtet ber 33emerfung SöintfelmahnS binfidjtlid) be§ Saotoon,
baß ber ©djtnerj fid; bei bemfelben nidjt mit jener SBut äußere, welche
man bei ber §eftigfett beSfelben erraarten füllte, bei; aber ben ©wnb,
raetdjen äBincfelmann bafür angießt, baß nämlid) baburd) bie (Seelengröße
be§ üelben auSgebrüdt raerben folle, billigt er nidjt. Um bagegen beit
feinigen bar legen 31t tonnen, gcljt er auS non ber 2jergleid)ung iüindel=
monnä jwifdjen Saoloon unb Pjüoftet. Gr finbet, Daß ■jßfjiloftet bei
©opbofleö fo fdjreit unb jammert, baß non fterabfeintng beS 2tffeftes
beim Sidjter feine Siebe fein fann. (Sä ift überhaupt griedjif d)c , bei
Öomer oft beutlid; fidj fennjei^nenbe 2tnfd)auung , oa^, Sd)reien unb
fonftige laute Sdnner3en§äußerttngen feineSwegä unmännlid) finb. S^äbrenb
ber altnorbifdje ,'öelbenmiit Verbeißen be§ ©d^merjeä verlangte, gemattete
fiap. li- ^erabfcijimg ötr Affekte. III. Das ■fijäfjlidjj. XXVII
her ©rieche burdjau§ Sljränen, Ätagen, ©freien alä 2(usbrucf bes
©ä)nterse§; nur bafj biefe &ufjerungen feiner ©mpfmbung Um nidjt von
©rfüUung feiner SßfKdjt surücfljatten burften. @t> ergieBt fid) atS SRefuftat
bes erften 3I6f djnitte§ : ba nadj griedjifc^er 2lnfdjauung Sdjreien bei törper=
lidjen Sdjmerjen fefjr nior)I mit einer großen Seele fidj Bereinigen läfjt,
fo fann ber Äünftler beim Saofoon nidjt uon Sarfteffung biefeä Sdjreiens
SCBftonb genommen fjaben, um jene grofje (Seele 311111 2lusbrucr 311 bringen;
es ntu^ bas uielmeljr einen anbeut Örunb fjaben. Man. II: Stefer
©runb ift barin 31t fttdjen, bafj ber fjödjfte 2lusbrucf ber Seibenfdjaft
eine geroaltfame SBetoegung bes Körpers mit ftdt) bringt, tneldje bte Sdjön--
fjeit nerminbert ober aufl)ebt; Sdjönljeit ift aber ^auptjtöeö bes Äünftlers.
SBtofse 2lhnlid)feit, 9iad;af)mung ber Statut mar niäjt ber ^med ber grie;
djifdjen Jtünftler; unb menn einige alte Hünftter fidj auf bergleidjen Der*
legten, fo 3eigen unfere s)iadjrid)ten, bafj mau folcfje Schöpfungen gering
adjtete, mie beim audj beftimmte obrigfeitlidje SSorfdjrifien, 3. 33. Verbot
ber Äarifatur unb 23efdjränfung ber Sßortrötbilbnerei, in gleichem Sinne
gegeben 31t fein fdjetnen. Semnadj mufjte alles, mas fid; mit ber Sdjön=
Ijeit nidjt »ertrug, ausgefdjfoffen werben; unb ba3ii gehörten getoiffe
Seibenfdjaften, meldte fid; im Öefidjt burdj tjafelidje SSergerrungen, im
Äörper burd} geroaltfame Stellungen äußern. Sie alten Äünftler bilbeten
fold)e 2lffefte entroeber gar nidjt, ober fie festen fie auf ein geringeres
•Diafj tjerab. Sarum Ijaben fie nie eine %uxk im (Stjarafter einer fofdjen
gebilbet, fjaben 3°™ aitf Gnvft, Jammer auf SBetrüBmä fjerabgefekt,
ober, roo fie bies nidjt tljun tonnten, fidj auf onbere SGBeife 311 fjeffen
gefudjt, raie 3. 33. Xitnantfjeis bie ^%uv beö 2(gamemnon beim Opfer ber
Spfjigenie uerfjüllte. 2tus biefem ©nmbe alfo milberte ber Äünftler bes
Saofoon bas Sdjreien besfelben auf Seufzen; benn ein fdjreienbes ©e=
fidjt mit feinem offenen SDtunbe unb feinen nerserrten Seilen ift unfdjön.
31>aljrfdjeinlidj jeigten audj onbere berühmte alte Äunftinerte, ber leibenbe
§erfufes, ber fjtnfenbe s}>ljUottet beö ^tjtljagoras, bie gleite §erabfe£ung
bes 2(ffettes. Aap. III: 9hm fefct freilief) bie moberne geit ber Jhtnft
raeiiere ©renjen unb uerftattet ifjr felbft baö öäfjUdje. 2ll(ein audj bann
mufj ber Äünftler im 2lu5brutf'e Wlaf-, fjaften, unb 3rcar meil ifjm uer=
möge ber Sdjranfen feiner iiunft nur ein einiger 2lugenblicf jur S)ar=
ftellung oer gönnt ift unb biefer nidjt im fjödjften fßunÜ ber Smnblung
genommen roerben barf. Senn ber geronfjlte 2lugenbtict mufj vor allen
Singen frudjtbar fein, ber (Sinbilbungsfraft freies Spiel laffen: basu
eignet fid) aber bie fjödjfte Staffel bes 2lffeftes am aßerroenigften. ferner
barf biefer 2lugenblidr, loeil er burdj bie Äunft eine unneränberlidje
Sauer erhält, nidjts ausbrüd'en , mas burdjaus tranfitorifdj ift, b. I).
plöfelid; ausbricht unb plö^lid; üerfdjioinbet. Senn bas ^ranfitovifdje
inirb in ber Äunft unleiblid;; Sadjen roirb 311111 ©rinfen, Sd)reien er=
fd^eint rceibifd; ober tinbifd). 33elege aus ber alten Äunft finb bie 9J?ebea
unb ber Sljar, non 2"imomad;us, meiere beibe nidjt auf ber Ijödjften Staffel
XXVIII 'Snp. IV. Dirijttr «nb korpcrl. Sdjmtrj. V. ötrgü unb bü ©nippe.
beo 2fffefte$ uorgeftetft waren: jene in einem früheren, biefer tu einem
fpäteten l'coment. $ap. IV: ®a\vs anberö aber ftefjt ber Siebter beut
förperlidjcn Sa)mer3e gegenüber. <5r braudjt nid)t auf förderliche <2djün=
fjeit 311 fefjen, ba man bei ifmt jene gewaltfamen Slffefte nidjt alä fjäfjlitf)
empftnbet, inbem man fie nicf)t uor Singen fjat; er fjat ferner mefw als
einen 2lugenbticf guc ©iopofition, lann bafjer feine ^erfonen audj in
anberen Situationen geigen, unb fo jebeö falfcfje Urteil über ifjren Gtja=
vafter oerfjinbern. Unb baS gilt feineSmeg§ bfof; oom erjä^lenben Sinter,
fonbent auefj com bramatiftfjen, obgleich mir bei biefem jene uon ber
Äunft uerroorfenen fjüdjften 2lffefte greifbar oor Singen Ija&en. 2)afj in
ber Xljat ber bramatifdje Siebter bittet unb 2Bege f)at, fiefj oiefeS 31t
erlauben, waS bem bilbenben Äünftler uerfagt bleibt, jeigt Seffing an
einer gerglieberung beS ©opijoKeiftfjen }>l)iloftet. SopfjoffeS nerftärft unb
erweitert bie $bee be§ forpertidjen <3djmer3e3 burdj bie übernatürliche
2lrt ber ÜEBnnbe, weldje unS baS $urdjtbare be3 <Sdjmer3e3 begreiflich
madjt; er uerbinbet fie ba^u mit nodj anberen Übeln, meiere unfer 9JJit=
leib im t)öct)fteu ©rabe erregen: ©infamfeit, junger unb ©tenb; ganj
im ©egenfat? 31t bem fransöfifcfjen Sinter ©fjateaubrun, wetdjer feinem
^(jifoftet ©efeUfctjaft giebt unb baburd) fid) be3 beften &tlf§miitel§, auf
ben §örer 31t wirfen, beraubt. Unb roenn mir audj ben "}>fjiloftet auf
ber 23üfjne jammern unb winfefn l)ören unb feigen, fo rcirb er bodj
baburd) cor unferer Sßeradjtung gefiebert, baf* wir if)n troijbem af3 ben
ftanbfjafteften SDJann erfennen, rceldjer lieber alle biefe ©dfjmerjen weiter
ertragen, alö t>on feiner Senfatt weidjen will. Saburd) r)at ©opfjoffeS
feinem gelben unfere öodjadjtung gefiebert; ber ©rtedje oerlangte ja nidjt,
wie ber an bie ^edjterfpiele gewöfjnte 9?ömer, Unterbrüchmg be<3 <2d)mer3=
gefüfile3 in feinen ©djaufpiefen. ©nblitf) fjat ©opfjoffeS nodj barin feine
Sßeiöfjeit gejetgt, bafj er ben 9iebenperfonen nod) anberweittge Ssntereffen
gegeben fjat, bamit fie bei jenen Sinterungen be§ ©djnterjeä nidjt auf
baö blofje falte SOcitleib angewiefen finb; äfjnlidj wie er e3 audj in ben
2'radjinierinneu gemadjt fjat. Aap. V: SäBemt bemnadj ber Stdjtcr ben
^aofoon ebenfogut fdjreien, wie blofj feigen laffen fonnte, raäfjrenb ber
Äünftler iljtt nidjt fcfjreien laffen burfte, fo erfjebt fia) bie $rage, wie
man baS 3Serf)äItniS beö SSirgilifdjen i'aofoon, ber fdjreit, 31t bem ber
öruppe, ber blofj fenfjt, 511 beurteilen fjabe? — Sie ©ruppe wirb vkU
fadj als auf ber ©djilberung 2$irgil3 berufjenb angefel)en; obgleidj baneben
audj nodj bie 93Jöglidjfeit beftünbe, bafj beibe auf eine ältere bidjterifdje
Cueffe 3urücfgcfjen. g^M) H* °^eg aug beftimmten ©rünben nidjt
gerabe wafjrfäjeinlicfj. Sic öftere 2luffaffung ber Sage fdjeint nämlidj
Don ber üUrgilifdjen abwcicfjenb 311 fein: Saoloon blieb babei, wie auefj
bei bem fpäten Sidjter Duintuö ©mtjrnäuö, am Xtbcn. öätten bie
33itbt)auer naa) biefer 2luffaffung gearbeitet, fo würben fie bie ©ruppe
anberö fjaben barftelfen muffen; ba fie biefelbe aber gans entfpredjenb
ber SSirgilifdjen Sdjilberung barftelfen, fo ift angune^men, bafj fie audj
fiop. VI. fliegt! IDorbilö. VII tt. VIII. Spences „tfolijmetta". XXIX
in ber Zfyat biefe als Sßorbtlb benutzt fjaben. Senn bie umgefefjrte 2ln=
nannte, bafj SBirgü bett Äünftlern gefolgt fei, l;at uiet gegen jidf;. aSicgit
fdjilbert bie ©ruppe im emjemen anber§, alg bie Äünftler, uor altem roeid;t
er in ben Sßinbungen ber ©erlangen uon (enteren ab. Sie 2tbroeid;ungen
ber Äünfiter taffen fid; erftären; bie beä Sid;ter3 nid;t. Sie Äünftter uer--
legten bie SBtnbungen ber Sd;fangen, meit bie uom Sicfjter gefd)itberten
funftterifd) unfdjön geroefen mären, ben Seib ber gigur tjerbedEt Ratten;
fie gaben ferner bem Saotoon nid)t feinen ^riefterornat, ben er bei SSirgit
trägt, rceit baS Öemanb bie Sd)önl;eiten be3 menfd;lid;en ÄörperS uer=
betft t;aben mürbe; au£ bem gleiten ©runbe laffen fie bie bie Stirn
t)erf;ül(enbe Sinbe, bie er beim Sid;ter l)at, fort. 2Ute if»re 2lbroeid;ungen
uon Birgit finb alfo roof;l mottuiert. Aap. VI: Stimmt man nun aber
ben umgefet;rten galt an, bafj ber Sinter nad; ber ©ruppe gefd)tlbert
r)abe, fo roerben feine 2tbroeid;ungen für un§ imoerftänblid). Senn
mäfyrenb nid;t jeber $ug ^ Sid;ter3 für bie Sarfteltung be3 $ünftler3
geeignet ift, imi| umgefefjrt alte§, maö in ber bilbtidjen Sarftettung
roir!fam ift, e3 ebenfognt aud; beim Sid;ter fein. ftätte Birgit bie
©ruppe cor 2tugeu gehabt, fo mürbe er bie 35erftridung ber brei Äörper
in einen Änoten, bie glüdlidje ©rfinbung ber Äünftter, niel met;r betont
t)aben; er mürbe ferner burd) ba3 ©eufjen be3 Saofoon auf eine fet)r
roirtfame Steigerung be§ 2lffette3, an Stelle beö ptötdid; auobred;enben
furchtbaren Öefd;reieö geführt raorben fein; er fjätte auet) feine 33eran=
taffung gehabt, bie Sßinbungen ber Sdjtangen ju üeränbem. ©Q ergiebt
fiel; atfo bas 9iefultat, bafj bie Skränberungen be§ Sttdjtetsi aB burtf;au3
nültfürlid; unb unmotiviert erfdjienen. Sa§, rcaS beiben gemeinfam ift,
ift überhaupt (Eigentum ber älteren Sage, bis auf ben Umftanb, bafj
ber SBater mit untergeht. Sa nun biefer Umftanb bem Birgit eigen 3U
fein fdjeint, fo ergiebt fid; bie 2ßa[;rfd;emtid;feit bafür, bafj SStrgit ba$
SSorbitb ber Hünftler mar. Aap. VII: Siefe 23etrad;tung be§ 3>er[;ält=
niffcä jtDtfdjen Äunftmerl unb Sid;tung giebt Seffing 9]eranlaffung , ben
„^olnmetiS" oon Spence eingel;enber 31t befpredjen, meit f)ter ber §ef;Ier
begangen ift, eine beftänoige 3Bect)fetroirfung grotfcf;en Äunft unb s}>oefte
fetbft in ben SetailS Dorau§gufc|en unb au3 zufälligen Übereinftimmungen
ben r>ertel;rten Sdjtufj abfid;ttid;er 9tad;at)mung 311 jieEjeit. ©3 ift sroar
jujugeben, bafj gaf)lreia)e Sidjterftellen un§ burd; Sejugnaljme auf Munft=
rcerte nerbeutlid;t roerben formen; aber eS ift tt;örid)t, bei jebem 3uge
eines Sid;terö, roetd;er fid; 3ufällig in entfpredjenber SBeife in ber Huuft
nad;meifen tä^t, ben Sd;lu^ 31t giet)en , bafj ber 3)id;ter jenen 3luJ ei'ft
burd; bie fiunft gelernt f;abe. Aap. VIII: S5er gelter liegt bei Spence
baran, ba^ er fid; über bie Öre^en ber beiben Äünfte nidjt Kar ift unb
bal;er überall bie engfte Scsiet)ung 5roifd;en beiben uorausfe^t. ©r
rcunbert fid; 3. 93., bafj §8acd;u3 bei ben 5)id)tern oft öömer t;abe, in
ber Äunft nid;t, roäl;renb bod; bie Slünftler bie ^örner roeglaffen mußten,
meit fie bie Sd/bnt;eit beeinträd;tigt f;aben mürben. Sie Sid;ter fd)itbern
XXX töap. IX f. Sptnres „JJoIijtttetia". XI. CatjUis' (Fabkamr.
eine »on 301*» eniftettte SSenug, welche 511 ©penceS Berrcunberung in
bei- Ahtnft nidjt uorfommt: aud; fjier ift bei- örunb fein anberer, a(3
baf; bie Äünftler ba§ Qbeot ber BenuS nidjt in 3orn barftellen tonnten,
meil fie bamit ifjr eigentümliches SBefen nerünbert Ratten, nmljrenb bie
Sidfjter bieS feljr rcoljl tfjun bürfen, weil fie bie Göttin aud) in anberen
21ugenbtid'en, wo fie gans ifjrem inbiuibuelfen SBefen entfpredjenb [janbelt
unb auftritt, äetgen tonnen. Aap. IX: Überhaupt mufj in Betraft ge*
jogen werben, bafj bie Äünftler nid)t in allen SBerfen mit «oller greifjeit
gearbeitet fjaben, baf; fie namentlich bura) religiöfe grvcde oft 311 23or=
ftellungen genötigt morben finb, meldte bem SBefen ber Äunft an ftdt)
wiberfprecfjen, unb fofdje SBerfe bürfen bafjer nid)t als Beweismittel für
äftfjetifcfje fragen fjerbetgejogen werben. 9iur folcfje Sßerte, bie ofjne
gottesbtenftlicfje Smtde, ^n «m &« <Scr)önt)eit felbft mitten gearbeitet finb,
uerbienen ben tarnen Äunftroerfe im ftrengften ©inne beS SBorteS. 2Jtan
mufj ftdj babei freiließ aud) fjüten, in baS Grfrem ju nerfatten, baj$ man
ben ©intfujj ber Shtnft fia) 5U grofj »orftette. ältidj nad) biefer 9tid)tung
f)in fjat ©pence mefjrfad) gefehlt. ®av. X: SUtd) bie Bewertung ©penceö
über Sarftettung non Berfonififationen abftratter Segriffe 3eigt feinen
3RangeI an BerftänbniS beS Sßefenö ber beiben Äünfte. ©r munbert fid),
bafj bie Sidjter fold)e 9Befen, wie 3. B. bie 2Rufen, fo fparfam mit ben
aittributen außftatten, roeldje fie in ber Äunft Ijaben; er bemertt eben
nicfjt, bafs beim £üd)ter biefe Sffiefen burdj it)re Benennungen fcfwn ge=
nügenb djaraftertftert finb, wäfjrenb bem Äünftler bieg bittet fefjlt, er
ttjnen batjer ©innbitber als 2tttribute beigeben mufs, um fie fennttid) 31t
madjen. SDiefe ©innbilber f;at bei tfjm nur bie Slot erfunben; ber ©idjter,
meldjer ofjne fie »erftänbftdj fein fann, bebarf ifyrer alfo nidjt; im ©egenteit,
es ift ein gfeljler, wenn er feine Figuren mit ©innbilbern auöftaffiert.
©ine 2lu§na!jme baoon madjen biejenigen ©innbitber, welaje nidjt blofj
allegorifdje finb, fonbern poettfcfje, b. Ij. roeldje bie ©adfje felbft bebeuten,
wäljrcnb jene nur etwas 2if)nlid)es bejeicljnen fotten. Aap. XI: §n ben
gleiten geiler ift ber G5raf Sagluä uerfallen, beffen 2Ber! über bie aus
womer 311 3tef)enben ©emälbe beutlia) 3eigt, baf} er fid) beffer auf bie
i'ialerei atö auf bie ^oefie nerftefjt. 3lllrtl* ift feine Xenbenj, ba^ bie
Dealer meb,r f;omerifd;e ©toffe 6enu|en fotten, alä biober cjefcr)et)en , an=
erlennenStuert; aber er begebt ben ^-ef^ler, bem 9JMer uorjufdjreiben, bafs
er babei genau bie 3üge im einseinen benutzen folfe, meldte ber 2)id)ter
entfjält. 9hm beeinträd)tigt eö allerbingö nidjt ba§ Serbienft be3 Äünftlerö,
wenn er fidj in feinem ©toff eng an ben Siebter anlehnt, nuibrenb bei
le^terem eine 2(ntef)mtng au ein 5tunftuierf unfere Serounberung für feine
(Srfinbungäga&e uerminbert. 2tber eben meil man beim Äünftler auf
bac SBerbienft ber eigenen ©rfinbnng feinen fo großen SBert legt, legen
bie Äünftler aud) felbft feinen baranf unb bleiben gern in bem von
alters Ijer ifjneu geioof)nten Äreife ber SSorftettungen, jumal fie babei
ben Borteil fjaben, auf gröf;ereo Berftänbniö unb ©ntgegenfommen beim
fiapitrl XII— XVI. XXXI
§ßu&ttfutn redjnen 51t fönnen. 35er 9tat, un&efannte SSorroürfe bar=
guftetten, ift baf;er ein für bie föünftler gefäf;rlid;er, welken fie fd;iuerlid;
nufcen werben, Aap. XII: ©er 9kt bes Örafen Gaulus ift aber Dielfad;
and] beswegen uerfefjrt, rceil gar mandE)e§, rcas ber ©idjter fd;itbert, bem
■JJtaler infolge ber ©djranfen feiner Äuuft nerfagt ift. SJamcntlid) ber
llnterfd;ieb ber ftd;tbaren nnb unfid;tbaren SOßcfen, roeldje ber Siebter
fd;ilbert unb unteveinanber fjanbelnb auftreten läfjt, ift für Äünftler
burd;aus nid;t barftellbar; nid;t minber bie übematürlid;e ©röfje ber
l;omerifd;en (Götter. ©at)Iu§ empfiehlt jroat als 3eid;en *>eö Unfid)tbar=
feins ben bei £omer in folgen gälten I)äufig üorfommenben Giebel,
b. fj. eine Söolfe: aber bei §omer ift biefer 9tebel nid;t bud;ftäblid; ju
nehmen, fonbern nur eine poctifd;e 9?ebeiueife für bas Unftd;tbarmad)en
überhaupt. 33eim Tlakx ift eine fotd;e Sßolfe atfo fein natürtid;es, fonbern
ein unllfüriid;es 3e^en ; unö llod) i)n5u e*n 3e^eu/ u)eld;es ber be=
ftimmten £euttid;feit entbehrt, ba es ebenforcotjl tienoanbt nnrb, um
©id;tbares unficfjtbar ju machen, al§ um Hnfid;tbares fid;tbar 31t machen.
Aap. XIII: Überhaupt ift ber ©ebanfe gans nerferjtt, einen 2)id;ter nad;
ber Qai)l ber @emälbe tarieren 31t motten, rcetdje aus feinem SBerfe fid)
f;erausfd;üten laffen. Öerabe bie glän3enbften ©d;ilberungen bes Sinters
bleiben für ben ÜOiater rcertlos, mäljrenb oft wenige äßorte it)m bas
DJiotiu &u einem figurenreiefien , farbenprädjtigen Qkmälbe bieten. 2tus
ben materiellen ©ematben alfo, 31t roeldjem btd;terifd;e Sßerfe ©toff geben,
läfjt ftd; burd;aus fein SUidfcblufj auf bas materifdje latent bes £>ttf;ter3
felbft madjen. Aap. XIV: Sies läfjt fid;, roie aus öomer, fo aud) aus
9Jiiltons „uerlornem ^arabiefe" beiueifen, meldjes immer nod; bas erfte
©pos nad) £omer bleibt, obgleid; es roenig ©toff 3U materiellen ©emälben
bietet, raäfjrenb bie £eibensgefd;id;te ©l;riftt in ber ©rääfjlung ber ©üan=
getiften barum nod; fein ©ebid)t mirb, roeit es Doli uon ©toffen 3U @e=
mälben ift. ©in poetifd;es öemälbe bes Sidjters ift eben nidjt 3ugleid;
and) ein materielles bes ÜDialers. Aap. XV: ©in treffliches ©Tempel
l;ierfür ift bie f)omerifd;e ©dnlberung Dorn ©d;uffe bes ^anbarus. Jpomer
malt biefe ©cene ausfüfjrlia) aus; troijbem ift fie für ben Äünftler un=
geeignet; unb 3raar aus bem ©runbe, rceil öomer eine fortfdjreitenbe
ftanbhmg malt, roetdje ber ÜDialerei uerfagt ift. Senn, Aap. XVI: Sie
SJtalerei, rceld;e fiel; ber Figuren unb färben im Raunte als il;rer SRittel
bebient, fann infolge beffen nur nebeneinanber befteb^enbe ©egenftänbe,
alfo Körper barftellen; bie ^poefie aber, meldte artifulierte ^öne in ber
3eit 3U ifjrem Mittel r)at, fdjilbert nur ©egenftänbe, meld;e in ber 3e^
aufeinanber folgen, atfo öanblungen. 2U(ecbings fann and) bie 9Jtaterei
^anblungen nad;af;men, aber nur anbeutungsmeife burd; Äbrper; ebenfo
mie bie s^oefie aua; Äörper fd;ilbem fann, aber nur anbeutungsroeife
burd) .'öanblungen. Sa jene aber nur einen einigen 2lugenbtitf" ber
.vanbtung fd;ilbern fann, fo mufj fie ben prägnanteften mäljlen; unb ba
biefe nur eine einjige Gigenfd;aft ber Körper nu^en fann, fo muf? fie
XXXII XVII. Sdjtlömmg in ber fJoefte. XVIII. Öberftljmhmgen ber ©rcnjgebtete.
biejemge raupen, raeldje bas finnlidjfte 23ilb be3 Äörpers* uon ber «Seite
crincdt, uon roeldjer fie e§ braucht: raorauä bie Siegel non ber ©inf»ett
ber malerifdjen 23eiroörter unb ber Sparfamfeit in ben Sd)ilberungen
förperttdjer ©egenftänbe fliegt. Seit SBeteg hierfür liefert un§ §omer,
roeldjer nur fortfcfjreitenbe fimnbtungen malt unb alle Äörper in ber Siegel
nur mit einem 3llÖe tenn3eidjnet. SBill er uns einen ©egenftanb förper=
lid; näfyer bringen, fo nermanbelt er bie 23efdjreibung in franblung, Iäf;t
3. 23. einen SBagen uor unferen 2(ugen jufammenfe^en, ben Äönig fidf;
mit feinen ©eraiinbern betteiben, erjäfjft uns bie ©efd)td)te eines! ©cepterS,
bie §erftellung eines 23ogens\ Surd) foldje Umfe^ung ber ©djilberung
in §anblung madjt er un§ bie ©egenftänbe beuttidjer, als roenn er uns"
ifjre Äennäeidjen einzeln oorjäfjlen raollte. Aap. XVII: 9cun finb bie
3eid)en ber 9iebe allerbingS raillfürlid) unb als fotcbe fäf>ig , bie Seile
eines Körpers fo aufeinanber folgen 511 laffen, rate fie in ber 9iatur
nebeneinanber befinbltd) finb. 2lber ber Siebter erreicht bamit nid)t bie
Sßirfung, meldte ber Öegenftanb felbft in SBirrlidjfeit angefdjaut auf un3
tjerr-orbringt ; mir fjaben bie ei^eliten Seile, ofyne imftanbe ju fein, fie
ju einem öanjen 31t uerbinben. ©a§ rairb an einem ber beften 23eifpiele
l)ierfür, ber 23efd;reibung einiger 2ltpenpflatt3en in öallerö „2(lpen", beutltd)
bargelegt. Sßilt ein 2)id;ter aber ntdjt bie S"uf^on beroorrufen, bafj
ber §örer burd) feine 23efdr)reibung ben ©inbrud be§ ÖegenftanbeQ rairtlid)
empfange, null er als" bibaftifdjer Sidjter burd) feine 23efd)reibung uns
nur belehren ober unterrichten, bann mag er ruljig befd)reiben; in foldjen
fällen fommt e§ eben auf bas (ginjelne, niajt auf ba3 ©anse an. ©onft
aber ift bie ©djilberung in ber ^oefie al3 froftige (Spielerei ju nerraerfen,
raie ha^ felbft 2(nl)änger ber befd)reibenben 3tid)tung, raie ^ope unb pfeift,
in fpäteren Qaljren getfjau baben. Ray. XVIII: ©§ ift nun alterbtngs
3ujugeben, bafj f leine Überfdjreitungen ber beiben ©rensgebiete unter
Umftänben erlaubt finb. Sßenn aud) bie 3eitfotge baS ©ebiet bes" SMdjters,
ber 9iaum bas bes 3Mer§ bleibt unb eö baf)er nerfeb,rt ift, nerfdjiebene
Momente in ein ©emälbe 311 bringen; fo fann in Ijiftorifdjen Öemätben
bod) ber eine 2(ugenblid ber Sarftellung baburd) etraaö erroeitert raerben,
bafj ber 9)ialer etwas oon einem folgenben ober »on einem ooraufgeljenben
Moment mit barin aufnimmt, raie baS 3. 23. ÜDiengS bei ber Sraperie
be3 3iafael beobachtet Ijat. Gbenfo fann ber Sidjter etraaS raeiter gefjn
unb ftatt einer förperlidjen C5igenfd)aft raol)I aud) 3roei ober mehrere
anbringen, 3umat raenn iljttt feine ©prad;e, rate ba§ mit ber gried)ifd)en
beim Corner ber gall ift, fo erleichtert, ba er fämttid;e ß-pitbeta bem
2Borte, auf rceld;eö fie ficf; besiegen, oorauffdjiden fann. — 2lud) ber
.^aupteinraanb, ben man gegen ba§ 23erbot ber 23efd)reibung beim Siebter
madjen tonnte, ber berüf)mte 2ld)iücS--Sd)ilb bes ,'öomer, ift nid)t ftid)=
battig. Konter befdjreibt ben <3d)Ub nid)t als etmas fyertigeö, fonöeru er
läfjt if)n nor unfern 2Utgen entfielen, fefet alfo bie Sdjitberung in
§anbl«ng um: barin fief; raefentlid; unterfd;eibenb oon feinem 9iad;alnner
«opttel XIX— XXII. XXXIII
Birgit, ber un$ ben fertigen Sdjitb bes 2tnea§ au§fül)rlid) befdjreibt.
Aap. XIX: Sei ^Beurteilung btefeS ©djitbes ift e3 aber notroenbtg,
§omer3 SSerfafyren bei SSefdjretßung ber einzelnen auf bemfelben am
gebrachten ©emälbe richtig jju beurteilen. 9iicf)t aICeä, roa3 ber 2)ia)ter
erjagt, roar roirt'lid) auf bem Sdjilbe üorgefteltt, oielmeljr verbreitet er
fid) mit bidjterifdjer fyreiEjeit aud) über ba3 bem bargefteüten Momente
ä>orf)ergel)enbe unb fjolgenbe. 2luf biefe SBeife erhalten roir im ganjen
jetjn ©emälbe, roäljrenb 23oiotn, roeü er jenes» SSerfatjren nidjt ertannt,
eine bei roeitem größere 3a^ f)erausgered)net fyatte. ?ßope, roeldjer iljm
barin beiftimmt, begebt aufjerbem nod) ben fyet)Ier, bei §omer bie Siegeln
ber mobernen SDialerei, fetbft bie ^rfpeftiue, beobadjtet finben 31t roolten ;
obgleidj bod) 3roeifettoä ju öomerö geit bie ÜDtaterei nod) in it)ren 2(nfängen
mar unb ber Steter um fo roeniger eine 2lf)nung oon ber 'iperfpettiüe
l)aben tonnte, al€ fetbft bie fpätere ooltenbete Malerei ber 2Hten barin
eö nod) nid)t roeit gebradjt fjatte, mofür bie 23efd)reibungen ber 2Banb=
gemälbe s^olijgnot3 ebenfo beineifenb finb, al§ bie Malereien au§ §er=
culaneum. — Aap. XX: @§ ift alfo bem ®id)ter unterfagt, t'örpertidje
©egenftänbe ju fd)itbern; unb ba§ gilt befonberä tton fd)önen förper=
lidjen ©egenftänben. §omer unterläßt bafjer bergleidjen aud) gänjlid);
unb alte fotd)e $erfud)e, roeldje fpätere £)id)ter raie (Sonftantin 9Äanaffe,
ober fetbft ein fo fyeroorragenbeä ©eme roie 2trioft gemacht, muffen bafjer
mißlingen. 2Ule bie oon iljnen angegebenen ©injeltjeiten finb nid)t imftanbe,
uns» ba§ SÖilb be3 fdjönen ÄörperS fo lebhaft üorjufüljren, rote ein SStid
auf biefen fetbft ober auf ein ©emälbe baoon. gn biefer £>infid)t f>at
aud; SSirgil fiel) an .öotner attgefd)(o[fen; unb roenn 2tnatreon in jenen
Siebern, in roetdjen er bie Sd)önf)eit feiner ©stiebten ober feineä Änaben
preift, auf ©injelfieiten fid) einlädt, fo matfjt er biefen 'geiler baburd)
roieber gut, bafj er fingiert, einen SÜlaler uor fid; ju Ijaben, bem er bie
einzelnen Seile befjufö §erftellung eines» ©emälbeä r>orfd)retbt. Aap. XXI :
Safür t)at aber ber 2)id)ter ein anbereS SDttttel, un3 bie ©d)önl)eit feiner
^erfonen fetjr beutlid) ju machen: inbem er fie nämlid) burd) itjre Sßirfung
erfennen läfct, rote 3. 93. ftomer in ber ^Begegnung ber §etena mit ben
©reifen, Doib in ber ©d)itberung bes» ^ufammenfeinS tn't feiner ©eliebten.
(Sin anbereö Glittet ift bie Serroanblung ber <Sd)önt)eit in 3teij, b. I). in
©dr):3nf)eit in 23eroegung; biefe ift 3roar bem 9){aler nidjt bequem, um
fo mefjt aber bem 2)icr)ter, roeldjer alt bie einzelnen <3d)önl)eiten beS
Äörperö u\\% in Siinegung uorjufü^ren imftanbe ift. Aap. XXH: 25er
■Btater aber b^anbelt roeifer, roenn er un§ bie Sd)önl)eit o^ne irgenb
roetd)e§ anbere öitfömittet altein unb für fid) 3eigt. ®afjer fef)tt (Saijtuö,
roenn er jene Begegnung ber Helena mit ben ©reifen ben SJlatero em=
pfief)lt unb babei rät, bie ©reife in ftaunenber 33erounberung ber <3d)ün=
Jjeit ju jeigen; roaö um fo tf)örid)ter ift, alä öetena oerfd)leiert erfd)eint.
S)ie alten Äünftler l)aben 3roar oielfad) bei il)ren ©djöpfungen fid) an
§omer angelehnt; aber fie fyaben nur bie 9Jtotioe im allgemeinen auZ
SejfiitgS SBerfc !). c
XXXIV €ap. XXIII— XXV Das tfjäßlidje unb ffihelljafte.
ifnn entnommen, nur if»re ^Ijantafie burd) bie feine angefeuert, nid;t
feine einseinen gcenen fflauifd) naajgealjmt. ©§ ift befannt, bafj $l)ibia§
feinen 3eu3, jumat bie Sebeutung, roeldje bie Augenbrauen für ben 2lu3=
brud be§ ÖefiddeS fjaben, au§ öomer entlehnte. Unb wenn man am
natifamfdjen 2lpotto beobachtet fjat, bafs bie Seine oon unovct)ätini&
mäßiger Sänge gegenüber bem übrigen Körper finb, unb baf? biefer §e£)ter
abficrjtlidtj begangen loorben ift, um ben ganzen Körper fcbjanfer erfdjeinen
5U laffen, fo ift etroas biefer '-Beobachtung Äfjnlidjeö Bereite bei §omer
in ber ©dntberung beö Slenetauö unb CbnffeuS ju finben. K an. XXIII:
2Benn nun ber Sinter bie ©djönfjeit nidEjt malen foll, fo fragt eS ftdj
raeiter, ob ilnn auch, bie ©d)ilberung beS fräpdjen unterfagt ift. 2ßenn
man nrieber ben ftomer in Setradjt 3ieh,t, fo fdjeint ba§ nid)t ber gfaU
3U fein, benn er f)at ben £b,erfite3 genau gefdjilbert. 3lber bie Sadje
liegt t)ier anberg. Wan foll bie Sdjöntjeit nict)t fdnlbern, roeit fie in
ber 8d)tlberung nerliert; gerabe besljalb aber mirb bie £äf$lidjfeit, roeil
aud) fie in ber ©djilberung an Sßirfung nerliert, für ben ©idjter braudj=
bar. Unb 5mar nu^t fie ber ©idjter, um bie uermifdjten (Smpfinbungen
bes> Sadjerltdjen unb be3 ©djredlidjen baburd) ju erregen. ftomer fdjilbert
ben ©fjerfiteö, um ifm lädjerlid) 311 machen. Gq genügt baju freilich,
nid)t bie einfache £afdid)feit an fidj, fonbern e3 ift auch bie Überein=
ftimmung biefer §äfdid)feit mit feinem Gfyarafter notmenbig; unb e3
gehört weiterhin auch baju, bafj feine förperlicrje unb geiftige öafjlicbteit
unfdjäblid) ift. Senn nur unfdhäbliche Jöäfdicbfeit ift [äcr)erttdt) , fcbäblicbe
aber fdjredlid). Seifpiele hierfür auä ber neuern ©ichtung finb ber
Saftarb im König Sear unb 9iicbarb ber ©ritte. Ray. XXIV: £>b aber
ana) ber 3)ialer bie ^äfdidjfeit ber gen'™ miebergeben barf? ©a3 3Ser=
gnügen an ber 9iadjaf)mung atiein tann fjier nicht in Betracht fommen;
benn nid)t alle unangenehmen ©mpfinbungen gefallen in ber 9iadbaf)mung.
©0 ber ©fei nidjt, fo aud) bie ^äfjtidjfeit ber $orm nicht, meldte 2lbfd)eu
erroedt. 2lud) 2lriftote(e3 , obgleid) er ber 2lnfid)t ift, bafj- man ©inge,
bie man in ber Statu« mit SBiberwiffen betradjte, boeb in getreuer 2Ib=
bilbung roegen ber allgemeinen ißifjbegierbe ber 9JJenfd;en mit Vergnügen
anfefje, febeint ^äfdichfeit ber J"0™1 nid^t hierunter 3U rechnen, wenn
man nad) feinen Seifpielen urteilen barf. ©er SJcaler barf bemnad) bie
.s?afjHd)feit ber gorm an fich nidjt barftelten; aber auch nicht jur @r*
reiebung beS Sächerlidjen ober ©djred'lidjen : benn unfchäblidhe ^äfdidjfeit
bleibt in ber lliadjatpnung nid)t lange lüdjerlid), fonbern wirb burd)
wieberfjolten 2(nbltd abfdjeulidr, unb fdjäblidje ^ä^Kd)feit bleibt ebenfo
raenig fdjretflid). .Hap. XXV: ©ie Gmpfinbung be3 <&ä^ücf)en in ben
formen ift nalje oerraanbt mit ber limpfinbung beö tS'Mö; unb and) in
ber 9Jad)af)mung r>evr)ält fid) baS Gfelbafte nollfommen fo rcie ba3 iQäfr-
lid»e, fann bar)er an unb für fid; meber ein (^egenftanb ber Soefie nod)
ber Malerei merben. ?,nbeffen tann bod) bie ^oefie einige etelfjafte 3üge
gebraudjcn, um baö incf)erlid}e ober Sdjred'lidje nodj 311 nermef)ren, mofür
«apttcl XXVI— XXIX XXXV
5af)fretd)e 23eifptete a\& älterer unb neuerer Sitteratur »orliegen. £in=
gegen mufj bie Malerei bie efelfjaften ©egenftänbe »ermeiben, roeil bie
2Serbinbung ber Segriffe fie aua) bem ©eficfjte efel macfjt, raenn e<3 fclbft
feine ©egenftänbe gäbe, meiere fcf;on an unb für fid) für btä ©eftdjt
efelfjaft finb. 2tucf; jur Sermefjrung be§ §äfstid^en ober ©ctjcetflictjen
fottte bie SDialerei beffer baS ©felfjafte »ermeiben, weil baS (Sfeltjafte in
einer fidjtbaren SRacfj&tfbimg oon feiner SBirfung ungfeidj roeniger nerliert,
al§ bei einer f/örbaren.
hiermit fdjjtiejjt bie eigentliche äftfjetifcfje Unterfucfning beS erften
Seifeg ab; bie notf) fotgenben ftapitet befdjäftigen fid) nur mit Sefpredjung
einiger Setaifö auö ber injwifdjsn erfdjienenen ©efdjicfjte ber ßunft dou
SEBtudelmann (»gl. oben ©. VI). Aap. XXVI. rairb Sßincfefmannä
Datierung beS Saofoon (Seit 2Uer,anber3 b. @r.) befproajen unb bie
Steife beS 5ßßttUi§, in roelcfjer bieS Söerf ermähnt ift, eingefjenb auf if)re
Sebeutung jjin geprüft. Seffing jiefjt barauS baS 9?efultat, bafs ^ßfiniuä
bie SRerffer beS Saofoon in bie Äatfergeit oerfefcte; auS eigener Vermutung
fügt er fjinju, ba£ üietfeicfjt ber 2lnftoj$ ju ber Schöpf ung oon 2tfiniuS
^offio ausgegangen fei. Aap. XXVII. 3ur weiteren Seftärfung biefer
Datierung beruft fief) Seffing auf eine oon 2Bmcfetmann mitgeteilte ^n=
fcfjrift, in roefetjer ber eine ber Äünftler beS Saofoon genannt ift unb
Sroar mit bem feine Sljätigfeit beäeidmenben 3eitraort im Sforift. Unter
SBegugnafjme auf eine ©teHe beS s;pniu3, roorin ber ©ebraud; ber %em-:
pora in Hünftterinfdjriften befprocfjen roirb, fudjt Seffing bie Vermutung
ju begrünben, bafc äffe Äünftler, roetcfje ben Sforift gebrausten, lange
naef) ben Seiten 2llcranber3 b. ©r., furj uor ober unter ben taifern ge=
blüfjt fjätten, roaS bann ein weiteres 2lrgument für feine Datierung ber
Äünftfer beö Saofoon ergeben mürbe. Aap. XXVIII. Sie ©tatue beS
fog. borgfjefifcfjen gfedjterä rairb, unter Berufung auf bie uon 9tepo3 ge*
gebene ©cfjilberung ber Stellung, roeldje (SfjabriaS feinen ©olbaten oor=
gefd»rieben, als eine ©tatue beS ©IjabriaS gebeutet. Aap. XXIX. Wady-
raeifung einiger ©teilen, in benen fief) 9Uincfelmann burd) beö ^uniuS
SBerf über bie Malerei f»at }U falfäjen Slngaben führen raffen , nebft
Berichtigung einiger fleinerer Irrtümer ober ©ebädjtniSfeljler in ber ©e=
fd)tcf)te ber Äunft.
©leid) biefen festen Kapiteln l)ängen aucf» oerfdjiebene größere pf)ilo=
logifd)=antiquarifd)e 2lnmerfungen ber ©djrift mit bem eigentlichen ©toffe
nur jefjr fofe jufammen. Seffing fjatte in Breslau, raie roir auZ einem
33eridjt beö 3teftorS Äfofe roiffcn, oerfdjiebene Eritifdje unb antiquarifdje
2tuffä£e in feinem 'pulte liegen unb gebaute, ba er anfangs nidjt glaubte,
fie in ein ©anjeS nerraeben ju fönnen, fie unter bem gemeinfdjaftlidjen
Jitcl „öermäa" (am 2ßege ©efunbeneö) IjcrauSsugeben. 2(ls er bann
ben Saofoon fdjrieb, brachte er mel)rereö baoon f)ier unter; er fagt felbft
in ber SSorrebe, ba^ biefe fleinen 2tbfdnüeifungen über uerfd)iebene fünfte
ber alten Äunftgefcf)icf}te nur baftünben, raeit er ifjnen niemals einen
XXXVI inljalt bea pueittn fKeils.
beffern Sßfafc 5u gelben ^offen fönnte. 3U feinem 2lrger f»at fid; bann
bie Stritif geiuiffer Ijämifdjer ©egner üornefmtfid) an btefe, 3um Seit
alferbingS angreifbaren fünfte gehalten, anftatt bie eigentliche ftauptfadje
tn§ 2luge 311 f äffen; unb beStjalb Bewerft er am ©djtufj be§ 38. feiner
antiquarifcfjen 33riefe, bafc in ber fünftigen 2luSgabe beS Saofoon bei-
gäbe 2lbf cfinitt , roeläjer ben GljabriaS betrifft, wegfallen folle, foroie
mehrere antiquarifdje 2Iusunicf)fe, auf roeIcr)e er ärgertief) fei, roetl fie fo
mancher tiefgelefjrte Munftfritifer für baS ^auptroerf beS Sucres ge=
galten Ijabe.
Sie ^Betrachtung ber ©ntnri'trfe 3etgt, bafj Seffing, roie nur baS auefj
ans anbenueitigen Sbtisen nüffen, feinen Saofoon urfprünglid) auf brei
Seile angefegt fjatte. 9JJef)r alS ber erfte ift aber nie erfdjienen; teils
fefjlte Seffing in ben folgenben ^ab^ren Dieffacr) bie ntfjige (Stimmung
unb Sammlung, roefcfje jur 33oIlenbung eines berartigen 3Berfe§ uner=
fiifjlicf) war, teils uerbrof? ifjit bas geringe 33erftänbnis, weldjes er bei
einem großen Seife beS ^ublifumS fanb. So fdjwanb bie anfangs nodj
mehrere 5>al)re Ijinburd) feftgeljaltene 2lbfid)t, bie beiben fofgenben Seife noef)
auösuarbeiten , altmtifjlid) immer mefjr, unb in ben festen SebenSjafjren
SeffmgS finben mir feine ©pur mef)r oon bafjin jiefenben ©ntwürfen.
©0 ift ber Saofoon ein Sorfo geblieben; unb es ift baS um fo bebauen
ficfjer, als naef) SeffingS eigenen Filterungen biefer erfte Seif faum atmen
faffen fonnte, wof)in er eigentfid; fjinauS wotfte. @r fjatte fjier ben
Unterfdneb 3wifd;en SDtaferei unb ^5oefie wefentttdj uon bem ÖefidjtSpunfte
auS entwtcfelt, bafs bie 3eid;en °er emen *n ^er 3eit, *>ie ber Zubern im
Raunte erjftieren ; baS ift aber nur ber eine Unterfcfjieb ifjrer geidjen;
waS fidf) barauS ergiebt, bafj bie 3e'^en ^er e^en an fidj wiltfürlidje,
bie ber anbern natürlidje fiub, bafj aber jebe »on beiben ifjre 3eid)en
auet) in erweitertet 2lnwenbung gebrauten fann, baS folfte eben erft in
ben fofgenben Seileu bargefegt «erben. %m affgemeinen tonnen mir ben
^nfjalt biefer fyortfe^xtng unS refonftruieren, am beften ben beS 3weiten
SeilS, ba fjierfür Seffing einen turjen ©ntnntrf bereits mit $apitel=
einteilung Ijinterlaffen t)at (in unferer 2tuSgabe B 7), wäfyrenb für ben
britten nur 2lnbeutungen aus jener geti, t>a ber erfte Seil noef) nidjt
ausgearbeitet war unb ber ^Bfan beS Coangen bei Seffing nod; nidjt fefte
öeftalt gewonnen Ijatte, uorliegen. *)
Qm 3weiten Seile follte junädjft bargelegt werben, inwiefern SSind'el--
mann 31t bem auef) oon Seffing angenommenen ^rtnjip, bafj bie 9iut)e in
ben SHlbwerfen ber 2((ten bie Tyolge ber non ifynen afS Sßrinjip ber bifbenben
fünfte feftgel)altenen Sd/cmfjeit fei, auf einem anbern Sßege gefommen
fei, als Seffing fetbft: Sßindetmann nämlid; burd) 2tbftraftion beS ©efe^eS
ber Sd/6nf)eit auS ben Munftioerfen felbft, Seffing aber a priori auS
*) ©ennucrc Sluäfü&rung bc>5 J-olgenben f. in ber Einleitung }U meiner ßrößeren
ShtSgabc ©. IUI— ll'J.
Sbral let bilbcnbtn €un|l unb ber florCtc. XXXVII
bem SBefen ber fiunft. odjönfjeit ber gorm gilt Sefftng als bie etgent=
lidje Söeftimmung ber bilbenben Äunft; oon biefem ©efidjtSpunfte au3
fei aucf) bie ()iftorifd)e Malerei, weil bei* 2(u£>brud bei biefer wtdjtiger
fei, a(§ bie ©d)önf)eit ber gorm, nid)t 3ur fjöfjeren ÜDialerei ju rennen.
2lllerbingö gcpri 5iir förperlidjen ©djönfjeit bei- gorm aud) <Sd)önt)eit
ber g-arbe unb bes> 2fusbrud'S; unb jraar unterfdjetbet man bei ber
©djönfjett ber ^färöe jroifdjen Äarnation unb Äotorierung, bei ber ©cf)ön=
fjeit be3 2(usbrud'£> swifcfjen tranfitorifcfjem unb permanentem 2(u3brud;;
nur ber teuere ift mit ber <2cf)önf)eit nerträglicf). ®a§ ^eal ber förper;
liefen ©cfjönfjeit ift bafjer uornefnnlidj ein ^beal ber Sonn, unb jugleid)
ber Sarnation unb be§ permanenten 2(u3brutf'3, roäfjrenb bloße Äolorterung
unb tvanfitoriferjer 2lu$brud fein .^beaf fjaben. £er 2tuöbrud aber muß
ber <Scf)önr)eit ber <yorm untergeorbnet fein. £ie <2cf)önf)eit ber gorm
r)at ein ^beat nur im SJienfcfjen; unb beöf)af6 finb biejenigen Äünfte,
wefdje ©egenftänbe nadjabmen, bie bie§ §beal weniger ober gar nidjt
befifcen, alfo Siermalerei, 53lumen= ober SanbfdjaftSmalerei, niebriger
ftefjenbe (Gattungen.
jyälfdjlicfjermeife f;at man ba3 Ijjbeal in ber 2Beife in bie ^ßoefie
übertragen, baß man ein $beat ber moraltf djen 23ollfommen£)eit in bie=
felbe aufnahm. Sag ift aber f äff d^ , weit bie oollfommenen moralifdjen
(fbaraftere in 9üil)e bleiben muffen unb bafjer notwenbig oon ben fd)Um=
meren ßfjaraiteren in Schatten gefteltt werben. Saö ^beal be3 SidjterS
muß oielmefn: ein Qbeat ber öanblung fein, wie ba3 be§ SftalersS ein
Jibeal bes MörperS.
2(ud) oollfommen fetjöne förperlidje 2Befen barf man beim Xncfüer
nidjt überall erwarten ; baS läßt fia) au$ 2Mton ermeifen, wefdjer aud)
^äfelidjfeit gefdjitbert fjat, ot)ne juc §äßlid)feit ber gorm feine .ßuftod)1
ju nehmen. 3ßiIton§ 2lrt 311 fdjUbern, bie be§ näfjern bargelegt werben
foffte, 3eigt, baß bei ifjm bas> meifte nicfjt malbar ift, mäf)renb bei §omer
faft alleS 511 malen ift. 2Me3 liegt aber mdjt am größeren ©enie bes>
fromer, fonbern an ber 90öar)[ ber 3JJaterie. 9JJtt DHlton unb £>omer be=
fdjäfttgen fid) bann aud) bie näd)ften 2lbfcfmitte biefeö ^eileä ; teils mit
Darlegung fucceffioer (itemtilbe bei Mlton, mit ber feinen Beobachtung,
baß man au§ ÜOJiltono 2irt 3U fdjilbern feine 33linbf)eit fjerauämerfe,
ebenfo wie man auS §otnev§ ©djitberungen r)eraiiöfüf)Ie, baß ber ©id)ter
nicfjt btinb gewefen fein fönne; teils mit 33ef)anblung oerfcf)iebener im
erften Seife übergangener fucceffioer (Semälbe £omer3, fowie ber entfpre=
d)enben Lanier Doibö.
T'ann fef)rt Seffing wieber 3um eigentlichen Sljema jurücf unb be=
fpricf)t ben Unterfd)ieb oon einfachen unb folleftinen öanblungen; er
uieift erftere, weld)e nur in einem unb bemfelben Äörper jur 6rfd)einung
fommen, ber ^oefie 3U, festere, bei benen bie ^Bewegung in mehrere
Mbvper nerteilt ift, ber Malerei. £»ier fjaben wir ben widjtigften Seil
nid)t nur ber ^ortfe^ung, fonbern oielfeidit be§ ganjen Saofoon überfjaupt:
XXXVIII ffimfodje unb. holltkttoe fljanblungen. Wntnfdjeibung ber Btinjen.
bas" gemeinfdjafttidje ©ebiet ber Malerei unb ^ßoefte; Regeln über bie
2lrt, löte aud) ber Sidjter bie folleftioen £>anb(ungen 311 uerroenben "f)at ,
unb baj$ er bat)er üornefjinlid) auf (Sdjönfyett ber einseinen Seile fefjen
folle, roäfjrenb ber 9)ialer meljr bte <Bct)önr)eit be§ ©an^en, als bie ber
einzelnen Seile im 2tuge ju begatten f)at. — 2Beiterf)in roirb bann nod)
befprodjen, wie ber Sidjter fidjtbare ©igenfdjaften eines Körpers" burd)
Sluflöfung in ^Bewegung 311 fcr)ilbern imftanbe ift; baf? hingegen beim
■Dtaler bie Seroegung nid)t barftellbar unb nur ^robuft unferer @in=
bilbungslraft ift, roeSfjalb bie Malerei and) bie ©dmelligfeit nid^t roteber*
geben fann, roütjrenb bem Sinter hierfür feljr üerfdjiebene SBege 51t ©e=
böte ftefyen.
Ser britte Seil nimmt bie ilnterfdjcibung ber getdjen oon ÜWaterei
unb ^soefie al$ natürliche unb rotllfürlidje surn 2(u<3gangspun!t, infofern
nämlid), als jroar bie 3e^cn Der Malerei urfprünglid) natürlidje, bie
ber ^oefie urfprünglid) roitlfürlidje finb, in weiterer Slnroenbung aber
bie einen nüe bie anbern ebenforooljl natürlid) als rcillfürlid) fein tonnen.
Saburd) ergeben fid) für ^oefie unb Malerei nerfd)iebene f)öf)ere unb
uiebere Wattungen. Sie l)öf)eren Gattungen beiber Äünfte finb bie, roeldje
fid) nur ber einer jeben urfprünglid) juforamenben 3e'^en bebienen; bod)
ift babei ber Unierfdjieb 51t beadjten, bafj je meljr bie Malerei it)re natür=
lidjen 3e^en m^ rotUfurlidjen oermifdjt, fie fid) um fo mel)r oon ifjrer
23olffommen()eit entfernt, roäfyrenb bie ^oefie um fo uollt'ommener roirb,
je mel)r fie ilnre roillrurlidjen 3eM)cn Den natürlichen nafje bringt. Sieo
erläutern t>erfd)tebene Seifpiele, namentlich über ben &ebva\xd) ber roill=
türlidjen 3eidjen bei ber Sölaleret, roie bie SJßoße für bas Unftdjtbarfetn;
aud) bie Habinettmalerei bebient fid) ftreng genommen roilllürlidjer 3eitfjen,
ba bie 3eid)en ber Malerei burd) SSeränberung ber Simenftonen auf=
boren natürliche 31t fein. Sarum tnufj aud) ber Sattbfdjjaftämalet roenig>
ftenä 3ur äSergleidjung unb ©d)ä£ung ber Simenfionen geeignete ©egen=
ftänbe als Staffage anbringen. (Sbenfo geboren ben untergeorbneten
@attungen ber Malerei biejenigen an, roeldje entroeber aufeinanber folgenbe
Singe 3ugleid; nebeneinanber oorftellen, ober roeldje, roie bie Slllegoriften,
natürliche $e\d)en mit rotllfürlidjen oermifdjett, ober roeldje burd) it)re
fidjtbaren Seichen nid)t fidjtbare Singe, roie etroa ©egenftänbe be3 Öefprö,
barftellen roollen. — 9Ba3 aubererfeitö ba$ Mittel ber 5ßoefie anlangt,
fid) natürlicher Qeidjen 31t bebienen, fo tlmt fie bies1 nidjt blofj oermittelft
birefter -Jlatfjaljmung, b. t). burd) Dnomatopöie, fonbern aud; baburd),
bafj fie iljre SSBortc uollfornmen fo aufeinanber folgen läfjt, roie bie Singe
felbft, raefdje fie auobrüden; aud) 9)?etapf)er unb ©leidmiö finb berartige
Hilfsmittel.
3Beiterf)in roirb bann bie Sangfunft unb bie 9Jhtfif mit in bie 93e-
trad)tung ge3ogen, für roeldje beibe ebenfalls ber Öebraud) roilltürlid^er
3eid)en oon befonberer Sebeutung ift. 3um Sc^lu^ tommen nod) einige
praftifdje 3Bin!e für Äünftler, namentlid) über bie 9£otroenbigfeit einer
Wcrbinbung bev fäünfte. ©oct'je über bett ffaokaoti. XXXIX
©infdjränfung bei- praftifcfjm fünfte. — 2tber fdjroerticf) rooltte Seffing,
at3 er fpäter ben s$tan §u feinem £aofoon erweitert ftatte, hiermit ab*
fcf)tießen; meintet) r lag offenbar eine eingeljenbere Sßetjanbtung ber Sßoefie,
3umal be§ SDramaS, fpäter in feiner 2töfidt)t , roie ein Brief an Nicolai
beroeift (uom 26. 9JMr3 1769), in roetctjem er ba§ 2)roma at3 bie f)öcf)fte
(55.ütung ber 5|ßoefic bejeid^net, roeit fjter bie Söorte aufhörten, nrittturlidEje
3eicf)en 311 fein, unb 31t natürlichen 3e^eit nrittturlicfjer Singe mürben.
Sßielteicfjt wollte er and) bie in einem Fragment (B 11 nnferer 2Iu3gabe)
noa) bezauberte $rage nrt$ ^er Berbinbung oerfd^iebener Äiinfte 3U ge=
meinfamer 2Birfung näfjer erörtern: fo bie Sereinigung nuttfürltcfjer,
aufeinanber fotgenber, b/6rbarer 3e^en mü natürlichen aufeinanber fol=
genben Eprbaren gtia)zn, roie bie Berbinbung von Boefte unb Sttuftf in
ber Dper; ferner bie Bereinigung nnttfüclictjer aufeinanber fotgenber hör-
barer 3eid)m mit ttntffurtidjen aufeinanber folgenben fict)tbaren fttitytn,
atfo bie Berbinbung uon ÜDluftf unb ^anjftwft, ober Boefie unb %axtfr
fünft, ober alter brei jufammen; brütend bie Bereinigung roiltfürlicfjer
aufeinanber fotgenber ficf)tbarer 3eid)-" mit natürlicfpt aufeinanber
folgenben fid)tbaren $exd)en, wie bie Pantomime ber Sitten. 2)aju fommen
bann noct) unoollfommeuere Berbhtbungen, roie bie unnnllfürliajer auf*
einanber fotgenber 3e^en mit natürlichen nebeneinander georbneten 2c.
2R.xn erftefjt au§ alte bem, mie reictj ber gntjalt mar, roelcfjen Seffing
für feinen Saofoon im 2luge tjatte. 35a3 gefamte ©ebiet ber fctjönen
Äünfte überhaupt follte fein SCBerf umfaffen, tt)r gegenfettigeS 3Serf)ältni§
nact) ben uerfcb/.ebenften ©etten f)in erörtern unb praftifcf)e Folgerungen
Darauf jietjen. 3lwc ein fteiner Seit biefeS großartigen BlaneeS ift 3ur 2lu§;
füljrung gelommen; aber aucf) bie3 äBmige ift für bie ©tttroicftung nnferer
i'itteratur unb 2lftt)etiE uon fjödjfter Bebeutung getuefen. ®iefe roafyrfwft
epocbmtacfjmbe Bebeutung ber <Sa)rift l)at aber erft bie nacljfolgenbe Qtit,
nicf)t bie gleichzeitige ©meration, in it)rem Dollen Umfange 3U nnirbigen
gemußt.
VI.
©oetE)e t)at in „2)ia)tung unb SBar)rt)eit" ben ©inbrucf, meldfjen ber
Saofoon bei feinem (jscfdfjeinen auf bie b.imatige empfängticfje Jyugenb ge-
mattet, in begeifterten 3öorten gefctjilbert. „2)a§ fo lange mißoerftanbene
ut pictura poesis roar auf einmal befeitigt, ber Unterfdjieb ber bitbenben
unb Stebetünfte ftar, bie QJipfel beiber erfd)ienen nun getrennt, nrie naf)
itjre Bafen aucf) sufammenftoßen mochten. 2)er bitbenbe Äünftler follte
fid) innerhalb ber ©renjen be3 ®dt)önen galten, menn bem rebenben, ber
bie Bebeutung jeber 2lrt nicftt entbehren fann, aucf) barüber f)inau3 5U
fdjmeifen oergönnt märe, gener arbeitet für ben äußeren ©lim, ber nur
burct) ba§ ©ct)öne befriebtgt roirb, biefer für bie ©inbilbung§fraft, bie ficf)
10 Jt)t mit bem ö.ipticfj^a noi) abfiaben m.xg." 2tu^ auä anberen m-
befangenen 2(ußerungen jener 3eit entneljmm toir, baß für uiete bura) ben
Saofoon eine gan3 neue 3Belt oon Sbcen fia) aufgetfmn l)atte. 2lber
XL lüiurkelmannr , •fökif unb tytttstxs l'rteil.
gerabe fotcrje Männer, Bei benen man am meiflen ein rerftänbuisooltes
(Eingeben fjätte entarten fotten, [teilten fid) £'effing§ ©ebanfen gleichgültig
ober felbft feinbtid) gegenüber.*) 2£ind'elmann r>or altem. 2tnfang3,
elje er ba$ %$ud) gelefen, mit fouoeräner 3Serad)tung auf ben itjm im;
bekannten SSerfafjer tjerabfeljenb, urteilte er freiließ günftiger, alö er ©infidjt
r>om ^nfjatt genommen Ijaite; aber balb fcr)fng feine Stimmung roiebev
um, er befdmlbigte Seffing be3 Mangels an Äenntniffen unb fanb in ber
Schrift einen „Uninerfitätsroi^, raeltfjer ficr) in ^arabojen f)ert)ortt)un
roitt". 2tn Kenntnis ber £)enfmäter überragte SBindetmann Seffing frei=
Itcl) fo bebeutenb, baf; er baburdEj imftanbe gercefen märe, in oerfdjiebenen
fünften festeren eine§ SBefferen 511 überführen; ^hen bie3 aber machte
ir)n gegen bie großen SSerbtenfte bes 2Berfe§, meiere auf einem gang
anbern (Gebiete tagen, blinb, um fo meljr, at§ ein 2(bftrat)ieren äftbjetifcfjer
Regeln a priori it)m burdjau§ fern tag. — Gine fet)r lobenbe 2lngeige
beö Saofoon, cbgleiaj mit oerfdiietenen ©egenbemerfungen unb teilroeife
fogar berechtigten Ginmänben fdjrieb $to£, raetdjer bamal§ nod; äufjerlid)
auf fdjeinbar gutem ^u^e mit £effing ftanb. Wenige ^afyxe fpäter bradf)
bie befannte $el)be gmifdf)en beiben -Scannern aus», meldte £Io£ gu Ijef;
tigeren Eingriffen gegen ben Saofoon fjinrif}, auf bie Seffing in feinen
antiquarifdjen ^Briefen in maf)rl)aft oernid^tenber Steife repligiert f)at.
Sie rjatte gur $otge, bafj audj einige Parteigänger non Hlofc, mie %x.
S uft hiebet unb Gl) rift. ©oitt. o. 9)curr, ben Saofcon tritifierten unb
mit allerlei tleinlirfjen, t)ämifd)en, gum Teil aud) gang trjörid)ten unb un*
grünblid^en Ginmänben bie Sebeutung ber SdEjrift abgufdnrädjen per;
fugten.
23ebeuiungöuoIl bagegen unb rjeuie ncd; burdjrceg tefenömert finb bie
beiben 23efprecr)ungen be3 Saofoon oon öerber unb ©aroe. £>erber Ijat
bem Saofoon ein gangeö öeft feiner „£ritifd)en ^älbdjen" geroibmet.
£ie Sctjrift rcirb t)ier big in alle SDetailS gergliebert unb gegen bie meiften
ber barin aufgeftellten <Sät$e lebhafte Cppofition gemalt. Seffing§ 33e=
beutung mirb im allgemeinen mof)t anerfannt; im übrigen aber fyat öerber
burdE) feine au§gefprocf)ene Vorliebe für 3K>indetmann fiel) bagu uerleiten
laffen , otetfad) gegen Seifing ungerecht unb bitter 31t merben. ©r oer=
fennt r)äufig SeffmgS eigentliche 2tbftdr)t noltfornmen; fo fefyr, bafj er nict)t
feiten it)n befämpft, mä^renb er bod), ofme e§ §u merfen, fid) burd;au§
in Übereinftimmung mit ifjm befinbet unb feine gange Cppofitton auf
2)ftf3üerftänbni5 tjinausläuft. £ro£ allebem mufj feine 2Ibf)anblung al£
eine burdjaug tjeroorragenbe Seiftung mit jaFjIretd^en, fruchtbaren $been
begeidmet merben, in melier nid^t feiten gegenüber gemiffen gärten ber
Seffingfdjen 3T^eorie baö ^Ridjtige getroffen ift. 2(ud) Seffing felbft er=
Härte fid) ba^er mit biefer ^ritif moI)l gufrieben. — 91>efenilid) referierenb,
aber Seffingä Sljeorie in roat)rt)aft tlaffifdier 2ßeife barlegenb unb bie
*) CringeEjenb ^anbelt über bie 2fufna^tne be§ Saofoon feiten§ ber geitgcnöffifdien Sriti!
ber britte 21bid)mtt ber Gtnleitung ä" metner größeren 2Iu§gabe S. 119—140.
ffi£giur. ©tnfluß auf Ih Citteraiur. XLI
oft unterbrochene ©ebanfenfotge bei* (Sdjrift Stritt für Sdjrttt aufbecfenb
ift bie 33efpred)ung oon ©aroe, in ber 2lllgemeinen beutfcfjen SBibliotfjef
oon 1769; aud) ba§, maö ©aroe an eigenen ^Bemerkungen feiner $ritif
am Sajluffe beigefügt, ift anwerft beatfjtensJraert.
£ro£ biefer 2(nerfennung oon feiten Ijeroorragenber ^rttifer oermag
man in ber 2lftl)etif ber folgenben $eit sunäcfjft nodf) feinen ©tnfluf; beö
Saofoon ju oerfpüren. (Suis er 3 „allgemeine £t)eorie ber ftfjöneu fünfte"
fteEjt noct) burcfjraeg auf bem oeralteten Stanbpunfte 23atteur,!o; ÄantS
„Äritif ber Urteilskraft" nimmt auf bas Problem beä Saoroon feine NM--
ficf)t. ßrft Bei (Stiller tritt ber ßinflufj Sefftngs auf feine äfttjetifajen
£f)eorieen beutlia) fyeroor, obgleich berfelbe oielfact), namentlich in fragen,
raeldje bie ^poefte betreffen, auf einem anbern ©tanbpunfte ftet)t. Sie
moberne 2lftl)etit aber — <Sa;elling unb ö^9^ Schopenhauer unb SSifdjer,
u. a. m. — , fo oerfct)iebene 9fttf)tungen biefelbe aud) oerfolgt f)at, t)at
borf) niemals umf)in gelonnt, fiel) mit £effing§ £t)eorieen auöeinanber ju
fe^en. Sie 9?efuttate, ju benen fie babei gelangt, finb begreif lictjenoeife
im einzelnen fet)r mannigfaltige; jafjlreidje fünfte finb angefochten, %um
£eit raibertegt, anbere raenigftensl beträct)tticf) mobifisteri morben. ©s> fjat
aud) ma)t an ©egnern gefehlt, meldte baä ©runbprinäip ber (Schrift über;
tjaupt für falfd) erflärt t)aben, raie ba3 namentlich oon bem befannten
Äunftfritifer o. 9htmot)r in oerfajiebenen Schriften unb oon 23 ollmann
in einer 2Ibt>anblung „Über ba3 Äunftprinjip in £effings Saofoon unb
beffen 33egrünbung" (Berlin 1852) gefajetjen ift; felbft ein neuer „Sao;
foon" ift als „©egenflücf 51t SefftngS Saofoon" gef abrieben morben, oon
Siatljge&er (Seipjig 1863), in ber eigene 00m SSerf affer hierfür erfun=
benen „treppenförmigen 9Kett)obe". ^nbeffen alle SBefämpfungen unb
oerfutf)te SBiberlegungen fjaben bocf) nidfjt oermocfjt, baö ©runbprin3tp ber
(Eajrift ju erf cfjüttern ; bie ©efetje, meiere bie moberne 2lftt)etiJ für ^oefie
unb bilbenbe fünfte in iljrem $erl)ättm§ 5U einanber aufstellt, berufen,
trot? mannigfacher 2(braeid)ungen in itjrer proftifcfyen Stnraenbung, bodE) im
öffentlichen burd^au§ auf bem oon Seffing gefefjaffenen ^unbament.
yi\a)t minber bebeutungsooll ift ber Saofoon für unfere beutfdje
Sitteratur geraefen. ©3 mar oon tjotjem äßerte, bafj fein ©rfcfjeinen mit
bem beginn unferer großen Sitteraturblüte jufammentraf; bie Seljre, baB
ber SMdjter nid^t malen folle, bafs §an^urt9 Da^ eigentliche ©ebiet beö
S)ict)ter3 fei, mar nicfjt oergebenö aufgeftellt morben, unb raer ©oetlje unb
Stiller aufmer!fam barauft)in burajlieft, rairb überall ben ©inftufj biefer
£et)re oerfpüren. Unfere mobernfte Sitteratur freilief) fajeint fiel) raieber
met)r unb met)r baoon emanzipieren gu motten; unb menn and) unfere
tjeroorragenbften Sinter unb (Sd^riftfteller fief) ber (Säuberung !örper;
lieber ©egenftänbe mögtid^ft entljalten, menn aud) 2Bill)elm ^orban in
Seifpiet unb 2el)re immer mieber auf öomer alä unoergänglirf;eö SJiufter
für ersäljlenbe Sarftettung ^ingemiefen ^at, fo trifft man boct) fd^on
raieber fe^r t)äufig, unb nid^t blo^ bei ^omanfctjreibern untergeorbneter
XL1I öinflulj auf bie bilbcnbe fiunlt.
©attung, fonbern fel&ft bei Stdjtern oon ber löibeutung eine§ öamerling
j. "-8., auf auäfüfjrlicfie Sefdjreibungen , bei beiten bod^ alte ©tut unb
$arbenprad)t nidEjt ben innern 9)iangel 511 oerbeden nermag. 9Bof)t bt-
bürfte e3 l)ier einmal einer neuen ©idjtung ber 2(nfid)ten, einer Slartegung
ber Seffingfdjen fyorberungen aud) unfern mobernen, otelfad) erweiterten
©efidjtöpunften gegenüber; aber im allgemeinen braucht ber maljre £)id)ter
einen folgen JptnroeiS mafjrlid) mtfjt: it)n leitet fein ©eniu3 oon fetöft
jum 9?ed)ten, unb bas Siedete ift in biefem %aik ebzn bas>, raa§ Seffing
mollte. Sie ©efd)icf)te alter Sitteraturen giebt bafür ben beften Ühteg.
9JBie ftet)t e§ aber mit bem bitbenben Äünftter? können mir nidjt
aud; non if;m mit bemfelben 9ted;t ba§ ©leid)e erroarten? — @£> ift fdjon
oft genug auSgefprodjen roorben, baf? ber Saofoon, roetd;er in ber Sitteratur
eine fo beutlid) l;eruortretenbe SBirfung ausgeübt Ijat, an ben bitbenben
fünften faft fpurtoä vorübergegangen ift. ©3 ift geroifj ntdjt ju leugnen,
baf* SeffingS ©tanbpuntt ber Äunft gegenüber uielfact) ein ju ftrenger
mar; feine ©eringfd;ä£ung ber f)iftorifd»en Sftateret, feine Stnfidjt, bafs
biejenige Üftalerei, meldje nur fdjöne Körper 3um ©egenftanb müf)te, bie
I)'öd)fte fei, ift 3meifet(o3 ju oerraerfen ober jum roenigften etn3ufd;riinten.
2tber ba3 bringt nod) feine^megö mit fid;, bafe feine §auptforbenmg : bie
Ä'tmft fotte nur bag »orftelten, mag if)ren natürlichen, nebeneinanber im
Siaume befinbltd;en &i<5)tn entfpridjt, ebenfalls ju oertoerfen märe. £ro£=
bem I;at fidj bie moberne $unft l)ieran md)t gelehrt; bie 2lltegorie fpiett
nad; rote cor eine roidjtige 3iolle, namentltd; unter ben SSorroürfen ber
©futptur ober in SfBanbgemätben; bie abftrafteften Singe merben gemalt,
bie unmalbarften $<*fta/ ©cenen au§ Sante, Litton u. f. ro. illuftriert:
unb e§ täfit fid; ja nidjt leugnen, baf? bergleid;en Sßerte, roenn fie mit
allen ber heutigen £edmif ju ©ebote ftefyenben Mitteln ausgeführt finb,
ben 33efd;auer fo ju btenben imftanbe finb, bafj er barüber ba<§ 33er*
fehlte beö ganjen 9)iotioe3 oft genug uergifjt. 2ßenn nun ba§ nidjt bfofj
bie Dii minorum gentium, fonbern unfere erften Ä'ünftter »on jefjer
getfjan l;aben unb nod; tl)un, E>at bann bie 2(ftf)etif ein 9ied;t, fid) über
fie jum 3Mfter aufjumerfen unb it)nen, ben Saotoon in ber £>anb, SSor-
fdjriften ju machen? Ober mufj man nid;t vielmehr ben $ünftlern ebenfo
roie ben Sid;tern jugefteljen, il;rem eigenen ©eniu3 511 folgen unb ba3,
roa3 biefer tljnen eingiebt, als ba3 9ttd;tige unb 2Baf)re ju betrauten,
tro^ Seffing? — 3)as> ift in ber Xtjat oft genug au3gefprod;en morben,
aber e§ beruht tro^bem auf uerfefylter 2luffaffung. 2Baä man bem Sidjter
frei überlaffen foll, meit er barin oom ©eniug geleitet non fetbft baä
Sed^te finbet, ift nid;t bie SBab^l feiner «Stoffe — barin Ijaben fid) oft
genug felbft bie größten 9)Jeifter oergriffen — , fonbern bie 2lrt, mie er
biefelben angreift unb ausführt. 9Jßer mitt bem bitbenben Äünftter baä
©teidje nerroefjren? — Gö tjanbelt fid; l)ier ja gar nid;t barum, bafj ber
2lftl)etifer bem Äünftler in bie 2lrt, mie er feinen ©egenftanb auffafjt unb
burd)füf)rt, f)ineinreben raill, fonbern um bie Söafjl beö Öegenftanbes
^orm unü Stil ües ffaohoon. XLIII
felbft. DB fie bort mitfpredjen barf, Ejängt oon bett Umftänben ab; l)ier
aber mu^ fie ftdj unter alten Umftänben bas 9ted)t mafjren, ifyre md)t
btofj a priori gefaxte, fonbern auf l)iftorifd;e Unterfudjungen bafierte 2ln=
fidjt als beadjtensmerten 9iat uon ben Äünftlern anerlannt ju fefyen.
®arum mufj man bem Saofoon namentlich unter ben Äünftlern fteifuge
Sefer nnmfdjen — freilief; mot)l ein frommer Söunfcf), benn bie Äünftler
müßten bann überhaupt erft uon bem SBatjne laffen, bajj niemanb anbers
als fie felbft ein ?ücd)t Ijätte, ilmen äfttjettfdje SBocfdjrtften ju machen.
2(ber gegen jebe foldje Reffet empört fiel; in ber Siegel ber ^ünftlerftolj ; fjat
bod) noef) lür jlid) ein SWaler uerfdjiebcne Ä'unftgetefjrte energifd) abgetakelt,
meil fie md)t raie er ber 2tnfid;t waren, bafj, um mit Sefftngs GHetdjnis ju
reben, nur ein Äod) barüber urteilen bürfe, ob bie ©uppe üerfaljen fei.
Sergeffen mir aber nicfjt über ber 33ebeutung, meldte ber Saot'oon
burd; feinen 3nt)att für bie 3-fjeone ber 2lftl)etit, für bie Sitteratur unb
Äunft f)at, bie midjtige 9ioUe, metdje er burd; feine formelle ^ollenbung
in ber ©efdjidrte unferer ©prad)e unb ber metfyobtfdjen Jyorfdjung an ftd)
fpielt. 2ßir roiffen aus Mitteilungen oon greunben Seffingg, bafs er
in SeforgntS megen bes ©tites feines SBudjeS mar, roeil er mehrere %<xt)te
tein grofses jufammenfyängenbes ÖanjeS gefdjrieben blatte, $a, audj nad)=
bem ber erfte Seil erfdjienen mar, trug er ftdt) eine 3eü ^"3 mii *>em
©ebanfen, bas ©anje umzuarbeiten unb franjöftftf) nieberäuf ^reiben ; es
erjftiert nod) bie fransöfifef^e Raffung ber SSorrebe (C 14 biefer 2lu§ga&e),
morin er bie 3BaI)t ber fremben ©prad;e bamit begrünbet, bafs bie beutfdje
©pradje für mehrere (Gattungen ber Sitteratur, ju benen aud) bie in Siebe
' ftel)enbeget)öre, nod) ju bilben, ja fogar erft 311 ferjaffen fei, mäfjrenb bei ber
franjöfifcljen bies fdjon tjinlänglid) ber ^all märe. 9bm, mir tonnen es fjeute
oljne Sebenlen auSfpredjen, baf? Seffing burd; feinen Saofoon eben biefe
©attung ber beutfdjcn Sprache in ber Zfyat gefdjaffen b,at. Metten mir
aud) nod) l)ier unb ba, bafs uielfad) bie fefte Terminologie nod» nid)t ge=
fdjaffen ift, fo ift bod; ber Stil burdjrceg tlar unb burd)ficb/tig , babei
nirgenbS troden ober pebanttfa) bosierenb, fonbern überalt belebt uon
jener Reitern 3lnmut, non jenen treffenben, beffer als lange 2(useinanber=
jehungen bie ©addage JennjeidEinenben Silbern unb ©teidmiffen , meldte
für Sejfings ©tit fo djarafterifttfd) finb; babei altes fdjeinbar (eid)t unb
müt)eloQ geboren, nrie bie 33übmerfe beS ^artf)enon, unb bod) burd^meg
SRefuItat forgfamften gleifjeö. 2)enn mit 3ted)t bemertte Seffingö 33iograpf)
Wuf)rauer, baf? fein Stil fein naiuer, gteid)fam angeborner, fonbern bie
9JBirfung feiner intelleftuelten Sb^ätigteit ift. ©eine SDJetfmbe ift es, meldte
feineu ©tit notmenbig jttr gotge (mt. 2)ies 33ud>, mit feiner fdieinbar
fo äroangtofen 2lnorbnung, in meinem fid) ber Serfaffer felbft mit einem
©pajiergänger uergleidjt, melier balb fixier balb ba einen Seitenmeg ein=
fd)lägt, ift bod; ein dufter, unb jmar bas erfte unb gr'öfste 3)htfter ana=
li;tifd)er Ontmidtung für alte Reiten. ©d)ritt für ©dn-iit, mit unerbitt=
tidjer togifd;er Schärfe eutmidett fid; Öebante auf ©ebante; 00m tSinjetnen
XLIV QTjft. 2Ut9gab£n.
auSgefjenb oerottgemetnert ftd; baö Problem immer mef;r, 6i§ enblid; in
ber Sftitte beö ©anjen ber Qeitpunft ba ift, too bei* Sefer genügenb barauf
vorbereitet ift, nun in furzen Seljrfäfcen bie Duinteffcnj beö Sangen $u
erfaffen. 2)abet geigt er unö, rcie Berber treffenb bemerft, „nid;t btofs
iuaö, fonbern rote er es gebadet l;at; er fiifjrt uns in bie SÖerfftatt feineö
©etfteä unb tefjrt unö beuten." 2)arum ift unb bleibt ber Saofoon eine
fo oorjügltd; für Jünglinge auf ber oberften Stufe beö ©nmnafiumö unb
auf ber öod;fd;ule geeignete Seftüre oon gerabegu erjüetjenber SBirfung,
joehn aucf) freilief; Ä. 33. Start mit 3?ed;t betont l;at, bafc eö fet;r r>erfel;lt
roäre, 51t meinen, baf; bamit eine ©infüljrung in bie antife ihmft gegeben
roerben tonne.
VII.
SBon bem i. 3. 17GG bei G(;rift. Jriebr. SBofj in 33erlin erfdjienenen
erften Seile beö Saofoon erfdjxen erft nad) Seffingö £obe eine groeite, oon
Äart Seffing beforgte 2luflage, Berlin 1788; ber 2!ejt ift in berfelben an
einigen ©teilen auf ©runb oon Seffingä Driginal(;anbfd;rift oertinbert,
aufeerbem eine 2luöroa(;l auö bem l;anbfd;riftlid;en 9tacf)ta^ 511m i'aofoon
gegeben, ©inen ^ortfdjritt in ber 23ef;anbtung beö £ej:teö bejeidjnet bann
erir bie 2(uögabe uon Äarl Sadjmann in ber Sefamtauögabe ber £effing=
fd;en SBerfc, roeld;er ebenfalls bie .v>anbfd)rift babei 51t 3tate gejogen,
bie Crtl;ograpt;ie unb ^nterpunftion barnad) oerbeffert, £>rudfel;(er be-
feitigt unb aufjerbem nod; bie 3tu3roat)I auö bem 3Jad)Ia§ vielfad) üermet;rt
f;at. Smmerfjin fonnte aud; biefer 2lbbrutf nid)t atö ein oollftünbig
gereinigter gelten, ba immer nod) £rudfef)ler ftefjen geblieben roaren, aud;
V £. fogar einige neue finnentftellenbe fid) eingefd;lid;en Ratten. 2luf
2ad)tnannö £er,t gingen alle folgenben mef;r ober roeniger jurüd; aud; bie
2(uögabe in ber bei ftempel erfd;ienenen ^(affiferfammlung unb meine erfte
fommentierte 2(uögabe (Berlin 187G) beruhten nod; auf feinen anbern ©ronb«
lagen, alö ber Original» unb ber X'ad;mannfd;en 2tuögabe. ©rft baburd;,
baf; §err Sireftor ©roffe in Hönigöberg i./?ßr. bie jefct im 23efitj beö fterrn
^anbeögerid;tö=Sireftor G. % Seffing befinbltdje §anbfä)rifi aufö neue
forgfältigft oergltd) unb mir feine .Kollation jur Verfügung ftellte, unirbe
eö mir möglid), in ber jroeiten Auflage meiner 2(usgabe (Berlin, 2Beib=
mann 1880) einen ganj aut^entifd)en ^ert \u geben, meiner fid; forool;l
l)infid;tlid; beö Sßortlauteö atö ber Crtl;ograpf;ie unb ^nterpunftion im
roefentlid;en an bie Driginal(;anbfd;rift anfä)Iief$t, unter Ü3erüdfid;tigung
ber ebenfalls nod) erhaltenen itorrefturbogen, foune mit ben nottuenbigen
Anbetungen uon Sd;reibfef;tern in Sitoten u. f. ro. ©in unter bem Xejte
ftef;enber frittfdjcv 2lpparat giebt bie 2lbiueid)ungen oon ben 2luögaben
oon 17GG unb 1788, foroie oon ber 2ad;mannfd;en an. — Seitbem finb
in ben legten ^al;ren roieberum uerfdjiebene neue 2luögaben beö Saofoon
en'd)ienen, oon benen mir nur bie beiben neuen 2(uflagen ber fommen=
tierten 2luögaben uon (Sofarf xm'i) ^ufdjmann 31t @efid;t gefommen finb;
bieielben geben aber burdjiueg roieber bie alte ^orm beö ^er.teö unb baben
Anorbuung ber ffintiuiitfe. tloten. XLV
feinen einzigen ber burd) bic äSergletd&üng ber öanbfdjrift nadjgeroiefenen
geiler oer&effert. (So 3. 33. brud'en fie im Aap. VIII „bie äljnlidje
Eljarafterifitung" anftatt „bie nämliche"; im Aap XVI „imb e3 b,er=
nad/' anftatt „fonadj"; Aap. XXV „2Bie üollenbet" anftatt „2Bomit
oottenbet" u. bgl. m.) !gn oorliegenber SluSgoBe ift ber 933ort(aut bee
Sejteä burdjwcg ftreng nad) ben angegebenen Quellen reoibiert; audj bie
Önterpunftion ift im wefentlidjen bie urfprünglidje; hingegen tonnte bie
Crtbograpbte nicfjt beibehalten werben, ba bie Jenbenj ber norliegenben
2lu3gabe bie Surd)fül)rung einer übereinftuumenben Drtfjograpfjie er=
f)eifd)te.
Rad) bem Se;rt bes erften Seiles ift ber Radjlafj 311m Saofoon aud)
f)ier wieber abgebrudt morben. 9iad; ben 2lu3gaben oon Äarl Sefftng
unb Sadjmann ift berfelbe junt erftenmale uollftänbig gegeben morben in
ber bei §empel erfdjiehenen 2lu§ga6e 23b. IX ©. 191 — 327. Sie Dri=
ginale befinben fid) gleichfalls im 93efifte be§ §errn ©. R. Seffing; eine
23efd)reibung berfetben ift gegeben bei .Stempel @. 178 ff.; beffer unb mit
tertfritifdjen -Kadjirägen uon ©. ®roffe im 2trd)io für Sitteraturgefd).
23b. IX <3. 1(33 ff. Sie Reihenfolge, in meldjer bie einseinen ©ntraürfe
unb Fragmente bier 511m 2lbbrud gebracht morben finb, ift bie non ©roffe
an jener ©teile norgefdjlagene, wäfjrenb id) in meiner 3raeiten 2luflage
eine etmaä abmetdjenbe befolgt I)abe, mobei bie ehi3elnen ©tüde nod) mef)r
in innerer Reihenfolge angeorbnet finb, bie ei^eliten Fragmente felbft
aber auoeinanbergeriffen werben mußten, roa<j mir für bie gmed'e ^er
üorliegenben 2tu3gabe nidjt 3wed'mäf5ig erfaßten. $erfd)iebene bei £empel
aufgenommene "gragmente gehören ftreng genommen 311 ben antiquartfdjen
Briefen unb werben baljer beffer at3 Rad)trag 311 biefen 3um 2Ibbrutf
f'ommen.
2Ba3 enblid) bie SInmerfungen anlangt, fo tonnten biefe gemafc ber
Stnlage ber 2(u3gaben in unferer „Rational=Sitteratur" überhaupt nur
fürs unb t'napp auffallen. ©inläfjlidje 93ef)anbtung ber im Saoloon felbft
erörterten 5ra9eu tüar baljer nidjt möglid), nielmefjr finb <B<xd)- unb
SBorterftärungen jur ©rfeidjterung be§ SSerftänbniffeä, I)ier unb ba 23ertd)=
tigung einer falfdjen 2(nfid;t ober 23ef)auptung, SRitieilung biograpf)ifd)en
Säten u. bgl. als raefentlid)c Senbcns ber Roten betradjtet morben. Gs
ift mein 23eftreben gemefen, babei ebenfo mxd) vor überflüffigen, für einen
feben olme meitereö non felbft fid; ergebenben ©rflärungen 31t Ijüten, alä
anbrerfeitö nidjt bei jebem £efer einen 311 Ijoljen (Mrab non Iuimaniftifd)er
S3übung uorauö3ufej3en. Rur baran glaube id) gegenüber benjenigen,
meldje ben Saofoon gern 31a- Seftüre für Sattclfdjulen madjen mödjten,
feftbalten 31t muffen, bajj, wer leine 2U)iumg baoon bat, wer 2ljar. unb
§eftor, ^pljigenie unb 9Jlebea mar, wem §ora3 unb (iicero unbekannte
Ramen finb, baf; bor and) benVaofoon ungelefen (äffen foltte; barum ()abe
id) alle fo(d;e Sadjen, bie jutn SBerftänbniä einer berartigen Sdjrift uon
uom Ijerein unerläfttiri) finb, nid)t burd) Roten erläutern 31t muffen geglaubt.
XLVI W« ffnokoongruppe.
VIII.
2)ie im 93elr<ebere bes SSatifan aufgeteilte ©ruppe bes Saofoon mit
feinen ©öfjnen, roeldje für Sefftngs ©duüft 2tusgangspunft unb 3tamen
gegeben tjat, ift i. 3- 1506 in *>er 9£äf)e ber Spermen bes Situs auf=
gefunben roorben. ©in Don Sftidjel 2lngefo gemachter SSerfud) ber ©r=
gänjung bes fetjlenben rechten Slrmeä bes Saters ift nirfjt jur 2(usfüf)rung
gefommen; in ifjrem heutigen .ßuftanbe, melden bie oon uns beigegebene
Safet geigt, ift fie feit ber im 17. 3af)rf)unbert erfolgten ©rgänjung con
Gomadnno , ba bie üorfjer burd) 9JUd)el 2lngelos ©dntler SDiontorfoli ge=
machte raieber abgenommen nntrbe. 9teu ftnb an ber ©rüppe aufjer einigen
unbebeutenben ©tüddjen: ber redete 2lrm beö 23aters, ber bes Jüngern
©oljnes unb bie redjte £anb bes alteren ©obnes; bod) ift bie ©rgänjung
ber beiben Sinne Don 3Sater unb jüngerem ©obne fdjroerlicb, richtig,
ba beibe bie funftnolle pnramibale 2(norbnung ber ©ruppe atterieren.
Man fjat früher allgemein angenommen, bajj i'aofoon mit feiner regten
öanb fd^mersDoll narij bem §interfopf gegriffen fyafa, roäfyrenb ber red)te
2lrm bes jüngeren ©offnes ftärfer gefrümmt bem Äopfe fid) näherte.
2lber baburd) mürbe bie 23emegung ber 2lrme ber beiben Figuren $u
fefjr bie gleiche fein; überbies fjaben erneute Unterfudjimgen bes Originals
gegeigt, bafj am SJlarmor leine ©pur bauon ju ernennen ift, bafj bie
redjte &anb einft bas £>aar berührte. £ne ridjtige ©rgänjung ift baber
immer nod) problematifd). 35afj bie Oruppe, obgleid; nidjt aus einem
33lotf gearbeitet, fonbern aus fetfjs ©türfen jufammengefefct, bennoa)
mit bem oon ^Slinius XXXVI, 37 fg. erroälmten unb naci) feiner 2(n=
gäbe im 5ßalaft bes Situs aufgehellten Sßerfe ber brei rfjobifdjen Ä'ünftler
Slgefanber, 2ttf)enoborus unb "poluborus ibentifd; fei, gilt fjeut als im
allgemeinen unbejroeifelt, ba bie Hereinreiten Fragmente ftatuarifdjer 9te=
plifen jebenfalls als 3iefte fpäterer "Jtadjbilbungen bes nod} oorliegenben
Driginaünerfes 511 gelten fjaben.
©ine eingefjenbe funftluftorifd;e unb äftljetifdje 25ürbigung bes be-
rühmten Munftrcerfes, über meines eine aufjerorbentlid) umfangreidje
Vitteratur erjftiert,*) mürbe uns f)ier 5« rceit füfjren; raof)l aber ift es
uotroenbig, raenigftens bie beiben bamit tu Skrbtnbung ftefjenben fragen,
*) Siefelbc ift bis jum %af)ve. 1880 jufammengeftellt in meiner größeren Ausgabe
S. 722 ff., baju fommt neuerbings' nod) tnnjii: iHrunn in ber 2(rd;äo[. Qtg. f. 1880
S. 167. SBlümner in ben teilen Saljrb. f. «ßljilol. u. 92äbag. f. 1881 S. 17 ff. 6. Stö-
bert in 33b. V ber spijtlol. Untersuchungen t>on Äiejjling u. ». 2Bilamonu§ > ÜKöHenborf
<B. 192 ff. SBrunn in ber ©eutfetjen 9tunbfd)au f. i.ssi/82 <B. 204 ff. äBagnon, Le
frise de Pergamon et lu groupe du Liaocoun, Gen6ve 1882, unb berf. in ber Kevue
arch6ologique f. 1882, X. S »b. XX1I1 p. 83 Bqq. 3t fiefule, 3ur Deutung unb
-Jeitbeftimmung bes £aofoon. S3erliu unb Stuttgart 1883. 2t. Srenbelenburg, 2)ie
iiaofoongruype unb ber Öigantenfrieö beö pergamenifd;en 2Utarö. Süerlin 1884. 2B..fiaIb,
3ur i.'npfoongruppe, in ben 33lätt. für bao banr. (Smnnafinlrocfen XX (1884) <£. 282.
Jl. »öttidier in ber (SDiündjener) LHUgem. Leitung 1884, 33eiIoge 145—151. Stunti,
Über bie funftgefd)irf)tlid;c Stellung ber pergamenifdien Öigantomadiie. 33erlin 1884
©. 34—43. C. «öübner, DJorb unb Süb 23b. 35 (1885) (5. 365 ff .
fofling unb bis ffctohcongruppe. XLVII
meldje in SeffingS Saofoon eine Stolle fpielen, furj uom heutigen ©tanb=
punft auä ju beleuchten.
3m erften Kapitel nimmt Seffing in Übereinftimmung mit 2Bincfel=
mann an, bafj ber Saotoon nidjt fcfjrete, fonbern btofj feufje. £>iefe 2lm
ficfjt ift aber feineäroegS uon ber neueren ^orfdjung allgemein gebilligt
morben. SMder fagte, e§ laffe ftcfj nidjt behaupten, bafj ber SJhtnb nid)t
bis su Stngftrufenimb Älaggefcfjrei geöffnet fei; Brunn meinte, baf? Saofoon
mirflicfje ©djmer3en3laute au^ftofse, roenn and) feine milben, regellofen
Töne, fein mafjlofeS ©efcfjrei. tiefer Stnfidjt fdt)Iie^t ficf» and) Duerbecf
an, obgleid) er e3 baf)ingeftel(t fein läfjt, ob man ©cfjreien, jammern
ober nur ©tonnen annehme. Bei tceitem am plaufibelften aber, roeit
3ugteid) aud) auf anatomtfdjer Beobachtung beruljenb, ift bie Meinung
uon ijenfe, bafj ber bargeftellte Moment ber Stufjepunft fei, roelcfjer jiüifd)en
^nfpiratiou unb Aspiration be3 ©eufjerö liege, bafs alfo bie Öffnung
be§ 9JiunbeS nicfjt auf £onbtlbung 31t besiegen fei, fonbern jur Shifnafjme
unb nad)l)er mieber 2lu3ftof5img ber Suft biene. §enfe begrünbet biefe
2lnfid)t uornebmtid) burdj ben £ü"roeiS, bafj bei nnrflidjem ©djreien bie
DJJitte be3 Baudjes. nidjt fo meid) gebogen eingesogen bleiben fönne, toie
man e3 an ber ©tatue fe^e. ©ine £erabfe|ung be§ 2lffefte3 ift alfo in
ber £b,at uorfjanben, roenigftenS im ©efidjt, u>äf)renb in bem fd)mer3=
nerjerrten Körper freilief) feine Siebe baoon ift.
3m fünften Äapitel befjanbelt Seffing ba3 2llter ber Saofoonfage in
ber Raffung beg Birgit unb ber ©ruppe unb fommt 311 bem 9tefultat,
Birgit fei ber erfte unb einsige 3id)ter, roeldjer foroofjl ben Bater raie
bie ©öfme Don ben ©drangen umbringen täfjt. Sie ©puren unferer
gefamten Überlieferung uon ber Saofoonfage finb neuerbingS meljrfad)
üerfotgt morben, 3ule£t am eingefjenbften »on Robert in feiner 2lbt)anblung
„Bilb unb Sieb" (f. unten). (Sin fidjereS Stefultat barüber, rote bie Raffung
ber 3age cor Birgit geroefen ift, f)at fid) barau3 freilief) nidjt ergeben.
3Bir rotffen nur, bafj in ber alten Berfion be3 ßpiferö 2frftino3 ber eine
©ofm am Seben blieb, in ber £ragöbie beg ©opfjofleS aber tnetleidjt
ber Bater. Sarnad) ift alfo ftreng genommen 2effing§ ©a| ganj ridjtig;
aber er gilt bod) nur mit Be3ug auf unfere 9fad)ricf)ten, unb bei ber
©pärlidjfeit berfelben fönnen mir barauS nod; feineäroegs fdjliefjen, bafj
bie <&ad)e: ficf; in 2ßirflid)feit fo nerfjielt, rote fie ficf) unö fjeute barftellt.
©3 ift melmefjr im Gegenteil ctufjerft unraafjrfcfjeintid), bafj jene Raffung
ber ©age bem Birgil eigentümlich fei; bie 9J{öglidjfeit, bafj bei ©opfjofleö
ber Bater mit ben ©öfmen umfam, ift nid)t auSgefdjloffen, and) an
ßupfjorion, ben aleranbrinifdjen Stcfjter, ber Birgits Quelle geroefen,
fann man beuten. 2)amit fällt felbftoerftänblid) and) ein 2lrgument für
bie (Sntftel)ung§3eit ber ©ruppe unter £ttu§, unb 3roar ba§ am atler=
fd)ioerften miegenbe. Sie grage nacb, ber Gntftefjung^seit ber ©ruppe,
auf mefd)e i'effing im Aap. XXVI fg. noef) einmal 3urüdfommt, ftef)t
fjeute mefentlicfj anberö at§ 3ur $>e\t Seffingö £er meitauö größte Teil
XLV1II Cntflcljungsäctt btr ffaokoongruppc.
ber 2lrd;äologen ftefjt mit Sßindelmann für Gntftel;ung be§ Sßerfee in
ale;ranbrimfd;er geit ein; für Gntftel;ung in ber Äaifer^eit treten nur
noa) rcenige ein, barunter teine einjige namhafte 2tutorität. Sie 2lrgu=
ntente für bie erfte ber Reiben 2lnfid;ten finb in neufter 3e^ um üer=
fd;iebene neue nermefjrt morben: freilief; um feines, rceld;es mirflid;
unroiberleglid; fdjlagenb genannt roerben tonnte, aber in ifjrer Totalität
finb fie aufcerorbentlid; bebeutfam. ^d; redjne 3U biefen neuen 2lrgu=
numten uor altem bas in Pompeji aufgefunbene SBanbgemälbe mit ber
Sarftellung ber Saofoonfage, rceld;es einem Seforationsftit angehört, ber
nadjmeislid; nur biö etroa 50 n. Gf;r. üßtief) mar. $on üerfd;iebenen
Seiten wirb behauptet, bafs bies ©emälbe, trotj feiner burdjaus abroeid;en=
ben Äompofition, bod; ftellenmeife beutlid) bie 2(nlef;mmg an bie ©ruppe
uerrate; eben bies aber rairb von anberer Seite mieber in 2tbrebe geftellt.
2)ie auf bie 3Borte bes 'ptinius ftd; berufenben ©rünbe finb bie alten
geblieben; if;re 2(uffaffung ift uon feiten ber 5ߧiWfogen nod) um mehrere
2)eutungSüerfud;e oermefyrt morben, aber im altgemeinen ift man barüber
einig, bafj fie feinen 2lnfjalt für bie Datierung ergeben, ©benfo menig
finb bie auf ben 9lamen bes 2Ü[;enoboros, Sofptes bes 2tgefanbros,
lautenben Äünftterinfdjriften, meld;e man in Stntiutn unb ©apri gefunben
[;at, beroeifenb, weil biefe ^nfctjriften 3mar in ber Äaiferjeit angefertigt,
aber offenbar Äopieen nad; älteren Originalen finb. hingegen ift ein
2)efret ber rf)obifdt)en Stabt Sinbos für 2(tf;anoboros, 2(gefanbros Sof;n,
alfo raot)I ben einen ber SJleifter ber Saofoongruppe, altem 2(nfd;ein nad)
\üd)t fpäter als 160 x>. Gt)r. ju batieren. Unb ba3u ift bann in ben
testen ^afjren nod; ein mid)tiges Moment gefommen, ber Umftanb
nämlid), bafs am großen 2tttarfries uon ^ergamon ber Körper bes einen
©iganten in feiner ganzen Stellung unb Gattung eine geroiffe 2U;nIid;feit
mit ber fyigur bes Saofoon geigt, infolge banon ift üietfad) behauptet
morben, bafj ber Saofoon in 2(nleljnung an jenen ©iganten uon ben
rfyobifdjen Äünfttem gefdjaffen morben fei (fo namenttid; Gonje, 2Bagnon,
.Uefule), mäfjrenb anbererfetts bie Priorität bes Saofoon gegenüber bem
©tgantenfries mit guten ©rünben nerteibigt morben ift (Srenbetenburg,
S3runn, §übner). 9Jfag man fid; nun für bie eine ober für bie anbere
2(nfid;t entfd;eiben, — bafj 3unfd;en ber $unft ber Sßergamener unb ber
ber rf;obifd;en Söteifter ein innerer 3ufammenf;ang £»eftefit, ba§ ijautn bie
neuen pergamenifdjen 'Jyunbe gans un^ioeibeuttg bargetfjan; mag man bie
©ruppe früher ober fpäter, ins britte 3ab,rf;. o. C5(;r. ober ums ^af;r
100 n. C£f)r. anfeilen — in römifd;e Saiferjeit fann fie Ijeutjutage nur
jemanb üerfehen, ber gemattfam bie 2lugen für ftUiftiftfje SBerwanbtfd&aft
tum ftunftiocrt'en uerfdjliejjt. So mujj man beim, altes in altem ge=
nommen, befennen, bafj in biefer ^-rage bie Gntfd;eibung für SBintfelmonn
unb gegen Seffing auogefallen ift. 2)em bfeibenben siL'ert fetneo ßaofoon
gcfd;ief)t baburd; nid;t ber minbefte 2(bbrud;.
fö. 25Iümncr.
g g o f o o n:
ober
über tue ©renjen
Der
ITASt. «-«t A£h xutx IT. v xarx ~Z. ho.
6et)(duftgen Erläuterungen
&erfcf)te&ener fünfte
fcer alten Äunftgefdjtcfjte;
t>on
(Bottljofo (Ephraim £efftng.
Srfler Sfceü.
23 e r 1 i n,
6 e 9 <£ $ r i fii a n 5 ^ i € t> r i c^ 23 o fj.
1766,
SefftagS SBerfe 9. 1
©srvcte.
^Ser erfte, loetd^er bie sHca(erei unb ^}oefie mit einanber oergftcfy,
^•^nav ein SfRartn von feinem ©efüljle, ber von beiben fünften
eine älmlidje Söirfung auf fidj uerfpürte. 33eibe, empfanb er,
5 fteften un§ abmefenbe Singe al§ gegenroärtig, ben ©djein alz
3öirflid)feit cor; beibe tauften, unb beiber £äufd)ung gefällt.
ßin smeiter fudjte in ba§ innere biefe§ ©efattenS einzubringen,
unb entbedfte, baf? e§ bei beiben auö einerlei Duelle fltefje. Sie
©djönfyeit, beren Segriff mir juerft von förperltdjen ©egenftänben
10 abgießen, r)at allgemeine Regeln, bie fid) auf mehrere Singe an=
menben (äffen; auf öanblungen, auf ©ebanfen foroofyl aU auf formen.
ßin britter, roeldjer über ben Sßert unb über bie Verteilung
biefer allgemeinen Regeln nadjbadjte, bemerkte, bafj einige mefyz
in ber 9Jialerei, anbere mefjr in ber -^oefie r)errf crjten ; bafj alfo
15 bei biefen bie ^oefie ber Sftalerei, bei jenen bie 93ialerei ber ^oefie
mit (Erläuterungen unb 23eifpielen aushelfen fönne.
Sa§ erfte mar ber Siebljaber; ba§ jroeite ber ^3.t)tfofc»pt); baö
britte ber Äunftridjter.
$ene beiben tonnten nidjt teidjt, meber non iljrem ©efüljt,
20 nod) oon iijren ©djlüffen, einen unrechten ©ebraud) madjen. $in=
gegen bei ben Semerfungen beS ^unftridjterö beruhet ba§ meifte
in ber 9Udjttgfeit ber 3(nmenbung auf ben einseht %aü; unb
eä märe ein 2Sunber, ba eö gegen einen fdjarfftnnigen $unftrid)ter
funfjig rotzige gegeben l)at, roenn biefe 2(nmenbung jebergeit mit
25 aller ber Vorfielt märe gemadjt morben, metdje bie SSage ^mifdien
beiben fünften gtetet) erhalten mujj.
10. absieben, roofür nrir gemöfintiü") abftra^ieren lagen. — 24. roi^ige, b. i. gcift=
reiche, wie aud) ,,2Bi$" int cor. Sa^rf». im Sinne con (Seift, Gfprit, gebrannt roirb.
1*
4 ffaokoon.
gallo 2fpelies unb ^rotogenee, in iljren nerlornen ©djriften
oon ber Maleret, bie Regeln berfelben burd; bie bereits feftgefefcten
Siegeln ber ^oefie bcfttitiget unb erläutert b,aben, fo barf man
fidjerlid) glauben, bajj es mit ber $)iäf$igung unb öenauigfeit roirb
gef d;eb,en fein, mit roeld;er mir nod) i£t ben 2friftote(eö, Cicero, 5
£oraj, Quintilian, in iljren 2öerfen, bie ©runbfäfce unb Erfahrungen
ber ÜDialerei auf bie SBerebfatnfeit unb 2)id)tfunft anmenben fernen.
Gs ift baö 23orredjt ber 2llten, feiner (Bad)? roeber gu »iel, nod;
gu rcenig 511 tl)im.
2lber mir 9ieuem Ijaben in niedrem ©tüd'en geglaubt, uns 10
roeit über fie meg 511 feijen, menn mir itjre f leinen Suftroege in
Sanbftraften nerroanbelten ; füllten and) bie fürgern unb fidjrern
Sanbftrafsen barüber 511 ^>faben eingeben, mie fie burcfj Söilbniffe
führen.
Sie blenbenbc 2tntitb,efe bes griedjifdjen Voltaire, bafj bie 15
9Jialerei eine ftumme ^oefie, unb bie ^oefie eine rebenbe 9Jialerei
fei, ftanb rool)l in feinem Seljrbudje. Gö mar ein Ginfall, rote
Simonibeö mehrere Ijatte; beffen magrer Steil fo einleudjtenb ift,
bafj man bas Unbeftimmte unb galfdje, roeldjeö er mit ficf) führet,
überfefjen gu muffen glaubt. 20
©leidjrooljl überfaljen es bie SCtten nidjt. Sonbern inbem fie
ben 2luöfprud) bes Simonibes auf bie SBirfung ber beiben fünfte
einfdjränften, nergafjen fie nidjt eingufd)ärfen, bafj, ol)ngeadjtet ber
nollfornmcnen 2"(lmlid;feit biefer äÖirfung, fie bennod), forooljl in
ben ©egenftänben als in ber 2(rt iljrer 9iad;ab,mung ('TXy xal 25
xQonoig f.ii(ii}6s(og), verfdjieben roären.
33öttig aber, alö ob fidj gar feine foldje $erfd)iebenl)eit fänbe,
Ijaben niele ber neueften Äunftridjter aus1 jener Übereinftimmung
ber Malerei unb ^ocfie bie frubeften Singe non ber SQSeXt gefdjloffen.
$klb groingeu fie bie ^oefie in bie engern Sdjranfen ber 9Jialerei; 30
balb laffen fie bie 3)ialerei bie gange roeite ©ptjäre ber ^oefie
1. Sie SDlaler Stpellce unb $rotogenc§ finb ^eitgenoffcn; beibe lebten in bei-
zeiten £älfte be3 4. %al)vl). o. CFn\ älpetteä tjatte mehrere Söüdjer über bie £t;eorie ber
3J!alerei gefdjrieben, ^rotogcneS über SKalerei unb .ftompofition. Stuf bie Siegeln ber ipoefie
I;oben fie fduuerlid) Söejug genommen. — 5 f. Sic bcsüglidjen Stellen finb uornelimlid) :
Aristoteles Poet. 1,4; 2, 1 u. f.; Cicero Brut. 18, 70; Orat. 2, 5 unb 8; de orat.
11,16,70; III, 7, 26; Quintilian. Inst. orat. II, 13, 8 ; V, 12, 21; XII, 10; Horat. Ep'ist.
:nl Pisonea cm mehreren Stellen. — 18. Stmonibeö non .Reo* (559 — 469 o. Gfjr.), ein
bebeutenber griedufdjer Siebter, beffen I; i o v angeführter Sluäfprucb, bei I'lutarch. de slor.
Athen. S, p. S4ßM ftefjt. 3Jlit Soltaire ift er »ergleidjbnr wegen feiner ©dmrfc, feiner
SBielfeitigteit, j. X. aud; feinem uidjt fcfjr licbcn3nmrbigeu (if)arafter nad). — 29. frube=
ftcu, eigcntlid) rof;eften, nia)t gargefodjtcn, b. I;. obcrflädjltcftften, nid;t begrünbeten.
öorrebc. 5
füllten. 2llle3 roa§ ber einen 9tedjt ift, foll and) ber anbem r>er=
gönnt fein; affeä roaö in ber einen gefällt ober mißfällt, fotl not=
roenbig aud; in ber anbem gefallen ober mißfallen; unb nolt uon
biefer ^bee, fpredjen fie in bem juuerfidjtlidjften £one bie feidjteften
5 Urteile, mcnn fie, in ben Sßerfen beö £)id)ter§ nnb 3ftater3 über
einerlei SSottüürf, bie barin bemerften 2(broeitfntngen uon einanber
5« A-et)(ern matten, bie fie bem einen ober bem anbem, nad) bem
fie entraeber meljr ©efdjmad an ber ©idjtfunft ober an ber -Utalerei
fjaben, gnr Saft legen.
io $a biefe 2lfterf'ritif r)at gum £eil bie SSirtuofen felbft r>er=
führet, ©ie Ijat in ber ^oefie bie <2d)ilberungsfud)t, nnb in ber
-Oiaferet bie 2IIlegorifterei erzeuget; inbem man jene 51t einem
rebenben ©emalbe madjen motten, oljne eigentlich 5a miffen, roa§
fie malen fönne unb fotte, unb biefe ju einem ftummen ©ebidjte,
15 oljne überlegt 51t l)aben, in roeldjem SKafse fie attgemeine begriffe
au§brüden fönne, oljne fid) oon itjrer SBeftimmung 511 entfernen,
unb §u einer raillfürlidjen Schriftart 51t werben.
tiefem falfdjen ©efdjmade, unb jenen ungegrünbeten Urteilen
entgegen ju arbeiten, ift bie üorneljmfte 2(bfid)t folgenber 2luffätje.
20 ©ie finb jufältiger SBSeife entftanben, unb mein" nad; ber $olge
meiner Seftüre, al3 burd) bie metljobifcbe Gntmidelung allgemeiner
©runbfötje angeroadjfen. 6§ finb alfo meljr unorbentlidje Gollectanea
ju einem 23ud)e, al3 ein S3ud;.
£>odj fcr)meicr)le idt) mir, bafj fie audj alö foldje nid;t ganj
25 ju nerad)ten fein roerben. 2ln fyftematifdjen $3üdjern Ijaben mir
Seutfdjen überhaupt feinen fanget. 2(uö ein ^>aar angenommenen
SBorterflärungen in ber fdjönften Drbnung alles, ma§ mir nur
roolten, herzuleiten, barauf oerfteljen mir un§, tro^ einer Nation
in ber Söelt.
30 33aumgarten befannte, einen großen *£eil ber SBeifpiele in
feiner 2(ftf)etif, ©efnerS Sßörterbudje fdntlbig 51t fein. 2öenn mein
4. feiefit oft en; in ber .ftbfdir. urfprünglid) „elenbeften". — 12. SUIegortfterei,
b. f). nid)t bie Slnroenburtg ber SUlegorie an fid), fonbern ben übertriebenen ©ebraud) ber=
ielbcn. — IG. augbrüden; in ber §bfd)r. anfänglid) „erregen". — 17. einer mill*
für liefen Schriftart, einer fötalen, beren 3e'*e« röa)t natürlia), fonbern nnllfiirlid)
finb, b. i). nad) ber 2BiIIfür beö gnbiuibuums etroa* ^Beliebiges äejeidmen f Annen, niefit
(roie bie Sdjriftjeitfien) ettoaS SBeftimmtes beseidmen muffen. — 30. SB au mg arten
(1714—1762), ^rofeffor ber spbilofopljie in granffurt a.D., SBegrünbcr ber Siftöeti! als
einer felbftänbigen p&ilofoplufdjen StSjiplin; aud; baS SBort Sft^etH i>at er perft in biefem
(Sinne gebraiutt. — 31. ©efncrS SBörterbud) ift bie 1747 erfdjienene flaffifdje (Sttcg*
tlopäbie »cm 3ol). SDcatt). ©e§ner, 5prof. in ©öttingen.
6 Cuflkoon I.
Sfarifomtement nicf;t fo bünbtg ift als baö 33aumgartenftf;e, fo werben
bod; meine 33cifpie(e me(;r nad; ber Duette fdjmeden.
©a id; von bem Saofoon gleidjfam ausfegte, unb mefjrmalen
auf ifm gurüdfomme, fo l)afa id) tfjtn aud; einen Stntetl an ber
2(uffd;rift (äffen motten. 2(nbere Keine 2(us>fd;roeifungen über ner= 5
fd;iebene fünfte ber alten $unftgefd;id;te, tragen roeniger gu meiner
2lbfid;t bei, unb fie fte(;en nur ba, mei( id; ifjnen niemals einen
beffern tylafy gu geben (»offen (ann.
%lod) erinnere id;, bafj id; unter bem tarnen ber Malerei,
bie btfbenben fünfte überhaupt begreife; fo roie id; nidjt bafür 10
ftel;e, bafj id; nid;t unter bem tarnen ber Sßoefte aud; auf bie
übrigen fünfte, beren 9tad;a(;mung fortfdroeitenb ift, einige dlüd-
fidjt ne(;men Dürfte.
©a§ alfgemeine r>orgüglid;e £enngeid;en ber gried;ifd;en 93teifter= 15
ftüde in ber 9)ia(erei unb SBilbljauerfunft, fetjet £err 9Binfe(mann
in eine ebe(e ßinfatt unb ftitte ©rö^e, foroor;! in ber ©tettung aU
im 2lu§brude. „©0 roie bie ^iefe bes 9Jieere§/' fagt er,1) „al(e=
Seit rul;ig bleibt, bie Oberfläche mag aud; nod; fo roüten, eben fo
geiget ber 2(usbrud in ben Figuren ber öriedjen bei alkn Seiben= 20
fd;aften eine grofje unb gefegte ©ee(e."
„©iefe Seele fd;i(bert fid; in bem ©eftdite beö 2ao(oon3, unb
nid;t in bem ©efid;te aKein, bei bem (;eftigften Seiben. ©er ©djmerg,
roe(d;er fid; in allen ÜDtuSfelu unb ©el;nen be§ Körpers entbedet,
unb ben man gang allein, o(me baö ©efidjt unb anbere £ei(e gu 25
betrad;ten, an bem fd;mcrglid; eingesogenen Unterleibe beinahe fe(bft
51t empfinben glaubt; biefer ©dmierg, fage id), äußert fid; bennod;
mit (einer 3ßut in bem ©efidjte unb in ber gangen ©teflung.
ßr er(;ebt fein fd;red(id;eQ 0efd;rei, roie 3>irgi( non feinem Saofoon
finget; bie Öffnung be§ 3Jhtnbe§ geftattet eö nict)t; e3 ift uie(mef;r 30
ein ängftlid;cö unb beftemmtei Seufzen, roie e§ ©abolet bcfd;reibet.
©er ©djmerg beö Äörpcrö unb bie ©röfle ber ©ee(e finb burd;
J) SSon ber 9{ad)al)mung ber gricd;ii"cr)en SBerfe in ber SJJalcrei unb Süilbljauerfunft.
<3. 21. 22.
1. bünbig; in ber ftbfdjr. urfprünglid) „grünbüd;". — 12. ßünfteta, nämlid) üTtufit
unb Drd)eftif (Janjfunft), von benen ^effing freüid; erft in ber gortfe^ung be>3 Saofoon
eingefyenber fpredien wollte. — 31. Jlä^ereä hierüber f. Slbfd;n. VI.
Cnohoou I. 7
ben ganzen 23au ber £yigur mit gleicher (Starte ausgeredet, unb
gleidjfam abgeroogen. Saofoon leibet, aber er leibet roie beS (Sopljof leS
sJ>t)iIoftet: fein (Stenb gel)et uns bis an bie (Seele; aber mir roünfd)=
ten, mie biefer grofje ÜRann baS ©lenb ertragen ju tonnen."
5 „©er 2IuSbrud einer fo großen <oeele gefyt raeit über bie
Söilbung ber frönen 9?atur. 2>er Äünftler mufjie bie (Starte beS
©eifteS in fidr) felbft füllen, meiere er feinem Marmor einprägte,
©riedjentanb fjatte Äünftler nnb Söeltroeife in einer ^erfon, unb
mer)r als einen DJietrobor. 2)ie 2öeisb,eit reichte ber $unft bie
10 £>anb, unb blies ben Figuren berfelben met)r als gemeine (Seelen
ein u. f. tu."
3)ie Sßemerfung, meldte r)ier jum ©runbe liegt, bafj ber
(Sdnnerj fid) in bem ©efidjte beS Saofoon mit berjenigen 2But
nietjt jeige, meldte man bei ber £>eftigfeit beSfelben »ermuten fotfte,
15 ift »otlfommen richtig. 2lud) baS ift unftreitig, bafj eben l)ierin,
roo ein -!palbfenner ben ^ünftler unter ber 9iatur geblieben §u fein,
baS roatyre ^atljetifdje beS SdjmerjeS nidjt erreicht ju l)aben, urteilen
bürfte; bafj, fage id), eben l)ierin bie 2ßeiSb,eit beSfelben gan^
befonberS i)er»orleud)tet.
20 9^ur in bem ©runbe, roetdjen |>err üffiinfetmann biefer 2$eiS=
fjett giebt, in ber 2llfgemeinb,eit ber 9tegel, bie er auS biefem ©runbe
tjerleitet, roage idt) eS, anberer Meinung gu fein.
£$d) befenne, bafj ber mifsbilligenbe (Seitenblid, raetdjen er
auf ben 23irgit roirft, mid; juerft ftufeig gemad;t Ijat; unb näd)ft=
25 bem bie 23ergletd)ung mit bem ^tjiloftet. SSon t)ier will tdt) auS=
get)en, unb meine ©ebanfen in eben ber Drbnung nieberf ^reiben,
in melier fie ftdt) bei mir entraidelt.
„Saofoon leibet, mie beS (SoplrofteS $l)itoftet" 2öie leibet
biefer? @S ift fonberbar, baft fein Seiben fo »erfdjiebene (Einbrüde
30 bei uns jurüdgelaffen. — Sie klagen, baS ©efd)rei, bie rauben
23erraünfd)ungen, mit roeld)en fein Schmers baS Sager erfüllte, unb
alle Dpfer, alle tjeilige ^anblungen ftörte, erfdrallen ntcr)t minber
fdjredlid; burd) baS öbe Gitanb, unb fie roaren eS, bie üjn bafyin
»erbannten. Söeldje :£öne beS Unmuts, beS Jammers, ^r 9Jer=
35 jroeiflung, »on welchen audj ber 2)id)ter in ber 9tad)al)mung baS
9. SDJetrobor, 5JJ&ilofop£j au3 bem 2. 3aE)r£). o. G£)r., ber jugleicf) ein getiefter
3Jialer mar. — 12—15. 2>a§ wirb Ijeute aUerbingS nicfjt allgemein anertaunt, ba manche
Äunftgeleijrte annehmen, Saofoon febreie mit aller äBut bes ©#nterje§. 2>af3 iebod? nur
ein Seufjen bargeftellt fei, fyat §enfe au3 anatomifrfien ©rünben nacfjgeiuiefen.
8 tfaokoon I.
%tyattx burd)tjatten tief;. — 9Äan fyat ben britten Slufjug biefeä
©tüd§ ungleich fürjer, at§ bie übrigen gefunben. £>ierau§ ficf)t
man, fagen bie ^unftridjter/) baf$ eS ben Sitten um bie gteidje
Sänge ber Stuf^üge roenig 31t ttmn geroefen. £a§ glaube id) aud);
aber id) mottle midj beöfat(§ lieber auf ein anber ©jempet grünben, 5
al§ auf biefeS. £)ie jammerootten Stuörufungen, bag 3Binfetn, bie
abgebrodjenen «, ä, cpev, axcarai, a> jiiot, [toil bie galten 3«len
»otter nana, nana, ou§ roefdjen biefer Stuf^ug beftetjet, unb bie
mit ganj anbern Segnungen unb 2lbfetmngen bettamieret merben
mußten, at§ bei einer sufammenljangenben 3^ebe nötig finb, Ijaben 10
in ber 23orftettung biefcn Stufjug ofyne 3roeifet jiemtid) eben fo
lange bauern laffen, atö bie anbern. @r fdjeinet bem Sefer roeit
f ür^er auf bem Rapiere, at§ er ben 3ut)örern rairb trorgefommen fein.
Schreien ift ber natürlidje 2tu§brud beö förperlidjen ©dimerjeg.
Römers nermunbete Krieger falten nidjt fetten mit ©efdjrei 31t 33oben. 15
S)ie geriete Pernio fdjreiet taut;3) nidjt um fie burd) biefes ©efdjret
at§ bie roeid)lid)e ©örtin ber SBotfuft 511 fd)übern, metmeljr um ber
teibenben 9catur itjr 9?ed)t 31t geben. 'Senn fetbft ber etjerne sDiar§,
at§ er bie San3e be3 iDiomebeä fügtet, fdjreiet fo gräf^id), a(g
fdjrieen ^efnt taufenb roütenbe Krieger jugleid), baf? beibe §eere 20
fid) entfetten.4)
©0 roeit aud) ferner fonft feine Reiben über bie menfd)tid)e
9iatur ergebt, fo treu bleiben fie itjr bod) ftetö, roenn e§ auf ba§
©efütjl ber ©djnterjen unb 33eteibigungen, roenn e§ auf bie 2tuf3erung
biefeS ©efüfylö burd) <2djreien, ober burd) Jfyrtinen, ober burd) 25
©djeltroorte anfömmt. 9iad) it)ren £t)aten finb ei ©efd)öpfe t)öt)erer
2trt; nad) it)ren Gmpfinbungen roat)re sDienfd)en.
$d) roeifs es>, roir feinern (Europäer einer ftügem 9?ad)roett,
roiffen über unfern -Dhmb unb über unfere Stugen beffer 3U t)errfd)en.
£>öftid)feit unb Stnftanb verbieten ©efdjrei unb SCIjränen. 2)ie tf)ätige 30
Sapferfeit bcö erften raupen SSeltalters fyat fid) bei un§ in eine
teibenbe nerroanbett. £>od) fetbft unfere Urelteru roaren in biefer
größer, als in jener. 2(ber unfere Urelteru roaren Sarbaren. 2llte
2) Brumoy Theät. des Grecs T. IL p. 89.
3) Iliad. K. v. 343. i\ 6k /aiyu iayovaa — 35
') Iliad. E. v. 859.
1. burdjf) alten, in ber !gbfd)r. urfprünglid) „ertönen". — 15. 9iid)t ganj richtig;
vielmehr finb bie JyäUe, wo ncrnwnbetc firieger freien, im 23erl)ältni$ 511 ber Qat)l
oon iefiroeren kämpfen unb Sericunbiingen, »on benen Ajorner erjäf)lt, ganj oeveinjelt.
gäußger ift Senden ober illagen.
Caohoon I. 9
©dnnerjen oerbeifsen, bem Streiche beS Xobe3 mit unuerroanbtem
2(uge entgegen fefyen, unter ben Siffen bei* Gattern ladjenb ftevben,
roeber feine ©ünbe nodj ben SScrluft feines Uebften $reunbc3 be=
meinen, jinb 3üge beö alten norbifd-en ^elbenmutö. 5) ^Salrtatbfo
5 gab feinen 3>omöburgern baö ©efefc, nidjtS 511 fürdjten, unb ba§
Sßort #urctjt aud; nidjt einmal ju nennen.
9ftd)t fo ber ©riedje! ßr füllte unb furdjte fidj; er äußerte
feine ©duneren unb feinen Kummer; er fd;ämte fid) feiner ber
menfdjlidjen ©djmadjljeiten; feine mufjte il)n aber auf bem äßege
10 nad) ®l)re, unb uon Erfüllung feiner $flid)t gurütf galten. 2öa§
bei bem Sarbaren au§ SBilbfjeit unb Serfjärtung entfprang, ba§
roirften bei ifmt ©runbfä^e. Sei i§m mar ber -öeroismuS mie
bie verborgenen ^unfen im liefet, bie ruljig fdjlafen, fo lange
feine äußere ©eroalt fie roeefet, unb bem ©teine roeber feine ^iav-
15 (jeit nodj feine teilte nehmen. Sei bem Sarbaren roar ber §eroi3=
mu§ eine I)ette freffenbe flamme, bie immer tobte, unb jebe anbere
gute Gigenfcfjaft in ifjm uerjefjrte, roenigftenö fduüärjte. — Uöenn
Öomer bie Trojaner mit roilbem ©efdjrei, bie ©rieben hingegen
in entfdjlofmer ©tttfe 3111- ©djtad-t führet, fo merfen bie Sfusfeger
20 fef)r roof)I an, baf} ber Siebter fyierburdj jene als Sarbaren, biefe
afä gefittete Sölfer fdjilbern rootten. sDiidj rounbert, bafj fie an
einer anbern ©teile eine äljnlidje djarafteriftifdje ßntgegenfetjung
nid)t bemerfet fjaben.6) 3)ie feinblicfjen ^eere fyaben einen üffiaffem
ftilfeftanb getroffen; fie ftnb mit Serbrennung ifyrer ^Toten be=
25 fdjäftiget, roeldjeö auf beiben teilen nicfjt olme Ijeifje 33jränen
abgebet; ödxQva Q-bq^u xeovrsg. 2lber ^riamu.3 oer bietet feinen
Trojanern 51t meinen; ovo' .ei'a xXaisiv TlQia^og fisyag. @r
»erbietet ifmen 31t roeinen, fagt bie ^acier, roeif er beforgt, fie
motten fidf) gu fefjr erroeidjen, unb morgen mit weniger 3)tut an
30 ben ©treit ge|en. 2Sof;t; bodj frage idj: rcarum mufj nur ^riamuö
s) Th. Bartholinus de causis contemptae a Danis adhuc gentilibus mortis,
cap. I.
•) Iliad. II. v. 421.
4. Sßatnatoto, bänifdjer Seefjelb aus bem 10. Sa^rfj'/ ©rünber ber ©eeräuberftabt
gomsburg an ber Oftfee. Unter ben sabjreidjcn Sagen, bie fid) an feine Werfern tnüpfen,
ift bie eine, roctdjc mit ber ©age uom JeUSfdmf; übereinftimmt, befonberä intereffant. —
7. furdjte; biefe früher ganj gebräudjiirfje gorm für „fürd)tete" finbet fid} bei Seffing nod)
mehrfach. — 17 — 21. Seljr fraglidi, ba aud) bie ©riedien bei ferner oft mit ftarfem Öefdjrei
in bie ©d)tad)t rüden. — 28. Slnna Sacier (1654 — 172U), eine geletjrte granjöfin, roela)e
neben anbern pf)üoIogifd)en arbeiten (namentlich, 2tu§gaben unb Überfc^ungen) eine Über*
fe(;ung be* ,'öomer unb Unterfudiungen über feine biditerifdjc S3ebeutung uerfafjt tjat.
10 ffookoon I.
btefeö fceforgeri? ÜSarum erteilet nidjt aud) Agamemnon feinen
©riedjen bas nümüdje SSerBot? S)er Sinn bes 2)icr)ter§ gefyt
tiefer. Gr miß uns teuren, bafj nur ber gefittete ©riedje gugleid)
weinen unb tapfer fein fönne; inbem ber ungefittete Trojaner,
um c3 gu fein, alle 9)ienfdjlid;feit uorfyer erftiefen muffe. Nefiea- 5
a&fiai ye pzv ovdsv xlcdsiv, tiifjt er an einem anbern Drte7)
ben nerftänbigen Solrn be§ roeifen 9ieftor§ fagen.
@3 ift merfroürbtg, baf$ unter ben roenigen Srauerfpielen,
bie au§ bem SHtertume auf un§ gekommen finb, fid) juiei Stücfe
finben, in raeldjen ber förperlidje Sdjmerj nicr)t ber fleinfte £eit 10
be§ ilnglücfö ift, ba§ ben leibenben gelben trifft. 2(uf;er bem
^fjitoftet, ber fterbenbe -£erfute§. Unb aud) biefen läfjt Sopfjofleo
Hagen, minfeln, meinen unb fdjreien. San! fei unfern artigen
9iad)oarn, biefen -üfteiftern beö Slnftänbigen, bafj nunmehr ein
minfelnber ^rjitoftet, ein fdjreienber ^erfules, bie Iad)erlid)ften 15
unerträglidjften s}>erfonen auf ber 33itf)ne fein mürben. 3raar fyttt
fid) einer iljrcr neueften £)id)ters) an ben ^itoftet geraagt. 216er
burfte er es roagen, ifynen ben magren $t)üoftet ju geigen?
Selbft ein Saofoon finbet fid) unter ben oerlornen Stüden
bes SopljotTes. Sßenn uns bas Sdyidfal bod) aud) biefen Saofoon 20
gegönnet l)ätte! 2(us ben leisten Ermahnungen, bie feiner einige
alte ©rammatifer tljun, Iäf,t fid) nidjt fd)(ie|en, tote ber 2>id)ter
biefen Stoff befjanbelt Ijabe. So tuet bin id) üerfid)ert, baj$ er
ben Saofoon nid)t ftoifd)er als ben ^fyiloftet unb £erfules, rairb
gefd)ilbert fyaben. 2ltfes Stoifdje ift untl)eatralif d) ; unb unfer 25
9)iitleiben ift allezeit bem Seiben gteidmmfjig, metdjes ber tntcr=
effierenbe ©egenftanb äufjert. Siefyt man irm fein ßlenb mit
grof$er Seele ertragen, fo mirb biefe gro^e Seele jmar unfere
33euninberung erroeefen, aber bie Skmunberung ift ein fairer 2tffeft,
beffen untätiges Staunen jcbe anbere märmere Seibenfdjaft, fo 30
roie jebe anbere bettttidje Üsorftettung, ausfd)lief}t.
7) Oclyss. J. v. 105.
B) Gl)ataubruu.
12. 3er fterbenbe öerfuteo, ©egenftanb ber (uad) ben ben Gbor bilbenbeu
■grauen benannten) Xragöbie „Sie 2rad)inierinnen" bes Sopfjofleo. — 14. 3er gratis
jofe Sffiatelet, Kerf, eines £er)rgebid)teö über bie ffltalerei (1760), fagt: „SSas oorneljm*
lidt eine ciuilificrte Nation fenn$eidtnet, bat ift jene nü(jlidr)e Sef rtjränrung , n>elcbe bie
SDfenfdjen bem größten Seite ber plötjlidjen unb unüberlegten Gmpfinbungen foiootjt ber
Seele alo bes Äörpers auferlegen." — 17. 3er SP^Uflftet pon Qean öaptifte Gljateau*
brun (1086—1775) roirb im Jlbicbn. IV nül)cr cbarafterifiert. Slnlage iwie Gt)arafter bes
gan$ oon ©oplpfles fid) entfernenben 3ramas finb burdjaus perfekt, unb mit pollem
;iied)te nennt i'effing eS eine „^-arobie". — 26. gleichmäßig, b. I). entfprecfjenb, gemäft;
bie \ib]'d)r. batte anfänglich „proportioniert".
Caokoon II. 1 1
Unb nunmehr fomme idj gu meiner Folgerung. ÜJBenn e£
roafyr \% bafj baö Sdjreien bei (Smpfinbung förperltdjen Sdjmergeö,
befonberS nad) ber alten gried)ifd)en ©enfungäart, gar rooljl mit
einer großen Seele beftefyen fann: fo fann ber 2lnsbrucE einer
t> foldjen Seele bie Urf ad;e ntdjt fein, marum bem olmgeadjtet ber
Münftler in feinem 93iarmor biefeS Sdjreien nidjt nadjalnncn motten;
fonbem e§ tnu| einen anbern ©runb fyaben, marum er l)ier von
feinem 9iebenbub,fer, bem 2)idjter, abgebet, ber biefe§ ©efdjrei mit
beftem ä>orfat$e auöbrüdet.
10 II.
@ö fei %ahtl ober ©efd)id)te, bafj bie Siebe ben erften
33erfud) in ben bilbcnben fünften gemacht Ijahe: fo üiel ift geroifs,
bajs fie ben großen alten sDieiftem bie §anb §u führen nidjt mübe
geraorben. 2)enn roirb i£t bie 9Jtalerei überhaupt al§ bie Hunft,
15 meldje Körper auf ^läd^en nadjafymet, in il)rem gangen Umfange
betrieben: fo fyatte ber meife ©riecr)e ib,r roeit engere ©rengen
gefetjet, unb fie Hofs auf bie 9?ad)af)mung fdjöner Körper ein=
gefdjrünfet. Sein Künftler fdjilberte nidjtö at§ ba§ Sdjöne; felbft
ba§ gemeine Sdjönc, ba§ Sdjöne niebrer ©attungen, mar nur fein
20 gufättiger 2>orrourf, feine Übung, feine ©rlrohmg. 2)ie 33oEf=
fommenfjeit be§ ©egenftanbeä fe(6ft nutzte in feinem 3Serfe ent-
güden; er mar gu grofj, r>on feinen ^Betrachtern gu »erlangen, bafj
fie fidt) mit bem bloßen falten Vergnügen, roeldjeg au§ ber ge=
troffenen 2(Imlid)feit, auö ber Grroägung feiner ©efdndlidjfeit ent=
25 fpringet, begnügen foftten; an feiner Kunft mar ilnn nidjtö lieber,
bünfte iljm nid)t§ ebler, al§ ber ©nbgroed ber Kunft.
„üöer roirb bidj malen rootten, ba bid) niemanb fet)en roift,"
fagt ein alter ©pigrammatift ') über einen Ijödjft ungehaltenen
3)ienfd)en. 9Jknd;er neuere Künftler roürbe fagen: „Sei fo un--
30 ') 2tntioa)u§. (Antholog. lib. II. cap. 4.) §arbuin übet' ben Spliniu-3 (lib. 35
sect. 36. p. m. 698.) legt biefeS Epigramm einem s$ifo bei. @§ finbet ficfi ober unter
allen griedjifdjen ©pigrammatiftcn feiner biefeS Stamenä.
8 f. mit beftem SBorfatje; in ber .slibfdjr. anfänglid) „mit Vorteil". — 11 f. SHacb
einer f)übfd)en Sage märe ba3 erfte ^orträt baburd; entftanbcn, bafj bie Jodjter eines
forintfjifdjen 3: opfere, 9Jamen3 SutabeS au$ Sifuon, bei ber 21breife iljreo ©eliebten einen
Sdjattenrifj fcineä Sßrofüä beim 6d)ein ber £ampe an ber SBanb natjm unb ber 23ater
biefen Umrifj bann mit %i)on belegte unb 51t einem Stetiefbilb aufarbeitete. 2tuf ät)nlid)e
SBeife rcufjte man pon ber Grfinbung ber SJialerei ju ersten , unb ber betannte 2lrd)itef t
Sd)infel tjat bie3 in einem anmutigen Öemälbe bargeftellt. — 30. Qean §arbouin,
ein gelehrter Sefuit (UI76— 172$), bat eine 2Iu>3gabe beo s}>liniu3 oerfafjt, bie ju Seffingö
3eit bie befte mar.
1 2 £aohoon II.
gefialten rote mögti($; id) will bid) bodj malen. -JJlag bid) fdjon
nicmanb gern fernen : fo foll man bod) mein ©emälbe gern ferjen;
nidjt infofern e§ bidj norftettt, fonbern infofern c§ ein 33eroei3
meiner ^unft tft, bie ein foldjeö ©djeufat fo (umlief) nad^ubilben
roetjj." 5
yVreilirf) ift ber §artg gu biefer üppigen $rar)Icret mit leibigen
©efdjid'tidjteiten, bie burd) ben 3öert iljrer ©egenftänbe nidjt geabelt
werben, git natürlich als baf? nidjt audj bie ©riechen iljren ^aufon,
i()ren ^preicuö foltten gehabt Ijaben. Sie Ratten fie; aber fie
liefen tfjnen ftrenge ©eredjtigfeit nriberfaljren. ^aufon, ber fidj io
nod) unter bem Sdjönen ber gemeinen 9?atur Ijielt, beffen niebriger
©efdjmad ba§ ^el)terl)afte unb öäfjlidje an ber menfdjlidjen 23ilbung
am liebften außbrüdte,2) lebte in ber oeräd)tIid;ften 2lrmut.b) Unb
vl>tneicu3, ber 23arbierftuben, fdjtnutjige 2Serfftätte, ©fei unb $üd)en=
trauter, mit allem bem $Ieif$e eine§ 9tteberlänbifd)en S!ünftler§ 15
-) jungen Seilten, befiehlt batier 2IriftotcIe«3 , tmifj man feine ©emälbe nid}t jtigen,
um itjre Ginbilbung3fraft, fo t>iet möglid), oon aßen Silbern be§ £äf;lid)en rein j"
halten (Polit. Hb. VIII. cap. 5. p. 526. Edit, Conring.) §err SSoben roill jroar in
biefer Stelle anftatt SJJaufon, ^aufanias gclefen roiffen, roeil oon biefem befannt fei, bafj
er unjüd)tige giguren gemalt tjabe (de limbra poetica Comment. I. p. XIII). 21U> ob 20
man e§ erft oon einem pE)ilofopl;ifcben ©efetygeber lernen müfste, bie Sugenb non ber*
gleidkn Weisungen ber SBolluft su entfernen. Gr hätte bie betannte ©teile in ber ©iebt»
fünft (cap. II.) nur in SBergletcbung sieben bürfen, um feine Vermutung surücfäubcljalten.
Cs giebt Sluslegcr (3. G. ßübn, über ben 2t(ian Var. Hist. lib. IV. cap. 3.), roelcbe
ben llntcrfehieb, ben älriftoteleS bafelbft sroifcben bem ^olngnotuä, Sionnfiuä unb ^aufon 25
angiebt, barin fegen, baf; *n.olngnotu3 ©ötter unb gelben, £ionnfiu§ SNenfcben, unb SJJoufon
Ziere gemalt habe. Sie malten allefamt mcnfcbUdje g-iguren; unb baf; SßaufOM einmal
ein $ferb malte, beroeifet noch nicht, bafi er ein Tiermaler geroefen, roofür iEjn §err
JBoben l)ält. Sljren Diang beftimmteu bie ©rabe be§ Schönen, bie fie ihren menfdjlidien
Figuren gaben, unb SDionnfiuS lonnte nur beobalb nichts al§ 2)lenfdien malen, unb bief; 30
nur barum cor allen anbern ber älntbropograpt) , roctl er ber Jiatur 3U ftlaoifcb folgte,
unb fiel) nicht bt§ jum Jbeal erbeben tonnte, unter roelcbem ©ötter unb gelben ;u malen,
ein DieligionSnerbrecben geroefen roäre.
-1) Aristophanes Plut. v. 602. et Acharnens. v. 854.
4. nadjjii Buben; £bfd)r. urfprünglicb „barsuftellen". — 10. ©er DJJaler 5)}aufon
lebte in ber jweiten gälfie be§ 5. ^abrb. 0. Gbr. ; non feinem fieben roiffen mir aber nicht Diel
me|r, als baf; er arm mar, roaS au3 ben oben citierten ©teilen be§ Slriftop^ane'3 l)eroorgel)t.
Über ihn unb sroei feiner 3eitgcnoffen fällt ülriftotcleS , Poet. 2, bas in ber Slnmerfung bc=
rührte Urteil, baf; Raufen bie 2Nenfd)en niebriger, $olt)gnot ebler, 2)ionnfio§ ber SBirflichteit
entipredjcnb gemalt habe, ©s ift roobl mbglidi, baf; iiaufon u. a. auch Saritaturen gemalt
hat; mir roiffen auö alten fdjroarjftgurigen Safengemälben , baf; folebe bereits auf einer
frühen Stufe ber 2)!alerei norfamen. ©aS einjige feiner Silber, beffen Sujet roir fennen,
mar ein fief» roälsenbcS ^ferb, roeldjeS fo gemalt roar, baf; roenn man bie obere Seite nad)
unten tehrte, bao ^ferb su laufen fdnen, alfo nur ein fleineä malerifcheS Äunftfiüct. —
1;'. Gin Dealer s45aufania5 roirb einmal als Tomograph CÄaler unjüditiger Jiguren)
genannt; ba er fonft nirgenbs Dorfotnmt, ift oermutet roorben, baf; er mit bem befannten
liialcr *naufiaä ibcntifdi "fei. — 31. Jlntbropograph, SDienfchenmaler, heißt bei $Rn.
XXXV, 113 ein SDIaler Sionnfiuö, rocldier aber oon Sörunn, ©efeb. b. gried). «ünftter
II, 4ü SJote 1 oon bem anbern, bei Striftoteleä genannten Sionpfiue unterfd)ieben roirb,
ba bei ^lin. XXXV, 148 ein SDialer glcidjen 3!amcn§ auö ber 3eit be§ Sarro (1. Sahrh.
n. Hl)x.) oorfommt.
ffaokoon II. 13
malte, al3 ob bergleidjen Singe in ber 9?atur fo uiel $Reij Ratten,
unb fo feiten ju erblid'en mären, befam ben 3u^amen bes 9tt)i)=
parograpljen,4) be§ ^otmalcrö; obgleid) ber rootfüfrtge ^Tteidfje feine
äßerfe mit ©olb aufwog, nm ifjrer Siidjtigfeit audjj burdj biefen
5 etngebilbeten 2Bert 31t §itfe gu fommen.
Sie Dbrigfeit felbft Ijielt e3 iljrer 2lufmerffamfeit nidjt für
unmürbig, ben $ünftler mit ©emalt in feiner raafyren Sphäre
§u erhalten. SaS ©efetj ber !£l)ebaner, roeldjeS iljm bie Wad)--
aljmung ins Sdjönere befahl, unb bie Stadjalwtung ins feäfe
10 liiere bei Strafe «erbot, ift befannt. ©§ mar fein ©efelj rotoer
ben Stümper, mofür es gemeiniglid), unb fetbft nom ^uniuS,5)
gehalten uürb. ߧ uerbammte bie griedjifdjen ©fje^i; ben un=
mürbigen ^unftgriff, bie Sitjnlidjfeit burd; Übertreibung ber
bäßlidjern Seile bes Urbilbeö 511 erreichen; mit einem SBorte,
15 bie Äartfatur.
2(u§ eben bem ©eifte beö Sd)önen mar aud) bas ©efefc ber
^ettanobifen gefloffen. $eber Dlijmpifdje Sieger erhielt eine
Statue; aber nur bem breimaligen Sieger, roarb eine ^lomft|e
gefetjet.0) ©er mittelmäßigen Porträts füllten unter ben Hunft--
20 merfen nidjt §u nie! merben. Senn obfd)on aud; bao Porträt
ein ^beal gutäjjjt, fo muß bodj bie 2llmlid)feit barüber fyerrfdjen;
<) Plinius lib. XXXV. sect. 37. Edit. Hard.
5) De Pictura Vet. lib. II. cap. IV. § 1.
") Plinius lib. XXXIV. sect. 9. Edit. Hard.
2f. Ser betr. Dealer biefj, nad) ber Orthographie ber beffern £ianbfd)riften, 5}5 i r ä t c u >3
unb lebte ocrmutlid) um bie 3cit Äler/mberS b. @r. ober balb nadjljer. Stacb allem, roaS
roir »on iljtn roiffen, malte er ©enrebilber unb ©tillleben; btefe 2lrt 9)!alerei nannten bie
Sllten „Jtljopograpbie", b. i. firammalerei; loenn s}Jiräicu3 nadj *plin. a. a. D- ben S3ei =
namen „SRbtiparograpfi", b. i. ©d)mufcmaler, führte, fo ift bas entroeber ein Qrrtum bc>3
*piiniu^, ober nod) ipabrfdjeinlidier ein Spitjname be§ SKeifterS, ber gerotfj nidit fo mx>
äd)tlidt gemeint mar, loie Veffing annimmt. — 8 ff. ®er ©inn bes ©efeßes fd)etnt ber
geroefen ju fein, bafj bie SBiebergabe ber 3Jatur in realiftifdjer Seife, b. f). mit 3!aa>
alnnung aller tjajjlidjen ^ufälXiiifeiten oerboten mar. 2lbcr e>3 ift fraglid) ob bie ganje
3Jotis über biefee angebluöe @efe$ (bei Aelian. Var. histor. IV, 4) überhaupt Glauben
perbient. — 11. ^-ranctScuS ^uniu§ (158!)— 1677) ift SBerfaffer be§ erften bebeutenben
2Berfe3 über bie Öefd)id)te ber alten SJlalerei (De pictura veterum) unb eine? für bie
bamalige Seit feljr oerbienftpotten ßünftlerfatalogeS. SSeifpiele oou Sftangel an firitil unb
f$flüd)tigfeit giebt Seffing im 2lbfa)n. XXIX; immerhin ift b.a'3 fleißig gearbeitete unb
gelehrte 2Berf aud) beute nod) uid)t olnte Sßert. 3ur 3ei^ *>a Seffing ben i'aotoon 6e=
gann, alfo uor ©rfdjeinen uon 2Bincfelmann§ 5Utnftgefd)id)tc, mar ti ba§ einsige ard)äo=
logtfetje .vianbbud) con 33ebeutuug. — 12. ^ierleone (S Ij e 3 3 1 (1674 — 1755), ein ge*
fd)idtcr ASarifaturmaler, uamentlid) audi auf bem ©ebiet be>3 fartfierenben Sjlorträtä.
— 17. Jgellanobifen, bie Äampfridjter in ben olpmpifdjen Spielen. — IS. itontfa),
b. i). «on ^orträtäl)itlid)feit; nad) einer anbern ürflärung, bie aber roenig für fid) fyat,
bebeutet e§ „in Seben«gröf;e". — in f. SDa? mar aber fdjroerlid) ber ©ruttb bes ®efe|eS ;
»ielmebr galt bie 3Bei|ung einer f-orträtftatue für eine gröfjere ßljre, als bie Slufftellung
eine? 2ltf)letenbilbC'3 oime inbioibuelle 3«9e/ öa§ metyr 3itr Erinnerung an ben ©ieg, all
an ben Sieger biente.
1 4 fiaokoon II.
e§ ift bas ^beal eines getötffett -äJfcenfdfjett, nidjt baS $>beal eine§
9ftenfcr)en überhaupt.
3Bir lachen, roenn rair Ijören, baft bei ben Sttten audj bie
fünfte bürgerlichen ©efe§en unterworfen geraefen. Slber wir
fyabm nid)t immer 9ied)t, mnn mir lachen. Unftreitig muffen 5
fid) bie ©efetje über bie Söiffenfdjaften feine ©eraalt anmaßen;
benn ber ©nbjraecf ber üßiffenfdjaften ift 2Sal)rl)eit. 2öaf)rt)eit ift
ber Seele notraenbig; unb e§ roirb Ü£t)rannei, ir)r in Sefriebigung
btefeS tuefentticr)en SebürfntffeS ben geringften ,3raang anjuttjun.
SDer ßnbsmecf ber fünfte hingegen ift Vergnügen ; unb ba§ 10
Vergnügen ift entbehrlich. 2(lfo barf e§ allerbingS non bem ©&=
fetjgeber abfangen, raeldje SCrt non Vergnügen, unb in roeldjem
"Diafje er jebe Slrt beSfelben uerftatten roitt.
2)ie bilbenben fünfte inSbefonbere, aujjer bem unfehlbaren
Ginfluffe, ben fie auf ben Gfyarafter ber Nation Ijaben, finb einer 15
•EMrfung fäbjg, reelle bie nähere 2luffidt)t beS ©efetieS lt)eifdt)et.
Geengten fcr)cne Stenfc^en fcfjöne Silbfäulen, fo ratrften biefe Ijtrte
raieberum auf jene gurücf, unb ber ©taat l)atte frönen Silbfäulen
fdjöne 5Renfd)en mit §u nerbanfen. Sei uns fdjeinet ftdt) bie garte
©inbilbungöfraft ber -Oiütter nur in Ungeheuern ju äußern. 20
2luS biefem ©efidjtSpunlte glaube id) in geroiffen alten @r=
geklungen, bie man gerabeju als Sügen nerrairft, etroaS maljreS
ju erblicfen. ®en SRüttern beS 2triftomeneS, beS 2(riftobamaS,
2tIe£anberS beS ©rofjen, beS Scipio, beS SluguftuS, beS ©aleriuS
träumte in ifyrer <2d)roangerfcf)aft allen, als ob fie mit einer 25
Schlange ju trjun rjätten. 2)ie ©erlange mar ein 3eid)en oer
©ottljeit,') unb bie frönen SilbJättlen unb ©emälbe eines Sac=
djuS, eines Apollo, eines sDierfuriuS, eines .'perfuIeS, raaren feiten
oljne eine ©erlange. Sie eljrlidjen SSeiber b/ttten beS £ageS
7) SDlan irret fid), n>emi man bie Sdjtange nur für ba>3 lennjeidjen einer mebiäimfdicn 30
©ottf;eit t)ält, wie Spence, Polymetis p. 132. Suftinus 2)iarti;r (Apolog. II. pag. 55.
Edit. Sylburg.) fagt ausbrüdlidj: nanlt navxi xü>v vo/utLOfAivwv nafS v/ulr &sfih!,
oqyi? avftfiohn' f-iiya y.al /.ivartjtjtov ävayQacpeTai; unb e§ roäre teidjt, eine Steige oon
5Wonumeutcu anzuführen, wo bie ©djlangc Qottfjeiten begleitet, rceldje nidjt bie geringfte
^Cäietjung auf bie ÖJefunb!;eit Ijaben. 35
10. go lehrte bie Söaumgartenfdje iJ'tfttjeti!. — 23. 2triftomene3 ift ber §elb beS
weiten meffenifdicn Krieges (7. SaEjrlj. r>. CSfjr.). SDer 9!ame 2lriftobamaö aber ift
ein grrtum r>on JBeffing; gemeint ift bie Sifqcmierin Slriftobama (Slriftobeme), bie 5Wutter
beS befannten g-elbtjerm ütratuo. — 24. ©aleriu?, römifa)er Äaifer 305—311 n. Gbr.
— 27 ff. Sod) ift bie Sdilauge bei Statuen beö ^ermeö unb be§ §eraHeö ein burdjauS
ungeroöl)nlid>c3 Attribut; bei erfterem fomrat fie nur am £ero(b§fia6, bei le^teretn in
iöejie^ung auf fein Slbentcucr mit ben äipfein ber £>efperiben vov. — 30—35. »Weift be=
beutet ba3 Attribut ber Solange bie I)immlifd)c (autod)tbonifd)e) £rb= unb geugungstraft,
fonft aud) bie &abi ber SBeiSfagung, bie §eittrdft u. a. m.
Caokoon II. 15
ifyre 3lugen an bem ©orte gemeibet, unb ber oerrairrenbe Sraum
erraedte ba3 33ilb be§ SCiereö. <So rette idj ben £raum, unb
gebe bie Auslegung s}>reiS, tr>elcr)e ber ©tolg tt)rer <Söfme unb bie
Unuerfdjämttjeit be£ ©d)meid)ler§ bar>on machten, ©enn eine Hr=
5 fad^e mufjte e§ u>ol)l fabelt, warum bie etjebrecr)erifd)e ^itjantafte
nur immer eine ©djlange mar.
£)od) ict) gerate au§ meinem ÜEßege. ^d) roollte blofj feft=
fetjen, bafj bei ben Sitten bie ©d)önf)eit ba§ E)ödt)fte ©efetj ber
btlbenben fünfte gcroefen fei.
10 Unb biefeS feftgefetjt, folget notraenbig, baf? alles anbere,
roorauf fidj bie bilbenben fünfte sugleid) mit erftretfen tonnen,
roenn e§ fidj mit ber <2ct)önljeit nidjt oerträgt, it)r gänglid) meinen,
unb roenn eS fidj mit ii)r »erträgt, i|r roenigftenS untergeordnet
fein muffen.
15 %<£> null bei bem 3lu§brude ftetjen bleiben. G§ giebt 2eiben=
fdjafteu unb Grabe t»on Seibenfdjaften, bie fidj in bem ©efidjte
burdj bie l)äf3lid)ften 3>erjerrungen äußern, unb ben gangen Körper
in fo gewattfame Stellungen fernen, baf? alle bie fdjönen Sinien,
bie it)n in einem rut)igern ©tanbe umfd)reiben, nerloren gelten.
20 tiefer enthielten fidj alfo bie alten ^ünftlcr entmeber gang unb
gar, ober festen fie auf geringere ©rabe herunter, in roeldjen fie
eine§ SOia^eö oon ©djönt)eit fällig finb.
3ßut unb SSergtoeiflung fdjänbete feines r>on ifjren 2Berfen.
