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Full text of "Lessings Werke;"

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Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2009  with  funding  from 

University  of  Florida,  George  A.  Smathers  Libraries 


http://www.archive.org/details/lessingswerke09cass 


»aiümal-füieratitr 


X>eutfd?c 

Batumat-Xtff  Statur 

f?iftortfcfy  frttifcfye  Tlusgabe 

Unter  ZHittüirfung 


Dr.  Sdrnolb,  Dr.  «B.  Hälfte,  prof.  Dr.  m.  %m(tif,  Prof.  Dr.  rü.  ^etfifrein, 
prof.  Dr.  <©.  25cDaoÖeI/  Prof.  Dr.  ^irlinger,  prof.  Dr.  lg.  XSIümner,  Dr.  ff.  SSoöcrtag, 
Dr.  fi.  SSor&eroer,  Dr.  w.  <älrei5enarjj ,  Dr.  gjojj.  lürüQer,  prof.  Dr.  lg.  3Pünt3er, 
Prof.  Dr.  38.  jfceg,  X.  ifulöa,  Prof.  Dr.  %.  feiger,  Dr.  fi.  lgamel,  Dr.  <£.  Igencici, 
Dr.  M.  HiocD,  Prof.  Dr.  lg.  Xam6el,  Dr.  fi.  5rt)r.  b.  Xilicncron,  Dr.  <&.  Mi\fS)faä\, 
Prof.  Dr.  3(.jiftinor,  Dr.  ff .  Munäm,  Dr.  p.  jQerrltcö,  Dr.  lg.  ©elterler;,  prof.Dr.lg.palm, 
prof.  Dr.  p.  pipct,  Dr.  lg.  priSDIe,  Dr.  3CüoIf  ftofen&crrj,  Dr.  ?8.  .§auer,  prof.  Dr. 
W.  3.  £>ijiröer,  fi.  Steiner,  Prof.  Dr.  %.  g,ttzn,  Prof.  Dr.  ff.  Petter, 
Dr.  <£.  iPenbelcr,  Dr.  (Cfj.  SoIIinrj  u.  a. 

herausgegeben 

von 

3ofept?  £ürfcfyner 


601    Banö 

cEvftc  ilbteilimg 

Cefftngs  IVevte  IX.  \ 


Berlin  unt»  Stuttgart, 
Der  lag  von  W.  5p  cm  an  n 


Xefftng*  Wtxkt 


neunter  Ceti 

(Erfte  Abteilung 


Q  a  $  k  o  o  n 


l^ercmsgegeben 


prof.  Dr.  %  Blümner 


Berlin  imfc  £fittfgarf, 

Der  lag  r>on  2D.  Spemanti 


Hüe  Hedjte  oorbefyalten 


Drucf  uon  8.  ©.  (Eeubner  in  £etp3tg 


Qmtlcifmuju 


i. 

CeffingS  Sctoloon  ersten  im  3<xf)re  17G6  in  Bertin,  moljin  Seffing 
nadfj  feinem  meljriäljngetjj  2Cufentf»atte  in  Breslau,  wo  er  bie  ©teile 
eine<§  ©efretärS  bei  Sauenden  betteibet  fjatte,  im  Sahire  1765  roieber 
übergefiebelt  mar.  2tber  nur  bie  enbgültige  ©eftaltung  be3  SOBetfeS,  bie 
g-orm,  meldte  e§  'fdrjlieftlict)  nadr)  mannigfaltigen  anbern  ©ntwürfen  erhielt, 
ift  in  biefem,  feinem  ©rfdjetnen  oorausgeljenben  2Sa*)re  entftonben;  au3= 
gearbeitet  t)at  e§  Seffing  im  großen  unb  gait3en  bereite  in  Breslau,  in= 
mitten  ber  friegerifdjen  Sßirren  unb  ber  33ureautf)ätigfeit,  inmitten  einei, 
rate  e3  ben  fjfreunben  in  ber  %tvm  erfdfjien,  leidEjtfmnigen,  mit  allerljanb 
3erftreuungen  Eingebrachten  Seben§;  unb  nocf)  beträchtlich  roeiter  muffen 
mir  surücfgefjen ,  roenn  mir  bie  erften  Meinte  ber  ©dtjrift  auffliegen 
wollen.*)  ©3  ift  für  Seffing  felbft  fowoljl  al§  für  ben  Saofoon  ungemein 
6e,3eitt)nenb,  roo  mir  biefe  Äeime  ,^u  fudjen  fjaben.  233er  nadE)  bem  SEitel  ber 
«Schrift  ober  naef)  bem  2tu3gang3punft,  meldten  biefelbe  für  ben  ©ang  ber 
Unterfudjung  nimmt,  glauben  mollte,  bafj  bie  Betrachtung  uon  $unft= 
werfen  e§  gewefen,  weldrje  Seffing  barauf  führte,  über  bie  0renjen  ber 

*)  StuSfil^rli*  f)abc  id)  bie  ©ittfteEjungsgefdjicfrte  beS  Saofoon  befyanbelt   in    meinet 
Ausgabe  be3  Saofoon,  2.  Slttfl.  (Serlin,  äBeibmaim  1880),  ©mteitmtg  S.  (57—101. 

SefpngS  SBcrfe  it.  a 


II  ffiefftng  imS  bas  lOtrljäUnts  von  jMalrrrt  ntib  tyotnt. 

bilbenben  .Uunft  unb  ber  2>id)tfunft  31t  refleftieren ,  mürbe  fefjlgc^en. 
Äannte  Seffing  feD&ft  51t  ber  ftext,  ba  er  ben  Saoloon  fduüeb,  nur  eine 
nerfjältniömäjjig  Heine  $at)i  tx»irltid^  bebeutenbcr  Äunftmerfe  (fetbft  bie 
iraofoongruppe  fannte  er  nur  aus  2(bbilbungen,  nid)t  im  Stbgufj),  fo  fann 
3U  ber  geit,  roo  mir  bte  erften  ©puren  ber  Betrachtung  ber  fünfte  unter 
jenem  ©efid)tspunfte  bei  ifmt  entbed'en,  non  einer  aud)  nur  einigermaßen 
ausreidjenDen  Kenntnis  ber  Äunft  im  gufammenfjange  ber  f)iftorifd)en 
Gntroidhmg  unb  in  ifjren  raidjtigften  SHepräfentanten  unb  ©djöpfungen 
fdmiertid)  bie  9?ebe  fein.  SBas  tr)tx  anjog,  mar  Ijier  mie  bei  ben  meiften 
anbera  feiner  anatntiftfjen  llnterfudmngen  bas  Problem  als  foIdjjeS;  bas 
Beftreben,  bem  nagen  §in=  unb  öerreben,  mie  es  in  ben  äftfjetifdien 
Schriften  ber  Seitgenoffen  über  bas  Berl)ältnis  oon  bilbenber  Äunft  unb 
Sßoefie  an  ber  £agesorbnung  mar,  burd)  2htfftel(ung  fefter,  aus  bem 
Sßefen  biefer  Äünfte  fetbft  entroidelter  ©efe^e  unb  ©renjbeftimmungen  ein 
©nbe  ju  machen,  gür  feinen  fdjarfen  •  Öetft,  rceldjer  nid)ts  §aI6e§,  feine 
unflaren  unb  nerfdniümmenben  Segriffe  »ertrug,  mar  es  r>on  jefjer  eine 
nerlodenbe  2(ufgabe,  r>erraanbte  Öebiete,  beren  ©renjen  burd)  nermorrene 
©pefutation  nermifdjt  raorben  waren,  genau  nad)  if)ren  9?edjten  unb  2fru 
fprüdjen  gegen  einanber  abjufonbem.;  mie  im  Soofoon  mit  ber  bilbenben 
Äunft  unb  ber  3JMerei,  fo  fjatte  er  es  fdjon  oorfjer  gemeinf  djafttid)  mit 
Söienbetsfofyn  in  ber  ©djrift  „Bope,  ein  9JJetap[)i)ftfer!"  mit  bem  pt)üo= 
fopfjifdjen  Snftem  unb  bem  bogmatifdjen  ©ebtdjt  getfjan,  in  ber  ©djrift 
über  bie  ^aid  mit  ben  Sidjtungsformen  ber  %aUl,  bes  (Epigramms  unb 
bem  ©mblem;  unb  fo  r)atte  er  aud)  Bereits  im  3>af)re  1751  es  mit  greuben 
begrüßt,  bafj  burd)  bie  &ogartf)fd)e  Beftimmung  ber  ^Seitenlinie  als  ber 
©djönfjeitslinie  bas  tuet  gebraudjte  unb  öiel  gemißbraudjte  SBort  fd)ön 
nid)t  mcf)r  bloß  ein  2(usbrud"  ber  Gmpfinbung,  foubern  aud)  bes  Senfens 
fein  rcerbe. 

2ßir  fönnen  es  nidjt  mit  ©tdjerljeit  beftimmen,  mann  juerft  in  Seffing. 
ber  Öebanfe,  baö  311  jener  3e't  ßuf  ^er  SEagegorbnung  ftefienbe  Problem 
bes  Bertjältniffes  non  Malerei  unb  Boefte  511  bcfjanbeln,  aufgetaucht  fein 
mag;  ja  es  märe  bas  fidjerlid)  aud)  if)m  fetbft  unmöglid)  geroefen,  ba 
biefer  ©ebanfe  nid)t  auf  einmal,  fonbern  allmätjUd)  unb  in  Berbinbung. 
mit  anbermeitigen  2lufgaben  fid)  entmid'elt  31t  fjaben  fd)eint.  Sie  Be= 
fdjäftigung  jebod)  mit  fragen,  rae(d)e  biret't  in  bies  ©ebiet  gehören,  finben 
nur  bereits  in  bem  Brief  roed)fet,  roetdjen  er  in  ben  gafyren  1756  unb 
1757  mit  üKenbelsfofjn  über  bas  Srauerfpiet  unterhielt.  2tl(erbings  ift 
es  mefentlid)  ber  tlnterfd)ieb  3roifd)en  §elbengebid)t  unb  £rauerfpiel,  roeldjer 
ben  Snfjalt  ^er  Briefe  bUbet;  aber  bie  ©ishiffton  bierüber  führte  aud) 
barauf,  bas  Ber()a[tnis  smifdjen  Sidjtfttnft  unb  Bilbnerei  ;u  berühren, 
unb  namentlich  mar  es  9J!enbeIsfof)n,  metd)er,  menn  aud)  of)ne  nähere 
eigene  .Henntnis  von  ber  <2.ad)c,  auf  ©runb  oon  SEßincfelmannS  ©rftlingä? 
iciiviit  „Über  bie  :U'nd)af)mung  ber  gried)ifd)en  SBerfe  in  ^e^•  SCialerei  unb 
SBilb^auerfunft"  auf  bie  .verabfetumg  ber  Seibenfc^aften  in  ber  bilbenben 


(Einfluß  b£6  ßjrlinrr  Aufcntljaüs.  TU 

Äunft  fjinrciej)  unb  fpcsiell  bie  Saofoongruppe  aI3  33eleg  hierfür  anführte. 
(5"ö  ift  bie  gleiche  ©teile  au§  Sßindelmann,  meldje  fpäter  ben  2tu3gangs>= 
punft  —  freilief;  nur  ben  äußerlichen  —  für  bie  im  Saofoon  niebergelegten 
Unterfudfjungen  abgeben  follte.  Ungefähr  um  bie  gleiche  3ett,  oa  biefer 
53rtefiuecf)fel  geführt  rairb,  ift  Seffing  mit  bem  (Stubium  ber  <3d;rift  von 
2)ubo3  über  SJialerei,  s$oefie  unb  SJhtftf  befdjäftigt;  unb  rcenn  e§  ftd) 
fd;on  au§  bem  Saofoon  felbft  ergiebt,  baß  bie§  33itcr)  nietfaef)  für  ifm 
33eranlaffung  mar,  barin  aufgeteilte  Sfjeorieen  auf§  neue  51t  ermägen  ober 
ut  befämpfen,  fo  fef;en  mir  aud),  baß  es»  if;m  bereite  bamals  (1757)  3Ser= 
anlaffung  giebt,  gegen  Diicolai  über  ba§  33erfeb,rie  ber  alten  £f;eorie, 
bie  9tad)a[;mung  jum  $rtn3ip  ber  Äünfte  31t  machen,  ftd;  au3jufpred;en 
unb  auäbrüdlid;  e3  ftd;  üorjube^alten ,  ba$  er  auf  bie  9lad;af;mung  unb 
auf  bie  nachgeahmten  Seibenfd;aften  fpäter  mieber  jurüdlommen  motte. 
@§  ift  ha$  jebenfattö  aud)  fpäter,  at3  Seffing  für  einige  3e^  feinen 
2J>ob,nfi£  in  Berlin  aufgefd;Iagen  f)atte  (1759—1760),  gefd)ef;en,  mentgftenS 
erfahren  mir,  baß  bamatä  jtoifdien  ifjm,  3Jlofe§  9JlenbeI§foI}n  unb  Nicolai 
bie  Duetten  ber  fdjönen  SBiffenfdjaften  unb  Äünfte,  „fomte  oiele  anbere 
31t  biefem  ©egenftanbe  gehörige  Materien"  ein  b,äuftge§  ©efpräd)§tf)ema 
gebilbet  Ijaben;  unb  e3  lann  feinem  Qmexftl  unterliegen,  baß  bie  mefent-- 
Udjfteu  ©runblagen  non  Seffingä  £()eorte  ber  fdjönen  fünfte  bereite  ba= 
mala  in  ifjm  fefte  Öeftalt  gewonnen  unb,  mir  bürfen  e§  raobl  fagen, 
audj  im  ©efprädje  mit  ben  greunben,  namentlid;  mit  ÜDienbetsSfofjn,  fid) 
geflärt  f)aben.  Selbft  bie  uielfad;  auf  ganj  anbere  @ebiete  fid)  erftredenbe 
litterarifdje  £f;ätigfeit  jene3  erften,  ntdjt  einmal  langen  berliner  2lufent= 
I)a(t§  ift  für  ben  Saofoon  nid;t  of;ne  SBebeutung  gemefen;  bie  Sitteratur= 
Briefe  ueranlaßten  tfjn,  SBerfe  ju  befpredjen,  in  benen  ba§  SOerroerflidje 
ber  poettfdjen  Malerei  iljm  redjt  beutlid)  cor  2tugen  trat;  feine  2trbeiten 
über  ©opfjofleS  führten  il)n  ganä  in  ben  @eift  ber  f;etteuifd;en  Sichtung 
unb  Senfroetfe  ein,  eine  unerläßliche  Sorbebingung  für  jene  bemunbern§= 
mürbig  fd)arfe  ©rfenntmä  beg  jpomer  unb  ber  £ragifer,  bie  un§  im 
Saofoon  überall  entgegentritt;  unb  bie  2tbb,anblung  über  bie  $abel  gab 
if)m  SBeranlaffung ,  ben  begriff  ber  öanbtung  in  beftimmter  SBeife  ju 
firteren,  roas  raieberum  ntd;t  ofme  33ebeutung  mar  für  bie  Definition 
be§  35erf)ältniffeö,  meld;e3  bie  §anb(ung  als  ©nmblage  fünftlerifdjer  2)ar= 
ftellung  jur  Malerei  unb  ^poefie  I)at. 

Sie  in  ben  üorfjergefjenben  Sauren  burd)  eigene^  ©tubium  nid;t 
minber  al§  burd;  brieflichen  unb  münbtid;en  $erfef;r  mit  ben  ^reunben 
erhaltenen  2(nregungen  mürben  nun  0011  Seffing  raäfjrenb  feineä  33re§= 
lauer  2(ufentf)alte<5  (1760—1765)  »erarbeitet  unb  nad;  unb  nad;  31t  jenem 
planmäßigen  33au  erroeitert,  meldten  mir  bleute  im  Saofoon  bemunbem. 
3Bit  finb  f)ter  burd;  ba§  3Sorf;anbenfein  oerfd;iebener  ©ntmürfe  unb  spinne 
imftanbe,  ungefähr  bie  (Sntftef)ung§gefdE)td;te  ber  <Sd)rift,  ma§  tf;re  äiißere 
^orm  anlangt,  31;  beurteilen,  obgleid)  ber  33erfud),  jene  ©ntroürfe  d;rono= 
logifd;    31t   orbnen,  felbftoerftänblid;  nid;t  mit  abfoluter  ®id;erf;eit  cor« 


IV  ©ic  (Lrntnmrfe  A  1  imb  A  2. 

genommen  werben  fann,  ba  Seffing  im  einzelnen  feine  ^läne  melfad;  um= 
geworfen  unb  mobifi3iert  fjat.  Smmer^n  fann  über  biefe  (con  unS  im 
2ln()ang  mitgeteilten)  ^ßläne  mit  einiger  2öab,rfd)einlid)teit  folgenbeS  an= 
genommen  werben.*) 

Sie  erfte  $orm  fdjeint  baS  Fragment  A  1  ju  bieten.  StlterbingS 
i(t  bies  nod)  fein  (Entwurf  ober  $lan  5itr  gati3en  Schrift,  aber  ber  £>aupt= 
gebaute  beS  Saofoon,  baS  SerljäitniS  3tüifd;en  90calerei  unb  ^oefie,  bie 
Folgerungen,  bie  ficf>  l)ierauS  für  bie  ^oefie  ergeben,  unb  bie  Sebeutung, 
roeld^e  bie  [pmerifdje  ^oefie  in  biefer  SBetDeiSfüJjrung  f)at,  alt  baS  liegt 
in  biefem  (Entwürfe  bereits  !urj  unb  bünbig  auSgefprodjen  nor  unS, 
mandjeS  fogar  wörttiä)  in  ber  Form,  in  ber  mir  eS  im  Saoloon  felbft 
mieberfinben.  (SS  ift  offenbar  einer  ber  erften,  menn  nid)t  ber  erfte 
Sßerfud)  SeffmgS,  bie  Hauptfragen,  am  meldje  bie  gaivje  Schrift  fid)  brel)t, 
in  bünbiger  Form  nieberjufdireiben.  —  ©inen  ausführlichen  (Entwurf 
Ijaben  mir  bagegen  in  A  2.  2Bät)renb  in  jenem  ber  ©ebanfengang  nur 
mit  wenig  Sßorten  angebeutet  ift,  f;aben  wir  im  erften  2lbfdmitt  btefeS 
(Entwurfes  ben  größten  Seil  beS  fpäteren  SBorttautS  ber  Sßorrebe  bereits 
enthalten.  Ser  weitere  2Beg  aber,  weldjer  in  biefem  (Entwürfe  einge= 
fdjtagen  wirb,  ift  burdjauS  oon  bem  fpäter  gewägten  abweidjenb.  3m 
Saotoon  f)at  Seffing  befanntttd)  bie  inbuftiue  9J}etf)obe  ber  @ebanfenent= 
widlung  gewählt,  inbem  er  uon  einzelnen  33eifpieten,  uon  ber  Sarftellung 
tjodjgefteiaerter  (Empfinbung  auSgefjt  unb  barauS  uorläufige  Dtefultate 
abftraf)iert,  welche  il)n  erft  in  ber  9)Jttte  beS  ähtdjeS  31t  feinem  eigent= 
lidien  ."oauptgebanfen  führen;  in  biefem  (Entwürfe  aber  finben  wir  — 
unb  baS  fpridjt  bafür,  bafj  er  ben  anbern  (Entwürfen ,  weldje  bereits  bie 
Slnorbmtng  beS  fpäteren  23ud)eS  fjaben,  vorausgeht,  —  bie  bebuttiue 
sJ9letb,obe  angewanbt.  ©djon  im  3weiten  bis  inerten  2(bfd)mtt  wirb  ber 
Unterfdjieb  iwn  bilbenber  Äunft  unb  ^oefie  nad;  tfjren  allgemeinen  ©e= 
fetjen  erörtert,  in  ben  fotgenben  bie  Sdjitberung  beS  ©djönen  unb  HäfV 
lidjen  in  Geiben  fünften  bel)anbett,  unb  erft  in  ben  fpäteren  2tbfdt)nitten 
folgen  bann  ein3elne  Seifpiele  auS  Sidjtern,  namentlich  Homer  unb 
Button,  Selämpfung  ber  8>orfd)lüge  beS  Grafen  (SanluS  u.  f.  ro.,  lauter 
Singe,  weldje  in  ber  befinitiuen  Faffuua.  größtenteils  als  rjorbereitenbe 
Kapitel  uorauSgefdnd't  finb.  (Sin3elneö  in  ben  tt)eoretifd;en  teilen  biefeS 
(Entwurfes  ift  bereits  genau  in  ber  ^-ovrn  gegeben,  in  welcher  eS  Seffing 
fpäter  aufgenommen  l;at;  im  ganjen  aber  fpielt  im  ©egenfai  jut  fpäteren 
Raffung  bie  tfjeoretifdje  Sebuftion  bie  Hauptrolle  gegenüber  ben  SBeifpielen, 
waS  nid;t  gerabe  als  ein  23or3ug  biefeo  ©ntnmrfeä  beseidjnet  werben 
tann;  unb  waS  uon  befonberer  Sebeutung  ift:  bie  Saofoongmppe  felbft 
fommt  in  biefem  (Entwürfe  nod)  gar  nidjt  iun-!  —  2Btr  »erben  fcfjwerlid) 
fefylgefjen,  wenn  wir  annehmen,  bafj  berfelbe  ju  Slnfang  ber  fedjjstger  ^a^re 
in  Breslau  entftanben  unb  »on  ba  an  bie  gfreunbe  in  33erlin  gefdjidt 

*)  Siäftcr  begri'mbct  in  meiner  oben  angeführten  JCuSgabe  S.  TG  ff.  imb  51t  uergt.  mit 
bem  Herausgeber  ber  bei  £empel  in  Berlin  crfdjieneuen  Sluägabc  ©.  182  ff. 


Ht£  ffintronrfj  A  -l  unb  A  5.  V 

roorben  ift.  Setbe,  SDlenbeläfoIjtt  roie  Nicolai,  fjaben  ifjn  mit  Semerfungen 
iiorfehen,  unter  benen  namenttid)  bie  uon  -Dienbelsfoljn  uon  bebeutenbem 
SBerte  finb;  eine  Sergleidmng  ergießt  batb,  baft  biefelben  mdjt  ofyne  ©in« 
flufj  auf  Seffing  geblieben  finb;  beim  manche  ber  burd)  9)ienbe(öfof)n  ge= 
gebenen  2lnregungen  itnb  Sßinte  finb  uon  if)m  aufgenommen  roorben  unb 
fyaben  5U  Grroeiterungen  ober  umgeftattungeu  einjelner  ^artieen  bes  Sertes 
geführt.  Sßas  hingegen  Nicolai  bemerft  fjat,  ift  grofjtenteils  qualitativ 
ebenfo  unbebeutenb  roie  quantitativ. 

3Bäf)renb  biefe  betben  ©ntroürfe,  »omefymlidj  ber  sroeite,  eine  %u=s 
fammenljängenbe  Gntrotcflung  ber  einseinen  ©eftdjtspunfte  mit  bereits 
Siemlid)  eingefyenber  Darlegung  bieten,  baljer  ütelfadj  fid;  roörtlid)  mit 
bem  Sej;t  bes  Saofoon  bed'en,  geben  uns  bie  beiben  anbern,  f)ier  gunädjft 
in  A-rage  fommenben  Gntroürfe  A  4  unb  5  (A  3  ift  eine  Grroeiterung 
bes  Stjemas  nad)  bem  Segriff  ber  ftanblung  b,in  unb  gebort  einer  fpätem 
Seit  an)  nur  futje  $,nf)altsangaben  ber  einjelnen  Äapitel  unb  finb  als 
SBetfudje  51t  betradjten,  ben  im  einzelnen  fdjon  ausgearbeiteten  unb  üiet- 
fad)  fdron  fertig  niebergefdjriebenen  Stoff  planmäßig  anjutorbnen.  A  4 
ift  basu  nod)  besroegen  roertooll,  roeil  f)ier  md)t  blofj  ber  Gntrourf  für 
ben  erften  Seit,  roeldjer  befanntlid)  allein  erfd)ienen  ift,  fonbern  aud) 
für  bie  gortfe^ung  besfelben  bereits  angebeutet  ift,  auf  roeldje  mir 
raeiter  unten  nod;  jurütf'fommen  raerben.  ^mmerfiin  ift  bie  fyier  üerfutfjte 
ätnotbmmg  0011  ber  fpäter  befolgten  nod)  beträdjtlidj  entfernt;  unb  raenn 
mir  aud)  im  allgemeinen  annehmen  lönnen,  baf;  bie  brei  Slbfdjnttte,  in 
roeldje  ber  Gntrourf  A  4  jerlegt  ift,  ungefähr  ben  brei  Seilen,  roetdje 
Seffing  im  Serlauf  feiner  2(rbeit  für  ben  Saofoon  in  2lusftd)t  genommen 
tjatte,  entfpredjen,  fo  ift  bod)  feinesroegs  ber  erfdnenene  erfte  Seil  mit 
bem  erften  3Ü&fä)mit  biefes  Gntrourfes  ibentifd;,  tuelmefjr  finb  nod)  mehrere 
Mapitel  bes  pieiten  2ibfd)nittes  in  jenen  erften  Seil  hinüber  genommen 
morben.  —  Sie  ©ebanfen,  roeldje  in  ben  oorfjer  befprodjenen  Gntroürfen 
ben  2lnfang  bilbeu,  finb  in  biefem  bereits  auogefdjieben:  Seffing  fjatte  fie 
alfo  bereits  für  bie  Sorrebe  beftimmt,  in  ber  fie  bann  aua)  üjre  (Stelle 
gefunben  (jaben.  Ser  2lnfang  entfpridjt  junädift  ganj  bem  in  ber  befind 
tioen  Raffung  beibehaltenen:  es  roirb  uomSaotoon  unb  ber  bei  ©elegenljeit 
biefes  Sffierfes  gemadjten  33emerfung  SOSimfelmanns  über  ben  ^I)iloftet 
ausgegangen;  bann  aber  roirb  ber  Gang  ber  Gntroicrtung  ein  Dielfad)  ab- 
roeidjenber,  immerhin  jebod)  fo,  bafj  bie  2(nberuugen  nur  bie  2(norbnung 
im  einseinen  treffen,  nidjt  aber  ben  ^nfjalt  im  grofien  unb  galten.  Siet= 
meljr  finben  mir  aud)  fjier  bie  Grörterungen  über  ben  Vaofoon  bes  Stdjters 
unb  ben  ber  SU'tnftter,  über  ©pence  unb  Gantus;  roüfjrenb  bie  eigentlichen 
fuubamentalen  Säfte,  roeldje  ben  fedjselmten  2(bfdjnitt  bes  £'aofoon  bilben, 
erft  im  sroeiten  2lbfdjmtt  jur  23ef)anblung  lommen.  Serfelbe  beginnt 
atlerbings  mit  einigen  Kapiteln,  roeld)e  im  5aofoon  fetbft  ben  <Sd)luf; 
bilben  (2Bintfelmann  betreffenb);  bann  aber  Ijaben  mir  im  fünften  bis 
fiebenten  Kapitel  bie  eigentliche  Duinteffenj  bes  ©anjen,  bie  ©ä|e  über 


VI  £)£t  ©ntraurf  A  5.    UJerljäUnia  ju  Winduümnin. 

bie  ®runbverfd;iebenf;ett  beä  91>efen3  ber  beiben  fünfte,  über  Sdjöntjeit, 
Häjtfidjeä,  ©telfyafteS  u.  f.  ro.  2Ba3  bann  folgt,  ift  jivar  in  einigen  Ginget 
Reiten  and)  nod;  in  ben  erften  Seit  be$  Saofoon  übergegangen,  bem  größten 
Seite  nad)  aber  unausgeführt  unb  für  bie  gfortfefcung  aufgehoben  geblieben, 
©er  Herausgeber  ber  bei  §empet  erfdjienenen  Slusgabe  t)at  angenont« 
men,  bafj  Seffing  vielleicht  nad)  biefem  Sßtane  gearbeitet  ijabz,  jeroeiten  bas 
©rtebigte  burdjftreidjenb ;  e§  finb  nämtidjj  in  biefem  (Sntivurf  ber  gange  erfte 
2Ibfd;nitt  unb  vom  stveiten  2Cbfd;nitt  bie  Äapitel  1,  2,  5  unb  6  burd;= 
geftrid;en.  Sennod)  glaube  id)  md;t,  bafj  Seffing  nnrHid;  btefen  Pan 
bei  ber  befinitiuen  2(uöarbeitung  feineS  33ud;e§  ju  ©runbe  gelegt  tjat; 
vielmehr  fdjeint  e3,  alö  fjabe  er  fpäter  nod;  einen  neuen,  auS  uerfdnebenen 
früheren  Gntivürfen  jufammengefteltten  $Ian  gemad;t,  roetdjer  un§  nid;t 
me(;r  vorliegt,  ©iner  oiefer  anbern  Gntivürfe,  bei  bem  alterbingS  fict; 
bie  fd;ivierige  <yrage  ergebt,  ob  er  vor  ober  nad;  bem  eben  befprod;enen 
entftanben  fei,  ift  un§  bagegen  in  A  5  ermatten.  Siefer  Gntivurf  ift  nur 
angefangen,  nid;t  burd;gefüf;rt;  er  umfaßt  nid;t  nur  femeSivege  jenen 
reichen  3n§att,  ben  ter  vorige  bietet,  fonbern  er  cntfjätt  aud)  nicfjt  einmal 
ba§  gunbament  beS  (Saugen,  ben  3nf)alt  be3  16.  2lbfdmitteg.  2(l(erbing5 
ftefjt  ba§,  mag  bie  beiben  erften  2tbfd;nitte  biefeö  Gntunirfes  geben,  bem 
Saofoon  näfjer,  al§  bie  enifpredjenben  .Hapitel  im  Gntivurf  A  4;  bafür 
aber  finb  mieber  jene  ©ebant'en,  tveldje  in  festerem  gang  fehlen,  unb  3ivar 
tveit  fie  für  bie  33orrebe  beftimmt  tvorbeu  roaren,  lünein  verflod;ten: 
möglidjerroeife  mit  ein  ^nbicium,  baf;  biefer  Gntivurf  früher  ift  al§  A  4. 
hierfür  fprtd;t  aud)  nod)  ein  anbereS  -Dtoment:  bie  2(rt  unb  äöeife,  tvie 
Sßind'elmann  unb  feine  $unftgefct)id;te  l;ier  enuäl)nt  luerben.  SBetannttid; 
mirb  3isindetmaun3  Äunftgefd;id;te  in  ben  erften  '25  2(bfd;nitten  be£  Saotoon 
burd;au§  at§  nod;  nid;t  erfdjienen  bef;anbelt,  obgleid)  fie  bereite  gittei 
Sal)re  vor  Grfdjeinen  be3  [Saotoon  fjerauägefbtnmen  mar;  im  18.  W>-- 
fdmitt  bemert't  Seffing  ausbrüdlid),  er  I;offe,  über  bie  5ßerfpefth)e  bei  ben 
Sitten  in  SBindetmannä  bemnädjft  erfdjeinenber  $unftgefd)id;te  ausreidjenbe 
23eleb,rung  5U  finben,  mit  ber  älnmerfung,  bieö  fei  t.  3-  1763  gefdjrieben; 
unb  ben  26.  2lbfd;nitt  beginnt  er  mit  ben  Söorten,  Söintfelntannä  ©e= 
fd;id;te  ber  $unft  fei  erfdjienen,  unb  er  rcage  feinen  ©a)ritt  weiter,  eije 
er  bieS  23ud;  gelefen  fyabe.  GS  ift  fd;on  tvieberljolt  auf  bie  Unroa^r^ 
fd)einlidjteit  aufmerffam  gemalt  raorben,  bafj  biefe  Sarfteltung  Seffingö 
bem  njttlttdjen  Sb.atbeftanb  entfprocben  fjabe.  G§  ift  ganj  unb  gar  uns 
tfjunlid)  auäunetimen,  baft  mirttid)  bie  erften  25  2(bfdmitte  fo,  mie  fie 
unä  je^t  vorliegen,  vor  bem  ^at)re  1764  abgefaßt  fein  f ollen;  vielmeltr 
t)at  fid;  Seffing  offenbar  abfidjttid;  ben  2lnfdjein  gegeben,  alä  verhielte 
fiel)  bie  Sadje  fo,  rcie  er  fagt,  um  einerfeitä  ben  <3d)ein  ju  vermeiben, 
al'o  l)abe  er  mit  feinem  33ud;e  eine  Sßofenrif  gegen  2Bind'etmann  beabfia)tigt, 
(umä  ja  aud;  tl;atfäd)lid)  nid)t  ber  gall  ivar),  unb  um  vietteidjt  aud; 
anbrerfeitS  gerabe  bamals,  rvo  eö  fid;  für  il;n  um  eine  anfänglich  2Bindel= 
mann  jugebadjte  ©teile  f;anbelte  (bie  bes  tönigt.  33ibtiotf;efarQ  in  Berlin), 


ffintfteljungsseit  öea  ©ntrourfs  A  5.  VII 

burd)  bie  testen,  fpcjteß  SBinrfelmanttä  ,üunftgefd)id)te  befjanbelnben  2tb= 
fd)nitte  3U  geigen,  bafj  er  in  mannen  fünften  fid)  bod)  mit  feinem  großen 
■Wbaten  n)of)t  31t  meffen  imftanbe  fei.  G3  ift  nun  oott  befonberem  ^ntereffe, 
bafj,  roie  au$  bem  ©ntrourf  A  5  fjeroorgefjt,  Seffing  bod)  eine  geitfong 
roenigftenS  bie  2X6fidf;t  gefaßt  311  fjaben  fdjeint,  oon  btefer  g-iftton,  als 
fei  tfjm  bei  ber  2lu3arbeitung  ber  roid)tigften  2lbfd)ttttte  be3  Saofoon 
fBindelmamtS  Äunftgefd)id)te  md)t  ju  §änben  geioefen,  2tbftanb  3U  nehmen 
unb  aud)  bei  Grörterung  ber  §auptpunfte,  auf  uietd)e  e§  itjm  üornetjmlid) 
anfam,  auf  2Bindelmann  9iüd'fid)t  31t  nehmen.  %n  ben  Reiben  erften 
St&fdEjnitten  alterbingS  ift  bie§  nod)  nid)t  [ber  ■fyalt;  utetmefyr  roirb  im 
groetten  auSbrüdlid)  bemerft  |(am  3?anbe),  jbafj  bie  ®efd)td)te  ber  Äunft 
itod)  nidjt  erfditenen  fei.  ^m  brüten  2lbfd)nitt  aber  nürb  bie  ®efd)tdjte 
ber  Äunft  al3  erfdjienen  ermähnt  unb  obgleid)  ba§  liier  bagegen  23emerfte 
fid)  junädift  nur  auf  baS  begießt,  roa§  aud)  im  Saofoon  im  26.  unb  27. 
Slbfdmitt,  atfo  nad)  Grfdjeinen  ber  Äunftgefdjid)te,  enthalten  ift,  fo  ift  bod) 
von  SBebeutung,  baj?  bie  fobann  folgenben  2(bjd)ititte  4—6  Singe  geben, 
rueldie  im  Saofoon  in  früheren  2lbfdmitten,  nämlid)  22—25  unb  13  unb 
14  enthalten  finb,  atfo  nad)  Seffings  2tngabe  fdjon  uor  Grfdjeinen  ber 
Äunftgefdiidite  niebergefdirieben  fein  follen.  §ier  liegt  atfo  nidjt  nur 
beuttid)  3u  Sage,  bafj  jene  2lngabe  im  Saofoon  eine  abfidjtlidj  fingierte 
ift,  fonbern  es  gefjt  barauS  aud)  Ijeroor,  baj?  Seffing  ben  Sßerfud)  genta  d)t 
f>at,  fid)  auf  anbere  3öetfe,  aU  e§  ifjm  fpäter  beliebte,  mit  beut  neuen 
2ß  intf'etntannf  d)en  2Öerfe  abjufinben.  $di  glaube  baljer,  bafj  Seffing  von 
biefem  Gntiuurf  A  5  bie  beiben  erften  2tbfd)ttitte  nurftid)  nod)  vor  Gr= 
fdjeinen  ber  SBittiMmatmfdjett  $unftgefd)idjte,  atfo  cor  1764,  in  Sreölau 
niebergefdjrieben  fjat ;  bajj  biefer  ©ntrourf  aber  liegen  blieb  unb  fpäter, 
nact)  Grfdjeinen  ber  Äunftgefd)id)te  |oon  Seffing  aufä  neue  fjeroorgeljott 
mürbe,  mit  ber  beftimmten  2(bftdjt,  eine  $ortfe|ung  beäfelben  unter  "Rudy 
ftdjtnafjme  auf  bie  Äunftgefd)id)te  31t  oerfudjen.  -Kur  bafj  er  bamit  nid)t 
roeit  !am;  roarum  if)tn  biefe  2trt  ber  23el)anbtung  nidjt  gefiel,  tonnen  mir 
nur  oermuten;  Sfjatfadje  bleibt,  bafj  er  ben  ©ntnntrf  nid)t  fortfe^tc  unb 
überhaupt  ben  Sßtan  fafjte,  für  feinen  erften  Seit  einfad)  2ßindelmann§ 
Äunftgefd)id)te  al§  nid)t  uorfjanben  311  betrachten,  refp.  tt)r  nur  bie  testen, 
gar  nid)t  met)r  3ur  Zad)t  fetbft  gehörigen  Kapitel  311  roibmen,  bafür  oann 
aber  in  ber  gfortfefcung  alterbingä  mit  ben  2öinde(mannfd)en  Sljeorieen 
fid)  auäeinanber  31t  fejjen,  fo  roie  e§  un§  ber  ©ntrourf  A  4  geigt. 

<So  laffen  un^  benn  biefe  ©ntraürfe  einen  äu^erft  leb.rreidjen  Wtä 
in  bie  geiftige  2Berfftatt  be3  Senferä  tf)un.  3Bir  fef)en,  rcie  er  batb 
btefen,  balb  jenen  2Beg  einfd)lägt|  um  feine  Sefer  mögttdift  auf  bem  beftett 
unb  bequemften  ^fabe  3um  Qiete  311  führen;  mie  er  bie  2lnlage  be§ 
(Sangen  altmäfjlid)  enoettert  unb  raie  il)m  ber  «Stoff  unter  ber  £>anb  immer 
mef)r  anroüdjft,  fo  baf?  i()m  3itnäd)ft  nur  einen  flehten  Seit  be§fel&ea  31t 
beroältigen  möglid)  tuirb;  aber  nur  fef)en  nid)t  minber,  mie  großartig  unb 
burd)bad)t  bereits  ber  erfte  3Jßurf  ift,  tute  biejenigen  ©ebanfen,  raeld)e  311 


VIII  3Die  .fragt  narlj  irrt  (ffirtnjtvt  non  fcxfic  nnb  ■Sun(i  bei  ben  3Utcn. 

Begtünben  unb  von  allen  Seiten  su  beleudjten  feine  Hauptaufgabe  mar, 
fdmn  uon  vornherein  ganj  fcf;avf  unb  befritnnti  uon  ihm  niebergefebrieben 
werben,  fo  bafj  fie  faft  unrjeränbert  nur  mit  einigen  unmefentlicben  9)iobi= 
fifntionen,  ber  fdjUefdidjen  fynffmtg  be§  SßerfeS  einoerteibt  werben  tonnen. 
'So  tiiacfjt  ein  fidler  jafylreidje  Slijäen  für  eine  figurenreidje  Äompofition, 
»eränbert  mobt  aud;  bie  2(norbmmg  im  einseinen,  lafjt  bort  eine  $igur 
meg,  fügt  hier  einen  neuen  3"g  Ijinp:  aber  ber  ©ebanfebes  SßerfeS  in  feiner 
Totalität  ftebt  bereite,  el)e  er  ben  Ißinfel  jur  §anb  nimmt,  nor  feinem 
geiftigen  Sluge  nnb  bleibt  burdh  alte  fpäteren  SBeränberungen  unbeein= 
irädvtigt. 

II. 

33euor  mir  baran  geben,  ben  ©ebanf'engang  be<3  Saofoon  31t  jer* 
gliebern,  haben  mir  einen  23(id  51t  werfen  fomoljl  auf  bie  bamatigen 
SSertjältniffe  in  Äunft  unb  ^poefie,  raetdje  mit  baju  beitrugen,  bafj  bie 
Behanblung  bes>  Ijier  geroäbtten  Themas  burdjauö  seifgemafs  mar,  alö 
auf  bie  ©efdjidjte  ber  %taqe  nach  ben  ©reiben  non  s^oefie  unb  bilbenben 
fünften  überhaupt.  *)  Senn  Seffing  mar  roeber  ber  erfte,  ber  biefen  Stoff 
beljanbelte,  nod)  maren  bie  non  il)m  entrcidelten  ©ebanten  etwa  burdnoeg 
neue  unb  unausgefproebene;  e§  ift  melmehr  eine  siemlid)  umfangreiche 
Sitteratur  namhaft  51t  madjen,  in  wetdjer  bieö  Problem  mehr  ober  raeniger 
eingebenb  unb  fdjarfftnnig  fdjon  nor  Seffing  bet)anbelt  roorben  ift',  unb 
uon  ber  Seffing  feinerfeits"  aud)  ausgiebigen  ©ebraudj  gemadjt  t)at. 

9Baö  3unädjft  bie  Sdjriftftelter  bes  2lltertum§  anlangt,  fo  fann  bei 
biefen  allerbingö  uon  einer  aud;  nur  einigermaßen  fnftematifeben  33ebanb= 
hing  ber  $rage  nach  ben  ©renken  ber  beiben  Scbmefterfunfte  ftreng  ge- 
nommen nidjt  bie  Siebe  fein.  Sie  in  ber  Ginleitnng  be3  £aof"oon  citierte 
„blenbenbe  I2(ntitbefe"  bes  Simonibes  entsieljt  fid;  a(3  aus  bem  3llfain= 
menfjang  geriffelt,  burdjaus  unferer  Beurteilung  unb  Prüfung  auf  ihre 
eigentlidje  33ebeutung  bin;  fie  hatte  uieUeidjt  an  fid)  ebenfomenig  ben 
meitgebenben  Sinn,  raekben  man  ifjr  untergelegt  Ijat,  als  bas  fo  oft 
citievte  JQorajifdje  ,,iit]  pictura  poesis",  irjomit  aud)  feinesroegs  beibe 
Äünfte  einanber  abfotut  gleidjgeftellt  werben  follen.  2Benn  mir  bie  griedjifcben 
^bilofoptjen,  $Iato  unb  2(riftote(es,  ober  bie  fpäteren  fR betören,  raie  £>io 
GbrnfoftomuS,  Sucian,  ^M)üoftrat  u.  a.  burdjfehen,  fo  finben  mir  jroar, 
namentlich  bei  tetjteren,  eine  nicht  unbeträdvthdje  gab!  uon  2Uif$erungen, 
meldje  bas  Berl)ättnis  uon  Malerei  unb  ^oefie  berühren  unb  auf  gemiffe 
mefentlicf)e  Unterfdnebe  beiber  aufmerffam  madjen;  namentlich  ba§  Sßrinjtp 
uon  ber  notmenbigen  (Einheit  ber  ftanblung  in  ber  Malerei,  uom  geft= 
halten  eines  eitrigen  Momentes"  u.  bgl.  m.  ift  bereits  uon  ben  2üien 
gelegentlid)  ausgefprodjen  morben:  aber  eine  metbobifdje,  bie  funbamen= 
talc  ä>erfcbiebenbeit  beiber  fünfte  au§  ihrem  innerften  SBefen  berleitenbe 
Unterfudmng  ber  (Stengen  berfel ben  ift  im  2Utertum  allem  2(nfd;ein  nad; 

*)  .hierüber  ift  cingel;cnb  ge()anbe(t  in  ber  Cinlcitung  meiner  grüferen  Slu§ga6e  2.  1—07. 


ihitcrfdjüö  äreiffljm  gritdjifdjcr  unb  mobcrncr  fiunH.  IX 

niemals  angeftetft  ober  and)  nur  oerfudjt  roorben.  ©3  ift  burdiaus  uns 
u>ai)rfd;einlid),  baß  in  ben  für  un§  oerlorenen  iljeoretiftfjen  ©Triften  bor 
alten  Äünftler,  roeld;e  Seffing  in  ber  Borrebe  berührt,  bex-gleicfjen  geftanben 
f;abe;  baS  SSer^altmS  jtöifc^en  Sßoefie  unb  Malerei  refp.  bilbenber  Äunft 
mar  aud;  im  grted;tfd;en  2lttertum  ein  total  anbereg,  al§  in  ber  mobernen 
Seit,  fo  baß  eine  fnftematifdie  ©rörterung  begfelben  an  ftdf;  fdjon  über« 
flüffig  erfdjeinen  mod;te.  Niemals  nämlidj  f;aben  bie  alten  Äünftler  bie 
Siebter  einfad)  illuftriert;  fie  t)aben  il;nen  roof;l  if;re  Stoffe  entlehnt,  aber 
fdjon  üon  ben  friU)eften  Seiten  ber  Jhmft  an,  bereits  in  ben  primitiuften 
2Mereien  beS  alten  fdjnmrgfigurigen  BafenftüeS,  ift  baS  mit  Sßaf;rung 
if;rer  völligen  g-reifjeit  in  2Iu3roal;t  roie  Äonjeption  ber  geuml;lten  ©cenen 
gefdjefjen.  3a^tf°ö  finb  bie  Äunftroerfe,  meldte  im  2tnfd)luß  an  §omer 
unb  fpäter  an  bie  fragiler  entftanben  finb;  fel;r  fpärlid)  bagegen  foldje, 
roeld;e  roirflid;  genau  an  bie  uom  Siebter  befd;riebene  Situation  unb  an 
feinen  SBortlaut  fidE>  Ratten.  Siefe  Unabf;ängigfeit  oon  ber  SDarftellung 
beS  SidjterS,  roetd;e  fid;  bie  alten  Stunftler  burdjroeg  ebenfo  beroaf;rt  tjabtn, 
roie  umgefel;rt  bie  5)id;ter  nur  in  fet;r  befdjränftem  9JJaße  uon  ben  Jtunft= 
roerfen  beeinflußt  erfdjeinen,  mod)te  e3,  roie  gefagt,  mit  fid;  bringen,  baß 
eine  äHJgtengung  ber  Gebiete  beiber  al§  eine  burd;au3  überflüffige  2(uf= 
gäbe  erfdjeinen  tonnte. 

2lber  bie  moberne  $unft  »erfährt  onber§.  Bon  noniljerein  baran 
geroöl;nt,  fid)  bei  ifjren  Sarftellungen  auS  ber  f;eitigen  ©efdjitfjte  an  ben 
Wortlaut  ber  SBibet  ober  ber  §eiligentegenben  31:  f;alten,  übertrug  fie 
biefen  engen  2tnfd;luß  an  bie  Quellen  aud)  auf  iljre  profanen  ©toffe; 
unb  roie  fie  in  jener  ©eite  tf;rer  £f;ätigfeit  genötigt  roar,  fef;r  fjäufig  an 
fid)  gans  llnbarftellbares  bod)  barjuftellen,  fo  oerlor  fie  aud;  in  biefer 
burdjauö  ba<3  UnterfdjeibungSoermögen  für  bie  ©toffe,  roeldje  jur  Sar= 
ftellung  geeignet  roaren  ober  nidjt.  (SS  ift  bat)er  fefjr  begreif  tief» ,  baß 
roir  bie  erfreu  ©puren  ber  in  ber  folgenben  3eit  immer  meljr  f;erüor= 
tretenben  Bermengung  ber  beiben  fünfte  bereite  in  ber  Sitteratur  ber 
9ienaiffance  bemerfen  tonnen.  Silber  ti,  ber  befannte  glorentiner  Bau= 
meifter  (14U4 — 1472),  empfiehlt  auöbrüdlid;  in  feiner  ©d;rift  über  bie 
Malerei  („Della  pittura  libri  tre"),  ber  SKater  folle  fid;  mit  Sintern, 
Sdebnern  u.  f.  ro.  rco()t  befannt  machen,  teils  roeit  ifjn  biefe  mit  ifjren 
(Srfinbungen  unterftüfcen  tonnten,  teils  weil  fie  il;m  für  eine  fd;öne  £om= 
pofition  feiner  Silber  förberlid;  fein  tonnten.  Unb  ber  oon  Seffing  me£)r= 
fad)  citierte  £obooico  Solce  (1508 — 1568),  in  beffen  „Uialogo  della 
Pittura,  intitulato  1'  Aretino"  (Benebig  1557)  ber  befannte  Bietro 
2lretino  als  §auptunterrebner  über  bie  größten  Dealer  jener  3eit,  Diafaet, 
9JUd;el  2(ngelo  unb  Sijian,  (;anbelt,  empfiehlt  nidjt  nur  ebenfo  ben  Malern, 
fid;  i(;re  ßrfinbungen  bei  ben  Siebtem,  unb  umgefef;rt  ben  Beeren,  fid; 
bie  i(;rigen  bei  ben  9Jia(ern  31t  f;olen,  fonbern  er  öegeidmet  aud;  bireft 
einen  guten  £>id;ter  als  einen  guten  SOiater. 

21lle  Betrachtungen  ber  Berf;ältniffe  jroifdjen  Sidjtt'unft  unb  Malerei, 


X  AbtuTons,  Stycncea  unü  Üaiilue'  Werke. 

benert  wir  in  her  ^yotge3ett  begegnen,  gefyen  gleid)  Solce  uon  bem  bereite 
im  Stttertutn  uorneljmlid)  burd)  2lriftoteIe§  feftgeftellten  Sßtinjipe  au§, 
baft  bie  9iad)af)mung  baö  eigentüdje  SBefen  ber  fünfte  fei;  imb  inbem 
fie  ben  Unterfd)ieb  bann  rein  äufjerlid)  nur  in  ber  93er)"ct)tebenf)cit  be§ 
9)iaterialö  ber  9tad)af)mung  erbtid'en,  tommen  fie  ber  !ä)tefjr3al)t  nad)  auf 
übereilte  Sdjtüffe.  gn  brafttfdjer  SBeife  fprtdjt  Dpit5  in  ben  bekannten 
Werfen  an  feinen  greunb,  ben  9)Mer  Strobel,  biefen  Stanbpunft  au3: 
„e3  weif?  faft  aud)  ein  $inb, 
Safc  bein'  imb  meine  $unft  ©efd)mifterfinber  finb: 
äöir  fdjreibcn  auf  Rapier,  ifjr  auf  Rapier  unb  Seber, 
2luf  §013,  93ietalt  unb  ©runb;  ber  ^infet  macfjt  ber  gebet, 
Sie  gebet-  uiieberum  bem  ^ßinfet  alleä  nad),"  u.  f.  m. 
©ans  ben  gleiten  Stanbpuntt  uerttat  DpifcenS  greunb  SBudjner 
(1591—1661)  in  feinem  „9jßegweifer  jur  beutfdjen  'Sicfjthtnft"  (^ena  1663). 
Unb  wenn  biefe  rein  äufjerltdje  Sdjeibung  ber  beiben  Ä'ünfte,  ber  totale 
■Mangel  an  ©rfenntnis  ifjrer  inneren  SSerftrjiebenrjeit ,  felbftuerftänblid) 
md)t  oljne  Ginflufj  blieb  auf  bie  Schöpfungen  ber  3)id)tet,  wie  ber  URaler, 
fo  madjteu  fid)  felbft  in  ber  pfyilologifdjen  gorfefjung  bie  nadjteitigen 
folgen  biefer  £fjeorie  geltenb,  inbem  man  ba§,  waö  man  für  an  fid)  31t 
3ied)t  bcftel)enb  fjieft,  raao  man  non  gleidjjeitigen  itünftlem  unb  Sidjtern 
felbft  gelehrt  unb  geübt  fat),  aud)  als  für  ba§  2lltertum  gültig  betrad)tete 
unb  auf  ©runb  beffen  bie  alten  Sidjtungen  unb  ßunftroerfe  nad)  biefem 
^riii3tpe  bel)anbelte.  ^rviei  fold)er  Sßerle,  in  benen  ba§  am  beutlid)ften 
I)en)ortritt ,  l)at  baijer  Seffing  felbft  im  Saofoon  befprod)en:  Qofepft, 
2Ibbifon3  (1672—1718)  „©efprädje  über  bie  9Mn3en"  (1702),  worin 
ber  SSerfud)  gemad)t  ift,  bie  iUmntmö  ber  alten  Äunftwerle  311  einem 
nü^lid)en  SUtölegungömittel  für  bie  alten  ®id)ter  ju  ergeben,  raa3  ja  ein 
an  unb  für  fid)  felbft  burdjauS  rid)tiger  unb  löblicher  ©ebanfe  ift,  aber 
nur  bann,  wenn  er  mit  ber  nötigen  ©rfenntniS  beö  35erljättniffe3,  in 
weldjem  ^]oefie  unb  Hunft  bei  ben  2Uten  3ueinanber  geftanben  I)aben,  an- 
gewanbt  lutrb.  5)a3  mar  aber  bei  2(bbifon  tnelfad)  nid)t  ber  galt,  unb 
nod)  weniger  in  gofepl)  SpenceS  (1698  —  1768)  „^ohimetiS"  (1747), 
morin  auöbrüdlid)  auögefprodjen  wirb,  lein  Sing  tonne  in  einer  poetifd)en 
33efd)reibung  gut  fein,  meldjeö,  wenn  man  e3  in  einer  Statue  ober  in 
einem  ©emiübe  uorftellte,  von  unfd)idtid)er  Sßirtung  fein  würbe.  —  $n 
ben  gleichen  get)ter,  nur  nad)  einer  anbertt  9tid)tung  ()in,  uerfiet  ein 
britteö,  uon  Seffing  eingeljenb  befprod)eneö  Shtd),  be§  ©rafen  (Sanluö 
(1692 — 1765)  „Tableaux  tires  de  l'Iliade,  de  TOdyssee  d'Hornere 
et  de  l'Eneide  de  Virgile"  (1757).  (Sat)luä  fd)abete  feinem  fonft  fo 
banfenömerten  ä>orfd)lage,  baf?  bie  Äünftler  an  Stelle  be3  fonft  für  mi)tf)0= 
Iogifd)e  Stoffe  non  if)nen  geplünberten  Duib  lieber  an  §omer  fid)  galten 
modjten,  baburd),  bafj  er  bei  ben  twn  i()m  uorgefd)riebenen  ©emälben 
fid)  3U  ftreng  an  ben  S)id)ter  f)ielt,  bem  .Uünftler  311  enge  ©reiben  ftedte 
unb  überhaupt,  wie  Seffing  es  treffenb  auöbrütft,  bie  Sörandjbarteit  für 


Die  Srljrtften  Sljaftcabunjs ,  Kirijaröfons,  TOebbs.  XI 

bcu  SWater  sunt  ^robierftein  bei-  Siebter  madjte  unb  bie  9iangorbnung 
ber  lc|teren  nadj  ber  3n^  ber  ©emätbe,  raeldje  fie  bem  Slünftler  bieten, 
beftimmen  wollte. 

Sic  Süterotur  bei-  äfÜjetifdEien  Sdjriften  au$  ber  erften  Hälfte  bes 
oorigen  Qaf;vf)imbertö,  weld)e  fid)  mit  ber  Stjeorie  ber  Malerei  unb  s}>oefie 
Befcpfttgen  unb  babei  auf  bereu  gegenseitigem  3Jer[)ältni3  meljr  ober 
weniger  etnläfjücö,  SÜicffidjt  neunten,  ift  stenxtirf;  umfangreid);  unb  obgleid) 
fid)  barunter  aud)  fct)r  oiel  roertlofe  Spreu  finbet,  fo  läfjt  fid)  bod)  eben= 
foioenig  »erlernten,  baji  in  mandjen  biefer  Unterfudjungen  ganj  treffenbe 
©ebant'en  au3gefprod)en  finb,  lueldje  ben  oon  Seffing  im  £aoroon  bar= 
gelegten  bereite  fef)r  nalje  fommen.  ©ine  Ijeroorragenbe  ©teile  nehmen 
in  biefer  ftinfidjt  bie  (Snglänber  ein.  ®er  jüngere  ©raf  ©fjafteSburo 
(1671—1713)*)  entiutcfelt  in  feiner  ©djrift  „Sbee  beä  fjiftorifdjen  ®z= 
mälbeä,  ober  ber  £ablatur  oon  bem  Urteil  beö  <£>ertules"  (1713)  fdjarf= 
finnig  unb  geiftreid),  wie  ber  Moment  einer  §anblung  befdjaffen  fein 
muffe,  loetdjen  man  für  eine  bilblidje  Sarfteltung  ju  roäfjten  f)abe,  inbem 
er  namentlid)  auf  bie  Ginfjeitltdjfeit  ber  ftanblung  unb  auf  bie  grudjts 
barfeit  bc3  9Jtomente3  fjiuiueift,  weldjer  ebenfo  bie  ©pur  be§  ooran= 
gegangenen  erlernten  laffe,  alö  aud)  ben  tommenben  SRoment  anbeuten 
folle.  —  SBentge  ^jaljre  fpäter  erfdjien  ^ionatfjan  Diidjarbfons 
(1665—1745)  „Essay  on  the  theory  of  painting"  (1718).  %m  erften 
Seile  biefeö  §8udje§,  beffen  meiterer  5>nl)alt  bie  Äunfttennerfdjaft,  $unft= 
befdjreibungen  u.  f.  m.  betrifft,  wirb  bie  Sfyeorie  ber  Malerei  entioictett. 
i'effutg  l)at  biefe  ©djrift  ioof)l  gefannt;  ber  9iad)laf?  juttt  Saoloon  enthält 
SBemerlungen  511  einer  franjöfifdjen  Überfettung  ber  ©djrift  (2(mfterbam 
1728),  ugl.  in  unferer  2(uögabe  unter  C  13,  Sir.  15 — 30,  aud)  im 
Saotoon  felbft  ift  fie  meljrfad;  citiert:  im  allgemeinen  aber  tonnte  bas, 
ioas>  er  f)ier  fanb,  ifnn  nidjt  gerabe  ju  33aufteinen  für  fein  ©tjftem  bienen. 
Senn  obgleid)  Nidjarbfon  l)iev  unb  ba  ganj  richtige  ©ebanfen  entioidelt, 
mie  3.  93.  über  bie  2_ßaf)t  einer  einljeittidjen  .franblung,  über  ba§  Skrmeiben 
oon  3iebenl)anblungen  u.  bgt.  m.,  fo  ftefjt  er  im  allgemeinen  bod)  burdjauö 
auf  bem  ©tanbpunft,  bafj  Malerei  unb  Sidjtfunft  im  loefentüdjen  ben 
gleichen  ©efe|en  unterworfen  feien,  unb  bafj  bie  Regeln,  meldje  notmenbig 
feien,  um  ein  ©emälbe  gut  auäuorbnen,  beinahe  biefelben  feien,  loelcfje 
man  bei  2lbfaffung  eines  ©ebidjteä  beobadjten  muffe.  $011  irgeubwe(d)er 
tieferen  ©rf'enntnis  be<3  ltnterfd)iebe3  beiber  Äüufte  ift  bal)er  bei  il)m 
nidjt  bie  3iebe;  ebenfomenig  bei  feinem  SanbStnann  Saniel  2Bebb 
(1730—1788),  beffen  „Enquiry  into  the  beauties  of  painting"  (1764), 
ein  bamal§  oiel  gelefeneg  unb  aud)  in§  Seutfdje  überfe^teS  23ud),  Seffing 
roo()l  rannte,  obgleid;  er  e§  im  Saofoon  nid)t  anführt,  roaä  tt)m  bamalo 
fogar  oon  mandjen  3um  SSorrourf  gemad)t  raurbe  (©d;effner  an  §erber 
am  6.  Slug.  1766,  in  „§erber§  SeöenSbtlb"  oon  ©.  ©.  o.§erber  I,  2, 163). 

*)  Seine  Sebeutuiui    für   ben    £aofoon    tjat  S.  ©roffe  in  Sd;abeS  aEiffenfc^aftl. 
SDiomitoblättcnt  f.  1877  ©.  105  befprodjen. 


XII  ■fjurris'  Discourse  ort  Music,  Painting  and  Poetry. 

3C6er  nidjtö  mar  fo  unbegrünbet,  aI3  ber  SBorwurf,  Seffing  f)nbc  im 
Saofoon  SCßebb  benutd,  oljne  il)ti  311  nennen.  Die  „feinften  Semerfungen", 
rceldje  er  mm  ifjm  entlehnt  Ijaben  foffte,  befcjjrcmlen  fiel)  auf  einige 
wenige,  feine§it)eg§  neue  ober  SBeBB  eigentümliche,  fonbern  bamalo  all= 
gemein  anerfannte  ©ä|e,  mie  baf5  bie  ftanbltmg  ber  l)iftorifd)en  Malerei 
blofj  einen  2(ugenblid'  banern  bürfe,  bafj  Öraäie  immer  Seroegung  erljeifdje 
(luefcfje  Definition  bereits  auf  §ome  surücfgcljt)  it.  bgt.  m.;  im  übrigen 
aber  ftcl)t  'Üebb  bitrdjauS  auf  bem  Stanbpunft  ber  gebanf'enlofeften  SSer= 
mengung  beS  Malerifdjen  unb  ^>oetif  d)en,  meldje  ebenfomot)t  in  ben 
uutnberlid)ften  Ü>orfd)lägen  für  Mater,  als  in  ber  6mpfef)lung  an  bie 
Didjter,  fid)  moglidjft  oft  unb  eng  an  bie  Äitnftroerfe  an3ufcl)ttef}en,  t)er= 
nortrttt.  ^oefie  unb  Malerei  feien  unter  alten  fünften  eiuanber  am 
näd)ften  nerraanbt;  nie  erfdjeine  jene  lieblidjer,  als  roenn  fte  fid)  mit  ber 
Maleret  fdjmüd'e;  nie  reifte  biefe  mef)r  Jjiri,  als  wenn  fte  fid)  beftrebe, 
ben  füfjnen  %Iuq  ber  Didjthtnft  51t  erreidjen  unb  fid;  ifjre  Silber  anjiu 
eignen.  3?on  ber  Malerei  lernten  bie  Siebter  bie  ©egenftänbe  ju  gruppieren 
unb  anguorbnen,  itjve  Silber  31t  flottieren  unb  inä  Sidjt  31t  fefcen,  einen 
3ierlicl)en  ilmrtfj  31t  madjen  unb  bie  hinten  ber  @d)önl)ett  anzulegen 
it.  f.  10.  Sd)on  biefe  gaii3e  Terminologie,  roeldje  bie  ÄunftaitSbrüd'e  ber 
Malerei  auf  bie  Didjtfunft  anroenbet  unb  umgefeljrt,  jeigt,  bafj  Sikbb 
abfolut  auf  feinem  ijöfjern  Stanbpunft  in  biefer  3rna.e  ftef)t,  al§  bie 
meifien  feiner  Vorgänger  ober  ^ettgehoffen.  Unb  bod)  mar  fdjon  lange 
oor  feiner  ©dEjrift  ein  Sind)  erfdjienen,  raeldjeS  ilnn  ben  SBeg  31t  richtigerer 
(rrfenntnis  Ijätte  roetfen  tonnen;  baS  ift  ool)ti  ftarriS'  (1709—1750) 
„Discourse  on  Music,  Painting  and  Poetry"  (1744)*),  ein  31a*  33e= 
urteilung  beffen,  maS  Seffing  an  Brauchbarem  Material  für  feine  3Ti)corte 
uorfanb,  fefjr  it)id)tigeS  Sind).  JjjarriS  ftellt  fiel)  in  bemfelben  bie  Aufgabe, 
Stonfoutft,  Maleret  unb  Didjjtfunft  untereinanber  auf  baS  tljnen  Öemein-- 
fame  unb  auf  ifjre  SSerfdjieben^eiten  t)in  311  prüfen.  Dbgteid)  er  nun 
gleichfalls  von  ber  2lriftotettfd)en  Definition  ber  9tad)afjmung  auägeljt,  fo 
füfjrt  ifm  biefe  bod)  auf  einen  anbem  üEBeg,  als  itjn  fonft  bie  Df)eo= 
retifer  jener  3^it  manbeln:  er  bleibt  nidjt  bei  bem  alten  Sßlutardjifdjen 
vXrj  -nal  TQonoLs  (iifirioscat;  Öiacptgovoi  fteljen,  monad)  ber  eitrige 
Unterfdjieb  ber  fünfte  baS  Matertal,  beffen  fie  fid)  bebieuen,  unb  bie 
2lrt  ber  9cad)al)mung  fei;  uielmeljr  unterfudjt  er  biefe  2lrt  ber  9cad)al)immg 
näfjer  auf  i()r  innerfteS  SKJefen  unb  madjt  311m  Sßrinjip  ber  llnterfdjeibung 
bie  oerfrijiebenen  3cid)en,  beren  fid;  bie  Äünfte  bei  iljrer  9iad)af)mung 
bebienen.  Die  Malerei  unb  Donntnft  afjmcn  burd)  natürliche  Mittel,  bie 
Didjtfunft  aber  meift  burd)  fünftlidte  ober  mtUtürlicbe  nad).  2luf  ©runb 
beffen  mirb  beim  entfdjieben,  baf;  fiel)  bie  Die()tfunft  ben  anbem  Münften 
gegenüber   im  Vorteil  befinbet,  inbem  fie  bttrcl)  fold)e  unllt'ürlicl;e,   burd) 

*)  Über  ftarriö'  25ert)rtltMic>  tu  Seffing  ljaiibcln,  nufscr  .Berber  im  erften  tntifclicn 
Sffiälbcfjen  Slbfc^n.  19,  SDilttjci)  in  ben  Sßreufcifd&en  ^aln-büdient  f.  1867,  8b.  J  2.  186, 
«nb  ©roffe  in  2d;abeö  äBiRenf^ofÜ.  SDlonatSbl.  f.  1876  3.  I8ff. 


Hu  ^resuon,  be  ^Warfij,  ijenn)  Watetet,  fflubos.  XIII 

Serttag  angenommene  3etdjen,  b.  l).  burd)  SSBorie  nadjaljmt;  fie  i(t  baburd) 
tmffanbe,  £anblungen  oon  beliebiger  Sauer  31t  ifirent  Öegenftanbe  31t 
mäljlen,  roäfjrenb  bie  9Jtalerei  auf  ©infjett  ber  ftanbtung  angemiefen  ift. 
\>ier  liegt,  memi  auä)  erft  im  ileime,  ba§  g-unbament  uor/  auf  nieldjem 
Seffing  bie  ©ä£e  feines  fedjäefjnten  21£>ydt)nitteö  aufbaut,  vor  allem  bie 
unterfdjeibung  jmtfd^en  natürlichen  unb  niillfürlidjen  3eid)en;  aud)  bie 
3umeifuug  be§  $oer,iftenten  an  bie  Sialerei,  be§  ©ucceffioen  an  bie 
^oefte,  ift  bereite  auägefprodjen.  9iur  bie  raeitere  $o!ge,  meldte  Seffing 
barauä  5ief)t,  bafj  bie  ^ßoefie  Staublungen,  bie  Malerei  aber  Sörper  ju 
ifjrem  ©egenftanbe  fjabe,  ift  nidjt  gesogen;  unb  barum  ift  aud)  baS  9ie= 
fultat,  31t  nieldjem  jlparoä  gelangt,  bafc  bie  Malerei  weit  fnnter  ifjrer 
Sdjmeftert'unft  jurücffieljen  muffe,  ein  neriefjrteS;  unb  uon  ben  ©efetjen, 
meldje  Seffing  auf  ©runb  jener  §|8rämtffett  für  beibe  fünfte  aufftellt,  uor 
allem  von  bem  Verbot  für  ben  Sinter,  Äörper  31t  befd)reiben,  unb  für  ben 
Hialer,  Semegung  barjuftellen,  ift  bei  §arrt§  nod)  feine  Diebe. 

Sie  fran3öfifd;e  Sttteratur  jener  fttit  befifct  mehrere  £et)rgebid)te  über 
bie  9Jialerei,  melcfje  in  manäjer  §infid)t  intereffant  finb,  aber  für  unfern 
3med"  menig  $8raud)bare3  bieten.  3rcei  baoon  finb  freilid)  ftreng  ge= 
nommen  nidjt  3itr  fransöftfdjcn  Sitteratur  31t  redmen,  oa  fie  in  lateinifdjen 
§ei:ametern  abgefaßt  finb,  baS  eine  non  bu  $re§norj  (1611 — 1665): 
„De  arte  grapkica  liber"  (1684  publiziert  »on  9)Jignarb),  ba§  anbere 
von  be  9)Jarfn  (1714—1763):  „Pictura"  (1736).  3)a3  britte  ift  in 
franjöfifcfjen  2tle;ranbrmern  uerfafst  unb  rüfjrt  bjer  uon  §enrn  Söatelet 
(1718—1786):  „L'art  de  peindre"  (1760).  2Uie  brei  fanben  ifjrer  3eit 
tuet  33euumberung  unb  2lnerfenmmg,  audj  im  2lu3tanbe;  namentlid;  bu 
^-resnou  ift  mefjrfad;  überfeist  unb  fommentiert  morben,  am  genaueften 
non  be  ^üe3,  beffen  Äommentar  aud)  Seffing.  im  £aofoon  getegentlid) 
citiert.  Söefenttid)  djaraitertftifd;  für  biefe  £eb,rgebtd)te  ift  bie  Übertragung 
ber  bamatä  für  baä  Srama  sum  Sogma  erhobenen  brei  einleiten  ber 
foanbluug,  be3  DrtS  unb  ber  3eü  auf  bie  9)Merei.  ©0  roenig  an  unb 
für  ftd)  gegen  biefe  Übertragung  einsuroenben  ift,  fo  ungenügenb  ift  bie 
2(rt,  mie  biefelbe  begrünbet  wirb,  unb  fo  mangelhaft  bie  Folgerungen, 
bie  baran  gefnüpft  merben.  —  fiefjrretdjer  finb  bie  rein  tljeoretifdjen 
^>rofafd)riften  ber  fransöjtfdjen  2(ftf)etifer ,  unter  benen  Dornefjmlid) ,  at3 
r>on  Seffing  benutzt  unb  mefjrf  ad;  citiert,  23ead)tung  uerbienen  be§  2lbbe 
S) üb o3  (1670—1742):  ,, Reflexions  critiques  sur  la  poesie,  la  pein- 
ture  et  la  musique"  (1719).*)  Senn  obgleid;  audj  5)ubo3  nod;  immer 
im  „ut  pictura  poesis"  brinfted't,  fo  finben  mix  bod)  bei  ib^m  eine 
ÜDlenge  feinere  33eobad;tungen,  meldje  ftellenmeife  bereite  ben  £effingfd)en 
©ebanten  siemlid;  nafje  fommen.  ©§  gilt  bciZ  namenttid;  uon  bem,  roa§ 
Suboä   über   bie  23ef;anblung    eineä   unb   beSfelben   ©ujetä   burd)   ben 

*)  Über  ©ubo§'  a>crl)äitni'j  ;u  Seffing  oergletdje  man  fionr.  ßetjfa^t,  Dubos  et 
Lessing.    Öireifdiuatb   1874,   tmb  G.  0rofie   in    ben  äBiffenfdjaftt.  2Jonat§6t.  f.   1870 

©.    7  ff. 


XIV  <CI).  -ßattntr.    ©iberots  ßrbcutung  für  bie  frags. 

Siebter  einerfeitö  unb  burdj  ben  üTJiater  anbrerfett3  fagt;  non  ber  33er= 
utteilung  ber  rein  altegorifdjen  ©atftcUungcn  u.  a.  m.  2lud)  bei  2)ubo3 
finben  mir  bereite,  alfo  geraume  3eit  cor  £>arri3,  bie  Unterfdjeibuug  ber 
natürlichen  3eidjen  i>er  Malerei  von  ben  millfürtid)en  ber  ^oefie:  er 
folgert  aber  barau3,  ganä  im  ©egenfatj  gu  .^arriei,  bafc  bie  9Jiad)t  ber 
■Dlalerei  auf  bie  9Dcenfd;en  größer  fei,  atö  bie  ber  Sßoefte,  roeit  bie  burdt) 
baö  2luge  jugefjenben  ©inbrücfe  mächtiger  feien,  als»  bie  burd)  anbere 
©inne  in  bie  Seele  gelangenben,  unb  meil  natürliche  3e"^n  allgemeiner 
uerftänbtid)  unb  besfyatb  roirffamer  feien,  als  fünftlidje,  oerabrebete.  2lud) 
t)ier  alfo,  nüe  bei  ftarriö,  finben  mir  auö  richtigen  3Jorauofeluingen  ein 
fatfdfjeö  3tefultat  gebogen:  all  ba§  au$  bem  leibigen  23eftreben,  bie  bagumal 
oiel  gelehrte  Äöpfe  befdjäftigenbe  müßige  <yrage,  ob  bie  2)id;ttunft  cor 
ber  DJJalerei  ben  2jorjug  nerbieue  ober  nidjt,  gu  l'bfen,  anftatt  tiefer  geljenb 
baä  SGBcfen  beiber  Äünfte  311  beftimmen  unb  einer  jeben  iljre  eigene,  gteidp 
berechtigte  (Stellung  baburd)  gu  roafjren.  ^rotjbem  ift  e3  fidjer,  baß  SuboS 
für  feine  3eitSß"offen  unb  9iad)folger  uon  außerorbentlid)  anregenber  unb 
nachhaltiger  SBirtung  gercefen  ift.  £>arriö  ift  I)öd)ft  u>af)rfd)einlid)  nidrjt 
unbeeinflußt  uon  ifjrn  geblieben;  bie  fdnueigerifdjen  Äunftlrittfer  ftefjen 
uollftänbig  auf  feinen  ©djultern;  unb  roie  Seffing  ftcfj  mefjrfad)  an  tr)n 
angelehnt  tjat,  fo  aud)  äßind'etmann  unb  Siberot.  Seigerer  aber  ift 
Don  allen  frangöfifdjen  2iftt)etifern,  ja  mir  tonnen  uielfeidjt  oljne  Übertreis 
bung  fagen,  uon  alten  2lftf)etifern  jener  3e't  überhaupt,  berjenige,  roeldrjer 
Seffing  am  nädjfteu  getommen  ift.  SBäfjrenb  ba3  uiel  benntnberte  unb 
fanonifdie  ©eltung  erlangenbe  2ßert  uon  (Sl)arle3  33atteur.  „Cours  des 
belles  lettres"  (1747)  fid)  fnnfidjtlid)  ber  ©rengeu  ber  }>oefie  unb  Malerei 
auf  bem  alteroberffädjlidjften  ©tanbpuntt  l)ält,  ja  felbft  meit  hinter  2)ubo3 
gurüdbteibt  unb  beibe  fünfte  als  ganj  übereinftimmenbe,  über  bie  man 
gteidjfam  mit  benfelben  Sßorten  unb  ©ebanten  fprecfjen  tonnte,  befjanbelt, 
faßt  23atteu£'  ©egner  Siberot*)  biefe  gfrage  in  ber  %f)at  in  foldjer  SSev- 
tiefung,  baß  er  fid;  hierin  al§  ein  Seffing  ebenbürtiger  ©eift  geigt.  £>te= 
jenige  ©djrift,  meld;e  l)ier  befonbers  in  23etrad)t  311  jietjeu  ift,  ift  feine 
,. Lettre  sur  les  sourds  et  muets"  (1751).  23er  ©egenftanb  ber  ©d)rift 
füf)rt  £>tberot  uon  felbft  auf  bie  uerfdjiebenen  3eid)en  *>er  9iad)afmumg; 
unb  er  fpridjt  r)ier  fogar  ben  Sßunfd)  au%,  raelcfjer  batb  barauf  burd)  ben 
Vaofoon  erfüllt  rcerben  follte,  baß  ein  unterrichteter  unb  fdjarffinmger 
©eift  fid)  einmal  bamit  befdjäftigen  m'bd)te,  biefe  3eW)en  untereinanber 
ju  Dergleichen.  Gr  felbft  tfjut  bieS  freilief;  nietjt  pringtpiell,  fonbem  nur  an 
einigen  33eifpielen,  meldte  aber  fel)r  beutüd)  geigen,  baß  fein  ©tanbpunft 
barin  burdjauS  ber  eineö  befonnenen  unb  geiftretetjen  ÄunftfennerS  mar. 
3ttd)t  minber  enthält  fein   „Essai   sur  la  peinture"  (1705)  eine  ganje 

1  Über  TiberotS  akrfjättniS  ju  Seffing  »gt.  man  aujjcr  Kofen!ranj,  SliberotS 
8c6en  unb  SBerfe,  1.  •■>'■<  ff.  noeft  Scbercr  im  Sinnig,  f.  bcutidicj  Sttltertutn  u.  bciitfcb.  ßitter. 
i.  1-7«'.,  -^b.  II.  1  2.  sr,  ff.  unb  erief,  Sdimibt  in  ber  ©egemuart  f.  iss'_>,  Sb.  1,  2. 
133  u.  153,  unb  berf,  Seffing  II,  41. 


Dir  S5djn»t?er  ßobnur  unb  rörettinger.  XV 

9teib,e  trefflicher  unb  feiner  Veobadjtungen  naa)  biefem  ©efidjtSpunft 
f)in.  Sebr  fdjarffinnig  wirb  t)ier  auSeinanbergefetjt,  ma$  unb  in  wetdjer 
SBeife  ber  ttünftler  an  einer  if»m  com  Siebter  gegebenen  (Situation  0u 
änbern  ^a6e;  bafj  er  fid)  ber  ©rimaffe,  ber  fjödjften  Stufe  ber  Seiben= 
fd^aft  enthalten  muffe,  um  bie  Sdjönfjeit  nidjt  ju  oernidjten;  bafj  ber 
Äünfifer  fid)  an  bie  S)arfteIIung  eine§  einjigen  9Jiomente3  galten  foüe, 
benfelbeu  aber  fo  geftatten  tonne,  baf$  er  bie  Spuren  beä  oorangegangenen 
erlernten  laffe;  bafs  oorübergefjenbe  2lffette  nierjt  barjufteUen  feien,  u.  bgl.  m. 
3n  allen  biefen  fünften,  and)  in  ber  Verurteilung  ber  2lllegorie,  ftefjt 
2)iberot  gang  unb  gar  auf  Seffingö  Stanbpunft;  es>  fefjlt  bei  tfjm  nur 
bie  fi)ftemattfcf)e,  au3  bem  SBefen  ber  Äünfte  felbft  abgeleitete  33egrünbung 
feiner  gorberung,  unb  manebeä  madjt  ben  iSinbrud,  als>  wäre  e3  mef)r 
ber  2tusbrud'  feines  feinen  äftljetifdjen  ©efüfjtS,  al3  bie  $olge  ber  (Sr= 
fenntniS  unabänberlicber  aftljetifdjer  ©efc^e. 

Sie  biefjer  betradjteten  Schriften  ber  (Snglänber  unb  granjofen 
nehmen  sur  ©runblage  ibrer  Unterfudjungen  mefjr  ober  weniger  bie 
Malerei;  bie  fjier  jimädjft  oornetjmUd)  in  Setradjt  fommenben  beutfdjen 
SBerfe  bagegen  gefjen  oon  ber  Sidjtfunft  au3,  beren  Sfjeorie  in  Seutfdp 
lanb  über  ijunbert  %a§vt  ^an%  "n  Dtel  bezauberter  unb  oiel  umftrittener 
©egenftanb  war,  wobei  Vergleiche  unb  parallelen  mit  ber  Malerei  felbft= 
oerftänblidj  nidjt  ausbleiben  tonnten.  (Sine  iuict)tige  3iolle  nehmen  ()ier 
bie  beiben  .Süricfjer  S-  3-  Vobmer  unb  3.  $.  93reitinger  ein:  teuerer 
mit  feiner  „Ifritifdjen  Sidjtf'unft"  (1740),  erfterer  in  feinen  „(Sritifdjen 
Betrachtungen  über  bie  poetifdjen  ©emälbe  ber  Sinter"  (1741).  (Seutfdje 
9lat.=2itt.  33b.  42.)  Veibe  erklären  bie  Säuberung  torpertidjer  ©egenftänbe 
für  einen  ganj  befonbern  Sieij  ber  Voefie;  unb  wenn  fie  unter  ifyren  „poe= 
ttfa)ert  ©emälben"  aud;  bie  anfdjaulidje  unb  lebenbige  Vefdjreibung  oon 
§anblungen  mit  oerftefjen,  wenn  and)  oereinjelte  treffenbe  83emerfungen 
über  beftimmte  Unterfdnebe  beiber  fünfte  nidjt  fef)Ien,  fo  ift  ifmen  bod)  im 
wefentlidjen  bie  (Sinfidjt  ber  funbamentalen  Öegenfä^e  berfelben  nidjt  auf= 
gegangen,  unb  bafjer  fterjen  fie  in  äfttjetifdjer  <piufid)t  bebeutenb  fjinter  SuboS 
unb  öarrig  jurüd.  2)a§  gleite  gilt  aber  im  allgemeinen  and)  oon  3Bindet= 
mann,  ber  in  feinen  äftfjetifdjen  Vrinjipien  in  oieler  §infid;t  al3  ein  Sdjüter 
ber  Sdjroeijer  betrachtet  werben  mufj.*)     SBindelmann  mar  feiner  gangen 

i  (ilmratteriftifdj  ift  tjierfür,  i»a§  ber  au§  bem  Stßiudelmaunfdien  SWefwedjfel  be* 
fannte  3"ri(#er  Seon^.  Üfteri  am  20.  gebruar  1761  au§  Siom  an  Sobmer  fdjreibt:  „^c^ 
fetje  jenen  l'tpollo,  jenen  £ao{oon  unb  jo  niete  ältere  Stüde  ber  Sübfiauer  alä  jo  niete 
i£tüdc  an,  bie  mit  fjomerijrfjen  unb  euripibifdien  33efd)reibungen  um  ben  Slang  [treuen. 
©ie  bunten  mid)  Äinber  bcö  gleidjen  poetifrfjen  ^euero  ;u  fein,  bad  biefe  belebte,  unb  nur 
bie  21rt  fid)  auc-jubrütfen  madit  bie  SJerfdjieben^eit.  Ser  Satfoon  mit  feinen  beiben  Sötjnen 
ift  ein  Stürf,  bno  bes  (SuripibeS  mürbig  märe,  ©er  ©djöpfer  beäfetben  muf;te  miffen, 
iuetd)eS  bie  ebetfte  Slrt  märe,  biefeö  fieiben  ;u  ertragen,  unb  burd)  metd)e  3üge,  burd) 
metdie  (it)ara{ter  fie  fid)  äußerte.  %enc  tjotje  nadjbrüdtidje  Einfalt,  bie  allen  Serroirrungen 
auimeiäiet  unb  bie  2Ber{e,  bie  man  porftellen  fall,  beftimmet,  ift  roie  in  einem  (Sebidjt  fo 
in  einer  Sitbfäute  ober  in  einem  (Öroup  ein  Söeroei-S  beä  Gieifte§,  beffen  geuer  burd) 
Kenntnis  unb  Überlegung  gemäfjigt  mirb."  öier  prt  man  ebeufo  ben  ©etiler  S8obmer§, 
n>ie  ben  Sindelmanns. 


XVI  ffeflntg  «nö  IflUtnckelmann.    Cljr.  ffi.  t>.  •Qagebom. 

Natur  nad)  freilief)  nidjt  barauf  angelegt,  bie  fünfte  in  ifjrem  innerften 
Sßefeu  mit  bem  fdjarfen  Keffer  ber  analntifcöen  $ritif  ju  3ergtiebern; 
feine  entfjufiaftifdje  9tatur,  in  raeldjer  ba§  ©efüfjl  oft  ben  Sieg  über  ben 
grüfietnben  Sßerftanb  bauon  trägt,  eignete  fidj  tiid)t  3U  einer  folgen 
aüriortftifdjen  58etrad)tungiju>eife  ber  Äunft.  2Benn  rair  uns  nun  nodj 
erinnern,  bafj  äßindetmann  befanntlid)  in  ber  mobernen  Äunft  oon  einer 
im§  fjeutsutage  unbegreiflid)  erfdjeinenben  ^Befangenheit  raar,  bie  ifjn 
iOtater  rate  9JJengs,  Defer  für  b/ödjfte  9Jieifter  ber  Äunft  31t  Ratten  unb 
neben  SJafaet  unb  bie  größten  Italiener  311  ftelten  üeranlafite,  fo  roerben 
nur  um  barüber  nid;t  uerrounbern ,  ifm  in  feinen  unfere  ^yrage  betref= 
fenben  Sfjeorieen  burdnoeg  auf  bem  neralteten  ©tanbpunfte  31t  finben, 
roonad)  bie  Malerei  ebenfo  raeite  ©rensen  fjabe,  als  bie  Sidjtfunft,  unb 
e3  bem  9Jiater  folglid;  möglid)  fei,  ebenfo  bem  Sidjter  3U  folgen,  roie  bie 
9Jtuft!  e§  31t  tljun  imftanbe  ift.  3lid)t  minber  befangen  ift  ber  ©taub; 
punft,  roetdjeu  er  ber  Allegorie  gegenüber  einnimmt;  für  biefe  blatte  er 
befanntlid;  eine  feltfame  Vorliebe,  roeldje  itjtt  basu  oerleitet  fmt,  ©inn= 
bitber  31t  empfehlen,  roeldje  al3  bie  fraffefte  23ermengung  beS  s^oetifd;en 
unb  be3  ÜQiaterifdjen  beseidmet  roerben  fönnen.  SSemt  nun  trotjbem  e§ 
ein  Satj  SBindelmannß  ift,  oon  roeldjem  Seffing  im  Sftotoon  auögeljt, 
bie  £r)eorie  uon  ber  §erabfetjung  beä  2lffefte3  burd)  bie  Äunft,  roeldje 
an  unb  für  fitf;  ja  aud)  S-efftng  3ugiebt,  fo  barf  bod)  nidjt  oerfannt 
roerben,  bafj  bie  23egrünbung  biefeö  ©atjeö  bei  Sßindelmann  eine  gan3 
anbere  ift,  a(§  bei  Seffing:  jener  führte  bie  9Jtilberung  be3  2(ffefteö  barauf 
jurüd,  bafj  ber  Äünftler  Ijierburd;  bie  ©eetengröfje  feiner  Reiben  in  tt)rev 
Irofjen  S^eatttät  djarafterifieren  rooUte;  Seffing  aber  ftellte  bie  äßafjrung 
ber  Scrjönfyeit  unb  bie  Sermeibung  beö  Sranfttorifdjen  in  ber  Äunft,  alfo 
bie  prin3tpiellen  ©runbgefefce  ber  bilbenben  fünfte  im  GJegenfat^  3ur 
2)id;tfunft,  al3  Urfadje  biefeg  §erabfetjenä  ber  Stffette  bin. 

3)a3  bebeutenbfte  2tnfer)en  unter  ben  iunfttf)eoretifcf)en  Sdjriften  ber 
Seutfcfien  genojj  in  jener  ßeit,  ^13  ber  Saotoon  »erfaßt  mürbe,  bie  ©djjrtft 
von  Gi)r.  Subro.  0.  ,'pageborn  (1713—1780):  „33etrad;tungen  über 
bie  TOaterei"  (1762).  Sßenn  aud)  .^ageborn  im  roefentlid)en  mcfjt  über 
ben  2(nfd)auung3rrei!o  ber  bamaligen  Slftljetiter  (jinauStommt  unb  ebenfo 
ftdf)  jum  Serteibiger  ber  allegorifdjen  Öemälbe  aufrairft,  raie  er  bie  Öefelje 
ber  SDtalerei  gtetdjjeitig  für  bie  2)td)ter  gelten  taffen  roilt,  fo  finben  fidj 
bod;  bei  il)in  einige  treffenbe,  aud}  uon  Seffing  aufgenommene  ©ebanlen, 
roie  3.  S3.  bie  iBerraerfung  beö  .V)äfdid)en  unb  ©felerregenben,  gegenüber 
ber  gulaffung  be§  Sd)redüdjen,  bie  Betonung  be§  t?inb/eitlicb/eu  ber  31t 
roa()lenben  vanblung  u.  bgl.  m. ,  Singe  freilid;,  raeld;e  Mageborn  nid;t 
auo  innem  ©rünben  herleitete,  fonbern  rein  uom  fubjeftio  =  äftijetifdjen 
Öefüf)t  au$  red;tfertigt. 

2lm  metften  unter  allen,  raeldje  bie  <yrage  nad;  ben  Örensen  ber 
Aiünfte  oebanbdt  Ijaben,  nicfjt  blof;  unter  ben  Seutfdjcn,  fonbern  unter 
allen  ©djriftjtettew    überfjaupt,   ift    auf   Seffing   oon   (Sinfluft    geraefen 


jffBtcntiflaroljtts  öinftuff  auf  ffieflittg.  XYII 

9)Iofe3  SDlenbelsfofjn.  Sßir  fjaben  fd)on  oben  Sßeranloffung  gehabt, 
jenen  $Sriefioed)fet  beiber  9Jtänner  311  berühren,  worin  9)cenbel3fof)n  jum 
erftenmale  auf  bie  burd)  SBindefmann  Ijeroorgefwbene  frerabfefeung  beS 
Stffefteö  311  fpredjen  fomntt;  eS  ift  aud)  barauf  aufmerffant  gemacht 
worben,  bafj  9Jtenbelöfol)n  einem  ber  erften  (Entwürfe  beS  Saofoon  fefyr 
beachtenswerte  Bewertungen  beigefdjrieben  Fiat,  uon  benen  aud)  Sefftng 
in  ber  Sfjat  an  mefjr  als  einer  ©teile  ©ebrauef)  gemacht  Fjat.  ©ans 
befonberS  aber  ift  e§  eine  Sdjrift  9ßenbeI§fol)n§,  weld)e  für  Seffing  uon 
Ijoljer  SBebeutung  gewefen  ift:  bte  „Betrachtungen  über  bie  Duellen  ber 
fcfjönen  SSiffenfdjaften  unb  fünfte"  (1757).  GS  ift  cor  allem  uon  fwfjer 
Sebeutung,  bafj  SlienbetSfofyn  bei  ber  ltnterfudnmg,  waS  bie  uerfdnebenen 
©egenftänbe  ber  einseinen  fünfte  untereinanber  gemein  Ijaben,  um  ba= 
burd)  3U  einem  ein3igen  6nb3wed  übereinftimmen  311  tonnen,  uon  ber  bis 
bal)in  immer  nod)  beibehaltenen  Seljre  uon  ber  9iad)af)mung  ber  Statur 
burd)  bie  fünfte  abgebt  unb  baS  SBefen  ber  fd)önen  fünfte  unb  2ßiffen= 
fdjaften  uielmeljr  in  einer  burd)  bie  Äunft  uorgeftellten  ftnnlidjen  23olI= 
tommenljeit  fudjt.  9JtenbelSfoI)n  erörtert  junädjft  baS  ^erfjältniS,  wetdjes 
bie  fd)önen  fünfte  im  allgemeinen  sur  Statur  fjaben,  unb  welches  bie  ©r= 
forberniffe  eines  bureb,  bie  Äunft  gefd)affenen  2(bbilbeS  finb,  wobei  er  3U 
bem  3tefu(tate  fommt,  bafj  ber  ßünftter  bie  Statur  3U  uerlaffen  f)at,  um 
ben  ibeellen  (Stfjönfjeiten  näfjer  31t  fommen,  als  bie  Statur  in  biefem  ober 
jenem  Seile  gefommen  ift.  §nbem  er  nun  aber  barauf  auSgeljt,  bie 
fdjönen  fünfte  untereinanber  einguteitett  unb  31t  unterfdjeiben,  bafiert  er 
feine  Unterfudnmg  burd)auS  auf  bie  33efd^affent)ext  ber  ßeidjen,  beren  bie 
fünfte  fid)  bebienen,  fofern  biefelben  nämlid)  entweber  natürliche,  wobei 
bie  SBerbinbung  beS  3eid)enS  mit  ber  be3eid)neten  ©ad)e  in  ben  ©igen; 
fd)aften  beS  Seseidjneten  felbft  gegrünbet  ift,  ober  willfürlidje  finb,  meldje 
oermöge  il)rer  Statur  mit  ber  Bejetdjneten  <Bad)t  nichts  gemein  Iwben, 
aber  bod)  willfürlid)  bafür  angenommen  finb.  SieS  wirb  bann  ange- 
wenbet  auf  bie  fd)önen  SBiffenfdjaften,  b.  f).  2)td)tfunft  unb  Berebfamfeit, 
metd)e  fid)  ber  n)illfürlid)en  3e'd)en  bebienen,  unb  auf  iEanjrunft,  33ilb= 
tjauerfunft,  Malerei  unb  Saufunft,  meldte  fid;  ber  natürlichen  bebienen. 
$ür  Malerei  unb  Bilbfjauerfunft  wirb  barauS  bie  Stotwenbigteit  ber 
2öaf)[  eines  fruchtbaren  2(ugenbIideS  gefdfjloffen.  —  5aft  a^e  ^^efe  ®e; 
bauten,  bie  wir  äf)nlid)  311m  Teil  fd)on  bei  frarriS  gefunben  l)<xben,  bie 
aber  I)ier  uiet  metfwbifdjer  entwidelt  finb,  finben  mir  im  Saofoon  wieber. 
2(ber  gteid)  wie  <parriS,  nad)bem  er  fo  toeit  gefommen  unb  gewifferma^en 
bie  Drittel  jut  Söfung  beS  Problems  in  ber  §anb  I)ielt,  nid)t  weiter  ging, 
fonbern  barauf  eine  ganj  überflüffige  Unterfudnmg  ber  SBertfdjäijung  ber 
fünfte  bafiert,  fo  ift  aud)  ber  ©ebraud),  ben  SJienbelSfotm  uon  bem  ge= 
funbenen  2luSgangSpunt'te  mad)t,  ein  verfehlter:  olme  nun  nämlid)  auS 
ber  93erfd;iebenr)eit  ber  uon  i^n  fünften  gebrauchten  3etdjen  bie  einer 
jeben  3ufommenben  Stitgefe^e  51t  entiuideln,  gef)t  er  auf  baS  3netnanber-- 
laufen  ber  oerfd)iebenen  ©renjen  über  unb  auf  bie  5ra9c'  imuiefern  bem 

Seffing?  «Berte  9.  b 


XVIII       Problem  bes  ff.  brennrnbe  .frage.    £■  unbamente  bereits  nefunben. 

Äünftfer  ber  ©ebraud)  ber  mitlfürlidjcn  3etdtjen  freiftefje,  eine  jwar  an 
fief)  auc^  fetjr  wichtige  $rage,  bk  aber  erft  beantwortet  werben  fonnte, 
nadjbem  bie  Örenjen  ber  Äünfte  nod)  fdjärfer  umfdEjrieben  morben  waren, 
als.  eä  9Jtenbel§foljn  getrau  tjatte.  Sie  ÜHefuItate,  ju  benen  er  rjier  ge= 
fangt,  finb  benn  aucr)  in  uieler  £tnfidjt  feljr  bebenflid). 

2Bas  wir  nun  aus  biefer- furjen  Überfielt  entnehmen,  i[t  alfo  fol= 
genbes:  einmal  war  bas  Problem,  welches  Seffing  in  feinem  Saofoon 
(b.  [).  in  bem  gangen,  auf  brei  £eile  angelegten  2ßerfe)  ju  löfen  ftdE) 
uorgenommen  fjatte ,  ein  öegenftanb,  meldjer  bamals  gerabe  auf  ber 
Sagesorbnung  ftanb,  eine,  man  fönnte  faft  fagen,  brennenbe  $rage  ber 
2lftr)etif  geworben;  unb  p>eiten§:  bte  ^-unbamente,  oon  benen  Seffing 
ausging,  bie  llnterfdjeibung  ber  ßeidjen  ^er  Malerei  unb  ©tdjtfunft  als 
natürliche  unb  unllfürlidje,  als  ftdjtbare  unb  t)örbare,  unb  barnacr)  bte 
3uweifung  bes  Äoerjftenten,  Äörperlidjen  an  bie  üDlalerei,  bes  ©ucceffioen, 
ber  §anbhtng  an  bie  Voefie,  waren  bereits  gefunben,  wenn  aud)  feines= 
wegs  allgemein  oerbreitet  ober  anerfannt.  Von  biefen  oor  if>m  gefunbenen 
©efefcen  madjte  Seffing  ofnie  weiteres  ©ebrandj;  es  beruht  baljer  nur  auf 
llnfemttnts  ber  £l)atfarf)en,  wenn  man  früher  aud;  baß  Verbienft,  biefelben 
aufgefunben  511  t)aben,  tfjm  anwies.  ©5  ift  wat)r,  er  r)at  es  nirgenbs 
ausbrüdtidj  ausgefprodjen  ober  burd;  (Jttate  barattf  fjingewtefen,  bafj  er 
biefe  ft-unbamenie  feinen  Vorgängern  entlegne;  aber  ba  biefelben  fdjon 
feit  ©egennien  wären  attsgefprodjen  morben,  ba  er  glauben  ntufjte,  bafj 
Diejenigen,  weldje  fidt)  ernftlid;  für  bas  Problem  intereffierten,  aud)  mit 
ber  Öefdndjte  besfelben  »ertraut  waren,  fo  fonnte  er  fidj  bamit  begnügen, 
bttrdj  bie  einfachen  SBorte:  „SBenn  es  waln*  ift,  bafs  u.  f.  w."  (2lbfdnt. 
XVI.)  anjubeuten,  baf?  er  f)ier  nidjts  Unbefanntes  »ortrage  unb  nur  bie 
barattf  gebauten  ©djlüffe  als  fein  geiftiges  (Eigentum  bcanfprudje. 

111. 

3Benn  wir  bemnad)  erft  wenig  »or  bem  Grfdjeinett  oon  Sefftngs 
Saofoon  allmäljlid)  bie  ti'rfenntnis  ber  funbatuentalen  SBerfdjiebenljeit  ber 
Aufgaben  oon  Sßoefie  unb  bilbenben  fünften  auftauchen  fefjett,  wär)renb 
uorfjer  unb  311m  7dl  aud)  nod)  gleid;3eittg  bie  £f)eorettfer  burdjweg 
©idjtern  unb  SKalern  es  prebigen,  bafj  it)re  fünfte  in  2luf  gaben  unb 
3M6,obe  bureftaus  uerfdjwiftert  unb  gleichberechtigt  feien,  fo  ift  es  fet)r 
begreif  tid),  baf?  wir  ÜKaler  unb  Siäjter  auf  bem  gleidjen  Sßege  feigen, 
weld)en  bas  Sßublifum  unb  bie  Äunfrridtjter  für  umf)r  unb  richtig  fjielten, 
wcldjer  aber  notroenbig  gur  Vermifdniug  beiber  (Gattungen  führen  mufjte. 
Seffing  f)at  in  ber  Vorrebe  es  ausgefprodjen,  wof)in  biefe  „2(ftcrt'rttif" 
geführt  Ijat:  fie  Ijat  in  ber  Sßoefie  bie  3dnlbcrungsfud)t,  in  ber  bilbenben 
Munft  bie  2lllegorifterei  erjeugt.  liefen  beiben  Sftitfjtungen,  als  bemjemgen, 
was  Seffing  im  Saoloon  nadj  ber  pralrifcfjen  Seite  f)in  ju  befämpfen 
fid)  norgeietd  batte,  tjaben  wir  bal)cr  l)ier  eine  Betrachtung  ju  mibmeit. 