%d) barf behaupten, ba£ fie nie eine gitrie gebilbet t)aben.s)
25 8) SDJütt geb> alle bie Äunftroerfe burdj, beren 5}!limu§ unb SpaufaniaS unb anbere
gebenfen; man überfeb,e bie norf) i|t nortjanbcnen alten Statuen, 33a3relief3, (Semälbe;
unb man ittirb nirgcnbS eine gurie finben. ga) neljme bie aHünjen au?*, beren J-iguren
aber nidjt jur $unft, fonbern jur S3ilberfprad)e gehören, gnbeS tjätte ©pence, ba
er girrien Ijaben mufjte, fie bod) lieber Don ben äüünjen erborgen fallen (Seguini Numis.
30 p. 178. Spannern, de Praest. Numism. Dissert. XIII. p. G39. Les Cesars de Julien,
par Spanhem p. 48), al§ baf; er fie burd; einen reinigen Ginfall in ein SBer! bringen
5 f. Scnc träume moditen audj bamit jufammenbängen, bafj Schlangen allein, oljne
(Sattheiten, feljr Ijäufig in ben Käufern, namentlid; am £crbe, al3 ©dmfcgötter angemalt
maren. 2>ie ©djlange war eben fefyr oft nidjt blofi baS Slttribut einer ©ottrjeit, fonbern
bie ©Ortzeit felbft erfdjien unter bem Silbe ber ©anlange. — 20 ff. Siefer ©a§ gilt nidjt
fo allgemein non ber antifen Äunft überhaupt, fonbern nur uon ber beS fog. tjoljen ober
erhabenen ©tit§ (^E)ibia3. ^olnflet). Sie ßunft 'bes SiabodjenjeitalterS ftellt alle ©rabe
ber Seibenfdjaften, felbft bi§ 511 t)äfjlid)en akrjerrungen , bar. — 24. SJläfjereä barüber
f. Slbfctjn. IX. — 27 f. ©0 lautet fieffingä in bie erfte Stuflage übergegangene fiorreftur;
bie urfprünglidje 2e§art ber £bfdir. , bie in bie siueite Sluflage übergegangen unb von
Sadjmann aufgenommen morbeu ift, Reifst: „Qd) nelime biejcnigen giguren a'u§, bie mein-
jur Silbcrfpradie alö jur fiunft geljören, bergleidjen bie auf ben sHlünsen uorueljmlid)
finb." — 28. ©. über ©pence unb bcffen ^olt)tneti'3 2lbfdni. VII. — 29f. SDie Figuren ber
l)ier angeführten 3)!ünjen finb aud; feine gurien, fonbern Sarftellungen ber breigcftaltigen
^efate.
16 ffaokoon II.
3orn festen fie auf ©ruft Ijerab. Sei bem £id)ter roar e§
ber jornige Jupiter, raeldjer ben 23ttß fdjleuberte; bei bem ^ünftler
nur ber ernftc.
Jammer warb in ^Betrübnis gemilbert. Unb reo biefe 9Jiilbe=
rung nidjt ftattfinben fonnte, roo ber Jammer ebenfo oerlteinernb 5
aU entfteflenb getuefen wäre, — roa§ tt)at ba £imantf)c§?
roiH, in roeldjem fie ganj geroij? nid)t finb. er fagt in feinem <pol«metiS (Dial. XVI.
p. 272): „Dbfdjon bie gurien in ben 2Berfen ber alten flünftler etroaS fehr fetteneS finb,
fo finbet fid) bod) eine <3efd)id)te, in ber fie burcfigängig »on tbnen angebracht roerben.
3d) meine ben £ob beS Üfteleager, als in bcffen 33orftellung auf '-Basreliefs fie öfters bie 10
2Utl)äa aufmuntern unb antreiben, ben unglüdlidjcn 33ranb, non roelcbem baS £eben
ifjreS einigen ©obneS abging, bem geucr ju übergeben. Senn aud) ein 2Beib mürbe in
ilirer 5iad)e fo roeit nidjt gegangen fein, ijätte ber SEeufel nidjt ein roenig jugefdmret.
Qn einem non biefen S3aSreliefS, bei bem 93elIori (in ben Admiraudis) fiet)t man äroel
SBeibcr, bie mit ber Slltbäa am 2lltare ftel)en, unb allem Slnfeljen nad) gurien fein follen. 15
Senn roer fonft als gurien t;ätte einer folgen §anblung beiwohnen roollen? Safi fie
für biefen Cfjaratter niefit febreeftidj genug finb, liegt obne ^roeifel an ber 2lb$eid)mmg.
SaS 3J!erfroürbigfte aber auf biefem äBerfe ift bie runbe ©dbeibe, unten gegen bie 2)Htte,
auf n>eld)er fid) offenbar ber itopf einer gurie jeiget. Siclleicfit mar eS bie gurie, an bie
Sütbäa, fo oft fie eine üble Sfjat vornahm, ibr ©ebet richtete, unb »ornebmlid) i|t ju 20
richten, alle llrfacbe fyattt jc." — Surd) fold)c SBenbungeu fann man aus allem alles
madjen. 28er fonft, fragt ©pence, als gurien, l;ätte einer fold)en §anblung bctroof)uen
roollen? 3d) antworte: Sie SMgbe ber 2üthäa, roeld)e baS geuer anäünben unb unter*
ballen mufjten. Dpib fagt (Metamorph. VIII. v. 460. 461.):
Protulit hunc (stipitem) genitrix, taedasque in fragmina poni 25
Imperat, et positis inimicos admovet ignes.
Sergleid)en taedas, lange ©tücfe von ftien, roeldjc bie 2llten ju gadeln brauchten, baben
aud) roirflid) beibe ^erfonen in ben £iänben, unb bie eine b,at eben ein fold)eS ©tücE jer=
broeben, nrie if)re Stellung anjeigt. Stuf ber ©d)eibe, gegen bie ÜKitte beS SBerfeS, er=
lenne id) bie gurie cbenfo roenig. ES ift ein Öeficbt, roeldjeS einen heftigen ©d)mers aus» 30
brücft. Dl>ne 3roeifet foll es ber Äopf beS 3Keleager3 felbft fein (Metamorph. 1. c. v. 515.).
Inscius atque absens flamma Meleagros in illa
Uritur: et caecis torreri viscera sentit
Ignibus: et magnos superat virtute dolores.
SDer Üünftler brauste um gleidjfam 511m Übergange in ben folgenben 3e*tpunft ber 35
nämltd)cn ©cfd)id)te, roelcber ben fterbenben SKeleager gleid) barneben 3Ctgt. 2BaS
©pence 311 gurien madjt, tjält SDJontfaucon für ^arjen (Antiq. expl. T. I. p. 162.),
ben £opf auf ber ©cbeibe ausgenommen, ben er gleichfalls für eine gurie auSgiebt.
Söellori felbft (Admirand. Tab. 77.) Iäfit es unentfd)ieben , ob e§ ^arjen ober gurten
finb. ©in Dbcr, i»eld)eS genugfam jetget, bafj fie roeber baS eine nod) baS anbere finb. 40
Sind) SDlontfaucouS übrige SluSlegung follte genauer fein. Sie SBeibSperfon, roeldje neben
bem »ette fid) auf ben ellebogen ftütiet, Ijätte er Jtaffanbra unb niefit ültalanta nennen
f ollen. Sltalanta ift bie, roelcfie, mit bem Siücten gegen baS Seite gefettet, in einer
traurigen Stellung fi|ct. S)er fiünftler bat fie mit oielem SJerftanbe »on ber gamilie
abgemenbet, »eil fie nur bie ©eliebte, nid)t bie ©emaf)lin beS SieleagerS mar, unb ttjve 45
SJetrübniS über ein Unglücf, baS fie felbft unfd)ulbigenueife ocranlaffet fiatte, bie 2lnuer=
rcanbten erbittern mufjte.
5. pcrJleinernb; bie $*>fd)r. urfprünglicf) „unsiemlid)". — 6. Simon tl;eS, ein
bebeutenber gried)ifdier «Kaler (auS ©ifnon), um 420—380 lebeub, malte bie Opferung ber
3pl)igenie, wobei Mgamcmnon mit verhülltem ©eficljt bargeftellt mar. ein pompejamfcbeS
©emälbe, baS bie Opferung ber Splngenie barftellt unb fonft non bem Silbe beS £imantt)eS
abmcid)t, bat ben glcidicn gug. — 22 ff. ijier ift ©pence gegen Seffing im 9ied)t: bie grauen«
geftalien mit ben gacteln auf bem betr. Basrelief (baS in mehreren eremplaren uortommt)
finb in ber Xbat gurien ober erinnen; aUerbingS nidjt in abfdjredenber SBUbung. — 29ff.
SDic S * c i b e mit bem ftopf ift roeiter lüdnc, a!9 ber mit einem .Hopf 1 beä ßelioä 0 aß emblem
perfebene ©diilb beS 9J(eleager. — 37. 2J!outfaucon, gelehrter Senebiftiner (1655—1741),
äScrf. eines umfangreid)eu ardiiiologifd)=antitiuarifd)cn Silberroerlei „L'antiquit* expliquee"
in 15 Söänben. — 42. Siidit Jtaffanbra, fonbem illeopatra bief^ in ber Sage bie red)t=
ffaokoou II. 17
©ein ©emälbe von ber Dpfrung ber ^pt)tgenia, in roetdjem er
alten ttmfteljenben ben iljnen eigentümlich jufommenbcn ©rab
ber £raurigfeit erteilte, ba§ ©efidjt beö "-ßaters aber, roeldjieä
ben atter()öd)ften Ijätte jeigen folten, uerfyültete, ift bet'annt, unb
5 eS jtnb nie! artige ©inge barüber gefagt warben, ßr r)attc fidt;,
fegt oiefer, 9) in ben traurigen Sßljnftögnomieen fo erfdjüpft,
baf? er bem üßater eine nod) traurigere geben §u tonnen uer=
groeifelte. Gr befannte baburd), fagt jener,111) baf; ber Sc§merg
eines Katers bei bergteidjen Vorfällen über alten 2tu§brucf [ei.
10 ^ d) für mein Seit fefye t)ier roeber bie Unoermögenfjeit bes
iUinfttero, nodj bie Unuermögentjeit ber $unft. -fifät bem örabe
be§ xHffettö uerftürfen ftdj audj bie it)in entfpredjenben 3üge bes
©eftdjts; ber fjödjfte Grab Ijat bie at(erentfd)iebenften $üge, unb
ntdt)t§ ift ber .Hunft leidjter, als btefe aus^ubrüden. 2(ber %\-
X5 mantljes fannte bie ©renken, n^tdje bie ©rajien feiner $unft
fefcen. @r raupte, bafj ftd) ber Jammer, roetdjer bem 2tgamem=
non ats Söäter gufam, bitrd; ^erjerrungen äußert, bie allezeit
lyäfiiid) finb. So roeit ftdj (3d)önf)eit unb SBürbe mit bem 2tu3-
brud'e uerbinben tief}, fo roeit trieb er tfm. 2).tä .§äJ3lidje märe
20 er gern übergangen, t)ätte er gern getinbert; aber ba tt)m feine
^ompofition betoes nidjt ertaubte, ums btieb if)m anbers übrig,
atö es ju nerf)ülten'^ — 2öas er nidt)t malen burfte, tief* er er=
raten. $ur$, biefe Vermittlung ift ein Dpfer, bas ber ^ünftter
ber 3d;önf)eit bradjte. ote ift ein Veifpiet, nidjt rote man ben
25 ^lusbrud: über Die 3d)ranten ber $unft treiben, fonbem, mte man
tt)n bem erften ©efe|e ber $unft, bem ©efeije ber ©djönfjeit, unter?
roerfen foll.
Unb biefeö nun auf ben Saofoon angeroenbet, fo ift bie Ur=
fadje ftar, bie id) fud)e. :;T>er sDieifter arbeitete auf bie t)öd)fte
30 ?) Plinius Hb. XXXV. sect. 36. Cum moestos pinxisset omnes, praeeipue
patruum, et tristitiae omnern irnaginem consurnpsisset, patris ipsius vultum velavit,
quem digne nou paterat osteniere.
,0) Summi moeroris acerbitateni arte exprimi non posse confessus est. Valeriua
M;iximus lib. VIII. cap. 11.
mäßige ©emafjlin be§ ineleager. ©onft ift bie Seutung ber beiben grauengeftalten bie
richtige.
23 f. Sas ift bur<i)aui fraglid). Sßertjüttung bes ©eftdjteö beim geiftigeit wie beim törpers
lidien Bcfjmerj (aud) beim (Sterben) ift ein im SUtertum burd)au§ oerbreiteter Sraud).
datier läßt aua) gurtpibeä in ber „SpEfigertia in 2Iutt3" SB. 1546 t>tn Agamemnon im
gleidien Mugenblicfe fid) üerfjüllen unb fein .'öaupt roegroenbett (xäprtahv atniipa; y.aoa
ÖCtXOUCL Tto'jryir, OflftätOHV ItiftAov flooJü.').
vefiiugÄ i«erfe 0 2
18 tfaohoon n
©d§ön^eit/ unter ben angenommenen ilmftänbcn beö förperlidjen
©cfymergeS. tiefer, in aller feiner entftellenben £eftigfeii, mar
mit jener nidjt ju oerbinben. ßr mujjie iljn alfo Ijerabfet^en; er
mujjte Schreien in ©eitlen milbern; nidjt meil baö ©freien eine
unebte Seele nerrät, fonbern, meil e§ baö ©efidjt auf eine efel= &
bafte üE&etfe uerftellet. SDenn man reifte bem Saofoon nur in @e=
taufen beu 9Jhtnb auf, unb urteile. Warn (äffe itm fetteten,
unb fefje. @ö mar eine Sötlbung, bie -XRitleib einflößte, meil fie
Sdjönljeit unb Sdjmer^ jugleidj jeigte; nun ift e§ eine f)ä^tidt)er
eine abfdjeutidje 33ilbung geworben, non ber man gern fein ©e= 10
ficfjt nermenbet, meil ber Stnblirf' beö Sdjmer^eö Ilnluft erregt,
oljne baf; bie Sdjönljeit beö leibenben ©egenftanbeö biefe Ilnluft
in ba§ füfje ©efüljl beö 93iitleibö uermanbeln fann.
Sie blofje roeite Öffnung beö 5)hmbeö, — bei «Seite gefegt,
mic gemaltfam unb efel aud) bie übrigen £eile beö ©efidjtö ba= 15
burd) cirgerret unb uerfdjoben roerben, — ift in ber -Dialerei ein
A-Ierf unb in ber 33ilbl)auerei eine Vertiefung, roeldje bie roibrigfte
SSirfung non ber 2Mt tt)ut. gOiontfaueon beroieö roenig ©e=
fdmad, al§ er einen alten bärtigen $opf, mit aufgeriffenem
jBhmbe, für einen Craf'el erteilenben Jupiter ausgab.1') Wn\§ 20
ein @ott fdjreien, mann er bie ^uhtnft eröffnet? SBürbe ein ge=
fälliger Umrifj beö SDhmbeö feine SRebe uerbädjtig madjen? ^h\d)
c\Umbe idj es bem Valeriuö nidjt, bafs 2tjar. in bem nur gebadjten
©emälbe beö Jimantljeö foltte gefetnieen Ijaben.1-) Seit fdjled)tcre
äReifter aus ben &\tin ber fdjon verfallenen Munft, laffen audj 25
nidjt einmal bie milbeften Barbaren, raenn fie unter bem Sdnrerte
") Antiquit. expl. T. I. p. 50.
'-) ßr giebt nämlirf) bie »on bem 2imantf)e§ initflid) auSgebrücften ©rabc ber
Jraurigfeit fo an: Calchantem tristem, moestimi riyssem, clamantem Ajaceui,
lamentantern Menelaum. — 2er Sdjreier Sljaj müßte eine fafslidje %\QUt geroefen fein; 30
unb ba roeber Cicero nod) Quintilian in ihren Skfrfjreibungen biefeS ©emälbeä feiner ge=
beuten, fo werbe idj il)n um fo nicl eijer für einen 3lll'a? falten bürfen, mit bem eä
J'alcriuä quo feinem ftoofe bereichern roolfen.
(I. »erftellen, in älterer Jfletcioeife faufig für „entflclfen". — 11. uerroenbet, für
fortroenbet, abrcenbet; Ijeut ungcmölmlid). — 14 ff. 2od> nidjt überall, roenn es nur nidjt
in übertriebener SCcifc gefd)ief)t. ÜJian erinnere fidi an bcn Äcpf beo rufenben Üljar (ober
SRenelaul), beffen 3J)unb fefa roeit geöffnet ift. — v.>. £er Betreffenbe flopf ift eine tro*
gifdje SDJaSfe. — 23. Sßaleriuö äKajrimuS, beffen Slotij über ba^ Öcmälbe beö SimantbeS
oben citiert ift. 2>od) braudjt mit clamare fein eigentlid)cö SAreien gemeint gti fein,
man tonnte aud; an ein ;1iufen (erroa j« ben ©öttern gcnmnbt) benten. 3lUerbing-ö ift
SaleriuS SWasinniS in Jhmftfadien feine »erläftlidic Duelle. — nur gebad)ten, b. t.
foeben erroäljnten. „3!ur" für „foeben" ift im cor. 3af)rl). fel)r gcmöfnilidi; „gebarfit"
tommt nidit ron „tenfen", fonbern non „gebenfen", b. b. ermäfjnen. S?gl. Slbfdm. III gu
2lufang.
Coohcon III. 19
be§ ©iegerä ©greifen unb !£obe§ang,ft ergreift, ben SJhtnb bis!
$um ©freien öffnen.13)
Cj§ ift gctoijS/ bafj biefe §eroßfc|ung be3 äufjerften förper=
Itct)en ©djutergeä auf einen ntcbrigern örab uon ©efürjl an niedrem
5 alten Äunfiroerfen ftdjtbar gewefen. 2)er leibenbe £>erMeö in bem
vergifteten ©emanbe, von ber £>anb eineö alten unbekannten sD£ei=
fters, mar nidjt ber Sop(jofkifd)e, ber fo gra^tidf» fdjrie, bajj bie
Sotrifdtjen Reifen unb bie Guböifdjen Vorgebirge baoon ertönten.
ßr mar mefyr finfter al§ roilb. 14) £>er ^üoftet beö $ntr;agora3
10 2eontinu§ fdjien bem SSetro^ter feinen ©djmerg mitzuteilen, raeld)e
3ßtrfuug ber geringfte gräjjltdje $ug uerlunbert ()ätte. 9Jian bürfte
fragen, roorjer id) raiffe, baf? biefer ÜReifter eine Silbfäule be§
$f)iioftet gemalt fjabe? %x% einer Stelle be§ ^tiniuS, bie meine
Verbefferung nirfjt erwartet rjaben fotfte, fo offenbar oerfälftfjt ober
i5 nerftümmelt ift fie. 15)
III.
316er, nüe fdjon gebaut, bie Äunft ijat in ben neuern Reiten
ungleich weitere ©rengen erhalten. ^t)re 9iad)armtung, fagt man,
erftrecfe fitf) auf bie gan?;e fidjtbare SRatur, non melier ba§ ©d)öne
20 nur ein fleiner Jeil ift. SK>ar)rr)eit unb 2titöbrucf fei ir)r erftes
©efefc; unb rote bie Status felbft bie ©djönfjeit rjöfjern 2lbfid)ten
jeber^eit aufopfere, fo muffe fie audj ber ^ünftler feiner allgemeinen
13) Bellorii Adiniranda. Tab. 11. 12.
") Plinius lib. XXXIV. sect. 19.
25 ls) Eundem, nämlid) ben 3JJt)ro, liefet man bei bem Sßliniu3 (libr. XXXIV. sect.
19.). vicit et Pythagoras Leontinus, qui fecit stadiodromon Astylon, qui Olympiae
ostenditur : et Libyn puerum tenentem tabulam, eodem loco, et mala ferentem
nudum. Syracusis autem claudicantern : cujus hulceris dolorem sentire etiam
spectantes videntur. 3Ban ertpäge bie legten SBorte ettoaS genauer. SSBirb nid)t barin
30 offenbar tion einer ^erfon gefprod)eu, bie roegen eines fd)mersfiaften ©efd)roüre§ überall
befannt ift? Cujus hulceris u. f. ro. Unb biefes cujus follte auf bas blofse claudi-
cantem, unb ba§ claudicantem »ielleicfjt auf ba§ nod) entferntere puerum gelten? 3Jie=
manb tjatte meljr Sftedit, roegen eineä foldjen ©efd)n)üre§ befannter 511 fein al§ 5jßl)tloftet.
^cfi lefe alfo anftatt claudicantem, Philoctetem, ober tjalte roenigftenS bafür, bafj ba3
35 Untere burd) bas erftere gleid)lautenbe 2Bort oerbrungen roorben, unb man beibe§ yiu
fammen Philoctetem, claudicantem lefen muffe. Sopfjofles" läfst itm atipov xar'
uväyxav h'yneiv, unb es mufjte ein §infen »erurfadjen, bap er auf ben franfen fyufj
weniger E)erä&,aft auftreten tonnte.
2. Sie betreffenben JHetiefs, auf bie Seffing anfpielt, ftellen kämpfe mit Saciern oor;
fie ftammen aus ber 3eit beä Itajan, bcfinben ftd) aber am Sogen bes Bonftantin in
Som. — 9. Sft au'5 bem äBortlaut bei ^lin. a. a. D. nidjt mit ©idjerljeit 511 erfennen.
— 9 ff. ©er Öilbljauer 5pntl)agoras flammte aus Sljegion in Unteritalien unb mar
um 480 d. Gljr. tbätig (ber Seiname x'eontinus berufit auf falfd)er Scsart bei piniu^).
SeffingS in ber 3lote mitgeteilte Vermutung l)at allgemeine Silligung gefunben, nur bafj
man ben Sert bes ^liniuS unoeränbert läfjt unb annimmt, bie Statue be§ 'l'liilottet fei
unter ber 'Seieicfiming „ber §intenbe" im 2Utertum befannt geroefen.
2*
20 ffaokoon III.
öefthnmung unter ortmen unb Ujr nidjt weiter nadjgefjen, als es
9iHiI;rt)eit unb 2tuebrud erlauben, ©enug, bafs burd) 2Saf)rf)eit
unb 2lu§brudE baS $äf$lidjfte ber 9iatur in ein Sdjönes ber $unft
oenoanbett roerbe.
Öefeijt, man wollte biefe ^Begriffe uore erfte unbeftritten in 5
ifyrem äßerte ober Unwerte (äffen: füllten nidjt anbere non ifmen
unabhängige Betrachtungen §u machen fein, warum bem ofjngeadjtet
ber ^ünftler in bem Sluobrude 9JlaJ3 Ijalten, unb ifm nie aus bem
l)öd)ften fünfte ber §anblung nelnnen muffe.
%ä) glaube, ber eingige 2lugenblid, an ben bie materiellen 10
(Sdjranfen ber $unft alle irjre 9iadjal)mungen binben, mirb auf
bergleidjen 33etradjtungen leiten.
$ann ber ^ünftler r-on ber immer oeränberlidjen 9?atur nie
mel)r als einen einzigen 2lugenblid, unb ber üDialer inSbefonbere
biefen einzigen 2Iugenblid audj nur aus einem einigen ©efidjtö= 15
punttc braudjen; finb aber il)re 2Berfe gemalt, nidjt blofs erblidt,
fonbern betrachtet §u werben, lange unb wieberljoltermafsen be=
trad;tet ju werben: fo ift es geroif?, baf$ jener einzige 2(ugenblid'
unb einzige ©eftdjtöpunft biefeö einigen 2Iugenblide3 nicr)t fruct)t=
bar genug gemattet werben fann. ^Dasjenige aber nur allein ift 20
frudjtbar, was ber ©inbilbungsfraft freies Spiel läf$t. $e mel)r
mir feljen, befto meljr muffen mir fyin^u benfen fönnen. ^e meljr
mir baju beuten, befto mef)r muffen mir 31t feljen glauben, $n
bem ganzen Verfolge eines 2lffeft§ ift aber fein 2Iugenblid, ber
biefen Vorteil meniger fyat, als bie l)öd)fte 'Staffel besfetben. Über 25
if)r ift weiter nidjtS, unb bem Sluge bae Slufjerfte geigen, Ijeifjt
ber ^fyantafie bie $lügel binben, unb fie nötigen, ba fie über
ben finnlidjen ßinbrud nidjt Ijinaus fann, fid) unter iljm mit
fdjwädjern Silbern 31t befdjäftigen, über bie fie bie ficfjtbare $ülle
bes 2(u3brud3 als ifjre ©renje fdjeuet. Söenn Saofoon alfo feufget, 30
fo fann ilm bie (Sinbitbungsfraft f freien l)ören; menn er aber
25. <3o richtig an fid) fieffings ^orberung ift, baf? ber uom .ftünftler geraäljlte Moment
mögtid)ft frud)tbar fein folle, fo joenig berechtigt ift es bod>, bie l)öd)fte Staffel eines
i>lfte{tes ausjufdjliefien. Dft geniig freilid) eignet fid) biefelbc aus anbern ©riinben nid)t
jur -ParftcUung; roo aber fonft nidjts bie 2Bnf)l biefcs Momentes Derbietet, mujj es bem
flünftle« überlaffen bleiben, fid) ben ihm geneljmften SDtoment aus ber &anblunfl ober bem
süffelte auäguroaglen. §ier ift es ganä unb gar ba§ Seme unb bie (Srfinbungsgabe »es
ffiunftlerS, meldje in 23etrad)t fommt; burd) fie fann eine Situation, bie an fid) roenig
fruchtbar crfdjetnt, im Ijöcbften (SJrabe bie Sp^antafte auregenb geftaltet roerben. — 29. über
bie Ijeifit fouiel als „über roelcbe (fd)mäd)eren Silber nämlid)) hjnaus"; bie fidjtbarc
ftülle bes Slusbructs l)cifjt bie im Silbe oorliegenoe erfiiUuug ober nollftäubige SBicber*
gäbe bes iHuSbruds.
ffaohoon in. 2 1
fdjreiet, fo fann fic von biefer SSorfteßung roeber eine Stufe Ijöfyer,
nod) eine Stufe tiefer fteigen, o(me itjn in einem leiblichem, folg=
lid) uninterefjantern 3uftanbe ju erblicfen. Sie rjöri ir)n erft
üdjjen, ober fie fierjt ilm fdjon tot.
5 ferner. Grb/ilt biefer einige 2(ugenblid burdj bie Sunft eine
unüeränberlidje üDauer: fo muf} er nid)t§ auobrüd'en, maZ fidj nidjt
anberS als tranfitorifd) beulen läfjt. SCECe ßrfdjeinungen, gu bereit
üEßefen mir e3 nad) unfern Segriffen redjuen, bafj fie r>Iöt$lid)
auSbredjen unb ptöfetid) nerfdjminben, bafj fie baö, raa§ fie finb,
io nur einen 2(ugenblid fein fönnen; ade foldje Grfdjeinungen, fie
mögen angenehm ober fdjredlid) fein, erhalten butdj bie 3>erlänge=
rung ber Äunft ein fo roibematürlicbeS 2lnfer)en, bajj mit jeber
nneberf)o(ten Grblidung ber ßinbrud fdjmädjer roirb, unb un§
cnblid) oor bem gangen ©egenftanbe efelt ober grauet. Sa 9}iettrie,
15 ber fid) als einen jroeiten 3>emofrtt malen unb ftedjen (äffen, ladjt
nur bie erften SO?a(e, bie man ir)n fter)t. 83etrad)tet ir)n öftrer,
unb er roirb au% einem v]][)iIofopi)en ein ©ed; aus feinem Sachen
mirb ein ©rinfen. So aud) mit bem Sdjreien. £er rjeftige
Sdnnerj, roeldjer baS Sdjreien antreffet, läfjt entmeber balb
20 nad), ober ^erftöret baS leibenbe Subjeft. äöann alfo aud) ber
gebulbigfte ftanbljaftefte 9)iann fct)rciet, fo fdjreiet er bod) nid)t
unaöläfslid). Unb nur biefeS fdjeinbare Unablä^lidje in ber mate=
rieften DcadjaJjmung ber ßunft ift eS, roa§ fein Sdjreien 5U roei=
bifcfjem Unvermögen, 51t finbifdjer llnleiblidjfeit madjen mürbe.
2:-» tiefes roenigfienS mufste ber Äünftlcr be§ Saof'oonS oermeiben,
l)ätte fdjon ba§ Sdjreien ber Sdjönljeit nidjt gefdjabet, märe e§
aud) feiner Äunft fdjon erlaubt gemefen, Seiben o()ne Sd)önl)eit
auß^ubrüden.
14. Seffing? SSer&ot be? Dranfitorifdien in ber jlunft ift, roenn,man fid) an feine oben
gegebene Definition i)ätt, üoüftärtbig beredjtigt, ba ©rfdjeinungen, hie ulöjsüd) au?bred)eu
unb nad) faum eine? 21ugcnbütfe? Dauer cbenfo plö^tid) roieber nerfdiroinben, oon ber
Äunft fid) nidit roiebergeben laffen. SBenn er aber int folgenben 2ad)en unb Sdjreien aud) al?
tranfitorifd) bejeidjnet unb beefjnlb ber Jhmft unterfagt, fo geljt er »iet ju roeit unb roirb
burd) 5af)[reid)e ßunfiroerfc aller Reiten roibcrlegt. Diefe ©rroeiterung bc>3 Segriffe? tranfi=
tcrifd) paßt aud) nid)t ju ber uortjer oon itim gegebenen Definition. 31äb,ere§ tjierüber,
foroie über ben frudjtbaren SWontent, in §eft II ber „Saofoon=gtubien" be? Herausgeber?
lAieiburg t. S. 1882). — Sa SJlettrie ift ber befannte franäöfifd)c 5f-t)ilofop^ unb 3J!a=
terialift (1707—1751). (Sein Iad)enbe? Silbniö, rabiert non ©. g. edjnübt, finbet man
aud) in bem Essai but La Mettrie, pai >'. Quepat, ^ari§ 1873. SDemofrit? 2e£)re, baf5
man nad) einer mögüdjft gieiefimä^igen, unbemegten 2Ee[tauffaffung unb Stimmung ju
fireben habe, fanb fpäter barin ben nidjt gans entfnred)enben 2luc<brucf, ba^ man ib,n als
ben „ladienben *pt)i(ofopb,en" bejcidinete. — IC. öftrer, ^ortn mit boruelter Steigerung,
roie „bie ättrern", „bie neurern" u. bg(.; bei Seffing pufig.
22 ffiaokoon III.
Unter ben alten 9Jtalern fdjeinet Ximomadnis Vorroürfe bee
äufcerften Slffeftö am liebften geroäblet gu tjaben. Sein rafenber
2(jaE, feine ^tnbermörberin 9)iebea, roaren berühmte ©emälbe.
216er anö ben 23efd;reibungen, bie roir r>on iljnen Ijaben, ert)etfet,
baj? er jenen ^unft, in roeldjem ber 23etrad)ter bag 3(ufjer[te nid^t 5
foroor^t erblidt, als Ijingu benft, jene Grfdjeinung, mit ber mir ben
^Begriff bes Sranfttortfdjen nicrjt fo notroenbig r>erbinben, baf? uns
bie Verlängerung berfelben in ber Äunft mißfallen follte, vov-
trefflid) nerftanben unb mit einanber 51t uerbinben geroufst I)at.
5Die 9)cebea blatte er nidjt in bem Stugenblide genommen, in meinem 10
fie üjre Äinber roiri'lid; ermorbet; fonbern einige 2lugenblitfe 311=
oor, ba bie mütterliche Siebe nodj mit ber Giferfudjt fämpfet.
SBir fetjen baS @nbe biefeS $ampfeö uorauö. SSir gittern oorauö,
nun balb blof; bie graufame sDtebea §u erbliden, unb unfere @in=
bilbungöfraft gel)et roeit über alles l)inroeg, roa§ uns ber -äftaler 15
in biefem fd)recllid)en Slugenblid'e geigen fönnte. 2lber ehm barum
beteiliget unö bie in ber $unft fortbauernbe UnentfdjIoffenl)eit
ber 50iebea fo wenig, baf? mir ütclmeln* roünfdjen, es märe in ber
Statur felbft babei geblieben, ber (Streit ber Seibenfdjaften l)ätte
fid; nie entfd)ieben, ober blatte roenigftenö fo lange angehalten, bio 20
3eit unb Überlegung bie 2öut entkräften unb ben mütterlichen
ßmpfinbungen ben ©ieg uerfidjern tonnen. 2lud) l)at bem S£imo=
mad;us biefe feine SBeisljeit grofje unb Ijäufige Sobfprüdje 511=
gebogen, unb ilm roeit über einen anbern unbefannten SJtaler er=
Ijoben, ber unuerftänbig genug geroefen roar, bie 9)tebea in ir>rer 25
l)öd)ften SRaferei gu geigen, unb fo biefem flüchtig überljingeljenben
dkabe ber äufserften Smferei eine 3)auer 311 geben, bie alle Statur
empöret, ©er ^Didjter,1) ber tljn beöfallö tabelt, fagt baljer feljr
finnreid), inbem er baö 33ilb felbft anrebet: „Surfteft bu benn
beftänbig nad) bem Glitte beiner $inber? $ft beim immer ein 30
neuer $afon, immer eine neue Äreufa ba, bie bid; unauftjörlid)
') Philippus (Anthol. lib. IV. cap. 9. ep. 10.)
Aiti yaii öupäg ßtjtcpetov (pivor. jj ttg 'lijaiov
Jsvtiooi, i) D.avy.i] ti; rtä'/.i ooi nnoipaai;;
"hön? xcel iv xtjgtö 7taiöoy.töve — 35
1. 2tmomod)ii'j au* Snjan} lebte nad) ben 9Iad)rid)ten beo SpiiniuS 5ur 3"' bei
Gafar, ift aber !üal)iia)ein[id) f*°" früher anjufe|en. 2tuf feine 5D!ebea [deinen Derfdjicbene
noa) erhaltene alte Äunftroerfe '(namenttidi SBanbgemälbe) juriWjuge^ett , in beneit Webta
im 2tngenbttci »ov ber ©rmorbung ityrer flinber, mit fid; fämpfenb, bargefteÄt ift. —
31. fireufa ober ©laute, bie Sraut bei Safon, toeldie ooti ÜKebea am3 Eiferfudjt uer=
giftet luirb.
ffaokoou IV. 23
erbittern? — 3um «genier mit bir audt) im ©^mctlöe!" fefct er
notier 3}erbruJ3 Ijtnju.
33on bem rafenben 2(jar be§ XimomadjuS läßt ftdj am ber
9iadjrid)t be3 P)iloftrat3 urteilen.2) 2tjar erfdjien nidjt, roie er
5 unter ben gerben mittet, unb ^Hinber unb 33od"e für s))tenfä;en
fejfelt unb morbet. oonbem ber SDfceifter zeigte Um, roie er nai)
bieten roabnroißtgen .^elbentbaren ermattet bafitjt, unb ben 2tn-
fdjlag f äff et, ftd) felbft umzubringen. Unb oa$ ift roirtTid) ber
rafenbe 3ljar; nidjt roeif er eben itjt rafet, fonbern roeil man
10 ftebet, baß er gerafet Ijat; roeil man bie ©rö^e feiner Siaferet
am lebljafteften aus ber oerzroeiflungSoollen odjam abnimmt, bie
er nun felbft barüber empfinbet. 3Jtan ftefjet ben «Sturm in btn
Krümmern unb Seidjen, bie er an baä Stmb geworfen.
IV.
15 $dj überfelje bie angeführten Urfadjm, roarttm ber SJceifter
be§ Saofoon in bem SXuöbrude be§ förpertidjen odjmer^es sDiaJ5
galten muffen, unb finbe, baß fie allefamt von ber eigenen 33e=
fdjaffenfjeit ber töunft, unb von berfelben notroenbigen ©djranfen
unb 'öebürfniffen hergenommen finb. Sdjroerltd) bürfte ftd; alfo
so rool)l irgenb eine berfelben auf bie Sßoefte anmenben (äffen.
Df)ne f)ier 311 unterfttdjen, rote roeit e3 bem ®id;ter gelingen
fann, förperlidje Sdjönb/it 51t fdjilbern: fo ift fo üiel unftreitig,
baf}, ba ba§ gan^e unermeßltdjc Sfcidj ber SMlfommenljett feiner
9titd)af)mttno( offen fielet, biefe ftdjtbare £>ülte, unter ro:ldjer 23olt=
25 fommenl)eit 51t ©djönljeit roirb, nur eines! oon ben gcringften 9Jfttteln
fein fann, burdj bie er un% für feine ^erfo.nen ju intereffieren
roeiß. Dft üemadjläfftget er btefe§ bittet gänälidj; üerftdjert, baß
roenn fein §elb einmal unfere ©eroogenfyeit geroonnen, un§ beffen
eblere Gigenfdjaften entroeber fo befdjäftigen, baf, mir an bie
30 fürperlidje öeftalt gar nidjt gebenfen, ober, mnn roir baran ge=
beuten, un§ fo beftedjen, baß roir iljm tron felbft roo nidjt eine
fdjöne, bodj eine gletdjgtltige erteilen. 2lm roentgften roirb er bei
-» Vita Apoll, lib. IT. eap. 22.
4 ff. T>er SSöaEtnfirttt be-3 2tjar fclbft mar lfdjon beSroegen nidjt barfteltbar, roeil' bie
(Situation be3 Reiben 5« unroiirbig ift, aU baf5 ein Hünftter ihn barin hätte jeigen tonnen;
auch auf ber Sühne (im £rama bes ©opf)oflc3) roirb fein SBüten unter ben gerben nicht
in äBirtltehfeit uns oorgeführt, mcnn er aud) ?u Slnfang nod) at-5 28abnroi§tger in feiner
ttnterrebung mit 2ttt)cna auftritt. — 21 f. Sögt, hierüber 3(6fd)n. XX.
24 ffaohoon IV.
jebem einzeln Buge, Da* .nid)t auSbrüdtid) für ba§ Gkfidjt be-
ftiminct ift, feine Sftütfftdjt bennod) auf biefen Sinn nehmen bürfen.
fSknn Birgits i'aofoon fdjreiet, mem fällt eS babei ein, bajj ein
großes SOßaul jutn fdjreien nötig ift, unb bafs biefeS grof;e 9Jiau(
()äf?lid) läf$t? <3enug, bafs clamores horrendos ad sidera tollit 5
ein erhabner 3ug für baS ©el)ör ift, mag er bodj für baS ©e=
fidjt fein, roaS er roitt. S£er f)ier ein fdjöneS Stfb »erlangt, auf
ben Ijat ber i£)id)ter feinen gangen Ginbrud nerfer)tt.
9iid)tS nötiget Ijiernädjft ben 2)id)ter, fein ©emä'Ibe in einen
einzigen Shtgenblid ju fongentrieren; Gr nimmt jebe feiner §ahb= 10
hingen, menn er mift, bei ifjrem Urfprunge auf, unb führet fie
burd) alte möglidje 2tbänberungen bis 51t ibrer Gnbfd)aft. ^ebe
biefer 2(bänberungen, bie bem $ünftler ein ganjeS befonbereS <Stüd
foften mürbe, foftet tljm einen einzigen $ug; *mb mürbe biefer
3ug, für fid) betrachtet, bie Ginbilbung beS 3u(jörerS beleibigen, 15
fo mar er entroeber burd) baS SSorljergefyenbe fo norbereitet, ober
mirb burd) bä§ ^olgenbe fo genülbert unb nergütet, bafj er feineu
einzeln Ginbrud" nerlieret, unb in ber üBerbinbung bie trefflidjfte
SBirfung oon ber SBelt tljut. SBäre eS atfo aud) roirflid) einem
Spanne unanftänbig in ber ."oeftigfeit beS ©d)merge§ 511 fdjreien 20
roa§ fann biefe Keine überfyingefjcnbe Unanftänbigfeit bemjenigen
bei uns» für 9?ad)tcil bringen, beffen anbere Satgenben un§ fdmn
für \l)\\ eingenommen fyaben? üßirgil§ Saoroon fd)reiet, aber biefer
fd)reienbe £'aofoon ift eben berjenige, ben mir bereits als ben oor=
fidjtigften Patrioten, als ben märmften 33ater fennen unb lieben. 25
9Sir begießen fein ©d)reien nid)t auf feinen Gfjarafter, fonbern
(ebiglid) auf fein unerträgliches Setben. SiefeS altein I)ören mir
in feinem ©djreien;' unb ber Siebter tonnte eS uns burd) biefeS
©djreien allein finnlid) madjen.'jp
SSer tabelt ifjn alfo nod;? 2Ber mufj nid)t melmefyr befennen: 30
menn ber ^ünftter roofyl tfyat, bajjj er ben Saofoon nid)t fdjreten
lief?, fo ti)at ber £id)tcr ebenfo mofjl, bafj er Ü)n fdjreien ftejj?
216er üBirgil ift I)ier blof} ein ergäljtenber Sidjter. SfiHrb in
feiner Stcdjtferttgung aud) ber bramatifd)e 3Hd)ter mit begriffen
fein? ©inen anbern Ginbrud' madjt bie Grjäljlung von jemanbS 35
@efd)rei; einen anbern biefeS G5efd;rei felbft. 2>aS 3)ratna, meldjeS
1. grofseä ÜJinut, abfidjtlid) gciuä<cr, utteMer Slusbrutf, ber aber i« SeffingS 3evt
immerhin nod) nidjt bie weräcf)tlidf)e sücbentung fjatte, nrie Ijcutjwtage. — 17. »ergütet,
b. i. roieber gut gemndjt, in biefer 21nroenbung feilte ungebräudjlid). — 21. überb,in =
getjenb, nrie oben S. 22 3- 86 für corübergeljenb, tranfitorijd).
£'Qokoo« IV. 25
für bie lebenbige 5)iaterei be§ <2d)aufpielerö beftimmt ift, bürfte
oielleicrjt eben be§röegen fid) an bie ©efe|e ber materiellen SKalerei
ftrenger galten muffen. §n iljm glauben mir nidjt btojs einen
fdmeienben s}>l)iloftet ju fet)en nnb ju tjören; mir rjören unb fcf;en
5 mirflid) fdjreicn. ^e näl)er ber Sdjaufpieler ber üföatut fömmt,
befto cmpfinblidjer muffen unfere 2lugen unb Dtjren beleibiget
rcerben; benn e§ ift unmiberfpred)lid), baf? fie es in ber Sftatur
mcrben, menn mir fo taute unb t)eftige «tujjerungen beS <3d)mcr3e3
oernetmien. 3ubem ift ber förpertidje (Sdjmerj überljaupt beö
30 9)iitteibenö nid^t f ä£>ig , meldjeS anbere Übet crmecfen. Unfere Gim
6übung t'ann ju menig in itpn unterf Reiben, at§ bcrfj bie btofse
G'rblidung beöfelben etmaö mm einem gleidjmäfugen ©efül)l in
uns rjemorjubringen oermödjte. <2opl)of'te3 formte batjer teid)t nicrjt
einen blof; mitlturlidjen, fonbem in bem SEBefcn unferer ©mpftm
15 bungen fetbft gegrünbeten 2lnftanb übertreten tjaben, menn er ben
^>t)iIoftet unb Joerfuleö fo minfetn unb meinen, fo fdjreien unb
brüllen läfjt. Sie Umftefjenbeu tonnen unmögtid) fo nie! Stnieil
au it)rem Seiben nehmen, alö biefe ungemäjngten 2luöbrüd)e 51t
erforbem fdjeinen. Sie raerben uns 3ufct}auem oergteidjungömeife
20 talt oorf'ommen, unb bennod) fönnen mir it)r -Diitteiben nid)t mofjt
anberS, atö mie ba§ DJiaf? be§ unfrigen betradjten. §ier§u füge
man, bcrfj Oer <2d)aufpieler bie 3>orftelIung beS torperlidjen Sdjmerjeö
ftfjroerlid) ober gar nid)t bis ^ur ^ttufion treiben fann: unb raer
mcif?, ob bie neuern bramatifdjen Sidjter nidjt etjer 511 toben, als
25 511 tabetn finb, baf$ fie biefe flippe entmeber gan*; unb gar oer=
mieben, ober bod) nur mit einem leidjten ^alpie umfahren Ijabm.
2ßie mandjeö mürbe in ber 3Tt)eorie unmiberfpred)lict) fcrjeinen,
menn es bem ©enie ntct)t gelungen märe, bao 2Siberfpiel burd)
bie Stjat 511 erroeifen. 2ltle biefe 33etrad)tungen finb ntct)t un=
so gegrünbet, unb bod) bleibet ^jtploftet eine§ oon ben 9Jieifterftüden
ber 23ütme. Senn ein £eil berfetben trifft ben Sopljofteä nid)t
eigenttid), unb nur inbem er fid) über ben anbem %e\l t)inmeg=
ferset, t)at er <2d)önt)eiten erreicht, oon meldjen bem furdjtfamen
ßunftricbter, otme biefe§ 33eifpiel, nie träumen mürbe, ^olgenbe
55 2(nmerfungen merben es näfjer geigen.
1 . 2Öie munberbar l)at ber 2)id)ter bie $>bee be§ f'örpcrtidjen
Sdjmerjee 311 oerftärfen unb ju erroeitern gemußt! G'r mäljlte
12. gleichmäßigen, b. i. ent'pred;ent>cn, roie oBen £. 10 3- 2C.
26 ffaohoon IV.
eine SDBunbe — (benn aud) bie Umftänbe ber ©efd)id)te fann man
Betrachten, als 06 fie oon feiner 2S<rf)I abgegangen hatten, info=
fern er nämlid) bie gan3e ©cfd)id)te, eben biefer il)m oorteilfyaften
Umftänbe roegen, mäfylte) — er roät)lte, fage id), eine 2Sunbe
unb nid)t eine innerliche $ranf()eit; toeil fid) oon jener eine leb= 5
rjaftere üBorftettung machen läjjt, als oon biefer, menn fie aud)
nod) fo fdjmergtidj ift. Sie innere ft)mpatf)etifd)e ©tut, raeldje
ben sDMeager oerjeljrte, als ilpx feine SKutter in bem fatalen
Söranbe il)rer fd)toefierIid)en 9Sut aufopferte, mürbe bal)er weniger
tljeatralifd) fein, als eine SSunbe. Unb biefe 3Sunbe mar ein 10
göttliches Strafgericht. Sin meljr als natürliches ©ift tobte im,
aufl)örlid) barin, unb nur ein ftärterer Unfall oon 3d)mer$en (jatte
feine gefegte $ett, nad) meinem jebeSmal ber Unglüd'lidje in einen
bctäubenben <5d)laf oerfiel, in meldjem fid; feine erfdjöpfte 9tatur
erholen mufste, ben nämlidjen 2Beg beS SeibenS roieber antreten 15
311 tonnen Sljatauorun tä^t il)n bloß oon bem oergifteten Pfeile
eineä Trojaners oenounbet fein. 2BaS fann man fid) oon einem
fo gemölmlidjen Bufaffe aufjerorbentßdjeS oerfpredjen? ^l)m mar
in ben alten Kriegen ein jeber ausgefegt; roie fam es, bafj er
nur bei bem s}>l)iloftet fo fdjrecflidje folgen §atte? ©in natür= 20
lidjeS ©ift, baS neun ganger I^aljre roirfet, ofme ju töten, ift
nod) ba^u meit untoal)rfd)ein(id)er, als alle baS fabelhafte üEBunber-
bare, womit es ber ©riedje auSgerüftet t)at.
2. So grofj unb fdjrecflid) er aber aud) bie förperlid)en
Sdjmerjen feines gelben mad)tc, fo fül)lte er es bod) fcl)r roobl, 25
bafj fie allein nid)t l)inreid)enb mären, einen merflidjen ©rab beS
9JiitleibS 31t erregen. Gr oerbanb fie baljer mit anbem Übeln,
bie gleidjfalfs für fid) betrachtet nidjt befonberS rühren tonnten,
bie aber burd) biefe Skrbinbung einen eben fo melandjolifdjen 2ln=
ftrid) erhielten, als fie ben förderlichen Sdjmersen Ijimoteberum 30
mitteilten. 2)icfe Übel waren , oöllige Beraubung ber menfd)lid)en
8. fatal, nid)t im Sinne oon „toibenoärttg, unangenehm", fonbern gan; eutfpred)enb
bem latein. fatalis „oerfyängnioooU"; toeit ber Sage nad) an jenem §oljfd)ett ba$ Seoen
beS iDteteager ()ing. @3 gab aud) eine £ragöbie 3Meager oon Sopl)ottes>; SopfjofleS fdieint
fid; aber an bie alte l)omerifd)e Raffung ber Sage gehalten ju baben, bie oon bem §oI}<
fdjeit ntdjtS toeifi. — :» f. toürbe bat) er weniger ttjeatralifd) fein, bie J^bfdir. ur=
fprünglid) „ift baber meniger tbeatralifd)". — 16 f. Sie SBunbe beö Sßfiiloftet riitjrt oon
bem SJifj einer Sd)lange, refp. bei Sopijofles oon bem fettigen, baS (Sebiet ber 9h)tnpbe
(Stjrofe auf ber Snfei gteidjes SJamens beroacbenben 2>rad)en fjer. Über bie SJeraulaffung
biefeS SiffeS toirb nirgenbs etioa<3 bemerft. — 24 ff. Sa es, nad) ber befannten Definition
be-3 StriftoteleS, 5u bei 2tufgabe ber Sragbbie gehört, SDiitleib su erregen, nidjt füfjte 33e=
tounberung.
ffaokoon IV. 27
©efettfdjaft, junger unb alle Unbequemlidjfettcn bes £e&en§, melden
man unter einem raupen £tmmel in jener Beraubung auögefe^et
ijt. ') Man benfe fidj einen 9Jienfd;en in biefen Umftänben, man
') 2Benn ber (ffjor baS Gleub bes 5)Jhüoftet in biefer Serbinbung betradjtet, fo fcßeinet
5 ihn bie hilflofe ©tnfamfeit beweiben ganj Befonberä ju rühren. 3n jebem äBorte fyören
roir bett gefelligcu (Stiegen. Über eine oon ben Ijiefjor gehörigen Stellen habe id) inbes
meinen ^roeifel. Sie ift bie: (v. 701—705.)
"Iv autv; i]v TiQuOovooi , oux iyjuv fiäair ,
Ovde Tiv' iy/ÜQCov,
10 Kaxoyeitova itcti>' o> ativuv avtitvnov
BaqvpQtot' artoxkav-
ffsiev aifiCctTiQov.
©ie gemeine Sinshemfche Überfe|ung giebt bicfeS fo:
Ventis expositus et pedibus captus
15 Nulluni cohabitatorem
Nee vicinum ullum saltem malum habens , apud quem gemitum mutuum
Gravemque ac cruentum
Ederet.
4jieroon meidet bie interpolierte Überfe§ung bes 2b. Sohnfon nur in ben SBorten ab:
20 Ubi ipse ventis erat expositus, firmuni gradum non habens,
Nee quenquam indigenarum,
Nee malum vicinum , apud quem ploraret
Vehementer edacem
Sanguineum morbum, mutuo gemitu.
25 HKan fottte glauben, er habe biefe oeränberten SBorte aus ber gebunbeuen Überfegung bes
2bomas 3?aogeorgus entlehnet. Senn biefer (fein 2Berf ift febr feiten, unb gabricius
felbft fjat eä nur aus bem Cporinfdjen 58üd;eroer5eid)niffe gefannt) brücft fid; fo aus:
— ubi expositus fuit
Ventis ipse , gradum firmum haud habens ,
30 Nee quenquam indigenam , nee vel malum
Vicinum , ploraret apud quem
Vehementer edacem atque cruentum
Morbum mutuu.
9Benn biefe Überfe|ungen ihre 9iid)tigfett haben, fo fagt ber ©fror bas Stärffte, roas man
35 nur immer jum Sobe ber menfchlidjeu Öefellfdjaft fagen !ann: 3>er ©lenbe hat feinen
50!enfd)en um fid); er weife oon feinem freunblichen Siachbar; ju gtüotlid), roenn er aud)
nur einen böfen 9iad)bar fjätte! Ihomfon mürbe fobann biefe Stelle oielleicbt cor 3lugen
gehabt haben, roenn er ben gleid)falls in eine roüfte Snfel oon Ööferoidjtern ausgefegten
aKelifanber fagen lä&t:
40 Cast on the wildest of the Cyclad Isles
Where never human foot had marked the shore
These Ruffians left me — yet believe me, Areas ;
Such is the rooted love \ve bear mankind
All ruffians as they were, I never heard
45 A sound so dismal as their parting oars.
2tud) ihm märe bie ©efeüfchaft oon Söferoichtern lieber geioefen, als gar feine. Sin grofjer
oortreffliefier Sinn ! SBenn es nur geroifi märe , bafs Sophof les auch roirf lieh fo etroas ge=
fagt hätte. 2lber id) muf; ungern befennen, bafs ich nidjts bergleicben bei ihm finbe; es
roäre beim, bafe id) lieber mit ben 2lugen bes alten Scholiaftcn, als mit meinen eigenen
50 {eben wollte, roelcher bie SBorte bes Sicbters fo umfebreibt: Od fibvov ünov xadbv oux
26. Qob. 2Ub. gabricius (1668—1736), Herausgeber ber 1705—1718 erfebienenen
Bibliotheca Graeca. — 37. Qames Shomfon (1700—1748), befannter engliieher 35ich=
ter, Söerf. ber „gahresjeiten", eines befdjreibenben ©ebichteS. Sie hier angeführten Sßerfe
ftefjen in feinem Srauerfpiele „Slgamemnon".
28 «aokoon IV.
gebe ifjm aber ©efunbbeit unb Gräfte unb ^nbuftrie, unb es ift
ein 9iobinfon Grufoe, ber auf unfer SRitleib roenig 2lnfprud; mad)t,
ob un§ gleid) fein Sdjitffal fonft gar nidjt gleidjgiltig ift. Senn
nur finb feiten mit ber menfdjlidjen ©efellfdjaft fo aufrieben, bafc
uns bie Wulje, bie mir aufcer berfelben genteften, nid)t fer)r reigenb 5
bünfen Tollte, befonbers unter ber 9?orftettung, meldjc jebeö ^n=
bioibuum id)meid)elt, bafj eo fremben 33eiftanbe§ nad) unb nad)
fann entbehren lernen. 2(uf ber anbern (Seite gebe man einem
•Dienfdjen bie fdjineqlidjfte unljeilbarfte &ranfl)eit, aber man benfe
ihn ^ugleid) oon gefälligen ^reunben umgeben, bie ibjn an nidjtö 10
solange! leiben (äffen, bie fein Übel, fo viel in ifjren Gräften
fteljet, erleid)tern, gegen bie er unoerljol)len f lagen unb jammern
barf: unftreitig werben mir 9Jatleib mit iljtn l)aben, aber biefeS
li/t rna Tor fyyou>io>r ytirora, v'/./.h oidh xaxov, nun od ('^otßccTov }.uyov
mtvättöv axovatte. 2Bie biefer Auslegung bie angeführten Überfetjer gefolgt finb, fo f>at 15
fid)_ nuef) ebcnforoofil SSrumon, als unfer neuer beutfdier Überfe^er barem gehalten. 3ener
fagi, sans societe, meine importune; unb biefer „jcber ©efellfdjaft, aua) ber befdjroer=
Iidiften beraubet". SDieine ©rünbe, roarum id; non itjnen allen abgeben mufj, finb biefe:
Grftlidj ift es offenbar, bat roenn yuyoytnora von tiv ly/o'paw getrennet toerben, unb
ein befonbers ©lieb ausmadjen follte, bie ^artifel nväi cor xaxoyefaQva notroenbig 20
roieberf)oIt fein miifite. Sa fie es aber nidit ift, fo ift es eben fo offenbar, bafs yay.u-
yeitova ju rtru gehöret, unb bas Somma nad) iyxo'(iwv megfalten muß. SMefes .ßomma
bat fidi aus ber Überfetjung eingef djtidjen , nrie id) benn rouflid) finbe, bafi es einige gang
grieebifdie Slusgabcn (j. G. bie SBitten bergif d)e non 1585 in 8., roeld)c bem Jabricius »öttig
unbefamrt geblieben) aud) gar nidit haben, unb es erft, roie geprig, nad) xaxoyeitovu 25
i'etjen. 3n,eite"5, ift bas roob'I ein böfer iUadibar, non bem roir uns axövov ävtitvnov,
ü/noißatov, wie es ber Scfioliaft erflärt, tierfrrcdien fönnen? SEedjfelsrceife mit uns
feufjen, ift bie Gigenfdjaft eines §jreunbe§, nicht aber eines Jeinbes. Aurj alfo: man fi,at
bas 2Bort xay.oysitoru unredjt oerftanben; man h,at angenommen, baß es aus bem 2Ibs
jectiüo y.ay.oz sufainmengefeljt fei, unb es ift aus bem Subftantiuo ro xaxiv sufammen* 30
gefegt; man t;at es burd) einen Böfeti 9iad)bar erflärt, unb hätte es burch einen Siacbbar
bes SSöfen erflären feiten. So wie 3cax6/uavtic nidit einen böfen, bas ift fatfeben, un=
uiab,ren 5propb,eten, fonbern einen ^roptieten bes Sbfen, y.ay.ifttyrui nid;t einen böfen,
ungeidiidten ilünftler, fonbern einen fiünftler im SSöfen bebeuten. Unter einem 5Jad)bar
bes SSöfen eerftclit ber Sidjter aber benjenigen, teeldjer entroeber mit gleiten Unfällen, 35
als roir, betjaftet ift, ober aus greunbfdiaft an unfern Unfällen Slnteil nimmt; fo i>ai
bie gangen SBorte ovdy t/wv riv' iy/iigwv r.ay.oytitora blofe burd) neque quenquam
indigenariim rnali socium habens -,u iiberfefeen finb. Ter neue Cngüfdie Überfe^er bes
Sopliefles, Sfiomas ^ranflin, fann nidit anbers als meiner Meinung geroefen fein, inbem
er ben böfen 9!ad)bar in y.ay.oyuioir aud; nid)t finbet, fonbern es bloji burd; fellow- 40
mourner überfetjt:
Espos'd to the inclement skies,
Deserted and lorlorn he lyes,
No Iriend nor fellow-mourner tbere,
To sooth bis sottow, and divide bis care / 45
2. !)?obinfon Grufoe wn Daniel £efoe mar im Jsab,rc 171!) in Sonbon erfdiienen
unb 1720 juerft in beutidicr Überfehung. — 7. fd;jneid)eln niirb bei Seffing unb fonft
in jener $eit foinoljl mit bent Stccufatio, als mit bem £atie tonftruiert. — 10. Sßierre
Krumen (1688 — 1742), ein gelehrter ^cfuit, Serf. eines SBerfes über bie gried)ifdien
Sragöbien. — 30 ff. 35iefe Grfläumg bes SSorts y.cty.oyiawv ift Ijödift nmfjridieinlid) bie
richtige; fonft aber fdjeint bie Stelle t'erborben ju fein, unb namentlid) bas Sffiort 7iq6o-
ovfjog ift fcftmerlid) in Crbnung.
ffookoon IV. 29
3Jiitfeib bauert nidjt in bie Sänge, enblid) juden roir bie 2td)fel
unb oerroeifen it)n gitr Qkbulb. 3^ur mmn beibe A'ülle gufammcn=
fommen, wenn bcr ©infame aud) feines AUirpers nid)t mäd)tig ift,
roenn beut itranfcn tbm fo roenig jemanb anberS l)ilft, als er
5 fid) fctbft t)elfen fann, unb feine klagen in ber oben Suft oer=
fliegen: aisbann feljen mir atte§ li'lenb, roaS bie menfd)tid)e 9tatur
treffen fann, über tn:n UnglücEItdjen jufammenf djlagcn, unb jeber
flüchtige ©ebanfe, mit bem mir uns an fetner Stelle benfen, er=
reget Sdjaubern unb Gntfe^en. 2Bir erbltden nidjts als» bie §Ber=
10 jroeifhmg in ifjrer fd)rcdlid)ften ©eftalt nor uns, unb fein 3Dtit=
leib ift ftärfer, feines jerfdjmetget mel)r bie gange (Seele, als ba§,
roeldjes fid) mit Sorftellungen ber SSergroeifhmg mifdjet. SSon biefer
X'lrt ift bas s))iitleib, roeld)es mir für bm ^fjilol'tet empfinben,
unb in bem 2tugenblide am ftärfften empfinben, menn mir ilm
15 aud) feine§ SogenS beraubet fefjen, beS einzigen, roaS ilnn fein
fümmerlidjeS Seben erhalten mufjtc. — D bes granjofen, ber
feinen Serftanb, btefes 51t überlegen, fein £erg, biefes 51t füfjlen,
gehabt fjat ! Dber mann er eS gehabt Ijat, ber flein genug mar,
bem armfcligeu ©efdjmade feiner Station alles biefeö aufzuopfern!
20 Gljataubrun giebt bem ^tjiloftet ©efeltfdjaft. ßr läfjt eine $rin=
jeffin Sodjter ju il)m in bie müfte ^nfet fommen. Unb aud;
biefe ift nidjt allein, fonbern Ijat il)re -£>ofmeifterin bei fid); ein
Sing, uon bem id) nidjt roeifj, ob es bie ^ringeffin ober ber
S)td)ter nötiger gebraucht f)at. £>a§ gange oortrefftidje Spiel mit
25 bem Sogen fyat er meggelaffen. 3)qfür läfjt er fd)öne Slugen
fpielen. freilief) mürben sJ>feit unb Sogen ber fran§öfifd)en Selbem
jugenb fefjr luftig oorgefommen fein. 5ftid)ts hingegen ift ernft-
l)after als ber ßot'n fd)öner 2lugen. 2)er ®ried)e martert uns
mit ber greulichen Sef orgung, ber arme ^fyiloftet roerbe oljne
30 feinem Sogen auf ber müften $>nfel bleiben unb elenbiglid) um=
fommen muffen. S5er ^rangofe roeifs einen gemiffem SGBeg ^u
unfern ^er§en: er läfst uns fürdjten, ber ooljn bes 3ld)ilfes roerbe
ofjne feine ^ßringeffin abjiefjcn muffen, tiefes l)ief$en benn aud;
bie Variier Munftridjter, über bie Otiten triumphieren, unb einer
11. äcrfdjmetäet, als traufitipe Jyorm, gegenüber ber intraufitioen Jorm „serfc^mitjt"
- 20 ff. 311 (Sf>ateaubruus 3)rnma befinbet fid) in ber ÖcfeUfdjaft Sp^iioltetä beffen Socfttev
Sop()ic mit il)rcr ©rjicfjerin Sßahirire. S)ie üiebe bes jungen 9teoptotemos ju ber fdjönen
gopfjie i'pielt in bem ßonfütt, in jpcidjen fid) berfetbe perfekt fiefjt, bie Hauptrolle. —
39, öeforgung, ungeroöimlid; für „Öeforgniö". — 2!)f. o()ne feinem 'öogen. Seffing
gebraudit „o^ne" me^rfatt) mit bem 3)atio.
30 fiaokoon iv
fdjlug uor, baö Gb/itaubrunfdje <5tüd la Difficulte vaincvte ]u
benennen. *)
3. Nad) ber 2öirfung be§ ©tmgen betrachte man bie einzeln
Scenen, in roeldjen ^Inloftet nidjt mefyr ber oerlaffene ftranfe ift;
roo er Hoffnung i)at, nun balb bie trofttofe Ginöbe 51t oerlaffen 5
unb roieber in [ein ^eid) ju gelangen; roo fid» alfo fein gan$e§
Ungtücf auf bie fdjmenltdje 3Bunbe einfd)ränft. Gr roimmert, er
fcfyreiet, er befömmt bie grä^lidjften Quärmcfin. §ierroiber gefjet
eigentlich ber Ginrourf beö beleibigten 2(nftanbe3. G§ ift ein @ng=
(änber, roeldjer biefen ©inrourf madjt; ein 9)iann alfo, bei roekfyem 10
man nid)t feidjt eine falfdje Setif'ateffe argroofjnen barf. 9Sie fdron
berührt, fo giebt er tlmt audj einen fetjr guten ©runb. 2H(e
ßmpfinbungen unb Seibenfdjaften, fagt er, mit meieren anbere nur
fefyr roenig fnmpatfjifieren fönnen, roerben anftöftig, roenn man fie
gu Ijeftig ausbrüdt. b) „2(u3 biefem ©runbe ift nicfjtg unanftänbiger, 15
unb einem -Bfomne unroürbiger, als roenn er ben ©dnnerj, aud)
ben allerljeftigften, nid)t mit ©ebulb ertragen fann, fonbern roeinet
unb fd;reiet. grvav giebt e§ eine (Sympathie mit bem förperlidjen
Sdmterje. 2öenn roir fefyen, baf$ jemanb einen <2d)lag auf ben
3(rm ober ba§ <3d)ienbein befommen foll, fo fahren roir natür= 20
lidjer 28eife jufammen, unb jieljen unfern eigenen Slrm, ober Sd)ien=
bein $urüd; unb roenn ber ©djlag roirflid; gefdjieljt, fo empfinben
roir ifm geroiffermajjen eben fo rooljl, als ber, ben er getroffen,
©leidjroofjl aber ift eö geroifj, baf$ ba3 Übel, roeldjeS roir füllen,
gar nid)t beträdjtlid) ift; roenn ber ©efdjlagene baljer ein IjeftigeS 25
©efdjrei erregt, fo ermangeln roir nidjt, ilm gu »erachten, roeil roir
in ber iserfaffung nidjt finb, ebenfo heftig fcr)reien ju fönnen,
a(3 er." — 3iidjts> ift betrüglidjer al§ allgemeine ©efetje für unfere
G'mpfinbungen. %i)v ©eroebe ift fo fein unb oerroidelt, bafj e§
aud) ber befyutfamften ©pefulation faum möglid) ift, einen einzeln 30
?yaben rein aufjufaffen unb burd) alle .^reu^fäben ju oerfotgen.
f
=) Mercure de France, Avril 1755, p. 177.
3) The Theory of Moral Sentiments, by Adam Smith. Part. I. sect. 2. chap. 1.
p. 41. (London 1761.)
9f. 2>er in ber 2tnm. ©cnannte ift bev berühmte engüfdje 9iationalöfonom Slbam
■=mith (1723—1790). Mnftatt be* engliidjen Titels in ber SJote bot bie £bfd)r. anfängt
lidj bie SBortc: „2lbam Znütt), in feiner S'ljeorie ber ntoralifcfien gmpfinbungen, 2 2lbfd)n.
I flayt." — 12. einen iefjr guten ®runb, in ber £bfd)r. uricriinglirf) „einen ielir
pbilofoiifiiicfien Pirunb". — 23. geroif iertnafsen ebzn fo roo hl, bie Jgbfdjr. fjatte an=
fiinglitfj „faft eben fo lebhaft". — 28. betrüglicf)er, beute ttngeroöfmlid), bafiir „trügen
xvd)".
fciohoon IV. 31
©elingt e§ ilm aber aud) fdjon, roa§ für üftu^en ijat k<3? iE» giebt
in bcr -Jcatur feine einzelne reine Gmpfinbung; mit einer jeben
entfielen taufenb anbere jugleid), beren geringfte bie ©runbempfin=
bung gän^lidj neränbert, fo bafs 2tusnat)men über 2lusna()inen
ö ermacfjfen, bie ba§ nermeinttid) allgemeine ©efe£ enblid) fetbft auf
eine blojje ßrfatjrung in wenig einzeln fällen einfdjränfen. —
9Bir ueradjten benjenigen, jagt ber (ünglänber, ben mir unter
förperlidjen ©djnterjett Ijeftig fdjreien Ijören. 2lber nid;! immer:
nid)t 311m erften 9KaIe; nidjt, menn mir fcljen, bajj ber Seibenbe
10 altes mögliche anraenbet, feinen Sdjmerj gu »erbeten; nid)t, menn
mir il)n fonft al§ einen -Jftann non Stanbfyaftigfeit f'ennen; nod)
weniger, menn mir ifjn fetbft unter bem Seiben groben non feiner
Stanbljaftigfeit ablegen fefyen, menn mir fetjen, bafj Um. ber Sdjmer^
gmar jüm Schreien, aber aud) ju roeiter nid)t§ Urningen fann, baf$
i5 er fid; lieber ber längern g-ortbauer biefeS Sdjmerjeg unterwirft,
al§ ba§ geringfte in feiner £enfung3art, in feinen ßntfdjlüffen
anbert, ob er fdjon in biefer 9Jeränberung bie gänjtidje ©nbfdjaft
feines SdjmerjeS Ijoffen barf. £)a§ alle§ finbet fid) bei bem ^()i=
(oftet. Tie moralifdje ©röf?e beftanb bei ben alten ©rieben in
20 einer ebenfo unoeränberlidjen Siebe gegen feine $reunbe, als un=
roanbelbarem ^affe gegen feine g-einbe. 2)iefe ©röfje behält ^tjiloftet
bei alten feinen Martern. Sein Sdjmerj tjat feine Singen nicfjt
fo oertrodnet, bajj fie iljm feine tränen über ba§ Sdjid'fal feiner
alten g-reunbe geraätjren fönnten. Sein Seltner?, t)at iljn fo mürbe
25 nidjt gemadjt, baf$ er, um iljn to§ 511 merben, feinen $einben üer=
geben, unb fid) gern §u allen il)ren eigennü^igen 2lbfidjten brauchen
laffen möctjte. Unb biefen Reifen uon einem 3Ranne fjätten bie
2ltl)enienfer ueradjten folten, roeit bie üffiellen, bie il)n nidjt erfdjüttern
fönnen, tt)n roenigftenö ertönen madjen? — $d) befenne, baj} idj
80 an ber ^>l)iIofopl)ie beö Gicero überhaupt roenig ©efdjmad finbe;
am alterraenigften aber an ber, bie er in bem groeiten 33udje feiner
^uöfulanifdjen fragen über bie Grbulbung beö förperlidjen Sdjmerjeg
2. Gmpfinbung; man oergleidje, roaS Seffing im 2lbfdm. XXV aus üfienbelsfobn
über bie unangenetjmen ßmpfinbungen anführt. — 8—19. 53gl. befonbero 33. 1315 ff. , roo
3Jeoptotemoö bem ^büoftet auSeinanberfeist, bafj er nad) einer glaubunirbigeK ^rovfjejeinng
nur, menn er freiiniüig mit nad) Sroja fomme, r>on feinem Übel befreit merben tonne;
bennoeb rocigert fid) ^pr>itoftet, mit}ufommen. — 22 — 24 bejiefjt fiefj auf 33. 410 ff., roo fid)
^Hottet nad) bem <Sd)idfal bes 2ljar unb anberer alter 2Baffengefä£irten erfunbigt. —
91 f. £er ^nbalt bes jroeiten SBucbe* von Giceroö Susfulanen beftebt in ber Darlegung,
bafs ber Sdjmer, $n>ar ein Übet, aber fein unbefiegbareo fei ; burd) Übung unb ©eir>of)n=
beit, feroie bura) (gelbftbefjerrfdning, 3?adiaf)mung ebter Sorbitber u. I m. fönne man ib,n
bejiningcn.
32 «aofcoon IV.
auoframct. Man follte glauben, er motle einen ©labiator abrieten,
fo fefjr eifert er raiber ben äufjerlidjen 2lu§brucf beS ©äjmerje§.
v\n biefem fcr)einet er allein bie Ungebulb gu ftnben, ofjne ju über=
legen, bajj er oft nidjtä weniger als freiwillig ift, bie matjre
Sapferfeit aber fidj nur in freiwilligen ^anblungen geigen fann. 5
@r rjort bei bem ©opl)ofle§ ben ^3t)itoftet nur flagen unb fdjreien,
unb überfielt fein übriges ftanbljafteS betragen gänjlid). 2Bo
Ijätte er aud) fonft bie ©etegenfjeit ju feinem rljetorifdjen 2tu§=
falle trüber bie Siebter hergenommen? „<3ie f offen \m$ meidjlid)
machen, roeit fie bie tapferften Männer flagenb einführen." ©ie 10
muffen fie flogen laffen; benn ein Sweater ift feine 2lrena. £>em
uerbammten ober feilen $ed)ter fam e§ ju, affe§ mit 2tnftanb 31t
tl)im unb ju leiben. 33on il)m mufjte fein ffägtiajer i-aut gehöret,
feine ftfjmerjtidje Ladung erbtiefet merben. "2)enn ba feine Söunben,
fein ;£ob, bie 3ufd)auer ergoßen fofften: fo mufjte bie föunft atteö 15
©efüi)t uerbergen lehren. 2)ie geringfte Äufjerung öeäfelben t)ätte
lUiitleiben ermed't, unb öfters erregtet s3Jiitleiben mürbe biefen froftig
graufamen ©djaufpielen balb ein @nbe gemacht fjaben. 3Sa§ aber
tjier nierjt erregt merben follte, ift bie einzige 2tbfid)t ber tragifdjen
Söüljne, unb fobert bafjer ein gerabe entgegengefetjteS Setragen. 20
2>ln*e gelben muffen ©efüfjl seigen, muffen il)re Scfjmersen äußern,
unb bie btofje Sftatur in fidj mirfen laffen. Verraten fie 3(6rid)tung
mit) 3roang, fo laffen fie unfer §erj f alt , unb klopffester im
Motl)urne fönnen fyödjftens» nur berounbert merben. ®iefe S3e=
nennung uerbienen alle sJkrfonen ber fogenannten Senecafdjen Xta- 25
gooien, unb idj bin ber feften Dteinung, baf} bie ©labiatorifdjen
(Spiele oie tmrnetjmfte Urfadj geroefen, roarum bie Körner in bem
£ragtfd)en nod; fo m>it unter bem -iDltttelmäfjigen geblieben finb.
1; f. Sie (Sitate Tusc. II, 7, 13 finb au3 bem ^Ijilottet be3 Stdjterä Stcciuä, nid)t au-i
bem bes Sopl;otle3 entnommen. — Of. Sie [ollen . . . einführen, biefe SBorte fielen
II, ll, 27. — 12. Sie römifdjen ©lobintoren roareu entroeber ju ben SJecfjterfpteten, Xier=
betten u. f. ro. uerbammt, b. i). als) 33erbrea)er, flriegSgefangette, entlaufene Stlapen per*
urteilt; ober fie untren [eil, b. ty. fie Ijatteu ficti ju biefem enteljrenbett Berufe au>5 freien
Stücten »erlauft ober oermietet. — I9f. Sgl. oben S. 2-;. — 23. jUopf f ea) ter tjiefsen
urfprünglid) junftmäjjige ^ed)ter, roeldjc iwanbernb iljre fiunft lehrten; „Hopfen" bebeutet
babei ein »Jetten, bei bem ei metyr auf Särmen unb Sdjlagen, at§ auf funftgerecfjte öiebe
anfallt, Saburd) befommt bas 2Bort mit ber 3eit ö'e Sebeutung eine« prabjerifdjen
BerufSfedrterS. Sa ber ftotbum bie in ber alten Sragbbie ü6lid)e gufj&efleibung ber
Sdwufpieler ipar, fo fino alfo „ffilopf[ea)ter im uotburu" ©d)aufpieler , bie lief) in _pral)le=
rifa)er Seife als .wlben gebärben. — 24 ff, Ceffingä Derroerfenbeä Urteil ber 2eneca=
faicii Iragöbien (bie Ijier fogenaunt Reiften, ipeil bie 5lutorfd)aft be§ Seneca friitjer
pielfaa) angezweifelt roorben ift) iuirö oon ber mobernen Jorfcljung im roefetttltdjen geteilt,
ba in ben[el6en baS boble ^ati;o5 an Stelle nmljrcu men[(^lia)en Julien? unb ©mpfinbenä
tritt.
ffaokoon IV. 33
2tte 3uf«^auer lernten in bem Stutigen Stmpfjitfjeater atte -Katur
oerfennen, roo allenfalls ein ßtejtaä feine Slunft ftubieren tonnte,
aber nimmermehr ein SoptjotleS. SaS tragifdjfte ©enie, an biefe
fünftlidje SobeSfcenen getnörmt, mufste auf Sombaft unb 9tobo=
5 montaben oerfalten. 216er fo roenig ats fotdr)e 9tobomontaben roatjren
§etbenmut einflößen fönnen, ebenfo raenig fönnen ^>f)itoftetifd;e
Magen meicfytid} machen. 'Sie Etagen finb eines 9.)ienfd)en, aber
bie £anb(ungen eines Reiben. Seibe madjen ben menfdjlidjen Reiben,
ber ineber wetdjtidj nod; »erhärtet ift, fonbern batb biefeS balb
10 jenes fdjeinet, fo nue i()n itjt Statur, ittf ©runbfätje unb ^3ftid;t
oerlangen. ßr ift baS §ödjfte, roaS bie 2öeist)eit tjeroorbringen,
unb bie Äunft nadjatjinen fann.
4. üftidjt genug, baf3 SopfjofteS feinen empfinbtidjen -^t)itoftet
uor ber ^erad)tung gefidjert fjat; er fjat aud; attem anbern roeiSlid)
15 üorgebauet, maS man fonft au§ ber 2lnmerfung beS CsnglänberS
roiber it)n erinnern tonnte. Senn üeradjten mir fdjon benjenigen
nidjt immer, ber bei förpertidjen ©djmerjen fdjreiet, fo ift bod)
biefeS umuiberfpredjlid), bafj mir nidjt fo viel SRitteiben für it)n
empfinben, afö biefeS ©efdjrei -$u erf orbern fdjeinet. 2Bie f offen
20 fid) atfo biejenigen nert)atten, bie mit bem fdjreienben s$t)iloftet gu
ttjun tjaben? «Sotten fie fidt) in einem l)ot)en ©rabe gerüljrt fteflen?
(SS ift miber bie Sföatur. Sollen fie fidj fo latt unb nertegen
begeigen, als man rairttid; bei bergteidjen Ratten gu fein pftegt?
SaS ntürbe bie roibrigfte ©iffonang für ben 3ufd)auer tjeroorbringen.
25 2tber, mie gefagt, aud; biefem t)at SoptjofleS oorgebauet. Saburdj
nämtidj, bafj bie 9?ebenperfonen iljr eigenes ^ntereffe Ijabtn; bafj
ber ©inbruef, roetdjen baS ©freien beS 5ßt)itottet auf fie madjt,
nidjt baS einzige ift, roaS fie befdjäftiget, unb ber 3ufdjauer bafyer
nidjt forootjt auf bie Disproportion ifjreS SJlitleibS mit biefem
30 ©eftfjrei, als nietmet)r auf bie JBeränberung adjt giebt, bie in tfjren
-'. Rtefiaä ift üerfdjrieben für Stefitau'3; fo lautete in beit früheren ÜluSgaben bes
Sßliniuä XXX [V, 77 bie Se3art für ÄrcfitaS, ben SWeifter ber Statue eines fterbenbeit
93errounbeten , „meiern man anfetien tonnte, roeld)' fleiner 9teft Seben nod) in i^m fei".
Sodi ift bie SBerbinbung biefeS ßünftters mit ben ©(abiatorenfpielen ein ^trtum, ;,u bem
fid) Seffing bura) eine Stelle in 2Bincfe(mann§ „Öebanfen über bie Jcadjabmung ber grie=
d)ifd>en SEerfe" tjat öerleiten laffen: SBincfetmann tjiett bie berütjmte Statue be§ fog. fter=
benben geebters (auf bem Äapitot) für ibentifd) mit jenem SBenuunbeten be5 ßrefita'5.
9hm lebte aber Ärefilaä sur 3eit b^s 4$bibia§, 100 man nicb>3 non ölabiatoren luufjte;
aua) ift ber fog. fterbenbe ged)ter fein ötabiator, fonbern ein ©allier, unb ein SBcrf ber
Aünftterfd)ule non ^ergamou. — -if. Sombaft, ©d}iuu[ft; bie Ableitung be§ Söorteä ftebt
nidjt feft. — Siobomontaben, ^raijtereien, benannt nad) Siobomonte, einem ®rofj=
fpredjer in ^öojarboä „oertiebtem SHotaub". — 29. Disproportion, bas entfpredjcnbe
beutfije 2Bort „TOffjoerb,äitniä" fdjeint ju ÜeffingS 3eit n0$ nic^t im ®cbraua) geroefeu
SU fein.
2effing§ SBerfe 9. 3
34 ffnckoon IV.
eigenen ©efmnungen unb 2(nfd)fägen burd) baä 9Jtitleib, e§ fei
fo fdmmd) ober fo ftarf e§ roill, entfielet, ober entfielen foüte.
Sceoptolem nnb ber Gfjor fjaben ben unglüdfidjen $J]t)iioftet l)tnter=
gangen; fie erfennen, in meiere ißerjtoeiflung ir)n ifjr betrug ftür^en
werbe; mm befömmt er feinen fd)redlid)en ßufaß oor ifyren 2(ugen; 5
fann biefer Bufaft feine merflidje fvjmpatl)etifd;e (Empfinbung in
i()nen erregen, fo fann er fie bod) antreiben, in fid) ju gefyen,
gegen fo uiel ©lenb Sichtung 51t fjaben, nnb e§ burd) 33erräterei
nidjt fjäufen ju motten. £>iefe§ erwartet ber ßufdjauer, nnb feine
Grmartung finbet fid) oon bem ebehnütigen 9?eoptolem nidjt ge= 10
täufebt. Sßfyiloftet, feiner Sdmierjen 9Jieifter, mürbe ben 9ceopto(em
bei feiner 2>erfteffung erhalten fjaben. ^>E)üoftet, ben fein Scfjmeq
alter $erftellung unfähig mad)t, fo fyödjft nötig fie ilnn aud) fdjeinet,
bamit feinen fünftigen 9ktfegefäi)rten ba§ iserfpredjen, \i)n mit
fid) §u nehmen, nicr)t 51t balb gereue; ^>f)iIoftet, ber ganj 9?atur 15
ift, bringt aud) ben Dieoptolem 51t feiner Diatur roieber jurüd.
SDiefe Umfefjr ift nortreff lid) , unb um fo nie! rüfjrenber, ba fie
t>on ber bloßen 9)ienfcf)licf)feit bemirfet mirb. Sei bem ^ranjofen
fyaben mieberum bie fdjönen 2tugen ifjren £etl baran.4) £>ocf) id;
roitf an biefe ^arobie nid)t meljr benfen. — ©e§ nämlichen ^unft= 20
griff §, mit bem 9Jiitleiben, weldjeS ba§ ©efdnei über förperlidje
<2d)inerjen fjernorbringen fottte, in ben Umfteljenben einen anbern
2(ffeft 51t nerbinben, fjat fid) ©opljofleö aud) in ben Träumerinnen
bebient. S)er Sdnnerg be§ £>erfule§ ift fein ermattenber ©cfjmerj;
er treibt ifm bis gur Sfaferei, in ber er nad) nid)t§ al§ nad) Stadje 25
fdjnaubt. <2djon fyatte er in biefer 3But ben Stdjaö ergriffen, unb
an bem Reifen gerfdjmettert. ©er Gljor ift roeiblicf); um fo uief
natürlicher mufj fid) $urd)t unb Gntfetjen feiner bemeiftern. 2)iefe3,
unb bie (Erwartung, ob nod) ein ©ort bem -§erfule§ ju ^>ilfe
eitert, ober •(oerfuIe§ unter biefem Übel erliegen roerbe, macf)t fiter 30
bao eigentliche allgemeine ^ntereffe, roeldjes uon bem -Jftitleiben
nur eine geringe Sdjattierung crl)ält. Sobalb ber 21u§gang burd)
bie ^ufammenl)altung ber Drafel entfdjieben ift, mirb §erfule§
") Act. II. Sc. III. De nies degnisenieuts <jiie penseroit Sophie? Sagt ber Sof)n
be§ 3td)iae5.
2. fo ftarf eStoill; bie £bjdir. urfpriinglid) „roolfe". — 7. antreiben; bie £bfd)r.
uvfprünglid) „Bewegen". — 26. Vi dm 5, roeld)er bem ,s>erafles bas oergiftetc ©eroanb neu
ber Tejiinira überbradjt I;atte. — ".2 f. Sct-5 Drafel ju £obona fyatte bem §crafles nad)
Verlauf t>on 15 3)ionaten ßrlöfung uon feinen SBifl^faBJen prorJ&ejeit, fein Sater 3eu§ aber
Ijntte ilun cinft pertünbigt, bafj er burd) feinen S/ebcnben, fonberu burdi einen Skroofmer
beS .s>abe§ untergefien roerbe (Xradnn. -17; 166 ff. ; 1 159 ff.). Seibc Crafel gef)en nun in
Caohoon V. 35
rufyig, unb bie SSenmnberung über feinen fe$ten ßntfdjlufj tritt
an bie ©teile alter anbern ©mpftnbungen. Überhaupt aber mufj
man bei ber üßergleidmng beö teibenben ^erfnleö mit bem leibenben
5ߧiloftet ntdjt oergeffen, baf$ jener ein Halbgott, unb biefer nur
5 ein -Jftenfdj ift. 2>er sIftenfd; fdjämt fidj feiner Magen nie; aber
ber Halbgott fdjämt fidj, baf$ fein fterblidjer SEeil über ben unfterb=
lidjen fo oiel r>ermod)t fyabe, bafs er roie ein DJiäbdjen meinen unb
roinfeln muffen.5) 2Bir feuern glauben feine Halbgötter, aber
ber geringfte §elb fott bei uns roie ein Halbgott empfinben unb
iü Ijanbeln.
£>h ber <Sd;aufpieler ba3 ©efdjrei unb bie 33erjudungen be§
©dmterjeS bi§ jur ^ttufton bringen fönne, roitt idj roeber ju
»erneuten nodj 311 bejahen wagen. Söenn id; fänbe, bajä e3 unfere
Sdjaufpieler nidjt fönnten, fo müfjte id) erft roiffen, ob e§ and)
15 ein ©arrif nidjt oermögenb märe: unb roenn eö and) biefem nidjt
gelänge, fo mürbe idj mir nodj immer bie ©fäoopoeie unb 3)efla=
mation ber 2(lten in einer 33oUfomment)eit benfen bürfen, r>on
ber mir Ejeutgutage gar feinen Segriff ijabm.
V.
20 @§ giebt Kenner beS 2lltertum§, meiere bie ©ruppe Saofoon
jmar für ein 2öerf griedjifdjer 9^eifter, aber aus> ber 3^it ber
^aifer galten, metl fte glauben, bafj ber SSirgilifdje Saofoon babei
§um 9}orbübe gebient fjabe. ^d) miß oon ben altern ©eleljrten,
bie biefer Meinung geroefen finb, nur ben ^Bartholomäus SJiarliant,1)
25 5) Trach. v. 1088. 89.
■ Zan; wate 7id^&svog
üffifjü/d xÄaiwv — —
') Topographiae Urbis Komae libr. IV. cap. 14. Et quanquam hi (Agesander
et Polydorus et Athenodorus Rhodii) ex Virgilii descriptione statuam hanc forma-
30 visse videntur etc.
Grfüllung: ber 33erftorbcne, burd) ben er untergeht, ift ber Kentaur 9ccffos; unb Grlöfung
»on allen kämpfen bringt it)tn ber 2ob (ebb. 1162 ff.).
11. SSerjudungen, für bas I)eute gebräud)lid)ere „^uetnngen". — 15. ©arrid,
ber berühmte englifdje, aud) in Seutfcblanb burd) ©aftretfen befannt geworbene Sd)au=
fpieler (1716 — 1779). — 16. Sfäuopoeie, alte <2d)reibroeife (roie 3är>5 für 3eus) anftatt
,,2teuopoeie", b. i. bie Anfertigung von 9J!asfen, fioftümen unb fonftigen Sbcaterrequifitcn.
Sie IjoEje ÜJieinung, bie fieffing b,ter von ber ©djaufpielfunft ber Sitten äufjert, ift fd)roer=
lid) gerechtfertigt; ba bie äJiasfcn jebes ÜJJiencnfpicl binberten, roar offenbar bie ©ebärbe
ber roidjtigfte Seil ber alten Sdjaufpielfunft. Slllerbings ift es roab,rfd)einlid) , bafj bet-
reib eines Stüdes nid)t burd) bas gan^e Stütf bjnburd) biefelbe 2JJasfe trug, üielmebr je
riad) Situation unb Stimmung oerfcbjebene; aber ber 9Iad)teil bes feblenben 3JHenenfr>ieles
blieb babei bod) beftefyen. — 24. Bartholomäus Diarliani aus SJlatlanb (geft. in 9lom
um 1560), »erfaßte bie erfte größere rmffenjd)aftlid)e Topographie »on 3iom (1544). Jjn
3*
36 ffaokoon V.
unb oon ben neuern ben -DJiontfaucon -) nennen. Sie fanben ofyne
3iueifel jroifdjen bem Äunftroerfe unb bev §8efdjret6ung be3 üDicb/
ters eine fo befonbere Übereinftimmung, baj$ e§ iljnen unmöglid;
bünt'te, baf? beibe von ofyngefäfyr auf einerlei Umftänbe folften
gefallen fein, bie fid) nidjtö weniger al§ oon felbft barbieten. 5
2)abei festen fie norau§, bafs wenn e§ auf bie (Sr)re ber ©rfinbung
unb be§ erften ©ebanfenä anlomme, bie SöafyrfdjeinlicPeit für ben
©tdjter ungleid; gröfjer fei als für ben $ünftler.
%lux fdjeinen fie uergeffen 51t Ijaben, baf$ ein britter %aü
mtjglid) fei. Senn uietteidjt t;at ber Sidjter ebenfo menig ben 10
Äünftler, al§ ber Künftler ben 25id;ter nadjgealnnt, fonbern beibe
fyabcn au§ einerlei ältrern Quelle gefdjöpfi. %lad) bem 9Jiacrobiu§
mürbe s$ifanber biefe ältere Duette fein tonnen.5) ©enn al§ bie
Söerle biefe§ griedjifdjen 5Did)ter§ nod; norljanben maren, mar es>
fdnilfunbig, pueris decantatum, bajj ber Körner bie gange @r= 15
oberung unb 3erftörung £dium§, fein ganjeö jmeiteö SBudj, aus
üjm nidjt forooljl nadjgealnnet, al§ treulid; überfetjt fyabt. 2öäre
nun alfo ^>ifanber aud) in ber 0efd)id)te be§ Saof'oon 23irgit3
Vorgänger geroefen, fo brauchten bie griedjifdjen $ünftler ifjve
-) Suppl. aux Ant. Expliq. T. I. p. 242. II semble quAgesandre, Polydore et 20
Atbenodore, qui en furent les ouvriers, ayent travaille coniine ä l'envie, pour
laisser un nionunient, qui repondoit ä l'incomparable description qu'a fait Virgüe
de Laocoon etc.
3) Saturnal. lib. V. cap. 2. Quae Virgilius traxit a Graecis , dictururune me
putatis quae vulgo nota sunt? quod Tbeocrituni sibi fecerit pastoralis operis 25
autorern, ruralis Hesiodum? et quod in ipsis Georgicis, ternpestatis serenitatisque
signa de Arati Phaenomenis traxerit? vel quod eversionem Trojae, cum Sinone
suo, et equo ligneo, caeterisque omnibus, quae libmm seeundum faciunt, a Pisandro
pene ad verbum transcripserit? qui inter Graecos poetas eminet opere, quod a
nuptiis Jovis et Junonis ineipiens uuiversas historias , quae mediis omnibus se- 30
culis usque ad aetatem ipsius Pisandri contigeruut, in unam seriem coaetas rede-
gerit, et unum ex diversis biatibus temporum corpus efi'ecerit? in quo opere inter
bistorias caeteras iuteritus quoque Trojae in nunc modum relatus est. Quae fide-
liter Maro interpretando, fabricatus est sibi Iliacae urbis ruinam. Sed et baec
et talia ut pueris decantata praetereo. 35
berfelben ift bereits ber öebanEe au§gefr.rod)en, bafs bie itünftler be§ Saoloon in maudien
fünften von SSirgil abgeroidjen feien, meil fie gefebeu hätten, bofs üieleö, roaS bem Dbr
gefalle, bod) bem Slugc niebt angenebm fei. ,,Sd) foüte felbft glauben, id; bätte über biefe
SBorte einen Kommentar fdjreiben roollen," bemerftc Seffing fjiersu.
1. aJiontfaucou, f. oben <3. K>. — 12. Sfllacrobiuä, röm. Sd&riftftcUer um§
2>ahr 400 u. &)V., rocfentlid) ASompilator, roesljalb feine aus altern Duellen ftammen=
ben 9}oti}en iüead)tung uerbieneu — 13. (So giebt mehrere Siebter Sßifanber; roelrfien
bauou Sftrgil nac&geabmt l)aben foll, rocij; man nidjt fidier, mau benft aber in ber Siegel
an ben cgftifdjen ©idjter biefcä Kamenä (angeblid) noeb »or ^tefiob, nad) anbern um
«50 o. (Sbx). Db übrigen^ bie i.'aotoonfage von ibm erjagt mar, miffen mir nid)t, ba
5D!acrobiu3 auäbriictüd) nur bie .Qerftbrung Jn>ja<3, ©iuon, ba5 Ijölserne ^Jferb nennt. 2>ie
ältefte ermäbnung bes ÜJlnttuiS in ber üitteratur, uon ber mir miffen, ift bei bem Sidbter
StrftinoS; bei ilnn töteten bie beiben Sd^langeu nur ben SCater unb ben einen ©obn.
ffaokoon V. 37
Anleitung mdfjt au§ einem (ateinifdjen ©tdjter 311 ijokn, unb bie
SDUttmafjung oon tfjrem Zeitalter grünbet ftd; auf nidjtS.
3>nbe§ mtnn id) nottoenbtg bie 3Jietnung be§ 93iarliani unb
Wontfaucon behaupten müjjte, fo mürbe tdj il)nen folgenbe 2Iu§=
5 fludjt teilen. SßifcmberS ©ebidjte finb oerloren; mie bie (55efd;idr)te
bes Saofoon oon iljm erjagtet raorben, täfjt ftdr) mit ©cnnfjfjeit
nid;t fagen; e3 ift aber roaf)rfdjeinlidj, baf$ e§ mit eben ben Um=
ftänben gefdr)cr)en fei, oon toeldjen mir nod) itjt bei griedjifdjen
©djriftftettern ©puren finben. 9hm fomtnen aber biefe mit ber
10 Grgärjlung beo Sßtrgtjfö im geringften nidjt überein, fonbern ber
römifdje 3)icr)tcr mufj bie griedjifdje Sxabition oöltig nadj feinem
©utbünfen umgeftfjmolgen Ijaben. 2Bie er ba§ Unglüd" bes> Saofoon
ergäbt, fo ift es feine eigene Grfinbung; folglid;, menn bie ^ünftler
in Ujrer üßorfteKung mit ilnn Ijarmonieren, fo tonnen fie nid)t
15 roof)I anber§ al§ nad; feiner 3eit gelebt, unb nad; feinem S3or=
bilbe gearbeitet fjaben.
Duintuö Gataber läfjt groar ben Saofoon einen gleiten 23er=
badjt, mie 33irgtt, roiber baS tjöljerne $ferb bezeigen; attein ber
3orn ber Wlmvuoa, metdjen ftd) biefer baburd) jugiefjet, äußert
20 fidj bei Ujtn gang anber§. Sie ßrbe erbebt unter bem roamenben
Trojaner; ©djred'en unb 2lngft überfalten ifm; ein brennenber
Sdjmerj tobet in feinen 2htgcn; fein ©eljirn leibet; er rafet; er
oerblinbet. ßrft ba er blinb nod) nidjt aufhört, bie SSerbrennung
beö folgern ^$ferbe3 cmguraten, fenbet 9Jiineroa gtoei fdjredltdje
25 Sradjen, bie aber blof; bie ^inber be§ Saofoon ergreifen. Um=
fonft ftreefen biefe bie §änbe nadj ityrem 23ater au§; ber arme
bfinbe 9Kann fann ifmen nidjt Reifen; fie merben gerfleifdjt, unb
bie ©erlangen fdjfupfcn in bie Grbe. Sem Saofoon felbft ge=
fd)iet)t oon itnien nidjtö; unb ba£ biefer Umftanb bem Duintu§4)
30 nicr}t eigen, fonbern oielmeljr atigemein angenommen muffe ge=
") Paralip. Hb. XII. v. 398— 40K. et v. 439—474.
8 f. bei gri ertlichen ©rtriftftellern; hier lomtnt mefentlicb ber Saofoon beä
SopbofteS in Setracbt, oon bem roir aber febr wenig miffen. Sie Vermutung, bafs bie
Cnäblung ber Sage bei £>ugin %ab. 135 un§ im loeientlicben ben Inhalt be§ <£opf)oftciici)en
s.'aofoon roiebergebe, fo baf; alfo auch hei SopbofleS Saofoon unb ieine beiben ©ohne um=
tarnen, ift neuerbingö oon Dtobert (SBilb unb Sieb, Berlin 1881, B. 193 _ff.) befümpft toors
ben; legerer fuctjt oietmehr nartäuroeifen , bajj bei SoobofleS nur bie Söhne ftarben,
Saofoon felbft aber am Sehen blieb. — 17. DuintuS da laber, richtiger Quin tu S
3mnrnäu3, etufcher Sichter au§ ber weiten Hälfte beä 4. Jsabrb. n. 6hr., SJerf. ber
l'osthonierica, einer Aortfeftung ber Slia§. — 23. oerblinbcn, ältere, beute ungebraucht
lute Aorm für erbünben.
38 ffaokoon V.
roefen fein, bezeuget eine ©tette bes Stjfopfyron, roo biefe ©erlangen5)
ba§ Seiroort bev .Hinberfreffer führen.
2Bar er aber, biefer Umftanb, bei ben ©riedjen allgemein
angenommen, fo mürben fid) griedjifdje ^ünftter fdjroerHd) erf'üljnt
Ijaben, von il)m abjuroeid^en, unb fdjmerlid) mürbe es fid) getroffen 5
Ijaben, baf} fie auf eben bie 2(rt roie ein römifdjer Steter ab--
geroidjen mären, wenn fie biefen ©iditer nidjt gelannt I)ötten,
roenn fie üiefteidjt nidjt ben auSbrüdlidjen Auftrag gehabt fyätten,
nad) ilmt ju arbeiten. 2luf biefem fünfte, meine tdj, müfjte man
befteljen, roenn man ben SRarliani nnb -Jftontfaucon oerteibigen 10
rooKte. Birgit ift ber erftc unb einjige,') meiner forool)! 33ater
5) Ober Bietmeljr, ©dränge; benn Snfopfyron fdjeinet nur eine angenommen ju ijaben:
Kai 7taido^Qihtn; nöoy.tu); vfoov; öirtlü;.
'■) gd) erinnere mid), bafj man ba§ ©emälbe bjeriuiber anführen f bunte, toeId)e§
Gutnoip bei bem Sßetron auflegt. Gq ftettte bie Qerftörung »onJroja, unb befonberS bie 15
@efd)id)te be§ £aofoou, notlfommen fo cor, a[§ fie S>irgü erjaget; unb ba in ber näm=
lidjen ©alerie ,,u 9Jeapet, in ber e3 ftanb, anbere alte ©emälbe com 3eui'i§, SjSrotogeneS,
StpetteS roaren, fo liefte fid) uermuten, bafj e§ gleichfalls ein alte§ griecbjfcbeS ©emälce
geroefen fei. 3lHein man ertaube mir, einen 9iomanbttf)ter für feinen yiftoricuä galten ju
bürfen. 3)iefe ©alerie, unb biefcS ©emälbe, unö biefer Gumolp Iwben, allem 2lnfef;en nad), 20
nirgenb? al§ in ber ^fjantafie be§ Detroits ejiftieret. 9Ud)t>3 oerrät iljre gänjlidje Gr=
btditung beuttid)er, al§ bie offenbaren Spuren einer beinabe ftfiülermäf5igen 9Jaa)a^mung
ber S>irgilifd)en SSefdjreibung. G3 wirb fid; ber ÜJüibe oerlotjnen, bie Skrgleidiung an}u=
ftelleu. ©o ißirgil (Aeneid. lib. II. 199—224.):
Hie aliud majus niiseris multoque tremendum 25
Objicitur magis, atque improvida pectora turbat.
Laocoon, duetus Neptuno sorte sacerdos,
Sollemnis tauruiu ingenteni inaetabat ad aras.
Ecce autem gemiiii a Tenedo tranquilla per alta
(Horresco referens) immensis orbibus angues 30
Iucumbuiit pelago , pariterque ad litoia tendunt :
Pectora qtiorum inter fluetus arreeta, jubaeque
Sanguineae exsuperant undas: pars cetera pontum
Poue legit, sinuatque iramensa volumine terga.
Fit sonitus spumaute salo: jamque arva tenebant, 35
Ardentesque oculos suffecti sanguine et igui
Sibila lambebant unguis vibrantibus ora.
Diffugimus visu exsangues. Uli agmine certo
Laocoonta petunt, et prinium parva duorum
Corpora uatorum serpens ainplexus uterque 40
Implicat, et miseros morsu depascitur artus.
Post ipsum, auxilio subeuntem ac tela ferentem,
1. Spfopljrou, gried). Sinter um 280 d. Gl)r., beffen ©ebidjte ^aOlreidje tntjttjo«
logifdje SDetaüo enthielten. Diobert meint, bat? finfoptyronS Raffung ber Sage auf ©opfyofleS
beruhe. — 3 f. 2)a3 ift uad) bem oben ©.36, 13 über Slrftinoo ©efagten aUerbing3 nidit
riditig, fonberu tonnte IjödiftenS oon SopijofteS gelten. — 15. Gumolp ift eine 4}}erfon in
bem fatirifd)en Sfomauc bec Detroit, ber unö bie Sitten ber erften ßaifer.ieit oorfübrt. —
20 f. Ob Detroit feine ©emälbegalerie gauj unb gar erfonnen bat, ift nidjt mit SidierEjeit
SU fagen, oerfd)iebene ber uon iEjm bcfd)ricbeuen Silber fönnen febr luoijl in 2üirflid)feit
eriftiert baben. .fjingegen ift aüerbing-o bie Siadjabmung S3irgil§ ganj äroeifelto'3, barf aber
bem Detroit nidit jur £aft gelegt roerbeu, ba berfclbe offenbar abfid)tlid) feinen Gumolp
biefe? Plagiat begeben (iifjt, inbem biefer aß alberner Siebter ge}eid)net roirb.
-ffaokoon V. 39
als Äinber von ben ©drangen umbringen läßt; bie Silbfyauer
tbun biefee gteidjfatfö, ba fie eö bodr) af§ ©riedjen nidjt Ratten
tfjun fallen: alfo ift e§ roafjrfdjeinftdj, bafj fie e§ auf SSeranlaffung
be§ SBtrgtfö getfjan Ijctoen.
5 Corripitmt, spirisque ligant ingentibus: et jam
Bis medium amplexi, bis collo squamea circum
Terga dati, superaut capite et cervicibus altia .
Ille aimul manibua tendit divellere nodos ,
Perfusus sanie vittas atroque veneno:
10 Clamores simul horrendos ad sidera toUit.
Quales mugitus , fugit cum saucius aram
Taurus et iacertam excussit carvice securim.
Unb fo Gumoip (oon bem man fagen föitnte, baß e§ i§m roie allen ißoeten auä bem ®teg=
reife ergange« fei; ü)r ©ebädjtniä i>at immer an ifjren Werfen ebenfo üiel Anteil, als ifjre
15 ginöitbung):
Eeca alia monatra. Celaa qua Tenedoä mare
Durso repellit, tumida consurgunt freta,
Undaque resultat scissa trauquillo minor.
Qualis sileuti nocte remorum sonus
20 Longe refertur, cum premunt classes mare,
Pulsumque marmor abiete imposita gemit.
Respicimus, angues orbibua geminia feruut
Ad saxa nuctus : tumida quorum pectora
Rates ut altae, lateribus spuraas aguut:
25 Dant caudae sonitum; liberae pouto jubae
Coruscant luminibus, fulmiueum jubar
Incendit aequor, aibilisque undae tremuut.
Stupuere mentes. Infulis stabaut sacri
Plirygioque cultu gemina nati pignora
30 Laocoonte, quos repente tergoribus ligaut
Angues coruaci: parvulas illi manus
Ad ora referunt : ueuter auxilio sibi ,
Uterque fratri transtulit pias vices ,
Morsque ipsa miseros mutuo perdit metu.
35 Accumulat ecce liberum funus Parens,
Infirmus auxüiator; invadunt virum
lanr morte pasti, membraque ad terram trahunt.
. Iacet aacerdoa intar aras victima.
Sie .öauptjüge finb in beiben ©teilen ebtn biefetben, unb oerfdjtebeneä ift mit ben näm=
40 liijen'üSorten auägebriicft. 3) od) ba? finb iUeinigfeiten, öie oon felbft in bie Slugen fallen.
63 giebt anbere Äennjeidien ber Radjaijmunj, bie feiner, aber nid)t roeniger fid)er finb.
3ft ber 32ad)al)mer ein^iann, ber fid) etioaS zutrauet, fo abmet er feiten nad), obne oer=
fdjbuern ju toolien; unb toettn ifttn biefe? 9}erid)önern nad) feiner Meinung gegtücft ift, fo
ift er gud)? genug, feine gujjtapfen, bie ben SBeg, roeldjen er fyergefommen, »erraten
45 würben, mit bem ©:f)iöan\e sujuletiren. 2lber ibm biefe eitle Segierbe su oerfdjönern,
unb biefe SJeEmtfamEeit Original ju fdjeinen, entoedt i^n. Senn fein 33erfd)bnern ift nid)t-3
al>3 Übertreibung unb unnatürlid)e3 Staffinieren. SSirgil fagt, aanguineae jubae: sJ5etron,
liberae jubaa lurainibua coruaoant. SSirgit, ardentea oculos auffecti sanguine et
igni: ißetron, fulmiueum jubar incendit aequor. SSirgit, fit sonitus spumaute salo :
50 ^etron, sibilia undae tremuut. ©o gel)t ber 3Jad)aljmer immer au3 bem ©rofcen ins Un-
geheure, au» bem SBunberbaren in§ Unmöglid)e. Sie oon ben <3d)langen umiuunbeneu
1. Sie-3 Refultat mirb oon Robert a. ct. D. S. 203 al§ burd)au3 ridjtig 6ejeid)net>
fd)eint aber bei unferer lücfenfiaften fienntniä oon ber ^Erabition ber Saotoonfage etroas
}u lüfjn. SBenn in ber ätteften Raffung ber S3ater unb ein Soljn umfamen, in einer
anbern fpatern bie beiben Söbne ofme ben SJater, fo föunte bie britte sßerfion, bei ber
ade brei fterben, aui) ief>r toobl älter a[3 33irgtt fein.
40 ffaohoon V.
§d) empfinbe feljr xvoljl, roie tuet biefer !&af)rfcr)emlicr)feit
jur Ijiftorifdjen ©enrijsrjeit mangelt. 216er ba idj aud) nid)t§ l)ifto=
rifdjeS weiter barau§ fdjltejjen raill, fo glaube id) menigftenS, bafs
man fie al§ eine £wpotl)efi§ fann gelten laffen, nad) meldjer ber
(5riticu§ feine ^Betrachtungen aufteilen barf. 23eroiefen ober nidjt 5
benriefen, baf; bie 33ilbr)auer bem Sßirgil nachgearbeitet r)aben: id)
null es blofj annehmen, um ju fel)en, mie fie iljm fobann nadj=
gearbeitet Ijätten. Über ba3 ©efdjrei Ijabe id) nricr) fdjon erflärt.
üBietteidjt, bafj midj bie raeitere ^ergleicfjung auf nidjt weniger
unterridjtenbe 33etnerfungen leitet. 10
©er ©nfatt, ben üBaier mit feinen beiben Söfmen burd)
bie mcrbrifdjen Sdjlangen in einen knoten §u fdjürjen, ift ol)n=
ftreitig ein ferjr glüdlidjer (Einfall, ber r>on einer ungemein ma(e=
rifdjen ^Ijantafie genget. üßkm gehört er? £em SDicr)ter, ober ben
föünftlern? SJiontfaucon raill tlm bei bem 2Md)ter nidjt finben.7) 15
Anaben finb bem SHrgil ein Sparergon, ba§ er mit wenigen 6ebeutenben Strichen binfeist,
in roelohcn man nichts als ihr Unoermögen unb ihren Jammer erlerntet $etron malt
biefes 3?ebenroerf aus, unb macht aus ben Änaben ein S^aar helbenmütige Seelen,
neuter auxilio sibi':'><
l'terque fratri transtulit jiias vices, 20
Morsque ipsa miseros mutuo perdit metu.
2S?er erroartet von 2Jlenfd)en, Don ßinbern, biefe Selbfioerleugnung? 2ßie tnel beffer
fnnntc ber ©rieche bie Siatur (QuintuB Calaber lib. XII. v. 459—461.), roeldjer, bei ®r=
icheinung ber fcbredlidjcn Schlangen, fogar bie SKütter ihrer Äinber r>ergeffen läßt, fo febr
mar jebes nur auf feine eigene (Spaltung Bebactjt. 25
tv-9u yvvatsttg
O'i'fiwtov, y.ai nov Tis *'<""' imliauto rixiiur,
^■iutij äXfvo/uivt] oivysQuv /nöaov
3u oerbergen fuebt fid; ber STCadjabmer gemeiniglich babureb, bafi er ben ©egeufteinben eine
anbere ^Beleuchtung giebt, bie Schatten bes Originals IjerauS, unb bie Siditcr jurüdtreibt. 30
3Sira.il giebt fid) 3)!ühe, bie ©röfje oer Sdilangen recht fiditbar 511 madjcn, roeil »on biefer
©röfje bie äßabrfdjeinlidjfeit ber folgenben Grfdieinung abhängt; bas Öieräufd)e, roelcbcs
fie »erurfadjen, ift nur eine Siebenibee, unb beftimmt, ben 33egriff ber ©röfje auä) baburd)
lebhafter ju machen, ^etron hingegen macht biefe Diebenibce jur j^auptfadie, befdjreibt
ba§ ©eräufd) mit aller möglidien Üppigteit, unb oergifjt bie Sdjilberung ber ©rö^e fo 35
fehr, bafj mir fie nur faft auö bem ©eräufdje fdilicfien muffen. (SS ift fdjmcrlid) ;u glauben,
baß er in biefe Unfdiirfliditeit Herfallen märe, roenn er blofs aus feiner Ginbilbung ge=
fdnlbert, unb fein 3)htf(er »or fid; gehabt hätte, bem er nadjjeidmen, bem er aber nad)=
gejeichnet 511 Ijaben, nidjt oerraten moUen. So fann man junerläffig jcbe3 poetifdje
©emälbe, ba§ in fleinen S"flcn überlaben, unb in ben großen fehlerhaft ift, für eine 40
»erunglücfte Siadjahmung halten, c§ mag fonft fo niele f leine Sdjünbeiteu haben als e§
roill, unb bas Original mag fid; [äffen angeben tonnen ober nicfjt.
') Suppl. uux Antiq. Expl. T. I, p. L'4:i. 11 j a qiielque petite (lifft'rence entre
ce qae dit Virgile, et ce quo Le marbre reprfseute. II semble, selon ce que dit
lr ]M,i'ti-. i|iK.' les serpentä ipiittrrcnt les driix enfants pour venir entortiller le 45
pere, an li6u que dans ce marbre ils Heut en meine tems les enfants et lein pere.
lfi. <parergon, b. h. SJebenmcrf, gebraudjeu bie 2llten gern oon ben Dfebenfiguren
in einem ©emälbe; baljer aud; i;effing im folgenben im ©tcidnü'3 »on einem ©emälbe
bleibt („mit menigen bebeutenben Strid;en" — „^etron malt biefes Jiebeniuert aus").
Caokoon V. 41
2(ber id) meine, SOßontfaucon ijat ben Sidjtet nid)t aufmerffam
genug gelefen.
— — ■ — illi agmine certo
Laocoonta petunt, et primum parva duorum
5 Corpora natorum serpens amplexus uterque
Implicat et miseros morsu depascitur artus.
Post ipsum, auxilio subeunteni et tela ferentern
Corripiunt, spiriscpie ligant ingentibus — —
£er 2)id)ter Fiat bie ©drangen non einer rounberbaren Sänge ge=
10 fdjilbert. ©ie Ijaben bie Änaben umftritfet, unb ba ber $ater
tfjnen ju -Öttfe fbmmt, ergreifen fie aud) irm (corripiunt). 9iad)
ir)rer ©röjse konnten fie fid) nid)t auf einmal von ben Knaben
loSroinben; e§ mufjte alfo einen Stugenbtid geben, ba fie ben
SSater mit tr)ren köpfen unb 2>orberteilen fd)on angefallen Ratten,
io unb mit iljren Hinterteilen bie Knaben nod) uerfd/tungen gelten,
tiefer 2lugenb(id ift in ber ^yortfdjreitung be§ poetifdjen ©emälbeS
notroenbig; ber 2)id)ter lajjt ilm fattfam empfinben; nur irm au&
gumalen, baju mar iijt bie $eit nid)t. SDafj iF)n bie alten 2tu3=
leger aud) roirflid; empfunben t)aben, fdjeint eine Stelle bes>
2u £>onatu§*) 51t bejeugen. 2Bie siel roeniger roirb er ben $ünft=
lern entraifdjt fein, in bereu uerftänbigeä Sluge, alles roa§ ifjnen
uorteilrjaft roerben fann, fo fdmett unb beutlid) einleuchtet?
$n ben Söinbungen felbft, mit roeldjen ber Sinter bie
©drangen um ben Saofoon führet, nermeibet er fefjr forgfiütig
25 bie 2(rme, um ben Rauben alle üjre 2ßirf famfett 51t laffen.
Ule simul manibus tendit divellere nodos,
hierin mußten trau bie ^ünftler notroenbig folgen. 9tidjt3 giebt
mebjr Slusbrud unb Seben als bie Bewegung ber Hänbe; im
8) Donatus ad v. 227. lib. II. Aeneid. Mirandiirn non est, clypeo et sinm-
30 laehri vestigiis tegi potuisse, quos supra et longos et validos dixit, et multiplici
arnüitu circumdedisse Laocoontis corpus ac liberorum, et fuisse superfluam partem.
3Jlicf; bünft übrigens, bafj in biefer Stelle au§ ben SBorten mirandtun non est, entroebcr
ba§ non rocgfaüen mufj, ober am Gnbe ber ganje 9iad)fa$ mangelt. SDenn ba bie Sdjlangen
fo aufjerorbentüd) grof; waren, fo ift e3 aüerbingS gu oerrounbern, baf) fie fid) unter beut
S5 Sdulbe ber ©öttin oerbergen tonnen, roenn biejeS Sdjilb nidit felbft fefir grofs roar, unb
ju einer foloffalifdjen gigiir gehörte. Unb bie SSerfidierung fjieoon mufjte ber mangelnbe
Jiatfifat} fein; ober bao non tjat feinen Sinn.
9 ff. 3JJan »gl. bie eingefjenbe 3crgliebcrung ber SMrgilifcfien @rääf)hing bei iJJKifj, SSergil
unb bie epifd)e Aunft (Öeipsig 1884) S. 57 ff. Seffings 2luffaffung roirb non sj>lüfi ©. 84 ff.
befämpft. — 20. SJonatuS, ein römifdjer ©rammatifer um 400 n. Ebr., ber einen Äom=
mentar jum SCirgil nerfafjt rjat. Snbeffen ift bac-jenige, trag unter biefem ÜKamen auf uns
gefommen ift, ferjr nerbädrtig. — 22. f o fdinelt, in ber Sjbfdjr. urfprünglid) „fo gefdjroiub".
— 32. mid) bünft; baneben gebraudit Seffing aber aud) „mir bünft". — 35. biefe§
Sd)ilb; fo Seffing immer, roäb,renb roir !;eutc in ber Sieget bie SBaffe ben Sd)ilb nennen,
ba§ Scbiib aber eine Safel u. bgl.
42 ffaokoon V.
Stffefte 6efonber§ ift ba% fpredjenbfte ©efidjt ofjixe fte unbebeutenb.
Sinne, burd) bte Sftinge bei- Schlangen feft an ben Körper ge=
fdjloffen, mürben $roft unb £ob über bte ganje ©ruppe ver-
breitet fyaben. 2t(fo fefjen mir fte, an ber Hauptfigur foroorjl atS
an ben Nebenfiguren, in oölfiger SEIjätigfeit, unb ba am meiften 5
befdjäftiget, mo gegenroärtig ber £>efttgfte ©inner,} ift.
Sßeiter aber auet) nidjtö, aU biefe $reü)eit ber 3(nne, fanben
bie $ünftler juträgüdj, in Slufefyung ber SBerftricfung ber ©drangen,
von bem ©idjter 3U entlegnen. SBirgü täjjt bte ©drangen boppelt
um ben £eib, unb boppelt um ben §al§ be3 Saofoon fidt) minben, lo
unb Ijod) mit itjren köpfen über itm lierausragen.
Bis medium amplexi, bis collo squamea cireum
Terga dati, superant capite et cervieibus altis.
SiefeS Si(b füllt unfere Ginbilbungslraft oortrefflid); bie ebelften
Seile finb bis jum ©rftiefen gepreßt unb bas ©ift geljet gerabe 15
nadj bem ©efidjte. Sem olmgeadjtet mar e§ fein 93ilb für ^ünftter,
mcldfje bie SBtrfungen be§ ©tfteä unb beö ©dmterjeö in bem
.Uörper geigen mollten. 'Senn um biefe bemerken 31t formen, mufjten
bie §aupttetle fo frei fein als> möglid), unb burdpus mufjte fein
äufjrer Srud auf fic mirfen, meldjer ba3 «Spiel ber leibenben sj
Heroen unb arbeitenben 9Jlu§Mn oeränbern unb fdjmädjen tonnte.
Sie boppelten SSinbungen ber Schlangen mürben ^n gangen Seib
uerbedt fiaben, unb jene fdnnerglidjc ©injie^ung be§ Unterleibes,
meldje fo fefyr ausbrüdenb ift, mürbe unfidjtbar geblieben fein.
2Ba§ man über, ober unter, ober jroifdjen ben äöinbungen oon 25
bem Seibe nod) erbtieft l)ütte, mürbe unter ^reffungen unb 2(uf=
fdjjroettungen erfd)ienen fein, bie nid)t oon bem innern ©djmerge,
fonbem oon ber äufjern Saft germriet roorben. Ser iben fo oft
umidjlungene |)at§ mürbe bie pi)ramtbatifd)e ßufpi|ung ber ©ruppe,
metd)e bem 2tuge fo angeneljm ift, gänglid) oerborben traben; unl) 30
bie au§ biefer Söulft in§ $reie l)inau§ragenbe fpttje ©drangen*
föpfe l)ütten einen fo plöijlidjen Stbfalt oon 9Jlenfur gemacht, baf^
bie ^orm beö ©angett entwerft cmftöfjig gemorben märe, ©3 giebt
2. arme, ältere, früfjer bäufig gebrauste Sßturatform, neben ber aber aui) immer
bie ^orm „2lrme" oortam — 2t. ausorücf enb; roir ipiiroen feilte bierfür lieber „atiu=
brudtsooll" ober „be^eidjnenb" fagen. — 28. geroirfet; mir bebienen un-3 in folgen
fällen anftatt bes Simpler „roirfen" lieber be>3 Aompofitumä „beroirfen". — 31. aui
biefer SBuIft; beute gebraust matt SBulft In ber ;Hegel mannlid); bod) ift bie roeibücfje
gorm riditiger (ogl. öefcftroulft). — Sä. Abfall oon SDtenfur, b. b- SC6n>eii$ung pon
ben rid)tigen uitD fd)önen SSer^ältniffen; ,/U(en[ur" mte tueusura bei Pliu. XXXV, 75
im Sinne oon „Proportionalität".
fl'oohoon V". 43
geidjner, meldje uraierfiänbtg genug geroefen finb, fidj bem olm=
geadjtet an ben Siebter 51t btnben. 2öa§ benn aber aud) baraus
geworben, läf?t fidj unter anbem aus einem blatte bes $rang
Gtemx:) mit 3(bfd)eu erfennen. ®ie alten SBilbfjauer überfaljen
5 es mit einem 23(id'e, baf? tt)rc iRunft r)ter eine gänglidjc 2lbanbe=
rung erforbere. ©ie verlegten alle SÖinbungen oon bem SeiBe unb
£>alfe, um bie ©djenfel unb $üf;e. .frier konnten biefe SKKnbungen,
bem 2(usbrude unbefdjabet, fo tuet beden unb preffen, als nötig
mar. §ier erregten fie gugleid) bie £>bee ber gehemmten <ylud)t
10 unb einer 2lrt oon Unbemeglidjfett, bie ber fünftftdjen $ortbauer
beö nämlidjen ßuftcmbeä fein uorteilljaft ift.
Irjjd) roeif, nid)t, mie es gefommen, bafs bie ^unftrtdjter biefe
$ßerfd)iebenl)eit, roetdje ftd; in ben SBinbungen ber ©drangen
groifdjen bem Kunftmerfe unb ber 23efd)reibung bes £)id)ters fo
15 beutlid) geiget, gänglid; mit ©tiltftfjraeigen übergangen fjaben. ©ie
ergebet bie 2ßeisl)eit ber Künftler eben fo fein* als bie anbere,
auf bie fie alte fallen, bie fie aber ntdjt fotooljl angupreifen roagen,
als uielmeljr nur gu entfdjitlbigen fudjen. $d) meine bie SSer=
fdjiebenljeit in ber 33e!leibung. 2>irgils Saofoon ift in feinem
20 priefterlidjen Ornate, unb in ber ©ruppe erferjeinet er mit beiben
feinen Sölmen, uötlig nad'enb. -Xftan fagt, es gebe Seute, roeldje
eine grof;e Ungereimtheit barin fänben, bafc ein $önigsfot)n, ein
^riefter, bei einem Opfer, nadenb oorgeftellet werbe. Unb biefen
Seilten antworten Kenner ber Hunft in allem Grnfte, bafj es aller=
25 bings ein $el)ler miber bas Übltdje fei, bafj aber bie ^ünfiter
bagu gegtmmgen roorben, meil fie iljren Figuren feine anftänbige
Reibung geben tonnen. Sie 33ilbl)auerei, fagen fie, lönne feine
(Stoffe nadjalnnen; bide galten matten eine üble äöirfung; aus
groei Unbequemlidjfeiten Ijabe man alfo bie geringfte roäljlen, unb
30 lieber gegen bie 2öal)rl)eit felbft uerftofjen, als in ben ©euninbem
'■') 3n ber prädjtigen 2lusgabe t>ou Snjbeno engltfdjem SSirgtt. (Sottbott 1697 in grofs
golio.) Unb bod) fyat aud) biefer bie äBtnbungcn ber Schlangen um ben 2eib nur einfad)
unb um ben öals faft gar nid)t geführt. SQJenn ein fo mittelmäßiger fiünftler anbers
eine ©ntfdutlbigung oerbtettt, fo fönnte iljttt nur bie j*u ftattett fommen, bafs fittpfer ju
35 einem 33ud)e als blofje Crläuterungen, uid)t aber als für ftd) beftebenbe flunftroerfe ;u
Betrachten ftnb.
4. Aiattä Glepn, ÜJlaler unb Mupfcrftedjer, 1590—1658. — 21 ff. Qn ber antifett
ftunft ift e3 etwas burd>au3 ßeroölmlicfieS, bafj felbft ba Diacftbeit geroätjlt wirb, reo fie
an ftd) jur bargeftellten Situation burd;aus nia)t pafst; fo toerben jtrieger tuobl mit ,§elm,
Sdjtlb unb 8einfd)ienen, aber otjnc fanget bargeftellt, toas im roirflidjen Äampfe nie »or»
tarn. ®er ©runb ift aud) bier ber oou Sefftng angegebene. — 81. ©rnben, 3°^n/ &es
rüljmter euglifdjer Siebter, 1631— 17U0.
44 4'aoUoem V.
tobcl^aft werben muffen.10) Sßertn bie alten 2Irtiften bei bem
Ginrourfe ladjen mürben, fo roeif, id) nidjt, roa§ fie ju ber 33e=
antroortung fagen bürften. 9Kan lann bte $unft nidjt tiefer
Ijerabfeijen, al§ e§ baburd) gefdjieljet. SDenn gefegt, bie Sfufytur
tonnte bie verfdjiebnen Stoffe eben fo gut nadja Innen, als bie s
SDlaleret: mürbe fobann Saofoon notroenbig befleibet fein muffen?
2öürben mir unter biefer SBefletbung nid)t§ nerlieren? §at ein
©eroanb, ba§ 2öerf fflauifdjer £änbe, eben fo uiel <3d)önl)eit als
baS Sßerf ber eroigen 2ßeiSl)eit, ein organifierter Körper? @r=
forbert e§ einerlei gät)igfeiten, ift eS einerlei SBerbienft, bringt eS 10
einerlei Gtjre, jenes ober biefen nad^ualjmen? SSBotten unfere
2(ugen nur getäufdjt fein, unb ift eS iljnen gleid; niel, roomit fie
getäufdjt merben?
Sei bem £)id)ter ift ein ©eroanb fein ©eroanb; eS nerbetft
nidjts; unfere GinbilbungSfraft fieljt überall (nnburd). Saofoon 15
l)abe eS bei bem üßirgtf, ober §abt eS nid)t, fein Seiben ift il)r
an jebem %z\U feines Körpers einmal fo fidjtbar, roie baS anbere.
Sie ©tirne ift mit ber priefterlidjen SBinbe für fie umbunben, aber
nidjt umfüllet. $a, fie tjinbert nidjt allein nidjt, biefe 23vnbe; fie
nerftärft audj nod; ben ^Begriff, ben mir uns uon bem Unglücfe 20
beS Seibenben madjen.
10) ©0 urteilet felbft SCe SpüeS in feinen Shimevfungen über ben 2)u gre3non v. 210.
Remarques, s'il vous plait, que les Draperies tendres et legeres n'etant donn^es
qu'au sexe f6minin, les anciens Sculpteurs ont evite autant qu'ils ont pü, d'ha-
biller les figures d'hommes; parce qu'ils ont pense, comme nous l'avons ddjä dit, 25
qu'en Sculpture on ne pouvoit imiter les etoffes et que les gros plis faisoient un
mauvais effet. II y a presque autant d'exernples de cette verite, qu'il y a parmi
les antiques de figures d'hommes nuds. Je rapporterai seulement celui du Lao-
coon, lequel selon la vraisemblance devroit etre vetu. En effet, quelle apparence
y-a-t'il qu'un fils de Roi, qu'un Pretre d'Apollou se trouvät tout nud dans la 30
ceremonie actuelle d'un sacrifice; car les serpens passerent de l'isle de Tenedos
au rivage de Troye, et surprirent Laocoon et ses fils dans le tems meine qu'il
saerifioit ä Neptune sur le bord de la mer, comme le marque "Virgile dans le
second livre de son Eneide. Cependant les Artistes, qui sont les Auteurs de ce
bei ouvrage, ont bien vü, qu'ils ne pouvoient pas leur donner de vetements con- 35
venables ä leur qualite, sans faire comme un amas de pierres, dont la masse
rcsembleroit ä un roeber, au lieu des trois admirables figures, qui ont etfe et
qui sont toujours l'admiration des siecles. C'est pour cela que de deux incon-
reniens, ils ont juge celui des Draperies beaueoup plus fächeux, que celui d'aller
contre la verite meme. , 40
11 ff. 3)effenimgcad)tet ift nidyt ju überfeljen, bafs eS and; eine Sdjönfieit ber ©erocin*
bung gießt, bie in i!)rer 3lrt mit ber ©djönfyeit beS Äbrperä root}I 311 roetttifent iutftanbe
ift. Sie alte Äunft bietet hierfür 5<it)[reid)e SBelegc. — 22. S)u gresnon, ein fransöfi=
fiher «Maler (lfill— HJ65), ift SBcrfafjcr etneS lateinifdten £el)rgebid)te3 über bie 3Halcrei:
„De arte grapbica über" (1684 und) feinem Sobe publiäiert); einen Kommentar bajit
bat 9ioger be ijBileö (1C35 — l7o:u, roeldjer midi fclßfü einen Cours de pointure ge*
fd)riebcn, nerfajjt.
4'aokoon VI. 45
Perfusus sanie vittas atroque veneno.
■Jttdjtö Ijilft ifym feine priefterfidje 2Sürbe; fetbft bas geidjen ber=
felben, bas iJjtrt überall 2(nfel)cn unb 5ßeret)ntng r»crfdf>afft, mirb
non bem giftigen ©eifer burdmetjt unb entheiliget.
5 216er biefen Diebenbegriff mufjte ber 2(rtift aufgeben, roenn
bao §aupttt)erf nidjt leiben fotlte. £uüte er bem Saofoon audj
nur biefe 23inbe gclaffett, fo mürbe er ben 2lusbrud um ein grofjeS
gefdnotidjt Ijaben. ®ie ©titne märe gum Seit uerbedt roorben,
unb bie ©tirrie ift ber ©t| be§ 2Iusbrude3. 3öie er alfo bort,
10 bei bem ©djreien, ben 2(uöbrud ber ©djönfyeit aufopferte, fo opferte
er Ijier baö Üblidje bem 2lu3brude auf. Überhaupt mar ba§
Üblidje bei ben 2Uten eine fcfyr geringfdf>ä^iQC (Bad)t. ©ie füllten,
bafi bie Ijödjfte 33eftimmung ifyrer Kunft fie auf bie völlige @nt-
bel)rung beSfelben führte, ©djönjjeit ift biefe fyödjfte 23eftimmung;
15 9tot erfanb bie Kleiber, unb ma§ rjat bie $unft mit ber dlot ju
tl)im? ^d) gebe e§ gu, bafi eg audj eine ©djönfyeit ber 23ef(ei=
bung giebt; aber was ift fie, gegen bie ©djönfyeit ber menfdjlidjen
$orm? Unb wirb ber, ber ba§ ©rötere erretdjen lann, fid; mit
bem Meinern begnügen? %d) fürchte fefjr, ber nofffommenfte
20 9)teifter in ©emänbern, geigt burd) biefe ©efdjidlidjfeit fetbft,
moran e3 tfmt fefylt.
VI.
SReine 33orau§fei3itng, baf} bie $ünftler bem £>td)ter nady-
gealnnet Ijaben, gereicht ifynen nid)t gut 23erfleinerung. ^r)re 23ki3=
25 fjeit erfdjeinet nietme^r burd; biefe Siadjafymung in bem fdjönften
Sidjte. ©ic folgten bem ©idjter, ofyne fid) in ber geringften $leinig=
feit oon i()m »erführen §u (äffen, ©ie fyatten ein 23orbilb, aber
ba fie biefeS 33orbiIb au§ einer üunft in bie anbere hinüber tragen
mußten, fo fanben fie genug ©elegenfyeit felbft gu benfen. ilnb
30 biefe ifyre eigene ©ebanfen, meldje fid) in ben 2tbmeid;ungen oon
ifyrem 2Jorbilbe geigen, beroeifen, baf} fie in ifyrer ^unft eben fo
grof? gemefen ftnb, al§ er in ber feinigen.
9iun miß id) bie 23orau§fe|ung umM)ren: ber ©idjter fof(
ben ^ünftlem nadjgeafymet Ijaben. @§ giebt ©eletjrte, bie biefe
8 f. ÜHart ogl. bnö [ateiuifdje Spridnoort frons ianua meiitis. — 12. gering«
fdjatsig braudjen mir jetst in ber Sieget nur aftiu, gteid) „geringidjätjenb", loätjrenb e>3
fjier unb aud) fonft 6ei ^effing in paffiuem Sinne, gteidj „geringge[d;ä§t" geOraudjt ift.
4G tfuohoon VI.
§Borau§fe$ung al§ eine Sßarjrfjeit behaupten. ') 25a jj fie f)iftortfd)e
(SJrünbe baju Ijahm formten, nutzte id) nidjt. 2Iber ba fie ba§
Kunftmerf fo überfdjmängiid) fdjön fanben, fo fonnten jie fid) nid)t
bereben, bafj es» au§ fo fpäter 3eit fein foltte. (So mujjte aug
ber 3eü fem/ oa *"e fötnft in ifyrer uottfommenfien SBIüte mar, 5
weil eo barauö 51t fein nerbicnte.
G§ ijat fid) gezeigt, bafj, fo tiortrefflidj t>a$ ©emälbe be§
^irgi(3 ift, bie ^ünftler bennod) oerfdjiebene 3üge beöfelben nid)t
Brausen fbnnen. 25er 6at$ leibet alfo feine ©nfdjränfung, bajj
eine gute poetifd)e Sdjilberung and) ein guteö roirt'lidjeö ©emälbe 10
geben muffe, unb baf? ber 2>id)ter nur infomeit gut gefdjübert
Ijabe, als trjttt ber 2(rtift in allen Bügen folgen tonne. 3)ian ift
geneigt, biefe @infd)ranfung §u »ermitten, nod) efye man fie burd)
Seifpiele erhärtet fieljt; blofj au§ ©rmtigung ber mettern ©pfjäre
ber ^oefie, au3 bem unenblidjen $elbe unferer GHnbilbunggfraft, 15
au% ber ©eiftigfeit ifyrer Silber, bie in größter 9Jienge unb
93iannigfaltigleit neben einanber ftefyen fönnen, orjne bafj eine§
ba§ anbere bed't ober fdjänbet, roie e§ mofjl bie 2)inge felbft, ober
bie natürlichen 3eid)en berfetben in ben engen ©djranfen be§
9{aume§ ober ber 3eit tr)un mürben. 20
2öenn aber ba§ kleinere baS ©rötere nidjt faffen fann, fo
fann ba§ kleinere in bem ©röfjern enthalten fein. $d) mitt fagen;
roenn nidjt jeber Qua,, ben ber malenbe 2>id)ter braudjt, eben bie
gute SHHrfung auf ber $läd;e ober in bem vDiarmor Ijaben fann:
fo mödjte vietteidjt jeber 3ug/ beffen fid) ber 2(rtift bebienet, in 25
0 SJlaffci, 3tid)arbfon, unb nod) ncuerlid; ber ige« von §agcborn O-Öetraditungen über
bie 3)ialerei B. 37. Richaidson , Traite de la Peinture. Tome III. p. 513.). Be Jrnt;
taineö oerbient es moljl nid)t, baß id) ifyn biefen Scannern beifüge. @t l)ült 3i»ar, in ben
Slnmerfungen ;,u feiner Überfe^ung beo SSirgits gleidjfallo bafür, bafj ber 3>id)ter bie ©ruppe
in 3Iugen geljabt Ijabe; er ift ober fo unmiffenb, bnjj er fie für ein SBerf beo ^[;ibia? 30
au§giebt.
1 ff. S3ao ift im allgemeinen aud) Ijcute nod) bie am meiften Derbrettete Sluffaffuug,
baf; bie Äunft ber ftaiferjeii nid)t mefjr fäfjig gemefen fei, ein SBcrt roie ben Saofoou au«
eigener .ftraft ju erfinben. Seitbem man freilid) bie pergameuifebeu l'lltarreliefo fennen
gelernt, ift »on oerfd)iebcnen Seiten angenommen roorben, bafs bie Situation be€ Vaotoon
uidjt gans originale Cifinbung fei; unb bamit mürben bie Serteibiger berjenigen 3(nfid;t,
monad) bie ©ruppe unter Situ? gearbeitet märe, au betten e§ aud) feilte nod) nidjt fef)lt,
einen neuen Stüljpunft geniinnen. — 2(1. ©cipione SDlaffei, bebeutenber italienifd;er
Slrdjiioiog unb .Uuuftfammler (1G75 — l"t!>:>). ®en Vaotoon befprad) er in feiner ©r«
flüvuug alter Statuen, laf. I. — Sonatfjan iKidjarbfon, englifdjer Sialer unb
Mniiftfdn'iftftcUer (l(iG3— 1745). Über feine Sdjrift „Über bie Jljeorie ber Malerei" »gl.
oben bie Einleitung S. XI. — Gljrift. Subm. ». £ageborn (ber SSruber be§ befannten
Mnafrcontifevy griebridj ». ö-), SMreltor ber fiidififdjcn fiunftatabemieen unb flunftfefetfc
ftcDer (1713— nsO). Über feine „Betraditungen über bie Sialerei" f. Einleitung S. XVI.
— 27 f. bc ^outaines (ober XcMontaines), franjöfifdjer .ftritifer (1685—1745), 33erf.
einer Übericßung bes SJtrgil.
tfaohoon VI. 47
bem SBerfe bcS £id;ter§ r>on ebenfo guter üEßirfung fein formen?
Dljnftreitig; benn roa§ wir in einem ftunftwerfe fdjön finben, ba§
finbet nietet unfer 2luge, fonbem unfere ©inbilbungetraft, burd;
ba§ 2tuge, fdjön. S)a§ nämlidje 33ilb mag alfo in unferer @tn=
5 bilbungefraft burd) willfürlidje ober natürliche 3eid;en wieber er=
regt werben, fo mufj aud; jjeberjett bo§ nämlidje ÜBoIjlgefaffen,
obftfjon nid)t in bem nämlid;en ©rabe, mieber entfielen.
2>iefe§ aber eingeftanben, mujjj id; befennen, bat) mir bie
SBorau§fe$ung , Sßirgtl l;abe bie Mnftler nad;geal;met, roeit un=
10 begreiflicher wirb, al§ mir baö SSiberfpiel berfelben geworben ift.
SEßenn bie föünftler bem £id;ter gefolgt finb, fo fann id) mir oon
allen üjren 9lbmeidnmgen 9fabe unb Antwort geben, ©ie mußten
abweid;en, weil bie nämlid;en 3üge be§ 2)id)tere in iljrem SBerfe
Hnbequemlidjfeiten oerurfad;t l;aben mürben, bie fid) bei ifvm nidjt
15 äußern. Sfber warum mutete ber 5Dtcr)ter abmeid;en? Sßann er
ber ©nippe in allen unb jeben (Etüden treulid) nachgegangen wäre,
würbe er un§ nidjt immer nod; ein nortrefflidjeö ©emälbe ge=
liefert tja&en?2) Qd) begreife mol;l, wie feine uor fid; felbft arbeitenbe
-) £d) fann nüd) besfalls auf niefito entfcficibenbereel berufen, als auf ba§ (Uebicfjt be§
20 Sabolet. 63 ift eine3 alten ©idjters roürbig, unb ba es fe&r luobl bie Stelle eineä SupferS
oertteten fann, fo glaube id; es fner ganj einrücfen 511 bürfen.
DE LAOCOONTIS STATUA
IACOBI SADOLETI CAR3IFX.
Ecce alto terrae e eurnulo, ingentisque ruinae
25 Visceribus, iterum reducem louginqua reduxit
Laocoonta dies; aulis regalibus olim
Qui stetit, atque tuos ornabat, Tite, penates.
Divinae simulacrura artis, nee doeta vetustas
Nobilius speetabat opus, nunc celsa revisit
30 Exemptuni tenebris redivivae moenia Roruae.
Quid primum summumve loquar? miserumne parentem
Et prolem geminam? an sinuatos flexibus angues
Terribili aspectu? caudasque irasque draconum
Vulneraque et veros, saxo moriente, dolores?
35 Horret ad haec animus, mutaque ab imagine pulsat
Pectora , non parvo pietas commixta tremori.
Prolixuin bini spiris gloruerantur in orbeni
Ardentes colubri, et sinuosis orbibus errant,
Ternaque multiplici constringunt Corpora nexu.
40 Vix oculi sufferre valent, crudele tuendo
Exitium . casusque feros: micat alter, et ipsum
Laocoonta petit, totumque infraque supraque
Implicat et rabido tandem ferit ilia morsu.
Connexum refugit corpus, torquentia sesc
5. Über will! ürlio)e unb natürlirfje 3eicf)cn pgl. man 2l6id)n. XVII. — üO.
Safob gabolet (1477— 154*), fiarbinol unb formgeroaubter lateinifdjer SMditer. —
Gs ift eines alten Jidjters roürbig; in ber §bfd)r. urfprünglicf) : ,,©s ift nor^
trefflief)".
48 faokcott VI.
Sßljantafie i f> jx auf biefcn unb jenen $ug bringen lönnen; aber
bie Urfad^cn, roarum feine SBeurteitungsfraft fdjöne Büge, bie er
üor 3(ugen gehabt, in bicfe anbere 3uge oerroanbeln 511 muffen
glaubte, biefe motten mir nirgenbß einleuchten.
Wxd) bünfet fogar, menn Birgit bie ©ruppe 311 feinem §Bor= 5
bilbe gehabt Ijtittc, bap er ftdj fdjroerlid) mürbe §aben mäßigen
fönnen, bie SSerftridfung aller brei Körper in einen Knoten, gleidjfam
nur erraten §u (äffen. Sie mürbe fein 2(uge ju lebhaft gerührt
b/tben, er mürbe eine 51t treffliche 2ßirfung non iln* empfunben
t)aben, als baf$ fie nidjt and) in feiner ÜBefdjreibung meljr oor= 10
ftedjen follte. $d) Ijabe gefagt: e§ mar ifct bie $eit wdjt, biefe
2>erftridung ausmalen. 5tein; aber ein einziges Sßort melm
mürbe il)r in bem ©chatten, roorin fie ber Sidjter laffen muf$te,
Membra, latusque retro sinuatuin a vulnere cernas.
Ille dolore acri, et laniatu impulsua acerbo, 15
Dat gemitum ingentem, crudoaque evellere dentes
Connixua , laevam irnpatiens ad terga Chelydri
Obiicit: intendunt nervi, collectaque ab omni
Corpore vis frustra suminis conatibus instat.
Ferre nequit rabiem, et de vulnere murmur anhelum est. 20
At serpens lapsu crebro redeunte subiutrat
Lubricus, intortoque ligat genua infima nodo.
Absistunt aurae, spirisque prementibus aretum
Crus turnet , obaepto turgent vitalia pulsu,
Liventesque atro distendunt sanguine venas. 25
Nee minus in natos eadem vis effera saevit
Implexuque angit rapido, miserandaque membra
Dilacerat: jamque alterius depasta cruentum
Pectus, suprema genitorem voce cientis.
Circumiectu orbis, validoque volumine fuleit. 30
Alter adhuc nullo violatus corpora morsu,
Dum parat addueta caudam divellere planta,
Horret ad adspectum miseri patris, haeret in illo ,
Et jamjam ingentes flectus, laehrymasque cadentes
Anceps in dubio retinet timor. Ergo perenni 35
Qui tantum statuistis opus jam laude nitentea,
Artifices magni (quanquam et melioribus actia
Quaeritur aeternum nomen, multoque lieebat
Clarius ingenium venturae tradere famae)
Attamen ad laudem quaeeunque oblata facultas 40
Egregium hanc rapere, et summa ad fastigia niti.
Vos rigidum lapidem vivis animare figuris
Eximii, et vivos apiranti in marmore aensus
Inserere, aspieimus motumque iramque doloremque ,
Et paene audimus gemitus : vos extulit olim 45
Clara Rhodos, vestrae jacuerunt artis honores
Tempore ab immenso, quos rursum in luce seeunda
Roma videt, celebratque frequens: operisque vetuati
Gratia parta recena. Quanto praeatantiu8 ergo eat
Ingenio , aut quovis extendere fata labore , 50
Quam faatua et opea et inanem extendere luxum.
(v. Leodegarii a Quercu Farrago Poematum T. II. p. fi3.) 21ud) (SJvuter l)at biefe?
®ebid)t, nebft anbeni be>3 Sabolets feiner befannten Sammlung (Delic. Poet. Italorum
Parte alt. p. 582.) mit einucrleibet ; allein fehr fehlerhaft. 'Jür bini (v. 14) liefet er
vivi; für errant (v. 15) uram, u. f. m. K 55
ffaokoon VI. 49
«inen fef)r entfdjeibenben £rud uielleicbt gegeben tjaben. 2Öa§
bei xHrtift, ofjne biefeS 2Bort entbeden tonnte, roürbe ber 3)td)ter,
luenn er e§ bei bem Prüften gefefyen fiätte, nicrjt o(me baöfelbe ge=
[äffen Iiaben.
5 2)er Slrtift fjatte bie bringenbften Urfadjen, baö Seiben beö
Saofoon nid)t in ©efdjrei ausbrechen 311 laffen. Söenn aber ber
SDtdjter bie fo rüfyrenbe 3>erbinbung von Scbmer3 unb ©djönljeit
in bem töunftmerfe oor fid) gehabt (jätte, ma§ (jätte it)n eben fo
unoermeiblidj nötigen tonnen, bie $jbee non männlidiem 2(nftanbe
10 unb großmütiger ©ebulb, roeldie aus biefer 23erbinbung be§
GdnneqeS unb ber <3d)önr)eit entfpringt, fo »öttig unangebeutet
jju (äffen, unb un§ auf einmal mit bem gräftlidjen ©efdjret feineo
SaofoonS 511 fdn-eden? ^idjarbfon fagt: $irgi(ö £aofoon muf?
fdjreien, roetl ber ©idjter nidjt foroob,! 9)tttleib für iljn, aU
15 ©djreden unb ©ntfetjen bei ben Xrojanem, erregen miß. $cr)
mitt eS jugeben, obgleid) ^idjarbfon nidjt erwogen 511 fjaben fdjeinet,
bafj ber 2)id)ter bie Sefdjreibung nidjt in feiner eignen ^jerfon
madjt, fonbem fie ben 2Inea§ madjen läf$t, unb gegen bie 2>ibo
macben täfst, beren 9)citleib 2mea3 nidjt genug beftürmen formte.
20 21tlein mid) befrembet nidjt ba3 ©efdjrei , fonbem ber sDtanget
aller ©rabatüm biö ju biefem ©efdjrei, auf roetdje bas ^unftmerf
ben S)id)ter natürlicher äßeife t)ätte bringen muffen, mann er e§,
roie mir oorauöfe&en, 51t feinem 9>orbitbe gehabt Ijätte. 5Ridjarbfon
füget Ijmgu:3) bie ©efd)id)te beö Saofoon fofte b(of? 311 ber patl)c=
25 tifdjen 23efd)reibung ber enbUdjen ^erftörung leiten; ber 2)id)ter
tjabe fie alfo nidjt intereff anter madjen Dürfen, um unfere 3luf=
merffamfeit, roeldje biefe letzte fdjrecflitfie Sßadji ganj fobere, burdj
ba§ Unglüd eines einzeln 93ürgero nidjt 311 gerftreuen. 3lffein
baö Ijetjjt bie ©adb,e auö einem malerifdjen 2lugenpunfte Betretenen
30 motten, aus meldjem fie gar nidjt betrachtet merben fann. 2)a§
Unglüd be§ Saofoon unb bie ßerftörung finb bei bem £)id)ter
feine ©emälbe neben einanber; fie madjen beibe fein ©anjeö aus,
ba§ unfer 2(uge auf einmal überfeinen fönnte ober fottte; unb nur
3) De la Peinture, Tome III. p. 51G. C'est l'horreur que les Tro'iens ont coii(;ue
35 contre Laocoon, qui «Hait necessaire a Virgile pour la conduite de son Poeme;
et cela le rnerie ä cette Description pathetique de la Destruction de la patrie de
Bon Heros. Aussi Virgile n'avoit garde de diviser l'attention sur la derniere
nuit, pour une grande ville entiere, par la peinture d'un petit malheur d'un Par-
ticulier.
20. aiugenpunf tc, b. i). ©efid^töpunfte.
Seffingä äBerfe 9. 4
50 ffaohoon VI.
in biefem Aalle märe e§ ju beforgen, bafj unfere JUide meljr auf
ben Saofoon a(6 auf bie brennenbe Stabt fallen bürften. Leiber
33efd)ro&imgen folgen auf einanber, unb idj fefye nid)t, melden
9tad)teil eö ber folgenben Dringen tonnte, menn uns bie r>ort)er=
gebenbe autf) nod) fo feljr gerührt r)ätte. ߣ fei benn, bafj bie 5
folgenbe an fid) felbft nid)t rü^renb genug märe.
v)iod) roenigcr Urfadje mürbe ber SDidjier gehabt Ijaben, bie
SBmbungen ber (Schlangen gu »eränbern. ©ie befdjäftigcn in bcm
.Hunftmerfe bie £änbe, unb uerftriden bie ^üjüe. <2o fer)r bem
2luge biefe Verteilung gefällt, fo lebljaft ift baö 23ilb, meld)e§ 10
in ber Ginbilbung bauon ^urüdbleibt. @§ ift fo beutlid) unb
rein, bafs es fid) burdj äßortc nidjt niel fdjmädjer barftetlen läjst
al§ burd; natürlidje 3eid)en.
— — — ■ — micat alter, et ipsum
Laocoonta petit, totumque infraque supraque 15
Implicat et rabido tandem ferit ilia morsu
At serpens lapsu erebro redeunte subintrat
Lubricus, intortoque ligat genua infima nodo.
£a§ finb ßetfen be§ Sabolet, bie non bem üßtrgil ofjne 3meifel 20
nod) malerifdjer gekommen mären, menn ein fidjtbares Vorbilb
feine ^>l)antafie befeuert l)ätte, unb bie aisbann geroifj beffer ge=
mefen mären, a(3 raa§ er un§ i£t bafür giebt:
Bis medium amplexi, bis collo squamea circum
Terga dati, superant capite et cervicibus altis. 25
£iefe 3uÖe füllen unfere CinbilbungSfraft allerbingS; aber fie
muj$ nid)t babei uerraeilen, fie mup fie nid)t auf§ reine ju bringen
fudjen, fie muf? it$t nur bie ©drangen, itjt nur ben £aof"oon fer)en,
fie mujj fid) nidjt vorftellen mollen, meldje ^tgitr beibe gufammen
madjen. 2obalb fie hierauf verfällt, fängt i()r baö 3>irgilifd)e 00
33ilb an ;u mifjfatten, unb fie finbet e§ l)öd)ft unmalerifd).
2ßären aber aud) fdjon bie ÄuTänberungen, meldje 3>irgil
mit bem i()in geliehenen Vorbilbe gemadjt ()ätte, nidjt unglüdlidj,
fo mären fie bod) btofs mitlt'ürlidj. 9)?an aljmet nad), um är)nficr)
ju werben; fann man aber älntlid) merben, menn man über bie 35
-)iot oeränbert? Vielmehr, menn man biefes tfjut, ift ber Marfan
Hat, bajj man nidjt äljnlid) merben mollen, bajj man alfo nidjt
uadigealjmet babe.
tohoon VII. ö 1
9iid)t baS ©an je, fönnte man einroenben, aber roofjt biefen
unb jenen Seil, öut; bod) roeldjeS jtnb benn biefe eingeln Steile,
bie in ber 23efd)reibung unb in bem ^unftroerfe fo genau ü6er=
etnfthrnnen, bafs fie ber Sinter aus biefetn entlehnet gu fyabm
;> fdieinen fönnte? SDen 3>ater, bie ^tnber, bie ©drangen, baS alles
gab bem £>icf)ter forool)! als bem Strtiften, bie (Sefdjitfjte. 2luf$er
bem §iftorifd)en fommen fie in nidjtS überein, als barin, bajs fie
$inber unb 3Jater in einen etnjigen ©djlangenfnoten nerftricfen.
2lltein ber Ginfatl fjiergu entfprang aus bem ueränbertcn t)iftorifd)en
10 Itmftanbe, baf? ben 3jater eben baSfelbe Unglüd betroffen Ijahe,
als bie ^inber. ^Diefe 23eränberung aber, rote oben erroäfjnt
roorben, fdjeinet 23trgil gemacht §u fyahm; benn bie griedjifdje
^rabition fagt gang etroaS anberS. ^otgtid), roenn in 2tnfelmng
jener gemeinfdjafttidjen 33erftridung auf einer ober ber anbem
iö Seite 5Jiad)al)mung fein fott, fo ift fie roaf)rfd)eintid;er auf ber
Seite ber $ünftter als beS 3)id;terS §u nermuten. ^n allem
übrigen roeid)t einer non bem anbem ab, nur mit bem Unter=
fdnebe, baj$ roenn eS ber ^ünftler ift, ber bie 2lbraeid)ungen ge=
madjt l)at, ber 2Jorfatj ben £>id)ter nadjjualnnen nod; babei befteljen
20 fann, inbem ifm bie S3eftimmung unb bie Sdjranfen feiner Äunft
baju nötigten; ift eS hingegen ber £)id)ter, roetdjer ben ^ünftler
nacfjgeafjmet fjaben foll, fo finb alte bie berührten 2lbroeidnmgen
ein SeroeiS roiber biefe uermeintlidje 9tad)al)tmmg, unb biejenigen,
roeldje fie bem ofmgeadjtet behaupten, fönnen roeiter nidjtS bamit
25 motten, als bafc baS ^unftmerf älter fei, als bie poetiftfje 23e=
fdjreibung.
VII.