^aö  5iinäcl)ft   bie  cd;ilberttngsfucl)t  in  ber  Sßoefie,   b.  t).  bte  Se= 


Sdjüömmg  in  bra  iJotfu.  XIX 

fdjreibung  förperlidjer  ©egenfiänbe  anfangt,  fo  fjat  Seffing  felbft  im 
Saofoon  auefüfjrlid)  genug  bargelegt,  wie  fidf»  bie  alte  ^oefie  baju  »er* 
f)ält.  @r  fmt  nor  allem  gejetgt,  bafj  §omer  baoon  burtfjauS  frei  ift,  bafj 
bie  fpäteren  Sidjter  bagegen,  foioobt  bie  gviecf;ifdjen  beö  aler.anbrinifd)en 
3eitatter§,  al§  bie  Körner,  ftfjort  mefjr  ba3u  hinneigen.  ©3  ift  bisher 
nocl)  feine  einläftlidjere  llnterfudnmg  barüber  angeftellt  worben,  rote  bie 
Siebter  beä  2tttertumö  naa)  Konter  fia)  311  .ber  poetifdjen  Sefdjreifiung  imb 
bem  non  Seffing  fo  öorgügltdj  bargelegten  „Äunftgriff  ftomerS"  »erhalten; 
eine  foldje  würbe  jebenfallö  aber  311  bem  Nefultate  führen,  bafs  bie  ^enbenj 
311  fd)ilbem  mit  ber  21bna()me  ber  bidjterifdjen  Sßotenj  altmäl)lid)  junimmt, 
bajj  jebodf)  bei  wa£)rl)aft  bebeutenben  Siebtem  bie  Bermanblung  be$ 
.Hoeriftenten  in  ein  ©ucceffü>e§  bei  weitem  gegenüber  ber  trod'nen  Be= 
fdireibung  norwaltet,  wie  beim  ßeffmg  felbft  gelegentlich  barauf  Ijinweift, 
bajj  3.  B.  Cüib  meift  fuccefftuer  ©emiübe  fia)  bebient.  —  2ludj  in  ber 
erjäljlenben  ^Soefte  be3  äRittelalterö  tonnen  mir  eine  äfjnlidje  33cobad)tung 
madjen,  rcie  in  ber  beS  2tltertum3.  Sag  alte  SolBepoä  läjjt  fidtj  eben= 
fomenig  auf  öefdjreibung  ein,  raie  ftomer.  SBie  biefer  einfad;  »on 
§efena  fagt,  fie  mar  fdjön,  of)ne  irgenb  metdje  nähere  ©djtlberung  biefer 
©d)önf)eit  311  Derfudjen,  fo  fyeifjt  e3  aud)  in  ben  Nibelungen  oon  &'riem= 
f)ilt  nur:  „sie  wart  ein  scoene  wip";  roenn  fie  au§  itjrer  Äcmenate 
fjeroortritt,  madjt  un3  ber  Sidjter  ifjre  l)inreifjenbe  ©djönfjeit  nidjt  burd) 
2(uf3ä()lung  ifjrer  9teije  flar,  fonbern  nie!  treffenber  unb  finniger,  inbem 
er  fie  mit  bem  au§  trüben  Wolfen  {jeruortretenben  üDionbe  oergleidjt. 
Senn  ©iegfrieb  mit  feinen  Pannen  in  3BormS  einreitet,  fo  fagt  ber 
Sicfjter  oon  üjrer  Bewaffnung  gans  fürs  weiter  nid)t3,  atS:  ,,Ir  schilde 
waren  niuwe,  lieht  unde  breit,  und  viel  scoene  ir  keime";  I)öd)ften3 
baf}  ber  3aum  ber^Sferbe  golbfarben,  ilw  Bruftriemen  feiben  genannt  wirb. 
Unb  wenn  bie  Bewaffnung  ber  Brünfjilbe  erwähnt  wirb,  fo  werben  3war 
einige  !ur3e  befdjreibenbe  3il9e  emgemifdjt,  aber  immer  in  birefter  Ber= 
binbung  mit  ber  Königin,  welche  fie  tragen  foll,  ober  mit  benen,  meldje 
ifjre  2Rad£>t  im  Kampfe  nerfpüren  follen.  ©er  ©djilb  ift  grof?  unb  breit, 
unter  weldjem  bie  tmnmgltdje  2JJaib  fptelen  wollte;  er  ift  mit  einem 
fd)önen,  ebelfteinbefe|ten  Banbe  gefdjmüdt:  ber  mufjte  gar  füfjix  fein, 
welchem  biefe  grau  f)o!b  werben  füllte;  ber  ©djtlb  war  oon  ©tat}!  unb 
<s)olbe,  reidj  genug:  oier  ifjrer  dümmerer  3ug(eid)  tönneu  ir)n  faum 
tragen  u.  f.  w.  —  ©an3  anberS  aber  uerl)ält  fia)  bie  Ijöfifdje  @pif.  Öerabe 
jene  Nebenbinge,  meldje  ba<3  alte  Bolföepos  gans  fürs  abmadjt,  fpielen 
fjier  eine  Hauptrolle;  Sradjt  unb  SBoffen,  Geräte  unb  öebäube  werben 
nunmefjr  mit  ber  allergrößten,  uiele  23erfe  füllenbeu  Breite  biö  in  alle 
Setailö  gefdjilbert.  Unb  gans  ber  gteidje  Jall  ift  in  ber  "^oefie  ber 
romanifd)en  Golfer:  aud)  bie  fran^öfiferjen  unb  italienifd;en  §elbengebid;te 
ergeben  fid)  mit  Vorliebe  in  Befd;reibungen.  Nidjt  minber  gab  bie  Neigung, 
weldje  bie  ^oefie  beö  3JlitteIaIterä  für  bie  Allegorie  blatte,  311  ©djilberungen 
2(n(aß;   benn  begreiflidjerraeife  begnügte  man  fid)  nidjt,  biefe  ^erfoni= 

b* 


XX  (Cngürdjcr  öinfluß  auf  btc  allcgovifdjc  imb  bcfriireibfnöe  Ktdjtung. 

fifationen  Ijanbeln  31t  (äffen  unb  fie  burd)  i!)re  §anblungen  als  ba3,  maS 
fie  norftellen  füllten,  ju  djaratterifieren,  fonbern  man  nerfab,  fie  reidjlid) 
mit  Sinnbilbern  unb  befd;rie6  fie  uom  &opf  btä  3U  ben  ^-üßen. 

9tad;  beiben  Seiten  b,in,  nad)  ber  allegorifdjen  roie  nadfj  ber  be* 
fdn*eibenben  9tid)tung,  fjat  bann  in  ber  folgenben  gut  bie  englifdje 
S)id)tung  einen  bebeutenben  ©influß  ausgeübt,  raetd)er  namentlid)  in  ber 
beutfdjen  $oefie  feEjr  mertlid)  3U  Sage  tritt.  %m  fed)3ef)nten  Sa^lninbert 
fjatte  ©bnumb  Spencer  in  feinem  allegorifdjen  ©pos  „Sie  fyeentönigin" 
(The  fairy  Queen),  mo  nad;  bem  Sorbilbe  bes  Slrioft  unb  21a ff 0  2llle= 
gorie  unb  Sftomantif  in  reidjer  ^fyantafte  fidt)  oerfdjmeljen  unb  23eranlaffung 
ju  3ab,Ireid)en  Sdnlberungen  geben,  ein  benmnbertes  unb  tuet  nad;= 
geahmtes  §8orbitb  biefer  Spanier  gefetjaffen.  Qn  feiner  Sßeife  bidjtete 
SJJidjael  Sranton  (1503—1621);  unb  aud;  9Jftlton  ift  in  feinem  „verlöre* 
nen  ^arabiefe"  oon  ber  Senbenj  3U  fdnlbern  nidjt  freijufpredjen,  obgletd; 
feine  roafyrljaft  großartigen  Sdnlberungen  größtenteils  roeit  über  eine 
faljle  33efd)reibung  t>on  Singen  fjinausgefyen.  Seffing  t)at  fein*  ridjtig 
bemertt,  baß  feine  Starte  nidjt  in  ben  »ereinselten  Malereien  torperlidjer 
©egenftänbe,  fonbern  in  feinen  fuccefftoen  0emälben  liegt.  Safjer  fommt 
aud)  bie  im  £aofoon  berührte  ©eringfdjäfcung  9){iItons  non  feiten  beS 
©rafen  Ganlus,  roeldjer  benjenigen  Sidjter  für  ben  befteu  tnelt,  ber  ben 
SRalern  bie  meiften  Stoffe  bietet.  2(ber  bie  Smuptuertreter  ber  eigene 
Itdjen  befdjreibenben  9iid;tung  in  ber  englifdjen  s^oefie  finb  5ßope  unb 
Sfjomfon;  jener  mit  feinem  „Windsor  forest"  unb  in  feinem  an  Spencer 
fidt)  anlefmenben  „Temple  of  fame",  biefer  cor  alten  Singen  in  feinen 
berühmten  „^aljregjeiten",  in  benen  bie  Sdjilberung  ber  Statur  in  ifjren 
mannigfaltigen  Sßfjafen  bes  Safjreslaufes  ben  alteinigen  SynljaÖ  ausmadjt: 
alterbings  in  meifterfiafter  SBeife,  meldjer  felbft  Seffing  (in  einer  i.  Q. 
1756  gefdjriebenen  Äritit)  feine  2tnert'ennung  nidjt  »erjagen  tonnte.  — 
Sljomfortö  Spanier,  obgleid;  oon  etnfidjtSoolten  Äennern,  roie  Sroift,  als 
ein  S'-'nrieg  erfannt  unb  roegen  Mangels  an  föanblung  uerworfen,  fanb 
bennoeb,  nidjt  nur  in  (Snglanb  3al)lreid)e  9iad)af)mer  (5.  58.  Stomas  ©rat) 
u.  a.,  raeldje  Seffing  Jurjroeg  „bie  £f)omfonfd;en  Sidjter"  nennt),  fonbern 
aud;  in  Seutfdjlanb,  100  „bie  3al)res3eiten"  uom  Hamburger  33rodeö 
(Seutfdje  9£at.  =  £itt.  33b.  39)  überfefct  unh  non  biefem  unb  äafüreidjen 
anbern  jum  SJJufter  befdjretbenber  SJtaturfdjilberungen  genommen  raur= 
ben.  ,3n>ei  unter  biefen  9cad;af)mern  ragen  über  bie  9JJenge  ber  übrigen 
bebeutenb  Ijeroor:  Malier  mit  feinen  „2llpen",  (Seutfdje  5Rat. -Sitt. 
58b.  41,  2)  mo  bas  33efd;reibenbe  freilid;  nidjt  ?ur  .s^auptfadje  gemad^t  ift, 
fonbern  neben  bem  bibaftifdjen  (Slement  be§  0ebid;tes  in  ben  §inter= 
grunb  tritt;  unb  Gioalb  uon  Hleip  „A-rüf)ling"  mit  feinen  reisoollen, 
anmutigen  Sdjilberungen  be§  i'anblebenö,  benen  freilief;  aud)  sur  33e= 
lebung  bie  öanblung  fef)tt,  ein  SKangel,  meldten  nad;  Sefftngä  fidicr 
autt)entifd)er  2luöfage  ber  2)id)ter  fpäter  felbft  empfanb  unb  bei  einer 
neuen   Üluögabe    511    erfe^en    gebadete.      I5f)arafteriftifd;e  .33eifpiele   aber, 


Die  Metrie  ititb  bic  Ijcllirntfdjc  ßitn|i.  XXI 

rcofjtn  biefe  Sfticfjtung  ßei  ©intern  ofme  Talent  führen  mufjte,  finben  mir 
in  einigen  SRejenftonen  Seffingä,  in  feinen  „Briefen,  bie  neuefte  Sirteratur 
betreffenb".  3m  fedjften  ©riefe  mirb  ber  „2en3"  be3  $?errn  oon  Sßaltljen 
befprodjen  unb  wen  Seffing  alö  eine  ©ammtung  oon  alle  beut  beseidjnet, 
raaö  bei-  SSerfaffer  bei  ttßerfefcung  be§  ;JI)omfonfd)en  fjfrüljUngiB  Sd;(edj= 
tereS  gebadet  fjat;  a(3  eine  Sammlung  von  Qüqen  unb  Silbern,  bie 
Sfjomfon  unb  Äleift  unb  fetDft  ßadjariä  uerfdnnäljt  fjaben.  „©r  malt 
äßütfen,  unb  ber  £immet  gebe,  bafj  un3  nun  batb  jemanb  and;  -Dlücten* 
füfje  male!"  —  %m  41.  SBriefe  merben  bie  (profaifdjen)  „©djilberungen 
au§  bem  Reidje  ber  Ratur  unb  ber  Sittenlehre"  non  Sufd)  befprodjen, 
metdier  feine  Raturfdjüberungen  nad)  ber  Reihenfolge  ber  ÜWonate  an- 
georbnet  f»atte.  Seffing  bejeidjnet  fie  alö  einen  „beftänbigen  Gento  au§ 
§ßope,  ÜEfjomfon,  ^aroe«,  2)oung,  pfeift,  £>al{er  unb  graangig  anbern".  — 
Siefe  Richtung  in  ber  ^oefie  ftanb  nod)  in  uotfer  fterrfdjaft,  at3  ber 
Saofoou  gefdjrieben  mürbe;  fie  31t  bekämpfen,  fie  aus!  innerlidjen  ©rünben 
aI3  I)a{t{o<3  unb  bem  Sßefen  ber  ^oefte  felbft  rotberfpredjenb  51t  erroeifen, 
mar  bie  eine  2(ufgabe,  meldte  Seffing  ftd)  im  Saofoon  ftettte. 

Sie  anbere  öpi^e  ber  ©dfjrift  fefjrt  ftdr) ,  wenn  aud;  in  einer  etroaö 
weniger  fdjarfen  Sßeife,  gegen  ben  Öebraud),  ober  beffer  gefagt  gegen  ben 
nnoerftänbtgen  unb  übertriebenen  ©ebraud)  ber  2Utegorie  in  ber  Äunft, 
unb  mir  fjaben  bafjer,  31t  befferem  äSerftänbntä  ber  Sebeutung,  me(d)e 
biefelbe  in  ber  bamaligen  Äunft  f;atte,  and)  bie  2(nmenbung  ber  StUegorie 
in  ber  Äunft  in  lurjen  3"Setl  fjiftorifa)  51t  beleuchten.*)  —  2tud)  i)ier 
finben  mir  bie  griect)ifct)e  Äunft  burd)  ÜDJafdmtten  auSgejeidjnet.  Sie 
üKefjrjal)!  ber  griecljifcljen ©Ortzeiten  finb  jroar  urfprünglidjSerfotüfifationen, 
»on  Raturfrüften,  etfjifdijen  Segriffen  u.  f.  ro.,  —  aber  3ur  ^tit,  ba  bie 
Äunft  fid)  irjrer  31t  bewältigen  beginnt,  maren  fie  boa)  mirfüd)  gebadjte, 
tonfrete  Jßefen,  mit  beftimmtem  2(uf3ern,  and)  ofyne  ft;mbo(ifcr)e  2(ttribute 
jebein  oollftänbig  t'far  unb  fenntlidj.  Hub  raenn  and)  im  Sauf  ber  3eit 
in  biefe  ©öttermett  en^elne  giguren  Slufnaljme  finben,  mzld)e  mef)r  ben 
urfprüngüd)  aKegorifdjen  ßfjarafter  bemafjrt  Ijaben  unb  namenttid)  burd) 
ifjre  2ittribute  benfetben  fenntlidj  5111*  ©djau  tragen,  fo  finb  bod)  aud) 
biefe  für  ben  Seltenen  nidjt  b[o§e  abftrafte,  mefentofe  Sdjemen,  fonbem 
ju  mirllia)  unb  inbimbueU  gebauten  götttidjen  SBefen  gemorben,  beren 
fünft(erifd)e  Sarftelhtng  niemanb  als  2lltcgorie  in  unferm  (Sinne  mirb 
gelten  {äffen  fönnen.  Reben  biefen  giebt  eö  bann  allerbingS,  namentlid) 
in  ber  Soefie,  aud)  ^perfonififationen  abftratter  Segriffe,  meldje  niemals 
;u  inirflicrjeix,  antfjropomorpfyifd)  gebadjten  unb  göttlid;  oeref)rten  Sßefen 
geroorben  finb ;  aber  biefe  fanben  in  ber  Äunft  nur  eine  befdjränfte  2(uf= 
nannte,  unb  rao  mir  fie  finben,  unterfdjetben  fie  fid)  in  ber  Reget  äu^er= 
tid)  in  nidjtä  Don  gemöfnilidjen  Sterblidjen  unb  finb  nur  burd)  bie  6et= 
gefd)riebenen  -Kamen    als    Serfonififationeu   geiftiger  2(ffette    erfennbar. 

*)  Cingcfienb  f>a6e  tef)  hierüber  ge^anbelt  in  meinen  2aofoon=Stubien,  ßeft  I:  Über 
ben  ©ebrnuc^  ber  2lUegcrie  in  ben  bilbenben  fünften,    /jreiburg  1881, 


XXII  ®i«  Allegorie  in  ber  römifcljcit  unb  djnftlidjen  ßunft. 

Grft  bie  finfenbe  Sunft  bes  öeUeniömus  fängt  an,  fiel)  auf  fompÜ3iertere 
2(llegorieen  einjulaffen;  jroor  begegnen  mir  unter  ben  SBecJcn  bei-  be= 
beutenberen  Jtünftler,  feien  e3  nun  33Ubf)auer  ober  DJtater,  foldjen  (Sujets 
nur  uereinjelt;  aber  eo  finb  bod;  bereits  größere,  rein  allegorifdje  Scenen 
barunter,  fafyte  2(bftrattionen  ber  nüchternen  Siefterjon,  ir>etct)e  wir  au$ 
einem  burdjaus  anbern  ©efidjtSpimft  betrachten  muffen,  ato  jene  urfprüng= 
lirf;  aud)  attegortfdjen,  aber  burd)  2Iufna£)me  in  bie  SoKSrettgion  lebenbig 
geworbenen  Öeftalten  ber  uorljergebenben  (Spodjen,  bie  bod;  größtenteils 
eben  baburdfj,  bafs  fie  im  innigften  gufatnmenljctttge  mit  ber  poetifdjen  unb 
reügibfen  2(nfd;auung  be3  isolfeö  fielen,  für  bie  Seltenen  aufhörten  2(lle= 
gorieen  ju  fein. 

Sie  Grbfdjaft  ber  ijetteniftifdjen  Äunft  trat  bie  römifdje  Äunft  an, 
bie  fid;  entfpredjenb  ber  römifd)en  Religion  unb  HuttuS  gern  SBefen 
jur  ©arftettung  »äljtte,  meiere  ifyrem  ibeaten  ^rtr)atte  nad)  mefyr  an  ben 
Serftanb,  als  an  baö  ©emüt  unb  bie  Sßtjantafie  appellierten.  Sie  mäljtte 
baljer  aua)  weniger  bie  bei  ben  ©rieben  uorwattenben  ^erfonifitationen 
pfndjologtfdjer  2lffefte,  at§  uiehnefyr  bie  objeftiueren,  allgemeine  menfd)lid)e 
,3uftänbe,  Gigenfdjaften,  Sugenben  u.  f.  m.;  unb  fie  bringt  fie  für  ge= 
wöljnlidj  aua)  nidjt,  wie  jene,  in  beftimmte  Serbinbungen,  wobei  ba§ 
adegorifdje  SBefen  jugteidj  fyanbelnb  ober  wenigftens  burd)  feine  2tnwefen()eit 
bei  einer  gewiffen  §anblung  fid;  in  feinem  Gfjarafter  tennäeidmet,  fonbern 
fie  ftettt  fie  ifofiert  bar,  fowofyt  in  Statuen,  al3  namenttid)  auf  SJU'mjen 
unb  gefdjmttenen  Steinen,  Äunftwerten  freilid),  weldje  Seffing  al§  jur 
33ilberfprad;e  gehörig  uon  äftt)etifcr)en  fragen  au3gefd)[offen  wiffen  will. 
2(ber,  foweit  wir  bieg  fjeutjutage  nod)  ju  beurteilen  imftanbe  finb,  biefe 
Weftatten  fdjeinen  fid;  bod)  in  ber  römifcfjen  Äunft  nie  fo  feft  eingebürgert 
51t  f)aben,  bafs  fie  auf  allgemeine  äkrftänblidjfeit  rechnen  tonnten;  bem 
SBolfe  waren  feine  alten  ©ötter  uon  jefyer  oertrauter,  ftl§  bie  mefyr  mit 
ber  f)bfifd)en,  foäufagen  offigieden  iiunft  in  gufammenrjang  ftetjenben 
2(degorieen,  welche  baf>er  in  ben  meiften  AÜIlen  aua)  einer  ertlärenben 
$8eifd;rift  nidjt  entbehrt  Ijaben  werben,  wie  wir  foldjc  auf  SJJünjtvjpen  faft 
regelmäßig  beigegeben  finben. 

Sie  dwiftlidje  Äunft  beS  931ittefalter3  nimmt  eine  grofje  3a0t  biefer 
römifdjen  2(llegorieen  of)ne  weiteres  auf;  uornefymüd)  bie  ^erfonifitationen 
uon  Xugenben  ober  Sftftem  unb  bie  ber  belebten  Statur,  inbem  fie  (entere 
äunädjft  tro£  ifjreö  auögefprodjcn  fyeibnifdjen  ©Ijarafterä  uodj  gang  rufng 
in  iljreu  ftreng  dwiftlidjen  SSorfteUungeu  ber  v}>afftons>=  ober  ^eiligen* 
gefdjidjte  anwanbte,  jene  nod)  um  neue  ©eftolten  fpejieö  dwiftlidjer 
Sugenben  ober  2(bftraftionen  (ilirdje,  Ölaube,  Äe^erei  u.  bgl.  m.)  uer= 
mehrte.  3»  biefer  SEBeife  madjte  bie  d;riftlid;e  Äunft  uon  ber  2(lIegorie 
einen  uorerft  nod;  jtemlic^  befri^eibenen,  mefyr  beiläufigen  ©ebraud;;  al§ 
aber  im  13.  unb  14.  2S<d)id)unbert  bie  2(Uegorie  in  t^rer  a(terfd)(immften, 
abftrafteften  2(rt  in  ber  ^oefie  bie  betiebtefte  unb  bewunbertfte  J-orm 
unb  2(uobrud'oweife  würbe,  als  gan3e  33üd;er  in  ^rofa  unb  in  SSerfen 


Die  Allegorie  im  ^Mittelalter,  in  ber  Iknatffanrt  unb  ilnqeit.         XXIII 

oon  2lnfang  Bio  ©nbe  mir  auo  allcgortfcfjen  Vorgängen,  meiere  uon  ab-- 
ftratten  Begriffen  aBgefpielt  mürben,  Geftanben,  ba  ging  biejer  3Wif$braudj 

auef)  in  bie  Äunft  üBer  unb  erzeugte  ba  eine  alfegorifierenbe  Südjtung, 
roeldje  fetbft  Bei  ben  gtöfjten  3Mftew  nur  oerfeljtte  Sßerfe  inö  SeBen 
rufen  tbnnte.  SBenn  Sante  bie  SBermäljIung  be$  l).  gfrangiäfUiS  mit  ber 
2(rmut  fdiilbert,  fo  modite  baö  bein  Siditer,  meldier  nermittelft  ber  ©pradje 
feine  allegorifdien  Figuren  beutlidj  at§  fotdie  fennseidjnen  lonnte,  nod) 
nadjgefefjen  merben;  roenn  aber  ©iotto  biefen  gleichen  attegorifdien  $or= 
gang  matte,  fo  mufjte  er  burd)  bie  feinen  2tllegorieen  BeigefdirieBenen  DJamen 
M$  Unuermögen  be§  Äünftlerö,  ben  ©ebanlen  beo  SiditerS  bem  33efdiauer 
of)ne  raeitereö  beutlidj  vov  2lugen  31t  führen,  raiber  SÖilten  fetbft  Bejeugen. 
Unb  roie  in  ber  Äunft  be3  ^iittelaltersä,  fo  Behält  bie  Allegorie  tfjren 
feften  $(a£  in  Sfutptur  unb  Malerei  ber  3?enaiffance.  ©el&ft  bie  größten 
Äünftter  ber  mobernen  Hunft,  SRafael,  9)ttdiefangefo,  Sijian,  Sürer,  £>ol-- 
Bein  —  fie  alte  B/xBen  mefjr  ober  weniger  ber  2tt(egorie  tftren  SriBut 
entrichtet;  nitfit  immer  gerabe  in  fo  tomptisierten  altegor  ifdjcn  £)anblungen, 
u'ie  ©iotto  unb  beffen  Seitg'enoffen,  aber  bafür  in  um  fo  3al)lreid)eren 
allegorifdien  ©injelfiguren,  rooneBen  e$  bann  immer  audj  nod)  üBlid;  BlieB, 
©terBlidje,  roeldje  mau  in  Bilblicfjer  Sarftellung  irgenbnue  uertjerrlidjen 
wollte,  aufjer  mit  ben  ©Ottern  be3  2(ttertumö  auef)  mit  jenen  aUegorifdjen 
g-aBettoefen  in  birette  SSerbinbung  31t  Bringen.  %n  *>er  ©tulptur  finbet 
bafjer  bie  2(ltegorie  Befonberö  fjaufige  SSerroenbung  Bei  ©raBmütem, 
namentltdi  bie  figurenreidjen  ©raBmäter  ber  Sßäpfte  oon  23ernini  unb 
feiner  ©diute  leiften  barin  ba3  Slufjerfte  an  ©efdimactlofigfeit;  eBenfo 
finb  Gln'enbenfmäter  Beriifjinter  Sßerfönltc^feiten  in  ber  bieget  mit  ber= 
artigem  SBeiroerf  Derfeljen  roorben,  unb  atttfj  311m  ptaftifcfien  Scfjmutf 
monumentaler  Sauten,  Brunnen,  Sßatäfte  u.  f.  ro.  fyotte  man  ftdj  bie 
9)iotioe  Bei  ber  2tllegorie.  $n  alten  fotdjen  fällen  tjat  bie  2(llegorie, 
rcenn  audj  nicfjt  immer  in  ber  Iraffeu  g-orm  be$  17.  unb  18.  $,ai)t-- 
tjunbertS,  Bio  auf  ben  heutigen  Sag  ifiren  ^tafc  in  ber  ©tulptur  Be- 
Befjauptet.  —  2Jid)t  minber  Imt  bie  Malerei  fie  in  ben  mannigfaltigften 
formen  fultioiert;  unb  ba  ganj  BefonberS  ba3  17.  ^arjrrjixnbifrt  l)ier= 
oon  in  ausfdjweifenber  SBeife  Öebraudj  madjte,  bie  grofjen  ®emälbe= 
ctjften,  burd)  weldje  SiuBenS  bie  Slcaria  von  9)JebiciS,  Sebrun  Subtuig  XIV. 
uerljerrlicfjte,  faft  burdnueg  auf  altegorifdjer  33afi3  Beruhten,  unb  bie 
233anbgemälbe  ber  §ßatrijiert^äufer  nidjt  minber  at§  bie  Äupferftidrje  unb 
§ol3fdmitte,  rcetd;e  man  gelehrten  ober  poetifcfjen  SBerten  at§  SitetBtätter 
üorfejjte,  ber  gleichen  9iid)tung  fjulbigten,  fo  ift  eö  Begreif titfi ,  baf?  biefe 
fo  altgemein  oerBreitete,  in  ^Soefie  unb  Wunft  gleict)  rjodigefteltte  25er= 
roenbung  ber  2tllegorie  bie  SBcaditung  ber  SBeoretiter  finben  unb  je  nad; 
bem  ©tanbpunft  beö  Setreffenben  ©egenftanb  uerfdjiebenartiger  33eur= 
teilung  merben  mu^te.  g-aft  alte  SBetfe  über  Malerei  unb  ^poefie,  rceldje 
mir  oBen  angeführt,  unbmen  batjer  aud)  biefem  fünfte  eingejjenbe  Se^ 
trad^tung;  e§  mar  in  ber  Jl)at  3ttr  3°ii  ^eö  ©tfd^einenä  be§  Saoloon 


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XXVI  üorrcöc  miö  fiapttel  I. 

nidjt  minbcr  eine  brennenbe  $rage,  rate  bte  über  ben  äBert  ber  Sd;tibe= 
rang  für  bte  Sßoefie.  Hub  wenn  Seffing  ber  leideren  9iidjtung  nürHid) 
ben  Sobesftoß  werfest  f;at ,  inbem  er  mit  unerbittlicher  ©d)ärfe  ba3 
•Kidjtige  berfelben  fo  unübertrefflid)  nacfjrateö,  fo  fann  man  eö  nur  be= 
baitem,  baß  er  bte  2(llegorie  in  jenem  erften  Seile  feines  §Buä)e§  nur 
mel)r  geftreift,  aber  mrgenbä  ausfüljrlidjer  beljanbelt  bat.  3Bäre  er  baju 
gefommen,  aud)  Ijier  mit  ber  ganzen  ©djärfe  unb  Sßudjt  feinet  ©eifteä 
bie  ifmt  ju  ©ebote  fteljenben  fiegreidjen  SÖaffen  gegen  jene  Unnatur  in 
ber  Äunft  311  fdnoingen,  roer  raeiß,  ob  ntdjt  audj  bie  2ll(egorie  in  ber 
Mnnft  burd)  ifjn  ba§  gleidje  Soö  erfahren  fjätte,  raie  bie  befdjreibenbe 
Sitdjtung  in  ber  ^oefie,  raäfjrenb  fie  jeljt  nadj  raie  nor  luftig  iljre  Stuten 
treibt,  ftreilid)  bürfen  rair  ntdjt  nergeffen,  baß  l'efftng  feine3roeg§  bie 
2Ulegorie  mit  ©tumnf  unb  ©tief  ausgerottet  raiffen  wollte,  roa§  ja  aud) 
burdjauS  nidjt  begrünbet  wäre,  fonbern  nur  gegen  bie  ,,.2Ulegortfteret", 
bie  übermäßige  unb  oerteljrte  2(nraenbung  non  2lt(egorieeu  fid)  erftärte, 
obfdjon  er  fretltd)  31t  einer  beftimmten  Sarlegung  feiner  2tnfid)t  über 
biefen  ^untt  leiber  nie  gefommen  ift. 

IV. 

SBir  gefyen  nunmehr  ba3it  über,  ben  ©ebanrengang  beö  Saofoon  in 
föür3e  5«  entraid'eht. 

3n  ber  Sorrebe  roirb  bie  SSeranlaffung  ber  ©cbrift  bargetegt,  foraie 
il)r  ^roed,  raeldjer  barauf  Ijinauöläuft,  bem  falfdjen  Öefdjmad  ber  Siebter 
unb.  ßtinftfer,  roeld;er  3111-  ©djtlbentngöfudjt  uttb  2tUegorifterei  geführt 
bat,  foraie  ben  ungegrünbeten  Urteilen  ber  Ärttifer,  roetdje  raillfürlid) 
Übereinftimmung  uon  9JMerei  unb  ^oefie  angenommen  unb  barau3  bie 
tf)örid)tften  Singe  gefdjloffen  fjaben,  entgegen3uarbeiten.  Sie  ©djrift  felbft 
gefyt  im  I.  H'ap.  aus  von  ber  befannten,  beut  nod)  fjäufig  citierten  Sufjerung 
SBindelmanmS,  baß  baö  allgemeine  worsüglidje  Äen^eidjen  ber  gried)ifd)en 
Äunft  „eble  Ginfatt  unb  ftille  05röße"  foraoI)(  in  ber  (Stellung  als  im 
2lu3brud  fei,  raofür  SÖindelmann  als  Seifpiel  ben  leibenben  Saot'oon 
anführt,  raeldjer  fein  Seiben  cbenfo  groß  trage,  raie  beö  @opbofte§  ^iloftet. 
Seffing  pfltdjtet  ber  33emerfung  SöintfelmahnS  binfidjtlid)  be§  Saotoon, 
baß  ber  ©djtnerj  fid;  bei  bemfelben  nidjt  mit  jener  SBut  äußere,  welche 
man  bei  ber  §eftigfett  beSfelben  erraarten  füllte,  bei;  aber  ben  ©wnb, 
raetdjen  äBincfelmann  bafür  angießt,  baß  nämlid)  baburd)  bie  (Seelengröße 
be§  üelben  auSgebrüdt  raerben  folle,  billigt  er  nidjt.  Um  bagegen  beit 
feinigen  bar  legen  31t  tonnen,  gcljt  er  auS  non  ber  2jergleid)ung  iüindel= 
monnä  jwifdjen  Saoloon  unb  Pjüoftet.  Gr  finbet,  Daß  ■jßfjiloftet  bei 
©opbofleö  fo  fdjreit  unb  jammert,  baß  non  fterabfeintng  beS  2tffeftes 
beim  Sidjter  feine  Siebe  fein  fann.  (Sä  ift  überhaupt  griedjif d)c ,  bei 
Öomer  oft  beutlid;  fidj  fennjei^nenbe  2tnfd)auung ,  oa^,  Sd)reien  unb 
fonftige  laute  Sdnner3en§äußerttngen  feineSwegä  unmännlid)  finb.  S^äbrenb 
ber  altnorbifdje  ,'öelbenmiit  Verbeißen  be§  ©d^merjeä  verlangte,  gemattete 


fiap.  li-  ^erabfcijimg  ötr  Affekte.    III.  Das  ■fijäfjlidjj.  XXVII 

her  ©rieche  burdjau§  Sljränen,  Ätagen,  ©freien  alä  2(usbrucf  bes 
©ä)nterse§;  nur  bafj  biefe  &ufjerungen  feiner  ©mpfmbung  Um  nidjt  von 
©rfüUung  feiner  SßfKdjt  surücfljatten  burften.  @t>  ergieBt  fid)  atS  SRefuftat 
bes  erften  3I6f  djnitte§ :  ba  nadj  griedjifc^er  2lnfdjauung  Sdjreien  bei  törper= 
lidjen  Sdjmerjen  fefjr  nior)I  mit  einer  großen  Seele  fidj  Bereinigen  läfjt, 
fo  fann  ber  Äünftler  beim  Saofoon  nidjt  uon  Sarfteffung  biefeä  Sdjreiens 
SCBftonb  genommen  fjaben,  um  jene  grofje  (Seele  311111  2lusbrucr  311  bringen; 
es  ntu^  bas  uielmeljr  einen  anbeut  Örunb  fjaben.  Man.  II:  Stefer 
©runb  ift  barin  31t  fttdjen,  bafj  ber  fjödjfte  2lusbrucf  ber  Seibenfdjaft 
eine  geroaltfame  SBetoegung  bes  Körpers  mit  ftdt)  bringt,  tneldje  bte  Sdjön-- 
fjeit  nerminbert  ober  aufl)ebt;  Sdjönljeit  ift  aber  ^auptjtöeö  bes  Äünftlers. 
SBtofse  2lhnlid)feit,  9iad;af)mung  ber  Statut  mar  niäjt  ber  ^med  ber  grie; 
djifdjen  Jtünftler;  unb  menn  einige  alte  Hünftter  fidj  auf  bergleidjen  Der* 
legten,  fo  3eigen  unfere  s)iadjrid)ten,  bafj  mau  folcfje  Schöpfungen  gering 
adjtete,  mie  beim  audj  beftimmte  obrigfeitlidje  SSorfdjrifien,  3.  33.  Verbot 
ber  Äarifatur  unb  23efdjränfung  ber  Sßortrötbilbnerei,  in  gleichem  Sinne 
gegeben  31t  fein  fdjetnen.  Semnadj  mufjte  alles,  mas  fid;  mit  ber  Sdjön= 
Ijeit  nidjt  »ertrug,  ausgefdjfoffen  werben;  unb  ba3ii  gehörten  getoiffe 
Seibenfdjaften,  meldte  fid;  im  Öefidjt  burdj  tjafelidje  SSergerrungen,  im 
Äörper  burd}  geroaltfame  Stellungen  äußern.  Sie  alten  Äünftler  bilbeten 
fold)e  2lffefte  entroeber  gar  nidjt,  ober  fie  festen  fie  auf  ein  geringeres 
•Diafj  tjerab.  Sarum  Ijaben  fie  nie  eine  %uxk  im  (Stjarafter  einer  fofdjen 
gebilbet,  fjaben  3°™  aitf  Gnvft,  Jammer  auf  SBetrüBmä  fjerabgefekt, 
ober,  roo  fie  bies  nidjt  tljun  tonnten,  fidj  auf  onbere  SGBeife  311  fjeffen 
gefudjt,  raie  3.  33.  Xitnantfjeis  bie  ^%uv  beö  2(gamemnon  beim  Opfer  ber 
Spfjigenie  uerfjüllte.  2tus  biefem  ©nmbe  alfo  milberte  ber  Äünftler  bes 
Saofoon  bas  Sdjreien  besfelben  auf  Seufzen;  benn  ein  fdjreienbes  ©e= 
fidjt  mit  feinem  offenen  SDtunbe  unb  feinen  nerserrten  Seilen  ift  unfdjön. 
31>aljrfdjeinlidj  jeigten  audj  onbere  berühmte  alte  Äunftinerte,  ber  leibenbe 
§erfufes,  ber  fjtnfenbe  s}>ljUottet  beö  ^tjtljagoras,  bie  gleite  §erabfe£ung 
bes  2(ffettes.  Aap.  III:  9hm  fefct  freilief)  bie  moberne  geit  ber  Jhtnft 
raeiiere  ©renjen  unb  uerftattet  ifjr  felbft  baö  öäfjUdje.  2ll(ein  audj  bann 
mufj  ber  Äünftler  im  2lu5brutf'e  Wlaf-,  fjaften,  unb  3rcar  meil  ifjm  uer= 
möge  ber  Sdjranfen  feiner  iiunft  nur  ein  einiger  2lugenblicf  jur  S)ar= 
ftellung  oer gönnt  ift  unb  biefer  nidjt  im  fjödjften  fßunÜ  ber  Smnblung 
genommen  roerben  barf.  Senn  ber  geronfjlte  2lugenbtict  mufj  vor  allen 
Singen  frudjtbar  fein,  ber  (Sinbilbungsfraft  freies  Spiel  laffen:  basu 
eignet  fid)  aber  bie  fjödjfte  Staffel  bes  2lffeftes  am  aßerroenigften.  ferner 
barf  biefer  2lugenblidr,  loeil  er  burdj  bie  Äunft  eine  unneränberlidje 
Sauer  erhält,  nidjts  ausbrüd'en ,  mas  burdjaus  tranfitorifdj  ift,  b.  I). 
plöfelid;  ausbricht  unb  plö^lid;  üerfdjioinbet.  Senn  bas  ^ranfitovifdje 
inirb  in  ber  Äunft  unleiblid;;  Sadjen  roirb  311111  ©rinfen,  Sd)reien  er= 
fd^eint  rceibifd;  ober  tinbifd).  33elege  aus  ber  alten  Äunft  finb  bie  9J?ebea 
unb  ber  Sljar,  non  2"imomad;us,  meiere  beibe  nidjt  auf  ber  Ijödjften  Staffel 


XXVIII       'Snp.  IV.  Dirijttr  «nb  korpcrl.  Sdjmtrj.    V.  ötrgü  unb  bü  ©nippe. 

beo  2fffefte$  uorgeftetft  waren:  jene  in  einem  früheren,  biefer  tu  einem 
fpäteten  l'coment.  $ap.  IV:  ®a\vs  anberö  aber  ftefjt  ber  Siebter  beut 
förperlidjcn  Sa)mer3e  gegenüber.  <5r  braudjt  nid)t  auf  förderliche  <2djün= 
fjeit  311  fefjen,  ba  man  bei  ifmt  jene  gewaltfamen  Slffefte  nidjt  alä  fjäfjlitf) 
empftnbet,  inbem  man  fie  nicf)t  uor  Singen  fjat;  er  fjat  ferner  mefw  als 
einen  2lugenbticf  guc  ©iopofition,  lann  bafjer  feine  ^erfonen  audj  in 
anberen  Situationen  geigen,  unb  fo  jebeö  falfcfje  Urteil  über  ifjren  Gtja= 
vafter  oerfjinbern.  Unb  baS  gilt  feineSmeg§  bfof;  oom  erjä^lenben  Sinter, 
fonbent  auefj  com  bramatiftfjen,  obgleich  mir  bei  biefem  jene  uon  ber 
Äunft  uerroorfenen  fjüdjften  2lffefte  greifbar  oor  Singen  Ija&en.  2)afj  in 
ber  Xljat  ber  bramatifdje  Siebter  bittet  unb  2Bege  f)at,  fiefj  oiefeS  31t 
erlauben,  waS  bem  bilbenben  Äünftler  uerfagt  bleibt,  jeigt  Seffing  an 
einer  gerglieberung  beS  ©opijoKeiftfjen  }>l)iloftet.  SopfjoffeS  nerftärft  unb 
erweitert  bie  $bee  be§  forpertidjen  <3djmer3e3  burdj  bie  übernatürliche 
2lrt  ber  ÜEBnnbe,  weldje  unS  baS  $urdjtbare  be3  <Sdjmer3e3  begreiflich 
madjt;  er  uerbinbet  fie  ba^u  mit  nodj  anberen  Übeln,  meiere  unfer  9JJit= 
leib  im  t)öct)fteu  ©rabe  erregen:  ©infamfeit,  junger  unb  ©tenb;  ganj 
im  ©egenfat?  31t  bem  fransöfifcfjen  Sinter  ©fjateaubrun,  wetdjer  feinem 
^(jifoftet  ©efeUfctjaft  giebt  unb  baburd)  fid)  be3  beften  &tlf§miitel§,  auf 
ben  §örer  31t  wirfen,  beraubt.  Unb  roenn  mir  audj  ben  "}>fjiloftet  auf 
ber  23üfjne  jammern  unb  winfefn  l)ören  unb  feigen,  fo  rcirb  er  bodj 
baburd)  cor  unferer  Sßeradjtung  gefiebert,  baf*  wir  if)n  troijbem  af3  ben 
ftanbfjafteften  SDJann  erfennen,  rceldjer  lieber  alle  biefe  ©dfjmerjen  weiter 
ertragen,  alö  t>on  feiner  Senfatt  weidjen  will.  Saburd)  r)at  ©opfjoffeS 
feinem  gelben  unfere  öodjadjtung  gefiebert;  ber  ©rtedje  oerlangte  ja  nidjt, 
wie  ber  an  bie  ^edjterfpiele  gewöfjnte  9?ömer,  Unterbrüchmg  be<3  <2d)mer3= 
gefüfile3  in  feinen  ©djaufpiefen.  ©nblitf)  fjat  ©opfjoffeS  nodj  barin  feine 
Sßeiöfjeit  gejetgt,  bafj  er  ben  9iebenperfonen  nod)  anberweittge  Ssntereffen 
gegeben  fjat,  bamit  fie  bei  jenen  Sinterungen  be§  ©djnterjeä  nidjt  auf 
baö  blofje  falte  SOcitleib  angewiefen  finb;  äfjnlidj  wie  er  e3  audj  in  ben 
2'radjinierinneu  gemadjt  fjat.  Aap.  V:  SäBemt  bemnadj  ber  Stdjtcr  ben 
^aofoon  ebenfogut  fdjreien,  wie  blofj  feigen  laffen  fonnte,  raäfjrenb  ber 
Äünftler  iljtt  nidjt  fcfjreien  laffen  burfte,  fo  erfjebt  fia)  bie  $rage,  wie 
man  baS  3Serf)äItniS  beö  SSirgilifdjen  i'aofoon,  ber  fdjreit,  31t  bem  ber 
öruppe,  ber  blofj  fenfjt,  511  beurteilen  fjabe?  —  Sie  ©ruppe  wirb  vkU 
fadj  als  auf  ber  ©djilberung  2$irgil3  berufjenb  angefel)en;  obgleidj  baneben 
audj  nodj  bie  93Jöglidjfeit  beftünbe,  bafj  beibe  auf  eine  ältere  bidjterifdje 
Cueffe  3urücfgcfjen.  g^M)  H*  °^eg  aug  beftimmten  ©rünben  nidjt 
gerabe  wafjrfäjeinlicfj.  Sic  öftere  2luffaffung  ber  Sage  fdjeint  nämlidj 
Don  ber  üUrgilifdjen  abwcicfjenb  311  fein:  Saoloon  blieb  babei,  wie  auefj 
bei  bem  fpäten  Sidjter  Duintuö  ©mtjrnäuö,  am  Xtbcn.  öätten  bie 
33itbt)auer  naa)  biefer  2luffaffung  gearbeitet,  fo  würben  fie  bie  ©ruppe 
anberö  fjaben  barftelfen  muffen;  ba  fie  biefelbe  aber  gans  entfpredjenb 
ber  SSirgilifdjen  Sdjilberung  barftelfen,  fo  ift  angune^men,  bafj  fie  audj 


fiop.  VI.  fliegt!  IDorbilö.    VII  tt.  VIII.  Spences  „tfolijmetta".        XXIX 

in  ber  Zfyat  biefe  als  Sßorbtlb  benutzt  fjaben.  Senn  bie  umgefefjrte  2ln= 
nannte,  bafj  SBirgü  bett  Äünftlern  gefolgt  fei,  l;at  uiet  gegen  jidf;.  aSicgit 
fdjilbert  bie  ©ruppe  im  emjemen  anber§,  alg  bie  Äünftler,  uor  altem  roeid;t 
er  in  ben  Sßinbungen  ber  ©erlangen  uon  (enteren  ab.  Sie  2tbroeid;ungen 
ber  Äünfiter  taffen  fid;  erftären;  bie  beä  Sid;ter3  nid;t.  Sie  Äünftter  uer-- 
legten  bie  SBtnbungen  ber  Sd;fangen,  meit  bie  uom  Sicfjter  gefd)itberten 
funftterifd)  unfdjön  geroefen  mären,  ben  Seib  ber  gigur  tjerbedEt  Ratten; 
fie  gaben  ferner  bem  Saotoon  nid)t  feinen  ^riefterornat,  ben  er  bei  SSirgit 
trägt,  rceit  baS  Öemanb  bie  Sd)önl;eiten  be3  menfd;lid;en  ÄörperS  uer= 
betft  t;aben  mürbe;  au£  bem  gleiten  ©runbe  laffen  fie  bie  bie  Stirn 
t)erf;ül(enbe  Sinbe,  bie  er  beim  Sid;ter  l)at,  fort.  2Ute  if»re  2lbroeid;ungen 
uon  Birgit  finb  alfo  roof;l  mottuiert.  Aap.  VI:  Stimmt  man  nun  aber 
ben  umgefet;rten  galt  an,  bafj  ber  Sinter  nad;  ber  ©ruppe  gefd)tlbert 
r)abe,  fo  roerben  feine  2tbroeid;ungen  für  un§  imoerftänblid).  Senn 
mäfyrenb  nid;t  jeber  $ug  ^  Sid;ter3  für  bie  Sarfteltung  be3  $ünftler3 
geeignet  ift,  imi|  umgefefjrt  alte§,  maö  in  ber  bilbtidjen  Sarftettung 
roir!fam  ift,  e3  ebenfognt  aud;  beim  Sid;ter  fein.  ftätte  Birgit  bie 
©ruppe  cor  2tugeu  gehabt,  fo  mürbe  er  bie  35erftridung  ber  brei  Äörper 
in  einen  Änoten,  bie  glüdlidje  ©rfinbung  ber  Äünftter,  niel  met;r  betont 
t)aben;  er  mürbe  ferner  burd)  ba3  ©eufjen  be3  Saofoon  auf  eine  fet)r 
roirtfame  Steigerung  be§  2lffette3,  an  Stelle  beö  ptötdid;  auobred;enben 
furchtbaren  Öefd;reieö  geführt  raorben  fein;  er  fjätte  auet)  feine  33eran= 
taffung  gehabt,  bie  Sßinbungen  ber  Sdjtangen  ju  üeränbem.  ©Q  ergiebt 
fiel;  atfo  bas  9iefultat,  bafj  bie  Skränberungen  be§  Sttdjtetsi  aB  burtf;au3 
nültfürlid;  unb  unmotiviert  erfdjienen.  Sa§,  rcaS  beiben  gemeinfam  ift, 
ift  überhaupt  (Eigentum  ber  älteren  Sage,  bis  auf  ben  Umftanb,  bafj 
ber  SBater  mit  untergeht.  Sa  nun  biefer  Umftanb  bem  Birgit  eigen  3U 
fein  fdjeint,  fo  ergiebt  fid;  bie  2ßa[;rfd;emtid;feit  bafür,  bafj  SStrgit  ba$ 
SSorbitb  ber  Hünftler  mar.  Aap.  VII:  Siefe  23etrad;tung  be§  3>er[;ält= 
niffcä  jtDtfdjen  Äunftmerl  unb  Sid;tung  giebt  Seffing  9]eranlaffung ,  ben 
„^olnmetiS"  oon  Spence  eingel;enber  31t  befpredjen,  meit  f)ter  ber  §ef;Ier 
begangen  ift,  eine  beftänoige  3Bect)fetroirfung  grotfcf;en  Äunft  unb  s}>oefte 
fetbft  in  ben  SetailS  Dorau§gufc|en  unb  au3  zufälligen  Übereinftimmungen 
ben  r>ertel;rten  Sdjtufj  abfid;ttid;er  9tad;at)mung  311  jieEjeit.  ©3  ift  sroar 
jujugeben,  bafj  gaf)lreia)e  Sidjterftellen  un§  burd;  Sejugnaljme  auf  Munft= 
rcerte  nerbeutlid;t  roerben  formen;  aber  eS  ift  tt;örid)t,  bei  jebem  3uge 
eines  Sid;terö,  roetd;er  fid;  3ufällig  in  entfpredjenber  SBeife  in  ber  Huuft 
nad;meifen  tä^t,  ben  Sd;lu^  31t  giet)en ,  bafj  ber  3)id;ter  jenen  3luJ  ei'ft 
burd;  bie  fiunft  gelernt  f;abe.  Aap.  VIII:  S5er  gelter  liegt  bei  Spence 
baran,  ba^  er  fid;  über  bie  Öre^en  ber  beiben  Äünfte  nidjt  Kar  ift  unb 
bal;er  überall  bie  engfte  Scsiet)ung  5roifd;en  beiben  uorausfe^t.  ©r 
rcunbert  fid;  3.  93.,  bafj  §8acd;u3  bei  ben  5)id)tern  oft  öömer  t;abe,  in 
ber  Äunft  nid;t,  roäl;renb  bod;  bie  Slünftler  bie  ^örner  roeglaffen  mußten, 
meit  fie  bie  Sd/bnt;eit  beeinträd;tigt  f;aben  mürben.    Sie  Sid;ter  fd)itbern 


XXX  töap.  IX  f.  Sptnres  „JJoIijtttetia".    XI.  CatjUis'  (Fabkamr. 

eine  »on  301*»  eniftettte  SSenug,  welche  511  ©penceS  Berrcunberung  in 
bei-  Ahtnft  nidjt  uorfommt:  aud;  fjier  ift  bei-  örunb  fein  anberer,  a(3 
baf;  bie  Äünftler  ba§  Qbeot  ber  BenuS  nidjt  in  3orn  barftellen  tonnten, 
meil  fie  bamit  ifjr  eigentümliches  SBefen  nerünbert  Ratten,  nmljrenb  bie 
Sidfjter  bieS  feljr  rcoljl  tfjun  bürfen,  weil  fie  bie  Göttin  aud)  in  anberen 
21ugenbtid'en,  wo  fie  gans  ifjrem  inbiuibuelfen  SBefen  entfpredjenb  [janbelt 
unb  auftritt,  äetgen  tonnen.  Aap.  IX:  Überhaupt  mufj  in  Betraft  ge* 
jogen  werben,  bafj  bie  Äünftler  nid)t  in  allen  SBerfen  mit  «oller  greifjeit 
gearbeitet  fjaben,  baf;  fie  namentlich  bura)  religiöfe  grvcde  oft  311  23or= 
ftellungen  genötigt  morben  finb,  meldte  bem  SBefen  ber  Äunft  an  ftdt) 
wiberfprecfjen,  unb  fofdje  SBerfe  bürfen  bafjer  nid)t  als  Beweismittel  für 
äftfjetifcfje  fragen  fjerbetgejogen  werben.  9iur  folcfje  Sßerte,  bie  ofjne 
gottesbtenftlicfje  Smtde,  ^n  «m  &«  <Scr)önt)eit  felbft  mitten  gearbeitet  finb, 
uerbienen  ben  tarnen  Äunftroerfe  im  ftrengften  ©inne  beS  SBorteS.  2Jtan 
mufj  ftdj  babei  freiließ  aud)  fjüten,  in  baS  Grfrem  ju  nerfatten,  baj$  man 
ben  ©intfujj  ber  Shtnft  fia)  5U  grofj  »orftette.  ältidj  nad)  biefer  9tid)tung 
f)in  fjat  ©pence  mefjrfad)  gefehlt.  ®av.  X:  SUtd)  bie  Bewertung  ©penceö 
über  Sarftettung  non  Berfonififationen  abftratter  Segriffe  3eigt  feinen 
3RangeI  an  BerftänbniS  beS  Sßefenö  ber  beiben  Äünfte.  ©r  munbert  fid), 
bafj  bie  Sidjter  fold)e  9Befen,  wie  3.  B.  bie  2Rufen,  fo  fparfam  mit  ben 
aittributen  außftatten,  roeldje  fie  in  ber  Äunft  Ijaben;  er  bemertt  eben 
nicfjt,  bafs  beim  £üd)ter  biefe  Sffiefen  burdj  it)re  Benennungen  fcfwn  ge= 
nügenb  djaraftertftert  finb,  wäfjrenb  bem  Äünftler  bieg  bittet  fefjlt,  er 
ttjnen  batjer  ©innbitber  als  2tttribute  beigeben  mufs,  um  fie  fennttid)  31t 
madjen.  SDiefe  ©innbilber  f;at  bei  tfjm  nur  bie  Slot  erfunben;  ber  ©idjter, 
meldjer  ofjne  fie  »erftänbftdj  fein  fann,  bebarf  ifyrer  alfo  nidjt;  im  ©egenteit, 
es  ift  ein  gfeljler,  wenn  er  feine  Figuren  mit  ©innbilbern  auöftaffiert. 
©ine  2lu§na!jme  baoon  madjen  biejenigen  ©innbitber,  welaje  nidjt  blofj 
allegorifdje  finb,  fonbern  poettfcfje,  b.  Ij.  roeldje  bie  ©adfje  felbft  bebeuten, 
wäljrcnb  jene  nur  etwas  2if)nlid)es  bejeicljnen  fotten.  Aap.  XI:  §n  ben 
gleiten  geiler  ift  ber  G5raf  Sagluä  uerfallen,  beffen  2Ber!  über  bie  aus 
womer  311  3tef)enben  ©emälbe  beutlia)  3eigt,  baf}  er  fid)  beffer  auf  bie 
i'ialerei  atö  auf  bie  ^oefie  nerftefjt.  3lllrtl*  ift  feine  Xenbenj,  ba^  bie 
Dealer  meb,r  f;omerifd;e  ©toffe  6enu|en  fotten,  alä  biober  cjefcr)et)en ,  an= 
erlennenStuert;  aber  er  begebt  ben  ^-ef^ler,  bem  9JMer  uorjufdjreiben,  bafs 
er  babei  genau  bie  3üge  im  einseinen  benutzen  folfe,  meldte  ber  2)id)ter 
entfjält.  9hm  beeinträd)tigt  eö  allerbingö  nidjt  ba§  Serbienft  be3  Äünftlerö, 
wenn  er  fidj  in  feinem  ©toff  eng  an  ben  Siebter  anlehnt,  nuibrenb  bei 
le^terem  eine  2(ntef)mtng  au  ein  5tunftuierf  unfere  Serounberung  für  feine 
(Srfinbungäga&e  uerminbert.  2tber  eben  meil  man  beim  Äünftler  auf 
bac  SBerbienft  ber  eigenen  ©rfinbnng  feinen  fo  großen  SBert  legt,  legen 
bie  Äünftler  aud)  felbft  feinen  baranf  unb  bleiben  gern  in  bem  von 
alters  Ijer  ifjneu  geioof)nten  Äreife  ber  SSorftettungen,  jumal  fie  babei 
ben  Borteil  fjaben,  auf  gröf;ereo  Berftänbniö  unb  ©ntgegenfommen  beim 


fiapitrl  XII— XVI.  XXXI 

§ßu&ttfutn  redjnen  51t  fönnen.  35er  9tat,  un&efannte  SSorroürfe  bar= 
guftetten,  ift  baf;er  ein  für  bie  föünftler  gefäf;rlid;er,  welken  fie  fd;iuerlid; 
nufcen  werben,  Aap.  XII:  ©er  9kt  bes  Örafen  Gaulus  ift  aber  Dielfad; 
and]  beswegen  uerfefjrt,  rceil  gar  mandE)e§,  rcas  ber  ©idjter  fd;itbert,  bem 
■JJtaler  infolge  ber  ©djranfen  feiner  Äuuft  nerfagt  ift.  SJamcntlid)  ber 
llnterfd;ieb  ber  ftd;tbaren  nnb  unfid;tbaren  SOßcfen,  roeldje  ber  Siebter 
fd;ilbert  unb  unteveinanber  fjanbelnb  auftreten  läfjt,  ift  für  Äünftler 
burd;aus  nid;t  barftellbar;  nid;t  minber  bie  übematürlid;e  ©röfje  ber 
l;omerifd;en  (Götter.  ©at)Iu§  empfiehlt  jroat  als  3eid;en  *>eö  Unfid)tbar= 
feins  ben  bei  £omer  in  folgen  gälten  I)äufig  üorfommenben  Giebel, 
b.  fj.  eine  Söolfe:  aber  bei  §omer  ift  biefer  9tebel  nid;t  bud;ftäblid;  ju 
nehmen,  fonbern  nur  eine  poctifd;e  9?ebeiueife  für  bas  Unftd;tbarmad)en 
überhaupt.  33eim  Tlakx  ift  eine  fotd;e  Sßolfe  atfo  fein  natürtid;es,  fonbern 
ein  unllfüriid;es  3e^en ;  unö  llod)  i)n5u  e*n  3e^eu/  u)eld;es  ber  be= 
ftimmten  £euttid;feit  entbehrt,  ba  es  ebenforcotjl  tienoanbt  nnrb,  um 
©id;tbares  unficfjtbar  ju  machen,  al§  um  Hnfid;tbares  fid;tbar  31t  machen. 
Aap.  XIII:  Überhaupt  ift  ber  ©ebanfe  gans  nerferjtt,  einen  2)id;ter  nad; 
ber  Qai)l  ber  @emälbe  tarieren  31t  motten,  rcetdje  aus  feinem  SBerfe  fid) 
f;erausfd;üten  laffen.  Öerabe  bie  glän3enbften  ©d;ilberungen  bes  Sinters 
bleiben  für  ben  ÜOiater  rcertlos,  mäljrenb  oft  wenige  äßorte  it)m  bas 
DJiotiu  &u  einem  figurenreiefien ,  farbenprädjtigen  Qkmälbe  bieten.  2tus 
ben  materiellen  ©ematben  alfo,  31t  roeldjem  btd;terifd;e  Sßerfe  ©toff  geben, 
läfjt  ftd;  burd;aus  fein  SUidfcblufj  auf  bas  materifdje  latent  bes  £>ttf;ter3 
felbft  madjen.  Aap.  XIV:  Sies  läfjt  fid;,  roie  aus  öomer,  fo  aud)  aus 
9Jiiltons  „uerlornem  ^arabiefe"  beiueifen,  meldjes  immer  nod;  bas  erfte 
©pos  nad)  £omer  bleibt,  obgleid;  es  roenig  ©toff  3U  materiellen  ©emälben 
bietet,  raäfjrenb  bie  £eibensgefd;id;te  ©l;riftt  in  ber  ©rääfjlung  ber  ©üan= 
getiften  barum  nod;  fein  ©ebid)t  mirb,  roeit  es  Doli  uon  ©toffen  3U  @e= 
mälben  ift.  ©in  poetifd;es  öemälbe  bes  Sidjters  ift  eben  nidjt  3ugleid; 
and)  ein  materielles  bes  ÜDialers.  Aap.  XV:  ©in  treffliches  ©Tempel 
l;ierfür  ift  bie  f)omerifd;e  ©dnlberung  Dorn  ©d;uffe  bes  ^anbarus.  Jpomer 
malt  biefe  ©cene  ausfüfjrlia)  aus;  troijbem  ift  fie  für  ben  Äünftler  un= 
geeignet;  unb  3raar  aus  bem  ©runbe,  rceil  öomer  eine  fortfdjreitenbe 
ftanbhmg  malt,  roetdje  ber  ÜDialerei  uerfagt  ift.  Senn,  Aap.  XVI:  Sie 
SJtalerei,  rceld;e  fiel;  ber  Figuren  unb  färben  im  Raunte  als  il;rer  SRittel 
bebient,  fann  infolge  beffen  nur  nebeneinanber  befteb^enbe  ©egenftänbe, 
alfo  Körper  barftellen;  bie  ^poefie  aber,  meldte  artifulierte  ^öne  in  ber 
3eit  3U  ifjrem  Mittel  r)at,  fdjilbert  nur  ©egenftänbe,  meld;e  in  ber  3e^ 
aufeinanber  folgen,  atfo  öanblungen.  2U(ecbings  fann  and)  bie  9Jtaterei 
^anblungen  nad;af;men,  aber  nur  anbeutungsmeife  burd;  Äbrper;  ebenfo 
mie  bie  s^oefie  aua;  Äörper  fd;ilbem  fann,  aber  nur  anbeutungsroeife 
burd)  .'öanblungen.  Sa  jene  aber  nur  einen  einigen  2lugenbtitf"  ber 
.vanbtung  fd;ilbern  fann,  fo  mufj  fie  ben  prägnanteften  mäljlen;  unb  ba 
biefe  nur  eine  einjige  Gigenfd;aft  ber  Körper   nu^en   fann,  fo  muf?  fie 


XXXII    XVII.  Sdjtlömmg  in  ber  fJoefte.  XVIII.  Öberftljmhmgen  ber  ©rcnjgebtete. 

biejemge  raupen,  raeldje  bas  finnlidjfte  23ilb  be3  Äörpers*  uon  ber  «Seite 
crincdt,  uon  roeldjer  fie  e§  braucht:  raorauä  bie  Siegel  non  ber  ©inf»ett 
ber  malerifdjen  23eiroörter  unb  ber  Sparfamfeit  in  ben  Sd)ilberungen 
förperttdjer  ©egenftänbe  fliegt.  Seit  SBeteg  hierfür  liefert  un§  §omer, 
roeldjer  nur  fortfcfjreitenbe  fimnbtungen  malt  unb  alle  Äörper  in  ber  Siegel 
nur  mit  einem  3llÖe  tenn3eidjnet.  SBill  er  uns  einen  ©egenftanb  förper= 
lid;  näfyer  bringen,  fo  nermanbelt  er  bie  23efdjreibung  in  franblung,  Iäf;t 
3.  23.  einen  SBagen  uor  unferen  2(ugen  jufammenfe^en,  ben  Äönig  fidf; 
mit  feinen  ©eraiinbern  betteiben,  erjäfjft  uns  bie  ©efd)td)te  eines!  ©cepterS, 
bie  §erftellung  eines  23ogens\  Surd)  foldje  Umfe^ung  ber  ©djilberung 
in  §anblung  madjt  er  un§  bie  ©egenftänbe  beuttidjer,  als  roenn  er  uns" 
ifjre  Äennäeidjen  einzeln  oorjäfjlen  raollte.  Aap.  XVII:  9cun  finb  bie 
3eid)en  ber  9iebe  allerbingS  raillfürlid)  unb  als  fotcbe  fäf>ig ,  bie  Seile 
eines  Körpers  fo  aufeinanber  folgen  511  laffen,  rate  fie  in  ber  9iatur 
nebeneinanber  befinbltd)  finb.  2lber  ber  Siebter  erreicht  bamit  nid)t  bie 
Sßirfung,  meldte  ber  Öegenftanb  felbft  in  SBirrlidjfeit  angefdjaut  auf  un3 
tjerr-orbringt ;  mir  fjaben  bie  ei^eliten  Seile,  ofyne  imftanbe  ju  fein,  fie 
ju  einem  öanjen  31t  uerbinben.  ©a§  rairb  an  einem  ber  beften  23eifpiele 
l)ierfür,  ber  23efd;reibung  einiger  2ltpenpflatt3en  in  öallerö  „2(lpen",  beutltd) 
bargelegt.  Sßilt  ein  2)id;ter  aber  ntdjt  bie  S"uf^on  beroorrufen,  bafj 
ber  §örer  burd)  feine  23efdr)reibung  ben  ©inbrud  be§  ÖegenftanbeQ  rairtlid) 
empfange,  null  er  als"  bibaftifdjer  Sidjter  burd)  feine  23efd)reibung  uns 
nur  belehren  ober  unterrichten,  bann  mag  er  ruljig  befd)reiben;  in  foldjen 
fällen  fommt  e§  eben  auf  bas  (ginjelne,  niajt  auf  ba3  ©anse  an.  ©onft 
aber  ift  bie  ©djilberung  in  ber  ^oefie  al3  froftige  (Spielerei  ju  nerraerfen, 
raie  ha^  felbft  2(nl)änger  ber  befd)reibenben  3tid)tung,  raie  ^ope  unb  pfeift, 
in  fpäteren  Qaljren  getfjau  baben.  Ray.  XVIII:  ©§  ift  nun  alterbtngs 
3ujugeben,  bafj  f leine  Überfdjreitungen  ber  beiben  ©rensgebiete  unter 
Umftänben  erlaubt  finb.  Sßenn  aud)  bie  3eitfotge  baS  ©ebiet  bes"  SMdjters, 
ber  9iaum  bas  bes  3Mer§  bleibt  unb  eö  baf)er  nerfeb,rt  ift,  nerfdjiebene 
Momente  in  ein  ©emälbe  311  bringen;  fo  fann  in  Ijiftorifdjen  Öemätben 
bod)  ber  eine  2(ugenblid  ber  Sarftellung  baburd)  etraaö  erroeitert  raerben, 
bafj  ber  9)ialer  etwas  oon  einem  folgenben  ober  »on  einem  ooraufgeljenben 
Moment  mit  barin  aufnimmt,  raie  baS  3.  23.  ÜDiengS  bei  ber  Sraperie 
be3  3iafael  beobachtet  Ijat.  Gbenfo  fann  ber  Sidjter  etraaS  raeiter  gefjn 
unb  ftatt  einer  förperlidjen  C5igenfd)aft  raol)I  aud)  3roei  ober  mehrere 
anbringen,  3umat  raenn  iljttt  feine  ©prad;e,  rate  ba§  mit  ber  gried)ifd)en 
beim  Corner  ber  gall  ift,  fo  erleichtert,  ba  er  fämttid;e  ß-pitbeta  bem 
2Borte,  auf  rceld;eö  fie  ficf;  besiegen,  oorauffdjiden  fann.  —  2lud)  ber 
.^aupteinraanb,  ben  man  gegen  ba§  23erbot  ber  23efd)reibung  beim  Siebter 
madjen  tonnte,  ber  berüf)mte  2ld)iücS--Sd)ilb  bes  ,'öomer,  ift  nid)t  ftid)= 
battig.  Konter  befdjreibt  ben  <3d)Ub  nid)t  als  etmas  fyertigeö,  fonöeru  er 
läfjt  if)n  nor  unfern  2Utgen  entfielen,  fefet  alfo  bie  Sdjitberung  in 
§anbl«ng  um:  barin  fief;  raefentlid;  unterfd;eibenb  oon  feinem  9iad;alnner 


«opttel  XIX— XXII.  XXXIII 

Birgit,  ber  un$  ben  fertigen  Sdjitb  bes  2tnea§   au§fül)rlid)   befdjreibt. 
Aap.  XIX:    Sei   ^Beurteilung   btefeS   ©djitbes   ift  e3    aber   notroenbtg, 
§omer3  SSerfafyren    bei  SSefdjretßung   ber   einzelnen   auf   bemfelben    am 
gebrachten  ©emälbe  richtig  jju  beurteilen.    9iicf)t  aICeä,  roa3  ber  2)ia)ter 
erjagt,  roar  roirt'lid)  auf  bem  Sdjilbe  üorgefteltt,  oielmeljr  verbreitet  er 
fid)  mit  bidjterifdjer  fyreiEjeit  aud)  über  ba3  bem  bargefteüten  Momente 
ä>orf)ergel)enbe  unb  fjolgenbe.    2luf  biefe  SBeife  erhalten  roir  im  ganjen 
jetjn  ©emälbe,  roäljrenb  23oiotn,  roeü  er  jenes»  SSerfatjren  nidjt  ertannt, 
eine  bei  roeitem  größere  3a^  f)erausgered)net  fyatte.    ?ßope,  roeldjer  iljm 
barin  beiftimmt,  begebt  aufjerbem  nod)  ben  fyet)Ier,  bei  §omer  bie  Siegeln 
ber  mobernen  SDialerei,  fetbft  bie  ^rfpeftiue,  beobadjtet  finben  31t  roolten ; 
obgleidj  bod)  3roeifettoä  ju  öomerö  geit  bie  ÜDtaterei  nod)  in  it)ren  2(nfängen 
mar  unb  ber  Steter  um  fo  roeniger  eine  2lf)nung  oon  ber  'iperfpettiüe 
l)aben  tonnte,  al€  fetbft  bie  fpätere  ooltenbete  Malerei  ber  2Hten  barin 
eö  nod)  nid)t  roeit  gebradjt  fjatte,  mofür  bie  23efd)reibungen  ber  2Banb= 
gemälbe  s^olijgnot3  ebenfo  beineifenb  finb,  al§  bie  Malereien  au§  §er= 
culaneum.  —  Aap.  XX:  @§  ift  alfo  bem  ®id)ter  unterfagt,  t'örpertidje 
©egenftänbe    ju  fd)itbern;  unb  ba§  gilt  befonberä  tton  fd)önen   förper= 
lidjen  ©egenftänben.     §omer  unterläßt  bafjer  bergleidjen  aud)  gänjlid); 
unb  alte  fotd)e  $erfud)e,  roeldje  fpätere  £)id)ter  raie  (Sonftantin  9Äanaffe, 
ober  fetbft  ein  fo  fyeroorragenbeä  ©eme  roie  2trioft  gemacht,  muffen  bafjer 
mißlingen.  2Ule  bie  oon  iljnen  angegebenen  ©injeltjeiten  finb  nid)t  imftanbe, 
uns»  ba§  SÖilb  be3  fdjönen  ÄörperS  fo  lebhaft  üorjufüljren,  rote  ein  SStid 
auf  biefen  fetbft  ober  auf  ein  ©emälbe  baoon.    gn  biefer  £>infid)t  f>at 
aud;  SSirgil  fiel)  an  .öotner  attgefd)(o[fen;  unb  roenn  2tnatreon  in  jenen 
Siebern,  in  roetdjen  er  bie  Sd)önf)eit  feiner  ©stiebten  ober  feineä  Änaben 
preift,  auf  ©injelfieiten  fid)  einlädt,  fo  matfjt  er  biefen  'geiler  baburd) 
roieber  gut,  bafj  er  fingiert,  einen  SÜlaler  uor  fid;  ju  Ijaben,  bem  er  bie 
einzelnen  Seile  befjufö  §erftellung  eines»  ©emälbeä  r>orfd)retbt.    Aap.  XXI : 
Safür  t)at  aber  ber  2)id)ter  ein  anbereS  SDttttel,  un3  bie  ©d)önl)eit  feiner 
^erfonen  fetjr  beutlid)  ju  machen:  inbem  er  fie  nämlid)  burd)  itjre  Sßirfung 
erfennen  läfct,   rote  3.  93.  ftomer  in  ber  ^Begegnung  ber  §etena  mit  ben 
©reifen,  Doib  in  ber  ©d)itberung  bes»  ^ufammenfeinS  tn't  feiner  ©eliebten. 
(Sin  anbereö  Glittet  ift  bie  Serroanblung  ber  <Sd)önt)eit  in  3teij,  b.  I).  in 
©dr):3nf)eit  in  23eroegung;  biefe  ift  3roar  bem  9){aler  nidjt  bequem,  um 
fo   mefjt   aber  bem  2)icr)ter,   roeldjer   alt  bie  einzelnen  <3d)önl)eiten    beS 
Äörperö  u\\%  in  Siinegung  uorjufü^ren  imftanbe  ift.    Aap.  XXH:  25er 
■Btater   aber    b^anbelt   roeifer,   roenn  er  un§  bie  Sd)önl)eit   o^ne  irgenb 
roetd)e§  anbere  öitfömittet  altein  unb  für  fid)  3eigt.    ®afjer  fef)tt  (Saijtuö, 
roenn  er  jene  Begegnung  ber  Helena  mit  ben  ©reifen  ben  SJlatero  em= 
pfief)lt  unb  babei  rät,  bie  ©reife  in  ftaunenber  33erounberung  ber  <3d)ün= 
Jjeit  ju  jeigen;  roaö  um  fo  tf)örid)ter  ift,  alä  öetena  oerfd)leiert  erfd)eint. 
S)ie  alten  Äünftler  l)aben  3roar  oielfad)  bei  il)ren  ©djöpfungen  fid)  an 
§omer  angelehnt;  aber  fie   fyaben  nur  bie  9Jtotioe   im  allgemeinen  auZ 

SejfiitgS  SBerfc  !).  c 


XXXIV  €ap.  XXIII— XXV    Das  tfjäßlidje  unb  ffihelljafte. 

ifnn  entnommen,  nur  if»re  ^Ijantafie  burd)  bie  feine  angefeuert,  nid;t 
feine  einseinen  gcenen  fflauifd)  naajgealjmt.  ©§  ift  befannt,  bafj  $l)ibia§ 
feinen  3eu3,  jumat  bie  Sebeutung,  roeldje  bie  Augenbrauen  für  ben  2lu3= 
brud  be§  ÖefiddeS  fjaben,  au§  öomer  entlehnte.  Unb  wenn  man  am 
natifamfdjen  2lpotto  beobachtet  fjat,  bafs  bie  Seine  oon  unovct)ätini& 
mäßiger  Sänge  gegenüber  bem  übrigen  Körper  finb,  unb  baf?  biefer  §e£)ter 
abficrjtlidtj  begangen  loorben  ift,  um  ben  ganzen  Körper  fcbjanfer  erfdjeinen 
5U  laffen,  fo  ift  etroas  biefer  '-Beobachtung  Äfjnlidjeö  Bereite  bei  §omer 
in  ber  ©dntberung  beö  Slenetauö  unb  CbnffeuS  ju  finben.  K  an.  XXIII: 
2Benn  nun  ber  Sinter  bie  ©djönfjeit  nidEjt  malen  foll,  fo  fragt  eS  ftdj 
raeiter,  ob  ilnn  auch,  bie  ©d)ilberung  beS  fräpdjen  unterfagt  ift.  2ßenn 
man  nrieber  ben  ftomer  in  Setradjt  3ieh,t,  fo  fdjeint  ba§  nid)t  ber  gfaU 
3U  fein,  benn  er  f)at  ben  £b,erfite3  genau  gefdjilbert.  3lber  bie  Sadje 
liegt  t)ier  anberg.  Wan  foll  bie  Sdjöntjeit  nict)t  fdnlbern,  roeit  fie  in 
ber  8d)tlberung  nerliert;  gerabe  besljalb  aber  mirb  bie  £äf$lidjfeit,  roeil 
aud)  fie  in  ber  ©djilberung  an  Sßirfung  nerliert,  für  ben  ©idjter  braudj= 
bar.  Unb  5mar  nu^t  fie  ber  ©idjter,  um  bie  uermifdjten  (Smpfinbungen 
bes>  Sadjerltdjen  unb  be3  ©djredlidjen  baburd)  ju  erregen.  ftomer  fdjilbert 
ben  ©fjerfiteö,  um  ifm  lädjerlid)  311  machen.  Gq  genügt  baju  freilich, 
nid)t  bie  einfache  £afdid)feit  an  fidj,  fonbern  e3  ift  auch  bie  Überein= 
ftimmung  biefer  §äfdid)feit  mit  feinem  Gfyarafter  notmenbig;  unb  e3 
gehört  weiterhin  auch  baju,  bafj  feine  förperlicrje  unb  geiftige  öafjlicbteit 
unfdjäblid)  ift.  Senn  nur  unfdhäbliche  Jöäfdicbfeit  ift  [äcr)erttdt) ,  fcbäblicbe 
aber  fdjredlid).  Seifpiele  hierfür  auä  ber  neuern  ©ichtung  finb  ber 
Saftarb  im  König  Sear  unb  9iicbarb  ber  ©ritte.  Ray.  XXIV:  £>b  aber 
ana)  ber  3)ialer  bie  ^äfdidjfeit  ber  gen'™  miebergeben  barf?  ©a3  3Ser= 
gnügen  an  ber  9iadjaf)mung  atiein  tann  fjier  nicht  in  Betracht  fommen; 
benn  nid)t  alle  unangenehmen  ©mpfinbungen  gefallen  in  ber  9iadbaf)mung. 
©0  ber  ©fei  nidjt,  fo  aud)  bie  ^äfjtidjfeit  ber  $orm  nicht,  meldte  2lbfd)eu 
erroedt.  2lud)  2lriftote(e3 ,  obgleid)  er  ber  2lnfid)t  ift,  bafj-  man  ©inge, 
bie  man  in  ber  Statu«  mit  SBiberwiffen  betradjte,  boeb  in  getreuer  2Ib= 
bilbung  roegen  ber  allgemeinen  ißifjbegierbe  ber  9JJenfd;en  mit  Vergnügen 
anfefje,  febeint  ^äfdichfeit  ber  J"0™1  nid^t  hierunter  3U  rechnen,  wenn 
man  nad)  feinen  Seifpielen  urteilen  barf.  ©er  SJcaler  barf  bemnad)  bie 
.s?afjHd)feit  ber  gorm  an  fich  nidjt  barftelten;  aber  auch  nicht  jur  @r* 
reiebung  beS  Sächerlidjen  ober  ©djred'lidjen :  benn  unfchäblidhe  ^äfdidjfeit 
bleibt  in  ber  lliadjatpnung  nid)t  lange  lüdjerlid),  fonbern  wirb  burd) 
wieberfjolten  2(nbltd  abfdjeulidr,  unb  fdjäblidje  ^ä^Kd)feit  bleibt  ebenfo 
raenig  fdjretflid).  .Hap.  XXV:  ©ie  Gmpfinbung  be3  <&ä^ücf)en  in  ben 
formen  ift  nalje  oerraanbt  mit  ber  limpfinbung  beö  tS'Mö;  unb  and)  in 
ber  9Jad)af)mung  r>evr)ält  fid)  baS  Gfelbafte  nollfommen  fo  rcie  ba3  iQäfr- 
lid»e,  fann  bar)er  an  unb  für  fid;  meber  ein  (^egenftanb  ber  Soefie  nod) 
ber  Malerei  merben.  ?,nbeffen  tann  bod)  bie  ^oefie  einige  etelfjafte  3üge 
gebraudjcn,  um  baö  incf)erlid}e  ober  Sdjred'lidje  nodj  311  nermef)ren,  mofür 


«apttcl  XXVI— XXIX  XXXV 

5af)fretd)e  23eifptete  a\&  älterer  unb  neuerer  Sitteratur  »orliegen.  £in= 
gegen  mufj  bie  Malerei  bie  efelfjaften  ©egenftänbe  »ermeiben,  roeil  bie 
2Serbinbung  ber  Segriffe  fie  aua)  bem  ©eficfjte  efel  macfjt,  raenn  e<3  fclbft 
feine  ©egenftänbe  gäbe,  meiere  fcf;on  an  unb  für  fid)  für  btä  ©eftdjt 
efelfjaft  finb.  2tucf;  jur  Sermefjrung  be§  §äfstid^en  ober  ©ctjcetflictjen 
fottte  bie  SDialerei  beffer  baS  ©felfjafte  »ermeiben,  weil  baS  (Sfeltjafte  in 
einer  fidjtbaren  SRacfj&tfbimg  oon  feiner  SBirfung  ungfeidj  roeniger  nerliert, 
al§  bei  einer  f/örbaren. 

hiermit  fdjjtiejjt  bie  eigentliche  äftfjetifcfje  Unterfucfning  beS  erften 
Seifeg  ab;  bie  notf)  fotgenben  ftapitet  befdjäftigen  fid)  nur  mit  Sefpredjung 
einiger  Setaifö  auö  ber  injwifdjsn  erfdjienenen  ©efdjicfjte  ber  ßunft  dou 
SEBtudelmann  (»gl.  oben  ©.  VI).  Aap.  XXVI.  rairb  Sßincfefmannä 
Datierung  beS  Saofoon  (Seit  2Uer,anber3  b.  @r.)  befproajen  unb  bie 
Steife  beS  5ßßttUi§,  in  roelcfjer  bieS  Söerf  ermähnt  ift,  eingefjenb  auf  if)re 
Sebeutung  jjin  geprüft.  Seffing  jiefjt  barauS  baS  9?efultat,  bafs  ^ßfiniuä 
bie  SRerffer  beS  Saofoon  in  bie  Äatfergeit  oerfefcte;  auS  eigener  Vermutung 
fügt  er  fjinju,  ba£  üietfeicfjt  ber  2lnftoj$  ju  ber  Schöpf ung  oon  2tfiniuS 
^offio  ausgegangen  fei.  Aap.  XXVII.  3ur  weiteren  Seftärfung  biefer 
Datierung  beruft  fief)  Seffing  auf  eine  oon  2Bmcfetmann  mitgeteilte  ^n= 
fcfjrift,  in  roefetjer  ber  eine  ber  Äünftler  beS  Saofoon  genannt  ift  unb 
Sroar  mit  bem  feine  Sljätigfeit  beäeidmenben  3eitraort  im  Sforift.  Unter 
SBegugnafjme  auf  eine  ©teHe  beS  s;pniu3,  roorin  ber  ©ebraud;  ber  %em-: 
pora  in  Hünftterinfdjriften  befprocfjen  roirb,  fudjt  Seffing  bie  Vermutung 
ju  begrünben,  bafc  äffe  Äünftler,  roetcfje  ben  Sforift  gebrausten,  lange 
naef)  ben  Seiten  2llcranber3  b.  ©r.,  furj  uor  ober  unter  ben  taifern  ge= 
blüfjt  fjätten,  roaS  bann  ein  weiteres  2lrgument  für  feine  Datierung  ber 
Äünftfer  beö  Saofoon  ergeben  mürbe.  Aap.  XXVIII.  Sie  ©tatue  beS 
fog.  borgfjefifcfjen  gfedjterä  rairb,  unter  Berufung  auf  bie  uon  9tepo3  ge* 
gebene  ©cfjilberung  ber  Stellung,  roeldje  (SfjabriaS  feinen  ©olbaten  oor= 
gefd»rieben,  als  eine  ©tatue  beS  ©IjabriaS  gebeutet.  Aap.  XXIX.  Wady- 
raeifung  einiger  ©teilen,  in  benen  fief)  9Uincfelmann  burd)  beö  ^uniuS 
SBerf  über  bie  Malerei  f»at  }U  falfäjen  Slngaben  führen  raffen ,  nebft 
Berichtigung  einiger  fleinerer  Irrtümer  ober  ©ebädjtniSfeljler  in  ber  ©e= 
fd)tcf)te  ber  Äunft. 

©leid)  biefen  festen  Kapiteln  l)ängen  aucf»  oerfdjiebene  größere  pf)ilo= 
logifd)=antiquarifd)e  2lnmerfungen  ber  ©djrift  mit  bem  eigentlichen  ©toffe 
nur  jefjr  fofe  jufammen.  Seffing  fjatte  in  Breslau,  raie  roir  auZ  einem 
33eridjt  beö  3teftorS  Äfofe  roiffcn,  oerfdjiebene  Eritifdje  unb  antiquarifdje 
2tuffä£e  in  feinem  'pulte  liegen  unb  gebaute,  ba  er  anfangs  nidjt  glaubte, 
fie  in  ein  ©anjeS  nerraeben  ju  fönnen,  fie  unter  bem  gemeinfdjaftlidjen 
Jitcl  „öermäa"  (am  2ßege  ©efunbeneö)  IjcrauSsugeben.  2(ls  er  bann 
ben  Saofoon  fdjrieb,  brachte  er  mel)rereö  baoon  f)ier  unter;  er  fagt  felbft 
in  ber  SSorrebe,  ba^  biefe  fleinen  2tbfdnüeifungen  über  uerfd)iebene  fünfte 
ber  alten  Äunftgefcf)icf}te  nur  baftünben,   raeit  er   ifjnen  niemals  einen 


XXXVI  inljalt  bea  pueittn  fKeils. 

beffern  Sßfafc  5u  gelben  ^offen  fönnte.  3U  feinem  2lrger  f»at  fid;  bann 
bie  Stritif  geiuiffer  Ijämifdjer  ©egner  üornefmtfid)  an  btefe,  3um  Seit 
alferbingS  angreifbaren  fünfte  gehalten,  anftatt  bie  eigentliche  ftauptfadje 
tn§  2luge  311  f äffen;  unb  beStjalb  Bewerft  er  am  ©djtufj  be§  38.  feiner 
antiquarifcfjen  33riefe,  bafc  in  ber  fünftigen  2luSgabe  beS  Saofoon  bei- 
gäbe 2lbf cfinitt ,  roeläjer  ben  GljabriaS  betrifft,  wegfallen  folle,  foroie 
mehrere  antiquarifdje  2Iusunicf)fe,  auf  roeIcr)e  er  ärgertief)  fei,  roetl  fie  fo 
mancher  tiefgelefjrte  Munftfritifer  für  baS  ^auptroerf  beS  Sucres  ge= 
galten  Ijabe. 

Sie  ^Betrachtung  ber  ©ntnri'trfe  3etgt,  bafj  Seffing,  roie  nur  baS  auefj 
ans  anbenueitigen  Sbtisen  nüffen,  feinen  Saofoon  urfprünglid)  auf  brei 
Seile  angefegt  fjatte.  9JJef)r  alS  ber  erfte  ift  aber  nie  erfdjienen;  teils 
fefjlte  Seffing  in  ben  folgenben  ^ab^ren  Dieffacr)  bie  ntfjige  (Stimmung 
unb  Sammlung,  roefcfje  jur  33oIlenbung  eines  berartigen  3Berfe§  uner= 
fiifjlicf)  war,  teils  uerbrof?  ifjit  bas  geringe  33erftänbnis,  weldjes  er  bei 
einem  großen  Seife  beS  ^ublifumS  fanb.  So  fdjwanb  bie  anfangs  nodj 
mehrere  5>al)re  Ijinburd)  feftgeljaltene  2lbfid)t,  bie  beiben  fofgenben  Seife  noef) 
auösuarbeiten ,  altmtifjlid)  immer  mefjr,  unb  in  ben  festen  SebenSjafjren 
SeffmgS  finben  mir  feine  ©pur  mef)r  oon  bafjin  jiefenben  ©ntwürfen. 
©0  ift  ber  Saofoon  ein  Sorfo  geblieben;  unb  es  ift  baS  um  fo  bebauen 
ficfjer,  als  naef)  SeffingS  eigenen  Filterungen  biefer  erfte  Seif  faum  atmen 
faffen  fonnte,  wof)in  er  eigentfid;  fjinauS  wotfte.  @r  fjatte  fjier  ben 
Unterfdneb  3wifd;en  SDtaferei  unb  ^5oefie  wefentttdj  uon  bem  ÖefidjtSpunfte 
auS  entwtcfelt,  bafs  bie  3eid;en  °er  emen  *n  ^er  3eit,  *>ie  ber  Zubern  im 
Raunte  erjftieren ;  baS  ift  aber  nur  ber  eine  Unterfcfjieb  ifjrer  geidjen; 
waS  fidf)  barauS  ergiebt,  bafj  bie  3e'^en  ^er  e^en  an  fidj  wiltfürlidje, 
bie  ber  anbern  natürlidje  fiub,  bafj  aber  jebe  »on  beiben  ifjre  3eid)en 
auet)  in  erweitertet  2lnwenbung  gebrauten  fann,  baS  folfte  eben  erft  in 
ben  fofgenben  Seileu  bargefegt  «erben.  %m  affgemeinen  tonnen  mir  ben 
^nfjalt  biefer  fyortfe^xtng  unS  refonftruieren,  am  beften  ben  beS  3weiten 
SeilS,  ba  fjierfür  Seffing  einen  turjen  ©ntnntrf  bereits  mit  $apitel= 
einteilung  Ijinterlaffen  t)at  (in  unferer  2tuSgabe  B  7),  wäfyrenb  für  ben 
britten  nur  2lnbeutungen  aus  jener  geti,  t>a  ber  erfte  Seil  noef)  nidjt 
ausgearbeitet  war  unb  ber  ^Bfan  beS  Coangen  bei  Seffing  nod;  nidjt  fefte 
öeftalt  gewonnen  Ijatte,  uorliegen.  *) 

Qm  3weiten  Seile  follte  junädjft  bargelegt  werben,  inwiefern  SSind'el-- 
mann  31t  bem  auef)  oon  Seffing  angenommenen  ^rtnjip,  bafj  bie  9iut)e  in 
ben  SHlbwerfen  ber  2((ten  bie  Tyolge  ber  non  ifynen  afS  Sßrinjip  ber  bifbenben 
fünfte  feftgel)altenen  Sd/cmfjeit  fei,  auf  einem  anbern  Sßege  gefommen 
fei,  als  Seffing  fetbft:  Sßindetmann  nämlid;  burd)  2tbftraftion  beS  ©efe^eS 
ber  Sd/6nf)eit  auS  ben  Munftioerfen  felbft,  Seffing  aber  a  priori  auS 

*)  ©ennucrc  Sluäfü&rung  bc>5  J-olgenben  f.  in  ber  Einleitung  }U  meiner  ßrößeren 
ShtSgabc  ©.  IUI— ll'J. 


Sbral  let  bilbcnbtn  €un|l  unb  ber  florCtc.  XXXVII 

bem  SBefen  ber  fiunft.  odjönfjeit  ber  gorm  gilt  Sefftng  als  bie  etgent= 
lidje  Söeftimmung  ber  bilbenben  Äunft;  oon  biefem  ©efidjtSpunfte  au3 
fei  aucf)  bie  ()iftorifd)e  Malerei,  weil  bei*  2(u£>brud  bei  biefer  wtdjtiger 
fei,  a(§  bie  ©d)önf)eit  ber  gorm,  nid)t  3ur  fjöfjeren  ÜDialerei  ju  rennen. 
2lllerbingö  gcpri  5iir  förperlidjen  ©djönfjeit  bei-  gorm  aud)  <Sd)önt)eit 
ber  g-arbe  unb  bes>  2fusbrud'S;  unb  jraar  unterfdjetbet  man  bei  ber 
©djönfjett  ber  ^färöe  jroifdjen  Äarnation  unb  Äotorierung,  bei  ber  ©cf)ön= 
fjeit  be3  2(usbrud'£>  swifcfjen  tranfitorifcfjem  unb  permanentem  2(u3brud;; 
nur  ber  teuere  ift  mit  ber  <2cf)önf)eit  nerträglicf).  ®a§  ^eal  ber  förper; 
liefen  ©cfjönfjeit  ift  bafjer  uornefnnlidj  ein  ^beal  ber  Sonn,  unb  jugleid) 
ber  Sarnation  unb  be§  permanenten  2(u3brutf'3,  roäfjrenb  bloße  Äolorterung 
unb  tvanfitoriferjer  2lu$brud  fein  .^beaf  fjaben.  £er  2tuöbrud  aber  muß 
ber  <Scf)önr)eit  ber  <yorm  untergeorbnet  fein.  £ie  <2cf)önf)eit  ber  gorm 
r)at  ein  ^beat  nur  im  SJienfcfjen;  unb  beöf)af6  finb  biejenigen  Äünfte, 
wefdje  ©egenftänbe  nadjabmen,  bie  bie§  §beal  weniger  ober  gar  nidjt 
befifcen,  alfo  Siermalerei,  53lumen=  ober  SanbfdjaftSmalerei,  niebriger 
ftefjenbe  (Gattungen. 

jyälfdjlicfjermeife  f;at  man  ba3  Ijjbeal  in  ber  2Beife  in  bie  ^ßoefie 
übertragen,  baß  man  ein  $beat  ber  moraltf djen  23ollfommen£)eit  in  bie= 
felbe  aufnahm.  Sag  ift  aber  f äff d^ ,  weit  bie  oollfommenen  moralifdjen 
(fbaraftere  in  9üil)e  bleiben  muffen  unb  bafjer  notwenbig  oon  ben  fd)Um= 
meren  ßfjaraiteren  in  Schatten  gefteltt  werben.  Saö  ^beal  be3  SidjterS 
muß  oielmefn:  ein  Qbeat  ber  öanblung  fein,  wie  ba3  be§  SftalersS  ein 
Jibeal  bes  MörperS. 

2(ud)  oollfommen  fetjöne  förperlidje  2Befen  barf  man  beim  Xncfüer 
nidjt  überall  erwarten ;  baS  läßt  fia)  au$  2Mton  ermeifen,  wefdjer  aud) 
^äfelidjfeit  gefdjitbert  fjat,  ot)ne  juc  §äßlid)feit  ber  gorm  feine  .ßuftod)1 
ju  nehmen.  3ßiIton§  2lrt  311  fdjUbern,  bie  be§  näfjern  bargelegt  werben 
foffte,  3eigt,  baß  bei  ifjm  bas>  meifte  nicfjt  malbar  ift,  mäf)renb  bei  §omer 
faft  alleS  511  malen  ift.  2Me3  liegt  aber  mdjt  am  größeren  ©enie  bes> 
fromer,  fonbern  an  ber  90öar)[  ber  3JJaterie.  9JJtt  DHlton  unb  £>omer  be= 
fdjäfttgen  fid)  bann  aud)  bie  näd)ften  2lbfcfmitte  biefeö  ^eileä ;  teils  mit 
Darlegung  fucceffioer  (itemtilbe  bei  Mlton,  mit  ber  feinen  Beobachtung, 
baß  man  au§  ÜOJiltono  2irt  3U  fdjilbern  feine  33linbf)eit  fjerauämerfe, 
ebenfo  wie  man  auS  §otnev§  ©djitberungen  r)eraiiöfüf)Ie,  baß  ber  ©id)ter 
nicfjt  btinb  gewefen  fein  fönne;  teils  mit  33ef)anblung  oerfcf)iebener  im 
erften  Seife  übergangener  fucceffioer  (Semälbe  £omer3,  fowie  ber  entfpre= 
d)enben  Lanier  Doibö. 

T'ann  fef)rt  Seffing  wieber  3um  eigentlichen  Sljema  jurücf  unb  be= 
fpricf)t  ben  Unterfd)ieb  oon  einfachen  unb  folleftinen  öanblungen;  er 
uieift  erftere,  weld)e  nur  in  einem  unb  bemfelben  Äörper  jur  6rfd)einung 
fommen,  ber  ^oefie  3U,  festere,  bei  benen  bie  ^Bewegung  in  mehrere 
Mbvper  nerteilt  ift,  ber  Malerei.  £»ier  fjaben  wir  ben  widjtigften  Seil 
nid)t  nur  ber  ^ortfe^ung,  fonbern  oielfeidit  be§  ganjen  Saofoon  überfjaupt: 


XXXVIII      ffimfodje  unb.  holltkttoe  fljanblungen.   Wntnfdjeibung  ber  Btinjen. 

bas"  gemeinfdjafttidje  ©ebiet  ber  Malerei  unb  ^ßoefte;  Regeln  über  bie 
2lrt,  löte  aud)  ber  Sidjter  bie  folleftioen  £>anb(ungen  311  uerroenben  "f)at , 
unb  baj$  er  bat)er  üornefjinlid)  auf  (Sdjönfyett  ber  einseinen  Seile  fefjen 
folle,  roäfjrenb  ber  9)ialer  meljr  bte  <Bct)önr)eit  be§  ©an^en,  als  bie  ber 
einzelnen  Seile  im  2tuge  ju  begatten  f)at.  —  2Beiterf)in  roirb  bann  nod) 
befprodjen,  wie  ber  Sidjter  fidjtbare  ©igenfdjaften  eines  Körpers"  burd) 
Sluflöfung  in  ^Bewegung  311  fcr)ilbern  imftanbe  ift;  baf?  hingegen  beim 
■Dtaler  bie  Seroegung  nid)t  barftellbar  unb  nur  ^robuft  unferer  @in= 
bilbungslraft  ift,  roeSfjalb  bie  Malerei  and)  bie  ©dmelligfeit  nid^t  roteber* 
geben  fann,  roütjrenb  bem  Sinter  hierfür  feljr  üerfdjiebene  SBege  51t  ©e= 
böte  ftefyen. 

Ser  britte  Seil  nimmt  bie  ilnterfdjcibung  ber  getdjen  oon  ÜWaterei 
unb  ^soefie  al$  natürliche  unb  rotllfürlidje  surn  2(u<3gangspun!t,  infofern 
nämlid),  als  jroar  bie  3e^cn  Der  Malerei  urfprünglid)  natürlidje,  bie 
ber  ^oefie  urfprünglid)  roitlfürlidje  finb,  in  weiterer  Slnroenbung  aber 
bie  einen  nüe  bie  anbern  ebenforooljl  natürlid)  als  rcillfürlid)  fein  tonnen. 
Saburd)  ergeben  fid)  für  ^oefie  unb  Malerei  nerfd)iebene  f)öf)ere  unb 
uiebere  Wattungen.  Sie  l)öf)eren  Gattungen  beiber  Äünfte  finb  bie,  roeldje 
fid)  nur  ber  einer  jeben  urfprünglid)  juforamenben  3e'^en  bebienen;  bod) 
ift  babei  ber  Unierfdjieb  51t  beadjten,  bafj  je  meljr  bie  Malerei  it)re  natür= 
lidjen  3e^en  m^  rotUfurlidjen  oermifdjt,  fie  fid)  um  fo  mel)r  oon  ifjrer 
23olffommen()eit  entfernt,  roäfyrenb  bie  ^oefie  um  fo  uollt'ommener  roirb, 
je  mel)r  fie  ilnre  roillrurlidjen  3eM)cn  Den  natürlichen  nafje  bringt.  Sieo 
erläutern  t>erfd)tebene  Seifpiele,  namentlich  über  ben  &ebva\xd)  ber  roill= 
türlidjen  3eidjen  bei  ber  Sölaleret,  roie  bie  SJßoße  für  bas  Unftdjtbarfetn; 
aud)  bie  Habinettmalerei  bebient  fid)  ftreng  genommen  roilllürlidjer  3eitfjen, 
ba  bie  3eid)en  ber  Malerei  burd)  SSeränberung  ber  Simenftonen  auf= 
boren  natürliche  31t  fein.  Sarum  tnufj  aud)  ber  Sattbfdjjaftämalet  roenig> 
ftenä  3ur  äSergleidjung  unb  ©d)ä£ung  ber  Simenfionen  geeignete  ©egen= 
ftänbe  als  Staffage  anbringen.  (Sbenfo  geboren  ben  untergeorbneten 
@attungen  ber  Malerei  biejenigen  an,  roeldje  entroeber  aufeinanber  folgenbe 
Singe  3ugleid;  nebeneinanber  oorftellen,  ober  roeldje,  roie  bie  Slllegoriften, 
natürliche  $e\d)en  mit  rotllfürlidjen  oermifdjett,  ober  roeldje  burd)  it)re 
fidjtbaren  Seichen  nid)t  fidjtbare  Singe,  roie  etroa  ©egenftänbe  be3  Öefprö, 
barftellen  roollen.  —  9Ba3  aubererfeitö  ba$  Mittel  ber  5ßoefie  anlangt, 
fid)  natürlicher  Qeidjen  31t  bebienen,  fo  tlmt  fie  bies1  nidjt  blofj  oermittelft 
birefter  -Jlatfjaljmung,  b.  t).  burd)  Dnomatopöie,  fonbern  aud;  baburd), 
bafj  fie  iljre  SSBortc  uollfornmen  fo  aufeinanber  folgen  läfjt,  roie  bie  Singe 
felbft,  raefdje  fie  auobrüden;  aud)  9)?etapf)er  unb  ©leidmiö  finb  berartige 
Hilfsmittel. 

3Beiterf)in  roirb  bann  bie  Sangfunft  unb  bie  9Jhtfif  mit  in  bie  93e- 
trad)tung  ge3ogen,  für  roeldje  beibe  ebenfalls  ber  Öebraud)  roilltürlid^er 
3eid)en  oon  befonberer  Sebeutung  ift.  3um  Sc^lu^  tommen  nod)  einige 
praftifdje  3Bin!e  für  Äünftler,  namentlid)  über  bie  9£otroenbigfeit  einer 


Wcrbinbung  bev  fäünfte.    ©oct'je  über  bett  ffaokaoti.  XXXIX 

©infdjränfung  bei-  praftifcfjm  fünfte.  —  2tber  fdjroerticf)  rooltte  Seffing, 
at3  er  fpäter  ben  s$tan  §u  feinem  £aofoon  erweitert  ftatte,  hiermit  ab* 
fcf)tießen;  meintet)  r  lag  offenbar  eine  eingeljenbere  Sßetjanbtung  ber  Sßoefie, 
3umal  be§  SDramaS,  fpäter  in  feiner  2töfidt)t ,  roie  ein  Brief  an  Nicolai 
beroeift  (uom  26.  9JMr3  1769),  in  roetctjem  er  ba§  2)roma  at3  bie  f)öcf)fte 
(55.ütung  ber  5|ßoefic  bejeid^net,  roeit  fjter  bie  Söorte  aufhörten,  nrittturlidEje 
3eicf)en  311  fein,  unb  31t  natürlichen  3e^eit  nrittturlicfjer  Singe  mürben. 
Sßielteicfjt  wollte  er  and)  bie  in  einem  Fragment  (B  11  nnferer  2Iu3gabe) 
noa)  bezauberte  $rage  nrt$  ^er  Berbinbung  oerfd^iebener  Äiinfte  3U  ge= 
meinfamer  2Birfung  näfjer  erörtern:  fo  bie  Sereinigung  nuttfürltcfjer, 
aufeinanber  fotgenber,  b/6rbarer  3e^en  mü  natürlichen  aufeinanber  fol= 
genben  Eprbaren  gtia)zn,  roie  bie  Berbinbung  von  Boefte  unb  Sttuftf  in 
ber  Dper;  ferner  bie  Bereinigung  nnttfüclictjer  aufeinanber  fotgenber  hör- 
barer 3eid)m  mit  ttntffurtidjen  aufeinanber  folgenben  fict)tbaren  fttitytn, 
atfo  bie  Berbinbung  uon  ÜDluftf  unb  ^anjftwft,  ober  Boefie  unb  %axtfr 
fünft,  ober  alter  brei  jufammen;  brütend  bie  Bereinigung  roiltfürlicfjer 
aufeinanber  fotgenber  ficf)tbarer  3eid)-"  mit  natürlicfpt  aufeinanber 
folgenben  fid)tbaren  $exd)en,  wie  bie  Pantomime  ber  Sitten.  2)aju  fommen 
bann  noct)  unoollfommeuere  Berbhtbungen,  roie  bie  unnnllfürliajer  auf* 
einanber  fotgenber  3e^en  mit  natürlichen  nebeneinander  georbneten  2c. 