2öenn man fagt, ber ^ünftter afjme bem 2>id)ter, ober ber
Sinter afjme bem Mnftler nadj, fo fann biefeS sroeierlei bebeuten.
so Gntroeber ber eine macfjt baS Söerf beS anbem ju bem roirflidjen
©egenftanbe feiner Dtadjatmtung, ober fie fjaben beibe einerlei
25 f. Jlucfi oon ben Skrteibigern berülnfidjt, bafj ba§ Äunftioerf älter fei al§ baS Ses
bidjt, wirb ijeutsutage nictjt meljr behauptet, bafi Birgit bie ©nippe bei feiner S3e»
fdjreibung im Sinne gehabt tjabe. 2lUerbingö madjen bie ßiegner aisbann roieber ben
ßinroanb, eo fei bod) fctjr auffallenb, bafs SBirgil, wenn bie Saofoongruppe J« feiner 3"t
fdjon eriftierte unb fid) in SHotn befanb, uidtt burd) biefelbe Beeinflußt roorben roäre. 20Iein
man roirb burd) nidito ^u ber 2Innatmie genötigt, bafj bie ©ruppe fdron jur 3eit beS SSirgil
in Rom mar; fie fönnte fetjr roofjt crft unter ben fiaifern von ifjrem urfprünglid)en ©tanb=
orte f)er naa) 3iom oerfetst roorben fein.
4*
52 ffiaokoon VII.
©egenftanbe ber üfta$a$tmmg, unb bei- eine entlehnet oon bem
anbern bie Sfrt unb 2Beife c§ nad^ualjmen.
2ßenn SSirgil baS ©djilb be§ 2fnea3 befdjreibet, fo afjmet er
beut ttünftler, roeldjer biefes ©djilb gemadjt fyat, in ber erften
Söebeutung nad). S)a§ Munftmerf, nid)t bae nuts auf bem ^unft- 5
werfe uorgeftettet roorben, ift ber ©egenftanb feiner ^tadjalnnung;
unb menn er aud) fdjon ba§ mit betreibt, roa.% man barauf
uorgefteffet fiel)!, fo befdjreibt er eö bod; nur aU ein Xeü bes>
<Sd)übe3, unb nidjt al§ bie <£ad)t felbft. 2öenn 3?irgil hingegen
bie ©ruppc Saofoon nadjgealpnet Ijätte, fo mürbe biefe§ eine u>
Diadjalpnung von ber jmeiten ©attuug fein. Senn er mürbe
nidjt biefe ©ruppe, fonbem ba§, roa§ biefe ©ruppe uorftetfet,
nadigealjmet, unb nur bie 3U9C feiner 9?ad)al)mung oon iln ent=
leimt fyaben.
33ei ber erften 9iad)al)mung ift ber Sidjter Original, bei ber 15
anbern ift er Äopift. 2>ene ift ein Seil ber allgemeinen 9tad)=
aljmung, meldje ba§ 2Befen feiner Kunft ausmadjt, unb er arbeitet
alö ©enie, fein Ssormurf mag ein üfikrf anbrer fünfte, ober ber
9iatur fein. Siefc hingegen fettf if)n gättgltdj non feiner Sßürbe
Ijerab ; anftatt ber Singe felbft afjmet er il)re 9iadjal)mungen nad), 20
unb giebt uns falte (Erinnerungen oon $ügen eines fremben ©enieö,
für urfprünglidje 3üge feines eigenen.
SBenn inbe3 Sidjter unb ^ünftter biejenigen ©egenftänbe,
bie fie mit einanber gemein fjaben, nidjt feiten aus bem nämlidjen
©efidjt'opunftc betradjten muffen: fo fann es ntdjt fehlen, baf$ i()re 25
9iad)af)mungen nidjt in melen ©tüden übereinftimmen follten, ofme
bafi juüfdjen Ujnen felbft bie geringfte -Jiadjalpnung ober 33eeiferung
gemefen. Siefe Übcreinftimmungen tonnen bei ^eitoermanbten
Münftlern unb Sidjtern, über Singe, meldte nidjt mel)r norljanben
finb, ju roedjfelSiueifen ©rläuterungen führen; allein bergteidjen 30
CMäuterungen baburd) aufyuftutjen fud)en, bafj man aus bem
Zufalle 33orfa$ mad)t, unb befonbers bem Poeten bei jeber $teinig=
2. e3 iia^sualjmen. 3lad) gerbet Ijiege „einen nad)atjmen" ben ©egenftanb ober
ba§ 2Bert be5 anbern nadjaljmen, „einem nad)aljmen" aber, bie Strt unb SBeife ber SBe«
baublung uon einem anbern entlegnen, ©iefer Unterfcftieb ift aber nidjt nad)n>ei3bar ;
nacijatjmen inirb, roo es fid) um ißerfonen Ejunbett, mit Satin unb älccufatio obne Unter*
fd)ieb gebrannt, hingegen bei ©adjen nur mit bem Mccufatiu (alfo nie „einer Sad)e nad>=
abinen"). — 15 ff. ^ufofern bie ücadtatjmung aß Sfrinji? ber fünfte beüeid)net würbe, eine
Definition, bie mir bereits bei 2(nftotele3 fiuben unb bie bie bamaüge Stft^etif Bis auf
SBaiteuj unb blamier nid)t nur beibehalten, fonbern fogar fo auf bie Sniße getrieben batte,
bafs ü)ienbel'5fobn unb Seffing ba>3 ^Jrlnjtp ber Siadialnnung luefeutlicb eiu^ufdjriiuten für
gut fanbeu.
ffaofcoon Vit 53
feit ein Sfagenmerf auf biefe Statue, ober auf jenes ©emälbe
anbietet, fjeifst ifjm einen fef)r groeibeutigen ©ienft erroeifen.
Unb nidjt allein tym, fonbem audj bem Sefer, bem man bie
febünfte «Steife baburd), wenn ©Ott roiff, fefjr beutlid), aber aud)
ö trefffid) froftig madjt.
2>iefe3 ift bie 2(6fid)t unb ber $elj(er eines berühmten eng-
Itfdfjen 2öerf3. Spence fdjrieb feinen ^ofnmetiö1) mit niefer
f(affifd)en ©etefjrfamfeit unb in einer fefjr uertrauten SSefanntfdjaft
mit ben übergebliebenen 2öerfen ber aften iftunft. ©einen Sorfaij,
10 auö biefen bie römtfdjen ©id)ter 51t erflüren, unb au% ben 2)id)tem
f)inn)ieberum 2Utffd)U'tffe für nod) unerflärte alte ^unftmerfe f)er=
juljolen, fjat er öfters glüdfid) erreicht. 2(ber bem olmgeadjtet
behaupte id), ba£ fein 33ud) für jeben Sefer von ©cfdjmad ein
ganj unerträgliches Sud) fein mujj.
i5 @S ift natürlidj, bafc roenn 3>aleriuS $laccuS ben geflügelten
35lit) auf ben römifdjen Sdjilben befdjreibt,
(Nee priinus radios, miles Eoroane, corusci
Fulminis et rutilas scutis diffuderis alas)
mir biefe 23efd)reibung meit beutlidjer roirb, menn id) bie Wt-
20 bilbung eines folcfjen SdjilbeS auf einem alten Senfmale erblide.1)
Gö fann fein, baf? 9)iarS in eben ber fdjroebenben Stellung, in
ineldjer iljn 2lbbiion über ber 9U)ea auf einer 9Jtünje ju feiert
glaubte, ') aud) oon ben alten Sßaffenfdjmieben auf ben Reimen
J) Sie erfte SluSgabe ift rion 1747; bie jtreite nott 1755 unb führet ben SEitel: Poly-
25 metis, or au Enquiry concerning the Agreement between the Works of the Roman
Poets, and the Remains of the ancient Artists, heing an Attempt to illustrate
them mutually from one another. In ten Books, by the Revd. Mr. Spenoe. London,
printed for Dodsley. fol. 2lud) ein SluSjug, inelcöen 31. Sinbat aus biefem SBerfe ge»
macbt hat, ift bereits meljr als einmal gebrueft inorben.
30 • -) Val. Flaccus lib. VI. v. f>5. 56. Polymetis Uial. VI. p. 50.
3) 5>cb fage, e§ fann fein. £och roollte ich sehn gegen eins roetten, bafj eS nid)t ift.
— Suoenal rebet von ben erften Reiten ber 3icpublif, als man nod) von feiner 5|]rad)t
unb Üppigfeit mußte, unb ber Solbat baS erbeutete ©olb unb Silber nur auf baS CJefcbirr
feine§ ^ferbeS unb auf feine äßaffen oenuanbte. (Sat. XI. v. 100 — 107.)
35 Tunc rudis et Grajas mirari nescius artes
Urbibus eversis praedarum in parte reperta
7. 3ofer.fi Spence (1699— I7fi8), englifeber (Mefirter , lebte als ^rofeffor ber ©e=
fcfjtcr>te in Cjforb. Sein „<poliimettS" fjatte ifim bamals einen Bebeutenben SJamen »er=
fdjafft, roirb aber fijer non i'effing mit »ollem Jiedjte befämpft. — 15. SBaleriuS
aI accus, geft. um üO n. Gfir. , SBerf. einer eptfcfjen Sdnlberung be§ 2trgouautcnjugeä.
an ber fiier angeführten Stelle fingiert er, bafs baS fteer eines ffrjtfjifcfien 2lnfübrers be=
reits ben SMiR als Sdiilbäeicben geführt hätte, roie einige römifebe Segionen ber fiaiferäeit.
— 22. gofepf) 3lbbifon (1672 — 1719), Berühmter engliftfjer ©elebrter unb Staatsmann,
.Herausgeber ber 3eitfd)rift „SDcr 3ufcBö«er". Seine weiter unten citierten „©efprädje
über 3JJün5en" I;abeu eine ätjnlicfie Xenben,? wie SpenceS „polymetis", jeigen babei aber
nielfad) llnfcnntnio ber alten ßunft unb ein uölligeS Sßerfenuen biditerifcber unb male;
rifeber sprinjipien. — 22 f. ju feben glaubte, in ber £>bfc6r. urfprünglict) „erblicfte".
54 ffookoon VII.
unb 3d)üben vorgeftetfet nmrbe, unb baf} 3Uüena^ einen folgen
,£>elm ober <2d)ilb in ©ebanfen f)atte, afe er mit einem äöorte
barnuf anfpielte, tncldjeä bis auf ben Stbbifon ein Wätfel für alle
Magnorum artificum fraugebat pocula miles,
Ut phaleris gauderet equus, caelataque cassis 5
Rornuleae simulacra ferae mansuescere jussae
Imperii fato, geminos sub rupe Quirinos,
Ac nudani effigiem clypeo fulgetitis et hasta,
Pendentisque Dei perituro ostenderet hosti.
Ser ©olbat äerbrad; bie foftbarften S3ed>er, bie üfteifterftüde großer Rünftlcr, um eine 10
äßölfin, einen fleinen D?omulu§unb Kemu? barauS arbeiten ju taffen, roomit er feinen
öelm au?fd)mücfte. 2lUe§ ift oerftanblid), bi? auf bie testen jroei 3eiteu, in njeld)en ber
SMditer fortfäljrt, nod) ein foldjeS getriebene? $ilb auf ben »einten ber alten ©olbaten
3U befdjreibeu. ©o »iel fiet)t man roofyl, baf? biefe? SMlb ber" (Sott 9Jlar? fein foll; aber
u>a? foll ba? Setroort pendentis, roeld)e? er ifjm giebt, bebeuten? Dtigaltiu? fanb eine alte ir>
©loffe, bie e? burd) quasi ad ictum se inolinautis erflärt. Subinu? meinet, ba? 33i(b
fei auf bem ©dnlbe gcroefen, unb ba bas! ©diilb an bem 2lrme bange, fo f)abe ber S)id)ter
aud) ba? Silb Ijängenb nennen fönnen. 2lHein biefe? ift roiber bie ßonftruftiou ; benn ba?
ju ostenderet gehörige ©ubjectum ift nidjt miles, fonbern cassis. 23ritannicu? roill,
alteä roa? fjocfi in ber fiuft ftetjc , fönne bangenb beifjen, unb alfo aud) biefe? 33itb über 20
ober auf bem £elme. einige roollen gar perdentis bafür lefen, um einen ©egenfa§ mit
bem folgenben perituro ju mad)en, ben aber nur fie allein fdjön finben bürften. 2Ba?
fagt nun 2lbbifon bei biefer UngeroifjEjeit ? Sie 21u?leger, fagt er, irren fidt) alle, unb bie
roafjre SJleinung ift ganj geroifi biefe (f. beffen Dieifen, beut. Überf. ©. .'49): „Sa bie rö=
mifcbcn ©olbaten fid) nid)t wenig auf ben Stifter unt> friegerifdjen ©eift iljrer Dtepublif 2.">
einbilbeten, fo roaren fie geroo!)nt auf itjren Reimen bie erfte ©efd)id)te oe? SRomulu? ju
tragen, roie er oon einem ©otte erjeugt unb oon einer SBötfin gefäuget roorben. 2>ie
fyigur be? öotte? mar oorgeftellt, roie er fid) auf bie $riefterin Qua, ober rote fie anbere
nennen, iHfjea ©nloia, fjerabläfst, unb in biefem §erablaffen fd)ien fie über ber Jungfrau
in ber Suft ju frf>roeben, roeldje? benn burd) ba? 2Bort pendeutis fefjr eigentlich, unb 30
poetifd) att?gebrucft roirb. 2tufier bem alten S3a?relief beim SBellori, meines mid) juerft
auf biefe 2lu?legung brachte, fjabe id) feitbem bie nämlid)e Syigur auf einer SJlünje ge»
fuuben, bie unter ber 3e^ oe§ StntoninuS Sßiu§ gefdjlagen luorben." — ©a ©pence biefe
©ntbedung be3 Slbbifon fo aufjerorbentlid) glüclücb ftnbet, bafj er fie al§ ein 5Dhifter in
ibrcr 21rt unb als ba? ftärtftc Seifpiel anführet, roie nü|lid) bie SBerfe ber alten Strttftert 35
äur (grllärung ber f taffifdjeu römifdieu ©id)ter gebraudit roerben tonnen : fo fann id) mid)
nidjt enthalten, fie ein roenig genauer ,^u betrachten. (Polymetis Dial. YII. p. 77.) —
SSorS erfte mufi icfi anmerten, bafj blofs ba? Basrelief uud bie üßilnje bem Slbbifon rootit
fd)roertia) bie ©teile be§ Suoenalä in bie ©ebanfen gebracht l)abtn roürbe, roenn er fid)
nidit jugteid) erinnert i)ätu, bei bem alten ©djoliaften, ber in ber legten of)n einen 3ei'^ 40
anftatt fulgentis, veuientis gefunben, bie ©loffe gelefen ju Ijaben: Martis ad Iliam
venientis ut concumberet. 22un ueb^me man aber biefe SeSart be3 ©d)oliaften ntd)t
an, fonbern man nel)me bie an, roeldje Slbbifon felbft annimmt unb fage, ob man fobann
bie geringfte ©pur finbet, baß ber Sid)ter bie Sftljea in ©ebanfen gehabt pbe? 2Jlan
fage, ob e§ nid)t ein roab,re'3 .ynfteronproteron oon itjtn fein roürbe, baf; er oon ber SBölfin 45
unb ben jungen ffinaben rebe, unb fobann erft oon bem 21benteuer, bem fie ib,r 3)afein 511
bauten fyaben? S)ie SR^ea ift nod) nidjt 9J!utter, unb bie Sinber liegen fd)on unter bem
Reifen. 3J!an fage, ob eine ©djäferftunbe roof)l ein fd)idlid)e'3 ©mbtema auf bem §elme
15 ff. 9tigaltiu§, fiubinus unb Sritannicuä finb s^t)i[ologeti be-5 16. unb 17.3ab,r=
b^unbert'5, roeld)e Kommentare ;,um Suoenal »erfafjt traben; namentlich ber Äommentar
be§ Sritannicuä ift feljr gejcbä^t. — 16. ©loffe, b. b, Stanbbemertung eine? 2lb=
fcbreibero in einer alten §anbfc|rift. — 31. Sellori, 2lntiiiuar auS bem 17. ^a^rb-,
roeldjer jab,lreid)e antife SSilbroerfe publiäiert tjat, pornetjmlid) in bem 2Berf, roeldjeS ben
2itel füljrt". Aclmiranda Kniiianarum antiquitatura vestigia (Hi'.t;!). — 44 ff. Samit
ift ßeffing im Unredjt. SSJeber liegt in ben SBorten Suoenalä, roenn man bie SJejieljung
auf ben Sefurt) bei ber !)il)ea annimmt, ein ^ufteronproteron, ba e3 fid) um feine Inftorifdje
2tufjät)lung, fonbern nur um beiläufige 2lngabe ber bargeftellten Scenen banbelt, nod) roäre
ber Söefud) be3 *Kar? bei ber 9il)ea als „©djäferftunbe" ein unpaffenbe? Emblem für einen
.\>elm. Hlä '•Beroei? bieut, bafs Sidon. Apoll. II, 395 als ©arftellungen eine? Sd)ilbe?
ffiaohoon VII. 55
3tuälegec geroefeix. Wirf) bünft felbft, bajj idj bie ©teile Dinbä,
wo bei- ermattete ßepljaluä beix fiUjlenben Stiften ruft:
Aura — — — - venias —
Meque juves, intresque sinus, gratis siuia, nostros !
5 eines römifd)en Solbateit getpefen märe? 2)er Solbat nur auf ben göttlichen Urfprung
feines Sttfter-3 ftol;; baS jeigten bie äSotfin unb bie Äiuber genug jam; mufste er aud) nod)
ben iDtarS im Begriffe einer öanblung jeigen, in ber er nidjtä weniger als ber fürd)terlid)e
'ltt.irS mar? ©eine Überrafd)ung ber 3itjeo mag auf nod) fo oiel alten TOarmorn unb
SBunjen ju finben fein, pafjt fie barutn auf baS Stücf einer Stiijtunj? Unb rocld)e3 finb
10 beim bie IKarmor u:\t> siftitn\en, auf welcfjen fie Stobifon fanb, unb wo er ben 3Jlar§ in
biefer fcbwebenbeu Stellung fafje ? SEU3 alte Basrelief, worauf er fid) beruft, foll Bettori
tyabtn. älber bie älbntiranba, mjle&eS feine Sammlung ber fdpttften atten Basreliefs ift,
wirb m.tn oergebenS barnai) burd)btättecn. 3$ tjabe e-3 nid)t gefunben, unb auf) ©pence
muß e3 meber ba, nod) fonft iuo gefunben fja'jeu, weil er e3 gänjlicb, mit StiHfd)ra eigen
15 übergebt. 2llle3 fömmt alfo auf bie iJtanje an. 3Jun betrachte min biefe bei bem ätbbifon
felbft. 3d) erbtiefe eine üegenbe Stfyea; uno ba bem ©tempelfdjneiber ber Dtaum nid)t
ertaubte, bie gigur be3 2ßar3 mit if)r auf gleichem Boben ju ftetten, fo fteljet jener ein
wenig böfjer. 2)a3 ift e-3 alteS; fd)toibenbe3 Ijat fie aujier biefem nid)t baS geringfte. G3
ift roa&r, in ber itbbilbung bie ©pence baoon giebt, ift ba3 <Si)Xibm fefjr ftarr au3^
-20 georiiifc; bie ^tgur fällt mit bem D&erteile weit Dor; un'} man fie&t beutlid), bag eS fein
fteljeuber fiorper ift, fonbern bajj, we:m e3 fein fallenber Körper fein foll, e§ notwenbig
ein fd)webenoer fein mufj. ©pence fagt, er befitje biefe fÖtiinje felbft. @3 wäre Imrt, ob;
fdjon in einer Sleinigfett, bie ilufridjtigfeit eines Hl.mneS in 3t»;ifel ju sieben, älllein
ein gefaxtes Borurteit fann aud) auf unfere Slugen Ginflup tjaben; mbem tonnte er e3
25 junt heften feiner Sefer für erlaubt galten, ben itu3brui, ro;ld):n er ju feben glaubte,
burd) feineu Künftler fo nerftärfeu m laffen, bafj un3 ebenfo wenig Seifet b;3fall3 übrig
bliebe a(3 ifjtn felbft. ©o »iet ift gewifs, bajj ©?e:t:e u:tb Äobifon ebenoiefelbe SJün^e
meinen, unb baß fie fonad) eutioeber bei biefem fefjr oerftellt ober bei jenem fetjr oerfcfiönert
fein mufj. Sod) id) b,abe nod) eine anbere älnm^rEung niiber biefe-3 oermeintlidie Sdiroebeu
30 be3 sDlar3. Siefe nämtid): ba& ein fcfiroebenber flörper, of^ne eine fd;;inbare Urfad)e, burd)
meld); bie SBirEung feiner ©ebroere oerljinbert roirb, eine Ungereimtfjeit ift, oon ber man
in ben alten ßunfttnerfen fein @re;npil finbet. 2Iud) bie neue illalerei erlaubet fid) bie=
felbe nie, fonbern toenn ein Körper in ber Suft fangen foll, fo muffen i£)n entmeber gtügel
balten, ober er mag auf etipa3 ju rufjeu fd)einen, unb follte e3 atid) nur eine blofse Solfe
35 fein. SBettn .vionur bie ^IjetiS non bem Gieftabe fid) ju Jufje in ben Olnmp ergeben läßt,
Tijv uff a/ Oj/Lutinövöe Tti'jöe: tpkiiuv (üiad. ^' v. 1 t8j, fo oerftetjet ber ©raf Ganlus
bie iöebiirfniffe ber Äunft p root)l, al3 baf5 er bem 5Dtaler raten folüe, bie ©ottin fo frei
bie 8uft bura)fd)reiten ju laffen. Sie mujs i!)ren ffieg auf einer SBolfe neljmen (Tableaax
tires de l'Iliade p :)l), fo rote er fie ein anberm.U auf einen SBagen fegt (p. 131), ob =
40 gleid) ber Siebter ba3 GJegentetl oon iljr fagt. 2Bie fann e3 aud) roobl anoer-3 fein ? Ob
uns fd)on ber 3)id)ter bie (Sbttin ebenfalls unter einer menfd)lid)en gigur benfen läf5t , fo
Ijat er boi) alle 'Begriffe eines groben unb fdjtpereu ©toffeS baoon entfernet, unb if)ren
menfd)eui!)ulid)en Körper mit einer Äraft belebt, bie ifjn pon ben ©efetjen unferer Be=
megung ausnimmt. Sßjburd) aber formte bie Malerei bie Eörperlid)e ^igur einer ©otti)eit
45 pon ber förperlidjm Jigur eines Stenfdjen fo oor^üglid) unterfd)eiben, baf? unfer 2luge
n'td)t beleibiget mürbe, rojnn e3 bei ber einen gatt) anbere iRegeln ber Bewegung , ber
bie 3miUinge, bie SBölfin, ben Siber, 2lmor, ÜJlar-3 unb Sita nennt, alfo bie beiben Scenen,
bie »on ber Sßölfm gefaugten 3n>iHinge, nebft bem g-lu&gott', unb bem pon Slmor sur
SKljea geleiteten 3Jlar§, ebenfalls in um)iftorifd)er Sieifjenfolge.
i ff. $n ber gried)1fd)en Raffung ber ©age ruft ßepf>alo§, at§ ibn feine eiferfüd)tige
©emabliu belaufd)t, eine fd)attige SBolfe, VEcpeXtj, herbei, unb sJIept)ele ift ebenfallä ein ge*
iuöi)nlid)er grauenname. — 11 ff. J)a3 Dielief finbet fid) in ber jipeiten 3lu3gabe ber
Admiranda auf Saf. 51. — 18 — £9. Saud) biefer 3'feifel ift ungerechtfertigt; auf ber nod)
uortjanbenen lUünje fd)mebt Stuart in ber Sbat f;erab. — 31 f. pon ber man . . . fein
Gjempel finbet, unrichtig; namentlid) bie pompejanifd)en SBanbgemälbe bieten ferjr
^nt)lreid)e fa)mebenbe fyiguren. — 32 ff. 2lud) bie neuere 3)Mlerei fennt fdjmebenbe giguren
ot)ne Jtügel ober SBolfen. Qd) erinnere nur an bie fd)Bnen, bem Diafael beigelegten
©tunben be3 %aaeZ unb ber 92acbt.
5G «aokcou vii.
unb feine ^roeriö biefe Aura für ben ^tarnen einer ^Mienbufylerin
f)ält, bafs id), fage id), biefe Steife natürlicher finbe, wenn id)
am ben Munftioerien ber 2Uten erfefye, baf} fie rouflid) bie fanften
ßüfte perfonifteret, nnb eine 2(rt roeiMidjer Snlpljen, unter bem
Oiamen Aurae, verehret fjaben.4) ^d) gebe e§ ju, bevp, roenn 5
Sdnoere, bes ©leicfjgercic^tä beobachtet fänbe, als 6ei ber anbern? SBoburcb anbers, als
burd) perabrebete geiefien? Sn ber Stiat finb ein $aar glügel, eine SBolfe aud) nichts
anbers als bergleiajen geilen. Sod) von biefem ein niedreres an einem anbern Drte.
§ier ift es genug, oon ben Skrteibigern ber Slbbifonfdien Meinung ju verlangen, mir eine
anbere ähnliche jjigur auf alten Senfnuilern ju zeigen, bie fo frei unb blofj in ber Suft 10
bange. Sollte biefer SDlars bie einsige in ifyrer Slrt fein? llnb roarum? £iatte »ielleicbt
bie SCrabition einen Umftanb überliefert, ber ein bergleicben Sdnreben in biefem galle
notioenbig madit? S8eim D»ib (Fast. üb. III) läfjt fid) nid)t bie geringfte Spur bapon
entbeefen. 33ielmel)r fann man seigen, bafs es feinen folcben Umftanb fönne gegeben Ijaben.
leim e§ finben fid) anbere alten flunftroerfe, roeldje bie nämliche ©efebichte oorftellen, unb 15
roo SJlars offenbar nid)t fdiroebet, fonbern gehet. SJIan betrachte baS Basrelief beim WlnnU
faueon (Suppl. T. I. p. 183), bas fid), roo id) nid)t irre, ju JRom in bem Sßallafte ber
HJiellini befinbet. Sie fcfilafenbe 9ii)ea liegt unter einem Saume, unb SOlarS näljert fid)
ihr mit leifen Schritten, unb mit ber bebeutenben 3llrii"Jftfecfung ber rechten §anb, mit
ber mir benen hinter uns, entroeber äurüdäubleiben ober faebte ju folgen, befehlen, Gs ift 20
uollfommen bie nämlidje Stellung, in ber er auf ber SJlünäe erfdjeinet, nur bafj er hier
bie Sanje in ber rechten unb bort in ber linfen §anb führet. Solan finbet öftrer berühmte
Statuen unb Basreliefe auf alten üflünsen fopieret, als baf; es aud) nid)t hier tonnte ge=
fdjeben fein, roo ber Stempelfdjneiber ben Slusbrucf ber äitrütfgeroanbten redeten £>anb
oielleicbt nid)t fütjlte, unb fie bafjer beffer mit ber £anje füllen ju fönnen glaubte. — 25
SUIcs biefeS nun jufammengenommen, roie niel 2£ab,rfd)einlichfeit bleibet bem Slbbifon nod)
übrig? Sdjroerlid) meljr, als fo niel beren bie blofje SDlöglidjfcit f)at. Sod) roober eine
beffere Grflärung, roenn biefe nidjts taugt? Gs fann fein, bafj fid) fd)on eine beffere unter
otn oon Slbbifon oerroorfenen Grfläruttgen finbet. ginbet fid) aber aud) feine, raas mehr?
Sie Stelle bc§ Sid)lers ift oerborben; fie mag es bleiben. Unb fie wirb es bleiben, roenn 30
man aud) nod) jroanjig neue Vermutungen barüber ausframen wollte, ©ergleidjen fönnte
5, G. biefe fein, bafs pendentis in feiner figürlid)en SJebeutung genommen rcerben muffe,
nad) roeldier es fo niel als ungemifs, uuentfchloffen, uuentfd)ieben heifset. Mars pendeus
märe aisbann fo niel al§ Mars incertus ober Mars communis. DU comrnunes sunt,
fagt SertriuS, (ad v. 118. lib. XII. Aeneid.) Mars, Eellona, Victoria, quia hi in bello 35
Utrique parti favere possunt. Unb bie ganje 3etIe/
Tendentisque Dei (eltigii m) perituro ostenderet hosti,
mürbe biefen Sinn t)aben, ba% ber alte römifdje Solbat baS SMIbniS beS gemeinfdjaftlid)en
GScttes feinem bem obngeadjtet balb unterliegenben geinbe unter bie Singen 511 tragen ge=
loolmt geroefen fei. Gin fefjr feiner 3«g, ber bie Siege ber alten Diömer mefjr jur äBirfung 40
ihrer eignen Sapferfeit, als jur grudit bes parteiifd)en Seiftanbes ibreS Stammoaters
mad)t. Sem obngeadjtet: non liquet.
4) „Gl)e id)," fagt Spence (Poljmetis Dialogue XIII. p. 208), „mit biefen Aurae, Suft=
nnmpben, befannt roarb, umfjte id) mid) in bie ©efd)id)te 00m Gepfjalus unb Sßrocris, beim
Enib, gar nid)t 51t finben. 3d) tonnte auf feine SSBcifc begreifen, mie GepfialuS burd) feine 45
Ausrufung, Aura venias, fie modjte aud) in einem nod) fo jürtlidieu fdnnaditenben Jone
erfdjollen fein, jemenben auf ben Slrgrcobn bringen fönnen, bafj er feiner ^rocriS untreu
4. perf onif ieret, nach bem franj. personifier, bei Seffing häufig anftatt be^ beute
üblichen „perfonifijieren". — Snlphen, Suftgott!)eiten, nad) bem 2lberglaubeu bes 3Kittel=
alters; bas SBort fommt im Ülltertum nidit uor. — 7. perabrebete, b 1). fonoentionelle,
im Giegcniah 51t ben natürlichen. — l(i. Jas Sasretief ift ibentifd) mit bem oon Slbbifon
angeführten bei äSettori, unb gehört ju einem Slltar (ber fog. Slra Gafali). gn ber Sljat
aber erfebeint SJlars hier nidjt fdimebenb, fonbern fdjreitenb. — 19. bebeut enb, nicht in
bor Jicbeutung r>on „großartig", fonbern fooiel als „bebeutfam, auSbrucfsoolI". — 31 ff.
SeffmaS Äonjeftur ift nid)t baltbar, oiclmebr bie uon ihm befämpftc Slbbifonfdje Grflärung
oon pendentis jebenfalls porsujieben. @an,5 entfpredjenb beifit bei Sil. Italic. Puuic.
xiii. 827 Van pendenti similis unb ebb. 337: similis volanti.
ffaokoon VII. 57
^sunenal einen t>ornel)men SEaugerodjiS mit einer ftcrmcöfäule ner=
gleicht, man bas Sßmftdje in biefer 2>ergleidmng fdjroerlid) finben
bürfte, olme eine foldje ©äuk gu feljen, of)ne 511 nriffen, bafj e§
ein fd)led)ter Pfeiler ift, ber blofc ba§ ftauyt, f)öd;ftenö mit bem
5 Rumpfe, be3 ©otteo trägt, unb roeit mir raeber £>änbe nod) ?yü^e
baran erblitf'en, ben Segriff ber Unttjätigfeit erroetf'et/) — @r=
fei. Sa idj geroobnt roar, unter bem äBorte Aura, nidits als bie Suft überhaupt, ober
einen fanften SBinb insbefonbere, ;u »erfteben, fo fam mir bie eiferiucbt ber SprocriS noch
weit ungegrünbeter cor, als auct) bie allerauSfcbroeifenbfte gemeiniglich su fein pflegt. 2US
10 ich aber einmal gefunben hatte, bafj Aura ebenforoobl ein fd)öneS junges ÜJläbdjen, als
bie Suft bebeuten fönnte, fo befam bie Sad)e ein gan* anbereS 2lnfeben, unb bie ©efdjicbte
bünfte mid) eine siemtia) oernünftige SBentung ju befommen." Stfj will ben Seif all, ben
id) biefer Sntbecfung, mit ber fid) Spence fo fehr fcbmeicbelt, in bem SerU erteile, in ber
3Jote nid)t roieber äurüdnebmen. ^d) fann aber bod) nicht unangemerft laffcn, baf3 auch
15 ohne fie bie Stelle beS Std)terS ganj natürlid) unb begreiflich ift. SMan barf nämlid) nur
roiffen, ba| Aura bei bem Sitten ein gaus geroöbnlidier 9iame für g-rauensimmer roar.
So beifst 5. ©. beim SionnuS (Dionys. lib XLvill, bie 92nmpbe aus bem ©efolge ber
Siana, bie, weil fie fid) einer männlidtern Schönheit rühmte, als felbft ber ©öttin ihre
mar, jur Strafe für ihre 23ermeffenbeit, fdjlafenb ben Umarmungen beS Bacchus preis*
20 gegeben toarb.
5) Iuvenalis Sat. "VIII. v. 52—55.
At tu
Nil msi Cecropides; truncoque simillimus Herruae:
Nullo quippe alio vincis discrimine, quam quod
25 Uli marmoreum caput est, tua vivit imago.
SBenn gpence bie griediifdjeu Scbriftftcller mit in feinen ^-tan gesogen gehabt hätte, fo
roürbe ihm »ielleicbt, »ielleidjt aber aud) nicht, eine alte sSifopifdje gäbet beigefallen fein,
bie aus ber SBilbung einer folcben jjjermesfäule ein nod) roeit fcbönreS, unb ju ihrem 23er=
ftänbniffe weit imentbebrlid)ereS Sicht erhält, als biefe Stelle beS SuoenalS. „SJcerfur,"
30 erjagtet iiifopuS, „roollte gern erfahren, in roelcbem 2lnfeben er bei ben DJtenfcben ftünbe.
©r oerbarg feine ©ottbeit unb fam 511 einem SMlbbauer. £ier erblidte er bie Statue beS
Jupiters, unb fragte ben fiünftler, rcie teuer er fie halte? ©ine Sradjme: roar bie 2lnt*
roort. 3Jlerfur lächelte: unb biefe Suno? fragte er roeiter. Dbngefäbr ebenfo uiet. Snbem
roarb er fein eigenes stfilb geroahr, unb badjte bei fieb felbft: id) bin ber 23ote ber ©öfter;
35 oon mir fömmt aller ©eroinn; mid) muffen bie 3Jlenfcben notroenbig roeit höher fdjäßen.
Slber hier biefer Sott? (6r roieS auf fein SjUb.) SBie teuer möd)te roobl ber fein?
SÜefer? antroortete ber Äünftler. D, roenn gljr mir jene beibe abfault, fo fotlt ^br biefen
oben brein Ijaben." SOJerfur roar abgeführt. 2lllein ber Silbfjauer fannte ifjn nidtt unb
tonnte alfo aud; nicfjt bie 2lbfid;t i)aba\, feine Eigenliebe 51t frönten, fonbern es mußte in
40 ber 23efd)afjenbeit ber Statuen felbft gegrünbet fein, roarum er bie letztere fo geringfdjä^ig
l)ielt, ba| er fie jur 3ugabe beftimmte. Sie geringere ÜBürbe be3 ©otte§, roelcfeen fie ror=
ftellte, fonnte babei nid)tö tfeun , benn ber yuinftler fd)ä|et feine SSerfe nad) ber ©efd)itf=
lidjfeit, bem gleite unb ber 2lrbeit, roeldje fie erforbern, unb nidit nad) bem SRange unb
bem SSerte ber SBefen, roeldje fie auSbrücten. Sie Statue be3 31}erfur§ mu^te rceniger
45 ©efd)idlia)feit, roeniger Jleifj unb 2lrbeit »erlangen, roenn fie roeniger foften follte, als
eine Statue beS SupiterS ober ber ^uno. Unb fo roar e§ liier roirflid). Sie Statuen beS
Jupiters unb ber Suno seigten bie oöllige ^erfon biefer ©öfter; bie Statue beS ÜJierfurS
hingegen roar ein fd)Iecf)ter oieredigter Pfeiler, mit bem blofsen SBruftbilbe besfelben. SaS
Sßunber alfo, ba^ fie oben brein geben fonnte? OTerfur überfabe biefen Umftanb, roeit er
50 fein oermeintlidieS iiberroiegenbeS 23erbienft nur allein oor 2lugen tjatte, unb fo roar feine
4. fdjtedjter, b. t). fdjtiditer, cinfadjer. — 5 f. %üx geroöl)nlid) befteljen allerbingö
bie geraten ber 2llten nur aus Pfeiler unb Äopf, inbeffen giebt es bod) aud) foldje, bie
außer bem Stumpfe auii nod) 2lrme unb .'öänbe haben, roo alfo nur bie S3eine fehlen. —
18. Siana roirb con fcblanfem, meljr männlichem Sau oorgeftellt, namentlid) mit fehr
geringer (Sntroidlung oou Ruften unb 23aud). — 44—50. Siefe Seutung ftheint fetjr
plaufibel, ift aber boeb nidjt'jroeifelloS; benn einerfeitS ftellten feineSroego alle 33ilbfäulen
ben SHerfur in ^ermenform oor, anbrerfeite machte man aud) noch oon anbern ©ottbeiten
Silber in .'öermenform.
58 ffaofeoon VII.
läuterungen von biefer 2lrt finb nidjt gu oeraditen, roenn fte aud)
fdjon roeber attcgcit notroenbig, noi) affegeit fiinlänglid) fein foltten.
i£)sr "Diditer tjatte ba% ^unfttoerf alä ein für ftdj beftefjenbeS
SDing, unb nid;t at§ 9tad)alimung, uor 2tugen; ober ilünftler uitb
Didier Ratten einerlei angenommene Segriffe, bem gu iyolge fid) 5
aud) Übereinfttmmung in ifiren SSojrftettungen geigen mufjte, au-3
meldier fidi auf bie 2tllgemeinf)eit jener begriffe gurüdidjliefjen täfjt.
Mein roenn %\buli bie ©eftalt be§ Stpollo nutet, roie
er i(nn im Traume erfdjienen: — 2)er fdjönfte Jüngling, bie
©djläfe mit bem feufdjen Sor&eer umrounben; tyrifdje ©erüdjj ld
buften au§ bem gülbenen £>aare, baö um hin langen Warfen
fdjtoimmet; glängenbeö 28:iJ5 unb purpurrote mifdpt fid) auf
bem gangen Körper, mie auf ber garten SBange ber 2kaut, bie
jet^t tfjretn ©eltebten gugefüljret mirb: — warum muffen biefe
3üge üon alten berühmten ©einüben erborgt fein? ßijionä 15
nova nupta verecundia notabilis mag in ^Kom geinefen fein,
mag taufenb unb taufenbmal fein fopieret tuorben, rorr barum
bie bräutlidje odiam fetbft au3 ber Söjlt nerfdjrounben? S;tt
fie ber 'DJlater gefefien fjatte, nur fte für feinen 2)id)ter meljr gu
feiert, als) in ber 9iad)ah,mung be§ 9Äalcr§?,i) Doer mmn ein n
anberer SDidjter hin üßulfan ennübet, unb fein uor ber @ffe er=
()it5te§ ©efidjt rot, brennmb nennet: mujjte er e3 erft aus bem
SBerfe eines 9ftater§ lernen, bafj Arbeit ermattet unb §tije rötet? l
Doer roenn Sucreg ben Söedifet ber ^afjreägeiten befdireibet, unb
fie, mit bem gangen ©efolgc tfjrer äöirfungen in ber Öuft unb 25
auf ber @rbe, in ilircr natürlichen Drbnung oorüberfüliret: nur
Demütigung ebenfo natürlich, at3 oerbient. flm mirb fidj oergeben3 bei ben 2lu3[egeru
unb Ü6erfe$ern unb SJadjaljmem ber jyabeüt De3 sä[opu3 nad) ber gertugften Spur uou
biefer Grflärung umfeljeu; iool)[ aber föimte id) üjrer eine gan;e Steige anfuhren, roemt
e? fidj ber Dtüfje; lofjttte, bie ba-3 2Jiard);it gerabeju oerftanben, ba3 ift, ganj unb gar nidjt 30
uerftanben fyabtn. Sie ijabcn bie Ungereimtheit, meld); barin lie.it, menn man bie Statuen
alle für SBerfe von einerlei 2lu3füfjrurtg annimmt, eittroeöer nid)t gefügt, ober roof)t nort)
gar übertrieben. 2B.t3 fotift in btefer ^fabcl anftofeig fein föttnte, märe tueHeicIjt ber s$rei§,
u)eld)en ber Jlünftter feinem Jupiter fe^et. fjttr eine 3)rad)m.i (antt ja mofii auc^ feilt
Töpfer eine flippe madjen. (Sine Slcac^ma mu& a(fo £)ier überhaupt für etm.i? fefjr ge= 35
ringet fteljen. (Fab. .\esop. !)i). Edit. Haupt, p. 7j.i
s) Xibullua Eleg. 4. Üb. III. Polymetia DiaL VIII. p. st.
') Statins lib. I. Syh-, 5. v. s. Polymatis Dial. VIII. p. 81.
10. f r» r i f cD) e , eigentticb affprifa).' (beibei mirb dou ben cömifd),en Sintern oft iben=
tiid) gebraucht), ba ber Orient bie 6eften 9tarben uitb Spe,;ereieu lieferte. — lö. $er
sDlater tjeijit nid)t Cd)ion, roie man früher bei sl!tin. XXXV, /8 Ia-3, fonbern Sletion.
si)u\n [jat, obgleid) obne ftid)f)a(tigen Orunb, meijrfad) in bem berühmten ©emätbe ber
„atbobranbiniidjeit .v>od^eit" (in ber Wbliotljef be5 aJatitan-3) eine 9lad)bilbuttg feine3 WiU
bc>5, ber nov.i nupta, erfenuett uiollcn. — 31f. fein Xöpfcr eine; bie £bf$r. ur=
iiu'ünglid) „ein löpfer feine"
Ä'aohoon vir. 59
Sucre^ ein Gpljemeron , Ijatte er fein ganzes $jal)r burdjlebt,
um äffe bie SSeränberungen felbft erfahren ^u fyaben, bafj er fie
nad) einer ^rogeffion fcr)i[bcrn muffte, in roetdjer iljre Statuen
herumgetragen mürben? SDlujjte er erft von biefen Statuen ben
5 alten poetifefen Äunftgriff lernen, bergleidjen Stbftracta ju tt)i#
liefen SBefen 511 machen?8) Ober 23irgil§ pontem indignatus
Avaxes, biefeö vortreffliche poetifdjc Söttb eines über feine Ufer
fidj ergiefsenben Jyluffeä, roie er bie über il;n gefdjfagene SBrücfe
gerreifjt, verliert es nidjt feine gange Sdjönljeit, tvenn ber Siebter
10 auf ein fömftojerl bamit angemietet t)at, in welchem biefer $lufj=
gott als uurtlid) eine 33rüde jer&redjenb uorgeftetlet wirb?1') —
9Ba§ foffen mir mit bergleidjen Erläuterungen, bie au3 ber ftär=
ften Stelle ben Siebter verbrängen, um ben Einfall eine§ $ünft=
lere burdjfdjimmern 511 taffen?
15 £>d) bebaure, bafj ein fo nütjlidjeS Sudj, als ^olumetiä fonft
fein tonnte, burdj biefe gefdjmadlofe ©rille, ben alten Südjtern
") Lueretius de K, N. lib. V. v. 736 — 717.
It Ver, et Venus , et Veneris praenuntius ante
Pinnatus graditur Zephyrus; vestigia propter
20 Flora quibus mater praespargens ante via'i
C'uncta coloribus egregiis et odoribus opplet.
lüde loci sequitur Calor aridus, et comes una
Pulverulenta Ceres; et Etesia flabra Aquilonum.
Inde Autummis adit; graditur simul Evius Evan :
25 Inde aliae tempestates ventique sequuntur,
Altitonans Volturnus et Auster fulmine pollens.
Tandem Bruma nives adfert , pigrumque rigorem
Keddit, Hyems sequitur, crepitans ac dentibus Algus.
Spence ernennet biefe Stelle für eine oon ben fcfiönfteu in beut ganjen ÖJebidjte be§ Sucres
30 SBemsftenS ift fie eine oon benen, auf welche fidj bie Ehre bes Sucre* als Siebter grünbet.
21ber roabrlid), es Ejeiftt ihm biefe (Sfjre fcbmälern, iljn pöllig barum bringen roolien, roenn
man fagt: Siefe ganje 33efd;reibung fd)einet nad) etner alten 5projeffion ber pergötterten
Sabresjeitcn, nebft ihrem ©efolge, gemadjt ju fein. Unb roarum bas? „SDarum," fagt ber
Gnglänber, „roeil bei ben Kontern ebebem bergleichen ^rojeffionen mit itjren (Söttern über=
35 haupt, ebenfo gewöhnlich waren, als nod; igt in geroiffen Yänbern bie <prosefftonen finb,
bie man ben ^eiligen ;u Ehren aufteilet; unb roeil biernachft alle Stusbrüde, roeldje ber
Siebter hier brauet, auf eine Sßrojeffion red)t fehr tnobl paffen." (corne in very aptly,
it' applied to a procession.) Srefftidje ©rünbe! Unb roie Pteles roäre gegen ben leisten
nod) cinäuiPenben ! Schon bie sBeiroörter, roelcbe ber Sichter ben perfonifierten älbftraften
40 giebt, Calor aridus, Ceres pulverulenta, Volturnus altitonans, fulmine pollens Auster,
Algus dentibus crepitans, äcigen, bafj fie ba§ SBefen non ihm, unb nid)t non bem
Äünftler haben, ber fie gan* anbers hätte djarafterifteren muffen. Spence fdjeinet übrigen?
auf biefen ßinfall non einer ^rojeffton burd) 2lbraham <preigeru gefommen ju fein, roelcber
in feinen Jlnmerfungcn über bie Stelle bes SicbterQ fagt: Ordo est quasi Porupae
45 cujusdam, Ver et Venus, Zephyrus et Flora etc. Slliein babei hätte eä aud) Spence
nur folleu beroeuben laffen. Ser &id)ter führet bie ^ahresjeiten gleidifam in einer
5]ko-,effion auf; bas ift gut. Slber er l)at es pon einer ^rojeffion gelernt, fie fo aufs
juführen; bas ift fehr abgefdnnadt.
•') Aeneid. Lib. VIII. v. 725. Polymctis Dial. XIV. p. 230.
1. ©phemeron, ein nur einen Xaa. lebenbes SBefeu, wie bie ©intagsfliege. — 43.
tpreiger, hollänbifa)er Gelehrter auo ber erften yälfte bes 18. 3abrh.
6< i Caokcon VIII.
ftatt eigentümlicher p(jantafie, Sefanntfdjaft mit frember unter=
gufdjieben, fo efel, unb ben flafftfdjen Sdjriftftellern roeit nadj=
ieüiger gferoorben ift, al3 Ujnert bie mäffrigen Stillegungen ber
fdialften Sßortforfdjer nimmermehr fein fönnen. dlod) meljr be=
banere id), baf$ ©pencen felbft 2lbbifon Ijierin üorgegangen, ber 5
am löblicher 23egierbe, bie Kenntnis ber alten Äunftroerle ju
einem §lu§legung§mtttel 511 ergeben, bie Reifte ebenfo wenig unter*
fdjieben t)at, in roeldjen bie 9iad)a Innung be§ <ftünftler§ bem 2>id)ter
anfiänbig, in meinem fie il)m vertleinerlid) ift.40)
VJII. 10
33on ber 2llmlid)feit , meldte bie s$oefie unb SDtalerei mit
einanber fjaben, madjt ftcf> ©pence bie alterfeltfamften begriffe. Gr
glaubet, baf? beibe fünfte bei ben SHtcn fo genau nerbunben ge=
Riefen, bajj fie beftänbig §anb in §anb gegangen, unb ber ©tdjter
nie ben 9)ialer, ber sDialcr nie ben 3)idjter a\\$ ben 2lugen 15
nerloren rjabe. S)af$ bie ?ßoefie bie wettere Hunft ift, baf} it)r
©djönrjeiten 31t ©ebote ftcfjen, meldje bie SJialerei nidjt ju er=
reichen »ermag; bafj fie öfters Urfadjen l)aben fann, bie unmale=
rifdjen ©djönljeiten ben malerifdjen üorgu§ier)en; baran fdjeinet er
gar nidjt gebadjt ju (jaben, unb ift baljer bei bem geringften 20
llnterfdjiebe, ben er unter ben alten Tidjtern unb 2lrtiften be=
merfr, in einer SBerlegenljeit, bie ir)n auf bie nmnberticfjften 2tu§=
flüdjte r>on ber SSelt bringt.
Sie alten £>id)ter geben bem 23acdjuö metftenteilö «Körner.
Gs ift alfo bod) uumberbar, fagt 3pence, bafj man biefe Körner 25
an feinen Statuen fo feiten erblidt. ') Gr fällt auf biefe, er faßt
auf eine anbere Urfadje; auf bie Itnmiffentjeit ber Antiquare,
auf bie $leinr)eit ber Körner felbft, bie fid) unter ben i£rnu6en
unb Gpljeublättern, bem beftänbigen .Vtopfput.w beö ©otte§, möd)-
ten oerfrodjen (jaben. Gr roinbet fidfj um bie nmljrc Urfadje 30
(jerum, orme fie 311 argrootjnen. Sie Körner be§ 33dcdju§ raaren
feine natürliche ."oörner, roie fie e§ an ben Raunen unb ©atmen
J0) 3n oerfd)iebenen Steffen feiner Dleifen unb feinem ©efprädtc über bie alten üBüngen.
M Polymerie Dial. IX. p. 129.
2. elel, f)ier nidjt in ber fdmrfen SSebeutung, in ber roir ba-> 2öort Ijeute faft allein
gebraudjen, fonbern tneljr aUgemeiu: „lDtbetmärHg", — 24. ßeineäroegä meiflenteilS,
ienpem nur bisweilen. — 32. Unter ben gauueit »crfteljt üeffing wobj bie Randfiguren
mit ^icgcnfiifeen unb §örnern. Sie Saturn Ijaben in ben ßunftwerfen nur ganj oer=
einjelt Turner.
ffiaokoon VIII. 61
roaren. ©ie roaren ein ©tirnfd)mud, ben er auffegen unb ab=
legen formte.
— Tibi, cum sine cornibus aclstas
Virgineum caput est: — —
5 rjetjst eö in ber feierlichen Anrufung beö 23acdjuö beim Doib. 2)
Gr tonnte fid) alfo aud) ol)ne Vorher geigen; unb geigte fid) oljne
Körner, roenn er in feiner jungfräulichen ©djönljeit erfdjeinen
roollte. £jn bicfer wollten tfjn nun aud) bie Äünftler barftellen,
unb mußten baljer alle Bufäije *>on übler Söirfung an tl)m r»er=
10 meiben. Gin foldjer 3ufal mären bie §örner geroefen, bie cm
beut 'Diabem befeftiget waren, noie man an einem Sapfe in bem
jRöntgl, Kabinett gu "^Berlin feljen fann.3) Gin fotdjer Bttfa^
mar baö ©iabem felbft, roeldjeö bie fdjone ©tirne uerbedte, unb
baljer an ben ©tatuen bes 33acd;uö eben fo feiten uorfömmt,
15 als bie Sortier, ob eö i()m fdjon, alö feinem Grfinber, uon ben
2)id)tern eben fo oft beigeleget mirb. 3)em SDidjter gaben bie
Körner unb bau SDiabent feine 2lnfpielungen auf bie Staaten nnb
ben Gljarafter beö Öotteö: bem Münftler rjingegen mürben fie §in=
berungen größere ©djönjjeiten gu geigen; unb menn Sacdjuö, mie
20 id) glaube, eben barum ben Seinamen Biformis, J£[ioQcpog,
fjatte, roeil er fid; forooljl fdjön, alö fdjredlid; geigen fonnte, fo
mar eö moljl natürlidj, bafj ber $ünftler biejenige uon feiner ©e=
ftalt am liebften roäl)lte, bie ber SBeftimmung feiner $unft am
meiften» entfprad).
25 sDcinerua unb' $uno fdjteubem bei ben römifdjen SDidjtern
öfterö ben S3R|. Stber marum nidjt aud) in if;ren ÜJlbbilbungen*
fragt ©penec.4) (Sr antmortet: eö mar ein befonbereö SBorredjt
biefer groei ööttinnen, roonon man ben örunb oiefleidjt erft in
ben 3amotl)racifd;en öeljeimniffcn erfuhr; roeil aber bie Sfrtiften
30 bei ben alten Römern alö gemeine Seute betrachtet, unb baljer
§u biefen 0cl)eimntffen feiten gugelaffen mürben, fo nmjjten fie
2) Metamorph, lib. IV. v. 19. 20.
3) Begeri Thes. Brandenb. Vol. III. p. 240.
4) Folymetis DiaL-VI. p. 63.
10 ff. Sin ber betreffenben 93üfic (oon grünem 33afalt) icadifen bie fiöroer oberhalb
ber Stirnbinbc au3 ber Stirn felbft Ijeroor. — 12 ff. llnridjtig ; ba>3 SDiabem (ft an SJiongfoS*
topfen aufjerorbentlicb bäufig. 3m antifett Sd)önf)eit3ibeal gilt eben eine niebrige Stirn
für fd)ön, unb baber ift bie füufttidje SJertüräung ber Stirn burdi bie Stirnbinbe feljr
beliebt. — 25 f. 2ltt)ene unb £>cra f oiooljt , abl aud) anbete ©ottljeiten (Stpollo, 2Ire3,
Dionufos u. f. m.) fommeu auf Senfmätern bligfdtleubernb cor. — 27 ff. 3ft burd)auS
unbegrünbet.
62 ffaokoon VJil.
offne 3n>eifel nid;t6 bauen, unb mas fie nidjt mußten, tonnten
jie nid)t oorftetfen. 3d; möchte Spencen bagegen fragen: arbek
toten biefe gemeinen Seute uor il;ren &opf ober auf Seferjl SSor=
nefjmerer, bie r>on ben ©eljeinvmffen unterrichtet fein lohnten?
Stunben bie SCrtiften aud) bei ben ©rieben in biefer 23erad;tung? 5
ÜBaren bie römifd;en 2(rtiften nid;t me()renteil§ geborene ©riechen?
Unb fo tueiter.
StatiuS unb SMeriuS ^laccuS fd;i(bern eine erjürnte ü8enu§,
unb mit fo fd;redlid;en ,3ügcn, bafj man fie in biefem IKugenblitfe
er)er für eine A-urte, als für bie ©öttin ber Siebe galten foffte. 10
Spence fiefiet fid; in ben alten Kunftmerfen uergebeng nad; einer
foldjen 23enu§ um. 3Baö fd)Iief3t er barou§? Safj bem 3)id;ter
me()r erlaubt ift al§ bem 33übb,auer unb SRaler? Sa§ b,ätte er
barauö fd;(ief$en foffen; aber er t;at e§ einmal für affemal al§
einen ©run bf atj angenommen, baf? in einer poetif d;en 33efd;rei= 15
bung nidjtß gut fei, mao unfd;id'Iid; fein mürbe, menn man es>
in einem ©etnälbe ober an einer ©tatne uorfteffte. :) $oIglid;
muffen bie £id;ter gefegt fyaben. „Statuta unb 3>aleriu3 finb
au§ einer ^ett, ba bie römifdje ^ßoefie fd;on in ifyrem Verfalle
mar. Sie geigen aud; l;ierin il;ren oerberbten ©efd;mad", unb 20
i(;re fd)(ed;te 93eurteilungöfraft. 33ei ben S)id;tern aus einer bef=
fern ,3eit mirb man bergleid;en ^erftofntngen roiber ben mole-
rifd;en 2(uöbrud nid;t finben.'"')
So etmaö ju fageu, Brauet e§ matyrlid; menig Unterfdjeü
bungSfraft. ^d; roiff inbee mid; meber beö' Statuts nodj be§ 20
3SaIeriu§ in biefem Aaffc annehmen, fonbern nur eine allgemeine
2(nmerfung machen. SDie ©ötter unb geiftigen Sßefen, roie fie
ber .Uünftler uorfteffet, finb nid;t uöffig ebenbiefelben, roeldje ber
2>id;ter brauet. 33ei bem Ülünftler finb fie perfonifierte 2lbftracta,
bie beftänbig bie näm(id;e (Sfyarat'terifierung behalten muffen, menn 30
fie ertenntlid) fein foffen. 33ei bem ©id;ter hingegen finb fie mirf=
lidje fyanbehtbe 2Bcfen, bie über il;ren affgemeinen (5(;arafter nod;
anbere (*igenfd;afren unb Stffeften fyaben, meld;e nad; (Gelegenheit
ber Umftänbe uor jenen oorfiedjen tonnen. Pernio ift bem 33ilb=
bauer nid;tö al§ bie Siebe; er mu$ if;r alfo äffe bie fittfame, 35
uerfdjämte 2d;ön()eit, äffe bie (;olbeu Steige geben, bie un§ an ge=
'1 Polymetis Dialogae XX. p, Sil. Scarce any thing can be good in a poetical
description, ■which would appeai absurd, if represented in a statue 01 picture.
'•) Polymelie hial. VII. p, 71
Cnokoon VIII. C3
Hebten ©egenftänben entlüden, unb bie mir baljer mit in ben ab-
gefonberten ^Begriff her Siebe bringen. 2>ie gerirtgfte 2n>Tt>eid)ung
von biefem ^beal läfjt uns fein 23ilb rerfennen. <5d)önf)eit, aber
mit mefjr 3Jiajeftät aiö <5<fyam, ift fd)on feine SBemtS, fonbern eine
r ^nno. ^Het^e, aber mein* gebieterifdje, männliche al3 l)oIbe Steige,
geben eine 9Jiinen*a ftatt einer 3SenU§. üßoÜenbl eine gürnenbe
Pernio, eine 23enu§, oon ^Kad)e nnb SGBut getrieben, ift bem
SBilb^auer ein magrer -JÖiberfurud) ; benn bie Siebe, als- Siebe,
kirnet nie, räd)et fid) nie. 33ei bem 5)id)ter hingegen ift SBenuS
10 gtoar and; bie Siebe, aber bie ©öttin ber Siebe, bie anfjer biefem
Cbarafter, if)re eigene ^snbiüibualität Ijat, nnb folglid) ber Triebe
be§ 3lbfd)eus eben fo fal)ig fein mu% als ber 3unetgung. 2öa§
il'unber alfo, bafs fie bei il)in in 3om unb 2But entbrennet, be=
fonbers* roenn es bie beleibigte Siebe felbft ift, bie fie barein
i« oerfe^et?
@§ ift jroar roal)r, baf$ aud) ber <Rünftler in snfammengefe^ten
SGBerfen, bie 3>enu§ ober jebe anbere ©ottljeit, auf$er iljrem (Slja-
rafter, als ein roirflid) Ijanbelnbeö 2Öefen,_ fo gut roie ber 2)id)ter,
einführen fann. 2lber alsbenn muffen roenigftenS iljre £anblungen
»' ibrem ßfjarafter nid)t roiberfpredjen, roenn fie fd)on feine umnittek
bare 5*°^9en be§felben finb. §Benu3 übergiebt ifjrem Sofme bie
göttlidjen SBaffen: biefe £)anblung fann ber ^ünftler, forooljl als"
ber £id)ter, norftellen. £*ner (jinbert iljn nid)t3, ber SSenus alle
bie Sfnmut nnb Sdronfjeit 511 geben, bie ifjr al§ ©öttin ber Siebe
& utfommen; melmeljr mirb fie eben baburd) in feinem 95erfe um
10 viel fenntlidjer. 2lllein roenn fid) S8enu§ an tf-ren 2Jeräd)tern,
ben Männern ju SemnoS rädjen roill, in öergröfterter roilber ©e=
ftalt, mit fiedigten SBangen, in ucrroirrtem feaaxz, bie ^edjfatfel
ergreift, ein fdjroarjes ©eroanb um fid) roirft, unb auf einer finftern
so äöolfe ftürmifd) f)erabfäl)rt: fo ift bas" fein 2lugenblid für ben
.SUtnftler, roeil er fie burd) nid)t§ in biefem 2lugenblidc fenntlid)
madien fann. Gs ift nur ein 2lugenblid für ben 35td)ier, roeil
1 f. abge jonberten, b. b. al>i"tva£)ictten, wofür oben ©. 3 3- 10 „afijie^en" gefagt ift.
— 4 ff. Sies fann nicbt in ber akftimmtbeit, mit ber es hier ausgebrochen ift, feftgcljalten
werben. SDie einjclnen ©bttertiipcn geigen eine f c f) r mannigfaltige söehanblung bes Jbeals;
man »gl. ;. 33. bie JU'brobiteftatuen Don 2)le!os, t>om iiapitol, bie mebiceifcbe unb bie
Äaliipugos (in 9JeapeI). — 19 ff. £iircb biefe gorberung roerben bie ©renjen ber jhinft ju
ftart cingcjcbräntt. SIres erfa)eint in üiifammengefe|ten SEerfen (j. 33. Ömppen) nid,t
blofj als Ärieg0gott, fonbern auch als Liebhaber ber 21p6robite; Artemis befudjt ben En«
bnmion, mas i^rem eigeiillid)cn Gharafter burd;au3 roiberfpricbt, u. bg(. m. — 2.s. mit
fiedigten SBangen, nidit gan.i genaue Stuffaffung ber SBorte maculis suffecta genas;
es iieipt r>ielmef;r „mit lebbaft geröteten SEangen".
64 ffaolumit IX
biefer ba§ SBorrecfjt bat, einen anbem, in meiern bie ©öttin
ganj §Bemi§ ift, fo naf>e, fo genau bamit ju nerbinben, bafj mir
bie 3>emiö aud) in ber $urie nid)t aus ben Slugen oerlieren.
3)iefe§ tfjut ^Jaccu§:
— — Neque eniin alma videi'i 5
Iaui turnet; aut tereti crinem subnectitur auro,
Sidereos diffusa sinus. Eadem effera et ingens
Et niaculis suffecta genas; pinumque sonantem
Virginibus Stygiis, nigrarnque simillima pallam. ;)
Gben biefe§ tfjut ©tcttiuS: 10
lila Papbon veterem centumque altaria linquens,
Nee vultu nee crine prior, solvisse jugalem
Ceston, et Idalias proeul ablegasse volucres
Fertur. Erant certe, media qui noctis in umbra
Divarn, alios ignes majoraque tela gerentem, 15
Tartarias inter thalaniis volitasse sorores
Vulgarent: utque inrplicitis arcana domorum
Anguibus, et saeve formidine euneta replerit
Lirnina. 8) —
Ober man fann fagen; ber Siebter allein befi|et bas $unftftücf, 20
mit negativen .ßügen ou fdjübern, unb burd) SBermif erjung biefer
negativen mit pofitiuen Bügen, gtoet ßrfdjeinungen in eine ju
bringen. 9iidjt mefjr bie fjolbe §Benu§; nidjt melrr ba§ §aar mit
goloenen Spangen geheftet; uon feinem azurnen ©eroanbe um=
flattert; ofjne iljren ©ürtel; mit anbem flammen, mit großem 25
Pfeilen bewaffnet; in ©efetlfcfjaft xljx ärmlidjer ^urien. 3tber roetl
ber SCrtift biefeö ^unftftücfeö entbehren mufs, foll fid) feiner barum
aud; ber 3)idjter enthalten? Söenn bie 9Jia(erei bie ©djmefter
ber 1)id)ti'imft fein will: fo fei fie menigftcnS feine eiferfüd)tige
Sd)mefter; unb bie jüngere unterfage ber älteren nid)t ade ben 30
$u|, ber fie felbft nid)t' fleibet.
IX.
2öenn man in einzeln J-allen ben sDialer unb ©idjter mit
einanber Dergleichen null, fo muf$ man oor allen fingen mofjl
jufeljen, ob fie beibe itjre oöffige Areibeit geljabt baben, ob fie olme 35
') Argonaut. Z£b. II. v. 102—101'..
K> Thebaid. Lib. V. v. 01—69.
ffaokoou IX. 65
allen aufjerftdjen 3n>ang auf bie Ijödjfte 2Birfung ujrer Slunft fjaben
arbeiten fönnen.
Sin foldjer äußerlicher Broang mar bem alten $ünftler öftevo
bie Religion, ©ein Sßerf gur Ssereljrnng imb Sftibetung beftimmt,
5 tonnte nidjt allezeit fo oollfommen fein, als wenn er einjig baS
Vergnügen be§ ^Betrachters babei jur Stbfidjt gehabt tja'tte. ©er
3(&erglau6e überlabete bie ©ötter mit ©innbilbem, unb bie fdjünften
von il)nen nntrben nia)t überall aU bie fdjönften oereljret.
33acdm3 ftanb in feinem Tempel §u SemnoS, ans meldjem
iu bie fromme .'oupfipile il)ren SSater unter ber ©eftatt beö ©otte§
rettete,1) mit Römern, unb fo erfdjien er of)ne 3rocifel in allen
feinen Tempeln, benn bie §örner roaren ein <Sinnbilb, weldjes
fein SSefen mit bejeidjnete. -Kur ber freie ^ünftler, ber feinen
33acdjuö für feinen Tempel arbeitete, lief? btefes ©innbilb meg;
15 unb roenn mir, unter ben nod) übrigen Statuen non ilnu, feine
• mit hörnern finben/) fo ift biefeö oietleicfjt ein 23emeiö, baf3 es>
') Valerius Flaccus Lib. II« Argonaut, v. 265 — 273.
Serta patri, juvenisque comam vestesque Lyaei
Induit, et medium curru locat; aeraque circum
20 Tympanaque et plenas tacita formidine cistas.
Ipsa sinus hederisque ligat famularibus artus:
Pampineamque quatit ventosis ictibus bastam,
Keapiciens; teneat virides velatus babenas
Ut pater, et nivea tumeant ut cornua mitra,
25 Et saeer ut Bacchum referat scypbus.
SDa§ SBort tumeant, in ber testen ofm einen fte'üe, fdjeinet übrigens an,;ujeigen, baj? man
bie £örner beS ä3acd)u3 ntd)t fo Hein gemadjt, als fid) ©pence einbilbet.
-) 2)er fogenannte SöacdniS in bem ÜJlebiceifdjcn ©arten §u 9tom (beim üflontfaueon,
Suppl. aux Ant. T. I p. 1 i4.) tjat f leine, aus ber ©tirne tjeroorfproffenbe §örner: aber
£0 eS giebt flenner, bie ü}n eben barum lieber ;u einem gaune mad)en roollen. Sit ber £§at
finb fold)e natürliche §örner eine ©d)änbung ber menfd)lid)en (Sefialt, unb tonnen nur
SDBcfen gejiemen, benen man eine 2lrt von SRittelgeftalt jroifdjen 3Jlenfd)en unb £ier erteilte.
Sind) ift bie Stellung, ber lüfterne SJlicf nad) ber über fid) gehaltenen Sraube, einem 23e*
3 ff.. Sie ßuItuSBüber in ben alten Sempein roaren meift unnoHIommene ©d)nifcbilber
aus primitioer Seit ober genaue flopteen uou foldjen. @§ ift bamit äfjnlid), roie im fatbo*
lifdjen tfuttuS, roo aud) bie perebrteften 2Jtarien= ober §eiligenbtlber tünftlerifd) fein-
uiebrig }U ftef)en pflegen, bie ©diöpfungcn ber großen 9J!aler aber nur in feltenen fallen
aud; öegenftanb ber ätnbetung finb. — 9 ff. 2113 auf SBeranlafftmg ber sttrnenben 2lpbro;
bite bie Siänner oon ScmnoS iljre grauen »erliefjen unb biefe ben 33efd)lufi f afiten, alle
2)!änner 5U töten, rettete §opfipüe ihren SBater, ben flönig 2l)oaS, inbem fie iftjt als
SacdjuS oerfleibete. — 15 f. S)a§ ift nicöt ber %aü; es ift eine nidjt wnbeträd)tlid)e
Slnjat)! oon a3ocd)u§ftguren mit «öoruern nod) crbalten. 2lnbrerfeit'3 ift bie 2lnnal;me,
bafs biefe giguren alle Sempelbitbcr geroefeu fein müfjten, ebeuforoenlg gerechtfertigt, roie
bie 2lnfid;t, bafs SöacdniS in allen feinen Sempein mit Römern erfebienen fei. ffienn bie
."pörner finb nidjt ein ginnbilb, roeldjes fein SBefen an fid) bejeidmete, fonbern bejogen fid)
nur auf eine beftimmte Seite feines 2Befen§ unb fingen jebenfall'3 aud) mit gennffen
mpftifd)cn SSorfteBungen jufantmen. — 3u. §ier gebraucht Seffing gfaun ibentifd) mit
©ati)r, roäfjrenb er oben S. 60 J-auneu unb ©attjrn nebeneinanber al3 etroaS oerfd)iebeneö
nennt. — 31 f. SDaran l)ält bie antife flunft im allgemeinen feft; bod) muf? an ben mit
2Bibberl)örnern oerfeljenen 3cl1^ 2lmmou erinnert roerben, von beut roir febr fd)öne uno
fdiinerltd) blofj für flultu§}t»e(fe beftimmte Äöpfe befifen.
SeffingS SBerfe 9. 5
CG Caokoon IX.
feine von ben geheiligten finb, in roetdjen ev uiiafltdf» nererjret
ir>orben. C5ö ift ofmebem l)öd)ft maljrfdjeinlid), baf3 auf biefe leij=
teren bie 2öut ber frommen gerftörer in ben erften ^aljn'Ijunberten
beö Gtjriftentums oorneljtnftdj gefallen ift, bie nur Ijjier unb ba ein
Äunftrnerf fdjonte, roelct)eö burcr) feine Anbetung verunreiniget mar. s
®a tnbes unter ben aufgegrabenen 9(ntifen fid; ©tütfe foroorjl
von ber einen als! uon ber anbern 2lrt finben, fo roünfdjte id),
bafj man ben ^tarnen ber Mitnftmerfe nur benjenigen beifegen
möchte, in melden fid) ber $ünftler roirf'ltcf) als ^ünftter geigen
fönnen, bei melden bie ©djönrjeit feine erfte unb letzte 2tbfidjt 10
gemefen. 2WeS anbere, rooran fid) 51t merflidje ©puren gotteS=
btenftlidjer üBerafcrebungen geigen, uerbienet biefen Manien nidjr,
roeil bie $unft fyier nid)t um tljrer fefbft miffen gearbeitet, fonbern
ein blofjeS Hilfsmittel ber Religion mar, bie bei ben finnticfjen
SSorftellungen , bie fie itn* aufgab, meljr auf bas SBebeutenbe als 15
auf baS ©djöne fatje; ob idj fdjon baburdj nidjt fagen roifl, bafj
fie nidjt aud) öfters altes Sebeutenbe in bo§ Sdjöne gefegt, ober
aus 9^adr)fid^t für bie Kunft unb ben fetnern ©efcfnnad bes $af)r=
Ijunberts, non jenem fo üiel nadjgelaffen fyate, baft biefeS allein
51t rjerrfdjen fcfjeinen fönnen. 20
5Dtad)t man feinen fotdjen Untcrfdjieb, fo werben ber Kenner
unb ber Antiquar beftänbig mit einanber im Streite liegen, roeif
fie einanber ntcfjt uerfteljen. 28enn jener, nadj feiner ©inftdjt in
bie SBeftimmung ber $unft, behauptet, baf$ biefeS ober jenes ber
alte $ünft(er nie gemadjt Ijabe, nämlid) als ^ünftler nicr)t, frei= 25
unllig nidjt: fo mirb biefer eS baljin ausbeuten, bafj eS audj roeber
bie Religion, nod) fonft eine aufjer bem ©ebiete ber ^unft (iegenbe
llrfadje, oon bem Äünftler Ijabe madjen faffen, oon bem üünftter
nämlid), ab .^anbarbeiter. @r roirb alfo mit ber erften mit ber
beften $igur ton Kenner miberlegen 311 fönnen glauben, bie biefer 30
gleiter be? 2S>eingottc§ anftänbiger als beut ©otte felbft. 3d) ei innere mid) fjier, roa§
(SlemenS SHeranbrinuä r>on 2llej;anber bem ©rofjcn fogt (Protrept. p. 4a. Edit. Pott )
EßovÄsto de y.ti'i L-l/JS.aii)^u; '!sif<f<wvog viü; sirai doxeiv, y.ul y.eQaO(p6pog ävec-
nlättta^ai npb: twv ßcyakfiatoltoidiv, tb xctkhv av&Qtlijtov vßQiooti ojttvdiov rJqati.
Gs mar SltejanberS au3briicflid)er Sitte, bafj ibji ber S3ilbljaucr init Römern oorftellen 35
fotlte; er mar e3 gern aufrieben , bafs bie menfd)lid)e <£d)önl)eit in il;m mit hörnern be=
fdjimpft warb, roeun man iljn nur eineä göttticljen UrfpnutgcS }U fein glaubte.
0 — 20. SMefe an fid) luohjbcgrünbete lluterfdjcibung ift nur itt Ä'irfliditeit nidit leicht
burdisufiiljrcn, tueil man nur feiten bei einem alten Sunftwerl eS mit 3id)erl)cit beurteilen
tann, ob e§ ju Äultuäjroecfen bofttmmt geroefen fei ober nid)t. — 12. aSerabrebungen,
b. i. 3:enbcn;en. — 37. 3)lan ad)te auf bie im S)eutfd;eu ungeiDölmlidjc, bem i.iateiuifd)en
entlehnte .uonftruttion.
tfaokoon IX. 67
ofpte §Bebenfen, aber 311 großem 2trgerniffe ber geteerten Söett,
uiiebev 311 bem Sdmttc öerbammet, roorauS fie gejogen roorben.3)
3) 2US id) oßen behauptete, baf; bie alten ßünftler feine gurten gebilbet hätten, mar
eS mir nidbt entfallen, bafs bie gurien mein- als einen Xempel gehabt, bie ohne ihre ©tatuen
5 gewifs nid)t geroefen finb. 3n bem ju Eeronea fanb 2JaufaniaS bcrgleidien oon §olj; fie
waren lueber grof?, nod) fonft 6efonber§ merftottrbtn ; es fdjien, bafj bie Aunft, bie fid) nidit
an il)nen jeigen fönneu, eS an ben •öilbfäulen ihrer ^riefterinuen , bie in ber §allc beS
SempelS ftanben, einbringen wollen, als welche uon ©tein unb oon fein- fdjöner arbeit
waren. (Pausanias Achaic. cap. XXV. p. 587. Edit. Kuhn.) ^d) Ejattc eben fo wenig
10 uergeffeu, bafj man Köpfe uon ihnen auf einem 2lbraraS, ben GbiffletiuS befanut gemadjt,
unb auf einer Sampe beim SicetuS ju fe§en glaube. (Dissertat. sur les Furies par
Baanier, Mtmoires de l'Academie des Inscript. T. V. p. 48.) 2lud) fogar bie Urne
oon öetrurifeber arbeit, beim ©oriuS (Tab. 151 Musei Etrusci), auf welcher DrefteS unb
^ulabeS erfebeinen, wie ihnen swei gurien mit gadeln jufegen, war mir nicht unbefannt.
15 allein id) rebete oon Kuuftmerfen, uon mekhen id) alle biefe ©tücfe auSfdbliefjen 5U fönnen
glaubte. Unb wäre aud) baö ledere nidit fowol)l als bie übrigen bauen auSjufc&liejsen,
fo bienet e3 uon einer anbern Seite, mehr meine Meinung 51t beftärfen, al§ ju wiberlegen.
* Senn fo wenig aud) bie öetrurifdjeu Kiinftler überhaupt auf baS ©diönc gearbeitet, fo
fd)einen fie bod) aud) bie gurten nidjt fo wohl burd) idiredlidje ©eficbtSjüge, als uielmebr
20 burd) if)re Sracbt unb Attribute auSgebrüdt 51t haben. Siefe ftojjcn mit fo ruhigem ©e=
fidite bem DrefteS unb ^ulabes i&re gacfeln unter bie 2lugen, baf; fie faft febeiuen, fie nur
im ©cberje erfdjreden 511 wollen. 2Bie fürchterlich fie bem DrefteS unb ^nlabeS uorgefommen,
läfjt fid) nur aus U)rer guräjt, fcineswegS aber aus ber Silbung ber gurien felbft ab=
nehmen. ®§ finb alfo gurien, unb finb aud) feine; fie uerrid)ten baS 2tmt ber gurten,
L'5 aber iüd)t in ber Gntftellung uon ©rimm unb 2But, weldje wir mit ihrem 3tamen ju uer=
binben gewohnt finb; nid)t mit ber ©tirne, bie, wie Gatult fagt, expirantis praeportat
pectoris iras — Jlod» lürsticf) glaubte üerr 2Bintelmann, auf einem Garneole in bem
Stofjifdien Kabinette, eine gurie im Saufe mit fliegenbem 9Jocfe unb jgaaren, unb einem
Soldje in ber §anb, gefunben }u liaben (33ibltotbef ber febönen SBiff. V. 23anb ©. 30).
30 Ser £>err uon ijageborn riet hierauf aud) ben Äünftlern fefion an, fid) biefe 2lnjeige ju
mt|e su mad)en, unb bie gurien in ihren ©emälben fo DorjufieHen. (93etrad)tungen über
bie SKalerei S. 22:.'.) allein .§err äBinfelmauu f)at bernad) biefe feine Gntbecfung felbft
wieberum ungeiuif; gemadjt, weil er nid)t gefunben, bafj bie gurien, anftatt mit gacfeln,
aud) mit S)old)en oon ben 2llten bewaffnet worben (Descript. de8 Pierres gravtes p. 84).
35 Cljne gweifel erfennt er alfo bie gigureu, auf äßihtjen ber ©täbte Stjrba unb üKaftaura,
bie ©panf^eim für gurien auSgiebt (Les Cesars de Julien p. 44), nid)t bafür, fonberu
für eine §ccate triformis ; beim fonft fänbe fid) allerbingS l)ifr eine gurie, bie in jeber
.vuiub einen Sold) füljret, unb es ift fonberbar, bafj eben biefe aud) in blofjen ungebunbeneu
.yaaren erfd)einet, bie an ben anbern mit einem ©d)leier bebedt finb. 3)od) gefegt aud),
40 eS wäre wirflid) fo, wie eS bem §errn 2Bintelmann juerft uorgefommen: fo würbe eS aud)
mit biefem gefdjnittenen ©teine tben bie 23ewanbtniS haben, bie eS mit ber §etrurifd)eu
8. aU weld)e, in faufaler 33ebeutung, fo uiel als „ba biefelben". — 10. 2lb-ragaS,
gefdjnittcne Steine am fpäter 3eit, weld)e aufjer ©ötterfigureu baS (angeblid) eine ge=
i)eimniSuolle ajeneunung ©ottcS bebeuteube 2Bort) 2lbrai-aS trugen. — lOf. Gl)ifflct
unb SicetuS finb antiquarifdje ©elel)rte beS 17. galjrl). — 12 f. bie Urne oon §c =
trurifd)cr 2lrbeit; gemeint ift eine grtedjtfd)e gemalte SJafe. Jiefe ©efäfjc, bereu mau
bagumat nur nod) febr wenige fannte, galten als SBerfe ber etntSfifAcn Äunft, wäbrenb
in 2ßirflid)feit nur ein febr geringer S3rud)tetl unter ben uielen Jaufenbeu bemalter fBafen
etru'öfifd)e arbeit finb. — 13. SDer ard)äologe ©ori lebte in ber erften §älfte beS 18. %ai)v:
bunberts. — 24 ff. ©tefe S3eo6od)tung Seffingä bat bie neuere gorfdjung burdutuS beftütigt.
Sie gurien (Grinden) merben, ebenfo wie bie SDlebufo, nur uon ber untergeordneten Äunft,
refp. bem Äunftbanbwerf in abfdircdenber §äftlid)feit bargeftellt; bie entwidelte Äunft
ftcllt fie in burebaus tnenfd)lid)n'bler SJilbung bar, inbem il)r fdiredlid)eS 2lmt tebiglid) in
ifjre 2lttribute (©anlangen, gacfeln, ©cifteln) uerlegt wirb. 3n ber Siegel erfdjetnen fie
im JnpuS ber Qägerinnen, weil fie gleid) fdmelleu ^unben bie Hiiffctljäter verfolgen. —
21;. Gatull, ©eb. 64, 23. ü'4. — 2? f. in bem St'ofjifdjeu Kabinette; bie Samm*
hing bes 25aron u. Stofcb, bie fid) jebt im berliner Hhtfeum befinbet. 2lud) «Bindelmanu
fdneibt immer „Stofjifd)", um ben älUfjflang ©tofdjifd) ju oertneiben. — 36. 23aron
G-,cd)iel oon ©panljeim, ein berühmter DtumiSmatifer, lili) in Bonbon geftorben.
' Sie ©tabt Snrba liegt in Gilicieu, 2)Jaftaura (Seifing idnieb irrtümlid) üKafjaura) in
Stjbieu.
68 ffiaohoon ix.
©egenteüä fann man fidf> aber and) ben ßinftuf, ber Religion
auf bie Munft 51t grofjj uorftetten. «Spence gte&t tjieroon ein fonber=
6are§ Seifpiel. ©r fanb beim Doib, baf? SSefta in iljrem Tempel
unter feinem persönlichen Silbe oereln'et morben; unb biefeä bünfte
it)m genug, baranö 51t fd)tief5en, baft e§ überhaupt feine 33ilb= 5
faulen non bicfer ©ottin gegeben Ijabe, unb bafj atle§, roa§ man
biöfyer bafür gehalten, nidjt bie SBefta, fonbern eine üBeftaftn nor=
ftelle.4) ©ine feltfame ^yolge! Sßerlor ber ^ünftler barum fein
ÜRedEjt, ein 2Befen, bem bie 2>id)ter eine bcftimmte s}>erföntid)feit
geben, baö fie gur Xotyttx be§ ©atumuS unb ber Dpö mad)en, 10
ba§ fie in ©efatjr fommen laffen, unter bie SDftfjIjanbiuttgen be§
5priopu§ §u falten, unb raaS fie fonft non il)r erjagen, oerlor er,
fage id), barum fein Sftedjt, biefeS SBefen and) ncrd; feiner 2trt 511
perfonificren, weil e§ in ©inern Stempel" nur unter bem ©innbilbe
be§ ^euerä oeretjret warb? 2)enn Gpence begebet babei nod) biefen 15
$el)ler, baf; er ba§, ma§ Doib nur non einem geroiffen Xempel
ber 33efta, nämlid; non bem 31t üftotn fagt/) auf alle Xempel
bicfer ©öttin ol)ne Unterfdneb unb auf iljre SSereljrung übert)aupt,
auöbeljnet. 2öie fie in biefem Tempel 511 9tom neref)ret roarb,
fo marb fie nidjt überall uereljret, fo mar fie fclbft nidjt in Italien 20
ncret)ret morben, elje it)n 9iuma erbaute. Üiuma wollte feine öott=
fjeit in menfdjlidjer ober tierifdjer ©eftatt norgeftellet nriffen; unb
barin beftanb ol)ne 3'ueifel bie SSerBcfferung, bie er in bem ®ienfte
ber SSefta madjte, baf$ er alle perfönlidje 3>orftelTung non if)r
barauö oerbannte. Duib felbft lct)ret un§, baf; c3 nor ben 3citen 25
Urne Ijat, c§ roäre beim, bafj fid) roegen ßtcintjeit ber SIrbeit gar feine ©efidjt^üge er«
fennen liefen. Überbein gehören aud) bie gefdnüttenen Steine überhaupt, roegen if;re3
©ebraud)o al3 Siegel, fdjon mit jur Siüberfpradje, unb ifjre fjiguren mögen öftrer eigen*
finnige Smnbole ber S3efi|er, at* freiroillige SBerfe ber JHlnftler fein.
") Polymetis Dial. VII. p. 81. 30
'■i Fast. Üb. VI. v. 295—98.
Esse diu stultus Vestae BÜnulaera putavi:
^l'ix didici curvo nulla subesse tholo.
[gnis inexstinetus templo celatur in illo.
Bffigieia nuUam Vesta, nee ignis, habet. 35
Dmb rebei nur oom ©otteäbtenfte ber SSefta in dUm, nur »on bem Stempel, ben ii;r 9Juma
bafelbft erbauet tjatte, non bem er lurj junor (v. 250. 60) fagt:
Regia opus placidi, quo non metuentius ulhun
Numinis Ingenium terra Sabina tulit.
8. A-olge =■ Folgerung. — -'f- 9iad; römifdjer ©Btterleljre bie fog. Vesta minor:
bie Vesta maioi ober cana ift «emalilin beS ISöluS ober 3onu8 unb SDhtttet be§ So=
turnuS. — 11 f. SDlifibanblungen be§ ^riapuö; uadt ber bei Ovid. fast VI, 3-Jiff.
erfüllten Sage rooHte ^Sriapuä einft bie fa)lummernbe SBefio, bie er nicht (annte, iiber=
roältigcn, ba roedte fie baS «efdjrei beö in ber s.)iiil)e befiuMidien ®feß be§ ©Uen; feitbem -
[ei ber ©fei am SJeftafefle uon ber -Jlrbeit in ber a'iüble befreit.
faokoon IX. 69
be§ SKumct, SStlbfäutcn ber SSefta in U)rem Tempel flegeben Ijabe,
bie, als ifjrc Sßriefterm ©rjlma 3Jluttcr raarb, oor <2djam bie
jnngfränltdjen |>änbe oor bie 2Iugen Ijoben. '') 3)af$ fogar in ben
Tempeln, meldje bie ©öttin aufjer ber Stabt in ben römtfdjen
5 Sßrooingen fjatte, i()re 2>ereb,rung nidjt obffig oon ber 2(rt geroefen,
a(3 fie Patina oerorbnet, fdjeinen oerfdnebne alte ^nfdjriften ju
beroeifen, in melden eineö Pontilicis Vestae gebadtjt mirb. 7) 9lud)
ju Gorintl) mar ein Xempet ber SSefta ob,ne äffe Silbfäule, mit
einem blofjert 2l£tare, morauf ber ©öttin geopfert roarb.8) 2(ber
10 (jatten bie ©rieben barutn gar feine ©tatuert ber SSefta? 3u
2ftrjen mar eine im ^rptaneo, neben ber Statue be§ $rieben3.y)
£)ie £>affeer rülpnten oon einer, bie bei iljnen unter freiem Fimmel
ftanb, bajj meber Sdjnee nod) Stegen jemals auf fie faffe.11')
■^liniuci gebeult einer fiijenben, oon ber £>anb be§ ©copasS, bie
15 fid) §u feiner ßeit in ben Seroilianifdjen Warten gu Siom befanb.11)
Zugegeben, bafj e§ un§ itjt ferner mirb, eine blofje SSeftalirt oon
einer SSefta felbft §u unterfdjeiben, bemeifet biefeö, baf; fie and;
M Fast. lab. III. v. 45. 46.
Sylvia fit mater; Vestae simulaera feruntur
20 Virgineas oculis opposuisse manus.
Stuf biete SEBeife hätte Spence ben Duib mit fid) felbft oergleic&en follen. Ser Siebter rebet
von oerfebtebnen 3e^ten- &ex von oen 3e'tcn Dor *>em 91uma, bort oon ben Reiten nad)
ihm. gn jenen roarb fie in Italien unter perfönttäjen SSorftettungett oerebret, fo roie
fie in Sroja mar oerebret roorben, oon mannen Sleueas ihren GJottesbtenft mit herüber
25 gebracht hatte.
■ — — Manibus vittas, Vestamque potentem,
Aetenmmque adytis effert penetralibus ignem:
fagt SSirgil von bem ©eifie bes jfjeftors, nad)bem er bem 2leneas jnr gludit geraten. §ier
wirb bas eroige gfeuet oon ber SSefta felbft, ober ibrer SSilbfätite, auöbrücflid) untertrieben.
30 Spence mufj bie römtfdjen Sidjter 51t feinem SSebufc bod) nod) niebt aufmerf'fam genug
burdjgelefen haben, roeil ihm btefe Steile entroifdjt ift.
■I Lipsius de Vesta et Vestalibus cap. 13.
M Pausanias Corinth. cap. XXXV, p. 194. Edit. Kuhn.
1 Idem Attio. cap. XVIII p. 41.
35 ,0) Polyb. Bist. lib. XVI. §.11. <>ij. T. II. p. 443. Edit. Ernest.
") Plin. lib. XXXVI. sect. 1 p. 727. Edit. Hard. Scopas fecit — Vestam seden-
trin laudatam in Servilianis Imrtis. 3)iefe Stelle mufj fiipfinä in ©ebanfen gehabt
haben, als er die Vesta eai>. 3.1 fdjrieb: Pliniua Vestam sedentem effiiigi solitam
ostendit, a Btabilitate. Slllein roas ^.Uimus uon einem einseht Stüde bes Scopa3 fagt,
7. S5er Sienft ber SSefta mar bereit? unter ben ©cfdjäften ber alten Pontifices eins
ber rcefentüdtften; ben tarnen Pontifices Vestae (ober f. maiore!-) nahmen fie erft unter
Jtatfer Slureüan (270 — 275) an, als biefer ba§ Sotiegiitm ber Pontifices Solis ftiftete;
ogt. SDlarguarbt, Köm, Staatsoerroaltung III, 236. SHefe Benennung hQt atfo im oor=
liegenben gallc feine Seroeisfraft. — 12. 5,affo§, Stabt in Äarien. — 14. Uer berühmte
aSiibhauer S topos aus $aroQ lebte in ber erften .öälfte bee 4. 3>abrb. v. <Si)V. — lt;f.
Sie betannte Statue einer Söeftalin im ÜDtufeum bes Satitan rourbe oon mandjen für eine
SBefta erflärt. 3TDeifcllo3 fenntiiebe Statuen ber Sßefta finb uns in ber £bat nid)t er=
halten; bod) wirb bie feg. SSefta ©iuftiniani (heute im 23efi§ bes Jürften Xorlonia) rool)l
in ber Jfjat eine foldie fein. — 37. Quftus i'ipfius, ein berühmter l)ollänbifd)er ^hilo=
log, 1547- 1BQ6.
70 tfaokoon X.
bie 2ttten nidjt unterfdjetben tonnen, ober rooljl gar nitfjt unter*
Reiben wollen? ©eroiffe Äenttjeidjen fpredjen offenbar mer)r für
bie eine, al§ für bie embere, 5Da§ 2eepter, bie Partei, ba§ ^utltabiuin,
(äffen ftd) nur in rer §anb Der ©ötttn oermuten. S)a§ ^ntnpamun,
roeldje§ iljr (Sobtnuö Beileget, föntntt i()r tneücid)t nur aU ber @rbe
§u; ober (Sobinuö raupte felbft ntdjt redvt, roa§ er falje. lL')
$d) merfe nod) eine Söefrembung be§ ©pence an, roeldfje
beutlid) geiget, rote roentg er über bie ©renjen ber "^oefte unb
Müllerei mufj nadjgebadjt baben. 10
„2öa§ bie 9)iufen überbaupt betrifft, fagt er, fo ift e§ bod)
fonoerbar, bafj bie ©tdjter in Söefdjrei&ung berfelben fo fparfam
finb, roeit fparfanter, als man ee bei ©öttinnen, benen fie fo grojje
v^erbinblid)feit Ijaben, erroarten foftte."1)
2ßa§ Jjeifjt ba§ anberö, al§ fid; rounbern, bafj, trenn bie 15
Tidjter uou Urnen reben, fie e§ nidjt in ber ftumnten ©pradjc ber
Butler t§un? Urania ift ben Stdjtew bie 3Jhtfe ber ©ternfunftj
liätte er nidit für einen allgemein angenommenen Sljarafter ausgeben folten. @r merft
felbft an, baf; auf ben äJSünjen bie 33efta ebenfo oft ftetjenb aI3 fitjenb erfdfjeine. 2UIein er
öerbeffert baburd) nidjt ben l;liniu§, fonbern feine eigene falfd)e ISinbitbung. 20
'-) Georg. ('<><liuus de Originib. Constant. Edit. Venet. p. 12. Tijy yfjv Xiyovotv
Eotiotv, xcti nXäxtovatv autljv yuvotty.a, rbynavov ßaaTd^ovaav, irtttdlj roh-: ävifjov?
i' y!j vip' iairtip ovyxldu. Suibaö, au§ il)m, ober beibe am einem altern, fagt unter
bem SBortc 'Eatia eben biefeS. „Sic Grbc wirb unter bem Stauten SSefta als eine fjtau
gebilbet, meldte ein ?v,invanon trägt, weil fie bie äBinbe in ftd) oerfdjloffen t)ält." Sie 25
Urfad)e ift ein toenig abgefdjmadt. ©3 mürbe fidi eljer baben tjören taffett, toenn er gefagt
baue, bafj il;r beSiuegen ein Sriimpanou beigegeben toerbc, roeil bie Slltenjum Keil geglaubt,
bafj ifire gtgur bamit übereinfomme; a/y/ua adtij; rvfmavofi.dk; thai. (Plutarchus
de placitis Philos. cap. 10. id. de facie in orte Lunae.) 2Bo fidi aber GobinuS nur
nidit euttoeber in ber Jigur, ober in bem Flamen, ober gar in beiben geirret l)at. Cr 30
tuufjte mellcidjt, toas er bie i'efta tragen fade, nidit beffer ,u nennen, als ein SEnmpanum ;
ober borte e3 ein Sinnpanum nennen, unb tonnte fid) nid)t3 anberS babei gebenten, als
baS gnfrrumerrt, loeldieo rotr eine geerpaufe nennen. Tympana waren aber aud) eine
9lrt oon Wäbem:
Mine radios trivere rotis, hinc tympana plaustris 35
Agricolae —
(Virgiliua Georgia lib. II. \. Uli Unb einem foldjeu Wabe fdjeinet mir baS, roaS
fid) an ber SBefta be§ JaBretti ieiget, (Ad Tabulam Hiaäis ]>. 334.) unb biefer ©elejjrte
für eine £>aubmiil)le bält, fefir iilmlid) (;u fein.
'i l'.ilvinctis Diät. VIII. p. 91. 40
5. SDer boäantiinfdie ^iftoriler ©eorgioS ÄobinoS (um 1453) ift für bie hier nor»
liegenbe (jrage ein burdjau-j unjuoerlKfftger 8euge. — 14. Ser binblidjfeit baben,
mit bem 2)atio fouftruiert, roie „oerbinblid) fein"; wie beute in ber Siegel mit „gegen".
— 23. SuibaS (um '.»t;(.i), ein tnisantinifdtcr ©elefirter, SJerf. eines no* uor^anbenen,
meiit au8 älteren Duellen feböpfenben 3Börterbud)eS. — 26 ft. SDiefe Grflärung ift jebettJ
faQS bie allein richtige. — :.'■:'.. Tympana finb große Diäbcr obne Speidien, toie man fie
für Saftnagen benufte; als mufifalifdjeä Snftrument entfpredjen fie mein uuierem Zanu
boitrin. — 3s. :iiaiael JaBretti, ital. ©elelnter, gejt. 1700.
ffaokomi X. 71
aus Ujretn Sftamen, aus tfjren 33emdjtungen ernennen mir iba*
3(mt. £>er ^ünftler, um e§ fenutlirf; gu madjen, mujj fie mit
einem 3tabe auf eine .vnmmelshigel meifen laffen; biefer ©tafc,
biefc $vmtnel§ruget, biefe iljre Stellung ftrtb feine 33ud)ftaben, aus
5 melden er uns ben tarnen Urania §ufamntenfe|en Väfyt Stber
menn ber ^Dtcr)ter fagen will: Urania Ijatte feinen £ob längft du§
ben ©ternen oor^ergefe^n,
Ipsa diu positis lethum praedixerat astris
Uranie — -)
loroarum fott er, in Sftücffidjt auf ben SSMer, bajufefcen: Urania,
ben 9kbius in ber £>anb, bie §ttnmel§fugel nor fid)? 3Bäre es
nid)t, als ob ein s3Jienfd), ber taut reben fann unb barf, fid) nod)
jugtetdj ber 3eidjen bebienen follte, roeldje bie Stammen im ©er=
raglio bes dürfen, aus fanget ber otimme, unter fid) erfunben
15 t)aben?
(Sbenbiefelbe SBefrembung äußert ©pence nod)mal§ bei ben
moralif d)en Söefen, ober benjemgen ©Ortzeiten, meldje bie 2tlten
ben £ugenben unb ber ^üljrung bes menfd)lid)en Sebens norfeijten.3)
„@s r-erbienet angemerft §u roerben, fagt er, ba£ bie römifdjen
20 S)id)ter oon ben beften biefer moralifdjen 2öefen meit weniger fagen,
als man erroarten follte. £>ie Strtiften finb in biefem ©tüde
üiel reid)er, unb roer miffen null, was jebes berfelben für einen
Aufjug gemalt, barf nur bie SJlüngen ber römifdjen Äaifer §u
Siate §ief)en.4) — Sie £>id)ter fpredjen oon biefen Gefeit gwar
25 öfters als r>on ^erfonen; überhaupt aber fagen fie uon ir)ren
Attributen, ifjrer $teibung unb übrigem äfafefjen feb,r wenig/' —
2öenn ber 2>id)ter 9lbftracta perfonifieret, fo finb fie burd)
ben 9tamen, unb burd) bas, was er fie tljun täfjt, genugfam
djarafterifieret.
30 3)etn Svünftter festen biefe Mittel, ßr mufi alfo feinen pcr=
fonifierten 2lbftractis ©innbilber ^ugeben, burd) meldje fie fenntlidj
nierben. £>iefe ©innbilber, weit fie etwas anbers finb, unb etwas
anbers bebeuten, madjen fie 511 allegorifd)en Figuren.
5) Statins Theb. VIII. v 551
35 i Polym. Dial. X. p. 137.
■") Ibid. p. L39.
3. £>er Stab ober KabiuS, roomit äRatbcmatiter unb Stftronomen ihre Figuren in
bem Sanb auf tbren 3eiä)entifd)en ju entwerfen pflegten. — 13 f. ©erraglto, Seffing
meint ben §arem; Serail ift ber ^alaft be3 Sultans. — 33. Über i>m ©ebraud) ber
SlUegorie in ben btlDenbeu ßünften t>gl. man be§ Herausgebers 8aofbon«Stubien §eft I,
Aieiburg i. S3r.
7J ffnokoon X.
©ine $rauen§perfon mit einem 3aume in ber §anb; eine
anbere, an eine Säule gelegner, finb in ber iUmft atfegorifdje 2öefen.
allein bie 9Ääjjigung, bie ©tanbljaftigfeit bei bem Sinter finb
feine alfegorifdje SSefen, fonbem blof$ perfonifierte 2(&ftracta.
Sie ©innbilber btefer 28efen bei bem ^ünftler tjat bie 9Zot 5
erfunben. 3)enn er fann ftrf; burdj nidjtö anberä üerftänblidj
machen, roa§ biefe ober jene §Hgur bebeuten foff. 2Bogu aber ben
Münftfer bie 9tot treibet, warum foft ficr) baS ber Sidjter aufbringen
(äffen, ber oon biefer 9tot nid)t§ roeif??
2Ba3 ©pencen fo ferjr befrembet, oerbienet ben Sicfjtern als 10
eine Siegel t>orgefd)rieben §u roerben. ©ie muffen bie 33ebürfniffe
ber SJtalerei nid)t §u trjrem Steidjtume madjen. ©ie muffen bie
■JRtttel, roeldje bie $unft erfunben bat, um ber ^oefie nadjjufommen,
nidjt alö üßollfonvmenljeiten betrachten, auf bie fie neibifcf) 311 fein
Urfadje fyätten. Sßenn ber ^ünftler eine $igur mit ©innbtfbem 15
au§gteret, fo ergebt er eine btof}e $igur 311 einem Jjörjem Sßefen.
Sebienet fidj aber ber 5Did)ter biefer malerifdjeh 2lu3ftaffierungen,
fo madjt er au§ einem Ijörjern Sßefen eine -Jhtppe.
©0 rote biefe Siegel burdj bie Befolgung ber 3tlten bemäfjret
ift, fo ift bie gefliffentlidje Übertretung berfelben ein £ieblings»= 20
fehler ber neuern SDtdjter. Stile irjre Söefen ber ©inbilbung gerjen
in SölaSfe, unb bie fidj auf biefe 9Ra3feraben am beften uerfteb)en,
oerfterjen fidj mciftenteil§ auf ba§ ^auptroerf am roenigften; nämlidj,
itjre 2öefeh Ijanbeln 31t (äffen, unb fie burdj bie £anblungen ber^
felben ju djarafterifieren. 25
©od) giebt e§ unter ben Stttributen, mit roetdjen bie Äünftler
itjre 2(bftracta begetdjnen, eine Slrt, bie be§ poetifdjen ©ebraudjS
fälliger unb roürbigcr ift. $dj meine biejenigen, roeldje eigentlich
nidjtö aUcgorifdjcS Ijaben, fonbem als Sßerfgeuge gu betrachten
finb, bereu fidj bie Sßefen, roeldjen fie beigeleget roerben, falls 30
fie alö roirflic&e ^erfonen Ijanbeln follten, bebienen mürben ober
tonnten. Ter ^aum in ber §anb ber 9föäjj$tgung, bie ©äule, an
roeldje fidj bie ©tanbfjaftigfeit lehnet, finb (ebiglirf) attegorifdj,
für ben ©idjter alfo oon feinem 9iut3en. Tie Sßage in ber §anb
ber ©eredjtigfett, ift e§ fdjon roeniger, roeil ber redete ©e&raudj 35
ber SBage roirflid; ein ©türf ber Oieredjttgfeit ift. Tie Seter ober
Alöte aber in ber A>anb einer SSKufe, bie Sänge in ber £anb beö
Hutrö, .Jammer unb &ange in ben Rauben be§ üßulcanS, finb
gang unb gar feine ©innbilber, finb blofje ^nftrumente, olme
«aokoon X. 73
roeldje biefe 9Befcn bie 2öirfungen, bie wir iljncn jufdjrei&en, nid)t
^erüor&ringen tonnen. üBon biefer 2(rt finb bie SlttriBute, meklje
bie alten Sidjter in ifn'C Sefdjretlhmgen etwa noef) einfledjten,
unb bie idf) belegen 511m Untcrfcfyiebe jener affegorifdjen, bie
a poetifdjen nennen möchte. SDiefe Bebeuten bie <£a($)t felbfi, jene
nur etiuaS äf)n(icf)eo.:)
•■■) ÜJian mag in bem ©emälbe, welches §oraj pon ber Siotroenbigfeit mad)t, unb inelrfieS
pietleid)t baS an Attributen reidjfte ©emälbe bei allen alten Sintern ift: (Lib. I. Od. 35.)
Te semper anteit saeva Necessitas :
10 Clavoa trabales et euneoa manu
Gestans ahenea; nee aeverus
Uncus abest liquidunique plumbuin —
man mag, fage id), in biefetn ©emälbe bie DJägel, bie klammern, bas fließenbe 33lei, für
Drittel ber 23efeftigung', ober für äBerfscuge ber 33cftrafuug annehmen, fo gehören fie bod)
15 immer mebr ju ben poetifdjen, al§ allegorifdjen SUtributen. Slber aud) als folebe finb fie
;u febr geljäuft, unb bie ©teile ift eine pon ben froftigften beS £oraj. Sanabon fagt:
J'ose dire que ce tableau pria dans le detail aerait plus beau sur la toile que dans
une Ode heroique. Je ne puis Bouffrir cet attirail patibulaire de clous, de coins,
de erocs, et de plomb fondu. J'ai cru en devoir decharger la traduetion, en suli-
20 stituant les idees geiierales aux idees singulieres. ('"est dommage que le Poet ait
tu besoin de ce correctif. Sanabon l)atte ein feines unb ridjtigeS ©efübl, nur ber
©runb, womit er e§ beroäbren null, ift nidjt ber redete. 92td)t roeil bie gebraudjten Ölttrt=
bitte ein Attirail patibulaire finb ; benn eS ftanb nur bei i£)tn, bie anbere 2luslegung an»
sunelnnen, unb baS ©algengeräte in bie fefteften Sinbemittel ber 23aufunft 311 perroanbeln ;
25 fonbern roeil alle 2lttributa eigentlid) für baS 2lugc, unb nidit für baS ©el)ör gemadjt finb,
unb alle SBegriffe, bie mir burd) baS Sluge erhalten follten, roenn man fie uns burd) baS
©ebör beibringen null, eine größere 2lnftrengung erforbern , unb einer geringern JJlarbeit
fäftig finb. — £er Verfolg oon ber angeführten Strophe beS §oraj erinnert tnid) übrigens
an ein paar äSerfeben beS Spence, bie pon ber ©enauigfeit, mit roeldjer er bie angesogenen
30 (Stellen ber alten Siebter null erroogen baben, nidjt ben porteilbafteften Segriff erroecten.
©r rebet pon bem Silbe, unter roelcbem bie Stomer bie Ireue ober ©fjrlicfjEcit porfteHten.
(Dial. X. p. 14.").) „Sie 9?ömer, fagt er, nannten fie Fides; unb roenn fie fie Sola
Fides nannten, fo fdjeinen fie ben beben förab biefer ©igenfd)aft, ben roir burd) grunb=
eljrlid) (im ©nglifeben downright houesty) auSbrüden, barunter perftanben ju b«ben.
35 Sie roirb mit einer freien offenen ©efidUSbilbung , unb in nidjtS als einem bünnen bleibe
porgeftellct, roeldieS io fein ift, baß e§ für burdjfiditig gelten fann. ^oraj nennet fie baber,
in einer pon feinen Oben, bünnbetleibet; unb in einer anbern, burd)fid)tig." 3n biefer
fleinen Stelle finb nidjt mebr als brei jiemlid) grobe gebier, ©rftlicb ift es falfd), baß
Bola ein befouberes 93eiroort fei, roeldjeS bie 9iömer ber ©öttin Fides gegeben. Sjn ben
4.0 beiben Stelleu beS Sioius, bie er besfalls sunt 23eroeife anfübrt, (Lib. I. c. 21. Lib.
IL c. 3.) bebeutet es roeiter nidjts, als roas es überall bebeutet, bie 2lu3fd)ließung alles
übrigen, gu ber einen Stelle fdjcinet ben SriticiS baS soli fogar perbäd)tig unb burd)
einen Sdjreibfebler, ber burd) bas gieret) baneben ftebenbe sulenne peraulaffet roorben, in
ben Sert gefommen ju fein. 3n ber anbern aber ift nidjt pon ber Jreue, fonbern pon
45 ber Unfdmlb, ber Unfträflidjfeit, Innooentia, bie Siebe. graeitenS: §oras foll in einer
feiner Dbcn, ber 2reue, baS SJeiroort bünnbetleibet geben, nämlia) in ber oben angesogenen
fünfunbbreifjigften beS erften S3ud)S:
Te spes. et albo rara Fides colit
Velata panuo.
50 (SS ift roabr, raras beifjt audp bünne; aber bjicr beißt es bloß feiten, roaS roenig portommt,
unb ift baS 93citPort ber £rcue felbft, unb nid^t ibrer Söefleibung. Spence roürbe 3ied)t
i)abznt roenn ber 3Md;ter gefagt Ijätte: Fides raro velata panuo. ©rtttenS: an einem
anbern Drte foll ^oraj bie Sreuc ober 9ieblid)feit burd)fid)tig nennen; um eben baS bamit
7—28. S5ie 2lnnal)mc bat piel für fidj, baß fid) §oraj bei feiner allegorifdjen Sd)ilbe=
rung an ein bamalS oorljanbeneS unb befannteS ©emälbe ber Necessitas angelebnt tjat.
— lt;. Sanabon, DJoel ßtienne, 167t;— 1733, franj. ^ptjitotoge.
74 Caokoon XI.
XL
i?lud) ber ©raf (ütylvß fdjeinet ju verlangen, bafj ber ©idjter
feine 2Befen ber ©inbilbung mit attegorifdjen Attributen au§=
fdjmütfen fotfe.1) 2>er ©raf nerftanb fid) 6effer auf bic SOtalerei,
als auf bie ^oefie. 5
anjubeuten, roas mir in unfern gemöfmlidiett f$freunbfdjaftSt)erfid)erungcn 311 fagen pflegen :
id) n>ünfd)te, ©ie tonnten mein £erj fetjen. Unb biefer Ort foll bie 3eile ber ad)täef)ntett
Dbe bes erften SJudjs fein:
Arcanique Fides prodiga , pellucidior vitro.
2Bic tann man ftdfj aber uott einem bloßen SBorte fo »erführen laffen? öeifst benn Fides 10
arcani prodiga bie SEreue? Dber fjeifjt es nid;t ruelmeljr, bie SCreuloftgteit? SSon biefer
fagt §ornj, unb nidit nou ber Streue, bafs fie burd)fid)ttg wie ©las fei, weil fie bie ihr
anvertrauten ©etjeitnttiffe eines jeben Slicfe blofjftellet.
') Slpollo übergießt ben gereinigten unb garantierten i'eidutam bes ©arpebon beut
£obe unb bem gdjlafe, ifjn nad) feinem SJaterlanbe 511 bringen. (II. 11. v. 681. 82.) 15
nitirtt öi /.uv rtoftrtoiaiv aiia y.oaiTtvoToi (piüsa^ai
"Ynvva v.ou Qavatta dtdvpäoaiv.
Caulus empfiehlt biefe @rbid)tung bem 3RaIer, fügt aber fcinju: II est fächeux, qu' Homere
ne nous ait rien laisse sur les attributs qu'011 domioit de son tems au soni-
meil; nous ne comioissons, pour caracteriser ce Dieu, que son aetiou meme, et 20
nous le couronnons de pavots. Ces idees sont modernes; la premiere est d'un
medioere Service, mais eile ne peut etre employee dans le eas present, 0(1 meme
les fleurs me paroissent deplacees, surtout pour une figure qui groupe avec la
tuort. (©. Tableaux tires de l'Iliade, de l'Odyssee d'Homere et de l'Eneide de
Virgile, avec des Observations generales sur le Costunie, ä, Paris 1757. 8.) 2>as 25
Ijeijjt Don bem ferner eine von ben fleinett Qteraten oerlangen, bie am metften mit fetner
großen Lanier ftreiten. ©ie finnreidjften Slttributa, bie er bem ©djlafe tjätte geben tonnen,
würben tl;n bei weitem nid;t fo coUfornmen d)aractertfieret, bei weitem tein fo lebhaftes
33ilb bei uns erregt tiaben, als ber einsige gug, bttrd) ben er ifni 311m 3n>iQingsbruber
bes XobeS mad)t. Siefeit Qttg fudje ber Mnftler attsäitbrüdcn, unb er wirb alle Slttributa 30
eittbeljren tönnett. Sie alten fiüuftler Ijaben aud) wirf'lid) ben Sob unb ben ©cbjaf mit
ber 2il)ttlid)teit unter tief) oorgeftellet, bie mir an Zwillingen fo natürlid) erwarten. Stuf
einer Äifte »on 3ebern^"'3 in bem SEempel ber Jiuito 31t Slis, ruhten fie beibe als Änaben
in ben Sinnen ber Siadjt. 92ur war ber eine weif;, ber anbere fdjroars ; jener feblicf, biefer
fd)ien ju fd)lafen; beibe mit über einanber gefddagenett fjüfsen. ffienn fo wollte id; bie 35
SBorte beS SpOUfaniaS (Eliac. ca]>. XVIII. p. 422. Edit. Kuhn.) ä/Licpotf^ov; du-
atgafi/uevoui io\-- nöda;, lieber überfein, als mit frummen fjüjjen, ober wie es ©ebomt
in feiner ©pradtc gegeben l)at: les pieds contrefaits. SBa§ folltett bie frummen g-üfic
t)iei- auSbrücten? Über einanber gefdjlagene g-üfie tjittgegen fiub bie gemöljnlidje Sage ber
©dtlafenben, unb ber ©d)lqf beim SJJaffei (Kaccol. PI. 141. i liegt nidit attbers. ®ic neuem 40
Slrtiften fiub oon biefer 2lfmlid)teit, welcfie ©d)laf unb Xob bei ben 2Uten mit einanber
Imbett, gänslid) abgegangen, unb ber ©ebraud) ift allgemein worbett, ben Sob als ein
©telctt, Ijödtftens als ein mit .'oattt bcflcibetes ©f'elett norjuftellen. 23or allen Singen l;ätte
Eanlus bem fiünftler alfo f)ier raten muffen, ob er in SJorftetlung beS Sobes bem alten
2. Sinne Claube pilippe be Subiöres, Gomte be Gaolus (16.12—1765) ift einer
ber bebcutenbftett Slrdjäologen bes oorigen Jabrlmuberts, ber eine umfaffenbe Äcttutnis
ber antuen Setttmäler unb ber Sedtttit ber fiunft befafj. Sefftng fommt auf feine Tableaux
tires de l'Iliade etc. öfters äuvüd; ber ©eift ber antifen flunft ift barin freilief) äiemlid)
häufig arg verfanitt. — 33. ilifte »Ott 3eber"§°lä; i>iefc .Hiftc, befaunt unter bem
yiamen ber i.'abe bes .Sijpfelos, ift uns in einer genauen ÜBefdjreibung bei ^aufanias er=
fjaltcn unb wegen ber ^-ülle mt)t!)ologifd)er Sßorftellung eins ber intereffanteften 5>enfmälcr
ber alteften fflunftepod)e. — 37. 9fieolas ©ebopn (1667—1744), ein gelehrter S^futt,
Übcvfetier bes ^aiifanias. — 3'.i f. gn ber Sljat ftellt bie antife fiunft rubenbe unb fdilafenbe
■^erfonen gern mit getreusten ©einen uor, aud) im ©teilen. — 4ü. ©cipione sJ)laffei
(1676—1755), ein aud; als S)id)ter gefd)ät}ter ital. Slrd)äolog unb fiuuftfammler, 33egrünber
ber SUtertutttsfamtnlung ju Verona.
ffaohoon XI. 75
S)od) \ä) I)abe in feinem SBert'e, in meinem er biefeS 33er =
langen ändert, 2(nlaf$ jn ert)eblid)em 33etrad)tungcn gefunben,
roooon id) ba§ SSefentlidjfte §u befferer ©rroägung l)ier anmerfe.
£cr Münftler, ift bes ©rafen Sl&fidjt, fott fidj mit bem
5 größten malerifdjen SDidjter, mit bem ferner, mit biefer gtoetten
9iatur, näljer bet'annt madjen. @r geigt iljm, roeldjen reiben nod)
nie genügten Stoff 31t ben trefflidjften ©djilbereien bie von bem
©rieben befyanbelte ©efdjidjte barbiete, nnb wie fo viel voII=
fommner ib,m bie 2(u3füi)rung gelingen muffe, je genauer er fidj
10 an bie flcinften non bem ©id/ter Bemerkten Xlmftänbe galten tonne.
Stt biefem SSorfd)loge vermifdjt fid) alfo bie oben getrennte
boppelte 9cad)al)mung. £>er 9Jialer folt nid)t allein ba§ nady-
alnnen, maö ber 2)id)ter nadjgealnnet l)at, fonbern er foll e§ and)
mit ben nämlidjen 3ügen nadjarnnen; er foll ben £id)ter nid;t
15 blofj alö @rsäl)lcr, er fotf irm a(§ 3)idjter nutzen.
£>iefc jmeite 2(rt ber 9uuf,al)mung aber, bie für ben £id)ter
fo ucrfleinerlid) ift, marum ift fie e§ nidjt aud) für ben $ünftler?
2ßenn vor bem i>omer eine foldje $olge non ©emalbcn, al§ ber
©raf GanluS auö il)m angiebt, vorljanben geroefen märe, nnb mir
20 unkten, bafs ber ©idjter au§ biefen ©emälben fein SBeri ge=
nommen fyätte: mürbe er nidjt von unfrer 23eiuunberung unenblid)
verlieren? 9öie fömmt es, baf3 mir bem ßünftlcr nidjtö von
unfrer §odjad)tung ent^ieljcn, menn er fdjon meiter nidjtS tfntt,
a(§ baf? er bie SBorte beö Sidjterö mit giguren unb färben
25 auöbrüdt?
®ie Urfadje fdjeinet biefe ju fein. Sei bem 2(rtiften bünfet
un§ bie 2lu§füi)rung fernerer, aU bie Grfinbung; bei bem ©idjter
hingegen ift e§ umgefefyrt, unb feine 2(u§füi)rung bünfet un§
gegen bie ©rfinbung ba§ Seidjtere. £ätte SSirgil bie 2Jerftridung
30 bes Saotoon unb feiner $inber von ber ©rupve genommen, fo
ober bem neuen Öebraudie folgen folte. $od) er fdjeinet ficf> für ben neuern 5U erfläreu,
ba er ben Sob als eine gigur betraditet, gegen bie eine anbere, mit Slumen gefrönet,
nid)t ipobj gruppieren mödite. £>at er aber tjierbei aud) bebadjt, wie unfd)icf(id) biefe
mobemc Sbec in einem bomerlfdien Öcinälbe fein bürfte? Unb wie bat iljm ba>3 Gfelbcfte
35 berfelbeu nid;t anftöfjtg fein fönneu? Qd) fanu inid) ttiebt bereben, baj t>a§ f leine metallene
33ilb in ber §ersoglid»en ©alerte su gtorenj, ipeldjeS ein tiegenbeS ©felett porftellet, ba'3
mit bem einen Strme auf einem 2lfd)enfruge rutjet, (Spence's Polj-metis Tab. XL1.) eine
u>irtlid)e Slntife fei. ©en Sob überhaupt faun e-3 ipenigften§ nidjt uorftellen folleu, raeil
ii)ti bie 3aten auber-5 porftellten. Selbft itjre ®id)ter l;aben it;n unter biefem uuberUdjen
40 S3i(be nie gebadet.
7. ©diilbereieu, älterer 2tu'3brucf für ©emrtlbe. — 3!» f. liefen ©ebanfen ftat
Se'fiug betanutli* in feiner ®d)rift: „Sie bie 2Uten ben Job gebilbet" nöl;er entraicfelt.
70 ffiaokoön XI.
mürbe ifjm ba§ SSerbienft, roetdjcö mir bei biefem feinem 23ilbe
für ba§ fdjmcrere unb größere galten, fehlen, unb nur ba§ ge=
rtngere übrig bleiben. Denn biefe §8erftridfung in ber @in=
bilbungöfraft erft fdjaffen, ift meit mistiger, alö fie in Sßorten
auöbrütfen. §ätte hingegen ber Slünftler biefe Sßerftridfung von 5
bent Sidjter entlehnet, fo mürbe er in unfern ©ebanfen boef) nod)
immer SSerbienft genug behalten, ob ib,m ferjon ba§ Sßerbtenft ber
©rfinbung abgebet. 'Denn ber 2tuöbrucf in sDiarmor ift nnenbtid)
fdjmerer als ber Stuobrucf in ülöorten, unb menn nur ©rfinbung
unb 2)arftel(ung gegen einanber abwägen , fo finb mir jeberjeit 10
geneigt, bem 5DZeifter an ber einen fo tnel roieberum 311 erlaffen,
als mir an ber anbern 51t wie! ermatten 51t Reiben meinen.
@e giebt fogar $älle, roo e§ für ben $ünftler ein größeres
SSerbienft ift, bie Sftatur burd; ba§ 33iebium ber 9?adjar)mung be3
!Tid)tere nadjgealnnet §u Ijaben, al§ oljne baöfelbe. ©er $ftaler, 15
ber nad) ber 33efd)reibung eines 3Trjomfonö eine fdjöne 2anbfd)aft
barfteltet, l)at mefjr getrau, alö ber fie gerabe oon ber 9tatur
fopieret. tiefer fielet fein Urbilb vor fief) ; jener muf? erft feine
(Sinbilbungöfraft fo anftrengen, bi§ er eS uor fidj 31t fer)en glaubt,
tiefer madjt auZ lebhaften finnlidjen (Einbrüchen etraa§ ©erjönes; 20
jener au§ fdjroanfen unb fdjroacrjen üBorftettungen millfürlidjer 3eid)en.
©0 natürlid) aber bie 33ereitioilHgfeit ift, bem ^ünftler baö
i^erbienft ber (Srfinbung 31t erlaffen, ebenfo natürlid) r)at barau§
bie Sauigfeit gegen baßfelbe bei irjm entfpringen muffen, Senn
"öa er falje, bafj bie Grfinbung feine glänjenbe Seite nie merben 25
fönne, baf? fein gröf$te§ Sob uon ber 9(uöfür)rung abfange, fo
marb e§ ir)m gleidj oiel, ob jene alt ober neu, einmal ober un=
gärjltgmal gebrandet fei, ob fie it)m ober einem anberen jugeljöre.
(ir blieb in bem engen Sßejirfe meniger, irjm unb bem ^publico
geläufig gemorbencr Vorwürfe, unb lief? feine gange G'rfinbfamJeit 30
auf bie blof$e SSeranberung in bem 23efannten geljen, auf neue
3ufammenfer^ungen alter ©egenftänbe. &)a§ ift aud) roirflid) bie
^bee, meld)e bie i'eljrbüdjer ber sDialerei mit bem SSorte ßrfinbung
16. Sameä SCtjomfon (i7oc— 17-4 8) , engßfdjer Sinter, bev namenttidi bas 6e*
fdjreifienbe ©enre fulttoierte; feine „^abreöjeiten" mürben oon Srocfes ins ©eutfdje
ilberfefct. — 20 f. 2!>obei aber roobl }u beadtten, baß bie Sd)überung be<S £>id)ter$ sroar
ben .uünfiler beetnflnffcn tarnt, bafs aber ber äliatcr niä)t in ber gleidjen Seife nadi bem
2>tä)tet malen fann, rote iiacb ber sJiatur; bie uorberige Kenntnis ber (enteren ift trielmehr
für iim unerlttjjliä). — :r;>. 8et)r6üd)er ber ÜJiaterei; ßeffing meint oornefmtlid) ben
Ijier citierten .vmgeborn, tueldier fid) feinerfeitS an 2>ubo3 Hefiexions critiques ©. 282
anlehnt.
fiaokoon XI. 77
verbinben. £)enn ob fie biefelbe fdjon fogar tu malertfdje unb
bidjterifdje einteilen, fo geljet bodj aud) bie bicfiierifdje nid)t auf
bie $eroor&ringung be§ 33orraurf3 felbft, fonbern lebiglid) auf bie
2lnorbmmg ober ben 3(uöbrud.2) @§ ift @rfinbung, aber nidjt
5 ©rfmbung be§ ©an^en, fonbern einzelner £eile, unb tfyrer ^agc
unter einanber. G§ ift Grfmbung, aber von jener geringem
©attung, bie §oraj feinem tragifdjen 2)id)ter anriet:
— — — Tuque
Eectius Iliacum Carmen deducis in actus,
10 Quam si proferres ignota indietaque primus. 3)
2(nriet, fage id), aber nid)t befahl, anriet, atö für ib,n leid)ter,
bequemer, juträglidjer; aber nidjt befahl, alö beffer unb ebler an
fia) felbft.
$n ber £fyat fyat ber £>id)ter. einen grofjen (3d)ritt norau§,
15 melier eine befannte ©efcr;id)te, befannte Gfyarafiere befyanbelt.
£>unbert froftige ^teinigfeiten, bie fonft gutn 3>erftänbniffe be§
©anjen unentbeljrlid) fein mürben, lann er übergeben; unb je ge=
fdjminber er feinen Stiftern nerftänblicb, roirb, befto gefdjminber
lann er fie intereffieren. ©iefen Vorteil Ijat aud) ber Sftaler,
20 menn uns fein Sorraurf nidjt fremb ift, menn mir mit bem erften
23(icfe bie 2(bfid)t unb SJieinung feiner gaivjen ^ompofition crlennen,
menn mir auf ein§, feine Sßerfonen nid)t Hof, fpred)en fefyen,
fonbern aud) björen, roa§ fie fpredjen. ä>on bem erften ©liefe
fanget bie gröf?te JBirfung al\ unb mmn un§ biefer 51t mutanten
25 9iad)finnen unb 9raten nötiget, fo erfaltet unfere 33egierbe ge=
rühret §u merben; um uns an bem utmerftänblidjen $ünftler §u
röcfjen, nerfjärten mir un§ gegen ben Sluöbrud', unb roel) iljm,
mann er bie ©djönljeit bem 2luSbrud"e aufgeopfert l)at! 2öir finben
fobann gar md)ts>, roa§ un§ reiben fönnte, vor feinem 2Berfe §u
30 nermeilen; roa£ mir fel)en gefällt uns> nidjt, unb roa§ mir babei
benfen f ollen, roiffen mir nid)t.
9hm nefjme man beibeö jufammen; einmal, bafj bie ßrfinbung
unb ^ceuljeit be§ 33orrourfs> baS nornefjmfte bei roeitem nid)t ift,
roa§ mir t»on bem SOtaler »erlangen; sroeitenS, bafs ein befannter
35 äSorraurf bie SBirfung feiner $unft beföbert unb erleichtert : unb
-) 0. .gagebom, ^Betrachtungen über bie 2)!aterei <2. 15:> it. f.
3) Ad Pisones v. 128—30.
35. Beföbert: „föbern" ift in älterer ©pracbe ebenfo neben „förbem" ge&räucfylitf;,
wie „fobem" neben „forbern".
, 8 £aokoon XI.
id; meine, man roitb bte Urfarije, marum er ftdj fo feiten gu
neuen üBorroürfen entfdjüefjt, nidjt mit bem ©rafen GarjluS, in
leiner s^3equemlid)feit, in feiner llnmiffenljeit, in ber ©djmierigleit
beö med)anifd)en Xeileo ber i'Utnfi, meldje allen feinen £fleif$, alte
feine 3eit erforbert, fud)en bürfen; fonbern man nürb fie tiefer 5
gegrünbet finben, unb niefteidjt gar, ma§ 2lnfang§ @infd)ränf'ung
ber $unft, üBertummerung unferö Vergnügens, 511 fein fdjeinet,
at§ eine meife unb uns felbft nüfelidje (Sntljaltfamfeit an bem
2lrttften 511 (oben (geneigt fein, ^d) fürchte audj nidjt, bafc mtdj
bte ©rfatyrung miberlegen merbe. Sie 9)ialer merben bem Örafen 10
für feinen guten SBiffen banfen, aber ifjn fdjmerlid) fo allgemein
nullen, als er e§ erwartet. ©efdjä|e e§ jebod): fo mürbe über
hunbert ;^aljr ein neuer GanluS nötig fein, ber bie alten 93or=
würfe nneber tn§ ©ebadjtniö brädjte, unb be.n .Wüuftler in ba§
fyelb jurüdfüljrte, um anbere oor ilnn fo unfterblid)e Sorbeeren 15
gebrodjen Ijabcn. £)ber »erlangt man, bafj ba§ ^ublifum fo geteert
fein foll, al§ ber Ücnner au§ feinen Vüdjern ift? 2)af$ il)tn alle
©cenett ber ©efdjtdjte unb ber %abd, bie ein fdjöneö ©emälbe
geben tonnen, befannt unb geläufig fein f ollen? %d) gebe e3 511,
baft bie iRünftler beffer getljan Ijätten, menn fie feit ÜRapljaefö 20
3eiten, anftatt be§ Dnibö, ben Corner 31t il)rem <f>anbbud)e gemadjt
(jätten. 2lber ba e§ nun einmal nidjt gefdjerjen ift, fo laffe man
baö 'jpublifum in feinem ©leife, unb madje il)m fein Vergnügen
nidjt faurer, als ein Vergnügen 51t fteljen fommen mufj, um baS
^11 fein, roa§ eS fein foll. 25
•ProtogeneS l)atte bie 5CRutter beS 2(riftoteleS gemalt. %d)
roetfj nidjt, mie oiel il)tn ber ^}l)i(ofopl) bafür be^ablte. 2(ber
entroeber anftatt ber Ve^arjlung, ober nodj über bie 23e(ml)lung,
erteilte er ttjm einen 9?at, ber meljr als bie Vegaljlung mert mar.
Xenn id) lärm mir nid)t einbilben, bafj fein fftat eine btof?e 30
2d)ineid)etei gemefeu fei. 2onbern oornel)mlid), meil er ba§ 33e=
bürfniä ber .Uunft erroog, allen uerftänblid; gu fein, riet er iljtn,
bie Tbaten beS SlleranberS ju malen; Xljaten, tum meldjen bamalS
alle 2BeIt fprad), unb von meldjen er uorauSfcljen tonnte, bafj fie
aud) ber 9iadjmelt untiergefjlid) fein mürben. 3)od) ^rotogeneS 35
10 ff. Senn bie neuere ülalerei bennod) felir oft unb gern tjomerifdje Seeneu matt
unb gemalt hat, fo borf man nicht oergeffen, bafj §omer erft feit tninbert Satjreu (namenU
lid> burd) bie SBofftfdje Überietuina.) auch einem roeiteren Spublthtm befannt geiuorben ift.
Zlte Dialer ber Hienaiffauce unb •iiarodu'it lialH-n aber liödift fetten I;omerifd;e SujetS
bargeftettt; für fie mar bie gütte ber liinthen bei Doib §auptqueue.
ffiaohoon XII. 79
mar md)t gefegt genug, biefem ÜRate ju folgen; impetus animi,
fagt SpitniuS, et quaedam artis libido,4) ein geroiffer Übermut
ber $unft, eine gemiffe SüfternJ^eit nadj bem ©onberbaren unb
Unbefannten, trieben it)it ju ganj anbern üBorroürfcn. (Sr malte
ö lieber bie ©efdjidjte cineö ^olgfuS,5) einer ßtjbtppe unb bcrgleidjen,
oon melden man Ü3t aud; nidjt einmal meljr erraten fann, voa%
jte uorgefteltet Ijaben.
XII.
^omer bearbeitet eine boppelte ©attung von SGBefen unb
10 Manbtungen: ftdjtbare unb unfidjtbare. liefen llnterfdjieb fann
bie Sialerei nid)t angeben; bei il)r ift altes fidjtbar, unb auf einerlei
2lrt fid)tbar.
Sßenn alfo ber ©raf Gapluö bie ©emälbe ber unfidjtbaren
^anblungen in unjertrennter $olge mit ben fidjtbaren fortlaufen
15 J) Lib. XXXV. sect. 36. p. 700. Edit. Hard.
B) Üiidjarbfon nennet biefcS SBerf , roenn er bie Diegel erläutern roiU, bafj in einem
©emälbe bie 2lufmerffamfeit beS S3etrad)terS burd) nid)ts, es möge aud) nod) fo oortreff»
lid) fein, non ber Hauptfigur abgejogcn werben muffe, „'iprotogeneS ," fagt er, „tjatte in
feinem berühmten ©emälbe SalnfuS ein 3cebl)ul)n mit angebracht, unb eS mit fo »ieler
20 Sunfi auSgemalet, bafs cS su leben fdrien, unb oon ganj ©ried)enlanb berounbert roarb;
weil es aber aller Slugen, jum 9!ad)teil beS £auptroerts, su fcfjr an fid) 50g, fo löfd)te er-
es gänjlid) roieber aus." (Traite de la Peinture T. I. p. 46.) DUdjarbfon b,at fid) ge=
irret. 2)iefeS Steblntlm mar nid)t in bem 3<ih)fu5, fonbern in einem anbern ©emälbe beS
k}*rotogene§ geroefen, roeld)eS ber ruljenbe ober müfjige ©atnr, 2:citu(jo: ävaaavö/uevog,
25 bjefs. 3d) mürbe biefen jjfetyler, roeldjer aus einer mifroerftanbenen ©teile beS 3)limu§
entfprungen ift, Jaum anmerfen, roenn idi itot nid)t aud) beim 3Keurfiu§ f änbe : (Ehodi lib.
I. cap. 14. p. 38.) In eadeni, tabula sc, in qua lalysus, Satyrus erat, quem dice-
bant Auapavornenon, tibiaa tenens. S)eSgleid)en bei bem §errn aBintelmann felbft.
<2Son ber 91ad)al)m. ber @r. SB. in ber Wal. unb S3ilbt). ©. 56.) ©trabo ift ber eigent=
30 lidje 2Bäl;rmann biefeS £ifiord)enS mit bem D?ebbut)tte, unb biefer unterfdjeibet ben SalofuS,
unb ben an eine ©äule fid) letjncnben ©atnr, auf roeldjer baS Jiebljuljn fafj, auSbrücflid).
(Lib. XIV. p. 750 Edit. Xyl.) »ie ©teile beS SpiiniuS (Lib. XXXV. sect 36. p. 699.)
fjaben 9DleurfiuS unb 9Ud)arbfon unb 2Binfelmann beSrcegen falfd) nerftanben, roeil fie nid)t
ad)t gegeben, bafj »on jroei t)erfd)iebenen ©emälben bafelbft bie Webe ift: bem einen,
35 beffenroegen SemetriuS bie ©tabt nid)t überfam, roeil er ben Ort nid)t angreifen roollte,
roo es ftanb; unb bem anbern, roelcfjeS ^rotogeneS, roäl)renb biefer Söelagerung malte.
QeneS mar ber gatnfuS, unb biefeS ber ©atnr.
2 ff. SDiefe Überfe^ung ber angeführten SBorte beS 5piiniuS ift fdjroerlid) genau ; uielmefjr
l)eif5t eS: „J)er Srang feines SeifteS unb eine geroiffe S3egierbe nad) funftmäfjigcr Si)urd)s
bilbung" (roeil 5pr. 2lutobibaft roar). S)af; 5protogeneS Suft am Sonberbaren unb Unbetaunten
gehabt !)ätte, geb,t aus ben 3iad)rid)ten ber 2tlten über biefen DJJaler feincSroegS tjeroor. —
5. QalnfoS ift ber StammljeroS ber gleidjnamigen rl)obifd)en ©tabt, unbfinbippe feine
äJhitter; ba IJrotogeneS auf DitjoboS lebte, fo l)at bie ÜBabi biefer ©toffe nid)ts 2tuffallenbeS,
beim bie Sujets roaren für feine Sauboleutc unb geitgenoffen burdjauS oerftänblid). Über=
Ijaupt muf, jeber fiiinftler, aud) l;infid)tlid) ber 2Bal)l feiner Sliotioe, aus feiner Qeit unb
Umgebung tierauS, nid)t objeftio uom ©tanbpunfte ber Dladjroelt betrachtet roerben. — 26.
SKeurfiuS, JolianneS (I57ü — 1639), bebeutenber t)oUänbifd)er ipfjilolog; namentlid) auf
antiguarifdiem ©ebiete. — 30. Söäljrmann, b. i. ©eroälirSmann. — 3". 33eibe Silber
finb aber bereits bei antifen Shttoren ucrrocd)felt roorben; aud) bie 2lnefbote non ber 58e=
lagerung oon fliljoboS burd) SemetrtoS v|ioliorfeteS roirb in oerfefiiebener gorm erjäEjIt.
80 Äaokoon XII.
liifU; wenn er in ben ©etnälben ber ucrmifdjten ^anbftmgen, an
meldjen fidübare unb unfidjtbare SBcfen teilnehmen, ntdjt an--
gie&t unb mettetdjt nid)t angeben t'ann, wie bie (entern, weldje
nur mir, bie mir ba§ ©emätbe betrachten, barin entoed'en foulen,
fo anzubringen finb, bafj bie ^erfonen be§ ©emälbe§ fte nidrt 5
feljen, roenigften§ fte nidjt notroenbtg feljen §u muffen fdjeinen
tonnen: fo mufs notmenbig fomoljl bie gange $olge als aud) mandjeS
einzelne 3tüd baburd) äufjerft verwirrt, unbegreiflich, imb wiber;
fpredjenb raerben.
£odj biefem %ti)kx märe, mit bem Söudje in ber $anb, noch 10
enblid; abgreifen. 3)a§ fdjlimmfte babei ift nur biefeS, baf? burd)
bie maleriidje Sluffycbung beS UnterfdjiebcS ber fidjtbaren unb
unfid)tbaren 2Sefen, gugleid) alle bie djarafteriftifdjen 3üge &er=
loren getjen, burd; meldje fid; biefe rjöfyere ©attiing über jene
geringere erbebet. 15
3- @- äßenn enblid) bie über baS ©djicffal ber Trojaner
geteilten ©öttcr unter fidj felbft tjanbgemein werben: fo gefyet bei
bem X)idjter') biefer gange Mampf unfiditbar vor, unb biefe Un=
fidjtbarfeit erlaubet ber GinbilbungSfraft, bie ©cene 51t erweitern,
unb Itifjt üjr freies (Spiel, fid) bie ^perfonen ber ©ötter unb tfjre 20
Manblungen fo grof;, unb über baS gemeine 9Jienfd)Iicr)e fo roeit
ergaben gu beuten, als fie nur immer mill. Sie Malerei aber
mufs eine fidjtbare <3ccne annehmen, bereu uerfebiebene notivenbige
Seile ber 9Jiaf$ftab für bie barauf Ijanbelnben ^erfonen roerben;
ein 3)iaf3ftab, ben baS 2luge gleid) barneben Ijat, unb beffen 25
Hnproportion gegen bie tjbljern ÜIBefen biefe Ijörjern SBefen, bie
bei bem 3)id;ter grof? maren, auf ber $Iäd)e beS MuftlcrS im*
gebeuer madjt.
■äftinerva, auf weldje sDiarS in biefem Mampfe ben erften
Angriff waget, tritt gurüd, unb faffet mit mächtiger §anb rwn 30
bem 33oben einen fdjwarjen, raupen, großen Stein auf, ben
vor alten Reiten vereinigte "Duinncrt)änbe 311m ©rengfteine l)in=
gemülget fjatten.
Kiiutvov ev jrfdt'w, fizlctva, zqt]%vv ts, fiäyccv te, 35
Töv q' civÖQig 7tQÜTtQ0i fttcuv t[i(iivca ovqov KQOVQrjg.
') Iliad. '/>. v. 385. et s.
ffaohoon XII. 81
Um bte Gköfje biefeö «Steinet gehörig 51t fdjätjen, erinnere man
fid), bafj öomer feine gelben nod) einmal fo ftarf madjt, alö bie
ftärfften 3)iänner feiner ßeit, jene aber uon ben Scannern, mie
fie "Jteftor in feiner ^ngenb geformt rjarre, nod; weit an ©tärJe
5 übertreffen lafjr. 9iun frage tet), menn Cinerea einen (Stein, ben
nid)t ©in üföann, ben 9ftänner am 9ieftor3 !3ucjenbjar)ren 511m
©renjfteine aufgerichtet Ratten, menn sUiinerr>a einen foldjen Stein
gegen ben "Diaro fdjleubert, uon metdjer Statur fotl bie ©öttin
fein? «Sott ifyre Statur ber ©röfje be§ Steines* proportioniert
10 fein, fo fällt bo§ äöunber&are roeg. ©in -äJlenfcr), ber breimal
großer ift als idj, mufj natürlicher Söeife aud) einen breimal
großem Stein fdjleubern fönnen. Sott aber bie Statur ber ©örrin
ber ©röfje bes Steines nidjt angemeffen fein, fo entfielet eine an=
fct)aultct)e llnmaf)rfd)einlidjfeit in bem ©emälbe, bereit Slnftöfjigfeit
15 burd) bie falte Überlegung, bafj eine ©öttin übermenfd)tid;e Starte
l)aben muffe, nid)t gehoben mirb. 2Bo td) eine größere 9Sirfung
fefje, roill td) aud) größere SÜBerfgeuge mal)rnel)inen.
Unb 9Jlar§, uon biefem gemaltigen Steine niebergeraorfen,
'Entu d' l-ntc%t 7tslt&Qa — —
so bebedte fieben §ufen. Unmöglid; fann ber -üötaler bem ©orte
biefe aujjerorbentltdje ©röfje geben, ©iebt er fie il)in aber ntdjt,
fo liegt nidjt sDutrs gu 33oben, nid)t ber l)onterifd)e 9)utrs, fonbern
ein gemeiner Krieger.")
-) Siefen unfidjtbaren Äampf ber Götter i>at D.uintu§ Galaber in feinem äiuötftcn
25 SBudje (v. 158 — 185) naajgealjmet, mit ber nid&t unbeutlidjen Stbficfjt, fein SJorbilb ;u uer=
beffern. Gs fct>einet uämlid), ber Grammatifer tjaöe es unanftänbig gefunben, baf? ein
Gott mit einem Steine 51t SSoben geroorfen roerbe. @r täfjt alfo sroar aitcf; bie Götter
große J-elfenftütfe, bie fie oon bem 2jba abreißen, gegen einanber fdjleubem; «ber biefe
Reifen jerftfjellen an ben unfterblia)en Gliebern ber Götter unb ftieben roie Sanb um
30 fie l;er:
: — — — Ol de y.oXmva;
Xeouiv ti7toi)tj)]ia\ti; ü/t' oudeog 'Iöaioio
BuUov in' aXlißou;' a'i ök ipai.iä9'oiaiv 'i/uoTai
'Pela Suaxldvavto' 9tt~iv 71101 d' äa/tta yv'ia
35 'JPtjyvvftsvon öiä tvt&u — —
©ine ftünftelei, meldte bie Jöauptfadie oerbirbt. Sie erpfjet unfern Segriff uon ben Jtör«
pern ber Götter, unb maa)t bie äßaffen, roeldje fie gegen einanber brauchen, täa)eriid).
2Beun Götter einanber mit Steinen roerfen, fo muffen biefe Steine aud) bie Götter be =
fd>äbigen fönnen, ober mir glauben mutroillige Süßen j« feljen, bie fid) mit @rbilöfsen
40 roerfen. So bleibt ber alte yomer immer ber SBeifere, uno aller Xabel, mit bem ihn ber
1 — 5. Sefftng fdjeint fiier etroas 31t oiel aus ben SBorten bes §omer f>eraus;ulefen ;
bie ürdne; noüreooi geljeu rool;l nur barauf, bafi ber ©renjftein uor 3eiten gelegt roar.
— 26. Gramma titer, b. i;. Gelehrte; beim Cluintuä Srnnrnäu-j roar meljr ein mit
öilfe gelehrter Stubien bidjtenber Grammatifer, gteief; manchem ber aleranbrinifdfjen spoeien,
al'3 ein rotrfliajer Siebter.
Seffingö SBerfe 9. 0
S2 Ccwhoon XII.
Songin Tagt, e§ fomme ifjin öfters oor, al§ ()abe Corner feine
3Jlcnfc^en ju ©öttem ergeben, nnb feine ©öfter gu 9Jlenfcr)en (>era6=
fe§en wollen. SDie SRalerei nollfüljret biefe .'oerabfeünng. $n if>r
oerfdmnnbet oolfenbo atte§, mac. bei bem 2)idjter bie ©ötter nod;
über bie göttlichen -menfcfyen fe^et. ©röfse, Starte, ©djnetttgfett, .•>
uumon §omer immer nod) einen (jöfjern, rounberbarem ©rab für
feine ©ötter in Vorrat Ijat, a(ö er feinen üor§ügKd)ften gelben
beileget/) muffen in bem ©emtilbe auf ba§ gemeine Wia$ her
falte Sunftridjter Belegt, aller äBcttftrett, in welchen fid) geringere ©enieS mit ihm ein*
[äffen, bienen ju roetter nichts, als feine äßeiöbeit in it>r befteS 8id)t ju fetjen. JjnbeS 10
null id) nicht leugnen, bafj in ber Jiadtabmung bes duintuS nicht and) fetjr trefflid)e Qüge
uorfommen, unb bie iljm eigen finb. Socb finb es 3u9e/ bie nicht forootil ber befdjetbenen
©röfje be§ Jöomers geziemen, als bem ftürmifebett Jener eines neuern ©idjters ehre
machen mürben. 3>afj bas ©efebrei ber (Sötter, roelcbes bod) bis in ben §immel unb tief
MS in ben Slbgrunb ertönet, melches ben Söerg unb bie Stabt unb bie Jlottc erfebüttert, 15.
von ben SJienfdicn nicht gehöret roirb, bünfet midi eine fehr oielbebeutenbe SBenbung su
fein. S)aä ©efdjrei mar gröfjer, als bafj e§ bie {(einen aSerfjeuge bes menfeblichen ©e=
böres faffen tonnten.
') §n i'lnietnmg ber Starte unb Scbnelltgfcit roirb niemanb, ber ben Jjjomer aud) nur
ein einjigeS Hial flüd)tig burcblauien hat, biefe Slffertion in Slbrebe fein. 3htr bürftc er 20
fieb rüelleicbt ber Gremiel nicht gleich erinnern, aus rceleben es erhellet, bafj ber dichter
feinen Ööttern auch eine förperlicbc ©röfsc gegeben, bie alle natürliche ÜHafje roeit über;
fteiget. 3<9 oerroeife ihn alfo, aufjer ber angesogenen ©teile non bem 5U 83oben geroorfenen
SKars, ber fieben Ajttfen bebeefet, auf ben i>elm ber 9)cinerr>a, (hvvit]v ixutlv nukiwv
niji/.n-oa' tyuyoiuv Iliad. K v. 744) unter welchem fid) fo oiel Streiter, als ljunbert 25-
©tobte in bas ftelb jtt ftellen oermögen, »erbergett tonnen; auf bie Schritte bes DJeptunus ;
(Iliad. \. v. _'0) Bornebmlid) aber auf bie $eüm aus ber Sefcbreibung bes Schubes, roo
ÜJlars unb lUinerca bie Gruppen ber belagerten Stabt anführen: (Iliad. 2. v. ölG — 19.)
— — Hoys ö ' uqcc atpw'jÄQrfg y.ac TIlö.Iuz L4#>)i'ij
_i(i(/)(u /gvatiü), xQvotia öi i't/uata i'a&>]v 30-
KaXia y.ul iifya?.ca abv rsv/taiv , u>* ti ■&£(/} rtio,
^i/.icplg agi^k(o' ).aol d' vno).i±ursz i)aav.
Sclbft Shtölegcr be>3 §omer§, alte forootit al§ neue, fdieinen fid) nid)t alleseit biefer untits
berbaren Statur feiner ©ötter genugfam erinnert ju baben; meldfeä au$ ben linbernbeu
Crtläruugen absuuebmen, bie fie über ben grofjen £ielm ber 2Riner»a geben ju muffen 35-
glauben. iS. bie £larftfd)=i£-rneftifd)e 2luögabe be>3 §omer§ an ber angesogenen Stelle.)
'JJfau verliert aber non ber Seite beS ßrbabenen unenblicb oiel, roenn mau firb bie l)ome=
rtidien Wolter nur immer in ber gemöl)nlid)en ©röf;e bentt, in roeldjer man fie, in (Sefell=
fdiajt ber Sterblidjeu, auf ber Seineroanb su fefien oermöbnet roirb. 3fi e3 inbeS fdion
nid)t ber 2)!alerci »ergönnet, fie in biefen überfteigenben Simenfionen barjufteQen, fo barf 40-
1. Tionpfiue gaffiu§ £onginu§ (um 213— 273 n. ©t)r.), ^bilofopl), SBerf. einer
nod) erhaltenen Sdjrift über ba-3 (Jri)abene. — 17 f. 3)!au fann fid) fiierbei an bie pntba*
goräifebe vebre »on ber Spbärenbarmouie erinnern ober an bie Sonne, bie im SSorfpiet
nim A-nuft ,,ibre uorgefdiriebene ilieife mit Sonnerflang oollenbet". — 2u. Slffertion,
aufgehellte iiebauptung. 3)ie .Üonftruftion oon „in Slbrebe fein" (roofür mir beute „in
ilbrebe ftellen" fagen) mit bem Slccufatip ift ungeroöbnlid), aufgenommen bei unbeftimmten
Cbjetten roie e5, bies u. f. m. Sonft rourbe eo mit bem ©enetiu gebraud)t: „einer ©ae&e
m Jlbvebe fein". — vi ff. bafj ber Jiditer ... weit über fteiget; bie b"meriid)en
©öttet baben überhaupt nod) teilten fefien 5tt)pu5, fie erfdjeinen oielfad) übermenfd)ltd),
mitunter ielbft rieienbaft, bann aber roieber burtbauS menidilid). SUlon erfennt eben, bafj
bie luMiierh'die Reit nod) nidtt jur tünftlertidien gijierung ber ©ötteribeale gelangt mar;
tjaben vielmehr bie fpäteren .uüuftler erft auZ bem homerifdjen ©eifte heraus ge=
fd)affen. — -'."i f. iiefe Überfetjung ift nidn richtig; oielmehr beifjteS: „ein öetm, ber ge=
idimüdt mar mit ben Silbern ber SBortämpfer non httnbert (b. h. jahllofeu) Stäbten". —
34. linbernbeu, b. 1). ahfchtuiidtenbcn.
ffnokoon XII. 83
9ftenfc$)ett rjerabfinfen, unb Jupiter unb Agamemnon, 2tpolIo unb
3fr$tfte§, 9(jar unb 9ftar§ werben oollfommen einerlei SBefen, bie
weiter an nidjts als an äujjerlidjien uerabrebeten Berlinalen 511
fennen finb.
5 25aö Mittel, bef Jen fidj bie -Oialeret bebienet, un§ 51t ner=
ftetjen 31t geben, bafj in tfjrert Wompofitionen biefeS ober jeneS
- al§ unfidjtbar betrachtet werben muffe, ift eine bünne SBolfe, in
meldje fie e§ oon ber Seite ber mitljanbeinben ^ßerfonen einfüllet.
Siefe 2Mfe fdjeinet au§ bem §omer "felbft entlehnet 511 fein.
10 3)enn wenn im (Getümmel ber 3d)ladjt einer oon ben wichtigem
gelben in ©efaljr fommt, au§ ber ifm feine anbere, als göttliche
OJiadit retten fann: fo läfjt ber £id)ter ifm oon ber fdjüijenben
©Ortzeit in einen bieten üRefcel, ober in sJcad)t «erfüllen, unb fo
bauon führen; als ben $ari§ oon ber 3}enu§,4) ben ^bäu§ oom
15 Neptun/') ben §eltor oom Apollo.') Unb biefen Diebel, biefe
SBoße, wirb ßaijlue nie uergeffen, bem Äünftler beftenS 311
empfehlen, wenn er il)tn bie ©emälbe oon bergfeidjen 23egeben=
Reiten iwrjeicfjnet. 20er fiel)t aber nidjt, baf$ bei bem ©idjter ba§
@m()ülfen in 9cebel unb 9iad;t weiter nichts, als eine poetifdje
20 Lebensart für unfidjtbar machen , fein fott? ®§ Ijat mid) baljer
jeber $eit befrembet, biefen poetifdjen 2(u§brud; realifieret, unb
eine nnrflidje Sßolfe in bem ©emälbe angebracht 51t ftnbcn, fjinter
welker ber §elb, wie bjnter einer fpanifdjen SSanb, oor feinem
#einbe oerborgen fteljet. S)a§ war nidjt bie Meinung beS ©idjterS.
25 3)a§ Reifet au§ ben ©renjen ber -Öialerei IjerauSgeljen; benn biefe
2Bolfe ift l)ier eine waljre A>ieroghmb,e, ein bloßes fpmbolifctjeS
3eid)en, bas ben befreiten £>elb nidjt unftdjtbar madjt, fonbern
ben ^Betrachtern zuruft : i()r müf$t md) ifm als unfidjtfear oorftellen.
e§ boeö bie SUb^oueret geroiffer 2Kafscn tfiun ; imb idf» bin überzeugt, bajj bie allen SDieifter,
30 fo rote bie StÜmng ber GJötter überhaupt, atf o aud) ba§ Äoloffalifdje, baZ fie öftere itjren
Statuen erteilten, au§ bem £omer entlehnet i)aben. (Herodot. lib. II. p. 130. Edit.
Wegsei.) 3_>erfd>iebne 2lnmerfungen über biefes ßoloffalifcfje in3befonbere, unb warum e5
in ber Silbtjauerei von fo groger, in ber üJlalerei aber oon gar feiner SBirfung ift, oer=
fpare id) auf einen anbern £rt.
35 J) Iliad. 1 '. v. 381.
') Iliad. E. v. 23.
') Iliad. r. v. 444.
15. Dleptun, ein lapsus raemoriae für Sßulfan, ber an ber angeführten ©teile ge*
nannt roirb. — 18 ff. SDiefe Muffaffung §omer§ bef ämpft Berber mit 9ied)t; ^omer meinte
ben 9Jebel, bie SSolfe u. f. in. , non benen er fpridit, atidj ftdjerlidi im inirflidien, nidjt im
uijürltcfjert Sinne. — 31. aus bem ^orner entlehnt: fcbroerlidi ; oielmetir lag e§ oon
felbft nalje, bie Jiguren ber Qiötter burd) übernatürlid^e ©rbfje non benen ber fterbtidjen
aUenidjen äu untericijeiben. — 32. i n 5 b e f o n b e r e ; in ber §bfd)r. urfprünglid) „überhaupt".
6*
84 ffaokoon XII.
Sie ift l)ier mä)to beffer, alö bie betriebenen ßetteldjen, bie auf
alten gotifdjen ©emätben ben Sßerfonen ans bem 9Jiunbe ge^en.