2R.xn  erftefjt  au§  alte  bem,  mie  reictj  ber  gntjalt  mar,  roelcfjen  Seffing 
für  feinen  Saofoon  im  2luge  tjatte.  35a3  gefamte  ©ebiet  ber  fctjönen 
Äünfte  überhaupt  follte  fein  SCBerf  umfaffen,  tt)r  gegenfettigeS  3Serf)ältni§ 
nact)  ben  uerfcb/.ebenften  ©etten  f)in  erörtern  unb  praftifcf)e  Folgerungen 
Darauf  jietjen.  3lwc  ein  fteiner  Seit  biefeS  großartigen  BlaneeS  ift  3ur  2lu§; 
füljrung  gelommen;  aber  aucf)  bie3  äBmige  ift  für  bie  ©tttroicftung  nnferer 
i'itteratur  unb  2lftt)etiE  uon  fjödjfter  Bebeutung  getuefen.  ®iefe  roafyrfwft 
epocbmtacfjmbe  Bebeutung  ber  <Sa)rift  l)at  aber  erft  bie  nacljfolgenbe  Qtit, 
nicf)t  bie  gleichzeitige  ©meration,  in  it)rem  Dollen  Umfange  3U  nnirbigen 
gemußt. 

VI. 

©oetE)e  t)at  in  „2)ia)tung  unb  SBar)rt)eit"  ben  ©inbrucf,  meldfjen  ber 
Saofoon  bei  feinem  (jscfdfjeinen  auf  bie  b.imatige  empfängticfje  Jyugenb  ge- 
mattet, in  begeifterten  3öorten  gefctjilbert.  „2)a§  fo  lange  mißoerftanbene 
ut  pictura  poesis  roar  auf  einmal  befeitigt,  ber  Unterfdjieb  ber  bitbenben 
unb  Stebetünfte  ftar,  bie  QJipfel  beiber  erfd)ienen  nun  getrennt,  nrie  naf) 
itjre  Bafen  aucf)  sufammenftoßen  mochten.  2)er  bitbenbe  Äünftler  follte 
fid)  innerhalb  ber  ©renjen  be3  ®dt)önen  galten,  menn  bem  rebenben,  ber 
bie  Bebeutung  jeber  2lrt  nicftt  entbehren  fann,  aucf)  barüber  f)inau3  5U 
fdjmeifen  oergönnt  märe,  gener  arbeitet  für  ben  äußeren  ©lim,  ber  nur 
burct)  ba§  ©ct)öne  befriebtgt  roirb,  biefer  für  bie  ©inbilbung§fraft,  bie  ficf) 
10 Jt)t  mit  bem  ö.ipticfj^a  noi)  abfiaben  m.xg."  2tu^  auä  anberen  m- 
befangenen  2(ußerungen  jener  3eit  entneljmm  toir,  baß  für  uiete  bura)  ben 
Saofoon  eine  gan3  neue  3Belt  oon  Sbcen  fia)  aufgetfmn    l)atte.     2lber 


XL  lüiurkelmannr ,  •fökif  unb  tytttstxs  l'rteil. 

gerabe  fotcrje  Männer,  Bei  benen  man  am  meiflen  ein  rerftänbuisooltes 
(Eingeben  fjätte  entarten  fotten,  [teilten  fid)  £'effing§  ©ebanfen  gleichgültig 
ober  felbft  feinbtid)  gegenüber.*)  2£ind'elmann  r>or  altem.  2tnfang3, 
elje  er  ba$  %$ud)  gelefen,  mit  fouoeräner  3Serad)tung  auf  ben  itjm  im; 
bekannten  SSerfafjer  tjerabfeljenb,  urteilte  er  freiließ  günftiger,  alö  er  ©infidjt 
r>om  ^nfjatt  genommen  Ijaite;  aber  balb  fcr)fng  feine  Stimmung  roiebev 
um,  er  befdmlbigte  Seffing  be3  Mangels  an  Äenntniffen  unb  fanb  in  ber 
Schrift  einen  „Uninerfitätsroi^,  raeltfjer  ficr)  in  ^arabojen  f)ert)ortt)un 
roitt".  2tn  Kenntnis  ber  £)enfmäter  überragte  SBindetmann  Seffing  frei= 
Itcl)  fo  bebeutenb,  baf;  er  baburdEj  imftanbe  gercefen  märe,  in  oerfdjiebenen 
fünften  festeren  eine§  SBefferen  511  überführen;  ^hen  bie3  aber  machte 
ir)n  gegen  bie  großen  SSerbtenfte  bes  2Berfe§,  meiere  auf  einem  gang 
anbern  (Gebiete  tagen,  blinb,  um  fo  meljr,  at§  ein  2(bftrat)ieren  äftbjetifcfjer 
Regeln  a  priori  it)m  burdjau§  fern  tag.  —  Gine  fet)r  lobenbe  2lngeige 
beö  Saofoon,  cbgleiaj  mit  oerfdiietenen  ©egenbemerfungen  unb  teilroeife 
fogar  berechtigten  Ginmänben  fdjrieb  $to£,  raetdjer  bamal§  nod;  äufjerlid) 
auf  fdjeinbar  gutem  ^u^e  mit  £effing  ftanb.  Wenige  ^afyxe  fpäter  bradf) 
bie  befannte  $el)be  gmifdf)en  beiben  -Scannern  aus»,  meldte  £Io£  gu  Ijef; 
tigeren  Eingriffen  gegen  ben  Saofoon  fjinrif},  auf  bie  Seffing  in  feinen 
antiquarifdjen  ^Briefen  in  maf)rl)aft  oernid^tenber  Steife  repligiert  f)at. 
Sie  rjatte  gur  $otge,  bafj  audj  einige  Parteigänger  non  Hlofc,  mie  %x. 
S  uft  hiebet  unb  Gl)  rift.  ©oitt.  o.  9)curr,  ben  Saofcon  tritifierten  unb 
mit  allerlei  tleinlirfjen,  t)ämifd)en,  gum  Teil  aud)  gang  trjörid)ten  unb  un* 
grünblid^en  Ginmänben  bie  Sebeutung  ber  SdEjrift  abgufdnrädjen  per; 
fugten. 

23ebeuiungöuoIl  bagegen  unb  rjeuie  ncd;  burdjrceg  tefenömert  finb  bie 
beiben  23efprecr)ungen  be3  Saofoon  oon  öerber  unb  ©aroe.  £>erber  Ijat 
bem  Saofoon  ein  gangeö  öeft  feiner  „£ritifd)en  ^älbdjen"  geroibmet. 
£ie  Sctjrift  rcirb  t)ier  big  in  alle  SDetailS  gergliebert  unb  gegen  bie  meiften 
ber  barin  aufgeftellten  <Sät$e  lebhafte  Cppofition  gemalt.  Seffing§  33e= 
beutung  mirb  im  allgemeinen  mof)t  anerfannt;  im  übrigen  aber  fyat  öerber 
burdE)  feine  au§gefprocf)ene  Vorliebe  für  3K>indetmann  fiel)  bagu  uerleiten 
laffen  ,  otetfad)  gegen  Seifing  ungerecht  unb  bitter  31t  merben.  ©r  oer= 
fennt  r)äufig  SeffmgS  eigentliche  2tbftdr)t  noltfornmen;  fo  fefyr,  bafj  er  nict)t 
feiten  it)n  befämpft,  mä^renb  er  bod),  ofme  e§  §u  merfen,  fid)  burd;au§ 
in  Übereinftimmung  mit  ifjm  befinbet  unb  feine  gange  Cppofitton  auf 
2)ftf3üerftänbni5  tjinausläuft.  £ro£  allebem  mufj  feine  2Ibf)anblung  al£ 
eine  burdjaug  tjeroorragenbe  Seiftung  mit  jaFjIretd^en,  fruchtbaren  $been 
begeidmet  merben,  in  melier  nid^t  feiten  gegenüber  gemiffen  gärten  ber 
Seffingfdjen  3T^eorie  baö  ^Ridjtige  getroffen  ift.  2(ud)  Seffing  felbft  er= 
Härte  fid)  ba^er  mit  biefer  ^ritif  moI)l  gufrieben.  —  91>efenilid)  referierenb, 
aber  Seffingä  Sljeorie  in  roat)rt)aft  tlaffifdier  2ßeife  barlegenb  unb  bie 

*)  CringeEjenb  ^anbelt  über  bie  2fufna^tne  be§  Saofoon  feiten§  ber  geitgcnöffifdien  Sriti! 
ber  britte  21bid)mtt  ber  Gtnleitung  ä"  metner  größeren  2Iu§gabe  S.  119—140. 


ffi£giur.    ©tnfluß  auf  Ih  Citteraiur.  XLI 

oft  unterbrochene  ©ebanfenfotge  bei*  (Sdjrift  Stritt  für  Sdjrttt  aufbecfenb 
ift  bie  33efpred)ung  oon  ©aroe,  in  ber  2lllgemeinen  beutfcfjen  SBibliotfjef 
oon  1769;  aud)  ba§,  maö  ©aroe  an  eigenen  ^Bemerkungen  feiner  $ritif 
am  Sajluffe  beigefügt,  ift  anwerft  beatfjtensJraert. 

£ro£  biefer  2(nerfennung  oon  feiten  Ijeroorragenber  ^rttifer  oermag 
man  in  ber  2lftl)etif  ber  folgenben  $eit  sunäcfjft  nodf)  feinen  ©tnfluf;  beö 
Saofoon  ju  oerfpüren.  (Suis  er  3  „allgemeine  £t)eorie  ber  ftfjöneu  fünfte" 
fteEjt  noct)  burcfjraeg  auf  bem  oeralteten  Stanbpunfte  23atteur,!o;  ÄantS 
„Äritif  ber  Urteilskraft"  nimmt  auf  bas  Problem  beä  Saoroon  feine  NM-- 
ficf)t.  ßrft  Bei  (Stiller  tritt  ber  ßinflufj  Sefftngs  auf  feine  äfttjetifajen 
£f)eorieen  beutlia)  fyeroor,  obgleich  berfelbe  oielfact),  namentlich  in  fragen, 
raeldje  bie  ^poefte  betreffen,  auf  einem  anbern  ©tanbpunfte  ftet)t.  Sie 
moberne  2lftl)etit  aber  —  <Sa;elling  unb  ö^9^  Schopenhauer  unb  SSifdjer, 
u.  a.  m.  — ,  fo  oerfct)iebene  9fttf)tungen  biefelbe  aud)  oerfolgt  f)at,  t)at 
borf)  niemals  umf)in  gelonnt,  fiel)  mit  £effing§  £t)eorieen  auöeinanber  ju 
fe^en.  Sie  9?efuttate,  ju  benen  fie  babei  gelangt,  finb  begreif  lictjenoeife 
im  einzelnen  fet)r  mannigfaltige;  jafjlreidje  fünfte  finb  angefochten,  %um 
£eit  raibertegt,  anbere  raenigftensl  beträct)tticf)  mobifisteri  morben.  ©s>  fjat 
aud)  ma)t  an  ©egnern  gefehlt,  meldte  baä  ©runbprinäip  ber  (Schrift  über; 
tjaupt  für  falfd)  erflärt  t)aben,  raie  ba3  namentlich  oon  bem  befannten 
Äunftfritifer  o.  9htmot)r  in  oerfajiebenen  Schriften  unb  oon  23  ollmann 
in  einer  2Ibt>anblung  „Über  ba3  Äunftprinjip  in  £effings  Saofoon  unb 
beffen  33egrünbung"  (Berlin  1852)  gefajetjen  ift;  felbft  ein  neuer  „Sao; 
foon"  ift  als  „©egenflücf  51t  SefftngS  Saofoon"  gef abrieben  morben,  oon 
Siatljge&er  (Seipjig  1863),  in  ber  eigene  00m  SSerf affer  hierfür  erfun= 
benen  „treppenförmigen  9Kett)obe".  ^nbeffen  alle  SBefämpfungen  unb 
oerfutf)te  SBiberlegungen  fjaben  bocf)  nidfjt  oermocfjt,  baö  ©runbprin3tp  ber 
(Eajrift  ju  erf  cfjüttern ;  bie  ©efetje,  meiere  bie  moberne  2lftt)etiJ  für  ^oefie 
unb  bilbenbe  fünfte  in  iljrem  $erl)ättm§  5U  einanber  aufstellt,  berufen, 
trot?  mannigfacher  2(braeid)ungen  in  itjrer  proftifcfyen  Stnraenbung,  bodE)  im 
öffentlichen  burd^au§  auf  bem  oon  Seffing  gefefjaffenen  ^unbament. 

yi\a)t  minber  bebeutungsooll  ift  ber  Saofoon  für  unfere  beutfdje 
Sitteratur  geraefen.  ©3  mar  oon  tjotjem  äßerte,  bafj  fein  ©rfcfjeinen  mit 
bem  beginn  unferer  großen  Sitteraturblüte  jufammentraf;  bie  Seljre,  baB 
ber  SMdjter  nid^t  malen  folle,  bafs  §an^urt9  Da^  eigentliche  ©ebiet  beö 
S)ict)ter3  fei,  mar  nicfjt  oergebenö  aufgeftellt  morben,  unb  raer  ©oetlje  unb 
Stiller  aufmer!fam  barauft)in  burajlieft,  rairb  überall  ben  ©inftufj  biefer 
£et)re  oerfpüren.  Unfere  mobernfte  Sitteratur  freilief)  fajeint  fiel)  raieber 
met)r  unb  met)r  baoon  emanzipieren  gu  motten;  unb  menn  and)  unfere 
tjeroorragenbften  Sinter  unb  (Sd^riftfteller  fief)  ber  (Säuberung  !örper; 
lieber  ©egenftänbe  mögtid^ft  entljalten,  menn  aud)  2Bill)elm  ^orban  in 
Seifpiet  unb  2el)re  immer  mieber  auf  öomer  alä  unoergänglirf;eö  SJiufter 
für  ersäljlenbe  Sarftettung  ^ingemiefen  ^at,  fo  trifft  man  boct)  fd^on 
raieber  fe^r  t)äufig,  unb  nid^t  blo^  bei  ^omanfctjreibern  untergeorbneter 


XL1I  öinflulj  auf  bie  bilbcnbe  fiunlt. 

©attung,  fonbern  fel&ft  bei  Stdjtern  oon  ber  löibeutung  eine§  öamerling 
j.  "-8.,  auf  auäfüfjrlicfie  Sefdjreibungen ,  bei  beiten  bod^  alte  ©tut  unb 
$arbenprad)t  nidEjt  ben  innern  9)iangel  511  oerbeden  nermag.  9Bof)t  bt- 
bürfte  e3  l)ier  einmal  einer  neuen  ©idjtung  ber  2(nfid)ten,  einer  Slartegung 
ber  Seffingfdjen  fyorberungen  aud)  unfern  mobernen,  otelfad)  erweiterten 
©efidjtöpunften  gegenüber;  aber  im  allgemeinen  braucht  ber  maljre  £)id)ter 
einen  folgen  JptnroeiS  mafjrlid)  mtfjt:  it)n  leitet  fein  ©eniu3  oon  fetöft 
jum  9?ed)ten,  unb  bas  Siedete  ift  in  biefem  %aik  ebzn  bas>,  raa§  Seffing 
mollte.    Sie  ©efd)icf)te  alter  Sitteraturen  giebt  bafür  ben  beften  Ühteg. 

9JBie  ftet)t  e§  aber  mit  bem  bitbenben  Äünftter?  können  mir  nidjt 
aud;  non  if;m  mit  bemfelben  9ted;t  ba§  ©leid)e  erroarten?  —  @£>  ift  fdjon 
oft  genug  auSgefprodjen  roorben,  baf?  ber  Saofoon,  roetd;er  in  ber  Sitteratur 
eine  fo  beutlid)  l;eruortretenbe  SBirfung  ausgeübt  Ijat,  an  ben  bitbenben 
fünften  faft  fpurtoä  vorübergegangen  ift.  ©3  ift  geroifj  ntdjt  ju  leugnen, 
baf*  SeffingS  ©tanbpuntt  ber  Äunft  gegenüber  uielfact)  ein  ju  ftrenger 
mar;  feine  ©eringfd;ä£ung  ber  f)iftorifd»en  Sftateret,  feine  Stnfidjt,  bafs 
biejenige  Üftalerei,  meldje  nur  fdjöne  Körper  3um  ©egenftanb  müf)te,  bie 
I)'öd)fte  fei,  ift  3meifet(o3  ju  oerraerfen  ober  jum  roenigften  etn3ufd;riinten. 
2tber  ba3  bringt  nod)  feine^megö  mit  fid;,  bafe  feine  §auptforbenmg :  bie 
Ä'tmft  fotte  nur  bag  »orftelten,  mag  if)ren  natürlichen,  nebeneinanber  im 
Siaume  befinbltd;en  &i<5)tn  entfpridjt,  ebenfalls  ju  oertoerfen  märe.  £ro£= 
bem  I;at  fidj  bie  moberne  $unft  l)ieran  md)t  gelehrt;  bie  2lltegorie  fpiett 
nad;  rote  cor  eine  roidjtige  3iolle,  namentltd;  unter  ben  SSorroürfen  ber 
©futptur  ober  in  SfBanbgemätben;  bie  abftrafteften  Singe  merben  gemalt, 
bie  unmalbarften  $<*fta/  ©cenen  au§  Sante,  Litton  u.  f.  ro.  illuftriert: 
unb  e§  täfit  fid;  ja  nidjt  leugnen,  baf?  bergleid;en  Sßerte,  roenn  fie  mit 
allen  ber  heutigen  £edmif  ju  ©ebote  ftefyenben  Mitteln  ausgeführt  finb, 
ben  33efd;auer  fo  ju  btenben  imftanbe  finb,  bafj  er  barüber  ba<§  33er* 
fehlte  beö  ganjen  9)iotioe3  oft  genug  uergifjt.  2ßenn  nun  ba§  nidjt  bfofj 
bie  Dii  minorum  gentium,  fonbern  unfere  erften  Ä'ünftter  »on  jefjer 
getfjan  l;aben  unb  nod;  tl)un,  E>at  bann  bie  2(ftf)etif  ein  9ied;t,  fid)  über 
fie  jum  3Mfter  aufjumerfen  unb  it)nen,  ben  Saotoon  in  ber  £>anb,  SSor- 
fdjriften  ju  machen?  Ober  mufj  man  nid;t  vielmehr  ben  $ünftlern  ebenfo 
roie  ben  Sid;tern  jugefteljen,  il;rem  eigenen  ©eniu3  511  folgen  unb  ba3, 
roa3  biefer  tljnen  eingiebt,  als  ba3  9ttd;tige  unb  2Baf)re  ju  betrauten, 
tro^  Seffing?  —  3)as>  ift  in  ber  Xtjat  oft  genug  au3gefprod;en  morben, 
aber  e§  beruht  tro^bem  auf  uerfefylter  2luffaffung.  2Baä  man  bem  Sidjter 
frei  überlaffen  foll,  meit  er  barin  oom  ©eniug  geleitet  non  fetbft  baä 
Sed^te  finbet,  ift  nid;t  bie  SBab^l  feiner  «Stoffe  —  barin  Ijaben  fid)  oft 
genug  felbft  bie  größten  9)Jeifter  oergriffen  — ,  fonbern  bie  2lrt,  mie  er 
biefelben  angreift  unb  ausführt.  9Jßer  mitt  bem  bitbenben  Äünftter  baä 
©teidje  nerroefjren?  —  Gö  tjanbelt  fid;  l)ier  ja  gar  nid;t  barum,  bafj  ber 
2lftl)etifer  bem  Äünftler  in  bie  2lrt,  mie  er  feinen  ©egenftanb  auffafjt  unb 
burd)füf)rt,  f)ineinreben  raill,  fonbern   um  bie   Söafjl   beö  Öegenftanbes 


^orm  unü  Stil  ües  ffaohoon.  XLIII 

felbft.  DB  fie  bort  mitfpredjen  barf,  Ejängt  oon  bett  Umftänben  ab;  l)ier 
aber  mu^  fie  ftdj  unter  alten  Umftänben  bas  9ted)t  mafjren,  ifyre  md)t 
btofj  a  priori  gefaxte,  fonbern  auf  l)iftorifd;e  Unterfudjungen  bafierte  2ln= 
fidjt  als  beadjtensmerten  9iat  uon  ben  Äünftlern  anerlannt  ju  fefyen. 
®arum  mufj  man  bem  Saofoon  namentlich  unter  ben  Äünftlern  fteifuge 
Sefer  nnmfdjen  —  freilief;  mot)l  ein  frommer  Söunfcf),  benn  bie  Äünftler 
müßten  bann  überhaupt  erft  uon  bem  SBatjne  laffen,  bajj  niemanb  anbers 
als  fie  felbft  ein  ?ücd)t  Ijätte,  ilmen  äfttjettfdje  SBocfdjrtften  ju  machen. 
2(ber  gegen  jebe  foldje  Reffet  empört  fiel;  in  ber  Siegel  ber  ^ünftlerftolj ;  fjat 
bod)  noef)  lür jlid)  ein  SWaler  uerfdjiebcne  Ä'unftgetefjrte  energifd)  abgetakelt, 
meil  fie  md)t  raie  er  ber  2tnfid;t  waren,  bafj,  um  mit  Sefftngs  GHetdjnis  ju 
reben,  nur  ein  Äod)  barüber  urteilen  bürfe,  ob  bie  ©uppe  üerfaljen  fei. 
Sergeffen  mir  aber  nicfjt  über  ber  33ebeutung,  meldte  ber  Saot'oon 
burd;  feinen  3nt)att  für  bie  3-fjeone  ber  2lftl)etit,  für  bie  Sitteratur  unb 
Äunft  f)at,  bie  midjtige  9ioUe,  metdje  er  burd;  feine  formelle  ^ollenbung 
in  ber  ©efdjidrte  unferer  ©prad)e  unb  ber  metfyobtfdjen  Jyorfdjung  an  ftd) 
fpielt.  2ßir  roiffen  aus  Mitteilungen  oon  greunben  Seffingg,  bafs  er 
in  SeforgntS  megen  bes  ©tites  feines  SBudjeS  mar,  roeil  er  mehrere  %<xt)te 
tein  grofses  jufammenfyängenbes  ÖanjeS  gefdjrieben  blatte,  $a,  audj  nad)= 
bem  ber  erfte  Seil  erfdjienen  mar,  trug  er  ftdt)  eine  3eü  ^"3  mii  *>em 
©ebanfen,  bas  ©anje  umzuarbeiten  unb  franjöftftf)  nieberäuf ^reiben ;  es 
erjftiert  nod)  bie  fransöfifef^e  Raffung  ber  SSorrebe  (C  14  biefer  2lu§ga&e), 
morin  er  bie  3BaI)t  ber  fremben  ©prad;e  bamit  begrünbet,  bafs  bie  beutfdje 
©pradje  für  mehrere  (Gattungen  ber  Sitteratur,  ju  benen  aud)  bie  in  Siebe 
'  ftel)enbeget)öre,  nod)  ju  bilben,  ja  fogar  erft  311  ferjaffen  fei,  mäfjrenb  bei  ber 
franjöfifcljen  bies  fdjon  tjinlänglid)  ber  ^all  märe.  9bm,  mir  tonnen  es  fjeute 
oljne  Sebenlen  auSfpredjen,  baf?  Seffing  burd;  feinen  Saofoon  eben  biefe 
©attung  ber  beutfdjcn  Sprache  in  ber  Zfyat  gefdjaffen  b,at.  Metten  mir 
aud)  nod)  l)ier  unb  ba,  bafs  uielfad)  bie  fefte  Terminologie  nod»  nid)t  ge= 
fdjaffen  ift,  fo  ift  bod;  ber  Stil  burdjrceg  tlar  unb  burd)ficb/tig ,  babei 
nirgenbS  troden  ober  pebanttfa)  bosierenb,  fonbern  überalt  belebt  uon 
jener  Reitern  3lnmut,  non  jenen  treffenben,  beffer  als  lange  2(useinanber= 
jehungen  bie  ©addage  JennjeidEinenben  Silbern  unb  ©teidmiffen ,  meldte 
für  Sejfings  ©tit  fo  djarafterifttfd)  finb;  babei  altes  fdjeinbar  (eid)t  unb 
müt)eloQ  geboren,  nrie  bie  33übmerfe  beS  ^artf)enon,  unb  bod)  burd^meg 
SRefuItat  forgfamften  gleifjeö.  2)enn  mit  3ted)t  bemertte  Seffingö  33iograpf) 
Wuf)rauer,  baf?  fein  Stil  fein  naiuer,  gteid)fam  angeborner,  fonbern  bie 
9JBirfung  feiner  intelleftuelten  Sb^ätigteit  ift.  ©eine  SDJetfmbe  ift  es,  meldte 
feineu  ©tit  notmenbig  jttr  gotge  (mt.  2)ies  33ud>,  mit  feiner  fdieinbar 
fo  äroangtofen  2lnorbnung,  in  meinem  fid)  ber  Serfaffer  felbft  mit  einem 
©pajiergänger  uergleidjt,  melier  balb  fixier  balb  ba  einen  Seitenmeg  ein= 
fd)lägt,  ift  bod;  ein  dufter,  unb  jmar  bas  erfte  unb  gr'öfste  3)htfter  ana= 
li;tifd)er  Ontmidtung  für  alte  Reiten.  ©d)ritt  für  ©dn-iit,  mit  unerbitt= 
tidjer  togifd;er  Schärfe  eutmidett  fid;  Öebante  auf  ©ebante;  00m  tSinjetnen 


XLIV  QTjft.    2Ut9gab£n. 

auSgefjenb  oerottgemetnert  ftd;  baö  Problem  immer  mef;r,  6i§  enblid;  in 
ber  Sftitte  beö  ©anjen  ber  Qeitpunft  ba  ift,  too  bei*  Sefer  genügenb  barauf 
vorbereitet  ift,  nun  in  furzen  Seljrfäfcen  bie  Duinteffcnj  beö  Sangen  $u 
erfaffen.  2)abet  geigt  er  unö,  rcie  Berber  treffenb  bemerft,  „nid;t  btofs 
iuaö,  fonbern  rote  er  es  gebadet  l;at;  er  fiifjrt  uns  in  bie  SÖerfftatt  feineö 
©etfteä  unb  tefjrt  unö  beuten."  2)arum  ift  unb  bleibt  ber  Saofoon  eine 
fo  oorjügltd;  für  Jünglinge  auf  ber  oberften  Stufe  beö  ©nmnafiumö  unb 
auf  ber  öod;fd;ule  geeignete  Seftüre  oon  gerabegu  erjüetjenber  SBirfung, 
joehn  aucf)  freilief;  Ä.  33.  Start  mit  3?ed;t  betont  l;at,  bafc  eö  fet;r  r>erfel;lt 
roäre,  51t  meinen,  baf;  bamit  eine  ©infüljrung  in  bie  antife  ihmft  gegeben 
roerben  tonne. 

VII. 

SBon  bem  i.  3.  17GG  bei  G(;rift.  Jriebr.  SBofj  in  33erlin  erfdjienenen 
erften  Seile  beö  Saofoon  erfdjxen  erft  nad)  Seffingö  £obe  eine  groeite,  oon 
Äart  Seffing  beforgte  2luflage,  Berlin  1788;  ber  2!ejt  ift  in  berfelben  an 
einigen  ©teilen  auf  ©runb  oon  Seffingä  Driginal(;anbfd;rift  oertinbert, 
aufeerbem  eine  2luöroa(;l  auö  bem  l;anbfd;riftlid;en  9tacf)ta^  511m  i'aofoon 
gegeben,  ©inen  ^ortfdjritt  in  ber  23ef;anbtung  beö  £ej:teö  bejeidjnet  bann 
erir  bie  2(uögabe  uon  Äarl  Sadjmann  in  ber  Sefamtauögabe  ber  £effing= 
fd;en  SBerfc,  roeld;er  ebenfalls  bie  .v>anbfd)rift  babei  51t  3tate  gejogen, 
bie  Crtl;ograpt;ie  unb  ^nterpunftion  barnad)  oerbeffert,  £>rudfel;(er  be- 
feitigt  unb  aufjerbem  nod;  bie  3tu3roat)I  auö  bem  3Jad)Ia§  vielfad)  üermet;rt 
f;at.  Smmerfjin  fonnte  aud;  biefer  2lbbrutf  nid)t  atö  ein  oollftünbig 
gereinigter  gelten,  ba  immer  nod)  £rudfef)ler  ftefjen  geblieben  roaren,  aud; 
V  £.  fogar  einige  neue  finnentftellenbe  fid)  eingefd;lid;en  Ratten.  2luf 
2ad)tnannö  £er,t  gingen  alle  folgenben  mef;r  ober  roeniger  jurüd;  aud;  bie 
2(uögabe  in  ber  bei  ftempel  erfd;ienenen  ^(affiferfammlung  unb  meine  erfte 
fommentierte  2(uögabe  (Berlin  187G)  beruhten  nod;  auf  feinen  anbern  ©ronb« 
lagen,  alö  ber  Original»  unb  ber  X'ad;mannfd;en  2tuögabe.  ©rft  baburd;, 
baf;  §err  Sireftor  ©roffe  in  Hönigöberg  i./?ßr.  bie  jefct  im  23efitj  beö  fterrn 
^anbeögerid;tö=Sireftor  G.  %  Seffing  befinbltdje  §anbfä)rifi  aufö  neue 
forgfältigft  oergltd)  unb  mir  feine  .Kollation  jur  Verfügung  ftellte,  unirbe 
eö  mir  möglid),  in  ber  jroeiten  Auflage  meiner  2(usgabe  (Berlin,  2Beib= 
mann  1880)  einen  ganj  aut^entifd)en  ^ert  \u  geben,  meiner  fid;  forool;l 
l)infid;tlid;  beö  Sßortlauteö  atö  ber  Crtl;ograpf;ie  unb  ^nterpunftion  im 
roefentlid;en  an  bie  Driginal(;anbfd;rift  anfä)Iief$t,  unter  Ü3erüdfid;tigung 
ber  ebenfalls  nod)  erhaltenen  itorrefturbogen,  foune  mit  ben  nottuenbigen 
Anbetungen  uon  Sd;reibfef;tern  in  Sitoten  u.  f.  ro.  ©in  unter  bem  Xejte 
ftef;enber  frittfdjcv  2lpparat  giebt  bie  2lbiueid)ungen  oon  ben  2luögaben 
oon  17GG  unb  1788,  foroie  oon  ber  2ad;mannfd;en  an.  —  Seitbem  finb 
in  ben  legten  ^al;ren  roieberum  uerfdjiebene  neue  2luögaben  beö  Saofoon 
en'd)ienen,  oon  benen  mir  nur  bie  beiben  neuen  2(uflagen  ber  fommen= 
tierten  2luögaben  uon  (Sofarf  xm'i)  ^ufdjmann  31t  @efid;t  gefommen  finb; 
bieielben  geben  aber  burdjiueg  roieber  bie  alte  ^orm  beö  ^er.teö  unb  baben 


Anorbuung  ber  ffintiuiitfe.    tloten.  XLV 

feinen  einzigen  ber  burd)  bic  äSergletd&üng  ber  öanbfdjrift  nadjgeroiefenen 
geiler  oer&effert.  (So  3.  33.  brud'en  fie  im  Aap.  VIII  „bie  äljnlidje 
Eljarafterifitung"  anftatt  „bie  nämliche";  im  Aap  XVI  „imb  e3  b,er= 
nad/'  anftatt  „fonadj";  Aap.  XXV  „2Bie  üollenbet"  anftatt  „2Bomit 
oottenbet"  u.  bgl.  m.)  !gn  oorliegenber  SluSgoBe  ift  ber  933ort(aut  bee 
Sejteä  burdjwcg  ftreng  nad)  ben  angegebenen  Quellen  reoibiert;  audj  bie 
Önterpunftion  ift  im  wefentlidjen  bie  urfprünglidje;  hingegen  tonnte  bie 
Crtbograpbte  nicfjt  beibehalten  werben,  ba  bie  Jenbenj  ber  norliegenben 
2lu3gabe  bie  Surd)fül)rung  einer  übereinftuumenben  Drtfjograpfjie  er= 
f)eifd)te. 

Rad)  bem  Se;rt  bes  erften  Seiles  ift  ber  Radjlafj  311m  Saofoon  aud) 
f)ier  wieber  abgebrudt  morben.  9iad;  ben  2lu3gaben  oon  Äarl  Sefftng 
unb  Sadjmann  ift  berfelbe  junt  erftenmale  uollftänbig  gegeben  morben  in 
ber  bei  §empel  erfdjiehenen  2lu§ga6e  23b.  IX  ©.  191 — 327.  Sie  Dri= 
ginale  befinben  fid)  gleichfalls  im  93efifte  be§  §errn  ©.  R.  Seffing;  eine 
23efd)reibung  berfetben  ift  gegeben  bei  .Stempel  @.  178  ff.;  beffer  unb  mit 
tertfritifdjen  -Kadjirägen  uon  ©.  ®roffe  im  2trd)io  für  Sitteraturgefd). 
23b.  IX  <3.  1(33  ff.  Sie  Reihenfolge,  in  meldjer  bie  einseinen  ©ntraürfe 
unb  Fragmente  bier  511m  2lbbrud  gebracht  morben  finb,  ift  bie  non  ©roffe 
an  jener  ©teile  norgefdjlagene,  wäfjrenb  id)  in  meiner  3raeiten  2luflage 
eine  etmaä  abmetdjenbe  befolgt  I)abe,  mobei  bie  ehi3elnen  ©tüde  nod)  mef)r 
in  innerer  Reihenfolge  angeorbnet  finb,  bie  ei^eliten  Fragmente  felbft 
aber  auoeinanbergeriffen  werben  mußten,  roa<j  mir  für  bie  gmed'e  ^er 
üorliegenben  2tu3gabe  nidjt  3wed'mäf5ig  erfaßten.  $erfd)iebene  bei  £empel 
aufgenommene  "gragmente  gehören  ftreng  genommen  311  ben  antiquartfdjen 
Briefen  unb  werben  baljer  beffer  at3  Rad)trag  311  biefen  3um  2Ibbrutf 
f'ommen. 

2Ba3  enblid)  bie  SInmerfungen  anlangt,  fo  tonnten  biefe  gemafc  ber 
Stnlage  ber  2(u3gaben  in  unferer  „Rational=Sitteratur"  überhaupt  nur 
fürs  unb  t'napp  auffallen.  ©inläfjlidje  93ef)anbtung  ber  im  Saoloon  felbft 
erörterten  5ra9eu  tüar  baljer  nidjt  möglid),  nielmefjr  finb  <B<xd)-  unb 
SBorterftärungen  jur  ©rfeidjterung  be§  SSerftänbniffeä,  I)ier  unb  ba  23ertd)= 
tigung  einer  falfdjen  2(nfid;t  ober  23ef)auptung,  SRitieilung  biograpf)ifd)en 
Säten  u.  bgl.  als  raefentlid)c  Senbcns  ber  Roten  betradjtet  morben.  Gs 
ift  mein  23eftreben  gemefen,  babei  ebenfo  mxd)  vor  überflüffigen,  für  einen 
feben  olme  meitereö  non  felbft  fid;  ergebenben  ©rflärungen  31t  Ijüten,  alä 
anbrerfeitö  nidjt  bei  jebem  £efer  einen  311  Ijoljen  (Mrab  non  Iuimaniftifd)er 
S3übung  uorauö3ufej3en.  Rur  baran  glaube  id)  gegenüber  benjenigen, 
meldje  ben  Saofoon  gern  31a-  Seftüre  für  Sattclfdjulen  madjen  mödjten, 
feftbalten  31t  muffen,  bajj,  wer  leine  2U)iumg  baoon  bat,  wer  2ljar.  unb 
§eftor,  ^pljigenie  unb  9Jlebea  mar,  wem  §ora3  unb  (iicero  unbekannte 
Ramen  finb,  baf;  bor  and)  benVaofoon  ungelefen  (äffen  foltte;  barum  ()abe 
id)  alle  fo(d;e  Sadjen,  bie  jutn  SBerftänbniä  einer  berartigen  Sdjrift  uon 
uom Ijerein  unerläfttiri)  finb,  nid)t  burd)  Roten  erläutern  31t  muffen  geglaubt. 


XLVI  W«  ffnokoongruppe. 

VIII. 

2)ie  im  93elr<ebere  bes  SSatifan  aufgeteilte  ©ruppe  bes  Saofoon  mit 
feinen  ©öfjnen,  roeldje  für  Sefftngs  ©duüft  2tusgangspunft  unb  3tamen 
gegeben  tjat,  ift  i.  3-  1506  in  *>er  9£äf)e  ber  Spermen  bes  Situs  auf= 
gefunben  roorben.  ©in  Don  Sftidjel  2lngefo  gemachter  SSerfud)  ber  ©r= 
gänjung  bes  fetjlenben  rechten  Slrmeä  bes  Saters  ift  nirfjt  jur  2(usfüf)rung 
gefommen;  in  ifjrem  heutigen  .ßuftanbe,  melden  bie  oon  uns  beigegebene 
Safet  geigt,  ift  fie  feit  ber  im  17.  3af)rf)unbert  erfolgten  ©rgänjung  con 
Gomadnno ,  ba  bie  üorfjer  burd)  9JUd)el  2lngelos  ©dntler  SDiontorfoli  ge= 
machte  raieber  abgenommen  nntrbe.  9teu  ftnb  an  ber  ©rüppe  aufjer  einigen 
unbebeutenben  ©tüddjen:  ber  redete  2lrm  beö  23aters,  ber  bes  Jüngern 
©oljnes  unb  bie  redjte  £anb  bes  alteren  ©obnes;  bod)  ift  bie  ©rgänjung 
ber  beiben  Sinne  Don  3Sater  unb  jüngerem  ©obne  fdjroerlicb,  richtig, 
ba  beibe  bie  funftnolle  pnramibale  2(norbnung  ber  ©ruppe  atterieren. 
Man  fjat  früher  allgemein  angenommen,  bajj  i'aofoon  mit  feiner  regten 
öanb  fd^mersDoll  narij  bem  §interfopf  gegriffen  fyafa,  roäfyrenb  ber  red)te 
2lrm  bes  jüngeren  ©offnes  ftärfer  gefrümmt  bem  Äopfe  fid)  näherte. 
2lber  baburd)  mürbe  bie  23emegung  ber  2lrme  ber  beiben  Figuren  $u 
fefjr  bie  gleiche  fein;  überbies  fjaben  erneute  Unterfudjimgen  bes  Originals 
gegeigt,  bafj  am  SJlarmor  leine  ©pur  bauon  ju  ernennen  ift,  bafj  bie 
redjte  &anb  einft  bas  £>aar  berührte.  £ne  ridjtige  ©rgänjung  ift  baber 
immer  nod)  problematifd).  35afj  bie  Oruppe,  obgleid;  nidjt  aus  einem 
33lotf  gearbeitet,  fonbern  aus  fetfjs  ©türfen  jufammengefefct,  bennoa) 
mit  bem  oon  ^Slinius  XXXVI,  37  fg.  erroälmten  unb  naci)  feiner  2(n= 
gäbe  im  5ßalaft  bes  Situs  aufgehellten  Sßerfe  ber  brei  rfjobifdjen  Ä'ünftler 
Slgefanber,  2ttf)enoborus  unb  "poluborus  ibentifd;  fei,  gilt  fjeut  als  im 
allgemeinen  unbejroeifelt,  ba  bie  Hereinreiten  Fragmente  ftatuarifdjer  9te= 
plifen  jebenfalls  als  3iefte  fpäterer  "Jtadjbilbungen  bes  nod}  oorliegenben 
Driginaünerfes  511  gelten  fjaben. 

©ine  eingefjenbe  funftluftorifd;e  unb  äftljetifdje  25ürbigung  bes  be- 
rühmten Munftrcerfes,  über  meines  eine  aufjerorbentlid)  umfangreidje 
Vitteratur  erjftiert,*)  mürbe  uns  f)ier  5«  rceit  füfjren;  raof)l  aber  ift  es 
uotroenbig,  raenigftens  bie  beiben  bamit  tu  Skrbtnbung  ftefjenben  fragen, 


*)  Siefelbc  ift  bis  jum  %af)ve.  1880  jufammengeftellt  in  meiner  größeren  Ausgabe 
S.  722  ff.,  baju  fommt  neuerbings'  nod)  tnnjii:  iHrunn  in  ber  2(rd;äo[.  Qtg.  f.  1880 
S.  167.  SBlümner  in  ben  teilen  Saljrb.  f.  «ßljilol.  u.  92äbag.  f.  1881  S.  17  ff.  6.  Stö- 
bert in  33b.  V  ber  spijtlol.  Untersuchungen  t>on  Äiejjling  u.  ».  2Bilamonu§  >  ÜKöHenborf 
<B.  192  ff.  SBrunn  in  ber  ©eutfetjen  9tunbfd)au  f.  i.ssi/82  <B.  204  ff.  äBagnon,  Le 
frise  de  Pergamon  et  lu  groupe  du  Liaocoun,  Gen6ve  1882,  unb  berf.  in  ber  Kevue 
arch6ologique  f.  1882,  X.  S  »b.  XX1I1  p.  83  Bqq.  3t  fiefule,  3ur  Deutung  unb 
-Jeitbeftimmung  bes  £aofoon.  S3erliu  unb  Stuttgart  1883.  2t.  Srenbelenburg,  2)ie 
iiaofoongruype  unb  ber  Öigantenfrieö  beö  pergamenifd;en  2Utarö.  Süerlin  1884.  2B..fiaIb, 
3ur  i.'npfoongruppe,  in  ben  33lätt.  für  bao  banr.  (Smnnafinlrocfen  XX  (1884)  <£.  282. 
Jl.  »öttidier  in  ber  (SDiündjener)  LHUgem.  Leitung  1884,  33eiIoge  145—151.  Stunti, 
Über  bie  funftgefd)irf)tlid;c  Stellung  ber  pergamenifdien  Öigantomadiie.  33erlin  1884 
©.  34—43.     C.  «öübner,  DJorb  unb  Süb  23b.  35  (1885)  (5.  365  ff . 


fofling  unb  bis  ffctohcongruppe.  XLVII 

meldje  in  SeffingS  Saofoon  eine  Stolle  fpielen,  furj  uom  heutigen  ©tanb= 
punft  auä  ju  beleuchten. 

3m  erften  Kapitel  nimmt  Seffing  in  Übereinftimmung  mit  2Bincfel= 
mann  an,  bafj  ber  Saotoon  nidjt  fcfjrete,  fonbern  btofj  feufje.  £>iefe  2lm 
ficfjt  ift  aber  feineäroegS  uon  ber  neueren  ^orfdjung  allgemein  gebilligt 
morben.  SMder  fagte,  e§  laffe  ftcfj  nidjt  behaupten,  bafj  ber  SJhtnb  nid)t 
bis  su  Stngftrufenimb Älaggefcfjrei  geöffnet  fei;  Brunn  meinte,  baf?  Saofoon 
mirflicfje  ©djmer3en3laute  au^ftofse,  roenn  and)  feine  milben,  regellofen 
Töne,  fein  mafjlofeS  ©efcfjrei.  tiefer  Stnfidjt  fdt)Iie^t  ficf»  and)  Duerbecf 
an,  obgleid)  er  e3  baf)ingeftel(t  fein  läfjt,  ob  man  ©cfjreien,  jammern 
ober  nur  ©tonnen  annehme.  Bei  tceitem  am  plaufibelften  aber,  roeit 
3ugteid)  aud)  auf  anatomtfdjer  Beobachtung  beruljenb,  ift  bie  Meinung 
uon  ijenfe,  bafj  ber  bargeftellte  Moment  ber  Stufjepunft  fei,  roelcfjer  jiüifd)en 
^nfpiratiou  unb  Aspiration  be3  ©eufjerö  liege,  bafs  alfo  bie  Öffnung 
be§  9JiunbeS  nicfjt  auf  £onbtlbung  31t  besiegen  fei,  fonbern  jur  Shifnafjme 
unb  nad)l)er  mieber  2lu3ftof5img  ber  Suft  biene.  §enfe  begrünbet  biefe 
2lnfid)t  uornebmtid)  burdj  ben  £ü"roeiS,  bafj  bei  nnrflidjem  ©djreien  bie 
DJJitte  be3  Baudjes.  nidjt  fo  meid)  gebogen  eingesogen  bleiben  fönne,  toie 
man  e3  an  ber  ©tatue  fe^e.  ©ine  £erabfe|ung  be§  2lffefte3  ift  alfo  in 
ber  £b,at  uorfjanben,  roenigftenS  im  ©efidjt,  u>äf)renb  in  bem  fd)mer3= 
nerjerrten  Körper  freilief)  feine  Siebe  baoon  ift. 

3m  fünften  Äapitel  befjanbelt  Seffing  ba3  2llter  ber  Saofoonfage  in 
ber  Raffung  beg  Birgit  unb  ber  ©ruppe  unb  fommt  311  bem  9tefultat, 
Birgit  fei  ber  erfte  unb  einsige  3id)ter,  roeldjer  foroofjl  ben  Bater  raie 
bie  ©öfme  Don  ben  ©drangen  umbringen  täfjt.  Sie  ©puren  unferer 
gefamten  Überlieferung  uon  ber  Saofoonfage  finb  neuerbingS  meljrfad) 
üerfotgt  morben,  3ule£t  am  eingefjenbften  »on  Robert  in  feiner  2lbt)anblung 
„Bilb  unb  Sieb"  (f.  unten).  (Sin  fidjereS  Stefultat  barüber,  rote  bie  Raffung 
ber  3age  cor  Birgit  geroefen  ift,  f)at  fid)  barau3  freilief)  nidjt  ergeben. 
3Bir  rotffen  nur,  bafj  in  ber  alten  Berfion  be3  ßpiferö  2frftino3  ber  eine 
©ofm  am  Seben  blieb,  in  ber  £ragöbie  beg  ©opfjofleS  aber  tnetleidjt 
ber  Bater.  Sarnad)  ift  alfo  ftreng  genommen  2effing§  ©a|  ganj  ridjtig; 
aber  er  gilt  bod)  nur  mit  Be3ug  auf  unfere  9fad)ricf)ten,  unb  bei  ber 
©pärlidjfeit  berfelben  fönnen  mir  barauS  nod;  feineäroegs  fdjliefjen,  bafj 
bie  <&ad)e:  ficf;  in  2ßirflid)feit  fo  nerfjielt,  rote  fie  ficf)  unö  fjeute  barftellt. 
©3  ift  melmefjr  im  Gegenteil  ctufjerft  unraafjrfcfjeintid),  bafj  jene  Raffung 
ber  ©age  bem  Birgil  eigentümlich  fei;  bie  9J{öglidjfeit,  bafj  bei  ©opfjofleö 
ber  Bater  mit  ben  ©öfmen  umfam,  ift  nid)t  auSgefdjloffen,  and)  an 
ßupfjorion,  ben  aleranbrinifdjen  Stcfjter,  ber  Birgits  Quelle  geroefen, 
fann  man  beuten.  2)amit  fällt  felbftoerftänblid)  and)  ein  2lrgument  für 
bie  (Sntftel)ung§3eit  ber  ©ruppe  unter  £ttu§,  unb  3roar  ba§  am  atler= 
fd)ioerften  miegenbe.  Sie  grage  nacb,  ber  Gntftefjung^seit  ber  ©ruppe, 
auf  mefd)e  i'effing  im  Aap.  XXVI  fg.  noef)  einmal  3urüdfommt,  ftef)t 
fjeute  mefentlicfj  anberö  at§  3ur  $>e\t  Seffingö     £er  meitauö  größte  Teil 


XLV1II  Cntflcljungsäctt  btr  ffaokoongruppc. 

ber  2lrd;äologen  ftefjt  mit  Sßindelmann  für  Gntftel;ung  be§  Sßerfee  in 
ale;ranbrimfd;er  geit  ein;  für  Gntftel;ung  in  ber  Äaifer^eit  treten  nur 
noa)  rcenige  ein,  barunter  teine  einjige  namhafte  2tutorität.  Sie  2lrgu= 
ntente  für  bie  erfte  ber  Reiben  2lnfid;ten  finb  in  neufter  3e^  um  üer= 
fd;iebene  neue  nermefjrt  morben:  freilief;  um  feines,  rceld;es  mirflid; 
unroiberleglid;  fdjlagenb  genannt  roerben  tonnte,  aber  in  ifjrer  Totalität 
finb  fie  aufcerorbentlid;  bebeutfam.  ^d;  redjne  3U  biefen  neuen  2lrgu= 
numten  uor  altem  bas  in  Pompeji  aufgefunbene  SBanbgemälbe  mit  ber 
Sarftellung  ber  Saofoonfage,  rceld;es  einem  Seforationsftit  angehört,  ber 
nadjmeislid;  nur  biö  etroa  50  n.  Gf;r.  üßtief)  mar.  $on  üerfd;iebenen 
Seiten  wirb  behauptet,  bafs  bies  ©emälbe,  trotj  feiner  burdjaus  abroeid;en= 
ben  Äompofition,  bod;  ftellenmeife  beutlid)  bie  2(nlef;mmg  an  bie  ©ruppe 
uerrate;  eben  bies  aber  rairb  von  anberer  Seite  mieber  in  2tbrebe  geftellt. 
2)ie  auf  bie  3Borte  bes  'ptinius  ftd;  berufenben  ©rünbe  finb  bie  alten 
geblieben;  if;re  2(uffaffung  ift  uon  feiten  ber  5ߧiWfogen  nod)  um  mehrere 
2)eutungSüerfud;e  oermefyrt  morben,  aber  im  altgemeinen  ift  man  barüber 
einig,  bafj  fie  feinen  2lnfjalt  für  bie  Datierung  ergeben,  ©benfo  menig 
finb  bie  auf  ben  9lamen  bes  2Ü[;enoboros,  Sofptes  bes  2tgefanbros, 
lautenben  Äünftterinfdjriften,  meld;e  man  in  Stntiutn  unb  ©apri  gefunben 
[;at,  beroeifenb,  weil  biefe  ^nfctjriften  3mar  in  ber  Äaiferjeit  angefertigt, 
aber  offenbar  Äopieen  nad;  älteren  Originalen  finb.  hingegen  ift  ein 
2)efret  ber  rf)obifdt)en  Stabt  Sinbos  für  2(tf;anoboros,  2(gefanbros  Sof;n, 
alfo  raot)I  ben  einen  ber  SJleifter  ber  Saofoongruppe,  altem  2(nfd;ein  nad) 
\üd)t  fpäter  als  160  x>.  Gt)r.  ju  batieren.  Unb  ba3u  ift  bann  in  ben 
testen  ^afjren  nod;  ein  mid)tiges  Moment  gefommen,  ber  Umftanb 
nämlid),  bafs  am  großen  2tttarfries  uon  ^ergamon  ber  Körper  bes  einen 
©iganten  in  feiner  ganzen  Stellung  unb  Gattung  eine  geroiffe  2U;nIid;feit 
mit  ber  fyigur  bes  Saofoon  geigt,  infolge  banon  ift  üietfad)  behauptet 
morben,  bafj  ber  Saofoon  in  2(nleljnung  an  jenen  ©iganten  uon  ben 
rfyobifdjen  Äünfttem  gefdjaffen  morben  fei  (fo  namenttid;  Gonje,  2Bagnon, 
.Uefule),  mäfjrenb  anbererfetts  bie  Priorität  bes  Saofoon  gegenüber  bem 
©tgantenfries  mit  guten  ©rünben  nerteibigt  morben  ift  (Srenbetenburg, 
S3runn,  §übner).  9Jfag  man  fid;  nun  für  bie  eine  ober  für  bie  anbere 
2(nfid;t  entfd;eiben,  —  bafj  3unfd;en  ber  $unft  ber  Sßergamener  unb  ber 
ber  rf;obifd;en  Söteifter  ein  innerer  3ufammenf;ang  £»eftefit,  ba§  ijautn  bie 
neuen  pergamenifdjen  'Jyunbe  gans  un^ioeibeuttg  bargetfjan;  mag  man  bie 
©ruppe  früher  ober  fpäter,  ins  britte  3ab,rf;.  o.  C5(;r.  ober  ums  ^af;r 
100  n.  C£f)r.  anfeilen  —  in  römifd;e  Saiferjeit  fann  fie  Ijeutjutage  nur 
jemanb  üerfehen,  ber  gemattfam  bie  2lugen  für  ftUiftiftfje  SBerwanbtfd&aft 
tum  ftunftiocrt'en  uerfdjliejjt.  So  mujj  man  beim,  altes  in  altem  ge= 
nommen,  befennen,  bafj  in  biefer  ^-rage  bie  Gntfd;eibung  für  SBintfelmonn 
unb  gegen  Seffing  auogefallen  ift.  2)em  bfeibenben  siL'ert  fetneo  ßaofoon 
gcfd;ief)t  baburd;  nid;t  ber  minbefte  2(bbrud;. 

fö.  25Iümncr. 


g  g  o  f  o  o  n: 

ober 

über  tue  ©renjen 

Der 


ITASt.  «-«t  A£h  xutx  IT.   v  xarx  ~Z.   ho. 