@§ ift voafyx, Konter läf$t ben 3Ccr)iUcor inbem il)m Sipollo
ben fetter entrüdet, nod) breimal nad) bem bid'en 9iebel mit ber
Sänge ftofjen: rglg t)eoa rvtys ßa&elav."') Sltlein audj baö Ijeifjt 5
in ber ©pradfje be§ ©idvterö meiter nidjtö, alö baft 2ld)illeö fo
roütenb geroefen, bajj er nod; breimal geftofjen, elje er e§ gemerft,
ba|5 er feinen Jeinb nid)t mer)r uor fid) Ijabe. deinen mirf'lidjen
9iebel falje 3ldjitte§ nidjt, nnb baö gange ftnnftftüd, roomit bie
©ötter nnfidjtbar madjten, beftanb andj nicr)t in bem 9M>eI, fon= 10
bem in ber fdmellen Gntrüdung. 9iur tun gugleidj mit angugetgen,
bafi bie ©ntrücfung fo fdmell gefdjefjen, bafj fein inenfdjlidjeö
2luge bem entrüdten Körper nadjfolgen tonnen, füllet um ber
SMdvter oorljer in 9ccbel ein; nid)t meil man anftatt beö entrüdten
Mbrperö einen Giebel geferjen, fonbern med mir t>a§>, roa§ in einem 15
Giebel ift, alö nidjt firfjtbar benfen. 2)ab,er ferjrt er e§ and) 6i§=
meilen um, nnb Iäf$t, anftatt baö Dbjef't unfidjtbar 311 madjen,
bas ©ubjeft mit SBtinbfjeit gefqjlagen merben. So oerfinftert
9ientun bie 3lugen be§ 9(djilleö, menn er ben 2teneas anö feinen
mürberifdjen Rauben errettet, ben er mit einem 9ht<fe mitten anö 20
bem ß)croül)tc auf einmal in baö -Hintertreffen uerfetjt.8) $n ber
%ljat aber finb beö SldjilTeö Singen r)ier ebenfo mentg uerfinftert,
alö bort bie entrüdten gelben in Siebet geljüllet; fonbern ber
Tidvter feüt ba§ eine nnb ba§ anbere nur blof} Ijtngu, um bie
äufjerfte Sdmelligfeit ber Gntrüdung, roeldje mir baö SBerfdjromben 25
nennen, baburdj finnlidjer gu mad)en.
Ten ()omerifd)cn Giebel aber Ijaben fid) bie SDlaler nidjt bCojj
in ben Ratten gu eigen gemadjt, mo ihn §omer felbft gebraucht
bat, ober gebraucht l)abeu mürbe: bei Unfidjtbaruierbungen, bei
SSerfd^roinbungen; fonbern überall mo ber 33etrad;ter etmas in bem 30
Wemiübe erlennen foll, ma* bie ^erfonen beö ©emalbeö entmeber
alle, ober $um Jeil, nidjt erlennen. SDttneroa marb bem 2ld)itleö
nur allein fid)tbar, alö fic ilm gurütffyiett, fid) mit Tätigkeiten
•) Ilia.I. r. Wo.
H) Ibid. v. 321. 35
ffaohoon Xin. 85
gegen ben Agamemnon §u »ergeben. StefeS auSäubrüden, fagt
(ianluS, roeif} idj feinen anbeut diät, af§ baf$ man fie uon ber
Seite ber übrigen StatSnerfammlung in eine 2Öolfe uerljülle. ©an}
roiber ben ©eift beS 1)id)tcr§. Unfidjtbar fein, ift ber natürliche
5 ßuftanb feiner ©öfter; es bebarf feiner S5tenbung> feiner 216=
fdmeibung ber £id)tftral)(en, bafj fie nidjt gefeljen roerben;0) fon=
bern eS bebarf einer ßrleudjtung, einer ßrljöfjitng beS fterblidjen
©eftdjtS, roenn fie gefefjen roerben f offen. Sßidjt genug atfo, baf?
bie 3öolfe ein roillfürlidjeS unb fein natürliches ,3eicf;en bei ben
10 Wlat&nt ift; biefeS roiflfürlidje 3eic()ett fyrtf aucfy n^f einmal bie
beftimmte Teutlidjfeit, bie eS als ein foldjeS Ijaben fönnte; beim
fie brauchen eS eben foroofjl, um ba§ Sichtbare unfid)tbar, als
um baS ilnfidjtbare fidjtbar §u machen.
XIII.
15 SBenn Römers üBerfe gänglidj oerforen mären, menn mir
von feiner IJliaS unb Dbnffee nidjtS übrig Ratten als eine äl)n=
lidjc $olge tron ©emälben, bergleid)en (5ai)luS barauS imrgefdjlagen:
mürben mir mofjf aus biefen ©emälben, — fie follen von ber
•§anb beS uollfommenften ^fteifterS fein, — id) miff nidjt fagen,
20 •') 3>mav läfjt ."öomer aud) ©ottbeiten fid) bann unb mann in eine SBotfe bullen, aber
nur alsbemt, roenn fie oon anbern ©ottliciten nicfjt roollen gefeiten roerben. 3- ®- Hiad. — •
v. 282. loo Jjuno unb ber Sdjlaf ijiga iaoafdvo} fid) nad) bem Qba »erfügen, roar e§ ber
fd)Iauen ©öttin böcbfte Sorge, oon ber dentis nidjt entbedt ju roerben, bie ü)r, nur unter
bem Sßorroanbe einer gang anbern Keife , ibren ©ürtel geliehen ijatte. 3n eben bem 33ud>e
25 (v. 344.) mufs eine gülbene SBolfe ben rooUufttrunfenen Jupiter mit feiner ©cmabjin um=
geben, um ifjren gültigen äßeigerungen a&ju^elfen:
Tlth; y.' tot, ti tii rÖH tfeüv atttyiiiTuaiv
EÜÖovt' ä9oi)c!si£; — — —
Sie furditc fid) nidjt, oon ben ÜNenfcfien gelegen ju roerben; fonbern oon ben ©öttern.
30 Unb roenn fdjou £omer ben Jupiter einige 3eiIe" barauf fagen läfjt:
//'„<>;, fn'jte !>twv töys öeiötfri, fi'jtt rir' avOocüv
"Oipiofraf to'töv toi iyih vitpog ('(fi(ptxa?.v\pto
Xovaeov,
fo folgt bod) barauS nidjt, baß fie erft biefe Sßolfe cor ben 2(ugen ber SOJenfcßen roürbe
35 »erborgen fjaben; fonbern e§ roiü nur fo Biet, bafs fie in biefer Sßolfe ebeufo unfidjtbar
ben ©öttern roerben folle, als! fie e§ nur immer ben Dienfdien fei. So aud), roenn Sttneroa
fid) ben £elm bes ^'luto auffeget, (Iliad. E. v. 845) roetdjes mit bem S3erb,iitlen in eine
SBolfc einerlei SBirfung b,atte, gcidjiefjt e§ nid)t, um oon ben Trojanern nid)t gefeben ju
roerben, bie fie entroeber gar nidjt, ober unter ber ©eftalt be§ Stf)enelu§ erblicten, fonbern
40 lebiglid), bamit fie 2Rar3 nid)t erfenueu möge.
4 f. U n i" i d) t b a r ... © ö 1 1 e r ; nidit gang rid)tig, ba in ber Sage ©ö tter aud) gegen
ibren 3BiUen oon ben l'ienfdjen gefeben roerben. ©6 liegt oielmefyr im 33elieben ber ©ötter,
ob fie ben ÜKenidjcn fidjtbar fein rooüen ober uidjt; bafj fie iEjnen eo ipso unfid)tbar ju
benfen ieien, geljt au?i jgomer nid)t ijeroor.
86 faokoon Xin.
oon Dem gangen Siebter, fonbem bto^ uon feinem maferifdjen
Talente, un§ ben Segriff bilben tonnen, ben mir jel3t von ifym
Ijaben?
9Ran mad;e einen SBerfudj mit bem erften bent beften Stüd'e.
C5o fei bae ©ematbe ber $eft. ]) 2Sas erblid'en mir auf ber $läd)e 5
bes $ünftter§? Xote Seidfjname, brennenbe ©Weiterlaufen, (Stcrbenbe
mit ©eftorbenen befdjäftiget, ben erzürnten ©ott auf einer SBolfe,
feine Pfeile abbrüdenb. 95er größte Üteidjtum biefeo ©ematbeö,
ift 2(rmut bes £id)terö. S)enn follte man ben Corner aus biefem
©emätbe mieber l)erftel(en: raas tonnte man it)n fagen laffen? 10
„hierauf ergrimmte Apollo unb fdjof} feine Pfeile unter bae §eer
ber ©rieben. üßiele ©riedjen ftarben unb ifjre Seidjmame mürben
verbrannt." 9iun lefe man ben Corner felbft:
Bi] 8s %ax' Ovlv[i7tot,o v.aQrjvoov x^ötisvog y->)o,
To'%' louuiaiv s'xatv, einepi]Q&cp£a xs cpc/.QSXQitv. 15
"Ev.layi;(xv 8 äg' uiaxui In c6[ia>v ^coojUfVoio,
Avxov ■xiviföevxog ■ 6 8' ijis vvzxl sotxws •
nE£tt' snsix äita.vsvQ's vsüv, (isxcc 8' Ibv u,v.c
Jsivi] 8s nXayyi] ysvsx' uQyvQSOto ßioio.
OvQtfug fiev tiq&xov STtoi%sxo , v.a.1 %vvaq KQyovg ' 20
Avtccq siteit ccvxolgi ßslog s%S7tsvx.tg scpisig
BÜll " ttlSl 8s 7lVQ(xi VSKVCOV KCCIOVZO &(XUSl<Xl.
So weit ba§ Seben über ba§ ©emalbe ift, fo meit ift ber SDidjter
I)ier über ben Malier. Grgrimmt, mit Sogen unb töödjer, fteiget
2lpollo von ben ginnen beö Clnmpus. £jd) fet)e tt)n nict)t allein 25
Ijerabfteigen, idj V)örc xtjn. -Diit jebem dritte ert'lingen bie Pfeile
um bie 3d)uttern beö dornigen. @r getjet eintjer gleid) ber Sßadjt
9hm filU er gegen ben 3d)iffen über, unb fdmeöet — fürdjterlid)
ertlingt ber filberne Sogen — ben erften ^>\dl auf bie Landtiere
unb ftunbe. ©obann fajst er mit bem giftigern Pfeile bie 9Jien= 30
fdjen felbft; unb überalt lobern unaufl)örlid) ^oljftö^e mit Seidfc
namen. -- @§ ift unmöglidj, bie mufif'atifd;e sDialerei, metdje bie
') Iliad. A. v. 41 — 53. Tableaux tirt-s de l'lliade p. 7.
ß. ßeidjname nidjt in ber Sebeutung »on Setc&e, ba fonft baö Söeitoort tote un=
finnig wäre, fonbem fo Diel aß „Sei6", aijb. lieh, »gl. Seidjborn. — 11. §eer, Ceffmg
fd)rie& hier bie burdjauS ungeroöljntidje Jon" „§eere". — 84. über ben SDlaler; naa)
heutigem Sprad)gebtaud) mürbe man bier über mit bem SDatin lonftruieren; bei ber
Äonftruttiou mit bem üteeufati» bat man fiel) ,,^inau§" \u ergänzen. — 28. gegenübet
rourbe In ber älteren iReberoeife bäufig getrennt, mit ba^iHidiengeftelltem Satio.
«aohoon XIII. 87
Söorte bes £idjters mit l;ören (äffen; in eine anbere Sprache
übergutragen. ßs ift ebenfo unmöglid), fie auZ bem materiellen
©emälbe gu uermuten, ob fie fd;on nur ber atlerfleinfte SSorgug
ift, ben bae poetifd;e ©etnälbe uor f eibigem l;at. S)er £aupt=
s oorpg ift biefer, bafs un§ ber Sttcfjtei? 51t bem, toaS bas mate=
tiefte ©etnätbe au§ iljm geiget', burdj eine gange ©alterte üon
©emälben führet.
2lber uielleidjt ift bie $eft fein öortetHjafter Vorwurf für bic
Malerei. £)ier ift ein anberer, ber mel;r Steige für baZ 2luge t;at.
10 3>ie ratpflegenben, trinfcnben ©öfter.2) ©in golbner, offener $alfaft,
unllfürlidje ©ruppen ber fdjönften wxo nerel;rung3u>ürbigften ©e=
ftaften, ben tyolal in ber £anb, oon ^eben, ber einigen ^ugenb,
bcbienet. 2ßetdr)e 2lrd;iteftur, roefdje SJlaffen uon Sterbt unb Schatten,
weld;e ^ontrafte, roeldje 93iannigfaltigfeit bes 2lu§brudeö! 2Bo
15 fange id; an, 100 l;öre id; auf, mein Stuge gu njetben? äßenn
mid) ber 'DJialer fo begaubert, wie viel metjr mirb e§ ber £)id;ter
tfjun! ^d; fdjtage irm auf, unb — id) finbe mid; betrogen, £jd)
finbe uier gute plane 3etten, bie gur Unterfdjrift eines ©emalbes
bienen fönnen, in roeldjen ber Stoff gu einem ©emälbe Hegt, aber
20 bie felbft fein ©emälbe finb.
Ol dt 9 toi itug Zrjvl y.ad'rtfitvoL i'iyoQÖcovro
XgvGtco tv äd7Ttäo), ntxa dt ocpiOL -kotvicc "Hßrt
NtKzag ta>vo%6tL ' xoi Öt XQvatoig ötitütCGL
dtidtxat' 6:X).r]lovq, Tqoicov itoliv tLOOQoeovztg.
25 ©a§ mürbe ein Sfpoffoniue, ober ein nod; mittelmäßigerer £irf;ter,
nid;t fd;ted;ter gefagt Ijabcn; unb §omer bleibt l;ier ebenfo meit
unter bem SDlaler, als ber Kurier bort unter if;m blieb.
9£od; bagu finbet GanluS in >bem gangen nierten S5ud;e ber
^liaö fonft fein eingtges ©emälbe al§ nur aben in biefen uier
30 feilen. 80 fet)r fid;, fagt er, bas vierte 33ud; burd; bie mannig =
faltigen Ermunterungen gum Eingriffe, burd; bie ?yrud;tbarfeit
glängenber unb abfted;enber 6l;araftere, unb burd; bie Äunft aug>=
nimmt, mit tveldjer uns ber ©id)ter bie SRenge, bie er in 23e=
-) Iliad. J. v. 1—4. Tableaux tires de l'Iliade p. 30.
1. 2Borte be§ SidjterS mit hören taffen, inbem bie 2Bal)l ber 2Borte mit baju
beiträgt, jebott in ihrem Klange oertoanbte ©mpfinbungen roie ihr Inhalt itt ums heroor^
jurufen. — lt. roillfür liehe, leicht unb beguem, ohne 3mang angeorbnete. — 18. plane,
leicht uerftänbltdje, einfad) = jd)lichte. — 25. üUmlloniO'j Difiobioä (um 220 v. Gftx),
■aleranbvintfdjei' Siebter , SSerf. eine§ nod) erhaltenen ©po§ über bie Slrgonautenfage. —
31. g-rud)t bar feit, nämlich für ben 5>id)ter.
88 £aokoon XIV.
»oegung fe|en mitf, geiget: fo ift e§ bod) für bie 3Ralcrei giinjltd)
unbrcwdj&ar. ®t b/itte baju fe^en formen: fo reid) es aud) fonft
an beut ift, maö man poetifdje ©emeilbe nennet. 2>enn matyrlid),
eö fommen berer in bem oterten 33ud)e fo häufige unb fo voll-
foinmene oor at§ nur in irgenb einem anbern. 2öo ift ein au§= 5
gefüfyrtereS, täufdjenbereS ©ernälbe als ba3 uom $anbaru§, mie
er auf 2(nreijen ber 9Jfrnen>a ben 21>affenfttl(eftanb bricht, unb
feinen v^feil auf ben 3Jlene(au§ los brüd't? 9ÜS baß, »on bem
SCnriufen be§ griedjifdjen öeereS? 2([§ ba$, uon bem beiberfeitigen
Angriffe? 2((§ baö, uon ber %{jat bes> lUt)ffe§, burd) bie er ben 10
i£ob feines SeucuS rädlet?
3Ba§ folgt aber l)terau§, baf5 nidjt wenige ber fdjönften ßte=
mälbe beö öomerS feine ©emälbe für ben 2lrtiften geben? Sat)
ber 2lrtift ßemälbe auZ üjm gießen fann, mo er felbft feine t)at?
2)af3 bie, meldje er b,at, unb ber 2(rtift gebraudjen fann, nur fefjr 15
armfeltge ©emälbe fein mürben, wenn fie nitfjt mefyr geigten, als
ber 2Irtift jeiget? 2öa§ fonft, als bie Sßerneinung meiner obigen
Arage? £ajj aus ben materiellen ©emalben, 51t meldjen bie ®e=
bidjte beS .Römers ©toff geben, mann ilirer aud) nodj fo niele,
mann fie aud; nod) fo nortrefflicr) mären, fid; bennod; auf baS 20
malerifdje latent beS SidjterS nichts fdjliejsen läfjt
XIV.
$jft bem aber fo, unb fann ein ©ebid)t fefjr ergiebig für ben
•äJtaler, bennod) aber felbft ntdjt malerifd), ()inmieberum ein anbereS
fefvr malerifd; unb bennod) nidjt ergiebig für ben üUialet fein: fo 25
ift eö aud) um ben ©infaß beS ©rafen (5ai)luS getrau, meld;er
bie 33raud)barfeit für ben -Oialer §um ^robierfteine ber £>id;ter
machen, unb it/re Stangorbnung nad) ber 2lngat)I ber ©emälbe,
bie fie bem 2Irtiften barbicten, beftimmen mollen. J)
'1 Tableaux tin's de l'IUade, Avert. p. V. On est tousjours convenu, que plus 30
1111 Poeme fouraissoit d'images et d'aetions, plus il avoit de superiorite eu Poesie.
Cette reflexion m'avoit conduit a penser que le caleul des difl'erens Tableaux,
qu'offrent les Poemes, pouvoit servir ä comparer le nierite respectif des Poemes
.t Af< Poetes. Le nombre et le genre des Tableaux que presentent ees grands
ouTrages, auroient btb ane espece de pierre de touehe, ou plutöt ane balance 35
certaine du merite de ces Poemes et du Genie de leufa Auteurs.
:'■ poctifdje ©emälbe im ©cgenfafc ;,u ben materiellen; jene jetgen unä eine fort*
fd)reitenbe .vnnblimg, biefe ge6en eine ftillfteöenbc 5cf)ilbening.
(Caohoon XIV. 89
i\ern fei e§, biefem Ginfafle, aud) nur burdj unfer 3tilt=
fdjmeigen, ba§ Stnfeljen einer Siegel gewinnen 51t [äffen, üftilton
würbe als ba§ erfte uufdmlbige Dpfer berfelben fallen. £>erm
eö fdjeinet roirflid), bafj baö oerädjtlidje Urteil, roeldjeS Saotu§
s übet ir)n fpridjt, nidjt forooljl 5iationalgefd)mad, als eine $otge
feiner vermeinten Siegel geroefen. £er SBertuft be§ ©efidjts, fagt
er, mag mol)l bie größte 2ü)nlidjf'eit fein, bie 9Jtilton mit bem
ferner gehabt l)at. freilief) fann Wxlton feine ©alterten füllen.
3tber müfjte, folange idj ba§ leiblidje 2luge l)ätte, bie «Spljöre
10 beöfelbcn aucr) bie 2pl)äre meines innern 2(uge§ fein, fo mürbe
\d), um oon biefer ßinfdjränf'ung frei 51t roerben, einen großen
9Sert auf ben Serluft beö erftern legen.
£a§ oerlorne s}krabie§ ift barum nidjt roeniger bie erfte
Gpopee nad) bem £omer, roetl e§ menig ©emälbe liefert, als bie
15 SeibenSgefdjidjte GJjrtfti beSmegen ein $oöm ift, metl man faum
ben $opf einer s)iabel in fie fe|en fann, orjne auf eine stelle ju
treffen, bie nid)t eine Stenge ber größten 2lrtiften befeftäftiget Ijätte.
*£ie Goangeliften ergäben baS gaftum mit aller möglichen trodenen
Einfalt, unb ber 2lrtift nutzet bie mannigfaltigen £eile beSfelben,
20 ol)ne bafj fie ir)rer SeitS ben geringften finden oon malerifdjem
©enie babet gezeigt l)aben. 6S giebt malbare unb unmalbare
gaeta, unb ber ©efd)id)tfd)reiber fann bie malbarftcn eben fo
unmaferifd) erjäl)len, als ber 2)id;ter bie unmalbarften malerifd)
bar^uftellcn uermögenb ift.
25 9Kan Jäjst fieb blof? oon ber ßweibeutigfeit beS 2BorteS oer=
führen, roenn man bie Bad)? anberS nimmt. Gin poetifdjeS
©emälbe ift nidjt notroenbig baS, roaS in ein materielles ©e=
mälbe 511 oenoanbeln ift; fonbern jeber 3»Ö/ ie^e SBerbinbung
mehrerer 3üge, burd) bie un§ ber £>id)ter feinen ©egenftanb f 0
sofinnlicb madjt, baf$ mir uns biefeS ©egenftanbeS beutlid)er be=
raufst raerben als feiner 2Sorte, §eif}t malerifd), (jetjjt ein ©e=
mälbe, roeil eS uns bem ©rabe ber ^Uufion näfyer bringt, beffen
1. £er moberne Spraa)gebraud) roiirbe f)ier ben Siccufatio „btefen Ginfall" t>er=
langen. — 6. 2) er 33erluft beS ©eficnjS; bcfanntlid) erblinbete ÜKilton im älter oon
einigen Diesig Jatiren; fei« „BerloreneS i'arabieä" fyat er als SBlinber gebidjtet. —
s. *reilid) ... füllen, ^mmerliin madjt Seffing in einem Fragment (f. 3(nl;ang Dir. 7,
■Jlbjdm. 39 u. 40 mit ben bajugetjörigen 2tu§ftt§rimgen) neben fueeeifiuen aud) eine Slnjatit
materieller ©emälbe beilüilton namfiaft. — 13 ff. 2). i). : foroenig baS „SJerlorene ^arabies",
weil Co menig ©emälbe liefert, feine Sebeutung alä 6po§ einbüfjt, fo menig fann man
bie veiben'3gefcbicf)te G6,rifti, roeil fie uoll malbarer §acta ift, ein ©ebia^t nennen. —
25. 3Jämüd) be3 2BorteS ©emälbe.
90 ffaokoou XV.
ba§ materielle ©emälbe 6efonber§ fäljiij ift, ber ftd) neu bem ma=
terteHen ©emälbe am erften unb (eidjteften a6ftraf)ieren (äffen.-)
XV.
9iun tann ber ®id)ter §u biefem ©rabe ber !^flufion, wie bie
@rfa|rung geiget, aud) bie isorftelfungen anberer als fid)tbarer &
©egenffeänbe erbeben, ^folgltdj muffen notmenbig bem Prüften
gange klaffen von ©emätben abgeben, bie ber Xidjter uor itjm
voraus fyat. Trnbene Dbe auf ben Gäcüienstag ift voller mufifalifdjen
öemälbe, bie ben $infel müfctg laffen. ®od) id) miß mid) in
bergleidjen Gremuel nid)t verlieren, am roeldjen man am @nbe bod) 10
mojjt nidjt viel meb,r lernet, als. bafj bie färben feine Ztöne, unb
bie CI)ren feine 3tugen finb.
%tf) will bei ben öemälben blof? fidjtbarer ©egenftänbe freien
bleiben, bie bem ©idjter unb 5)ialer gemein finb. üEßoran liegt
es, bafs mandje poetifdje öemälbe Hon biefer 2lrt, für ben Dealer 15
unbraudjbar finb, unb fjinmieberum mandje eigentlid)e ©emätbe
unter ber 23eb,anblung bes 'Didjterö ben größten Xett it)rer
SÖirfung verlieren ?
Grempel mögen mid) leiten, ^d) mieberljole es: baS ©e=
mätbe beö ^anbaruö im vierten 33ud)e ber IJüas ift eines von 20
ben ausgefül)rteften, täufdjenbften im gangen §omer. SSort bem
©rgreifen beö 33ogeno bis 511 bem /vluge beö Pfeiles, ift jeber
iHugenblicf gemalt, unb alle biefe 3(ugenblid'e finb fo natje unb
-) SBa* mir poetifdje Öemälbe nennen, nannten bie 2llten ^.Ujantofieen, roie man fid)
nuö bem Vongin erinnern wirb. Unb ina-S wir bie 3Uufio"- ba* Säufdjeube biefer öe= 25
iniübe beifsen, biejj bei ihnen bie ©nargie. ©aber hatte einer, rote !ßlutar$u3 melbet
(Erot. T. II. Edit. Heur. Steph. p. 1351), gejagt: bie poetifdjen ^bautafieen mären,
wegen ihrer ©uargie, Staunte ber SBacbeuben; AI 7tnu]Tiy.ai (fnrtnnim tfeA rtjv hrrg-
yemv f-nijyooöTtnr ivrnm't fi'air. ^d) miinfdjte fehr, bie neuern Sebrbüd)er ber ©id)t=
tunft hätten fidi biefer Benennungen bebienen, unb beS SBorteQ Öemälbe gänUid) enthalten 30
H'oUeu. Sie rolirben uni eine SRenge balbmabrer Kegeln erfpart haben, berer »ornebmfter
©runb bie Übereinftimmung etne§ miUfürlidieu SJtomenS ift. poetifdje ^bantafieeu mürbe
teilt SDtenfdj fo leidit ben Sdiranfen etneä materiellen Öemälbe« uuterroorfen haben;
«ber fobalb man bie ^bantafieen poetifdje Öemälbe nannte, fo mar ber Örunb -,ur S?er=
fül;rung gelegt. 35
2. abftrahieren laffen: ergänze hat Sei laffen, muffen, nod) häufiger bei
tonnen, motten u. bgl. , bleibt in 9)ebeufäljen febr häufig ba>3 §tlf§jeitroort haben fort. —
8. ,\obn Gruben (l^Sl— 1700) btditetc i 3 1,;s7 bie Obe auf ben (SäcütenStag , meUbe
betaimtlid) von §änbel (i. ,Y 1739) in SRufil gefe$t roorben ift. — 8f. «Dt n f italif che
Öemälbe finb liier nidit mufitaliidie (itjefte, roie fie mandje liditer burdi funftpollen
;iibi)thinuö unb gefdiidte Wahl roohlttingenber Worte ;u erreichen roiffeit, fonbern poetifche
se^ilberungen lnufitaliidier Vorgänge oöer SBtrtungen. Scr Söiditer faitit eben and) 6a>j
£ibrbare, ben öerudi, ba€ ©efüb,I u. f. ro. ium ©egenftanb feiner Sdiilberung madjen; ber
VJialer nidit, ihm fteht nur bo§ £iditbare ;u (Schote.
4'aokocm XV. 91
bod; fo imierfdjieben angenommen, bafc, wenn man nid;t roüfjte,
mie mit bem §8ogen umjugcl^en märe, man es aus biefem ©e=
mälbe allein lernen tonnte. ') ^anbarus ^ieljt feinen Sogen I;er=
vor, legt bie Senne an, öffnet ben föödjer, roä(;let einen nod;
5 ungebrauchten mol;lbefieberten $feit, fe£t ben ^>feit an bie ©enne,
jterjet bie Senne mit famt bem Pfeile unten an bem (Sinfdnütte
jurüd, bie Senne nal;et fid; ber Sruft, bie eifeme Spi&e bes
^feileö bem Sogen, ber grofte gerünbete Sogen fdjlägt tönenb
aus1 einanber, bie Senne fd;roirret, ab f prang ber ^>fei(, unb
10 gierig fliegt er nad) feinem $iele.
Überfein t'ann Gaplus biefes uortreffüdje ©emälbe nid;t
rjaben. 2Sa§ fanb er a(fo barin, marum er es» für unfähig adjtete,
feinen Prüften gu befd;äftigen? Unb mas mar e§, marum \fym
bie ÜBerfammtung ber ratpfiegenben jedjenben ©ötter ju biefer
15 3(bfid;t taugltd;er bünfte? £ier fo ujofjl als bort finb fid;tbare
Soruuirfe, unb maö braud;t ber SERaler mein-, als fid;tbare SSor=
mürfe, um feine 'J-lädje 51t fußen?
£>er Mnoten mufj biefer fein: Ob fdjon beibe Sormürfe, als
ftd;tbar, ber eigentlichen Malerei gleid; fäl;ig finb, fo finbet fid;
20 bod; biefer mefentlid;e Unterfdjieb unter ilmen, bafj jener eine
fidjtbare fortfd;reitenbe £anbhmg tft, bereu nerfdjiebene Seile fid;
nad; unb nad;, in ber fyotge ber 3eit, ereignen, biefer I;ingegen
eine fidjtbarc fteljenbe §anblung, bereu uerfd;iebene Seile fid;
neben einanber im ^ttaume entmid'eln. 2ßenn nun aber bie SRalerei,
25 uennöge i(;rer 3etd;en ober ber Mittel i(;rer 9iad;al;mung, bie fie
nur im 9taume nerbinben law, ber 3e^ gängtid^ entfagen mufs,
>) Iliud. J. v. 105—112.
Avil/.* iav'/.a täiov i'vlou* — — — —
Kai zu f-tsv tu xctzä&>}y.E raruaodiaro;, norl yaiij
30 \Ayxkiia; — — ■ — — ■ — — — —
yliizan o au).a ncü/na ipaoitoyi' ix d tlst* luv
lAßZfjza, nzt nutvta , ficÄaiväiv i'ou odvvücav,
A-hpa 6' ini viuofj y.azty.üaftti mxoiiv uiozuv — —
FJ./.t d ' u/uov yXvipiöaz zs kaßmv , y.al vtüfja (iüeice.
35 Ntvoi^v /.ihv fja£(i> 7t(Actatv, toiw öi oidtjgov.
jivtafi irtadij xvy.koZsr/e; /uiyu rugov tzavz,
jiiyse ßlb?, vtVQi] ök [ity' i'a/ev , äXzo 6' u'iazu^
'O^vßilt']?, y.aS-' ZftiZov irtirtrinfrai (avtaiviav.
3—10. 3)lan beachte Ijier bie geinfjeit ber StuSbrudäroeife: tnätirenb Seffing fonft bei
biefer Sdjitberiing ficb burdjroeii be« 3JVäfenä bebient, fefet er in ben SBorten „ab fprang
ber $feil" bas Präteritum. 3>as 2lbt"pringen beo ^feiles ift eben etroa'3 fo SKomentaneä,
eminent 2raufitorifd)e6, baß e§ firf) mit bem übrigen nid)t auf eine Stufe ftellen lii^t.
92 ffaokoon XVI.
fo tonnen fortfdjreitenbe £)anb(ungen, aU fortfdjreitcnb, unter
ifirc ©egenftänbe nidjt gehören, fonbern fie mujjj jtdj mit $anb-
lungen neben einanber, ober mit Bloßen Körpern, bie burd) ifjre
Stellungen eine ^anblung tiermuten (äffen, begnügen. 2)ie ^>oefte
hingegen — — 5
XVI.
35odj \d) miß uerfudjen, bie ©arfje au§ tljrcn erften ©rünben
Ijerguleiteh.
%d) fdjliefje fo. SBenn e§ voofyx ift, bafi bie SDtoleret ju
i()ren "Oiadjaipnungen gang anbere Glittet, ober ^eidjen gebrauchet, 10
al§ bie ^oefie; jene nämlid) Figuren unb färben in bem Zäunte,
biefe aber artifutierte £öne in ber 3^it; roenn unftreitig bie 3eid)tm
ein Bequemes! üBerfyättnisä 51t bem S3e§eidjneten fjaben muffen: <So
tonnen neben einanber georbnete 3eidjen, and) nur ©egenftänbe,
bie neben einanber, ober bereu i£eile neben einanber egiftieren, 15
auf einanber folgenbe 3eid)cn aber, and) nur ©egenftänbe au§brüden,
bie auf einanber, ober bereu Seite auf einanber folgen.
©egenftänbe, bie neben einanber, ober bereu Seite neben
einanber eriftieren, fjeifjen Körper, fyolgfict) finb Körper mit ifjren
ftdjtbaren Gigenfdjaften, bie eigentlichen ©egenftänbe ber Malerei. 20
©egenftänbe, bie auf einanber, ober bereu Seite auf einanber
folgen, jjeijjen überhaupt ."oanblungen. ^olgüd) finb ^anbtungen
ber eigentliche ©egenftanb ber Sßoefie.
Qod) alte Körper eriftieren ntdjt attetn in bem Staunte, fon=
bern and) in ber octt. ©ie bauten fort, unb tonnen in jebem 25
Augenblicke ifyrer ©auer anberä erfetjeinen unb in anbrer 3Ser=
binoung fielen, 3>ebe biefer augenblidtid)en (Srfdjeinungen unb
§8er6inbungen ift bie SBirfung einer uorbergetjenben unb fann
bie llrfadje einer fotgenben, unb fonad) gleidjfam ba§ (Sentrum
einer ftanblung fein. Aolglid) fann bie Malerei and) .ftanblungen 30
nadjat)men, aber nur anbeutungömeife burd) Mörper.
2tuf ber anbem Seite tonnen §anblungen nidjt für fidj
felbft befteb/n, fonbern muffen gemiffen SGBifen anhängen, $n
fo fern nun biefe Uöefen Körper finb, ober a(3 Körper betrachtet
18. bequem, b. I). entfpredjenb. — 21 ff. STaö ift jebod) nidjt fo ju »erftetjen, a(3
ob bnmit bie ffimpfineung, ba§ ©ebict ber Snrif, oon Sefftng nu>5 ber !J5cefte «erbarmt
inürbe. 9Jadi ber oon ümt ielbft in ber Mbljanblumi über bie Reibet gegebenen Definition
ift aud) „icber innere ftontpf oon Veibenfdiaften, jebe 3'0'3C lH1" oerfcf)icbenen @ebanfen,
mo eine bie anbre aufgebt", eine $anblung.
ffaokoon XVI. 93
roerben, Gilbert bic ^ocjtc aud; Mürper, aber nur cmbeutungs=
rpeife burd) ^anbtungen.
SDie sDtalerei fann in il)ren foeriftierenben &ompo[itionen nur
einen einzigen Slugenblid ber £anblurtg nutzen, unb mujj bafjer
5 ben prägnanteren roärjlen, au§ meinem ba§ Sßorljergeljenbe unb
^olgenbe am beiireiflidjften roirb.
iSbm fo fann aud) bie ^oefte in tljren fortfdjrcitenben 9iad)=
alnnungen nur eine eingige ©igenfe^aft ber Körper nullen, tmb
mufj barjer Diejenige iu>iü)Ien, meldje baS finnlidjfte sMb bes Körper*
10 von ber Seite ermetfet, von roeldfjer fic if>n brauet.
$ierau§ fiiejtf bie Sieget von ber Ginfyeit öer fttalerifdjen
©etroörter, unb ber Spärfatnfeit in ben Säuberungen fürperlidjer
©egenftänbe.
3—13. 3um oollcn 23erftäubnis biefer Sä^e — ber Etuinteffenj be§ Saofoon — ge=
hören notwenbig bin^u meutere Fragmente aus bem Sftadjlajs, namentlid) 3lr. 7, Sälbfctjn.
XLIII; ferner 5>lr. 3; unb bajii ein mtdjtiger Sßaffuä aus einem Sriefe au SHicotai oom
36. SDtfirj 17C9, wo Seffing gelegentlich ber ®aroefd)cn iKecenfion bes fiaofoon bewerft:
„Sa) räume ihm [bem SRecenfenten] ein, bafj oerfd)iebenes barin itid)t beftimmt genug ift;
aber rote fann e§, ba id) nur faum ben einen llntcrfdjieb ;roifd)en ber QJoefie unb SDialerei
ju betrachten angefangen habe, weld)cr aus bem Gebrauche il)rer 3eieben eutfpringt, in*
fofern bie einen in ber Qeit, unb bie anbern im Dlaume erörteren? 33eibe tonnen ebenfo»
wohl natürlich aß willfürlicb fein, folglid) mufj e§ notwenbig eine hoppelte SWalerei unb
eine boppelte ^oefie geben: wenigftenä oon beißen eine höhere unb eine niebrige ©attung.
Sie SDialerei braucht entroeber foeriftiereube Seidjen, welche natürtid) finb, ober welche
willfürlid) finb; unö eben biefe S8erfd)icbenbeit finbet fid) aud) bei ben foufefutioeu ßeidien
ber Sßbejie. Senn es ift ebtn fo wenig roafcr, bafi bie SDtalerei fid) nur natürlicher ,3eid)eu
bebiene, als es wahr ift, bafj bie ^oefie nur wittrürlicbe 3eia)en brauche. 2lbcr bas ift
gewifj, bafj je mehr fid) bie SDialerei oon ben natürlichen 3«^en entfernt, ober bie natür«
liehen mit wiUfürlidieu oermifdjt, befto mehr entfernt fie fid) oon ihrer äSoHrbmmen^eit:
»ie hingegen bie Sßoefie fid) um fo me6r ihrer aSoHlomtnenbeit nähert, je mehr fie ihre
wiUfürltcben 3eid)eu ben uatürlidjen näher bringt, golglicb ift bie höhere SDialerei bie,
welche nichts als natürliche 3cicbett im Saume brauchet, unb bie höhere t'oefie bie, weldje
niebts als natürliche 3eid)en in ber Seit braudict. g-olglid) fann aud) weber bie biftorifdje
nod) bie aüegorifcbe SDialerei jiir I)öheru SDialerei gehören, als roeldje nur burd) bic baju=
fommenben wiltfürlicbcu 3eid)en oerftänblidj »erben fönneu. J$d) nenne aber roüßürlidje
3eidjeu in ber SDialerei nidjt allein alles, ums jutn fiöftüme gehört, fonbern aud), einen
großen Seil be§ förperlidjen 2luSt>ruds felbft. ^mav finb biefe Singe eigentlid) nid)t in
ber SDialerei uullfürlid) ; ihre 3eid)eu finb in ber SDialerei aud) natürliche 3eitt)en; aber
es finb boch natürliche 3eid)cu oon ;oillf ürlidjeu Singen, rcelcbe unmöglid) eben
bas allgemeine Serftänbnis, eben bie gefd)tDinbe unb fcbnelle SBirfung haben fönnen, als
natürliche 3eid)eu oon natürlichen Singen. Sßenn aber bei biefen 3d)önheit baS
Ijöchfte ©cic? ift, unb mein SRecenfeht felbft jugiebt, bafj ber ÜRaler allerbingS aud) in ber
Sbat am meiften sD!aler fei: fo finb wir ja einig, unb joie gefagt, fein einnmrf trifft
ntid) nid)t. Senn alles, was id) nod) oon ber SDialerei gefagt habe, betrifft nur bie SDialerei
nad) ihrer böcbfteu unb cigcntümlichftcu SBirfimg. 3d) Ijabe nie geleugnet, baf; fie aud)
aufjer biefer nod) SSSirfungen genug haben rönne; id) Ijabe nur leugnen [lies: fagen]
toollen, bafj ihr aisbann ber SJlame SDialerei weniger äufomme. 3d) habe nie an ben 2Bir=
hingen ber t)iftori[d)en unb allegorifdien SDialerei gejiucifelt, nod) weniger babe id) biefe
©attungen aus ber 2Belt oerbannen wollen ; id) habe nur gefagt, bafi in biefen ber paler
weniger sDIaler ift, als in Stücfcn, wo bie Sohönheit feine einzige ätbftdjt ift. . . . SBun
nod) ein SBort wn ber Spoefie, bamit Sie uidjt mifjuerfteheu , was id) eben geiagt i)abc.
Sic v4>oefie mufj fd)led)terbings ihre witltürlid)en 3cujbcn 5" natürlichen }U erheben fueben
unb nur baburd) untericheibet fie fid) oon ber Sßrofa unb wirb 5p.ocfie. Sic SDlittel, wo=
burd) fie biefes tt)ut, finb oer 2ou, bic Sffiorte, bie Stellung ber SBortc, bas Silbenmafj,
giguren unb Sropen, ©leicbniffe u. f. w. 2111c biefe Singe bringen bic willfürlidjen 3eic6e»
94 faokoon XVI.
^d) mürbe in biefe trotfene ©djluftfette roeniger Vertrauen
fetjen, roentt id) fie nidjt burd) bie ^rarto be§ •'oomerS uollfommeu
oeftättget fänbe, ober roenn e§ nidjt vielmehr bie ^rariö bc§ Homere!
felbft märe, bie mid) barauf gebradjt l)ätte. SRur au§ biefen ©runb=
iäi5eit läfjt fid) bie grofte Ruinier be§ ©riegelt Beftimmen unb 5
erflären, fo rote ber entgegengefct)ten DJanier fo oteler neurern
Xidjter il)r ^i'erfjt erteilen, bie in einem Stüde mit bem SJialer
metteifern motten, in roeldjem fie notroenbig non trmt überrounben
merben muffen.
3d) finbe, $omer malet nid)tö aU fortktjreitenbc Aanblungen, 10
unb alte Körper, alle einzelne *3)inge malet er nur burdj il)ren
2lnteil an biefen ^anbltmgen, gemeiniglid) nur mit Gutem 3uge.
3ßa3 Sßunber alfo, baf$ ber "Dialer, ba mo ^omer malet, roenig
ober nid)tö für fid; gu tfjitn fielet, unb baf$ feine Grnte nur ba
ift, mo bie ©efd)td)te eine Dienge fdjüner Körper, in fdjünen ©tel= 15
hingen, in einem ber ^unft vorteilhaften Waume gufammen&ringt,
ber £id)ter felbft mag biefe Äörpcr, biefe Stellungen, biefen 9taum
fo menig malen, als er mill? Man gel)e bie gange Aolge ber
öemälbe, rote fie 6at)Iu§ au§ il)m oorfdjlägt, ©tücf por ©tücf
burd), unb man rotrb in jebem ben 53emei<o non biefer Slnmerfung 20
finben.
xVl) (äffe alfo l)ier ben ©rafen, ber ben ^ar&enftetn be§
Datiere. 311m ^rolnerftetne beö 1}id)ter3 madjen mill, um bie Lanier
be§ £>omer3 nälier gu erflären.
Aür Gin £utg, fage id), l)at Konter gemeiniglid) nur Güten 25
3ug. Gin <3d)iff ift tt)rn balb baö fdntntrge Scfyiff, balb ba§
liol)le 3d)iff, balb ba§ fdjnefle ©djiff, l)öd)ftenö ba§ rooljlberuberte
fdjroarge ©djiff. Jöeiter läftf er fid) in bie SJlaleret bc§ Sdjiffeä
nid)t ein. 2C6er mof)l ba§ ©Riffen, ba§ 2Ü6faIjren, ba§ Sfnlanben
beö ©djiffeS, mad)t er gu einem ausführlichen ©emälbe, 511 einem 30
Nemälbc, au§ roeldjem ber Dialer fünf, fed)S befonbere ©emälbe
madjen müfste, roetrn er c§ gang auf feine Setnroahb bringen roollte.
Urningen ben Corner ja befonbere tlmftänbe, unfern sM\d auf
einen einzeln forperltdien ©egenftanb länger 311 tieften: fo mirb
ben natürlidien näher; aber fie machen fie nicf)t 5« uatihlidH'n ^eidieu; fot^lidi find alle
Gattungen, bie fid) nur biefer Büttel bebienen, als bie niebern (Sattumien ber ^oefie 51t
betrauten; unb bie böcßfte «Sattung ber ^oefie ift bie, wetdie bie nrilHttrltt&en 3eia>'n 51t
itatttrlidjen ^leitfieu madit. 3)a8 ift aber bie bramatifdic; benn in biefer Ijören bie iffiorte
auf, nuUtiirliclH' „ieidien -,u fein, unb werben natürliche ,-;eidien w i 1 1 1 in- 1 i di e r Jinge."
-- f (EineS ber idiöuften unb prägnanteren unter ben Silbern, an benen Sieffing?
2"iftion fo reia) ift.
.ffinohoon XVI. 95
bem oljngeadjtet fein ©ernälbe barattS, bem ber 9JioIer mit bcm
Sßinfel folgen formte; fonbern er meif$ bttrdj ungäj^tige ^unfigriffe
biefeti eingeht ©egenftanb in eine $?olge von STügen&tMen §u fetten,
in beren jebem et* anberö erfdjeinet, nnb in beren (entern tljn ber
5 -JRaler erwarten mufj, nm tutö entftanben 51t geigen, roa§ mir bei
bem Siebter entfielen fe()it. 3. ©■ 9BtU $omer ttn§ ben äßagen
ber ^sttno fefyen (äffen, fo mufj i()it §ebe oor unfern Stugen Stüd
oor ©tücf gufanrmenfeijen. 2ßir ferjen bie liftäber, bie 2td)fen, ben
3ir3, bie 'Setdjfet ttnb Giemen unb Stränge, nidjt fomofyt mie e§
10 beifammen tft, a(e> mie e§ unter ben Rauben ber §e6e jufammen
tommt. 2tuf bie 9iäber allein oermenbet ber ©idjter me()r al§
einen 3ag, unb meifet un§ bie ehernen adjt ©petdjen, bie golbenen
A-elgen, bie ©djienen oon Gr,v bie füberne 9fat6e, atfeo inöbefonbere.
SOlan follte fagen: i>a ber Sftäber mein al§ eines mar, fo muffte
15 in ber Skfdjret&üng ebenfo tuet 3eit mefyr auf fie gefyen, als il)re
befonbere Anlegung beren in ber Statur felbft mefjr erforderte. ')
r'Hßi] d' üuep' 6%Uggl &oiog ßals -/.dfnrvXa %v~/,Xtt,
Xd.Xv.su d%rccK.vr}(ia, Gt,di]gtcp agovi a^tpig-
Tüv i) zoi xqvoh] itvg äcp&izog, ccvtccq vneg&tv
20 XgXk&' STllGGWTQK, 7IQOGO!Q1]()6tC(, &KV{lCt idtG&Ctl'
TlXijfivcii ö' ccQyvgov eicl ntgiägof.iot, äfKpottgco&ev
Jt'cpQog dt vgvGtoiai y.al agyvgzoiGiv uiciGiv,
'EvzitaxccL' doicei dh TifgidgotAOi uvtvysq sißC'
Tov S' t£ aqyvQSog gi'tibg ntXtv avtag In uv-gm
2ö JTjGE %gvGtiov zaXov £vybv, iv öl XinaSva
KdX' tßaXe, %qv6sicc. — — — —
ÜBitt un§ $omer geigen, mie Agamemnon betreibet geraefen, fo mufj
fid) ber $önig oor unfern Slugen feine oötlige Aleibung »Stüd oor
Btüd umt()un; baS roetdje Unterfteib, ben großen Plantet, bie
so fdjönen ^aloftiefelrt:, ^n Segen; unb fo tft er fertig, unb ergreift
baä 2cepter. 3Sir feljen bie Kleiber, inbem ber Siebter bie .*panb=
hing be§ SBeffetbenS malet; ein anberer mürbe bie Kleiber bis auf
bie geringfte prange gemalet (jaben, unb oon ber -ftanblung fyätten
mir nichts 511 feljen befommen.2)
35 'i Ilin.l. E. v. 722—31.
») Iliad. B. v. 43—47.
30. 3tn heutigen Spracfigebriuidje ift Je gen für ba>3 nntife Stfjuoerf nicfjt me[)r
üblid).
96 ffaofcoon XVI.
• — — — Ma.Xav.bv ö' tvSvve %iz(bvce,
KaXbv, vi]ycezsov, nsgl d' ccv [isyet ßccXXszo qpdpog'
HoggI 8' vncel XinceQOiGiv s8i)Gazo v.ceXu nsdi7.ce.
'Aucpl 8' ctg' coixolciv ßäXszo ijtqpog KQyvQOifiov,
El'Xszo 8s 6%)intQ0v nazQoüov, äcp&izov ahi. 5
Hub menn mir oon biefem ©cepter, meldjes Ijier btojj ba§ uöter=
Cid^c; unoergängltdje Scepter fjetfjt, fo mie ein äljnlidjcQ il)m an
einem anbern Drte blof} yovösloig r\lom nsitaQ^ivov ^ baS mit
golbenen Stiften befdjlagene (Scepter ift, menn mir, fage idj, non
btefem roidjttgen Scepter ein uollftanbigereS, genaueres 53ilb Ijaben 10
f ölten: roaü tljut fobann Corner? -"Otalt er uns! aufjer ben goI=
benen Nägeln, nun aud) ba§ $otj, ben gefdjnifcten $nopf? $a,
menn bie SSefdjretbung in eine .'oeralbif' folfte, bamit einmal in
ben fotgenben Reiten ein anberes genau banadj gemacht merben
tonne. Unb bodj bin id) gemifj, ba[3 mand)er neuere ©idjter eine 15
foldje ^Öappenf'önigsbefdjreibung barauö mürbe gemadjt tjaben, in
ber treuljerjigen "Dieinung, bafs er miri'lid) felber gematt Ijabe, roeit
ber 3Jtaler itnn nachmalen fann. 2Sal befümmert fid; aber Corner,
mie meit er ben 9Jiater tjinter ftdj läf5t? Statt einer 2(6bi(bung
giebt er uns bie ©efdjtdjte beä Scepterä: erft ift eS unter ber 20
Arbeit beö SSutcans; nun glänzt es in ben öänben bes Jupiters ;
nun bemerft eS bie 2Öürbe 9)iercur3; nun ift eö ber $ommanbo=
ftab bes friegerifdjen s}>etopö; nun ber £urtenftab bes frieblidjen
"Jltrcus, u. f. m.
— ■ Z%fjnzQOv s%cov zb (isv "HcpceiGzog v.c'cus xsv%(av 25
"Hcpceiozog fisv 8coxs du Kqovi'covl avanzi ■
Avzuq eegee Zsvg Sm%s Siu'AZOQOi 'AQys'icpövzy
'Egfiticeg dl cevce'S, Sünsv TLsXoni nX^Cnnm-
Avzuq 0 cevzt TlsXoip 8(0% AxQs'C, noiusvi Xcecbv
'AzQsbg 8s %,v)]GY.(av sXins nolvceqvi ©vsGztj ' 30
Avzag o cevzs ©vsgz' 'AyatiS(.ivovi Xsins cpOQf/vai,
IJoXXfjGt. vr'iGOLGi %cel "AQys'i ncevzl cevccGGSiv.*)
So tonne ich, cnblid) biefe§ ©cepter beffer, alo mir e§ ber 93iater
tun- fingen legen, ober ein gtoeiter SButcan in bie $änbe liefern
i lli.nl /;. v. 101 -108. 35
IG. SBappenlönige Ijiefjen im SWittelatter biejentgen ^erotbe, roe£<$e bie ünippen:
biidicr ber turnterfä^ißen Mitterfc^ofi ju führen Ratten. — 2-1 bemerft, t>. ii. bejcidjnct
aotarc.
ffaohoon xvi. 97
fönntc. — Gö roürbe midj nid)t befremben, wenn idj fänbe, bafj
einer oon ben alten 2(u§tegem bes Römers biefe ©teile als bie
vollfommenfte 3tllegorie oon bem Urfprunge, bem Fortgänge, ber
Söefefrigung unb enblidjen 33eerbfotgung ber fömglidjen ©eroalt
5 unter ben 9ftenfdjen berounbert ()ätte. ^d) mürbe groar fädeln,
wenn id) läfe, baJ5 SSuIcan, roeldjer bae ©cepter gearbeitet, als
baö Aener, als ba§, roa§ bem 9Jienfd)en ^u feiner ©rljaltung bas
unentber)rlid)fte ift, bie Stbftetlung ber S3ebürfniffe überhaupt an=
geige, roeld)e bte erftcn SJlenfdjen, fid) einem einjigen ju unter=
10 werfen, bewogen; bafj ber erfte $önig ein ©ot)it ber 3eir/ (Z^
Xooi'/fO!') ein eljrroürbiger 2ttte geroefen fei, roeldjer feine -üOiadjt
mit einem berebten fingen Scanne, mit einem 9Jlercur, (z/mxro^w
'Agysicpovr))) teilen, ober gänjlid) auf il)n übertragen motten; bafj
ber finge Sftebner jur 3ett, <*l§ ber junge Staat oon auswärtigen
15 ^einben bebrotjet raorben, feine oberfte ©eroalt bem tapferften
Krieger, (üikoTti Tikr\%vmt(p) überlaffen Ijabc; bafj ber tapfere
Krieger, nadjbem er bie ^einbc gebämpfet unb t>a§> üftetdj gefidjert,
eö feinem ©otme in bie §änbe fpielen tonnen, roeldjer al§ ein
friebliebenber Regent, aU ein rool)ltb,ätiger §irte feiner Koffer,
20 (jtoi inj)' laav) fie mit 2öol)lleben unb Überfluß betannt gemadjt
tjabe, rooburd) nad) feinem Xobe bem reidjften feiner Stnuerroanbten
(itolvttQVL &viary) ber 2öeg gebalptet roorben, ba§ roa§ btSljer
ba§ Vertrauen erteilet unb ba§ Söerbtenft mein; für eine 33ürbe
al§ 2öürbe gehalten bjatte, burd) ©efdjenfe unb 33eftedjungen an
25 fieb, §u bringen unb e§ fonadj als ein gleidjfam erfaufteS ©ut
feiner ^amilie auf immer §u oerfidjern. $dj roürbe lädjeln, id)
roürbe aber bem ol)ngead)tet in meiner Sldjtung für ben Siebter
beftärfet roerben, bem man fo oiele§ teilen fann. — ©od) biefes
liegt aufjer meinem 28ege, unb id) betraute itjt bie ©efd)idjte bes
30 ©cepters 6lojj als einen $unftgriff, un§ bei einem einzeln Singe
oerroeilen 511 madjen, otpie fid) in bie froftige 23efdjretbung feiner
Seile emgutaffen. 2lud) roenn 2fd)ille3 bei feinem ©eepter ftfjroöret,
bie Öeringidjatmng, mit roeldjer itpn Agamemnon begegnet, 511
rädjen, giebt uns §omer bte ©efd)id)te biefe§ ©cepterS. 9Sir
35 feljen Um auf ben Sergen grünen, bas Gifen trennet it)n oon bem
Stamme, entblättert unb entrinbet itjn, unb maajt ifm bequem,
4. SBeerbfotgung, bafür ift beute Erbfolge gebräuchlicher. — 17. Dämpfen im
Sinne oon uniertoerfen ift beute oerattet ober Ijöcbftenä nod) in poetifeber Steberoetfe nors
fommenb; bei Suttjer befanntUd; tiäufig. — 28. teilen, unterlegen. — 35. ü;n; Seffing
gebraucht ©cepter balb männlicb, balb fäcf;licb.
SeffmgS SBerle 9. 7
98 Caohomi XVI.
ben 9ft<$tera bc§ 9SoKe§ jum 3eidjen ifjrer göttlichen SSBürbc ju
bicncn.4)
A '(•:( (.iä xoöb cy.i~i7rT.QOv, xb f.ilv ovnort (pvXla ncd ofcovg
0vüEi, BitBidi] TZQÜTa tofiijv ev ÖQtoat IbIomev,
Ovd' c(vc(&i]h)Ghi • tzbq'i yag qcc b %ccl'/.bg bIbi^b 5
$vllce tb v.ctl cpXoiöv vvv avzs fiiv vfag 'A%ciiö>v
Ev 7i(xXd[iiig epOQBOi'Gi Smacnoloi, ot xb &E[lL6r<xs
Ugog Jibg siQVCitai — — — —
Sern $omer mar nidjt fomoljl barem gelegen, jmei ©täbe von
öerfdjiebner SfJlaterie unb $igur ju fcfjilbern, al§ un§ von ber 10
Serfdjicbentjett ber 9Jtad)t, beren Reichen biefe Stäbe waren, ein
finnlidjcS Silb 51t machen. Jener, ein 3öerf be§ SBufcanuS; biefer,
von einer unbekannten $anb auf ben Sergen gefdjnitten: jener
ber alte Scfitj eine§ ebeln §aufe§; biefer beftimmt, bie erfte bie
befte $auft ju füllen: jener, von einem s}>ionard)en über niete 15
^nfetn unb über gang 2trgo§ erftredet; biefer üon einem au3 bem
bittet ber ©riechen gefütjret, bem man nebft anbern bie Se=
matjrung ber ©efetje anvertrauet Ijatte. ®iefe§ mar tmrfft'dj ber
2lbftanb, in meldjem fid) 2lgamcmnon unb 2ld)ill üon einanber
befanben; ein 2(bftanb, ben 2tdjtß felbft, bei altem feinen blinben 20
ocrne, einjugefteljen, nidjt undjin tonnte.
©od) nid)t blof, ba, mo £omer mit feinen Sefdjreibungen
bergleidien weitere 2lbfid)ten verbinbet, fonbern aud) ba, mo e§
ilim um ba§ fcfojje Silb §u t()itn ift, wirb er biefeo Silb in eine
2trt von ©efdjidjte be§ OegenftanbeS verftreuen, um bie £eite 25
oeoielben, bie mir in ber 9tatur nebeneinanber fefjen, in feinem
©emertbe eben fo natürlid) aufeinanber folgen, unb mit bem fyfuffc
ber Siebe gleidjfam ©djritt galten 31t laffen. $. @. @r tritt
uns ben SBogen be§ ^anoanto malen; einen Sogen von £orn,
von ber unb ber Sänge, mot)l polieret unb an beiben Suiten mit 30
Nolobled) befdjlagen. 3SaS tljut er? ,3äf)It er un§ alle biefe
(Stgenfdjaften fo troden eine nad; ber anbern vor? 5CRit nidjten;
ba§ mürbe einen folgen Sogen angeben, vorfdjreiben, aber nidjt
malen f)eif$en. @r fängt mit ber $jagb be§ ©teinbodeö an, au§
oeffen .Römern ber Sogen gemadjt morben; SßanbaruS Ijatte Unit 35
in ben Aclfen aufgepaßt unb ifm erlegt; bie Körner waren von
') Oiad / < '-':;i 289
Caohoon XVII. 99
aufterorbcntlidjer ©röfce, beSroegen beftimmte er fie §u einem Sogen;
fie fommen in bie Arbeit, ber Hunftler oerbinbet fie, polieret fie,
befdjtägt fie. llnb fo, rote gefagt, feljen mir bei bem ©idjter
entfielen, mag mir bei bem Hialer md)t anberS al§ entftanben
s fet)en tonnen.5)
— — — To£ov, sv^poV, l'E,äXov alyög
'AyQiöv, öv (ja 7ror' avrbg, vnb otigvoio Tv%i]Gag,
nizQijg sxßKivovTtt ötdtyfisvog sv itQoSoy.fjGi
Btß\i']K£i nobg ozii&og- b d' vnziog e^,7iiG£ TtetQy
10 Tov y.£Q(x 1% Ktcpalfjg tKxcudfiiddcoQci ntcpintf
Kai tu fisv CiG%r]Gag %tq(xo'8l6og JJqocqs xi-Axatv ,
IJäv d' ev Xtnjvag, XQVßerjv 87z£&r}K£ HOQwvrjv.
%d) mürbe nicrjt fertig werben, menn id) atte ©jempel biefer
2lrt anäfdjreiben wollte. Sie roerben jebem, ber feinen £>omer
15 inne Ijat, in 2J£enge beif allen.
XVII.
Slber, mirb man einroenben, bie ,3eid;en ber SPoefie finb nidjt
blof$ auf einanber folgenb, fie finb aud) roillfürlid); unb al3
roillfurlitf;e ,3eid)en finb fie alterbtngö fäl)ig, Körper, fo roie fie
20 im 9taume eriftieren, au§§ubrti(fen. $n bem §omer felbft fänben
fidj Ijieruon ©j-empel, an beffen ©djilb be§ SldjitleS man ftd) nur
erinnern bürfe, um ba§ entfdjeibenbfte Seifpiel ju fjaben, roie
roeittäufig unb bodj poetifd), man ein einjetneö 1)ing nacb, feinen
teilen neben einanber fdjilbem tonne.
25 $d) roill auf biefen boppelten ©inrourf antroorten. £jd) nenne
ilrn boppelt, roeü ein richtiger ©djluf; audj olme %empel gelten
mufj, unb ©egenteilS ba§ Stempel be§ Römers bei mir von
28id)tigfeit ift, aud) raenn id) eö nod) burd) feinen ©djlufj gu
redjtfertigen roeif}.
30 C5"ö ift roaljr; ba bie 3cidjen ber bliebe roillfürlid) finb, fo ift
es gar mol)t möglid), baf? man burd; fie bie Steife eineö itlörperä
eben fo root)l auf einanber folgen laffen fann, alz fie in ber 9iatur
neben einanber befinblid) finb. allein biefeö ift eine ßigenfdjaft
ber ")(ebe unb ifjrer ^eidjen überhaupt, nicrjt aber in fo ferne fie
35 ') Ilia.l. J v. 105—111.
7*
100 fi'aokoon xvil
bei xM bfid>t ber ^3oefie am bequemften finb. 2)er $oet null md)t
bloft oerftänblid) merben, feine üBorfiellungen joden nitfjt blofs Kar
unb beutlidj fein; hiermit begnügt fid) ber Sßrofaift. Sonbern
er null bie $been, bie er in un§ erraedet, fo lebhaft madjen, bafj
mir in ber ©cfdjminbigi'cit bie magren ftnnlidjen ßinbrücfe tfjrer 5
ßjegenftänbe §u empfinben glauben, unb in biefem 2(ugenblide ber
Saufdjitng un§ ber Mittel, bie er bagu anroenbei, feiner Söorfe
benutzt ju fein aufhören, hierauf lief oben bie (Srflärung be§
poetifdjen ©emälbcS f)inau§. 2(ber ber Siebter foll immer malen,
unb nun motten mir feljen, in mie ferne Körper nadj ihren teilen 10
neben einanber fidj 31t biefer 9Äaferei fdnden.
2ßte gelangen mir §u ber beutlidjen ^orftellung eines SDtngeS
im 9taume? (S'rft betradjten mir bie Seile beöfelben einjeln, hierauf
bie SBerbinbung biefer Seile, unb enblid) oa$ ©anje. Unfere (Sinne
oerrid)ten biefe oerfdnebene Operationen mit einer fo erftaunlidjen 15
•Sdpielligfeit, baf$ fie un§ nur eine einzige 51t fein bebünfen, unb
biefe 2dmelligfctt ift unumgänglid) notmenbig, menn mir einen
Segriff von bem (Sangen, meldjer nidjte mein* al§ ba§ S^efultat
uon ben ^Begriffen ber 'Seile unb iljrer üßerbinbung ift, befommen
f ollen, ©efetjt nun alfo and), ber Sidjter fül)t*e un§ in ber 20
fdjönften Drbnung oon einem Seile bes ©egenftanbeä 31t bem
anbern; gefetjt, er roiffe \m% bie SSerbinbung biefer Teile audj
nod) fo flar 31t mad)en: mie uiel '^q'ü gcbraud)t er bagu? 2Ba§
ba§ 2luge mit einmal überfielet, 3äl)lt er uns merflid* langfam
nad) unb nad* 311, unb oft gcfd*ie()t es, baf? mir bei bem legten 25
3uge ben erften fdjon mieberum oergeffen haben. SDennodj foKen
mir uns au§ biefen Bügen ein ©onge§ bilben. Sem 2tuge bleiben
bie betradjteten Seile beftänbig gegenwärtig; eö fann fie abermals
unb abermals überlaufen: für baö Diu* hingegen finb bie oer=
nommenen Seile verloren, menn fie nidjt in bem ©ebädjtniffe 30
3urüdbleiben. Unb bleiben fie fdmn ba 3iirüd: meldje 9Jiüfje,
meldje älnftrengung foftet es, ifjre ©inbrüde alle in chzn ber
Drbnung fo lebhaft 311 erneueren, fie nur mit einer mäßigen ©e
fdjminbigt'eit auf einmal $u überbenten, um 31t einem ctmanigen
begriffe be§ ©angen §u gelangen! 35
:i. gilt fßrofaift ift l)cute Sprofaifer gebräuchlicher ; bie Sprache be@ oor. oabrb.
mad)t von bcr ©nbung ift lu-i ben gfrembroorten einen häufigeren ©e&raud), als bie
mober ne; fo fagt S-'cffiiui and) Tialoaift, 3Rnt§ologift, Stntljologift; ngl. 2luegortfterei in
per SSorrebe. L8. nichts mciir al§; in ber .ö&fdir. iivjprünaiid) „gleid)fam nur". —
jt. (ins biefen ;' na.cn; in ber §bfd)r. urfprilnglid) „au§ ben gügen''.
«aohoon XVII. 101
SJtcm oerfudje e3 an einem 23eifpiele, meld)c§ ein -IReifterftüd
in feiner 2(rt fjeifien fann. ' )
2>ort ragt bas t)orjc §aupt r>om ebeln ©njtane
SBeit übern niebern (5 bor ber Söbelfräuter tjin,
5 (im ganjeä Slumenoolf bient unter feiner §afJne»
Sein blauer Sruber felbft büd't fid), unb efyret itm.
Ser Siumen fjetteö ÜJotb, in Strafen umgebogen,
Jünnt ftcf» am (Stengel auf, unb frönt fein grau ©eioanb,
35er Stätter glattes Söeif;, mit tiefem ©rün burd)3ogen,
10 ©traf)lt non bem bunten Stifc oon feudjtem Diamant.
@ered)tefte3 ©efefc! baf? Mraft fid) Qkv »ermäljle;
^n einem fdjönen Seib raofjnt eine fcrjönre <3eete.
£)ier friedet ein niebrig Äraut, gteidj einem grauen SRefcel,
Sem bie 9iatur fein Statt im Äreuje i)inge(egt;
15 Sie t)olbe Sturae jeigt bie jmei cergölbtcn Sdmäbet,
Sie ein non 2tmetb,i)ft gebitbter Söget trägt. ,
Sort mirft ein glänjenb Statt, in Ringer auSgeferbet,
2tuf einen fjelten Sact) ben grünen SEBiberfdjetn;
Ser Stumen jarten ©dmee, ben matter Surpur färbet,
20 ©djliefjt ein geftrcifter ©tern in toeifie ©trafjlen ein.
3maragb' unb 9iofen btütm aud) auf jertretner ijeibe,
Unb gelfett beden fid) mit einem Surpurfleibe.
@§ finb Kräuter unb ©turnen, meldje ber gelehrte Sidjter mit
großer Munft unb nad) ber 9iatur malet. 9Jta(t, aber ofyne alte
25 Xäufdjung malet, $d) null nidjt fagen, bafj roer biefe Kräuter
unb 33Iumcn nie gefeljen, fid) a\x§> feinem ©emälbe fo gut al§
gar feine 3Sorftellung bauon madjen fönne. (§3 mag fein, bafj
alle poetifdje Gkmälbe eine vorläufige 33efanntfd)aft mit iljren
©egcnftättbcn erforbern. ^d} null and) nidjt leugnen, baf$ bem=
30 jenigen, bem eine fo(cr)e 33efanntfd)aft f»ier ju ftatten fömmt, ber
£id)tev nidjt von einigen teilen eine lebhaftere ^bee erraed'en
fönnte. ^d) frage iljn nur, roie ftetjt c§ um ben ^Begriff beö
©anjen? 3öenn aud) biefer lebhafter fein foll, fo muffen feine
einzelne Xeile barin uorftedjen, fonbern ba§ l)öl)ere Stdjjt mujj
35 auf alle gleid) «erteilet fdjeinen; unfere GinbilbungSfraft mufs alle
') £. bes £ierrn o. §aller3 Süpcn.
13 ff. Siad) ber eigenen Stngabc §aücf'o finb mit ben in biefer Strophe gefd)ilberten
Stumen Sbroenmaui, fdjroarje äReifierrourfi, roüber flioSmavin unb roilbe Sücne gemeint.
102 4'aokoon XVII.
gletd) fdjnefl überlaufen fönnen, um ftd) bas am innert mit etn§
jufatnntengufelen, tr>a§ in ber Statur mit eins gefeljen wirb, oft
biefe§ bier ber ^att? Hub ift er e§ nidvt, rote f»at man fagen
fönnen, „bafj bie ärmlicfjfte 3eid}"""0 cinee 9Jt\iler3 gegen biefe
poctiidje Sdrilberei gang matt unb büfter fein mürbe''?2) Sie 5
bleibet unenblid; unter bem, maß Sinien unb färben auf ber
Aläcbe auobrüd'en tonnen, unb ber Munftridjter, ber ilvr biefe§
übertriebene 806 erteilet, mufj fie au§ einem gang fallen ©e=
fidjtöpunfte betrachtet fjaben; er mufj meljr auf bie fremben 3ie;
raten, bie ber Siebter barein verwebet l)at, auf bie (5r()öl)ung 10
über baö vegetative Seben, auf bie (5'ntmid'ctung ber innem $oft=
foinmenbciten, wetdjen bie äußere Sdjönrjett nur gur 3dmle bienet,
a(§ auf biefe Sdjönrjeit felbft unb auf ben ©rab ber £ebf)aftigfeit
unb 2l()nlid)feit be§ 33ilbe§, weldjeö un§ ber ÜJtaler, unb weltfjeö
un§ ber ®id)ter bauon gewähren fann, gefefjen Ijaben. ©leidjwofjl 15
fömmt es f)icr lebiglid) nur auf ba§ (entere an, unb mer ba fagt,
bafj bie bloßen Betten:
Set Blumen Ijetteö ÖJotb, in ©trafen umgebogen,
Sürmt ficr) am ©tengel auf, unb front fein grau ©eroanb,
2)er 93Iätter glättet 3Beif5, mit tiefem ©ri'm burdjsogen, 20
Strahlt üon bem bunten 33lifc uon feuchtem .Diamant —
bafs biefe ßeilen in älnferntng itjreS ©inbrud'ö mit ber 9iad)ar)mung
etne§ §ui)fum wetteifern fönnen, muf$ feine Gmpfinbung nie be=
fragt fjaben, ober fie uoriäfjlid) verleugnen wollen. (Sie mögen
ftd), menn man bie Slutne felbft in ber £anb Ijat, fefw fdjon 25
bagegen recitieren laffen; nur für fidj allein fagen fie wenig ober
nidjte. §d) l)öre in febem SSorte ben arbeitenben SHdjter, aber
baä Sing felbft bin id; weit entfernet 311 fel)en.
sJiod)malci alfo: id) fpredje nicljt ber -liebe überhaupt bas
Vermögen ab, ein förperlidjee. ©ange nacl) feinen Seilen 511 fdjtibcrn; 30
fie fann es, rocil il)re Betdjen, ob fie fdwn auf etnanber folgen,
bennodj rotßfürlidje 3eidjen finb: fonbern id) fpredje e§ ber 9rebe
als bem Büttel ber Sßoefie ab, meil bergleidjen wörtlichen Sdulbe=
rungen ber .Körper bas Säufcfjcnbe gebridvt, worauf bie ^ßoefie
vornelpnlid) gefjet; unb btefe§ Xünfcljenbe, fage id), mujj i()nen 35
-) SreitingerS tiritifrfjc SMcfittuuft X. H. S. 107.
l. mit e i ti ö , bei fieffinfl feljr liäufig für „auf einmal". — 23. %an »<*n §ui)fum,
ein berühmter [)ollänbifa)er Stumenmaler, lt'>82 — 174m.
fiaokoon xvii 103
barum ge&redjen, roeil ba§ Äoeriftierenbe be3 $örper§ mit bem
.sUmfefutiwcn ber SRebe babci in .Hoflifion fömmt, unb inbem jenes
in biefeS aufgelöfet mirb, un§ bic 3erglteberung bes ©an^en in
feine STette groar erleichtert, aber bie enblidje 3Btebergufammen=
s fetmng biefe* Teile in baö ©anje ungemein fd)mer, unb nid)t feiten
immöglidj gemalt mirb.
Überall, um eö baljer auf ba§ Täufdjenbe nid)t anfömmt, mo
man nur mit bem üBerftanbe feiner Sefer ju tl)iin Ijat, unb nur auf beut=
Ixdfje unb fo viel möglich, oottftänbige begriffe getjet: fönnen biefe auö
10 ber Sßoefte au3gefd;Ioffene ©cbjlberungen ber Körper gar roofyt $Iafe
fyaben, unb nid)t allein ber ^rofaift, fonbern aud) ber bogmatifdje
Siebter (benn ba mo er bogmatifieret, ift er fein ®id)ter), fönnen
fid) iljrer mit meiern Stufen bebienen. ©o fdjilbert 3. G*. Birgit
in feinem ©ebicfjte vom Scmb&aue eine §ur 3udjt tüchtige $.uly.
15 — — — Optima torvae
Forma bovis, cui turpe caput, cui plurima cervix,
Et crurum tenus a mento palearia pendent.
Tum longo nullus lateri modus: omnia magna:
Pes etiam, et camuris hirtae sub cornibus aures.
20 Nee mihi displiceat maculis insignis et albo ,
Aut juga detraetans interdumque aspera cornu,
Et faciem tauro propior; quaeque ardua tota,
Et gradiens ima verrit vestigia cauda.
Dber ein fdjöneS puffen;
25 — — — — Uli ardua cervix
Argutumque caput, brevis alvus, obesaque terga;
Luxuriatque toris animosum pectus etc.a)
SDenn wer fiefyt nicfjt, baf$ bem £)id)ter hjer mefyr an ber 2(u3=
einanberfehung ber Steile als an bem ©anjen gefegen geroefen?
30 @r milt un§ bie Äennjeidjen eines fd)önen $ütten§, einer tüchtigen
$ul) jujärjlen, um uns in ben ©tanb 311 fehen, naebbem mir
bereu mehrere ober wenigere antreffen, tum ber (Sitte ber einen
ober be§ anbern urteilen §u fönnen; ob fidj aber ade biefe $enn=
jetdfjen in ein lebhaftes Sifb leicfjt gufommenfaffen f äffen, ober
35 nicfjt, baö fonntc if)m fef»r gfeicfjgiltig fein.
1 Georg, lib. 1 LI v. 51 et 79.
11 f. öogmatifdje Sinter, b. I). ber btbaftifc^e, SSerfaffer eines CefjrgebtcEjteS. —
31. n ad) bem, für „je nadjbcm".
104 «aohoon XVII.
Slufjer biefetn ©ebraudje jinb bie ausführlichen ©emätbe förper=
lidier ©egenftänbe, olmc ben oben ermahnten f)omerifd)en $unft=
griff, bo§ .^oerjftierenbe berfclben in ein roirftidjeö ©ucceffiues 311
oerroanbcln, jeberjeit von ben feinften Ridjtern für ein froftigeä
©pielroerf erlannt roorben, 31t roel'djem wenig ober gar fein ©enie 5
gehöret. 9ßenn ber poettfdie ©tfimper, fagt ^oraj, nidjt roetter
türm, fo fängt er an, einen $ain, einen Slltar, einen burd) an=
mutige Fluren fidj fdjlängelnben 33adj, einen raufdjenben ©trom,
einen Regenbogen ju malen:
— — — — Lucus et ara Dianae, 10
Et properantis aquae per amoenos ambitus agros,
Aut tluinen Rhenum, aut pluvius describitur arcus.4)
3Dct männlidje Sßope fatje auf bie malertfdjen üBerfudje feiner poeti=
fd)cn ^inbtjeit mit großer ©eringfdjätntng jurücf. @r »erlangte
auSbrüdlidj, bafi, roer ben 9tamen eines 2)id)tcr§ nicrjt unroürbig 15
führen motte, ber Sd)i(berung§fud)t fo früt) rote mögftdj entfagen
muffe, unb erflärte ein blofj malenbeö ©ebidjte für ein ©aftgebot
auf lauter SBrüfyen.5) SSon bem §errn oon steift tarnt idj oer=
fiebern , bafj er ftd) auf feinen $rüf)ling baä roenigfte einbilbete.
£ätte er länger gelebt, fo mürbe er ü)tn eine ganj anbere ©eftatt 20
J) De A. P. v. 16.
1 Prologue to the Satires. v. 340.
That 110t in Fancy's maze he wander'd long
But stoop'd to Truth, and moraliz'd his song.
tbid. v. 117. 25
who could take offence,
Wnile pure Description held the place of Sense?
Tic Olnmerftmg, it>eIdE>e SBarburtcm ü6er bie [e$te Stelle madjt, tonn für eine autfjeuttfdje
drflärung t>ec> £>id)ter'3 felbft gelten. He uses PURE equivocally, to signify either
chaste or empty; and Ikis given in tbis line what he esteemed the tru Character 30
of Descriptive Poetry, as it is called. A compositum, in his opinion. us absurd
as a feast made up of sauces. The use of a pictoresque imagination is to brighten
and adorn good sense; so that to employ it only in Description, is like childrena
delighting in a prisni for the sake of its gaudy colours; which when fxugally
managed, ;unl artifolly disposed, might be made to represent and illuatrate the 35
Hoblest objeets in natuve. Sowohl tcr Siebter als Äommentatot fdjetnen sroar bie
Sadje mehr auf ber moralifdien , al§ funfttttäfjigen Seite betraditet 5« haben; bod) befto
beffer, bafj fie von ber einen ebenfo nichtig, al>3 uou ber anberu erfreutet.
(! — 0. £oraj tabclt jebod) an ber angeführten Stelle nidjt bie Sdiilberung foleber
©egenftäube überhaupt, fonbern nur, bajj fie am unuaffenben Drte angebracht nurb. —
7 f. buref) anmutige; bie $bfd)r. urfpriinglicb „burd; bie anmutigen". — 13. 2Ilesan =
ber Sßor-eS (1688—1744) gugenbtoerl „S)er Sffialb »on JBiubfor" (17i8) scigt namentlich
biefe befdjreibenbc 9tid)tung. — 18. Groalb 0. JUeifte? (17 15 — 1751») „grüfjling" enthält
Jcaturfdulberungen in beträditlicber 3at'1- Seine SIbficbt, ba3 ©ebidit in ber oben be»
ieidmeten SBeife iimjuarbeiten, modjte Seffing im perföntidjen SBerfe^r mit bem iljm bes
ireunbeten 5?id)ter erfahren haben. — 28. SBilliam SBarburton (1698 — 1":), ein
englifeber Weletjrter unb .Hrititer, bat SJJopeS SBerfc mit einem erflärenben .«ommentar
berauogegeben.
tfackoon xvin. 105
gegeben haben. C'r badfjte barauf, einen Sßlan Ijmeingiilegen, unb
fann auf 9Piittel, wie er bie SDtenge oon SSttbem, bte er aug
bem unenblicben üftaume ber oerjüngten Sdjöpfung, auf ©erate=
mof)I, balb fjier balb ba, geriffen ju Ijaben fdjtert, in einer natür=
5 liefen Drbnung oor feinen 9tugen entfielen unb auf einanber folgen
laffen motte. Gr mürbe jugletdj bao getrau Ijaben, roa§ Wiaxmonkzl,
ojfjne 3meifcl mit auf SSerantaffurtg feiner ©flogen, mehreren beutfdjen
©idjtern geraten Ijat: er mürbe au3 einer mit Gmpfinbungen nur
fparfam burdjraebten 9tei()e r»on Silbern, eine mit Silbern nur
io fparfam burdbflocbtene fyotge oon (Smpfmbungen gemadjt Ijaben/')
XVIIT.
Unb bennod) follte felbft |)omer in biefe froftigen Ausmalungen
förperlidjer ©egenftänbc »erf allen fein? —
$dj mitt lioffen, baf$ e§ nur fefjr roenige Stellen ftnb, auf
15 bie man fid) be§falt§ berufen fann; unb id) bin oerfidjert, bajj
auch biefe roenige ©teilen oon ber 3lrt ftnb, baj5 fie bie Sieget,
oon ber fie eine 2fu3naf)me §u fein fdjeinen, oie!mel)r beftätigen.
@§ bleibt babei: bie $eitfolge ift ba§ ©ebiete beö £>icbterö,
fo raie ber 9raum ba§ ©ebiete bes> 93ialer§.
20 3raei notroenbig entfernte Ueitpunfte in ein unb ebenbaofelbe
©emälbe bringen, fo raie $r. ^tajjuoli ben Staub ber fabinifdjen
Jungfrauen, unb berfelben Stusföljnung iljrer Gljemänner mit il)ren
2tnuerraanbten; ober raie S£itian bie gange ©efchidjte be§ oerlornen
©ofjneö, fein lüberticbeg Sehen unb fein ©lenb unb feine 9teue:
25 tjeiftf ein Eingriff beö 3Jialer§ in ba§ ©ebiete be§ ©id^terS, ben
ber gute ©efdjmad nie billigen wirb.
93iel)rere £eite ober SDinge, bie id) notraenbig in ber Dcatur
auf einmal überfeinen mufi, raenn fie ein ©anjeö fjeruorbringen
'■) Püetique Frahcaise T. II. p. 501. J'ecrivais ces reflexions avant que les
30 essais des Allemanda daus ce geiire d'Eglogue) fussent ccramis parnii nous. Ils
ont execute ce que j'avois con^u; et s'ils parvienneiit ä doimer plus au moral et
moins au detail des peintures physiques, ils excelleront dans ce genre, plus riebe,
plus vaste, plus fecoixl, et inrininient plus naturel et plus moral que celui de la
galanterie champetre.
6. Sean grancoiS SDlartnontel (1723—1709) bat außer ber hier citiertert
J'oetique francaise (Sßarie; 1763) unb ben Elements de litterature Charta 1787) gabls
reiche Xragöbien, Opern, Stomane unb anbere profaifefie Sdjriften ocrfafjt. — 21. gran*
eeoeo SDlajäUoli (1503 — 1540), befaunter unter bem Diamen ^armeggiauo ober ^iar«
meggianiuo. — 23f. S^eS bem Stjian r>ieileid)t mit Unrecht jugefebriebene ©emätbc befinbet
fid) in ber ©alerie SJorgbefe in 9iom. — 30. l'Eglogue; aitfjer .vüeifts %bt)Uen bot
3Harmcmtel hierbei jebenfall« auch Salcmon ©efjners „^rofnibpllen" (Äürfcbnero 9!ationa! =
Sitteratur 33b. 41, 1) im Sinne gehabt.
106 «aokoon XVIU.
fotten, bem Sefer nad) unb nacl) gu^ä^Ien, um il)tn baburd) ein
SBtlb von bem (Sangen maefen gu motten: l)eij3t ein Gingriff beo
SDidjteri in bo§ (Gebiete beö Butlers, roobei ber ;Did)ter oiel ^mo=
gmation olpie allen Sftu^en verfd)ir>enbet.
£od), fo mie jroei bittige freunbfdjaftlidje Sftcuparn jroar 5
nid)t uerftatten, bafj fid) einer in be§ anbern innerftem ^Reidje
ungejietnenbe ^vrctfjciten Ijerauönelnne, rool)l aber auf ben aufterften
©renken eine roedjfelfeitige 9?ad)ftd)t l)errfd)en laffen, roetdje bie
f leinen Eingriffe, bie ber eine in be§ anbern ©eredjtfame in ber
©efdjroinbigfeit jid) burd) feine Umftänbe gu tfyun genötiget fielet, 10
frieblid) oon beiben teilen fompenfieret: fo aud) bie 9Jlalerei
unb ^oefie.
£sd) mitt in biefer 2Ibftd)t nid)t anführen, baf? in großen
Ijiftorifdjcn ©emätben, ber einige 2Xugenblid faft immer um etroas»
ermeitert ift, unb bafj fid) uietteidjt fein einjige§ an Figuren fetjr 15
reidjeö ©tüd ftnbet, in roeldjem jebe $igur uottfommen bie 93e=
megung unb Stellung t)at, bie fie in bem 2(ugenblide ber §aupt=
l)anb(ung fyaben foffte; bie eine l)at eine etroa§ frühere, bie anbere
eine etraaö fpätere. G§ ift biefei eine ^reiljeit, bie ber s3)teifter
burd) geroiffe geinfyeiten in ber 2tnorbnung rechtfertigen mufj, 20
burd) bie 93erroenbung ober Entfernung feiner ^perfonen, bie ifmen
an bem roa§ nörgelet, einen mefyr ober roeniger augenblid'lidjen
ätnteil 511 nehmen erlaubet, %d) mitt mid) blof} einer 2(nmer!ung
bebienen, roeldje -fterr Stenge« über bie ©raperie be§ 3tap§ael§
mad)t. ') „2ltte galten, fagt er, l)aben bei ilmi i()re Urfadjen, e§ 25
fei burd) ifjr eigen ©emid)te ober burd) bie gieljung ber ©lieber.
9Jiand)mal fielet man in ifynen, rote fie trorfyer geroefen; ütöapfyae!
l)at aud) fogar in biefem 23ebeutung gefud)t. Man fielet an ben
galten, 06 ein Sein ober 2(rm uor biefer Regung, cor ober fyinten
geftanben, ob ba§ ©lieb oon Krümme §ur 2tu§ftred'ung gegangen, 30
ober gel)et, ober ob es auSgeftred't geroefen, urtb fid) frümmet."
@§ ift unftreitig, bajj ber Künftlcr in biefem $atte jroet uerfd)iebene
') ©cbaulen über bie 3d)önljeit unb über ben GJefdmiact in ber SWaletei. S. 69.
:; f. Imagination, iriubilbungäfraft, piantafie. — 13. in biefer Slbficbt, b. 0.
ftinfidit, ©ejie|ung. — »1. BSermenbung, luer nid)t fooicl al>3 ©ebraud), fonbern gleid)
„Stbroeubung", mie oben 6. is g. n „oenuenhen". — 23 ff. Sie genannte Schrift oon
Siaptjael Siengo, in güriä) 17,;2 °')"c Kamen beS 3?erfaffer§ erfdjienen, itwrbc oon SBinctel-
mann (bem fie geioibmet ift) feljr gefdjagt ©ie ift neuerbingS in ber ;)iec[amfd)en £amm=
lang neu herausgegeben morben. — 25 — 31. ®aö ©leidje läfst fid) aud) in ber gried)ifd)en
Sfulptur beobachten; mit iHedit bat baljer ©oetbe bie ©eioanbung „bai< taufenbfad)e Gd)o
ber ©eftalt" genannt; f. geuerbad), ©rted). ipiaftU J, 34.
ffiaohoon XVIII. 107
SIugen&Kcfe in einen einzigen jufammenbringt. Senn ba bem $u$e,
meldet Ijinten geftanben imb fiel) norberoegt, ber %til be3 ©e=
roanbö, meines auf tt»m liegt, unmittelbar folget, t>a% ©eroanb
märe beim ium feljr fteifem 3^u3e/ bzx aber äm\ barum gut
5 9Jialerei gang unbequem ift: fo giebt eS feinen Slugenblid, in
roeldjem ba§ ©eroanb im geringften eine anbere $alte madjte, al§
e§ ber ifige ©tanb beö ©liebeö erfobert; fonbem läf$t man e§
eine anbere $alte madjen, fo ift eS ber vorige 2lugenbltd be§
©eroanbe§ unb ber i|ige be§ ©liebeä. Sern oljngeadjtet, raer mirb
10 ee mit bem 2lrtiften fo genau nehmen, ber feinen Vorteil babei
finbet, um biefe beiben 2lugenblidc jugfetcf) 511 geigen? 2öer mirb
it)n nidjt r>ielmel)r rühmen, bafc er ben 33erftanb unb ba§ §erg
gehabt §at, einen foldjen geringen A-eljler 511 begeben, um eine
größere 2Jof(fommenf)eit beö 2(uöbrude3 311 erretten?
15 ©leidje 9iad)ftdjt oerbienet ber 3)icf)ter. ©eine fortfdjreitenbe
9cad)al)mung erlaubet iljrn eigentlid), auf einmal nur eine einzige
Seite, eine einige Gigenfdjaft feiner förpertieljen ©egenftänbe §u
berühren. Slber menn bie glüdlicfje ©inridjtung feiner ©pradje
iljm biefeö mit einem einigen 2Borte 31t tljun nerftattet, marum
20 follte er nidjt aud) bann unb mann, ein sroeites1 foldjcS Söort
l)ingufügen bürfen? SBarunt nidjt aud;, menn e§ ber -DJiülje oer=
lohnet, ein britteo? Ct>er rool)l gar ein merte§? 2>d) l)abe ge=
fagt, bem £>omer fei 5. ®. ein ©djiff, entmeber nur ba§ fdjroarje
©d)iff, ober bas l)ol)Ie 3d;tff, ober bo§ fdjneUe 6d;iff, l)öd)ften§
25 ba§ roof)lberuberte fdnnarje ©djiff. 3" oerfte^en non feiner 9Jianier
überhaupt. .<oier unb ba finbet fid) eine ©teile, rao er ba§ britte
malenbe ©pitfjeton Ijin§ufe|et: Kaj.i7tvla xvxXa, ^aAxga, ov.xä-
xvrjuuf) runbe, efjeme, acfjtfpeidjigte Stäber. 2ludj ba§ inerte:
aöitiöa TtavTOöe i6\]v, Kukrjv, %alK£L)jv, i'E,i]X(xrov , ) ein Überall
30 glatte§, fd)öne§, el)erne§, getriebenes ©djilb. 3Ser mirb it)n barum
tabeln? 3Ber mirb iljm biefe fleine Üppigfeit nid)t üielmeljr £>anf
roiffen, menn er empfinbet, meldte gute 9Sirfung fie an roenigen
fdjidtidjen Stellen Ijaben fann?
£>eg 3)id)ter3 forooljl als be§ 9Jialer§ eigentliche ^ed)t=
35 fertigung hierüber, mill id) aber nidjt au§ bem oorangefd)idten
©leicfjniffe non jroei freunbfdjaftlidjen 9iacftbarn hergeleitet roiffen.
2) Iliad /•: v 1=2-2.
3) Iliad. M. v. 296.
3. roetdjeS, tnetteufit oerfdmeben für „welker". — 12. ba§ §et'5, b. i). ben Slut.
108 €aoho<m xvi 11
Sin blofjcö ölcidnviä bemcifet unb rechtfertiget nichts. Sortbern
biefcä mufj fie rechtfertigen: fo roie bort bei bem 9Jca(er bie groei
ucrftf)iebencn Slugenblide fo nct^e unb unmittelbar an einanber
grenzen, bafj fie otjne 3tnftof? für einen einzigen gelten fönnen;
fo folgen aud) In'er bei bem Didjter bie mer)rern $üge für bie 5
oerfdjiebnen Steile unb ßigenfdjaften im S^aume in einer folgen
gcbrängten ^ürje fo fdjnell auf einanber, ba£ mir fie alle auf
einmal ju Ijören glauben.
Unb tjierin, fage id), fömmt bem Corner feine oortrefftidje
Spradje ungemein gu ftatten. Sie läf3t ilnu nidjt allein alle io
mögliche 7yreif>eit in Häufung unb 3ufammenfet$ung ber ^eiroörter,
fonbern fie rjat and) für biefe gehäufte 23eiroörter eine fo glüdltdje
Drbnung, baf$ ber nadjtciligen Suspenfion ifjrer Sejietjung baburdj
abgeholfen roirb. 2fn einer ober mehreren biefer Sßequemltdjfeiten
feljlt e§ ben neuern Sprachen burdjgängig. diejenigen, als bie is
franjüfifdje, roetdje 5. @. jenes KafiTtvla kvkXcc, %älxea, oxxaKvrj^ia
umfdjreiben muffen: „bie runben Leiber, roeldje r>on (Erg roaren
unb ad)t Speidjen Ijatten", brüden ben Sinn au%, aber tierntdjten
ba§ ©emälbe. ©leidjraoljl ift ber Sinn l)ier nichts, ba§ ©emälbe
alles ; unb jener olme btefeS madjt ben lebtjafteften 2>id)ter jum 20
langmeiligften Sdnuätjer. Gin Sdndfal, baS ben guten §omer
unter ber Jeber ber geroiffenljaften $?rau tarier oft betroffen t)at.
Xlnferc bcutfdje Spradje Ijingcgen fann graar bie b,omerifdjen Sei=
mörter meiftenS in eben fo furje gleidjgeltenbe 23eiroörter oer=
roanbeln, aber bie norteilljafte Orbmtng berfelben fann fie ber 25
G5ried)iftf)en nidjt nadnuadjen. SBir fagen jroar „bie runben, efjemen,
adjtfpcidjtgtcn" — — aber „9täber" fdjteppt fjinten nad). 2öer
empfinbet nicfjt, bajj brei uerfdnebne Spräbtfate, elje mir baS Sub=
jeft erfahren, nur ein feljr fdjroanfeS üermirrteS Silb machen
fönnen? 2)er ©riecfje oerbinbet baS Subjelt gfetd) mit bem erften 30
Sßräbifate unb läf$t bie anbern nachfolgen; er fagt: „runbe Sväber,
eljerne, adjtfpeidngte". So roiffen mir mit eins, raooon er rebet,
unb roerben, ber natürlichen Crbnung beS ©enfenS gemäfs, erft
mit bem Singe, unb bann mit feinen ,3uftilligfeiten befannt.
13. SuSpcnfion, b. b. .yemmung, SSerjögerung. 3Bir gebrauchen beute nur nod)
b_as 3citiuort „fuspenbieren" in biefem Sinne. — 22. grau Sacier, nfll. oben ju
©. 9 3- -'*■ — 27 ff. £a5 ift jebod) niebt ganj riditig, rote sabtreidje iBeifpiele unferer Siebter
feit Jtofj unb Öoctbe belegen; namentlich bei teuerem finb brei oerfebiebene ^räbifatc cor
bem cubjeft burdmuo riebt feiten, man braucht nur an ben Sltfong ber "\pbigenic ju
erinnern.
ffiaohoon xvni. 109
liefen üßorteü l)at unfere Spraye nid)t. Dber fott itf) jagen, fie
()at iljn unb fanrt ifjn nur feiten ofyne ßroetbeutigfett nullen?
Söetbeä ift eins. Senn wenn mir 33eiroörter Ijmtetmadj fe^en
motten, fo muffen fie im statu absoluto fielen; mir muffen fagen:
5 runbe Stäber, efjern unb ad)tfpeid)igt. 2(ffein in biefem statu
fomtnen unfere Stbjectiva vültig mit ben 2lbverbii3 überein, unb
muffen, menn man fie als foldje gu bem näd)ften geitroorte, bas
von bem Singe probieret roirb, gießet, nid)t feiten einen gang
falfdjen, attegeit aber einen feljr fdjielenben (Sinn verurfadjen.
10 Sod) id) Ijalte mid) bei ^leinigfeiten auf, unb fdjeine baS
Sdjilb vergeffen gu motten, baS ©d)iib beS 2td)iffeS; bicfeS be=
ritlimte ©emälbe, in beffen 9iüdfid)t vornefymtid), Corner vor alters
als ein Sefjrer ber äJlalerei4) betrachtet mürbe, ©in (5d)ilb, roirb
man fagen, ift bodj root)t ein eingelner förperlidjcr ©egenftanb,
15 beffen 33efd)reibung nad) feinen leiten neben cinanber, bem Sid)tcr
nidjt vergönnt fein fott? Unb biefeS ©djüb f>at £omer, in mefjr
als l)imbert prächtigen Werfen, nad) feiner Materie, nad; feiner
g-orm, nad) alten Figuren, roeld)e bie ungeheure $läd)e beSfelben
füttten, fo umftänblid), fo genau befd)rieben, baf$ eS neuern Älünftlern
20 nidjt fdjmer gefallen, eine in allen Stütfen übereinftimmenbe
3eid)nung barnad) gu madjen.
$d) .antworte auf biefen befonbern ©inrourf, — baf$ id)
bereite barauf geantmortet l)abe. -Öomer malet nämlid) baS ©d)ilb
mdjt als ein fertiges, vollenbeteS, fonbem als ein merbenbeS
25 <Sd)ilb. Gr I)at alfo aud) l)ier fid) beS gepriefenen ®unftgriffeS
bebienet, baS ^oeriftierenbe feines 33orrourfS in ein ^onfefutiveS
§u vcrroanbetn, unb baburd) aus ber langtveiligen Malerei eines
Körpers, baS lebenbige ©emälbe einer -öanblung gu machen. 9Sir
fetjen nid)t bas Sd)ilb, fonbern ben göttlidjen 9Jteifter, roie er
30 baS <3d)ilb verfertiget. @r tritt mit Jammer unb S^ige *>or
feinen 2tmbof5, unb nad)bem er bie platten auö bem gröbften
gefdjmiebet, fdjroetlen bie Silber, bie er gu beffen 2luSgierung
beftimmet, vor unfern 2tugen, eines nad) bem anbem, unter feinen
feinern '2d)tägen aus bem Grge tjervor. ©Ijer verlieren mir tt)n
35 *) Pionysius Halicarnass. in Vita Homeri apucl Th. Gale in OpilSC. Myihol.
p. 401.
4. im statu absoluto, alfo nidit befluüert. — 5. runbe ... ad)tfpcid;igt;
aud) bieg roirb tuxd) bie moberne SMditung roiberlegt, roeldje, roeim aud) feltener, aud)
nadjgefe^te <präbifate in ben gleichen Äafus fe^t, roie baö üubjeft, 511 bem fie gehören. —
iL. »ergeffen 5U rootlen; in ber §bfdir. urfyrünglid) „ju nergeffett". — 3-' ff. f cf> ro e 1 =
len fjeroor, roeil Seffing getriebene Slrucit für ben üldjillesfdjüb annimmt; bod) roar bie
HO Caokoon XVI 11
nid;t roieber am bem ©eftdfjte^ 5i§ etiles fertig ift. 9hm ift eö
fertig, unb mir erftaunen über ba§ Uikrf, aber mit bem gläubigen
(i'rftaunen eines STugengeugen, ber es machen fefjen.
iDiefe§ täf^t fid^ uon bem 2d)ilbe bes 2tenea3 beim Birgit
nidjt fagen. 35er römtfdje IDidjter empfanb entroeber bie ^einljeit 5
feme§ 9)iufters" b,ter nid)t, ober bie 2)inge, bie er auf fein ©djilb
bringen wollte, f dienen itjm von ber 3(rt ju fein, bafc fie bie
3Tu§fü|rung oor unfern 2lugen nidjt roo()l uerftatteten. @§ maren
^roplje^eiungen, »on meldten eö freilief) unfdjidlid) geraefen märe,
menn fie ber ©Ott in unferer ©egenroart ihm fo beutlid) geäußert io
tjätte, als fie ber ©idjter rjernad) ausleget, SJkopJjejeumgen, als
^ropljejeiungen, ocrlangen eine bunfelere Spradje, in meldte bie
eigentlichen 9camcn ber Sßerfonett au§ ber 3UI"nft/ bie fie be=
treffen, nidjt paffen. ©leidpoorjl lag an biefen mal)rl)aften tarnen,
allem 2(nferjen nad), bem 5Dict)ter unb ^ofmanne l)ier baS meifte.5) 15
5) 2jd) finbe, bafc Semius bem Sßirgil eine anbere gntfduilbigung teilet. Senn aud)
Seruius f)at ben Unterfdiicb, ber sroifdjen beiben ©d)ilben ift, bemerft: Saue interest
inter liunc et Homeri Clypeum: illie eniin singula dum tiuut uarrantur; hie vero
perfecto opere uoscuutur: liam et bie arma prius aeeipit. Aeneas, quam speetaret;
ibi postquam omnia narrata sunt, sie a T&etide deferuntur ad Acbillem (ad 20
v. 625. lib. VIII. Aeueid.i. Unb warum biefeä? Sarum, meinet SeroiuS, weil auf bem
Sdnlbe bes 2leneas, nid)t blofj bie wenigen 23egebenbeiten, bie ber Sidjter anführet, fonbem,
— — — — ■ genus onme futurae
Stirpis ab Ascanio , pugnataque in ordine bella
abgebilbet waren. SBie wäre es alfo tnöglid) gewefen, baß mit eben ber ©efdjroinbigfeit, 25
in rocldier Sjulcan bas gdjilb arbeiten mußte, ber Sidjter bie ganje' lange 9teit)e oon
3}ad)fommeu bjitte namhaft madien, unb alle Don ilniett nad) ber Drbnung geführten Kriege
bätte erroatjnen tonnen? Siefes ift ber Skrftanb ber etroas bunfeln ÜBorte bes Senuus :
Opportune ergo Virgilius, quia non videtur simul et narratioiiis celeritas potuisse
conneeti, et upus tarn velociter expediri, ut ad verbum posset oecurrere. Sa 30
ajirgil nur etroas weniges «on bem non enarrabili texto Clypei beibringen fonnte, fo
tonnte er es nid)t wiiljrenb ber StrBeit beS Sßulcanus fetbft tfjun; fonbem er mußte es
oerfparen, bis alles fertig war. °$d$ wünfefite für ben SJirgil feljr, biefes Siaifonnement
bes Seruius märe ganj ofjne ©runb; meine Gutfdnilbigiing mürbe ifjm weit rütnnlid)er
fein, ©enn mer bieft ii)tn, bie gauje römifdje ©efdjidjte auf ein Sdjilb bringen? 3JMt 35
wenig Wcmälben madjte £omcr fein ©d)ilb ju einem Inbegriffe non altem, mas in ber
Sßelt Dorgeljet. 8d)einet es nid;t, als ob SBirgil, ba er ben Öiriecben nidjt in ben Cor*
nfirfen unb in ber Slusfübrung ber ©emälbe übertreffen fönnen, ib,n roenigftens in ber
Stnja^I berfelßen ItBertraffen mollen? Unb was märe finbifdjer gemefen?
lahmt, roeldje ferner im Sinne Ijatte, jebenfalls eine anbere, nämlidi bie fog. Gmpäftif,
wobei bie ehtjelnen Figuren in bünnem 2ßetaU6Ied) ausgefdinitteu unb bann auf ben
Örunb befeftigt ober eingelegt würben.
1 f. Sjn neuefter 3eit ift äSirgils 3d)ilbbefd)reibung mel;rfad) gegen Seifing uerteibigt
roorben; f. Süiuioier, Seitrag jur oergleidjenben ©rflärung ber Sdjilbepifoben in Homers
Slias un'b Birgits l'leneis. *|irogr. oon Oberbollabrunu 1881; unb 3. SJSIüfj, Sergtl unb
bie epi|'d)c flunfi (Seipjifl 18*4) 2. -Tuff. — 15. bem SDt^ter unb ^ofmanue; ber
Sclülb bes ilncai ift proleptifd) mit ©cenen aus ber römifdicn ©efdjidjte gefdnuüdt, wobei
es bem SSirgil wefentlid) barauf auf am, bem x'luguftus etroas Sdimeidielbaftes ju fagen;
baber l)ier bie Sejeit^nung als „vuifnmuu". — 16. leil;et, wie oben 3. DT 3. 28, fo Diel
aß unterlegt. — üx. SSerftanb, früher fclir Ijäufig in ber Sebeutung dou Sinn ge=
braudit; beute feiten, am geroöbnlidiften nod) in ber Seröinbung „Sinn unb SSerßanb". —
35. l)ief; ibm; man fonftruiert beute Deifien lieber mit bem Mccufotit), obgleid) and) ber
Xaüv baneben uodi gebräiublidi ift.
faohoon XVJll. 111
Sßenn i()n aber biefe§ entfdjulbiget, fo [jebt eS barurtt ntd)t aud)
bie üMe Söirfung auf, meiere feine 3(brocid)ung von bem fyomerifdjen
SBege r)at. Scfer von einem feinern ©efdjtnacfe, roerben mir redjt
geben. 3)ie 2(nftalten, meldte Sßulcan 51t feiner 9lrbeit mad)t,
5 finb bei bem 33irgtf ungefähr eben bie, roeld)e tf»n .vSomcr madjen
täjjt. 2(ber anftatt baf} mir bei bem Konter nid)t btofs bie 3(n=
ftalten §ur 2(rbeit, fonbem aud) bie Strbeit felbft 31t feigen be=
fommen, läfct Birgit, nadibem er uns nur ben gefdjäftigen ©ort
mit feinen ßnflopen überhaupt gejeiget,
10 Ingentem Clypeum informant — —
— — Alii ventosis follibus auras
Accipiunt, redduntque; alii stridentia tingunt
Aera lacu. Gemit impositis ineudibus autrum.
Uli inter sese multa vi brachia tollunt
15 In numerüm, versantque tenaci foreipe massam. c)
ben äSorjjang auf einmal nieberf alten, unb werfest un§ in eine
gang anbere ©cene, non ba er un§ affmärjüd) in baS £()al bringt,
in roeid)em bie 3Senu§ mit ben inbeS fertig geworbenen SSaffen
bei bem Steneaö anlangt, ©ie lehnet fie an ben ©tamm einer
20 Gid)c, unb nadjbem fie ber £>elb genug begaffet, unb beftaunet,
unb betaftet, unb nerfudjet, fiebt fid} bie Sefdjreibung, ober ba§
©emälbe be§ ©d)übe§ an, roeld)e§ burd) ba§ eroige: §ier ift, unb
©a ift, 9ta()e babei fielet, unb 9iid)t roeit banon fielet man —
fo falt unb (angroeitig roirb, baf? äffe ber poetifd)e ©djmud, ben
20 üjm ein 23irgtf geben fonnte, nötig mar, um e3 unZ nidjt uner=
träglid) finben gu laffen. £>a btefe§ ©emälbe fyiernädjft nidjt
SleneaS mad}t, a(§ roeld)er fid) an ben bloßen Figuren ergebet,
unb von ber 33ebeutung berfelben nid)tö roeifj,
■ — — rerumque ignarus imagine gaudet;
30 and) nidjt 33enu§, ob fie fd)on von ben tunftigen ©djidfalen iljrer
lieben Gnfet nermutlid) eben fo tuet roiffen mufjte, al§ ber gut=
roilüge Gfjemann; fonbern ba e§ au§ bem eigenen 9Jiunbe be§
«) Aeiieid. lib. VIII. v. 447— 54.
17. tton ba, relatiuifd) für „tum it>o"; wir pflegen nur nod) ba§ gürroort ber,
beffen, relatiuifd) jn gebraudjen, nidjt meljr bie Vortiteln ba, bannen it. bgt. — 21 f. Ijebt
fid) ... an, jefct roirb anheben in geroätjlter Siebe niefit refUr.ii) gebraudjt. Qm SBolfS*
lnunb b,at fid) ebenfo „fid) anheben" wie „fid) anfangen" erhalten. — 31 f. ber gut =
rotltige (Seemann; abfidjtlidi ironi(d), ba SSulfan, ber flünftter bc§ t=diübe3 unb ®e=
tnafjl ber S8enu§, nid)t ber 9If)nf)err biefer dnfel (ber Diömer) roar, fonbern 2lndnfe3, ber
©eliebte ber SSenuS uttb Sater be§ J(nea3.
112 ffaokoon XIX
Xidnevo tömmt: fo bleibt bie $anblung offenbar roäljrenb bem=
leiben fteben. .Heine eingtge uon feinen sJ>erfonen nimmt baran
teil; e§ bat and) auf ba§ gtofgenbe nidjt ben geringften ©influfj,
ob auf bem Sd)ilbe biefeö, ober etroas anbers, oorgefteftet ift;
bei* tm|tge ^ofmann leudtfet überaß burd), ber mit allerlei 5
lci)ineid;eU)aften 2lnfi)ielungen feine Materie auffindet , aber nidjt
ba§ grof$e 0enie, baö fidj auf bie eigene innere Starte feineo
üEkrfs üerläftf, unb alle äufjere bittet, intereffant 31t werben,
oerad)tet. S)a§ ©djtlb bes Steneaö ift folglid; ein maljreö ®in=
fd'icbfel, eingig unb allein beftimmt, bem üftationatftofge ber Körner 10
gu fdjmcidjcln; ein frembes Sädjlein, bao ber 35i<$ter in feineu
Strom leitet, um irjn etraaö reger gu madjen. 2)as Sdnlb beö
2(d)ilteö rjingegen ift ouwadjs beö eigenen frudjtbaren 33oben§;
benn ein Sdjilb mufjte gemalt merben, unb ba baö 9?otmenbtge
au§ ber §anb ber ©otttjeit nie obme 2(nmut fömmt; fo mufjte 15
baö Sd)ilb aud) Verzierungen fyaben. Slber bie ^unft mar, biefe
Verzierungen als blofze Verzierungen gy bel)anbeln, fie in ben
Stoff einzuweben, um fie unö nur bei ©e(egenb,eit be§ Stoffes
zu geigen; unb biefeö lieft fidj aHein in ber 3Jianier bes Römers
tl)un. Corner läfjt ben Vulcan 3iernten fünftein, meil unb in= 20
bem er ein Sdjilb madjen fott, bas feiner roürbig ift. Virgil
bingegen fdjeinet ifjn bas Sd)ilb megen ber gieraten uuidjen gy
laffen, tia er bie geraten für roidjtig genug l)ält, um fie be=
fonberö gu befdjreiben, nadjbetn bas Sdjilb lange fertig ift.
XIX. 25
2>ie Ginuüirfe, meldje ber ältere ©fertiger, ^errault, 3>er=
raffon unb anbere gegen bas Sdjilb Römers madjen, finb befannt.
Ci'benfo befannt ift ba§, raaö 2>acier, Voioin unb ^ope barauf
antmorten. 9Jltdj bünft aber, baf? biefe lettfern fid) mandmtal gy
meit einlaffen, unb, in 3ur>erfid)t auf iljre gute Satfje, LDinge bc= 30
2Gf. Jjultuä Eäfar ©caliger (1484— 1558, ber ältere genannt im ©egenfalje in
feinem eoljne gofep$ gttftu""., 1540— Uio9) fjtmbelte über ben "jomerifdjen ©diüb in feinen
Poeticea libri VII, (Senf 1561 ; Efiarleiä Sßerrault (l<;2s— nu3) in-ber ParaUele
deä anciena et des modernes, SporiS I688ff., unb Csean Scrroffon (tt'TO— 1750) in
ben Diseertationa critiques sur l'Iliade d'Homere, SJSariS 1715. — 28. Ülnbre
Sacicr (1651—1722) in feinem flommentat }ur ^oetif bes SlriftOtelesS, Sparte 1692;
gean SSoioin be SBüleneuoe (u;4;t— 1724) in feiner Apologie d'Homere et du
bouclier d'Achüle, SPariS 1715; unb ber Sirfiter 21 lejanber ijiope (16S8— 1744) im
iii feiner '}jomeriiBerfe|ung in ben ObBervations ou tho shield of Achilles. Sie
neuere fel;r Umfangreidje Sitterotur über biefen ©eaenftönb f. in meinem fflommcntnr »uttl
5.'notoen S. G29 (2. Slufl.i.
ffaohoon XIX. 113
Raupten, bie eben fo unrichtig ftnb, als roenig fie jur 9tedjtfertigung
be3 2)id)ter§ beitragen.
Um bem -£>aupteinmurfe ju begegnen, baß Corner ba§ ©d)ilb
mit einer 50^enge Figuren anfülle, bie auf bem Umfange be§=
5 felben unmögtid) 9taum Ijaben fönnten, unternahm Sabin, e§ mit
SSemerfung ber erforberlidjen 9[ftaße, getanen 511 laffen. ©ein
(Einfall mit ben nerfdjiebenen fonjentrifdjen 3^^^ i"ft feljr fintv
reid), obfd/on bie SBorte be§ 25id)ter3 ntc^t ben geringften Stnlafj
baju geben, aud) fid; fonft feine ©pur finbet, ba| bie 2llten auf
10 biefe Slrt abgeteilte ©djilber gehabt haben, ©a e§ §omer felbft
6aKog ndvtoös ÖEÖaidaX^ihov^ ein auf allen ©eiten tunftlid) au§=
gearbeitetes ©cfyilb nennet, fo mürbe idj lieber, um mejjr Sftaunt
auSjufparen, bie fonfane $lädje mit ju .£nlfe genommen Ijaben;
benn es> ift befannt, baß bie alten ^ünftler biefe nicr)t leer liefen,
15 roie ba3 ©djilb ber 9Jiineroa üom SßfyibiaS beroeifet. J) ©od)
nidjt genug, baß fidj Soiüin biefeS üBorteilS nidjt bebienen molfte;
er uermel)rte aud) ofjne 9?ot bie 33orfteIlungen felbft, benen er
auf bem fonadj um bie £>älfte r-erringerten 9faume $la| t)er=
fdjaffen muffte, inbem er ba§, raa§ bei bem ©idjter offenbar nur
20 ein einjigeS S3ilb ift, in groei bi§ brei befonbere Silber ^erteilte.
$jdj meiß raoljt, ma§ ilm baju bemog; aber e§ f»ätte ilm nidjt be=
roegen follen: fonbern, anftatt baß er fid) bemühte, ben $obe=
rungen feiner ©egner eine (Genüge 51t leiften, Ijättc er i luxen jeigen
fallen, baß iljre $oberungen unrechtmäßige mären.
25 £>d) merbe mief) an einem Seifpiele faßlicher erllären lönnen.
SEBenn §omer üou ber einen ©tabt fagt:2)
Actoi 8' tlv ccyoQi] eatxv (x&qooi' tv&cc 8s vsfaog
'SIqwqel' 8vo 8' uvSqsg svilksov si'vs%a TtoCvqg
'AvSgög aitocpQ'ipivov' 6 psv stt%sro, navx anoSovvocL,
30 zhfftra TZLcpavoncov ■ o 8' ccvcclvsto, (ir]8sv elsad'ca'
"s}{l(pCO 8' LSO&1]V STll IGZOQL TtSLQCXQ Eli09<Xl.
Aaol 8' a^cpozSQOtoiv S7t7]7ivov, a^icpig ctgcoyoi'
KrJQVKtg 8' äqa Xccbv SQiqxvov ol 8s ysQOVtsg
■) — Scuto ejus, in quo Amazonum praeliura caelavit intuniescente ambitu
85 parmae; ejusdem conoava parte Deorura et Gigautum diniicationem. Plinius üb.
XXXVI. Sect. 4. p. 726. Edit. Hard.
2) Iliad. 2. v. 497—508.
6 ff. Sn gteidEier SBeifc neljmen cuicf) bie meifteu ber neueren ©ehrten bie Serteidmg
ber Söilber auf bem 21rf)illeöfc()ilbe cor. — 15. ba3<Sd)itb ber 3)2 in er oa oom ^f)ibia§;
c§ ift bie golbelfenbeinerne Statue ber SUfjene beä iu;ibia§ im ^artfyenou gemeint.
2effing§ Sffierfe 9. 8
114 -ffaokoon XIX.
Kuit int gtßzoLCL li&oig, LSQta ivi jti'/tAoo-
2xrjrtTQ<x äi hijqvxwv iv %£Q6' i%ov i}tQOcpcov(av.
Toioiv intiz i'fCaaov, a[ioißi]dlg d' tdiKafrv.
KtLto d' ap' iv [ibCC0L6i dvo %qvoolo xdlcivxa —
fo glaube idj, fjat er nidjt meljr als ein eingigeS ©ema'Ibe an- 5
geben motten: ba§ ©emälbe eme§ öffentlichen ^Kedjtsljanbels über
bie ftreitige (Stfegung einer anfeljulidjen ßklbbufje für einen uer=
übten £otfd)lag. £)er Münftler, ber biefen SBömrorf ausführen
foll, fann fid; auf einmal nidjt meljr als einen einigen 2tugen=
blid beSfetben 5U nu|e machen; entroeber ben Stugenblid ber 2ln= 10
flage, ober ber 3(bljörung ber 3engen, ober be§ UrtelfprudjeS, ober
melden er fonft, uor ober nad), ober gtütfd^en biefen 2(ugenbliden,
für ben bequemften Ijält. liefen einzigen 3lugenblid mad)t er
fo prägnant n>ie möglich, unb füljrt il)n mit allen ben £äufdjun=
gen au§, meldje bic $unft in ©arfteltung fidjtbarer ©egenftünbe 15
»or ber ^oefic voraus jjat. Von biefer Seite aber unenblidj
jurüdgelaffen, roa§ fann ber SMdjter, ber ^bm biefen Voramrf
mit Sorten malen foll, unb nidjt gänjlitf) uerunglüden mill, an=
berS tljun, als bafj er fid; gleichfalls feiner eigentümlichen Vor=
teile bebienet? Unb meldjeS finb biefe? Sie $reil)eit fid) fomoljl 20
über baS Vergangene als über baS ^olgenbe beS einzigen 9lugen=
blideS in bem iUtnftmerf'e auszubreiten, unb baS Vermögen, fo=
uadj unö nidjt allein baS §u geigen, maS uns ber $ünftler geiget,
fonbem aud) baS, maS uns biefer nur fann erraten laffen. 2)urdj
biefe $reitjeit, burd; biefe§ Vermögen allein, fömmt ber SDidjter 25
betn ttünftler mieber bei, unb it)re SBerfe raerben einanber al§-
benn am aljnlidjften, roenn bie Sßirfung berfelben gleid; lebhaft
ift; nidjt aber, roenn baö eine ber ©eele burd; baS Dljr nidjt
mein '■''ber weniger beibringet, als baS anbere bem Singe bar=
ftellen fann. DJadj biefem ©runbfatje Ijätte SBoitnn bie ©teile 30
beS MomerS beurteilen folten, unb er mürbe nidjt fo üiel befonbere
töemälbe barauS gemadjt Ijaben, alo ucrfdjiebne geitpunfte er
barin 511 bemerfen glaubte. GS ift maljr, eS tonnte nidjt moljl
alles, maö §otner fagt, in einem einzigen ©emälbe verbunben
fein; bie Vefdjulbigung unb Slbleugnung, bie ©arftellung ber 35
Beugen unb ber $uruf beS geteilten VolfeS, baS Veftreben ber
§erolbe ben Tumult 31t ftillen unb bie 3tuf$erungen ber 3d;iebS=
it. prägnant, nag Seffing fonft aud; fruchtbar nennt. — 86 f. beifommen, b. I).
r..-.l)c tommen, erreichen.
ffaohocn xix 115
ridjter, finb ©inge, bie auf einanbcr folgen, unb nidjt neben ein=
anbei bcfteben tonnen. SDodj roaS, nm midj mit her (Bdjitle au3=
jubrütfen, nid)t actu in bem ©emälbe enthalten xoax, ba§ tag
virtute barin, nnb bie einjige iüaf)re 2lrt, ein materielle^ ©e=
.-. mälbe mit Porten nadj^uuijilbern ift bie, bajj man ba§ l'ettfere
mit bem mirflid) Sidjtbaren nerbinbet, nnb fidfj nidjt in ben
©djranfen ber $unft bjält, innerhalb ineldjen ber Ridjter groar bie
5Data 51t einem ©emälbe Ijerjätjlen, aber niinmenneljr ein ©e=
mälbe felBft fjernorbringen fann.
10 ©leidjermeife gerteilt 23oinin ba§ ©etnaTbe ber bewerten
©tabt3) in brei r>erfd)iebne ©emälbe. @r tjätte es> eben fo moljl
in jmölfe teilen tonnen als in brei. SDenn ba er ben ©eift be§
H)idjter§ einmal nidjt faf}te unb oon ifjtn verlangte, bafj er ben
ßinljeiten be§ materiellen ©emälbeö fidj unterraerfen muffe: fo
15 ()ätte er roeit mefjr Übertretungen biefer (Sinr)eiten finben tonnen,
bafj e§ faft nötig getoefen märe, jebem befonbern 3"ge be§
2>id)ter§ ein bcfonbereS $elb auf bem ©djilbe ju beftimmen.
■SReineo Gradjtenö aber tjat Corner überhaupt nidjt metjr als gefm
»erfdjiebene ©emälbe auf bem ganjen ©djilbe; bereu jebeS er mit
20 einem sv {ikv erev'E,E, ober Iv öe Ttohjos, ober sv <T £«'{)•«, ober
iv de noimllE ,A(.upiyvi]eig anfängt.4) 2So biefe (SingangSraorte
nidjt fielen, tjat man fein 9Mjt, ein befonbereS ©emälbe anju=
ncljmen; im ©egenteil mufj atleZ, roa§ fie nerbinben, atz ein
einziges betrachtet roerben, bem nur blofs bie millfürlidje $on=
25 gentration in einen einigen 3ettpunft mangelt, als metdje ber
Ridjter anjugeben, teineSroegeS gehalten mar. 3>ielmet)r, fjätte er
ifm angegeben, fjätte er fidj genau baran gehalten, tjätte er nidjt
3) v. 509— 540.
4) Sa§ erfte fängt an mit ber 433ten 3e'"e» un*> 9ef>et bis jur 4S9ten; <ba§ siueite
30 oon 490—500; ba3 britte »on 510—540; ba§ oiertc oon 541—549; ba§ fünfte oon
550—560; ba§ fedifte oon 561— 572; baö fiebente oon 573— 586; baS adjte oon 587— 589;
ba3 neunte oon 5h0— 605; unb bo§ äetmte »on 606 — 608. SSIofj ba§ britte ©emälbe fiat
bie angegebenen Gingang3toorte nidjt; es ift aber au§ ben bei bem jtoeiten, h dk duw
Hohjae nula;, unb aus ber Sefd&affentiett ber Sac^e felbft beutlid) genug, bafj c§ ein
35 befonbcr§ ©emälbe fein tnujj.
2. mit ber Sdjule, nämlid) mit bei; Terminologie ber pfrilofopfnfdjen Scbulcn be3
3)tittclalterö , bei benen actu unb virtute Überfettungen ber airiftotclifcftcn begriffe tvig-
ysitt unb düntm- finb; beutfd) fönnte man fagen: „2Ba§ ntdit au?gefüfn-t in bem ©e=
mälbe cnttjalteu war, ba>3 lag inljaltlid) barin." — 14. Ginbeiten bei materiellen
©emälbe 5, bie Giniieiten von ^anblung, Ort unb 3ei'» meldie bie franjöfifclje Slftljeti!
i»«i ®efe| für bie Malerei erb,ob. — 18 ff. Sie Einteilung ber ©emälbe bc3 :Kd)illeöfcf)ilbe3
burdj Seffmg l;at bei ber mobernen ^pfjilciiogie faft burdjgängig ^Billigung gefunben. — 25.
tu einen einjigen 3eitpuntt; bie £bfd)r. fjat urfprünglict) „in einem einzigen 3eit»
puntt", ma§ an fid; audj ftefjen fönnte.
116 4'aokoon XIX.
ben geringften 3^9 einfließen laffen, ber in ber mirtlidjen 2(u§=
ftiljrung nidjt bamit 31t oerbinben roäre; mit einem SBorte, fjätte
er fo verfahren, wie feine Gabler es «erlangen: e§ ift roaljr, fo
würben biefe Ferren Ijier an iljm nidjtS au§jufe|en, aber in ber
%l)at audj fein SÜienfdj von ©efdjtnad' etraa§ §u beraunbern ge= 5
funben Ijaben.
Sßope ließ fidj bie (Einteilung unb Widmung ^e§ ^3oit)in nidjt
allein gefallen, fonbem glaubte nodj etraaä ganj befonberS ju tfjun,
wenn er nunmeljr audj geigte, baß ein jebe§ biefer fo gerftüdten
©emälbe nadj ben ftrengften Regeln ber heutiges £age§ üblidjen 10
SJJtalerei angegeben fei. kontraft, ^erfpeftb, bie brei (Sint)eiten ;
alle§ fanb er barin auf ba§ befte beobachtet. Unb ob er fdjon
gar rooljl mußte, baß gu $olge guter glaubmürbiger 3eugniffe,
bie 5HaIerei 51t ben Reiten be§ trojanifdjen Krieges nodj in ber
3©iege gemefen, fo mußte bodj entroeber §omer, vermöge feines 15
gbtttidjen 6enie§, fidj nidjt forooljl an ba§, ma§ bie Malerei ba=
malS ober 511 feiner 3eit (eiften konnte, gehalten, als üielmeljr
ba§ erraten Ijaben, ma§ fie überljaupt gu leiften imftanbe fei;
ober audj jene 3eugniffe felbft mußten fo glaubraürbig nidjt fein,
baß Urnen bie augenfdjeinlidje 2(u3fage be§ tünftlidjen ©djilbes 20
nidjt oorgesogen 51t merben nerbiene. £>ene§ mag annehmen, mer
ba roilt; biefeö roenigftenä mirb fidj niemanb überreben laffen, bel-
auf ber ©efdjidjte ber $unft etmaS meljr, als bie bloßen 2)ata
ber §iftorienfdjreiber meiß. ©enn baß bie Malerei ju $omer§
Reiten nodj in iljrer Äinbljeit gemefen, glaubt er nidjt bloß be§= 25
roegen, meil e§ ein $Iinüt§ ober fo einer fagt, fonbem oorneljmitdj
meil er aus ben $unftmerfen, beren bie Sllten gebcnfen, urteilet,
baß fie niete ^afjrljitnberte nadjljer nodj nidjt »iel roeiter gekommen,
unb 3. CS. bie öemälbe eines s]]ohjgnotu§ nodj lange bie ^robe
nidjt aitöljalten, roeldje ^ope bie Wemalbe be§ tjomerifdjen <2djilbe3 30
befteljcn 31t lönnen glaubet. Sie jmei großen ©rüde biefeS 9)ieifter§
51t Selplji, von meldjen un§ ^aufaniaS eine fo umftänblidje 83e=
24 f. S)a§ ift allerbingä burdbauö unBesweifelt; bie bomerifefie 3eit hat fdjrocrlid) anberc
Uftalerci gefannt, als robe ^cicbnungen an Sänben unb auf (Sefäfjen. — 2a. Sßolggnot, ber
Qeitgcnoffe be§ ©inton, ift ber bebeutcnbfte Sialev auZ ber älteren Äunftpcriobe unb ftanb
jebenfaHä tedjnifdj roie fünftlerifd) nodj auf einem jiemltdj primitiven ©tanbpunlte. — 30 f.
Sateinifdje .uonftrnttiou, bie bei fieffing nidjt ungeiuölmlicb, tjeutc aber burcbauS uerpönt
ift; mir müfjteu fagen: „meldje nadj Sßopeä SDteinung bie Öcmälbc — befteljen tonnen",
ober: „von meldjen i!ope glaubt, bafs bie ©emälbe — fie befielen Kimen". — 31. Sie
jwei großen 5tücfe; »on biefen Beiben figurenreiäjen Sßanbgemälben (teilte ba§ eine
bie SÜBfa^rt ber Orieäjen nad; ber ßetftörung uon Sroja oov, ba>3 aubere ben Süefud) beä
DbnffeuS in ber Untermelt.
faokoon XIX. 117
JdjreiBung I)interlaffen,r') roaren offenbar ofyne alte ^erfptftiü.
tiefer Seil ber ®unft ift ben 2Hten gänglidj abjufpredjen, unb
roa§ s}>ope Beibringt, nm gu beroeifen, bafj §omcr fdjon einen
Segriff baoon gehabt Ijabe, beroetfet weiter nidjtö, als ba^.iijm
5 felbft nnr ein feljr umrollftänbiger Segriff bauon beigerootmet. 6)
„§omer, fagt er, lann fein $rembling in ber ^Serfpeftiu geroefen
fein, roeil er bie Entfernung eines ©egenftanbeS oon bem anbem
auSbrüdlid) angiebt. • @r bemerf't 5. ©., bafj bie Äunbfdjafter ein
roenig roeiter aU bie anbent Figuren gelegen, unb baf$ bie ßidje,
10 unter meiner ben ©dmittern bas Wafy zubereitet roorben, bei*
feite geftanben. 3ßa§ er oon bem mit gerben unb glitten unb
Stätten überfäeten £I)ale fagt, ift augenfdjeinlid) bie 23efd;reibung
einer großen perfpefthüfdjen ©egenb. ©in allgemeiner 23eroei§=
grunb bafür lann aud) fdjon aus ber Stenge ber Figuren auf
15 bem ©djilbe gebogen roerben, bie nidjt äffe in iljrer trotten ©rüf$e
auSgebrudt werben fönnten; roorauS eS benn geroiffermaf5en uro
ftreitig, baf? bie $unft, fie nad; ber ^erfpeftiu gu uerf (einem, ba=
maüger 3eit fdjon belannt geroefen." Sie btofse Seobadjtung ber
optifdjen ©rfafjrung, baf$ ein £>ing in ber $eme Keiner erfdjeinet
20 als in ber 9iäf)e, madjt ein ©emölbe nod; lange nidjt perfpeftiuifd).
T>ie ^erfpeftiu erforbert einen einzigen älugenpunft, einen be=
ftimmten natürlichen ©eftdjtSfreiS, unb biefeS roar eS, roaS ben
alten ©emälben fehlte. Sie ©runbflädje in ben ©emälben beS
^olpgnotuS roar nidjt Ijorigontat, fonbem nad) leinten §u fo ge=
25 roaltig in bie §öl)e gebogen, baf? bie Figuren, roeldie Ijinter
einanber §u fielen fdjeinen füllten, über einanber §u fteljen fdjienen.
s) Phocic. cap. XXV— XXXI.
") Um ju äeigen, bajj biefeä mdjt ju tucl oon $open gefagt ift, nrill id) ben Slnfang
ber folgenben au§ itjm angeführten ©teile (Iliad. Vol. V. Obs. p. 61) in ber ßJrunb*
30 fpradje anführen: That he was no stranger to aerial Perspective, appears in his
expresly marking the distance of objeet from objeet: he teils us etc. jjd) fage, frier
fjat 5}?ope ben 2lu3brucf aerial Perspective, bie 2uftperfpeftit)e (Perspective aerienne)
ganä unrichtig gebrauefit, als roeldjc mit ben nad) äfiafjgebung ber ©ntfernung uerminberten
©rbfjcn gar niä)t§ ju tbun fjat, fonbem unter ber man lebiglicf) bie Sdnoädjung unb 216=
35 änberung ber färben nad) Skfdjaffenfjeit ber i'uft ober be§ 2Uebii, burd) roeldjeö tuir fie
fefjen, nerfteljet. 2Ber biefen (yefjler machen fonnte, bem war e§ ertaubt, »on ber ganjen
Safye nichts 5U nriffen.
1. ofjne alle 5}5erfpefttt); ^ohjgnot tjatte feine ©raupen in Keinen übereinanber
angeorbnet, roätircnb biefelben an fid> auf gleichem 23oben in perfpeftioifdjer Sluffteüung
gebadjt finb. iutjnlid) madit e§ aud) fpäter Dielfad) nod) bie SCafenmalerei. — 2. Sie
antifen 3Banbgemälbe äeigen aüerbingä f)ier unb ba a8erfud)e perfpeftioifdjer 3eid)nung,
aber burdjau§ olme fefteS ^rinjip unb fefte optifdie ©efefee. — 33 f. £>a3 SBerminbern
ber ©röfjen nad) aKafsgebung ber Entfernung ift oielmefn- bie <Saa)e ber fo*
genannten ainearperfpeftioe.
118 ff nokoou XX.
Unb roenn btefe Stellung ber r>erfd)iebnen Figuren unb iljrer
(Gruppen allgemein geroefen, tute au§ ben alten SSaöretiefö, roo
bie binterften allegeit l)öl)er fielen atö bie ooberften, unb über fie
roegfetjen, ftd) fdfjliejjen (äfjt: fo ift e§ natürlich baf$ man fie
audj in ber Sefdjrei&ang be§ Römers annimmt, unb biejenigen 5
mm feinen Silbern, bie fid) nad) felbiger in ©in ©emälbe ner=
btnben [äffen, nid)t unnötig erroeife trennet. Sie boppelte ©cene
ber f riebfertigen ©tabt, buret) bereu ©trafen ber fröl)lid)e Slufgug
einer §od)geitfeier ging, inbem auf bem sIftarfte ein mistiger
^rogefj entfdjieben warb, erforbert biefem 51t fyotge fein boppeltes 10
©einälbe, unb Corner l)at e§ gar roor)l al§ ein eingigeö beuten
tonnen, inbem er fid) bie gange ©tabt au% einem fo Ijolien 2tugen=
pnnf'tc üorfteHte, bajj er bie freie 3tu§fid)t gugleid) in bie ©trafen
unb auf ben Sftarft baburd) erhielt.
^cr) bin ber sDieinung, baf} man auf ba§ eigentliche -J}er= 15
fpeftir>ifd)e in ben ©emälben nur gelegentlich burd) bie ©cenen=
maierei gefommen ift; unb aud), at3 biefe fcr)on in tr)rer 9>ofl=
fommenr)eit mar, muf5 e§ nod) nicr)t fo leidet geroefen fein, bie
Regeln berfelben auf eine einzige $läd)e anguroenben, inbem ftd;
nod) in ben fpätern ©emälben unter ben Stltertümern be3 -§ercu= 20
taneuroJ fo fjäufige unb mannigfaltige fye(;ler gegen bie $erfpettiü
finben, als man iijo taum einem Sefjrlinge «ergeben mürbe.7)
2)od; xd) entlaffe mid) ber 9Jlüf)e, meine gerftreuten 3ln=
mertungen über einen ^>unft gu fammeln, über meldten id) in be§
§errn Sßinfelmanns oerfprodmer ©efd)td)tc ber Äunft bie obltigfte 25
33efriebigung gu erhalten Ijoffen barf.8)
XX.
$d) lente mid) tnelmeljr roieber in meinen 2öeg, roenn ein
©pagiergänger anber§ einen 2Seg l)at.
7) Setradjt. über bie 3Raterei ©. 185. 30
8) ©efd)rieben im 3ab,r 1763.
1—4. 3ft in foldier üillgenteiubeit uidn ganj jutreffenb; auf ben 89a§relief§ ber ale^an*
brinifd)en unb römifdien Jtunfi finb bie uibiuterft ftefjeuben giguren meift in fladierem
Stelief, aber fonft auf gleicher £öt)e mit ben »orbereu bargeftcllt. SDaneben fommt atlers
bingö audt Slnorbmmg übereinanber uor. — Iß f. Sie Scenenmalcrei, uuferer
2)etoration3malerei eutfpredieub, fam im 4. 3ab,rJ). u. (ityr. auf unb nmrbe uamentlid)
burd) MgathardjoS, ber für bie Stade beS i>ifd)i)io3 bie Seforationen malte, ausgebildet.
— 19. auf eine einzige gläd;e anjuiDcnbcn, ba fid) nämlid) bei ber Scenen«
maierei bie Sarftettung auf mehrere glädien (einen .ysintergvunb unb jroei Gouliffen) »er*
teilte, — 28. idi entlaffe mid) ber 9J!üI)c; Ijeute unge6räu<$Iid)e SReberoeife für ,,id)
überbebe mid) ber Siübe". — 28. Sa) lenfe mid;. Sid) lenfen anftatt be§ einfachen
faohoon XX. 119
■Jöaö \d) von lorpcrtidjen ©egenftänben überhaupt gefctgt Ijabe,
ba§ gilt von fürperlidjcn frönen ©egenftänben um fo viel mefyr.
Mürperfttfje ©d;ünl)cit cntfpringt aus ber übereinftimmenben
äßtrfung mannigfaltiger Xetfe, bie fidj auf einmal ü6erfc|en taffen.
5 ©ie erfobert atfo, baf? biefe Steile neben einanber liegen muffen;
unb ba Singe, bereu £eile neben einanber liegen, ber eigentliche
©egenftanb ber Malerei finb; fo fann fie, unb nur fie altein,
förperlidje ©djönfjeit nadjatjmen.
©er ©idjter, ber bie (Elemente ber ©djöntjeÜ nur nadj einanber
io geigen fönnte, enthält fid) batjer ber ©djüberung förpertidjer ®d)öm
fjeit, atö Sdjönfyeit, gänjlirf). @r fül)lt eö, baf$ biefe ©lemente
nadj einanber georbnet, unmögtid) bie -JSirfung fyaben tonnen, bie
fie neben einanber georbnet Ijaben; bafs ber fonjentrierenbe 33lidf,
ben mir natf) tfjrer Enumeration auf fie jugleid) ^urüdfenben motten,
15 un§ bod) fein übereinftimmenbeS Silb geiotiljret; bafs e§ über bie
menfdjlidje ©inbilbung get)et, fid) üorjuftetfen, roa§ biefer 9Jiunb,
unb biefe 9?afe, unb biefe 2(ugen gufammen für einen Gffeft Ijaben,
menn man fid) nidjt au§ ber 9?atur ober $unft einer ätjnlidjen
$ompofition fo!cr)er Xeite erinnern fann.
20 Unb aud) l)ier ift §omer baö 9)iufter aller Sftufter. @r fagt:
Sirene mar fd)ö'n; 2(d)ille§ mar nod) fd)öner; §etena befafj eine
göttlidje <3cr)önt)eit. 2tber nirgenb§ täf5t er fid) in bie umftänb=
tidjere Sdjilberung biefer <3d)önf)eiten ein. C5teidnool)t ift ba§ ganje
©ebidjt auf bie ©d)önljeit ber §etena gebauet. 3Sie fer)r mürbe
25 ein neuerer 2)idjter barüber tururiert fjaben!
©d)on ein Gonftantinug ?CRanaffe§ rooltte feine faf)(e Gfyrontfe
mit einem ©emätbe ber Helena äusseren. %d) mufj ifym für feinen
2>erfud) bauten, ©enn id) wüfjte unrfftcr) nidjt, mo id) fonft ein
©gempet auftreiben foftte, au$ raeldjem augenfdjeinlidjer errette,
30 raie tf)örid;t e§ fei, etroaö $u roagen, baö £>omer fo raeiS(id) unter=
taffen fyat. 3Benn id) bei ifjm tefe:1)
') Constantinus Manasses Compend. Chron. p. 20. Edit. Yenet. Sie ^r. Sacier
war mit biefem Porträt be? 2J!anaffe3, bi? auf bie Sautotogieen, feljr two^il aufrieben:
De Helenae pulchritudine ouinium optime Constantinus Manasses, nisi in eo tav-
lenfen ift namentlich in ber 6r>raa)e Sutfjer? fefjr geroöljnlitf) unb aud) ba? urfprünglid)
9tid)tige, ba ber intranfitiue ©ebrauef) von teufen nur auf itbbreoiatur beruht, unb ba?
Dbjeft immer 511 ergänjen ift.
3 f. ©efjr alte Definition ber Scbönfjeit, in ifjrem Äern äurücfgeftenb 6i§ auf 2(rifto=
tele?. — 25. lujuriert, beute auger Qebraui) gelommeneS Syrembroort: luxuriare,
üppig, au?fa)roeifenb fein, übennäfjigen ©ebraud) oou etroas machen. — 26. Üonftan«
tinu? 3Jtanaffe3, ein Sönsantiner au? betn 12. Satjrl). n. Gbx , roelcber eine bi? jum
ga^re 1081 reiebenbe 6£)ronif »erfafjt t)at.
120 «aohoon XX.
Hv i] yvvi] TiiQiY.ciX\rig, avocpQvg, evxQOvßtätr},
Evndqtiog , tvnqöcamog , ßocomg, %Lovö%QOvg,
'EliHoßlicpKQog, üßqcc, %ci(tlx(ov ytfiov cclcog,
A£VK0ßQtt%L(OV , TQVCpSQU, Y.dllog ävTLXQVg tflTCVOVV,
Tb JtQÖoconov ■x.ctzdtevx.ov , r\ na^siu (jod6%QOvg. 5
tologiam reprehendas. (Ad Dictyn Cretensem lib. I. cap. 3. p. 5.) ©ie führet nad)
bem äßejeriac (Comment. sur les Epitres d'Ovide T. II. p. 361) aud) bie 23efdireibungen
an, weldic SareS ipSrtjfliuS unb ©cbrenuS »on ber ©d)önt)eit ber §elena geben. 3n ber
erftern fömmt. ein Qug uor, ber ein wenig feltfam Hingt. SareS fogt nämlid) t)on ber
Jgelcna, fie Ijabe ein 2Jial jwiftfien ben Slugenbraunen gehabt: notara intei duo snper- 10
oilia habentem. ©aS mar bod) wol)l nidjts fdjöneS? 3d) woEte, bafj bie granjöfin iljre
ÜRcimmg borüber gejagt Ijätte. 5DieineS Seilet |alte id) baS Söort nota t)ier für uerfälfdjt,
nnb glaube, bafj 3>areS »on bem rebcu wollen, was bei ben ©ried)en /LtcaüipQuov unb bei
ben Sateinern glabella Jucfi. $ie 2(ugenbraunen ber Helena, will er fagen, liefen nid)t
5ufamtnen, fonbern waren burd) einen f leinen groifdjenraum abgefonbert. Ser ©efdjmad 15
ber Sllten war in biefem fünfte »erfd)ieben. einigen gefiel ein foldjer 3wifd)enraum,
anbern nid)t. (Iunius de «Fictura Vet. lib. III. cap. 9. p. 245.) Slnaheon bjelt bie
ajiittelftrafjc; bie Slugenbrauncn feines geliebten SKäbdjenS waren weber merflid) getrennet,
nod) nöllig in einanber r>erroad)fen, fie »erliefen fid) fanft in einem einjigen fünfte. ©r
fagt ;u bem flünftler, welcher fie malen follte. (Od. 28.) 20
Tu [teaitpQvov de /tu) fiot
/tiäy.onts, ,ui)ts /.uoye,
'E/itw <$' Zno}? ixtivi]
To XtXri&ütwz oüvcxpQuv,
BXtipctQwv i'tvv xsÄcuvrjV. 25
91ad) ber Se§ari beS ^auw, cbfd)on and) olme fie ber SJerftanb ber nämlidje ift, unb oon
£enr. ©teptjano nid)t oerfefjlet worben:
Superoilii nigrantes
Discrimina nee arens,
Corxfundito nee illos: 30
Sed junge sie ut aneeps
Divortiurn relinquas,
Quäle esse cernis ipsi.
SBenn id) aber ben ©inn beS 2>areS getroffen Ijätte, was müfste man woljl fobann anftatt
beS SBorteS notam lefen? 33ieHeid)t moram? £enn fo Piel ift gewifi, bafj mora nid)t 35
allein ben Verlauf ber 3e'r/ e')e etwas gefd)icl)t , fonbern aud) bie §inberung, ben 3wifd)en=
räum tton einem jum anbern, bebeutet.
Ego inquieta montium jaceam mora,
wünfd)et fid) ber rafenbe §erfuleS beim ©eneca (v. 1215.), weldje ©teile ©ronooiuS feljr
wol)l erllärt: Optat se medium jacere inter duas Symplegades, illarum velut 40
moram, impedimentum , obicem; qui eas moretur, vetet aut satis arete conjungi,
aut rursus distrahi. ©o Ijeifjen aud) bei eben bemfelben £id)ter lacertorum morae, fo
»iel alS juneturae. (Schroederus ad v. 762. Thyest.)
7. üJlejeriac, mit »ollem Dlamen Glaube ©aSparb Sadjit ©ieur be ÜJlejiriac, franj.
^tfjilologc; 15S1 — 1638. — 8. Unter bem SJamen bes 2)areS SpfyrngüiS, angeblid) eines
trojanifd)en SBriefterS beS ,viepl)äftoS unb 3e^t8ert0ffcn DC-' trojanifeben AtriegeS, ift uns
eine wabrfd)cinlidi bem 6. ober 7. Jia^rl). n. 6br. angebörige ©d;rift über bie 3erftorun9
SrojaS in lateinifdjer ^Srofa erhalten. — ©eorgiuS ÄebrenuS, ein bnsantinifdjcr
(Sb,ronift um 1100 n. (Sb,r., oon bem ein dironologifdjeS ©efd)id)tSwcrt non ©rfdiaffung ber
Sßelt bis 1057 n. (Sfjr. berrüb,rt. — 81 ff. ©S ift ju beaditen, bafj weber bies, nod) baS
anbere weiter unten citiertc i!ieb beS 9lna!reon auf ben 33at!)pIIoS wirllid) oon Slnalreou
berrüljrt; es finb nielmcljr fpätere Tid)tungcn im ©efdimad unb SkrSmaf? beS Slnafreon.
— 26. ®ie @ried)ifd)e i'lntI;ologie pon S«n GorncliS bc 'sjiauw erfaßten ju Utrecht
1732. — 27. Sic ainafreonauSgabc twn £ienricuS ©tepljanuS (^enri ©tienne, 1528
bio I5!is) crid)ien 1554. — 35. moram, biefe Äonjeftur ^at wenig SBa^rfdicinlidjfeit. —
3it. Johann ^riebrid) ©ronop, bebeutenber s}>l)ilolog, 16H— 1671. — 43. ^oliann
Äafpar ©djröber, bollänbifd^er ©eleljrtcr aus ber erften £ätfte beS 18. 3al>rf).
Caokoon XX. 121
Tb ngöcamov tni%aQi, rö ßlicpctQOV wqaiov,
Kdllog ävbTtixr\8iVTOV, aßänTicrov , avzöxQOW,
"EßcatTS xi]v levuorrjta Qod6%Qia nvQivrj,
'Slg ei tig xbv iXicpavtci ßäipei XafMtQÜ 7ioQ(pvQa.
5 dsiQT] {ictKQCc, yiardlivKog , ö&sv ifiv&ovQyrj&rj
Kvnvoy&vf] ri]v evonrov *EX£vrtv XQrjfiazi^siv.
fo bünft nüd), id; fefje ©teilte auf einen SBerg roätgen, au§ melden
auf ber (Spike beöfelben ein präd)tige§ ©ebäube öufgefüljret werben
fotf, bie aber alle auf ber anbern «Seite tum felbft tüieber ()erab=
io rotten. 2öa§ für ein 33üb r)interfä^t er, tiefer ©d;roal( tum
Porten? 2ßie falje §etetta nun auZ? Sßerben nidjt, roenn taufenb
9Jienfd;en biefe§ lefen, .fid) atfe taufenb eine eigene SiBotftettung
üon ifjr machen?
£od) e§ ift u)al)r, polttifdje SSerfe eine§ -Jftöndjeg ftnb feine
i5 ^oefie. 9ftan fjöre alfo ben Strioft, wenn er feine bejaubembe
2ttcina fdjübert:')
-) Orlando Furioso, Carito VII. St. 11— 15. „Sie SMlbung ifjrcr ©cftalt mar fo
rcijenb, al3 nur fünftltdje SJtaler fie bieten fönnen. Segen ihr blonbeS, langes, auf=
gcfnüpfteä Saar ift fein (Selb, baS nicfjt feinen Glanj oerliere. Über itjre garten SBangen
20 perbreitete ficf> bie »ermifdjte garbe ber Diofen unb ber Silien. %l)re fvöfjlicfje Stirn, in
bie gehörigen Scbranfen gefdjloffen, mar t>on glattem §elfenbein. Unter sroei fdnnarjen,
anwerft feinen Sögen glänjett sroei fdnraräe 2luaeu, ober Dielmeljr sroo leucfjtenbe Sonnen,
bie mit yolbieligfeit um fid; blitften unb fid) langfam breiten. SRingS um fie t)er faxten
2lmor 5U fpielen unb ju fliegen; oon ba fdjien er feinen ganjen .Kodier abjufdjiejjcn, unb
25 bie §erjen fiditbar ju rauben. SBeiter b,inab fteigt bie 9Jafe mitten bureb ba§ ©efidjt, an
roeldjer felbft ber ?!eib nid)tö ju beffern finbet. Unter i£)r jeigt fid) ber 2J!unb, roie jroifdjen
sroei i [einen Sbätern, mit feinem eigentümlidjen Qinnober bebeett; biet' ftetjert sroo SReiljen
auserleiener perlen, bie eine fdjöne fanfte Sippe »erfdjliefit unb öffnet. §ierau3 fommen
bie t)olbfcligen SBorte, bie jebe§ raube, fdbänblidje $erj erroeieben; bier roirb jenes licblid)e
30 Säd)cln gebilbet, roeltfjeS für fid^ fd)on ein ^arabtes auf erben eröffnet. SBeifser Sdmee
ift ber fdjöne £at§, unb SUlcb bie Sruft, ber £>al3 runb, bie 23ruft coli unb breit. 3TOD
iartc, uou Seifenbein gerünbete flugein mallen fanft auf unb nieber, roie bie SBellen am
äufserften 9ia~nbe be§ Ufer§, roenn ein fpielenber 3ePb«r bie See beftreitet." (Sie übrigen
Seile roürbe 2lrgu§ felbft nia)t Ijaben feben fönnen. Sod) mar Ieid)t ju urteilen, bafs ba§,
35 roa3 oerftedt lag, mit bem, roa§ bem 21uge blofj ftanb, übereinftimme.) „Sie 2lrme jeigen
fid; in itjrer gebörigen iänge, bie loeifje Spant) etmaS länglid), unb fdjmal in ifjrer SJreite,
burdjauä eben, feine Slber tritt über ifjre glatte giädje. 2lm ©nbe biefer fjerrlidjcn @e-
ftalt fief)t man ben f leinen, trotfnen, gerünbeten gufj. Sie englifeben SDHenen, bie aus
bem §immel ftammen , fann fein Sd)leier Derbergen." — (9Jad) ber Überfe|ung be§ §errn
40 2)Jeinb.arbt in bem 53erfud)e über ben Gtjarafter unb bie äBerfe ber beften ital. Siebter.
83. II. ©. 228.)
14. Ser politifdje („bürgerlidje") S3er§, ein in ber bn^antinifdien 3e'* l)äufige§
ÜRetrum, ift ein fataleftifdjer jambiidier Srimeter, bei bem rjornebmlid) ©ilbenjab,! unb
ilccentuation, nidjt aber bie Quantität in Setradjt fommt. — lti. 211c in a, eine %et im
„SRaienben SRolanb". — 21. §elfenbein, im Mittelalter unb fpäter feljr gemöt^nlid) für
Glfenbein. — 33. beftreitet, roörtlid) naa) bem ital. combatte, für beftreidjt ober über
bie See binftreiebt. — 38. tro einen, aseiutto ift nid)t btofj troefen, fonbern aud) mager,
fdjlanf, unb le|tere 23ebeutung ift bier jebenfallö am 'ifla^e. — 40. gotjann 9iifoIau§
9Jleinf)arb, 1727 — 1767, beffen b,ier citierte§ SBerf pon Seffing in ben Sitteraturbriefen
(3Jr. 332) fetjr günftig befprodjen roorben ift.
122 ffaokoon xx.
Di persona era tauto ben formata,
Quanto nie1 fiuger san Pittori industri:
Con bionda chioina, lunga e annodata,
Oro non e, die piu risplenda, e lustri,
Spargeasi per la guancia delicata 5
Misto color di rose e di ligustri.
Di terso avorio era la fronte lieta,
Che lo spazio finia con giusta meta.
Sotto due negri, e sottilisshni arclii
Son due negri occhi, anzi due chiari soli, 10
Pietosi ä riguardare, ä rnover parchi,
Intorno ä cui par ch' Amor scherzi, e voli,
E ch' indi tutta la faretra scarcbi,
E che visibilrnente i cori involi,
Quindi il naso per mezo il viso scende 15
Che non trova 1' invidia ove 1' einende.
Sotto quel sta, quasi fra due vallette,
La bocca sparsa di natio cinabro,
Quivi due filze son di perle elette ,
Che chiude, ed apre un bello e dolce labro; 20
Quindi escon le cortesi parolette ,
Da render molle ogni cor rozo e scabro;
Quivi si forma quel soave riso ,
Ch' apre a sua posta in terra il paradiso.
Bianca neve e il bei collo, e'l petto latte, 25
II collo e tondo, il petto colmo e largo;
Due pome acerbe, e pur d' avorio fatte,
Vengono, e van, come onda al primo margo,
Quando piacevole aui'a il mar combatte.
Non potria 1' altre parti veder Argo, 30
Ben si puö giudicar, che corrisponde,
A quel ch' appar di fuor, quel che s' asconde.
Monstrati le braccia sua misura giusta,
Et la Candida man spesso si vede,
Lunghetta alquanto, e di larghezza angusta, 35
Dove ne nodo appar, ne vena eccede.
Si vede al fin della persona augusta
II breve, asciutto e ritondetto piede.
Gli angelici sembianti nati in cielo
Non si ponno celar sotto alcun velo. -10
«ttokoott xx. 123
Button fagt bei (Megenljett beS ^anbämontumS : einige tobten baS
äßerf, anbete ben 9Mfter beS 2öerf§. 3)aS Sob beS einen ift
alfo nidjt attejeit aud) baS Sob beS anbern. ©in ^unftroerf t'ann
alten Seifatt r>erbiencn, otme bafj fidj jutn 9iuljme beS iRünftlerS
5 tuet befonberS fagen täjst. SBieberum fann ein ^ünftler mit 9ted)t
unsere 33erounberung verlangen, aud) roenn fein 2Bert uns bie
nöttige ©enüge nidjt ttmt. SDiefeS oergeffe man nie, unb e3 mer=
ben fidj öfters ganj wiberfpredjenbe Urteile uergteidjen taffen.
(ihm rote tjier. 2)otce, in feinem ©efprädje oon ber Malerei,
10 täfjt ben 2lrettno von ben angeführten ©taugen beS 2trioft ein
aufjerorbentlidjeS 2tufr)e&en madjen;9) id) hingegen roäfjte fie als
ein (Stempel eines ©emötbeS otme ©emätbe. 2öir rjafcen beibe
redjt. £)otce betounbert barinnen bie $enntniffe, roetdje ber ©idjter
üon ber förpertidjen ©djönfjeit $u tjaben geiget; idj aber fetje btof}
15 auf bie Sßttfung, raeldje biefe Äenntniffe, in 3Sorte auSgebrüdt,
auf meine ©inbitbungSfraft tjaben tonnen. ©otce fdjliefjt auS
jenen Äenntniffen, baft gute ©idjter nidjt minber gute Makx finb;
unb id) aus biefer SBirtung, bafj fidj baS, roaS bie Wakv burdj
Sinien unb färben am beften auSbrüden tonnen, burd) 3Borte
20 grabe am fdjledjteften auSbrüden täfjt. ©otce empftetjtet bie <5d;it=
berung beS 2Crioft alten Malern als baS uottfommenfte SSorbilb
einer fdjönen $rau; unb id; empfehle eS alten ©idjtem atS bie
letjrreidjfte üöarnung, raaS einem Strioft mifjtingen muffen, nidjt
nod) ungtüdlidjer 311 nerfudjen. GS mag fein, bafj wenn Strioft fagt:
25 Di persona era tanto ben formata,
Quanto rnai finger san Pittori industri,
er bie Setjre oon ben Proportionen, fo roie fie nur immer ber
fteifsigfte tünftter in ber Sftatur unb aus ben Stntifen ftubieret,
3) (Dialogo della Pittura, intitolato 1' Aretino: Firenze 1735. p. 178.) Se
30 vogliono i Pittori senza fatica trovare un perfetto esernpio di bella Donua, leg-
gano quelle Stanze delP Ariosto, nelle quali egli discrive mirabilmente le bellezze
della Fata Alcina: e vedranno parirnente, quauto i buoui Poeti siauo ancora
esai Pittori. —
1. *panbämottium nennt SDtiltort im „Verlorenen ^Sarobieä" I, 748 ben qjataft be>3
Satan§. — 9. Subooico 2>olce (1608—1566), ein ital. Siebter unb Gelebrter, SSerf.
be§ in ber Ginleitung S. IX befprodjenen Dialogo della Pittura, in tuetdiem ber Belohnte
*pictro Slretino ein ftauptunterrebner ift. — 12. eine§ ©emälbes oöne ©emälbe,
b. t). eines poetifeben ®emälbe3, roeldjeS fein materielles ©emälbe liefert.— 14. ju baben
jeiget. SJiefer ©ebraud) von seigen ift ebenfo mie einige feilen fpäter ber entfprecbenbe
non betueifen mebr ber lateiuifdien Spracße eigentttmlid) unb beute nidjt in Slntoenbung,
btngegen ift biefelbe Äonftruftiou nod) üblid) bei erfläten, Behaupten u. bgl. m.