6et)(duftgen  Erläuterungen 

&erfcf)te&ener  fünfte 

fcer  alten   Äunftgefdjtcfjte; 

t>on 

(Bottljofo  (Ephraim  £efftng. 
Srfler  Sfceü. 

23  e  r  1  i  n, 
6  e  9    <£  $  r  i  fii  a  n    5  ^  i  €  t>  r  i  c^    23  o  fj. 

1766, 

SefftagS  SBerfe  9.  1 


©srvcte. 


^Ser  erfte,  loetd^er  bie  sHca(erei  unb  ^}oefie  mit  einanber  oergftcfy, 
^•^nav  ein  SfRartn  von  feinem  ©efüljle,  ber  von  beiben  fünften 
eine    älmlidje  Söirfung    auf   fidj    uerfpürte.     33eibe,  empfanb  er, 

5  fteften  un§  abmefenbe  Singe  al§  gegenroärtig,  ben  ©djein  alz 
3öirflid)feit  cor;  beibe  tauften,  unb  beiber  £äufd)ung  gefällt. 

ßin  smeiter  fudjte  in  ba§  innere  biefe§  ©efattenS  einzubringen, 
unb  entbedfte,  baf?  e§  bei  beiben  auö  einerlei  Duelle  fltefje.  Sie 
©djönfyeit,  beren  Segriff  mir  juerft  von  förperltdjen  ©egenftänben 

10  abgießen,  r)at  allgemeine  Regeln,  bie  fid)  auf  mehrere  Singe  an= 

menben  (äffen;  auf  öanblungen,  auf  ©ebanfen  foroofyl  aU  auf  formen. 

ßin  britter,  roeldjer  über  ben  Sßert  unb  über  bie  Verteilung 

biefer  allgemeinen  Regeln  nadjbadjte,  bemerkte,  bafj   einige  mefyz 

in  ber  9Jialerei,  anbere  mefjr  in  ber  -^oefie  r)errf crjten ;  bafj  alfo 

15  bei  biefen  bie  ^oefie  ber  Sftalerei,  bei  jenen  bie  93ialerei  ber  ^oefie 
mit  (Erläuterungen  unb  23eifpielen  aushelfen  fönne. 

Sa§  erfte  mar  ber  Siebljaber;  ba§  jroeite  ber  ^3.t)tfofc»pt);  baö 
britte  ber  Äunftridjter. 

$ene  beiben  tonnten  nidjt  teidjt,  meber  non  iljrem  ©efüljt, 

20  nod)  oon  iijren  ©djlüffen,  einen  unrechten  ©ebraud)  madjen.  $in= 
gegen  bei  ben  Semerfungen  beS  ^unftridjterö  beruhet  ba§  meifte 
in  ber  9Udjttgfeit  ber  3(nmenbung  auf  ben  einseht  %aü;  unb 
eä  märe  ein  2Sunber,  ba  eö  gegen  einen  fdjarfftnnigen  $unftrid)ter 
funfjig  rotzige  gegeben  l)at,  roenn  biefe  2(nmenbung  jebergeit  mit 

25  aller  ber  Vorfielt  märe  gemadjt  morben,  metdje  bie  SSage  ^mifdien 
beiben  fünften  gtetet)  erhalten  mujj. 

10.  absieben,  roofür  nrir  gemöfintiü")  abftra^ieren  lagen.  —  24.  roi^ige,  b.  i.  gcift= 
reiche,  wie  aud)  ,,2Bi$"  int  cor.  Sa^rf».  im  Sinne  con  (Seift,  Gfprit,  gebrannt  roirb. 

1* 


4  ffaokoon. 

gallo  2fpelies  unb  ^rotogenee,  in  iljren  nerlornen  ©djriften 
oon  ber  Maleret,  bie  Regeln  berfelben  burd;  bie  bereits  feftgefefcten 
Siegeln  ber  ^oefie  bcfttitiget  unb  erläutert  b,aben,  fo  barf  man 
fidjerlid)  glauben,  bajj  es  mit  ber  $)iäf$igung  unb  öenauigfeit  roirb 
gef  d;eb,en  fein,  mit  roeld;er  mir  nod)  i£t  ben  2friftote(eö,  Cicero,  5 
£oraj,  Quintilian,  in  iljren  2öerfen,  bie  ©runbfäfce  unb  Erfahrungen 
ber  ÜDialerei  auf  bie  SBerebfatnfeit  unb  2)id)tfunft  anmenben  fernen. 
Gs  ift  baö  23orredjt  ber  2llten,  feiner  (Bad)?  roeber  gu  »iel,  nod; 
gu  rcenig  511  tl)im. 

2lber  mir  9ieuem  Ijaben  in  niedrem  ©tüd'en  geglaubt,  uns  10 
roeit  über  fie  meg  511  feijen,  menn  mir  itjre  f  leinen  Suftroege  in 
Sanbftraften  nerroanbelten ;   füllten  and)  bie  fürgern  unb  fidjrern 
Sanbftrafsen  barüber  511  ^>faben  eingeben,  mie  fie  burcfj  Söilbniffe 
führen. 

Sie  blenbenbc  2tntitb,efe  bes  griedjifdjen  Voltaire,  bafj  bie  15 
9Jialerei  eine  ftumme  ^oefie,  unb  bie  ^oefie  eine  rebenbe  9Jialerei 
fei,  ftanb  rool)l  in  feinem  Seljrbudje.  Gö  mar  ein  Ginfall,  rote 
Simonibeö  mehrere  Ijatte;  beffen  magrer  Steil  fo  einleudjtenb  ift, 
bafj  man  bas  Unbeftimmte  unb  galfdje,  roeldjeö  er  mit  ficf)  führet, 
überfefjen  gu  muffen  glaubt.  20 

©leidjrooljl  überfaljen  es  bie  SCtten  nidjt.  Sonbern  inbem  fie 
ben  2luöfprud)  bes  Simonibes  auf  bie  SBirfung  ber  beiben  fünfte 
einfdjränften,  nergafjen  fie  nidjt  eingufd)ärfen,  bafj,  ol)ngeadjtet  ber 
nollfornmcnen  2"(lmlid;feit  biefer  äÖirfung,  fie  bennod),  forooljl  in 
ben  ©egenftänben  als  in  ber  2(rt  iljrer  9iad;ab,mung  ('TXy  xal  25 
xQonoig  f.ii(ii}6s(og),  verfdjieben  roären. 

33öttig  aber,  alö  ob  fidj  gar  feine  foldje  $erfd)iebenl)eit  fänbe, 
Ijaben  niele  ber  neueften  Äunftridjter  aus1  jener  Übereinftimmung 
ber  Malerei  unb  ^ocfie  bie  frubeften  Singe  non  ber  SQSeXt  gefdjloffen. 
$klb  groingeu  fie  bie  ^oefie  in  bie  engern  Sdjranfen  ber  9Jialerei;  30 
balb  laffen  fie  bie  3)ialerei  bie  gange  roeite  ©ptjäre  ber  ^oefie 

1.  Sie  SDlaler  Stpellce  unb  $rotogenc§  finb  ^eitgenoffcn;  beibe  lebten  in  bei- 
zeiten £älfte  be3  4.  %al)vl).  o.  CFn\  älpetteä  tjatte  mehrere  Söüdjer  über  bie  £t;eorie  ber 
3J!alerei  gefdjrieben,  ^rotogcneS  über  SKalerei  unb  .ftompofition.  Stuf  bie  Siegeln  ber  ipoefie 
I;oben  fie  fduuerlid)  Söejug  genommen.  —  5  f.  Sic  bcsüglidjen  Stellen  finb  uornelimlid) : 
Aristoteles  Poet.  1,4;  2,  1  u.  f.;  Cicero  Brut.  18,  70;  Orat.  2,  5  unb  8;  de  orat. 
11,16,70;  III,  7,  26;  Quintilian.  Inst.  orat.  II,  13,  8 ;  V,  12,  21;  XII,  10;  Horat.  Ep'ist. 
:nl  Pisonea  cm  mehreren  Stellen.  —  18.  Stmonibeö  non  .Reo*  (559 — 469  o.  Gfjr.),  ein 
bebeutenber  griedufdjer  Siebter,  beffen  I; i o v  angeführter  Sluäfprucb,  bei  I'lutarch.  de  slor. 
Athen.  S,  p.  S4ßM  ftefjt.  3Jlit  Soltaire  ift  er  »ergleidjbnr  wegen  feiner  ©dmrfc,  feiner 
SBielfeitigteit,  j.  X.  aud;  feinem  uidjt  fcfjr  licbcn3nmrbigeu  (if)arafter  nad).  —  29.  frube= 
ftcu,  eigcntlid)  rof;eften,  nia)t  gargefodjtcn,  b.  I;.  obcrflädjltcftften,  nid;t  begrünbeten. 


öorrebc.  5 

füllten.  2llle3  roa§  ber  einen  9tedjt  ift,  foll  and)  ber  anbem  r>er= 
gönnt  fein;  affeä  roaö  in  ber  einen  gefällt  ober  mißfällt,  fotl  not= 
roenbig  aud;  in  ber  anbem  gefallen  ober  mißfallen;  unb  nolt  uon 
biefer  ^bee,  fpredjen  fie  in  bem  juuerfidjtlidjften  £one  bie  feidjteften 

5  Urteile,  mcnn  fie,  in  ben  Sßerfen  beö  £)id)ter§  nnb  3ftater3  über 
einerlei  SSottüürf,  bie  barin  bemerften  2(broeitfntngen  uon  einanber 
5«  A-et)(ern  matten,  bie  fie  bem  einen  ober  bem  anbem,  nad)  bem 
fie  entraeber  meljr  ©efdjmad  an  ber  ©idjtfunft  ober  an  ber  -Utalerei 
fjaben,  gnr  Saft  legen. 

io  $a  biefe  2lfterf'ritif  r)at  gum  £eil  bie  SSirtuofen  felbft  r>er= 

führet,  ©ie  Ijat  in  ber  ^oefie  bie  <2d)ilberungsfud)t,  nnb  in  ber 
-Oiaferet  bie  2IIlegorifterei  erzeuget;  inbem  man  jene  51t  einem 
rebenben  ©emalbe  madjen  motten,  oljne  eigentlich  5a  miffen,  roa§ 
fie  malen  fönne  unb  fotte,  unb  biefe  ju  einem  ftummen  ©ebidjte, 

15  oljne  überlegt  51t  l)aben,  in  roeldjem  SKafse  fie  attgemeine  begriffe 
au§brüden  fönne,  oljne  fid)  oon  itjrer  SBeftimmung  511  entfernen, 
unb  §u  einer  raillfürlidjen  Schriftart  51t  werben. 

tiefem  falfdjen  ©efdjmade,  unb  jenen  ungegrünbeten  Urteilen 
entgegen  ju  arbeiten,  ift  bie  üorneljmfte  2(bfid)t  folgenber  2luffätje. 

20  ©ie  finb  jufältiger  SBSeife  entftanben,  unb  mein"  nad;  ber  $olge 

meiner  Seftüre,  al3  burd)  bie  metljobifcbe  Gntmidelung  allgemeiner 
©runbfötje  angeroadjfen.  6§  finb  alfo  meljr  unorbentlidje  Gollectanea 
ju  einem  23ud)e,  al3  ein  S3ud;. 

£>odj  fcr)meicr)le  idt)  mir,  bafj  fie  audj  alö  foldje  nid;t   ganj 

25  ju  nerad)ten  fein  roerben.  2ln  fyftematifdjen  $3üdjern  Ijaben  mir 
Seutfdjen  überhaupt  feinen  fanget.  2(uö  ein  ^>aar  angenommenen 
SBorterflärungen  in  ber  fdjönften  Drbnung  alles,  ma§  mir  nur 
roolten,  herzuleiten,  barauf  oerfteljen  mir  un§,  tro^  einer  Nation 
in  ber  Söelt. 

30  33aumgarten   befannte,  einen  großen  *£eil  ber  SBeifpiele  in 

feiner  2(ftf)etif,  ©efnerS  Sßörterbudje  fdntlbig  51t  fein.    2öenn  mein 


4.  feiefit  oft  en;  in  ber  .ftbfdir.  urfprünglid)  „elenbeften".  —  12.  SUIegortfterei, 
b.  f).  nid)t  bie  Slnroenburtg  ber  SUlegorie  an  fid),  fonbern  ben  übertriebenen  ©ebraud)  ber= 
ielbcn.  —  IG.  augbrüden;  in  ber  §bfd)r.  anfänglid)  „erregen".  —  17.  einer  mill* 
für  liefen  Schriftart,  einer  fötalen,  beren  3e'*e«  röa)t  natürlia),  fonbern  nnllfiirlid) 
finb,  b.  i).  nad)  ber  2BiIIfür  beö  gnbiuibuums  etroa*  ^Beliebiges  äejeidmen  f Annen,  niefit 
(roie  bie  Sdjriftjeitfien)  ettoaS  SBeftimmtes  beseidmen  muffen.  —  30.  SB  au  mg  arten 
(1714—1762),  ^rofeffor  ber  spbilofopljie  in  granffurt  a.D.,  SBegrünbcr  ber  Siftöeti!  als 
einer  felbftänbigen  p&ilofoplufdjen  StSjiplin;  aud;  baS  SBort  Sft^etH  i>at  er  perft  in  biefem 
(Sinne  gebraiutt.  —  31.  ©efncrS  SBörterbud)  ift  bie  1747  erfdjienene  flaffifdje  (Sttcg* 
tlopäbie  »cm  3ol).  SDcatt).  ©e§ner,  5prof.  in  ©öttingen. 


6  Cuflkoon  I. 

Sfarifomtement  nicf;t  fo  bünbtg  ift  als  baö  33aumgartenftf;e,  fo  werben 
bod;  meine  33cifpie(e  me(;r  nad;  ber  Duette  fdjmeden. 

©a  id;  von  bem  Saofoon  gleidjfam  ausfegte,  unb  mefjrmalen 
auf  ifm  gurüdfomme,  fo  l)afa  id)  tfjtn  aud;  einen  Stntetl  an  ber 
2(uffd;rift  (äffen  motten.  2(nbere  Keine  2(us>fd;roeifungen  über  ner=  5 
fd;iebene  fünfte  ber  alten  $unftgefd;id;te,  tragen  roeniger  gu  meiner 
2lbfid;t  bei,  unb  fie  fte(;en  nur  ba,  mei(  id;  ifjnen  niemals  einen 
beffern  tylafy  gu  geben  (»offen  (ann. 

%lod)  erinnere  id;,  bafj  id;  unter  bem  tarnen  ber  Malerei, 
bie  btfbenben  fünfte  überhaupt  begreife;  fo  roie  id;  nidjt  bafür  10 
ftel;e,  bafj  id;  nid;t  unter  bem  tarnen  ber  Sßoefte  aud;  auf  bie 
übrigen  fünfte,  beren  9tad;a(;mung  fortfdroeitenb  ift,  einige  dlüd- 
fidjt  ne(;men  Dürfte. 


©a§  alfgemeine  r>orgüglid;e  £enngeid;en  ber  gried;ifd;en  93teifter=  15 
ftüde  in  ber  9)ia(erei  unb  SBilbljauerfunft,  fetjet  £err  9Binfe(mann 
in  eine  ebe(e  ßinfatt  unb  ftitte  ©rö^e,  foroor;!  in  ber  ©tettung  aU 
im  2lu§brude.  „©0  roie  bie  ^iefe  bes  9Jieere§/'  fagt  er,1)  „al(e= 
Seit  rul;ig  bleibt,  bie  Oberfläche  mag  aud;  nod;  fo  roüten,  eben  fo 
geiget  ber  2(usbrud  in  ben  Figuren  ber  öriedjen  bei  alkn  Seiben=  20 
fd;aften  eine  grofje  unb  gefegte  ©ee(e." 

„©iefe  Seele  fd;i(bert  fid;  in  bem  ©eftdite  beö  2ao(oon3,  unb 
nid;t  in  bem  ©efid;te  aKein,  bei  bem  (;eftigften  Seiben.  ©er  ©djmerg, 
roe(d;er  fid;  in  allen  ÜDtuSfelu  unb  ©el;nen  be§  Körpers  entbedet, 
unb  ben  man  gang  allein,  o(me  baö  ©efidjt  unb  anbere  £ei(e  gu  25 
betrad;ten,  an  bem  fd;mcrglid;  eingesogenen  Unterleibe  beinahe  fe(bft 
51t  empfinben  glaubt;  biefer  ©dmierg,  fage  id),  äußert  fid;  bennod; 
mit  (einer  3ßut  in  bem  ©efidjte  unb  in  ber  gangen  ©teflung. 
ßr  er(;ebt  fein  fd;red(id;eQ  0efd;rei,  roie  3>irgi(  non  feinem  Saofoon 
finget;  bie  Öffnung  be§  3Jhtnbe§  geftattet  eö  nict)t;  e3  ift  uie(mef;r  30 
ein  ängftlid;cö  unb  beftemmtei  Seufzen,  roie  e§  ©abolet  bcfd;reibet. 
©er  ©djmerg  beö  Äörpcrö  unb  bie  ©röfle  ber  ©ee(e  finb  burd; 

J)  SSon  ber  9{ad)al)mung  ber  gricd;ii"cr)en  SBerfe  in  ber  SJJalcrei  unb  Süilbljauerfunft. 
<3.  21.  22. 

1.  bünbig;  in  ber  ftbfdjr.  urfprünglid)  „grünbüd;".  —  12.  ßünfteta,  nämlid)  üTtufit 
unb  Drd)eftif  (Janjfunft),  von  benen  ^effing  freüid;  erft  in  ber  gortfe^ung  be>3  Saofoon 
eingefyenber  fpredien  wollte.  —  31.  Jlä^ereä  hierüber  f.  Slbfd;n.  VI. 


Cnohoou  I.  7 

ben  ganzen  23au  ber  £yigur  mit  gleicher  (Starte  ausgeredet,  unb 
gleidjfam  abgeroogen.  Saofoon  leibet,  aber  er  leibet  roie  beS  (Sopljof  leS 
sJ>t)iIoftet:  fein  (Stenb  gel)et  uns  bis  an  bie  (Seele;  aber  mir  roünfd)= 
ten,  mie  biefer  grofje  ÜRann  baS  ©lenb  ertragen  ju  tonnen." 

5  „©er  2IuSbrud  einer  fo   großen  <oeele  gefyt  raeit  über  bie 

Söilbung  ber  frönen  9?atur.  2>er  Äünftler  mufjie  bie  (Starte  beS 
©eifteS  in  fidr)  felbft  füllen,  meiere  er  feinem  Marmor  einprägte, 
©riedjentanb  fjatte  Äünftler  nnb  Söeltroeife  in  einer  ^erfon,  unb 
mer)r  als  einen  DJietrobor.     2)ie  2öeisb,eit  reichte  ber  $unft  bie 

10  £>anb,  unb  blies  ben  Figuren  berfelben  met)r  als  gemeine  (Seelen 
ein  u.  f.  tu." 

3)ie  Sßemerfung,  meldte  r)ier  jum  ©runbe  liegt,  bafj  ber 
(Sdnnerj  fid)  in  bem  ©efidjte  beS  Saofoon  mit  berjenigen  2But 
nietjt  jeige,  meldte  man  bei  ber  £>eftigfeit  beSfelben  »ermuten  fotfte, 

15  ift  »otlfommen  richtig.  2lud)  baS  ift  unftreitig,  bafj  eben  l)ierin, 
roo  ein  -!palbfenner  ben  ^ünftler  unter  ber  9iatur  geblieben  §u  fein, 
baS  roatyre  ^atljetifdje  beS  SdjmerjeS  nidjt  erreicht  ju  l)aben,  urteilen 
bürfte;  bafj,  fage  id),  eben  l)ierin  bie  2ßeiSb,eit  beSfelben  gan^ 
befonberS  i)er»orleud)tet. 

20  9^ur  in  bem  ©runbe,  roetdjen  |>err  üffiinfetmann  biefer  2$eiS= 

fjett  giebt,  in  ber  2llfgemeinb,eit  ber  9tegel,  bie  er  auS  biefem  ©runbe 
tjerleitet,  roage  idt)  eS,  anberer  Meinung  gu  fein. 

£$d)  befenne,  bafj  ber  mifsbilligenbe  (Seitenblid,  raetdjen  er 
auf  ben  23irgit  roirft,  mid;  juerft  ftufeig  gemad;t  Ijat;  unb  näd)ft= 

25  bem  bie  23ergletd)ung  mit  bem  ^tjiloftet.  SSon  t)ier  will  tdt)  auS= 
get)en,  unb  meine  ©ebanfen  in  eben  ber  Drbnung  nieberf ^reiben, 
in  melier  fie  ftdt)  bei  mir  entraidelt. 

„Saofoon  leibet,  mie  beS  (SoplrofteS  $l)itoftet"  2öie  leibet 
biefer?    @S  ift  fonberbar,  baft  fein  Seiben  fo  »erfdjiebene  (Einbrüde 

30  bei  uns  jurüdgelaffen.  —  Sie  klagen,  baS  ©efd)rei,  bie  rauben 
23erraünfd)ungen,  mit  roeld)en  fein  Schmers  baS  Sager  erfüllte,  unb 
alle  Dpfer,  alle  tjeilige  ^anblungen  ftörte,  erfdrallen  ntcr)t  minber 
fdjredlid;  burd)  baS  öbe  Gitanb,  unb  fie  roaren  eS,  bie  üjn  bafyin 
»erbannten.     Söeldje  :£öne  beS  Unmuts,  beS  Jammers,  ^r  9Jer= 

35  jroeiflung,  »on  welchen  audj  ber  2)id)ter  in  ber  9tad)al)mung  baS 


9.  SDJetrobor,  5JJ&ilofop£j  au3  bem  2.  3aE)r£).  o.  G£)r.,  ber  jugleicf)  ein  getiefter 
3Jialer  mar.  —  12—15.  2>a§  wirb  Ijeute  aUerbingS  nicfjt  allgemein  anertaunt,  ba  manche 
Äunftgeleijrte  annehmen,  Saofoon  febreie  mit  aller  äBut  bes  ©#nterje§.  2>af3  iebod?  nur 
ein  Seufjen  bargeftellt  fei,  fyat  §enfe  au3  anatomifrfien  ©rünben  nacfjgeiuiefen. 


8  tfaokoon  I. 

%tyattx  burd)tjatten  tief;.  —  9Äan  fyat  ben  britten  Slufjug  biefeä 
©tüd§  ungleich  fürjer,  at§  bie  übrigen  gefunben.  £>ierau§  ficf)t 
man,  fagen  bie  ^unftridjter/)  baf$  eS  ben  Sitten  um  bie  gteidje 
Sänge  ber  Stuf^üge  roenig  31t  ttmn  geroefen.  £a§  glaube  id)  aud); 
aber  id)  mottle  midj  beöfat(§  lieber  auf  ein  anber  ©jempet  grünben,  5 
al§  auf  biefeS.  £)ie  jammerootten  Stuörufungen,  bag  3Binfetn,  bie 
abgebrodjenen  «,  ä,  cpev,  axcarai,  a>  jiiot,  [toil  bie  galten  3«len 
»otter  nana,  nana,  ou§  roefdjen  biefer  Stuf^ug  beftetjet,  unb  bie 
mit  ganj  anbern  Segnungen  unb  2lbfetmngen  bettamieret  merben 
mußten,  at§  bei  einer  sufammenljangenben  3^ebe  nötig  finb,  Ijaben  10 
in  ber  23orftettung  biefcn  Stufjug  ofyne  3roeifet  jiemtid)  eben  fo 
lange  bauern  laffen,  atö  bie  anbern.  @r  fdjeinet  bem  Sefer  roeit 
f ür^er  auf  bem  Rapiere,  at§  er  ben  3ut)örern  rairb  trorgefommen  fein. 

Schreien  ift  ber  natürlidje  2tu§brud  beö  förperlidjen  ©dimerjeg. 
Römers  nermunbete  Krieger  falten  nidjt  fetten  mit  ©efdjrei  31t  33oben.  15 
S)ie  geriete  Pernio  fdjreiet  taut;3)  nidjt  um  fie  burd)  biefes  ©efdjret 
at§  bie  roeid)lid)e  ©örtin  ber  SBotfuft  511  fd)übern,  metmeljr  um  ber 
teibenben  9catur  itjr  9?ed)t  31t  geben.  'Senn  fetbft  ber  etjerne  sDiar§, 
at§  er  bie  San3e  be3  iDiomebeä  fügtet,  fdjreiet  fo  gräf^id),  a(g 
fdjrieen  ^efnt  taufenb  roütenbe  Krieger  jugleid),  baf?  beibe  §eere  20 
fid)  entfetten.4) 

©0  roeit  aud)  ferner  fonft  feine  Reiben  über  bie  menfd)tid)e 
9iatur  ergebt,  fo  treu  bleiben  fie  itjr  bod)  ftetö,  roenn  e§  auf  ba§ 
©efütjl  ber  ©djnterjen  unb  33eteibigungen,  roenn  e§  auf  bie  2tuf3erung 
biefeS  ©efüfylö  burd)  <2djreien,  ober  burd)  Jfyrtinen,  ober  burd)  25 
©djeltroorte  anfömmt.  9iad)  it)ren  £t)aten  finb  ei  ©efd)öpfe  t)öt)erer 
2trt;  nad)  it)ren  Gmpfinbungen  roat)re  sDienfd)en. 

$d)  roeifs  es>,  roir  feinern  (Europäer  einer  ftügem  9?ad)roett, 
roiffen  über  unfern  -Dhmb  unb  über  unfere  Stugen  beffer  3U  t)errfd)en. 
£>öftid)feit  unb  Stnftanb  verbieten  ©efdjrei  unb  SCIjränen.  2)ie  tf)ätige  30 
Sapferfeit  bcö  erften  raupen  SSeltalters  fyat  fid)  bei  un§  in  eine 
teibenbe  nerroanbett.  £>od)  fetbft  unfere  Urelteru  roaren  in  biefer 
größer,  als  in  jener.    2(ber  unfere  Urelteru  roaren  Sarbaren.    2llte 

2)  Brumoy  Theät.  des  Grecs  T.  IL  p.  89. 

3)  Iliad.  K.  v.  343.  i\  6k  /aiyu  iayovaa  —  35 
')  Iliad.  E.  v.  859. 

1.  burdjf) alten,  in  ber  !gbfd)r.  urfprünglid)  „ertönen".  —  15.  9iid)t  ganj  richtig; 
vielmehr  finb  bie  JyäUe,  wo  ncrnwnbetc  firieger  freien,  im  23erl)ältni$  511  ber  Qat)l 
oon  iefiroeren  kämpfen  unb  Sericunbiingen,  »on  benen  Ajorner  erjäf)lt,  ganj  oeveinjelt. 
gäußger  ift  Senden  ober  illagen. 


Caohoon  I.  9 

©dnnerjen  oerbeifsen,  bem  Streiche  beS  Xobe3  mit  unuerroanbtem 
2(uge  entgegen  fefyen,  unter  ben  Siffen  bei*  Gattern  ladjenb  ftevben, 
roeber  feine  ©ünbe  nodj  ben  SScrluft  feines  Uebften  $reunbc3  be= 
meinen,  jinb  3üge  beö  alten  norbifd-en  ^elbenmutö. 5)  ^Salrtatbfo 
5  gab  feinen  3>omöburgern  baö  ©efefc,  nidjtS  511  fürdjten,  unb  ba§ 
Sßort  #urctjt  aud;  nidjt  einmal  ju  nennen. 

9ftd)t  fo  ber  ©riedje!  ßr  füllte  unb  furdjte  fidj;  er  äußerte 
feine  ©duneren  unb  feinen  Kummer;  er  fd;ämte  fid)  feiner  ber 
menfdjlidjen  ©djmadjljeiten;  feine  mufjte  il)n  aber  auf  bem  äßege 

10  nad)  ®l)re,  unb  uon  Erfüllung  feiner  $flid)t  gurütf  galten.  2öa§ 
bei  bem  Sarbaren  au§  SBilbfjeit  unb  Serfjärtung  entfprang,  ba§ 
roirften  bei  ifmt  ©runbfä^e.  Sei  i§m  mar  ber  -öeroismuS  mie 
bie  verborgenen  ^unfen  im  liefet,  bie  ruljig  fdjlafen,  fo  lange 
feine  äußere  ©eroalt  fie  roeefet,  unb  bem  ©teine  roeber  feine  ^iav- 

15  (jeit  nodj  feine  teilte  nehmen.  Sei  bem  Sarbaren  roar  ber  §eroi3= 
mu§  eine  I)ette  freffenbe  flamme,  bie  immer  tobte,  unb  jebe  anbere 
gute  Gigenfcfjaft  in  ifjm  uerjefjrte,  roenigftenö  fduüärjte.  —  Uöenn 
Öomer  bie  Trojaner  mit  roilbem  ©efdjrei,  bie  ©rieben  hingegen 
in  entfdjlofmer  ©tttfe  3111-  ©djtad-t  führet,  fo  merfen  bie  Sfusfeger 

20  fef)r  roof)I  an,  baf}  ber  Siebter  fyierburdj  jene  als  Sarbaren,  biefe 
afä  gefittete  Sölfer  fdjilbern  rootten.  sDiidj  rounbert,  bafj  fie  an 
einer  anbern  ©teile  eine  äljnlidje  djarafteriftifdje  ßntgegenfetjung 
nid)t  bemerfet  fjaben.6)  3)ie  feinblicfjen  ^eere  fyaben  einen  üffiaffem 
ftilfeftanb  getroffen;    fie  ftnb  mit   Serbrennung    ifyrer  ^Toten  be= 

25  fdjäftiget,  roeldjeö  auf  beiben  teilen  nicfjt  olme  Ijeifje  33jränen 
abgebet;  ödxQva  Q-bq^u  xeovrsg.  2lber  ^riamu.3  oer bietet  feinen 
Trojanern  51t  meinen;  ovo'  .ei'a  xXaisiv  TlQia^og  fisyag.  @r 
»erbietet  ifmen  31t  roeinen,  fagt  bie  ^acier,  roeif  er  beforgt,  fie 
motten  fidf)  gu  fefjr  erroeidjen,  unb  morgen  mit  weniger  3)tut  an 

30  ben  ©treit  ge|en.    2Sof;t;  bodj  frage  idj:  rcarum  mufj  nur  ^riamuö 

s)  Th.  Bartholinus  de  causis  contemptae  a  Danis  adhuc  gentilibus  mortis, 
cap.  I. 

•)  Iliad.  II.  v.  421. 

4.  Sßatnatoto,  bänifdjer  Seefjelb  aus  bem  10.  Sa^rfj'/  ©rünber  ber  ©eeräuberftabt 
gomsburg  an  ber  Oftfee.  Unter  ben  sabjreidjcn  Sagen,  bie  fid)  an  feine  Werfern  tnüpfen, 
ift  bie  eine,  roctdjc  mit  ber  ©age  uom  JeUSfdmf;  übereinftimmt,  befonberä  intereffant.  — 
7.  furdjte;  biefe  früher  ganj  gebräudjiirfje  gorm  für  „fürd)tete"  finbet  fid}  bei  Seffing  nod) 
mehrfach.  —  17 — 21.  Seljr  fraglidi,  ba  aud)  bie  ©riedien  bei  ferner  oft  mit  ftarfem  Öefdjrei 
in  bie  ©d)tad)t  rüden. —  28.  Slnna  Sacier  (1654 — 172U),  eine  geletjrte  granjöfin,  roela)e 
neben  anbern  pf)üoIogifd)en  arbeiten  (namentlich,  2tu§gaben  unb  Überfc^ungen)  eine  Über* 
fe(;ung  be*  ,'öomer  unb  Unterfudiungen  über  feine  biditerifdjc  S3ebeutung  uerfafjt  tjat. 


10  ffookoon  I. 

btefeö  fceforgeri?  ÜSarum  erteilet  nidjt  aud)  Agamemnon  feinen 
©riedjen  bas  nümüdje  SSerBot?  S)er  Sinn  bes  2)icr)ter§  gefyt 
tiefer.  Gr  miß  uns  teuren,  bafj  nur  ber  gefittete  ©riedje  gugleid) 
weinen  unb  tapfer  fein  fönne;  inbem  ber  ungefittete  Trojaner, 
um  c3  gu  fein,  alle  9)ienfdjlid;feit  uorfyer  erftiefen  muffe.  Nefiea-  5 
a&fiai  ye  pzv  ovdsv  xlcdsiv,  tiifjt  er  an  einem  anbern  Drte7) 
ben  nerftänbigen  Solrn  be§  roeifen  9ieftor§  fagen. 

@3  ift  merfroürbtg,  baf$  unter  ben  roenigen  Srauerfpielen, 
bie  au§  bem  SHtertume  auf  un§  gekommen  finb,  fid)  juiei  Stücfe 
finben,  in  raeldjen  ber  förperlidje  Sdjmerj  nicr)t  ber  fleinfte  £eit  10 
be§  ilnglücfö  ift,  ba§  ben  leibenben  gelben  trifft.  2(uf;er  bem 
^fjitoftet,  ber  fterbenbe  -£erfute§.  Unb  aud)  biefen  läfjt  Sopfjofleo 
Hagen,  minfeln,  meinen  unb  fdjreien.  San!  fei  unfern  artigen 
9iad)oarn,  biefen  -üfteiftern  beö  Slnftänbigen,  bafj  nunmehr  ein 
minfelnber  ^rjitoftet,  ein  fdjreienber  ^erfules,  bie  Iad)erlid)ften  15 
unerträglidjften  s}>erfonen  auf  ber  33itf)ne  fein  mürben.  3raar  fyttt 
fid)  einer  iljrcr  neueften  £)id)ters)  an  ben  ^itoftet  geraagt.  216er 
burfte  er  es  roagen,  ifynen  ben  magren  $t)üoftet  ju  geigen? 

Selbft  ein  Saofoon  finbet  fid)  unter  ben  oerlornen  Stüden 
bes  SopljotTes.    Sßenn  uns  bas  Sdyidfal  bod)  aud)  biefen  Saofoon  20 
gegönnet  l)ätte!     2(us  ben  leisten  Ermahnungen,  bie  feiner  einige 
alte  ©rammatifer  tljun,  Iäf,t  fid)  nidjt  fd)(ie|en,  tote  ber  2>id)ter 
biefen  Stoff  befjanbelt  Ijabe.     So  tuet  bin  id)  üerfid)ert,  baj$  er 
ben  Saofoon  nid)t  ftoifd)er  als  ben  ^fyiloftet  unb  £erfules,  rairb 
gefd)ilbert    fyaben.     2ltfes  Stoifdje  ift   untl)eatralif d) ;    unb  unfer  25 
9)iitleiben  ift  allezeit  bem  Seiben  gteidmmfjig,  metdjes  ber  tntcr= 
effierenbe   ©egenftanb    äufjert.     Siefyt   man  irm  fein  ßlenb   mit 
grof$er  Seele  ertragen,  fo  mirb  biefe  gro^e   Seele  jmar  unfere 
33euninberung  erroeefen,  aber  bie  Skmunberung  ift  ein  fairer  2tffeft, 
beffen  untätiges  Staunen   jcbe   anbere  märmere  Seibenfdjaft,  fo  30 
roie  jebe  anbere  bettttidje  Üsorftettung,  ausfd)lief}t. 

7)    Oclyss.  J.  v.   105. 
B)  Gl)ataubruu. 

12.  3er  fterbenbe  öerfuteo,  ©egenftanb  ber  (uad)  ben  ben  Gbor  bilbenbeu 
■grauen  benannten)  Xragöbie  „Sie  2rad)inierinnen"  bes  Sopfjofleo.  —  14.  3er  gratis 
jofe  Sffiatelet,  Kerf,  eines  £er)rgebid)teö  über  bie  ffltalerei  (1760),  fagt:  „SSas  oorneljm* 
lidt  eine  ciuilificrte  Nation  fenn$eidtnet,  bat  ift  jene  nü(jlidr)e  Sef  rtjränrung ,  n>elcbe  bie 
SDfenfdjen  bem  größten  Seite  ber  plötjlidjen  unb  unüberlegten  Gmpfinbungen  foiootjt  ber 
Seele  alo  bes  Äörpers  auferlegen."  —  17.  3er  SP^Uflftet  pon  Qean  öaptifte  Gljateau* 
brun  (1086—1775)  roirb  im  Jlbicbn.  IV  nül)cr  cbarafterifiert.  Slnlage  iwie  Gt)arafter  bes 
gan$  oon  ©oplpfles  fid)  entfernenben  3ramas  finb  burdjaus  perfekt,  unb  mit  pollem 
;iied)te  nennt  i'effing  eS  eine  „^-arobie".  —  26.  gleichmäßig,  b.  I).  entfprecfjenb,  gemäft; 
bie  \ib]'d)r.   batte   anfänglich  „proportioniert". 


Caokoon  II.  1 1 

Unb  nunmehr  fomme  idj  gu  meiner  Folgerung.  ÜJBenn  e£ 
roafyr  \%  bafj  baö  Sdjreien  bei  (Smpfinbung  förperltdjen  Sdjmergeö, 
befonberS  nad)  ber  alten  gried)ifd)en  ©enfungäart,  gar  rooljl  mit 
einer  großen  Seele  beftefyen  fann:  fo  fann  ber  2lnsbrucE  einer 
t>  foldjen  Seele  bie  Urf  ad;e  ntdjt  fein,  marum  bem  olmgeadjtet  ber 
Münftler  in  feinem  93iarmor  biefeS  Sdjreien  nidjt  nadjalnncn  motten; 
fonbem  e§  tnu|  einen  anbern  ©runb  fyaben,  marum  er  l)ier  von 
feinem  9iebenbub,fer,  bem  2)idjter,  abgebet,  ber  biefe§  ©efdjrei  mit 
beftem  ä>orfat$e  auöbrüdet. 

10  II. 

@ö  fei  %ahtl  ober  ©efd)id)te,  bafj  bie  Siebe  ben  erften 
33erfud)  in  ben  bilbcnben  fünften  gemacht  Ijahe:  fo  üiel  ift  geroifs, 
bajs  fie  ben  großen  alten  sDieiftem  bie  §anb  §u  führen  nidjt  mübe 
geraorben.    2)enn  roirb  i£t  bie  9Jtalerei  überhaupt  al§  bie  Hunft, 

15  meldje  Körper  auf  ^läd^en  nadjafymet,  in  il)rem  gangen  Umfange 
betrieben:  fo  fyatte  ber  meife  ©riecr)e  ib,r  roeit  engere  ©rengen 
gefetjet,  unb  fie  Hofs  auf  bie  9?ad)af)mung  fdjöner  Körper  ein= 
gefdjrünfet.  Sein  Künftler  fdjilberte  nidjtö  at§  ba§  Sdjöne;  felbft 
ba§  gemeine  Sdjönc,  ba§  Sdjöne  niebrer  ©attungen,  mar  nur  fein 

20  gufättiger  2>orrourf,  feine  Übung,  feine  ©rlrohmg.  2)ie  33oEf= 
fommenfjeit  be§  ©egenftanbeä  fe(6ft  nutzte  in  feinem  3Serfe  ent- 
güden;  er  mar  gu  grofj,  r>on  feinen  ^Betrachtern  gu  »erlangen,  bafj 
fie  fidt)  mit  bem  bloßen  falten  Vergnügen,  roeldjeg  au§  ber  ge= 
troffenen  2(Imlid)feit,  auö  ber  Grroägung  feiner  ©efdndlidjfeit  ent= 

25  fpringet,  begnügen  foftten;  an  feiner  Kunft  mar  ilnn  nidjtö  lieber, 
bünfte  iljm  nid)t§  ebler,  al§  ber  ©nbgroed  ber  Kunft. 

„üöer  roirb  bidj  malen  rootten,  ba  bid)  niemanb  fet)en  roift," 
fagt  ein  alter  ©pigrammatift ')  über  einen  Ijödjft  ungehaltenen 
3)ienfd)en.     9Jknd;er  neuere  Künftler  roürbe  fagen:  „Sei  fo  un-- 

30  ')  2tntioa)u§.     (Antholog.   lib.  II.   cap.  4.)      §arbuin    übet'    ben  Spliniu-3   (lib.   35 

sect.  36.  p.  m.  698.)  legt  biefeS  Epigramm  einem  s$ifo   bei.    @§  finbet  ficfi  ober   unter 
allen  griedjifdjen  ©pigrammatiftcn  feiner  biefeS  Stamenä. 

8 f.  mit  beftem  SBorfatje;  in  ber  .slibfdjr.  anfänglid)  „mit  Vorteil".  —  11  f.  SHacb 
einer  f)übfd)en  Sage  märe  ba3  erfte  ^orträt  baburd;  entftanbcn,  bafj  bie  Jodjter  eines 
forintfjifdjen  3: opfere,  9Jamen3  SutabeS  au$  Sifuon,  bei  ber  21breife  iljreo  ©eliebten  einen 
Sdjattenrifj  fcineä  Sßrofüä  beim  6d)ein  ber  £ampe  an  ber  SBanb  natjm  unb  ber  23ater 
biefen  Umrifj  bann  mit  %i)on  belegte  unb  51t  einem  Stetiefbilb  aufarbeitete.  2tuf  ät)nlid)e 
SBeife  rcufjte  man  pon  ber  Grfinbung  ber  SJialerei  ju  ersten ,  unb  ber  betannte  2lrd)itef  t 
Sd)infel  tjat  bie3  in  einem  anmutigen  Öemälbe  bargeftellt.  —  30.  Qean  §arbouin, 
ein  gelehrter  Sefuit  (UI76— 172$),  bat  eine  2Iu>3gabe  beo  s}>liniu3  oerfafjt,  bie  ju  Seffingö 
3eit  bie  befte  mar. 


1  2  £aohoon  II. 

gefialten  rote  mögti($;  id)  will  bid)  bodj  malen.  -JJlag  bid)  fdjon 
nicmanb  gern  fernen :  fo  foll  man  bod)  mein  ©emälbe  gern  ferjen; 
nidjt  infofern  e§  bidj  norftettt,  fonbern  infofern  c§  ein  33eroei3 
meiner  ^unft  tft,  bie  ein  foldjeö  ©djeufat  fo  (umlief)  nad^ubilben 
roetjj."  5 

yVreilirf)  ift  ber  §artg  gu  biefer  üppigen  $rar)Icret  mit  leibigen 
©efdjid'tidjteiten,  bie  burd)  ben  3öert  iljrer  ©egenftänbe  nidjt  geabelt 
werben,  git  natürlich  als  baf?  nidjt  audj  bie  ©riechen  iljren  ^aufon, 
i()ren  ^preicuö  foltten  gehabt  Ijaben.  Sie  Ratten  fie;  aber  fie 
liefen  tfjnen  ftrenge  ©eredjtigfeit  nriberfaljren.  ^aufon,  ber  fidj  io 
nod)  unter  bem  Sdjönen  ber  gemeinen  9?atur  Ijielt,  beffen  niebriger 
©efdjmad  ba§  ^el)terl)afte  unb  öäfjlidje  an  ber  menfdjlidjen  23ilbung 
am  liebften  außbrüdte,2)  lebte  in  ber  oeräd)tIid;ften  2lrmut.b)  Unb 
vl>tneicu3,  ber  23arbierftuben,  fdjtnutjige  2Serfftätte,  ©fei  unb  $üd)en= 
trauter,   mit  allem  bem  $Ieif$e  eine§  9tteberlänbifd)en  S!ünftler§  15 

-)  jungen  Seilten,  befiehlt  batier  2IriftotcIe«3 ,  tmifj  man  feine  ©emälbe  nid}t  jtigen, 
um  itjre  Ginbilbung3fraft,  fo  t>iet  möglid),  oon  aßen  Silbern  be§  £äf;lid)en  rein  j" 
halten  (Polit.  Hb.  VIII.  cap.  5.  p.  526.  Edit,  Conring.)  §err  SSoben  roill  jroar  in 
biefer  Stelle  anftatt  SJJaufon,  ^aufanias  gclefen  roiffen,  roeil  oon  biefem  befannt  fei,  bafj 
er  unjüd)tige  giguren  gemalt  tjabe  (de  limbra  poetica  Comment.  I.  p.  XIII).  21U>  ob  20 
man  e§  erft  oon  einem  pE)ilofopl;ifcben  ©efetygeber  lernen  müfste,  bie  Sugenb  non  ber* 
gleidkn  Weisungen  ber  SBolluft  su  entfernen.  Gr  hätte  bie  betannte  ©teile  in  ber  ©iebt» 
fünft  (cap.  II.)  nur  in  SBergletcbung  sieben  bürfen,  um  feine  Vermutung  surücfäubcljalten. 
Cs  giebt  Sluslegcr  (3.  G.  ßübn,  über  ben  2t(ian  Var.  Hist.  lib.  IV.  cap.  3.),  roelcbe 
ben  llntcrfehieb,  ben  älriftoteleS  bafelbft  sroifcben  bem  ^olngnotuä,  Sionnfiuä  unb  ^aufon  25 
angiebt,  barin  fegen,  baf;  *n.olngnotu3  ©ötter  unb  gelben,  £ionnfiu§  SNenfcben,  unb  SJJoufon 
Ziere  gemalt  habe.  Sie  malten  allefamt  mcnfcbUdje  g-iguren;  unb  baf;  SßaufOM  einmal 
ein  $ferb  malte,  beroeifet  noch  nicht,  bafi  er  ein  Tiermaler  geroefen,  roofür  iEjn  §err 
JBoben  l)ält.  Sljren  Diang  beftimmteu  bie  ©rabe  be§  Schönen,  bie  fie  ihren  menfdjlidien 
Figuren  gaben,  unb  SDionnfiuS  lonnte  nur  beobalb  nichts  al§  2)lenfdien  malen,  unb  bief;  30 
nur  barum  cor  allen  anbern  ber  älntbropograpt) ,  roctl  er  ber  Jiatur  3U  ftlaoifcb  folgte, 
unb  fiel)  nicht  bt§  jum  Jbeal  erbeben  tonnte,  unter  roelcbem  ©ötter  unb  gelben  ;u  malen, 
ein  DieligionSnerbrecben  geroefen  roäre. 

-1)  Aristophanes  Plut.  v.  602.  et  Acharnens.  v.  854. 

4.  nadjjii Buben;  £bfd)r.  urfprünglicb  „barsuftellen".  —  10.  ©er  DJJaler  5)}aufon 
lebte  in  ber  jweiten  gälfie  be§  5.  ^abrb.  0.  Gbr. ;  non  feinem  fieben  roiffen  mir  aber  nicht  Diel 
me|r,  als  baf;  er  arm  mar,  roaS  au3  ben  oben  citierten  ©teilen  be§  Slriftop^ane'3  l)eroorgel)t. 
Über  ihn  unb  sroei  feiner  3eitgcnoffen  fällt  ülriftotcleS ,  Poet.  2,  bas  in  ber  Slnmerfung  bc= 
rührte  Urteil,  baf;  Raufen  bie  2Nenfd)en  niebriger,  $olt)gnot  ebler,  2)ionnfio§  ber  SBirflichteit 
entipredjcnb  gemalt  habe,  ©s  ift  roobl  mbglidi,  baf;  iiaufon  u.  a.  auch  Saritaturen  gemalt 
hat;  mir  roiffen  auö  alten  fdjroarjftgurigen  Safengemälben ,  baf;  folebe  bereits  auf  einer 
frühen  Stufe  ber  2)!alerei  norfamen.  ©aS  einjige  feiner  Silber,  beffen  Sujet  roir  fennen, 
mar  ein  fief»  roälsenbcS  ^ferb,  roeldjeS  fo  gemalt  roar,  baf;  roenn  man  bie  obere  Seite  nad) 
unten  tehrte,  bao  ^ferb  su  laufen  fdnen,  alfo  nur  ein  fleineä  malerifcheS  Äunftfiüct.  — 
1;'.  Gin  Dealer  s45aufania5  roirb  einmal  als  Tomograph  CÄaler  unjüditiger  Jiguren) 
genannt;  ba  er  fonft  nirgenbs  Dorfotnmt,  ift  oermutet  roorben,  baf;  er  mit  bem  befannten 
liialcr  *naufiaä  ibcntifdi  "fei.  —  31.  Jlntbropograph,  SDienfchenmaler,  heißt  bei  $Rn. 
XXXV,  113  ein  SDIaler  Sionnfiuö,  rocldier  aber  oon  Sörunn,  ©efeb.  b.  gried).  «ünftter 
II,  4ü  SJote  1  oon  bem  anbern,  bei  Striftoteleä  genannten  Sionpfiue  unterfd)ieben  roirb, 
ba  bei  ^lin.  XXXV,  148  ein  SDialer  glcidjen  3!amcn§  auö  ber  3eit  be§  Sarro  (1.  Sahrh. 
n.  Hl)x.)  oorfommt. 


ffaokoon  II.  13 

malte,  al3  ob  bergleidjen  Singe  in  ber  9?atur  fo  uiel  $Reij  Ratten, 
unb  fo  feiten  ju  erblid'en  mären,  befam  ben  3u^amen  bes  9tt)i)= 
parograpljen,4)  be§  ^otmalcrö;  obgleid)  ber  rootfüfrtge  ^Tteidfje  feine 
äßerfe  mit  ©olb  aufwog,  nm  ifjrer  Siidjtigfeit  audjj  burdj  biefen 

5  etngebilbeten  2Bert  31t  §itfe  gu  fommen. 

Sie  Dbrigfeit  felbft  Ijielt  e3  iljrer  2lufmerffamfeit  nidjt  für 
unmürbig,  ben  $ünftler  mit  ©emalt  in  feiner  raafyren  Sphäre 
§u  erhalten.  SaS  ©efetj  ber  !£l)ebaner,  roeldjeS  iljm  bie  Wad)-- 
aljmung    ins  Sdjönere  befahl,   unb    bie    Stadjalwtung  ins  feäfe 

10  liiere  bei  Strafe  «erbot,  ift  befannt.  ©§  mar  fein  ©efelj  rotoer 
ben  Stümper,  mofür  es  gemeiniglid),  unb  fetbft  nom  ^uniuS,5) 
gehalten  uürb.  ߧ  uerbammte  bie  griedjifdjen  ©fje^i;  ben  un= 
mürbigen  ^unftgriff,  bie  Sitjnlidjfeit  burd;  Übertreibung  ber 
bäßlidjern   Seile   bes  Urbilbeö    511  erreichen;    mit    einem  SBorte, 

15  bie  Äartfatur. 

2(u§  eben  bem  ©eifte  beö  Sd)önen  mar  aud)  bas  ©efefc  ber 
^ettanobifen  gefloffen.  $eber  Dlijmpifdje  Sieger  erhielt  eine 
Statue;  aber  nur  bem  breimaligen  Sieger,  roarb  eine  ^lomft|e 
gefetjet.0)    ©er  mittelmäßigen  Porträts  füllten  unter  ben  Hunft-- 

20  merfen  nidjt  §u  nie!  merben.  Senn  obfd)on  aud;  bao  Porträt 
ein  ^beal  gutäjjjt,  fo  muß  bodj  bie  2llmlid)feit  barüber  fyerrfdjen; 

<)  Plinius  lib.  XXXV.  sect.  37.  Edit.  Hard. 
5)  De  Pictura  Vet.  lib.  II.  cap.  IV.  §  1. 
")  Plinius  lib.  XXXIV.  sect.  9.  Edit.  Hard. 

2f.  Ser  betr.  Dealer  biefj,  nad)  ber  Orthographie  ber  beffern  £ianbfd)riften,  5}5  i  r  ä  t  c  u  >3 
unb  lebte  ocrmutlid)  um  bie  3cit  Äler/mberS  b.  @r.  ober  balb  nadjljer.  Stacb  allem,  roaS 
roir  »on  iljtn  roiffen,  malte  er  ©enrebilber  unb  ©tillleben;  btefe  2lrt  9)!alerei  nannten  bie 
Sllten  „Jtljopograpbie",  b.  i.  firammalerei;  loenn  s}Jiräicu3  nadj  *plin.  a.  a.  D-  ben  S3ei  = 
namen  „SRbtiparograpfi",  b.  i.  ©d)mufcmaler,  führte,  fo  ift  bas  entroeber  ein  Qrrtum  bc>3 
*piiniu^,  ober  nod)  ipabrfdjeinlidier  ein  Spitjname  be§  SKeifterS,  ber  gerotfj  nidit  fo  mx> 
äd)tlidt  gemeint  mar,  loie  Veffing  annimmt.  —  8  ff.  ®er  ©inn  bes  ©efeßes  fd)etnt  ber 
geroefen  ju  fein,  bafj  bie  SBiebergabe  ber  3Jatur  in  realiftifdjer  Seife,  b.  f).  mit  3!aa> 
alnnung  aller  tjajjlidjen  ^ufälXiiifeiten  oerboten  mar.  2lbcr  e>3  ift  fraglid)  ob  bie  ganje 
3Jotis  über  biefee  angebluöe  @efe$  (bei  Aelian.  Var.  histor.  IV,  4)  überhaupt  Glauben 
perbient.  —  11.  ^-ranctScuS  ^uniu§  (158!)— 1677)  ift  SBerfaffer  be§  erften  bebeutenben 
2Berfe3  über  bie  Öefd)id)te  ber  alten  SJlalerei  (De  pictura  veterum)  unb  eine?  für  bie 
bamalige  Seit  feljr  oerbienftpotten  ßünftlerfatalogeS.  SSeifpiele  oou  Sftangel  an  firitil  unb 
f$flüd)tigfeit  giebt  Seffing  im  2lbfa)n.  XXIX;  immerhin  ift  b.a'3  fleißig  gearbeitete  unb 
gelehrte  2Berf  aud)  beute  nod)  uid)t  olnte  Sßert.  3ur  3ei^  *>a  Seffing  ben  i'aotoon  6e= 
gann,  alfo  uor  ©rfdjeinen  uon  2Bincfelmann§  5Utnftgefd)id)tc,  mar  ti  ba§  einsige  ard)äo= 
logtfetje  .vianbbud)  con  33ebeutuug.  —  12.  ^ierleone  (S Ij e 3 3 1  (1674 — 1755),  ein  ge* 
fd)idtcr  ASarifaturmaler,  uamentlid)  audi  auf  bem  ©ebiet  be>3  fartfierenben  Sjlorträtä. 
—  17.  Jgellanobifen,  bie  Äampfridjter  in  ben  olpmpifdjen  Spielen.  —  IS.  itontfa), 
b.  i).  «on  ^orträtäl)itlid)feit;  nad)  einer  anbern  ürflärung,  bie  aber  roenig  für  fid)  fyat, 
bebeutet  e§  „in  Seben«gröf;e".  —  in  f.  SDa?  mar  aber  fdjroerlid)  ber  ©ruttb  bes  ®efe|eS ; 
»ielmebr  galt  bie  3Bei|ung  einer  f-orträtftatue  für  eine  gröfjere  ßljre,  als  bie  Slufftellung 
eine?  2ltf)letenbilbC'3  oime  inbioibuelle  3«9e/  öa§  metyr  3itr  Erinnerung  an  ben  ©ieg,  all 
an  ben  Sieger  biente. 


1 4  fiaokoon  II. 

e§  ift  bas  ^beal  eines  getötffett  -äJfcenfdfjett,  nidjt  baS  $>beal  eine§ 
9ftenfcr)en  überhaupt. 

3Bir  lachen,  roenn  rair  Ijören,  baft  bei  ben  Sttten  audj  bie 
fünfte  bürgerlichen  ©efe§en  unterworfen  geraefen.  Slber  wir 
fyabm  nid)t  immer  9ied)t,  mnn  mir  lachen.  Unftreitig  muffen  5 
fid)  bie  ©efetje  über  bie  Söiffenfdjaften  feine  ©eraalt  anmaßen; 
benn  ber  ©nbjraecf  ber  üßiffenfdjaften  ift  2Sal)rl)eit.  2öaf)rt)eit  ift 
ber  Seele  notraenbig;  unb  e§  roirb  Ü£t)rannei,  ir)r  in  Sefriebigung 
btefeS  tuefentticr)en  SebürfntffeS  ben  geringften  ,3raang  anjuttjun. 
SDer  ßnbsmecf  ber  fünfte  hingegen  ift  Vergnügen ;  unb  ba§  10 
Vergnügen  ift  entbehrlich.  2(lfo  barf  e§  allerbingS  non  bem  ©&= 
fetjgeber  abfangen,  raeldje  SCrt  non  Vergnügen,  unb  in  roeldjem 
"Diafje  er  jebe  Slrt  beSfelben  uerftatten  roitt. 

2)ie  bilbenben  fünfte  inSbefonbere,  aujjer  bem  unfehlbaren 
Ginfluffe,  ben  fie  auf  ben  Gfyarafter  ber  Nation  Ijaben,  finb  einer  15 
•EMrfung  fäbjg,  reelle  bie  nähere  2luffidt)t  beS  ©efetieS  lt)eifdt)et. 
Geengten  fcr)cne  Stenfc^en  fcfjöne  Silbfäulen,  fo  ratrften  biefe  Ijtrte 
raieberum  auf  jene  gurücf,  unb  ber  ©taat  l)atte  frönen  Silbfäulen 
fdjöne  5Renfd)en  mit  §u  nerbanfen.  Sei  uns  fdjeinet  ftdt)  bie  garte 
©inbilbungöfraft  ber  -Oiütter  nur  in  Ungeheuern  ju  äußern.         20 

2luS  biefem  ©efidjtSpunlte  glaube  id)  in  geroiffen  alten  @r= 
geklungen,  bie  man  gerabeju  als  Sügen  nerrairft,  etroaS  maljreS 
ju  erblicfen.  ®en  SRüttern  beS  2triftomeneS,  beS  2(riftobamaS, 
2tIe£anberS  beS  ©rofjen,  beS  Scipio,  beS  SluguftuS,  beS  ©aleriuS 
träumte  in  ifyrer  <2d)roangerfcf)aft  allen,  als  ob  fie  mit  einer  25 
Schlange  ju  trjun  rjätten.  2)ie  ©erlange  mar  ein  3eid)en  oer 
©ottljeit,')  unb  bie  frönen  SilbJättlen  unb  ©emälbe  eines  Sac= 
djuS,  eines  Apollo,  eines  sDierfuriuS,  eines  .'perfuIeS,  raaren  feiten 
oljne  eine  ©erlange.     Sie    eljrlidjen  SSeiber    b/ttten   beS  £ageS 

7)  SDlan  irret  fid),  n>emi  man  bie  Sdjtange  nur  für  ba>3  lennjeidjen  einer  mebiäimfdicn  30 
©ottf;eit  t)ält,  wie  Spence,  Polymetis  p.  132.  Suftinus  2)iarti;r  (Apolog.  II.  pag.  55. 
Edit.  Sylburg.)  fagt  ausbrüdlidj:  nanlt  navxi  xü>v  vo/utLOfAivwv  nafS  v/ulr  &sfih!, 
oqyi?  avftfiohn'  f-iiya  y.al  /.ivartjtjtov  ävayQacpeTai;  unb  e§  roäre  teidjt,  eine  Steige  oon 
5Wonumeutcu  anzuführen,  wo  bie  ©djlangc  Qottfjeiten  begleitet,  rceldje  nidjt  bie  geringfte 
^Cäietjung  auf  bie  ÖJefunb!;eit  Ijaben.  35 

10.  go  lehrte  bie  Söaumgartenfdje  iJ'tfttjeti!.  —  23.  2triftomene3  ift  ber  §elb  beS 
weiten  meffenifdicn  Krieges  (7.  SaEjrlj.  r>.  CSfjr.).  SDer  9!ame  2lriftobamaö  aber  ift 
ein  grrtum  r>on  JBeffing;  gemeint  ift  bie  Sifqcmierin  Slriftobama  (Slriftobeme),  bie  5Wutter 
beS  befannten  g-elbtjerm  ütratuo.  —  24.  ©aleriu?,  römifa)er  Äaifer  305—311  n.  Gbr. 
—  27  ff.  Sod)  ift  bie  Sdilauge  bei  Statuen  beö  ^ermeö  unb  be§  §eraHeö  ein  burdjauS 
ungeroöl)nlid>c3  Attribut;  bei  erfterem  fomrat  fie  nur  am  £ero(b§fia6,  bei  le^teretn  in 
iöejie^ung  auf  fein  Slbentcucr  mit  ben  äipfein  ber  £>efperiben  vov.  —  30—35.  »Weift  be= 
beutet  ba3  Attribut  ber  Solange  bie  I)immlifd)c  (autod)tbonifd)e)  £rb=  unb  geugungstraft, 
fonft  aud)  bie  &abi  ber  SBeiSfagung,  bie  §eittrdft  u.  a.  m. 


Caokoon  II.  15 

ifyre  3lugen  an  bem  ©orte  gemeibet,  unb  ber  oerrairrenbe  Sraum 
erraedte  ba3  33ilb  be§  SCiereö.  <So  rette  idj  ben  £raum,  unb 
gebe  bie  Auslegung  s}>reiS,  tr>elcr)e  ber  ©tolg  tt)rer  <Söfme  unb  bie 
Unuerfdjämttjeit  be£  ©d)meid)ler§  bar>on  machten,     ©enn  eine  Hr= 

5  fad^e  mufjte  e§  u>ol)l  fabelt,  warum  bie  etjebrecr)erifd)e  ^itjantafte 
nur  immer  eine  ©djlange  mar. 

£)od)  ict)  gerate  au§  meinem  ÜEßege.  ^d)  roollte  blofj  feft= 
fetjen,  bafj  bei  ben  Sitten  bie  ©d)önf)eit  ba§  E)ödt)fte  ©efetj  ber 
btlbenben  fünfte  gcroefen  fei. 

10  Unb  biefeS  feftgefetjt,  folget  notraenbig,  baf?   alles   anbere, 

roorauf  fidj  bie  bilbenben  fünfte  sugleid)  mit  erftretfen  tonnen, 
roenn  e§  fidj  mit  ber  <2ct)önljeit  nidjt  oerträgt,  it)r  gänglid)  meinen, 
unb  roenn  eS  fidj  mit  ii)r  »erträgt,  i|r  roenigftenS  untergeordnet 
fein  muffen. 

15  %<£>  null  bei  bem  3lu§brude  ftetjen  bleiben.     G§  giebt  2eiben= 

fdjafteu  unb  Grabe  t»on  Seibenfdjaften,  bie  fidj  in  bem  ©efidjte 
burdj  bie  l)äf3lid)ften  3>erjerrungen  äußern,  unb  ben  gangen  Körper 
in  fo  gewattfame  Stellungen  fernen,  baf?  alle  bie  fdjönen  Sinien, 
bie  it)n  in  einem  rut)igern  ©tanbe  umfd)reiben,  nerloren  gelten. 

20  tiefer  enthielten  fidj  alfo  bie  alten  ^ünftlcr  entmeber  gang  unb 
gar,  ober  festen  fie  auf  geringere  ©rabe  herunter,  in  roeldjen  fie 
eine§  SOia^eö  oon  ©djönt)eit  fällig  finb. 

3ßut  unb  SSergtoeiflung  fdjänbete  feines  r>on  ifjren  2Berfen. 
%d)  barf  behaupten,  ba£  fie  nie  eine  gitrie  gebilbet  t)aben.s) 

25  8)  SDJütt  geb>   alle  bie  Äunftroerfe  burdj,   beren  5}!limu§  unb  SpaufaniaS  unb  anbere 

gebenfen;  man  überfeb,e  bie  norf)  i|t  nortjanbcnen  alten  Statuen,  33a3relief3,  (Semälbe; 
unb  man  ittirb  nirgcnbS  eine  gurie  finben.  ga)  neljme  bie  aHünjen  au?*,  beren  J-iguren 
aber  nidjt  jur  $unft,  fonbern  jur  S3ilberfprad)e  gehören,  gnbeS  tjätte  ©pence,  ba 
er  girrien  Ijaben  mufjte,  fie  bod)  lieber  Don  ben  äüünjen  erborgen  fallen  (Seguini  Numis. 

30  p.  178.  Spannern,  de  Praest.  Numism.  Dissert.  XIII.  p.  G39.  Les  Cesars  de  Julien, 
par  Spanhem  p.  48),    al§   baf;  er  fie  burd;  einen  reinigen  Ginfall  in  ein  SBer!  bringen 

5  f.  Scnc  träume  moditen  audj  bamit  jufammenbängen,  bafj  Schlangen  allein,  oljne 
(Sattheiten,  feljr  Ijäufig  in  ben  Käufern,  namentlid;  am  £crbe,  al3  ©dmfcgötter  angemalt 
maren.  2>ie  ©djlange  war  eben  fefyr  oft  nidjt  blofi  baS  Slttribut  einer  ©ottrjeit,  fonbern 
bie  ©Ortzeit  felbft  erfdjien  unter  bem  Silbe  ber  ©anlange.  —  20  ff.  Siefer  ©a§  gilt  nidjt 
fo  allgemein  non  ber  antifen  Äunft  überhaupt,  fonbern  nur  uon  ber  beS  fog.  tjoljen  ober 
erhabenen  ©tit§  (^E)ibia3.  ^olnflet).  Sie  ßunft 'bes  SiabodjenjeitalterS  ftellt  alle  ©rabe 
ber  Seibenfdjaften,  felbft  bi§  511  t)äfjlid)en  akrjerrungen ,  bar.  —  24.  SJläfjereä  barüber 
f.  Slbfctjn.  IX.  —  27  f.  ©0  lautet  fieffingä  in  bie  erfte  Stuflage  übergegangene  fiorreftur; 
bie  urfprünglidje  2e§art  ber  £bfdir. ,  bie  in  bie  siueite  Sluflage  übergegangen  unb  von 
Sadjmann  aufgenommen  morbeu  ift,  Reifst:  „Qd)  nelime  biejcnigen  giguren  a'u§,  bie  mein- 
jur  Silbcrfpradie  alö  jur  fiunft  geljören,  bergleidjen  bie  auf  ben  sHlünsen  uorueljmlid) 
finb."  —  28.  ©.  über  ©pence  unb  bcffen  ^olt)tneti'3  2lbfdni.  VII.  —  29f.  SDie  Figuren  ber 
l)ier  angeführten  3)!ünjen  finb  aud;  feine  gurien,  fonbern  Sarftellungen  ber  breigcftaltigen 
^efate. 


16  ffaokoon  II. 

3orn  festen  fie  auf  ©ruft  Ijerab.  Sei  bem  £id)ter  roar  e§ 
ber  jornige  Jupiter,  raeldjer  ben  23ttß  fdjleuberte;  bei  bem  ^ünftler 
nur  ber  ernftc. 

Jammer  warb  in  ^Betrübnis  gemilbert.    Unb  reo  biefe  9Jiilbe= 
rung  nidjt  ftattfinben  fonnte,  roo  ber  Jammer  ebenfo  oerlteinernb  5 
aU    entfteflenb    getuefen   wäre,    —    roa§    tt)at    ba    £imantf)c§? 

roiH,  in  roeldjem  fie  ganj  geroij?  nid)t  finb.  er  fagt  in  feinem  <pol«metiS  (Dial.  XVI. 
p.  272):  „Dbfdjon  bie  gurien  in  ben  2Berfen  ber  alten  flünftler  etroaS  fehr  fetteneS  finb, 
fo  finbet  fid)  bod)  eine  <3efd)id)te,  in  ber  fie  burcfigängig  »on  tbnen  angebracht  roerben. 
3d)  meine  ben  £ob  beS  Üfteleager,  als  in  bcffen  33orftellung  auf  '-Basreliefs  fie  öfters  bie  10 
2Utl)äa  aufmuntern  unb  antreiben,  ben  unglüdlidjcn  33ranb,  non  roelcbem  baS  £eben 
ifjreS  einigen  ©obneS  abging,  bem  geucr  ju  übergeben.  Senn  aud)  ein  2Beib  mürbe  in 
ilirer  5iad)e  fo  roeit  nidjt  gegangen  fein,  ijätte  ber  SEeufel  nidjt  ein  roenig  jugefdmret. 
Qn  einem  non  biefen  S3aSreliefS,  bei  bem  93elIori  (in  ben  Admiraudis)  fiet)t  man  äroel 
SBeibcr,  bie  mit  ber  Slltbäa  am  2lltare  ftel)en,  unb  allem  Slnfeljen  nad)  gurien  fein  follen.  15 
Senn  roer  fonft  als  gurien  t;ätte  einer  folgen  §anblung  beiwohnen  roollen?  Safi  fie 
für  biefen  Cfjaratter  niefit  febreeftidj  genug  finb,  liegt  obne  ^roeifel  an  ber  2lb$eid)mmg. 
SaS  3J!erfroürbigfte  aber  auf  biefem  äBerfe  ift  bie  runbe  ©dbeibe,  unten  gegen  bie  2)Htte, 
auf  n>eld)er  fid)  offenbar  ber  itopf  einer  gurie  jeiget.  Siclleicfit  mar  eS  bie  gurie,  an  bie 
Sütbäa,  fo  oft  fie  eine  üble  Sfjat  vornahm,  ibr  ©ebet  richtete,  unb  »ornebmlid)  i|t  ju  20 
richten,  alle  llrfacbe  fyattt  jc."  —  Surd)  fold)c  SBenbungeu  fann  man  aus  allem  alles 
madjen.  28er  fonft,  fragt  ©pence,  als  gurien,  l;ätte  einer  fold)en  §anblung  bctroof)uen 
roollen?  3d)  antworte:  Sie  SMgbe  ber  2üthäa,  roeld)e  baS  geuer  anäünben  unb  unter* 
ballen  mufjten.    Dpib  fagt  (Metamorph.  VIII.  v.  460.  461.): 

Protulit  hunc  (stipitem)  genitrix,  taedasque  in  fragmina  poni  25 

Imperat,  et  positis  inimicos  admovet  ignes. 
Sergleid)en  taedas,  lange  ©tücfe  von  ftien,  roeldjc  bie  2llten  ju  gadeln  brauchten,  baben 
aud)  roirflid)  beibe  ^erfonen  in  ben  £iänben,  unb  bie  eine  b,at  eben  ein  fold)eS  ©tücE  jer= 
broeben,  nrie  if)re  Stellung   anjeigt.     Stuf  ber  ©d)eibe,  gegen  bie  ÜKitte  beS  SBerfeS,  er= 
lenne  id)  bie  gurie  cbenfo  roenig.    ES  ift  ein  Öeficbt,  roeldjeS  einen  heftigen  ©d)mers  aus»  30 
brücft.    Dl>ne  3roeifet  foll  es  ber  Äopf  beS  3Keleager3  felbft  fein  (Metamorph.  1.  c.  v.  515.). 

Inscius  atque  absens  flamma  Meleagros  in  illa 

Uritur:  et  caecis  torreri  viscera  sentit 

Ignibus:  et  magnos  superat  virtute  dolores. 
SDer  Üünftler  brauste  um  gleidjfam   511m    Übergange    in    ben  folgenben   3e*tpunft  ber  35 
nämltd)cn    ©cfd)id)te,    roelcber    ben    fterbenben    SKeleager    gleid)    barneben    3Ctgt.     2BaS 
©pence  311  gurien  madjt,  tjält  SDJontfaucon    für  ^arjen    (Antiq.   expl.  T.  I.   p.  162.), 
ben  £opf  auf  ber  ©cbeibe  ausgenommen,   ben  er  gleichfalls   für    eine  gurie    auSgiebt. 
Söellori  felbft  (Admirand.  Tab.  77.)  Iäfit  es  unentfd)ieben ,  ob  e§  ^arjen  ober  gurten 
finb.    ©in  Dbcr,  i»eld)eS  genugfam  jetget,  bafj  fie  roeber  baS  eine  nod)  baS  anbere  finb.  40 
Sind)  SDlontfaucouS  übrige  SluSlegung  follte  genauer  fein.    Sie  SBeibSperfon,  roeldje  neben 
bem  »ette  fid)  auf  ben  ellebogen  ftütiet,  Ijätte  er  Jtaffanbra  unb  niefit  ültalanta  nennen 
f ollen.     Sltalanta  ift  bie,  roelcfie,  mit  bem  Siücten  gegen  baS  Seite  gefettet,  in  einer 
traurigen  Stellung  fi|ct.    S)er  fiünftler  bat  fie  mit  oielem  SJerftanbe  »on  ber  gamilie 
abgemenbet,  »eil  fie  nur  bie  ©eliebte,  nid)t  bie  ©emaf)lin  beS  SieleagerS  mar,  unb  ttjve  45 
SJetrübniS  über  ein  Unglücf,  baS  fie  felbft  unfd)ulbigenueife  ocranlaffet  fiatte,  bie  2lnuer= 
rcanbten  erbittern  mufjte. 

5.  pcrJleinernb;  bie  $*>fd)r.  urfprünglicf)  „unsiemlid)".  —  6.  Simon tl;eS,  ein 
bebeutenber  gried)ifdier  «Kaler  (auS  ©ifnon),  um  420—380  lebeub,  malte  bie  Opferung  ber 
3pl)igenie,  wobei  Mgamcmnon  mit  verhülltem  ©eficljt  bargeftellt  mar.  ein  pompejamfcbeS 
©emälbe,  baS  bie  Opferung  ber  Splngenie  barftellt  unb  fonft  non  bem  Silbe  beS  £imantt)eS 
abmcid)t,  bat  ben  glcidicn  gug.  —  22  ff.  ijier  ift  ©pence  gegen  Seffing  im  9ied)t:  bie  grauen« 
geftalien  mit  ben  gacteln  auf  bem  betr.  Basrelief  (baS  in  mehreren  eremplaren  uortommt) 
finb  in  ber  Xbat  gurien  ober  erinnen;  aUerbingS  nidjt  in  abfdjredenber  SBUbung.  —  29ff. 
SDic  S  *  c  i  b e  mit  bem  ftopf  ift  roeiter  lüdnc,  a!9  ber  mit  einem  .Hopf  1  beä  ßelioä  0  aß  emblem 
perfebene  ©diilb  beS  9J(eleager.  —  37.  2J!outfaucon,  gelehrter  Senebiftiner  (1655—1741), 
äScrf.  eines  umfangreid)eu  ardiiiologifd)=antitiuarifd)cn  Silberroerlei  „L'antiquit*  expliquee" 
in  15  Söänben.  —  42.  Siidit  Jtaffanbra,  fonbem  illeopatra  bief^  in  ber  Sage  bie  red)t= 


ffaokoou  II.  17 

©ein  ©emälbe  von  ber  Dpfrung  ber  ^pt)tgenia,  in  roetdjem  er 
alten  ttmfteljenben  ben  iljnen  eigentümlich  jufommenbcn  ©rab 
ber  £raurigfeit  erteilte,  ba§  ©efidjt  beö  "-ßaters  aber,  roeldjieä 
ben  atter()öd)ften   Ijätte  jeigen  folten,  uerfyültete,  ift  bet'annt,  unb 

5  eS  jtnb  nie!  artige  ©inge  barüber  gefagt  warben,  ßr  r)attc  fidt;, 
fegt  oiefer, 9)  in  ben  traurigen  Sßljnftögnomieen  fo  erfdjüpft, 
baf?  er  bem  üßater  eine  nod)  traurigere  geben  §u  tonnen  uer= 
groeifelte.  Gr  befannte  baburd),  fagt  jener,111)  baf;  ber  Sc§merg 
eines  Katers    bei   bergteidjen  Vorfällen  über  alten  2tu§brucf  [ei. 

10  ^ d)  für  mein  Seit  fefye  t)ier  roeber  bie  Unoermögenfjeit  bes 
iUinfttero,  nodj  bie  Unuermögentjeit  ber  $unft.  -fifät  bem  örabe 
be§  xHffettö  uerftürfen  ftdj  audj  bie  it)in  entfpredjenben  3üge  bes 
©eftdjts;  ber  fjödjfte  Grab  Ijat  bie  at(erentfd)iebenften  $üge,  unb 
ntdt)t§  ift  ber  .Hunft  leidjter,   als    btefe    aus^ubrüden.     2(ber    %\- 

X5  mantljes  fannte  bie  ©renken,  n^tdje  bie  ©rajien  feiner  $unft 
fefcen.  @r  raupte,  bafj  ftd)  ber  Jammer,  roetdjer  bem  2tgamem= 
non  ats  Söäter  gufam,  bitrd;  ^erjerrungen  äußert,  bie  allezeit 
lyäfiiid)  finb.  So  roeit  ftdj  (3d)önf)eit  unb  SBürbe  mit  bem  2tu3- 
brud'e  uerbinben  tief},  fo  roeit  trieb  er  tfm.     2).tä  .§äJ3lidje  märe 

20  er  gern  übergangen,  t)ätte  er  gern  getinbert;  aber  ba  tt)m  feine 
^ompofition  betoes  nidjt  ertaubte,  ums  btieb  if)m  anbers  übrig, 
atö  es  ju  nerf)ülten'^  —  2öas  er  nidt)t  malen  burfte,  tief*  er  er= 
raten.  $ur$,  biefe  Vermittlung  ift  ein  Dpfer,  bas  ber  ^ünftter 
ber  3d;önf)eit   bradjte.     ote  ift  ein  Veifpiet,  nidjt  rote  man  ben 

25  ^lusbrud:  über  Die  3d)ranten  ber  $unft  treiben,  fonbem,  mte  man 
tt)n  bem  erften  ©efe|e  ber  $unft,  bem  ©efeije  ber  ©djönfjeit,  unter? 
roerfen  foll. 

Unb  biefeö  nun  auf  ben  Saofoon  angeroenbet,  fo  ift  bie  Ur= 
fadje   ftar,  bie  id)   fud)e.  :;T>er  sDieifter  arbeitete  auf  bie  t)öd)fte 

30  ?)  Plinius    Hb.    XXXV.    sect.   36.     Cum   moestos    pinxisset   omnes,    praeeipue 

patruum,  et  tristitiae  omnern  irnaginem  consurnpsisset,  patris  ipsius  vultum  velavit, 
quem  digne  nou  paterat  osteniere. 

,0)  Summi  moeroris  acerbitateni  arte  exprimi  non  posse  confessus  est.  Valeriua 
M;iximus  lib.  VIII.  cap.  11. 

mäßige  ©emafjlin  be§  ineleager.  ©onft  ift  bie  Seutung  ber  beiben  grauengeftalten  bie 
richtige. 

23  f.  Sas  ift  bur<i)aui  fraglid).  Sßertjüttung  bes  ©eftdjteö  beim  geiftigeit  wie  beim  törpers 
lidien  Bcfjmerj  (aud)  beim  (Sterben)  ift  ein  im  SUtertum  burd)au§  oerbreiteter  Sraud). 
datier  läßt  aua)  gurtpibeä  in  ber  „SpEfigertia  in  2Iutt3"  SB.  1546  t>tn  Agamemnon  im 
gleidien  Mugenblicfe  fid)  üerfjüllen  unb  fein  .'öaupt  roegroenbett  (xäprtahv  atniipa;  y.aoa 

ÖCtXOUCL  Tto'jryir,   OflftätOHV  ItiftAov  flooJü.'). 

vefiiugÄ  i«erfe  0  2 


18  tfaohoon  n 

©d§ön^eit/  unter  ben  angenommenen  ilmftänbcn  beö  förperlidjen 
©cfymergeS.  tiefer,  in  aller  feiner  entftellenben  £eftigfeii,  mar 
mit  jener  nidjt  ju  oerbinben.  ßr  mujjie  iljn  alfo  Ijerabfet^en;  er 
mujjte  Schreien  in  ©eitlen  milbern;  nidjt  meil  baö  ©freien  eine 
unebte  Seele  nerrät,  fonbern,  meil  e§  baö  ©efidjt  auf  eine  efel=  & 
bafte  üE&etfe  uerftellet.  SDenn  man  reifte  bem  Saofoon  nur  in  @e= 
taufen  beu  9Jhtnb  auf,  unb  urteile.  Warn  (äffe  itm  fetteten, 
unb  fefje.  @ö  mar  eine  Sötlbung,  bie  -XRitleib  einflößte,  meil  fie 
Sdjönljeit  unb  Sdjmer^  jugleidj  jeigte;  nun  ift  e§  eine  f)ä^tidt)er 
eine  abfdjeutidje  33ilbung  geworben,  non  ber  man  gern  fein  ©e=  10 
ficfjt  nermenbet,  meil  ber  Stnblirf'  beö  Sdjmer^eö  Ilnluft  erregt, 
oljne  baf;  bie  Sdjönljeit  beö  leibenben  ©egenftanbeö  biefe  Ilnluft 
in  ba§  füfje  ©efüljl  beö  93iitleibö  uermanbeln  fann. 

Sie  blofje  roeite  Öffnung  beö  5)hmbeö,  —  bei  «Seite  gefegt, 
mic  gemaltfam   unb  efel  aud)  bie  übrigen  £eile  beö  ©efidjtö  ba=  15 
burd)  cirgerret  unb  uerfdjoben  roerben,  —  ift  in  ber  -Dialerei  ein 
A-Ierf  unb  in  ber  33ilbl)auerei  eine  Vertiefung,  roeldje  bie  roibrigfte 
SSirfung  non  ber  2Mt  tt)ut.      gOiontfaueon   beroieö   roenig   ©e= 
fdmad,    al§    er    einen   alten    bärtigen    $opf,   mit    aufgeriffenem 
jBhmbe,  für   einen  Craf'el  erteilenben  Jupiter  ausgab.1')     Wn\§  20 
ein  @ott  fdjreien,  mann  er  bie  ^uhtnft  eröffnet?    SBürbe  ein  ge= 
fälliger  Umrifj  beö  SDhmbeö  feine  SRebe  uerbädjtig  madjen?    ^h\d) 
c\Umbe  idj  es  bem  Valeriuö  nidjt,  bafs  2tjar.  in  bem  nur  gebadjten 
©emälbe  beö  Jimantljeö  foltte  gefetnieen  Ijaben.1-)    Seit  fdjled)tcre 
äReifter   aus  ben  &\tin  ber  fdjon  verfallenen  Munft,  laffen  audj  25 
nidjt  einmal  bie  milbeften  Barbaren,  raenn  fie  unter  bem  Sdnrerte 

")  Antiquit.  expl.  T.  I.  p.  50. 

'-)  ßr  giebt  nämlirf)  bie  »on  bem  2imantf)e§  initflid)  auSgebrücften  ©rabc  ber 
Jraurigfeit  fo  an:  Calchantem  tristem,  moestimi  riyssem,  clamantem  Ajaceui, 
lamentantern  Menelaum.  —  2er  Sdjreier  Sljaj  müßte  eine  fafslidje  %\QUt  geroefen  fein;  30 
unb  ba  roeber  Cicero  nod)  Quintilian  in  ihren  Skfrfjreibungen  biefeS  ©emälbeä  feiner  ge= 
beuten,  fo  werbe  idj  il)n  um  fo  nicl  eijer  für  einen  3lll'a?  falten  bürfen,  mit  bem  eä 
J'alcriuä  quo  feinem  ftoofe  bereichern  roolfen. 

(I.  »erftellen,  in  älterer  Jfletcioeife  faufig  für  „entflclfen".  —  11.  uerroenbet,  für 
fortroenbet,  abrcenbet;  Ijeut  ungcmölmlid).  —  14  ff.  2od>  nidjt  überall,  roenn  es  nur  nidjt 
in  übertriebener  SCcifc  gefd)ief)t.  ÜJian  erinnere  fidi  an  bcn  Äcpf  beo  rufenben  Üljar  (ober 
SRenelaul),  beffen  3J)unb  fefa  roeit  geöffnet  ift.  —  v.>.  £er  Betreffenbe  flopf  ift  eine  tro* 
gifdje  SDJaSfe.  —  23.  Sßaleriuö  äKajrimuS,  beffen  Slotij  über  ba^  Öcmälbe  beö  SimantbeS 
oben  citiert  ift.  2>od)  braudjt  mit  clamare  fein  eigentlid)cö  SAreien  gemeint  gti  fein, 
man  tonnte  aud;  an  ein  ;1iufen  (erroa  j«  ben  ©öttern  gcnmnbt)  benten.  3lUerbing-ö  ift 
SaleriuS  SWasinniS  in  Jhmftfadien  feine  »erläftlidic  Duelle.  —  nur  gebad)ten,  b.  t. 
foeben  erroäljnten.  „3!ur"  für  „foeben"  ift  im  cor.  3af)rl).  fel)r  gcmöfnilidi;  „gebarfit" 
tommt  nidit  ron  „tenfen",  fonbern  non  „gebenfen",  b.  b.  ermäfjnen.  S?gl.  Slbfdm.  III  gu 
2lufang. 


Coohcon  III.  19 

be§  ©iegerä  ©greifen  unb  !£obe§ang,ft  ergreift,  ben  SJhtnb   bis! 
$um  ©freien  öffnen.13) 

Cj§  ift  gctoijS/  bafj  biefe  §eroßfc|ung  be3  äufjerften  förper= 
Itct)en  ©djutergeä  auf  einen  ntcbrigern  örab  uon  ©efürjl  an  niedrem 

5  alten  Äunfiroerfen  ftdjtbar  gewefen.  2)er  leibenbe  £>erMeö  in  bem 
vergifteten  ©emanbe,  von  ber  £>anb  eineö  alten  unbekannten  sD£ei= 
fters,  mar  nidjt  ber  Sop(jofkifd)e,  ber  fo  gra^tidf»  fdjrie,  bajj  bie 
Sotrifdtjen  Reifen  unb  bie  Guböifdjen  Vorgebirge  baoon  ertönten. 
ßr  mar  mefyr  finfter  al§  roilb. 14)  £>er  ^üoftet  beö  $ntr;agora3 

10  2eontinu§  fdjien  bem  SSetro^ter  feinen  ©djmerg  mitzuteilen,  raeld)e 
3ßtrfuug  ber  geringfte  gräjjltdje  $ug  uerlunbert  ()ätte.  9Jian  bürfte 
fragen,  roorjer  id)  raiffe,  baf?  biefer  ÜReifter  eine  Silbfäule  be§ 
$f)iioftet  gemalt  fjabe?  %x%  einer  Stelle  be§  ^tiniuS,  bie  meine 
Verbefferung  nirfjt  erwartet  rjaben  fotfte,  fo  offenbar  oerfälftfjt  ober 

i5  nerftümmelt  ift  fie. 15) 

III. 
316er,  nüe  fdjon  gebaut,  bie  Äunft  ijat  in  ben  neuern  Reiten 
ungleich  weitere  ©rengen  erhalten.  ^t)re  9iad)armtung,  fagt  man, 
erftrecfe  fitf)  auf  bie  gan?;e  fidjtbare  SRatur,  non  melier  ba§  ©d)öne 
20  nur  ein  fleiner  Jeil  ift.  SK>ar)rr)eit  unb  2titöbrucf  fei  ir)r  erftes 
©efefc;  unb  rote  bie  Status  felbft  bie  ©djönfjeit  rjöfjern  2lbfid)ten 
jeber^eit  aufopfere,  fo  muffe  fie  audj  ber  ^ünftler  feiner  allgemeinen 

13)  Bellorii  Adiniranda.  Tab.  11.  12. 
")  Plinius  lib.  XXXIV.  sect.  19. 

25  ls)  Eundem,  nämlid)  ben  3JJt)ro,  liefet  man  bei  bem  Sßliniu3  (libr.  XXXIV.  sect. 
19.).  vicit  et  Pythagoras  Leontinus,  qui  fecit  stadiodromon  Astylon,  qui  Olympiae 
ostenditur :  et  Libyn  puerum  tenentem  tabulam,  eodem  loco,  et  mala  ferentem 
nudum.  Syracusis  autem  claudicantern :  cujus  hulceris  dolorem  sentire  etiam 
spectantes  videntur.    3Ban  ertpäge  bie  legten  SBorte  ettoaS  genauer.    SSBirb  nid)t  barin 

30  offenbar  tion  einer  ^erfon  gefprod)eu,  bie  roegen  eines  fd)mersfiaften  ©efd)roüre§  überall 
befannt  ift?  Cujus  hulceris  u.  f.  ro.  Unb  biefes  cujus  follte  auf  bas  blofse  claudi- 
cantem,  unb  ba§  claudicantem  »ielleicfjt  auf  ba§  nod)  entferntere  puerum  gelten?  3Jie= 
manb  tjatte  meljr  Sftedit,  roegen  eineä  foldjen  ©efd)n)üre§  befannter  511  fein  al§  5jßl)tloftet. 
^cfi  lefe  alfo  anftatt  claudicantem,  Philoctetem,  ober  tjalte  roenigftenS  bafür,  bafj  ba3 

35  Untere  burd)  bas  erftere  gleid)lautenbe  2Bort  oerbrungen  roorben,  unb  man  beibe§  yiu 
fammen  Philoctetem,  claudicantem  lefen  muffe.  Sopfjofles"  läfst  itm  atipov  xar' 
uväyxav  h'yneiv,  unb  es  mufjte  ein  §infen  »erurfadjen,  bap  er  auf  ben  franfen  fyufj 
weniger  E)erä&,aft  auftreten  tonnte. 

2.  Sie  betreffenben  JHetiefs,  auf  bie  Seffing  anfpielt,  ftellen  kämpfe  mit  Saciern  oor; 
fie  ftammen  aus  ber  3eit  beä  Itajan,  bcfinben  ftd)  aber  am  Sogen  bes  Bonftantin  in 
Som.  —  9.  Sft  au'5  bem  äBortlaut  bei  ^lin.  a.  a.  D.  nidjt  mit  ©idjerljeit  511  erfennen. 
—  9  ff.  ©er  Öilbljauer  5pntl)agoras  flammte  aus  Sljegion  in  Unteritalien  unb  mar 
um  480  d.  Gljr.  tbätig  (ber  Seiname  x'eontinus  berufit  auf  falfd)er  Scsart  bei  piniu^). 
SeffingS  in  ber  3lote  mitgeteilte  Vermutung  l)at  allgemeine  Silligung  gefunben,  nur  bafj 
man  ben  Sert  bes  ^liniuS  unoeränbert  läfjt  unb  annimmt,  bie  Statue  be§  'l'liilottet  fei 
unter  ber  'Seieicfiming  „ber  §intenbe"  im  2Utertum  befannt  geroefen. 

2* 


20  ffaokoon  III. 

öefthnmung  unter ortmen  unb  Ujr  nidjt  weiter  nadjgefjen,  als  es 
9iHiI;rt)eit  unb  2tuebrud  erlauben,  ©enug,  bafs  burd)  2Saf)rf)eit 
unb  2lu§brudE  baS  $äf$lidjfte  ber  9iatur  in  ein  Sdjönes  ber  $unft 
oenoanbett  roerbe. 

Öefeijt,  man  wollte  biefe  ^Begriffe  uore  erfte  unbeftritten  in  5 
ifyrem  äßerte  ober  Unwerte  (äffen:  füllten  nidjt  anbere  non  ifmen 
unabhängige  Betrachtungen  §u  machen  fein,  warum  bem  ofjngeadjtet 
ber  ^ünftler  in  bem  Sluobrude  9JlaJ3  Ijalten,  unb  ifm  nie  aus  bem 
l)öd)ften  fünfte  ber  §anblung  nelnnen  muffe. 

%ä)  glaube,  ber  eingige  2lugenblid,  an  ben  bie  materiellen  10 
(Sdjranfen  ber  $unft  alle  irjre  9iadjal)mungen  binben,  mirb  auf 
bergleidjen  33etradjtungen  leiten. 

$ann  ber  ^ünftler  r-on  ber  immer  oeränberlidjen  9?atur  nie 
mel)r  als  einen  einzigen  2lugenblid,  unb  ber  üDialer  inSbefonbere 
biefen  einzigen  2Iugenblid  audj  nur  aus  einem  einigen  ©efidjtö=  15 
punttc  braudjen;  finb  aber  il)re  2Berfe  gemalt,  nidjt  blofs  erblidt, 
fonbern  betrachtet  §u  werben,  lange  unb  wieberljoltermafsen  be= 
trad;tet  ju  werben:  fo  ift  es  geroif?,  baf$  jener  einzige  2(ugenblid' 
unb  einzige  ©eftdjtöpunft  biefeö  einigen  2Iugenblide3  nicr)t  fruct)t= 
bar  genug  gemattet  werben  fann.    ^Dasjenige  aber  nur  allein  ift  20 
frudjtbar,  was  ber  ©inbilbungsfraft  freies  Spiel  läf$t.     $e  mel)r 
mir  feljen,  befto  meljr  muffen  mir  fyin^u  benfen  fönnen.    ^e  meljr 
mir  baju  beuten,  befto  mef)r  muffen  mir  31t  feljen  glauben,     $n 
bem  ganzen  Verfolge  eines  2lffeft§  ift  aber  fein  2Iugenblid,  ber 
biefen  Vorteil  meniger  fyat,  als  bie  l)öd)fte  'Staffel  besfetben.    Über  25 
if)r  ift  weiter  nidjtS,  unb  bem  Sluge  bae  Slufjerfte  geigen,  Ijeifjt 
ber  ^fyantafie  bie  $lügel  binben,  unb  fie  nötigen,  ba  fie  über 
ben   finnlidjen  ßinbrud  nidjt  Ijinaus   fann,    fid)  unter  iljm  mit 
fdjwädjern  Silbern  31t  befdjäftigen,  über  bie  fie  bie  ficfjtbare  $ülle 
bes  2(u3brud3  als  ifjre  ©renje  fdjeuet.    Söenn  Saofoon  alfo  feufget,  30 
fo  fann  ilm  bie  (Sinbitbungsfraft  f freien   l)ören;  menn  er  aber 

25.  <3o  richtig  an  fid)  fieffings  ^orberung  ift,  baf?  ber  uom  .ftünftler  geraäljlte  Moment 
mögtid)ft  frud)tbar  fein  folle,  fo  joenig  berechtigt  ift  es  bod>,  bie  l)öd)fte  Staffel  eines 
i>lfte{tes  ausjufdjliefien.  Dft  geniig  freilid)  eignet  fid)  biefelbc  aus  anbern  ©riinben  nid)t 
jur  -ParftcUung;  roo  aber  fonft  nidjts  bie  2Bnf)l  biefcs  Momentes  Derbietet,  mujj  es  bem 
flünftle«  überlaffen  bleiben,  fid)  ben  ihm  geneljmften  SDtoment  aus  ber  &anblunfl  ober  bem 
süffelte  auäguroaglen.  §ier  ift  es  ganä  unb  gar  ba§  Seme  unb  bie  (Srfinbungsgabe  »es 
ffiunftlerS,  meldje  in  23etrad)t  fommt;  burd)  fie  fann  eine  Situation,  bie  an  fid)  roenig 
fruchtbar  crfdjetnt,  im  Ijöcbften  (SJrabe  bie  Sp^antafte  auregenb  geftaltet  roerben.  —  29.  über 
bie  Ijeifit  fouiel  als  „über  roelcbe  (fd)mäd)eren  Silber  nämlid))  hjnaus";  bie  fidjtbarc 
ftülle  bes  Slusbructs  l)cifjt  bie  im  Silbe  oorliegenoe  erfiiUuug  ober  nollftäubige  SBicber* 
gäbe  bes  iHuSbruds. 


ffaohoon  in.  2 1 

fdjreiet,  fo  fann  fic  von  biefer  SSorfteßung  roeber  eine  Stufe  Ijöfyer, 
nod)  eine  Stufe  tiefer  fteigen,  o(me  itjn  in  einem  leiblichem,  folg= 
lid)  uninterefjantern  3uftanbe  ju  erblicfen.  Sie  rjöri  ir)n  erft 
üdjjen,  ober  fie  fierjt  ilm  fdjon  tot. 

5  ferner.    Grb/ilt  biefer  einige  2(ugenblid  burdj  bie  Sunft  eine 

unüeränberlidje  üDauer:  fo  muf}  er  nid)t§  auobrüd'en,  maZ  fidj  nidjt 
anberS  als  tranfitorifd)  beulen  läfjt.  SCECe  ßrfdjeinungen,  gu  bereit 
üEßefen  mir  e3  nad)  unfern  Segriffen  redjuen,  bafj  fie  r>Iöt$lid) 
auSbredjen  unb  ptöfetid)  nerfdjminben,  bafj  fie  baö,  raa§  fie  finb, 

io  nur  einen  2(ugenblid  fein  fönnen;  ade  foldje  Grfdjeinungen,  fie 
mögen  angenehm  ober  fdjredlid)  fein,  erhalten  butdj  bie  3>erlänge= 
rung  ber  Äunft  ein  fo  roibematürlicbeS  2lnfer)en,  bajj  mit  jeber 
nneberf)o(ten  Grblidung  ber  ßinbrud  fdjmädjer  roirb,  unb  un§ 
cnblid)  oor  bem  gangen  ©egenftanbe  efelt  ober  grauet.    Sa  9}iettrie, 

15  ber  fid)  als  einen  jroeiten  3>emofrtt  malen  unb  ftedjen  (äffen,  ladjt 
nur  bie  erften  SO?a(e,  bie  man  ir)n  fter)t.  83etrad)tet  ir)n  öftrer, 
unb  er  roirb  au%  einem  v]][)iIofopi)en  ein  ©ed;  aus  feinem  Sachen 
mirb  ein  ©rinfen.  So  aud)  mit  bem  Sdjreien.  £er  rjeftige 
Sdnnerj,   roeldjer   baS   Sdjreien   antreffet,    läfjt   entmeber   balb 

20  nad),  ober  ^erftöret  baS  leibenbe  Subjeft.  äöann  alfo  aud)  ber 
gebulbigfte  ftanbljaftefte  9)iann  fct)rciet,  fo  fdjreiet  er  bod)  nid)t 
unaöläfslid).  Unb  nur  biefeS  fdjeinbare  Unablä^lidje  in  ber  mate= 
rieften  DcadjaJjmung  ber  ßunft  ift  eS,  roa§  fein  Sdjreien  5U  roei= 
bifcfjem  Unvermögen,    51t  finbifdjer   llnleiblidjfeit  madjen    mürbe. 

2:-»  tiefes  roenigfienS  mufste  ber  Äünftlcr  be§  Saof'oonS  oermeiben, 
l)ätte  fdjon  ba§  Sdjreien  ber  Sdjönljeit  nidjt  gefdjabet,  märe  e§ 
aud)  feiner  Äunft  fdjon  erlaubt  gemefen,  Seiben  o()ne  Sd)önl)eit 
auß^ubrüden. 