124 ffaokoon xx.
üoüfommen nerftanben 511 haben, baburd) bemeifet.4) @r mag fid)
immerhin, in ben blofjen Sorten:
Spargeasi per la guancia delicata
Misto color di rose e di ligustri,
alö ben uottfommenften Äoloriften, al§ einen Gittern, geigen. 5) 5
Man mag barau§, baf; er ba§ §aar ber 2tlcina nur mit bem
©olbc r>ergleid)t, niebt aber gülbene§ $aar nennet, nod) fo beut=
lid) fdjltefjen, bafj er ben ©ebraud) beö mirflidjen ©o!be§ in ber
^arbengebung gemifjbitliget.'5) Man mag fogar in feiner ^erab=
fteigenben 9iafe, 10
Quindi il naso per inezo il viso scende,
baä fd)öne Profil jener alten griedjifdjen, unb non gried)ifd)en
föünfttern aud) Römern geliehenen 9iafen finben. 7) 3ßa§ nu|t
alle biefe ©eleljrfamfeit unb @infid)t uns! Sefern, bie mir eine
fd)öne %xan ju feljen glauben motten, bie mir Qtn)a§> r>on ber 15
fanften Söattung be§ ©eblut§ babei empftnben motten, bie ben
mirfüdjen 2lnblicf ber (Sd)önt)eit begleitet? Sßenn ber 2>idEjter roeifi,
au§ melden SSerhältniffen eine fd)öne ©eftalt entf »ringet, miffen
mir e§ barum audj? Unb menn mir e3 and) raüfjten, läftt er
un§ hier biefe SBerfjältmffe fefyen? Dber erleichtert er unö aud^ 20
nur im geringften bie 5JiüI)e, un§ ifyrer auf eine lebhafte an=
fdjauenbe 3(rt 5U erinnern? ©ine (Stirn, in bie gehörigen Sdjranfen
gefdjloffen,
la fronte
Che lo spazio finia con giusta rneta; 25
4) (Ibid.) Ecco, che, quanto alla proportione, 1' ingeniosissimo Ariosto assegna
la migliore, che sappiano forraar le mani de' piü eccellenti Pittori, usando questa
voce industri, per dinotar la diligenza, che conviene al buono artefice.
5) (Ibid. p. 182.) Qui 1' Ariosto colorisce, e in questo suo colorire dimostra
essere un Titiano. 30
'■) (Ibid. p. 180.) Poteva 1' Ariosto nella guisa, che ha detto chioma bionda,
dir chioma d'oro : ma gli parve forse, che havrebbe havuto troppo del Poetico.
Da che si puö ritrar, che'l Pittore dee imitar 1' oro, e non metterlo (come fanno
i Miniatori) nelle sue Pitture, in modo, che si possa dire, que' eapelli non sono
d' oro, ma par che risplendano, come 1' oro. 3Ba3 ffiolce, in bem 9iad)folgenben , au§ 35
bent 2ltl;eiiäu§ anführet', ift merfwürbig, mir bnf? e>3 fief» nic^t twllig fo bafelbft finbet.
3d) rebe an einem anbern Drte baoon.
7) (Ibid. p. 182.) II naso, che discende giii, havendo peraventura la con-
sideratione a quelle forme de' nasi, che si veggono ne' ritratti delle belle Romano
antiche. 40
13. geliehenen; wir würben jetjt „verliehenen" oorjiefjen. — 35 f. au* bem
Sltljcnäuo, nämlid) 23ud) XIII, ©. G03E, eine ftufsening über baS ä?erl)ältni« bicfjterifdjer
Attribute, wie goibI)aarig, rojenfingrig u. bgl. sur IDalerei. S?gt. meine (Einleitung jum
ünofcon S. 3 f. (gr. 2(usg.).
ffaohoon XX. 125
eine 9?afe, an rceld)er felbft ber 9ceib nid)t§ §u beffern finbet,
Che non trova V invidia, ove 1' einende;
eine §anb, etroa§ langltd) nnb fd)mal in iljrer ^Breite,
Lunghetta alquanto, e di larghezza angusta:
5 roas für ein 23ilb geben biefe allgemeine Formeln? 3>n htm
DJcunbe eineä 3eid)enmetfters, ber feine ©djüler auf bie ©d)ön=
feilen be§ afabemifdjen Pöbelte anfmerffam madjen imtt, möchten
fie nod) etma§ fagen; benn ein Slicf auf biefeS sDiobett, unb fie
fefyen bie gehörigen ©djranfen ber fröl)lid)en ©tirne, fie feben ben
io fdjönften ©djnitt ber 9cafe, bie formale breite ber nieblidjen §anb.
2lber bei bem Siebter felje id) nidjtS, unb empfinbe mit 3>er=
brufs bie Sergeb liebfeit meiner beften 2lnftrengung, etwas feljen
ju motten.
$n biefem fünfte, in roeldjem 3>irgil bem £omer burd) 9iid)tö=
15 tlntn nadjafjmen formen, ift aud) SSirgil jiemfid; glüdlid) gemefen.
2lud) feine 5Dibo ift il)in roeiter nidjtS als pulcherrima Dido.
'BSmn er ja umftänblidjer etraas an if)r befdjreibet, fo ift eö U)r
reieber s^u|, ifyr prächtiger Slufjug:
Tandem progreditur — — — —
20 Sidoniam picto chlamydeni circumdata limbo:
Cui pharetra es auro, crines nodaritur in aurum,
Aurea purpureani subnectit fibula vestem. 8)
Söollte man barum auf ifm anwenben, ma§ jener alte ^ünftler
§u einem 2et)rlinge fagte, ber eine fer)r gefdjmücfte §elena gemalt
25 r)atte: „ba bu fie nid)t fd)ön malen formen, fjaft bu fie reid) ge=
malt''; fo mürbe SSirgil antworten, „e§ liegt nidjt an mir, bafj
id) fie nid)t fd)ön malen fönnen; ber Xabel trifft bie ©djranfcn
meiner Äunft; mein Sob fei, mid) innerhalb biefen ©djranfen ge=
Ijalten gu Ijaben".
30 ^d) barf t)ier ber beiben Sieber be§ 3l"nafreon§ nidjt uer=
geffen, in roeld)en er utt§ bie ©d)önl)eit feine© 9Mbd)en3 unb feines
33atl)t)tt§ jergliebert. °) Sie üßknbung, bie er babei nimmt, madjt
8) Aeneid. IV. v. 130.
9) Od. XXVIII. XXIX.
25 f. S)ie§ foll SlpelleS ju einem feiner Schüler gefagt Eja&cn, nad) Clem. Alexandr.
Paedag. II, 125, p. 246. — 30. ber beiben £ieber be§ SlnafreonS, ogt. bie 33e=
merfung oben ©. 120 311 21 ff. — 32. Ser fdböne Knabe Satt)nlloo mar ber ©eliebte
be$ Slnafreon.
126 tfaokomt XX.
aße§ gut. @r glaubt einen 9ftaler vor fid) gu fjaben, unb läjjt
ib,n unter feinen 2uigen arbeiten, ©o, fagt er, madje mir ba§
•V>aar, fo bie otirnc, fo bie 2(ugen, fo ben -äJcunb, fo §al3 unb
"üufen, fo >>üft unb Äänbe! 2ßa§ ber ^ünftler nur teilroeife
gufarmnenfetjen fann, fonnte ifnn ber Sinter audj nur teitroeife 5
uorfdjreiben. Seine 2(bfid)t ift nid)t, baf, mir in biefer münblidjen
Tireftion be§ 9)ialer3, bie gange ©djünljeit ber geliebten ©egen=
ftänbe erfennen unb füllen fotten; er felbft empftnbet bie Un=
fäbigf'eit be§ mürtlidjen 2tu§brudf§, unb nimmt eben baljer ben
Üfuobrud ber $unft 51t §ilfe, beren £üufd)ung er fo feljr ergebet, 10
baf$ baö gange Sieb meljr ein Sobgebidjt auf bie $unft, a(§ auf
fein 5J£äbdjen gu fein fdjetnet. Gr fieljt ntdjt ba§ 23ilb, er fieljt
fie felbft, unb glaubt, bafj e§ nun eben ben SJiunb gutn Sieben
eröffnen werbe:
'A?ci%Ei' ßX^nco yug uvxr\v, 15
Ttc%ec, ■x.rjQS , Hai XaXrjGstg.
2(ud) in ber Angabe be§ 33atb,i)tt§ ift bte Slnpreifung be§ fdjönen
Änabcnö mit ber Slnprafung ber H'unft unb be§ $ünftler§ fo in=
einanber geftodjten, bafj e§ grocifel^aft mirb, mein gu @b,ren
2(nafreon oa§> Sieb eigentlich) beftimmt Ijabe. ßr fammelt bie 20
fdjönften £eile auß nerfdjiebnen ©emiüben, an roeltfjen eben bie
oorgügftdje ©djünljeit biefer %t\k baö (Sfyarai'terifrifdje mar; ben
£>alö nimmt er uon einem 2lboni§, ©ruft unb .'oänbe oon einem
Sftercur, bie §üfte uon einem ^oEuj:, ben SBaudj uon einem
SBacdnts; bis er ben gangen 93atb,i)M in einem uoffenbeten 2lpofto 25
bes Münftters erbüdt.
Mira öl TCQoaconov tGtco,
Tbv 'Aömviöog thxqeX&cov,
'EXttpävxivog TQdxr]Xog'
Mtxa^iü^iov öl notti 30
diöv[ic<g rs %SLQag 'Egfiov,
IIoXvStvKeog öl (irjQOvg,
/llOVVGL1]V Öl V1]ÖVV
Tbv 'AnoXXcova öl xovxov
Kci&iXiov , noCti Bd&vXXav. 35
16. 2)a§ [Säilb mirb iiicv x>,o''; genannt, roeü ein mit SBaajSfarBen gemaltes, fog.
■ :nfaußifä)e§ ©emätbe gemeint ift.
ffuohocn XXI. 127
So roeifj aud) Sudan oott ber 3djönt)eit ber Sßantljea anberä
feinen SBegriff 31t madjen, a(§ buref; üBerroeifung auf bie fdjönften
meiblidjen SBilbfäufcn alter Münftler. ") 3Ba§ Ijeijjt aber btefcS
fonft, al§ befennen, bafj bie ©pradje not* ftd) felbft fjier olme
s Mraft ift; baß bie *poefte ftammelt, unb bie SBerebfamfeti ner=
ftttmmet, menn irrten nidjt bie $unft nod) einigermaßen jur ®ol=
metfdjerin bienet?
XXI.
2tber nerlieret bie ^>oefie nidjt gu mel, roenn man i|r alle
10 Silber forperlidjer ©djönljeit nehmen null? — 9Ber roill it)r bie
nehmen? SBerm man ifir einen einigen 9Seg §u oerleiben fudjt,
auf roeldjem fie 51t folgen Silbern- 31t gelangen gebenfet, inbem
fie bie g-ufjftapfen einer üerfdnuifterten Munft auflud)!, in benen
fie ängftltdj Ijerumirret, oljne jemals mit if)r ba§ gleiche $\d ju
15 erreidjen: uerfdjltefjt man tf>r barum aud) jeben anbern 2Öeg, roo
bie &unft Ijinnneberum iljr nadjfefjen muf,?
©den ber $omer, meldjer ftd) aller ftüdineifen ©djilberung
förperlidjer ©djönJ^eiten fo gefliffentlid) enthält, non bem mir faum
einmal im Sßorbetget)cn erfahren, baf Helena roetjje 2lrme') unb
20 fd)öne3 £aar-) gehabt; eben ber £tdjter roetfj bem ofmgeadjtet tm§
non iljrer ©djönljeit einen Segriff §u madjen, ber alleö meit über--
fteiget, roa§ bie $unft in biefer äl&fidji ju leiften im ©taube ift.
Man erinnere fid) ber ©teile, roo Helena in bie SSerfammtung
ber 9(ltcften be§ trojanifdjen SoHeS tritt. £>ie eljrmürbigen ©reife
25 feljen fie, unb einer fprad) ju ben anbem:3)
Ov v£[iS6LS, TQcöag %al ivyivrjfiidag 'Axuiovg
ToifjS' afitpi yvvaivX nolvv %qovov i'dysa "kclg^hv'
Aivüg ec&avdz'ßOL, Q'eyg stg chna tomtv.
2Baö fann eine lebhaftere $bee non <5d)önl)dt gemalten, alz ba§
30 falte Sllter fie be§ Krieges mol)l mert erlernten laffen, ber fo oiel
Slut unb fo niele frönen foftet?
■°) Eixövss §. 3. T. II. p. 461. Edit. Keitz.
") Iliad. F. v. 121.
2) Ibid. v. 319.
05 3) Ibid. v. 156—58.
1. ^antljea, eine fd)öne Smtpntäerirt, bie Geliebte beo Saifers S:::iu3 SBeruö.
128 «oohoott xxi.
28as §omer nidfjt nad) feinen SBeftanbteilen beschreiben tonnte,
Iäf$t er un§ in feiner Söirfimg ernennen. Sftalet un§, SDidjter, ba§
SEßoljlgefatten, bie 3uneigung, bie Siebe, ba§ ©nijjüden, roe(cr)e§ bie
3d)ön()eit oerurfadjct, nnb iljr r)abt bie ©djönfyeü felbft gemalet,
üfikr f'ann fid) ben geliebten ©egenftanb ber (Sappljo, bei beffen 5
©rblidung fie ©inne unb ©ebanfen gu »erlteren befennet, alsL
jjäfjlidfj beuten? 2öer glaubt nidjt bie fdjönfte, oollfommenfte ©e=
ftalt ju fetjen, fobalb er mit bem ©efüljle franpatljifteret, weld)e§
nur eine foldje ©eftalt erregen fann? 9cicr;t roeil un§ Doib im
fdjönen Körper feiner SeSbia Steil oor Seil geiget: 10
Quos hunieros, quales vidi tetigique lacertos!
Forma papillärem quam fuit apta premi!
Quam castigato planus sub pectore venter:
Quantum et quäle latus! quam juvenile femur!
fonbern roeil er e§ mit ber roollüftigen Sruntenljeit trjut, nad) ber 15
unfere Sermfudjt fo leicht 3U enoeden ift, glauben mir d>m be§
2tnblide§ §u genießen, ben er genof;.
(Sin anbrer 2öeg, auf roeldjem bie s}>oefte bie &unft in <3d)il=
berung förperlidjer Sdjüntjeit micberum einholet, ift biefer, baf? fie
<2d)önl)eit in Steig oenoanbelt. Steig ift Sdjönfjeit in ^Bewegung, 20
unb eben barum bem sDtaler weniger bequem al3 bem Siebter,
©er SJcaler tann bie ^Bewegung nur erraten laffen, in ber %fyat
aber finb feine Figuren olme SSeroegung. ^olglid) wirb ber 9tei§
bei il)m jur örimaffe. Slber in ber ^ßoefie bleibt er maß er ift:
ein tranfitorifdjeS ©d)öne§, ba§ mir roiebert)olt gu feigen roünfdjen. 25
(iö tömmt unb ger)t; unb ba mir un§ überhaupt einer ^Bewegung
leidjter unb lebhafter erinnern tonnen, als bloßer formen ober
färben: fo mufj ber 9tet3 in bem namlidjen 33ert)tiltniffe ftärfer
auf uns nnrten, al§ bie ©djönljeit. 2tlle§ toas nod) in bem ©e=
mälbe ber 9(lcina gefällt unb rühret, ift Steig. S)er ©inbrud, ben 30
il)re klugen machen, tömmt nidjt baljer, baf; fie fd;mar§ unb feurig
finb, fonbern batjer, bajj fie,
Pietosi ä riguardai'e , ä mover parchi,
5 f. yiad) bem ^ropment einer Dbe ber <Say.pf)o, roorin fie ifjre ©mpftnbungen beim
Slnblict beS Oeliebtcn in ber beseidmeten SBetfe fd)ilbcrt. — ID. £e§bia, D»ib nennt
feine ©eliebte nuht x'eobia, wie ßeffing au§ SBerfefjen fdireibt, fonbern (iorinna. SeSbia
ijiefi bie ©eließte bei (fatull. — 20. 9teij ift ©djönöeit in SJemegung; biefe Definition
beo Sfteijei rüfjrt »on bem ©nglänbcr §ome I;er nnb fanb i£)re 2luobübimg in ber Stftbetif
SitiiUerS. — 23 f. (yotglid; wirb ... wir ©rimaffe. ®iefc Sdtffnffung ift eine Äon«
fequenj non ber im VH. Stbfdnütt bargelegten Verwerfung be§ Sranfitorifdjen in ber
«unft.
«ctohoon XXL 129
mit ^otbfeftgfett um ftdj bilden, unb fidj (angfam breljen, bafj
2fmor fie umflattert unb feinen ganzen Äöcfjer au§ ifjnen abfdjiefjt.
$ljr 9}iunb entlüdet, nid)t toeil pon eigentümlidjen 8innober be=
bedte Sippen groei Steigen auöerlefener perlen perfdjliefjen; fonbevn
5 roetf l)ier basl lieblidje Sädjetn gebtfbet roirb, ipeldjeg, für fid;
fdjon, ein ^arabieS auf ©rben eröffnet; roeil er e§ tft, au§ bem
bie freunblidjen 2Borte tönen, bte jebeS raufye ^ter§ erroeidjen.
SJjr SBufen bezaubert, weniger roett Wdd) unb §elfenbein unb
SCpfet, unö feine üEBeifje unb niebftdje $igur porbitben, als uiel=
10 me()r weit mir ib,n fanft auf unb nieber matten fefyen, roie bie
Sßefl'en am äufjerften Staube beS Ufer§, tpenn ein fpielenber 3epf)nr
bie <2ee beftreitet:
Due pome acerbe, e pur d1 avorio fatte,
Vengono e Tan, corae oncla al primo inargo,
15 Quando piacevole aura il mar combatte.
$>d) bin perftdjert, bafj lauter foldje 3tige be3 Steiget in eine ober
groei ©tanken gufammengebränget, roett mefyr tlnm roürben, at§
bie fünfe äffe, in roeldje fie 9lrioft jerftreuet unb mit falten Bügen
ber fdjönen $orm, niel §u geteert für unfere ©mpftnbungen, burd^
20 floaten Ijat
©elbft SXnatreon tpoffte lieber in bie anfdjetnenbe llnfdjid=
Udjfeit perfallen, eine Unttmlidjfeit pou bem SRaler ju perlangen,
al§ ba§ Söitb feines 5Räbd;en§ nidjt mit Steij beteben.
TQvyeQOv d' toco ysvsiov,
25 IJtQL Xvydtvcp XQa%i']Xcp
Ä'aQiTtg TibTOivxo Tiäoai.
£)Ijr fanfteö $mn, befielt er bem $ünftler, tfyren marmornen
9taden laf$ äffe ©rajien umflattern! 2öie ba§? %lad) bem ge=
naueftcn Sföortoerftanbe? 25er ift feiner malerifdjen 2(u§füf)rung
30 fäljig. ©er 9)iater fonnte bem $inne bie fdjönfte ^ünbung, ba§
fdjönfte ©rubren, Amoris digitulo impressum, (benn ba§ l'aay
fdjeinet nur ein ©rübdjen anbeuten §u motten) — er fonnte bem
£>alfe bie fdjönfte $arnation geben; aber weiter fonnte er nidjtS.
©ie äßenbungen biefeS fdjönen £>atfe§, ba§ <5piel ber 9Jiu3feln,
35 burd) baö jenes ©rübdjen balb meb,r balb roeniger fidjtbar roirb,
ber eigentlidje ^eij, roar über feine Gräfte, ©er ©tdjter fagte
31. Amoris digitulo impressura, ein Gitat au% 35arro, erhalten 6ei 5Joiüii'j
<S. 135,24. — .".3 ßarnation; t)eute ge&räucfitidjer Snfarnat.
2e(fing3 SSerfe 0. 9
130 fiooboon XXII.
ba§ ^jödjfte, moburd) un§ feine $unft bie ©djönrjeit finnlid) 31t
madjen öermag, barmt aud) her Dealer ben tjödjften 2lu3brud in
feiner .Üunft fudjen möge. Gin neues 33eifpiel 51t ber obigen 2tn=
merfithg, baf$ ber SDtdjter, and) roenn er »on Kunftraerfen rebet,
bennod) nidjt uerbunben ift, . fid) mit feiner 33efd)reibung in ben 5
©djranfen ber ^unft 51t galten.
XXII.
3eiii'iS malte eine Helena, unb l)atte bas ^erj, jene berühmte
feilen be§ §omer§, in meldjcn bie entjüd'ten ©reife ifjre @mpfin=
bung benennen, baruntcr 31t fernen. 9tie finb Malerei unb ^3oefie 10
in einen gleidjern 2Bettftreit gesogen morben. ©er Sieg blieb un=
entfdjieben, unb beibe oerbienten gefrönet 511 werben.
Senn fo roie ber roetfe Siebter un§ bie ©djönrjett, bie er
nad) tfjreit 33eftanbteilen nidjt fdjilbem 511 fönnen füllte, btofs in
iljrer SÖirfung geigte: fo geigte ber nidjt minber roetfe WuiUx un§ 15
bie ©cfjönfyeit nad) nid)t§ atö itjrcn 33eftanbteilen, unb f)ielt e§
feiner Munft für unanftähbtg, 311 irgenb einem anbern Hilfsmittel
Bufludjt 31t nehmen, ©ein ©emülbe beftanb aus ber einzigen
A-igur ber Helena, bie nadenb boftanb. ©enn e§ ift tr>al)rfd)cin=
lief), baft eS eben bie Helena mar, inelcfje er für bie 31t Grotona 20
malte. ')
9)ian nergfeidje hiermit, ÜE3unber§ Ijalber, ba§ ©emtilbe, roeldjeS
(Sai)Ius bem neuem ^ünftler du§ jenen feilen be§ §otner§ uor=
3etdjnet: „§elena, mit einem roeifen ©djfeier bebed't, erf feinet
mitten unter uerfdjiebenen alten Scannern, in bereit Qafy fidj aud; 25
$riamu§ befinbet, ber an ben ßeicfjen feiner föniglidien ÜJSürbe
31t erlennen ift. ©er Strtift mufi ftd) befonberS angelegen fein
l äffen, uns ben SCriumpl) ber ©cfjönijeit in ben gierigen SBficfen
unb in alten ben Säuberungen einer ftaunenben Serounberung auf
ben ©efidjtem biefer falten ©reife, empfinben 31t laffen. £>ie 30
©cene ift über einem oon ben STrjoren ber ©tobt. £>ie Vertiefung
') Yul. Maximus lib, III. oap. 7. Dionysius Halicariiass. Art. Rhet. cap. 1'2.
rrtnl /.oyiiiv i^stdasia;.
8. 3cujiä, befanutlid) einer ber Berü^mteftett SKale* be§ ältertumo, lebte gegen
Gnbc beö 5. unb Stnfong be§ 4. 3af;rt). o. G(jr. — ba3 ^erj, b. f). ben 3But, tuie oben
©. 107, 12. — 14. fd)ilbern ju fönnen füllte: bie gleite Sonftnittion tuie oben
S. 123, L4 bei jetgen unb beroeifen. — 20. Grotona, bie Stabt ßroton in Unteritaücn;
nad) I'lin N. HC. XXXV, 64 befanb fid; biefe ,§elena in Slgrigent. — 31. Vertiefung,
Ijeute geioölmlid; „.vuutergnmb" genannt.
faokomt xxii. 131
be§ ©emälbeö lärm fid) in ben freien .fummel ober gegen r)ö^ere
©ebäube bcr ©tabt nerliercn; jenes mürbe füfjner (offen, eines
aber ift fo fdjitflidj mie baS anbere/'
•jftan benfe ftd) biefes ©emälbe oon bem größten SUleifter
5 unfrer 3ett auSgcfüfyret, unb fteffe eS gegen baS 2Berf beS 3eur.iS.
9Betd;e§ roirb ben maljren £riumpt) ber ©djönljeit geigen? 25tefe§,
mo idj ityn felbft füfjle, ober jeneö, mo idj ibm aus ben ©rimaffen
gerührter ©raubärte fdjliefjen fott? Turpe senilis amor; ein
gieriger 93lid madjt ba§ efyrnntrbigfte ©efidjt läd^erticr), unb ein
10 ©reis ber jugenblidje 23egierben »errät, ift fogar ein efler ©egem
ftanb. S)en rjomerifdjen ©reifen ift biefer 23ormurf nidjt gu madjen;
beim ber SCffeft ben fie empfinben, ift ein augenblidlidjer $unfe,
ben iljre äßeiSljett fogleia) erftid't; nur beftimmt, ber JQztma @l)re
gu madjen, aber ntdjt, fie felbft 51t fdjänben. ©ie benennen ttjr
15 ©efüfyl, unb fügen fogleid; fjingu:
'Jllu Kcd 10g, roirj 7ttQ sova' , Iv vr]vai vttG&co,
Mt]S' r}[iiv tfnitßCL r' Ötci60co 7tfjuo: Xitioito.
Dirne biefen ©ntfdjlufj mären es alte ©ede; untren fie baS, mag
fie in bem ©emälbe bc§ Capitis erfdjeinen. Unb worauf ridjten
20 fie beim ba iljre gierigen 33lid'e? Stuf eine tiermummte, t>er=
fdjleierte ^igur. 3)aS ift Helena? GS ift mir unbegreiflich, mie
üjr Capitis l)ier f)at ben ©dreier laffen fönnen. 3mar Konter
giebt il)r benfelben attSbrüdlid):
Avxi-Acc 8' aQytvvjJGi y.alvipafitvi] 6&6vrj6iv
25 ^Slg^äz' eu d-cdd^ioLO — —
aber, um über bie ©trafen bamit gu gefjen; unb menn audj fdmn
bei irmt bie Sllten i^re S3ennmberitng geigen, nodj elje fie ben
©dreier roieber abgenommen ober gurüdgeroorfen gu Ijaben fdjeinet,
fo mar e§ nid)t baS erftemal, ba| fie bie 3t(ten faljen; ifyr 33e=
30 fenntnis burfte alfo nidjt aus bem itjigen attgenblidlid)en 2(n=
fdjauen entfielen, fonbern fie fonnten fdjon oft empfunben r)aben,
roaS fie 31t empfinben, bei biefer ©elegenbjeit nur gum erftenmal
betannten. $n bem ©emälbe finbet fo etmaS nidji ftatt. SGBenn
idj bjier entgüdte 2llte felje, fo roift idj aud) gttgleid) feljen, maS
35 fie in Gntgüdung fe|t; unb id? merbe äufierft betroffen, menn id;
weiter nidjts, als, mie gefagt, eine vermummte, uerfdjleierte #igur
8. Turpe senilis amor, tSitat aus Ovid. Amor. 1,0,4.
9*
132 ffaokoon XXU.
roaljrneljme, bie fte Brunftig angaffen. 2Öas Ijat biefes ©ing
oon ber Helena? i^fyren weisen ©dreier, unb etroas uon tr)rem
proportionierten Umriffc, fo roeit Hinriß unter ©eroänbern fidjt=
bar werben fann. ©od) inelleidjt war es aud) bes ©rafen 9ftei=
nung nidjt, bafj irjr ©efidjt uerbed't fein feilte, unb er nennet 5
ben ©djleter blofs als ein <5tüd iljreä Stnjugee. Sft biefeS
(feine Söorte finb einer foldjen 2luölegung groar nidjt rooljl f är)ig :
H61ene couverte dun voile blanc), fo entfielet eine anbere 3Ser=
untnberung bei mir; er empfiehlt bem Slrtiften fo forgfältig ben
3lusbrutf* auf ben ©eftdjtem ber Otiten; nur über bie ©djönljeit 10
in bem ©eftdjte ber £>elcna nerliert er fein 28ort. ©iefe fittfame
Gdjünljeit, im 9(uge ben feudjtcn (Sdjtmmer einer reuenben 3M)räne,
furdjtfam fid; näfyemb — üBie? £>ft bie l)üd)fte ©djönfyeit unfern
Münftlem fo etroas geläufiges , bafj fie aud) nidjt baran erinnert
gu werben brausen? Dber ift 9lusbrud mel)r als ©djünfyeit? 15
Unb finb mir aud; in ©emälben fdjon geroofmt, fo rote auf ber
Süljne, bie rjäfjlidjfte Sdjaufpielerin für eine enigütfenbe s^rin=
geffin gelten gu laffen, roenn iljr ^rinj nur redjt manne Siebe
gegen fie gu empfinben äufjert?
$n 3Bal)rl)eit; bas" ©emälbe bes Gatjlus mürbe fid; gegen 20
bas ©emätbe bes Beurte, mie Pantomime gur crljabenften ^oefie
nerl)alten.
£)omer roarb nor 2(lters oljnftreitig fleifjigcr gelcfen, als Ü5t.
Tennodi finbet man fo gar nielcr ©emälbe nidjt erroäljnet, roeldje
bie alten .Uünftler aus ir)m gebogen Ijätten.2) 9air ben #ingcr- 25
geig be§ ©idjter§ auf befonbere förperlidje Sdjönljeiten, fdjeinen
fie fleifng genutzt 511 rjaben; biefe malten fie; unb in biefen ©egen=
ftänben füllten fie rootjl, mar e§ ifjnen allein vergönnet, mit bem
£>id)ter metteifern gu mollcn. ^tufjer ber Helena, l)atte 3eur.is>
aud) bie ^cnelope gemalt; unb be§ 9tpellcS ©iana mar bie fjome= 30
rifdjc in Begleitung iljrer 9tympljen. 23et biefer ©elegenljeit roill
idj erinnern, bafj bie ©teile be§ sJ>liniu§, in roeldjer von ber
letztem bie 9tebe ift, einer 2Jerbefferung bebarf.3) £>anblungen
"i l'.il.ricii Biblioth Graec Lib. II. cap. 6. p. 845.
■i ißliniuS fagt oon bem SlpeHeä: (Libr. XXXV. sect. 36. p. 69?. Edit. Hard.) ;;s
Fecil ei Dianam sacrificantium virginurn choro mixtum: quibus vicisse Hoincii
20 ff. Jen Ülotnent, wo Helena vov ben trojaiüfchen ©reifen auf ber Stauet erfdicint,
ftcllt eine ©Kjge von Garftene oor, in beffen SBerfen &erau§g. v. 2B. SDlüHer it. §. SRiegel,
i, l'T. — 24 f. S>ie ©inroürfe, roel^e Jt(o| hiergegen in feiner Schrift über bie gefdjmtte»
neu Steine nemncfjt l)ntte, liitt Sefftng in ben erften ber antiquarifd;en Briefe jiiriirf-
gcroieien, m. m. f.
ffiaohoon XXII. 133
aber attö bem Corner 51t malen, Mof} weil fie eine reiche $om=
uofition, uorjüglidje Kontrafte, fünftlidje 33e(eud;tungen barbieten,
fdjien bev alten SCrtiften U)r ©efdjmad nidjt ju fein; unb tonnte
e§ nidjt fein, fo lanqz fid; nodj bie $unft in ben engem ©renken
5 versus videtur id ipsum deseribentis. 91id)t3 fann roabrcr, a(§ biefer Sobfprud) ge=
roefen fein. Schotte Sinmpljen um eine fcfjöne ©ättin f;er, bie mit ber gangen majeftätifdjen
©tirne über fie hervorragt, finb jreilid) ein SSorrourf, ber ber iUalerei angemeffener ift,
als ber S)*oefie. Sa3 sacriticantium nur, ift mir böd)fi oerbäditig. 3Ba3 mad)t bie ©öttin
unter opfernben Jungfrauen? Unb ift biefeS bie S3efd)äftigung, bie £omer ben ©efpielinnen
10 ber SMana giebt? 331it nid)ten; fie burd)ftreifen mit ib,r iöerge nnb 2Bälber, fie jagen, fie
fpielen, fie tansen (Odyss. Z. v. 102 — 106.):
O't'ij d' "/p-ff,«(,' lioi y.at' ovqco; io/taiQa
*H y.utü Tiföyttov rttoiiiiy/.ituv , t) 'lwu/.iar9uv
TsQ7to/uevt] y.änQoioi y.at dxsitjg iXäipoiac
15 Tji di 9' üfia Nöf-ttpat, y.oÜQai 4tb; yiiytö/oio,
ldy(iov6/itoi nai^ovai' ■ —
Spitniu? roirb alfo nidjt sacrificantium , er roirb venantium ober etroa3 äljn£td)e§ ge*
fdjrieben fjaben; »ieUcidjt sylvis vagantium, roeld)e SSerbefferung bie Slnjafjl ber oer=
änberten S3iid)ftabeu ofjngefäljr bätte. Sern nuuurm. beim §omer roürbe saltantium
20 am nädjften fommen, unb aud) SBirgil läfjt in feiner 9Iad)af)tnung biefer ©teile, bie Diana
mit ifjren SJnmpfjen tanäen: (Aeneid. I. v. 4SJ7. 98.)
Qualis in Eurotae ripis, aut per juga Cynthi
Exercet Diana choros — —
gpence l)at tjierbei einen feltfameu (SinfaH: (I'olymetis Dial. VIII. p. 102.) This Diana,
25 faßt er, both in the picture and in tlie descriptions, was the Diana Venatrix:
tho' she was not represented either by Virgil, or Apelles, or Homer, as hunting
with her Nymphs; but as eniployed witli them in that sort of dances, which of
old were regarded as very solemn acts of devotion. Jn einer 9lnmerfung fügt er
fjirtjlt: The expression of TtBtiLEtv, used by Homer on this occasion, is scarce
30 proper for hunting; as that of, Choros exercere , in Virgil, should be understood
of the religious dances of old, because dancing, in the old Roman idea of it,
was indecent even for men, in public; unless it were the sort of dances used in
Honour of Mars, or Bacchus, or some other of their gods. ©pence null nämlid)
jene feierlidje £änse oerftanben roiffen, roeldje bei ben 2llten mit unter bie gottcsbienft=
35 lidjen ,§anblungen gereäjnet rourben. Unb bab,er, meinet er, braud)e beim aud) ^liniuä
ba§ 2ßort sacrificare: It is in consequence of this that Pliny, in speaking of
Diana's Nymphs on this very occasion, uses the word, sacrificare, of them ; which
qiiite determines these dances of theirs to have been of the religious kind. (är
»ergibt, baf; bei bem SSirgil bie Diana felbft mit tanjet: exercet Diana choros. ©oüte
40 nun biefer lanj ein gotte$bienftlid)er San? fein: ju treffen 23erebrung tanjte ifm bie
Diana? Qu Ujrer eignen? Dber jur Screening einer anbern ©ottljeit? Söeibe<3 ift roibers
finnig. Unb roenn bie alten 9iömer ba§ Jausen überhaupt einer ernftljaften 5f5crfon nid)t
für febr anftänbig hielten, mufjten barum iljre Did)ter bie ©rairität ibreö SMfeS aud) in
bie Sitten ber ©ötter übertragen, bie oon ben altern gried)ifd)en Didjtern ganj anber3
45 feftgefeljet roaren? SBenn .§oras uon ber SBenus fagt: (Od. IV. lib. I.)
Iam Cytherea choros ducit Venus , imminente luna :
Iunctaeque Nymphis (iratiae decentes
Alterno terram quatiunt pede
roaren bie§ aud) Ijeüige gottecbienftlidje Sänse? Ja) rerliere ju oiel SBorte über eine
50 fotd)e ©rille.
17 ff. Unter ben jaf)(reid)en , aud) neuevbingQ »erfuditen Crtlärungen ober 3Serbeffe=
rungen biefer Stelle empfieblt fidj am meiften bie ron M. SDilttjer» gegebene, roonad) ba*
sacriticantium bei $liniu§ ein sJJli§uerftänbni§ be§ in feiner griedjifdjen Duelle fte^enben
2lu§brucfä th'mvaat roäre, roeldies in biefem gälte nid)t „opfernbe", fonbern „babin^
ftürmenbe" bebeutete. Dann fdjliefjt fid) bas 33tlb eng an bie l)omerifd)e ©d)ilbcrung an.
134 ffookoon XXil
iljrer Ijödjften Sefttmntung Ijielt. Sie nährten ftdj bafür mit bem
©eifte beS SDid;terö; fte füllten ib,re @in&tlbung§fraft mit feinen
erljabenften „Bügen; baS Jeuer feines ßntljufiaSmuS entflammte
ben irrigen; fte fallen unb empfanben rote er: unb fo mürben
iljre 2Berfe Slbbrüde ber rjomerif djen, nitfjt in bem 3>erf)ältniffe 5
eines Porträts gu feinem Originale, fonbem in bem ä>crl)öttniffe
cine§ <3ol)neS gu feinem SSater; äljnlidj aber uerf Rieben. 2)ie
Slljnlidjfett liegt öfters nur in einem einzigen „Buge; bie übrigen
ailt Ijaben unter fidj nidjtS gleidjeS, als baf? fie mit bem äi)it=
tidjcn 3uge wt bem einen foroof)l at§ in bem anbern Ijarmonieren. 10
£)a übrigen^ bie Ijomcrifdjen sDieifterftüde ber ^ßoefie älter
waren, als irgenb ein 9Jleifterftücf ber M'uitft, ba isomer bie
9tatur el)er mit einem malerifdjen 3luge betrachtet blatte als ein
^tyibiaS unb 2lpelleS: fo ift es nidjt gu uerunmbern, bafj bie
Slrtiften uerfdjiebne, tfmen befonberS nütjlidje SBemerfungen, er)e 15
fie ,3eit Rotten, fte in ber 9iatur felbft 51t mausen, fdjon bei bem
$otner gemadjt fanben, mo fte biefelben begierig ergriffen, um
burd) ben £omer bie 9?atur nadjguaf)men. $f)tbia§ befannte, bafj
bie feilen:4)
'H, Y.al %vavet]Oiv in' öcppi'fft vsvge KqovCcov 20
'JfißQOOiou d' &Qa %<xiT<xi in&QQÖjoavro avcc-Azoq,
ÄQctzbz an' a&ccvdzoio' {isyuv 8 IXiXi'^tv "Olv[inov
ilnn bei feinem olumpifdien Jupiter gum ^orbilbe gebienet, unb
bafj ilmt nur burd; ifyre §ilfe ein göttliches iHntlit}, propemoduin
ex ipso eoelo petitum, gelungen fei. 2Bem biefeS nid)tS mefjr 25
gefagt l)eif$t, als bafj bie ^antafie beS ^ünftlerS burd; baS er=
()abcne 33ilb beS SDidjterS befeuert, unb eben fo erhabener $or=
ftelfungen fätjig gemadjt morben, ber, bünft mid), überfielt baS
9Befentlid)fte, unb begnügt fidj mit etroaS gang allgemeinem, mo
fid), 311 einer roeit grünblidjern SBefriebigung, ctmaS feljr fpcgtelleS so
angeben läf,t. So uiel id) urteile, befannte ^IjibiaS gugleid), bafj
er in biefer ©teile guerft bewerft fyabe, tüte uiel 2luSbrud in ben
Slugenbraunen liege, quanta pars animi5) fid) in ifyncn geige.
J) Iliud. ./. v. 528. Yulcrhis Maximus lib. III. cup 7.
) Plinius lil). X. sect. 51. p. 616. Bdit. Ward. 35
31 ff. 2>a3 S8erE)äItni'3 bev l)omerifd)en SSerfe jutn olnmpifdjen ^eiiy bei y,l)ibia<% ift in
tefcter 3eit Ijäufig befprodjen luorben, jebod) bcsftalb fcl;r fdnoer 511 fonftatieren, tueil ganj
autijcntifdK 91ad)Mloungen jenes geueibilbeä, auf)cr auf HOlünjen, nod) nicht nadigciuiefcn
finb. SSJaS ^f)ibia>3 uornebmlid} am jenen Serien entnahm, war tu 0 1)1 ber ©inbruef einer
in ibrer erhabenen Shiije bod) gewaltigen TOnjeftät. 3n ber [ebenfalls nad) *piiibia<-3 ent=
ffuofcoou XXII. 135
SStetfeidjt, bafj fie il)n aud) auf baö A>aar merjr %k\$ gu raenben
beroegte, um baö einigermaßen ausjubrücfeu, maß $omer ambro=
ftfdjeö £aar nennet. 3>enn eö ift genrifj, baf$ bie alten Äünftter
vor bem ^]l)ibiaö baö ©pred)enbe unb Sebeutenbe ber SDltenen
5 «jenig oerftanben, unb 6efonber§ baö $aar fefir vernadjläfftget
Ratten. 5ftodj SJtyron mar in beiben Stüden tabelrjaft, rote $tiniu§
anmerl't/0 unb nad) ebenbemfelben, mar sJ>t)tl)agoraö Seontinuö
ber erfte, ber fid) burdj ein jierlidjeö .£aar f)eruortr)at.7) 2öa§
^>f)ibiaö axi§ bem -ftomer lernte, lernten bie anbem Äünftler auö
10 ^\ Söerfen öeö "^fjibiaö.
$d) roill nod) ein 23eifpiel biefer 9lrt anführen, meldjeö mtdfj
alleseit fetjr vergnügt t)at. 9Jtan erinnere fid), maö .öogartl) über
ben Stpotlo ju SSeloebere anmerft.-) „Siefer 3lpoIlo, fagt er, unb
ber 2(ntinouö finb beibe in ebenbemfelben ^allafte 51t 9tom 311
15 feljen. 2Benn aber 2lntinou§ ben 3ufd)auer mit 33ermunberung
erfüllet, fo fe|et ifjn ber Apollo in (Srftaunen; unb §raar, mie fid)
bie Steifenben auöbrüden, burd) einen 2lnblid, roeldjer etroaö mein-
alö menfd)lid)eö jetget, meld)eö fie gemeiniglid) gar nidjt 311 be=
fd)reiben imftanbe finb. Unb biefe 2Birfung ift, fagen fie, um
20 befto beivunbernömürbiger, ba, roenn man eö unterfud)t, baö Un=
proportionierltdje barem aud) einem gemeinen 2(uge flar ift. ©iner
ber beften 33ilbl)auer, meiere mir in ©nglanb l)aben, ber nettlid)
barjttt reifete, biefe 53ilbftiule 31t feljen, bekräftigte mir baö, maö
itjo gefagt werben, befonberö, baf$ bie Jüfje unb ©djenfel, in
25 2lnfel)ung ber obern £eite, 311 lang unb 3U breit finb. Unb Slnbreaö
©acdji, einer ber größten Qtalienifdjen 9Jtater, fd)einet thtn biefer
Meinung gemefen 311 fein, fonft mürbe er fdjroerltdj (in einem
berühmten ©emälbe, meldjeö tijo in Gnglanb ift) feinem 2(polto,
"l Plinius üb. XXXIV. sect. 19. p. 051. Ipse tarnen corporum tenus curiosus,
30 aninii sensua nun expressisse videtur, capillum quoque et pubem non eniendatius
fecisse, quam rudis antiquitas instituisset.
') Ibid. Hie primus nervös et venas expressit, capilhimque diligentiua.
) 3er9l'eberun9 0«r ©c^öntteit. ©. 47. SBerl. 2Juäg.
ftanbenen 3eu>jma3fe oon Dtricott finb SUigenbraueu unb i^aare fid)erlid) im birefteu
.■jMnblicf auf ferner geftattet tuorben.
3 ff. 2)ie ältere Äunft beijanbelt bie £aare gan^ fd&cmattfdi unb orbnet fie fo regele
mäfjig an, u>ie ©etuanbfalten u. bgl. — ö. ÜKgron, ein etroas älterer Qeitgenoffe beS
^fnbiaö , gleich biefem ein Sdjüler be>3 ülgelabaä. — 7. $i)tfjagora§ aui 9if)egion,
»gl. oben ©. 19 3. !•. — 14. SUntinoue, ber fog. 2lntinou3 non Sklucbere ift ein
Öermes. — 24 f. bajj bie 'güfje ... ju lang unb 511 breit finb; biefe 33emerfung
ift burcfiauS rid;ttg ; bie uni'erhältmSmäfsige Sänge ber Seine follte jebenfaUQ ben (Sinbrucf
ber ©cfjlanföeit er^ö^en. — 25 f. atnbrea ©acdji, römifd)er Ulaler 1598— 1061.
136 «aokoon XXXI.
mie er ben 2onfünft(er SßaSquiftni frönet, ba3 oöttige 33etf)ältm§
be§ 2(nttnouö gegeben fyaben, ba er übrigens mirfTid; eine ^opie
non bem Stpotto 31t fein fd)einet. Db mir gleid) an fel)r großen
SEßerfen oft ferjen, bafj ein geringerer £etl au3 ber 2fd)t getaffen
roorben, fo fann biefcs bod) l)ier ber %all nicr)t fein. 2)enn an 5
einer fdiönen 33ilbfäule ift ein ridjtigeö SSerl)äItni§ eine non il)ren
mefentlidjen Schönheiten. S)al)er ift 51t fdilieften, ba£ biefe ©Heber
mit A"(eif5 muffen fein nerlängert morben, fonft mürbe e§ leidjt
I)aben tonnen uermieben roerben. Sßenn mir alfo bie ©d)önr)eiten
biefer $igur burd) unb burd) unterfudjen, fo werben mir mit 10
©runbe urteilen, bajs ba§, maS man biSljer für unbefdjreiblid) uor=
trefflid) an il)rem allgemeinen 2lnblicfe gehalten, tum bem l)er=
gerül)ret Ijat, ma§ ein %d)kx in einem Seite berfelben 3U fein
gefd)ienen." — 2UTe§ biefeS ift fel)r einteudjtenb ; unb fdjon Corner,
füge id) f^inju, r)at e§ empfunben unb angebeutet, bafj es> ein 15
erhabenes 2lnfeljen giebt, roeldjeS blofs auö biefem 3ufaije oon
©röf$e in ben 2lbmeffungen ber $üf$e unb Sdjenfel entfpringet.
®enn menn 2(ntenor bie ©eftalt be§ Uh)ffe3 mit ber be§ 9Jiene=
(au§ Dergleichen roill, fo ftrfjt er itjn fagen:8)
Exccvxtav (liv, Mtvilccog vTi£iQt%tv tvgiccg cöfiovg, 20
"J(xcpco 8' t&iitvco, ytQKQwxtQog rjev 'Oövcaevg.
,,2öann beibe ftanben, ragte 3Jtenelau§ mit ben breiten ©djuttern
l)odj rjeroor; mann aber beibe fafjen, mar Uhjffeg ber anfermlicfjere."
©a Uttjffeö alfo bas 2(nfel)en im ©t$en geroann, mcldjco 2Renetau§
im Sitjen oerlor, fo ift bas 9>erl)äitni3 leid)t 311 befrimmen, me(d)e§ 25
beiber Oberleib 311 ben $üfjen unb (Sdjenfeln gehabt. Muffes blatte
einen ,3ufat3 von ©röjje in ben Proportionen beS erftern, 9Jfene=
lau§ in ben Proportionen ber tetjtern.
*) Iliad. 1\ v, 210. 211.
1. 2Narc 2lnton Spasqualini (fo lautet ber 92ame ridjtig), päpfiliäjei: Sänger
aus bem Slnfang bei 17. Salirl). £>aä ber früher g-arnefifd)en (Sammlung angebörige ©e=
mälbe ftellt Slpollo bar, wie er ben £>od)mut beftrajt unb bas SJerbienft belohnt; es ift non
Strange geflogen. — 2 f. ba er übrigens ... ju fein fdjeinet; eine anbere .Kopie
bes belocberifdjcn Slpollo, an ber gleidjfalls bie Proportionen normal fiub, gab DiubenS in
einem feiner Silber aus bem Seben ber üJiaria non SJIebicis (im Sonore). — 17. 31 b =
meffungen; hierfür ift Ijeute bas $rembu>ort ,,£>imenfionen" allein iiblidt geioorbeu. —
26 ff. 2)ies cutfpridjt ber geiftigen Skbetttiing beiber SBiänncr; ber geiftig böber ftetjenbe
Dbgffeus mu|te im Sigen, n>o Sopf unb Cberleib metjr jur ©eltung famen, als ber be=
ieuteuberc erfdieinen.
ffiaohocm XXin. 137
XXIII.
Cin einziger, unfdjtcftid&er %t\t fann bie übereinftimmenbe 2Bir=
fung nieter gut ©cfjönljeit ftören. £>od) rairb ber ©egenfianb barum
nod) nidjt ^ä^ürf;. 9lud; bie £äf$Itd)feii erforbert mehrere unfd)id=
5 lidje ^Teite, bie mir ebenfalls auf einmal muffen überfein tonnen,
menn mir babei baS ©egentetf von bem empfinben fotlen, maS
uns bie <2rf)ön§eit empfinben läfjt.
©onadj mürbe aud) bie §äf$tidjfeit, ifjrem Sßefen nad), fein
SSorrourf ber ^oefie fein fünnen; unb bennod) r)at §omer bie
10 öufjerfte ^äfjtidjfeü in bem StjerfiteS gefdjübert, unb fie nadj tfjren
teilen neben einanber gefdjtlbert. Söarutn mar il)m bei ber $äj$=
Iid)feit vergönnet, maS er bei ber ©djönfjeit fo einftdjtSuoll fid)
felbft unterfagte? 9Sirb bie Sßirfung ber .JQäfjlidjfeit, burd) bie
aufeinanberfolgenbe (Enumeration it)rer Elemente, nidjt dm forooljl
15 geljinbert, als bie SBirfung ber ©djönljeit burdj bie äfmlidje ßnume=
ration tr)rer Elemente vereitelt mirb?
2lllerbingS mirb fie baS; aber l)ierin liegt and) bie sJted)t=
fertigung beS Römers. <Sbcn meil bie ^äjjücPeit in ber ©djik
berung beS ®id)terS 511 einer minber roiberroärtigen ß'rfdjeinung
20 fürperlidjer Unuollfommenfjeiten mirb, unb gleidjfam, non ber «Seite
iljrer üföirftmg, -Säfslidjfeit 51t fein aufhöret, mirb fie bem SHcfyter
brauchbar; unb roaS er oor fid) felbft nidjt nutzen fann, nuijt er
als ein ^ngrebienS, um geroiffe oermifdjte Gmpfinbungen fjernor=
jubringen unb 511 cerftärfen, mit meieren er uns, in Ermangelung
25 rein angenehmer ©mpfinbungen, unterl)alten muf$.
2)iefe uermifdjte ßmpfinbungen finb baS Säcfierlidje, unb baS
Sdjredlidje.
^omer madjt ben 3:l)erfiteS fjäfslicf), um il)n lädjerlid) ju
madjen. @r mirb aber ntcrjt burd) feine blofse .ftäfsüdjfeit lädjerlidj;
30 benn §ä^lid)feit ift Unnollfommenljeit, unb ju bem Sädjerlidjen
mirb ein ^ontraft non 3>ollfommenl)eiten unb Unüollfommentjeitcn
erfobert. ') 2>iefeS ift bie ©rflärung meines ^reunbeS, 311 ber id)
0 sp-bilof. SdEiriften beS £rn. 3)lofe3 ÜKenbelSfofin 2. II. S. 23.
2 ff. JEidttig für biefen unb bie folgenben Höfdjmtte ifi bas geiftreidje Surf) non 9iofcn=
Iran;, „Jlftbetif be§ ^äfjlk&en", Königsberg 1853. — 28—32. £ie hier angenommene £e=
finition iDlofes' ÜJicnbclSfohn* fd)Hefjt fid) an bie 2BoIf=23aumgartenfcbe QiftEjettf an , nach
welcher Schönheit bie finnlid) erfannte Übereinftimmung be-j 2Nannigfa[tigen jur (Sinbeit
ift, yäßlichfeit bie finnlid; erfannte Siichtübereinftimimmg be§ lTJannigfattigen jur (Jinhcit.
138 ffaokoon XXIII.
fjinjui'cfecn mödfjie, bajj btefcr .Hontraft nidjt gu fraß unb ju
fdmeibenb fein mufj, bafj bie Dppofiia, um in ber ©pradje ber
5Kater fortzufahren, non ber 2(rt fein muffen, bafj fie fid) in eins
anber yerfdnneljen (äffen. SDer meife unb recbtfdjaffene 2tfop roirb
baburd), baf? man itjm bie >>äf$lid)i'eit beö £b,erfite§ gegeben, nidjt 5
lüdjerlid). @g mar eine alberne SRöndjSfratje, ba3 rslolov feiner
le()rrcid)cn -äJtärdjen, nermittelft ber lingeftattb/it aud) in feine
^erfon verlegen 511 rooKen. ®enn ein mtf^gebilbeter Körper unb
eine fdjöne ©eete, finb rote DI unb Sfftg, bie roenn man fie fdjon
in einanber fdjlägt, für ben ©efdnnad bodj immer getrennet bleiben. 10
<5te geroäl)ren fein drittes ; ber Körper erroed't 3>erbrufj, bie ©eele
äöotylgefatten; jebe§ bcis feine für fid). 9atr roenn ber mifjgebtlbere
Körper gugleid) gebredjlid) unb iränf(id) iff, roenn er bie ©eele
in ibren SSirfungen fyinbert, roenn er bie Quelle nachteiliger 33or=
urteile gegen fie roirb: alsbenn fliegen 23erbruf} unb Söoblgefallen 15
in einanber; aber bie neue barau§ entfpringenbe (Srfdjeinung ift
nidjt Sadjen, fonbern ?JiitIeib, unb ber ©egenftanb, ben roir oljne
biefeS nur rjotfjgeadjtet Ijiitten, roirb intcreffant. ©er mifjgebUbete
gebredjlidje ^ope mufste feinen greunben roeit intereffanter fein,
aU ber fdjöne unb gefunbe 2Bid)eriep ben feinen. — ©0 roenig 20
aber £rjerfite§ burd) bie blofje §ä^Iid;t'eit ladjerud) roirb, ebenfo
roenig roürbe er es ol)ne biefelbe fein. 3>ie ^äfjlidjfeit, bie Über=
einftimmung biefer ^äfjlidjfeit mit feinem (Hjarafter; ber 9Biber=
fprudj, ben beibe mit ber $bee madjen, bie er non feiner eigenen
2i>id)tigfeit l)eget; bie unfdjäblidje, ibn aßein bemütigenbe 3Sirfung 25
feines boshaften ©efdnuäüeS : atteö muf} jufammen 51t biefem 3roe<fe
nrirfen. S)er letztere Umftanb ift ba§ Ov cp&aouKov, roeldjeS
3lriftotete§2) unutngänglicf) §u bem Sädjertidjen nerlanget; fo roie
eö aud) mein $reunb §u einer notroenbigen 33ebingung madjt, bajs
jener .Hontraft von feiner SEßidjttgfeit fein, unb un§ nid)t fefjr 30
intereffieren muffe. Senn man neunte awi) nur an, baf$ bem
£b,erfiteö felbft feine b/imifdje üßerfteinerung be§ 2(gamemnonö
-) De Poetica cap. V.
1. frall, ältere g-orm für „grell". — 4. 2ifop, ber befannte g-abelbidjter, lebte
roaljrfdjeinlidj um <'>oo — 550 t>. (itjr., ift aber ganj 311 einer fageufyaften ^erfimlidifeit ge=
roorben, unb fo beruht aud) bie Slngabe, bafj er budlig unb jtoerfllaft geroefeu fei, auf
fpätercr ISrfinbung. — <;. HDlöndiof rafce, b. b,. eine auf llnimffenbeit beruljcnbe $offe.
2)!it ben üHündjcn bat bie Sadjt nidjts 511 tl>un, ba bie ©rfinbung bereits im Mltertum
entftanb; „möndufdi" bebeutet, „abgefdunaeft". fjrafce für Sfoffe, Unfiun fommt aud; fonft
uor. — li». ^ope mar, roie 2tfop, budlig. — 20. SB Uli am SBtjdjerlei; (fo lautet ber
SJame ridjtig) mar ein engtifcfyer 2uftfptelbid}ter 001t fefyr lodern Sitten 1640—1715.
«aokoon XXIII. 139
teurer 31t fiebert gekommen märe, baf$ er fie, anftatt mit ein paar
blutigen ©djroielen, mit bem Seben bellen muffen: unb mir
mürben aufhören über Um ju lachen, Senn biefeö ©d^eufal uon
einem sDienfd)en ift bod) ein SDtenfd), beffen SBernidjtung uns ftetS
5 ein größeres Übel fdjeinet, als alle feine ©ebredjen unb Safter.
Um bie Grfaljrung Ijieruon 31t madjen, lefe man fein @nbe bei bem
QutntuS ßala&er.3) StdjilleS bebauet* bie sl>ent(jefilea getötet 51t
Ijaben: bie ©djönljett in ifjrem 23tute, fo tapfer uergoffen, fobert
bie ^odjadjtung unb baS -Diitleib beS gelben; unb ^odjadjtung
10 unb 9CRitteib werben Siebe. 216er ber fdmiäl)füd)tige SljerfiteS
madjt Ujtn biefe Siebe 31t einem Sßer&redjen. Gr eifert miber bie
Sßottuft, bie audj ben maderften 9Kann 31t Unfinnigfeiten verleite,
— — — Tqx' acpQOva epüza Ti&i]ßi
Kai TtlVVXOV TtiQ sovzcc. — — — —
15 2(d)üteS ergrimmt, unb ol)nc ein Söort 311 oerf eisen, fdjlägt er if)n
fo unfanft §roifcfjcn ^8aä unb Dljr, baf$ il)in Bäfnte, unb SSlut
unb ©eele mit eins aus bem §alfe ftürgen. 3» graufam! £>er
jad^ornige mörbrifdje 2(d)illeS wirb mir uerljafjter, als ber tüdifdje
fnurrenbe £l)erfiteS; ba§ g-reubengefdjrei, meldjeS bie ©rieben über
20 biefe Xl)at ergeben, beleibiget mid§; iä) trete auf bie Seite beS
3)iomebe§, ber fdjon bas> ©djroert gucfet, feinen 2tnüem>anbten an
bem 9)törber 311 rädjen: benn idj empfinbe eS, bafj jEfyerfiteS aud)
mein Slnuerroanbter ift, ein 9Jlenfd§.
©efetjt aber gar, bie Sserljetmngen beS £Ijerfite§ mären in
25 Meuterei ausgebrochen, ba§ aufrürjrerifdje 95oH märe roirflid) 31t
©cfjiffe gegangen unb fjätte feine §eerfür)rer uerräterifd; §urüc&=
getaffen, bie §eerfüljrer mären tjier einem radjfüdjtigen $einbe in
bie £>änbe gefallen, unb bort Ijätte ein göttliches ©trafgeridjte über
flotte unb Sßotf ein gänsIidjeS 93erberben »ergangen: mie mürbe
30 un§ alsbenn bie £äf5lidjfeit beS ^IjerfiteS erfdjeinen? 2Benn un-
fd)äblid)e ^äfjlidjteit lädjerlidj werben tann, fo ift fdjäblidje $ä$--
Itdjfett attegeit fdjred'lid). ^d; roeifs biefeS nidjt beffer 31t erläutern,
als mit ein ^?aar vortrefflichen ©teilen beS ©b/rfefpear. Gbmunb,
ber 33aftarb beS ©rafen oon ©lofter, im Äönig Sear, ift fein
35 3) Paralipom. lib. I. v. 720— 77."..
18. jacfisorntg, für jäljjornig, rote l)äufig jatf) für jäl). — 21. feinen 3tnoer =
wanbten; ber Sage naa) ift DineuS, ber ©rofjoater be§ SDiontebeä, ©ruber non be3
SE^erftteS SSater 2lgrio3.
140 Caokoon xxni.
geringerer 23öfennd)t, alö 9itcr)arb, -^erjog oon ©tocefter, ber fid)
burd) bic abfd)eulid)ften 93erbred)en ben 3Beg jum ÜEljrone bahnte,
bert er unter bem 9iamen 9ftd)arb ber ^Dritte beftieg. 2lber rate
fömmt e§, bajs jener bei roeitem nid)t fo tuet ©djaubern unb @nt=
fetjen erroecfet, a(§ biefer? SOSenn id) ben Saftarb jagen tjöre:4) 5
Thou, Nature, art niy Goddess, to thy Law
My Services are bound; wherefore should I
Stand in the Plage of Custom, and permit
The curtesie of Nations to deprive me,
For that I am some twelve, or fourteen Moonshines 10
Lag of a Brother? Why Bastard? wherefore base?
When niy dimensions are as well compact,
My Mind as gen'rous, and my shape as true
As honest Madam's Issue? Why brand they thus
With base? with baseness? bastardy, base? base? 15
Who, in the lusty stealth of Nature, take
More composition and fierce quality,
Than doth, within a dull, stale, tired Bed,
Go to creating a whole tribe of Fops,
Got 'tween a-sleap and wake? 20
fo Jjöre id) einen Teufel, aber id) fefye ifyn in ber ©eftalt eine§
©ngetS be§ 2id)l§. §öre id} hingegen ben ©rafen r>on ©tocefter
fagen:5)
But I, that am not shap'd for sportive Tricks,
Nor made to court an am'rous looking-glass, 25
I, that am rudely stampt, and want Love's Majesty,
To strut before a wanton ambling Nynrph;
I, that am curtaü'd of this faire proportion,
Cheated of feature by dissembling nature,
Deform'd, unfinish'd, sent before my time 30
Into this breathing world, scarce half made up,
And that so lamely and unfashionably,
That dogs bark at me, as I halt by them:
Why I (in this weak piping time of Peace)
Have no delight to pass away the time; 35
Unless to spy my shadow in the sun,
And descant on mine own Deformity.
«) King Lear Act. I. Sc. II.
■'■) The Life and Death of Richard 111. Art. I. Sc. t.
Caokoott xxiv. 141
And therefore, since I cannot prove a Lover,
To entertain these fair well-spoken days,
I am determined, to prove a Villain!
fo l)öre id; einen Teufel, unb felje einen Teufel; in einer ©eftalt,
5 bie ber Teufel attetn Ijaben fottte.
XXIV.
(So nutjt ber ©id)ter bie §äf5lid)feit ber formen: roeldjen
©ebraud) ift bem 9Jkler baoon 31t madjen uergönnet?
2)ie 9Jialerei, al§ nadjaljmenbe ^ertigfeit, fann bie §äf5lid)=
io feit auSbrüd'en: bie "Dialcrei, als fdjöne ^unft, null fie nid)t au§>-
brüden. 21(3 jener, gehören i^r äffe fidjtbare ©egenftänbe gu: als
biefe, fdjlie^t fie fid) nur auf bie jenigen ftdjtbaren ©egenftänbe
ein, roeldje angenehme ßmpfinbungen ermeden.
2tber gefallen nid)t aud) bie unangenehmen (Smpftnbungen in
15 ber ^adjalpnung? 9ftd)t alle, ©in fdjarffinniger ^unftridjter1)
t)at biefes bereits tton bem ©fei bemerft. „©ie üBorftettungen ber
§urd)t, fagt er, ber Sraurigfeit, beS <5d)redenS, beS 9JlitIetbe§ u. f. m.
formen nur Unluft erregen, in fo weit mir baS Übel für roirflid;
galten, ©tefe fönnen alfo burd) bie (Erinnerung, baf? eS ein fünfte
20 licfjer ^Betrug fei, in angenehme ©mpfinbungen aufgelöfet werben.
5Die roibrige ©mpftnbung beS ©felS aber erfolgt, »ermöge beS
Öefetjes ber ©inbilbungSfraft auf bie blofse SSorftettung in ber
Seele, ber ©egenftanb mag für roirflid) gehalten merben, ober
nid)t. 2BaS l)ilfts bem beleibigten ©emüte alfo, roenn fid) bie
25 Äunft ber 9?ad)alnnung nod) fo fein; »errät? £>l)re Unluft ent=
fprang nidjt aus ber SSorauSfetjung , bafj baS Übel mirflid) fei,
fonbern aus ber blofsen $orftellung beSfelben, unb biefe ift mirflid;
ba. 2)ie ©mpfinbungen beS ©felS finb alfo allezeit 9Zatur, niemals
Siadjaljmung."
30 ©benbiefeS gilt üou ber §ä^lid)feit ber formen. 3)iefe §äf$=
lidjfeit beleibiget unfer ©eftd)t, roiberfteljet unferm ©efcljmade an
Drbnung unb Übereinftimmung, unb erroedet 2lbfd)eu, oljne diüä--
fid)t auf bie mirflidje ©rifteng beS ©egenftanbeS, an meld)em mir
') Briefe bie neuefte Sitteratur betreffcnb. Z. V. S. 10.'.
12 f. Stnftatt fidj einfcfjliejjen §tef)t man in heutiger 2tu3brutf'3roeife „fid; eins
ftfjränfcn, befd)ränfen" »or. — 15. ein fdjarffinniger Sunftridjtcr, bieS roar eben*
faU3 2Kofe§ ÜJIenbel'jfoljn, beffen betreffenbc Sluffäfte anonym erfdjienen roaren.
1 42 ffinokoon XXIV.
fte roaljrneljmcn. 2Bir mögen ben S£Ijerftte§ roeber in ber Statur
nod) im Silbe feljen; unb roenn fdjon fein ^Bilb weniger mißfällt,
fo gefd)iel)t biefeä bod) nidjt be§roegen, roeil bie ^äfjlidfjfeii feiner
Aorm in ber iföadjafjmung ^äfjlidjfeit gu fein aufhöret, fonbern
roeil mir baö Vermögen befugen, oon biefer $äJ3lidjfeit 511 abftra= 5
Ipercn, unb uns Mofj an ber $unft be§ SRalerö 3U oergnügen.
216er aud) biefeS Vergnügen roirb alle Slugenblid'e burdj bie Ü6er=
legung unterbrochen, rote übel bie ®unft angeroenbet roorben, unb
biefe Überlegung roirb feiten feljten, bie ©ertngfdjütmng beö ÄünftlerS
nad) fid) ju gießen. 10
SCriftoteteö giebt eine anbere Urfadje an,2) roarum SDinge,
bie mir in ber 9?atur mit SSibermiHen erbliden, and) in ber ge=
treueften Ülbbilbung Vergnügen gemäßen: bie allgemeine 2Sift=
Begierbe be§ SDtenfdjen. 2Sir freuen un§, roenn roir entroeber au§
ber iHbbilbung lernen tonnen, xl Exaßrov, roaö ein jebeS IDing 15
ift, ober roenn roir barauö fdjliefjen tonnen, ön ovrog i%sivog,
bafc e§ biefeä ober jenes ift. 2llfein and) fjierau§ folget, gum
heften ber .v>äf3(icf>feit in ber Üiadjaljmung, nidjts. <J)a§ Vergnügen,
roefdjeS au% ber Sefrtebtgung unferer 2öipegierbe entfpringt, ift
momentan, unb bem ©egenftcmbe, über roeldjen fte befrtebiget roirb, 20
nur zufällig; ba§ 5Diifroergnügen hingegen, roeldjes ben 2lnblid"
ber §ä|ßd;fett begleitet, permanent, unb bem ©egenftanbc, ber es
erroed't, roefentlid). 9öie fann alfo jenes biefem ba§ ©leidjgeroidjt
galten? dlod) roeniger fann bie f leine angenefpne 33efd)äftigung,
roetdje uns» bie Semertung ber 3(fjnlid;feit madjt, bie unangenehme 25
SBirtung ber §ctfjltd)feit befiegen. $je genauer id) ba§> fjä^Iitfje
Oiadjbilb mit bem Ijäfjftdjen llrbilbe oergteidje, befto meljr ftetfe
idj mid) biefer SÖirfung blof}, fo baft baö Vergnügen ber "lser=
glcidjung gar halb oerfdjroinbet, unb mir nid;tö al§ ber roibrige
(S'tnbrud ber verboppelten .fyifiltdjfett übrig bleibet. Wad) ben 30
SBetfpielen, roeldje 2(riftotefcs giebt, 3U urteilen, flehtet es, als
Ijabe er and) felbft bie ^äfjUdjtett ber formen nidjt mit gu ben
mißfälligen ©cgcnftänbcn redjnen rooflen, bie in ber Dtadjainuung
1 De Poetica cap. IV.
9. fcljlcit, roofür beute „perfekten" üblich. — 10. Jjn ber £>b[d)r. urfpriinglid) „am
i$ übe nach fiel) ;u jte^en". — 21. jufättig; in ber mobernen p§üojop&if<§en Terminologie
gebraucSt nmn hierfür lieber bno grembiucrt aeeib enteil, als @egenfa| ui permanent
ober immanent. — 2<>. ^äfslicbf eit; in ber $bfa)r. urfprttnglt$ „ber oerboppetten
A>äfuicl)tcit", uue nadiber.
ffaokoon XXIV. 143
gefallen tonnen, 3)iefe 33eifptele ftnb, reifjenbe öftere unb 2eidj=
nmne. ERet^enbe -tiere erregen ©djrecfen, roenn fie and) nidjt
()äf5ltd) ftnb; unb biefeä Sdjrcden, nidjt tf)re ^crfjlidjfeit, ift e3,
roa§ burdj bie §ftad)al)mung in angenehme ©tnpfinbung aufgelöfet
b rotrb. <5o aud) mit ben Seidptamen; ba§ fdjärfere Ü)cfül)( be3
9Jittleib§, bie fdjrcdlidje Grinnerung an unfere eigene Sßerntdjtung
ift eS, roeldje uno einen Seidjnam in ber Statur 511 einem roibrtgen
©egenftanbc mad)t; in ber s)iad)al)mung aber verlieret jeneö 3Jiitleib,
burdj bie Überzeugung be§ 33etrug3, ba§ ©dmetbenbe, unb von
10 biefer fatalen (Erinnerung lann un§ ein Bufatj von fcr}meidf;eU;aftcn
Umftänben entroeber gänglidj abgießen, ober fid) fo unjertrennlid)
mit Üjr »«reinen, baf? mir meljr münfdjenötvürbigeS al§ fdjredltdjeö
barin 51t bemerfen glauben.
2)a alfo bie öäptidjf'eit ber formen, weil bie Gmpftnbung,
15 meiere fie erregt, unangenehm, unb bod) nidjt von beseitigen 2trt
unangenehmer Gmpftnbungen ift, roetdje fid) bttrd) bie 9tad)a()mung
in angenehme venvanbeln, an unb vor fid) fclbft fein üßorrourf
ber Malerei, als fdjöner ^unft, fein tarnt: fo tarne eö nodj barauf
an, ob fie iln*, nid)t ebenfomoljl rote ber ^>oefte, al§ ^ngrebienö,
20 um anbere Gmpfinbungen §u verftärfen, nütjtid) fein tonne.
2>arf bie 9}calerei, §u Grreid)ung be§ Säuerlichen unb ©d)red=
lidjen, fid) fjäfjlidjer formen bebienen?
^sd) rotfl eö nidjt roagen, fo grabest, mit 9?ein hierauf ju
antivorten. Gö ift unleugbar, baf? unfd;äblid)e ^äfjlidjfeit aud;
25 in ber 9Jlalerei lädjerlid) werben lann; befonberS roenn eine
SCffeltattOTt naef) 9teij unb 2lnfet)en bamit verbunben mirb. ®§
ift ebenfo unftreitig, ba|3 fdjäblidje ^äjjftdjfeit, fo rote in ber 9Jatur,
alfo aud) im ©emälbe ©djreden envedet; unb bafj jene§ Säd;cr=
lidje unb biefeS ©djredlidje, roetdjcS fdjon vor fid; vermifdjte Gm=
so pfinbungen finb, bttrd) bie 9tad)al)mung einen neuen ©rab von
vJln^üglicb,feit unb SSergnügen erlangen.
$d) mu^ aber gu bebenfen geben, bafj bem ofmgeadjtei fid;
bie Malerei l)ier nid)t völlig mit ber ^oefie in gleidjem $affe
1. StriftoteleS fpriefit nidjt uou reifsertben Sieren, fonbern von ben uiebrigfteit
ÄHergattungen (dti/nötata) — 3. Sdjrecfen alz Sieutr. ift tjeute ungetoö^nKdj; „ber
Bcbrerfcu" ift aber nidjt gnfinitio, fonbern Verlängerung oon „ber Sdjrecf". — 14 — 20.
G§ ift 311 beachten, baß unter Umftänben ba§ .'öafjtidje, aud) ofjne lädjerlid) ober fdjretflid)
äu fein, um be§ .üoutraftes willen in ber Äunft äkrroenbung fiuben fann. — 24 ff. SX t).
wenn bo.3 £äfslid)e mit ber Sprätenfiou, reijenb ober anfeljnlid) ^u fein, eingeführt roirb.
— 31. ®a 2t it s ü g I i rr> f e i t beute in ber Siegel in anberem Sinne gebraudjt roirb, sieben
wir in biefer öcbeutung baö 2Bort „3ln§ie|ung§rraft" oor.
144 Caokoon XXV.
beftnbet. $n &e* ^Poefic, mie idj angcmerfet, verlieret bie §äf$=
Iid)feit ber Aorm, burd) bie 2>eränberung ifjrer foextftterenbeti
^Tctte in fucceffioe, iljre roibrige Söirfung faft gänglidj; fie tjöret
üon biefer Seite gtetdjfatn auf, .fyifUtdjfeit §u fein, unb fann fid)
baljer mit anbern Grfdjeinungen befto inniger uerbinben, um eine 5
neue befonbere Söirfung Ijeroorgubringen. £jn ber 9Jta(erei hin-
gegen l)at bie ^äfjlidjfeit alle tfjre Gräfte beifammen, unb wirfet
nidjt Dtel fdjmädjer, als in ber 9iatur felbft. Unfdjäblidje §äjj=
lidjfcit fann folglid) nidjt mot)l lange lädjerlid) bleiben, bie unan=
genehme ßmpfinbung gewinnet bie Dberfjanb, unb mas in ben 10
erften 21ugenblid'en pofficrlid; mar, mirb in ber $olge o^fs o,h
fdjeulid). 5ftt(§t anbers geljet es mit ber fdjtiblidjen ^äftltdjJeit;
bas Sd)red'(id)e uerliert fidt) nad) unb nad), unb bas Unförmliche
bleibt allein unb unoeränberlid) jurüd'.
©tefeS überlegt, rjatte ber ©raf (EanluS nollfommen red)t, 15
bie ©pifobe beS S£f)erfites aus ber Steige feiner Ijomerifdjen ©e=
miilbe roegjulaffen. Slber l)at man barum audj red)t, fie aus
bem -ftomer felbft roeggunmnfdjen? $d) finbe ungern, bajj ein
©eleljrter, von fonft fefjr ridjtigem unb feinem ©efdjmade, biefer
Meinung ift.3) £>d) uerfpare es auf einen anbern Drt, tnidj meit= 20
läuftiger barüber 31t erflären.
XXV.
2lud) ber smeite Unterfd)teb, meldjen ber angeführte $unft=
rid)tcr, §n>ifdjen bem ©fei unb anbern unangenehmen sJeibenfd)aften
ber ©eele finbet, äußert fidt) bei ber Unluft, roeldje bie §äj$Udjfeit 2:.
ber formen in uns erroed'et.
„Rubere unangenehme Seibenfdjaften, fagt er,1) tonnen audj
aufjer ber y)iad)al)mung, in ber 9iatur felbft, bem ©emütc öfters
idnneidjeln; inbem fie niemals reine Unluft erregen, fonbern iljre
SBitterfeit allejeit mit 2Bolluft r>ermifd)en. Unfere $urdjt ift feiten 30
r>on aller Hoffnung entblößt; ber 'SdjrcdVn belebt alle tmfere
•>) Klotzii Epistolae Bomericae, p. 33. et seq.
') Gbenbafelbft S. 103.
15 ff. Sarftellungen beS S#erfite§ in bev antifett Äunft finb fe^r »wetnjelt. — 18 f.
ein (belehrter, Efjrifftan äbotf ßto| (1788—1771), SJrofeffor in öalle, mit bem
ßeffing bantalä nocfi nid)t in jene ACt>t>e geraten war, welche iuäter rem beiben Seiten fo
lebhaft geführt luurbe. — 30. SBoIIuft wirb in ber altern SReberoeife häufig gebraucht,
Rio mir nur „Vergnügen" ober „Vuft" fcblecbtbin [aßen mürben.
ffuokooii XXV. 145
Gräfte, bcr ©efaljr auäguroeidjen; ber 3°*n ift mit ber Segierbe
fid) gu rädjen, bie Sraurigfeit mit ber angenehmen SSorfteittung
ber uorigen ©lücffeKgfeit nerfnüpft, nnb ba§ -üiJiitleiben i[t uon
ben gärttid^cn ©mpfinbungen ber Siebe nnb $uneigung unger=
5 tremtlidj. Sie (Seele r}at bie ^reir)eit, fid) balb bei bem uer=
gnügtidjen, 6atb bei bem «übrigen Pfeile einer Seibenfdjaft gu
Derweilen, unb fid; eine SSermifd)ung von Stift unb Unluft fetbft
gu fdjaffen, bie retgenber ift, al§ ba3 tauterfte Vergnügen. @§
braudjt nur fetjr wenig 2Idjtfamfeit auf fid) felber, um biefes
10 üielfättig beobachtet gu ijaben; unb moljer tarne e§ benn fonft, bajj
bem 3orntgen fein 3orn, bem traurigen feine Unmut lieber ift
als alte freubige üBorfteltungen, baburd) man ilm gu beruhigen
gebeutet? ©ang anbers aber uerljtilt e§ fid) mit bem Gfet unb
ben if)m oermanbten (Smpfinbungen. Sie ©eete ert'ennet in bem=
i5 fei ben feine merflidje ^ermifdjung oon Suft. S5a§ SJiifjtJergnügen
gewinnet tue Dbertjanb, unb batjer ift fein 3ufianb, meber in ber
s)iatur nod) in ber §ftadjar)mung gu erbeuten, in roetdjem bas
©emüt nidjt uon biefen üBorftettungen mit SSiberiuiften gurüdf=
roeidjen füllte."
20 SSoElbmmen richtig ; aber ba ber Kunftridjter fefbft nod) anbete
mit bem ©fei oenuanbten Ghnpfinbungen erlerntet, bie gleichfalls
nidjts' als Unfuft geiuäljren, roeldje fann ifjm närjer oenuanbt fein,
als bie Gmpfinöung bes $äf$lid}en in ben formen? 9(ud) biefe
ift in ber Statur oljne bie geringfte SJttfdjung oon Suft; unb ba
25 fie bereu ebenfo roenig burd) bie s)Zad)ar)mung fäljtg wirb, fo ift
aud) uon ifjr fein 3uftanb gu erbenfen, in meldjem ba§ ©emüt
uon tljrer SSorfteßung nid)t mit 3Btberroillen gurüdhoeidjen foffte.
$a biefer äöibertmtfe, menn itf) anber§ mein ©efüljl forg=
fältig genug unterfudjt fjabe, ift gänglid) uon ber 3tatur beö ßfels.
20 Sie ©mpfinbung, weldje bie ^äjjltdjfeit ber $otm begleitet, ift
(SM, nur in einem geringem ©rabe. 2)iefe§ ftreitet grbar mit
einer anbem Stnmerfung be§ $unftrid)ter§, nad) welcher er nur
bie allerbunfelften Sinne, ben (Mdjinad, ben ©erud) unb bas
©efüf)f, bem ©fei ausgefeilt gu fein glaubet. ,,^ene beibe, fagt
11. feine Unmut, rocibüd) gcbraudit, was aud; in älterer ©pradje fetten ift gegen«
über „ber Unmut". — 31 ff. SKit 3ied;t fdjränft §erber bie ©mpfinbung beö eigentlichen
(i'fel'3 auf ©efdjmatfs unb ®erudjfinn ein; bie anbem Sinne erljalten bie bem @Eel per*
roanbte ©mpfinbung erft iubirett, inbem ber ©ebanfe an bie beiben anbem babei fjernovj
gerufen wirb. 2>afs „üBermäfjige ©üfjigfeit" für GSefdjmacf unb ©erud) (Siel oerurfadt,
ift loofjt blojj ein Seifptel 3Äen&eI§fo§n§, ba aud) anbere Singe cteierregenb roirfeu tonnen;
unb ba? ©(eidie gilt oon bem für ba§ OefüEjt angeführten S3eifpiele.
Seffing? SSerfe 0. 10
14G Caokoon XXV.
er, burd) eine übermäßige Süßtgfeit, unb biefeS burd) eine affju
große Söeidjljeit ber Körper, bie ben berüljrenbcn $ibem nidjt
genugfam nriberfteljen. £iefe ©egenftänbe werben fobann and)
bem öefidjte unerträglidj, aber bloß burdj bie 9lffociation ber 33e=
griffe, inbem mir uns be§ 2i>iberwillen3 erinnern, ben fie bem 5
Neicbmad'c, bem ©erudje ober bem ©efül)Ie nerurfadjen. S)enn
eigentlich gu reben, giebt es feine ©egenftänbe bes ßfcls für baS
©eftäjt." 2)od) mid) bünft, es (äffen fidj bergletdjen aßerbtngs
nennen, ©in $euermal in bem ©efitfjte, eine £afenfdjärte, eine
gepletfdjte Sftafe mit Dorragenben Södjern, ein gängftdjer 3Äange( 10
ber 3Utgenbraunen, finb ^äßltdjfeiten, bie weber bem ©erudje, nodj
bem ©efdjmadc, nodj bem ©efüljle jumiber fein fönnen. ©leidj=
wol)l ift es gewiß, baß wir etwas babei empfinben, weldjes bem
Gfel fdjon niel näljer fömmt, als baS, maö uns anbere Unförmlich
feiten bes .Üörpers, ein frummer $uß, ein r)ot)er Sauden, empfinben 15
(äffen; je ^ärtlidjer ba§ Temperament ift, befto meljr werben mir
von ben Bewegungen in bem Körper babei fügten, welche uor
bem ©rbredjen twrljcrgeljen. 9hir baß biefe Bewegungen fidj feljr
ha Ib wieber verlieren, unb fdjwertidj ein wirflidjeS (Mwedjen er=
folgen fann; wovon man allerbingS bie Urfadje barin ju fudjen 20
liat, ^a^ es ©egenftönbe beS ©efidjtä finb, weldjeö in iljnen, unb
mit iljnen ^ugleid», eine Stenge Realitäten wahrnimmt, burd) beren
angenehme Borfteltungen jene unangenehme fo gefdjwädjt unb oer=
bunfelt wirb, baß fie feinen merflidjcn ©influß auf ben Körper
baben fann. ©ie bunflercn Sinne hingegen, ber ©efcbmacf, ber 25
Öerud), baS ©efül)I, fönnen bcrgleidjen Realitäten, inbem fie uon
etroa§ SJBiberwärtigen gerülntt werben, nidjt mit bemerfen; ba§
SBiberwärtige wirft folglidj altein unb in feiner ganjen ©tärfe,
unb fann nidjt anbere als and) in bem ftörper von einer weit
heftigeren Grfdjiitterung begleitet fein. 30
Übrigens uerl)ält fidj aud) jur Radjaljinung bas ©felljafte
uollfommen fo, wie bas §äßlidje. %a, ba feine unangenehme
SBirfung bie heftigere ift, fo fann es nodj weniger als baS £>äß=
lidjc an unb oor fidj felbft ein ©egenftanb weber ber $oefie, nodj
ber Malerei werben. 9iur weil es ebenfalls burdj ben wörtlidjen ss
StuSbrucf fefjr gemilbert wirb, getrauete idj midj bodj woljl ju
10. (jepletfd&te, platte, Bteitgebrütfte. — 16. 3 n r t ti di c r , sarter, roeidjlidjev refp.
cmiifiiiMidjer, alfo nidjt in bem Sinne, in bem tuiv fyeutc „;ärtlt<$" foft allein noäj ge*
brandien.
ffiootwon XXY. 147
Behaupten, bafj ber Dieter, roenigften§ einige efeltjafte $üge, a(§
ein £jngrebien§ 31t ben nämlichen uennifdjten Gmpftnbungen brausen
tonne, bie er bitrd) baS ^äfjlidje mit fo gittern Grfotgc uerftärfet.
2)a§ Gfe(()afte fann ba§ 8äd)er(idje uermefjren, ober 33or=
5 ftetfungen ber 2Bürbe, be3 2(nftanbe§, mit bem Gfedjaften in
Äontraft gefefeet, merben (ädjer(id). Gjrempel (jieruon (äffen ftdj
bei bem 2(riftop()ane§ in beenge finben. S)a§ SGBiefel fällt mir
ein, roeldje§ ben guten ©ofrateö in feinen aftronomifdjen S3e=
fdjauungen unterbradj.-)
10 MA0. TIqojIjV ös ys yvoafirjv [isydXrjv c((p]jQt&i]
'Tti' üoxcdaßwxov. ZTP. Tiva xqÖkov; nccxtiiti fiot.
MAG. Zrtxovvxog avxov %r\q osXr]vr]g xäg ödovg
Kai rag TttQHpoQÜg, tlx' ävco xaxflvöxog,
Anb xfjg UQOcpfjg vvkxojq yotltöyxrjg %axs%sosv.
15 ZITP. "Ha9i]v yaXtiotrj y.uxv.%tGuvxi Uco-XQaxovg.
9Jion (äffe e§ nidjt e('e(()aft fein, roa§ i(jm in ben offenen SJhtnb
fällt, unb baS Sädjerlidje ift uerfdjrounben. ©ie broKigften 3üge
uon biefer SCrt Ijat bie £rottentottifd}e @r§ä|(ung, Xquaffouro itnb
$nonmquaif)a, in bem Kenner, einer englifdjen ÜJSodjenfdjrift uo((er
20 Saline, bie man bem Sorb Gfyefterftelb jufdjreibet. 9Jian roeifj,
rote fdmtuftig bie Hottentotten finb; nnb roie uieleö fie für fdjön
unb jierlid) unb (jeüig galten, roa§ un§ GM unb 2(bfd;eu er=
roed'et. Gin gequetfdjter Knorpel uon 9tafe, fd;(appe 6i§ auf ben
Oiabet f)erabf)angenbe Sriifte, ben ganzen Körper mit einer ©djminfe
25 aus> Biegenfett unb SRuf; an ber ©onne bttrdjbeijet, bie §aar=
(öden uon ednneer trief enb, fyüf^e unb 2(rme mit frifdjem ®e=
banne umtuunben: bieg benfe man fidj an bem ©egenftanbe einer
feurigen, e()rfurd)töuo((en, gärtltdjen Siebe; bieg ^öre man in ber
ebe(n Spradjc be§ Grnfteä unb ber SSerounberung auSgebrüdt,
30 unb enthalte fidt) beö SadjenS!')
-) Xubes t. 170—74.
') The Connoissenr, Vol. I. Xo. 21. Sern ber Sdiöntjeit ber finonmquailja beifit e-3:
He was Struck with the glossy hue of her complexion, which shone like the jetty
down on the black hogs of Hessaqua; he was ravished with the prest gristle of
35 her nose ; and his eyes dwelt with admiration on the flaeeid beanties of her breasts,
which descended to her navel. Unb toaä trug bie ßunft bei, fo nie! iHeije in ifjr
»orteilhaftefte5 Sicht su fefeen? She made a varnish of the fat of goats inixed with
soot, with which she anointed her whole body, as she stood beneath the rays of
the snn: her locks were clotted with molted grease, and powdered with the
20. 'lUiüuui Stornter Stcmbope, ßraf non Gbefterfielb (1694 — 1773), befannter
Staatsmann unb £ic§ter.
10*
148 fictokoott xxv.
9)iit bem <3d)red'(td)en fdjeinet fid; boi (Sleltjafte nod) inniger
yermifdjen §u tonnen. 2So§ mir baö ©räftfidje nennen, ift nidjtö
als ein efelljafteö Sdjretflidje. ©em Songin'') mtfjfäUt jtnar in
bem Silbe ber Traurigkeit beim §efiobu§,ft) baö 2% ex (ikv
tjtv&v (iv^ai (jeov; bod) midj bünft, nidjt foinoljl roeit eö ein 5
efter 3U3 i% a^ weil es ein Mof; efter $ug ift ^c^' 3"m @d)red'=
tidjen nidjtö beiträgt. £enn bie langen über bie Ringer f)eroor=
ragenben Suigel, (ucckqoI g1' 'övvysq id^eGaiv vTrfjaav) fdjeinet
er rtidjt fabeln 311 motten. ©Ieidnuol)l finb lange Steiget nidjt
riet roeniger efef, atö eine fliejjenbe 9iafe. 316er bie langen 9iägel 10
finb jugleid) fdjred'Iid); beim fie finb es, meldje bie 9Sangen ger=
fleifdjen, bafj baö 33tut bauon auf bie G'rbe rinnet:
£X ÖS TZ(XQtl(üV
Alu? a7i&lai'ßez' bQa^e — — — .
hingegen eine fXiefsenbe Sftafe, ift roeiter nidjtö afs eine fliefjenbe 15
9?afe; unb id) rate ber Sraurigfeit nur, baö sHiaul äu.mmacfjen.
Wian lefe bei bem ©opljofteö bie Sßefdjreibung ber oben §öl)le
beö unglüdlidjen ^>t)iloftet. S)a ift nidjtö tum Sebenömitteln,
nidjtö tum Sequemtid)feiten 31t fefjen; aufjer eine sertretene Streu
von bürren blättern, ein unförmlicher Ijöljerner Sedier, ein $euer= 20
gerät, ©er ganje Steidjtum beö f raufen uerlaffenen 931anneö!
3Bomit vollenbet ber ©tdjter biefeö traurige fürdjterlidje ©cmälbe?
9Jiit einem gufatje Don ®ie^- //£>«! fpl)rt Dteoptolcm auf einmal
jufammen, t)ier trodenen jerriffene Sappen, nott 53 tut unb @iter!"t;)
yellow dust of Bucliu: her face, wMch shone like the polished ebony, was beau- 25
tifully varied with spots of red earth, and appeared like the sable curtaüi of tbe
night bespangled with stars; she sprinkled her limbs with wood-ashes, and per-
fumed them with the düng of Stinkbingsem. Her arnis and legs were entwined
with the shining entrails of an heifer: from her neck tbere hnng a pouch com-
posed of the stomach of a kid : the wings of an ostrich overshadowed the fleshy 30
Promontorien behind : and before she wore an apron formed of the shaggy ears
of a lion. %d) füge nod) bie Seremonie ber ^xtiammertgeburtg bc§ uerliebten ^aares
hinm : The Surri or Chief Priest approacbed them, and in a deep voiee chanted
tili- nuptial rites to the melodious grumbling of the Gom-Gorn; and -at the sauie
time (aecording to tbe manner of Caffraria) bedewed them plentiftdly with the 35
urinary benediction. The bride and bridegroom rubbed in the precious stream
with oxtasy; while tbe briny Drops trickled from their bodies, like the oozy
surge from the rocks of Chirigriqua.
4) ihn) ") ipov;, ifti.iix !>'. p. 15. edit. T. Fabri.
i gi m Eercul. v. 266. 40
') Philoct. v. 31—30.
8 f. 2>ic Sdnlbcnmg ber '.ly'/.vz in ber bem jgefiob jugefebriebenen :8eid)reUmng beä
Sdjilbes be>5 §erafle§ (einer 3ladja§mung beS Slc&itteSfd&übeS bei^omer) bildet einen SCeil
ber Sarftellnng tviegevifdjcr Sccncii.
ffnohoon XXV. 149
NE. Oqco ksvtjv oi/nrjCLV, ccv&Qwncov §i%ct.
OJ. OvS' evSov OLV.OTioiög toxi xig xQOcpij;
NE. ZzbLTtt-)] ys cpvllug tag £vavltt,ovxC reo.
OJ. Tu d' all' f'p?]fto;, -aovSsv ia&' vTtöoxtyov;
5 NE. Avx6'E,vlöv y' i%ncoa(x, cpuvlovQyov nvog
Tt%vi]Li,uz' avÖQOg, %cti nvQii' ulwv xäSs.
OJ. Kelvov tu 9ri6ecvQL0[ia orjLuxLvtLg xöds.
NE. 'lob, lov' xul xttvxu y' alla ftälTttxca
'Pax7j, ßccQSiccg xov voai]lsiag nlta.
10 So toirb aud) beim ftomer ber gesteifte ^eltor, burd) ba§ üou
33hit itnb Staub entfteHte ©eftdjt, unb gufammenoerflebte fraax,
Squallentem barbam et concreto« sanguine crines
(tute e§ SStrgil auäbrücft) 7) ein euer ©egenftanb, aber eben babttrd)
um fo otel fdjrerf'lidjer, ittn fo üiet rüljrenber. 2ßer fann bie
äs Strafe be§ 9Jiarfi)aö, beim Dütb, fid) orjne ©mpfinbung be§ (SfelS
beulen?")
Clarnanti cutis est summos derepta per artus:
Xec quidquam, nisi vulnus erat: cruor undique manat:
Detectique patent nervi: trepidaeque sine ulla
20 Pelle rnicant venae: salientia viscera possis,
Et perlucentes numerare in pectore fibras.
2t6er toer empftnbet aud) nidjt, bafj baS ©fetljafte (jier an feiner
Steife ift? G'ö mad)t ba§ Sd)rediid)e gräfjlid); unb ba§ ©räfc
lid)e ift felbft in ber Statur, tnenn unfer 9Jiit(eib babei intereffieret
25 roirb, nid)t gang unangenehm; tüte üiel weniger in ber sJiadjar)mung?
£jd) tüilt bie (Stempel nidjt Raufen, ©od) biefeö mufc id) nod) an-
merfen, bafj e§ eine 2(rt non Sdjredlidjem giebt, 31t bem ber äßeg
bem £id)ter faft einzig unb altein burd) bas GfeUjafte offen ftefyet.
ߧ ift baS Sd)redüd)e be§ §unger§. Selbft im gemeinen geben
so brud'en tüir bie äufjerfte £mnger§not nid)t anber§ aU burd) bie
@rjäf)lungen aller ber unnaljrljaften, ungefunben unb befonberS
efeln 3)tnge au§, mit tüe(d)en ber Sftagen befriebiget werben muffen.
35a bie 9iad)ab,mung nidjtö uon bem ©efübjle beS -öungerg felbft
in un§ erregen fann, fo ttimtnt fie gu einem anbern unangenehmen
35 ') Aeneid. lib. II. v. 277.
e) Metamorph. VI. v. 387.
lOf. 2Me Sorte oon »tut unb Staub gehören nidEit blo£ ju entstellte, fonbern
aud; ä" ju ja in menöerflebte.
150 Äookoon xxv.
(s>cfül)lc üjre .ßufhiäjt, njetd^eS mir im $alk be§ empfinb(id)ften
$unger§ für bo§ Heinere Übel ernennen, tiefes fud)t fie 511
erregen, urn uns ans ber Unhtft bcßfclbcn fdjliefjen 51t (äffen, roie
ftarf jene Unluft fein muffe, bei ber mir bie gegenwärtige gern
au§ ber 2(d;t fdjfogen mürben. Doib fagt oon ber Dreabe, roe(d)e 5
6ere§ an bm junger abfdjid'te:')
Haue (farneru) proeul ut vidit — —
— refert mandata deae; paulurnque morata
Quanquam aberat longe, quanquam modo venerat illuc,
Visa tainen seusisse famem — — — 10
(Sine imnatür(id)e Übertreibung! 2)er iHnblid eines" hungrigen,
unb mnn c§ aud) ber junger fetbft roäre, Ijat btefe anfted'enbe
Äraft nidjt; (Mannen, unb (5Jräu(, unb @fe(, fann er empfinben
(äffen, aber feinen öunger. liefen ©räul Ijat Doib in bem 0e=
malbe ber Raines nid)t gefparet, unb in bem junger beo Gre= 15
fid;tl)on§ ftnb, foiooljl bei ib,m, a(§ bei bem $al(imadms, l0) bie
ef'elljaftcn $üge bie ftärfften. 9iad)bem Grefid)tf)on alles auf*
gejeljret, unb aud) ber Dpferfur) nidjt ocrfdjonet fjatte, bie feine
SJlutter ber SSefta auffütterte, läjjt irjn HalTimadmS über $ferbe
unb Äarjen Verfallen, unb auf ben Strafjen bie SBrorf'en unb 20
fd)inut3igen Überbleibfet oon fremben £ifdjen betteln:
Kai xav ßä>v i'epuytv, xav ' EaxCa txQtcpt uccxi]Q,
Kai xbv cct&locpoQov %al xbv 7ioJ.t(ii}iov i'mtov,
Kai xav ai'lovQOv, xav txQt[it &rtQia {ii%nä —
Kai xö& 6 xä> ßaailijog tvl xqlÖSolgl y.a&f]oxo, 25
Aixit,cov cc/.oXcog xb v.al tv.ßo).a Xvfiaxa Saixög —
Unb Doib (äjjt ibm juletjt bie ftätyit in feine eigene ©lieber feijen,
um feinen Seib mit feinem Setbe gu näljren.
Vis tarnen illa mali postquarn consumserat otnneni
Materiaui — — — — ■ — 30
[pse suos artus lacero divellere morsu
Coepit; et infelix ruinuendo corpus alebat.
9tur barum maren bie rjäjjlidjen öarppcn fo ftinfenb, fo unflätig,
bafj ber junger, toe(d)en iljre Gntfüljrung ber ©peifen berairfen
i Metamorph. Hb. VIII. v. 809. 35
l0) Hymn. in Cererem v. Hl— 116.
5 f. Gere? fd)icft bie Dreabe an bie Farnes ab, bamit biefe ben SrnfidjtEjon, einen S5er=
äd)ter bev Göttin, ber eine tjeilige ßia)e freuelnb gefällt fjatte, burd) ^eifjfjunger beftrafe.
■ffaokoon XXV. 151
follte, befto fdnxdlidjer mürbe. 9Jfan fjöre bie $lage beö 5ß^meu§,
beim 2lpollomuo:11)
Tvt&bv Ö' i)v o:qk Stf noz' iöijtvog ajtifu kmcoai,
Tlvbi t6§£ (ivSaltov ts kki ov xh]tbv [livoq 6d{iijs.
5 Ov KS Tiq OVÖ8 plvW&Cl ßQOTÜV UVG%OlZO TliluGGCCg,
OvS' zi' ot aSüjxavrog tli]Xafibvov %bccq sir).
'AXXä fit TIIY.Q1] äfjzd ks dccizbg bTtiG%bi aväyKi]
Mt^ivtLV, %cd [iL[ivovTtt %ccx)] sv yaotbQi ftsafrcci.
iydj mödjte gern auä biefem ©eftdjtSpunfte bie elele ©infüljrung
io ber -^arpijen beim SSirgtl entfdjutbigen; aber es ift fein nnrflidjer
gegenwärtiger junger, ben jte oerurfadjen, fonbern nur ein in=
fteljenber, ben fie prophezeien: unb nodj baju löfet fidj bie gange
Prophezeiung enblicr) in ein üffiortjptel auf. 2lud) 3)ante bereitet
uns nidjt nur auf bie ©efdjtdjte oon ber SSer^ungerung beö Ugolino,
15 burdj bie efefljaftefte, gräjjltdjfte Stellung, in bie er ib,n mit feinem
ehemaligen Verfolger in ber §öHe fetjet; fonbern aud) bie §ßer=
ljungerung felbft ift nicr)t oljne 3uge be§ ©l'elö, ber un§ befonbers
ba feljr merftid) überfällt, roo fidj bie <3öl)ne felbft bem SSater
gur Speife anbieten. £jn ber 9iote mill \d) nod) eine Stelle aus
20 einem Sdjaufptele oon 33eaumont unb ^letdjer anfüljren, bie ftatt
aller anbern SBeifpiele Ijätte fein formen, roenn id; fie nidjt für ein
raentg ju übertrieben erlernten tmijjte.12)
ll) Argonaut, lib. II. v. '228—33.
'?) The Sea-Voyage, Act. III. Sc. I. (Sin fransöfifdjer Seeräuber wirb mit feinem
25 Scfjiffe an eine tuüfte IJSnfel tierfdjlageu. .yabfudjt unb 9?eib entjroeteu feine Seute, unb
fd)affeu ein paar ©lenben, roeldje auf biefer ijnfel geraume Qtit ber äufjerften 9Jot aus=
gefegt geroefen, Gelegenheit, mit bem ©djiffe in bie ©ee ju ftedjen. Stiles Vorrates uon
Sebenömitteln fonad) auf einmal beraubet, fetjen jene Oitdjtsroürbtge gar balb ben fdpmäh =
tieften £ob cor Äugen, unb einer brudt gegen ben anbern feinen junger unb feine 33er=
30 sipeiflung folgenbergeftalt au-3:
Lamiiee.
Oh, what a torupest have I iu rny Stoinach!
How my empty Guts cry out! My wounds ake,
10. beim Sßirgit, ugl. Virg. Aeu. III, 216 ff. — 11 f. infte&enber ober ein*
ftetjenber, b. i. beoorftebenoer (lat. instare). — 12 f. löfet fid) ... in ein SBortfpiel
auf. Sie £arpnie Geliino prophezeit bem Sineas, er roerbe nldjt eher mit feinen ©efähr«
ten fid) einen bleibenben 3Bol)nfi§ grünben, als bis fie aus junger bie Sifche mürben auf=
gekehrt Ijaben (Aen. III. 255 f.). 93ei ber ülnfunft in Satiüm nehmen bie Srojaner nun
als Unterlage ju iljrer Wa^ljeit 2Beiäen!ud)en unb effen biefe aisbann aus junger aud}
nod) auf. ,,Heus, etiam mensas consumimus!" ruftSulus; — unb fo gefjtbie $ropb,es
seiung in CrfüUung (VIII, 107 ff.). — 13 ff. S3efanntlid) ijält Ugolino in ©antes iiöUe
feinen Xobfeinb, ben Eräbifdjof Siuggiero, umflammert unb beifjt ifjn in ben ^interfopf.
3u ben SBorten bereitet uns ift bas bajugefjörige cor roof)l nur aus SJerfeb^en roeg=
geblieben. — 20. g-rancis 93eaumont (158(3— n;i5) unb 3o&n ^letcfier (1576— Ki25',
ennlifdje bramatifa)e Sid)ter, roeld)e melfad) (feit 1^05) gemeinfdjaftlid) SDramen uerfajjt
l;aben.
152 flaokoon XXV.
M) fomtne auf bie efelfjaften ©egenftänbe in ber 9Jialcrei.
28enn e§ aucfy ftf;on gang unftreitig märe, bafj e§ eigentUdj gar
feine efelljafte ©egenftänbe für ba§ ©efid^t gäbe, von melden es
fid) von fclbft uerftünbe, baf$ bie 9Jialcrei, ah fcfyöne $unft, ifivcr
entfagen mürbe: fo müjjte fie bennodj bie efelrjaften ©egenftänbe
überhaupt »ermeiben, roeil bie üBerbinbung ber SBegriffe fie aud)
bem ©efidjte efel madjt. Sßarbenone läfjt in einem ©etnätbe ucm
bem Segräbniffe (Hjrifti einen uon ben 2(nmefenben bie Sftafe fid)
Would they would bleed again, tliat I might get
Something to quench my thirst. 10
Franvii/le.
ii Lamure, the Happiness my dogs had,
Wlien I kept house at honie! They had a storehouse
A Btorehouse of most blessed bones and crusts,
Happy crusts. Oh, how sharp Hunger pinehes nie! — 15
Lamure.
How now, what news?
Morillar.
Hast any Meat yet?
Franvilxe. 20
Xot a bit that I can see!
Here be goodly quarries. but they be cruel hard
In gnaw: I ha' got sorne mud we'll eat it with spoons,
Very good thick mud; but it stinks damnably,
There's old rotten trunks of trees too, 25
But not a leaf nor blossom in all the island,.
Lamure.
How it looks !
MOKILLAR.
It stinks too. 30
Lamure.
It may be poison.
Fiianville.
Let it be any tliing;
So I can get it down. \Vby Man . 35
Poison's a princely dish.
MORILLAR.
Hast tliou no bisket?
Xo crumbs left in thy pocket? Here is my doublet.
Give nie but three small crumbs. 40
Frajsville.
Not for three Kingdoms,
If I were Mastex of 'em! Oh, Lamure,
But oiie poor Joint of Mutton, we ha' scorn'd, Man.
Lamure. 45
'J'linu speak'st of Paradise;
1—7. °Jn ber SBerioetfung be* Efelfiaften nu§ ber 2>!alerei ftintmt bie moberne Siftlietif
Seffing faft burdjroeg bei; weniger bie moberne Mttnft, in un'lcfier cfelbaftc ©egenfiänbe
häufig genug fiel» finben. — 7. GSionanni SXntonio Sicinio be (SorticeUi*, nad) feinem (Ge-
burtsort genannt Sorben cne (uid)t ^arbenone), 1483—1589.
l'aokoon XXV. 153
uilialtcn. SWid^arbfo« mifjfcittiget biefe§ beStoegcn, l3) weil GfyriftnS
nodj ntd^t fo lange tot geroefen, bafj fein i'eidjnam in Aäulung
übergeben fönnen. §Bei bor 2luferroecEung be§ SajarnS hingegen,
glaubt er, fei e§ bem 9)ialcr erlaubt, von ben llinfteljenben einige
5 fo ^xt geigen, raeit e§ bie 0efd;id)te anebrüdlid) fage, baf$ fein
Körper fdjon gerodjen r)abe. W\d) bünft biefe SSorftettung and)
I)ier unertraglid); benn nidjt blojs bcr imrfftdje ©eftanf, aud) fdjon
bie ^bee beö ©eftcmfeS erroedet Gfel. 3£ir fliegen ftinfenbe Orte,
Or but the snuffs of those Healths,
10 We have lewdly at midnight flang away!
MORILLAR.
Ah! but to lick the glasses!
Iccf) alle? biefeä ift nod) nid)t§ gegen ben folgenben Sluftritt, roo ber Sd)iff3d)irurgu3
ba;it fömmt.
15 Franville.
Here comes the Surgeon. What
Hast thon discover'd? Smile, snrile and comfort us.
Surgeon.
I am expiring;
20 Smile they that can. I can find nothing, Gentlemen,
Here 's nothing can be meat, without a miracle.
Oh that I had mv boxes and my lints now,
My Btupes, my tenta, and those sweet helps of Xature,
What dainty dishes could I make of 'ein!
25 MÖBUiliAK.
Hast ne'er an old suppository ?
Surgeon.
Oh woüld I had, Sirl
Lamure.
30 Or bnt the papei where such a cordial
Potion, or pills hath been entomb'd.
Franville.
Or the best bladder where a cooling glister.
AlORILLAR.
35 Hast thon 110 searcloths left?
Xor any old pultesses ?
Franville.
We care not to what it hath been ministred.
Surgeon.
40 Sure I have none of these dainties, Gentlemen.
Franville.
"Where's the great wen
Thou cut'st from Hugh the sailer's Shoulder?
That would serve now for a most prineely Banquet.
45 Surgeon.
Ay. if we had it, Gentlemen.
I fhmg it over-bord, Blave that I was!
Lamure.
A most improvident Villaini
50 13) Eichardson, De la Peinture, T. I. p. 74.
154 ffaokoon XXVI.
wenn wir fdjon bcn Sdmupfen l)abcn. £od) bie 2Katerei roitt
baö ©fefljafte, nidjt beö @fetf)aften wegen; fie roiff es, fo rote bie
$oefie, um baö Sfidjerftdje unb ©dfjredftidje baburd) gu oerftärfen.
2luf iljre ©efatyr! 9Sa§ id) aber non bem ^äfjlidjen in biefem
yvaUc angemerft Ijabe, gilt non bem ©lel^aften um fo oiel metjr. 5
(S§ oerlieret in einer fiduziaren Diadjaljmung oon feiner Söirfung
ungletdj weniger, alö in einer fyörbaren; eö fann ftd) alfo aud;
bort mit ben 23eftanbtetten beö Sädjjerlidjen unb <3crjrecfücrjcn ■
weniger innig oermifdjen, alö l)ier; fobalb bie Überrafdntng oorbei,
fobalb bcr erfte gierige 33ltd gciättiget, trennet eö fidj mieberum 10
gänglidj, unb liegt in feiner eigenen trüben ©eftalt bo.
XXVI.
2>eö £erm äöinfelmanns ©efdjidjte ber Äunft beö 2llter=
tumö, ift erfdjienen. 3$ wage feinen Schritt roeiter, oljne biefeö
9Berl gelefen 311 b,aben. 33Iof? auö affgemeinen Gegriffen über 15
bie $unft oernünfteln, fann 31t ©ritten oerfürjren, bie man über
lang ober {'111-3, 511 feiner 33efd;ämung, in ben SSerfen ber $unft
«überlegt finbet. Sind) bie Otiten f'annten bie SBgnbe, weldje bie
Malerei unb $oefie mit einanber oerfnüpfen, unb fie werben fie
nidjt enger gugegogen fyaben, aU eö beiben guträglid) ift. 9Saö 20
iijre ^ünftler getrau, roirb midj teuren, maö bie $ünftter über=
I)aupt tljun f ollen; unb mo fo ein 9Jlann bie %aätl ber ©efd)id;te
oorträgt, tann bie ©pefulatton f'üfynlidj nadjtreten.
■Üftan pfleget in einem mistigen SBerfe 31t blättern, elje man
eö emftlid) gu lefen anfängt. Steine Sfteugierbe mar, oor aikn 25
Singen beö üßerfafferö Meinung oon bem Saofoon 3U roiff en;
nidjt groar von ber $unft beö 2Serfe§, über roetdje er ftd) fdjon
anberunirtö erlläret t)at, alo nur uon bem 3Uter beöfelben. 2öem
tritt er barüber bei? Senen, roeldjen SSirgil bie ©ruppe vor
2tugen gehabt 3U |aben fdjeinet? Ober benen, meldte bie «Slünftlcr 30
bem ©id;ter nacharbeiten laffen?
@ö ift fel)r nad; meinem ®efc$macfe, bafj er non einer gegen=
fettigen "Jiadjaljmung gänglid^ fdjroeiget. 2ßo ift bie abfohlte 9cot=
roenbigfeit berfeI6en? (So ift gar nidjt unmöglidj, bajj bie 2(f(nlicr)=
feiten , bie id) oben gimfdjen bem poetifdjen öemäfbe unb bem 35
13 f. 2BinctcImann-3 <5JeTd)tcJ>te bev ftunfl erftt)ien 1764, alfo jroei Satire cor bem
Scffingfcijeit Saofoon; ogl. bie Einleitung £. vi.
ffaokoon XXV t. 155
Munftmert'e in ©rroägung gebogen Ijabe, gufättige unb nitfjt oor=
fätjlidjc ikl;nlid)fettcn finb; unb bajl baö eine fo roentg bao SBorbilb
beö anbem geroefen, bafj fie and; nid;t einmal kitte einerlei üßor=
bilb gehabt gu tjabtn braudjen. §ätte inbes aud; ilm ein (Sdjein
5 biefer 9iad)al)mung gebtenbet, fo würbe er fid) für bie erftern fjaben
crflären muffen. Senn er nimmt an, baf$ ber Saofoon aus ben
„Seiten fei, ba fid) bie ilunft unter ben Öriedjen auf bem f)öd)ften
©ipfet i()rer SSottfommenfjett befunben fyabe; am ben ßetten
2UeranberS bes ©rofscn.
10 „®as gütige Sdnd'fal, fagt er,1) meldjeö aud; über bie
fünfte bei it)rer Vertilgung nodj gemadjet, tjat aller 2Belt §um
SBunber ein Skrf auö biefer 3eit ber ^unft erhalten, gum 93e=
roeife von ber -JÖaljrljeit ber ©efdjtdjte tum ber £errlid)feit fo
öteler Bewirteten sDietfterftüde. Saofoon, nebft feinen beiben
15 ©ötjnen, com Slgefanber, 2lpottoboru§2) unb SltfyenoboruQ am
9H)obu§ gearbeitet, ift nadj aller 5Sal)rfdjeinlid)feit am biefer
3eit, ob man gleid) biefelbe nidjt beftimmen, unb mic einige
getljan b/tben, bie Clnmpiaö, in meldjer biefe ^ünftler geblutet
l)aben, angeben fann."
so £>n einer Slnmcrfung fei&et er (jinju: „^linütö melbet fein
9Sort üon ber &'\t, in roeldjer Slgefanber unb bie ©etjilfen an
feinem 3Berfe gelebt b/ibcn; slftaffei aber, in ber Grflärung alter
(Statuen, Ijat miffen motten, bafs biefe iUtnftler in ber ad)tunb=
ad)tjigften Dlnrnpiae geblutet fyaben, unb auf beffen 2Öort I)aben
25 anbere, ah Nidjarbfon, nadjgefdjrieben. ^cner f)at, mie idj glaube,
einen 2ltl)enoborii5 unter beo ^olpcletuö 2djülern, für einen oon
unfern Äünftlem genommen, unb ba ^olncletuö in ber fieben=
unbad)t,3,igften Dtpmpiaö geblüfjet, fo Ijat man feinen oermeinten
<3d)üter eine Dhjmpiaö fpäter gefetzt: anbere ©rünbe fann SUtaffei
30 nidjt fyaben."
') ©efdudite ber Sunft, <S. 347.
-) 9!id)t aipoIIoBorus , fonbern 5poh)boru§. $p,limu5 ift ber einzige, ber biefe Mnftler
nennet, nnb id) toüfjte nidjt, baß bie .§anbfd)riften in biefem 9}amen oon einanber abgingen.
Öarbuin mürbe e3 geroifs fonft angemerkt tjaben. Slud) bie altem 2luSgaben lefen alte,
35 ^oloboruö. .'gerr SBinfelmann mujj fid) in biefer ÄteinigEeit blof; oerfdjrteben fjaben.
cff- 3n bie 3eit SllcranberS beö ©r. roirb fjeute bie Saofoongruope oon niemanbem
meljr oerfetjt, fonbern entioeber in bie 3"* öer Sladjfolger Üllejanber?, ber fog. 5Diabod)en
(unb sroar in baö 3. biä t. £Sabrf). o. Gb,r.) ober in bie römifdie Äaiferjeit. — 23 f. in
ber ad)tunbad)t5igften Dlpmpiao, alfo 428 t>. gtjr , roas natürlid) ganj unbenJbar
ift. — 27. ^oinjlet oon Strgoä, jüngerer 3eitgenoffe beö 4}!&ibia>3, roie biefer unb ilhjron
ein ScfiiUer beö 3lgelaba§.
156 «ctohoon XXVI.
@r tonnte gang geroifj feine anbere fyaben. 2lber roarum läfjt
e§ $err ÜBinfelmann habet beroenben, biefen oermetnten ©runb
be§ lUaffei blof; angufüfyren? üffiiberlegt er fid) von fid) felbft?
Oiicfjt fo gang. Senn roenn er and) fdjon oon feinen anbem
©rünben unterftüfct ift, fo madjt er bod) fdjon für fid) felbft eine 5
Meine vBal)rfd)einüd)feit, wo man nidjt fonft geigen fann, bafj
xUtbenoborno, be§ Sßolncletä Sdniler, unb 2ltfjenoboru§, ber ©e=
fn'lfe beci Slgefanber unb $olnboru§, unmöglich eine unb eben=
biefetbe ^erfon fönnen geroefen fein. 3um ©lüde täfft ftdj biefeä
getgen, unb groar au§ intern uerfdjiebnen SSaterlanbe. 3)er erfte 10
2ft|enoboru§ mar, nad) bem auöbrüdtidjen ßeugniffe ^e* $ßctufa=
nia§,3) au§> fölitor in 3(rfabien; ber anbere hingegen, nad) bem
3eugniffe be§ sJ>tinuiö, au§ 9tf)obu§ gebürtig.
£err üEBinfetmann fann feine 3(bfid)t babei gehabt ()aben, bafj
er bao üBorgeben bec SJtaffei, bnrd) Beifügung biefeS UmftanbeS, 15
nid)t unroiberfpredjlid) roiberlegen molten. SBielmeljr muffen irjtn
bie ©rünbe, bie er auä ber .Üunft beä 25>erf3, nad) feiner unftrei=
tigen Kenntnis, gießet, von fotdjer Söidjtigfeit gcfdjicnen tjaben,
bafj er fid) unbekümmert gelaffen, ob bie Meinung beS 9)1 äff ei
nodj einige 2i>a t) rfcf»cin I id;f cit behalte ober nid)t. Gr ernennet, 20
or)ne 3Töeife^>- m Dem Saofoon gu niete non ben argutiis , 4) bie
bem Spfippuö fo eigen roaren, mit roeldjen biefer SJleifter bie ^unft
guerft bereicherte, al§ bafj er ir)n für ein SKerl uor beofelben 3eit
galten folfte.
2tttein, wenn e§ erroiefen ift, bafj ber Saofoon nidjt älter 25
fein fann als SpfippuS, ift baburdj and) gugleidj erroiefen, baf? er
ungefähr aus feiner $eit fein muffe? bafj er unmöglich ein roeit
fpatereS 2A>erf fein fönne? 3)amit idj bie Seiten, in roeldjen bie
ft'unft in ©riectienlanh, bis gum Slnfange ber römifdjen 9Jtonarcfjie,
Uro £>aupt balb roieberum emporhob, balb roieberum finfen liefe, so
übergebe: roarum (jätte nidjt Saofoon bie glücfKdje £$:rudjt beS
SBetteiferS fein fönnen, meieren bie tierfdjroenbrtfdjc $ßradjt ber
erften .Haifer unter ben ^ünfttern entgünben muffte? SßSarum
:i) [A&rjvöäcaQO? <>j Y.cti Jkuuc; — outoi di L-/o*(<(){-: tialv ly. KXsitOOO;. Phoc.
cap. !». p. 819. Edit. Kulm. 35
*) Plinius lü>. XXXI V. soct. 19. p. 653. Edit. Hard.
21, Sßas biefe argutiae bei SßliniuS Oebcuteu, nuffen wir freilief) nidit 311 fagen.
hingegen tonnte Sffitncfelmann ber aunffeiidjen ^i-'i'lH-ftimmiing nicht beipflichten, weil für
,cit beS boticn Stiles ber fiunft ein Söerf tuie ber X'aofoon narf) Dlotio unb 2iuf=
fnffung, roie nad; Sccbntt gans unmögiid; ift.
Äctokoon XXVI. 157
formten nidjt 2lgefcmber unb feine ©efjilfen bie ßeitüerroanbten
eineä ©trongnfton, eines Slrccfilaus, eines ^iafitcteö, eines §ßofi=
bonius, eines SDiogene§ fein? äöurbcn nidjt bie Sßerfe and; biefer
9Mfter junt Teil bem 33eften, mas bie ftuuft jemals t)eroor=
5 gebradjt Ijatte, gletdjgefdjäljet? Unb mann nod; Ungegroeifelte ©tücfe
tum felbxgen öotfjanben wären, bas SCtter tfjrer Urheber aber märe
unbekannt, itnb Hefte ftdj ans nid)ts fdjlieften, als auö iljrer Äunft,
meldje göttliche (Eingebung müfjte ben Kenner nerroaljren, bafs er
fie nid)t ebenfomofyt in jene fetten feigen 311 muffen glaubte, bie
10 §err SSinfelmcmn allein bes £aofoon§ roürbig 31t fein achtet?
@3 ift voafyx, ^linius bemerft bie .Seit, in meldjer bie Äünftlcr
lies Saofoons gelebt Ijaben, ansbrüd'lid) nidjt. ©od) menn id; anö
bem .Qufammenljange ber gangen Stelle fdjliefjen feilte, ob er fie
mein* unter bie alten ober unter bie neuern 3(rtiften gerechnet miffen
15 motten: fo befennc id), baf? id) für bas Heitere eine größere 2Safjr=
fdjeinlidji'eit barin 31t bewerfen glaube. Wlan urteile.
9tad)bem ^linius uon ben älteften unb größten -üDiciftern in
ber 23ilbl)auerfunft, bem sJ>f)ibias, bem ^raritcles, bem ©copas,
etroas auäfübrlidjer gefproeben, unb hierauf bie übrigen, befonbers
20 foldje, uon bereu SBerfen in 9tom etmas uorljanben mar, of)nc
alle d)ronologifd)e Drbnung namhaft gemadjt: fo fäl)rt er folgen=
bergeftalt fort:5) Nee multo plurium fama est, quorundam
claritati in operibus eximiis obstante numero artificum, quo-
niam nee unus oecupat gloriam, nee plures pariter nuneupari
25 possunt, sicut in Laocoonte, qui est in Titi Imperatoris domo,
opus omnibus et picturae et statuariae artis praeponendum.
Ex uno lapide eum et liberos draconumqne mirabiles nexus
de consilii sententia fecere summi artifices, Agesander et
Poiydorus et Atbenodorus Ehodii. Similiter Palatinas domus
ao Caesarum replevere probatissimis signis Craterus cum Pytho-
doro, Polydectes cum Hermolao, Pythodorus alius cum Arte-
mone, et singularis Aphrodisius Trallianus. Agrippae Pan-
theum decoravit Diogenes Atheniensis , et Caryatides in
columnis templi ejus probantur inter pauca operum: sicut
35 5) Libr. XXXVI. sect. 4. p. 730.
ü. Strongnlioit, ein gefd}ä|ter äHtbfcauer, Ic&te nidjt in römifdjer Qtit, jonbern
um 415 v. @t>r. SeffingS fe^tcrljafte (Stjronologie bemfyt auf einem Srrtum SBincfclinamts.
— 2f. Sämtlich griedriidje SilbEjauer, löetdje im l. Safjrt;. » 61;r. in Italien ttjättg
roaren, ;. 2. nod) unter Stuguftuö, f. unten.
158 ffnohoon XXVI.
in fastigio posita signa, sed propter altitudinem loci minus
celebrata.
SSon allen ben ®ünftlern, weldje in biefer Stelle genennet
werben, ift 25iogene§ von 9(tf)en ber jenige, beffen ßeitafter am
unwiberfpred)lid)ften beftimmt ift. Gr fjat baS ^antljeum be§ 5
Slgrtppa auögegieret; er t)at alfo unter bem 9luguftu§ gelebt,
^od) mau erwäge bte üBorte be§ >J3ltniu5 etwas genauer, unb
id) benfe, man wirb aud) baö ßettatter be§ Graterus unb $ßotf)0=
boruö, be§ "polpbefteö unb .ftermoIauS, beö jweiten ^ptfjoboruei
unb 2(rtemon§, fomie beö 9(pf)robifiuö -TralfiamiC), ebenfo un= 10
uuberipred)lid) beftimmt finben. CSr fagt von iljnen: Palatinas
domus Caesarum replevere probatissimis signis. ^d) frage:
fann biefeS mol)l nur fo oiel fyeijjen, bafj iwn ifjren n ortreff (id)en
Söerfen bte ^attäfte ber $aifer angefüttet geroefen? ^>n bem 3Ser=
ftanbe nämlid), baf} bte $aifer fie überalt gufaminenfudjen, unb 15
nad) 3tom in ifyre 23oImungen öerfeijen (äffen? ©etmjj nid)t.
©onbem fie muffen ifjre Üöerfe au§brüdfltdj für biefe SßaHäfte ber
.^aifer gearbeitet, fie muffen 51t ben Reiten biefer Maifcr gelebt
baben. 2>af; e§ fpäte Äünftler gewefen, bie nur in Stalten ge=
arbeitet, täfjt fid) aud; fd)on bafyer fdjlie^en, med man üwer fonft 20
nirgcnbS gebadjt finbet. hätten fie in ©riedjenlanb in frühem
Reiten gearbeitet, fo würbe $aufania§ ein ober ba§ anbere 2öerf
von if)nen gelegen, unb xi)x 2(nbenfcn un§ aufbehalten b,aben. ©in
^»tf)oboru§ fommt gwar bei i|tn cor;6) allein öfjarbutn f»at feljr
unredjt, ilm für ben ^pt[)oborit§ in ber 'Stelle beS $ftntu§ gu 25
()alten. £enn SßaufaniaS nennet bie 33ilbfäule ber ^uno, bie er
von ber 3(rbeit beö erftem $u ^oronea in Söotien faf)e, uyakfia
&Q%aiov, weld)e Benennung er nur ben SÖerf'en berjenigen SDletfter
giebt, bie in ben allererftcn unb rauljeften 3e^ten ber Hunft, lange
iwr einem ^ßr)ibiaö unb ^raritele§, gelebt Ratten. Unb mit 3Berfen 30
ioldicr 31rt werben bie ^aifer gewif; nidjt iljre ^alläfte auSgegieret
baben. 9'iod) weniger ift auf bie anbere Vermutung beö .ftarbuinS
ju ad)ten, bajj Slrtemon uiclfeid)t ber Dealer gleiches -Katnen§ fei,
f) Boeotic. cap. XXX IV. ).. 778. Edit. Kulm.
16. Wcioip nidit. Sennod) l)at biefe 2tuffaffting aueft neuerbingS Serteibiger ge=
funben, unb fie ift aud) in ber Tljat nid)t fo unmöglid), als e§ ben 3lnfd)ein (»aben tonnte,
ba -^liniiiö fid) oft in fcl)r gefdiraubter SBeiie auöbriidt. — 21 ff. Rotten fie . . . auf»
begatten ijaoen. 2)iefcr Örunb ift nidit ftid)t)altig , ba aud) mandjer anbere. .uünftler
auS uuiineifeliiaft alter ^cit, ber in OJriedicnlaub gear&eitet, 6ei SJJaufonioä nidit enuäljnt
wirb. — 38. Ten SDlatet Jlrtemon nennt 'JÜiiiino XXXV, 139.
•ffaokoon XXVI. 159
beffen $liniu§ an einer anbern Stelle gebeutet, kernte unb Dtame
geben nur eine feljr geringe 2öa^rf d^etnttd^fett , berenmegen man
nod) lange nicfjt befugt ift, ber natürlidjen Sluölegung einer um
nerfälfd)ten ©teile ©emalt angutrjun.
5 $ft e§ aber fonad) aufjer allem 3roeifel, ^af, ßrateruS unb
^tjtfjoboruS, baf$ YsolpbefteS unb £ermoIau3 mit ben übrigen,
unter ben $atfern gelebet, bereu ^alläfte jic mit ifjrcn trefflidjen
äßerfen angefüllct: fo bünlt midj, fann man aud) benjenigen
Münftlem fein anber Zeitalter geben, von meldjen ^ItniuS auf
10 jene burd) ein Similiter übergebet. Unb biefeä finb bie 5Jieifter
bc§ Saofoon. 93ian überlege e§ nur: mären 2lgefanber, ^olpboruö
unb 3ftl)enoboru3 fo alte 5)ieifter, al§ roofür fic £>err üöinMmann
l)ä(t; mic unfd)idlid) mürbe ein ©djriftfteller, bem bie ^sräjifion
bes> 21u3brud'e§ feine $teinigfat ift, roenn er von iljnen auf em=
15 mal auf bie alterneueften 50teifter fpringen muffte, biefen ©prung
mit einem ©teidjergeftalt tl)itn?
©od) man roirb einmenben, baf} fid) biefeö Similiter ntdjt
auf bie 3Jermanbtfd)aft in 2lnf erjung beS 3eitalter§, fonbem auf
einen anbern Umftanb bejietje, meldjen biefe, in 25etrad)tung ber
20 3dt fo unäfjnlidje 9)ieifter, mit einanber gemein gehabt fjätten.
SßlimuS rebe nämlid) oon folerjen ^ünftlem, bie in ©emeinfdjaft
gearbeitet, unb megen biefer ©emeinfdjaft unbefannter geblieben
mären, als fie oerbienten. Senn ba leiner fid) bie Cljre be§ ge=
meinfdjaftlidjen SBerfö allein anmafsen fönnen, alle aber, bie barem
25 teil gehabt, jeberjeit 31t nennen, 51t meitläuftig gemefen märe:
(quoniam nee rums oecupat gioriam, nee plures pariter rmn-
cupari possunt) fo mären il)re fämtlidje 9iamen barüber uer=
nadjläffiget roorben. SiefcS fei ben 9Jteiftern beö £aofoon§, biefeö
fei fo mandjen anbern 9Jietftem miberfaljrcn, roetdje bie Kaifer
30 für if)re s}>altäftc bcfdjäftiget l)ätten.
^d) gebe biefeö §u. 2(ber aud) fo nod) ift e§ l)öd)ft roal)r=
fd)eintid), bafc ^liniuS nur uon neuern Hünfttern fpredjen mollen,
bie in ©emeinfdjaft gearbeitet. Senn Ijättc er aud) uon älterem
reben motten, warum l)ätte er nur allein ber 9Jleifter beö Saotoonö
10 ff- 3)wfe Deutung be§ similiter ift aud) netierbingS oerieibigt werben, raäfjrenb
oon anbver Seite eine UmfteUung im Sejt be§ 5ßltmu§ uorgefdjlagen unb bQ'3 similiter
aus ben gemeinidaftiidjen SlufftettungSorteh ber Mitnftroerfe eritärt roirb. 91ä[;er.c3 in
meiner grojjen Slusgabe ©. f.73f. — 19. in S3etrad)titng, roofür man fjeutc „in 2Itt=
bctracl)t" Dornest. — 3:;. älterem; biefe -Teflinntion bes flotjtparatioä ift bei Seffing
nicfjt ungeroBfjnlid).
1G0 ffaohoon XXVI.
ermähnet? SBarum nidjt aud) anberer? @ine§ Cnatao unb S\aU
litcles; eine§ ^imotleö unb Ximardjioco, ober ber 3ö(me biefeö
^imavd)iocö, von melcben ein gemeinfdjaftticf) gearbeiteter Jupiter
in "Korn mar.7) §err äötnfelman fagt felbft, bafj man von ber=
gleiten älterem äßerfen, bie mel)r als einen üßater gefaßt, ein 5
[ange§ üBer^eidjnt§ madjen tonne/) Unb $liniu§ follte fiel) nur
auf bie einzigen SCgefanber, ^olnboruo unb 2(tf)enoborus beionnen
haben, menn er jid) nidjt auobrüdlid) nur auf bie neueften ßeiten
I)ätte einfdn'änfen motten ?
9Birb übrigen* eine Sßermutung um fo nie! umfyrfdjeinUdjer, 10
je mehrere unb größere Unbcgreiflidjfciten jid) barauö crftären
I äffen, fo ift co bie, bajj bie SJleifter beo Saofoonö unter ben
erjten Maifern gcblüljet l)aben, gennjj in einem feljr boljcm ©rabe.
2)enn hätten jie in ©riedjenlanb 51t ben 3c^ten, in meldje jie
§err äöinfetntann fettet, gearbeitet, fjätte ber Saofoon felbft in 15
©rtedjentanb ef/ebem geftanoen: fo muffte ba§ tiefe Stillfdjmeigen,
meldjeS bie ©rieben oon einem fotdjen Söerle (opere omnibus
et pieturae et statuariae artis praeponendo) beobachtet tjätten,
anwerft befremben. ßö müfjte äufjerft befremben, roenn fo grojje
fünfter weiter gar nid)ts gearbeitet r)ätten, ober menn ^aufanta§ 20
von itjren übrigen SBerfen in gang ©riecbenlanb eben fo menig
roie von bem Saofoon, 31t feljen befommen tjätte. $n 9tom f)in=
gegen tonnte ba§ größte 9)ieifterftüd lange im Verborgenen bleiben,
unb menn Saofoon aud) bereits unter bem 3Iuguftu§ märe oer=
fertiget morben, fo bürfte es bod) gar nidjt fonberbar fdjeinen, 25
bafj erft SßliniuS feiner gebadjt, feiner guerft unb julctjt gebadet.
3)enn man erinnere fid) nur, raaS er oon einer SBenuS beö ©copa§
fagt,&) bie ju 9totn in einem Tempel be§ 9Jcar§ ftanb, quem-
eunque alium locum nobilitatnra. Romae quidem magnitudo
operum eam obliterat, ac magni officiorum negotiorumque 30
acervi omnes a contemplatione talium abdueunt; quoniam
otiosorum et in magno loci silentio apta admiratio talis est.
71 Plinius Üb. XXXV t sect. I p. 730.
) ©efdjic$te ber ftunft, X. II. <S. 331.
"t l'linius 1- c. p. Tl'T 35
1 f. Dnataä unb .ftnüitelc«, äginetifdje Silbbauer um 470 o. Etjr., oon benett
Dnatai ber berühmtere SDieifter ift. — 2. Ximof les unb Jimardjibeö, attifdje .ttünftler,
oermutltdj am römifdier ; *, c 1 1 . — 6 ff. S)a3 similiter tonnte aber aud) barauf geben, baf;
eine Shtjaljl gemeinfeftaftlid) arbeitender Äünftler eben bcätjatb toeuiger Serübmtbeit ev-
lainit bnbeit. — M— i'-K 3ft nidjt gan; jutreffenb, aud) über bie berühmte ©nippe be-3
tariu-i'iidieu Stiers erfahren mir aus griediifcben Quellen nictjtS ; unb Der I;evrlidje SCItar
oon Sßergamon fommt nur in einer fpäten Duelle ganj beiläufig vor.
Caoboon XXVII. 161
diejenigen, roeldje in ber ©nippe Saofoon fo gern eine 9tacr)=
afymung be§ SSirgilifdjen Sao!oon§ fefyen motten, werben, roa§ idj
bisher gefagt, mit Vergnügen ergreifen. 9iod) fiele mir eine 9Jiut=
majjung bei, bie fie gleidjf attö nidjt fefyr mijj&tttigen Dürften.
5 2>ietteid)t, tonnten fie beuten, mar e§ 2(finiu§ $ottio, ber ben
Saotoon beo SBirgifä burdj griedjifdje Hüuftter ausführen tief}
s}>offio mar ein befonberer $reunb bes> SDidjters, überlebte ben
2)id)ter, unb fcr)einet fogar ein eigenes 23erf über bie 2(eneis ge=
fd)rieben 31t fyaben. £)enn wo fonft, aU in einem eigenen 9Berte
10 über biefeo ©ebidjt, tonnen fo leidjt bie einzeln Stnmerfungen
geftanben fjaben, bie <2eroiu§ au§ ifjm anführt? ir) 3ug(eid) mar
^ottio ein Siebfyaber unb Äenner ber ®unft, befafj eine reidje
©ammtung ber trefftidjften alten $unftroerfe, lief? oon ^unftlern
feiner 3eü weue fertigen, unb bem ©efdjmade, ben er in feiner
15 2ö(U)l geigte, mar ein fo füb,ne§ ^>tüd als Saofoon uotttommen
angemeffen: ll) ut fuit acris vehementiae sie quoque speetari
monumenta sua voluit. 2)od} ba baQ Kabinett beö ^3oCCto §u
ben 3eiten be§ ^limuQ, als Soofoon in bem $affafie be3 Situs
ftanb, nod) gang ungertrennet an einem befonbern Drte beifammen
•20 geroefen §u fein fdjeinet, fo mödjtc biefe 3Jlutmafiung oon ityrer
9Bar)rfcr)ein[id;feit rmeberum etwas verlieren. Unb warum tonnte
eS triebt Situs felbft getfyan fyaben, ma§ mir bem s}>ottio ju=
fdjreiben motten?
xxvir.
25 £>d) roerbe in meiner -äJtetnung, baf$ bie 3Jleifter bes" 2ao=
foons unter ben erften $aifern gearbeitet l)almx, menigftens fo
alt gemifj nidjt fein tonnen, al§ fie §err SBinfetmann ausgiebt,
burd) eine Steine s0iad)rid)t beftärtet, bie er felbft jaterft bef'annt
madjt. Sie ift biefe:1)
30 „3u s)iettuno, eljemals Stntium, Ijat ber öerr ^arbinal
2((eranber "JUbani, im $af)re 1717, in einem großen ©cwölbe,
10) Ad vers. 7. lib. II. Aeneid. unb &efonber§ ad vers. 183. lib. XI. ^fftan bürfte
atfo rooljl nidjt unred)t tfjun, wenn man ba3 si>er5eia)ni3 ber oertorueu Sdjriften biefe3
sUianne5 mit einem foldu'u SBerfe r>ermel)rte.
35 ") Plinius lib. XXXVI. sect. 4. p. 729.
') ©efa)tdf)te ber flunft, 2. II. S. 347.
5. ütfiniu'j $o((io, befaitnter römijdjer Staatsmann, 76 u. Gljr. bi3 4 n. Chr. —
17 ff. Sptiniuil jäbjt XXXVI. 30 ff. bie Sdiäije biefer Sammlung auf, woraus Ijeruor*
jugetjen fd)eint, bafj fie bamals noa) beifammen mar.
Seffingä SSerfe 9. 11
162 Caokoon XXVII.
roetdjeS im -äJleere oerfunfen lag, eine Safe entbecfet, roeldje oon
fdjroarggräuUdjem 9Jlarmor ift, bcn man ifco 33igio nennet, in
roeldie bie $igur eingefüget mar; auf berfelben befinbet fid) fol=
gertbe Snfdjrtft:
AOANOJSIPOZ ArHZANJPOT 5
POJIOZ EIIOIHZE
(3(tljanoborue be§ 2Tgefanber§ <&6f)ti, au§ 9tf>obu§, fyat e§ gemalt).
3GStr (erneu au$ bieder ^nfd^rift, bafj SSater unb <3of)n am 2ao=
foon gearbeitet baben, unb uennutlid) mar aud) 9lpoifoboru§
(s}>oü)boruo) bec 2tgefanber§ 3otm; benn bicfer 2ttfjanoboru§ lann 10
fein anberer fein, als ber, melden ^lintuo nennet. @3 beroeifet
ferner biefe £siv>d)rift, baf? fid» me()r SBerfe ber Äunft, at§ nur
allein brei, rote ^liniuö roilt, gefunben baben, auf roeltfje bie
Münftler ba§ üföort, ©emadjt, in oollenbeter unb beftimmter $eit
genfer, nämlid) fVtoi'j/cJc, fecit: er beridjtet, baf? bie übrigen Munftler 15
au§ Sefdjeibenljeit fidj in unbeftimmter 3ett auSgebrüd'et, inoisi,
faciebat"
SDarin roirb §err Sßinfetmamt wenig 2Biberfprud) ftnben,
bafj ber 9lti)anoboru§ in biefer 5>nfdjrtft fein anberer al§ ber
vJltl)enoboru§ fein fönne, beffen s}>Iiniu§ unter ben 9)teiftern be§ 20
SaofoonS gebeutet. 2(tl)anoboru3 unb 2(tl)cnoboru3 ift aud) oöllig
ein Staute; benn bie Mrobier bebienten fid) be§ borifdjen 3)ialeft§.
allein über baö, roa§ er fonft barau§ folgern roiff, muf} id; einige
ilnmerfungen magert.
£a§ erfte, baf} 2ltljenoboru§ ein ©ofm be§ 2fgefanber§ ge= 25
roefen fei, mag (jingeljen. GS ift fcfjr roatjrfdjeinlid) , nur nidjt
unuüberfpredjlid). "Denn e§ ift befannt, ba^ eö alte ^ünftler ge=
geben, bie, anftatt fid) nad) ifjrem SJater §u nennen, fid) lieber
nad) itjrem ü'eijrmcifter nennen motten. 2Ba§ ?pliniu§ von ben
©cbrübcm 2(polloniuc> unb ZiauriScuS faget, leibet nidjt rooljl eine 30
anbere Stillegung. '-')
') Libr. XXXVI. seot. 1. p. 730.
1. eine 53afe, bei SHncfelmann ftcl)t „eine Safe einer Statue". — 21 f. $n neuerer
3eii fiub nodi einige anbere .Jnfdiriften gefunben werben, auf benen ein 2ltf)anoboru3,
£ol)tt be§ 2igefanber, aus £R$obu§, genannt wirb; bod) gelten bie beiben in Italien ge=
funbenen, bie allerbiug3 au>3 ber Äaiferjeit flammen, für Äopiecn älterer Originale. —
2.1—29. Jer ©enetin bei ßttnftlernamen bebeutet in ber Segel ben 9!amen beS 3Sater§,
ber sugleid) ber üefjrmeiftcr icar, aber nid)t bcn be§ Scl)rmeifter5 allein. — 30. S3on
31 po llont« § unb SC a u r i 3 c u § am SratteS, ben SBerfertigern ber ©nippe beS farncfifdien
Stieres, fagt SJJIiniuä a.a^ 0., fie Ratten ben äRenefrateä als ilireu SSaier genannt, ityr
natürlicher üater aber fei 2lrtemiboruö. ISS bejicl)t fid) ba§ auf bie in :Hhobus feljr häufige
2lboj)tion (vod-eoia). i'iad) einer J,ufd;rift auZ Sinboö auf 3iljobu§ batte ein 2ltIjattoboru5
einen 2lgefanber 511m Später, einen SiomjfiuS aber 311111 2lboptio»ater.
ffaokoon XXVii 163
Sfber roie? 2)icfe ^nfd^rtft foll §ugletd[j baö Vorgeben bee
^liniuö nriberlegen, bafi fid) nid)t meljr als brei Äunftmerfe ge=
funben, ju meldjen fid) ifyre 9Jleifter in ber ooßenbeten 3eit (an=
ftatt bes InolsL burd) moCt]6s) befannt fjätten? S)iefe $nf$*ift?
5 2Sarum f ollen roxi crft aus btefer ^nfdjrift lernen, ums mir
längft aus fielen anbern rjättcn lernen Sonnen? §at man nidjt
fdjon auf ber Statue bes ©ermanicus Kksofik/yg — snoirjas
gefunben? 2luf ber fogenannten Vergötterung bes Römers,
'AqiiXuog l%oir\6B% 3luf ber bekannten SSafe ju ©aeta, Zcditiav
10 lltOL1]G^.") u. f. xxi.
§err äöinfelmann fann fagen: „2Ber meifj biefes Beffer als
id) V 216er, roirb er Ijinjufeijett, befto fdjlimmer für ben ^>linius.
Seinem Vorgeben ift alfo um fo öfterer rotberfprodjcn; es ift um
fo geroiffer nuberlegt"
15 -ftod) nidjt. SDenn mie, roenn §err Söinlelmann ben v}}linius
mel)r fagen tiefte, als er mirflid) fagen mollen? SBenn alfo bie
angeführten Veifpiele nidjt bas Vorgeben bes s}Minius, fonbern
blofj bas mehrere, meldjes |)err SJßmfelmtmn in biefes Vorgeben
hineingetragen, roiberlegteu? Unb fo ift es mirflid). §d) inu^
20 bie gange Stelle anführen. $ßniu§ raill, in feiner 3uetgmmg§=:
fdjrift an ben £itus, r»on feinem 2Serfe mit ber Vefdjeibenljeit
eines -Diannes fpredjen, ber es felbft am beften meif$, mie tnel
bemfelben jur Vollkommenheit nodj fef)Ie. Gr finbet ein merf=
mürbiges (fgempel einer folgen Vefdjcibenljeit bei ben ©rieben,
25 über bereu praljlenbe, oieluerfpredjenbe Vüdjertitel (inscriptiones,
propter quas vadimoniurn deseri possit) er fid) uorljer ein
menig aufgehalten, unb fagt:"1) Et ne in totum videar Graecos
inseetari, ex illis nos velim intelligi pingendi fingendique
conditoribns, quos in libellis his invenies, absoluta opera,
30 et illa quoque quae mirando non satianrur, pendenti titulo
inscripsisse, ut APELLES FAC1EBAT, aut POLYCLETÜS,
tanquarn inehoata semper arte et imperfecta: ut contra ju-
3) Wlan febe bas SCerjeidjniä ber 2luffd)riften alter jUinftroerfe beim ?D!ar. ©ubiuS (ad
Fhaedri fab. l. lib. Vi unb siehe ätigleia) bie Berichtigung besfelbcn oem ©ronoo (Praef.
35 ud Tom. IX. Thesauri Antiq. Graec.) jtt Siatc.
4) Libr. I. p. 5. Edit. Hard.
7. i>cr Statue be§ öevmanicuä; biefe heute im Sonore befinbücbe Statue ficllt
einen römifeben Steintet unter ber ©eftalt be$ 2Jlerfur i'or; bie Benennung öermanicuS
ift unbe;irimt>t't. — 8. ©ao Sielief mit ber 3lpotbeofe bes .ferner, non 2lrcßeIao§ oon griene,
befinbet fid) heute im Britifcbett SDiufeum. — 9. 2>aie iu ©aeta; btefer Ämter ift n.it
bacchijdjen 9ielief§ gcfchmücft unb fteljt beute im SJationalmufeum ,;u 9leape(.
11*
164 Äaokoon XXVI 1.
diciorum varietates superesset artifici regressus ad veniam,
velut emendaturo quidquid desideraretur, si non esset inter-
ceptus. Quare plenum verecundiae illud est, quod omnia
opera tanquam novissima inscripsere, et tanquani singulis
fato adempti. Tria non amplius, ut opinor, absolute trä- 5
duntur inscripta, ILLE FECIT, quae suis locis reddam: quo
apparuit, sununam artis secuvitatem auctori placuisse, et ob
id magna invidia fuere omnia ea. £,d) bitte, auf bie SÖorte
be§ ^>IintU£>, pingendi fingendique conditoribus, aufmerffam ju
fein. 5ßlintu§ fagt nid;t, bafs bie ©emoljnljeit, in ber unnotl^ 10
enbeten $tit fid) ju feinem Söerfe 511 befennen, afigemetn gemefen;
baf$ fie non allen iUtnftlem, gu allen 3e^en beobachtet raorben:
er fagt ausbrüdlid), bafj nur bie erften alten 3Jieifter, jene
©djöpfer ber bilbenben fünfte, pingendi fingendique conditores,
ein 2tpel(e3, ein sJsoIi)tTet, unb ifjre 3eitnerraanbte, biefe fluge 23e= 15
ftfjeibentjeit gehabt t)ätten; unb ba er biefe nur allein nennet, fo
giebt er ftiUfdjmeigenb, aber beutlid) genug, 31t nerfteljen, bafj it)re
9cad)folger, befonberö in ben fpöteren 3e^en, mel)r 3u^rfid)t auf
fid) felber geäußert.
3)icfe§ aber angenommen, uüe man es annehmen mufj, fo 20
fann bie entberf'te 3(uffd)rift von bem einen ber brei föünftler be§
2aofoon§, iJjre völlige 9üd)tigfeit fyaben, unb eö lann bem olmge=
adjtet maljr fein, bafj, raie $liniu§ fagt, nur etraa brei 2Serfe
uorb/mben geroefen, in beren 2luffd)riften fid) il)re Urheber ber
uollenbeten $eit bebienet; mimlid) unter ben altern 2Serf'en, auZ 25
ben &\tm be§ 2lpelle3, beS sJ>oh)fIets, be§ 9ftcia3, be§ Snfippus.
2tber ba§ t'ann fobann feine 9tid)rigfett md)t Ijaben, bafj 2(tl)eno=
boruo unb feine ©etjilfen, ßettüesrocmbte bes 2tpetfe§ unb 2t>=
fippus geroefen finb, 31t roeldje« fie $err SBinf'elmann machen
null. 9Jcan nui^ vielmehr fo fd)liefjen: SSenn e§ raaljr ift, baf; 30
unter ben SEBerfen ber altem ilünftler, eines 21pelle§, eines $0=
5 f. ali sii] utc ins c rijit a. G$ tommt I)ier fefyr barouf an, ruic man biefe Sorte
faftt: wenn barunter ber Slorift ju oerfteb/en ift, fo ift atlerbingä fnum ertlärluö, roie
SßliniuS behaupten tonnte, nur brei SBeifpiele banon su leimen, ba unter ben un§ erhaltenen
flünftlerinfd&riften ber Morift Diel häufiger ift, aI3 ba§ Sntperfeftum. Saber meinte Saint,
unter absolute inscripta fei ba§ Sßerfeft nttioirjy.i ;u oerfteljen; menn Sßttnim! hieruott
nur brei Seifpiele tonnte, fo Ijat e§ nid)t3 2luffällige3, roenri mir gar fein SBeifpiel titeln-
baoon befigen. Über eine anbere §npot$efe f. meinen großen Äommentar S, 676. —
26. SDer üDialer 9Htta3 aus Sitten lebte im 4. SJaljrb. v. Gljr. Seine Gruntöitung an
btefem SOrt beruht auf ber in ber Slnm. angeführten ©teile be3 SßRniuä. — 9Kd)t i'nfip =
pu5, fonbern GlafippuS Ijcifit na* ber beften £e§art ber in ber 2inm. 5 angeführten ©teile
bcS SßlvniuS ber bort ernuirmte entauftifdie SDlaler, auö unbetannter $iit.
fctohoon xxvii. 165
h)flet§ unb ber übrigen au§ biefer Pfaffe, nur etroa bret geroefen
fhtb, in beren 2(ufftf)riften bic noKenbete gär tum ifynen gebraust
uuuben; wenn e§ roaljr ift, bajs $fttmi§ biefe bret SBerfe felbft
namhaft gemacht l)at;b) fo fann 3W)enoboruö, von bem feines biefer
5 5) Gr oerfpridjt roenigfieni ausbrüdlia), e§ ,;u tEjun : quae suis locis reddam. —
Senn er es aber nidit gänjltdj oergeffen, fo hat er es boa) fefjv im Vorbeigehen unb gar
nidjt auf eine 2lrt getban, als man naa) einem folgen 33erfpreä)eu erroartet. Senn er
S. G. fdireibet (Lib. XXXV. sect. 39): Lysippua quoque Aegiuae picturae suae
inscripsit, ivixavasv: quod profecto noii fecisset, nisi encaustica inventa: fo ift eS
10 offenbar, baß er biefe? ivixavoev jum Söeroeife einer ganj anbern ©adie braucht. £at
er aber, roie iiarbitin glaubt, auch lUgtetcb ba§ eine neu ben Scrfen baburä) angeben
roollen, beren 3lufjd)rift 'in bem 2lorifto abgefaßt geroefen: fo hätte eä fia) roobt ber ÜJiütje
»«•lohnet, ein Sort baoon mit einfließen ju laffen. ©ie anbern jroei Serfe biefer Slrt
finbet £arbuin in folgenber Stelle: Idem (Divus Augustus) iu Curia quoque, quam
15 in comitio conaecrabat, duaa tabulas impressit parieti: Xemeam sedentem supra
leonem, palmigeram ipaam, atlstante cum baculo aene, cujus supra Caput tabula
bigae depenclet. Nicias scripsit ae inuaaiaae: tali enim usua eat verbo. Alterius
tabulae admiratio eat, puberem filiuru seni patri aimilem ease, salva aetatis differentia,
supervnlante aquila draconem complexa. Philochares hoc auum opus esse testatua
20 est. (Lib. XXXV. sect. 10.) §ier roerben jroei nerfdjiebene ©emälbe befdjrieben, roeldje
Jtuguftus in bem neuerbauten SRathaufe aufteilen laffen. ©a§ äroeite ift nom $bilod>are§,
baS erfte com SiiciaS. SaS oon jenem gefagt roirb, ift flar unb beutlid). 2lber bei biefem
ftnben ftcr) Sdiroierigfeiten. GS hellte bie 9cemca »or, auf einem Söroen fibenb, einen
$Palmenjroeig in ber fiianb, neben itjr ein alter ÜKann mit einem Stabe; cujus supra
25 caput tabula bigae dependet. SaS beißt ba§? Über beffen Raupte eine ©afel hing,
roorauf ein sroeiipännigcr Sagen gemalt war? ©aS ift noa) ber einzige Sinn, beu man
biefen Sorten geben fann. 3llfo mar auf baS £>auptgemälbe noa) ein anbereS fleinereS
©emälbe gebangen? llnb beibe roaren oon bem JiictaS? So tnufi eS §arbuin genommen
haben, ©enn roo mären bier fonft sroei ©emälbe beS DUctaS, ba baS anbere auSbrüdlid)
30 bem 5JS()ilod)are3 jugefdirteben roirb? Inscripsit Nicias igitur geminae huic tabulae
siumi nomen in hunc moduni : O N / K IJL2 RNEKAi'—KN: atque adeo e tribus
operibus, quae absolute fuisse inscripta, ILLE FECTT, indieavit Praefatio ad
Tituni. dup haec sunt Niciae. Qd) rnödite ben ftarbuin fragen: roenn 9!icia3 niä)t ben
Woriftum, fonbern roirtlicb baS Jjmperfeftum gebraucht hätte, piniuS aber hätte bloß be=
35 merfen roollen, baß ber SUeifter, anftatt beS yoüifsiv, iyxaisiv gebraudit Ijätte, roürbe er
in fetner ©nracbe aud) nidjt nod) alsbenn fja&ett fagen muffen: Nicias scripsit se
inussisse? ©od) id) rotll bierauf nid)t beftehen; c3 mag inirflid) be§ ^liniiiä 2Biüe ge=
roefen fein, eines oon ben SBerfen, roonon bie Jliebe ift, baburd) anjubeuten. Söer aber
roirb fia) bas hoppelte ©emälbe einreben laffen, beren eines über bem anbern gebangen?
40 ^d) mir nimmermebr. ©ie 9Borte cujus supra caput tabula bigae dependet, tonnen
alfo nidit anberS als uerfälfd)t fein Tabula bigae, ein ©emälbe, roorauf ein jtDei=
ipänniger Sagen gemalet, dingt nidit fehr ^.Uinianifd», roenn aud) ^HrnuS fd;on fonft ben
Singularem oon bigae braudjt. Unb roaS für ein jroeifpänniger Sagen? ßtroan, ber=
gleichen su ben Settrennen in ben JJemeäitchen Spielen gebraucht rourben; fo bafj biefeS
•l.r> Heinere ©emälbe in Slniehung beffen, roaS es oorftellte, 511 bem £>auptgemälbe gehört hätte?
©ao tann nicht fein; beim in ben SJemeäifchen Spielen roaren nidjt jroeifpännige, fonbern
oierfpännigc Sagen geroöhnlia). (Schmidius in Prol. ad Nemeonicas, p. l'.i ßinSmalS
fam ich auf bie ©ebanfen, bafi ^liniuS anftatt beS bigae oielleidit ein griea)ifa)e5 Sort
5 ff ßr hat eS offenbar gar nicht getban, fonbern üergeffen; in ben im folgenben
angeführten Serfen tommt eS ihm jebcSmal nur auf ba§ Sßerbum iyxaicir. inurere,
an, nidit auf baS ©empuS. — 21. <Phitod)areS; baS Zeitalter biefeS SDialerS ift
unbetannt. — 23. ©ie 91emea ift bic ^erfonifitation ber Crtlichfeit in SlrgoliS. roo
bie berühmten nemeifchen Spiele ftattfauben. — 38 ff. ©iefe ©eutung ber SJJliniuäftelle
roirb oon Seifing burchau« mit Siecht surürfgeroiefen. — 41 — 47. ©ro?bem aüerbingS 33ier=
gefpanne bas ©eroöhnliche roaren, ift bod) nirgenbS gefagt, bafs nid)t auch Settfahrten oon
3roeigeipannen oorgefommen roaren ©ie tabula bigae ift roahrfdjeinlich ein am ©emälbe
angebrachtes, b. h- roirflid) aufgemaltes Sotirrtäfelchen, roelcbeS an bie 2lrt beS errungenen.
Sieges erinnern follte.
166 ffaokoon xxvu
btct SDBcrfe ift, unb ber fid? bem orjngeadjtet auf feinen SSerfen
ber ooffenbeten Seit bedienet, §u jenen alten Münftlem nidjt ge=
boren; er tarnt fein ßettocrroanbter bc§ 2lpette§, beö Sofippus
fein, fonbem er mujs in fpätere 3eitetl gefegt roerben.
.Uurj; id) glaube, es Hefte fid) als ein feljr juoerläfftgeS 5
Kriterium angeben, baf$ alle Äünftler, bie ba3 £7ioi'r}66 gebraust,
lange nad) ben ßeiten 2llej:anber§ be§ ©rofjen, furj vor ober
unter ben .Üaiicrn, geblübet l)aben. 3>on bem ^Teomenes ift ee
unftreitig; oon bem SlrdjelaitQ ift ee Ijödjft toaljrfdjeinlid); unb
uon bem ©alpton fann menigftenö ba§ ©egentetl auf feine SBetfe 10
erroiefen merben. Unb fo von ben übrigen; ben 2ltl)anoboru§
nidjt aucgefdjloffen.
£err äSinMtndnn felbft mag hierüber 9tidjter lein! £od)
proteftiere id) gleid) im voraus miber ben umgetefjrten 3at5.
3Benn alle Münftler, meldje Enotr)6a gebraucht, unter bie ipäten 15
gehören : fo gehören barum nidjt alle, bie fiel) be§ InoUt bebienet,
unter bie altem. 3(ud) unter ben fpätern $ünftlern fönnen einige
biefe einem grofjen SJianne fo mol)l anfterjenbe SBefdjeibenljeit xoxxi-
üd) befeffen, u\\^ anbere fie 311 befi^en fid) geftellet r)aben.
gefdjrieBen, meldies bie Slbfdncibor nidjt oerftanben; id; meine ntvylov. 2Bir roiffen 20
nämücl) ou§ einer ©teile bes 2lntigonu§ SarnfrhtS, Beim 3?nobiu§, (conf. Gronovius
T. IX. Antiquit Gräec. Praef. p. 7) bafj bie alten Äünftler nidjt immer it)re Diameit
mit ibre SBSerfe felbft, fonbem aud) :uof>l auf befonbere Xäfeldjen gefe^ct , roeldje bem ©e=
mälbe, ober ber Statue angehangen mürben. Unb ein foldies "Järeldjen hieß ntu/iuv.
Sicfes griedjifdje 2Bort fanb fid) vielleicht in einer £ianbfdjrift burdj bie ©tojfe, tabula, 25
tabella, erfläret; unb ba§ tabula fam enblicfi mit in ben Xext. Stus nruyior warb
bigae; unö fo entftanb ba§ tabula bigae.* Slidjts fann su bem golgenben beffer paffen,
als biefes niv/Lov, benn bas g-olgenbe eben ift es, mas barauf ftanb. Sie ganu' Stelle
roärc alfo 311 lefeu: cujus supra caput mv%loY dependet, quo Xicias scripsit se
iuussissu. SDodi biefe florreftur, id) befenne es," ift ein menig fübu. SJluj; mau beim auch, 30
alles uerbefferu fönnen, toas man oerfälfdjt ;u fein bemeifen fann? gd) begnüge midi,
bas lefctere hier geleiftet ju baben, unb übcrlaffe ba§ erftere einer gefdjidtcru £aub. 2)od)
nunmehr nueberum jur ©adie suriid ju tommen: wenn spliniu3 alfo nur oon einem ®e=
mälbe be§ SRicial rebet, beffen äuffdjrift im 2lorifto abgefaßt geraefen, unb bas ätoeite
©emälbe biefer 2lrt ba§ obige be>3 vnfippit'3 ift: meldte« ift benn nun baS britte? ®a« 35
u>eifj id) nidjt. äBenn id) es bei einem anber'n alten Scbriftfteller finben bürfte, als bei
bem ^linius, fo mürbe id) nidjt febr «erlegen fein. 2lber es foll bei bem ^linius gefunben
roerben; unb nod) einmal: bei meiern meifs ich es nidjt ju finben.
5—8. Sas ift unridjtig; ber Slorift tommt auf 2Ber!en auZ allen Gpodjeu cor unb
fdjcint namentlid) mäbrenb ber beften Qtit bai ©eroöbnlidie gemefen ju fein. — 15 ff. 2)a§
.Xinpirfettum fdjeint, neben bem Slorift, oornebmlid) in ber altern 3^it ,etroa bis 550 u. Gbx),
unb bann nueber, oielleidn als StrdjaiSmuS, feit 180 v. Hfjv. etma in ©ebraud) getuefen
SU fein. — 21. 31 ut ig onus 15 anift ins, ein griediifdier yiftorifer um -'70 n. Sl)r., uon
bem uns ein Ülusjiig erlmlteu ift. — 25. ©loffe, b. i. Ufanbbemerfung.
Caohooti XXVIII. 167
XXVIII.
"Diad) bem Saofoon mar \<fy auf nidjts neugieriger aU auf
ba§, maö |jerc SGBinlelmann von bem fogenannten borgljefifdjen
^edjter fagen möd)te. £>dj glaube eine ©ntbecfung über biefe
5 ©tatue gemacht ju baben, auf bie idj mir altes einbilbe, roa§
man fiel; auf bergleidjen ©ntbedungen einbilben f'ann.
$jd) beforgte fdjon, |jerr SBinfetmann mürbe mir batnit $fc
»orgefommen fein. 3(ber id) finbe nid)t§ bergtetdjen bei ibm; unb
roenn nunmeljr midj etroas mifjtrauifcfj in tf;re Sftidjtigfeit matten
10 tonnte, fo mürbe e3 eben baö fein, bafj meine Seforgnis nicr)t
eingetroffen.
„Einige, fagt §err SBinMmann,1) machen aus biefer Statue
einen 2)ifco&otu§, ba§ ift, ber mit bem ©ifeo, ober mit einer
Sdjetbe uon WtttaU, mirft; unb biefes" mar bie Meinung bes" be=
15 rühmten $erm tum ©tofd) in einem ©djreiben an mid), aber
o(>ne genugfame 33etradjtung be§ ©tanbe§, morin bergleidjen Jigur
mitt gefegt fein. Qznn berjenige, roeldjer etwas" roerfen mitt,
mujj fidj mit bem Seibe ÜjinterroärtS gurücfgteljen, unb inbem ber
SBurf gefcr)et)en fott, liegt bie tfraft auf bem nädjften ©djenfel,
20 unb bas linfe 23ein ift müfjig: Ijier aber ift bas ©egentetf. S5ie
gange $igur ift uormürts geworfen, unb rufjet auf bem linfen
Sdjenfel, unb ba§ rechte Sein ift fjintcrroärtö auf baö äufjerfte
ausgeftred't. ©er redete 2(rm ift neu, unb man b,at if)m in bie
§anb ein <StM uon einer Sänge gegeben; auf bem linfen 2(rme
25 fietjt man ben 9tiem uon bem ©djilbe, meldten er gehalten l)at.
33etrad)tet man, baf$ ber $opf unb bie 2lugen aufwärts gerietet
finb, unb bafj bie %i$ux fid) mit bem <Sd)i(be vor etwas, bas
uon oben Ijer lommt, gu uermafjren fcfjeint, fo tonnte man biefe
Statue mit niedrerem JHedjte für eine 3>orfteKung eines ©olbaten
30 Ratten, mefdjer fidj in einem gefätjrticrjen ©tanbe befonbers uer=
') ©ejefc. ber flunft, S/ÖLgS. 394.
3 f. Sie Berühmte Statue be3 fog. borgfjefifdjen gedjterö befinbet fidj je$t im
Souore; fie (teilt feinen gediter, fonbern einen .«rieger, ber fidf) gegen einen Singriff uer=
teibigt, uor. — 15. 33aron iß^ilipp »■ Stofd) (1697—1757), ber SBefi|er ber fdjon oben
ermähnten berühmten ©emmenfammlung. — 1". be3 Staubet, b. i. ber Stellung. —
20 ff. 2)a'3 ift ein Jrrtum, ber für Seifings Seutung ber Statue uerhängnisuoll geiuefen
ift: bie Jyigur rufjt nielmehr auf bem redeten Sein, unb ba3 linfe ift nad) hinten au3=
geftreeft. Wehr über bie uon Seffing hier gegebene unb fuäter toieber jurücfgenommene
Seutung f. Slntiquar. SBriefe 91r. 35 ff. — 24. ein Stücf uon einer Sau je, uielmeljr
ein Stücf uon einem Sdjiuerte.
168 Caohcoir XXVm.
bient gemadjt ()at: benn $ed)tem in Sdjaufpielen ift bie Gljre
einer Statue unter ben ©rieben oermutlid) niemals raiberfaljren:
unb biefeo 3Bcrf fdicint älter als bie (S'infüljrung ber $ed)ter
unter ben ©riechen gu fein."
Wlan fann uidjt nötiger urteilen. "Diele Statue tft ^bm 5
fo menig ein $ed)ter, als ein DifcoboluS; eS tft roirflid) bie 3Sor=
[teßung eines ^riegerS, ber ftet) in einer folgen Stellung bei
einer gefährlichen Welegenljcit tjemortliat. Da .^err iiMnfelmann
aber biefeo fo glüdlid; erriet: mie formte er bier ftefoen bleiben?
2ßie tonnte il)in ber Krieger nidjt beifallen, ber oollfommen in 10
biefer nämlidjen Stellung bie oöllige 3tieberlage eines leeres ab--
manbte, unb ben fein erfenntlidjeö SBaterlcmb eine Statue 00II-.
fommen in ber nämlichen Stellung fetten lief}?
Tlit einem SBorte: Die Statue ift GljabriaS.
Der SöetneiS ift folgenbe Stelle beS 9iepoö in bem 2eben 15
biefeS Jvelbljerrn1): Hie quoque in summis habitus est dueibus:
resque multas memoria dignas gessit. Sed ex his elucet
maxime inventum ejus in proelio, quod apud Thebas fecit,
quum Boeotiis subsidio venisset. Namque in eo victoriae
fidente summo duce Agesilao, fugatis jam ab eo conduetitiis 20
catervis, reliquam pbalangem loco vetuit cedere, obnixoque
genu scuto, projeetaque hasta impetum excipere hostium
doeuit. Id novum Agesilaus contuens, progredi non est ausus,
suosque jam ineurrentes tuba revoeavit. Hoc usque eo tota
(Iraecia fama celebratum est, ut illo statu Chabrias sibi 25
statuam rleri voluerit, quae publice ei ab Atheniensibus in
foro constituta est. Ex quo factum est, ut postea atbletae,
ceterique artifices his statibus in statuis ponendis uterentur,
in quibus vi'-toriam essent adepti.
3d; roeifj es, man roirb nod) einen 2lugenblid anfielen, mir 30
Beifall ut geben; aber id) l)offe, aud) mtrflid) nur einen 3fugen=
blid". Die Stellung be§ (SljabriaS fd)eint nid)t nollfommen bie
nämlidie ju fein, in meldjer mir bie borgl)efifd)e Statue evbliden.
Die oorgeroorfene Sänge, projeeta hasta, ift beiben gemein, aber
baS obnixo genu scuto erflären bie StuSleger buret) obnixo in 35
scutnm, obfirmato genu ad scutum: Gljabriao roieS feinen Sol=
Oap 1
14. tSbabrias, ber berühmte att;enifcf)e gclbfierv, fleftorben »or 6t)io§ 35S v. Qi)\:
Caokoon XXIX 169
baten, roie fic fid) mit bem $nie gegen baS Sdjilb ftemmen, unb
hinter bemfelben ben ^etnb abwarten füllten; bie Statue hingegen
{)ält ba§ Sd)ilb l)od). 2Iber rote, roenn bie Suisleger fid) irrten?
2Bte, toenn bie 2Borte obnixo genu scuto nicbt jufammen ge=
5 Ijürten, unb man obnixo genu befonberS, unb scuto befonber§,
ober mit bem barauf folgenben projectaque hasta gufammen lefen
mtifjte? 3Kan madje ein emgigeä Nomina, unb bie ©leicbbeit ift
nunmcljr fo ooKfommen alö möglid). ©ie Statue ift ein Solbat,
qui obnixo genu,3) scuto projectaque hasta impetum hostis
10 excipit; fie jeigt, roa§ (Sfjabriag tbat, unb ift bie Statue be§
Cljabrias. £)afj baS ^omma roirf(id) fe()le, beroeifet ba§ bem pro-
jecta angelangte que, roeldjeö, roenn obnixo genu scuto §u=
mmmen gehörten, überflüffig fein roürbe, roie eS benn aud) roirf'Iid)
einige 2lu3gaben baber roegtaffen.
15 9Jlii bem beben 2(lter, roelcbeö biefer Statue femad) gufäme,
ftimmet bie $orm ber 33ud)ftaben in ber barauf befutblicben 2(uf=
fd)rift be§ s33ieifter3 • ooKfornmen überein; unb £>err Sßinfelmann
felbft tjat au§ berfelben gefefiloffen, baf$ e§ bie ältefte tum ben
gegenwärtigen Statuen in 9fotn fei, auf roelcben fid; ber üöletfter
2u angegeben bat. Seinem fd)arfftd)tigen 93Iide überlaffe id) eS, ob
er fonft in 2(nfebung ber $unft etroaö baran bemerfet, roelcbeS
mit meiner 2Reinung ftreiten tonnte. Sollte er fie feines. SkifaKeo
nuirbigen, fo bürfte id) mid) fdmteidjeln, ein beffereö (Stempel ge=
geben ju b,aben, roie glüdlid) fid) bie flafftfdjen Scbriftftetter burd)
25 bie alten Hunftroerle, unb biefe f)inmieberum auö jenen auf Hären
raffen , a(3 in bem ganzen Folianten be§ Spence 5U finben ift.
XXIX.
SBei ber unermefjüdjen 33elefenbeit, bei ben ausgebreiteten
feinften Äenntniffen ber ^unft, mit roeld)en fid) -Sperr SfiHnfelmann
30 ') So fügt Statins obnixa pectora (Thebaid. Hb. VI. v. 863):
— — rumnunt obnixa furentes
Pectora
roeldjes" ber alte GStoffator bcS Sarti)§ burd) summa vi contra nitentia erflärt. So fog/t
Doib (Halievt. v. 12.) obnixa fronte, roenn er oon ber ilieerbramfe (Scaro) fpridjt, bie
35 fid) nidjt mit bem ßopfe, fonbern mit bem Sdiroanje burd) bie 9ieufen 51t arbeiten fudjt:
Non audet radiis obnixa oecurrere fronte.
4 — 14. 21ud) biefe 3)eutttng ber SBorte be§ JlepoS tonnte Seffing, mit 9!ütffid)t auf
anberroeitige Beitreibungen ber non Gljabrias" erfunbenen ÄampffteUung, nicbt aufred)t
erhalten. — 15 ff. 3ft unrichtig; ber Gbarafter ber 8ud)ftaben roeift melmebr auf bas
erfte öabrh. bin. — 33. Safpar Söartb, Herausgeber beS Statiuä (1587—1658).
1 70 f aohoon XXIX.
an fein ÜBerf machte, bat er mit ber cbeln ,3ut>erfidjt ber alten
X'lrtiften gearbeitet, bie alten Ujren Jleif? auf bie $auptfacr)c r>er=
manbten, unb roa§ -Re&enbtnge roaren, entmeber mit einer gleidj-
fain Dorfä|Iid^ert 9iad)laffigfeit beljanbelten, ober aänjüd) ber erften
ber beften fremben $anb überliefen. 5
GS ift fein geringes Soli, nur foldje $el)ler begangen 511
Ijaben, bie ein jeber r)ätte oermeiben tonnen, ©ie ftofjen bei ber
erften flüchtigen Seftüre auf, unb roenn man fie armierten barf,
fo mufj es nur in ber 2(bfict)t gefcr)er)en, um geroiffe Seilte, weldje
allein klugen 3U r)aben glauben, 311 erinnern, bafj fie nidjt an- 10
gemertt 311 raerben r>erbienen.
Sdjon in feinen ©djriften über bie 9iad)al)inung ber 6kied)i=
fdjen .sUinftmerfe, ift •'oerr Sßinfelmann einigemal burd; ben .^uniuS
oerfür)rt roorben. 3>uniuS ift ein ferjr uerfänglidjer 9tutor; fein
gangeS SOBerl ift ein Gento, unb ba er immer mit ben SBorten 15
oer eilten reben null, fo menbet er nidjt feiten ©teilen aus if)nen
auf bie SJMerei an, bie an itjrem Orte uon nidjts weniger als
üon ber Malerei fjanbcln. äßenn 3. G. §err SSinfelmann lehren
roill, baf? fiel) burd) bie blofse s)iad)a()mung ber Statur baS .'pödjfte
in ber töunft, eben fo rpenig mie in ber Sßoefie erreichen laffe, 20
baf$ fomol)l 3)id)ter als SJialer lieber ba§ tlnmöglid)e, weldjcS
raarjrfdjeinlidj ift, als ba§ blof? SJcöglidje nnitjlen muffe: fo fetU
er f)tngu: „bie SJiöglidjfeit unb äßarjrr^eit, meldte Songin von einem
9)ialer im ©egenfa^e be§ Unglaublichen bei betn Sinter forbert,
fann biermit fefjr mofjl 6efter)en." Slllein biefer $ufa£ wäre beffer 25
weggeblieben; benn er geiget bie groei größten ihtnftridjter in einem
ÜHUberfprudje, ber gans otjuc ©rünb ift. GS ift falfdj, bafj Songin
fo etwas jemals gefagt bat. Gr fagt etwas almlidjeS von ber
SBerebfamfeit unb Sidjtfunft, aber teineSmegS »ort ber ®id)tfunft
unb 2ftalerei. 'Qg (T stsqov xi i] yijroQixi] cpavraöla ßovlsTai, 30
ym\ ets(joi> i] naQci 7T0Lt]taLg, ovx ccv Xcc&oi (je, fdn'eibt er an
feinen ^erentian;1) ovo' oti xyg fiev lv Ttoiijasi rikog iatlv
') IJsol "l'ij'uv;, tfiTjfxa id'. Edit, T. Fabri p. 86. 39.
7. ein jcber; in ber^bfdjr. uriprünglidt „jeber anbere". — 13. Sgl. über guttut 3
oben®, l.'i, li. — 15. tfento uiripriiiiglid) ein aus bunten glitten sufammengefctjteö jMeib)
nennt man ßiebidjte, bie aus U5rud)ftücten oerfötebenet Didier suiammengefefct finb ; Öeffing
nennt be3 Bunins SBerl über bie Malerei fo, weil eä eine Sammlung jal)lreid)er (Sitate
auS ber alten Sitteratur ift. — 26. bie jroet größten .Uuuftriditer; außer Songin
ift Ijier Slriftoteleä gemeint, ber in ber fßoetil ben ?id)tern gerabe baS ©taublidie, wenn
au* llnmöglidie, empfiehlt. — :ü. $oftutniu3 SCerentianu'3 beißt ber Jvreunb, an ben
fiougin feine ©d)rift über ba>3 (Erhabene richtete.
«aohoort XXIX. 171
l'y.jtlrj$-ig, xr\g <T iv Xöyoig ivdoyeia. Hub roieberum: Ov f.vi]v
aXXcc t« (isv TtaQa xotg noii]xcag (iv&cmotequv ejei xr\v vtieq-
ektvxgjöiv, xal Jtavvtj xb TTiörbv vTtEQaiQovGuv' xT]g de jjtjto^mmjs
(pavxaGiug^ xaXXiöxov ael xb E(i7CQantov xcä ivaXvj&ig. %lut
5 Quniuö f<f>tebt, anftatt ber 23erebf antrat, bic 9Jtalerei ljier unter;
unb bei it)tn mar e§, ntd)t bei bem Songin, uro §err äßinfelmann
gelefen t)atte: ~) Praesertim cum Poeticae pkantasiae finis sit
£KTtX)]E,ig , Pictoi'iae vero ivdoyeia. Kai xd (.iev naod xotg
noL7]xcdg^ nt loquitur idem Longmus, u. f. n>. <2el)r roof)l;
10 SonginS Sföorte, aber nidjt SonginS Sinn!
9)cit folgenber Slnmerfung mujjj es tlmt eben fo gegangen
fein: „3(fle «<oanblungen, fagt er,;;) unb Stellungen t>er gricd)i=
fdjen giguren, bie mit bem Gbarai'ter ber 3ßei§l)eit ntdjt 6e§eidjnet,
fonbem gar gu feurig unb 311 roilb waren, oerfielen in einen
15 S"e^er/ ^en bk alten Äünftler ^areittlmrfus nannten." 3)ie alten
Sünfiler? S)o§ bürfte nur au§ bem $uniuö 31t ermeifen fein,
©enn 5ßatent^nrfu§ mar ein rljetorifdjeö ftunftroort, unb tnettetdjt,
rote bie ©teile be§ SonginS 31t ocrftcljen 31t geben fdjeinet, aud)
nur bem einzigen Jljeobor eigen.4) Tovrco TiaodxEixai xqLxov xi
20 "/.axiag eiSog iv xoig Ttct&qxiy.OLg, otveq 6 Qcodcooog TXaoEi'&voGov
ekccXsi' egxl öe Tttt&og dy.caoov nal xevov, EV&a ju,jj öei Trd&ovg"
?) äjAEXQov, k'vd-a (.iexqlov dst. $a idj gipeifle fogar, ob fid) über=
Ijaupt biefeS 9Bort in bie Malerei übertragen lä|t. ©enn in ber
SBerebfamfeit unb ^ocfie giebt eö ein $ßattro§, bao fo Irodj ge=
25 trieben roerben fann als möglid), ot)ite s}>arentf)i)rfus 31t roerben;
unb nur ha§> t)öd)fte ^attjos an ber unredjten ©teile, ift s}>aren=
tf)t)rfu§. ^n ber Malerei aber mürbe ba§ l)öd)fte ^atfros allezeit
^arentfjijrfuß fein, menn e§ aud) burdj bie Hmftänbe ber $erfon,
bie es äußert, nodj fo rool)( entfdjuloigt merbcn fönnte.
30 ©an 2(nfe()en nad) roerben alfo aud) nerfdjtebene Hnrid}tig=
feiten in ber G)efd)id)te her .Üunft 6I0J3 baljer cntftanben fein, roeil
£>err SSinfehnann in ber Wefd)minbigfeit nur ben ^untus unb
nidjt bie Duellen felbft 311 Ütate jtcljen motten. 3- ©■ 9Benn er
-) De Pictura Vet. Üb. I cap. i p. 33.
35 ') S8on ber 9iachaf)muiig ber gried). SBerfe :c. ®. 23.
") Tfrijfia ß' .
15. ^arenttjvjrfus, cigentlicf) Söegeifterung (äunädift bacdnfcfie, bofjer &vq<to:) am
t'alfdien Ort. — lö. 3Beld)er Jljeobor bao ift, roeifj man nidjt; cioUeidjt ber jur 3eit
be« Siberiuö lebenbe 3it)etor Jljeoboroo oon ©030.
172 Caokomt XXIX.
burdj §Beifpiele geigen nritt, baf? bot ben ©riedjen alles 2>or3üg=
lidje in allerlei $unft unb 2(rbeit befonberS gefd)äl3et roorben, nnb
her befte Arbeiter in ber geringften Sadje gut 2>ereroigung feines
Samens gelangen fönnen: fo führet er unter anbem aud) biefeS
an:5) „2Sir roiffen ben tarnen eine! Arbeiters von fein- richtigen 5
■2Bagen> ober äöagefdjalen; er tjief? ^artrjenius." £err Söinfelmann
nutf? bie SBorte beS $uuenalS, auf bie er fid) beSfallS beruft,
Lances Parthenio faetas, nur in beut ßatalogo beS ^uniuö ge=
lefen rjaben. S3enn rjattc er ben ^uoenal felbft nadjgeferjen, fo
roürbe er ftd) nid)t von ber QiDeibeuttgfeit beS SBorteS lanx t)aben 10
y erführen laffen, fonbem fogleid) aus bem 3ufammenl)ange erfannt
haben, baf; ber SDtdfjter niebt SBogen ober äßagefcfjalen, fonbem
Keffer unb ©Rüffeln meine, ^uoenat rüf)int nämlicf) ben CEatulIuS,
baf? er eS bei einem gefährlichen (Sturme gur See roie ber 33iber
gemacht, roeldjer ftd) bie ©eilen abbeizt, um ba§ Seben baoon= 15
zubringen: baf? er feine foftbarften Sachen inS sIReer merfen laffen,
um nidjt mit famt bem Sdjiffe unterjugerjen. S)iefe foftbaren
<Sad)cn befdjrcibt er unb fagt unter anbem:
Ille nee argentum dubitabat mittere, lances
Parthenio faetas, urnae cratera capacem 20
Et dignum sitiente Pholo, vel conjuge Fusci.
Adde et bascaudas et mille escaria, multum
Caelati, biberet quo callidus emtor Olynthi.
Lances, bie f)ier mitten unter 33edjem unb (Sdnnenffeffetn ftefjen,
roaS fönnen es anberS fein, als Seiler unb ©djüffetn? Unb roaS 25
rottt £>ur>enal anberS fagen, als baf? GatuII fein ga^eS ftlbemeS
©fjgefdjtrr, unter roeldjen fid) aud; Seiler uon getriebener 2(rbeit
beS ^artl)eniuS befanben, inS 9)teer merfen laffen. Parthenius,
fagt ber alte Sdjoliaft, caelatoris nomen. 2fienn aber ©rangauS,
in feinen 3lnmerfungen, 51t biefem -Jtamen htngufe^i: sculptor, 30
de quoPlinius, fo muf? er biefeS mo()I nur auf gutes ©lud
f)ingefd)rieben rjaben; beim ^liniuS gebenft feines ÄünftlerS biefeS
"Itameno.
„%a, fäljrt £jerr SEßinfelmann fort, es bat fid) ber 9?ame beS
Sattlers», roie roir ilm nennen roürben, erhalten, ber ben Sdjüb 35
s) ©e|d)td;tc ber flunft, X. I. S. 13«.
LS. SatuIIuS; nid)t ber berühmte 2>icbter, fonbem eine beliebige <JkriönIicbfeit
BleidjeS sRamenS. — 24. ©cbiocnf feiicln, b. b. Uliicbjrügcn. — 27—33. Sin Xoreut
[RamenS ^Jart&eniuS ift fonft gcin^lid) unbefannt.
Caokoon XXIX. 173
bes 2lja£ r>on Seber madjte." 916er aud) biefes fonn er ntdjt
bal)er genommen Ijaben, mot)in er feine Sefer oermeift: aus bem
Seben beö Römers, r>om $erobotuS. ©enn rjier merben jmar bie
feilen aus ber ^üaoz angefüljret, in melden ber Siebter bicfem
5 Seberarbeiter ben SRatnen £i)d)ius beilegt; es mirb aber aud) 311=
gleid) ausbrüdlid) gesagt, baf} eigentlich ein Seberarbeiter oon bes
Römers SBetanntfdjaft fo gefjeifjen, bem er burd) ßinfdjaltung feinet
Diamens feine 3'rcunWjrtft wnb ©rfenntlidjt'eit bezeigen motten:6)
AnidaKE 6e yccQtv Kai Ti^t'co rw Gxvrei", og idi^aro avrbv iv
10 reo Nico TCtjfft, TTQOöel&oi'iet TtQog to OxvTeiov, iv voig etteGl
xuxa^sv^ccg iv xij 'IXluSi toiOÖs.
Ai'aq d' tyyv&tv i]XQ~B, (pigcov aäxog j)vzs TtvQyov ,
Xalxtov , enraßoaiov, o oi Tv%iog Käfis zbv%(ov
£kvzoz6[icov o% ccQioxog, r'Th] svl oima vcäcov.
15 @S ift alfo grabe bas ©egenteil non bem, mas uns §err 2BinM=
mann Derfidjern roilf: ber 9tame bes Sattlers, roeldjer baS ©djtlb
beö Stjaj: gemadjt blatte, mar fdjon 311 bes Römers 3eiten fo r>er=
geffen, baf> ber Siebter bie greiljeit blatte, einen gang fremben
tarnen bafür unterjufcrjieben.
20 äkrfdjiebene anbete Keine $el)ler finb blofje ^erjler bes ©e=
bädjtniffes, ober betreffen Singe, bie er nur als beiläufige @r=
läuterungcn anbringet. ,3. ©■
@s mar Jperfutes, unb nidjt 23acdjuS, von meinem ftcr)
^arrfjafius rühmte, bafj er ifjrn in ber ©eftalt erfdjienen fei, in
25 roeldjer er irm gemalt.')
SauriscuS mar nid;t aus 9trjobus, fonbern aus Xralles in
£i)bien. ")
Sie Slntigone ift nidjt bie erfte Xragöbie beö ©opljof leg. 9)
'•) Herodotus, De Vita Homeri, p. 756 Edit. Wessel.
30 7) ©efd). ber ftuuft, X. I. ©. 167. Pliuius lib. XXXV. sect. 36. Athenaeus lib.
XII. p. 548.
8) ©efd). ber ßuuft, X. II. ©. 353. Hiiiius lib. XXXVI. sect. 4. p. 729. 1. 17.
'■') ©efd). ber Jtunft, X. II. ©.328. „Gr fütjrte bie Slnttgone, fein erfteS Srauerfpiel,
im britten SaEjre ber fiebenuubficbsigften Dlnmpias auf." Sie 3ett tft ungefähr richtig,
35 aber bafj biefes erfte Srauerfpie! bie Slnttgotte geroefen fei, bas ift gaitj unrichtig, ©amuel
^ietit, ben Sjerr äßinfehnaun in ber 3!ote anfü|rt, t)at biefes aud) gar nia^t gefagt; fon»
bem bie Stntigone auobriicCÜd) in baö britte 3al>r ber oierunbad)tiigften Dhnnpias gefegt.
Sopfjofles ging bas Qa§r barauf mit bem ^eriftes nad) ©amos, unb bas ^a^r biefer
6'Epebition tann junerlöfjig beftitnmt werben, ga) äe'9c '" meinem Sieben bes ©opboftes,
21. Sßarr^afiuS, SDJaler aus ©phefos, Qeitgenoffe bes 3e"i'i'j- — 26. Sauriscus,
einer oon ben ilünftlern, metdje bie ©ruppe bes farnefifdjen Stieres gearbeitet ftaben. —
34. ift ungefäbr riditig; in ber £>bfd)r. urfprünglid) ,,ift ridjtig". — 35 f. Samuel
5)Jetit, ^Ujilolog aus Diimes, I5y4 — 1643. — 3'J. Sie gause in biefer Stumertung berührte
grage ift im £eben bes SopfyofleS non Seffing näljer erörtert werben.
174 ffaokoon XXIX.
Tod) id) entsafte tnidj, bergleidfjen Äicinigfeiten auf einen
■kaufen gu tragen. 2abel|udjt formte eö §n)at nid)t fdjeinen; aber
roer meine $o<$act)turtg für ben £errn SSinfelmann fennet, bürfte
e§ für ÄroMegmuä galten.
aus ber SBergteicfiung mit einer Stelle beS altern 5p.Kmu§, bafs bas erfte ©rauerfpiel 5
biefes ©icbterS, roahrfcbeiiilidjer 2Betfe, ©riptotemuS geioefen. $liniu§ rebet nämlich
(Libr. XVIII. sect. 12. p. 107. Edit. Hard.) oon ber oerfcbiebnen ©üte beS Öetreibes in
oerfcbiebnen i'änbern, unb fd)licfjt: Hae fuere sententiae, Alexandro magno regnante,
tum clarissima fuit Graecia, atque in toto terrarum orbe potentissima; ita tarnen
ut ante mortem ejus annis fere CXLV Sophocles poeta in fabula Triptolemo 10
frumentum ltalicum ante cuncta laudaverit, ad verbum translata sententia:
Et fortunatam Italiam fruniento canere candido.
9Jun ift \raav hier nidit auSbrüdlid) oon bem erften ©raucrfptele bes SophofleS bieJiebc;
allein es ftimmt bie Gpocbe besfelbeu, roeldje ^Uutard) unb ber Sdioliaft unb bie 2lrunbel=
jctien ©enfmäler einftimmig in bie fiebenunbfiebjigfte ClompiaS fetjen, mit ber 3eit, in 15
roelcbe ^litüus ben ©riptolemus fe§et, fo genau überein, baf; man nidjt roohl anberS als
biefen Jriptolemus felbft für bas erfle ©rauerfpiel bes SophofleS erfennen fann. ®ie
SBerecfjnung ift gleid) gefcbeben. 2Iler.anber ftarb in ber bunbertunboieräehnten ClompiaS;
bunbcrtunofünfunboieräig £,abr betragen fecbsunbbreifeig Clnmpiabcn unb ein ^aljr, unb
biefe Summe oon jener abgerechnet, giebt fiebenunbfiebjig. JJn bie fiebenunbfiebjtgfte 20
Clmnpias fällt alfo ber ©riptolemus beS Sopljofles, unb ba in eben biefe Dlnmpias, unb
sioar, nrie ich beioeife, in baS leite ^,abr bcrfelben, aud) bas erftc ©rauerfpiel besfelben
fällt: fo ift ber Sdjluf; gans natürlich, baß beibe ©rauerfpiele ein§ finb 3<$ jeige ju=
gleid) ebenbafelbft, baf; s^etit bie ganje £>älfte beS Jtapilels feiner Miseellaneorum
(XVIII. lib. III.; ebenbasfelbe, welches £err 2£infelmann anführt) fid) hätte erfparen 25
tonnen. Gs ift unnötig, in ber Stelle bes ^lutardjs, bie er bafelbft oerbeffern roill, ben
2lrchon 2lphepfion, in ©emotion, ober urtWtog ju oerroanbeln. ©r hätte aus bem britten
J,ahr ber 77ten Dlnmpias nur in baS oterte bcrfelben gef)en bürfen, unb er mürbe ge=
funben haben, baf; ber 2lrcbon biefeS SaEireS Don ben alten SdjriftfteUcrn eben fo oft, too
nid)t noch öftrer, 2lphepfion, als <phäbon genennet roirb. ^häbon nennet ihn ©ioboruS 30
Siculus, ©ionofiuS £ialicarnaffeuS unb ber Ungenannte in feinem S8erjeid)niffe ber Clnm=
piaben. 2lphepfion hingegen nennen ihn bie 2lrunbelfdien 9)iarmor, SlpolloboruS, unb ber
biefen anführt, ©iogeneS Saertüts. 5plutard)u§ aber nennet ihn auf beibe SBeife; im
Sieben bes ©befeus *}>häbon, unb in bem i'eben beS (Simons, Slpfjepfion. GS ift alfo ioabr=
fdjeinlicb, mie ^almerius oermutet, Apbepsionem et Phaedonem Archontas fuisse 35
eponymos; scilicet uno in magistratu mortuo, suft'ectus fuit alter. (Exercit. p. 452.)
— 33om SophofleS, erinnere id; noch gelegentlich, ftutte §err 2Binfelmamt aud) fc^on in
feiner erften Sdjrift oon ber Siachahmung ber griechifdjen fiunftrcerfe (<B. 8.) eine Uns
ridjtigfeit einfließen laffen. „Sie fdjönften jungen Seute tanjten unbefleibet auf bem
Jheater, unb SophofleS, ber große SophofleS; mar ber erfte, ber in feiner Sugenh biefes 40
Schaufpiel feinen bürgern gab." Stuf bem Sbeater bat Sopbofles nie nadenb getanjt;
fonbern um bie Xropäen nad) bem falamiuifchen Siege, unb auch nur nach einigen naefenb,
nach aubern aber befleibef (Athen, lib. l p. m. 20). SophofleS mar nämlich unter ben
.finaben, bie man nad) Salamis in Sicherheit gebracht hatte; unb tjier auf biefer Snfel
mar es, mo eS bamals ber tragifd)en SDiufe, alle ihre brei Vieblinge, in einer uorbilbenben 45
(iirabatieu ju oerfammeln beliebte, ©er fühne SfdiriluS half fiegen; ber blütjenbe So=
pbotleS tankte um bie Sropäen, unb Guripibes rcarb an eben bem Sage beS Sieges, auf
eben ber glüdlicheu J,ufel geboren.
Gnbe bes erflen ©eileS.
4. Ärofnlcgmus froortlid) bas 2lbfud)eu oonglocfen) bebeutet baS Verfahren eines
Schmeidilers, ber auf geringfügige 2d)ioäd)en aufmertjam macht in ber SEenbenj, bamit
anjubeuteu, baß bebeuteubere fehler, meld)c getabelt roerbeu tonnten, fid) gar uid)t auf-
finben laffen. — 14 f. bie Slrunbelf djeu Senfmäler: bie fog. parifde 2J!armors
ebronif, eine auf s^aroö im 17. Sabrb. gefuubene unb früher bem Sorb Slrunbet gehörige,
jeßt in Crforb befinblidje SOlormortafel, welche ein cbronologifdies SBerjeiiJbntS ber nuditigften
Greigniffe oon ber Slegierung bes flefrops an bis 2H4 n. Gljr. enthält. — 30. ©er 2lrd)on
oon Clompiabe 77, 4 (460 o. Ghr.) Oeißt 21 pf cpt)ion, nid)t 2lphepfion. — 30 f. Liiod. Sicu).
X f. ';:;. — Dionys. Ilalic IX. LS. — 33. Diogen. Luert. II, 44. — 34. Plut. Thes. 3ö
unb Cimon.8, — 3."j. gofoß -}• a Imerius, franj. 03elel;rtcr 1587— l«;o.
Badjlaff fum f aukomL
A.
BUfnialmt mtfc Qtnfivixtft pxm Xortunm.
1.
5 T\ie 2(f)n(id)feit unb Übereinftimmung ber ^oefie unb Steueret i[t oft
■^genug 6erüf)rt unb ausgeführt roorben; aber nidjt immer mit ber=
fettigen ©enauigfett, bie alten Übeln ©inflüffen auf bie eine ober auf bie
anbere fjätte uorbauen fönnen. Siefe übetn (Stnflüffe fjabett fid) in ber
^Soefte bura) bie <3df)itberuitgsfud)t, in ber 3Jlalerei burd) bie 211 le =
logorifterei geäußert; inbem man jene 311 einem rebenben Öematbe
mad)en motten, otjtte eigenttia) 5U raiffen, roaö fie malen tonne unb fotte;
unb biefe 5U einem ftummen ©ebicfjte machen motten, ofme eigentlid)
ju miffen, 06 unb mag für Öebanten fie malen muffe.
2)iefe %ef)tev mürbe man üermieben fyaben, menn man aua) bie Un«
15 äfjnlidjfett unb 2lbtr>eidmttg beiber in bie gehörige Grroägung gejogen f)ättc.
@3 ift tt>ab,r, beibe§ finb nadjatymenbe fünfte; unb fie fjabett alte
bie Siegeln gemein, raetdje auS bem begriffe ber 9iad)af)mung 3U folgern.
2lüein fie brausen gan3 uerfdjiebne ilUttel 311 ifirer üRadjaljmung, unb au3
biefer 2}erfd)iebenf)ett fliegen bie befonbem begeht für eine jebe.
20 Sie 9)iaterei brauchet §i3m-'en unb g-arben in bem Staunte.
Sie Sidjtfunft artikulierte %'öm in ber 3eit.
^ener S6'0)2" finb uatürtid), biefer ir)re finb roitlfürlid). Unb
biefeg finb bie beiben Quellen, auS meldten bie befonbem Siegeln für eine
jebe Ijersuleiten.
25 Siadjafjmenbe 3eidjen neben einanber tonnen aurfj nur ©egenftättbe aue=
brüden, bie neben einanber, ober bereu £ei(e neben einanber eriftierer.
©oldje ©egenftänbe l)eif;en Körper, ^otgttd) finb itörper, unb il)re finti*
ßdjen ©igenfdjaften ber eigentliche ©egenftanb ber SRalerei.
.". ff. «gl. ä&fdjn. XVI.
SeflmgS SBerfe 9. 12
178 ltarl)la(| juin Gaoboon.
■Kacj)afjmenbe 3e^(^en aut einanbet fönnen aud) nur ©egenflänbe au3=
brütfen, bie auf einanbet, ober boten Seile auf einanbet folgen. Solche
©egenftänbe Reiften überhaupt .Staublungen, ^olglid) ftnb Jganblungen
bet eigentliche ©egenfianb ber Sßoefie.
©od) alle JVörper einfrieren nidjt allein in bem Raunte, fonbern aud) 5
in bei- 3ett. Sie bauern fort unb tonnen in jebem Stugenblicre it)rer
Sauer, fefljft anbeto etfdjemen unb in anbetet SSetbinbung ftetjen. 2Sebe
biefer augenblid'lidjen Grjdieinungen unb SßetHnbungen ift bie UBittung
einer uorfjergeljeuben , unb tann bie llrfadje einer folgenben unb fonad)
gleidjfam ba§ (Sentrum einer .'öanblung fein, gölglidj lann ber Dealer 10
aud) iöanblungen nadjaljinen, alter nur aubeutungSroeife burd)
Körper.
2luf ber anbeten Seite tonnen £anbhmgen nidjt an fid) felbft h&
fteljen, fonbern muffen geroiffen 2Befen anhängen, ^nfofern nun biefe
SBefen Äörper feien, fd)ilbert bie ^ßoefie aud) .Hör per, aber nur an-- 15
beutungätoeife burd) §anblungen.
Sie Malerei tann in if)ten foertftierenben Äompofitionen nur einen
einzigen 21ugenblitf ber ipanblung nutzen unb mttfj bat)et ben prägnant
teften nniljlen, au$ weitem bao SSotEjetgefjenbe unb Vergangene am be=
greiflid)ften toitb. 20
©6enfo tann aud) bie ^ßoefie in it)ren forifd£)teitenben 9?ad)a()iuungen
nur eine einzige Gigenfdjaft ber Körper nutzen, unb mujj baljer biejenige
mäljlen, weldje baä finnlidjfte 5öilb beö ftörpets non ber Seite etraed't,
uon meldjer fie it)n fitaudjt.
Öierauö fliegt bie Siegel uon ber Ginbeit ber malettfdjen SBeiroöttet, 85
unb ber Sparfamfeit in ben Säuberungen törperlidjer ßegenftänbe. :^n
biefer beftefjt bie grofje Lanier beö §omerö, unb ber enigegengefefcte
Aeljler ift bie Sd)ioad)()eit ber meiften neuem Sinter, bie in einem
Stürfe mit bem -Diäter wetteifern motten, in mefdjem fie notroenbig uon
ifjm überumnben roerben muffen. 30
2>et 3)id)ter, ber einen ©egenftanb fo fdjübett, bafj tljm ber illfaler
mit bem Sßinfel folgen tann, uerleugnet bie eigentümlichen Vorredjte
feinet .Uunft, unb unterwirft fie ©djtanfen, in weldjen fie ifjretn W\U
but)lenben unenblid) nadjfteijei.
Sa Figuren unb A-arben natütlidje $tfä)tn finb, bie SBorte hingegen, :;:>
burd) roeldje mir g-iguten unb garben ausbtütf'en, nidjt, fo muffen bie
Sßitfungen einer Kunft, melcfje jene brauet, unenblid; gefdjiuinbet unb
lebhafter fein, alö bie einer, bie fid) mit biefen begnügen mufi.
^Bewegungen fönnen burd; Sßorte Ieblmfter auogebrüdt merben, al3
färben \u\t> [Jiguten; folglid) uürb ber Sidjter feine förperlidien ©eger* w
ftänbe mein bnrri) jene alö burd) biefe finnlid) 31t madjen fudjen.
Tisi)ihone canos, ut erat, turbata capillos
Movit: et obstantes rejeeit ab ore colubras.
Ovid. Metamorph. IV. 474.
ßlatcrialicn inrb (Cntuuirfc 311m Caokoon. 179
Carceris ante fores elausas adamante sedebant
Deque suis atroa pectebant crinibus angues.
ibid. 452, 53.
Cum subito juvenis, pedibus tellure repulsa,
5 Arduus in nubes abiit. -
ibid. 710.
S>omert jdje Seimörter, bie er faft immer braucht:
Sie l)of)len ©djiffe — y-uilfjg naqu vryosL,
Sen Scepter G"AV\%%qov %Qvotioiq tJXolgl ns7C<XQfiEvov. a. 244.
10 b.
I. §omer ijat bie .vmftlirfjfett in bem S^erfiteg, aber nirgenbs bie
©djönfjett gemalt; er fagt blof?, sJlireug mar fdjön, ätdjitteä uod) fdjöner;
."öelena befafj eine göttliche öd)önf)eit; a&er nirgenbg fäf;t er fid) in bie
näfiere Scf)ilberung biefer ©djönljeiten ein. G6 »erloljnet ftd) ber 9JlüE)e,
15 bie Urjatfjen (jieruon ju unterfudjen. 3d) glaube fie finb bie:
1. 2er begriff ber £d)önl)eit tft unbestimmter, ald ber begriff ber
Öäfjlidjfeit. Son jener mad)t ftd) ein jeber ein eignet ^beal, mao oon
bem rjöcbften roafjren ^beerte mef)r ober weniger entfernt ift. Sie eingeht
güge alfo, bie ber Siebter von if)V anbringen mürbe, tonnten unmöglid)
30 auf alle Sefer einerlei SBirfung haben; unb bennod) null er bei alten
einerlei Segriff eruierten, ©r läfjt alfo bie ©inöilbung eineS jeben fein
eigen Spiel fjabett unb begnügt ftd) '.;% auä ben SHMrfimgen auf bie
Öeroalt ber Itrfadje fdjliefjen 311 (äffen. 2lls bei ber Helena, bereu Sd)ön=
f)eit mir nid)t fomof)l fef)en, als in ber SBirfung roeldje fie auf bie 2Uten
25 f)at, empfinben.
2. ©efe|t aud) bafj alle 3Kenfdjen einerlei güge unb ©bemnafj für
gleid) fdjöit hielten; fo ift e£ bod) gaitj etmas anberö, biefe 3üge tnit
einmal neben einanber überfef)en, unb gang etwas anberä, fie nad) einanber
jugegätjlet bekommen, ^enes fann ber DJJaler thun, unb bie ©djönljett
so ift baber fein eigeutümlidjer Öegenftanb. 2Iuf biefes aber allein ift ber
Sidjter eingefdjränft, unb bie uolläähdigfte ©rjä^Iung ber fd)önften 3üge
unb liiienmafje fjat nidjt f)alb bie SBirfung, meld)e bas mtitelmäfugfte
öemälbe t)at. Seine Sefdjretbung mirb fid) gegen bas öemülbe ntd)t
anbero »erhalten, als bie Tabelle, in weldjer alle ©lieber einer prächtigen
35 ©äule nad) ifjrer §öt)e unb 2(uslauf uerseidjnet finb, gegen biefe Säule
in ber Statur ober in ben nad)af)menben 3ügen bes 3eid)ners.
3. !gn bem Segriffe ber .'oäjjlicljfeit hingegen fommen bie ÜDienfdjen
mehr überein, unb burd) bie 2luflüfung ber partialen Segriffe aus melden
er beftef)et, geminnt er me()r als er cerliert.
11 ff. Sgl. ülbftfm. XX 11. XXIII; tUacfjtafc A 2, V u. VI. — 35. 2luS(auf, b. I).
KuSlobung, Sreitc u. bg[.
12*
180 IIa dj laß pim ffaohoon.
II. 3Benn Corner ja einen frönen ober erhabnen ©egenftanb burd)
bie SBefdn-eUumg feiner einseht Seile neben einanber fdjilbert, fo bebient
er fiel; bafcei eines fein" mernoürbigen $unftgtiffe§; nämlid) er füget fofort
ein ©leidjnis bei, in toeldjem mir ben jerglieberten ©egenftanb mieber
Beifammen erbliden, roeldjer ben erlangten beutlid)en begriff raieber ner=
luifcfjt unb bem ©egenftanbe mdjtä al§ eine ftnnftdje Äfartjeit (äfjt.
23eifpiet bie ©djüberung be§ Agamemnon, ß, v. 478 — 81, toeköe
Sßope ganä unb gar oerborben hat, inbem er biefen Äunftgriff nitfjt ge=
füfjlt, unb baä ©teidniiS oorannimmt.
lliad. I. 750, rco Steptun ein Sßaar in biden Slebel füllet.
— n. 789. 90, rco 5ß^öl6u§ unftdjtbar bem ^atroflus entgegen^
tommt, wo ber ©id)ter gleichfalls fagt, bafj er in otelen Siebet uerborgen
geroefen. Äann biefer Stebel fidjtbar geioefen fein?
Iliad. 19. Cayl. p. [104]. %t)d\§ bringt bie äBaffen, Sie iarm 15
fie nid)t allein gebradjt f)aben; if;re Stumpfen muffen fie tragen.
— — v. 38. 39. Caylus glaubt, baf? bie Söefcöäftigiing ber£b,eti§,
ben Äörper beS SßatroftuS auf eine 3eit unoerioeslid) 311 mad)en, fo au§--
gebrüdt werben tonne, wie fie ber Sßoet bef treibt. 35er ^oet bei ber
Dacier, bie ben SJettar unb 2lmbrofia in bie Sßunben gießen läfjt. 20
igotner hingegen läfjt beibes burd; bie 9iafenlöd)er be§ Seidjnamä ein=
tröpfeln :
II(xzq6y.1o3 d' avx ccußQOGLTjv %al viv-xacQ Iqv&q6v
Zxä^t uaxa. Qivav, Iva of %Qtog i-)niidog thr
®od; lefen t)ier einige Codices %axä qlvov, per cutem omnem. 25
55iefes> burd; bie Scafe f djeinet mir inbeS bod) beizubehalten 3U fein ; um bie
fJfeinSjeit biefer göttlichen SM;rung anjubeuten. 3" eben biefem Sudje
v. 3ö3 träufelt SJUneroa e§ tfjtn in bie SBnift ivl oxiq&Ecai, bannt er in
ber Sd;lacl;t ntd)t ermüben möge.
I.
Sie vJil)nlid)feit unb Übcreinftimmung ber 5ßoefte unb SJialem ift oft
genug berührt unb ausgeführt warben; aber wie mid; bindet, nie mit
derjenigen ©enauigfett, bie allen Übeln ©infCüffen auf bie eine ober auf
bie anbete l)ütte uorbauen tonnen. 35
8. Sßope, in feiner engl. Überfefcung beS $omer. — Uff. Ste^t auf ber Sftiltffette
beS SlatteS, moraui ib fteln. ä$gl. ä6f#n. XII. — 15. Caylus, in beffen Tableaua tirea
de l'Jliade. 20. Dacier, in Uiver &6erfe|jung beS §omer. — SOff. SJonftänbigfter
Snttpurf, ber öielfad) mit ber befinitioen gaffung unmiicit u&eveinftimmt. — Siff. SSgl. bie
Storrebe jum Caotoon.
^Materialien unb ffintioürfc jum £aohoon. 181
Tiefe ü6e£e (Sinflüffe haben fid) in bei- Sßoefie burd) bie (3ri)tlberung§ =
fudjt, unb in bei- SDtalerei burd; bie 2tllegorifteret geäußert; inbem
man jene ju einem rebenben ©emätbe machen wollen, ot)ne eigentlich 311
roiffen, ma$ fie malen tonne, unb folle; unb biefe \u einem ftummen
5 @ebid)te, of)ne überlegt 511 fjaben, in wetdjem 3ftafe fie beuttidje1) 93e=
griffe erregen tonne, ofme fid) uon ifjrer eigentltd)en SBeftimmung 311 ent=
fernen unb 311 einer willfürlidjen Schriftart 31t werben.
2(ufser biefen Serleitungen ber Siebter unb Äünftler felbft, Mafien
bie feierten parallelen ber ^3oefie unb Malerei aud) ben ÄritituS öfterö
10 31t ungegrünbeten Urteilen oerfüfjret, wenn er in ben Sßerfen be§ 35tdjter§
unb 9Jcalerö über einerlei Vorwurf, bie barin bemertten 2lbweid)ungen
Don einanber 311 ^-eljlern mad)en wollen, bie er bem einen ober bem
anbern, nad) bem er entweber me^r ©efdjmad an ber Tidjtfunft ober
Malerei f)at, 3ur Saft geleget.
15 Unb biefen ungegrünbeten Urteilen wenigftenci abjuljetfen, bürfte e§
fid) wof)l ber üölüije nerlofjnen, bie 9)Jebaitle aud) einmal um3ufer)ren,
unb bie 33erfdjiebenf)eit ju erwägen, bie fid) äwifdjen ber Ticbtfunft unb
Malerei finbet, um 31t fel)en, ob au$ biefer 3Serfd)iebenl)eit nidjt @efe^e
folgen, bie ber einen unb ber anbern eigentümlich) finb, unb bie eine
20 öfters nötigen, einen gans anbern SBeg 31t betreten, als il)re ©dnoefter
betritt, wenn fie wtrflid) ben Titel einer ©djwefter behaupten, unb nid)t
in eine eiferfüd)tige nadjäffenbe 9cebenbul)terin ausarten will.
Db ber Sirtuofe felbft au$ biefen Unterfucbungen einigen -Kursen
gietjen fann, bie if)n ba§ nur beutlid) beuten lehren, worauf itm fein
25 blofeeö ©efüf)t bei ber 2lrbeit unbewußt führen muf>: biefeö will idj nidjt
entfdjeiben. *) 2öir finb barin einig, baf, bie Äritif für fid) eine 3Biffen=
fdjaft ift, bie alle Äultur uerbienet; gefegt, baf} fie bem ©enie aud) 311
gar nid)t3 Ijelfen feilte.
II.
30 s^oefie unb Malerei, beibe finb nadjafjmenbe fünfte, beiber ©nbjioetf
ift, non if)ren Vorwürfen bie leb()afteften finnlid)ften Sorftellungen in un§
311 erwed'en. Sie t)aben folglid) alle bie Siegeln gemein, bie au3 bem
begriffe ber 9iad)af)mung, au$ biefem ©nbjroecf entfpringen.
') allgemeine; benn betitlicf) finb alle S3egrtffc ber üTCalerei. (ÜKeubclsfotjn.)
35 2) 2)ie ©renjen ber Äiinfte fönnen, oljne bem geuer be§ ©enie§ gintrag ju tt)im, oon
ber beutlidjften Cfrfenntni« abgeteilet toerben; benn fie jeigen bem SHrtuofen nur toooon
er ;u abftratiieren f;at. C§ finb alfo blofs negatioe Siegeln, bie gar rootjl ein SBerf ber
Sunft fein fönnen. OKenbelSfotm.)
Jfed)t. %ä) möd)te bie ftritif toie bie ^fpc^ologte in rationalem et empyricam ab*
40 teilen; unb gerabe bei biefer üJlaterie bie ©renjen stoeter fünfte abzuteilen, wirb bie @r=
faf)rung, bie 9iüctfia)t auf bas, ioas alle Äünftler getlian tiaben, inuimgänglid) nötig fein,
jjn 3(orbamerifa Ratten bie granjofen unb (jnglänber unter ber §anb ifjre ©renjen er*
»eitert; nun erinnern Sie fid), totä für Unorbnungen tt;t barauS entftanbeu finb, roeit
bie ÜJUnifter 51t Utred)t feine redete Sanbfarten fjatten, al§ fie abteilten. (Nicolai.)
60 ff. SSgl. 2lbfd)n. XVI f. — 39. empyricam, fo fdjrelbt Nicolai anftatt empirioam.
— 44. ju Utred)t, beim griebenäfdilufe 1713.
182 Und) laß ;um t'aokoon.
2Ulein fie fiebienen ficf> gang uerfdjiebner Glittet ju t^rer -Kadjaljnmng;
unb am ber 3Serfc§iebent)eit biefer SDiiitel muffen bie befonbern Regeln
für eine jebe hergeleitet werben.
Sie Dialerei brandet gtguren nnb g-arben in bem Staunte.
Sie Sidjtfunft artit'ulierte %'öne in bcr ßeit. 5
gener Seiten finb natürüd). SMefer ifjre finb voiUtütliä).1)
III.
■Kad&ätjmenbe *) geidjen neben einanber tonnen aud) nur ©egenftänbe
auobrüd'en, bie neben einanber, ober bereu Seile neben einanber erjftieren.
©oldje ©egenftänbe Ejeifjen Äörper. gWglidj finb Körper, mit itjren fid)t= 10
baren ßigenfdjaften, bie eigentlichen ©egenftänbe ber Malerei.
9cad)ar)menbe geilen auf einanber tonnen and; nur ©egenftänbe auö=
brücf'en, bie auf einanber, ober bereu Seile auf einanber folgen.3) ®old)e
©egenftänbe beiden überhaupt ftanblungen. 4) gfolgttc$ finb ^anblungen
ber eigentliche ©egenftanb ber Sßoefie. 15
Sod) alle Äörper erfrieren nirijt allein in bem Staunte, fonbem audj
in ber 3eit. ®ie bauern fort, unb tonnen in jebem 2(ugenb(ide ij&rer
Sauer anberö erfdjeinen unb in anbrer Serbinbung fielen. J^ebe biefer
augenblidlidjen ©rfdjetmtngen unb SSerbinbungen ift bie SBtrrung einer
norf)ergel)enben, unb fann bie ltrfad)e einer folgenben, unb fonad) gleidjfam 20
ba§ lientrum einer Jpanblung fein, gfolglidj fann bie Malerei aud)
vanblungen nad)af)inen, aber nur anbeutung omeife burd) Äörper.
2(uf ber anbern Seite tonnen .^anb hingen ntdfjt uor ftd) felbft 6e?
fteljen, fonbem muffen gerotffen Sßefen anhängen. gnfofern nun biefe
') Siefc Dppofition jeigt ftd) beutliä)er in 2tnfe§ung ber ÜJhifil unb Malerei, gene 25
bebienet fidt gleichfalls natürlicher geilen, ahntet aber mir bureb bie Bewegung nad). 2ie
^ioefie l)at einige CJigenf chatten mit ber ÜJhtfil, unb einige mit ber DJialerci gemein, g§re
Reichen finb oon roififürlidjer Bebeutung, baber briiefen fie auch juweilen neben einanber
eyiftierenbe Singe aus, ohne besmegen einen Gängriff in baS (Gebiete ber üHalerei 511 tlmn,
jebod) bicruon in ber ftolge ein mefrereS. (OJ!ent)el§fo[;rt.) 30
) ßatürliäje. (ÜBenbeßfo^n.)
') Kein! fie brücten aud) neben einanber crjftierenbe Singe au§, wenn fie non null=
fürlidier SSebeutung finb. (3KenbeI§fob,n.)
'1 Bewegungen Reifen fie eigentlich,, beim e§ gtebt ßanblungen, bie aus neben
einanber erifticrenben Keilen befielen, unb biefe finb malerifdh. älber bie Bewegung be '^~>
fielet Blofj auä Seilen, bie auf einanber folgen. 3Eir haben alfo Bewegungen unb §anb»
hingen. Sie SDJufit brücft .öaubluug bureb; Bewegung unb bie ÜDtaterei Belegung burd)
bie ©anblung au§ JJene oerntittelft natürlidjer Ib'nc, biefe Dertnittelfi ber Käume. Sie
fßoefie iint Bewegungen unb ganblungen oermittelft ber wilifürlicben ^eidtett. Sie Sßoefie
bat aber aud) unbewegliche Jganblungen, biefe finb uollfommen materifd). 3. B. ba§ 40
boiiierifdie (SIetd)ni§, ba bie .vjirtcutnaben oor bcr §erbe ftetjen , unb bem grimmigen
vömen brennenbe Jacteln entgegen halten, ©er fterbenbe äboniüS, bie C£ntfü|rung ber
©uropa finb folgen oon ©djilberungen, ba fteljenbe unb bewegliche $anblungen mit
einanber nbmediielu. (Hleubelöfolm.)
8 ff. Sgl Mbfdm. XVr. — 10 ff. Eop. II. XI, 548 ffi ; ogl. XVII. 657. — 4i>. ©er
ft e r benb c 2lboni§, Bion. n-li'ju. 1. — 42 f. bie G n tf ülirung ber (Suropa, INIosch.
reliqu. I. SSgt. SRat^l. A S; A 4, >>. «Ibfdm., V u. X; B 7, XLV.
^Materialien tütb ffintiuürfe jum ffaokoon. 183
SBcfcn Körper ftnb, [djübert bie Sßpefie aitdi Körper, aber mir an =
beutung^roeife burtfj ^anblungen.1)
IV.
Sie Malerei fann in ifjren foer,tftterenben Äompofitionen nur einen
5 eittjigen 2tugenblicf ber §anblung nu^en, unb inuf, bafyer bert präg«
nanteften roäljlen, auö roeldEjetn ba>3 SBorljergeljenbe unb Jolgenbe am
begreiflidjften wirb.
©öenfo fann aud) bie fßoefie in iljren fortjdjreitenbm 5Rad)af)mungen
nur eine einsige ©igenfdjaft ber Körper nutzen, unb mufe bat)er bie=
10 jenige wählen, roeldje bas finnlid)fte SBitb beö Körpers uon Per Seite er=
luetft, uon roeldjer er ifyn braud)t. '-)
hieraus fliegt bie Siegel uon ber ©inljeit ber matertfdjen Setroörter,
unb ber Sparfamfeit in ben ©^Überlingen förperKd^er ©egenftänbe. 3n
biefer befielt bie grosse SRanier bes £omero; unb ber entgegengefefete
15 geiler ift bie ©djroadjijeit uieler neuern, Befonberä ber Sfyompfonfdjen
©idjter, bie in einem Stüde mit bem Sülaler metteifern motten, in roeldjetn
fie notiuenbig uon if)m übernnmben roerben muffen.
öomer l)at für ein S)ing nur einen Qua,. Gin ©djiff ift if>in 6alb
ba§ fdjtt-arge ©djtff, ßalb ba3 t; o f) r e ©tfjiff, balb baö fd)neUe ©d)iff,
2p f)öd)ftens ba§ roofjlberuberte fd;tuarge©d)iff. Leiter [&jjt er fief; in bie
©d>überung beS ©djiffeä nidjt ein. 216er rooljl baö ©djiffen, baö
2lbfaf)ren, baö 2lnlanben bes Sdjiffco madjt er 51t einem auöfiU)r=
lictjen Öemälbe; 31t einem Öemülbe, auo roeldjetn ber SDlaler fünf, fedjs
befonbere Öemülbe machen müfite, roenn er e3 gang auf feine fieineroanb
25 bringen wollte.
giuingen ben igomer ja befonbere tlmftänbe, utrfere iMirfe auf einen
einjeln förperlidjen ©egenftanb länger gu fjeften: fo roirb bem of)ngead)tet
fein ©emälbe barauö, bem ber SÜater mit bem pnfel folgen fönnte;
]) SDie Spoepe fann gar roobl Körper fdjilbern, aber fie bat folgenbe ©renjen nicht ju
30 ttberfdjreiten. SBenn mir ein im Saume befinbliä}e§ ©anjc un§ beutlid) uorftellcn wollen,
fo betrachten mir li bie Steile einjeln, 2) ihre SSerKnbung-, 3) ba§ ©anje. Unfere Sinne
»errichten biefeS mit einer fo erftaunltcben ©efcfiipitlbTgfeit, baf? mir alle biefe Operationen
KU gleicher 3eit 5" rerrid)ten glauben. Senn un§ baber alle ein, eine Keile eines im
Saume fid) befmbenben ©egenftanbeä burdj roillEürlidie Reichen angebeutet werben ; fomirb
35 un§ bie britte Operation, ba§ Sufammen^alten aller Seile, aUju befdjiucrtid). SBSir muffen
unfere @in&übung§traft attjufelfr anftrengen, wenn fie fo jertrennte Stade in ein räum»
crfüllenbcs ©anje jufammenfaffen foli. cäHenbelöfofjn )
-) Ser Siebter fuchet aüjeit »anblung unb SBeioegung 511 oerbinben, batier er fid)
feiten bei einem ätugenbticfe ber §eit lange oenoeilet. Sa Unit eine größere ÜKannig*
40 faltigfeit ju ©ienfteh ift; fo fdiränft er fid) nidjt gern auf eine Heinere ein. ©aber ocr=
meibet er fte^enbe Jöanblungen, roenn er fie in beroegiidje oenoanbeln fann. S5ie folgenben
roohl au-3gefuditen Seifpiele paffen auf biefe vehre uollfommeu. Sie beroeifen aber feine
ganjlidie ilu'3fd)lief;ung aller ftefjenben §aubhmgen. (3)lenbelöjot)n.)
4 ff. Sögt, ätbfcbn. XVI. — 4—7. Sgl. atbfdni. III. — 15 f. ber S$ompfonfd)en
©id)ter, ber 31ad;nbmcr be§ englifcben Sidjters Kftompfon (1700—1748), äSerf. ber
„3a|reäjeiten" unb §auptDertreter§ ber befdjreibenbeu Sid)tung. — 2li— 37. Sgl. Slbfcbn.
XVII.
184 Ikdjk^ jum 4'aohoon.
fonbern er meifs burd) unjäljKge Äunftgriffe biefen einseln ©egenftanb
in eine 5°'Se ÜOn 2liigenblitf'en ju fe^en, in beren jebem er anberö er=
fd^einet, unb in beren (elftem if)n ber Sftaler erwarten inufj, um tm§ ent =
[tanben 3U jetgen, rcaö mir bei bem Siebter entftefyen fefjen. 3. ©• 3Biü
Öomer uns ben SBagen ber Qjuno fef)en faffett, fo mu^ iljn £ebe nor 5
unferen Stegen ©tücf nor ©tüd sufammenfe|en. (Iliad E. 720.) JßiU
er uns geigen, »nie 2(gamemnon befleibet gemefen, fo muf? fidE) ber Äönig
uor unfern Ülugen ©tücf nor ©tücf feine uüllige Äleibung anlegen
(Iliad. B. 41 — 46). Sein ©cepter ift xQvotLoig rjkotai 7it7t(XQ[i£vov;
aber mir follen Don biefem nrid)tigen ©cepter eine umftänblidjere lefifjaftere 10
Qbee tjaben: roas tt)ut atfo £>omer? SOtatt er uns, aufjer ben golbenen
Diägetn, nun aud) bas Ö0I3, ben gefdmi^ten Änopf? $a, loenn bie 33es
fdjretbung in eine fteralbif folüe, bamit einmal in ben folgenben fttiten
ein anbrer genau bavnad) gemadjt raerben Ifönnte. Unb bod) bin id)
geroifs , bafj manefjar uon unfern neuern ©tdjtern eine foldje 2Bappen= 15
fönigsbefdjreibung baraus würbe gemadjt fyaben, in ber treuljergigften
Meinung, bafe er toirflid) fetter gemalt fyabe, rceil ber SÖJaler iijm nad)=
malen fann. 3Bas befümmert fid) aber Konter , wie weit er ben äftaler
fjinter fief» läfst? ©tatt einer Stobilbung gießt er uns bie ®efd)id)te bes
©cepters; erft ift er unter ber 9(rbett bes SBuHanS; nun glänzt er in 20
ben §änben bes Qupiterö; nun bemerit er bie Sßürbe 9)}erfurS; nun ift
er ber Äommanboftab bes lriegerifd)en Belopö; nun ber ftirtenftab bes
friebtidjen 2(treus (Iliad. B. 101). Unb fo fennc id) enblid) ben ©cepter
beffer, als mir iljn ber 9ftaler nor 2Iugen legen, ober ber £>red)3ler in
bie §änbe geben fann. 25
§ierfjer gehören uerfd)iebene Betrachtungen über bas fjomerifdje ©d)ilb
beö 2(d)illeS. 3£eit gefehlt, bafc fid) ftomer bei Befdjrcibung ber barauf
öorgefteUten Staublungen, an ben einigen 2(ugenblicf, in roeldjem fie ber
gbttlidje Äünftler genommen, gehalten; er i)at Dtelmeljr biefen 2lugenbttdf
unter allen am wenigften berühret, unb fid; über »orljergefyenbe ober 30
folgenbe ausgebreitet, bie ber Äünftler blofj mu$te erraten laffen. Gr
unterwarf fid) nid)t ben engen ©djranfen einer materiellen Äunft; er
bemädjtigte fid) ber Gebauten beö ftünftters, ofjne fid; baran 311 fetjren,
wie lneit il)m bie SBebürfniffe feiner Äunft foldje auojubrüd'en erlauben
wollen; er briitft fie aus, mie fie SBulfan auöbrüd'en 31t tonnen geioünfd;t 35
t)ätte.
©eid;te Äunftridjter Ijaben if)n beöroegen getabett; unb maö Herleitete
fie 311 biefem £abel anberö, als ifjre unrid)tigen Begriffe uon ber poetifdjen
Malerei?
Äörperlid)e Sdjcmljeit entfpringt auö ber übereinftimmenben SBirtung
mannigfaltiger 2eile, bie fid; auf einmal überfefjen laffen. ©ie erfobert
26 f. »gl. Slbfc^in. XVIII. — 37 ff. Sgl. Sl&fön. XIX. — 40 ff . »gl. Slbfc^n. XX.
ifMatcrialien unb Qlntttuirfc junt Caohoon. 185
alfo, bafs biefe STeite neben einanber liegen muffen, unb ba Singe, bereu
Steife neben einanber liegen, ber eigentliche ©egenftanb ber Malerei finb,
fo fann fie, unb nur fie altein, förpertidje ©djönbett nadjafnnen.1)
35er 3>id)ter, ber bie ©[erneute ber ©ct)önf)eit nur nad; einanber
5 geigen fcmnte, enttjält firi) bafyer ber ©djilberung förperüdjer ©djonfyetten
gänjUcfj. @r fütjtt eö, bafs biefe (Elemente nad; einanber georbnet, un=
möglid) bie Sßirfung Ijaben tonnen, bie fie neben einanber georbnet tjaben;
unb ba£ ber fongentrterenbe 33ücf, ben id; nad; it)rer ©numeration auf
fie sugteid) jurücffenben railf, mir bod; fein übereinftimmenbeö 23itb ge=
10 mäbret, unb es über bie menfdjUdje ©inbilbung gef)et, ficf» DorjufteHen, rcaä»
biefer 9)lunb, unb biefe 9tafe, unb biefe Singen 3ufammen für einen ©ffeft
baben, roenn man ftdj nidjt au§ ber SJatur ober Äunft einer ät)nlid)en
Äompofition fotdjer Seife erinnern fann.
©ie ^ragiS be3 £>omer§ ftimmet f)iermit nöttig überein. ©r fagt:
15 5iireuö mar fdjcm; ÜfdjilleS mar nod) fdjöner; fretena befaf? eine gött«
ticfje ©cfjönfjeit; aber nirgenbö läftf er ficf) in eine umftänbtict)ere ©dnl=
berung biefer ©d)önf)eiten ein. Unb bod; ift ba3 ganje ©ebidjte auf bie
©d)önf)eit ber £>etena gebauet. 3Bie fefjr mürbe ein neuerer SMdjter bar=
über tujurieret f)aben ! '-')
20 bleibet aber barum öomer in biefem ©tücfe f)inter bem 9Jtater?
$eine3meg3. @r rceifs einen boppeften SBeg tfm aucfj t)ier roieber ein=
äufjolen.
©inmat burd) bie ^ßermanbfung ber ©djönfjett in 3?ei}. 9i eis ift
bie ©djönfjeit in Seioegung, unb eben barum bem 9)Jafer meniger bequem,
25 al3 bem Siebter. 3)er SJiater fann bie Seraegung nur erraten [äffen;
in ber Xijat finb feine Figuren o£)ne öeroegung. Sotglttf; wirb ^ei* ^töj
bei if)m jur ©rimaffe. Unb baS ift bie roafjre Urfactje, raarum bie 3tlten
für it)re fdjönften ©tatuen ben ©tanb ber Siufje mähten. 3it)re ©id;ter,
aber nidjt it)re 33ilbf)auer, [äffen bie SSenuS (äcfjeln. ©ine marmorne
30 ') SBenn roif bie lilalerei oöUig auo ber ^oefie Derbannen; fo oerbammen mir mauebe
trefflidje Stelle aus alten Sidjtern. £>as Sieb 2lnafreon§ an feinen SJaler ift eine pitto*
re3fe 23efdjreibung ber Sdjönbeit. 5(Jinbar fogar Ijat 2J!alereien im eigentlidjen SBerftanbe.
©ein SJogct Jupiters, ber auf bem Scepter beS 2Bettbeberrfd>er3 fdiläft, ift eine au5fübr=
liebe SWalerei. £omer febeint bergleidjen Sdjilberungen niefit geliebt su baben, ba* ift
35 roaljr. 2llletn [roie bat er bie .Sjäfelidjfeit bes StierfiteS malen fönnen, obne nebeneinauber
feienbe Seile feben ju laffen, bie nid)t übereinftimmen. konnte biefe§ in 2lnfebung ber
§äf;tid)fett gefdjefyen, roarum nidjt aud) in Slnfebung ber ©djönbeit?] (sD!enbel5fot)n.)
'-) 2lu§ ganj anbern ©rünben tonnte ficf» begreifen laffen, roarum £>omer bergleidien
ausfübrlicbe @d;ilberungen bier niebt madjen mutjte, ob fie gleid) aud) bei ibm unb anbern
40 ©iditern ju finben finb. S)aä ©ebidjt roar auf bie Sdjönbeit ber §elena gebauet, be-Sroegen
folltc man ben ©runb nid)t feljen. JJd) 6in ')'«r m^ oielem Ginjelnen nicöt aufrieben, aber
roeil idi midj nidjt beutlicb ausbrüden fann, fo febreibe icf» nur roa§ Seid)te§ nieber.
(Nicolai.)
20 ff. 33gl. 2tbfcbn. XXI. — 31. ®a§ Sieb Mnafreoul an feinen SKaler,
cgi. Mbfcbn. XX. — 33 f. Pind. Pyth. 1, 6 ff. — 35 ff. £a3 ©ingeflammerte ift im
3J!anuffript burd)ftrid;en. — 38 — 11. 2Ju§ . . . f eljen, bie 2lnmerfung ift im 3Jlanuffript bi^
^ierb,er burcbftridjen.
186 tladjlafj jitm Caohoon.
58enu§, bie ba ladielt, lädjelt immer; unb n>a§ ift anftopiger, at§ ba§
Jranfitorifd)e ber 5Ratut in ein Aortbauernbeo ber Äunft ju öemmnbefa? ')
groeitens, er fdiilbert bie 3d)önf)eit burd) tf)ve äßirfung. 9Jian
erinnere fid) ber uortrefflid)en ©teile beim öomer, mo Helena in bie
SSerfammlung ber Sitten tritt. 3Ba§ empfanben bie ef)rrcürbigen ©reife! 5
Unb maö tann eine lebhaftere .^bee uon 3d)onf)eit gemäf)ren, als ba§
tatte 3llter fie beö Äriegeö mofjt mert ernennen (äffen, ber fo uiet Söttit
unb fo ruet Sljränen f'oftet.
VI.
Ein einziger, unfdiitflidjer Seit tann bie übereinftimmenbe äöirtung 10
uieter jur ©crpnljeit,. ftören. Sod) mirb ber ©egenftanb bantm nod)
nid)t I)äf5Üd). 2(ud) bie ftäfjlidifeit erfobert mehrere unfd)itf(id)e Seife,
bie id) ebenfalls auf einmal muf; überfeljen tonnen, menn mir baö
©egenteit babei von bem empfinben füllen, raaö un§ bie 3d)önf)eit em=
pfittben täfjt. iö
$olglid) tonnte bie ftäfjticf/reit rool)I, in 2(nfef)ung ifjreo SJBefenS,
unter bie ©egenftänbe ber äßalerei gehören; ba aber itjre Sßirtung eine
unangenehme ©mpfinbung ift, unb baö Vergnügen ber erfte gmect' aller
fd)önen Münfte fein foll, fo mufj fie gänglia) banon auögefdjloffen bleiben.-)
hingegen mürbe bie Suifclidjfeit, in 2(nfef)ung iljreö 2Befens, fein 20
eigentlicher ©egenftanb ber Sßoefie fein, menn bie unangenehme ©mpfinbung,
meldje fie erregt, ifjr ©nbgn>ecf fein tonnte ober foltte. S)a aber burd)
bie auf einanber fotgenbe Enumeration ber Elemente ber ftäfjlidjfeit, ifjre
SlUrfung ebenforaof)! geljinbert mirb, at§ bie SEttrfung ber <2d)ünf)eit
burd) bie äfjnlidje Enumeration tfjver Elemente vereitelt mirb; ba alfo 25
bie >>äf5lidjt"eit in ber <Sd)itberung beö SMdjterä ipäfjltdjfeit ju fein auf*
boret: fo bürfte teirfit eben baburd; bie ;oäf;lidjfeit bem Sidjter bennod)
nüfclid) merben tönneu.
Unb mirb eö mirflid) — SCßann er fie nämlid) uon ber «Seite ifjrer
folgen jeiget. 30
') 3§re ©id^ter [äffen bieSknuS, foruet id) mieü erinnere, nid)t lädjeln, fonbem ba3
£äd;etn lieben, bao Ijcifjt, freunbltdj fein, unb biefeo ti)itn nuef) bie Waler unb Öilbbauer.
SQJenn fie aber bie 93enus maleten, tuie fie au§ bem liieer Cömmt, Ijaben fie fie ttirfit bie
Singen idiainhaft nieberf plagen Caffen? 2Bar beim biefes aud) ©rimaffe ? Sotuoljl SMdjtcr
alo 3JJaler fdjeinen fidi vielmehr biefe Siegel uorgefduieben ju öaben; eine s^erfon allein 35
unb in i)iul)e muß einen fortbauernben Slnftanb, in SPerbinbung ober öanblung aber eine
tranfitoriiebe 2lttitübe Ijaben. S)ie 9?enuo in Sluhe liebt basSädjelu; menn fie aber itjren
9lmor liebfofet, ober bie SMlbfäuIe beä ^!ngmalion5 belebt, fo lädjelt fie roirflid).
(3Kenbetefofm.)
-) St6ermal§ nidjt allgemein. Sie tann burd; ben «ontraft bie €d)önljeit erljöljen. 40
Sie Satyrn, bie gaunen bie ben ll>agen be§ Sacd)U§ unb ber SHriabne sieljen. ^.Uuto
ber bie ^roferpina entführt. Ser ©runb ben 3ie anführen, beroeifet nidjtä. SDa§ 33er»
gniigeu ift ber l)öd)fte ^med ber fdjönen .flünfic, aber nidjt bie reinen angenehmen Gm=
pfinbungeu. Sie uertniiditen finb booon nidit au'3gefd)loffen. (üKenbelöfotjn.)
l. I ä dielt immer; ogl. Mbidin. III. — 10 ff. ißgl. 2lbfdjn. XXIIT. — 41. Sptttto
(yabes) ift in ber autiteu Äuuft nie IiiifUidi bargeftellt, bagegen öfters in ber mobernen.
— 44. S3gt. Slbidm. XXV.
#tatcrt(ilUn itnb {Entwurfs nun Caohoon. 187
ilnfdjäbndje ^äfUidjfeit ift lädjerlid). (Srftärung beo Slrifio«
teles.
©djäblidje §äf}lidjfeit ift fdjred tief), folgitd) ergaben ')
SSeibe SDlittet, bas £äf}tidje fonadj gleidjfam 311 aboucieren, festen
5 bem SDlaler. £f)erfite§ ift auf bei- Seinroanb nur l)äfjüa); bei bem
ipomer ift er lädjerlid;. (SanluS I)at folglid) 3tedjt, ttjn auö bei- gfolge
feiner fyomerifdjen Ckmälbe fjerauä ju (äffen. £lo£ aber Ijat Unredjt,
luenu er itm aud) au$ bem £>omer rcegtiuinfdjt.-)
2(uct) ba§ Jpäfjttdje al§ ©djredliri; fann ber Sltater nid)t braudjen,
10 rcenn er un§ nidjt jroet unangenehme ©ntpfinbungen für eine erregen
null; inbem beibeö uns in feiner Äompofition uiel 311 lebhaft rühret,
a(3 bafj e§ ergaben fein fönnte.
VIT.
Ö(eid)rool)(, nrivb man einroenben, fjaben es feine oon ben geringsten
15 SMdjtern gewagt, förperlidje ©djönljeitett nad; tfjren teilen 3U fdjilbem.
6leidjiuo()l finben ftcf; -Kater, bie mibrige t)äf3(id)e ©egenftänbe unter
if)ren $tnfel genommen. Unb betbe tjaben Seifall unb Senrnnberung
erroor&en.
^ct; gebe es ju. Sßenn aber bergtetdjen äöerfe gefaden, fo gefällt
20 6tofs ba§ Öenie, bie ©efdEjtdKidjjteit be§ Sidjters' unb 3JlaIer§ in ifmen;
bie g(üd(id)e 9} ad; al)mung gefällt, aber nid)t ba3 9"tadjgeaf)mte.
Unb biefeä ift bie allgemeine SSeränberung, raeld;e bie fd;onen fünfte
unb 2Biffenfd)aften inSgefamt, mit bem Fortgänge ber 3eit/ erlitten:
vJJad) iEjrem Urfprunge waren fie beftimmt, ben ©d;ünf;eiten ber förper=
25 liefen unb geiftigen Statur eine neue ©djöpfung ju geben, burd; bie fie
uns beftänbig jur .'oanb blieben, um uns nad; belieben an if;nen 3U
ergoßen; ü;r größter 3iu()tn mar, biefe ©d;on(;eiten erreicht ju (;aben.
Salb aber warb ber SSirtuofe mübe, nur immer einerlei 31t erreichen;
unb gleid;fam nur burd) bie ©d;ünl)eit feineS SSorantrfeä 311 gefaden.
30 ') Sdjrecflidje Scfiönfjeit ift ergaben. SBebufa ift erhabener al§ Sllefto, ja biefe oer=
bienet ben Slamen be§ (Sr&abenen oielleidit fo wenig al§ ber Sob unb bie Sünbe be§
3Büton§. 3<Hd)t alles ©d)rerflid)e erregt bie (nnpfinbung ber ©rlja&en^eit. S5er (Slanj,
ber au? ben äugen ber (ilötter leudjtet, ift nid)t fo fdjrecflid), aber weit erhabener al§ bie
brenticnbe garfei ber gurten. (-Dienbelsfohji.)
35 -) Unfcfläbttdje yäfjlidifeit ift aud) für ben Waler eine Duelle be§ £äd)erlid)en. @r=
innern Sie fid) be? §ogartfcf)en Sandes. SlUe l)äßlid)eu gtguren in bemfelben finb lädier»
lid). Dr. Stop, Sandio, Son Cuiirote u. f. ro. 2$erfite§ mürbe aud) in ber lüaterei
lädierlid) fein. 55a er aber mit bem grnft&aften ber übrigen Sßerfonen beftänbig fons
traftieren würbe, inbem ber 9)taler bie bemeglidie §anbtung besfetben in eine ftetjenbe
40 üermanbehi müfjte; fo fann itjn ber 2J!aler in feinem ernftbaften Sujet anbringen, o!)ne
einen äBiberfprud) ber ©mpfiubungen 51« erregen, unb bie Einfielt ber SBirfung ;u unter»
bredjen. Qn bem traufitoriidieu öiemiUbe ber ®id)tfunft tbut er feine fo fcfjtimme ffiirfung.
CWenbel5fof;u.)
1. Slriftot. 5f>oet. 5: 511m Sädterlidteu ift Unfdiäblidjfett erforbertid;. — 4. aboucieren,
»etlüfsen, b. f). milöern. - 14 ff. Sgl. -MMctii. XX u. XXIY. — 19 ff. Sgl. Slbfdm. II.
— 30. Sllefto, eine gurie. — 3n. be? §ogartf d)en SanjeS, äKenuett fomifdier
giguren in ^ogarttjö „Slnalnfe ber Sd)önl)eit". — 37. Dr. Stop, eine fomijdje Serfon
in Sterne? „Sriftram Staubt)".
188 tladjlalj jutrt Caohoon.
Gr glaubte eS muffe il;m rübmlidier fein, blof? burd; bie Grreidnmg ju
gefallen, o(;ne baf? bie <£d;önbeit be$ SBoxtxmrfg boßet in SRedjpumg fchne.
Malier bie malillofen 9i"ad;ab,mungen ber erften ber tieften ©egenftänbe;
fdiön ober bäftlid;, ebet ober niebrig; alles ift gleid) oiet, mann ber 3"5
flauer mir illubiert wirb.
VIII.
Sie 3 eil folge ift baS ©ebiete beS Sttdjterä, ber 3^ au tu ba3 ©ebiete
bei SWotcrS.
3mei notmcnbtg entfernte geitpunfte in ein unb eben basfelbe ©es
mälbe bringen, fo nne ber ^armifano ben Staub ber fabinifrfjen Sun85 io
frauen unb bie 2(u3föf;nung berfelben jtmfdjen i(;ren 2lm>ermanbteu unb
neuen äßännern: fjetfjt ein Gingriff beö 2RaIer§ in baS ©ebiete beä
Sid;terS, ben ber gute ©efd;mad nie billigen wirb.
ä'iehrere Seile ober 3)tnge, bie id) notroenbig in ber 9tatur auf
einmal überfefjen mufs, roenn fie ein genriffeS fd;öne3 ©ange fieroorbrtngen 15
follen, beut Sefer nad; unb nad; jujä^Ien; f;eif5t ein Gingriff bei
2)id;ters in bas ©ebiete be3 3JtaIer§, raobei ber 2)td;ter oiel
Imagination of;ne allen Stufen r>erfd;menbet.
25od; fo roie gmei billige, freunbfd;aftlitf)e 9taa;barn jroar nid;t »et»
ftatten, bafj fid; einer in be3 anberen innerftem JReictje ungegiemenbe 20
g-reiljeiten berauönel;me; mo()l aber auf ben äufjerften ©renjen eine tüed;fel=
fettige 9tad)fid;t Ijerrfdjen taffen, roeld;e bie fteinen Gingriffe, bie ber eine
in beS anberen Öered;tfame in ber ©efdjnrinbigfett fid; burd) feine Um»
ftänbeju tl)un genötiget fiel)t, frieblid; von beiben Seilen fotnpenfieret: fo
aud; bie SKalerei unb Sid;tfunft. 25
3n)ei, brei Seile, ober fidjtbare Gigenfdjaften eine3 S)inge§, burd;
Seiroötier, Slbuerbia, Sßarticipia, fo gefdjidt gufammenpreffen, bafi man
fie faft ebenfo auf einmal 311 l)ören glaubt, al§ man fie in ber Statur
auf einmal fieljt: ift ein berg.teid;en Heiner r-ergönnter Gingriff be§
5Md;ter<3 in bie Malerei, bereu öftrer ©ebraud; il;n eben ba3U mad;t, 30
roao man gemeiniglid) einen malcrifd;en 2)ia)ter nennet, unb in
meutern Sßerftanbe Sb,ompfou mef;r SJtater ift, al3 ftomer.
Safür ift bem SÄalet tiergönnt, in großen Ijiftorifdjen ©emälben feinen
einzigen Slugenblid and) um etwas 311 erraeitern; eine g-reifyeit beren ftä)
bie gröfiten SJJeifter bebienet l;aben. ') ^a, idj glaube nid;t, bafs fid; ein 35
1 ) Sie Uiaterei unb Jicbtfunft befinben fieb niebt uöQig in eben ben llmftrinben. Söei
bem ÜJialcr ift bie gcringfte SSerSnbemng bes Slugenblicfcj eine Übertretung ber Orenjcn,
1 ff. 3?gl. aueb 2lbfc6,n. 111. — 5. illubiert, getäufebt; wir gebrauchen jetjt ba3
SPerbum «ictjt mebr, toobl aber baö Subftantio SlUufion. — 7 ff. Sgl. 2lbfcbn. XVIII.
10. Sfarmifano, ajiaäjuoli, f. oben ©. 105.
^Materialien unö (ßntnriirfe ;um Ä'aohoon. 189
einiges an Figuren fel)v retdjeö Stücf finbet, in tneldjem jebe ftigur volU
fotnmen bie Sercegung itnb Stellung fjat, bie fie in bem 3lugenblicfe ber
§auptf)anblung tjaben foltte; ber eine f)at eine ettraö frühere, ber anbete
eine etroaö fpätere. Unb biefeö läfjt man fo trillig gelten, bafs nielmefjr
5 eben baburd) öfters ein Öemälbe fo oiel rebenber, fo riet bid;te =
rtftfjer Ejei^t. ')
2ßie aber ber tn eifere Wlatet betgteidjen eingriffe in bie benachbarten
2lugenbltde, trenn fie etroaS merftid) entfernt finb, burdj einen Äunftgriff
ror allein Slnftöfjigen 31t retten tueifj, treibet barin befteljet, bafc er bie-
10 jettigen giguren, 5. ©. bie etrte fpätere SBeroegung tnatt)en, als ber 2lugen=
bltd ber §aupti)anblung erforbert, ron ber fcauptljattblung roegtoenbet,
ober fie fo [teilet, baf? fie bie i£ige £auptl)anblung nid;t feljen tarnt, fotglicb,
fie in ber 3iüf)rung läfjt, toeldje ber rotjjetgeljenbe 3(ugenblitf, ben fie mit
angefefjen, auf fie getrau : fo mufj aud) ber toeifere Sidjter einen ät)ttlid)en
t5 Äunftgriff bei feinen Gingriffen in bie benad)barten foerjftierenben @r»
fdjetnungen, anroettben. ilnb treldjer ift biefeS?
35er Dealer bei feinem Äunftgriffe nimmt gleidjfam mehrere Raunte,
mehrere g*äd)en an; trir fel)en feine g-iguren svoar alle auf einer glädje,
aber fie fielen nidjt alle auf einer giädje; mit einem Sßorte fein ßunft*
20 griff liegt in ber Sßerfpettiti.-)
SGßoS ift alfo bie^erfpeltir be§ £>td)ter§? Sie beftet)t baritt, bafj
er bie geitfolge, in meldjer feine -ftadjaljmung forfdjreitet, bann unb roann
unterbricht, unb in anbete geitfolgen übergebet, in treiben fid; bie
©egenftänbe, bie er fdfjilbem trill, efjebem befunben, 6i§ er ben gaben
25 feiner eignen 3eüf°f9e nüeber ergreift.
Unb in biefem iUmftgriffe ift Corner SKeiftet. 2ll(e feine ©ins
fdjaltungen finb perfpettirifd), unb befonberö finb feine @Ieid)niffe alle
bie man fid) ntd)t of>ne 9iot ertauben barf. hingegen E>at ber Siebter aud; einiges SHcdjt
auf bas SJebeneinanbereriftiercnbe, joenn nur bie 8tM)en, beren er fief) bebient, nidjt uon
30 gröfjerm Umfange fmb, al§ bie begriffe, bie jum fidjtbaren ©anjen gehören, in roeldjem
§alle bie Smoaination ju feljr arbeiten mufj, au§ ben Seilen ein ©anjeS juiammeu 511
fe§en. Sie üJlufi! ift hierin ber äßalerei, roie oben erinnert raorben, fdmurftratf« entgegen»
gefest. 2lllein fie ertaubet nidit ben geringften Gingriff in ba§ ©ebiete be§ 9taunte§, man
muffte benn bie Harmonie einen foldjen Eingriff nennen. (ÜDJenbetSfotjn.)
35 Slud) bie Harmonie jietie idj nid)t bjerljer! (SHcolat.)
') fcebr richtig unb ein febr fruchtbarer ©afc in ber 2Jialerei, roeldjer (im Vorbei-
gehen) burd) ba<3 25atteujfcb,e ©nftem nid)t fann erflärt werben. (Nicolai.)
-) 35er 2J!aIer fann ben flunftgriff bafs oerfduebeue gigureu Bewegungen mad)en, bie
fid) auf ben »origen unb folgenben Slugenblicf bejie^en, aud) oljne SBettjUfe ber Sperfpeltio
40 brauchen. — CS§ tonnen auf ber anbern Seite ^erfouen bie in $erfpefth) ftebeu, ik--
reegungen madjeu bie in eben ben SlugcnbUrf geboren. 3lud) Sßerfonen bie auf eben bem=
fclben ©runbe fielen tonnen immer bie .<SauptbaubIung fetien unb bie anberen nidjt —
infofern fie aber auf einem ©runbe fteben/ fteben fie uiebt in ^erfpeftiu — ,v G. auf einem
antuen Basrelief — 2Ufo feljlt mir an ber SMmoenbung immer ettoaS. (Nicolai.)
13. nittfjrung, f. 0. a. Ginbrud — 37. Söatteur' Traitfi des beaux arts, reduits
k uu meme principe.
190 fitodjlng »im Caokoon.
yerfpeftunid) auägefüljret, ') lueldjeo ifmen eben baö üdm\ giebet, ba3
fo fet)r rüljret, unb ben ilunftriditern fo fä)tt)er ju erflären ift.*)
[X.
35a jcbe nadjatjmenbe Äunft öorneFimttä) biircf; bie eigene £refftid)feit
beS nachgeahmten öegenftanbeo gefallen unb eueren foll; ba Körper bei* 5
eigentliche SBorrourf ber Malerei finb, unb ber malerifdie SBert ber Körper
in ihrer ©d)cmljett beftetjet: fo ift e§ offenbar bafj bie Malerei ifjve Äörper
nid)t fdiön genug möljlen fann. 35at)er baö ibealifdie ©djönc. :;) Unb
ba ba$ ibealifdje ©ct)öne fiel) mit feinem geroattfamen ©tanbe beo 2(ffeft<3
»erträgt: fo inuf; ber Dealer biefen Stanb uermeiben. 2)af)et bie Siulje, 10
bie fülle ©röjje, in Stellung unb Slusbrutf. 2)ie rol)e unoerftänbige
Übertragung biefes maletifdjeu Örunbfatieö in bie 3Md)tfunft, oermute id),
l)at bie falftfie Siegel oon ben pollfommnen moralifdjen 15 fjarafteren,
nio nidit ueranlafjt, bori) beftärt't. 3rcai* geEjet aud) ber Sidjter einem
ibealifdjen £d)önen naä); aber fein ibeatifdieS Sdiöne erforbert feine 9iul)e; 15
foubern grabe ba§ ©egenteil oon 3htl)e. Senn er malt ftanblungeu unb
') £>ierl)er gebort ein fteiucS rtt"agmcnt au'3 kern 9tad)laffe, n>eld)e<3 lautet:
©ins oon ben per f peltioif dt ft e u ©leidmiffen ift bat, wo ftomer (Iliad. T. v. 373 u. f.)
bac? Sdjilb b'eä Sldiillecj, ober oielmefjr beffert ©lans mit bem ©lause eines geuerö oer=
gleicht, ba§ oon einfamen Sergen im ©turnt bel)aftctcu ©eefatjrern leud)tet. Soä) finb 20
liier mehr bie Crtcr, als bie Zeitfolgen, bjntcr einciuber geftellet.
— ttvTun sTtiitä (Taxos /nsya r?, atirfayöv tt.
Ei'Xeto, Tai' d' u7iävev&£ aiXa; yittt', tjirts jui/rt/;.
-.',• 1)' Stav ix növtoio aiJ.a; vaüttjai ipaveh]
Katofiivoio Ttvqog, rö <)h y.aittui 'uil'ofr' oQSOcpiv 25
Stad'f.tiü iv oloJtöXo)' tovg 61 oix f9i?.ovtai äeXXai
JIüvxov In' ix&uöevta (piXwv äaävev9e (piyovrsa:
©er (Slanj beo 3ä)tlbe§, ber 3?orgrunb; ber ©(ans, ben bie ©cbiffer erbtiefeu, ber äioeite;
ba§ Tyeuer auf ben Sergen, lmidicS biefen ©(ans oerurfadjt, ber britte; bie g-reuubc, oon
roeldjen fie fem auf bem SDteere fierumgetrieben roerben, ber inerte. 30
i ©iefe ganje Betrachtung über bie Serfpeftio null mir nid)t fo rcd)t in ben Sinn,
©ie ißerfpeftio ift eine 'Jiadjainnung ber Statur in Slnfelning ber -Diftansen. Sie Statur
bviitft bie ©iftanjen au§ burdi bie relatioe l) ©röfse, 2) S)eutüd)feit unb Sauterfeit ber
garben. Ter äliater malet feine ©egenftiinbc Keiner, unbeutlidjer unb mit gcfrftuHiditeu
JarBen, unb mir gtaubert fie feien entfernter. Cnbltd) bebient er fid) biefer Gntfernuugeu, 8S
um feine fteljenbcu Silber etumö beweglicher ju madjeu. Sicfeö ift ein Sttthen, ben ber
SBirtuofe oon ber Sperfpeftioe siebet, fie maefiet abev feine§roege§ i>ai SBefen be'r ^erfperrroe
auö. 2lud) in ber SMdjtfunfi giebt es einen Inbegriff finnlidjer SSorftellungen, bie oermege
iljrer Situation ben ftävtften ©inbruef uiadieu foileu, biefe uiadten, roenn id) mid) fo au§s
brlicfen fauu, ben .öauotgrunb auä. Slnbeve Segriffe finb mit biefem teils mittelbar, teily 40
unmittelbar oerbunben, unb muffen balier nach 3J!a|ge6ung ilner Cintfernuugen aud) befto
fduoädier roirfen Sieie-j entforädje alfo ber Sperfpeftioe ber 3J)aler. Db aber biefe§
fd)ioädiere Sidit uadi SRalgebung ber Gntfernuug, bem Sid)ter fo uühlid) fein mag, alä
bem Ulaler feine Serfpettroe, loagc id) nicht ,ju entfd)eiben. (3Renbel3fo§n.)
Jd) aud) nicht, aber id) neige ftarf jutn Stegattoen. Oticolai.) 45
i riefet' irdnitt ift mir ju tilbu. Sic 2d)önl)eit ber Aormeit macht oielleiciit itidft
ben ganjen malerifdjen SSSert ber Jtßrper au$, benu, wie eö fd)eint, gehört bie Stfl^rung
mit baju. (Sienbelöfobn.)
4—8, Sgl 3lbfd;n Tl. — li. bie ftille ©röfje, ogl. SBindfelmann, ÜBerfc 1,30
fiMielein). — 11—14. »gl. 9tad;l. A 4,2. «bfd)U., \ 111; B 7, XXXIV. — 19 f. oer»
gleicht feljlt in ber §bfd)r.
ßlatmnlicn ntti ffintnnivfe jiim Caokoon. 191
rtidjt Sörper; unb §anblungen finb um fo oiel oollfommner, je mehrere
je uerfdjiebnere, unb nriber einanber joUift arbeitenbe SrieBfebevn barin
roirffam finb.
Ser ooUfommene morattfdje ©Ijaralter fann baf)er Ijödifteno nur eine
5 äroeite ittolle in btefert $anbtungen fpielen; fo bafj roenn iljn ber Sitfjter
ungtüdlidjerroeife aud) jur erften bcfthnmt f)at, ber fdjlimmcre Gtyarafter,
raeldjer mein- Slnteil an ber £anblung nimmt, als bem uollfommnen feine
©eelenrulje unb feften ©runbfä|e 31t nehmen erlauben, ifjn aUejeit au&
ftedjen rcirb. Saljer ber Sorrourf, bcn man bem äfiüton gemalt t)at,
10 bafj ber Teufel fein §elb fei. ') Unb bae fömmt niajt bafjer, meil er ben
Teufel 31t grofj, 5U mächtig, 31t nenuegen gefdjtlbert; ber J-erjler liegt
tiefer. @3 fömmt bafjer, weil ber 2ü(mäd)tige bie SInftrengung nid;t
braudjt, bie ber Teufel jur Grreidutng feiner 2(ofid;t anrocnbcri mufj, unb
er mitten unter ben gewaltigften SBetoegungen unb 2(nftalten feinet geinbeä
15 rnl)ig bleibet, meldje 9iufje jroar feiner Ipoljeit gemäfs, aber leineäroegeä
poetifd) ift.
X.
Sie ^ßoefie geiget uno bie Jtörper nur uon einer Seite, nur in
einer Stellung, nur nadj einer Gigenfdjaft, unb läfst alleS übrige
20 berfelben unbeftimmt.
Sie 9)ialerei tarnt biefe$ nidjt. Sei i()r Steljet ein Seil ben anberen,
eine Gigenfdjaft bie anbere nad); fie mufc atleö beftimmen.
S)af)er fann bei bem Sidjter ein gug fefyl" finnlidj, fefjr malerifd)
fein; in ber ■Dlalerei felbft aber eö 3U fein aufhören, meil er burdj bie
25 übrigen baju fommenben öeftimmungen gcfdnuädjt, ober mot)l gar in
SBtberfprucb, gefegt mirb.
3. G. Sei bem Sidjter ift §erfule§
— rabidi cum colla minantia monstri
Angeret, et tuinidos aniraam angustaret in artus,
30 ein nortrefflidjeä 33ilb. ^d) fel)e bie ganje Stärfe be3 Selben; icfj felje
ben rafenben Söroen in feiner Seängftigung, n>ie ber Derfdjtoffene 2ltem
il)n auffdjmellt. 2tber nun (äffe man ben 30Jaler ober Sitbljauer biefeS
auöfüfjren. Ser Söroe fmt einen 9iadjen, er fjat flauen, bie er mo ein=
jcfjlagen fann, bie er nad) bem 3Biberftanbe, ben er feinem Sieger entgegen*
35 fenet , wo einfddagen mufj; unb .öerfules ift unübernunblid), aber nidjt
unoeriounblid). So felje tdr) if)U nunmet)r jugleid) leiben, mo icf) itjn
J) 2o iDie int damit Uljo ber .s>elb ift. (ffllenbctsfclm)
18 ff. S?g(. SUJfcfm VI ff u XVI. — 28 f. Statius Theb. IV, 827. 3?g[. giad)l. C 12,
9ir. 12. — 37. gn Glia§ 5d)legd* Irngöbie (Saunt.
192 iladjlaff jum ffaohoon.
nur fiegen fetjen folt. ') (oiefje ben geftfmittenen Stein beim Spence,
Sab. XVII. 3.)
Sie Sieget bebarf alfo einer großen (Sinfdjränfung, baft nur ba3 bei
betn Siebter maferiftf) fei, roa§ aud) in i r f t i dt) auf ber Seinroanb
ober in üötarmor einen guten (Sffeft fjaben lönne. @§ ift voat)v, 5
ber $ug beä 2)td)ter3 mufj fid) äeidmen, mufj fid) ftcfjtbar barftetten taffen
fönnen; aber ber Siebter braucfjt für bie Sßirfung nttf)t gut 511 fein, bie er
in ber materiellen Stuobitbung bes itünfttersi ttjut, ber notiuenbig anbere
3üge batnit oerbinben mufjte, non meieren bas Sluge nid)t abftraf)ieren
fann, non weldjen aber iuo^I bie ©inbitbungöfraft bei bem 2)id)ter ab-~ 10
ftrafjieren tonnte.
XI.
Unb eben bafjer, roeit ber Sidjter feine Sßefen nur mit einem $uge
f Gilbert, tann er SBefen fdjilbem, bie nidjt beftinunt finb, btefee Sßefen
ber ©inbitbung. Surcf; biefen einzigen $ug tonnen fie un3 finnlid) 15
werben; aber ber 9Jiater braucht mefjr 3üge fie un§ finnltct) 3U madjen.
^-otglid) ift e§ aud) fein ©inraurf roiber baö Sttaterifdje eineö Sidjtero,
bafj feine 2£efen lauter unförperlidje geiftige SBefen finb; unb SBitlton
ift feinem geiftigen äßefen ungeachtet einer ber größten -Diäter nad)
bem §omer. '-') 20
®afj aber ber 30ialer bei bem §omer ungteid) met)r ju t()un finbet,
afs> bei bem SDHIton, rühret nid)t au§ bem minber materifdjen Öenie be3
(SngtanberS, fonbern ait§ ben engen Sdjranfen ber materietten Äunft t)er.
3)ie Seredjnuug be3 ©an tu 3 ber ©emätbe in ben epifdjen Sidjtern,
ift ber SJiafjftab ber 33raud) bar feit eines! jeben für ben 9Jia ter, aber 25
fein Siafeftab bee> ^orsugö ber ©id;ter fetbft.
3£enigften$ nid)t ifjrei 2>or3iige3 in bem maier ifdjen Seite, ©onbern
menn ja biefe größere 9iük(id)feit für ben ÜDiater ein Sor-mg fein fott,
') $d) getraue tnid) nidjt hier einen StuSfprud) ju wagen, aber mid) bünft, id) würbe
bem RünfUer 3)anf wiffen, baf; er mir nidjt ben fiegeuben, fotibern ben fämpfenben $erfu(e§ 3ü
jeigt. G'5 märe ihm uielleidit nid)t fd)wer geworben, einen fpäteren Slugenblid }u wählen,
in weldKtn ber nunmehr erftidenbe Söioe fid) frümmet unb minbet, unb bie .Uiauen fonou[=
fioifd) an fid; jiefjet ; allein wir fällten ben Soweit Sßiberftanb tfeun feljn, unb aus biefem
SSiberftaube auf bie Starte bes §erfule§ fcblicften. £>te SCnmerrung ift, meines ©rad)ten<3,
gar wohl gegrünbet, aber baS ©rempel nidjt glücllid) gewählt. OJKenbetSfofin.) 35
'-') Öut! 21ber ber Siebter ift befto »oHfontmener, je beftimmter feine Silber finb, je
leidjter e§ bor Imagination wirb, bie awSgelaffeneu $ÜQt binju 51t beuten, unb fid) Don
ben erbiditeten fflefen nette unb auofülirlidie SJegriffe j« machen, .'öomer unb SJirgil haben
fid) nur wenige foldje Sjiiber ertaubt, bie fid) ber gmagtnation nicht auoführli* bar»
fieUen. 2t6er alle erbid)tete SBefen be>3 SDlilton finb uon biefer Sefc^affen^eit. 2?ie ©eroalt, 40
bie wir anweuben, fie un§ in ihrer fBoüftänbigleit oorsuftellen, fct;eiut unferc @inbitbung§=
traft }u ermäben. 3hr erfter Stnblid frappiert ungemein, unb erregt eine Slrt »on <Sr*
ftauneu, bie bem ®rt)abenen eigen iit. l'lber ihre SJirfung ift fo anc)altenb nid)t; beim
fobalb wir unä erholen, uno mit uuferer Ginbilbungotraft gefdjäftig jtt fein anfangen, fo
fühlen wir baö lliiüermögen fie auSjnbilben nur gar \u bcutlidj, unb fie taugen an un= -15
angenehm ju werben. OTtfton wirb ba3 erfte ÜJial mehr frappieren, vomer aber befto
öfter getefen roerben. (lÄenbelSfo^n.)
1:; ff. »gl. i'lbfdm. XIV. — 46 f. 8gl. 9tcu$I. A 4, 2. srbfdm., XIV.
üaterinlieii unb (ümtiuürfe jum Caokoon. 193
fo entspringt biefer Sßorjug blof; au3 bem 9leid;tum unb ber 9}iannig=
fatttgfeit ber §anblung, bie ber gn^alt beö Gebid)te3 ift; meieren $ors
jug ber Sidjter aber jefjr oft mit bem elenbefteu (5)ejtf(id;tfcr)reißev gemein
fjaben fann. *)
5 3- ©• ®te 2eibenegefcf;icr)te Gljrifti ift in bem üfteuen Seftamente
|et)r armfelig unb elenb befdjrieben. Sem otjngeadjtet l)at fie (Stoff genug
3U ben üortrefftidjften Gemätben gehabt. S3a§ madjt, fie ift fefjr mannig=
faltig. Sfyre ©fribenten aber rcaren barum nid)t3 weniger af3 SBMer.
©ie erjagen bie fimpeln 'fiatta, unb biefe petita raeife ber 9ftater ju nufcen,
io ol)ne baf? fie iljreä Seilet ben geringften Junten oon malerifd)em Genie
babei gejeiget l)aben. Senn biefe %atta finb entroeber roafjr, ober oon
if)nen erfunben. ©tnb fie raatjr, fo fabelt fie gar fein SBerbienft barum;
finb fie aber erfunben, fo ift %aita ju erfinben, ein gang anbereö latent,
a!3 ^-afta malen.
15 2tber £omer, roirb man fagen, t)at feine $aita ntdjt aKein erfunben,
er tjat fie aud) felbft gefdjilbert, unb in feiner fortfdjreitenben ©d)überung
raerben immer ein ober mehrere 3üge fein, meiere für bie materielle
9Jialeret ausbrüdtid) gemadjt 31t fein fdjeinen.
2Benn eS fo ift: befto beffer. 2lber e3 ift nur jufättiger SBeife fo;
20 unb Diejenigen non feinen ©djüberungen, in meldten fidj bergfeidien für
bie materielle 9)la(erei braudjbare 3üge g<^ nidjt befinben, finb barum
ntcr)t fd)[ed)ter, fonbern nid)t fetten in il)rer 2(rt aua) mot)! nod) ooll=
tommner.
3- @. baä inerte Sud; ber §lia$ liefert bem Graf ßanluS nur
25 ein einziges Gemülbe. Unb nod) bajit, ma§ für eineö! Sie SSerfammhmg
ber ratfdjtagenben unb sedjenben (Sötter, bie ber Sidjter in ben erften
3eilen biefeS 2htd)e3 befdjreibt:
Ol dh &8oi TiciQ Zi]vl Ha&rnitvoi fiyoQOtavzo
XqvG£<o sv dansScp, jttträ ds ocpioc noxvicc ™Hßi]
30 NtHTtxQ bcovo%6if toi de XQv6^oig dtnätoci
4st8£X<XT ttlXl]Xoi'S, TQWCÜV TtÖXlV ZLGOQOCOVTtS.
©in gülbener ^Salaft, nnllrurlidje Gruppen fdjöner unb majeftätifd)er
Götter, üon £>ebe bebient unb fid) junt Srunte ermunternb: lauter Gegen=
ftänbe, bie auf ber Seineroanb eine fet)r nortreffttdje 3Birlung t)aben
35 fönnen; ob id) gletd) gern roiffen mödjte, raie ber Mater bie Götter, rote
fie einanber jutrinten, unb %vo\a bod) nidjt aus ben 2lugen nerlieren,
auäbrüden roollte. Senn Itiftt er fie blofj trinfen; fo beratfdjlagen fie
') Ser <Sa% läfjt \\i) freiließ lüdit umfe^ren. (Sine jebe erää^Iuitg, bie bem ü)!a[er
retrfien €toff barbietet, ift nid)t beöroegen poetifa) fcfjön. 2lber fotriel ift richtig, gebe
40 Gegebenheit, bie fritc!)tboren (Stoff für ben ^infel enttiätt, wirb aud) für ben Siebter fein
unglüct(id)e§ Sujet fein, roirb bem Siebter roeit bequemer fein, al? eine Siege&enfjeit, von
it>elcf;er ber 33taler gar feinen ©ebrauefi. madjen fann. (5D}enbetsfof)n.)
12 ff. SBgl. 2rbfd)n. XI. — 24 ff. »gl. ülbidm. XIII.
SeffingS SBerfe 9. 13
194 lladjlaß -um -Cnohooin
ficf» nidjt; laftt er fie fid) Blofj bcratfdjlagen, fo trinfcn fie nidjt: bei bem
"gomer aber ttjun fie beibe§. 2MI er aucr) einen Seil trinfen, einen Seil
fid) beratfddagen [äffen: fo ift e3 mieber nid)i, ums §omer jagt, nad)
bem fie alle jugfeid; ratfdjlagen unb trinfcn füllen. Sßiccort, ber biefeä
©emälbc gejeidjnct, nod) efje eö Gat)lu§ worgefddagen, jeiget bie ©ötter 5
ade in bei* iiefften unb lebl)afteften 33eratfd)Iagung; unb §ebe !nieet btof;
auf ber ©eite unb gtefjt ben 9feftar anZ einer Urne in ein £rtnfgefd)irr.
216er gcrabe fo uiel f)ätte 'ipiccart tl)un muffen, roenn eS blofs barauf
angefef)cn geirjefen märe, bie £>e&e 5" djarafterifieren.
£)od) alteö biefeS beifeite gefetjt unb angenommen, ber 9)ialer fönne io
bm gangen ©inn be3 Sinters ausbri'tden, unb ein SJieifterfiüd feiner
Munft am biefem Sujet machen: ift e£> barum aud) ein poetifdjes; &z-
mälbe? Sft es> eines», fo ift es geroifj eineö uon ben fafjlften, unb ein
roeit fd)lcd)terer S5td)ter bätte es ebenfo gut mad-en tonnen.
üTOan tjalte bagegen bie ©teile (lliad. J. 105 — 12G), mo ^anbaru<3, is
auf 2Inrei8cn ber 9J2inerna t>m SBaffenftiu'efianb brid)t, unb feinen s^feit
auf ben 90ienelau3 loöbrüdt. ©djirjerlicb, nrirb man bei einem SMdjter in
ber SBelt ein uortrefflidjereö ausgefüljrtereö ©emälbe finben. 38on bem
©rgreifen beö löogenS bi§ äu bem $luge beg ^ßfeüeg ift jeber Stugenblid
gemalet, unb alle biefe 2tugenblid'e finb fo nafye unb bod) fo unterfd)ieben 20
angenommen, bafj, menn man md)t muffte, mie mit bem 33ogen umäugefjen
märe, man e3 auS biefem ©emälbe allein lernen fönnte.
Unb biefes ©emalbe — rcas foll man t)ierju fagen? — ift in bem
nämlidjen $$ud)c, meldjes (Saiduö an allen ©emälben fo unfruchtbar
finbet. Überfefyen f)at er eS fdjmerlid), aber ot)ne graeifet Den $ebürf= 25
niffen ber heutigen Äunft ntdjt angemeffen genug gefunben. ©ott meifs,
mag für ©djnnerigt'eiten in ber Drbonnan.3, in ber Verteilung £id;t§ unb
SdjattenS iijn bewogen l)aben, ba§ malerifdjfte ©tuet beö SDicfjterö für
unmalbar 51t balten. ')
3ft bem fo: fo, bünft mid), ift unfere heutige DJJalerei gerabe auf 30
bem fünfte, auf roeldjem unfere tjeutige llcuftt" ift, unb e3 getjt bem
3RaIerifd£)en beö Sid-terä, mie feinem Sßofylf lange. 6r fei nur redjt
malerifd), fo roirb man feine Ocmälbe genrifj ungemalt laffen; er fei nur
red)t mof)Itlingenb, unb man mirb ib,n geiüijj ntdjt fomponieren. ©aä
-JJietfterftüd bes bidjterifdjen Sßoljltlanges, ber .v>erameter , bie Inrifd-en 3">
©ilbenma^e beö .'öoraä, finb uiel ju mufttalifd) , um bem Äomponiften
braud^bar 511 fein; er null nid)tö, alä ofjne SCnftof; flief-enbc folgen Iieb=
') CSin •JoctifcfjcS ÖJcmätbe, beffen Sd)önl)cit blofj in einer golge »011 SScrnnberuiigcn
bcftcl)t, fann nur getanjt, nic^t gemalt merben. ©ie alte SKalerei fann hierin feinen
Sorjug nor ber neueren gehabt tjaben. Tcnn fobalb in biefer ,"s-oIge non Scränbcrungen 40
tein ir/id)tiger Slugeublicf 511 finben, ber ba3 SSorljerge^enbe unb golgenbe erraten läfjt, fo
ift baö Sujet an unb für fid) felbft unmalbar. (3Jlenbel§fotjn.)
4. (gntroeber (Stiemte Sficort (1632—1721) ober fein £obu Sernavb (1G73— 1733).
— IS ff ä'gl. -.'ibfdni. XV. — 27. Crbonnanj, 9lnorbnung.
^Materialien unö ©ntroürfe Juni i'aokoon. 195
lidjer äßorte, oiel a unb e, maö brüber ift, ift »om Übel. Bo aud) ber
iUalcr; erjagte nmo bu millft, erfülle rote bu nullit, gtefc it)m aber nur
©elegenljeit 31t reidjen SBerjterungen, ju gelehrten Verteilungen beö
©djattenS, 31t Äontraften, 311 SJerJürjungen ; gieb ir)m Gelegenheit nur
5 feine Äunft red)t 3U jeigen, unb je mel)r bu beine Äunft, al<3 poetifd)er
äßaler, fpareft, befto met)r roirft bu fein 3Rann fein. ')
XII.
gn biefem (^efdjinad'e , naefj biefen 3töfidjten l)at ©aoluä offenbar
feine @emälbe beö Römers gemattet. Sßas §omer felbft malet ift faft
10 immer übergangen; unb er uiäljlet btofe bie Slugenblitfe, in bie ber 9Jiater
bie meiften fidjt&aren ©egenftänbe jufammenBringen , über bie er bie
meifte medjanifdje Äunft oerbreiten fann; ob fie fdjon bei bem 2)id)ter
gerabe bie teereften, bie unmalerifdjften finb, in meldten er blof; 0efd)id)t=
fdjreiber ift, unb bergleidjen, mie gefagt, aud) bei bem elenbeften @e=
15 fd)icf)tfcf)reiber in ÜUtenge 311 finben.
Unb mie oiel Öeioalt tt)ut er öfters bem ©idjter an, bem SKaler
biefe 2tugenblide auäpfparen! ©nblid), menn er fie it)m nun auSgefparet
t)at, fo trifft e§ ftdj nidjt feiten, bafs bie, roeldie ben ferner niebt gelefen
()aben, au$ bem ©emälbe etroas fdjliefjen, ba§ ber Meinung beS 2)id;ter<3
20 fdjnurftratfS juroiber ift.
3- ©. SQöenn ein üor3üglid)er .v»etb im Getümmel ber ©d)lad)t in
(5>efar)r gerät, au§ ber tt)n feine anbere aI3 göttliche 9Jkd)t retten fann:
fo täjjt ber £>id)ter ibn oou ber fdjüfcenben ©ottfjeit in einen biden
Vlebti, tjsqi nolljj ober in 3iad;t wvxt »erfüllen, unb bauon führen.
25 80 SBenuä ^t\\ 5ßari§ lliad. y. 381; fo 9teptun ben gbäuä Iliad. s. 23;
fo Slpollo ben §eftor v. 444. 3" alte" biefen SteUen ift biefe§ @in =
füllen in Siebet unb 91a d)t nidjtö al3 eine poetifdje SlebenSart für uns
') liefen 5punft ju entfdjeiben, roollen wir un3 bie Sunft in ibrer Skrbinbuug cor«
(teilen. Sie 2Jhifif fann gerabeju mit ber ipoefie oerbunben werben, ja üjrer erften 93e=
30 fttmmung nad) foll fie eigentlich, nur ber ^oefie jur Unterftüfcung bienen. Jiaber miifs bie
.Hunft ber ÜJlufif niemals fo fefjr übertrieben roerben, baf; fie ber *poeftc jum 9iad)teil ge^
reiebe, unb mir tabeln bie neuere ÜJiufif mit 9ied)t, baf? il)re Äünfteleien fidtt mit feiner
lDobJtlingenben ^Soefie nertragen. Sie ÜKalerei aber fann mit ber ^oefie nid)t unmittelbar
uerbuuben roerben, rootjt aber oermittelft ber Sanjfunft, benn biefe oerbinbet bie ©d)Bn=
35 fjcit ber formen unb ber Slnorbnung mit ber ©cbönbeit ber Seroegungen unb ^anblungen.
^ebe ^-'oefie fann getankt roerben. ,"vinbet fid) nun in biefer golge Don ftteroegungen eine
Slnorbnung unb Stellung, bie einzeln genommen, fdjön unb bebeuteub ift, fo fann fie
gemalt roerben. 2llle 33eroegungen beä ^anbaruS fönnen nacb ber Slngabe beS Siebter^
getankt roerben; ba aber fein einiger ülugenblicf in ber ganjen Jolge einselu betraditet,
40 roidjtig unb bebeutenb genug ift; fo entbätt ber ganäe Sana feine malerifdje Situation.
®er ©ötterfdunauS muf; auch getanst roerben fönnen, unb er enthält ocrfdjiebene 2lugen=
bliefe, bie aud) einzeln betrad)tet, febön finb, aber feinen ber ba3 Siaunigfaltige be§ 3ecbend
unb 58eratfd)lageu>3 oerbinbet, benn biefe muffen in oerfebiebenen Slugenbliden auf einanber
folgen, bao Reifst, getanjt roerben. (3Jlenbel3fobn.)
1. ffia5 c in ber £bfdjr. ift unbeutlid) unb fönnte aud) ein o fein. — 7 ff. 33g(.
3lbfdjn. XU. — 41. Unter tanjen »erftcl)t 2Renbel§fofjn bier unb ionft bie mimifebe SDar=
ftellung, roie fie im Sallett unb ber Pantomime iiblid) ift.
13*
196 tladjlaf? jum ffaokoon.
fidjtbar madjen. 2(llein bicfen poetifdjen äTuäbratf vealifieren, unb auf
bem ©emälbe eine mir flicke Sßolfe anbringen, Ijinter metdjer nunmehr
ber .sMb, wie fyinter einer fpanifdjen SBanb, uor feinem geinbe verborgen
ftebet, ift miber bie 3Mnung beö Sicfiters, unb Reifst auö ben ©renjen
ber 9)ialerei tjerausfdjreiten, inbem biefe Sßolfe eine roaf)re opieroglnplje, 5
ein fmnboltfdjeS ^eidjeu ift, unb bem befreiten £elb nid)t unfidjtbar
maäjt, fonbern ben gufdjauern suruft, ifyr mit fit il)n eud) alg un =
fidjtbar norft eilen. Murj biefe Sßott'e ift l)ier ntd)t§ beffer al3 bie be=
fdjriebnen 3eiieW)en/ °ie ailf aIten gottfdjen ©emälben ben Jiguren au«5
bem 9)tunbe gefyen. Giteicfjroof)! bürften ftdf) bie 9Mer biefe Sßolfe fet)r 10
ungern nehmen [äffen, ©ie giebt 311 fo fäjönen Sieredjnungen be3 Sicrjtö
©elegenl)eit, 311 fo fefjr gelehrten 33eleuri)tungen ber um fie geftellten
Gruppen, fie fann mit ben angebradjten großen 9JJaffen uon ©Ratten fo
trefflid) fontraftieren. ')
@3 ift roaljr, Joomer läfjt ben 2td)i[le§, inbem it)m 2(poIl ben öeftor 15
entrüd't, nod) breimal nadj bem biefen 9iebel mit ber Sänge ftofsen tQtg
(V i]tQ(x rvtyh ßu&tiav (Iliad. v. 446); allein aud; bas fjeifjt in ber
©pradje beö 2)td)ter3 meiter nicötä, al§ bafi 2(dnlleß fo uuitenb geroefen,
baf$ er nod) breimal geflogen, er)e er e§ gemerft, bafc er feinen 5e"10
nid;t mel)r uor fid) fjabe. . 20
3tid)t§ ift malerifdjer al§ biefe Stelle bei bem Sttdjter; aber fie unvo
i'inbifd) unb miberfpredjenb in ber 2lu§füljrung bes Sftalers.
2lud) bei bem 3orne bes 2ld)tltes (Tabl. V. lliad. 1) rät Gatjluo
eine bergleidjen 9Bolfe an, um bie SDHneroa, meldte allein uon bem
2ld)illes gefefjen mürbe, uor ber übrigen Serfammlung unfid)tbar 311 25
machen. 2tber Ijeiftf biefes malen? Unb ift es erlaubt unter bie natür*
lidjen geidjen *>er ßunft ein fo nnllfuriidjes" 311 mifdjen, bas bem, meldjer
bas ©et)eimms nidjt bauon meif;, unb eö gleichfalls für ein natürliches
3eicb,en t)a(t, baö gan3e ©emalbe 3U einem Siätfel madjen ntufj? — 2lber
menn man nun bie Unfidjtbarfeit in ber Malerei nict)t anbers anbeuten 30
fann, als burd; eine SBolfe? — So füll man, rcas man nid;t ferjen foll,
and; nid)t malen. Unb menn, mie (5anlus felbft anführt, ein neuer frans
') 3Benn ootn IBrperlMÖen Set;en bie Siebe ift, tarnt bie SBolfe, wo id) nidjt irre, gor
n'ot)t ein nptttrlitt)e§ 3cicl,l-'u f°'n- -^er ^iAter Denoanbelt baS nietapt)t)fifd^e UnJMJtbar*
mad)en in eine ptjnfifdje ^anbtung. 3«. & fcfieint, al§ roenn bie Untergötter niemals 35
bie SDiadjt getjabt Ratten, förderliche jlinge, otjne pi)t)fifd;e 2Jtittel, unfidjtbar 8u madjen.
Sid) felbft hingegen tonnten fie gar rootjl biefem fid)tbar, jenem unftdjtbar madjen.
2)a^er läfjt ^omer bie Slineroa, wenn fie nur bem 2td)tEel allein erfdjeinen roilt, fid)
in feine fflolfe einhüllen. Sßäre biefe SBolfe ein 6Io| fnmbolifdje'j ^eidien, fo l;ätte ec
Öomer aud) bei biefev (üelegentjeit gebrandet. Safs ber Sialcr bie eingefüllte sJ>erfon bem 40
3ujd)auer jeigen muf;, tbut ju'r £ad)e ntd)t§. 2>er 3ul"*auei' befinbet fid) außer ber
©cene, unb man fann ilnn gar mot)l jetgeti , nw$ bie fpielenben Sperfonen nid)t feigen
f ollen; foiuie etroa bie ^erfonen auf ber S3iifme allein fein fönnett, ob fie gleid) uon einem
ganjen SJolfe non 3lltfl)auern beobachtet tuerben. Wur mufi ber itünftler bie SBolte fo an=
bringen, bafi eS begreiflief; wirb, rote bie eingehüllten Rorper auf ber ©cene unfidjtbar, 4;,
com 3ufcl)aui'1' oBer bennod) bemertt werben, (sDlenbel'3ioi)n.>
9. gottfeben für mittelalterltdjen.
^Materialien linö ©ntroürfe jum Caokoon. 197
jöfifd;er Äünftler in ber einseht Silbfäule be§ 2ld;it(eö, ben 3orn beä
gelben atä oon einer ©öttin gemäfjiget, ot;ne S8eif;Üfe ber fjftgur biefer
©Öttin auobrüdett fonnte; rcarum rät er nidjt lieber bem 3Jta£er aucb,
auö feiner Äompofition bie ©öttin ganj roegjulaffen? SBarum nid;t?
5 SEßeil bie ßompofitiott aläbann fo reid) nid;t fein mürbe. ®er SWater
mufs mefjr ihmft jeigen tonnen; wenn aud) fdjon ba§ ganje Sujet barüÖer
oerftümmelt nmrbe.
2)er ©mfafl überhaupt, au§ ben SBerien beS ftomerS eine sufammen»
f;aitgenbe ^folge oon ©etnälben machen 311 motten, war ber fettfamfte oon
10 ber ?ßett. ßantuö übertegte nidjt, bafj ber ©tdrter eine boppelte ©atturig
Bon 2Befen unb §anblungen bearbeitet; fidjtbare unb unfid;tbare. Siefeit
Unterfd;ieb fann bie Malerei nid;t angeben; bei tfjr ift alles fid;tbar unb
auf einerlei 2lrt ftdjtoar. ©§ muß aber notmenbtg bie äujjerfte 3Ser=
mirrung entfpringen, meint biefer Unterfdjieb aufgehoben roirb, burd; beffen
15 2tuf(;ebung jugletdj alle bie djarafteriftifdjen 3u9e »ertoren getjen, buref)
roekfje fid) jene l;öf;ere ©attung über bie niebrige ergebt.
2Benn ettbtid; bie ©ötier fetbft mit einanber t;aitbgemeiu werben,
(lliad. cp. v. 385 u. f.) fo geliet bei bem Stdjter biefer ganse Äampf
unfid;tbar oor, unb btefe Uitfid;tbarfeit erlaubt ber (Sinbilbuttgöfraft bie
20 Scene 31t erweitern, unb täfji il)r freteä Spiel, fiefj bie Sßerfonen ber
©ötter unb tf;re §anblung fo grojj, unb über ba3 gemeine 9Jlenfd;tid;e
fo meit ergaben 31t benfeit , als fie nur immer null. Sie Malerei aber
muf? eine fidjtbare Scene annehmen, bereu oerfdjiebne notroenbige Seite
ber SJlafjftab für bie borauf t)anbelnben Sßerfonen merbett; ein 9)htf$ftab
25 ben ba§ 2(ugc g(eid) barneben f)at, unb beffen Unproportion gegen bie
f;öf;ern Sßefen, biefe f;ö(;ere vIÖefen, bie bei bem ®id;ter grofj rcaren, auf
ber g-tädje be3 SünftlerS ungeheuer mad)t.
3- Q. 9Jiineroa fdjteubert einen großen Stein gegen ben 9)JarG:
röv q' ävÖQtg nQÖztQOt ftiactv tinitvcci ovqov ägovQTjg.
30 Um fid) bie ©röfje biefeS Steinet red)t 311 beuten, erinnere man fid;, bafs
Konter bie trojanifdjeit gelben nod; einmal fo ftarf madjt, a(3 bie
ftärfften aiJänner feiner 3eit (lliad. t. 303), unb bafj Sieftor mef)r als
einmal 311 oerftet)ett giebt, baf? bie gelben oor feiner $eit nod; ftärler
gemefeit, al§ fie. Unb ein SRann, nidjt ©in iOJann, Männer au§ biefer
35 3eit, rcaren e3, bie biefen Stein 3U einem @reti3fteine aufgertd;tet tiatten.
■ftun frage idj, meim 3R inert) a biefen Stein fdjleubert, oon meldjer Statur
ioll bie ©öttin fein? Soll ttjre Statur ber ©röfce biefeä Steint pro-
portioniert fein; fo fällt ba3 Sßunberbare roeg. (Sin Säftann ber breimal
gröfjer ift, al§ id), mu| natürlicher SBcife aud) einen breimal größeren
40 Stein fdjteubern tonnen, at§ id;. Soll aber bie Statur ber ©öttin ber
©röfje be§ Steinet nid;t angemeffen fein: fo entftefit eine anfdjaulidje
Unroaf)rfcfjeiitlid)teit in beut ©emälbe, bereit 2tnftöfngfeit burd; ben \vjxn-
boliidjen ScfjtuB, bafe eine ©öttin übcrtnenftt)Ka)e Störte f;aben muffe,
198 lladjlaß jum Caokoon.
ntdjt gehoben roitb. 3Bo tri) eine größere SBSirhing fet>e , rot 11 icf> and)
größere SBerfjeuge loa^rne^nten.
Äurj, roa§ bie materielle Äunft fjteruon malen rann, iotvb uielleicf>t
ein fdjöneä ©etnälbe werben tonnen, aber bod) nie ben ©etft be§ Std)ter3
fjaben; unb man ift fefjr gutljerjig, bemolmgeaditet bergleidjen ©emälbe 5
für liomerifdje ©emälbe gelten 511 laffen.
XIII.
Sie alten üöialer, finbe id), brauchten unb ftubierten ben £iomer
ganj anberö, al§ 6antit£> es unfern IKalern 51t tlutn anrät.
©ie brauchten tfjn; mdjt bafs fte bie ftanblungen aus ü)iu gemalet 10
fjätten, bie eine reiche 5tompofttion, uonügltdje M'ontrafte, t'üitftlidje SBe*
leudjtungen barbieten; fte mieten btofj feinett fyingerjeig auf befonbere
förperlidjc Schönheiten; biefe malten fte ; unb in biefen ©egenftänben,
füllten fie roof)f, mar e§ Unten altein uergünnet, mit beut Sinter roett=
eifern 51t mollen. 15
©0 malte 5. ß. 2(pelte§, nad) bem SßKniuS, libr. 35 sect. 36. Dianam
sacrificantium virginuui choro mixtam, quibus vicisse Honaeri
versus (Odyss. 'g. v. 102.) videtur, id ipsum describentis. — (2(n--
ftatt sacrificantium mujj man t)ter lefen saltantium, ober venantium
ober sylvis vagantium; beim Jöomer läfjt bie ©efpieliimen ber Siana 20
nidjt opfern, fonbem Serge unb SBälber mit itjr bttrdjftreifen , jagen,
fpielen unb fjüpfen.)
©0 malte 3*-'"i'i3 bie §etena, unb mar füljn genug, bie berühmten
geilen beo ftomers (Iliad. y. \. 15C. barunter 311 fefcen. (Valerius
Maximüs lib. III. cap. 7.) Safjt il)it aber and) i>a$ f)öd;fte fsbeal ber 25
roeiblidjen Sdjbittjeit gemalt fjabctt : fo ift e§ bod) geroiB, baft fein ©es
mälbe bie allgemeine SBirfung nid)t fann gehabt haben, bie man ber 33e»
fdjreibung beo 2)id)ter3 jugefteljen mufc.
2ll<3 sJctfoftratus> (Aelian. lib. 14. 47.) uoller ©rftaunen uor biefem
Silbe be3 3eu?i'3 ftctnb, ftanb neben ilmt ein anberer, ber gaivj falt 30
blieb, unb gar nidjt begreifen tonnte, umo beim 9iifoftratu§ eigentlich,
fo SBunberbareo barin entberfte. Sßann bu meine 21 11 gen hätteft! fagte
biefer. 2lber -KtroftratuS mar felbft ein SDlaler; unb ift beim bie <Sd)'ön-
fjeit nur für bie Äunftoermanbten? Sod) e3 lag nidjt an ber Äunft;
beim bie Üunft tann nid;t mehr tl)un, alS bie "Jcatur felbft, unb baS 35
fdjönfte ©efidjt in ber -Katut felbft, roirb nid)t aller 9)tenfd)en 33eifall
in einerlei ©rabe haben, yomorö Helena ift unb bleibet bie einzige, an
ber niemanb etroao auögufeben finbet, bie alle 3Jienfd)en gleich ftarf
entjüclet.
Unb rote bie alten Münftler ben .vunuer ftubieret, fäfd jtdj unter w
7ff. SSgl- älbfc^tt. xxil. — 29. JJifoftratuä, ihcIukHiv 3lifomad)u3, gviecfi. ÜJJaler,
um 400— 86U 0. Gf)i\
i^tatri tnltcn unb (L*ntii)ürfe 511m Caokoon. 19ü
onbern au$ bem (iroinpcl beS $f)ibia!j (evnen. Sie nährten fidj mit beut
©eifte be3 ©idjterö, fie füllten tljre @inbtlbung§ftaft mit feinen er=
tjabenften 3u9ett> t,ao a*-'"^* fetne§ Gntljufiaämuö entflammte ticn irrigen,
fie fafyen unb empfanben mie er, nnb fo mürben iljre 2Berfe 2lbbrüde
5 ber Ijomerifdjen , nid)t in bem SSerljaltniffe eines ?ßorträt§ 5U feinem
Originale, fonbem in bem SBer^ätthiffc etneS ©oljneä 51t feinem Sater;
ätjnltdj aber ocrfdjieben. Sie Slljnlidjfeit Hegt öfters nur in einem eitu
jigen 3uSe! ^ie übrigen alte Ijaben unter fidt) nid)t3 ÖteidjeS, als baf; fie
mit bem äfmüdjen 3uge> i" ")em röwn foroof)(, ttl§ in bem onbern, i)at-
10 monieren, SJSfjtbiai geftanb, baf? er burd) bie 3etten: (liiad. a. 528.
Yalerius Maximus, lib. 111. cap. 7.)
H »tat Y.vavtijaiv in' ocpQvGt vsvas Kqovlcov '
'JußQoaica. 8' cigct %ctizo:i littyQÖiGavxo avcc%roq,
ÄQcrbs icit' • a&avccTOio • fj,£yccv d' sltXi^ev "Olvaitov
15 bei Silbung feinet olumpifdjen Jupiters begeiftert roorben, unb baf} nur
burd) iEjre !öilfe er feinem Silbe ein @efid)t gegeben propemodum ex
ipso coelo petitura. Gaplus fagt non biefen 3e^en: cette grande
idee est impossible ä rendre en peinture; inais un artiste ne peut
l'avoir trop presente ä l'esprit; e'est un moyen de croitre son
20 ouvrage etc. Gr fd)ränft ben 9htfecn, ben fie bem Äünftler geteiftet,
unb nod) leiften tonnen, auf bie fmnpatljetifdje Grl)üf)img unfrer <5in=
bilbungSfraft ein. 3nbe§, glaube id), ift t)ier nod) etroaS ©pegTeffereä nt
fagen. 3iämu"d):
MlopftodS 3e^en: (®«ftcr ©efang 141^ reo er Sott fagen täfjt:
ü5 „ 3d) breite mein £au:pt burd; bie öimmel,
•Keinen 2(rm burd) bie Unenblid)teit am, unb fag': Qdj bin enrig!
Sag' unb fdnuöre bir, ©ol)n: §d) roill bie ©ünbe »ergeben !"
finb unftreitig ebenfo ergaben, als jene 3eilen be3 Homers, unb bem
fjödjjften SBefen geiüifj anftänbiger. ©leidjmoljl glaube id) fdperlid), baf$
30 fie auf einen ^ünftler einen grofjen Ginbrud mad)en werben, irjenigftens
feinen, ber ifm bei feiner Strbeit leiten unb unterftü^en tonnte. Unb
roarum nid)t? Sie finb au3 feinem malerifdjen ©efidjtöpunfte genommen;
eö ift nid)t ber geringfte 3"g barin, ben ber Waler ebenforooljl braudjen
tonnte, als ifjn ber 2)id)ter gebraucht fjat. Sergleidjen 3ltg «ber ift in
35 beö §omerä ©emälbe; unb ofme groetfel lernte ^>f)ibiaö suerft aus if)in,
bafj bie 2(ugenbraunen bcrjenige Seil be3 6Jefid)te3 finb, in roetdjem fid)
ber ftärffte 2(usbrutf ber 9.)iajeftät äußert. ') Ginteilung , meldte bie nady-
Ijerigen Äunftlefjrer uon bem menfdjlidjen Öefidjte gegeben fyaben.
') 2>er Unterfdiieb ift bter offenbar bicfer. dornet' bat ein nettes Silb, ein ausfuhr*
40 lidje'3 ©emälbe in (Sebanfen gehabt, alö er biefe 3eiten gebidjtet. 2Bie er aber (obne ben
©inbruct ju fcbroädjeiu nid)t alle einjetne^üge befcbreiben fonnte; fo roäljÜe er Diejenigen,
bie auf feinen ©egenftanb ba>3 erftabenfte i.'idit werfen. Ser ÜJialer tarnt, burd) biefe
39. nett, b. I). abgerunbet.
20O ilrtdjlaf; pim Caokoon.
fdjöpferifdic 3üge begeiftcrt, fid) bas nämliche nette imb potlftänbigc ©emälbe porflelten,
bas bem Siebter uor Slugen gefdjwebt, unb es nad) bem Sebürfniffe feiner fiunft aus=
führen, .ftlopftod fiat bei feiner Schreibung gar fein nettes ©emälbe cor Shigen gehabt,
©ie Seite bes Sitbcs, bie er nid)t betreibet, fmb fo vague, fo bunfet, bag fic gar nicfjt
Iiinsugebacbt werben fönnen. Unb fo pertjält es fid) faft mit allen Oftiltomfdjen unb fllop- 5
ftodifdjcn Malereien. SBaS fie nidjt febitbern, mug faft aUjcit in ber Ginbilbungsfraft bes
iiefers fo unbeftimmt bleiben, als es ber ©tdjter in feiner Sefdjreibung gelaffen, bafier
finb fie nidjt malerifd). SBeim aber ber fiefer in ben ©tanb gefegt worben, bas ©emälbe
in ber GinbilbungSfraft su noltenbcn, fo lägt es fid) aud) malen.
Sie fttgur beS Stopft, besieget fidj auf bie ©teile im 5. S. Mofe: 3d) tjebe meine 10
§anb in ben^immel unb fagc id) lebe ewiglid) ober fo wab,r id) ewiglid) lebe,
roettn id) mein ©diwert wetie k. ©as Slufbeben ber .'ijanb ift ein $eid)en bes Gtbes. Älopftods
3"fo4 will mir nidjt fonberlid) gefallen. Gr fdjeinet bie gbee etwas giganteSfe ju madjen.
$dj breite mein £>aupt burdj bie gimme'L 2Bir muffen biefeS Söilb ja nidjt näijer
betrachten, fonft oerliert es feinen 2Bert. Gin §aupt, bas burd) bie Fimmel ausgebreitet 15
werben fann, ift fein^aupt, unb woju wirb es" ausgebreitet? Sßas fjat biefes 3eidjen ju
bebeuten? — aber wer wirb fo scrgliebern? gut! id) jergtiebere nidjts, unb fage bie
©teile ift ergaben. Sergtcidjen ©ie mir nur nidjt biefe witbe unb unbeftimmte Qbee, mit
ber wotjlgebadjten, unb ber gefunben Seruunft gemägen Jjbee bes Römers, ©ie jagen
jene Sorfteltung ift ber SRajeftät ©ottes angemeffener. GS fann fein. Sielleidjt beSroegen, 20
weil fic alles .ftörperlidje fogleid) burd; einen SBiberfprud) auftjebt, unb gleidjfam oer=
fdjroiuben lägt, ©in öaupt, bas burd» bie £immel; ein 2lrm, ber burd) bie llnenblidjfeit
gefjet. ©innlid)er tonnte ber ©idjtcr bas ungereimte Sing, eine unenblicfje ^igur, nidjt
befd)reiben, als wenn er bie Merfmatc fetbft fid; cinanber wiberfpreajen lägt. SBollen
wir aber biefe Segriffc malerifdj nennen? £adjcn ©ie nidjt, idj finbe tjier nidjts, als 2o
eine 2lntitf)cfe, fo roie lucnn Soung pom Mcnfdjcn fagt, ©in SBurm, ein ©Ott u. f. id.,
ober wie 9ßope ben ©tier befdjreibet, ber tjier mit ©taub unb ©djmeig Bcbecft, mübfam
^-urdjen steEjt , unb bort mit Slumen befranst, Sötfer por fid; fnieen lägt. ültleS biefes
finb 2lntitf)efen, unb 2lntitfjefen fönnen nidjt malerifd) fein.
^dj berufe mid) abermals auf bie Satufunft. ©ie Sefdjreibung beS Römers fann 30
getanst werben, ©ie Miene, bie ber majeftätifefie ©altator annimmt, inbem er ber fdjönen
Xfjetis baö göttlidjc 3eid)en giebt, muf, malerifd) fein, unb fann burd) ba§ Qbeal ertjötjet,
bas erliabcnfte SSilb werben, bas bie fiunft f)crporgcbrad)t. 2lber bie löefd)reibung bes
.Klopft, muf; pom ©eflamator notroenbig gclefcn werben, wie eine Sentenj, bas fjeifjt, fie
lägt fid) fo wenig tansen, als malen. 35
Saffen ©ie mid) liier eine 9iefler.ion tjerfe^en, bie pielleidjt nirgenb anbers 33lafc
fiubcn wirb, ©ie orientalifdje Sßoefic unterfdieibet fid) porncbmlid), wo id) nid)t irre,
burd) folgenbe .Rennseidien, 1) fie ift unregclmägig im ganzen, unb 2) fiifin aber un=
malerifd) in ber SluSbilbung. Gine ätjnlidie a-tcfdjaffenljeit bat es mit ben SBerfen aller
grogen ©eifter, bie in ungebilbeten unb mufenlofen ^ei'cn gelebt, gä) ftelle mirpor, bog 40
bie 9tegelmägigfeit unb ©ä)bnljeit beS ©an^en Qbeen finb, auf meld)e man in ber ^oefie
nid)t geraten fann, wenn wir fie nidjt pon ber Malerei unb SBilbtjauerfunft entlelmen,
unb auf bie ©iditfunft anwenben; benn ba bie S3cgriffc in ber ©idjtfunft auf einanber
folgen; fo feljen wir fo leidjt bie SJotwcubigfeit nidjt ein, biefe mannigfaltigen Seile su*
fammen als ein fdiönes ©anje ju betradjtcn, unb in ibrer S3erbinbung ju überfeljen. Jgin= 45
gegen ift bei ber üJialerei unb Siilbfiauerfuuft, bie bie Segriffe sufammen als ein ©anjes
barftellen, bas ©anje aud) immer baS erfte, worauf wir feben. Slllbier baben alfo bie
Siegeln oon ber ©d)önf)eit bes ©anjen gar lcid)t erfunben unb fiernad) per prinoipium
icihutidiiis auf Spocfie unb S3crebfamfeit angewanbt werben fönnen. Gs folget hieraus,
bag 33ölfer unb 3eitcn/ 6(;' lln*> '« ipcld)cn bie Malerei unb 23ilbbauerfunft nidjt in 2luf= 50
nabme ift, aud) in ber ^poefie unb Söcrcbfamfcit pon ber ©d)önb,eit bes ©anjen fefir
fd)wad)c Segriffe tjaben muffen, ©ie Hebräer tonnten, permöge iljrer Sieligion, weber
Malerei nod) Silbfjauerfunft l)abcn. 9lud) Ijaben ibre ^oeteu unb Siebner feine richtigen
Segriffe pon s^lau, Slnorbnung, Scrteiluug bes 2id)tS unb ©djattens, u. f. ro., aber bie
©ried)en — . 55
Gine äl)nlid)c Scfdjaffeufieit bat es mit bem Malerifdjcn in ber SluSfiiljrung. SBer an
feine Serbinbung ber flünfte benft, unb bie *noefic ganj allein per 2lugen fiat, wirb in
einer ©cbilberung Qüqc percinigen, bie fid) cinanber fcljr frembe finb. Gr wirb ben Sßfeit
trunfen pon Stute fein laffen, er wirb bas Sdjwcrt ©otteS anreben, fefire in bie ©d)eibe
suriief! rafte allba! Gr wirb baburd) fiil)n, aber uumalerifd) werben, ©eine ©eele t>at bie GO
sf. Sgl. 3iad)l. A 4, 2. 2tbfd)n., XI. — 10. 5. S. Mof e, Aap. 32, 40 f. — 20. 2Joung,
Siadjtgebanfeit I, 80. — 27. Sopc, Essay on Man, 1 Sricf, 2lbfd)ti. 2. — 31. ©al»
lator, länscr, Pantomime; es ift ^eus gemeint. — 55. Sgl. Siadit. A 4, 2. 2lbfcbn., XIII.
— 58 ff. 5. Mof. 32, I:'.
^Materialien unö ffintiiutrfc jum ffaokoon. 201
rtertigfeit uid)t, ifjre @rbid)tungen fid) in netten unb aii§füljrlid;en Silbern oorgufteücii,
benn biefe gertigfeit erlangt man nur buref) bie Sefanntfdjaft mit ben SDleifterftütfen ber
Silbljauerfunft unb sD!alerei, reo jebe @rbiditung von allen Seiten beftimmt fein muß.
2J!id) bünft, bie neuern Sid)ter baben baS Küljne unb Unbeftimmte in ibren ©rbidjtungen
5 non ben Drientaliern entlehnt. Unfere Sänger, Silbfjauer unb Sid)tcr beljanbeln oer=
fdjiebcne ©ujetä. (53 ift fein Setteifer unter ihnen, bie nämliche öaubluug burd) ner=
fd)iebene 3JUttel nad)äuab,men. Saher bie Münftc fid) einanber fein Sicht mitteilen. (Snblid)
Dcrlieren fid) unfere Siebter ganj unb gar in ba3 Unfidjtbare, in baS Dteid) ber ©pefu=
lation, rootnn ifjuen feine anbere Kunft folgen fann, roo nur ©d)attenbilbcr oor unfern
10 Slugcu feberjen unb Derfcfjroinben , beoor mir ihre wahre ©eftalt erfenneu, roo mir uns
alfo begnügen muffen nur einige 3»8e 5" berühren, unb alle3 übrige roie in einen SÜtber
jerfliefjen, unb unfenntbar roerben ju laffen. — SBoIIen roir eine fold;e s}ioefie malerifd)
nennen ?
15 Einem jeben reblid)en Singe fömmt eine breifadje gorm ju. ©ine in bem ©eifte be3
Künftlers, ber e§ lieroorbringen roill, bie jroote in ber Statur ber Singe, alli»o fie mit
ber -üiaterie oerbunben ift, unb bie lefcte in bem ©eifte be§ 83etrad)tenben. — Sie erfte
gorm ift alljeit bie »ollfommenfte, unb fie macht ba3 2>beat be§ Äünftterä, ober ba3 fub=
jeftiue ^beal au3.
20 Sa3 objeftioe Sbeal ift ba>3 Maximum ber Schönheit. Sie SJatur bat e§ im gaiijen
SBeltaü erreidiet unb eben be§roegen in allen iljrcn Seilen nicht erreichen fönnen. 2Iud)
war bie © d) ö n b e i t nicht ihre £iauptabfid)t, unb fie bat febr oft ber Sollt ommentjeit, ober
bem ©uten unb Diütjlicben roeidjen muffen.
Seö KünftlerS 2lbfid)t gebt blofj auf bie ©d)önf)eit, unb jroar nicht roeiter als auf bie
25 Schönheit eines ifolierten Seils. Saber mufs er bem Sjbeal näher fommen al§ felbft bie
9!atur. (Sr mufj s- @- bie 3'igur einer jugenblidjen ^Jerfort fo barftellen, roie fie oon ber
Jcatur beriiorgebracbt roorben roäre, roenn bie Sdjönbett biejer einjelnen Serfon ihre
.■gauptabfidit geroefen roäre.
ige jufammcngefefcter eine Sd)önt)eit ift, befto weniger fann jebe? non ifjren Seilen
30 bao ijbeal erreichen, ba§ tfjnen sufommen roürbc, wenn fie ifoliert roären. (Sine einjige
Sinie erretd)te ba3 gbeal, roenn fie bie SBinbung ber SBellenlinie bat; in jufammen=
gefegten Figuren hingegen mufj bie Stnorbnung beä ©anjen eine foldje Sßellenlinie au3=
inadien, aber jebe einzelne Sinie entroeber mcf)r, ober roeniger gcrounben fein. Sa§
^beal fömmt, roie bie ©djönljeit überhaupt, »orsüglitfi nur ben formen fbrperlidjer Singe
35 ju, transscendentaliter hingegen Ijaben aud) ©ebanfen, garben, Söne, Söeroegung unb
jeber Slu3brucf innerlicher ©mpfinbungen itjre Scfjönljeit, unb folglid; tt;r Sbeal.
II.
@$ fömmt in ben fdjßnen fünften nidjt roenig barauf an, ob bie legte gorm foldje
Silber finb, bie leid)t in ba3 ©ebäd)tni? ä'H'i'dfommen. Sie ^stjantaSmata fdjeinen in
40 folgenber Orbnung an Scutlid)feit abjunebmen. 1) Umriffe ber Figuren unb Äörper,
ober überhaupt förperlidje formen. 2> ©ebanfen. 3) Seroegung. 4) garbe. 5) ©djall.
6) Energie unferer inneren Gräfte (©djmerj, SBolluft, Segierbe, Seibenfdmft u. f. ro.)-
7) finnlidieS ©efüb,l. 8) ©erud). ü) ©efdjmacf.
Sie ©djönljeit fömmt, ber erften unb urfprünglidjen Sebeutung nad), nur ben förper*
45 lieben formen ju. Sa bie Seroegung ber Körper burd) Sinien gefd)iel)et; fo mar e§
natürlidi, aud) ber Seroegung ©d;ön^eit jusufdireiben. 3J!an läfjt inbeffen aud) ben @e-
bauten, ben garben unb enblid) aua) bem Sdjalle, roenn er einen Son angiebt, ©d)ön=
f)eit jufommen. hingegen ift bie ©d)önf)eit be§ Sonc§ fdjon etroaä Ungcroölnüidieö. 33on
ber Energie unferer inneren Kräfte fagen roir nur, bafs fie moralifd) fdiön ober f)äfelid)
50 finb; 7. 8. 9. aber fönnen angenefim unb roibrig [7 fanft unb rauf), 8. 9. aber angenehm
unb roibrig] , aber nidjt fd)ön unb bäfelidj fein. ü)Ht bem Sieije ift man fo oerfd)roenberifd)
nidit geroefen. SRcuenb ift nur bie ©djönfjeit ber gorm in S3eroegung, benn biefe
erregt in un§ baS SBerlangen fie roieberfjolt ;u feben, reist un§ jur 2lufmerffamfeit. 63
giebt aud) einen finnlicfjenSteij, ber nid)t aus ber ©d)önbeit entfpringt, unb biefer
55 fömmt fogar bem Öefd)ma(f ;u.
III.
Sie ©djönljcit, in foroeit fie tranofcenbcntal ift, f)Qt allgemeine Flegeln, in roeldien
gorm, ©ebanfen, 33eroegung, Söne unb Jarben übereinfommen. Siefe finb SDiannigf.,
15. reblid), b. f). vernünftig, roirflid). — 39. '•pljantaämata, erid)einungen, S8or=
ftellungen, ©inneaeinbrüde. — 53 ff. Sgl. Ülbfdin. XXL
202 Miirijla|j juin Caokoon.
Ginhcit, 2Bo()lgeretmtl)eit, Drbnuug, 9leu6,eit, ficbtiaftigfeit u. f. m. 3>iefe affgemeinen
Kegeln (äffen fid) auf alle febüuen flünfte unb SB. antoenben, unb fönuen aus einer in bie
anbete übertragen werben.
hingegen finb fte unterfdjieben l) »ermittelft ber begegneten Sad)en, 2) ncrmittelft
bor 3eidjen. Sie Bejeidjneten Sadiett finb entroeber formen, bie Icidit in§ ©ebäditni* 5
jurücßommen, al§ ©ebanfe, gfigur unb SBemegung, ober nid)t leiebt, al§ Jarbc unb gc^nll,
fte finb entroeber sugteid)feienb ober aufeinanberfolgenb. Sie 3eid)en finb natürlid) ober
nriüfürlid) sugleidjjeienb ober aufeinanberfolgenb, täufebenb (inbem fie uns ben Sd)ein als
eine SBirtlidtfeit Dorfteffen) ober nidjt täufdienb, brüden aud) iganblungen, dienen unb
©ebärben, ober nur ©mpfinbuiigen aus, unb biefe (Smpfinbungen finb entroeber Steigungen 10
unb ^eibenfdiaften, ober blofj ftnnlidje SSorftellungen, enblid) finb bie 3eid;en aud; meljr
ober roeniger lebhaft.
Sie ©itfjtfunft Bebtenet fid) aufeinanberfolgenber 3«id)en, ba fte aber roillfürtid) unb
mit ©ebanlen perbunben finb, fo fommen ihre formen leidjt in bas ©ebädjtniS jurttcf,
unb fic perbinbet alle gute ßigeitfdjaften bes Schönen. Sie fann torperiidje formen unb 15
SBeroegung auSbrüden, ift ber Sjffufton fähig, brüdt Jöanblungen, Mienen, ©ebärben unb
alle ätrten pou Empf. aus. Sie Sebtjaftigfeit ber ©inbrüde erhält fte burd) SJtuftl unb
Sansfunft.
Sie ÜRalerei bat förperl. fjormen unb einen geroiffen Slnfcbein ber SBeroegung ju
ihrem ©egenftanbe. 3§re Seidjen finb jugleidifeieub, natürlid), täufdienb, brüden au* 20
Jganblungen, SBHenen unb ©ebärben unb oermittelft biefer Seibenfdjaften auZ.
Sie SBauftmfi bat nur torperiidje gformen sunt ©egeuftanbe. Sie 3ei*en fino natür»
tief) , sugleidjfeienb, nicht täufebenb, brüden nur finnlidje SBegriffe, ohne Neigung unb
Gmpfinbung aus.
Mufif. Ser ©egenftanb ift norüBergefjenb unb läfet feine beutlidje snfjantasmata surüd. 25
Sie 3eid)en finb natürlid), aufeinanber folgenb, feiner SEäufdjung fällig , tonnen aber bie
Sffufton ber Sidjtfitnft unb Xanjtunfi, burd) bie pcrmcfjrte Sebbaftigfcit ber (impf, unter»
ftütien ; brüden roeber Jöanblungen, nod) Mienen unb ©ebärben, fonbern blofs ßinpfinbungen,
unb jroar foroobl finnlidje Segriffe, als Steigungen unb Seibenfd)aften aus, befifcen ben
I)öd)ften ©rab ber Sebbaftigfeit. 30
Tic Kanjlunft bat bie gormen in SBeroegung sunt ©egenftatrbe. gbre 3ci$en f'nD
natürlid), äugteidjfetenb unb aufeinanberfolgenb, rote ibr ©egenftanb, fönuen täufdjen,
brüden .fianblungen, SDlienen, ©ebärben unb oermittelft biefer Neigungen unb Seiben*
fdmfteu aus. Sa ifjre formen aber porübergel)enb unb iljre 3eid>en natürlid) finb; fo .
läjjt fie feine fo beutltdien SpijantaStnata surüd, als Malerei unb Sid)tfunft, ftel)et aud) 3.">
an S'ebbaftigfeit ber Cfmpfinbung ber üJhtfit riaeö unb bebiettet fid) iljrer ßilfe.
Sie garbenfuuft fömmt mit ber Mufif übereilt, nur baf? ihr ©egenftanb fortbaucrub
ift, unb fie feine ©mpfiubungen, fonbern nur finnlid)e SBegriffe erregen. Ob fte gleid;
felbft nidjt täufdjen; fo unterftüfcen fie bie SUufiou ber Malerei.
Sie SBilbbauerfuuft bat nüt ber SRalerei nieles gemein, nur mufs fte ofjne §ilfe ber 40
garten täuföjen unb ben gertngften Sdieiu non »-Bewegung nermeiben
(Menbelsfo()iu
Wad) bem, roa3 nur in unfern utünblidjen Unterrebungen ausgemacht
fyabeu, »erbeffere icf) hteine Einteilung bei (Megenftänbe ber poetifd;en unb 4.-.
ber eigentlichen 3KaIerei folgenbergeftatt.
S5ie Malerei jcfjifbert Äörper, unb anbeutungSroeife buref; Körper,
SBeroegungen.
5)ie ^ßoei'te yd)ilberi Seroegungen, unb anbeutungötoeife burd) viV=
roegungen, Körper. 50
37. Sie garbenfunft ift nidjt Malerei (bie fdjoit porber erroäbnt ift), fonbern bie
Aiuiift, buvai paffenbe Sufammenfteffung oon Jarben angenebme einbrüde ju erzielen,
.uaut reebnet fie mit Saulunft, 45ilbl)auertitnft unb fDlalerei j»r bilbenben Runft. SSgl.
aud) Berber, ftrit. aiUiibdiett 1, *04. — 43 ff. «gl. -liad)l. F. 7, XL111. — 41. Unter»
rcbitugeit, SeffingS mit OTcnbelSfobn unb UHcoIai.
^Materialien nnb ©ittnnirfe juin ffaokoon. 203
©ine 9teif;e oon Söeroegungen, bie auf einen ©nbjroetf abseien, l;eifjet
eine ftanblung.
3>tefe SWeitje oon Scroegungen, ift entroeber in eben bemfelben Äörper,
ober in Betriebene .Hürper »erteilet. 3ft f'e in eoe" bemfelben Körper,
5 fo rotU ict) e§ eine einfache .v>anblung nennen; unb eine !o lieft tue
^anbtung, roenn fie in mehrere Körper »erteilet ift.
S)a eine 9ietf;e von ^Bewegungen in eben bemfelben .Hörper fief» in
ber $eit ereignen mufs; fo ift e§ ftar, bafj bie Malerei auf bie einfachen
Staublungen gar feinen 2lnfprud; machen fann. Sie tierbleiben ber
10 'ipoefie einsig unb allein.
S)a fjingegen bie tierfdjtebenen Äörper, in meiere bie 9teil;e uon 33e=
roegungen nerteilet ift, neben einanber in bem Staunte ejiftieren muffen;
ber Staunt aber bas eigentliche ©ebiete ber Malerei ift; fo gehören bie
f olleftiuett Staublungen notroenbig "$u il)reit SSorroürfen.
15 2lber roerben biefe follefttnen S> anbiungen, be^megen rceil fie
in bem Staunte erfolgen, au§ ben SBorroürfen ber poetifdjen Malerei
auiBjufdjüefjen fein?
Stein. S)enn obfd)on biefe tollet tinen Staublungen im Staunte ge=
fdr)et)en ; fo erfolget bod; bie äßirfung auf ben ßufdjauer in ber 3e^-
■20 S>a3 ift; ba ber Staunt, ben mir auf einmal 31t überfeinen fällig finb,
feine ©djranfen bat; ba mir unter mannigfaltigen Seilen neben einanber
unö nur ber roenigften auf einmal lebfjaft beimißt fein tonnen: fo roirb
3eit basu erforbert, biefen größeren Staunt burdjjugefjen unb un§ biefer
reicheren SJtannigfaltigfeit nad; unb nad; bemüht 3U roerben.
25 $olglid; fann ber Snd)ter ebenforool;! ba§ nad; unb nad) be =
fdjreiben, roa£> id) bei bem SJtaler nur nad; unb nad; fefien fann;
fobafj bie folleftineu Staublungen bas eigentliche gemeinfd)aftlid;e ©e=
biete ber Malerei unb ^oefie finb.
©ie finb, fage id), if;r gemeinfd;aftlid;es ©ebiete, bao fie aber ntd;t
30 auf einerlei 2lrt bebauen fönnen.
©efefct axid), baf; bie 23etrad;tung ber einjeln Seile in ber 'poefie
ebenfo gefdmünb gefd;el;en fönnte, al§ in ber Malerei: fo fällt bod; if;re
Serbinbung in jener roeit f dunerer al3 in biefer, unb ba§ ©anje fann
folglid) in ber Sßoefte nott ber SSHrfung nict)t fein, als e3 in ber SJtaleret ift.
3.'. 2l>ao fie bal;er am ©anjen verlieret, mufs fie an ben Seilen 3x1
gemimten fud)en, unb nid)t leid;t eine folleftioe Srmnblung fd;ilbern, in
ber nid)t jeber Seil für ftd; betradjtet fd;ön ift.
Snefe Stegel braud;t bie SJtalerei nid;t. Sonbern ba bei il;r bie 3>er=
binbung ber erft einjeln betrad;teten Seile fo gefdjroinb gefd)el;en fann,
40 baf? mir roirflid) baS ©anje auf einmal 311 überfeinen glauben: fo mufj
fie nielme(;r fid; ef;er in ben Seiten aB in bem ©ansen üemad)läffigeu;
unb e3 ift il)r ebenfo erlaubt als juträgud), unter biefe Seile and) ntinber
fd)öne unb gleid;gültige Seile 311 mengen, fobalb fie 31t ber SBtrfung bes
0anjen etroa§ beitragen fönnen.
2 04 tladjlnf! nun Cnokoon.
Tide boppctte SRegel, nämlid), baß ber 9JJater bei ißorftellung fol«
leftiner öanblungen meJjr auf bxc ecfiöntjeit beö ©anjen; ber Sinter
hingegen mef)r barauf fefjen mu^, baß fo üiel mögtidf) jeber einjelne
Teil jcbön fei, [priest ba3 Urteil über eine 9)ienge ©emölbe be§ Äünftlerö
nnb beei ©idjterS, unb fann beibe in ber 2Öaf)l tfjrer SSorroürfe fidjer 5
leiten.
3- ©. 2lngelo fjätte ifjr jufolge fein jüngfteö ©eridjt malen foUen.
■JUdji 311 gebenfett, ttnemel biejeö Öemälbe, burd) bie »etjüngten ©intens
fionen t>on ber «Seite beö ©r^eßenen nerlieren mufe; ba ba3 allergrößte
bod) nod) immer ein jüngfteS ©eridjt en mignature ift: fo ift e3 gar io
feiner fdjönen 2lnorbnung fäf)ig, bie auf einmal tnä 2lttge fallen fönnte;
nnb bie attäuntelen gfiguien, fo gelehrt unb funftretdj audj eine jebe für
fid) felbft ift, oerrairren, unb ermüben baS 2(uge.
©er fterbenbe 2tbont3 ift bei bemSion ein oortreff Ud)e3 ©emiilbe.
Sflffein id) jmeifle, baß e$ einer fdjönen 2lnorbnung unter ber £anb be§ 15
SUJalerä fär)ig ift, loenn er, id) null nicht fagen alle, fonbern nur bie
meiften 3üge "3eg ©tdjterö beibehalten null, ©ie um ifju fjeulenben
,'öunbe, ein fo rüljrenber $ug bei bem ©idjter, mürben unter ben Siebet ■
göttern unb 9iinnpben, bünft mid), einen fdjfedjten (Sffett tfnm.
4. 20
Grfter 2lbfd)nttt.
I.
Saofoon: 3ßiberlegung ber SGBtnfelmannifd^en 2lnnterfung. 3£af)re
llrjadje, auS bem ©efefce ber ©djöntjeit. SöemeiS, baß bie ©cfiönijeii ba§
l)öd)fte ©efefc ber alten Ännft geroefen. 25
IL
3n>eite ilrfadje; aus ber SSerwanblung beS Tranfitorifdjen, in ba3
SBeftänbige. ©er äußerfte 2lugcnblitf ift ber unfrudjtbarfte.
III.
©ie ©tatue mirb mit bem ©emälbe be3 ©idjter§ weiter nerglidjen. so
äBoritt unb marum raeiter beibe t)on einanber abgeben.
IV.
SBeiber Übcreinftimmung. iöabrfdjeinltdje SBernuttung au§ biefer
Ubereinftimntnng, baß ber eine ben anbeten uor 2lugen gehabt, ©ie
8 ff. SDicfer (Sinroanb ift tücDt Berechtigt; bafj l'elbft ein 3Jliniaturgetnälbe ben Giubnict
beä erhobenen ^eroorjurufen imftanbe ift, jeigt KofaeB SSifion beä ©jecöiel. — 11 f. SMefev
Sorroiirf ift richtiger, obgleid) gegenüber ber granbiofen einbeinigen fionvpofition be§ ©an.ien
nid)t fdtroer ln8 ©creidit falienb. — 14. »ion, Reliqu. 1. — 23 ff. SSgl. Slbfcbn. If. unb
Junhl. A 2, 2lbfdm. XI. — 27 f. ä3g[. Olbfdjn. III. — 30 f. Sgl. «bfdm. V f. — 33 ff. Sgl. ebb.
^Materialien unb {Entwürfe {um ffaokoon. 205
©rtedjen erjagen btefe Gegebenheit ganj anbero; morauö n>af)vfcf;etnlid)
rairb, bafj ber Äünftler ben 33irgit nadjgealjmet.
V.
©in ©pence bürfte fdjroerlid) meiner Meinung fein, ©ein feltfameö
5 ©nftem, bei meldjem alleä Sßerbienft beö 2:id)ter3 üertoren geljt. SBeroetfe,
tote wenig er uon beut befonberen Öebiete ber Malerei unb 5)id)tfunft
uerftanben, l. an ber nn'ttenben SSemtS, '2. an ben attegorifdjen SBefen.
VI.
©in ©anlu§ l)at ben 3)td)tern mel)r ©eredjtigfeit miberfaljren laffen.
io Gr Befennt e3, baf? bie Hünftler ben Siebtem oiel ju banfen fyaben, unb
nod) mefyr 311 banfen l)aben Fönnen. ©eine ©emätbe beö §omet§. ©in*
rourf mtber bie pfatnmentycmgenbe gotge berfelben, au3 ben unftdjtbaren
©cenen be3 35id)ter§.
VII.
15 3JUf$betttung , roeldjer bie Sfangorbnung unterroorfen, bie (£ai}(uö
unter ben 2)id)tem nad) ber SKcnge iljrer ©emälbe mad)en null. @r fmt
nid)t unterfdjieben , ma§ bei bem S)id)ter ein ©emälbe, unb ma§ für ben
9)Mer brauchbar ift. ©r nimmt nur immer biefeö; unb jeneö bleibt
immer raeg, momad) bie 3iangorbmmg bod) nur einsig gefd)el)en müfjte.
20 33eroeife auS bem inerten Söudje ber ^liabe-
VIII.
Urfadje, marum ba§ ©emälbe beo 3)id>ter§ nur feiten ein ©emälbe
be3 DJtalerä roerben fann. Wiener malet fortfdjreitenbe £anblungen, unb
biefer für ftd) befteljenbe SBefen. G^empel, rcie Corner btefe 2öefen in
25 Jöanblungen 31t uerroanbeln meifj.
IX.
SBeantroortung ber Ginroürfe miber baö fwmertfdje ©djilb, am
biefem ©efidjtöpunfte. Ser 2>td)ter malet baS au3, roa§ ber Äünftler
intenbieret fjat, unb läfjt fid) md)t in bie ©d)ran!en ber materiellen Slunft
30 einfdfjliejjen.
groeiter 3lbfd)nitt.
I.
SBinfetmanns ©efd)td)te ber Äunft ift inbe§ erfdnenen. SoB ber=
felben. 2Bte er baö 2llter be3 Saofoon angegeben. Gr f)at nid)t ben
35 geringften f)iftorifd)en ©rnnb für fid); er urteilet blofj au3 ber .Hitnü.
SßttniuS fd)einet ha, mo er beS Saoloon gebeult, uon lauter neuern
Hünfttern ju reben. Sßiberlegung ber äRaffeifdjen Meinung, bie SBtnfek
mann nid)t ganj 51t fdjanben mad)en motten; unb marum.
4 ff. Sägt Sttfön. VII f. unb X. — 9 ff. Sgl. Slbfcbji. XI (unb VII;. — 15 ff. Sgl.
Stbfdm. XIII— XV. — 22 ff. »gl. 2(bfd;n. XV f. — 27 ff. Sgl. 2lbfdm. XIX. — 33 ff. S?gt.
Slbfdiu. XXVI.
l20G It ad) Infi nun Cachoon.
II.
Seroeiä aus bem Protei unb inoujat, bafj ber Saofoon fein fo a(tc§
SBerl ift. UmftänbKd^e ©rflärung btefer ©teile be$ Sßliniug.
III.
"sft er inbeä niclit aus bor $tit, in ioeIct)c ilin SBinfelmann fe|t; 5
10 oerbient ev e<5 bod) barauö 511 fein, nnb ba§ ift genug für eine Alunffc
gefdndjte, bie unfern Öefdjmacf Iniben foll. Übrigens r)at fid) SBinfeU
mann wegen ber 9Juf)e beS Saofoon näljer erflärt, unb er ift meiner
■Dteinung, bafj bie ©djönfjeit biefe 9tuf>e »eranlafjt fjäbe.
IV. 10
©ein 2lusfprud;, bafs bie neuern Stdjter jenfeit ber 2(tpen mefjr
Silber baben, nnb weniger Silber geben. Mommentar über biefe Sßorte
ju roünfdjen. 3Bof)er ber Unterfdjieb ber poetifdjen nnb materiellen
Silber entfpringe. 2luö ber Sßerfct}iebenr)eit ber 3eidjen, bereit fid) bie
■äRalerjei nnb Sßoefie bebienen. Qene im Raunte nnb natürlidj; biefe in 15
ber 3eit nnb ttnUfürttd).
V.
!yn bem 9iaume nnb in ber ßeit. g-olglid) jene Körper, unb biefe
Seraegungen. 2>ene Seroegungen anbeutung^roeife burd) .Hörper. Siefe
Äörper anbeutungöroeife burd) Seroegungen. 2tuöbrüd'lid)e ©djtlberungen 20
non Körpern finb baf)er ber ^oefie nerfagt. Unb mann fie e3 tl)ut, fo
tfjut fie e§ nicfjt als nadjafnnenbe Ännft, fonbern al3 9Jtittel ber ©rflärung.
00 roie bie ÜDMerei nidjt nadjafnnenbe Äunft, fonbern ein btofceö SRittel
ber Grflärung ift, mann fie uerfdjiebne geiien auf einem 9taume uor=
ftellet. 25
VI.
©djönljeit inSbefonbere ift fein Vorwurf ber Sßoefie, fonbern ber
eigentliche aller bilbenben fünfte. §omer f)at bie Helena nid)t gefdnlbert.
316er bie alten 3)Jaler fjaben fid) jeben feiner gfingerjeige anf bie <&d)'6n:
t)eit iu nufce gemacht. £)eS 3euE^ §e^na- 30
VII.
S8on ber igäfjlidjJeit. SSerteibigung beS 23jerfite§; in einem ©ebidjte.
Sermerfung beSfelben in ber SJZalerei. (5ap(u§ fjatte red)t il)n au^utaffen ;
la Dtotte ntdjt. (Sinfüfnmng beä 2f)erfiteä in bie (Spigoniabe. UlireuS
mar nidjt ber Sdjönfte unter ben Öriedjen. Satjer ift (SlarfS 2(nmerfung 35
falfd;, in ben ^Briefen ber Sitteratur.
NB. Som ©fei. Sie SiScorbia beim Detroit.
2 f. Sgl. Stefan. XXVI l. — 5 ff. Sgl; 3ta#I. A 5, 8. H&fön. — 1 1 ff. Sgl. Il&ft&n. XVI f.
— is ff. Sgl. Sl&fc&it. XVI u. XV11J. — 27 ff. Sgl. Slbfcfin. XX u. XXII. — 32 ff. Sgl.
Slbfdvn. XXTIIf. — 84 Vollbart bc la SJlottc, L'Iliade. Paris 1714. — @rn =
goniabe, bie Ereigniffe nach ben in ber £Uia3 erjäblten. — 35. gomcö (Harfe (1675
6i3 1729), sunt feomer (Homeri opera ex rec. J. Clarke, oura Kr. Aug. Binesti,
Ups. 1759. \ ol. 1. 75). citiett in ben Briefen bie neuefte Sitter. betr., SBb. VII, 3iv. 125.
— 37. »gl. Slbfdjn. XXIV f. — ^etron, flap. 124 S. 271.
Materialien unb ffintnuirfe junt ffaoboon. 207
V1IF.
3d)bnfictt ber malerifdje SBctf ber Körper, gfolglidj fommen roh
Ijier oon felbft auf bie 3tcge( ber 2llten, bafj ber Slusbrucf ber ©djöntjeü
untergeorbnet fein muffe, ^beat ber ©djönljeit in ber üDMerei t)at t>iel=
5 leicht bas Qbeal ber moralifdjen 33oüfommenf)eit in ber Sßoefte oeranlafst.
S)a man bafür auf ein ^beat in ben ipanbtungen benfen fotten. £)as
2>beal ber §aublungen befteljet 1. in ber SBerfürjung ber 3eit 2- xn *>ev
@rf)öf)uug ber £riebfebern, unb Slusfcftfiefning bes 3ufa'^/ 3- ™ ^ei*
(Erregung ber Setbenfdjaften.
10 IX.
i'eblofe ©djöntjetten um fo mef)r bem Sidjter oerfagi 511 fdjübern.
SBerbammung ber S^omfonfdfjen SWaleret. 33on ben Sanbfdjaftsmafern;
ob es ein ^beal in ber ©djönljeit ber Sanbfdjaften gebe. sIi?irb oerneinet.
Safjer ber geringere SBert ber £anbfd)aftsmaler. S)ie ©rieben unb
15 Italiener Ijaben feine. Seroeiä aus bem umgefefjrten Sßferbe bes Sßau;
fanias, baft fte aud) nitfjt einmal untergeordnete Sanbfdjaften gemalt.
Vermutung baf? bie ganje perfpcftimfdje Malerei aus ber ©cenenmaterei
entftanben.
X.
20 £>ie ^poefie fdjilbert Äörper nur anbeutungsuteife burd) ^Bewegungen.
.Hunftftüd" ber Sidjter, ftdjtftdje (Sigenfdjaften in SBetoegungen oufjulöfen.
(Stempel con ber >:>öf)e eines Saumes. 2Jon ber ©röfse einer ©djlange.
SSon ber ^Bewegung in ber Malerei. SBarum fte äWenfdjen unb feine
Siere barin empfinben.
25 $on ber Sdjnelligfeit.
XT.
golglid) fdjilbert bie Sßoefte bie Körper aud; nur mit einem ober
Sinei gügen. Sdpierigfeit in ber fid) oft bie ÜJJlalerei befinbet, biefe
guge auszumalen. lXnterfd;ieb ber poetifdjen ©emälbc, 100 fia) biefe
30 3üge leid)t unb gut ausmalen laffen, unb 100 uidjt. ^enes finb bie
fjomerifdjen Öemälbe, biefes bie 9Jiiltonfdjen unb Klopftocffdjen.
XU.
SSermutung, baf$ bie SBlinbfjeit bes 9Jtilton auf feine 2(rt 311 fd)ilbem
einen Ginflu^ gehabt. Seroeis 3. @. aus ber ficf)tbaren £unfelf;eit.
2 ff. Sgl. ä&fdjn. II; SHacbl. A 2, 3tbfc6n. IX; B 7, XXXII ff. — 11 ff. Sgl. ä6fd&n.
XIX. — 14. Sgl. Siac&l. B 7, 311 2lbfcbn. XLV. — 14 f. 2>ie ©rieben unb Italiener
haben feine. Socb; Sanbfftaften finb in ber antifen Malerei jegt äicmlicb äafylreicb be=
tannt; für bie italienife&e flunft braucl)t man nur an ©aloator 3iofa 51t erinnern. — 15 f.
SaufaniaS, »ielmebr Saufon; f. oben ©. 12. — 20. Sgl. 2lbfcbn. XVI. — 21 ff. Sgl.
KaSjl. B 7, XLIY f. mit 7c — 25. Sgl. SRodjl. B 7, XLVI mit 7 c — 27 ff. Sgl.
SRacbl. A 2, XI u. XIII; B 7, XXXVI f. — 33 f. Sgl. SHacbl. B 7, XL mit 7 b.
208 tladjlal? ;itm fi'aohoon.
XIII.
Sie erfte Seranlaffung roar inbeS ber orientaftfdje Stil. SDiofeg'
Sermutung; au§ beut fanget ber 9Ji"a(erei. Safe ba§ nid)t fd^ön fein
tnufj, roao biblifd) ift. SBenn bei- Qrammatifer eine fd)led)te Sprad)e in
bei- Sibel finben lann ; fo barf ber $unftrid)ter oitd) fd)Ied)te Silber barin 5
finben. Ser l). ©eift tjat fid) in Reiben fallen nad) bem tetbenben
©ubjefte gerietet; nnb mann bie Offenbarung in ben norbtfd)en £änbern
gefd)el)en roäre, fo würbe fie in einein ganj anbern Stile nnb unter
ganj anbern Silbern gefdjefjen fein.
XIV. 10
.-öomer Ijat nur loenige äßüionfdje Silber. (Sie frappieren, aber fie
attackieren ttidfjt. Unb eben belegen bleibt fronier ber größte 9Jtaler
©r f;ot fid) jebe§ Silb gang unb nett gebad)t. Unb felbft aud) in ber
Drbnurig ein maferifdjeä 3luge gejeigt. Slmnerfung über bie ©nippen,
bie fid; bei tfjnt nie über brei Sßerfonen erftred'en. 15
XV.
Soii ben folleftinen ftanblungen, al§ roeld-e ber Soefie unb SfBalerei
gemein finb.
dritter 2lbfd)nitt.
I. 20
3lu3 betn Unterfdjiebe ber natürlid-en unb roittfürliäjen 3eid;en. Sie
3eid)en ber 3KaIerei finb nid)t alle natürlidj; unb bie natürlichen $enn=
jeidjen nnllfürtidjer Singe fönnen nidjt fo natürlid) fein, als bie natür=
lidien Äennjeidjen natürftdjer Singe. G'ö ift aud) nod) fonft niel Äon=
uention barunter. (Srempel uon bei* 3Bolfe. 25
II.
Sie fjören auf natürlid)e 311 fein, burdj Seränbarnng ber Sitnenfion^n.
9iotroenbtgfeit be3 9Jia(er3, fid) ber SebenSgröfje ju bebienen. 2lbfall ber
Äunft in ben erhabnen Sanbfdfjaften. ©djroinbel rann bie Soefie, aber
nidjt bie Malerei ermeden. 30
III.
Sie 3eid)en ber ^oefte nidjt lebiglid) luillfürlid). Qrjre SBorte alo
Söne betrautet, fönnen börbare ©egenftänbe natürlid; nactjarjttten. 2Beldje§
befannt. Ülber il)re Sßorte als unter fid) »erfd)iebner Stellen fällig,
fönnen baburd) bie »erfdjiebne Sieitje ber Singe auf einanber unb neben :!-,
einanber fd)ilbern. (Stempel l)ieroon. ^ua) fogar bie Seroegung ber
Drgane fann bie Seroegung ber Singe auobrüden. (i'-cempol baoon.
2 ff. SSgl 9Jad-[. A 2 am tinbe (S. 200). — 11 ff. Sögt. SRacbl. B 7, XXXVII unb
A 2, M. — 17 f. Sgl. 1: 7, XLIH mit A 8. — 81 ff. SSgT. unten A 4a. - 27 ff. Sgl.
ebenba. — 82 ff. Sgl. unten A 4 c
$laterial«n ttuö öntomrfe jtttn ffaokoon. 209
IV.
©infüljrung mehrerer nrittlürltcfier 3cw$en vutty ^e 2tttegorie. 23i(=
ligung ber 2lllegorie infofern bie $unft baburd) auf ben ©efebmad ber
©cf)öttf)eit 3urüct'gefüf)ret, unb uon bem nntben 2lu§brutf:e abgehalten
5 werben xanti.
V.
äßifs&ttttgung attju meitläuftiger 2lllegorieen , metdje aKejett buntel
finb. Erläuterung ait'3 9iapf)aeI3 ©dmle von 2(tf)en; unb befonberS aus
ber Vergötterung §omer§.
10 VI.
DJü^ltdjfeit ber roiltiürlidjen geidjen in *>er Stanjfunft. 3)ajj eben
baburd; bie Sansfttnft ber 2ltten bie -Heueret fo roeit übertroffen.
VII.
2)er ©ebraud; ber mülturlicben 3e^en in ber -Dhtftf. SSerfud) ba3
15 SBunberbare unb ben Söert ber alten 3)tufi! barau§ 51t erflären. $8on
ber 9)Jad;t, bie fid) bafjer ber ©efefcgeber barüber anmafjte.
VII r.
•Hotroenbigreit alte frönen fünfte einsufdjränfen , unb if)nen nidjt
alte möglichen ©rmeiterungen unb SSerbefferungen 311 oerftatten. SBeil
20 buref) biefe Erweiterungen fie oon iljrem gwede abgeteuft werben, unb
ifyren Einbrud nerlieren. Eulerä Entbednng in ber -iöiufii.
IX.
23on ber Erweiterung in ber DJiaterei ber neuern gelten. Söoburd)
bie Äunft unenbtid) ferner geworben; unb e£ feb,r wal)rfd)ein(id) wirb,
25 baf} alte unfere ßünftfer mittelmäßig bleiben muffen, Einflujj, ben $efiter
in Siebenteiten, 3. E. in £id£)t unb ©Ratten unb ^erfpettü) ,. auf ba§
©anje fjaben. 2)a un3 hingegen bie gänslictje äöegtaffung alter biefer
Seile nidjt anftöfjig fein mürbe.
X.
30 Ermunterung bie bitbenben Äünftter au$ ben alten geiten 3urüd=
jurufen, unb fie mit ^Begebenheiten unferer i^igen geit 31t befdjäftigen.
2lriftoteles' 3iat, bie Sfjaten 2Ueranbers 3U malen.
2 ff. Sgl. A 4 c. — 4. 10 üb, b. i). 51t tranfitorif#, geroaltfam. — 7 ff. 2>a§ SaSretief
mit ber Slpotfjeoie gomerS, je|t im SBrtt- SDhifeum. Sgl. unten A4 e. — 11 f. Sgl. 9iad)l.
B tl. — 14 ff. Sgl. Stad&l. B 11. — 18 f. Sgl. Slatfil. C 13, 4. — 21. SDe3 bekannten
3Kotl)ematifer§ (Suler Teiitamen novae theoriae musicae, Seter3burg 1739. — 30 ff.
Sgl. 2lbfd)n. XI.
Seffing? Sßerre 9. 14
210 ibrfjlrtlj juin £aohoon.
Stnfiang.
I.
3erftreute 2(nmerfungen über einige ©teilen in SOßinlelmannS ©e=
fdjidjte; tuo er nid)t genau genug geroefen. 2lnttgone be§ ©opfjofleö.
Sie Seiler be3 5ßattfjeröu§, 2>er 9!)teifter be§ <Scf;ilbe3 oom 2(ja£ 2c. 5
II.
SSon bem Sorgljefifdjen $ed;ter.
III.
SSon bem Gupibo be§ ^rarjteleä.
IV. 10
33on ber Äunft in Grjt 51t giejjen. £>af} fie ju ben Seiten beg 5ftero
nidjt oerloren geroefen.
V.
Vermutung über ba§ Steige p. 203.
VI. 15
2Jon ben Sdjulen ber alten Malerei, unb non ben afiatifd)en AUinftlern.
4a, 3u (Seite 208 9Jr. I.
Sie Malerei fagt man, bebienet ftdj natürlidjer Setzen. S)iefe§ ift
überhaupt 311 reben voafyv. 9htr mufj man fid; nidjt uorftellen, bafj fie
ftdj gar feiner roillfürlidjen 8eidjen bebiene; mooon an einem anbern Drte. 20
Unb fjiernädjft laffe man fidj belehren, bafj felbft ifjre natürlichen
3eidjen, unter geroiffen Umftänben, es oöllig 31t fein aufhören tonnen.
3d) meine nämlicr) fo: unter biefen natürlidjen Qeiajen finb bie oor-
nefimften, Sinien, unb au§ biefen 3ufammengefefcte Figuren. 3hm ift eö
aber nidfjt genug, baf$ biefe Sinien unter fid; eben ba<3 23erf)tittni3 (jaben, 25
meldjes fie in ber Statur tjaben; eine jebe berfelben mufj aud) bie näm»
Iia)e, unb nid;t bloft oerjüngte Simcnfion Ijaben, bie fie in ber Statur
f)at, ober in bem jenigen ©eftd;t§punfte fjaben mürbe, am meldjem baö
©etnälbe betrachtet merben foll.
derjenige SDlaler alfo, roeldjer fieb, noltfommen natürlidjer 3e^t%n 30
bebienen null, mujj in SebenSgröjje, ober roenigftenä nidjt merflid; unter
Sebensgröfje malen, derjenige meldjcr 311 weit unter biefem lUJafse bleibt,
ber SSerfertiger f leiner Äabinettftüd'e, ber ä'iiniatunualer, tarnt jroat im
im ©runbe ^bew berfetbe grofje ilünftler fein ; nur mufj er nidjt »er=
3 ff. <Pgl. 3tb)d)it. XXIX. — 7. 3?gt. Slbfdjn. XXVIII. — 9. «äljereS f. in Seffimj-s
.Humerfungen *u sJl>incfc[mnnnö ©efd>. b. Jhmft ©. 391. — 11 f. i'Ql. unten A 4 f. —
14. SBgl. bie Söemcvtungcn 31t SL'incfelmnnn. — 16. Z. ebenba 311 c. 319. — 17. 3Sg[.
C 1:;, 1.
Materialien unö Öntnnirfc jum ffaohoon. 211
langen, bafj feine SüBerfe eben bie 2ßaf)rf)ett tmben, eben bie SBirfung tl)un
fotten, weldje jene 9."ßert"e fjaben unb tfjun.
©ine menfddidje ^yicjur non einer (Spanne, oon einem 3°Me> ift 3mar
ba3 33db eine3 -DJenfdjen; aber e§ ift boa) fdjon genriffermafsen ein fmn=
5 boüfd)e3 S8itb ; icb, bin mir ber 3eidjen babei bemühter, a(3 ber beseidjneten
Sadje; id) muf? bie oerjüngte ^igur in meiner (Sinbttbungöfraft erft mieber
51t ifjrer magren Öröfje ergeben, unb biefe $erridf)tung meiner Seele, fie
mag nod) fo gefdjnunb, noa) fo (eid)t fein, nerljinbert bod) immer, bafj
bie Intuition beS 33eseid;neien nidjt sugleid) mit ber ^ntuttiott be§ 3eid)en3
10 erfolgen fann.
9Jian bürfte oieKetdjt einroenben: „Sie Simeuftonen ber ftdjtbaren
Singe, fofem fie gef etjen roerben, finb manbetbar; fie fjängen »on ber
(Entfernung abr unb ee> giebt (Entfernungen, in roeldjen eine menfd}ltd)e
gigur nur eine Spanne, einen 3°M SroB 3" fei" fcrjeinet; roetdjem nad)
15 man aud) nur ansunefymen braudjt, baf; biefe uerjüngte ^-igur au§ biefer
(Entfernung genommen, um bie 3eitfJett für uoltfommen natürüd) gelten
31t raffen."
2UIein id) antworte: in ber (Entfernung, in toetdjer eine menfddid)e
5"igur nur con ber Öröfje einer Spanne ober eine§ 3°^ 311 fein fdjeinet,
20 erfdjeinet fie aud) unbeutHdjer: ba3 ift aber bei ben nerjüngten g-iguren
in bem Sorgrunbe f [einer G5emätbe nidjt, unb bie Seutüdjfeit d)rer Seite
nriberfprtdjt ber annefmdidjen (Entfernung, unb erinnert un3 311 lebhaft,
bafj bie fjiguren oerjüngt unb nidjt entfernt finb.
@3 ift r)iernäcf)ft befannt, mieoiet bie ©röfse ber SDimenfionen ju
25 bem (Erhabnen beiträgt. Siefeö (Erhabene oerliert ftdj burd) bie $er=
jüngung in ber SOiaterei gänä(id). $f)re größten Sürme, tfjre fdjroffeften
raufjeften Stbftürge, ifjre nod) fo überljangenbe Reifen, werben aud) nidjt
einen Sdjatten oon bem Sdjreclen unb bem Sdjroinbet erregen, ben fie in
ber 9tatur erregen, unb ben fie aud) in ber ^oefie in einem 3iem(id;en
30 ©rabe erregen lönnen.
2Beld) ein ©emätbe beim Sljafefpear, roo (Ebgar ben ©fofter auf
bie äufjerfte Spitze beS £mgel3 füljrt, oon n>e(d)er er fid) f)erabftür3en will!
(King Lear Act. IV. Sc. 6.)
— — — — Come 011, Sir!
35 Here's the place; stand still. How fearful
And dizzy 'tis to cast one's Eyes so low!
The Crows and Choughs, tliat wing the roidway air,
Shew scarce so gross as Beetles. Half way down
Hangs one that gathers Samphire; dreadfol trade!
10 Methinks he seems no bigger than his head.
The Fishermen that walk upon the beach
9. 3"*"*^°" i"1' Mnfdjauung, fjeute unge&räucfiHdi. — 14. 1» eifern nad), roir
fageii Ijeute lieber „loonad)". — 33. Sc. 0, in ber §i>jd)r. irrtütnlid) Sc 5.
14*
212 llodjlnß jum tfaokoon.
Appear like Mice; and yon tall anckoring liark
Diminisk'd to ker Cock; ker Cock, a Buoy
Almost too sinall for sigkt. Tke murniuring Surge
Tkat on tke unnumberd idle Pebbles ckafes
Cannot be heard so kigk. I'll look no inore, 5
Lest my brain turn, and tke deficient sigkt
Topple down headlong —
SEfUt biefei* Stelle bes ©ffalefpeat 511 Dergleichen bie ©teile beim
SDiilton B. VII. v. 210. mo ber Soljn ©otteä in bas grunbtofe Glmoö
l)erabfiel)t. Siefe Sfiefe ift bei »eitern bie größere; gleidmiofjl tl)itt bie 10
SBeftfjreibimg berfelben feine SBtrfung, roeil fie un§ burd) nidjtö anfdjauerib
gemadjt wirb; meldjeS bei bem Sfjafefpear fo oortreffßd) burd) bie all=
mäf)lid)e Verfeinerung ber Öegenftänbe gefdjieb-t.
4b. 3u Seite 208 3tx. II.
Sie uerjüngten Simenftonen fdjmädjen bie Sßtrfung in ber SKaletet. 15
©in fdjöneö 33tlb in Sötignatur fann unmöglid) eben baäfelbe SBo^tge«
fallen ermecfen, rceldjeS biefe§ 33ilb in feiner magren Öröfse ermecfen mürbe.
2Bo bie Stmenfionen aber nid)t beibehalten roerben fönnen, fo tuill
ber 33etrad)ter fie roenigftenS au§ ber SBergleidjung mit gemiffen belannteu
unb beftimmten ©rüfcen fdjftefjen unb beurteilen fönnen. 20
Sie befanntefte unb beftimmtefte ©röfje ift bie menfdjlidje ©eftalt.
Safjer finb aud) faft alte Sängenmafje von ber menfcfilidjen ©eftalt ober
einäeln Seilen berfelben hergenommen morben. (Sine ©lle, ein %ufy, eine
Älafter, ein Sdjritt, ein Soll, mannoljod) 2c.
Sonad) glaube td), bajj bie menfcfjlicJjen giguren bem Sanbfdjaft* 25
malet, aud) au^er bem fjöljern Seben, ba§ fie in fein Stüd' bringen, nod»
ben rcidjtigen Sienft tetften, bafj fie ba§ -öiafi alter übrigen ©egenftänbe
unb iljrer Gntfermmgen unter einanber, barin »erben.
Säfjt er fie raeg, fo mujj er biefen ^langet eine§ geunffen 2Raj$e§,
burd) 2lnbringung anberer Singe erfetjen, meldje ber URenfd) 51t feinem 30
Öebrautfje ober ^Bequemlichkeit gemadjt, unb baljer nadj feiner ©röfje ein=
gerietet f»at. ©in £au§, eine SM'ttte, ein ,3aun> ei"e Vrücfe, ein Steig,
fönnen biefen Sienft uerridjten jc.
Unb null ber Äünftter eine ganj unbebaute nriifte, uertaffene ©egenb,
ob>e alle SDlenfäjen unb menfdjlidje Spuren fdjilbem, fo mufj er menigftenä 35
Siere »on befannter ©röfje {jineinfefcen, au§ bereu SBerpItniffe 51t ben
übrigen Öegenftänben man auf it)re eigenttidjc Simenftonen fdjliejjen fann.
Ser Mangel eines beftimmten unb befannten 2Jtaf$eS, fann aud) in
l)iftorifd)en, unb nid)t blofj in i'anbfdjaftftücfen »on übler SBirfung fein.
„Sie bicfjterifrfje Grfinbung , fagt ber §err uon ftageborn (Von ber 40
16. SDHgnatur, [0 fdjretßt fiefftng Ijicr nnftntt SDliniotur.
Materialien unb öntwürfe 511m Caohoon. 213
äRalerei <&. 169.), fobalb fie bei* bfofjen (StnBilbungSfeaft überlaffen ift,
leibet 3roerge unb JKcfcn beifammen, aber bie materifcf)e ©rfinbung ober
bie Verteilung ift nid;t fo gutwillig unb biegfam." Gr erläutert feine
•Bteinung burdj ein berühmtes ©emälbe be3 3(ltertum3, ben fdjtafenben
5 ©nffopen beö £imantl)es. Siefeö liefen ungeheuere Örofje auijubrütfen,
bat her Alünftler beffen Saunten burd; baneben geftellte ©atnren mit
einem £f)nrfuö auömeffen (äffen. Gr finbet be.n GinfaK ftnnreid), aber
in einer malerifdjen ^ufammenfe^ung forool)! mit ben erften Segriffen
oom (Gruppieren unb unfern ikigen gbeen Dom Jöellbunfeln ftreitenb, at§
10 aud) bem ungezwungenen ©leidjgcioidite be£ ©emülbeo nachteilig. SOJan
fann eo bem frerrn oon ftageborn auf fein üffiort glauben, baf} biefer
©egejtftanb alle bie bemerften Itnbequemlicfjfeiten b,at. 2Ulein e3 finb
biefe§ nur Unbequemlidjfeiten für ba3 2tuge be3 oerioölmten ÄennerS;
id) füge, aus bem, ioao id) tum 'Dm Simenfionen gefagt fjabe, eine anbere
15 fjinju, bie er für jebeö 2(uge f)at, unb für ba3 ungeübtere am meiften.
SSBenn mir ber Sidjter ben liefen unb ben 3n>erg nennet, fo roeifj
id) eo am ben SBorten, bafj er bie 5inei Gjtrema meinet, 51t loeldjen bie
menfdjfidje ©eftalt, oon ifjrer gemötjnlidjen Öröfje abineicfjen fann. 2t Hein
raenn ber ÜDialer eine grofje unb eine ! leine $igur oerbinbet, roofjer
20 meifj id), bajj e§ jene Grtrema fein follen? !yd(j fann rced)fet3roeife fomofjt
bie flehte alä bie grofje für bie $igur von oer geroöfjnlidjen ©röfje an=
nehmen. 3ie()me id; bie Heine bafür an, fo ift bie grofje ein Äoloffuö;
nefjme id) bie grofje bafür an, fo luirb bie fteine ein Siliputer. 2>d) fann
mir in biefem gälte nod) eine größere unb in jenem nod) eine Heinere
25 gebenfen. G3 bleibt alfo unentfdneben , ob ber 9)ia(er einen 3roer9 0Dei-'
einen liefen, ober ob er beibeö uorftellen motten.
^uttuö SJomanuö ift e3 nicfjt allein, raeldjer ben Ginfall be§ Xu
manttjes nadjgeafjint f)at (Rickardson Trait. de la Peinture, T. I.
p. 84.); aud) |yranciö fyforiö fmt it)n in feinem öerudeS unter ben ^ogmäen,
30 gebraudjt, in einer getefinung, ^ie £,. g0(f 1563 geftodjen f)at. 3>cf) sroeiffe
aber, ob fefjr gtüdlid). Sa er näntftd) bie ^ngmäen nidjt aßi nerroadjfene
unb bud'Iid)te 3IüerÖe/ fonbern als> in allen if)ren 2>erl)ältntffen mof)U
geroadjfene fteine ■äftenfdjien oorftellt, fo mürbe id) nietjt miffen, ob e3 nicfjt
Dcenfdjen oon orbentlidjer Öröfje, unb ber unter ber Gid)e fdjlafenbe
35 fterfufeS nid)t ein 3üefe fein foUte, roenn ict) nicfjt ben £erlule§ an feiner
Heute unb Söroenfjaut erfennte, unb eö fdjon nni^te, bafs baö 2(Itertum
ben ^»erfufeö 3roar afö einen großen, aber a£3 feinen ungefjeuem 9)tann
uorftedet. JimantfjeS tä^t einen Satyr ben Säumen be3 Gyffopen mit
einem 2f)urfu3 meffen; jjloriä einen 5ßngmäen bie ^ufjfofjfe beö öe^u^
40 mit einem Stabe. Go ift mafyv, .'oerfuleö ift in 33etrad)tung ber ^ßtjgmäen,
5. Über Simantfie^ f. oben S. 10. — 7. S^tjrfuS, i'effing fd)ric6 fä(fd)ücf) StjrfuS.
— 27. ©iutto Wo mono, ber Stfiüler SRafaelö. — 29. Francis 5"f°r'ä» eigentlich
Jron§ be SBrienbt, nieberlänb. SJlaler, 1520—1570. — 30. ^ierongmnä 6 od, Äupfer=
ftecfier 1510—1570 — 31 f. al§ Derroadiiene unb buef 1 1 er) t e 3>oerge, [o erfcijeinen
fie in ber Siegel in ber allen Jtunfi.
214 lladjla); ptra Caohoott.
fo gut 9?iefe, aI3 ber Enftope in ber Betrachtung ber ©atnren. Sem
ot)iigead;tet tf;ut bie ät)nlid;e 2lusmeffung fjier nidfjt aud; bie ä(;n(id;e
SBirfung. Sie Satnre waren an il;rer Öeftalt tenntlid), unb ifjre ©röfje
war bie gcwöl;nltd;e menfc^ttdje Gröfje. äßenn fie alfo ben Saum beS
(ii)f(open nteffen, fo erlernten mir t'lar barattS, meinet ber Gi;t(ope größer 5
al$ ber (Satyr fei. ©0 aud; bei ben Sßggtnä'en; bas Steffen be3 Bi;gmäen
erwed't bie $bee uou Dev ©rö^e beö §erfules; gletdjrooljl ift e3 aber t)ier
nid)t auf bie Qköfje beS §erfttle§, fonbern auf bie £leinf;ett ber Bngmäen
angefet)en, unb bie 3^ec 110tt biefer I;ätte $lori§ am (ebf;afteften mad;en
folten. SiefeS aber tonnte nid)t wof;( anberS gefd)et)en, al§ wenn er ben 10
Zwergen aud; aufjer ttjrer $leinf;eit, nod; anbere trigenfd;aften, bie wir
babei ju benfen gewofjnt finb, gegeben Ejätte; bie Ungeftaltfjeit ttämlia;,
ober bas uergröfserte Berb/iltniö it)rer Breite gegen il)re £'änge. ßr l;ätte
fie ben Figuren in font'aoen ober fonue^en Spiegeln, mit wetdjen fie
2(riftoteles oergleidjjt, al;nlid;er machen follen. (Aristoteles Probl. Sect, X. 15
nad) ber Berbefferung bes Bofftuä ad Pompon. Melam lib. III. cap. 8.
p. 587.)
4c, 3u (Seite 208 3c r. III.
Safj bie Malerei fict) natürlicher 3c^en bebienet, mufj it)r alterbinqo
einen großen Bor3itg uor ber ^oefie gewähren, meiere fidr) nur roil(für= 20
lidjer 3eid;en &ebienen tann.
^nbe§ finb beibe aud) f)ierin nid;t fo weit au§ einanber, aI3 e§ bem
erften 2(nfel;cn nad; fdjeinen foltte, unb bie ^oefie f;at nid)t nur wirt'tid;
aud) natürliche 3eid;en, fonbern aud) Büttel, ifjre unllt'ürlidjen 311 ber
ÜEBürbe unb Äraft ber natürlidjen ju erfjötjen. 25
2lnfang3 ift eS gemif;, bafj bie erften ©prad;en au$ ber Dnomatopöie
entftanben finb, unb bafj bie erften erfunbnen SBörter gewiffe 2(f)nlia>
leiten mit ben auöjubrüdenben Sachen gehabt f;aben. Sergteidjen Sffiörter
finben fidt) aud) nod) i|t in allen Sprachen, mef;r ober weniger, nad;bem
bie ©prad;e felbft mef;r ober weniger oon if)rem erften Urfprunge etit= 30
femt ift. 2lus bem flugen ©ebraudje biefer 21*örter entfielet baö, joaä
man ben mufifalifd;en 2lu3brud in ber s^oefie nennet, uon welchem öfters
unb oielfältig ti"i;empel angeführt werben.
Soweit inbeS bie oerfd;iebnen Spradjen größtenteils in if;ren einjeln
2A>orten doii einanber abgeben, fo niel &§nftc$e§ I;aben fie inbes nod; in 35
benjenigen fällen, in weld;en allem 2lnfel)en nad; bie erften SOienfcfien bie
erften Söne uon fid; fjören tiefen, od; meine bei bem 21usbrude ber
i'eibenfcfjaften. Sie Heilten Sßörter, mit metd;en wir unfere Berwunberung,
unfere 5reu^e/ unfern ©d;iuerj ausbrüden, mit einem 2Borte bie ^\\Uv-
15 ff. Gine felir unfidierc Äonjeftur oon ^faat S3offiU'3 (lCls— 1(189) 511 Aristol Probl.
X, 2. 2lriftotele>3 fdjeint von aBirtS^auSWitbetn mit Rarilaturen gu fpredjen. — 26. Stm«
fange, für unfer „iitnädjft" o&cr „evftlidi". — •-'<; ff. Gin Diel Befirittencr ^nnft bev
epradnuiffenidiaft: bie fd)on uoit ben 3llten be^onbette Jrage, ob bie 5prad^c tpöatt obev
&ioti entftanben fei.
^Materialien mtö ©ntroürfe paa £aokoon. 215
jeetiones finb in alten ©pradjen siemKdj einerlei unb »erbienen baljer aU
natürliche Seidjen betrautet ?u werben. Gin großer «Reidjtum an ber=
gleichen SßartiMn ift bafjer allerbingö eine SSottfomtnen^eit einer ©yradje,
unb ob id) fdjon weif?, roeldjen 3JHfj6raucij elenbe Äöpfe bauon machen
5 tonnen, fo bin id) bod) aud) gar nid)t mit ber froftigen Slnftänbigteit
5itfrieben, raeldje fie beinahe gänjlid) oerbannen null. 2ßan fefje, mit
raetdjer 2JtannigfaIttgfett unb äJcenge uon ^nterjeftionen ^Holtet bei bem
©opfjofleS feinen <Sd;mer$ auSbrüdt. Gin Überfefcer in neuere «Spradjen
mufj fet)r »erlegen fein, ma3 er bafür fubftituieren foll.
10 Sie $oefie bebient fid) ferner nidjt btofj einjetner Sßörter, fonbern
biefer SBörter in einer geraiffen golge. Söenn alfo aud) fdwn nidit bie
Wörter natürliche 3eidjen finb, fo fann bod; ifjre gotge bie Äraft eineä
natürlichen 8eid}en§ tyaben. SDBenn nämlid) alte bie Sßorte uolltommen
fo auf einanber folgen, als bie Singe felbft raetdje fie ausbrütfen. Siefeö
15 ift ein anbrer poetifdjer Äunftgriff, ber nodj nie gehörig berührt worben,
unb eine eigene Grläuterung burd) Gr,empet nerbienet.
Saä Silberige ermeifet, baf? e§ ber ^oefie nidjt ganj unb gar an
natürlichen geidjen mangelt, «Sie fjat aber audj ein DJtittel, ifjre mll-
rurKdjen 3etd)en 311 bem Sßerte ber natürlichen 311 ergeben , nämlid; bie
20 9Jietapf>er. Sa nämlid; bie traft ber natürlichen 3eid)en in tyxex &fo
licfjfeit mit ben Singen beftet;t, fo führet fie anftatt biefer 3il;nlid;feit,
raetdje fie nid)t t;at, eine anbere &£)nUd)feti ein, meldte ba§ 6ejeitf)nete
Sing mit einem anbern t;at, beffen begriff leichter unb lebhafter erneuert
roerben fann.
25 3u biefem ®ebraud)e ber 9)cetapf)em gehören and) bie ©teid;niffe.
Senn baS (SteidmiS ift im ©runbe nidjtS als" eine ausgemalte Söcetapljer,
ober bie 9)cetapl;er ntd;tö als ein jufammengejogeneä ©teid)nt§.
Sie Unmöglid;ieit, in ber fief; bie Malerei befinbet, fid; biefe§ Mittels
311 bebienen, giebt ber ^poefie einen großen SSorjug, inbem fie fonad) eine
30 2lrt uon 3eid;en f;at, roeldje bie Äraft ber natürlichen l;aben, nur bafj fie
biefe 3eid>en felbft I;inn>ieberum burd) uHllfürlid;e auöbrüd'en mufj.
4d. 3u (Seite 208 3er. III.
3cid;t jeber ©ebraueb, ber unllt'iuiidjen auf einanber folgenben f)örbaren
3eitt)en ift ^poefie. SBarunt foll jeber ©ebraudj natürlicher neben einanber
35 fteljenber fidjtbarer 3eid;en Malerei fein, infofern Malerei für bie ©djraefter
ber 5ßoefie angenommen roirb?
So gut es" non jenen einen öebraud; giebt, ber nicfjt eigenttid; auf
bie Säufdmng gebet, burd) ben man mefjr 31t belef)ren, als 31t »ergnügen,
mebr ftdt) uerftänblid; 311 madjen, afö mit fid; fortjureifjen fud;t; bat ift,
2 ff. ©e£)t namentlich gegen bie franjöfiföe Sebre uon ber 2Bohlanftänbigfeit, f. oben
©. 10. — 10 ff. Seiber bat Seffing bie Slitofiibning biefer Slnficbt burd) «eifpiele unter»
laffen. — 20. aKetapber, allgemein bie 2lnmenbung jebe-3 bilblidjen Sluäbructä.
216 Jtarljlaß jum Coohoon.
fo gut bie Sprache tf>ie s$rofa tjat: fo gut nuifj aud) bie 90iaieret ber;
gleichen Jjä6en.
©3 giebt alfo poettfdje unb yrofaifdje 9)?aler.
Sßrojitifdje Wiakv finb biejenigen, luetdje bie Singe, bie fie nadjafnuen
motten, nid)t bem SBefen Ü)re 3e'(f)en anmeffen. 5
1. 2>l)re 3eid)en fi"*3 "eben einanber ftefjenb; me(d)e folglid) Singe, bie
auf einanber folgen, bnmit uorftclTen.
2. %f)te 3eid)en fi"° natürfidj; iueld;e folglid) fie mit nHÜfürltd)en oer=
mifdfjen. Sie Sltfegoriften.
3. %f)te Beidjen finb fidjtbar; rue(d)e fo(gtid) nid)t burd) ba3 Sichtbare io
ba§ Sidjtbare, fonbern ba3 hörbare ober ©egenftänbe anberer «Sinne
oorftelTen motten, ©rläuierung. the enraged Musician oom ftogartf).
4e. 3u Seite 209 3tt. V.
2(üegorie.
©ine uon ben fdjönften furjgefafjten attegortfdjen Jyiftionen, ift beim 15
2Wüton (Pamdise lost, Book III. 685), roo Satan ben Uriel [)inter=
gef)et.
— of though wisdoin wake, snspicion sleeps
At wisdom's gate, and to siroplicity
Resigns her Charge, while goodness thinks no ill 20
Where no ill seems —
„Dft menn gtetd) bie äßeiöljeit madjt, fdtfäft bei- Slrgmoljn an ifjrer
Sf)üre, unb giebt fein 2tmt ber Ginfatt, majjen bie ©üte md)t3 23öfe3
»ermutet, 100 mdjt§ 23öfe3 fjeroorbücft."
Unb fo gefaUen mir bie attegorifdjen g-iftionen; aber fie roeittäuftig 25
auobUben, bie erbidjteten 3j]efen nad) allen il)ren 2lttributen ber Malerei
befdjreiben , unb auf biefe eine ganse $olge »on mancherlei Vorfällen
grünben, bünft mid) ein rinbifdjer, gotifd)er, mönd)ifcl)er W\i$.
Sie emsige SBeife inbeg, mie eine weitläuftigere attegorifdje giftion
nod) erträgüd) 311 madjen ift, ift »on bem 6ebe§ gebraucht morben: er 30
erjagt niefit bie btofje ^ittion, fonbern fo mie fie »on einem Dealer be=
fmnbelt morben.
4f. 31t Seite 210 9lv. IV.
[Qu Sßincfelmauuä ®cföicf)te ber Runft ©-. 396.]
„Sßliniuö, fagt §err 3S., berietet, bafc man unter bem 3tero nid)t 35
mef)i* »erftanbeu, in ©rjt 3U Stehen, unb er beruft fid) auf bie loloffalifdje
Statue biefeS Äaifer§ »om 3enoboru§, bem e§ bei alter feiner Sunft in
12. 2(uf biefem SMlbc ift ein Shififer bargcftellt, ber burd) allerlei Värm unb öeraufcb.
jur aSerjroeiftung gebracht roirb. — 15. §ier gebrauefit ßeffvng felbft brei nebeneinanber»
ftcfjenbe Sfbjeltioe, roeldien (Kebraudi er "oben S. 108 befäinyft. — 88 gotifd), rofi,
fdntörfelhaft. — menebifd), einfältig. — 30. ,«ebe3, Sßerf. einer S<$rift, in ber ba3
iiicnfcfjlicfje Seben in aUegorifd;er Seife als ein ©emcilbe bargefteüt roirb.
^Materialien avib (üntnnirfc jum Caohoon. 217
biefer 2lrbeit ri\d)t gelingen wollen. @ä ift aber ()ierau3, rate £>onati
unb SKarbini »otten, nid;t 31t fcfjtie^en , baß biefe Statue von Wlaxmov
geroefen."
©§ ift gerotfi, baß ©onati unb -Kcrcbtnt bie Stelle be3 $ß{iniu§, auf
5 bie es" tjier anfömmt, nicf»t uerftanben tjaben unb eine Unroal)rf)ett batäuS
gefdjtoffen Ijaben. 2lbcr auef; &err SB. mu^ fie mit ber gehörigen 2tuf-
merffamfett nidjt erroogen fjaben, ober er fjätte fid) anbers" auSgebrüd't.
6s foll beut ßenoborus mit biefer Statue nidEjt geglüdt fein? 2öo fagt
biefeä fitintuä? ©r rüfmvt tnefmeljr uon Ujtn, baß er in feiner ßunft
10 feinem 2(ften nadEjjufe^en geroefen, baß fein 3ßer! eine ungemeine $P£jif
tidjfeit gehabt, baß er fcr)on uorljer feine ©efd)td(id)feit burefj ©tefjung
eineä foloffalifd)en Sflerfutä beuiti[)rt. Unb bie Seroettetferung ber folgenben
Haifer, bem -Nero feinen Stnieit ber ©fjre an biefer Statue 511 taffett, fie
ber Sonne ju meinen, ben ÜReronifdjen Äopf mit Äöpfen if)rer 33itbung 51t
15 üertaufdjen, fie mit unermeßlidjer 2Rüf)e uon itjrem Orte wegbringen unb
anbersrao aufrichten 311 laffen: was fann man anbers baraus fdjließen,
als baß es ein SBerf uon gatt3 befonberem SBerte geroefen fein muffe?
^linius fagt groar: Ea statua indieavit interiisse fundendi seris
scientiam . 2tt(ein biefe SBorie finb es eben, bie man mißbeutet. üUicm
20 finbet barin ben SSertuft ber Äunft, in 9)?etal( 31t gießen, ba nicfjtio barin
liegt, als ber SBertuft ber Äunft, biefem 9)fetal(e eine gemiffe ajHfcfnmg
(temperaturam eeris) 31t geben, loeldje man in ben alten Äunftroerfen
biefer 2trt 3U fein glaubte. Gs feljtte bem genoborus an einem dnnnifdjen
öefjeimniffe ; nidjt an ber ptaftifdjen ©eftf)idlid)feit. Unb jiuar beftanb
25 biefes cr)t;mifd)e Öeljeimnis barin, baß bie Sitten bas Äupfer, aus roetdjem
fie if)re 33ilbfäulen goffen, mit ©olb unb Silber folten gemifdjet fjaben:
quondam 8es confusura auro argentoque miscebatur. (Plin. lib. 34.
sect. 3. edit. Hard.) ©iefeä Öefjeimnts" mar oerforen gegangen, unb
3ttr üDiijcfjung bes Tupfers, bereu fid) bie bamaligen Äünftler bebienten,
30 fam nidjts roie 93tei, roie Sßtiniuä felbft biefe SDftfdjung beutlid) erjagtet.
(1. c. sect. 20.) 9htnmef)r tefe man bie obige Stelle gan3: Ea statua
indieavit interisse fundendi seris scientiam, cum et Nero largiri
aurum argentumque paratus esset, et Zenodorus scientia fingendi
crelandique nulli veterum postponeretur. (1. c. sect. 18.) Umfonft
35 roollte ber üerfdjroenbrifdje 3Rero ©olb unb Silber ba3tt geben ; ber Äünftler
fonnte es nidjt brauchen; er uerftanb nur eine toeit geringere Temperatur;
aber ber geringere 93}ert bes SKetalteS, worin er arbeitete, blatte feinen
Ginfluß auf feine ftunft; in biefer toier) er feinem Sitten; pinius fagt
es; ^linius tjatte fein SEßerf; it)m muffen mir glauben.
40 /,£er fd)öne Seneca in ©rjt, 'fagt frerr 2JB. in einer neuern Sdjrift
1. 2Ueffanbro 2onati, ttat. Antiquar, 15S-1— 1640, in feiner Koma vetus ac
recens, Komae 1633. — 2. Damiano Siarbini, geft. in Dtom 1661, in feiner Roma
antica, p. 115. — 4f. L. XXXIV, 46. — 23. djomifct), früher gebräuchliche gorm für
etjemifet) (»gl. 2ttd)t)mie). — 36. Temperatur für ÜJtifcftimg.
218 lladjlaß }um ffaokoon.
(9iatf)rid)ten von ben neueften Ijerfiilamfdjen ©ntbedungen ©. 35), ben
man turstid) im §erculano entbetft, tonnte allein ein ,3eugm§ miber ben
^liniuö geben, meldier oorgtebt, bafj man unter bem 92ero nidjt mefyr
oerftanben l)abe, in ©rst ju gießen." — SBem können mir, roegen ber
©djünljeit biefeS SJSerfS fidjrer trauen at§ ib,m? 2lber, raie id) gegeigt 5
fiabe, er ftreitet mit einem ©chatten ; §ßlinitt§ jagt ba3 nidjt, raaö er ifyn
jagen läftf. 5>d) meifj ben Drt 3ioar rool)t, auf ben fia) ,'oerr 933. nod)
berufen fönnte; wo nätnßdj piniuS oon ber toftbaren üöiifdjung be3 alten
@r3te§ rebet unb ^tnjufe^t, et tarnen ars pretiosior erat: nunc in-
certum est, pejor haec sit, an materia. 2(ber er fpricfjt üergleidmng3= 10
raeife, unb man mu| iljn oon ben meiften, nietjt oon allen SBerlen feiner
3eit oerftefjen; roeil er felbft bem 3cnoboru§ ein beffres 3eil9in^ erteilet,
unb ber sDJetfter beo erroäfmten ©eneca gleid)fall£> ein beffereä oerbienet.
1. 2tbfdjuitt. 15
2Binretmann§ SerJ p. 22.
2lnmerfung über be3 ©opfjofleS ^Ijitoftet. —
1. 2)tefe3 Öefdjrei ift eine Ijiftorifdje 2ßaf)rf)eit. ©agen bafs clanior
Pliilocteus 311 einem fpridjuuirtlidjem 2luöbrutfe geworben.
v. Eust. T. II p. 706. 20
2. ©opljofleä liipt ifm aueb, in feiner Sragöbie fo fdjreien. 2tn=
mertung über bie Äürje be3 brüten 2tft3.
3. Sdjreien mar bei ben Sitten ber 2(uobrucf ber leibenben 9Jatur
unb fein 3e^en e^nec lueibifdjen Unleiblidjfeit. 33eim ftomer
fdjreien bie größten Reiben, 93enu3 unb felbft ÜDlarg fdjreien. 25
Gin 6leid>e§ vom Sßemen. Steine Vermutung, roarum
Sßriatnus» ben ©einigen bei bem 33egräbniffe 31t meinen uerbietet.
4. £iefe Unterbrüd'ung ber 9iatur ift ein Äenn3eia)en ber 83ar=
baren, ein 3eidjen be3 ftelbenmutä ber norbifdjen Wolter;
Gjempel au$ bem 33orrid)iu'3. 30
Rettung be§ Sirgilö.
$olglid) t)atte Birgit bie 9iatur unb ben §omer cor fidj, rcenn
er feinen Saofoon jene§ erfdjredlidje ©efdjrei ergeben läjjt.
33er SBitbljauer inbe3 läfit iljn fetnS ergeben; ba§ ift roal)r. Unb
nun entftefjet bie g-rage, rceldjer f)at bie fdjöne 9iatur ge3eid)net? 35
1 f. ffiiefe SBfifte unb onbere Dom gleiten TdüuS finb fälfdjltd) ©eneca benannt roorben,
e>3 finb »tetme^r lüften eines unbclannten flriedujdieii SJJ^ilofop^en. S5iefe§ 2Bert beroeift
alfo im »orlieaeiiben gallo md^ts; bafür fetjlt c-3 nidjt an anbern treffltäjen (Srjarbciten
aus ber .ftaiferjeit (uor allen bie ;)ieiter)"tatue beS 3)Jqvc l'luvel). — 16. fegt Slbfdjn. I— V.
— 19. Philocteus, muh Cie. de flu. II, 29, 94; es muft abcv Philocteteus fiei^en.
— 30. 2BobI ber bänifdie (Selebrte Dtauo »ortidjiuS (Olaf 0011 Söord)), 162U— 1G90.
Cbcn <S. 9 ift für ba§ ®leid;e Söartljolinuä eitiert.
^Materialien unb öntnuirfc jum ffaokoon. 219
Beibe; unb man b,at nidjt au3 ber Beobachtung be§ Bilbf)auer§
ben Sinter, ober au§ ber Beobadjtung be§ ©tctjterö ben Bilbfjauer
ju oerbammen.
@§ ift roaljr, beibe unb beiber Äünfte fjaben uiet $Ijttftdjfeit.
5 2tber and) tuet UnttlmUdjfeit ; unb roeit man biefeS nict)t gehörig
erroägt tjat, meü man jene allgemein machen motten, finb oiet un=
gefunbe Hritifen entftanben. Seber tjat feine befonbem t)öf)ern
Siegeln, bie er nie auS ben 2tugen feijen mu^ unb bie üjm in bem
Befonbem ganj oerfdnebne SBege bereiten.
10 begeht beS S3itbf»atterö :
1. Sie (Srreicfnmg bes ©id;tbar=©d)önen unb ©rfyabenen. —
(Erläuterung burd) bie Duferung ber ^pfyigenia beä %'v-
mantb,e§.
2. 2)ie Beobachtung eines Buntteä, über raetdjen bie ©inbitbung
15 nod) f)inau3gef)en tann.
ßrttiuterung biefeö Bunfteä au3 "den ©emälben be3 Simo-
madniä.
Bermutun§, in raetdjem fünfte Saofoon genommen morben.
£)a Birgit biefen Buntt nidjt beobachten bürfen, ba er auf tetne
20 Grreidjung be3 ftdjtbaren ©djönen mit fefjen bürfen, fo burfte er
unb mufjte er jene clamores horrendos mit auöbrücf'en.
2. 2tbfd)nitt.
Bon ben ÜDieiftern biefeS SßerB.
2)ie Qtit, in iüe(ct;er fie gelebt, ift unbetannt.
25 Steine Bermutung, bafj fie ben Birgit nadjgealjmt tjaben fönnen,
unb atfo unter ben erften Äaifern gearbeitet.
1. Btiniuö fe^et fie mit folgen neuern Äünftlern in eine
klaffe.
2. ©ie ftelten ben Saofoon oor anberö atg tl)n bie gried)ifd)en
30 Sinter fdjitbern; anberä alö 8ufopf)ron, anberS als OuintuS
(Sataber.
3. ©ie folgen einem ttmftanbe, roe(cf;er eine eigne ©rfinbung
be3 Birgits 3U fein fd;einet.
%d) abftrafjiere uon ber fjiftorifcfjen 2ßat)rfjeit biefer Bermutung,
35 bie SB. in f. C5. b. itunft uermutlid) aufttären mirb. %a) roill fie
btof} au$ einer BorauSfetumg beteuerten, unb um ben Siebter unb
Bttbfjauer in einerlei ©egenftanbe oergteidjen ju fönnen.
1 ff. Sgl. Slbfdin. IV. — 4 ff. Sgl. bie Sorrebe unb Siadil. A 2, 3lb|'d>n. I. — 12 f.
Sgl. Slbfdjn. II unb DIadjt. A 2, IX. — lti f. Sgl. 2lbfd)n. III unb 9iad)l. A 2, III. —
ls. Sgl. 2Xb|d)n. V. — 19 ff. Sgl. Slbfcfin. IV. — 24. Sgl. 2lbfc6n. V u. XXVI f. — 25 f.
Sgl. Slbfdjn. V. — 27 f. Sgl. Slbfdjn. XXVI. — 32 f. Sgl. Slbfdjn. V. — 35. SDiefer
9?ebenfats ftef)t in ber §bfd>r. am ;)ianbe.
220 tladjla^! jum ffaoboon.
1. Sßortn ber 23übb,auer bem SBirgil gefolgt.
2. 3Öorin er uon tljm abgegangen.
3. ©rläuterung ans neuern Tupfern, bie bei bem SStrgü genau
geblieben.
4. ©ebanfen, rote überhaupt berg(eicb,en Tupfer einsuridjten. 5
3. Slj&fdfj tritt.
I. £err 933tnf. fetbft b,at e3 in f. &. b. ßtmft eingefeljen, bafj ber
33ilbt)auer 31t biefer 3iul)e toegen ber üeijubefjaltenben <Sdt)önr)eit
»erbunben geioefen, unb bafj biefe fein ©efeij für ben Sinter
p. 167, befonberö 169. 10
Sei (Megenfyeit feine Vermutung oom 93b,tloftet p. 170.
SKeine SSerbeffrung beS ^MiniuS.
II. Jpierin finb nur einig, aber befto raeniger wegen ber 3eü hex
Äünftfer be§ Saotoon.
(Erörterung meiner Meinung. Sie feine grünbet ftd; roeiter auf 15
nidfjtö al§ auf bie 3Sortrefflidt)fcit beä SBertS.
Vermutung au3 bem eizoitjce.
4. 5. 2lbfd;nitt.
Sßettere Erörterung, ba£ bem Sinter roeit mefyr erlaubt fei alö bem 2)Wer:
4. in 2(nfe(jung ber ^äfjüdjfeit unb beö Sädjerlidjen. ©jempel be3 £fyerfite3. 20
5. in 2(nfef)itng be3 ©fe(3. ©rempet beS ^J^iloftet, nebft ber ©cene ber
hungrigen beim 23eaumont.
£abe( ber ^arptjen bes> SBirgitS.
6. 2lbfcf)nitt.
Völlige Öeredjtigteit fctjetnt SB. inbeö bod) nidjt bem Sidjter raiber^ 25
fahren 31t (äffen. 2ßenn er 3. @. 170 fagt; fie werben Um mefyr nad) ben
©runbfä^en ber SÖMSfyeit, alö nad) bem Silbe ber Sidjter oorgeftetfet Ijaben.
Slusteg. : e3 muj} f)ier roenigftenä nur bie bübfjauerifdje 2ßei3I)ett gxt
oerftefyen fein.
p. 25. 28 fdjeint er auf ber Seite be<3 GaiduS 3U fein, bafj ber SJBert 30
ber Sidjter nad; ber Qafyi if)rer ©emiübe 51t beftimmen.
Sßiberlegung biefer 30teinung;
SDafi Singe in ber ^antafie einen oortreffüdjen @ffe!t machen, bie
auf ber Seimoanb ober im Stein einen mibrigen fyaben.
Qu loeldjem 33erftanbe .ftomer ber größte Mittler fei; unb bafj DJttfton 35
nacf) ib,m ber größte.
3 f. SBgl. Sl&fdm. V. — 12. 23ermutlidj 2I6)d)n. II, © 19. — 13 f. 33g[. Mbfd;n.
XXVI f. — 17. Sgl. Qlbfdm XXVII. — 19. als bem 2»alev, in ber Sbfdir. oer=
trieben „alo bem Siebter". — 20. Sgl. 2(bfdm. XXIII. — 23. Sgl. Slbfdm. XXV. —
33 f. »gl. 2lbfd;nitt XIII f. — 35 f. »gl. Slbjdjtt. XIV unb 3iad)l. A 2, XI.
$latevialisn unb ©ntrcürfe jum ffaokoon. 221
a.
3« ben ©etnälben in ber öatifatttfdfjett §anbfcf;rift be§ äUrgtlg,
roeldje 33artf>ofi bereito ftedjen [äffen, unb Antonio Anibrogi in f. mefjr
5 prächtigen aß fdjjönen 2lU£>gaJ6e beS SKrgttä (Roma, 1764 in 3 fol.) nad)
tf)m, erfdjeint Saoloon gIeid;faHö mit beiben Äinbern sugleid) umfdjlungen,
311m 33eroeife, bafj man auä) bamals ben SBirgil nid)t anberö uerftanben
alö id) fage.
£aofoon ift in biefem ©emälbe nadenb, bi§ auf einen Jürgen 9J2antel,
10 rceldjen ber SBinb über ba§ Öefidjte toefjet. 2(ud) bie Sßinbungen ber
©drangen finb nidjt bie SHrgUifdjen , fie gefjen jiuar smeimal um ben
£eib, aber freujraeiö, unb um ben öatö gar nid)t.
2(ud) ber ^3. Satrou in feinem Birgit f»äft bafür, bafj ber Sidjter
feine §8efd)retbung nad) ber Öruppe gemadjt f)abe, bie er roie $ontaineö
15 für ein Sßerf be§ s£d)ibia3 fjält. ©iefe§ füfjrt Ambrogi au§ if)m an,
ofme ifm 311 «überlegen. Unb Ambrogi lebt bod) in 9tom.
*
Unter ben übrigen Tupfern, roefdje Ambrogi feiner 2tu§gabe bei=
gefüget, finb aud) einige non fogenannten alten ©emälbeu au3 bem
20 £ird)erfd)en SDcufäo, bereu einä (Tom. III. p. 23) bie !yuno uorftetfet,
uüe fie bie 2Uerto au3 ber §öUe ruft, guno fi^et auf einer Sßolfe am
Gingange einer §öf)[e, unb neben it)r fielen 3roei Figuren, bie eM unb
abfdjeulid) fein, %d) blatte biefes> ©etnälbe txicr)t für alt.
b.
25 SHeUeidjt voax e§ ^oUio 2lftnius, ber ben Saot'oon bei 23irgil<3 burdj
einen griednfdjen Sünftler nadjabmen liefs. fjßotlio raar ein befonbrer
g-reunb be§ 2)id)ter£>, überlebte ben Siebter, unb fdjeinet fogar ein eignes»
Söerf über bie 2lnei£> gefdjrieben ju Ijaben. Senn roo fonft al§ in einem
eignen Sßerte über btefeö ©ebidjte tonnten bie einseht 2(nmerfungen ge»
30 ftanben tjaben, bie <3err>iu3 au§ üjm anführt ad vers. 7. libr. II, unb
befonberä ad vers. 183. libr. XI. Solan bürfte alfo tüot)t nidjt unredjt
tfnm, ba§ Sßerjeidfjniä ber oerforenen ©djriften biefes Dfömerö mit einem
fotdjen 2Berle ju uermeljren.
3 ff- SSgt. 2lbfd)n. V. — 4. Sßietro ©. »artoli, Seidener unb JUipferftedjer 1635—1705.
— 2lntouio2lmbrogi 1713 — 1788, Sßrofeffor am (Sollegio Romano. — 5. Sie 2lbbilbungen
ber SHiniaturen ber uatif'aniftfjen S3irgill)bfä)r. finb in ber 2lmbrogtftf)en 2lu5gabe burtfjauö
ungenügenb. 2)2an vgl. bie l)ier befvrodjene Slbbilbung in meiner grofjen 2lu3gabe Saf. II.
— 13. fjrancoiä Gatrou, ein geteerter ^fait» 1(559 — 1737. — 14. gontaineS,
ugl. oben ©. 46. — 20. Sie Sammlung oon 2ltl)anafiu§ ßirdber im Gollegio 9to=
mano. — 23. 2ln biefem Siebenten ift jebenfall^ nur bie Ungenauigleit ber Slbbilbung fcf;ulb.
— 25 ff. 23gl. 2Ibfcfiu. XXVII.
222 fladjlalj ptm ffiaohcotr.
gugteid) mar Sßottio ein ßie&Ija&er unb Äenner ber Äunft, befafj eine
reidje (Sammlung ber treffitdiften alten Kunftroerle, liefe von Äünfttern
feiner ,3eit neue fettigen, unb bem ©efdimade, ben er in feiner 2jßaf)l
jeigte, mar ein fo füfmes (Stüd als Saoloon uollfommen angemeffen: ut
fuit acris vehementiae , sie quoque speetari nionumenta sua voluit.
(Plinius, 1. 36. sect 4. cap. 5. p. 729.)
©Ben ifct finbe id) mit »ietem Vergnügen, bafj id) in meiner Meinung
»on bem 2(tter bes Soofoon, unb ben SSorbilbem, »etdjje fid; bie 2)teifter
besfetben babet gemästet, einen Vorgänger f)abe, beffen ©puren id) un= 10
miffenber SBcife betreten, ßs ift btefes Barthol. Marliani; ein ©elefjvter,
roelcfjer um bie Seit, ba Saofoon um ben 2(nfang bes fedjjefmten %>af)X:
fjunberts entbedt marb, lebte, unb td) barf nermuten, bafj unfere ba=
maligen @etef)rten, mit ifnn übereingestimmt fjaben merben. <3o fdireibt
er: Et quarnquarn hi, nämlid) Ages. Poby. unb Atha., ex Virgilii 15
descriptione statuain hanc formavisse videntur, non tarnen illam
in omnibus sunt imitati , quod viderent multi auribus, non item
oculis convenire et plaeere. ]) Qd) foitte felbft glauben, id; Ijätte über
biefe Sßorte einen Kommentar fdireiben motten.
Dber Dtelmefjr, Solange, benn Sntopfjron fdieinet nur eine an= 20
genommen 31t baben: Kai nctidoßQüTog nÖQxtcog vijßovg dntXüg.
%d) erinnere mief), bajj man bas ©ematbe f)ternnber anführen tonnte,
meldjes ©umofcp bei bem Sßetron auslegt. Gs [teilt bie gerftörung oon
Sroja, bie ©efd)ttt)te bes Saofoon uollfommen fo nur, als SSirgil er;
jäfjlet; unb ba in ber nämlidjen (Materie 31t Neapel, in ber es ftanb, 25
anbere atte Öemälbe non 3eu£i§, fotogenes, 2(pelfes maren, fo tiefje
fid) »ermuten, bafj es gleidifalls ein altes gried)ifd)es ©emiilbe geraefen
fei. älttein man ertaube mir einen SRomanbtditer für feinen ftiftoritus
galten 311 bürfen. Siefe öaterie, unb biefes ©emiilbe unb biefer ©umolp
fjaben allem Slnfefjen nad) nirgenb als in ber ^bantafie bes ^etrons 30
eriftieret. 9ttdits »errät itjre Grbid)tung beutlidjer als bie offenbaren
') Typographia urbis Romae lib. TV. cap. 14. SBenrt ober SDlarliant §injufe$t:
Haec statua in Vaticano atme est collocata: quam diligentei expressam hio sub-
jeeimus: fo mufj id) erinnern, bafj fid> btefeä 23üb, fo roie Graevius baä SBerl be§
Marliani (cfr. Antiq. Rom. T. HL) nadjbrucfen [äffen, nid)t babei befinbet. 33ielleid)t 35
baf3 ifjn bie erfte 2(u3gabc f>at.
8 ff. SSgt. 2lbfd)n. V. — 20 f. »gl. oben S. 38. — 22 ff. Sgl. oben ©. 38 f. —
84 30$. ©eorg ©raöiuS (1682—1705), SCerf. beö bier citierten <sammeiroerfe>3 über
römiidie iütertüiiier. — 35 f. So ift e§; e3 befinbet fid) bort auf <S. 845.
öntnmrfe unö ^Materialien ;ur ^ortfeijung öea ffaohoon. 223
©puren einer beinahe frfjiUcrmä^igen 9ladfjaf|mung ber Sftrgtltfcfjen SBe=
fd)rei6ung. ®5 mirb fidj ber SDiüfje nerlofjnen, bie $ergfeid)ung änjuftetten.
©o 93irgi(.
d.
5 ©er förperlidje ©dnners BcrfteHt am meiften. ®a<3 ©freien allein
jerftöret alle Symmetrie be§ ©efid^tS. ©in fdjöneö Öefidjt ift am fd^önften
in feiner 9frif)e, mit uerfdjloffenem SDhmbe. ^oh;gnotu3 mar ber erfte,
ber ben 2Rttnb feiner Figuren ein Hein wenig öffnete, um eine ©cfjönfjeit
mef)r, bie 3äf)ne ftcfjtbar ju madjen. instituit os adaperire, dentes
10 ostendere. Plinius lib. XXXV. sect. 35.
B.
QmfhriirfB untr Blafmalnm fttr 3tofJ>f|mt£
7.
15 II. Seil.
XXX.
§err SBinfefmann fjat fid; in ber Öefcfjicfjte ber Jhtnft näfjer erftärt.
2(ua) er befennet, bafj bie 9iuf)e eine $0fg.e ber ©cfjönfjeit ift.
SRotroenbigfeit fidj über bergleidjen j)inge fo prägiä auSjubrütfcn a!3
20 mögficfj. (Sin falfdjer ©runb ift fdjlimmer als» gar fein ©runb.
xxxr.
£>err Sffiinfefmann fdjeint biefeS fjöcfjfte ©efefc ber ©cfjönfjeit ßtojs auS
ben alten Äimftroerfen abftrafjtert ju fjaben. 9Jian lann aber ebenfo un=
fefjlbar buret) bfofje ©djüiffe barauf fommen. 35enti ba bie bifbenben
25 ftünfte allein uermögenb ftnb, bie ©djönfjeit ber fform fjeruorsubringen,
ba fie fjterju ber ftilfe feiner anbem Äunft bebürfen; ba anbere Äünfte
gäudidj barauf SBerjirijt t(nm muffen: fo ift e§ mof)( unftreitig, bafj biefe
©cfjönfjeit nidjt anberö at§ ifjre 33eftimmung fein fann.
XXXII.
30 Sttfein jur förperticfjcn ©djönfjeit gehöret mefjr, afö ©cfjönfjeit ber
$orm. @3 gehört audj ba^u bie Sdjönfjeit ber färben, unb bie ©djön=
fjeit be3 2(uobnido.
5 ff. Sßgl. 2tbfd)n. II. — 9. bie 3ä^>"e, a6er gerabe biefe werben in ber alten flunft
bei Sbealfiguren nid)t gejeigt. — 17 f. Sßgl. 9}ad>[. A 4, 2. 2lbftfm., III; A 5, 3. Stbfdin. —
22 ff. Sgl. 3Jad>l. B 9 a.
224 lludjlalj junt ffaokoon.
ttnterfdjieb in SCnfefjung ber <3djbnf)eit ber färben 3roifd)en Äar=
nation itnb $o(orierung. Maunation ift bie Aolorierung fotdjer ©egen=
ftänbe, roeldje eine beftimmte (Sdrjönfjeit ber gPrm fyaben, aI3 uornetymlid)
be§ menfdjlidjen Äörperö. Äotorierung ift ber Öebraud) ber Sofalfarben
überhaupt. 5
Itnterfdneb in 2(nfet)ung ber ©djönfyeit be§ Sdiöbmd'ö, gtxjtfd^en tranfi=
torifdjem nnb permanentem. Qener ift geroaltfam nnb fotgltct) nie fdjön.
Siefer ift bie %ol$e oon ber öfteren 233ieberb,oIung bes erftern, »erträgt
fid; nid;t altein mit ber ©djönljeit, fonbern bringt and; mefjr Sßerfdnebem
tjeit in bie @d;önf)eit fetbft. 10
XXXIII.
2>beal ber forperüdjen ©djöntjeit. SSaö es ift? Go tieftest in bem
Sbeale ber £$fortn uornefjmlidj, bod) and; mit in bem gbeale ber £ar=
nation nnb be§ permanenten 2(nobrucfg.
2)ie btofje Äotorierung unb ber tranfitorifdje 2lusbrud Ijaben lein 15
^bzal: roeit bie 9?atur felbft fid; nidjtä Seftimmteö barin oorgefe^t fjat.
XXXIV.
gatfdje Übertragung be§ materifdjen 3beat3 in bie Sßoefie. 2)ort ift
e§ ein lybeal ber Äörper, fyier mu| ee> ein ^beat ber £anbhtngen fein.
Srnben in feiner SSorrebe jutn ^reönotj. Saco beim Sorot!). 20
XXXV.
9iod) übertriebner würbe e§ fein, roenn man nidtjt btofj von bem
iDidjter oolttommene moralifdje SBefen, fonbern roofjt gar oottlommene
fdjöne förperlidje SJBefen erroarten unb »erlangen rooltte. ©feicrjiüot)! tf)itt
biefeS §err 3£inreunann in feinem Urteile 00m ÜDiUton. pag. 28. &. b. $. 25
9Bin?eImann fdjetnet bcn 9J2üton wenig getefen 31t ijaben; fonft roürbe
er roiffen, baf? man fdron längft angemerft, nur er fyabe Seufel 311 fdüibern
gemußt, ob,ne 31t ber .ftäfdidjfeit ber gform feine ßuftucbt 5" nehmen.
(Sin foldjeö uerfeinerte SBilb ber teuffifdjen £äf$[id)rett fyatte utelleidjt
Chübo Dient im Äopfe (v. Drydens Preface to the Art of Painting 30
p. IX.). 2lber roeber er nod; fonft einer f;at eo ausgeführt.
9J(ittonö f)äfdid;e Silber aber, als bie ©ttnbe unb ber Job, gehören
gar nidjt 31a- §anblung, fonbern füllen btofs Gpifoben.
iliiltons Äunftgriff, auf biefe 2trt in ber Sßerfon be$ Xeufelo ben
Reiniger unb ben Öepeinigten 311 trennen, roeldje nad; bem gemeinen 33e= 35
griffe in ifnn »erbunben roerben.
lf. Parität unb flolorieruttfl, n>a§ man fyeute SnEarnat unb ftotorit nennt. —
6 ff. S3g(. meine Saofoouftubiett, §eft II, gteiB. i. fflr. 1882. — 12 ff. SBflL Waül B 9b.
— 18 f. SSgl. 9iad)t. A 2, Slfifdjn. IX; A4, 2. »feint., VIII. — 20. Über SD r 9 ben f.
oben <B. 90; über bu greSnog ©. 44. — Diobert Soiotf) (1711—1787) cttiert in
feiner Schrift De sacra poesi Hebraeorum eine Stelle au3 be§ Saco »on Skruiam
(1561— 1G26) ®d)rift De augmentis scieutianun, roottad) bie Sßoefie Ijei'oifdjcrc Ä^aten
erfinben foU, als fie bie SBirHittjteit barbietet. — 22 ff. Sgl. 9Ja*l. A 2, Slbfdjn. IX. —
32. SBg!. 2)leubel'j[o(;n'j Söemerfung oben S. 187.
ffintroürfc miö ^Materialien jur fortferjung bes Cacwoon. 225
XXXVI.
2lber audj t>on ben SgaupitjanbUmgen bes SJHIton [äffen fief; bie
roenigften malen. 335of;t; aber baraus folgt nid)t, bafc fie bei bem ÜDlüton
nidjt gemalet ftnb.
5 Sie ^poefie matt burd) einen einigen 3US: °ie Malerei imtjj alte
übrige Ijtngutljtm. %n ie"er alfo fann etwas fel)r malerifd) fein, roaS
fid) burd; biefe gar nia)t ausführen läfjt.
XXXVII.
gotglid) liegt es nid)t an bem oorsügßdjen Genie bes Römers, baft
10 Bei it)m altes 311 maten ift; fonbern lebiglid) an ber 3Bat)l ber SäKaterie.
fBemetfe biernon. ©rfter beweis, aus üerfrfjiebenen unftdjt&aren ©egen*
ftänben, roeldje dornet ebenfo unmaterifd; bel)anbelt b/it, als 9Jiilton,
3. ©. bie 3n>ietrad;t 2c.
XXXVIII.
15 groeiter beweis; aus ben fidjtbaren ©egenftänben, roetdEje SKifton
uortrefflid) bef)anbelt fjat. 35te Siebe im Sßarabiefe. Sie Cnnfaltigf'eit unb
2trmut bev diäter über biefes (Subjeft. Ser gegenfeitige9ieid;tum bes SOHlton.
XXXIX.
©türfe bes SJiilton in fucceffiuen ©emälben. (Stempel bauon aus1
20 alten 33üd)ern bes nertomen ^arabiefeö.
XL.
sDiiltons 9JMerei einzelner ftnnlidjer ©egenftänbe. 3>n biefer würbe
er bem §omer überlegen fein, wenn rotr ntebt fdwn erroiefen l)ätten, baf}
fte nrd)t für bie Sßoefte gehöret.
25 SReine iUeinung, baf? biefe Malerei eine ^-otge feiner 331tnbt)eit mar
©puren biefer f. SBIinbfjeit in nerfdn'ebnen einjeln ©teilen.
©ntgegengefefcter 23ewei$, bafj öomer nidjt blinb gewefen.
XLI.
9Jeue Seftärfung, baf? fidt) §omer nur auf fucceffitte ©emälbe ein*
30 getaffen, burd) bie Sßibertegung einiger (Einwürfe, als uon ber 23e=
fdjretbung bes 5ßalafte§ in ber 2>tiabe. (Sr wollte btojj tun begriff ber
©röfje baburd; erweden. 23efdueibung ber ©arten be§ Sttcinous;1) aua)
') Odyss. VII. rceldje 33efd)reibung ^ope fid) au§fud)te, unb in ben Guardian über*
fe$t einrüdtc, ei)e er nod) bas übrige übcrfefjte.
35 ebenfo berühmt roaren bei ben 2Ütcn bie ©arten be§ 2lboni§. Seren Beitreibung
bei bem Starim Ganto VI. 5ßerg(eid)ung biefer Beitreibung mit ber be5 ftomcrS.
Sie S3efd>reibung be§ ^arabiefeS beimüNüton: Book IX. v. 439. besgleidjen IV. 268.
2 ff. Sgl. 3tod)I. A 4, 2. sibfdjn., IX. — 10 einfältig feit, b. I). ©inf adrett. —
17. Subjeft, Sujet, sßorrourj. — gegen jeitige, entgegengefegte. — lüf. Sgl. unten
Sir. 7a, — £7. Sögl. sJiad)[. A 4, 2. Stbfdjn., XII unb unten 7b. — 31. gliabe, foli roold
Dbnffee tjeifjert; eö ift nialjrfdjetnlid) ber ^alaft be§ 2Ufinoo§ Db. VII, 84= ff J gemeint. —
33. £er Guardian, eine engtifdje äBocbenfcfirift, wie ber Speetator unb ber Connoisseur.
— 3G. 2)larini, SJeffing fctireibt ffllarino, meldie Siameusform aud) uorfommt. ©iambattifta
sJJiarini (156)— 1Ü25), S3erf. be§ A.done, ift 33egriinber be§ fog. stilo marinesco, ber fid;
burd; gejierte Stu^brüde (concetti) auSjeidmet.
ßefjtngä SSerte 9. 15
226 ttadjlalj jum ffinokoon.
biefe befdjreibt er nidjt als fct)öne (Segenftänbe, bie auf einmal als fdjön
in bie 2Iugen falten, iveldjeS fie in bev ^atur fetbft nidjt finb.
XLII.
©elbft bei bem Duib finb bie fucceffioen ©emälbe bie l)äufigften unb
fdjönftert; unb grabe baöjenige, ma§ nie gemalet morben, unb nie ge; 5
malet roerben t'ann.
XLIII.
Unter ben Öemätben ber §anblung gießt e§ eine ©attung, roo bie
ftanbtung nid)t in einem einigen Äörper fid) nad) unb naa) äußert,
fonbern roo fie in uerfdjiebne Körper neben einanber »erteilt ift. ®iefe 10
nenne id) tollef'tioe .Staublungen, unb e$ finb biejenigen, loeldje ber Malerei
unb ?poefte gemein finb. 2)od) mit nerfdjiebnen iSinfdjränfungen.
XLIV.
Sßte ber SMdjter Äörper nur anbeutungSraeife burd) ^Bewegungen
f Gilbert: fo fudjt er aud; fidjtltdje Gigenfdjaften bes ilörperä in ^Bewegungen 15
aufsulöfen. 2116 3. 6. bie Öröfje. SBeifpiel t»on ber frölje eines 23aume<3.
93on ber breite ber ^ijramiben. SSon ber ©röfje einer ©djlange.
XLV.
93on ber ^Bewegung in ber Malerei; warum fie nur 9Henfd>en unb
e ine Siere barin empfinben. 20
XL VI.
SSon ber Sdjnelligfeit; unb ben oerfdnebnen 9JJitteln be§ Sidjters
fie auojubrüd'en.
£>ie ©teile beim 9JJilton B. X. v. 90. Sie allgemeine 9ieflerjon
über bie ©dmelligteit ber Götter ift bei weiten »01t ber Sßirfung nidjt, 25
al3 ba§ 33ilb mürbe gewefen fein, meldjeS uns» Spornet auf eine ober bie
anbete 2lrt baoon gemarfjt l)ätte. SBielleidjt mürbe er, anftatt, „er flieg
fogleid; l)erab," gefagt (jaben: Gr mar fjerabgeftiegen.
7a. Qu Seite 225 3lt. XXXIX.
©emülbe beim 9)iitton. 30-
T. Son progreffuufdjen Gemalben, uon meldten un3 ftomer fo oor=
treffliche ä3eifpiele giebt, finben fid) aua) fet)r fdjöne beim iUUlton. 2113
a) ba§ Grfjeben bes> ©atanS au§ bem brennenben ^futjle. P. L.
B. I. v. 221—228.
ß) Sie erfte Gr'öffnung ber fröllenpforten burd) bie ©ünbe. B. II. 35.
v. 871—883.
y) Sie Gntftef)img ber SBelt. B. III. v. 708—718.
8 ff. SSgl. 9kd)l. A 3 unb A 4, 2. 2lbjd;n., XV. — Uff. 33g[. A 4, 2. 2tbfd)tt., X. —
19 f. Sgl. ebenba. — 22 f. SBgt. ebenba unb unten 7 c. — 21 ff. Sgl. unten 7d.
QSnimntfe mtb #latericilicn jur (forifetjung Des ffaokoon. 227
5) Ser ©prung beS ©atang in ba§ Sßarabteä. B. IV. v. 181— 183.
e) Ter gtug be§ 3tapljaet§ jur erbe. B. V. v. 246—277.
£) Ser erfte 2(ufbrud) be§ Ijimmlifdjen §eere§ miber bie rebetlifdjen
@ngel. B. VI. v. 56—78.
i]) Sie 2(nna4)erung ber ©djlange jur ©oa. IX. 509.
6) Sie ©rbauung ber SBrütfe oon ber öölle jur @rbe, oon ber ©ünbe
unb bem 2obe. X. 285.
i) Batans QurüdKunft 3ur 't10'^ UUÖ unfidjtbare SBcftcigung feines
Slironeo. X. 414.
-/.) Sie Sßerroanbtung beö ©otanä in eine Seetange. X. 510.
2(ud) bie Sdjönfjeit ber gorm fjat äRitton, nad) be3 Römers Lanier,
nid)t foioof)! nad) ifjren Sefianbieilen, alö nad) ifjrer SBirfung gefdjtlbert.
3Ran fefye bie Stelle oon ber 3iUrfung , roeldEje bie <2d)ünf)ett ber ©oa auf
ben Satan felbft fjat. Book IX. 455—466.
15 II. 2(ud) an fotdjeu Öemälben, bie nnrflid) von ber Ufalerei be=
tjanbelt werben fönnen, ift äJHTton weit reicher, als it)n Sanluä unb
SBinfelmann glaubt; obfd)on 3ttd;arbfon, ber fie auobrütflid) augjeid^nen
motten, in iljrer 35>at)l oft fef;v unglüdlid) unb unuerftänbig geioefen
ift- 3-®-
20 1. Sitdjarbfou füllt ben 9iapt)aet mit feinen brei s£aar 'glügefn (B. V.
277) für einen fdjönen Öegenftanb ber Malerei; unb eo ift offenbar,
bafs er eben biefer fedjsl glügel megen ein fef)r untauglicher ift. Db=
fdjon baö 33üb am beut ^ejaiao genommen ift, fo ift es bod; barum
nid)t§ materifdjer. Sie Öeftalt ber Gfjerubim ift ebenfo unmalerif d).
25 XI. 129.
2. Seogleidjen baö 23ilb ber aufredjt etnljergebenben Sdjlange. B. IX.
496, roetdjeS roiber alle ^onberation in ber 9J!a(erei fein würbe; ob
eö fdjon bei bem Sidjter fef;r gefällt.
7b. $u Seite 225 3tr. XL.
30 Sünbfjeit be§ SJHlton.
gdj bin ber Meinung, bafj bie 331iitbt)ett bes üDtütonä auf feine
2lrt 311 fdjilbern unb fid)tlid)e ©egenftänbe 51t befdjreiben einen (Sinftufj
gefjabt Ijat.
2lufeer bem Grempel, :oeIcr)eö id) bereits oon ben flammen, uieldje
35 Tvittftentiö oon ftdt) ftrafjlen, angemerft Ijabe, finbe id) eineo, (Paradise
lost B. 111. 722) roetdjeö oielleirijt gleid)fal(ö fjiefjer gejogen raerben fann.
1. B IV, in ber £bfc§r. irrtümlich B III. — 5. 509, genauer 4'J4 ff. — 17. Über
SRidjarbfon f. oben ©. 46. — 24. ber GJjerubim, bie §bfcf)r. f>at ber GljerubinS.
— 27. ^onberation, @eje§ ber Scbroere. — 34 f. 3iact> A 4, 2. Sl&fcön., XII.
15*
228 ikdjlaft jum ft'aokoon.
— Uriet null bem in einen ©ngel beö £id;tö rjerfteltten Satan, ben ©rb=
ball, bie äßofjnung beS 2Ketvfcfjen geigen, unb fagt:
Look downward on that globe, whose hither side
With light froni hence, though but reflected, shines.
„Siefye auf jenen Sali nieber, beffen Seite, bie nad) uns geraanbt ift, 5
mit Stdfjte fdjeinet, ba3 oon fjier entlehnet ift." — 9Jtan werfe, bafj
Leiber ÖeftdjtSpunft in ber (Sonne mar, oon ba auö fie nid)t metjr oon
bem (Srbballe fcljen fonnten, al§ eben bie Seite, raeldje ber Sonne ju=
gefeljret war. 9lu§ ben SBorten bes Sidjters aber follte eö fd)einen, als*
ob fie aud) oon baljer bie anbere unerleudjtete Raffte Ratten erbtiden 10
tonnen, meldjeS unm'öglid) ift. Sin bem 9JUmbe fönnen mir 3ioar öfters1
bie eine erleudjtete unb bie anbere unerleudjtete ,'oätfte erbliden ; aber ba§
uiad)t metl mir uns an einem brüten Orte befinben, unb nid)t in bem
fünfte, oon loetdjem bie (Srleudjtung ausgebt.
Sie allgemeine äßirfung feiner 33linbt)eit aber fdjeinet bie geftiffent= 15
lidje StuSmalung fidjtbarer öegenftänbe 311 fein. §omer malt bergleidjen
feiten met)r, al3 burd) ein einjigeä SBciroort; meil eine einjige (Sigenfd)aft
eines* fidjtbaren ©egenftanbes l)in(ängtid) ift, un§ bie anbern auf einmal
erinnerlid) 311 machen, inbem mir fie alle -Jage beifammen oor 2lugen
Imben. (Sin Slinber hingegen, bei bem bie (Sinbrüde ber fidjtbaren 20
©egenftänbe mit ber 3ei* immer ftfjroädjer unb fd)mäd;er merben muffen,
bei bem eine einjige (Sigenfdjaft eine3 Singes bie 23über ber übrigen nidjt
fo gefdnrünb unb lebfwft fyeroorbringen fann, raeit er fie öfters* beifammen
3U feljen bie Gelegenheit uerloren: (Sin Slinber mufj natürlicher SBcife
auf ben Ginfatl fommen, bie (Sigenfdjaften 31t fjäufen, um fid) burd) bie 25
(Srinnerung mehrerer Äennjeidjen, bas* 33ilb bes ©anjen lebhafter 311
ntadjen. SBenn SRofeg 3. ©. ®ott fagen läf;t: e§ merbe £id)t, unb es
marb Sidjt: fo brüd't fid) -Deofes nrie ein Seljenber gegen Sefjenbe aus.
5lur einem Slinben fann e§ einfommen, biefes Sictjt 31t befdvreiben; benn
ba bie (Srinnerung bes (Stnbrud'3, welchen bas Stdjt auf ilm gemadjt 30
bat, jel)v fdjiuad) geworben, fo fudjt er es burd) alles 311 oerftiirfen, ma§
er bei bem Sitfjte fo gebadjt ober eiupfunben I)at (P. L. Book VII. v. 243
biö 246):
Let there be light, said God, and forthwith light
Ethereal, first of things, quintessence pure, 35
Sprung froni the deep, and froni her native east
To journey through the airy gloorn began.
1 uev [tollten; prägnant für „roeldjer fiel) — ncrftciit hat". — 12. bie 1111 =
erleuchtete .vuittte, b. l>. bie eine .Hälfte ober ben einen Seil ber allein un>3 fid)tßaren
einen SKonbtjcüfte überhaupt.
iL'ntuuirfe unö jfSlaterhüint nir fortfctjung bes -ffaohoon. 229
7c. 3u Seite 226 SRr. XLV.
35en Sdjranien ber bilbenben fünfte 3ufolge, ftnb alle if»ce Figuren
unberoeglid). SDaä 8e6en ber ©eroegung roeldje fie ju fyaben fdjeinen, ift
i ber 3lIfn£ unferer Ginbilbung; bie fünft tfmt nicfjt<o als bafj fie imfere
5 (Sinbilbung in 33eiuegung fe£t. — 3euEt3, erjagt man, matte einen
fnaben, roeldjer Srauben trug, unb in biefem mar bie fünft ber Statin;
fo naf)e getonunen, bafj bie Söget barnad) flogen. Slber btefe§ madjte
ben 3eu£iä auf ftdj felbft unwillig. 3d) Ijaße, fagte er, bie Trauben
beffer gematt a(§ ben f naben ; benn f)ätte id) aud; biefen gehörig üollenbet,
10 fo f)ätten ftd; bie Söget uor if)in fdjeuen muffen. — Üßie fid; bod) ein
befd)eibner 9JJann oft felbft djiquanieret! 3$ muf? mid) be§ 3euE*3 miber
ben Senriö annehmen. Unb tjätteft bn, lieber SDieifter, ben Knaben aud)
nod) fo uollenbet, er mürbe bie Söget bod) ntdjt abgefdjred'et fjaben, nad)
feinen Trauben 31t fliegen. Sierifdje Singen ftnb fdjmerer 511 täufdjen
15 olä menfdjlidje; fie fefjen nicfjtä, al§ roa§ fie fef)en; unö hingegen Der*
führet bie (Sinbitbung, bafj mir and) ba§ 31t fefjen glauben, mag mir
md)t fef)en.
7d. 3u (Seite 226 «R r. XLVI.
Sie ©dmelligteit ift eine (Srfdjeinung jugleidj im Raunte, al3 in
20 bev 3eit- ©ie ift bao Sßrobuft üon ber i'tinge bes erftem, unb ber fürje
ber (entern.
©ie felbft alfo tann fein Sorrourf ber ÜOialerei fein; unb menn
Gaulus (Tab. VII. et XII. Lib. V de riliade) bem fünftler bei allen
©elegenfjeiten, roo fd;neller ^ßferbe gebadet roirb, forgfältig empfiehlt, alle
25 feine fünft ansuroenben, biefe ©dmelligfeit att§8ubrüc!en: fo fann man
fid) teidjt einbitben, baf$ man bfo£ bie Urfadje berfelben, bas 2tnftrengen
ber ^]ferbe, unb ben Stnfang berfelben, ben erften <Sat$ ber ^ferbe, 3U
fefjen befommen mürbe.1)
hingegen tonnen bie SMdjter biefe <3d)nelligfeit, auf mef)r als eine
30 SJßeife, ungemein ftnntid» ausbruden, nadjbem fie 1) entroeber, rcenn bie
') $d) erinnere mieb inbes liier einer 2lnmerfung, bie icf> bei (Megenfjcit eines ber
alten ©emälbe aus rem 3iafonifd)en ©rabmale gemaebt Ijabe. (Bellorius Tab. XII.) (5s
fteüet ben Diaub ber *proferr.ine oor. «piuto führet fie auf feinem »ierfpännigen SBagen
baoon, unb ift bereits an bem eingange bes Sloernus. ÜKerfur leitet bie Sioffe, beren
35 egale ecfjneUigfeit feEjr rootjt ausgebrüdft ift. 2lber bura) einen ganj befonberen fi'unftgriff,
bat ber ßünftler felbft in ben 3£agen etroas ju legen geroufjt, rocldjes uns feine Seroegung,
aurf) ofjne auf bie *pferbe ju feljen, feljr finnlicb. macfit. ©r seigt bie SHäber nämlicf) etroas
non ber ©eite unb »erfdEjoben , buref) roelcf)e Sßerfcfjiebung if;re äirfe(mäf;ige (Jigur in ein
Doal uerroaubeit roirb; unb inbem er biefes Deal ein roenig aufser feiner $erpenbiful=
40 linie gegen ben Ort ju, roo£)iu bie S3eroegung gefa)e^en foll, fteüet, fo erregt er baburdb
ben Segriff bes Umfallens, mit roelä)em Umfallen bes 9tabes bie Söeroegung notiuenbig
»erbunben ift.
äff. S. Plin. Hist. nat. XXXV, Kö unb Senec. eontrovers. X, 34, 27. Unglaube
roürbigc Äünftleranefbote. — 32. Bellorius, bei S. SBartoli, Pitture antiche del
sepolcro dei KTasoni. 2>iefe ©emälbe finb Ijeute nia^t metjr oorljanben. — 37 ff. Sin
ßuuftgriff, beffen fidt> auef) bie neuere Sllalerei bebient bat.
230 tkdjla^j nun Caokoon.
Sänge be§ 9taumo befannt ift, Domef)tnHd[) auf bte £ür3e ber 3ei* unfere
©tnbtlbungSlraft tieften; 2) ober einen fonberbaren ungeheuren SHafjftab
bc§ 3lautne§ annehmen; 3) ober aud), roeber ber 3ett nod) Deg ^Ratimeö
eviöäfjnen, fonbern blofs bie ©djnettigfeit au§> ben (Spuren fd) tieften laffen, ♦
bie ber beroegte Körper auf feinem Sßege jurücftäftt. 5
1) SBenn bie nerrcunbete SSenuS (Iliad. f. 3R5) auf bem Sßagen
be§ 93Iar§ non bem Sdjfadjtfelbe in ben Dfpmp 3uriidfäf)rt: fo ergreift
3ri§ ben gügel, treibet bie ^iferbe an, bie ^pferbe fliegen wütig, unb
fogleicf) finb fie ba.
Tläo <5>' of Igig zßocivs, xal r\vlu lect,txo %bqoiv 10
Mäaxi'E,tv 8' sXdav, rw d' ov-a &%ovxz ■JteTse&Tjv,
Alipu d' tTtsi&' i'xovxo 9tcöv töog, cdnvv "Olvanov.
Sie ,3eit, in welcher bie Sßferbe non bem Sd)tad)tfelbe in bem Dltjntp
anlangen, erfct)einet tjier nidjt gröfjet at§ bie 3eit jttnfdjen bem Sluffteigen
ber Srio unb bem Grgreifen ber Sügel, jmifeben bem ßrgreifen ber ftüqd 15
unb bem antreiben; snnfdEjen bem eintreiben unb ber Sßilligfett ber^Sferbe.
— ©in anbrer griedjtfdjer Sidjter läftt bie Seit, fo ?u reben, nodj ficfi>
barer oerfdjnnnben. 31 n t i p a t e r fagt non bem SMtläufer 2t r i a 5 (Anthol.
Hb. I):
^H yaQ icp' vonhjy/cov, i) xtQaaxog Eids xig cchqov 20
'Ht&iov, [liaam ö' ovnox' ivl exadtm.
9JJan fafje ben Jüngling entroebet nod) in ben Sdjranten, ober fdjon am
3iele; in ber Witte ber i'aufbalnt fafje man itjn nie.
2) Sßenn ^uno mit beinernen [jerabfäfyret, um bem Stutoergteften
be3 2ftars 31t fteuern (Iliad. t. 770): 25
"Ooeov 8' i]iQotidtg ccvr\q i'dsv öcp&altxoiaiv
r'H\lbVOg £V GH07T17], lhV6G(ÜV £Tll OlVOTTCi 7l6l'XOV,
Tooaov i7ti&Qm6w.ov6i &i&v vipr^itg innoi.
SBetd) ein Siaum; unb biefer 3iaum ift nur ein Sprung! Unb ift nur
bie ©He beö gansen SBeges, an beffen ©nbe bie Göttinnen fd)on gleicb, in 30
ber folgenben 3ei'e finb. — Scipio (Mentili in feinen 2(nmertungen über
ben Saffo (p. 7.), fagt bafj ein großer bamalö lebenber Sutnftridjter ben
Birgit getabett fyate, baft er ben 9JJerrur (Aeneid. lib. IV 252.), inbem
er non bem Dlnmpe nad) Karthago flieget, untermegenö auf bem Serge
2ltla<j ruf)en laffe; quasi che non si convenga ad uno Dio lo stau- 3.-,
carsi. allein, fiitjrt er fort, id) nevftelje biefen Giniuurf nidjt; unb ob,ne
3rceifet, baft ü)n Xaffo ebenfo menig uerftanb, melier fid; lein Sebenfen
madjt, ben Birgit in biefem Stürfe nad)3uaf)men. Senn 2affo läfjt ben
20f. Antlmi. Palat. IX, 557. — 30. GUc, fo ofel alä SDlaSpaB. — 31. ©entiti
1563— ick», ^Jrofeffor in SUtovf.
ÜBntJUÜrfe nnh ^Materialien pir ^Fortpe^ung &cs -Caofcoon. 231
©abriet, als er von ©ort jum ©ottfrteb rjeraBgefd^idEt mirb, auf bem
Si6anu§ rtfljen. (Ganto I. st. 14.) — 233ie Sfoffo ben Birgit Eiter nad)=
geatmet, fo ift Birgit bem §omer gefolgt; rceldjer ben SDlerlur, alö er
»ori bem Jupiter jur Äalnpfo gefenbet roirb, auf beut §ßtertu§ Station
5 Ijalten Iüf;t. (Odvss. f. 50.) SäReiner IKeinung md) (jätte ©entilt bem
-fiunftridjter jagen follen: ,,^l)v müßt biefeS 2(nf)alten auf bem 2(t(ao
ntd;t alg ein ,3eid)en ber (Srmübuug beo ©otteä betrachten ; als ein foldjeo
mürbe e§ allerbing§ unanftänbig fein. Sonbern bie 2lbjid)t be§ Sidjters
batet ift biefe: er null eutf) eine lebhaftere Qbee oon ber 333eite be3 Sjßeges
io madjeit, unb jerlegt um alfo in jmei Hälften, unb läfjt eudj aus ber
befannten ©röfje ber einen Heinern §älfte auf bie unbefaunte ©rÖjje
ber anbern §älfte fdjtiefjen." $on bem innerften Dtomp bis auf ben
periu§, ober 2lilaö; ober oon biefen 33ergen, bio in bie ^njel Dgugia
ober bis nad; Äartljago; unb fo wirb mir bie SBeite bes SBegeS finn=
15 lid;er, als menn e§ blofj fjiefje, auö bem Dlnmp nad) Dgngta ober ftar=
tljago. — STaffo bleibt genriffermajjen nur bartn tjinter ben alten ©idfjtera
ättrüd, baf; er einen 93erg nimmt, raeldjer bem Dxte, molün ber Gngel
gefdjtdt rcirb, ju naf)e Hegt. 33on Sortoja bio sunt Sibanus ift ein 311
Heiner SBeg, al§ bajj er mid), ben 2Beg oon bem Stbamts bio in ben
20 §tmmel mir bejonberS raeit uorsujtellen, oeranlajfen formte.
'6) 3}on biefer brüten 2(rt ift bie Skfdjreibung Homers uon ben
(Stuten bes ©rid)tf)omu3 (Iliad. XX. v. 22(5.):
Äl 6' 0Z£ [ISV GHlQTWiV tili ££l$0JQOV CiQOl'QCa',
"Ay.gov 1% av&tQriicov ycegTibv fttov, oiöt ■/.aTtv.lcov
25 'All' ort dij a-AiQTwiv in tvQsa v&xa 9,aXdßßr}g,
"Ay.gov inl QTjyfiivos &Xbs noXiofo &iißy.ov.
„Sie liefen über bie ©pttjen ber 2l()ren, oljne fte 31t beugen, unb liefen
auf ber fdjäumenben fylädje bes 9)ieeres einher." — (£0 ift pljilofopbjfd)
ridjtig, baf? bie äujjerfte ©ejd)nunbigfeit ben Körpern, über raetdje fte
so gefdjicfjt, feine $ett läfct, irgenb einen ©tnbruef anjunefmten; in bem
2lugenblide in meldjem ber Srud auf bie 3(l)re gefdjiel)et, ()öret er and)
fd)ou mieber auf; unb bie 2(f)re muf? fxcf» alfo in eben bemfelben 2(ugen=
blide beugen uuq mieber aufridjten ; bao ift, fie tmif; \\d) gar nidjt beugen.
— SHe Sacier, meldje bao erfte ftiov burd) marchoient überfe^t, ob^ne
35 3uie'fet tiuä ber Keinen nidjtönnirbigeit Urfadje, nid;t jtoeimal couroient
jagen 31t bürfen, oerbirbt bie ganse ©djontjeit ber Stelle. S)enn biefeö
marchoient inooluieret eine gemiffe i'angjamteit, mit melcfjer jene Qv-
jd^einung unmöglid) befteljen fann.
^nbe§, fann man jagen, muj? biejeä aud) nod) fo fdntelle 3(ujfe^en
40 auf bie unterliegenben Äörper, bennod; bie 23emegung in etmaö langfainer
4. 5pteriu§; §omer nennt bie vanbfd>aft ipierien am 5'uf> be? DhjmpS; ber 6etr.
SBerg heißt in ber SHeget ^iero'3. — 35. nid; toiuiirbig im Sinne »cm umoürbig, nid)t
ber Siebe t»ert.
232 llnrijlafj pint Caohoon.
macfjen, »Denn btefeiS ©troaio and) fd^on noct) fo unenbitd), nod; fo un=
merflid; ift. Unb ba^er lajjt .'öomer feine Götter, roenn er iljnen bte
attermögftci)fte ©dfjneHiglett geben will, gar nidjt auffegen, ben Soben
gar nidjt berühren, Jonbern über ben Soben bafjin ftreidjen; unb jraar
ot)ne A'Ortje^ung ber £$füj$e, mit an einanber gefdjtoffenen Seinen, med 5
fa)on bie roed^fetSroeife Seioegung berfelben 33er3ögerung unb 2Iufentf)ait
ju erfobern fdjeinet. (De gressu Deorum v. Comment. in Virgil. lib. I
Aeneid. Et rera incessu patuit Dea. et Woverius cap. I de Unibra.)
SMefe feinen ©Ottern etgentümlidje Seioegung nergleidjt ber ©itfjter mit
bem pflüge ber Rauben: a(6 roenn er oon ber ^uno unb Sftineroa fagt 10
(Iliad. e. 778):
Al de ßc'cTijr TQr'iQcoai Tttleiäaiv l&ua&' buolca.
Senn aläbenn ift ber A~dug ber Rauben am fdjnedften, roenn fie mit
unberoeglidjen klügeln bafjin fdjiefjen, mie Sirgd fagt:
Radit iter liquidum, celeres neque commovet alas. 15
GuftaÜjiuö jRiar meint, baf? fie fyier ben Rauben Dergttd)en werben, med
bie Sitten geglaubt, bafc bie gufjtapfen ber Sauben nidjt 311 fel)en mären.
2tuö ber ^Bewegung mit gefddoffenen güfjen roirb aud) 9ieptun uom 2tja3
erfannt. Iliad. IV. 71 nadj ber 2Iu$legung be§ yelioboruö, Aeth. lib. III.
p. 157. Edit, Comniel. 20
Unb biefen ©tanb mit gefdjtoffenen Seinen, med er ein Stlb ber
©djneHigfeit fei, fagt öeltoboruö, fjätten bie itgpptier bafyer aud) ben
Sdbfäulen d)rer Öötter gegeben.
9)iir fiel fjierbei ein, bafs man aud) ben fenfredden öaug ber 2trme in
ben ägpptifdjen formen auf biefe <2dmeUtgfeit jietyen tonnte; benn dernissis 25
manibus fugere, fagten bie 2Uten, fei fo gefdmnnb a(§ möglidj fliegen,
unb 2(riftotete3 mertt auobrüdlid) an (Aristot. de incessu animalium,
et Erasmi Adagia p. (500 Edit. Francof. 1646.), ort ol fteovreg
&cizzov fteovai nagaGeiovres rüg ^ttjottg.
3)od) biefer f entrechte £>ang ber 2(rme, biefer gefd)(offene ©tanb ber 30
Seine, mar nidjt ben äguptifdjen ©Ortzeiten befonberä, fonbern ifjren
menfd)(id)en Figuren überhaupt gemein.
2A$of)er biefes? 2)ie natürlidjfte Stellung ift e3 geroif? nid)t; benn
ob e3 fd)on bie einfälttgfte 311 fein fdjetnt, fo ift e3 bod) gemifj, bafs fid)
ber 9)Jenftt) am fettenften barin befinbet: roeöfjatb td) nid)t begreifen fann, 35
roie, nad) fterrn 2ß. (p. 8), ber 2(nfang ber Äunft fetbft auf bie ägtjptifdjen
formen führen tonnen.
1. locnn, bie .£>bid)r- bat „roie", roa§ roofyl nur für „loenn" oerfrfjrieben ift — 8. 3fo =
Ijaiui oan bem SBouiocr 1.074— 1612. — 13 f. 2). f). mit fcfjeiiibar unBeroeglidjett g-Higeln.
— 15. A.en. V. 217. — 16. (Suftat^tuä, Srjbifdiof oon SJjeffaloitid) (geft. na$ 1194),
ber Sßerf. bes gelehrten «ommentarS jum ^omer. — 19 f. 2lu5ga6e oon §e!iobor§
Aethiopica, einem gried). 3iomnii, oou ^licronpm. ßommelin, 2non lt>40. £>eIio=
bor lebte im 4. 3<tf}r|. n. G"t)r. alö 4<if4of oon Xritfa in Jliefiatien. — 21. ©tanb =
Stellung. — 2.r> ff. ÖJebt auf bie sberoegung ber f)erabf)nngcnbcn 2trme, aber nid)t auf fenl=
red)teS herabhängen berfelben. — 28. (SraSmuö oon Siotterbam 1467 — 1536.
{Entwürfe unb ;ÜHatcrialicn jur fortfeijung ins ffaokoon. 233
2>ietletd)t bütfie man fetgen: eä ift bei- Staub ber r/ofltgen 9tulje,
unb nur biefcn dielten bie äggptifti^en Äünftter tf;ven un6eroegttä)en 9}aa>
afymungen für anftänbig unb juträglidj.
£od; fo früf) räfonnieret man in ber Äunft ntdjt, unb bie erften
5 SSeftittmrongen erhält bie ft'unft meljr burdj äujjerlicfje 33eranlaffungen,
alö burd) Überlegungen.
SMcitte Meinung ift nlfo biefe: bie erften ägnptifdjen Aiguren ftanben
mit fenfredden 2lrmen, unb mit 3ufammengefd)foffenen güfjen. SRan tfjtte
noefj baö britte Äennjetdfjen fjinsu, mit jugef d)loffenen 2(ugen, unb man
10 f)at offenbar bie (Stellung eineö SeidEjnatneg. SRun erinnere man ficf>,
meldte Sorgfalt bie alten 2(guptier auf bie Seidfjname manbten, roie üiet
Äunft unb Soften fie anmanbten, felbtge utmerroeSUclj ju erhalten, unb
e§ ift natürlirf), bafj fie and) baö 2lnfeb,en beö Sßerftor&enen »erben 5U
erhalten gefudjt fmben. Siefeö brachte fie auf bie SDtaterei unb bilbenben
15 .Hünfte überhaupt. Sie machten über baö ©eficfjt beö SeidEjnamö eine
2trt oon Saroe, auf melier fie bie @efidjt§jüge beö Sßerftorbenen nad;
ber 2lf)nlid)feit auöbrüdten. (Sine foicfje Saroe, ift bie Persona Aegyptiaca
bei beirt Seger T. III. p. 402 roetdje §err äöinfelmann unrichtig eine
ffliumie nennt (S. 3-2 n. 2.). 2)od) nid)t altein baö ©efidjt, and) ber
20 gan3e Körper raarb in eine 2lrt oon folgern §Dta§fe eingefaßt, meldte bie
Öeftatt beöfelben auöbrüdte, baf»er fie »crobotuö (Lib. IL p. 143. Edit.
Wesseling.) auöbrüdlid) '£,vXivov xvitov äv&QamotiSici nennet.
§err 3Binfelmann mill e§ jroar leugnen, baf? bie älteften menfdjtidjen
Figuren mit jugefdjlofjnen 2lugen gemefen; unb erfläret baö (isfivaoTa
25 beim Sioboruö burd) nietantia (S. 8. 2lnm. 3. So f)at eö and) fdjon
Wtavfyam überfefct, Can. Chron. pag. 292. Edit. Lips.). 2U(ein bie
uoruebmfte Urfadje, warum er biefe 2(uölegung madjt, fällt roeg, roenn
man ben Sioboruö felbft nactjfiefjet. Sioboruö fagt nidtjt, bafj bie 23ilb=
jaulen beö Säbaluö mit jugefdjfoffenen 2tugen gemefen, raie fterr 3Btnfek
30 mann uorgiebt; Jonbern er fagt gerabe baö ©egenteit: Sie 93ilbfäulen
oor bem Säbaluö Ratten 3ugefd)(offene 2tugen, aber SDäbatuö öffnete fie
ifjnen ; fo roie er bie Seine iljnen auö einanber fe^te, unb bie 2lrme lüftete.
2(uö meiner Grflärung oon bem Urfprunge ber ägnptifdjen Äunft,
täfet fid) and) nod) erflären, warum bie älteften äguptifdjen Figuren mit
35 bem bilden an einer Säule anliegen. @ö roar ber ©ebraud) ber 2(gnptier
bie nad) ber g-tgur beö Seidjnamö gearbeiteten Särge an bie 2)tauer 311
lehnen: unb baö erfte fjöljerne ober fteinerne Silb mar nichts alö bie
grobe 9iad)ab,mung eineö fotdjen Sargeö.
Sßaö »or bem Säbatuö atfo in 2(gnpten nidjtö alö ein religiöfer
40 ©ebraud; mar, ein blofjeö Hilfsmittel beö Öebädrtntffeö , ertjob Säbaluö
7 ff. ffiiefe neue Seutung ift fidjerlidi unrichtig. — 18. 'Seger, 3Htertinn§for)djer(
1653—1705. — 19 ff. Solche ^bljerne Sarfop^age in üKumieiigeftalt finb betanittlirf) nod)
uihlreid) erhalten. — 25. SMoboruS, in ber Söefdjreibung ber non £äbatu-5 gefertigten
Silbiäulen, IV, 76. — 26. Can. Chron. etc., b. i). Canon chronicus Acgyptiacus.
Ehraicus. Graecus, »on 3o^. 3)larf^aiu (1602 — 1685).
234 tkdjlnfj {um ffaohoon.
jur .uunft, inbem er bie Juidjaljmungen toter Äörper ju 9?ad)ab,mungen
tefcenbiger Körper madjte; unb baljer alle baö g-abelfjafte, roas man uon
feinen SBerfen erbicr)tote.
Socf; bie ägr»ptifd^en Äünftler fet&ft muffen btefen Schritt beö Säbatuö
fcalb nadjgetfjan Jjaben. Senn nad) bem ©toboruö (lib. I.) ift ©äbaluä 5
felbft in Ägypten geiuefen, unb fjat ftd) and) ba burd) feine $nnft einen
unfterbtidjen Sfturjm erroorben. „parallel bid^t 5ufammenftel)enbe }$\ifc,
rote fie einige alte ©fribenten anjubeuten fdjeinen, fagt §err SB., bat
leine einige übrig gebliebene ägtjptifdje jyigxtr." (©. 39.) %<$) mödjte
baö Sorgeben biefer alten ©fribenteu, roeldjeö 311 einmütig unb ju auö= 10
brüd'tid) ift, nidjt uerbädjtig madjen. 9Jlan barf nur erroägen, bafj bie
älteften Sßerle ber ©futptur, befonberö bei ben 2'lgnptiern forcof)! alö
©rieben, uon $oIj untren: (Pausanias Corintb. cap. XIX. p. 152.
Edit. Kuhn.) fo fällt bie 3>eruumberung grbftenteitö roeg, bafj fid) feinö
banon ermatten, ©enug baf? mir ben parallelen ©taub ber güfje auf 15
anbern SSerfen ber alten ägnptifdjen Äunft, als auf ber Tabula Isiaca
notf) erblitfen.
Sie Stgnptier blieben bei ben erften SBer&efferungen beö Säbaluö
fteben: bie ©riedjen erfjoben fie weiter bis jur 5>ollfommenf)eit.
8. 20
Ciuihocn.
©injelne ©ebanfen sur fyortfefcung meinet Sßerfö.
9tad) beut v}>etit mufste notiuenbig baö Munftmert fpäter fein, als bie
93efd)reibung äMrgilö: beim er null, bafj bie ganje ©pifobe beö Saofoonö
eine ©rfmbung beö Sirgifö fei. (Miscell. observ. Lib. 1Y. cap. XIII.) 25
Tametsi Servins revera hoc Laocoonti acciclisse ex Euphorione
refert: quod piaculuui contraxisset coeundo cum uxore ante siinu-
lacrum numinis. verosirnilius tamen est, a Marone hoc toturn
fuisse inventum, ac pro machina induetum qua dignum vindice
nodura explicaret, quomodo videlicet ausi sint Trojani tam enor- 30
mem et coneavam sirnulacri compagern transferre in urbem &c.
2tttein biefe Meinung beö v}>etit ift leidjt 311 roiberlegen: inbem ber Spuren
ber nämlidjen Wefd)id)te beö Saofoon bei frühem unb jjroär gviecr)ifcf)en
©fribenteu, ebenfo viele alö tlare unb beutlidje finb.
4 ff. SDcr tiinftljiftovifdic £eil biefer Slnmerfung ift nadi bem heutigen ©tanbpunit ber
SBiffenfcijaft aänUid) unhaltbar. — 5. Hl' t, cap. 27. — 16. Tabula Isiaca, flipferne
arafel mit eingelegten giguren oon Silber, im ähifeum 51t Suriit. — 9ir. 8 rüört auS
Veffingi Äotteltaneen fjer. 2:s. Samuel ^etit, f. oben <B. 173.
©ntroürfc unb ^Materialien uir ^ortfcipmg bcs ffaohoou. 235
3d) behaupte, bafi nur baö bie Sefümmung einer töunft fein tann,
1U0311 fte einjig unb nilein gefdjtcft ift, imb nidjt ba3, rcaö anbre fünfte
ebenfogut, roo nid)t beffer f'önnen, al§ fte I^d) finbe bei bem Sßtutard)
ein Wletd)m§, baS biefeä febr tooljl erläutert, SBer, fagt er (de Audit.
5 p. 4o. edit. Xyl.), mit bem Sdjlüffet §o!j fpellen unb mit bev 2(rt
©fjüren öffnen null, nerbtrbt nid)t forooljt beibe Sßerfjeuge, at§ bajj er ftdj
fetbft beö SRu|en§ beiber Sßerfjeuge beraubt.
9.
a.
10 ©ie eigentliche 53eftimmung einer fdjönen fünft fann nur baöjenige
fein, voa§ fte ofyne Seiljilfe einer anbern Ijeröorju&ringen imftanbe ift.
©iefeä ift bei ber ÜDtalerei bie förpertidje Od) Ortzeit.
Um förperlidje ©dpnljetten »on mef)r at3 einer 2Irt sufammenbringen
ju tonnen, fiel man auf üa$ öiftorien malen.
15 ©er 2htsbrud, bie ^orftellung ber SMfiorie, mar nidjt bie tefcte 2(bfid)t
bes 9KaIer§. ©ie ötftorie mar bfofj ein 3Kittel feine lel5te 2(bfid)t, mannt g«
faltige ©djönfjeit, 51t erreichen.
Sie neuen 9)Mer madjen offenbar baö bittet gilt 2(bfid)t. Sie
malen Jpiftorie, um £iftorie 51t malen, unb bebenfen nid)t, bafc fte baburd)
20 if)re fünft nur 31t einer &tlfe anbrer fünfte unb SBiffenfdjaften madjen,
ober menigftenö fid) bie Jöilfe ber anbern fünfte unb 2Biffenfd)aften fo
unentbetjrlid) mad)en, bafe ifjre ßunft ben 3Sert einer primitiven fünft
gän&ftdf} baburdj verlieret.
b.
25 ©er 2(uöbritd förperlidjer @d)önf)eit ift bie 93eftimmung ber Malerei.
©ie l)öd)fte körperliche ©djön^eit alfo, ifjre fyödjfte 33eftimmung.
©ie [)öd)fte förpertidje £d)önf)eit erjftieret nur in bem 3Wenfd)en, unb
aud) nur in biefem nermöge beö 2;bea(3.
©iefeo gbeal finbet bei ben Sieren jtfjon weniger, in ber oegetabUi«
30 fdjen unb teblofen -föatur aber gar nidjt ftatt.
©iefeö ift e3, maö bem Blumen-- unb Sanbfdjaftämafer feinen 9tong
anweifet.
Gr afmtet Sdjönfyeiten nad), bie feines J^eats fäfjtg ftnb; er arbeitet
alfo Mofs mit bem Singe unb mit ber ftanb; unb bas Öenie Ijat an feinem
35 SBerfe wenig ober gar feinen 2(nteü.
5. Xyl., b. i). Xylander, £>erau§g. beS Sßtutardj (1532-1576). — fpellen, b. i).
galten, Hein machen; ugl. ba>3 SBort £peil. — Uff. Sgl. Slacfil. B 7, Stbfdju. XXXI. —
13 f. GJeroifs nidit; Seffing läßt fid) bjer 511 feljr uon feiner t>orgefaf;ten SBleinung leiten. —
24 ff. Sgl. !)tad)l. B 7, 2lbfdm. XXXIII. — 29 f. aiudj biefed ift nidjt faltbar, ba aud)
bie uegetabilifdie unb leblofe 9Jatur ein gbeal r>at. Seffingä ©tanbpunft gegenüber ber
£>iftorien= unb Sanbfdjaftsmalerei ift überhaupt iu einfeitig.
236 ttadjklj jum ffiookoon.
3>odj 3tef)e idj nodj immer ben i'anbfdjaftömater bemjenigen ^iftortetts
maier cor, ber oljne feine £>aur>tabfid)t auf bie Srfjönfjeit 51t richten, nur
M lumpen ^erfonen matt, um feine 6efd)idlid)feit in bem btofeen 2(u3brurfe,
unb nidjt in bem ber <Sdjönf)eit uniergeorbneten 2(uöbrud'e, 31t geigen.
10. 5
Son ben notroenbigen 5*e^ern-
3)icfe§ Kapitel ber 2(riftotelifdjen Sidjtfunft ift ßiöfjer nod; am
roenigften fommentieret roorben.
Qdj nenne notroenbige $efjler foldje, ofjne roeldjc uorjüglidje ©djön=
Ijeiten nidjt fein mürben; benen man nidjt anbers als mit SSertuft biefer 10
©djönljeiten abhelfen fann.
©0 ift im 9-ltiIton ein notroenbiger fyefjler, ber Öebraud) ber Sprache
in allem bem weiten Umfange, roeldjer Äemuiüffe üorausfetjt, bie 2lbam
nodj nidjt galten tonnte, ©g ift roafjr, 2lbam tonnte fo unb fo nidjt
reben, man tonnte mit itjm fo unb fo nidjt reben: aber fofjt tljtt reben, 15
mie er Ijätte reben muffen, fo fällt gugteid; ba$ grofje r-ortrefftidje Söilb
meg, roeldjeö ber 35id)ter feinen Sefern madjt. Hub e3 ift oljnftreitig bie
l)'öf)ere 2lbfidjt beS ©idjterg, bie Sßfjantafie feiner Sefer mit fdjönen unb
großen Silbern 311 füllen, al3 überall abäquat 311 fein. 3- ©• B- V. 588.
üon ben gfafjnen unb (Stanbarten ber Gngel — — 20
SeSgletdjen gehören feine tfyeofogifdjeu fjfeljler fjierljer; ober basjenige
raas mit ben genauem Segriffen, bie mir un§ t)on bem ©efjeimniffe ber
Religion 31t madjen Ijaben, 311 ftreiten fdjeinet, olme meldjesi er aber ba£
in feiner unS ftnnüd) 3U mndjenben Zeitfolge f)ätte ersäfjlen tonnen, mos"
cor ber $eit gefdjafje. $. ®. menn er ben 2ttlmäd)ttgen (B. V. 603) 3U 25
feinen ßngeln fagen lafst
This clay I have begot whom I declare
My only son, and on this holy hill
Hiui have anointed, whom ye now behold
At my right hand; your head I him appoint. 30
freute mag Ijier immer tjeifjen uon Gnngfeit; ©Ott Ijatte ben Soljn oon
©rotgleit gejeugt; gut: aber biefer Sofjn mar bodj nidjt oon (Sroigteit
bas ma$ er fein follte, ober er roarb roettigftenü nidjt bafür erfannt. @ö
gab eine $e\t, ba bie (Smgel nidjts non ifnn raufjten, ba fie ilm nidjt 3ur
SRedjten beS SBaterS fafjen, ba er nodj nidjt für tfjren frerm ertlärt mar. 35
Unb ba3 ift und) unferer Drttjobojte falfd). 3Q3iD man fagen, ©ott blatte
biö bal)in bie CS'ngel in ber Unrotffenfjeit uon ben Wefjeimniffen feiner
Treicinigfett gelaffen: fo mürben eine 9JJenge abgefdjmatfte unb unt>er=
7. 2Iriftotelifd&e 5D i cf> t f « n ft , Map. 25.
(ffiitiuürfe unö ^tBlatertalint ;ur ^ffortfWnmg fccs Caokoon. 237
bauliche Singe barau§ folgen. Sie maljre Gntfdndbigung beö 9Jiitton ift
biefe, bafj er notroenbig biefen fyef;ler begeben nuifjte, bafj biefer 'gefjler
auf leine SEßeife auöjuweidjen ift, wenn er ba§ nadj einer unö oetftänfc
liefert Zeitfolge erjagten will, wag in feiner foldjen 3eitfo(ge gefdfjeljen
5 ift. ©oll bie Urfadje beö g-alte3 ber b'bfen ©ngel tfjre Seneibung ber
fyöfjem Söürbe beö ©oljne§ fein, fo nutfj man fid) uorftetfen, bajj biefe
33enetbung ebenfo uon ©nngl'eit erfolgt, ats> bie ©eburt be§ <Sot)ne§ :c.
Slttein id) bente überhaupt, bajj Litton eine beffre Urfadte I)ätte erbeuten
folten, al§ biefe, metdje nidjt in ber ©djrtft, fonbern nur btofs in ben
10 SBorftellungen einiger Äirdjeiunvter gegrünbet ift.
11.
SSon ber Sßerfdjiebentjeit ber Qeirfjen, bereu fid) bie fdjönen fünfte
bebienen, fanget and) bie 2ßijgftd)Ieit unb Seidjtigteit ab, mehrere ber=
fetben mit einanber 31t einer gemeinfdjaftttdjen JBirfwtg 311 oerbinben.
15 Sie $erfdnebenf)eit jtuar, nad; roetdjer fidt) ein Seit ber fdjönen
fünfte raittfürtidjer unb ber anbere natürlicher 3eid;en bebienet, tann bei
biefer SBerbmbung nidjt befonberö in öetradjtung fommen. Sa bie u>ill=
fürttdjen 3eid;en eben beSroegen weit fie nntttürlid) finb, alte mögftdje
Singe in alten ifjren möglidjen SSerbinbimgen auobrüd'en Binnen, fo ift
20 üou biefer Seite ifjre SSerbmbung mit ben natürttdjen Seidjjen °fyne 2(u3-
naf)ine mögtid).
2lltein, ba biefe tüiUturlidje ßeidien jugteidj auf einanber fotgenbe
3eid}en finb, bie natürlichen 3eidjen aber nid)t alte auf einanber folgen,
fonbern eine 2(rt berf elben neben einanber georbnet werben muffen : fo folget
25 non fetbft, ba£ bie unllrurlidjen 3eidjjen fid; mit biefen beiben Sitten natür«
tiefer 3eid)en nidjt gleid) teidjt unb gleid) intim werben Bereinigen taffeu.
Safj nnltrurlidje auf einanber fotgenbe 3eid)en nut natürlichen auf
einanber fotgenben 3eiQ)en f'0) leidster 4tnb intimer werben Bereinigen
tav'n, atö mit natürlichen neben einanber georbneten ßeidjen, ift ffar. Sa
30 aber auf beiben Seiten nod; ber Unterfdneb Ijinplotttmen tann, baf? e3
entweber 3eid)en f"1* einerlei ober für nerfdjiebne Sinne finb, fo tann
biefe intime SBerbmbung wieberum ifjre ©rabe t)aben.
1. Sie Bereinigung toittfurtidier, auf einanber fotgenber prbarer
3eicf)en, mit natürtidjen, auf einanber fotgenben fjörbaren 3eid)en, ift im*
35 ftreitig unter alten möglichen bie noUfommenfte, befonberö loenn noct)
biefeö [jingutömmt, bafj beibertei 3eid)en nid;t allein für einerlei (Sinn
finb, fonbern aud) von ebenbemfelben Drgano 311 gteidjer 3eit gefafjt unb
{jeruorgebradjt werben tonnen.
3Son biefer 2(rt ift bie 9jerbinbung ber ^oefie unb 2Ruftö, fo bafj
40 bie Jlatur fetbft fie nidjt fowof)l 3itr Serbinbung, at§ nielmetjr 311 einer
unb eben berfetben Sunft beftimmt 3U fjaben fdjeinet.
238 lladjlalj ptm 4'aokoon.
Gs fjat aud) mirflid; eine 3"t gegeben, iuo fie 6eibe jufammen nur
eine Äunft ausmad;ten. 3d) null tnbeiB nidjt leugnen, bafs bie Trennung
nidjt natürlich erfolgt fei, nod; roemgef null id; bie 2lusübung ber einen
ohne bie anbere tabeln; aber id) barf bod; bebauern, bafc burd; biefe
Trennung man an bie SOerbinbung faft gar nid;t met;r benft, ober rcenn 5
man ja nod; baran benft, man bie eine Äunft nur 311 einer frilfsfunft ber
anbern madjt, unb oon einer gemeinfd;aftlid;en Sßirtung, toeW;e beibe 51t
gleiten Seilen (;eroorbringen, gar nid;ts mef;r roeifj. öernad; i(t nod;
aud; biefes 31t erinnern, baf? man nur eine 33erbinbung ausübet, in
meldjer bie £id;tfunft bie fjelfenbe Äunft ift, nümtid; in ber Dper, bie 10
'■Kerbinbung aber, 100 bie üDhtfif bie fjelfcnbe Jhtnft märe, nod; unbearbeitet
gelaffen f;at. ') Dber füllte tdt) jagen, bafj man in ber Dper auf beibe
SBerbinbungen gebadet \jabc; nümtid; auf bie SBerbinbung, mo bie ^ßoefie
bie t;elfenbe Atunft ift, in ber 2trie; unb auf bie SSerbinbung, rao bie 2BufiI
bie fjetfenbe Äunft ift, im Siecitatioe? Gs fdjetnet fo. -Kur bürfte bie 15
g-rage babei fein, ob biefe oermifdjte 25erbinbung, mo um bie 9iei(;e bie
eine Hunft ber anbern fubferoieret, in einem unb eben bemfelben Öan3en
natürüd; fei, unb ob bie mollüftigere, rceldies of;nftreitig bie ift, wo bie
v}>oefte ber 9Jhifif fubferuierei, nidjt ber anbern fdmbet, unb unfer Dt;r
ju fefjr oergnüget, als bafj es bas wenigere Vergnügen bei ber anbern 20
nidjt 31t matt unb fdjtäfrig finben fotlte.
Siefes ©ubferoieren unter ben beiben fünften, befielet barin, bafj
bie eine cor ber anbern 511m ftauptwerfe gemacfjt wirb, nid;t aber barin,
bafs fidt) bie eine blofj nad; ber anbern richtet, unb wenn i^re oerfcfjiebne
Siegeln in iloüifion fommen, baf? bie eine ber anbern fo oiel nadjgiebt, als 25
möglief). Senn biefes ift aud; in ber alten SJerbinbung gefd;ef;en.
Slber wot;er biefe oerfd;iebne Siegeln, wenn es roaljr ift, bafs beiber
3eid;en einer fo intimen 3Jerbinbung fäfjig finb? Saljer, bafj beiber
3eid;en 3ioar in ber 5°^Se ber ,3eit wirfen, aber bas SJiaf^ ber $eit
') 3SicUetct)t liejje fief) bierattS ejn toefentlidjeS Untevfd)eibung53eid)en äwifdjen ber 30
franjöfifcben unb italienifc^en Dper fefife^cn.
gn ber frangöfif^en Oper ift bie i'oefie weniger bie A>i[f(unft; unb e§ ift natürlid),
bafi bie ÜJiufif berfeloen fonad) nidjt fo brillant inerben tonne.
gn ber italienifdjen hingegen ift alle? ber Dhifif untergeorbuet. 2iefe3 ficht man felBft
aus ber ©inrichtung ber Opern bc§ ÜÄctaftafio ; au>3 ber unnötigen Häufung ber Sßerfonen 35
3. ©. in ber 3enobia, toeldje nod) weit uernndelter ift, aß ErebiDonS; auZ ber Übeln GSe«
TOof;n!)cit jebe Scene, aud) bie aUerpaffiouiertefte, mit einer Slrie 511 fcbliefsen. (SDer Säuger
n)ill beim Ülbgeljen für feine (Sabence gctlatfdjt fein.)
3)lan müfjte in biefer 2lbfid)t bie beften fraiyöfifcöeu Dpern, aß 2lti)>3 unb 9lrmibe
gegen bie beften bei 3)!etaftafio imtcrfudjen. 40
12 ff. veffing mujj, aß er bie§ fdjrieb, nod) feine ffienntniS uon bem fog. ÜKelobrama
gehabt Ijaben, aß befjeu ^injang mau gemB^nlia) SHouffeauä ^Sngmation bejeicljnct unb baiS
in ©eutfcblanb feine Sluibitbung oome^mlid) burd) ben Komponiften ©eorg iöenba (1721
bis I7ii5) erbielt. — 17. f ubferoieret, fid) unterorbnet. — 22 ff. Sie Slnnäbentng an bie
uon 9Jid;arb SBagncr in feinem aJUifitbrama oerfolgten Scnbeuäcn ift fiter bead^ten-ärcert. —
35. j-ietre Antonio SKetaftafio, Sdiöpfer beä neueren italienifdien ©ingfpiely, 1098
bß 17»2. — 31;. SJJrofper ^oltjot be Grebillon b. ^i., Srauerfpielbiditer 1074— 1762.
— 89. atnä unb Slrmibe, Dpern beS befaunten Sulli) (1633— liiö7).
Entwürfe unb jfttattrialim jur fortfetjung bes ffaohoon. 239
roeldjeö ben 3eitf)en Der eincn unD ^en 3c^en De* unbern entfprid^t, nicf;t
einerlei ift. Sie etnjetn £öne in ber äßufil finb leine 3eid)en' f'e &ß-
beuten nidjtö unb bruden nidjtS au§; fonbern ifjre 3e^cf)en f"lD D*e 5'°'öen
bev Söne, meldje fieibenfdjctft erregen unb bebeuten fönnen. Sie roiH»
5 fürtidjen 3eid;en ber SBorte hingegen bebeuten oor fid) felbft etmaS, unb
ein einziger Saut als railtfürtidjeS ßeid^en fann fo niet auSbrüden, at3 bie
3Jhtfit nid)t anbero al§ in einer langen $olge »on Sönen empfinblid)
madjen fann. £>ierau3 entspringt bie Siegel, bafj bie Boefte, roetdje mit
•äRuftf oerbunben werben folf, nid)t uon ber gebrungenen 2(rt fein mufj;
10 bafe es bei ifjr feine <3d)önl)eit ift, ben beften ©ebanfeu in fo wenig al3
mbgttdje SBorte 311 bringen, fonbern bajj fie uielmefjr jebem ©ebanfen
burdj bie tängften gefdjmeibigften SBorte fo Diel Stuäbeljnung geben mufj,
alö bie 3Kuftf braudjt, etroaä 2lt)nlid)e3 fjeruorbringen 311 tonnen. 9J!an
Jjai ben Äomponiften oorgeroorfen, bafj it)neu bie fdjledjtefte poefie bie
15 befte märe, unb fie baburd) tädjerlid) 311 madjen geglaubt. 2lber fie ift
itjnen ntcfjt beSwegen bie liebfte, roeil fie fd;led)t ift, fonbern roeil bie
fdjledjte nidjt gebrängt unb gepreßt ift. ©3 ift aber barum nid;t jebe
Boefie, raeldje nid)t gebrängt unb geprefjt ift, fdjledjt; fie fann Dielmeljr
fef)r gut fein, ob fie gleidj freittd), alä btofje Boefte betradjtet, natt>
20 brüdlidjer unb fdjöner fein tonnte. SUlein fie foll aud] md)t als1 btofee
^poefie betradjtet werben.
Safe eine Sprache oor ber anbern 3ur 3Ruft! gefdjidt fei, ift rooljl
unftreitig; nur mit! gern fetnSSoß baö menigere auf feine Sprache fommen
laffen. Sie Unfdjid'lidjfeit berufjt aber nidjt blofj in ber raupen unb garten
25 2luöfprad)e, fonbern aud), jufotge ber gemadjten 2inmerfung, in ber Hürje
ber Wörter, unb 5iuar biefeö nid)t roeil bie frühen SBörter aud) meiften=
teils tjart finb unb fid) fdjmer untereinanber oerbinben laffen, fonbern
aud) fd)on beöroegen, roeil fie furj finb, roeil fie 31t roenig 3eit braudjen,
alö bajj if)nen bie 9Jfufif mit itjren 3eid)en gleichen ©djrittö folgen
30 tonnte.
Böllig fann feine Sprache oon ber S8efdtjaffenf;eit fein, bafj tljre fttitfym
ebenfo niet 3eit erfoberten, alö bie 3eid)en ber SJlufif, unb id) glaube,
biefeö ift ber natürlidje 2(ntajj geroefen, gan3e Baffagen auf eine Silbe
3U legen.
S5 2. 9Jad) biefer oollfommenften Bereinigung ber Sßoejie unb SRujtl
folget bie Bereinigung roiUfürltdjer auf einanber folgenber fjürbarer 3dd)en,
mit millfürtidjen auf einanber folgenben fidjtbaren 3^idjen, baö ift bie Ber=
binbung ber 3Jlufi! mit ber Sanjlunft, ber Boefie mit ber Sanjfunft, unb
ber Bereinigten 3JJufit unb Boefie mit ber Sanjfunft.
40 Unter biefen brei BerbinOungen, uon roeld)en allen mir bei ben Sitten
Krempel finben, ift roieberum bie SSerbinbung ber SDJufif mit ber Xawy
funft bie oollfommnere. 5)enn obfdjon (prbare mit fidjtbaren 3ei^eu
8 ff. ßinc feljr ridfjtigc 33emerf ung ; eben besmegen ift bie italienifc^e Spracfie mit
if)ven JlangooUcn Snbtmgen fo trefjüct) jur SDlufif geeignet.
240 Jladjlaft jnm flaohoon.
oerBunben werben, fo fällt bod; bafür f)inmieberum ber llntevjdjieb be§
3eitraume§, ben biefe fttifyn nötig fyaben, weg, welcher in ber Serbinbung
ber ^oefte mit ber £anjfimft, ober ber vereinigten Sßoefte nnb 2ßufif mit
ber Sanjfunft bleibet.
3. SBie e§ eine Serbinbung willfürlidjer auf einanber folgenber ttör-- 5
barer getdjen mit natürlichen auf einanber folgenben Ijörbaren fttidfen
giebt: follte e3 nictjt aud) eine SBerbinbung wil(fürlidt)er auf einanber
folgenber ftdjtbarer 3eid)en m^ natürlichen auf einanber folgenben ficb>
baren 3cMJcn geben?1) %d) glaube, biefeS mar bie Pantomime ber
2llten, wenn wir fie aufjer if)rer Sßerbinbung mit ber SOiiifif betrauten. io
2)enn es> ift gewif3, bafj bie Sßcmtomime nid)t aus blofc natürlichen 33e=
wegungen unb (Stellungen beftanb, fonbern, bafj fie aud) wiUfürlicbe 51t
ipilfe naljm, bereu 33ebeutung oon ber Äonoention abging.
Siefeö mufe man annehmen, um bie SSoItfommenfjeit ber alten Sßanios
mime roal)rfd)einlidj 51t finben, 311 roetdjer nod) itjre ißerbinbung mit ber 15
^oefie oieleo bettrug. SDiefeö war aber eine Skrbinbuug oon einer be=
fonbern 2(rt, inbem nid)t 3eW;en unb 3e^eu nut einanber uerbunben
würben, fonbern btofj bie $olge ber einen naa) ber S'0*ge ber anbern
eingerichtet, bei ber 2(usfüf)rung biefe festere aber unterbrüd't warb.
II. SiefeS waren bie oollfommnen Sßerbinbungen; bie uiuwltfommnen 20
finb btejenigen, ba wtltrurltdje auf einanber folgenbe 3e'^en im* natür=
lidjen neben einanber georbneten 3eid)en oerbunben werben, bereu uor=
nefjmfte bie Sßerbinbung ber 9J?alerei mit ber ^ßoefie fein würbe. SBegen
bes Ünterfdnebco , bafe bie 3e^e" ber einen im Zäunte unb bie 3e'^en
ber anbern in ber 3eit auf einanber folgen, lohn feine uollfommne 23er; 25
binbung entfielen, worauf eine gemeinfdjaftlidje SSHrfung entfpränge,
fonbern nur eine SSerbinbuiuj, bei welker bie eine ber anbern untere
georbnet ift.
Grftlidi alfo bie SSerbinbung, wo bie äUalerei ber 2>td)tfunft untere
georbnet ift. §ief)er gehört ber ©ebraudi ber Sänlelfänger, ben 3n^a^ so
itjrer Sieber malen 51t laffen, unb barauf 31t weifen.
S)ie SSerbinbung, weldie ©agluä angiebt, ift mein uon ber 2(rt, wie
bie alte Pantomime mit ber Sßoefie oerbunben mar. Siefe ift, bie g-olge
ber 3eidjen ber einen bureb, bie $olge ber 3^en ber anbern 311 beftimmen.
') 2>ic einfache fiunft, weldie fid) joiufürlid) auf einanber folgenber fiditbarer 3e»^en 85
Bebient, nriirbe bie Sprad)c ber Stummen fein.
5 ff. SKan D0[. hiermit Sefftng in ber Hamburger Dramaturgie, St. 4. — 2i> ff. £->ier
fann aud) an bie SBanbelbelorationen moberner Dyeru erinnert werben unb Siidjarb
SBagucro: „Tu fieln't, mein 2ol)ii, 511m SÄaum wirb fjier bie ^eit" (im ^arfifal).
Ausjüijf wob iiermtfdjtE ßemerkungcu. 241
c.
Bus|üar mttr ticvmijtfjfc BcmcvhnmuMi,
j. d. im Xaakiunt frerterfti
12.
5 OBemerhmgen 31t Spencer „SßoInmett§".)
[l] 37eö 3>erf. Vermutung, bafe SSirgtl mit ben Reifen: felix qui
potuit ben Sucrej gemeinet, p. 14. n. 48.
ü
[2] (So fjeifjt ben SSitgü von feiner bicfjterifdjen SBürbe gewaltig
10 fjerunterfetsen , wenn man ibm mit bem SSerfaffer p. 19. 20. politifd)e
2lbfid)ten bei feiner 2(neiö beimißt. §d) gebe e§ 31t, bafj er gelegentlich
auf bie bainalige neue 8taatöoerfaffimg einen gefälligen ©eitenblttf ge=
warfen, um fidj burd) fd)tneicf;etf)aftc 2infpiehtngen beö 33eifal(g bes Au-
gustus fo mefyr 31t üerfid)ern. 2UIetn bergteidjen ßufätttgleiten 31t feinem
15 Ipauptenbgroecl madjen, ift fef)r fettfam, unb Ijeifjt einen SBaumeifter einen
prächtigen foftbaren Xuvm aufführen laffen, blofc in her 2lbfid)t, um in
ben ©runbftein beöfeiben id) meife nidjt roeldje gemeinte üKadjridjteh vev-
fdjliefjen 311 fönnen, bie mtf)t etjer atö mit bem gänsfidjen Urnftürjen beö
Snrmeö roieber 3ur Sßtffenfdjaft ber 2Mt gelangen tonnen.
20 £
[3] Seö SSerf. nid)t nngegrünbete Vermutung, baf; fid; öoraj felbft
baö 2thtn oertür3et. p. 21. n. 22.
f
[4] 3)es SSerf. Siangorbnung unter ben SBerfen beö Ovidius. p. 23.
25 Sie er aber mefjr nad) feinem Öebraud)e, cüö nad) bem innern poetifdKit
Sßerte gemocht 31t fjaben fdjeinet, inbem er bie libros fastomin alten anbem
»oruebet, lueldjeö bod) geiuifj bie unpoetifdjften finb.
8
[5] 3Ba§ ber 3>erf. oon ber Juno sospita p. 56 fagt, ift ein wenig
so gemumgen, unb id) fefye nidjt, warum Birgit bei feiner 23efd)reibung nidjt
aud) auf biefe ifjre 2lbbilbnng fönnte ein 2fuge gebaut baben. @r fjai
6. SBirgü, Georg. [1,492. — 19. aß i f i c 11 f cii a f t, in biefem Sinuc ift beute ,,. Kennt-
nis" gebväucfiltcher. — 89. Juno * 0 Bpita, nlte latüüjrte, in Samarium ncimiidie jtultpfe
fortn ber Juno.
»eifingS Sffierle 9. 1(5
242 Marijln| nun ffaokoon.
ben Servius über bie Stelle be§ 2>id)terS nid)t 31t 3tote gesogen (Hb. L
Aeu. v. 21.) iwefcfjer fagt : Habere Junonero eurrus certum est. Sic
autem esse etiam in sacris Tiburtibus constat, ubi sie precatur:
Juno curulis, tuo curru clypeoque tuere rneos cuj-iae vernulas sane.
Dljne 3roeifet raa1-' biefe Juno curulis mit ber Sospita einerlei: aber raa§
waren ba3 für Sacra Tiburtia?
[<■>] Sie Örajie mit brei Sßoa« Rauben, roorauä ber SBerfajjw nict)t
weif; roa§ er madjen fotl, ift r>ielleid)t ein i&lofjeS 39H^t)erftänbni§. ©tattuS
braucht ben Singularem für ben Pluralein, p. 12. 11. 51. 10
p. 74.
[7] £>er SSerf. giebt feine llJifwtltigung 511 nerfteljen, baf? ©tatiuä
nnb glaecuä bte fcf>recf[tcf)e S5cnu§ gefdjilbert fjaben, unb glaubt ba£ man
ftf)i»erlid) bergleidjen bei Sintern au$ einem beffern 3eitalter finben bürfte,
wie benn auef) bte fiünftler fid) meislid) enthalten fjätten, eine fotd)e Siebet 15
göttin, bie man für eine 2llefto würbe gehalten Ijaben, ju fdnlbem.
2Ülein fein Softem f)at ifjn »erführt, wenn er ba§, nm3 bie bilben=
ben fünfte aus Unoermügen untertaffen, and) oon bem Sinter will unter*
1 äffen wiffen. freilief) eine jornige wüteube SBemtio, in fdnoarsem ©e=
wanbe, mit ber brennenben Jyadet in ber »anb, ift in ber ■Jiadjafjmung 20
beö ÄünftlerS leine 2>enus, fonbern eine ft-urie; weil er fie uns nur in
einem unb eben bemfelben 2lugenblitf'e äeigen fann, oljne un§ an bie Ijolbe
SSenuä in ruhigen 2lugenblid'en jutjor ober Ijernad) sugletd) mit erinnern
ju fönnen. Ser £>td)ter hingegen rann unb barf biefe überl)tngef)enbe
2But ber Siebesgötttn gar wof)l fdjilbern, weil er un§ in feiner Waty 25-
a()mung aud) bie beffere S3emtä jugieid) mit jeigen fann : fo tote e3 Flaccus
oortrefftid) tf)ut.
— neque enim alma vielen
Jana turnet; aut tereti crinem subnectitur auro
Sidereos diffusa sinus. Eadem effera et ingens etc. 30
£er 30l*n oei* 2knu3 war jufällig; bie ihmft aber fann feine 3UJ
fälligfeiten jcigen, bie mit bem einmal angenommenen Gfjarafter ftreiten.
p. 95.
[8] 2)er aScrf. fdjeint mit bem beftraften SWarfoaS al3 Sujet jur
Malerei nid)t aufrieben ju fein. £>iefe ttefdjidjte übrigens, wie fie Ovid 35
betreibt (Metam. lib. VI. v. 383 u. f.), beweift, bafj efte 3«ge ftd)
mit bem Öräfdidjen unb Sdjredlidjen gar roofjl oertragen unb foldjeo
üermef)ren.
'.<. StatittS, Lib. HI, 4, 88. — 12 ff. i!gl ?lb\i). VIII. — 24. überl?ingef)enbe,
b. i. tranfitoiifdie, roie oben S. 22 3. 21; — 26. Valer. Flaccus," Argon. 11, 102. —
34 ff. Sgl. atbfcfen. XXV.
3Ui6;üg£ mxb üennifrijte ßemerkungcn. 243
#
[9] Üb baS, raaS ber $erf. p. 94. Not. 64, uon bem feltfamen
StpoII fagt, nidjt tüelCeicfjt gur (Erläuterung berjenigen Figuren bieneit
bürfte, in raeldjen bie 2llten brei üerfdjtebene ©oitfjeiten jufantmenfe$ten,
5 unb ob biefer 2(poll nidjt fo eine breifadje ©ott^ett ift?
p. 102, n. 94.
[10] 2ßegen meiner SBer&efferung be3 Sacrificantium in ber Stelle
beä Plinius. %d) möchte aber nur fragen, ju roeffen ©fjren tanjte benn
Diana? 511 tfjren eigenen? Unb rate ungeraöfjnlid) raiirbe biefes Sßort
io in ber eigentlichen 23ebeutung fein.
p. 115. n. 10.
[11] Sie ©rllärung ber Stelle beS §oraj invicti Glyconis ift Ijödjft
unroafjrfdjeinftd). SBar biefe ©tatue be§ Glyio fcfjon 511 be3 §orag Reiten
fo berühmt, fo raäre e3 fefjr feltfam, bafj Plinius biefeS SJteifterä nidjt
15 follte gebadet Ijaben. Sie ben 5ßertpatetifer Glyco ober oielmeljr Lyco
borunter oerfteljen, raeil biefer jufe|i an 5ßobagra aeftorben, Ijaben ebenfo
raenig ©runb uor ftdj. Dber oielmefjr d^n ber Umftanb, bafj biefer
Glyco am ^obagra geftorben, roürbe 31t einem gans anbern ©djluffe
(Gelegenheit geben: nämlid), raaö fyelfen mir bie ftarfen ©lieber be3 Glyco,
20 raenn td) bod) bem ^pobagra nidjt auöweidjen fann.
p. 116.
[12] Taö Krempel oom öerfuleö, ber ben Söraen jerrei^t ober er=
brüdt, ift fel)r bienlid), ben SSorjug ber poetifdien Malerei oor ber rairf=
lidjen 51t äeigen. ^ene brauet einen einigen 3ug unb läfjt bie anbern
25 unbeftimmt; biefe tnufj fie alle beftimmen unb wirb bafjer aud) oft gu
raeldjen genötiget, raeldje ben §auptjug fdjroädjen, ja ifmt gar raiber-
fpredjen. SCenn id) lefe:
— rabidi cum co'l'a rainantia monstri
ar.geiet: et tumülos aniuiam angustaret in artus1,
30 fo fefje id) blofj bie ©tärfe beä §erfufe§ unb ba3 ©rftiden be§ Söroen.
3lber fer)e id) eb^n biefeö von bem bilbenben Äünfiler ausgeführt, fo fefje
id) jiigleid), raie ber Sörae ifjm bie §üfte jerfleif tf)t , unb bie Älauen in
bie ^.'enbe fdjlägt. Jjd) fet)e alfo äugleid) ben leibenben fterfuleö unb
follte nur ben unüberrainblidjen feljen.
2 f. bem feltfamen Sipo 11, eine Slpolloftatue in luvin. — 7 ff. Sgl. 2lbfdm. XXII,
Hnnt. 3 S. 132 f. — 12. Hör. Ep. I, l, 33. Sie SegiefcHig biefer SBorte auf bie befannte
Statue be§ farnefifdjen §erfule3 von ßlnfon ift aud) fonft behauptet roorben. — 22 ff.
»gl. 9la$l. A 2, Hbidjii. X. — 28 f. Stat. Trieb. IV, 827.
16*
244 iliuljlolj jiun CaoUoon.
p. 1JG. n. 21.
[13] 2)er SSerf. matf)t es fefjr luabrfdjeinlid), bafs ber Hercules Bibax
beim ©tofd), ber Keine £erfttle§ bes Lysippus ift, Epitrapezios , auf
ben Statius bas ©ebidjt gemocht.
p. 137.
[14] Sie %\oluv auf bem alten Sarge im Capitolio, roo aufjer ben
neun üüiufen fid) ferner mit feiner eigenen SDlufe unterhält; tann uir
Erläuterung -beffen bienen, n>a§ ttf) in ber fogenannten 2tnotl)eos bes
£omer, uon ben Sföufen bes 2lntimad)us unb §omer§ fage.
10
p. 311.
[15] 3Jßo Spence ausbrüd'lid) fagt, scarce any tbing can be good
in a poetical description which would appear absurd, if represented
in a statue, or picture.
p. 80.
[IG] Gin Basrelief uom SBuIfan, ein uerbä'djtiges 3tüd aus bem 15
Polignacfdjen Äabtnett.
13.
[1] ©erarb (On taste. London, 1759, p. 24), glaubt, roiber meine
Weinung, baf; bie 3KaIeret aud) bas Grbabene ausbrürfen tonne, meines
mit ber ©rbfje ber Simenftoneu uerbunben ift Senn, fagt er, ob fie 20
gteirf) biefe Stmenfionen nidjt felbft beibehalten tann, fo (äfft fie ifjnen
bod) ihre fomparatiue ©rbfje, unb biefe ift binlänglid) bas Grbabene
beroorjubriugen. — Gr irrt fid): biefe ift hinlänglid), um mir 51t er*
fennen 311 geben, bafi bergleidjen fomparatiue grof?e ©egenftänbe in ber
Statut ergaben fein muffen, aber nietjt uermögenb, bie Gmpfinbung feüift -'5
{jeroorjuBringen, bie fie in ber 9fatur eruierten mürben. Gin großer
majeftiitifcljer Tempel, ben id) uumüglid) mit einem 83ti<fe überfeinen tann,
mirb eben baburdj ergaben, bafs id) meinen 33litf barauf Ijerumreifen laffen
tann, ba$ tri) überall, mo id) bamit fülle ftef)e, äbnlidje Teile uon ber
uämlidjeu ©röfje, geftigfeit unb Ginfalt bemerfe. [2(ber in ben menfd)= 30
lidjen Figuren tann ber Hünftler eine 2lrt ber Erhabenheit erreichen, roenn
er gemiffe ©lieber über bie Proportion oergrof;ert. @. iuas .v>ageborn
uon bem Apollo Setnebere fagt, unb OJerarb p. 147 uom ^armigiano.]
3Iber eben biefer Tempel, auf ben tleinen 3tautn einer Shipferplatte ge=
bracljt, hört auf erhaben ju fein, ba§ ift, meine Süenntnbcrung 31t erregen, 3S
2f. ©ine ©emme be§ etofduiefien RafcinettS, a&ge&ilbet Bei ©pence tafo. \ix,4. —
■l. gjäinlid) silv. iv, 6. — i). 31 n t i m a cb u 3 , ein gried). JMdttei- au§ bem 5. 3a§r§. u. dfiv.
Tic nähere -.Muofiiln'iiim be§ (EebanfenS, auf roeläje Seffing hier uenueift. ift iiidit ereilten.
- 18 ff. Sgl, .Hbifbn. Nil. Hitm. 3 unb 91ed)l. A 4a. — 3llevnnJ?er ©cnivb, engl.
SEfjeolog unb Sftfjetifer, 1728— 17U5.
Auajügc unö ucrmifrijtc ßcmerluingcu. 245
eben becSmegen, weil id) ilm auf einmal überfeben fann. SBenn tcf> mir
if)n fdjon nad) allen ben gehörigen Simenfionen auögefüfjrt beute, fo
empfinbe iri) nur, bafe id) mtdfj alöbann uenuunbern mürbe, i()n fo au§=
geführt 311 fefjen, aber nod) oerrounbere id) midj nidü. ,3toar fann id)
■r> mid; über feine fyicjur , über feine ebte ©infalt uenounbem; aber biefeg
ift eine SBernmnberung, mefcrje au§ bem 2Infdjauen ber 6efri)itf'lid)feit be§
Münftlero, nicbt aber au§ bem 3(nfd)auen ber Simeufionen entfielet.
©. §ageborn ©. 335. SSon bem (Srfjabenen ber Sanbfdjaften. 9ßa§
er oon bem Soireffe anführt, fdjeinet nidjt§ 511 fein, unb grabe gegen
i" ben Söert ber Sanbfdjaften. £b?n meil mef)r fOtecf;antfcl;co babei ift,
tonnte er mefir baoon fdjrei&en.
«»
[2] Sßope «erlangt oon einem magren Siebter (Prologue to the
satires v. 340): '
15 That not in Fancy's maze he wander1 d long
But stopp'd to truth, and nioraliz'd his song.
2(ud) ,Ü. führte feine ©mpfinbung hierauf, aber nur fpäter. ©r
»ottte feineu <yrid)ling, melier nicfjtä als eine tfette oon Sßljaniafteen
unb Silbern ift, barnad) umarbeiten. 5ßo»e fjat überhaupt oon ber be=
20 fdjreibenben ober mafenben ^oefte roenig gehalten , meldjeö Warburton
bei aller (Gelegenheit oerfidjert. ©. feine 2lnmerfuug über bie gelte *n
eben bemfelben Prologe:
— — — who could take offence,
While pure description held the place of sence.
25 pure, fagt er, fann bier armfelig unb rein Ijeijjen. Sod) jene§ fei ber
Meinung be§ SidjterS gemäßer, al§ meldjer ein blofj malenbeo ©ebidjte
ein öaftgebot oon lauter 33rüfjen genannt fjabe.
2ln einem anbern Orte (Über ben 314. SBerä ber 9iad)af)mung beS
■V'Oraäifdjen Söriefeö an ben 2(uguft) fagt Warburton : Descriptive Poetry
30 is the lowest work of a Genius.
«
[3] Gibberä Äritil einer ©teile be3 3tot. See, bie er für 9tonfen3
erflärt, meil fie fein ©emälbe geben fönne. Unb ioa3 Sßar&urton ba=
gegen erinnert. ©. bie angesogene Gpiftel v. 121. ^d) fjaüe mit 3Bar=
35 burton bie ©teile gleid)fal(§ für fd)ön. 2lber Gibber fmt and) redjt, bafj
fie fid) ntd)t malen läfjt. 2öa§ folgt alfo barauö? 2)af$ bie ^Srobe un=
n. @eravb be £ airef f e (1610—1711), äjerf. be§ früher fej&r gefaxten „großen
ÜJlalerbudi'j", Slrnfterbam 1707 (bie £->bfdn\ tjat (Jarniffe, roaä »erfdjriebcn ift). — 13 ff.
Sgl. Sltifcbn. XVII. — 17. St., Grcalb o. Weift — 20. Über ffiarburtott f. ebene. 104.
— 32 ff. 8gL 2lbfd)n. XIV. — 2f>eopb. Eibber, engl, edmufpieler (1705—1757), fdjrieb
ein 2Berf über englifdje gJoefie, Sonbon 1733. — Diatfyanael See, engl, bramatifdjer
3Md;ter (lebte um 1655— 1691).
246 4lad)la$ jum ffaokoon.
redjt ift; imb bafj es allerbing3 poetifdje ©emälbe giebt , bte ficf; nur
Riecht malen laffett.
D
[4] ©er Äunftrtdjter mufj nid)t bloft bnö Sßermögen, er mufj uor=
nel)mlid) bte SSeftitnmung ber Äunft oor 2lugen l)aben. 9Hd)t alleö, roae> 5
bte Jtunft nermag, foll fie »cnnögen. ÜJcur bafjer, roeil ratr biegen ©rttnb=
fa| uergeffen, finb unfere fünfte rceitläuftiger ttnb fdjiuerer, aber aud)
Don befto weniger SBirfung geworben.
Ö
[5] Observations sur l'Italie. Tom. II. p. 30. 2(n bem Sage io
be§ I). 9?od;u5 Ijaben bte SDialer ju SSenebtg bte öffentliche 2lusfe£ung
ifyrer Öemätbe dans la Scuola di S. Roch. Cette Scuola, l'une des
premieres de Venise, est remplie de sujets du N. T. de la main
de Tintoret, de la plus grande force de ce Maitre. Je fus singu-
lierement frappe de celui qui represente l'Annonciation. Le mur 15
qui ferme la ehambre de la Vierge du cote de la campagne,
s'ecroule, et Tange entre de plein vol par la breche.
©iefer (Einfalt ift nortrefflttf). Sa ber Dealer ba§ getfttge Sßefen
beö ©ngelS ntdjt auöbrütfen tonnte, rceldjes alle Äörner, ofme fie j« ser=
ftören, burdjbringen tarnt, fo brüdt er feine 9)?ad)t au§. 2tm Qnbe er= 20
medt e§ aud) bie nämlidfje ^bee, baft nämtid; ein fotcf;ei3 Äßefen uon ntdftä
ausgefdjloffen , tum nidjtö abgehalten nürb; es mag nun burd) feine
©eiftigfeit ober buret) feine SJiad^t fein.
%
[0] Ibid. p. 71. Sie antiten Söroen uor bem 3eugt)aufe itt Settebig. 25
SSon bem einen, bem ioloffaltfdjen , meldjer auf ben Hinterfüßen fit?et,
jagt ber SBerf.: il a presque la secheresse et la roideur de ces Lions
du vieux Japon que Ton conserve dans quelques cabinets: 11011 est
in toto corpore urica salis. Eu lui comparant le moindre petit Lion
moderne, on voit avec etonnement ä quel point nos artistes se 30
sont eloignes de Tantique ^implicite, et combien ils procliguent
l'esprit, ou les Grecs crovoient le devoir economiser.
#
[7] Plinius lib. 35. cap. 10 [oottt 2lrelliuö: Flagitio insigni
corrupit artem, Deas pingeus, sed Dilectarum imagine. Gr por= 35
trauerte fie, anftatt fie nad; bem S^eale 31t malen. Sas nämlidje fabelt
uerfdjiebne neuere 9)ialer mit ber l). Jungfrau gettjan, j. ©. Äarl äftaratti,
meldjer bas 2}orbilb baju uon feiner $xau na bin.
10. J)er £itel be<3 SBerfeS tjeijjt ooUftänbig: Nouveaux Memoire&j ou Observation«
sur L'Italie et sur Irs Italiens, par di'ux gentilsnommes Sucilnis. fcraduits du
Suedois. üondres 1764. — 34. ärelliuS, ein turj cor äuguftuS in ;)iom lebenbev
-maiex. — 37. Eatlo «Blaratta, Itat. fflialer 1025—1718.
JUtsjüge unö üermtfdjte ßemcrlumgni. 247
[s] Observat. sur l'Italie Tom. II. p. 462. Le fauieux distique
du Cardinal Bembe sur Eaphael
Hie ille est Raphael, timuit quo sospite vinci
5 Rerum magna parens, et moriente mori.
J'ignore si M. Rollin ou le Pere Boubours ont mis au creuset
ce distique sonore; je doute qu'il sortit avec avantage de cette
epreuve.
ff
io [9] ®er jüngere Sßtimu§ li-b. 3 an ben ©euer: De illis judico,
quantum ego sapio, qui fortassis in omni re, in hac certe perquam
exiguum sapio.
[10] 2tud) bas ift beim Birgit ein euer 3US- Aeneid. lib. II. v.
15 27 7, reo £>eftor bem 2lnea3 im ©a)(afe erfdjeinet:
Squallentem barbam et concretos sanguine crines.
*
[11] Spende i'p. 81.) graeifel, 0Ü bk (Statuen, roeldje bie Vesta
norftellen füllen, fie unrflid) norftellen, ift nichtig. Sie ©teile beä Ovids,
20 bap« biefe ©ötttn lein 33ilbni§ gelobt, Begießt fief; btofs auf ifyren Sempel
in 9tom, rao fie unter feinem befonbern Silbe, fonbern blof5 unter ber
Öeftalt bes $euer§ uereljrt raurbe. 2)afj fie aber, aufjer biefem geheimen
©ottesbienfte non ben Äünftlem nitfjt perfönftd) oorgeftellt roorben, ift
barauä gar nidjt ju fdjliefcen. Numa ift nidjt ber ©rfinber bes SSefta*
25 lifdjen ÖottesbienfteS , fonbern nur ber Serbefjrer. Hub Dtetteidjt bafr
feine SSerbefferung eöen barin beftanb, bafj er bas SöitbniS ber Sßefta
au3 bem Tempel fdjaffte unb fie blofj unter bem J-euer nereb,ren Itefj.
Senn fd)on bie Trojaner nerefyrten bie 93efta, unb Aeneas trachte iljren
Öotteöbtenft nad) Italien unb auf bie Körner. Sap* aber bie Trojaner
30 au fje r bem Jeuer nnrfttd) ein 23ilbni3 non ifyr gehabt Ijaben, beäetgt bie
©teile beö Virgils Aeneid. lib. II. v. 296.
— et manibus vittas, Vestamque potentem,
Aeternumque adytis affert penetralibus ignem.
£>ter rcirb baö Silbnig ber Sßefta non bem geuer, meines fie nor=
35 fteüte, auebrürflidj unterfdjieben. S5or (Srbauung 3ioms warb fie in 9tom
gleidjfatlQ nod) unter einem SBUbniffe oerefyrt, roetdjeS Doib bejeigt [Fast,
lib. III], inenn er fagt, baf? als bie Sylvia -Wiutter geworben,
4. Ille hie est Eaphftel. — 10. lib. 3, Epist. UI, 6. — Uff. Sgl. Slbfdjn. XXV
— 18 ff. Sgl. SIbfdm. IX. — 30 f. Fast. lib. III, v. 45.
"_'4S lladjlaß \um ft'aokoon.
— Vestae simulacra feruntiu-
Virgineas oculis opposuisse manus.
Spence null biefe ©teile fo erflären, al3 ob buref) ba§ feruntür bie
simulacia ungemifj gemalt mürben, ba e§ bocfi auf bie ©adje felbft gebt.
Kurs, ©pence feebenfi nid)t, bof; fiel) ba§ (Gebiete ber alten Äünftler 5
roeiter erftredt Ijafie, als bie religiöfen ©e&räud£)e. ©o gut bie Siebter
auS ber Sßefta ein rairflicfjeö Sßefen machten, bie bie £otf)ter be$ Satumus
imb ber Ops mar, bie einmal in ©efa|r tarn, burtf) ben $riap it)rc
^ungfraufeijaft ju oerlieren, unb roa§ fie fonft »on ifjr ergäben: ebenfo
gut tonnten i()r audj bie SBübfjauer nad) iljrer 2lrt bie perfönlicfje ©rjftenj 10
erteilen, ob fie fcfjon unter feinem ^ilbe in ifjren Stempeln »ereljrt raurbe.
Safe aud) bie ©rieben Sitbniffe »on ber SBefta gehabt, bejeigt bie
Sfatue beä Scopas 6eim Plinius. Senn bafj biefeS feine SSeftalin fein
fann, ift bal)er ffar, meil bie SSefta bei ben Orteten nidöt Jungfrauen
ju äJriefterinnen batte :c. is
[12] 33eim jungem Surmann in ber 2(ntf)ologie (p. 90.) finbet fidt>
ein Epigramm auf ben Saofoon, in mefdjem ifnn bie geile
Hinc tolerasse ferunt saeva venena vi mm
roegen beö tolerasse »erbädjtig ift. äßenn biefeä ©pigramm, raie eS 2»
fdjeinet, auf bie ©tatue gematfjt ift, fo fmt er nid)t nötig, baS tolerasse
Ut oeränbern; fonbern ber Sidjter tonnte bamit jugteicr) mit auf
bie ©ebulb gefef)en l)aben, mit rcelcfjer Saofoon in felbiger fein Reiben
erträgt.
tr 25
[13] Augustinus de musica libri sex. lib. 1. cap. 2. Kam quasi
serviunt omnia, quae non sibi sunt, sed ad aliquid aliud referuntur.
[14] cap. 4 Omnes paene artes periclitan videntur, imitatione
sublata. so
%
[15] Riehardson Traite de la Peinture T. I. p. 9. Apres avoir
lü Milton, on decouvre la Kature avec des yeux plus clairvoians
qu'aüparavant; on y remarque des beautes auxquelles on n'auroit
point fait attention. 35
Unb biefeö ift aud) ber einige ma()re iJhifcen, ben bie Äünftler au§
ben Siebtem jieljen follten. ©ebidjie follen für fie gleidjfam unenbltdje
äfugen mein-, unb eine 3lrt »on SBetgröfeerungägläfem fein, burd) melefje
17. 2 Anthol. Iatin. ed. Biese no 99. — 20. tolerasse, Söurmann fd)lägfc
Inde tulisse cor, ;)(icie celerasse ober onerasse. — 32 ff. SSg(. Slbfdjn. XIV.
Ausjüijc unb iiccinifdjtc tietKgckiutgtn. '249
fie Singe bemerfen lernen, bie fie mit tfjren eigenen blojjen 3(ugen nidjt
mürben unterschieben t)aben.
8
[16] p. 12 betradjtet Sftid&arbfon bie bilbenben Äünfte öon ber $a=
5 meralfeite, inwiefern jie bie SReidjtümer eine§ 8anbe§ oermeljren. ©§ ift
roaljr, ber Äünftler »erarbeitet feljr roenig, unb eben nidjt foftbare 3Kcu
terialien, unb madjt etroaä barau§, ma<3 unenbtid) met)r roeri roirb.
v-?(lleitt roenn ftdt) babitrcf; bie Äameraüften wollten oerletten (äffen,
bie äRalerei fabrifenmäfsig 31t unterftüfcen unb betreiben ju [äffen, fo märe
10 ber Verfall ber Äunft unb bie SSerberbniS bee» ©efdjmacfä nidjt allein
uiuiermeiblicf), fonbern am @nbe mürbe audj bie Arbeit nidjt einmal fo
oiel mert fein, als bie verarbeiteten 9Jtaterialien.
[17] p. 38. (Stempel, mo fitf» 9?apt)ael foroot)! uon ber natürlichen
15 als fjiftorifdjen 2ßat)rl)eit entfernt f)at. 35on jener in einem non feinen
Äartonö in ftamptoncour, mo er ben rcunberbaren Sfifdjjug uorfteltt, unb
bie Sarfe für bie Hienge ber barauf beftnblicrjen ^erfonen nie! ju fleht
madjt. SSon biefer gleidjfaHä in einem Äarton non bem uon Sßetro unb
Sofjanne rurterten ©id)tbrüd)igen nor ber Stjüre be3 Sempe(3, genannt
20 bie ©djöne, mo er figurierte ©äuten angebracht bat.
3UIein eä ift 5ttrifd£jen beiben 2(bmeidnmgen ein großer Unterfdjieb;
biefe vermehrt bie gute ißirhmg, jene uerringert fie. 9lämüd) in einem
btof; natürlichen 2(uge. 3ene ift ßUen 9)ienfd)en anftößig, biefe nur ben
(Selefjrten. ,
25 x
[18] p. 4;-;. ©3 bat, fogar große, 9JJaier gegeben, rceldje in ein
einziges ©emtilbe bie ganje 5°*3e e"m ©cfdrjidjte ju bringen gefudjt baben.
Wie V G. Xitian fetbft, bie gange ©efdt)idt)te be3 uerlomen <3of)ne3, non
ber SBerlaffung feines oäierlidjeri §aufes bis 31t feinem Glenbe. 3iid)arbfon
so fagt, biefe Ungereimtheit fei bem geiler gleid), meldten fdt)ted)te bramatifdje
Sidjter begeben, roenn fie bie (Sinbeit ber geit übertreten, unb ganje
3af)re ein etngigeö <Stüd" bauem (äffen.
2Ulein ber %&f)k% be§ 3Jtaler§ ift unenbtid) ungereimter, ati ber
gebier be3 SidjterS. Senn
35 1. bat oer Spater bie bittet nidjt, metdje ber Siebter t)at, unfrer @in=
bitbungofraft in Slnfeljung ber beleibigten ©inf)ett ber 3eit uno oeö
Crtes ju tfilfe 31t fommeu. Sac> bittet ber ^erfpefttu ift bagu nia)t
[)inreid)enb.
•_'. Ser gefjter be§ Sidjterö oefjätt nodj immer eine gemiffe Proportion
40 mit ber Sßaljrljeit. Sßenn mir in bem erften 2lfte in 9?om unb in
16. E§ finb ba§ bie ÄartonS ju ben befannten Japeten im SBatifan. — 36 ff. SSal.
ilbfdjn. XVIII.
250 Ikdjlafs jum ffaohoon.
bem äiueiten in 5lgi;pten ftnb, fo ftnb mir ood) an biefen beiben Drten
mir naa) nnO nadEj: roenn ber ©elb im erften 2lfte heiratet, unb im
Srceiten fd;on erroadifene Äiuber bat, fo bleibt ood) nod) immer jjrotfd&en
beiben eine grotfcfiengeit: anftatt baf? bei bem 3D2aler notroenbig alle
uerfdnebne Orte in einen Ort, imb alte oerfdjtebne 3etten in einen 5
3eitpunft äiifammenfliefjen, roeil mir alles in iljm auf einmal über=
feljen.
3. Sßelrijes bas uornef)tnfte ift: meil in bem ©emälbe bie (Stuljett be§
gelben oertoren gef)t. £enn ba id) alles auf einmal barin überfefje,
fo fefye id) ben gelben sugteid) metjr rote einmal, roeldjes einen l)öd)ft io
unnatürlichen ßinbrucr madjt.
[19] p. 37. 9?apt)ael fjat in einem »Ott feinen Öemälben im SSatifan,
roeldjes bie rcunberbare Befreiung bes t;. ^etrus aus bem ©efängniffe
uorftellet, ein breifadjes Sidjjt angebracht. SaS eine ift ein Slusflufe uon lö
bem ßngel, bas ätueite ift bie 2iUrhmg einer $atfel, unb bas britte ift
ber @d;ein bes Stonbes. 2Ilte biefe brei l'idjter b,aben jebes feine if)in
eigentümlid) sufommenbe ©djjetne unb Sßieberfdjeine, unb madien 511=
fatnmen einen numberbaren CS'ff eft.
Sttefe <3d)önf)eit ift uermutlid) eine uon benen, auf bie ;~Hapb,aet uon 20
ungefähr gefommen ift. 2(ts eine foldje oerbient fie alles 806. ©eine
uorneljmfte 2lbfidjt mar fie roofjl nidjt; unb fie nürb aud) baljer roeber
bie erfte, nod; bie ein3ige ©djönfjett in feinem ©tiicte fein.
*
[-20] p. 4G. Richardson erläutert bie 3?egel, baf; in einem &e- 25
mälbe bie 2(ufmerffamteit bes 53etrad)terS bura) nidjts, es mag and) nod)
fo oortrefflid) fein, uon ber Hauptfigur abgesogen roerben muffe, burcb,
ein 3Üerf bes Protogenes. .,Protogenes, fagt er, in feinem berühmten
©emälbe 3atyfu3, fyflt cm 9iebl)til)n mit fo uieler Ahmft gemalt, baf; es
51t leben fd)ien unb uon gattj ©riedjjenlanb beiuunbert roarb; roeil es aber 30
bie 2lufmerffamfeit aßjtl fel)r an fidj 30g, fo löfdjte er es ganj aus."
Richardson irrt fid). ©iefes 3}eb()ttl)n mar nid)t in bem ^alufus
bes ^rotogenes, fonbern in einem anbern Öemälbe, roeldjes ber rufjenbe
Saint f)ief?. od) mürbe biefen ^-el)ler, roeldjer aus einer mif;oerftanbenen
Stelle be3 Plinius (üb. 35. sect. 36. p. 700) entfprungen, nidjt am 35
merfen, luenn id.) nidjt fänbe, baf; il)it and) ^of). ÜDieurfius f)at. Rhodi
libr. 1. cap. 14. p. 38. In eadem (tabula sc. in qua Jalysus) Sa-
tyrus erat quem dicebant Anapavomenon tibias tenens.
Strabo ift ber eigentliche äBäljttnann biefeS £uftörd)ens mit bem
9?ebl)ulm. Lib. XIV. p. 652. Unb biefer unterfdjetbet ben Jalysus, unb 40
25 ff. ©gl. SUiüDii. xi, Sinnt. 5 2. v.<.
^usnige itnö iiermifdjte Uemerlutngcn. 251
ba§ öemälbe mit bcm an eine Säule fid) anleljnenben ©atnr, auf raeWjer
(Säule bao Stebnulm roax, auöbrüdltd).
Sie Stelle bes Plinius fyaben ilieurfiuo unb SRidfjarbfon beäroegen
nidjt oerftanben, roeil fie nidjt acf;t gegeben, baf? oon yroei oerfdjiebenen
5 ©emälben bafelbft bie Siebe ift. Sem einen, roeäroegen Semetriuo bie
Stabt nidjt einbet'am, raeU er ben Drt nidjt angreifen mottte, roo e3
ftanb. Unb ba3 anbete, luetdpcö 5protogeneö roäfjrenb biefer ^Belagerung
malte. $ene3 mar ber ^atijfuö, unb biefeS ber Satijr.
*
10 [21] p. 49. ftanntbat Garaceio mottle in einem ©etnälbe nidjt über
jrcölf Figuren oerftatten.
*
[22] p. 50. 3iidjarbfon fjat eine 3eid)nung ücm Sßptybor gefefjen,
üou beut fterbenben dato, mo il)m ber 3föafer bie ©ingetoeibe au$ bem
15 Seite Rängen [äffen, ftödjft efe(.
[23] p. 69. ©ine ^ieta (Pietä) rjeiftt eine äKutter 3Jtaria mit bem
toten Äörper be3 öeilanbeS.
#
20 [24] p. 74. sßarbenöne bat in einem ©emälbe uon bem Segräfiniffe
GFjrifti einen oon ben Slnmefenben bie SRafe fictj juljaften taffen, iHidjarbfon
mifj&ittigt biefes beömegen, roeil er nod) nidjt fo lange tot gemefen, baf,
er fjätte riedjen fönnen. 33ei ber 2(uferftefjung bes Sagaruä hingegen
glaubt er, baf? eö bem SRaler erlaubt fei, uon ben Umftefjenben metdje
25 fo ju geigen, raeif e§ bie ©efdjidjte ouöbrüd'üdj fage, baf? f. Körper fdjon
gerochen fjabe.
2ülein biefe isorftettung ift meber in bem einen, nod) in bem anbern
{S-atte 31t bulben, weil fie fid) auf etmaö ©felfjaftes grünbet, roelajeö ber
Dealer burdjauo sermeiben muf?.
30 Rubens in f. 2(uferftel)ung beö Sagaruä in Sansfouci r)at ben 2(ugen=
btid genommen, ba £ajaru§ fdjon tebenbig auo bem ©rabe fjerauöfömmt.
!ydj glaube audj bafe biefe§ ber eigentliche ift, unb fällt babei bie dlot-
rcenbigfeit, fid) bie 9?afe jujuljaften, meg: benn mit bem, baf; 8ajaru§
tebenbig mirb, mufs audj ber ©eftanf nidjt mefjr oorfjanben fein.
85
[25] p. 89. ßjempel, baf? felbft SRap^ael unb ftannibal Garaceio
ber Sdjrift in ifjren ©emälben nidjt gang entbehren fönnen. 3lim ^es
10. Gigentlid) Earacci, aus ber bekannten ÜKalerfatmlie, 1560—1609. — 13 ff. SCgt
Slbicbn. XXV. — spotiboro be Garaoaggio (Galbara) 1495—1543. — 20 ff. Sögt-
9lbfd>n. XXV. — 27 ff. 2lm 9(anb ber Üjbfdir. ift ba§ oben im £ert <B. 1-17 uenuertete
CSitat Nubee SJ. 170—74.
252 lladilafj jitm Cnokoon.
roetfe, rote fclir fidi bie SäÄalerei öor allen gufctt»menfe|ungen, bie fie
nid)t burd) fid; fctBft uerftanbtid) machen fann, 311 (n'tten f)abe. IgrtbeS
ift co o()ne Zweifel nod) immer ein feljr großer ttnterf djieb , roenn SJapfjael
ober Garaccio fdjreibt, unb roenn e3 ein anbrer tljut. Dirne bie Sdjrift
roirb man jroar bie eigentlidje ©efdjidjte be§ Napliaelö nidjt oerftet)en,
aber fein ©emälbe roirb bod) nod) immer al§ ©entälbe eine uortrefflidje
SOßirfung ttjun. 2(nftatt baf) bie meiften anbern (Sefdjidjtmaler Mop* ba$
SSerbienft fja&en, bie ©efdjicljte aüSgebrücft 3U (jetben.
[26] p. 93. SDlicfj&et älngelo folt feinen Gfmron auo einer Stelle 10
beo Santeä genommen l)aben,
Caron, demonion con occhi cli bragia,
Batte col remo qualcunque s' adagia.
3n bem Äupfer uom jüitgfien Öeridjte läfjt fid; nur bie 2lftioit, roeldje 15
in bem legten 33ecfe auögebrudt ift, erlernten; ob 3lngelp aber and) bie
2(ugen uon glüJjenben ftof;(en auögebrüd't f;at?
[27] p. 95. 3Son ber SöBirfuttg roeld;e ein ©emälbe auf baS 2(uge
r>on ferne machen foll, nod; efye biefeö bie Qtegenftänbe beofelben unters 20
fd;eiben fann. tiefes ift es\ roaö Got;pet mit bem ©rorbto einer Mebe
ueraleidit.
I
[28] p. 97. Qd; fann in ber Notte del Correggio, in rceld;er fidr)
alleo 8idjt von bem gebornen ^eilanbe ausbreitet, nidjt mit 3ttd;arbfon 25
einerlei Meinung fein, bafj ber 2Mer beSroegen ben Motten SDIonb fjätte
roeglaffett fotten, roeil er nidjt teudjtet. ©ben biefeS 3iid;tleud;ten ift f)ier
ein ftnnreid;er ©ebanfe bei 3Rater§, ber fid; barauf grünbet, baf* boä
grofje £id)t bas fleinere uerbunf'eln muffe. Siefer ©ebanfe ift meljr mert,
als ber Keine ätnftofs ben baö 2luge babei ()at, roeld;er 2lnfto$ nod; baju 30
un§ eben auf bie ©acfje aufmerffam mad;t.
8
[29] 3Ba§ 9iid;arbfon p. 120 u. f. von ber SBortrefflidjfeit ber ,s)anb--
äeidjnungen fagt, ift feljr bienlid;, ben äöert ber Sotoriften 51t beftimmen.
SBenn eo roa(;r ift, baf? ber Äünftler, roenn if)n bie Sdjroierigfeiten ber 35
11. Santc, infVnm in. 109, — IG f. 3ft nidjt ber 3-aII. — 21. Slntoine (fcuipel
(16C1 — 1722) in feinen Discours prononces dans lee eonferences de l'Acadeiaie de
la peinture, Paris 1721. — (Jrorbium, bie Einleitung bev iHebe. — 24. Notte del
Correggio, bao betannte, tjeutc in Bresben befinblidje (Scmälbc.
Aiisjngt unb lu'rmirdjtc ßcnurkungcn. 253
gärbung nidjt jerftmien, mit aller fyrotf)eit bor ©ebaftfen, gerabe auf
feinen ^meä gelten lärm; menn eo roafjr ift, bafj man m ben geidfjnungeti
bev fceften flialer einen ©eift, ein ßeßen, eine Jreifjeit, eine ,gartlid)feit
finbet, bie man in ihren Watereien uennifd; menn eo mabr ift, bajj bie
5 £-eber unb ber (Stift Singe, madjen tonnen, roetdje bem Sßtnfel $u macben
unmügtid) finb; menn e§ roab,v ift, bafj; bei- ^infel mit einem eittjigen
i'iquibo 2)inge auofübren t'ann, bie bei-, metdjer mehrere färben, be=
fonbero in Dt, 31t menagieren fjat , nidjt erreidjen t'ann: fo frage id), ob
moljt ber beuumbernömürbigfte Molorifte uns für alten biefen SBertuft
10 fdjabfos galten !oim? $a W) mödde fragen, 06 es nidjt 31t nninidKn
märe, bie Kunft mit Ölfarben 311 malen, möchte gar nid)t fein erfunben
rcorben.
[30] p. 212. Sft es root)t maf)i-fd)einlid) , bafs bie Hoffnung, meldje
15 Dvidjarbfon I)ier äuftert, bürfte erfüllet »erben? bafs ein 9!)ialer aufftefieu
raerbe, meld)er ben Napljael überträfe, inbem er ben (Sontour ber 3(lten
mit bem befteu Äolorite ber feuern uerbänbe? ©s ift raal)r, idj fef)e feine
Unmögüd)feit, marum ftd) biefe beiben Stüde nid)t füllten uerbinben laffen,
unb marum eineg bo§ anbere auäfdjltefjen muffte. ©5 ift aber eine anbere
20 jyrage, ob ein menfriflitfjeS 2(lter, ein menfdjlidjer §Ietf}, f)inreid)enb finb,
biefe SBer&tnbttng jur ÜsoUfommenfjeit 311 bringen. Sßas oon ben §anb=
3eid)nungen angemertt roorben, fdjeinet biefe J-rage 31t oerneinen. Sft fte
aber nid)t anbers, alo 311 »erneuten; mirb jeber üÖieifter, je meiter er eö
in bem einen Seile gebrndvt f)at, befto meiter in bem anbern notmenbig
25 3urüdbleiben: fo fragt fidj nur nod), in meld)em nur ilm uortrefflidjer
511 fein münfdjen merben? Sßegen 93ortrefflid)feit ber 3«4nungen fömmt
p. 2G Sur 1 Art de critiquer en fait de Peinture, nod) eine fd/öne
Stelle oor.
14.
30 Preface.
Celui, qui ßompara le premier la Peinture et la Poesie,
etoit im homme sensible qui s'appercevoit que les deux arte
faisoient sur lui des iinpvessions semblables. Tout les deux, se
disoit-il, nous representent des cboses absentes comme presentes.
ift. Tiefe 2üt;e finb alle aus 5)iid)arbfon entnommen. — 7. öiquibum, glüffigfeit;
b h. Aarbe. — 8. menagieren, für belianbeln, uerroeuben. — 10 ff. äufjerfte unb be=
benflidifte golge ber £effingfd)en Stjeorie oon bev Scnönfjeit ber gorm gegenüber ber be§
ftoloritS. — 31. Celui — premier; erfte Raffung: Celui, qtä le premier comparait
ensemble: — 32. etoit — B'apperce-voit; erfte gaffung: fetqit an homme d'un
tuet subtile, qui sentit.
254 ilnfi]lü(j \wa £aohoon.
Papparenee conmie realite; tout les deux fönt illusion, et cette
illusion plait.
Un second tacha de penetrer dans l'interieur de ce plaisir,
et fit la decouverte, qu'il decouloit dans Tun et dans l'autre
de la menie source. La beaute, ridee.de la quelle s'abstrait 5
originerement d'objets corporels, a des regles universelles, qui se
laissent appliquer ä plusieurs autres choses; ä des actions, ä des
pensees, aussi bien qu'ä des formes.
Un troisieme, faisant attention au prix et ä Temploi different
de ces regles generales, remarqua, que les unes dominoient le 10
plus dans la Peinture, et les autres dans la Poesie; par consequent
qua l'egard de celles-lä la Peinture s9avoit fournir des expli-
cations et des exemples ä la Poesie, comme ä l'egard de celles-ci
la Poesie a la Peinture.
Le premier c'etoit 1' Amateur; le second le Philosophe; le 15
troisieme le Critique.
Les deux premiers ne pouvoient pas aisement faire un mau-
vais usage ni de leurs sensations ni de leurs conclusions. Mais
quant aux observations du Critique, le principal consiste dans la
justesse de l'application sur tel ou tel cas particulier: et comme 20
de tout tems le nombre des Critiques ingenieux a surpasse de
beaucoup celui des judicieux, ce seroit un vrai miracle, si cette
application s'etoit tousjours faite avec toute la precaution exquise
pour tenir la balance juste entre les deux arts.
Si Apelle et Protogene ont confirme et eclairci dans leurs 25
ecrits maintenant perdus sur la Peinture, les regles de cet art par
les regles de la Poesie deja etablies, on peut etre sur, qu'ils
l'auront fait avec toute la moderation et toute la precision, avec
laquelle nous voyons aujourd'hui, qu'Aristote, Cicero, Horace,
Quintilien chercbent ä appliquer dans leurs ouvrages les prin- 30
cipes et les experiences de la Peinture sur l'Eloquence et la Poesie.
Car ne faire jamais ni trop, ni trop peu, voila le privilege des
Anciens.
Mais nous autres modernes nous sommes flatte, de les de-
vancer de bien loin en changeant leurs petites allees en des grands 35
chemins: dussent meme les grands chemins par la, malgre leur
avantage d'etre plus courts et plus surs, devenir des sentiers tout
aussi peu battus que ceux qui amenent par les deserts.
Apparement que l'antithese brilliante de Simonide, que la
Peinture ne soit qu'une Poesie muette, et la Poesie une Peinture 40
2. plait; in ^nrenttjefe fteFit: nous fait plaisir. — 4. Über ben SBorten: fit la
decouverte fielet: remarqua, decouvrit. — r>. Über bem 2Borte: s'abstrait fte^t: nous
vient. — 25. si Apelle; erftc g-nffung: Bn ras qu'Apelle. — 30. cherelirnt a
appliquer; erfte fjaffung: appliquent. — 34. sommes; erfte Haftung: avons.
lusjiiflfi ttnö »crmifdjtt Bemerkungen. 255
parlante, ne se trouva point dans un ouvrage dogmatique. C'etoit
im trait d'esprit, com nie ce Poete en avoit d'autres, qui en
partie sont d'une verite si frappante, qu'on ne prend pas garde
ä ce que le reste en a de vague et de faux.
5 Les Anciens pourtant ne s'y abuserent point. Car admettant
pleinement la sentence de Simonide quant ä l'impression des deux
arts, ils n'oublierent point de nous bien imprimer dans l'esprit,
que nialgre la parfaite resemblance de cette inipression, ils diffe-
roient encore beaucoup taut ä l'egard des objets qu'ä l'egard de
10 la maniere de leur imitation. (vli) -acu tQÖnois fiifirjotcog.)
Ce ne sont que des Critiques modernes, qui, tout comme si
une teile dift'erence etoit absolument irnaginaire, ou n'importoit
point du tout; ont conclü de ce que la Poesie et la Peinture se
resemblent en partie, des clioses bien crues. Tantot ils releguent
15 la Poesie dans les bornes estroits de la Peinture, tantot ils donnent
ä remplir ä la Peinture toute la vaste sphere de la Poesie: tout
ce qui n'est pas defendu ä l'une, doit aussi etre permis ä l'autre:
tout ce qui plait ou deplait dans l'une , doit de necessite aussi
plaire ou deplaire dans l'autre: et pleins de cette idee ils pro-
20 noncent avec le ton le plus imposant les jugements les plus super«
ficiels, lorsqu'en remarquant, dans les ouvrages du Poete et du
Peintre sur le meme sujet, de ces points, ou Fun s'est eloigne
de l'autre, ils en fönt un crime ou ä Tun ou ä l'autre, selon que
leur gout les poite le plus ou vers la poesie ou vers la Peinture.
25 Cette fausse critique a egare en partie les Virtuosos meme,
Elle a fciit naitre dans la Poesie la rage de vouloir peindre tout,
et dans la Peinture celle des allegories; le tout dans la pleine
et pure intention, de faire de l'une un tableau parlant, sans sa-
voir proprement ce qu'elle peut et doit peindre, et de l'autre un
30 Poeme muet, sans avoir considerö, jusq'ä quel point eile peut
exprimer des idees generales sans s'egarer de leur destination et
degeYierer en une espece d'ecriture de simple Convention.
D'aller ä l'encontre de ce gout manque, de combattre les
jugements trop peu approfondes des Critiques, c'est la le des-
35 sein principale des discours suivants
Ils ne se sont formt's qu'occasionellement, et plus selon la
suite de ma lecture, que selon le developpement methodique de
2. ce Poete; erfte gnffung: Simonide. — 12. une teile; erfte Raffung: cette.
— 16 f. Sie 2Borte: tout ce qui n'est pas defendu ;'i l'une, doit aussi
etre permia ä l'autie fiub fpäter tjinjugefügt. — 18 Sie äBorte: de necessite
finb fpäter ijittjugefügt. — 33 f. de combattre les jugements; erfte Raffung: De
combattre ce faux gout et de s'opposei aux dita jugements. — 34. 3Me Sorte:
tles Critiques ftnb fpäter fyinjugefügt. — 36. Ils ne se sont form es
qu'occasionellement; erfte J-affung: Ils se sont formes occasionellement.
,256 llnd)lo|j jum ffaohoon.
priacipes generaux. Ce sont douc plutot des materiaux sans ordre
pour en faire un livre, qu'un livre.
II y a quelques annees que j'en ai donne le commencement
en Allemand. Je vais le rediger de nouveau et d'en donner la
suite en Fran9ois, cette langue m'etant dans ces matieres tout au 5
moins aussi faniiliere que l'autre. La langue allemande, quoique
eile ne lui cede en rien etant manie conirne il faut, est pourtant
encore ä foriner, ä creer metne, pour plusieurs genres de coin-
position, dont celui-ci n'est pas le moindre. Mais ä quoi bon se
donner cette peine, au risque meme de n'y reussir pas au gout 10
de ses conipatriots? Voila la langue francoise deja toute cree,
toute formee: risquons donc le paquet. Et qu'y a-t-il ä risquer?
Tout delicats que les Francois sont sur le chapitre de leur langue:
je les connois d'assez bonne composition ä Tegard d'un etranger,
qui n'y pietend ä rien, qu'ä etre clair et precis. i5
■i. red ig er, cvftc Raffung: tligarer.
Itfrerjiefgtttt£eit fcct* fron&JVvad|i£nt (Zitate.
iliorUciii ci hing. Dßgleid) im allgemeinen Bei ben meiften Sefern be§ Saofoon itenntiiis
ber alten roie ber neueren Sprachen uorausgefefct werben barf, erforbert es bod) ba3 bei
ber „3iational=£itteratur" überall burdjgefütjrte sjh'injip, bafj aud) liier bie frembfpradngeu
ßitate in Überfefcung gegeben roerben. S3ei ben poetifdieu Übertragungen ift ber Slame
beö ÜberfefcersS beigefügt; roo berfelbc feljlt, rütjrt bie Überlegung, roie bei ben profaifdjen
Gitaten, vom Herausgeber f)er. SCBo im 2effingfd)en SCerte felbft fd)ou bie beut|ä>e Über*
fe|ung gegeben ift (roie j. 8. <B. 4 3-25; ©.8 3. 35, f. oben 3. 16; <3. 9 Q. 26 f. it. a.)
ift natürlich, auf Mitteilung einer befonberen Überfcfmug an biefer Stelle uergic^tet roorben,
mit 2lu*naf)me ber Sßerfe aiti Slrioft.
<3. 10 3- 5 f. : 3d) oerbenfe niemaubem ba§ SEeinen.
2. 14 3- 32 f.: SBei einer jeben ber tum eud) oeref)rteu ©otttjeiten mirb eine Sdjlangc
■alö roidjtiges Smubol uub 2J!i;fterium aufgemalt.
©. 10 3. 25 f. :
J>e|o enttrug itm [ben Jgoljfpan] bie Mutter uub liefe jtienftäbe mit SReifig
Raufen uub fanbt' in oen Raufen bie Mad)t beä oerf)eereni>en geuerS. 3?ofj.
66». 3. 32 ff. :
Unberoufjt unb entfernt, mirb aud) MelcagroS uom geuer
©an, burd)gtüE)t; unb er fütjlt, fein inneres 2eben oerfenge
Jgeimltäjer Sranb. SHicb. Ijemmt er mit .straft bie gewaltigen Sdnnerjen. 33ofj.
S. 17 3- 30 ff. : 9tad)bem er alte betrübt gemalt fjatte, nornelnnlid) ben Dtjeim, unb
jeglicbeS 33ilb ber Srauer erfdjüpft batte, ueri)üUte er beim SSater felbft ba3 Öefid)t,
roeldjes er in roürbiger äöeife barjufteUen ni,d)t im'ftanbe mar.
(vliD. 3- 38 f. : Gr befannte, bafj bie £>erbigteit be>3 pajften flumnterl burd) bie ßuuft
nidjt ausgebrüdt roerben tonne.
S. 18 3. 29 f.: ©eu fialdmä traurig, ben UlnffeS belümmert, ben Sljar fdjreicnb,
ben SDIenelaug jammernb.
S. 19 3. 25 f(.: Gbenbenfelben beilegte anä) ^5nt[;agoraä, roetdper ben SdmeUIiüifer
2lftt)Ioä , ber in Olnmpia geseigt mirb, fertigte, forcie einen eine Xafel fjaltenben libijfdjeu
ftna&en, am gteidjeu Orte, uub einen Slatften, ber üipfel t)ätt, in SnrafuS aber ben
§intenben, bei bem fogar bie Setradjter ben Sd)iner} beö @efd)roüre§ ju empfinbeu fdieineit.
(?UÖ. 3- 37 : Scn s}5fab mübfam baf)iuroanbeln.
S. 22 3. 32 ff.: 3. bie Überfei;img ebb. 3. 2:1 ff.
CL 27 3. s jj. :
Sein eigner Siadjbar, lebte er, ein Sjinfenber,
gern oon teilnatjmuoUer ©enoffen Sdjuf},
Unb feiner oernaljm ba§ Öeftölju
Seelenergreifenben, ftcdjeuben Squtä,
S)en er jammernb auSjUefj. 5U1 i n cf »u i §.
(fbb. 3. 14, ebb. 3. 21, eüK 3. 28 unb S. 2s 3. 41 |inb Überfefcuugeu beweiben
griednfdten Jertes.
Seffingä SBerfe 0. 17
258 Überfcrsungcn ber fremofpradjigen ©üate.
5. 27 3. 40 (f.:
©efdjlenbert auf bie wilb'ftc ber Gnflaben,
2Bo nie ein 5JPenfä)enfufj ben Straub betrat,
Sßerliefjcn mid) bie Säjurten, — glaub' mir, 2lrfas,
So tief genmrjelt ift in un§ bie Siebe
3»r menidUidien ©efeltfcbaft, bafj, fo fcburEifd) auch
Sie umreit, mir fein iEon jemals fo furchtbar
©cbünft, als ihrer [Ruber Sdjtag beim Scheiben.
G66. 3- 50 ff. : 3Bo er nidbt nur irgenb einen ber ©ingeborneu ju einem freunbtieberr
Jtadj&ar hatte, fenberu nidit einmal einen jchlimmen, oon bem er bei feinem SBebflagcrr
SÖJedjfelrebe vernehmen tonnte.
©. 34 3. 34: äga§ roürbe wohl Sophie oon ber SJerftellung benfen?
2. 35 3- 2(5 : S5er id) meinenb wie ein 2Mbd)cn gewinfelt habe.
(*lib. ;\. 2s : itnb obgleich, biefe (bie Sibobicr Slgefanbcr, ^olijboruS unb 2ltf>enoborus)
biefe Statue nad) ber SBefdjreibung SBirgill bargeftcllt 511 haben fdjeinen.
S. 36 3,. 20: e§ fd)eütt, bafj Slgefanber, spolnborus unb 2ltbenoboru3, bie bie
SDJeifter besfclben waren, gleidifam in ber Skgierbe gearbeitet haben, ein ©enfmal ;u
binterlaffen, welches ber unvergleichlichen ©chilberung Sabtoons bei fBirgil entfpräche.
S. 3s 3,. 13; Hub ber finberfreffenben Mortis bo-ppelte &:inbnngcn.
666. 3. 25 ff.:
Vlod) ein größerer jeht unb weit grauenvollerer SCnblicE
Stellt fid; ben ©lenben bar unb verwirrt bie befrembeten gerjen.
^riefter, gebogen burdjs Sos, mar Saofoou bort bem 9ieptunu>3,
Sem ben gewaltigen Stier an ben geftaltärcn er weil;te.
Siebe, von Jenebos fjer, jwiefad; burd) ftille ©eioäffcr
9jal;n (id; er.jähle mit Srau'n) unermefjlicb (reifen be Sd;langen, 30-
Über bas 9J!cer fidf) bebnenb, unb [treiben juglcid; an bas liier;
Xenon bie fBruft, in ben Seilen emporgebäumt, unb bie Siähne
SSlutrot aus bem Öemog' aufragt; ib,r übriger Seih ftreift
hinten bie /flut, unb fie rollen unenblicfie iKücfen in 2Bölbung.
Sftaufdicn ertönt aus fdtäumenbem Salj; jc^t broljn fie gelautet, 35
Unb bie entflammeten Jlugen mit SBInt burebftrömet unb gener,
3ifchen fie her, unb umlecten mit regerer 3llrt3e bK SKäuIer.
31 Ue jerfliehn oon ber Sd;au blutlos. Sod; ficljeres 3u9eS
ßehn fie Saof'oon an; unb guerft ätoeen finblidjen Sötjnlein
Srebt um ben Seih ringsher fid) bas 5paar anringclnber Schlangen, 40'
Sdmürct fie ein, unb 0 gammer! jernagt mit bem SBiffe bie ©lieber.
5>rauf ihn felbft, ber ein Reifer fid; natjt unb ©efd;offc baherträgt,
S.393.5 ÄSaidjeu fie beib' unb tuüpfen bie gräjjlicbften Sinbungeu; unb febon
groetmal mitten umher, sweimal um ben £als bie befd;uppteu
Süden gefdjmiegt, ftchn tjod; fie mit ijaupt unb Kadett geridjtet.
Sener ringt mit ben yänben, hinweg bie Umfettungen brängenb,
©anj oon Giter bie SSinb' unb fdjwar^lidicm ©tfte bcfubelt;
Unb ein Sammergefäjrei grau'nooll ju ben Sternen erl;ebt er, 10-
So wie Gebrüll auf tönt, wann blutenb ber Stier oom 2lltare
Alob< ll»b bie wanteube i'lrt bem uerwuubeteu Siatfen entfd;üttelt.
S6er bie beib' entrollen 311111 oberen Jeinpel, bie 3)rad)cu,
Schlüpfrigen ©angs, unb ereilen bie Söurg ber erzürnten 2Critonis,
2So fie unter bie J-üf;' unb be§ Sd)itb§ llinfrcis fid; verbergen. SBofj.
£. 39 3. IC ff. :
Cin neues Söunber! Sebt! wo fid) bei JeneboS
Tie SBoge bridit, unb fcbäumeiib fteigi bas iUeer empor,
Unb bann geteilt in ftiller Sucht bie 2BeUe brauft,
2Bic wenn in ruf)'ger 9!ad;t weithin ber Dhtbcrfdilag
Ertönt, fobalb ber Sdiiffe Stumpf bie fluten brüdt, 20
Unb unter ihrer Saft bes SDleeres Spiegel feufjt —
Sa fdiau'n wir hin, unb freiienb fddägt ein Sdilangenpaar
2>a§ SBafier an bem gel§ empor, unb Schaum aufwühlt,
Jen Sdjiffeu gletd), ber beibeu giftgefdjrooll'ner Seib.
Saut bröbut ber Schweif, unb fdnllcrub wallt bie iiüibne bin, 25-
So baf; beS SKeereS jjlääje heller ®lanj crfüUt,
Unb oon ber Sdilangen Quellen felbft bie äBette bebt.
eutfer.eu faf;t uns, beim im Ijeil'gcn ^'riefterfdunucE
iilirrffiäuiiflfn ber frembfpradjigcn ffiitatc. 259
©tebn bort bie 3n>UHnfl3fnaben bei Saofoon,
30 Unb plöbltd) rotnben ihren Sdntppenleib um fie
Sie Seetangen. Jene tjeben roobl bie sarte £aub
3um Slntlitj auf, boeb finlfe bringt fid) feiner felbft,
Sßeil üebenb er bem ©ruber feine Sorge weiht,
©o rafft bie Slrmen furdjterfüllt ber Sob bahnt,
35 llnb 51t ben Salinen roirb ber ©ater auef) gefeilt,
©er fte nidjt retten tarnt; ihn trifft ber ©^langen 33ifj,
Sic morberfüllt ben ©rieftcr Ijin sur Erbe sieben,
©o bafj er felbft ein Cpfertier am älttar liegt. Gofacf.
S. 40 3. 26 ff.: wate
jammerten bort unb mandjc oergafj ber eigenen flinber,
Selbft nur flicfjcnb bo§ grimme ©erberben.
(?6Ö. 3. 43 fj. : es befiehl ein Heiner Unterfd)ieb jnjifdjen bem, roal Sßirgil fagt,
unb bem, roal ber äRarmor »orfiellt. So febeiut, nad) ben SBovten bei SidjterS, bafj bie
Sdtlangcn bie beiben JHnber oerliefeeit, um sur Umfcblingung bei Saterä ju eilen, roäfyrenb
im SRarmor fie bie ftinber unb ben SSater 511 gleicher ^i\t umringein.
Z. 41 3. 3 ff. uitö 20, Z. 42 3. 12, Z. 45 3. 1: ©. oben ©. 38 3. 38,£3. 39
3. 8, ebb. 3. 6 unb fl.
(füll. 3- 39 ff. : 63 ift nidit rounberbar, bafj fie burdj ben ©cbilb unb bie giifje ber
S9itbföule oerberft werben tonnten, ba ber Siebter fie oben all lang unb ftarf gefdjilbert
unb gefagt bat, bafj fie in oielfacben SBinbungen ben Körper bei saofoou unb ber Einber
umgaben unb nod) ein Seil ihrer Äörper barüber hinaus geroefen fei.
Z. 44 3- 22 ff.: Wlan beadjte gefälligft, bafj, ba bie sarten unb leidsten ©eroänber
nur bem roeiblidjen ©cfdjledjt gegeben roerben, bie alten ä3ilbt)auer foniei all möglid) el
permieben Ijaben, männlidje Figuren 511 befleiben; benn fie Ijaben gemeint, toie mir es
fdjott oben gefagt haben, bafj" man in ber ©ilbbaiierei bie ©toffe nirfit nad)al;men fönute
unb bafj bie bieten galten einen fcfjlccljtcn ©tnbruef maditen. ©§ giebt beinahe ebenfo oiele
Seifpiele oon biefer 2Baljrt)eit, als eS unter bem Stntifen gtgttren oon uadten Scannern
giebt. gä) roili nur bie A-igur bei Saofoon anführen, roeldjer ber Sßabrfdteinlidtfeit nad)
bätte befleibet fein muffen, Jjn ber %§at, toie foll man fid) oorftellen, bafj ein $ömg3=
fobn, bafj ein Sßrtefter bei 2lpollo bei ber feierlichen Geremonie eine§ DpferS gattj naeft
war; benn bie ©erlangen tarnen oon ber Jsufel SeneboS an bal Ufer oon Sroja herüber
unb überrafdjten ben Saofoon unb feine Söhne jur felben 3eitr oa. er nm ©tranbe bei
3ReereS bem Neptun opferte, roie SJirgü im jroeiten %}ud) feiner Stteibe bemerft. igtt*
beffen bie Äünftler, roeld)e bie SBerfertigcr bicfeS fd)önen ÜBerfel finb, Ijabett roofjl ein=
gefehen, bafj fie ihnen nidit bie i^rer SBürbe eutfpredienbe Sefleibung geben tonnten, ofme
einen ©teintiaufen bar,;uftellen , beffen üJlaffe eher einem gell gleidien roürbc, an ©teile
ber brei berounbernlroürbigen giguren, incldie immer bie Serounberung aller ga^rhunberte
geroefen finb unb bleiben roerben. Unb eben barum haben fie oon ben yoei Übelftäuben
benjenigen ber Gieioanbung für tuet nadneiliger eraebtet, all ben, gegen bie Sßabrfjeit
felbft 511 fehlen.
©• 47 3. 22 fj. :
die £aokoongruppc.
©ebidjt oon Safob Sabolet.
©ieh! aus Krümmern unb ©djutt, aus ber ©rbe bergenbem ©djofje
25 SBraajte nad) Sabren ein Sag an! Sidjt ben Saotoon roieber,
Qhn, ber einftmall ftanb in fönig tid) prangenber $alle
Unb mit föftlichem ©chmud bein §aul, 0 Situl, gelieret.
©öttlidjer Äunft 2lbbilb erblidt' ihn bie funbige Sorjeit
Slll ib,r ebelftcl äßerf, unb nun bem ©rabe entronnen
30 ©rüfjet er roieber bie Stobt, bie neu erftanbene 3ioma.
©age, roal preif id) juerft unb jumeift, ben jammernben Sater,
Dber ber Söhne 5JSaar, unb bie roilb fich frümmenben Sd^langen,
©räfjlid) ju fdjau'n, im giftigen 3orn m*t geroaltigen Sdjrocifen?
Cber bie SSunben, ben ©djmerj, fo mabr im fterbenben Marmor?
35 ©rau'n erfafjt ba§ ©emüt, unb wn bem febroeigenben SSilbroert
;Uegt mit @ntfe|en gepaart in ber Sörnft fidi fühlenoel Siitleib.
Joppelt roäljen fie fidi, bie gtutauSfpriifjenben ©djlangen,
grren umfjer unb ringeln fid) feft in engeren Greifen,
Unb umfdUingen bie .«örper ber brei mit oielfadicr SSinbung.
40 .Saum oermag el bal 2tug\ Jen gräfjlichen Jammer (ju fdjauen
Uno bal l;erbe öefd;id, fdjon jüngelt bie eine unb ftürjt fid)
17*
260 Übetprfpmgen ber frembfpradjigcu OCitntc.
2luf ben Saofoon lo>3, umiuinbet il)it oben unb unten
Unb jerreifst graufam mit gierigem SJijj if)in bie äßetdjen.
Krampf t)aft roeiefrt fein Körper jurücf unb bu fdiauft, rote bie ©lieber
Cuallooll roinbet ber Sdroterj, unb bie bhttenbc Seite fiel) frümmet.
S. 48 3. 15 2llfo in bitterem Seib unb oon ber Sd)lange gcrfteifdiet
Klagt er jammernben %aaaä unb bemüfjt fid), bie geifernben 3a^ne
gortjurei|en unb ftredt bie Sittfe ber fttjbra entgegen.
Sod), ob bie 2Jiu5telu gefpauut unb be§ ÄörperS gct'ammelte Kräfte
Dringen mit l)öd)fter Gemalt, umfonft ift feine SBemüfiung.
Sragen nid)t tonn er bie äBut, unb Scfjmerj erftidet bie Klag' itjm , 20
£od) bie Sd)lange bringt uor in ftet§ erneueten 3f ingein,
Sdjlüpfrig, unb fd)ür,^t um bas finie ben feftgetounbehen Snofen,
3)afj bie SBabe anfdiroillt, unb ber Sdjenfel 00m heftigen Jrude
«Samt ben ebleren Seilen, in benen getjemmet ber iuilöfditag ;
Unb baä buttfeie ä3lut, e§ ftodt in ben bläulichen 2lt>ertt. 25
©leid;e Scroalt bemächtigt fid; aud) ber jarteren Sötme,
Sdjnürt fie in furchtbarer Sßein unb serfletfdit ben Sinnen bie ©lieber.
Siel), fd)on blutet ber eine, bie SBruft oon ber Sdilange jerriffeit,
Unb nacl) bem 23ater ruft er mit faft Bcrfdjeibenber Stimme,
Senn bie gewaltige Saft umroinbet ifjm freifenb bcn Sörper. - 30
9iid)t berührt oon bem SBtf? fteljt uunerle^t nod> ber SJruber,
sffiill mit ber §cmb abroenben oon fid) ben broijenben Sdnoeif nod),
©a crblidt er ben SSater unb ftarrt ob be§ fctirecflidien 2lnblkf3,
Schüchtern f)ält er bie St)räne jurüd, unb es fjemmet bie gurdit iljm
Klagenbe3 Qammergefdirci. £0 habt it)r gewaltigen Künftler, 35
2113 it;r ba>3 SBerf aufftelltet, gefrönt mit unenblidjem 9iu!)tne
(SBenn aud) ebleren Sljatcn gebüt)rte ber eroige 9!ame
Unb mit größerem SReä)t nod) weit berühmteren ©eiftern
gortätlleBen fid) jiemt' im ©ebüd)tni>3 fommenber Jage),
loci), ba 311m Siutjme fid) cud) eröffnet bie glänjenbe Mennbaljn, 40
Safd) fie ergriffen unb l)iu jur l)öd)ften Staffel gefübret.
Jiljr nerftanbet e§ rool)l, ben Ejarrenben 23licf 511 bejeeleu
Unb in ben SJiarmor Innern lebenbigen Dbem ;u Ijaudieu,
Safj roir ben Sdnner.i unb bcn 3orn roafjrnefjmen unb jebe Sjercegung,
!Ja faft frören ba>3 gammergefdiret. Sa§ ftattlidje 9if)obo3 45
$ßrie§ eud) einften§ barob, bann lag im Strome ber 3eiten
Sänge bie ftierbe oerbedt, bis neu in gellerem Sid)te
9)om eud) fieljt, roallfabrtet su eud;, unb bem SBerfe ber SJorgeit
gprifä) aufblüijet ber Shiljm. Ja roatyrlidi, loljnenber ift e§
Sllfo mit Seift unb emfigem gleifi 5" leben bem 9!ad)rul)in, 50
2113 bem Stolje, ber Stift unb eitlem föepränge 51t frönen. So fad.
®. 4!» $• 84 ff.: @3 ift ber Slbfdjeu, roeläj'er bie Trojaner gegen Saofoon ergriffen
tjat, ber bem SJirgil jur 3Beiterfüf>rung feineö ÖebiditeS notroenbig roar, unb bieo bringt
il)n auf bie patt)etifd)e Sefdjreibung nou ber 3cl'ftorunS ber ä>aterftabt feine« Selben.
Sarum leitete fid) '-iUrgil aud) rool)l, bie Slut'mertfamfeit auf bie leiste SRad&t unb für eine
ganje grojje Stabt burd; bie Slusmaluug eineä tletnen Uttgtüdi eines einjelnen SBUrgerä
5U serftreueu.
S. 50 :\. 1 i ü. : S. ©. 47 3. 1 1 ff.
(*tiD. 8. -2\ f.: S. S. 3ä 8. Gf.
S. 58 x{. l«f.:
j;iit)t juerft ioof)l liaft bu, 0 römifdjer itrieger, im Sdjilbe
3ücfenben S3I^e§ Strahlen unb rötlid;c Sd)roiugen getragen,
ebb. 3- 85 ff. :
Sßamatä rof) unb entfernt oon ber gried)ifdjen fünfte SSerounb'rung,
SSrodj ber Solbot, ber Stiiöte jerftört, Srintbedier ber größten
Aüinftier entjtoet, bie ihm ali Seil oon ber 33eute geworben,
2)afi fiel) erfreue beä SclimudS fein Jlofj, unb ber ix'lm in erhabner
Slrbeit SomutuS' SCier im SBilbe, getrieben jur Sanftmut
Surd) bie ©efd^idfe fco üieiaic., am Reifen bie beiben Cuiriten
Hub be§ mit Sdiilo unb Xau\Q Ijerab fid) neigenben*) ©otte-3
i'i'adte ©eftalt norfüfjre bem Jeinb, ber bem Sobc uerfallcn. 0. Sicbolb.
*) Siebelb ttberfe^t irrtümlicb „uom flamme fid; neigenben".
lUu-rfdjungcn ber fremirfpradiigen Citctte. 261
@. ."»4 8. 41: S)e§ 5ur ^lia 311m 23cifd;>laf fommeuben 2Jlar§.
5. 55 3. :)(.:
Süftdjeu o tomme
Sröfteriu, fomm unb fpiele mir tjotb um ben offenen Suien. 45 ofc.
(füö. 3. so-.
Jie nun trug jitm DlnmpoS ber Aitf;.
Z. 50 8. :Hjf.: (Seiucinicliaftiicfic ©ötter finb 2)lat% 23el(ona, Sßiftoria, roetl biefe im
Kriege ieber öon Beiberi Parteien geneigt fein rönnen.
S. 57 3. •-••2 ff. : ©od) bu bift
Diict-tö , at3 EefeöpS Stamm, ber nerftiimmetten &erme*> r>ergleid)bar.
Senn ntcblä ?eid)uet nor biefer bidi cm§, al§ eittäig ber Umftanb,
äHarthom trägt fie ba§ yaupt, bu trägft'ä oon lebcnöigem Stoffe, o. öiebolb.
Z. 5s 3. 10: Sie Mtrdi ihre Sd&amtjaftigfeit ausgeseidjnete 9;euuermähtte.
S. 59 3. ff: ©er über bie Srücle ergrimmte 2lrares.
Cfbl). 5. 18 ff.:
vom unb SSenuä en'dieint, unb be§ Senjeä SSerlünber, ber 3eplmr,
Sdjreitet gefiebert norau; ihn begleitet glora, bie SKutter,
Seld;e bie Sritte beftreut mit Iiebtidieu g-arben unb ©üften.
S^nen folget barauf ber trotfene Sommer; ,ur Seite
^bm bie beftäubete Geres unb £>nud> ber etefifdieu äBtnbe.
SJadjber umreitet StututtinuS, unb mit ii)m Gcins Guan.
Ungeteilter erfolgen barmtf, unb bie Stnb' unb bie Stürme,
y>od) h>rbonnernb 35oIturnu§, ber hlihefdileuberube 2lufter.
Sruma bringet jülefci ben Schnee uuö bie ftarrenbe Äälte,
Unb ber Sinter erfolgt unb ber jä^neltappeenbe Gisfroft. r>. ftuebel.
(fliö. 3. 44f.: g§ ift bie Dicifjenfolge wie ron einer Srojeffion, Senj unb SßeuuS,
SeplmruS unb glora u a. m. ,„,".-.» r
Z Ol 3. »f.: Sir ift, wenn orme Körner bu cridjeiuft, jungfrautidi ba§ £auj)t.
Z. 62 3. 37 f. : Selten fann etwas iü einer poetifdieu Sefdjreibung gut fem, meines,
in einer Statue ober in einem ©emälbe porgeftellt, ungereimt erfdjeinen rourbe.
Z. 04 3. 5 ff.:
unb nicht metjr milbe ju feheinen
Strebt fie im 30m, nod) fnüpft fie ins üaar ben jtertic&en öolb|d)inucr,
Offen ben bünmtifdten Sufen: nein, roilb unb fdiredlidi 511 fdjauen,
Sunfel gerötet bte Saugen unb fdjunngenb bie fnifternbc gatfel
©leidjt fie im fdjroarjen ©ercanb gar fehr ben fttigifdjen Sungfrau'n.
(Jbö. 3- HÜ-:
Sa fie nun SapfioS, bas alte, verlief; mit ben bunbert «lltärcn,
2lnbers in solid unb öaar, als fonft, ba legte fie, heißt es,
216 ben ©ürtel ber Sieb' unb entlief; bie ibalifd&en 3Jögel.
Ja man erjagt, es habe bie ©öttin im aiiitternaditsbunfel,
2lnbcre flammen führenb, mit größeren Pfeilen bewaffnet,
Unter ben Sartarusfdjmeftern bie Gbegemäcber_ bnrdiflogen,
Stabe baS Qnn're ber Käufer mit riugelnben edjlangcn erfüllet,
gurditbar Sdjrecfcu unb 2lngft an allen Stätten uerbreitenb.
2. 65 3. 17 ff.:
flrät^e unb .s>aarpu^ unb fi'teibung Dom jugenblid^en Snäus
©iebt fie bem Sater unb fefct auf ben Sagen ilm mitten, unb ringsum
Werfen unb Raufen unb fiäftdien, gefüUt mit fdjmcigenbcm ©reuel**).
Selber umminbet fie SBufen unb ©lieber mit bieneubem ©pljeu,
Sduittelt in luftigem Sd)nnmge ben ranfenumfdilungenen Sljyrfus,
^üdioärts ipäljeub, ob aud) ber Satcr oerliüllt bie belaubten
3ügel halte, bie Körner ihm unter ber fdmeeigen Söinbe
Sdimellen heroor unb ber ^eilige Sedier ben 23acdiuS be^eidjne.
Z. CO 3. 83f.: 2lleranber inollte fogar für ben Sofm bei 2(mmon gelten unb oon bett
Silbljauern^mit Römern bargefiellt roerfen, inbem er barauf ausging, bie Schönheit be3
3)lenfd;en burd) bie jQÖrner }u entftellen.
*) Keffer: „bem Slocf ber fiienne".
**) Slämlid) mit ber mnftifd,ieu Sd;lange.
262 iKbcrfcljungcn ber frcmbfuratljtgen Citate.
C 6S 3. 3-2 ü. :
Jhöridrt mahnet' icfj long, cS gebe aucf) S3iloer ber SBefta j
Seines bemerft' id) balb, faffe baS Äuppelgeroölb'.
§ter im Xempel perbirgt fiel) uimmcrperlöfcbenbeS fjfeuer,
" Sßeber pou SBefta uod) auch jeigt fidj com geuer ein Siilb. Ü)te§ger.
6b». 3. 38 f.:
Stifter mar er, ber fo fanfte, ber gotteroerebrenbe fiönig,
frömmer mar feiner, beit je trug baS fabinifdje Sani». SDletjger.
6. (»9 3. 19 f.:
Sinn mar Suloia 3J!utter. @3 bedten bie Silber ber Skfta
3)Jit jungfräulidjcr £ianb, f)eif;t eS, bie Singen fid) 311. Sftetjgcr.
ebb. 3- 26 f. :
— unb trug mit beit Sinben jugleidj bie geroaltige Sefta
Unb ihr einiges getter aus unjugängtiefien Kammern. 23ofs.
ebb. 3- 36 f- : SfopaS fertigte bie gepriefene fifcenbe SSefta in ben Seroilianifdieu
©arten.
6bb. 3. 38 f.: SpiiniuS jeigt, bajj man bie SBefta gerobfmlicb fifcenb bargefteat habe,
rcegen ihrer SBeftänbigfett.
©. 70 3. — 1 ff. : SDte Erbe nennt man §eftia unb bitbet fic als eine Jrau, bie ein
Xompanon halt, i>a bie ©rbe bie SBinbe unter fid) perfdjloffen hält.
ebb. 3- 28 : ©afj ihre ©cftalt fefteibenförmig fei.
ebb. 3. 33 f. :
Sortfjer Speichen ins 9)ab unb bortber Statten ber Saftfuljr
Dtüubet ber länblicbe Sföann. 58 0 fj.
6. 73 3. 9jf.:
Slotroenbigfeit, bie graufame, geltet iljr
SSoran, mit Seilen maffnenb bie ©ifentjanb,
Unb Söalfenflammern , parle ,s*iaten
gehlen ihr auch unb gefdnnolj'neS SBIei nid)t. Subroig.
6bb. 3- 3 7 ff. : jjeh mage 311 behaupten, baf; bie§ ©emälbc im einseinen genommen
feböner fein mürbe auf ber Seiuroanb, als in einer beroifeben Dbe. £>* fann bieS .§cnfer=
gerät pou Nägeln, Seilen, £>afeu, fliiffigem SSIei nid)t certragen. 3d) habe geglaubt, bie
Überfetuiug bapo>t befreien }U muffen, inbem id) bie allgemeinen ©ebanfen an Stelle ber
fpejicllen fe|te. ©S ift bebauerlid), bajj ber ©ic&ter biefer SSerbefferung beburft hat.
ebb. 3- *8f.:
Sia) ehrt bie Jgoffnung unb bie fo felt'ue Iren
5m meinen SJlantel. Subroig.
@. 74 3« 9: Unb bie breite, bie burd)fiä)tiger als ©las, baS Geheimnis jeigt.
2 üb ro ig.
ebb. 3. IG f.:
Oiab er ju tragen ben Seib ben beibeu fd)ncllen ©eleitern,
Sdilaf unb Sob, bem 3uullingSpaar. Sorban.
ebb. 3- 18 ff. : ©S ift fd;abe, baf; §omer uns feine Slnbeutung über bie Slttribute
gegeben hat, iueld;e man 311 feiner 3°^ bem Schlafe gab; mir fennen, um biefen ©Ott ju
djaraftertfteren, nur feine Xrjätigfeit , unb nur befransen ihn mit SJiobn. SDiefe Sbeen
finb mobern; bie erfte ift pou mäßigem Dingen, aber fie fann im portiegenben galle nidjt
angeroenbet roerben, roo felbft bie SSlumen mir nidjt am s^ilahc 311 fein fcheinen, jumal bei
einer ftigur, bie mit bem Sobe gruppiert ift.
6. 77 3. 8ff.:
SBeffer nerfpinnft bu baher bie trojanifdhen Siebet in Slfte,
Statt ;u perfudjen juerft , roaS feiner gefebn unb gefagt hat.
Seuffel.
2. 79 3- 27 jj. : Sluf bemfelben ©emälbe, auf bem fid) ber igalufuS befanb, mar ber
bie Rlöten baltenbe Satyr, ben mau ben auSrubeubeu nannte.
@. 80 8. 84 ff.:
SBeidienb erbob mit ber nervigen [Jaufl Sltbene pom 33oben
©inen als glurmarf bort oon ben 8orjeitmenfd)en gefegten
©rofjen unb fantigen Stein oon fd)roärjliä)er ftavbe. ' Rotbart.
S. 81 3. 19: ®r bebedte fieheit gud)ert.
Überredungen ber fremöfpradjtgen (Citatc. 2G3
<vüö. 3. 31 ff.: Sie aber rtffen
•Jtäditige gelfen oom Qbagebirg mit ben .§äuben uub warfen
Solche gegeneinanber; boa) gleid) Sanbförnern jerftteBten
Tiefe gar leidit, an ben ummberfteblidten © lieber n ber ©ötter
gjn inet Stücfe jerfdjeltenb.
e. 82 3. 29 ff. :
geführt nou 2lre3 uub SfJattaä Slt^eite ;
Seioc maren 001t ©olb unb trugen golbene jUeiber,
©rofj oon ©eftalt unb ftfiroer bewaffnet mie ©öttem es jufommt,
£ell fict) entbebenb ber Sdjar ber Heiner gebilbeten 3Jtannfd)afjt. gorbau.
@. 85 3. 27 f.:
3£ie, wenn einer tuelletd)t uon ben einigen Söttern uns beibe
Sätje, beifammen gebettet. gorban.
GM. 3. 31 ff.:
.fSera, fei unbeforgt. .Sein (Sott, fein Sterblid)er folt e§
Scßau'n. ®ia) mit golb'nem ©einölt fo bidjt 511 umbilden geben!' id).
3 0 r b a n.
S. 86 3. 14 ff.:
SKeber nom ßulm beS Dh^mpS flugs eilt' er grimmigen fterjenS,
Über bie Sdjultern gelegt ben Sogen unb fdiliejjenben Äöcfier.
Saut auf ber Sdwlter babei »on ben dritten beS jornigen ©otteS
Murrten bie Pfeile. So tarn er baöergefd)ritten ber 9!ad)t gleid).
SBeit »on ben ©djiffen entfernt fict) fe§enb fdjofj er ben "^feil bin,
Unb ein graufig ©ebrötm entflang bem filbernen Sogen.
SDJaultiere nur juerft unb hurtige §unbe befdiofj er,
9Ud)tet' aber alobanu auf fie felbft audj fpifeige Pfeile,
Scbof; — unb ja^lloä ftetS nun loberten Sriiube mit Seiten. gorban.
®. S7 3. 21 ff.:
Proben berroeil bei 3eu'5 i-m Saale mit golbeuem ©oben
Sofien bie ©ötter »ereint, unb §e6e, bie Eierrlidie Scbenftn,
9teid)te ben Sieftar berum. Sie tränten aus gülbenen Sedjern
einer bem anbern 51t unb flauten hinunter auf Sroja. Qorban.
S. 88 3« 30 ff. : 9Jiau ift immer barin übereingefommen, bafj je metjr ein ©ebidjt
<5Jemälbe unb £>anbtungen biete, e§ einen um fo böherrn poetiieben 2Bert fiabe. SDiefe
Überlegung batte mid) auf ben ©ebanfen gebracht, bafi bie Seredmung ber uerfdjiebenen
•©emätoe, toeldje bie ©ebidrte barbieteu, baju bienen tonnte, bie jeweiligen Serbienfte ber
©ebid)te unb ber Siebter ;u »erglcidjen. Sie Qabl unb bie Slrt Der ©emälbe, weldie biefe
großen 2Berfe barbieten, wären eine Slrt Sßrüffteln geroefen ober »ielmel)r eine gemiffe
Slbwägung beS SBerbienfteS tiefer ©ebid)te unb beS ©enies iljrer Serfaffer.
S. 91 3. 28 ff.:
vmjttg entfntllt' er ben Sogen — — — —
alle er ben Sogen befpannt, it)n fiemmenb gegen bie Erbe,
£egt' er itjn forgfam bin — — — — —
— — — Semnädjft ben Sedel »om kodier
3og er l)erunter unb mübjt' einen ^feil mit befiebertem Gnbe,
Seit er nod) niemals gebraucht, mit fintieren Qualen belaben.
Schnell bies bittre ©ejdioj? auf ber Sehne riditenb — —
SeibeS, bie Serben bes gtaljls unb bie Seftne »on J-ledifen bes Stieres
$vafst' uub sog er babei. Sa ber Strang feiner Sruft unb bes Pfeiles
©ifen ber Slnfe genagt unb ber Sogen gefpannt mar jur Jtreisform,
Slimpte bas Jfjorn unb fd)roirrtc ber Strang unb es fprang ber gefpitste
Solje baljin, uoll ©ier Ijinein ins ©etümmel 51t fliegen. ' St bau.
©. 95 3. 17 ff.:
iiebe febob ba fogleidi auf bes SSagens eiferne 2td)fe
[Hüber, gerunbet aus Grj, ad)t Speieben jäljtenb. Tie geigen
Sinb unoergänglid) geformt aus ©olb; ber barüber in Steifen
Dlngetrieb'ne Sefdjfag non ©rj, erftaunlidi ,u feben;
Silberne Stäben umlaufen bie beiben Gnbeu oer Mdjfe;
©treifengefled^t non ©olb unb Silber bilbet ben Jvatnftubl,
2Beld;en gefcpiucift ein Soppelgepng als Srüftung einfafjt,
264 iibcrrrljuiigcn ber fretubfpradjigen (üttote.
Sor iFnn ftretfte fidi auä bie filberne Scidifel. 3In§ ßnbe
Sanb fic bas fiI6erne Socb unb Balte an biefem bie flauen
©olbenen Summete feft — — Jjorbat:.
6. 96 3. lfj.:
— — — tljat an baS gefdjmeibige, neue,
Saubere SBamS, roarf um ben «netten, faltigen plantet,
Sdjnttrte fidi unter bie ^-ütje bie jarten, fd;önen ©anbaten,
^längt' um bie Sdjulter ba§ Sdnoert mit filbernen Stiften, ergriff bann
Sein 00m SSater geerbtes unb ewiges ©cepter. — — gorbait
t?6D. ,-}. iV>ff.:
Jöaltcnb ben ßönigsfiab, ben mit ßunft $jept}äfto§ oerfertigt,
lim il)n bem i)errfa)enben 3eu§, ocm Sofjne be§ SronoS, 31t geben.
Leiter gab it)n bann 3eu>3 tem geleitenben 2lrgo3erleger
§erme§, biefer fobann bem Sioffebnnbiger SpelopS,
$eto»§ fiinroieberum bem SMrtcn ber Sölfer, bem SttreuS,
2BeId)er ibn fierbenb SE&tieft, bem lierbenreicBeu, r-ermadite.
tiefer »ererbte ben Stab 2lgamemnon, bafj er, ilm tragenb,
Sfnfetn in SJJeng' unb ba-,u bas gefamte 2trgo§ 6et)errfä)e. 3orb an.
5. »s 3. :{jj.:
öei biefem Stabe! So roaör ber ipeber SBtätter nod) 3roeige
treibt unb ergrünt, feit ab man it)n tjieb uom Stumpf im ©ebirge,
Jeuu ilnn entftreiitc bas ß-rj ba§ SauB foroot)! als bie Diinbe
Unb e§ füßren ilut jebt in ber fitanb bie Söftne Stä)aja§,
aaJetd)e, 511 Siiditern beftetlt, baö'Diedjt unb bie göttliche Satsuug
Sd&irmen im Kamen be§ gew§ — — — Sorban.
©. 99 3. 6 ff.:
— — ben Sogen gefämifct 00m ©eliörne bes" Steinbock,
SBelcbem er felbft auf bem 2lnftanb bie Sruft non unten getroffen,
Sita er bem Reifen entroedifelt. 3m igerjen ben Speer, überfdilug fid>
SRüdlitigS baS Sier unb ftürjt' aufs ©eftein. Sem Raupte entragte
Eect)jet)ti gauft bai ©eliönt. Jas foppelte fünftlid) ber ©red&Sler,
SdjlicBtet' e3 glatt unb befdjlug's" für bie Sebne mit golbener £fe.
3 0 r b a n.
S. IOS 3. 15 jj.:
— — — 5£rotsige§ l'litfelmc
Sei bie £uB, unjierlidj itjr ftaupt, unb mädjtig ber SJactcn,
S)er aueft tief 311 ben Seinen 00m Äinn bie 2£ampe herabhängt;
Slang bie Seite geftredt, bie unenblidje; alles getnaltig;
fyuß aud) unb sottige Dfjren an eingebogenen Römern.
Sind) mißfalle mir nicht, bie mit fprenfelnber SBeifje beroorfdieint,
Ober bem ^odje fidi fträubt unb mandimal brobt mit bem £orne,
Sßid&t iinäbnlid) bem Stier an ©cftalt, unb erl;abene§ 8Bud)fe§,
Unb bie im ©ang bie Spuren mit nieberem Scbioeife äerfeget. Soft.
Gut. 3. 25 ff.:
— — — £>od)rageubeu \Salfe§
Sft e3, unb feineres £aupte§, bünubäuebig unb fleifd^igeS 3tiiden§;
Unb iljm ftrotjt ooll Hlusfeln bie mutige Sruft. Sot>
S. l(»t V-J. lOff.:
— — — — SBcun ein .sliain unb Slltar ber ©iana
Ober bes eilenben duelleö Öeriefel burdi lieblidic g-lurcu
Dber ber ftrßmenbe 9tt)ein unb ber Sogen bei MegenS gemalt roirb.
2: c u f f e I.
(f bb. 3. -2:j f. :
Safj nid)t im S'abprintB bc§ SBaBnS er irrte lang,
Sielmebr jur &>alniieit teBrenb fittigte ben Sang.
CfbD. 3. 2« f. :
— — 255er fonutc ärgerlid; brob fein,
Saß reine Sd;ilb'ruug nalnn ben 5]B[a| be? Sinne? ein?
(*öb. 3- 20 ff. : Gr Qßoyt) gebraudjt pure (reine) boppelfinnig, um bamit entroeber
„feufdje" ober „eitle" >u be^eidinen; unb er bat in biefer ^eile feine 2JJeinung über ben
toabren (Sl;aratter ber fogenannten befd;reibenbcn ^oefie ausgefprodien. Sine 2lulagc ber
lüia-fclinngni ecr fremblpradjigen Citatc. 265
SMdjtung, bis nad) feiner Weimmg fo abgefrfjmacft ift, wie ein bloß auf SBrüben gegebenes
gefrma$l. £er 3wetf einer malerifcfteu einbilbungsfraft ift, einen guten Jinbalt 311 er«
Reitern unb' ausjufdunüden; roenbet man fie eittjig unb allein für bie SBefdjreilumg an, fo
ift SaS wie wenn flinber fidi an einem ©lasprisma um feiner bunten g-arben Witten cr=
göfcen; wäbTenb, wenn man einen mäßigen ©ebraud) bauon madjt unb fie funftootl rerteilt,
fie gar wobt baju geeignet ift, bie ebelfien ©egeuftänbe in ber 9iatur carsuftellcn unb ju
beteuerten.
S. 105 8. 2V> ff. : xV'h [djriefi biefe 33etracbtungcn, beoor bie SSerfudje ber Seutfcöen m
biefer Gattung (ber efloge) bei uft§ befannt waren. Sie haben bas ausgeführt, was id)
mir »orgeftcllt hatte; unb wenn fie bajü gelangen, mehr 2£ert auf ba§ «üioralifebe 511
legen unb weniger auf bie Ginjelbeiten ber 3iaturfd)ilbcrungen, fo werben fie auf biefem
©einet, bas reicher, untfaffenber, fruchtbarer unb unenblid) uiel natürlicher ift, als bas ber
galanten 3d)äferpoefie, SSortrefftid)e§ teiften.
2. 110 §. 17t?.: G'3 ift ein wefcntlidier Untcrfdjieb jtt)ifd)en biefem Scbilb unb bem
bc* yomer; bort nämlid) wirb bas Ginjclnc erjühlt, wäf)renb es gefertigt wirb, hier aber
Knut man eS nad> SSollenbung be§ SBerfeS fenneu; benn t)ier empfängt aud) StneaS bie
SBaffen, bfttOS er # • naher betradjtet; bort aber- werben fie erft, naebbem alles erjagt
worben ift, non ber Xtjetiä jum ätcfitlleä gebracht.
ebb. 3. 23 f.:
bas ganie Öefd;tccbt, ba§ berfommen feilte
5ßom ülsfanius,* unb in ber 9ieih' bie beftanbenen Äriege.
(flib. 3. 29 f. : SSirgit bat bies gefd)icft gemad)t, weit es nid)t feficint, baß jugleid)
etnerfeitä bie ScbneUigfeit ber Grjäbtung fortgefponnen, anbrerfeits bie ätrbeit fo fünf' ge=
förbert werben fönne, bafj biefelbe mit ben Sffiorten übereinfäme. — ?3on bem md)t erjagt«
baren Inhalte bes Sdjilbes.
3. 111 3. 10 jj.:
angelegt wirb ein mächtiger Sd)ilb,
— — ba inbes ein Seit mit atmenben Söätgen
Suft einbauest unb »erbläft, ein Seil in ben jifd)eftben flüttftrog
Jauchet bas Grj; es erbräbnt non 2(mbosfc6lägen bie gfeßfluit.
21U' crböbn fie ben 2trm mit Äraft unb ©eroalt umeinanber,
jammern im 2aft, unb brebn mit faffenber gange ben Stumpen. SSofj.
eph 3- 29 :
uni) ?.t freut fiel), unfunbig ber Singe, am SJilbe.
S. 118 3. 27 f. :
iilenfdiengefullt war ber SDJarft; benn ba ftritteu fidj jroei »or ßertebte
Über bie fdjutbtge Sßön. für jüngft begangeneu Sotfdttag.
einer beteuerte laut nor bem SSolf, er habe fcöon alles
3tid)tig befahlt, bod) ber anore, nod) nia)t§ empfangen ju baben.
S3eibe »erlangten Gntfdieiö n.aa) ju Iciftenbem geugeuberoeife,
SJBäbrenb mit Stufen bä§ Holt geteilt für beibe gartet nahm.
£eroifie brängten bie Wenge juriitf. 3m geweihten Sejlrfe
Saßen bie 9iid)tcr uml)e* auf i>m glattgcmeißelten Steinen,
Stanben, inbem in bie §anb fie bie Stäbe ber §erolbe nafjmen,
SHafd) pou ben Sihen auf unb fällten wedjfetnb ba« Urteil.
SBer »on biefen fein Died)t am ttarften bewies, ber empfing bann
ßroeen Jalente Öolb, bas bereit fü)on lag in ber SMitte. Sorban.
S. 117 3. 30: £aß il)in bie Suftperfpettioe nidjts grembes war, get>t baraus Terror,
baß er ausbrücflid) ben Slbftanb eines ßegenftanbes »om anbern bemerlt: er erjäljlt
uns u. a. m.
2. 110 3. 34 f.: Über bie Sd)önl)cit ber §eleua tianbelt am beften fionftantinus
SDlanaffeS, wenn man il;m nidit Sautologieen uim Vorwurf madTen bürfte.
S. 120 3. ljf.:
S)iefe war ein Ijerrlid) SBcib, mit fdjonen S3rau'n, uon garbe fd)Bn,
Sdiön »ou SEangen, woljlgebilbet, großgeaugt, »on fdjnee'ger §aut/
i'eidjtbewegenb ihre SBimper, »art, ein wahrer ©rajten^ain,
3Beiß »on Slrmcn, üpp'ger 33ilbung, Sajöntjett jcbem liaucbenb ein,
Sibre Stirn »ou reinfter SBeiße, ihre «Bangen rofeufarb,
§|re Stirne »oller 2lnmut, il;re SSrane jugenbjart,
Selbftgenügenb ihre Sd)önl)eit, ungefd)mintt, »on eigner garb',
3-ärbte ibre reine SBBeiße eine.roj'ge Jeucrglut,
266 Überredungen ber frcmbfprafljigen (üitate.
©leid) wie wenn mit priidit'gem SJhirpur jemanb färbt ba3 Elfenbein.
<Sd)lant ber .öalö, pon reinfter SBeifse, fo bafj man gefabelt brob,
§elena, bie fdjötte , leite itjre yerfriuft ab uom Sdiroan. ,
£. 120 ft. 10: Sa fie ein 3)!al jtmfdjen ben beiben 2lugenbrauen rjatte.
66b. 3. 21 ff.:
Unb bie Augenbrauen follft bu fo v j. \j -J. u ± \S)
SSeber trennen , nod) »ermifdjen ;
3Rad) im Söilb fie, wie bei jener,
gaft unmerfbar nur oerbunbeu,
2U3 ber SBimpern bunfle SBölbung.
66b. 3- 88:
D lag' id) al§ ber Serge rufj'toS Jgemmni§ ba!
(ffib. *$. 40 ff. : @r roünfdjt mitten jmi|d)en ben beiben ©mnplegaben 311 liegen, ge=
roiffermafjen als SBerjögerung berfelben, als .§emmni§, al§ Stieget, ber fie aufbot, fie
»erbjnbert entweber fiä) gau,; eng 511 Dereinigen ober fidj wieberum ju trennen.
S. 12-2:
2JBa§ funfterfafjrne DJiuler je erfunben,
9ieid)t an bie ©djönljeit iljrer SSilbung nid)t.
Sie blonben §aare, laug unb aufgennmben,
Sefiegen felbft" be3 Öolbe3 glänjenb 2id)t.
ÜJHt Stofen 6,0601 Sitten fid; oerbunben,
Unb ü6erftreu'n if>f jarteä 2lngefid;t.
Sie fieitre ©tirn, in ihres UJiaßeS Steine,
©dbeint rote geformt auz glattem Elfenbeine.
3mei fefimarje Sogen, fein unb jart, umliegen
©in fdiroarjes 2lugeu=, nein, ein Sonnenpaar,
Qm Süden sartlid), fparfam im Sewegen.
Sa nimmt man äXmorn, fdier.^enb, fliegenb, waljr;
Sa fenbet er fjerab ber Pfeile Siegen
Unb raubt bie §erjen, jebem offenbar.
Sie SRaf, abfteigenb mitten im ©efidjte,
2)tad)t aiid) be§ 2ieibe§ Sabelsredjt ju nickte.
Sann folgt ber 2Jhinb, »011 ©rü&djcn tjolb umfangen
Unb mit natürlichem Äannin bebedt,
3n bem jwei ©djnür' crlef'ner perlen prangen,
Salb r>on ber Sipp' cntl)üllt unb 6alb oerfterft.
Sa fommt bie rjoltoe Sieb' tjeroorgegangen ,
Sie aud) im raufj'ften .£cr,;en iHilbe medt;
Sa fiebt man oft ba§ füfje Sädjeln werben,
Sa§, wie e§ will, ben §immel bringt jitr Grben.
Ser £>al3 ift ©d)nee, unb 9Mdj bie 33 ruft; üollfommen
©erüribet jener, biefe coli unb breit.
Gin 2lpfelpaar, bem Elfenbein entnommen,
SJJallt auf unb ab, wie bei ber Sttfte ©treit
2(m Uferraub bie SBelleu gcl)n unb t'ommen.
Som anoern giib' aud) 2lrgu>j nicht Söefdjeib;
Sod) fdjlieftt man wobt, es muffe ba-S Serftedte
Sem äljulid) fein, was fidj bem 2lug' entbedte.
Seit 2lrmen ift ba§ redite SRafj geipeubet,
Unb oftmals wirb bie »arte ipanb geid)aut,
Sie, länglid), fdnnal, burd; iljre SBetfje blenbet;
SJidjt 2lber fpannt, nod) ftnödjel ibr bie £aut.
©ie ganje lierrlidje ©eftalt noUenbet
Ser furje fjufj, runblid) unb wohlgebaut.
Sen Sngetreij-, im .vMmmel felbft entfproffen,
•öiett' aud) ber bidfte ©dreier nidjt oerfd^loffeu. ©rie5.
S. 12:5 ;{. 2s jf. ; SBenn bie 2J!ater o^ne ÜJiülje ein »oüenbetei 5D!ufter einer fdiönen
Aiau finbeu wollen, fo mögen fie jene £tanjen beö Slrioft lefen, in benen er auf nmnbet*
bare SBeifc bie~ed)öubeiteu ber gee 2iuina betreibt; 111. b fie werben jugleittj fcfjen, wie
feljr bie guten Sid;ter aud; i^rerfeitä 2,'ialer finb.
Mberfeljungen ber frembfpradjigen Cttate. 267
S. 124 g. 26ff. : 3Jian bead)te , bafs Ejinficfjtlid^ ber Proportion ber gciftrcicfie 2trioft
bie befte , roelcfie bie $änbe ber trefflidjften- 2J!aIer geben tonnen, baburd) bejeicfinet, bnf?
er fid) beS 2Borte3 industri bebient, um beu g'e'& anjubeuten, ber fid) für einen
tiidjtigen Äünftler jiemt.
(f liD. $. 29 f. : £)ier giebt 2lrioft garbe unb erroeift fid) bei biefer feiner garben=
gebung al§ ein roafjrer Sijian.
(?I)D. 3. 31 ff. : Slrioft fonitte ebenfo gut, nrie er „6lonbe5 §aar" gefagt Fiat, ooit
„golbttem §aar" fpredjeu; aber tuelleidjt jdjien e3 ifjm, bafs bie§ etroa§ ju poetifd) ge=
toefeu märe. 3J2an fann barauS fdjltcfseu, bafj ber 3JIaler in feinen ©emälben ätoar ba3
©olb (ber Jgaare) nadjahjnen, aber nid)t nnrtlidjeS ©olb auffegen folt (toie e§ bie 9JUniatur»
mater tfjun), bergeftalt, bajj man fagen fann, biefe §aare finb ämar nid)t »on ©olb, aber
fie fdieinen rote ©olb 51t glänzen.
(fbD. $• 38ff. : Sie 9Jafe, roeldje abfteigt, tuobei er rcoFjl jene gornt ber *ftafeu in
©ebanfen blatte, nrie man fie in ben Sßorträtä ber fd)önen ^Römerinnen au>3 bem 2llter=
tum fiefjt.
®. 125 3. 19 ff.:
(änblia) tritt fie Fjeruor,
©d)ön in Sibonergeroanb mit farbiger 33orte gef leibet:
Saureres? ©olb ihr fflödjer, in ©olb gefnotet ba§ §auptt)aar,
Unb oon golbener ©djnaHe gefd)ürjt ifjr purpurnes Jagöfleib. 33 0 fs-
©. 126 3. 15 f. (SBerSmofj f. oben):
Sod) genug! id) feb,' fie felber.
23alb, 0 SMlbntö, wirft bu fpredjen.
(yliö. %. 27 ff.:
216er unterEmlb be§ 2lntlifc
Sei ein §öl§ uon Elfenbeine,
Übertreffeub ben Stbontä.
5Die geioölbte 23ruft bann gieb itjtn
Unb baS 2lrmepaar 00m £>erme§,
^olobeufe-V fräft'ge ©djenfel
Unb ben Setb oom SionpfoS
SJimm 2lpolIo t)ier, ben ganzen,
2J!ad;e braus mir ben 23att)nllo3.
@. 127 3. 26 ff.:
Dtidjt 311 oerbenfen ift'3 ben Troern unb ben 2Icf)äern,
®af5 fie um fold) ein SBeib fid) fo lang fcfion Setben bereiten,
©tfjier eine ©ottin 511 feftn mufj mahnen, 10er ifjr 0efid;t fd;aut. 3oroan-
©. 12S 3. llff.:
2Ba3 für ©djultern unb was für 2lrme nun fat) unb berührt' idj!
Unb roie bot fid) oem Srud fd)roeUenb beS 33ufen§ ©eftalt!
Unter ber fd)mäd)tigen 33ruft toie mapoll fenfte ber Seib fid);
D roie jugenblicfi fdilanf ©djenfel unb Jßüffe fid; wölbt'! §er§6erg.
@. 129 3. 12 ff. : f. oben ©. 122.
@6t>. S- 2^ff': gn bem fiinn, bem üppig jorten,
Um ben §al§, beu marmonoeifjen,
©ollen alle ©rajien flattern.
(?6b. 3- 31 : (Singebrüdt burd) baS ^-ingerdien 2(morä.
S. 131 3. S: Sie Siebe eiiws ©reifeä ift etroaS ©tf;impflid)e§.
6ÖÖ. 3. 16 f.:
Silber ob nod> fo fd)ön, nad) ßaufe fcfiiffe fie bennocb;
Untieil 6räd)te fie fjicv in ^utunft un§ unb ben Äinbern. Qorban.
<Sbl. 3- 2* f.:
Dlafdj in ben ©dileier gefüllt uon filbrig roeifjem ©eroebe
Sitte fie auö il)i;em ©emadbe. 3orban.
S. 132 3- :}6: ®* (3tpeHe§) malte aud; eine Siana mitten unter einem Sieigeu
opfernbcr Jungfrauen: mit biefem Sjilbe fdjeint er bie 33erfe be§ ijomer, ber eben baSfelbe
befdireibt, übertroffen ju Boben.
S. 133 3. 12 ff.:
2Bie oon SapgetoS' §ö&/n, oom 53erg Erpmantboö berunter
2(rtemi5 fdjreitet, erfreut ib,r ©efebof; 51t tterfenben, unb luftig
Gber unb flüchtige §irfd)e oerfolgt — ; bie SJnmpben ber 2ßilbni'3,
Söcfiter be§ regneuben Seu§, utnfpielen fie als ihr ©efolge. 3oroait-
268 Jtberftifuricten ocr frcmbfpradiigen Citate.
<?bo. 3. 22 f.:
2Bie am ©urotaSgeftab' unb auf fitftigen Satyrn be§ Stmtljui
SEanjenbe Sieib'n ©iana oefeett. SJofj.
(füb. 3. 24 ff. : Siefe Siana, fomohl im ©emälbe, als in ber 33efd)ret6ung, mar bie
Siana SBenatrir. (al§ Sägerin); bodj mar fte toeber bei SStrgtt nod> bei SlpeKeS ober
gomer al§ mit i^ren Stumpften jctgenb oorgefteltt, fonbern als mit bcnfelben in jener Slrt
oon Xämen befäjäftfgt, welche oon bei» Sitten als befonberS feierliche Jganblungcn be§
©otteSbtenfteä 6etrad)tet mürben.
(vliB. 3. 2» ff. : Ser SluSbrud naitetr, beffen fid) £>omer bei biefer Gelegenheit be=
bient, ift gans ungewöhnlich für jagen; er muß, wie choros exercere bei äSirgil, oon
ben religiöfeu Xänjen ber Sitten oerftonben mevbcn, raeil Jansen, nadj ber altrömijdien
Sluffaffung, für SKenfdjen in ber Cffcntlicbfeit für unpaffenb galt; ausgenommen es waren
jene Arten oon Sänjen, bie 511 ehren beS SDJarS, beS s8acd;uS ober irgenb eines anbem
ihrer (Sötter gebräua)lidj waren.
(vbD. 3. :5(iff. : infolge beffen gebraucht spiinutS, inbem er oon ben Sümpften ber
Siana in biefem felben ^-aUe fpridjt, oon iftuen bas SBort sacrificare, roomit er eS burcb=
aus Bejetd)net, bajs biefe Janje berfclbeu 5« jener retigiöfen Gattung gehörten.
tftiD. 3. 4« ff.:
. • Steigen and) führet bereits Gotfterea, ba 'Suna niebcrblinfct,
Unb ©rasten, fid) ftolb ben Stumpften einenb,
Stampfen im wechjelnben Sd)nwng mit ben "gfüfsen ben Grunb.
Subwig.
3. 134 3. 20 ff.:
Unb mit ben febattigen Srau'n bie SSejaljung nidte flronion;
Über bie Stirne babei be@ GötterföuigcS wallte
lieber ba§ fteftre ©elod, unb es roanfte baoon ber DlomooS. gor b an.
(flib. 3« 24 f. : ©emiffermafsen aus bem gimmel felbft geijott.
«■DD. 3- '•'•'■' '■ Gin ,u'e bebeutenber Seil ber Seele.
3. 185 3. :*t>jj. : Cr felbft jebod), oornehmlid) bebaebt auf bie fiörperlutbung, febeint
bie geiftigeu (Smpfinbungen nid)t 311111 Slusbrutf gebracht ju ftaben, autf) flopf* unb Sd;am=
haar nidjt oolleubeter qebilbet jlt haben, als eS bie rohere SSOrj»tt bargcftellt hatte.
(*tin. 3. 88: Siefer gab suerft 9)tuS!cln unb Slbern «riebet unb beftanbelte baS £aar
forgfältiger.
0. 136 3. 20f.:
— — — — — — — — ba ragte, im Stehen,
SBreiter empor ÜJJenelaoS mit feinen gewaltigen Sdntltern;
Sergen fte aber, fo febietj DbnffeuS t)öi)er gemachfen. gor bau.
S. 138 3. (5: ©a§ Sädierlicfte.
(vbo. 3. 27 : S)a§ nidjt Stf)äblid)e.
5. 189 \. 12 jj. : Sie audj einen fonft oerftänbigen fDJann 511m Z&oren mad)t.
6. 14(» 3. f. ff.:
STCatur, bu meine Göttin! Seiner Sahung
©eftord/ id) einjig. SßeShalb follt' id) bulben
Sie fßlagen ber ©eioohnheit, unb geftatten,
Safj mid) ber SSölfer Eigenfinn enterbt,
SBeü idi ein sroölf, ein oierjetjn SDlonb' erfaßten
i'iad) einem SBruber? — it'as Saftarb? weshalb uned)t?
Senn meiner ©lieber 3Rafj fo ftarf gefügt,
SJlein Sinn fo frei, fo abiig meine 3üge,
2US einer G'bgemabUn grud)t? it>arum
iiJiit unecht unS branbiiiarten? SBaftarb? Hnedjt?
Uns, bie im heifjen Siehftahl ber Siatur
3Be|r Stoff empfatju unb t'räft'geru gettergeift,
Stil in oerbumpftem, trägem, fchmalem SBett
SJertoanbt wirb auf ein ganjeS i>eer oon Sröpfen,
\vUh 5miicheu Schlaf gejeugt unb swifchen SBacbcn.
S d) l e g e l - % i e & .
Pütt. 3- 24 ff.:
Sod) ich, su !}}offeufpie[en nicht gemad)t,
9iod) um 511 buhlen mit verliebten Spiegeln ;
,\ch, roh geprägt, entbtöf;t oon 8ie6e3majefiät
Sor leidjt fid) breh'nbeu 9h)inpl)en mid» 51t brüften:
Mberfetjungen öer frcmbfpradjigen Cttatc. 269
S<f>, um bieS fdjöne Gbenmafj oerfiint,
9>on ber Scaiur um Silbuug falfdj betrogen,
Gutftellt, yerraabrloft, uor ber ,3tnt gefanbt
3n biefe SEBelt be§ attnenä, balb fmitn fertig
©emadjt, unb jToar fo lahm unb ungeiiemenb,
£>afs §unbe bellen, b,tn£' id) 100 vorbei;
£$d) nun, in biefer fcfjlaffen fjriebengjeit,
SBeijj feine Suft, bie 3eit mir 31t vertreiben,
2tl§ meinen Sdiatten in ber Sonne fpäb/n
Unb meine eigne sj)Hjsgeftalt erörtern.
Unb barum, meil id) nidit als ein Verliebtet
flattn Hirsen biefe fein bereiten Sage,
Sin kl) genullt, ein Söfenudjt 511 werben. Sd)legeI = ;Eied.
S. U7 3. 10 it.:
S d) ü t e r.
Seist aber imirb' ib,m eine grofje Dieflejion
3u fd)anbcn gemalt oon einem Sacertdjeu.
S t r c p f i a b e 5.
Grjähle, rote?
Scbülcr.
9Iad)tS ftanb er auf ;u forfdjen broben nad) beS QKonbeS 83at)tt
Unb Spfiafen; roie er binauf fo offnen SDhtnbeS finnt,
Sa mad)t uom (SeftmS ber ihm bie Eibedjä »a§ in ben 2Kunb.
S t r e p f i a b e S.
gu läcöerlid)! gerabe beut Sofrateo in ben SDJunb gefadt! Kröpfen.
(ybb. ,g. 33 ff. : Er mar gerüljrt uon ber glärtjenben fcautfarbe ibreS Stamme'?, roeldje
fdjimmerte wie bie gagatfarbigeu Sorften ber fdjtoargen Scbtoeine non ijeffaqua; er mar
entjädt uon betn gequctfd)ten finorpel ibrer 92afe, unb feine Slugen oerroeiltcn mit 33e=
munberung auf ben feölaffen Sdjönßeiten iljrer Srüfte, bie bis auf ifjren Sftabel berabbingen.
(*l)D. 3. S'ff.: Sie machte eine Scßminfe aus 3'egenfctt gemifd)t mit ütufj, mit ber
fie fid) ben gonjen fiörper falbte, mobei fie fid) in bie Sounenftrablen ftellte; ihre Soden
waren triefenb non gefd)mol,;enem Sdjmeer unb gepubert mit bem gelben Staub beS
Sucbit; ihr ©cfidit, meldjeS wie poliertes <S6en§oIj glänste, mar reijehb rerjiert mit glerfen
r>on iKötel unb erfebien roie ber buufle Sorljang ber 2iad)t, ber mit Sternen beftidt ift;
fie befprengte itjre ©lieber mit ^oljafdje unb parfümierte fie mit bem SDiifte be§ Stint«
büamS (? Crig. stmkbii>g?ein). 5bre2lrme unb Seine maren umrcunben mit ben glänjenben
Sannen einer ilufj; »on it)rem £alfe bing ein Seiltet, ber aus bem 3)!agen eines QidteinZ
iiemad)t mar; bie j-lügel eines StraiifjeS überfdjatteten bie fleifchigeu Vorgebirge ifirer
Siiicf feite; unb oorn batte fie einen Scburs, ber aus ben jottigen Obren eines Soroen ge=
mad)t mar. — £)er Surri ober Dberpricfter näberte fid) ibnen unb fang mit tiefer Stimme
bie Srauungsformeln 511 bem melobifdjen Brummen be§ ©om=Gom; unb gleidiseitig (ent«
fpredieub bem Sraudje oon Raffevnlftnb) befprengte er fie reid)lid) mit bem §arnfegen.
Sraut unb Sräutigam rieben fid) mit Segcifterung in biefem foftbaren Strom ab, roäbrenb
bie faltigen Kröpfen oon ibren fiörpern tropften, mie bie fdjlammige Sranbung uon ben
gelfen oon Gbirigriqua.
2. US g. 4: 2UtS ber SWafe ftofj if)r Schleim; ebb. $. S: lange 9JägeI ragten über
bie Jgänbe beruor; cliD. 1:5 f. 1 Slut troff uon ben Sffiangen jur @rbe berab.
Z. IM $. 1 ff. :
DfJeoptolemos.
Sie Iceren 2Bänbe feb' tef) nur ber fablen filuft.
Dbt)ffeu§.
3ift nidits barin, ma§ auf Seroobner fdiliefjen läfjt?
3JeoptoIemo§.
3ertret'neS Scrub, ba§ einer Sagerftötte gleid)t.
Obpffeus.
Sonft alles öbe, nid)tS barin ',u finben met)r?
9i e 0 p 1 0 1 e m 0 S.
Gin STrinfgefäfi ans blofjcm §oIj gefertiget,
SoB fd)lcd)ter Slrbeit, unb Cicrät 51er Neuerung.
270 i(bn-rd;uugen ber freinbfpradjigen Cttate.
C b i) i l e u §.
Jen Sdiafc be§ Sp^itofteteS baft bu mir genannt.
9ieor>tolemos.
SScld) neuer 3lnblicf! Slut'ge SBäf<$e Ränget bort,
SJon einer fdjlimmen SBunbe feud)t, im Sonnenftrabl. 2R in droit;.
(fbt. 3. 12:
9iaul) oon SBufte ben Sart, coli flebenbe§ S3lute§ fein Jgaupt§aor. %o%
66Ö. 3. 16 ff.:
3^cdi, roie er jctjrie , 50g jener bie .S>aut if)tn über bie ©lieber;
Uno rticf)t§ war, als SBunbe ;u fdrau'n. S31ut riefelte ringsum;
Slufgebetft lagen •DHiöf'el unb Sebn'; aud) bie jitternben ülbem
Schlugen, ber §üllc beraubt, aufjudeube Gingeroeibe
Äonnte man jählen fogar unb ber 93ruft btirdjfdjeinenbe gibern. 3Sofj.
©. 1Ö0 3. 7 ff. :
S>iefe oon fern erfdiauenb — — —
SUelbet fie ifjr ber Göttin SBefefjl, unb ba lurj fie oenoeilet,
StradS, obgleid) fo entfernt, obgleich erft eben gefommen,
güblte fie fiel) ioie oon junger gequält. 3Sof;.
(fDÖ. $. 22 jj.:
Unb er ocrjeFirt bie fiul), bie ber £eftia vflcgtc bie SDiutter,
Sowie ben äßettoreisrenuer sugleicb mit bem frieg'rifdjen Stoffe,
Seiter bie .fiatje fogar, ber Heinere Siere gegittert. —
2 a faf; biefer, ber Spröfjling ber Könige, nieber am SBreiioeg,
Skttetnb um SBroden aUba unb beö Sftabl'3 oerroorfenen StbfaU. Scbroenf.
ebb. 3. 28 ff. :
Silber naebbem ber 5)3Iage Gewalt ein jegliches Sabfal
Siufgescört,
IJeijo bie eigenen ©Heber fid) felbft mit serfetjenbem 33iffe
©tummelt er, ungtüdfelig ben 2eib burcr) Sßerminberung uährenb. 3?ofs.
2. 151 ig. 3 ff.:
Soffen fie mir aud) etioa junid ein menig be§ ÜKables,
•vaiuliet e-3 fcheujjlrcben ©unfl unb unausftebtidjcn äualm au§;
Jüciit ein SBeildien oermödit' ein Sterblicher ihm fid) 511 nahen,
9iid)t, roenn felbft irjrit bie S^ruft aus ©emant märe gefdnniebet.
Soä) mid) bränget bie bittere 9iot unb junger nad) Speife,
Sluöjubarren unb fo ben ocrroünfcbten Magert 511 füllen. Dfianber
ebb. 3. 81 ff.:
2 a m u r e.
SBeld) Uugeroittcr tobt in meinem SRagen!
2Bie fdjrei'n bie leeren ©arme! SDleine SBunbeu fd)merjcn;
D bafj fie nur nod) einmal bluten möditen,
So t)ätt' id) etioaä, meinen Surft 511 löfdjen!
a r a u 0 i 11 e.
SBeldi' gute§ Scbcn hatten meine £unbe
Tabeim irr meinem jjjauS! ©in SJIagaäiu,
Gin sD!aga',in oon febönen Knochen, Äruften,
ftoftoaren Stuften! D, ioie Ineipt ber junger! —
2 a m u r e.
2Bie fteht e§?
3JI 0 r i 1 1 a r.
yaft bu Gffen aufgefunben?
% v a n 0 i 1 1 e.
Jlidit einen SBiffen faftn id) hier erfpähn.
,;u'ar giebt's bie beften Steine, boct) fie finb
3u hart jum Diagen; etroaS Sdtlamm aud) holt' id),
SUItt Coffein su oerjet)ren, guten biefen Sdjlamm,
Btuetn er ftinft ocrfludit; aud) alte, faule Strünfe,
Sonff roadift nid;t 2aub nod; SBßii' auf biefer Qnfel.
Mbcrfciuingcn ber frcmbrpradjigen Citate. 271
Samure.
SEBie ficht e3 aml
movillav.
<5§ fünft autfi!
Satnure.
®§ mag mofjl ©ift fein.
J r a n o i 1 1 e.
Sei'S, mn§ e§ null, roenn'ä nur l;imintergel)t !
©i, guter grcunb, ©ift tft ein fiirftlid) Gffcn !
ÜKoriltar.
§oft bu nocfj etwas 3'uiebact? feine Krumen
gn beiner Jafdie? £ier, ba nimm mein 2Bam§
llnb gieb mir bafür nur brei {(eine ßrümdjen.
granoilte.
Glicht für ein Vlönigreid), menn id) fie Bjätte.
Samure, o nur ein arm lief) ©djöpfenjüicfdjen,
£a§ mir oer|'cf)mäf)teu.
S a m u r c.
£u fpridift com «farabieS.
C nur bie gefen von beu #reunbjdiaft*bediern ,
©ie mir 5ur~9iad)t am Übermut »erfduittet.
SJlorillar.
0, nur bie Steifer, um baran ;u leefen! —
grauoitle.
§ier fommt ber SBunbarät; roa§ fjaft bu entbeeft?
D, tadjle, läd)l* intb troff anS.
2B u n b a r j t.
Jsd) ücrfdmtadjte,
2Je£t läcbje, mer nod) fann! g<$ finbe niciitö ,
DiiditS fann unZ Sta^rung merben ofjne SBunber.
D fjätt' id) meine SBiidifen, meine Jßeinmanb,
Smblappen, meine SBiefe, unb bie anbern
SBoiiltfjätigen (Sefjitfen ber Statur,
SEBelcf) lecfreS 3Jtaf)l roürb' id) barauS bereiten!
Dtoriilar.
£aft feinen alten Stuglsapf?
SEunbarst.
§ätt' icf/3, £>err!
Samure.
Diidit ein Rapier, in meldiem fo ein Stabfal,
2Bie '^uiner, Rillen, cingeferfert tagen?
granöille.
£ie Olafe, bie ein fütjlenbeS .Hinftier ....
SKoriltar.
£>aft bu fein Spflafter, feinen alten Umfd)tag?
granoille.
lln§ fümmert nid)t, moju e§ einft gebient.
aBunbarst.
^d) fmbe nid)t§ »on folcfjen Secf ertuffen ,
3Ijv £>errn.
g r a n n i 11 e.
2Do blieb ber grofje SBulft, ben bu
£ugf), bem SDlotrofen, oon ber ©djulter fdmitteft?
Saö märe jefct ein rechter gürftenfd)mau§ !
272 llbcrfEtjunflcn ber frembfprarijigeit Otate.
SQMtn bargt.
Sä) roarf ihn über 23orb, id) Gfelsfopf!
Samure.
SDu unbebauter Sdntrfe. Sannegiefjer.
S. 156 ft. 84: 2Ubenoboru5 unb Samias — bies finb 2lrfabier aus JUitor.
2. 157 $. 22 i(. : Hub oiel mehr finb fonft ntd)t berühmt, inbem bei einigen ihrer
öerühmtbeit, trog trefflidjer Seiftungen, bie gat)t ber flünftler im 2Bege ftanb, ba einer*
feits nidjt ein einzelner ben 9luhtn für fiel) in 2lnforud) nimmt, anbrerjeits mehrere bes=
felben nietjt in gleidjer 2Beife teilhaftig merben tonnen, ttoie '-.-$: i*."bei bem Saotoou im
Spalaft bes Jtaifers Situs, einem SSerte, bas allen Schöpfungen ber 9Jtalerei uno S8ilb=
batierfunft oorgejogen merben muß. ätuj einem eitrigen S3lod haben il)n unb feine Äinber
unb bie touiiberbareii SBiubuugeu ber Schlangen nach gemeinfdjaftlid). beratenem platte
bie trefflidjften Äiinftler gefdmffeu, bie 9ibobier Stgefanber, Sßolnborus unb 2Ul)enoborus.
Gbenfo haben bie palatinifcben §äufer ber Haifcr mit ben gepriefeitften söilbmerfeu au=
gefüllt Graterus mit ^ntE)oborus , sJSoh)bectes mit .'öermolaus, ein siöeiter ^ptboborus
mit Strtemon, unb als einzelner 2lpbrobifius oon XralleS. ffias Spantbeon beS Slgrippa
fdmtüdte Diogenes aus2ltt)eu, unb bie Harnatibeu auf ben Säulen biefe* Jempels merben
gepriefen, rote roenig anbere arbeiten; ebenfo aud; bie im Wiebelfelbe aufgehellten SJilb=
faulen, bie jeboä) roegen ber $ö§e ber SluffteUung meniger gefeiert finb.
2. 160 ;\. 28 ff. : (Sie Seuus bes SfopaS), bie jeben anbern Ort berütmtt madjen
nuirbe. £jn 9iom freilief) läßt bie grofse 3)lenge ber ftunftmerfe fie überfeinen unb überbtes
jieEjt bie 2JJafje oon Smtern unb ©efdjäften alle oon ber ä3ctrad)tung joldjer ®inge ab;
batjer tft eine berartige Söerounberung auch, befonbers a'ngebradjt bei' UHbefdjäftigteu unb
an einem Ort, mo grofje 9iuhe berrfebt.
2. 161 $• l«t.: 2Bie er oon ftarfer Seibenfcr)aft für bie .Uunft erfüllt roar, fo
u'ünfdjte er aud), bafj feine ©enfmäler gefeiert mürben. ,
2. KW ;t- 25 f.: Sitel, berenttoegen man eine S8ttrgfä)aft im Stidj [äffen fönnte.
(flib. ,'{. 27 fj. : Unb bamit es nid)t fdieitte, als ob ich im allgemeinen es auf bie
©riedjen abgefeljen hätte, fo münfdjte id) oerftanben ;u merben nach ber ärt jener SWeifter
ber SKalerei unb Silbneret, bie, uue man in biefem Söudje finbeu mirb, it)re pollenbeten
SSerfe unb aud) jene, bie mir ju berounberu nicht fatt merben, mit einer unbeftimmten
Sluffdjrift oerfeljen Ijaben, roie „2lpelles" ober „^olncletus ntadjte es", gleidjjam als fei
ifire Äuuftfertigfeit immer nod) in ben 2lnfängen unb unoollenbet: bamit nämlich, beut Jtünfts
(er gegen bie mannigfaltigen Urteile ber Sritit ber 2lusmeg blieb, fid) ju entfd)u(bigcn,
als mürbe er bas, maö »ermifjt würbe , nod) oerbeffert Ijaben, menn er nid)t in feiner
Slrßeit unterbrochen werben märe. Saber tft eo ein 3cid)ew von befonbercr S3efd)cibenl)eit,
ba§ fie aüe ibre 2Berfe glctdjfam als il;re leRten bejeiebttet t)aben unb als ob fie gteidbfam
jebem ein;elnen burd) eine 2d)irffalsfügung entriffen roorben mären. 9Itd)t mcljr als brei
Ä-erte, meine id), merben un<3 'übef liefert, 'meldjc eine Jufcbrift mit ' S8e,,eiefmung ber
SJottenbüng Ijattcn: „ber unb ber f>at es gemad;t", unb id) merbe fie feinerjeit aitfübren;
es ging l)ierauS Ijcroor, bafj bem SJerfertiger bie Ijödifte S.idierbeit in bi'v flunft jufagte,
unb besfialb roaren alle biefe Sßerfe ©egenftanb Ijödjften 'Sieibes.
2. 165 ,•{. 8 f. : Vofippus (l. ©lafippus) icb,deb aud) auf ein m 2igina befinblidies
©emälbe oon feiner .slianb: „er brannte es ein", toas er fia)erlid) erft nad; (Srfinbuug ber
©nfauftil tl)iin tonnte.
**liÖ. ,•{. 11 jf. : Gbeuberfctbe (2luguftus) liefj aueß in ber ßurie. bie er auf beut ßos
mitium meibte, jicet ©emälbe in bie SBanb einfe^en: bie91emea, auf einem Söioeu figenb,
mit einem Sßalmjmetg in ber öanb, bei if)r ftetjetib ein ©reis mit einem Stabe, über
beffen Raupte ein SCäfeldjen mit einem ^roägeipauu Ijängt. Jitcias l)at baut gefdirieben,
bar, er es eingebrannt Ijabe: beutt ba« ift ber 2lusbrutf, beffen er fid) bebient ijat. 33ei
bem anbevit ©emälbe mirb oonuijmlid) bemunbert, bap ber ermadifene eofjn feinem greifen
SSater fo äl)itliel) unb boel) ber 3Uier§unterfc$ieb gemährt ift; barüber fliegt ein 2lbler, ber
eine £d)lange gejaf?t bält. ^bilodiares Ijat bies SBerl als bas feinige begeidjnet.
(■flib. ,'{. :50 ji. : Diicias bat alfo auf bies hoppelte ©emälbe feinen Jiameti auf folgenbe
SBeife gefegt: ,/JiitiaS Ijat es eingebrannt"; unb infofern finb oon jenen brei Serfeu, bie,
wie bie 4<orrebe an ben Situs angießt, abiolut, „ber unb ber fiat es gemacht", be;eid)uet
roaren, stoei che» biefe oon 9!icias.
2. U,s g, 16 ff. : 2lud) btefer rourbe 511 ben bebeutenbftcn '("yelbljerren gerechnet unb
hat viele be§ SlnbenlenS wärbige 2l)aten oollbrad)t. Unter biefeit aber hebt fid) am meiftett
bie Crfinbung beroor, meldje er in ber gdjlacbt bei Kjebett mad)tc, als er ben Söotiern
in .viilfe gefommen mar. Senn als hier ber Cberielbherr 2lgefilauS ben Sieg bereits für
gciuiicrt hielt, ba er bie <2ülbuertruppen in bie %iud)t geftblagen hatte, nerbot cihabriaS
ber übrigen galant;, ihren ^jlah 511 oerlafjen unb leinte ihr, ben Stngriff bergeinbe mit
ans flnie gefiemmtem ccbilbe unb oorgeftredter Sanje auszubauen. 2Us ülgefflaus biefe
Überfeimitgett ber freut o für adjtgett Öitate. 273
neue Stellung ftu), wagte er nid)t oorjurüdfen unb lief? feine fd)on angreifenben Solbaten
burdi tie trompete jurüdrufen. Sie« mürbe in gauj 0ried)eulanb fo fetjr berühmt unb
gefeiert, bafj (5l)abriaS ben SBunfdi auSfpraä), eS möd)te bie Statue, meldte Unit bie Slt&ener
auf StaatSloften auf beut SDlarfte feticn tiefjen , in jener Stellung bargeftettt röerben. Seit«
bem gefä)afi. eS, bafj fpätcr aud) atmeten unb änbere ßttnfiler bei ber SluffteUung oou
Silbfäulen ftctj berjenigen Stellungen Bebienten, in benen fic ben eieg errungen ijatten.
S. 169 §. :il fr- : SButenb brcd)cn fie bie bdgegen geftemmte »ruft.
(rltö. •}. 36:
9Hd)t mit her Stint woran anrennt er unb gegen bie 9!eifer. SBölffel.
5. 170 ,g. 30 ff. : Safj bie rfjetorifdie SJäljantafte etroaS anbereS erftrebt, als bie bei
ben ©tdjtern, bürfte btt nidjt entgetju; aud) nidjt bafj ber ,3roecf ber poetifdjen $$antafte
bie <Srf<§fitterung ift, ber in ben Dieben aber bie Srutlid)feit. — Sie (Srftnbungen ber
©iä)ter [äffen eine mejjr mnttjifdie Übertreibung, bie burdjmeg über baS ©laubmürbigc
liinauSgeljt, ju; bei ber rl)etortfd)en ^Ijantafie aber ift baS ausführbare unb innerlid)
2Babre immer am fdjönften.
6. 171 #. 1» ff. : £ierju gefeilt fict) als britte Slrt beS §fe§ler§aften beim 5patl;etifd)cn
baS, was SÜ&eoboroS ^arent^grfoS nennt; c§ ift bie§ baS unjeitige unb Ijoljle 5{5atfi,oS an
Stellen, iuo eS be§ $pat$oS gar nidjt bebarf; ober ein mafjlofeS $atb>S , bk> ein gemäjjigteS
am Sßla&e märe.
C, 172 8. 19 ff.:
gerner befann er fict) nidjt, fein Silber 511 roerfen, bie Sdjüffeln,
Sie ißartfjeniuS fdjuf, unb ben Unten cntlwlteubeu SDHfdjtrug,
SfJljoluS beS Sürftenben inert unb inert ber ©etttaljlin beS guScuS;
Silberne Srüge baju, nebft Schalen, in SOtenge gctrieb'ne
Söedjer, nott jenem geleert, ber fdjtatt fidi DltjntljttS gefauft tjat. 0. Siebolb.
Cflifi. *$. 28: qjartljemuS, ber 9?ame eines StfeleurS.
S. 173 3. 9fj.: Cr erröteS aud) bem Seberarbeiter XtjdjioS eine greunblidjleit, ber
ifjtt in 3leonteid)o3 , als er in feine Sfficrfftatt gefommen mar, aufgenommen Ijatte, inbent
er in ber gßaS ifjn in ben folgenben Werfen anbradjte:
ÜljaS naljte Bereits mit bem turmglcid) ragenben Säjilbe,
SBeldjen iljtn 2ndjioS einft, ber in §nlae fefj&aftc, befte
Seberbereiter, gebaut oon @rj unb beut 2eber be§ SlinbeS. gor bau.
S. 174 3. Sff.: Siefe Slnfidjtcn maren bie Ijerrfcfjenben jur KegierungSjeU SUeganbesS
b. @r., als GSriedjenlanb am beritfjmteften unb auf bem ganjen (SrblreiS am mädjtigften
mar; fo jcbod), bafj ungcfäljr 145 galjre nor bem Xobe jenes ber Sidjter Sopb>!leS in
ber Sragöbic SriptotemoS baS italifä)e ©etreibe oor fämttidjen anbern gelobt Ijat, in beut
luörtlid) übertragenen SluSfpmdj : unb fie befangen baS burd; glönjenbeS ©etreibe beglüctte
Stalten.
(vbb. $. 35 f.: bafj 2lpfiepfton unb SJä^abon epottome 3lrd)onten tnaren; ba nämlicö
ber eine im Stmt geftorbeu mar, mar ber anbere als ©rfa^mann geroä^lt morben.
S. 17s Ct. 12f.:
Sdjüttelt Sifipfjoue toilb iljr graues, oermorreneS §auptb,aar,
Sie umringelnbett Sä)langen jurüd uom ©efidjte fict) merfenb. SSofj.
3. 179 ^. 1 f. :
SSor bem bemantenen Sl)or beS feft uerfd;loffenen ÄerferS
Safjen fie, buntele Sdjlaugen f;erab attS bem §aare ftd) fämmenb. Sofj.
ebb. 3. i f.:
5$lö|lidj ergebt fict) ber Selb, ber bas Sanb mit beut gufje äurüd'ftöfjt,
§od) 31t ben 35Bolfen empör. Sßofj.
Z. IS« 3. 23 f.:
Slötlidjen Dieftar barauf unb amBrofifdjeS öl in bie Slafe
träufelte fie bem *patroflos, um frifet) 311 crbalten ben ßörper. gor bau.
S. 190 ^. 22ff.:
Sann aud) nod; ben Sdjilb, ben umfaugreid)en unb feften,
SfJa^m er, ber mie ber 2)!onb bis in meitc gerne ben ©lanj marf.
So mie, gcfelm 001t ber See, ein gfeuer, baS Ijoct) im ©ebirge
iörennt auf einfamer 21lm, ben faljrenben Sd;iffern in Sid)t fommt,
2BäÖrenb beS Sturms ©emalt fie roeit Ijinmeg 001t ben Sieben
Sreibt unb l;inauS fie uerfdjlägt in baS Sieid) ber gifd)e be§ ÜlleercS.
gorban.
SeffingS SBerfe '.'. 18
274 iiberfeijungen ber frcmbfpradjigen Gtttate.
2. 191 3. 28 ff.:
Sa er ben brofjcnbcn 91adcn be3 wütenbeu Untier? bebrängte
Unb in bie jdjwcüenben ©lieber bcn 2ltem ifnn preßte —
S. 10« 3. 26 ff.: f. © 87 3. 21.
9. 107 A. 29 f.: f. ©. 80 3 3G.
9. 198 3. 16 ff.: f. ©. 132 3. 3B.
S. 199 3. 12 ff. : f. ©. 134 3. 20.
«>- Li ö . ;]. 27 fj. : 63 ift unmöglich, biefen großartigen ©ebanfen im ©emiübe roteberjügeben ;
aber ein ilünftler fann ünt ntd)t gcnugfam feinem ©eifte gegenwärtig galten; e3 ift ein
Mittel, fein 2Berf 511 crljöQett :c.
2. 211 3. 84 ff.:
Sommt, £err, Ijier ift ber Ort: ftefjt ftitl! wie grau'noolt
Unb fdiwinbelnb tft'3, fo tief Ejinab ju fdjau'n! —
Sie flrä^'n unb Sohlen, bie bie 3Jhtt' umflattern,
©ef)'n faum wie .Safer au§ — fjalbmegS Ijinab
£>ängt einer , g-endiei fammelnb , — fdn'edlid) §anbwerf !
3JHd) biinf't, er fdjeiut nidjt größer, als fein .<?opf.
Sie gifdjer, bie am ©tranbe geh/n entlang,
©inb SKäufen gleld); bas f)of)e Scftiff am 2lnfer ift
SSerjüngt 51t feinem 33oot, ba§ 33oot jutn Sönndjen,
S3einal; ju Hein bem 33lid; bie bumpfc SSrattbung,
Sie murmetnb auf äarjltofen Jiicfeln tobt,
©d)allt nidjt bi3 ijier. — Jjd) will nidjt tneljr i)inabfel;n,
Saß nidrt mein £irn fid) breljt, mein wirrer S3licf
SBiid) taumelnb ftürjt Ijinab. ©djiegelsSietf.
9. 216 3. 18 ff.:
Unb oft, wenn aud) bie SBeiStjeit wadjfam, fd;läft
SSerbad)t am X^ox ber SBeiSljeit, überlaffenb
©ein 2(mt ber ©infalt, bereu (Sitte nie
Sa§ Sirge fiefyt, wo nid)t ba3 Slrge fdjeint. 33öttger.
9. 217 3. 18: f. unten 3. 31 ff.
*v li b . 3. 27: eiuft rourbe ©rj mit ©olb unb ©über beim ©ießen oerntifdjt.
(fbb. $• J$l ff. 1 Stefe ©tatue jeigte, baß bie 5Biffenfd;aft be§ SrsguffeS untergegangen
fei, obgleid) 9?ero bereit war, reidilid) ©olb unb ©über 51t fpenben, unb 3t,»"botuö in ber
ftenntntä bc3 SMlbenS unb CifelierenS feinem ber 2ütett nad)ftanb.
2. 21S 3- ^ f.: Unb bod) war bie fiunft uodi wertvoller: feist ift es ungetoiß, ob biefe
[rtilcditer ift ober ba§ ÜJIateriat.
S. 222 3. 4 f.: ogl. ©. 164 3. 16 f.
(*bb. 3. 15 ff. : ugl. ©. 35 3. 28 ff.
2. 228 3- 9f. : ©r begann bamit, (feinen Jiguren) ben l'hinb ju öffnen unb ü;rc
3äiine ju aeigen.
9. 228 3. 3 f.:
©ieb, unten jene äuget, beren ©eite
3iad; unä getefjrt, com £td;tc tjell erglüht,
Sa§ l)ier entlehnt ift unb juriid nur prallt. SSöttgcr.
6bb. 3. 34 ff.:
©ott fprad): e§ werbe Std)t! unb fiel;, e§ warb
Ättjerifd) £id)t, ber Singe reinfter ©toff,
S8on Dften, feiner £>cimat, wanbelt es
Surd) bunfle Suft fit einer ©traljlenmolfe. SSöttgcr.
2. 230 9. 10 ff.:
3ur ©eite
©teilte fid) Sri3, ergriff mit ben ,§änben bie Seine, bie ^eitfdje,
Älatfd;te ben 2lbfaln-t3fd)lag — unb willig flogen bie Dioffe.
33alb mar errcid^t ber Unfterblid;en ©i§, ber l;o^e DlnrnpoS. ^orbau.
(vlib. 3. 20 f.:
Senn man crblidte ben Jüngling entmeber beim Slblaufc, ober
©a)on am $k\c bes Sauf 3, nie in ber SDlitte ber 58afni.
(*Hb. 3. 26 ff.:
(S'tma fo weit, als ein 33}ann, ber uon Ufcrl;öl;cn [jinau3fdiaut
Über bie buntelnbe glut, nod) neblig oerfd;wommen roa§ feint fann,
i)(cid;cn mit einem @pmng boduoiebcrube iHoffc ber ©ötter. Qorbau.
itbecfiljuitgen ber fremöfp rächt gen (ilttate. 275
(*l)D. 3- 35: ©leid;fam als ob cS einem ©otte nid;t anftünbe, mübe jit werben.
5. 231 3- 23 ff.:
— — — — — — — — — äßenn biefe
Über bie Stderflur bin festen, bie faatcttummalltc,
Siefett fte nur auf ben ©pitjeit ber 2tl;ren unb fnieften fie niemals;
Sprengten fie über beS SJieerS unenbfid)en Süden, fo ftreiften
Saufenb fie nur ben bred;cnbeit fiamm ber fcfjäumigeu äBogett. gor bau.
S. 232 3. 12:
©cbwebenbcu SEaubcn im ©ef;n nergleidjbar, fcfjrttten bie beiben. Sorbau.
Mb. 3. 15:
Dirne bie giügel ju regen bttrd;Jd;netbet fie pfeilfdjnelt bie Süfte.
t*bb. 3« 28 f.: baf? bie Saufettben fcbneller laufen, wenn fie bie Sinuc bin unb tjer
betuegen.
@, 233 3- 22: (Sine böljerne, inenfd;enäE;ttlid;e gorm.
S. 234 3- 25 ff. : Dbgieid; ©erüiuS in ber Sljat aus beut (5upl;orion berid;tet, bafj
bieS bem Saofoon gefd;ef)en fei, weil er burd) ebelidjen Umgang tnit feiner fyrau uor ber
iöilbfäule ber ©ottt)eit einen g-reoel begangen t>ätte , fo ift cS bod) maf;rfd;eüilid;er, bafj
biefe gattje ©rfittbung uom 3Jlaro felbft Ijerriiiirt unb als Hilfsmittel eingeführt worben
ift, um ben fdjwer ;u (Öfenben Knoten ju entwirren, nämlid) wie bie Srojaner ju bem
SBagniS gefommeu feien, ein fo ungeheure? unb boljtgejimmerteS 33ilbwer£ in iljre ©tabt
ju transportieren.
@. 236 3. 26 fj.:
3l)n l;ab' id) fjeut gesengt ,
Qljn, ben id; jetjt als einj'gen ©obn erfläre,
SDen id) auf biefem t;eil'gen 33erg gefalbt,
Unb ben ibr je$t ju meiner Jfted;ten feljt,
3u eurem Haupt ernenn' id) itjn — Söttger.
S. 242 3. 2 fj. : es ift gemifj, bafj ber Quno ein äBagett jurommt. ®afj cS fid; aber
fo oerfjält, gebt attd) aus bem Kultus oon SCibttr fieroor, wo man fo betet: D Quito bod;
ju SBagen, mit beinern SBagen unb ©d;i(b fd;üt;e bu mir red)t ben jungen 3iad;mud;S
meines Kaufes.
6b». 3. 28 ff.: f. ©. 64 3. 5.
S. 243 3. 28 f.: f. ©. 191 3. 28.
S. 244 3. 11 ff. : f. ©. 62 3. 37.
S. 245 3. 15 f. u. 23 f.: f. ©. 104 3. 24 u. 26.
(?bb. 3- 29 f.: S3efd;reibenbe 2)td;tttng ift bie geringfte ©d;öpfung eines öenieS.
©. 246 3- 12 ff. : 2)iefe ©cuola, eine ber erften uon 93enebig, ift angefüllt mit ©egeiu
ftäitben aus bem bleuen S'eftament oon ber Qano beS Sintoretto, oon ben beften Seiftungen
biefeS SDleifterS. 3a; mar ganj befonberS berührt oon bemjenigen Silbe, weld)eS bie 33er=
tünbigung oorftellt. S)ie flauer, roeld;e baS ©emad) ber tj. Jungfrau tion ber ©eite beS
gelbes ijzx abfd)ltefjt, ftürst ein unb burd; bie Srefcbe tritt ber ©ngel in »ollem §-luge ein.
66Ö. 3- 27 ff. : <8r bat beinahe bie SErodenEjett unb Steifheit jener Sömen non alter
japanifd;er Slrbeit, bie man in einigen Kabinetten aufbewahrt: „3>m ganzen Körper ift fein
ßbrneben Salj-"*) üBemt mau baittit ben fleinften mobernen Söroen öergleidjt, fo fiebt
man mit ©rftaunen, bis auf roeldjen 93utttt unfere flünftler fid; oon ber alten ®infad;l;eit
entfernt fiaben unb roie febr fie il;ren 2Bi§ t)erfd;roenben, roo bie ©rieajen glaubten, bamit
fparfam umgeben ju muffen.
(£60. 3- 34 f. : Er entroeifjte bie Äunft burd; fd)impftid;eS beginnen, inbem er 3tt>ar
©öttinnen malte, aber nadj bem Silbe feiner ©eliebten.
S. 247 3. lff. : 3)aS berühmte SDiftid;on bes fiarbinals Sembo auf 3iapl;ael:
SRapI;ael liegt t;ier, oon bem, ba er lebte, befieget 511 merben
gürdjtete 3Jiuttcr 91atur, — unter jugebn, ba er ftarb.
gd; toeifi nid;t, ob £r. Stollin ober ber $ater ÖoubourS biefeS flangoolle SDiftid;ott
genau geprüft fiaben: id; ämeifle, bafj eS aus biefer Prüfung mit Vorteil l;crt)orginge.
6l)D. 3- 10 ff. : hierüber urteile id;, fooiel id; baoott nerftebe, ba id; uielleid;t in
allen Singen, fidjerlid; aber tjierin befonberS, unenblid; roettig SJerftänbniS fjabe.
(vllD. 3. 16: f. ©. 149 3. 12.
6UD. 3. 32f. u. S. 248 3. 1 f. : f. ©. 69 3. 19f. U. 26f.
Z. 248 3. 19: Sarum foU ber SKann baS roütenbe ©ift erbulbet b,aben.
Ghb. 3- 26 f.: ®enn alles ift geroifjermafjen bienftbar, roaS nid)t für fid; ba ift,
foubern auf etroas anbereS fid; beäieb,t.
*) 2). f). „fein bifjd;en 2Bi§", nad; Gatull Sc, 3.
276 flbcrficijungcn bei- frcmirtmirljigeu Ötitatc. Jnljalt.
(*ab. 3- 20 f.: ^nft alle flünfte [feinen gefül;rbet ju fein, wenn mau bie 9iaa>
anmutig aufgebt.
(HiD. g. 82 ff. : SBenn man üJiüton gelefen Ijat, Betrachtet man bie SRatur mit »iel
6ett6Iicfenberen 3lugen als uorljcr; mau bemerft ba ©cöjm^eiten, benen man gar feine
Stufmerlfamleit gefd;cnft I;atte.
Z. 250 ;\. 87 f.: f. ©. 79 3. 27 f.
2. 252 g. 12 f.:
Sharon, in beffen 2(ugen ftohjeu brennen
©djlägt mit beut Siuber jeben, ber nod) jögert.
Julia IL
Seite
©tnfeitimg I
Saofoon, ober über bie Örenjen ber SRaterei unb Sßoefie ... 1
9t a cf) I a fs 311m Saofoon.
A. üDitttertalten unb ©nttüürfe jum Saofoon 177
B. ©ntnnirfe unb SJRaterialien jur gortfelutna. beä Saoloou . . . 223
C. 2ltt§güge unh nermifcfjte SBemerhmgen 241
Ü6erfel3ungen ber frembfpracfjigen ßttate 257
UNIVERSITY OF FLORIDA
3 1262 05200 2457
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