14.  Seffing?  SSer&ot  be?  Dranfitorifdien  in  ber  jlunft  ift,  roenn,man  fid)  an  feine  oben 
gegebene  Definition  i)ätt,  üoüftärtbig  beredjtigt,  ba  ©rfdjeinungen,  hie  ulöjsüd)  au?bred)eu 
unb  nad)  faum  eine?  21ugcnbütfe?  Dauer  cbenfo  plö^tid)  roieber  nerfdiroinben,  oon  ber 
Äunft  fid)  nidit  roiebergeben  laffen.  SBenn  er  aber  int  folgenben  2ad)en  unb  Sdjreien  aud)  al? 
tranfitorifd)  bejeidjnet  unb  beefjnlb  ber  Jhmft  unterfagt,  fo  geljt  er  »iet  ju  roeit  unb  roirb 
burd)  5af)[reid)e  ßunfiroerfc  aller  Reiten  roibcrlegt.  Diefe  ©rroeiterung  bc>3  Segriffe?  tranfi= 
tcrifd)  paßt  aud)  nid)t  ju  ber  uortjer  oon  itim  gegebenen  Definition.  31äb,ere§  tjierüber, 
foroie  über  ben  frudjtbaren  SWontent,  in  §eft  II  ber  „Saofoon=gtubien"  be?  Herausgeber? 
lAieiburg  t.  S.  1882).  —  Sa  SJlettrie  ift  ber  befannte  franäöfifd)c  5f-t)ilofop^  unb  3J!a= 
terialift  (1707—1751).  (Sein  Iad)enbe?  Silbniö,  rabiert  non  ©.  g.  edjnübt,  finbet  man 
aud)  in  bem  Essai  but  La  Mettrie,  pai  >'.  Quepat,  ^ari§  1873.  SDemofrit?  2e£)re,  baf5 
man  nad)  einer  mögüdjft  gieiefimä^igen,  unbemegten  2Ee[tauffaffung  unb  Stimmung  ju 
fireben  habe,  fanb  fpäter  barin  ben  nidjt  gans  entfnred)enben  2luc<brucf,  ba^  man  ib,n  als 
ben  „ladienben  *pt)i(ofopb,en"  bejcidinete.  —  IC.  öftrer,  ^ortn  mit  boruelter  Steigerung, 
roie  „bie  ättrern",  „bie  neurern"  u.  bg(.;  bei  Seffing  pufig. 


22  ffiaokoon  III. 

Unter  ben  alten  9Jtalern  fdjeinet  Ximomadnis  Vorroürfe  bee 
äufcerften  Slffeftö  am  liebften  geroäblet  gu  tjaben.  Sein  rafenber 
2(jaE,  feine  ^tnbermörberin  9)iebea,  roaren  berühmte  ©emälbe. 
216er  anö  ben  23efd;reibungen,  bie  roir  r>on  iljnen  Ijaben,  ert)etfet, 
baj?  er  jenen  ^unft,  in  roeldjem  ber  23etrad)ter  bag  3(ufjer[te  nid^t  5 
foroor^t  erblidt,  als  Ijingu  benft,  jene  Grfdjeinung,  mit  ber  mir  ben 
^Begriff  bes  Sranfttortfdjen  nicrjt  fo  notroenbig  r>erbinben,  baf?  uns 
bie  Verlängerung  berfelben  in  ber  Äunft  mißfallen  follte,  vov- 
trefflid)  nerftanben  unb  mit  einanber  51t  uerbinben  geroufst  I)at. 
5Die  9)cebea  blatte  er  nidjt  in  bem  Stugenblide  genommen,  in  meinem  10 
fie  üjre  Äinber  roiri'lid;  ermorbet;  fonbern  einige  2lugenblitfe  311= 
oor,  ba  bie  mütterliche  Siebe  nodj  mit  ber  Giferfudjt  fämpfet. 
SBir  fetjen  baS  @nbe  biefeS  $ampfeö  uorauö.  SSir  gittern  oorauö, 
nun  balb  blof;  bie  graufame  sDtebea  §u  erbliden,  unb  unfere  @in= 
bilbungöfraft  gel)et  roeit  über  alles  l)inroeg,  roa§  uns  ber  -äftaler  15 
in  biefem  fd)recllid)en  Slugenblid'e  geigen  fönnte.  2lber  ehm  barum 
beteiliget  unö  bie  in  ber  $unft  fortbauernbe  UnentfdjIoffenl)eit 
ber  50iebea  fo  wenig,  baf?  mir  ütclmeln*  roünfdjen,  es  märe  in  ber 
Statur  felbft  babei  geblieben,  ber  (Streit  ber  Seibenfdjaften  l)ätte 
fid;  nie  entfd)ieben,  ober  blatte  roenigftenö  fo  lange  angehalten,  bio  20 
3eit  unb  Überlegung  bie  2öut  entkräften  unb  ben  mütterlichen 
ßmpfinbungen  ben  ©ieg  uerfidjern  tonnen.  2lud)  l)at  bem  S£imo= 
mad;us  biefe  feine  SBeisljeit  grofje  unb  Ijäufige  Sobfprüdje  511= 
gebogen,  unb  ilm  roeit  über  einen  anbern  unbefannten  SJtaler  er= 
Ijoben,  ber  unuerftänbig  genug  geroefen  roar,  bie  9)tebea  in  ir>rer  25 
l)öd)ften  SRaferei  gu  geigen,  unb  fo  biefem  flüchtig  überljingeljenben 
dkabe  ber  äufserften  Smferei  eine  3)auer  311  geben,  bie  alle  Statur 
empöret,  ©er  ^Didjter,1)  ber  tljn  beöfallö  tabelt,  fagt  baljer  feljr 
finnreid),  inbem  er  baö  33ilb  felbft  anrebet:  „Surfteft  bu  benn 
beftänbig  nad)  bem  Glitte  beiner  $inber?  $ft  beim  immer  ein  30 
neuer  $afon,  immer  eine  neue  Äreufa  ba,  bie  bid;  unauftjörlid) 

')  Philippus  (Anthol.  lib.  IV.  cap.  9.  ep.  10.) 

Aiti  yaii  öupäg  ßtjtcpetov  (pivor.    jj  ttg  'lijaiov 
Jsvtiooi,  i)  D.avy.i]  ti;  rtä'/.i  ooi  nnoipaai;; 
"hön?  xcel  iv  xtjgtö  7taiöoy.töve  —  35 

1.  2tmomod)ii'j  au*  Snjan}  lebte  nad)  ben  9Iad)rid)ten  beo  SpiiniuS  5ur  3"'  bei 
Gafar,  ift  aber  !üal)iia)ein[id)  f*°"  früher  anjufe|en.  2tuf  feine  5D!ebea  [deinen  Derfdjicbene 
noa)  erhaltene  alte  Äunftroerfe  '(namenttidi  SBanbgemälbe)  juriWjuge^ett ,  in  beneit  Webta 
im  2tngenbttci  »ov  ber  ©rmorbung  ityrer  flinber,  mit  fid;  fämpfenb,  bargefteÄt  ift.  — 
31.  fireufa  ober  ©laute,  bie  Sraut  bei  Safon,  toeldie  ooti  ÜKebea  am3  Eiferfudjt  uer= 
giftet  luirb. 


ffaokoou  IV.  23 

erbittern?  —  3um  «genier  mit  bir  audt)  im  ©^mctlöe!"  fefct  er 
notier  3}erbruJ3  Ijtnju. 

33on  bem  rafenben  2(jar  be§  XimomadjuS  läßt  ftdj  am  ber 
9iadjrid)t  be3  P)iloftrat3  urteilen.2)    2tjar  erfdjien  nidjt,   roie  er 

5  unter  ben  gerben  mittet,  unb  ^Hinber  unb  33od"e  für  s))tenfä;en 
fejfelt  unb  morbet.  oonbem  ber  SDfceifter  zeigte  Um,  roie  er  nai) 
bieten  roabnroißtgen  .^elbentbaren  ermattet  bafitjt,  unb  ben  2tn- 
fdjlag  f  äff  et,  ftd)  felbft  umzubringen.  Unb  oa$  ift  roirtTid)  ber 
rafenbe  3ljar;    nidjt  roeif  er  eben  itjt  rafet,    fonbern  roeil  man 

10  ftebet,  baß  er  gerafet  Ijat;  roeil  man  bie  ©rö^e  feiner  Siaferet 
am  lebljafteften  aus  ber  oerzroeiflungSoollen  odjam  abnimmt,  bie 
er  nun  felbft  barüber  empfinbet.  3Jtan  ftefjet  ben  «Sturm  in  btn 
Krümmern  unb  Seidjen,  bie  er  an  baä  Stmb  geworfen. 

IV. 

15  $dj  überfelje  bie  angeführten  Urfadjm,  roarttm  ber  SJceifter 

be§  Saofoon  in  bem  SXuöbrude  be§  förpertidjen  odjmer^es  sDiaJ5 
galten  muffen,  unb  finbe,  baß  fie  allefamt  von  ber  eigenen  33e= 
fdjaffenfjeit  ber  töunft,  unb  von  berfelben  notroenbigen  ©djranfen 
unb  'öebürfniffen  hergenommen  finb.     Sdjroerltd)  bürfte  ftd;  alfo 

so  rool)l  irgenb  eine  berfelben  auf  bie  Sßoefte  anmenben  (äffen. 

Df)ne  f)ier  311  unterfttdjen,  rote  roeit  e3  bem  ®id;ter  gelingen 
fann,  förperlidje  Sdjönb/it  51t  fdjilbern:  fo  ift  fo  üiel  unftreitig, 
baf},  ba  ba§  gan^e  unermeßltdjc  Sfcidj  ber  SMlfommenljett  feiner 
9titd)af)mttno(  offen  fielet,  biefe  ftdjtbare  £>ülte,  unter  ro:ldjer  23olt= 

25  fommenl)eit  51t  ©djönljeit  roirb,  nur  eines!  oon  ben  gcringften  9Jfttteln 
fein  fann,  burdj  bie  er  un%  für  feine  ^erfo.nen  ju  intereffieren 
roeiß.  Dft  üemadjläfftget  er  btefe§  bittet  gänälidj;  üerftdjert,  baß 
roenn  fein  §elb  einmal  unfere  ©eroogenfyeit  geroonnen,  un§  beffen 
eblere  Gigenfdjaften    entroeber   fo    befdjäftigen,   baf,    mir    an  bie 

30  fürperlidje  öeftalt  gar  nidjt  gebenfen,  ober,  mnn  roir  baran  ge= 
beuten,  un§  fo  beftedjen,  baß  roir  iljm  tron  felbft  roo  nidjt  eine 
fdjöne,  bodj  eine  gletdjgtltige  erteilen.    2lm  roentgften  roirb  er  bei 

-»  Vita  Apoll,  lib.  IT.  eap.  22. 

4  ff.  T>er  SSöaEtnfirttt  be-3  2tjar  fclbft  mar  lfdjon  beSroegen  nidjt  barfteltbar,  roeil'  bie 
(Situation  be3  Reiben  5«  unroiirbig  ift,  aU  baf5  ein  Hünftter  ihn  barin  hätte  jeigen  tonnen; 
auch  auf  ber  Sühne  (im  £rama  bes  ©opf)oflc3)  roirb  fein  SBüten  unter  ben  gerben  nicht 
in  äBirtltehfeit  uns  oorgeführt,  mcnn  er  aud)  ?u  Slnfang  nod)  at-5  28abnroi§tger  in  feiner 
ttnterrebung  mit  2ttt)cna  auftritt.  —  21  f.  Sögt,  hierüber  3(6fd)n.  XX. 


24  ffaohoon  IV. 

jebem  einzeln  Buge,  Da*  .nid)t  auSbrüdtid)  für  ba§  Gkfidjt  be- 
ftiminct  ift,  feine  Sftütfftdjt  bennod)  auf  biefen  Sinn  nehmen  bürfen. 
fSknn  Birgits  i'aofoon  fdjreiet,  mem  fällt  eS  babei  ein,  bajj  ein 
großes  SOßaul  jutn  fdjreien  nötig  ift,  unb  bafs  biefeS  grof;e  9Jiau( 
()äf?lid)  läf$t?  <3enug,  bafs  clamores  horrendos  ad  sidera  tollit  5 
ein  erhabner  3ug  für  baS  ©el)ör  ift,  mag  er  bodj  für  baS  ©e= 
fidjt  fein,  roaS  er  roitt.  S£er  f)ier  ein  fdjöneS  Stfb  »erlangt,  auf 
ben  Ijat  ber  i£)id)ter  feinen  gangen  Ginbrud  nerfer)tt. 

9iid)tS  nötiget  Ijiernädjft  ben  2)id)ter,  fein  ©emä'Ibe  in  einen 
einzigen  Shtgenblid  ju  fongentrieren;  Gr  nimmt  jebe  feiner  §ahb=  10 
hingen,  menn  er  mift,  bei  ifjrem  Urfprunge  auf,  unb  führet  fie 
burd)  alte  möglidje  2tbänberungen  bis  51t  ibrer  Gnbfd)aft.  ^ebe 
biefer  2(bänberungen,  bie  bem  $ünftler  ein  ganjeS  befonbereS  <Stüd 
foften  mürbe,  foftet  tljm  einen  einzigen  $ug;  *mb  mürbe  biefer 
3ug,  für  fid)  betrachtet,  bie  Ginbilbung  beS  3u(jörerS  beleibigen,  15 
fo  mar  er  entroeber  burd)  baS  SSorljergefyenbe  fo  norbereitet,  ober 
mirb  burd)  bä§  ^olgenbe  fo  genülbert  unb  nergütet,  bafj  er  feineu 
einzeln  Ginbrud"  nerlieret,  unb  in  ber  üBerbinbung  bie  trefflidjfte 
SBirfung  oon  ber  SBelt  tljut.  SBäre  eS  atfo  aud)  roirflid)  einem 
Spanne  unanftänbig  in  ber  ."oeftigfeit  beS  ©d)merge§  511  fdjreien  20 
roa§  fann  biefe  Keine  überfyingefjcnbe  Unanftänbigfeit  bemjenigen 
bei  uns»  für  9?ad)tcil  bringen,  beffen  anbere  Satgenben  un§  fdmn 
für  \l)\\  eingenommen  fyaben?  üßirgil§  Saoroon  fd)reiet,  aber  biefer 
fd)reienbe  £'aofoon  ift  eben  berjenige,  ben  mir  bereits  als  ben  oor= 
fidjtigften  Patrioten,  als  ben  märmften  33ater  fennen  unb  lieben.  25 
9Sir  begießen  fein  ©d)reien  nid)t  auf  feinen  Gfjarafter,  fonbern 
(ebiglid)  auf  fein  unerträgliches  Setben.  SiefeS  altein  I)ören  mir 
in  feinem  ©djreien;'  unb  ber  Siebter  tonnte  eS  uns  burd)  biefeS 
©djreien  allein  finnlid)  madjen.'jp 

SSer  tabelt  ifjn  alfo  nod;?  2Ber  mufj  nid)t  melmefyr  befennen:  30 
menn  ber  ^ünftter  roofyl  tfyat,  bajjj  er  ben  Saofoon  nid)t  fdjreten 
lief?,  fo  ti)at  ber  £id)tcr  ebenfo  mofjl,  bafj  er  Ü)n  fdjreien  ftejj? 

216er  üBirgil  ift  I)ier  blof}  ein  ergäljtenber  Sidjter.    SfiHrb  in 
feiner  Stcdjtferttgung   aud)  ber  bramatifd)e  3Hd)ter  mit  begriffen 
fein?    ©inen   anbern  Ginbrud'  madjt  bie  Grjäljlung  von  jemanbS  35 
@efd)rei;  einen  anbern  biefeS  G5efd;rei  felbft.    2>aS  3)ratna,  meldjeS 

1.  grofseä  ÜJinut,  abfidjtlid)  gciuä&ltcr,  utteMer  Slusbrutf,  ber  aber  i«  SeffingS  3evt 
immerhin  nod)  nidjt  bie  weräcf)tlidf)e  sücbentung  fjatte,  nrie  Ijcutjwtage.  —  17.  »ergütet, 
b.  i.  roieber  gut  gemndjt,  in  biefer  21nroenbung  feilte  ungebräudjlid).  —  21.  überb,in  = 
getjenb,  nrie  oben  S.  22  3-  86  für  corübergeljenb,  tranfitorijd). 


£'Qokoo«  IV.  25 

für  bie  lebenbige  5)iaterei  be§  <2d)aufpielerö  beftimmt  ift,  bürfte 
oielleicrjt  eben  be§röegen  fid)  an  bie  ©efe|e  ber  materiellen  SKalerei 
ftrenger  galten  muffen.  §n  iljm  glauben  mir  nidjt  btojs  einen 
fdmeienben  s}>l)iloftet  ju  fet)en  nnb  ju  tjören;  mir  rjören  unb  fcf;en 

5  mirflid)  fdjreicn.  ^e  näl)er  ber  Sdjaufpieler  ber  üföatut  fömmt, 
befto  cmpfinblidjer  muffen  unfere  2lugen  unb  Dtjren  beleibiget 
rcerben;  benn  e§  ift  unmiberfpred)lid),  baf?  fie  es  in  ber  Sftatur 
mcrben,  menn  mir  fo  taute  unb  t)eftige  «tujjerungen  beS  <3d)mcr3e3 
oernetmien.     3ubem    ift    ber   förpertidje  (Sdjmerj    überljaupt   beö 

30  9)iitteibenö  nid^t  f ä£>ig ,  meldjeS  anbere  Übet  crmecfen.  Unfere  Gim 
6übung  t'ann  ju  menig  in  itpn  unterf Reiben,  at§  bcrfj  bie  btofse 
G'rblidung  beöfelben  etmaö  mm  einem  gleidjmäfugen  ©efül)l  in 
uns  rjemorjubringen  oermödjte.  <2opl)of'te3  formte  batjer  teid)t  nicrjt 
einen  blof;  mitlturlidjen,  fonbem  in  bem  SEBefcn  unferer  ©mpftm 

15  bungen  fetbft  gegrünbeten  2lnftanb  übertreten  tjaben,  menn  er  ben 
^>t)iIoftet  unb  Joerfuleö  fo  minfetn  unb  meinen,  fo  fdjreien  unb 
brüllen  läfjt.  Sie  Umftefjenbeu  tonnen  unmögtid)  fo  nie!  Stnieil 
au  it)rem  Seiben  nehmen,  alö  biefe  ungemäjngten  2luöbrüd)e  51t 
erforbem  fdjeinen.    Sie  raerben  uns  3ufct}auem  oergteidjungömeife 

20  talt  oorf'ommen,  unb  bennod)  fönnen  mir  it)r  -Diitteiben  nid)t  mofjt 
anberS,  atö  mie  ba§  DJiaf?  be§  unfrigen  betradjten.  §ier§u  füge 
man,  bcrfj  Oer  <2d)aufpieler  bie  3>orftelIung  beS  torperlidjen  Sdjmerjeö 
ftfjroerlid)  ober  gar  nid)t  bis  ^ur  ^ttufion  treiben  fann:  unb  raer 
mcif?,  ob  bie  neuern  bramatifdjen  Sidjter  nidjt  etjer  511  toben,  als 

25  511  tabetn  finb,  baf$  fie  biefe  flippe  entmeber  gan*;  unb  gar  oer= 

mieben,  ober  bod)  nur  mit  einem  leidjten  ^alpie  umfahren  Ijabm. 

2ßie  mandjeö  mürbe  in  ber  3Tt)eorie  unmiberfpred)lict)  fcrjeinen, 

menn  es  bem  ©enie  ntct)t  gelungen  märe,  bao  2Siberfpiel  burd) 

bie  Stjat  511  erroeifen.    2ltle  biefe  33etrad)tungen  finb  ntct)t  un= 

so  gegrünbet,  unb  bod)  bleibet  ^jtploftet  eine§  oon  ben  9Jieifterftüden 
ber  23ütme.  Senn  ein  £eil  berfetben  trifft  ben  Sopljofteä  nid)t 
eigenttid),  unb  nur  inbem  er  fid)  über  ben  anbem  %e\l  t)inmeg= 
ferset,  t)at  er  <2d)önt)eiten  erreicht,  oon  meldjen  bem  furdjtfamen 
ßunftricbter,  otme  biefe§  33eifpiel,  nie  träumen  mürbe,    ^olgenbe 

55  2(nmerfungen  merben  es  näfjer  geigen. 

1 .    2Öie  munberbar  l)at  ber  2)id)ter  bie  $>bee  be§  f'örpcrtidjen 
Sdjmerjee  311   oerftärfen   unb   ju   erroeitern    gemußt!     G'r  mäljlte 

12.  gleichmäßigen,  b.  i.  ent'pred;ent>cn,  roie  oBen  £.  10  3-  2C. 


26  ffaohoon  IV. 

eine  SDBunbe  —  (benn  aud)  bie  Umftänbe  ber  ©efd)id)te  fann  man 
Betrachten,  als  06  fie  oon  feiner  2S<rf)I  abgegangen  hatten,  info= 
fern  er  nämlid)  bie  gan3e  ©cfd)id)te,  eben  biefer  il)m  oorteilfyaften 
Umftänbe  roegen,  mäfylte)  —  er  roät)lte,  fage  id),  eine  2Sunbe 
unb  nid)t  eine  innerliche  $ranf()eit;  toeil  fid)  oon  jener  eine  leb=  5 
rjaftere  üBorftettung  machen  läjjt,  als  oon  biefer,  menn  fie  aud) 
nod)  fo  fdjmergtidj  ift.  Sie  innere  ft)mpatf)etifd)e  ©tut,  raeldje 
ben  sDMeager  oerjeljrte,  als  ilpx  feine  SKutter  in  bem  fatalen 
Söranbe  il)rer  fd)toefierIid)en  9Sut  aufopferte,  mürbe  bal)er  weniger 
tljeatralifd)  fein,  als  eine  SSunbe.  Unb  biefe  3Sunbe  mar  ein  10 
göttliches  Strafgericht.  Sin  meljr  als  natürliches  ©ift  tobte  im, 
aufl)örlid)  barin,  unb  nur  ein  ftärterer  Unfall  oon  3d)mer$en  (jatte 
feine  gefegte  $ett,  nad)  meinem  jebeSmal  ber  Unglüd'lidje  in  einen 
bctäubenben  <5d)laf  oerfiel,  in  meldjem  fid;  feine  erfdjöpfte  9tatur 
erholen  mufste,  ben  nämlidjen  2Beg  beS  SeibenS  roieber  antreten  15 
311  tonnen  Sljatauorun  tä^t  il)n  bloß  oon  bem  oergifteten  Pfeile 
eineä  Trojaners  oenounbet  fein.  2BaS  fann  man  fid)  oon  einem 
fo  gemölmlidjen  Bufaffe  aufjerorbentßdjeS  oerfpredjen?  ^l)m  mar 
in  ben  alten  Kriegen  ein  jeber  ausgefegt;  roie  fam  es,  bafj  er 
nur  bei  bem  s}>l)iloftet  fo  fdjrecflidje  folgen  §atte?  ©in  natür=  20 
lidjeS  ©ift,  baS  neun  ganger  I^aljre  roirfet,  ofme  ju  töten,  ift 
nod)  ba^u  meit  untoal)rfd)ein(id)er,  als  alle  baS  fabelhafte  üEBunber- 
bare,  womit  es  ber  ©riedje  auSgerüftet  t)at. 

2.  So  grofj  unb  fdjrecflid)  er  aber  aud)  bie  förperlid)en 
Sdjmerjen  feines  gelben  mad)tc,  fo  fül)lte  er  es  bod)  fcl)r  roobl,  25 
bafj  fie  allein  nid)t  l)inreid)enb  mären,  einen  merflidjen  ©rab  beS 
9JiitleibS  31t  erregen.  Gr  oerbanb  fie  baljer  mit  anbem  Übeln, 
bie  gleidjfalfs  für  fid)  betrachtet  nidjt  befonberS  rühren  tonnten, 
bie  aber  burd)  biefe  Skrbinbung  einen  eben  fo  melandjolifdjen  2ln= 
ftrid)  erhielten,  als  fie  ben  förderlichen  Sdjmersen  Ijimoteberum  30 
mitteilten.    2)icfe  Übel  waren ,  oöllige  Beraubung  ber  menfd)lid)en 


8.  fatal,  nid)t  im  Sinne  oon  „toibenoärttg,  unangenehm",  fonbern  gan;  eutfpred)enb 
bem  latein.  fatalis  „oerfyängnioooU";  toeit  ber  Sage  nad)  an  jenem  §oljfd)ett  ba$  Seoen 
beS  iDteteager  ()ing.  @3  gab  aud)  eine  £ragöbie  3Meager  oon  Sopl)ottes>;  SopfjofleS  fdieint 
fid;  aber  an  bie  alte  l)omerifd)e  Raffung  ber  Sage  gehalten  ju  baben,  bie  oon  bem  §oI}< 
fdjeit  ntdjtS  toeifi.  —  :» f.  toürbe  bat) er  weniger  ttjeatralifd)  fein,  bie  J^bfdir.  ur= 
fprünglid)  „ift  baber  meniger  tbeatralifd)".  —  16  f.  Sie  SBunbe  beö  Sßfiiloftet  riitjrt  oon 
bem  SJifj  einer  Sd)lange,  refp.  bei  Sopijofles  oon  bem  fettigen,  baS  (Sebiet  ber  9h)tnpbe 
(Stjrofe  auf  ber  Snfei  gteidjes  SJamens  beroacbenben  2>rad)en  fjer.  Über  bie  SJeraulaffung 
biefeS  SiffeS  toirb  nirgenbs  etioa<3  bemerft.  —  24  ff.  Sa  es,  nad)  ber  befannten  Definition 
be-3  StriftoteleS,  5u  bei  2tufgabe  ber  Sragbbie  gehört,  SDiitleib  su  erregen,  nidjt  füfjte  33e= 
tounberung. 


ffaokoon  IV.  27 

©efettfdjaft,  junger  unb  alle  Unbequemlidjfettcn  bes  £e&en§,  melden 
man  unter  einem  raupen  £tmmel  in  jener  Beraubung  auögefe^et 
ijt. ')    Man  benfe  fidj  einen  9Jienfd;en  in  biefen  Umftänben,  man 

')  2Benn  ber  (ffjor  baS  Gleub  bes  5)Jhüoftet  in  biefer  Serbinbung  betradjtet,  fo  fcßeinet 
5  ihn  bie  hilflofe  ©tnfamfeit  beweiben  ganj  Befonberä  ju  rühren.    3n  jebem  äBorte  fyören 
roir  bett  gefelligcu  (Stiegen.    Über   eine  oon  ben  Ijiefjor  gehörigen  Stellen  habe  id)  inbes 
meinen  ^roeifel.    Sie  ift  bie:  (v.  701—705.) 

"Iv    autv;  i]v  TiQuOovooi ,  oux  iyjuv  fiäair , 
Ovde  Tiv'  iy/ÜQCov, 
10  Kaxoyeitova  itcti>'  o>  ativuv  avtitvnov 

BaqvpQtot'  artoxkav- 
ffsiev  aifiCctTiQov. 
©ie  gemeine  Sinshemfche  Überfe|ung  giebt  bicfeS  fo: 

Ventis  expositus  et  pedibus  captus 
15  Nulluni  cohabitatorem 

Nee  vicinum  ullum  saltem  malum  habens ,  apud  quem  gemitum  mutuum 
Gravemque  ac  cruentum 
Ederet. 
4jieroon  meidet  bie  interpolierte  Überfe§ung  bes  2b.  Sohnfon  nur  in  ben  SBorten  ab: 

20  Ubi  ipse  ventis  erat  expositus,  firmuni  gradum  non  habens, 

Nee  quenquam  indigenarum, 
Nee  malum  vicinum ,  apud  quem  ploraret 
Vehementer  edacem 
Sanguineum  morbum,  mutuo  gemitu. 

25  HKan  fottte  glauben,  er  habe  biefe  oeränberten  SBorte  aus  ber  gebunbeuen  Überfegung  bes 
2bomas  3?aogeorgus  entlehnet.    Senn  biefer  (fein  2Berf  ift  febr  feiten,  unb  gabricius 
felbft  fjat  eä  nur  aus  bem  Cporinfdjen  58üd;eroer5eid)niffe  gefannt)  brücft  fid;  fo  aus: 
—  ubi  expositus  fuit 

Ventis  ipse ,  gradum  firmum  haud  habens , 
30  Nee  quenquam  indigenam ,  nee  vel  malum 

Vicinum ,  ploraret  apud  quem 
Vehementer  edacem  atque  cruentum 
Morbum  mutuu. 

9Benn  biefe  Überfe|ungen  ihre  9iid)tigfett  haben,  fo  fagt  ber  ©fror  bas  Stärffte,  roas  man 
35  nur  immer  jum  Sobe  ber  menfchlidjeu  Öefellfdjaft  fagen  !ann:  3>er  ©lenbe  hat  feinen 
50!enfd)en  um  fid);  er  weife  oon  feinem  freunblichen  Siachbar;  ju  gtüotlid),  roenn  er  aud) 
nur  einen  böfen  9iad)bar  fjätte!  Ihomfon  mürbe  fobann  biefe  Stelle  oielleicbt  cor  3lugen 
gehabt  haben,  roenn  er  ben  gleid)falls  in  eine  roüfte  Snfel  oon  Ööferoidjtern  ausgefegten 
aKelifanber  fagen  lä&t: 
40  Cast  on  the  wildest  of  the  Cyclad  Isles 

Where  never  human  foot  had  marked  the  shore 
These  Ruffians  left  me  —  yet  believe  me,  Areas ; 
Such  is  the  rooted  love  \ve  bear  mankind 
All  ruffians  as  they  were,  I  never  heard 
45  A  sound  so  dismal  as  their  parting  oars. 

2tud)  ihm  märe  bie  ©efeüfchaft  oon  Söferoichtern  lieber  geioefen,  als  gar  feine.  Sin  grofjer 
oortreffliefier  Sinn !  SBenn  es  nur  geroifi  märe ,  bafs  Sophof  les  auch  roirf lieh  fo  etroas  ge= 
fagt  hätte.  2lber  id)  muf;  ungern  befennen,  bafs  ich  nidjts  bergleicben  bei  ihm  finbe;  es 
roäre  beim,  bafe  id)  lieber  mit  ben  2lugen  bes  alten  Scholiaftcn,  als  mit  meinen  eigenen 
50  {eben  wollte,  roelcher  bie  SBorte  bes  Sicbters  fo  umfebreibt:    Od  fibvov  ünov  xadbv  oux 

26.  Qob.  2Ub.  gabricius  (1668—1736),  Herausgeber  ber  1705—1718  erfebienenen 
Bibliotheca  Graeca.  —  37.  Qames  Shomfon  (1700—1748),  befannter  engliieher  35ich= 
ter,  Söerf.  ber  „gahresjeiten",  eines  befdjreibenben  ©ebichteS.  Sie  hier  angeführten  Sßerfe 
ftefjen  in  feinem  Srauerfpiele  „Slgamemnon". 


28  «aokoon  IV. 

gebe  ifjm  aber  ©efunbbeit  unb  Gräfte  unb  ^nbuftrie,  unb  es  ift 
ein  9iobinfon  Grufoe,  ber  auf  unfer  SRitleib  roenig  2lnfprud;  mad)t, 
ob  un§  gleid)  fein  Sdjitffal  fonft  gar  nidjt  gleidjgiltig  ift.  Senn 
nur  finb  feiten  mit  ber  menfdjlidjen  ©efellfdjaft  fo  aufrieben,  bafc 
uns  bie  Wulje,  bie  mir  aufcer  berfelben  genteften,  nid)t  fer)r  reigenb  5 
bünfen  Tollte,  befonbers  unter  ber  9?orftettung,  meldjc  jebeö  ^n= 
bioibuum  id)meid)elt,  bafj  eo  fremben  33eiftanbe§  nad)  unb  nad) 
fann  entbehren  lernen.  2(uf  ber  anbern  (Seite  gebe  man  einem 
•Dienfdjen  bie  fdjineqlidjfte  unljeilbarfte  &ranfl)eit,  aber  man  benfe 
ihn  ^ugleid)  oon  gefälligen  ^reunben  umgeben,  bie  ibjn  an  nidjtö  10 
solange!  leiben  (äffen,  bie  fein  Übel,  fo  viel  in  ifjren  Gräften 
fteljet,  erleid)tern,  gegen  bie  er  unoerljol)len  f lagen  unb  jammern 
barf:  unftreitig   werben  mir  9Jatleib  mit  iljtn  l)aben,  aber  biefeS 

li/t  rna  Tor    fyyou>io>r    ytirora,    v'/./.h    oidh    xaxov,    nun      od    ('^otßccTov   }.uyov 
mtvättöv  axovatte.    2Bie  biefer  Auslegung  bie  angeführten  Überfetjer  gefolgt  finb,  fo  f>at  15 
fid)_  nuef)  ebcnforoofil  SSrumon,  als  unfer  neuer  beutfdier  Überfe^er  barem  gehalten.    3ener 
fagi,  sans  societe,  meine  importune;  unb  biefer  „jcber  ©efellfdjaft,  aua)  ber  befdjroer= 
Iidiften  beraubet".    SDieine  ©rünbe,  roarum  id;  non  itjnen  allen  abgeben  mufj,  finb  biefe: 
Grftlidj  ift  es  offenbar,  bat  roenn  yuyoytnora  von  tiv    ly/o'paw  getrennet  toerben,  unb 
ein   befonbers  ©lieb   ausmadjen   follte,   bie  ^artifel   nväi   cor  xaxoyefaQva  notroenbig  20 
roieberf)oIt  fein  miifite.    Sa  fie  es  aber  nidit  ift,  fo  ift  es  eben  fo  offenbar,  bafs  yay.u- 
yeitova  ju  rtru  gehöret,  unb  bas  Somma  nad)  iyxo'(iwv  megfalten  muß.    SMefes  .ßomma 
bat  fidi  aus  ber  Überfetjung  eingef djtidjen ,  nrie  id)  benn  rouflid)  finbe,  bafi  es  einige  gang 
grieebifdie  Slusgabcn  (j.  G.  bie  SBitten bergif d)e  non  1585  in  8.,  roeld)c  bem  Jabricius  »öttig 
unbefamrt  geblieben)  aud)  gar  nidit  haben,  unb  es  erft,   roie  geprig,  nad)  xaxoyeitovu  25 
i'etjen.    3n,eite"5,  ift  bas  roob'I  ein  böfer  iUadibar,  non  bem  roir  uns  axövov  ävtitvnov, 
ü/noißatov,   wie   es   ber  Scfioliaft   erflärt,   tierfrrcdien  fönnen?    SEedjfelsrceife  mit  uns 
feufjen,  ift  bie  Gigenfdjaft  eines  §jreunbe§,  nicht  aber  eines  Jeinbes.    Aurj  alfo:  man  fi,at 
bas  2Bort  xay.oysitoru  unredjt  oerftanben;  man  h,at  angenommen,  baß  es  aus  bem  2Ibs 
jectiüo  y.ay.oz  sufainmengefeljt  fei,  unb  es  ift  aus  bem  Subftantiuo  ro  xaxiv  sufammen*  30 
gefegt;  man  t;at  es  burd)  einen  Böfeti  9iad)bar  erflärt,  unb  hätte  es  burch  einen  Siacbbar 
bes  SSöfen  erflären  feiten.    So  wie  3cax6/uavtic  nidit  einen  böfen,  bas  ift  fatfeben,  un= 
uiab,ren  5propb,eten,  fonbern  einen  ^roptieten  bes  Sbfen,   y.ay.ifttyrui  nid;t  einen  böfen, 
ungeidiidten  ilünftler,  fonbern  einen  fiünftler  im  SSöfen  bebeuten.    Unter  einem  5Jad)bar 
bes  SSöfen  eerftclit  ber  Sidjter  aber  benjenigen,  teeldjer  entroeber  mit  gleiten  Unfällen,  35 
als   roir,  betjaftet  ift,   ober  aus  greunbfdiaft  an  unfern  Unfällen  Slnteil  nimmt;   fo  i>ai 
bie  gangen  SBorte  ovdy  t/wv  riv'  iy/iigwv  r.ay.oytitora   blofe  burd)  neque  quenquam 
indigenariim  rnali  socium  habens  -,u  iiberfefeen  finb.    Ter  neue  Cngüfdie  Überfe^er  bes 
Sopliefles,  Sfiomas  ^ranflin,  fann  nidit  anbers  als  meiner  Meinung  geroefen  fein,  inbem 
er   ben   böfen  9!ad)bar  in   y.ay.oyuioir  aud;   nid)t  finbet,   fonbern   es  bloji  burd;  fellow-  40 
mourner  überfetjt: 

Espos'd  to  the  inclement  skies, 

Deserted  and  lorlorn  he  lyes, 

No  Iriend  nor  fellow-mourner  tbere, 

To  sooth  bis  sottow,  and  divide  bis  care  /  45 

2.  !)?obinfon  Grufoe  wn  Daniel  £efoe  mar  im  Jsab,rc  171!)  in  Sonbon  erfdiienen 
unb  1720  juerft  in  beutidicr  Überfehung.  —  7.  fd;jneid)eln  niirb  bei  Seffing  unb  fonft 
in  jener  $eit  foinoljl  mit  bent  Stccufatio,  als  mit  bem  £atie  tonftruiert.  —  10.  Sßierre 
Krumen  (1688 — 1742),  ein  gelehrter  ^cfuit,  Serf.  eines  SBerfes  über  bie  gried)ifdien 
Sragöbien.  —  30  ff.  35iefe  Grfläumg  bes  SSorts  y.cty.oyiawv  ift  Ijödift  nmfjridieinlid)  bie 
richtige;  fonft  aber  fdjeint  bie  Stelle  t'erborben  ju  fein,  unb  namentlid)  bas  Sffiort  7iq6o- 
ovfjog  ift  fcftmerlid)  in  Crbnung. 


ffookoon  IV.  29 

3Jiitfeib  bauert  nidjt  in  bie  Sänge,  enblid)  juden  roir  bie  2td)fel 
unb  oerroeifen  it)n  gitr  Qkbulb.  3^ur  mmn  beibe  A'ülle  gufammcn= 
fommen,  wenn  bcr  ©infame  aud)  feines  AUirpers  nid)t  mäd)tig  ift, 
roenn  beut  itranfcn  tbm  fo   roenig   jemanb  anberS  l)ilft,  als  er 

5  fid)  fctbft  t)elfen  fann,  unb  feine  klagen  in  ber  oben  Suft  oer= 
fliegen:  aisbann  feljen  mir  atte§  li'lenb,  roaS  bie  menfd)tid)e  9tatur 
treffen  fann,  über  tn:n  UnglücEItdjen  jufammenf djlagcn,  unb  jeber 
flüchtige  ©ebanfe,  mit  bem  mir  uns  an  fetner  Stelle  benfen,  er= 
reget  Sdjaubern  unb  Gntfe^en.    2Bir  erbltden  nidjts  als»  bie  §Ber= 

10  jroeifhmg  in  ifjrer  fd)rcdlid)ften  ©eftalt  nor  uns,  unb  fein  3Dtit= 
leib  ift  ftärfer,  feines  jerfdjmetget  mel)r  bie  gange  (Seele,  als  ba§, 
roeldjes  fid)  mit  Sorftellungen  ber  SSergroeifhmg  mifdjet.  SSon  biefer 
X'lrt  ift  bas  s))iitleib,  roeld)es  mir  für  bm  ^fjilol'tet  empfinben, 
unb   in   bem  2tugenblide  am  ftärfften  empfinben,  menn  mir  ilm 

15  aud)  feine§  SogenS  beraubet  fefjen,  beS  einzigen,  roaS  ilnn  fein 
fümmerlidjeS  Seben  erhalten  mufjtc.  —  D  bes  granjofen,  ber 
feinen  Serftanb,  btefes  51t  überlegen,  fein  £erg,  biefes  51t  füfjlen, 
gehabt  fjat !  Dber  mann  er  eS  gehabt  Ijat,  ber  flein  genug  mar, 
bem  armfcligeu  ©efdjmade  feiner  Station  alles  biefeö  aufzuopfern! 

20  Gljataubrun  giebt  bem  ^tjiloftet  ©efeltfdjaft.  ßr  läfjt  eine  $rin= 
jeffin  Sodjter  ju  il)m  in  bie  müfte  ^nfet  fommen.  Unb  aud; 
biefe  ift  nidjt  allein,  fonbern  Ijat  il)re  -£>ofmeifterin  bei  fid);  ein 
Sing,  uon  bem  id)  nidjt  roeifj,  ob  es  bie  ^ringeffin  ober  ber 
S)td)ter  nötiger  gebraucht  f)at.    £>a§  gange  oortrefftidje  Spiel  mit 

25  bem  Sogen  fyat  er  meggelaffen.  3)qfür  läfjt  er  fd)öne  Slugen 
fpielen.  freilief)  mürben  sJ>feit  unb  Sogen  ber  fran§öfifd)en  Selbem 
jugenb  fefjr  luftig  oorgefommen  fein.  5ftid)ts  hingegen  ift  ernft- 
l)after  als  ber  ßot'n  fd)öner  2lugen.  2)er  ®ried)e  martert  uns 
mit  ber   greulichen  Sef  orgung,   ber   arme  ^fyiloftet  roerbe  oljne 

30  feinem  Sogen  auf  ber  müften  $>nfel  bleiben  unb  elenbiglid)  um= 
fommen  muffen.  S5er  ^rangofe  roeifs  einen  gemiffem  SGBeg  ^u 
unfern  ^er§en:  er  läfst  uns  fürdjten,  ber  ooljn  bes  3ld)ilfes  roerbe 
ofjne  feine  ^ßringeffin  abjiefjcn  muffen,  tiefes  l)ief$en  benn  aud; 
bie  Variier  Munftridjter,  über  bie  Otiten  triumphieren,  unb  einer 


11.  äcrfdjmetäet,  als  traufitipe  Jyorm,  gegenüber  ber  intraufitioen  Jorm  „serfc^mitjt" 
-  20  ff.  311  (Sf>ateaubruus  3)rnma  befinbet  fid)  in  ber  ÖcfeUfdjaft  Sp^iioltetä  beffen  Socfttev 
Sop()ic  mit  il)rcr  ©rjicfjerin  Sßahirire.  S)ie  üiebe  bes  jungen  9teoptotemos  ju  ber  fdjönen 
gopfjie  i'pielt  in  bem  ßonfütt,  in  jpcidjen  fid)  berfetbe  perfekt  fiefjt,  bie  Hauptrolle.  — 
39,  öeforgung,  ungeroöimlid;  für  „Öeforgniö".  —  2!)f.  o()ne  feinem  'öogen.  Seffing 
gebraudit  „o^ne"  me^rfatt)  mit  bem  3)atio. 


30  fiaokoon  iv 

fdjlug   uor,   baö  Gb/itaubrunfdje  <5tüd   la  Difficulte  vaincvte   ]u 
benennen. *) 

3.  Nad)  ber  2öirfung  be§  ©tmgen  betrachte  man  bie  einzeln 
Scenen,  in  roeldjen  ^Inloftet  nidjt  mefyr  ber  oerlaffene  ftranfe  ift; 
roo  er  Hoffnung  i)at,  nun  balb  bie  trofttofe  Ginöbe  51t  oerlaffen   5 
unb  roieber  in  [ein  ^eid)  ju   gelangen;   roo  fid»  alfo  fein  gan$e§ 
Ungtücf  auf  bie  fdjmenltdje  3Bunbe  einfd)ränft.    Gr  roimmert,  er 
fcfyreiet,  er   befömmt  bie  grä^lidjften  Quärmcfin.    §ierroiber  gefjet 
eigentlich  ber  Ginrourf  beö  beleibigten  2(nftanbe3.    G§  ift  ein  @ng= 
(änber,  roeldjer  biefen  ©inrourf  madjt;  ein  9)iann  alfo,  bei  roekfyem  10 
man  nid)t  feidjt  eine  falfdje  Setif'ateffe  argroofjnen  barf.    9Sie  fdron 
berührt,    fo   giebt  er  tlmt   audj   einen    fetjr    guten   ©runb.     2H(e 
ßmpfinbungen  unb  Seibenfdjaften,  fagt  er,  mit  meieren  anbere  nur 
fefyr  roenig  fnmpatfjifieren  fönnen,  roerben  anftöftig,  roenn  man  fie 
gu  Ijeftig  ausbrüdt. b)    „2(u3  biefem  ©runbe  ift  nicfjtg  unanftänbiger,  15 
unb  einem  -Bfomne  unroürbiger,  als  roenn  er  ben  ©dnnerj,  aud) 
ben  allerljeftigften,  nid)t  mit  ©ebulb  ertragen  fann,  fonbern  roeinet 
unb  fd;reiet.    grvav  giebt  e§  eine  (Sympathie  mit  bem  förperlidjen 
Sdmterje.    2öenn  roir  fefyen,  baf$  jemanb   einen  <2d)lag  auf  ben 
3(rm   ober  ba§  <3d)ienbein  befommen  foll,  fo   fahren  roir  natür=  20 
lidjer  28eife  jufammen,  unb  jieljen  unfern  eigenen  Slrm,  ober  Sd)ien= 
bein  $urüd;  unb  roenn  ber  ©djlag  roirflid;  gefdjieljt,  fo  empfinben 
roir  ifm  geroiffermajjen  eben  fo  rooljl,  als  ber,  ben  er  getroffen, 
©leidjroofjl  aber  ift  eö  geroifj,  baf$  ba3  Übel,  roeldjeS  roir  füllen, 
gar  nid)t  beträdjtlid)  ift;  roenn  ber  ©efdjlagene  baljer  ein  IjeftigeS  25 
©efdjrei  erregt,  fo  ermangeln  roir  nidjt,  ilm  gu  »erachten,  roeil  roir 
in  ber  iserfaffung  nidjt   finb,    ebenfo   heftig   fcr)reien  ju  fönnen, 
a(3  er."  —  3iidjts>  ift  betrüglidjer  al§  allgemeine  ©efetje  für  unfere 
G'mpfinbungen.    %i)v  ©eroebe  ift  fo  fein  unb  oerroidelt,  bafj  e§ 
aud)  ber  befyutfamften  ©pefulation  faum  möglid)  ift,  einen  einzeln  30 
?yaben  rein  aufjufaffen  unb  burd)   alle  .^reu^fäben  ju  oerfotgen. 
f 

=)  Mercure  de  France,  Avril  1755,  p.  177. 

3)  The  Theory  of  Moral  Sentiments,  by  Adam  Smith.  Part.  I.  sect.  2.  chap.  1. 
p.  41.     (London  1761.) 

9f.  2>er  in  ber  2tnm.  ©cnannte  ift  bev  berühmte  engüfdje  9iationalöfonom  Slbam 
■=mith  (1723—1790).  Mnftatt  be*  engliidjen  Titels  in  ber  SJote  bot  bie  £bfd)r.  anfängt 
lidj  bie  SBortc:  „2lbam  Znütt),  in  feiner  S'ljeorie  ber  ntoralifcfien  gmpfinbungen,  2  2lbfd)n. 
I  flayt."  —  12.  einen  iefjr  guten  ®runb,  in  ber  £bfd)r.  uricriinglirf)  „einen  ielir 
pbilofoiifiiicfien  Pirunb".  —  23.  geroif  iertnafsen  ebzn  fo  roo  hl,  bie  Jgbfdjr.  fjatte  an= 
fiinglitfj  „faft  eben  fo  lebhaft".  —  28.  betrüglicf)er,  beute  ttngeroöfmlid),  bafiir  „trügen 
xvd)". 


fciohoon  IV.  31 

©elingt  e§  ilm  aber  aud)  fdjon,  roa§  für  üftu^en  ijat  k<3?  iE»  giebt 
in  bcr  -Jcatur  feine  einzelne  reine  Gmpfinbung;  mit  einer  jeben 
entfielen  taufenb  anbere  jugleid),  beren  geringfte  bie  ©runbempfin= 
bung  gän^lidj   neränbert,    fo    bafs  2tusnat)men    über  2lusna()inen 

ö  ermacfjfen,  bie  ba§  nermeinttid)  allgemeine  ©efe£  enblid)  fetbft  auf 
eine  blojje  ßrfatjrung  in  wenig  einzeln  fällen  einfdjränfen.  — 
9Bir  ueradjten  benjenigen,  jagt  ber  (ünglänber,  ben  mir  unter 
förperlidjen  ©djnterjett  Ijeftig  fdjreien  Ijören.  2lber  nid;!  immer: 
nid)t  311m  erften  9KaIe;  nidjt,  menn  mir  fcljen,  bajj  ber  Seibenbe 

10  altes  mögliche  anraenbet,  feinen  Sdjmerj  gu  »erbeten;  nid)t,  menn 
mir  il)n  fonft  al§  einen  -Jftann  non  Stanbfyaftigfeit  f'ennen;  nod) 
weniger,  menn  mir  ifjn  fetbft  unter  bem  Seiben  groben  non  feiner 
Stanbljaftigfeit  ablegen  fefyen,  menn  mir  fetjen,  bafj  Um.  ber  Sdjmer^ 
gmar  jüm  Schreien,  aber  aud)  ju  roeiter  nid)t§  Urningen  fann,  baf$ 

i5  er  fid;  lieber  ber  längern  g-ortbauer  biefeS  Sdjmerjeg  unterwirft, 
al§  ba§  geringfte  in  feiner  £enfung3art,  in  feinen  ßntfdjlüffen 
anbert,  ob  er  fdjon  in  biefer  9Jeränberung  bie  gänjtidje  ©nbfdjaft 
feines  SdjmerjeS  Ijoffen  barf.  £)a§  alle§  finbet  fid)  bei  bem  ^()i= 
(oftet.    Tie  moralifdje  ©röf?e  beftanb   bei  ben  alten  ©rieben  in 

20  einer  ebenfo  unoeränberlidjen  Siebe  gegen  feine  $reunbe,  als  un= 
roanbelbarem  ^affe  gegen  feine  g-einbe.  2)iefe  ©röfje  behält  ^tjiloftet 
bei  alten  feinen  Martern.  Sein  Sdjmerj  tjat  feine  Singen  nicfjt 
fo  oertrodnet,  bajj  fie  iljm  feine  tränen  über  ba§  Sdjid'fal  feiner 
alten  g-reunbe  geraätjren  fönnten.    Sein  Seltner?,  t)at  iljn  fo  mürbe 

25  nidjt  gemadjt,  baf$  er,  um  iljn  to§  511  merben,  feinen  $einben  üer= 
geben,  unb  fid)  gern  §u  allen  il)ren  eigennü^igen  2lbfidjten  brauchen 
laffen  möctjte.  Unb  biefen  Reifen  uon  einem  3Ranne  fjätten  bie 
2ltl)enienfer  ueradjten  folten,  roeit  bie  üffiellen,  bie  il)n  nidjt  erfdjüttern 
fönnen,  tt)n  roenigftenö  ertönen  madjen?  —  $d)  befenne,  baj}  idj 

80  an  ber  ^>l)iIofopl)ie  beö  Gicero  überhaupt  roenig  ©efdjmad  finbe; 
am  alterraenigften  aber  an  ber,  bie  er  in  bem  groeiten  33udje  feiner 
^uöfulanifdjen  fragen  über  bie  Grbulbung  beö  förperlidjen  Sdjmerjeg 

2.  Gmpfinbung;  man  oergleidje,  roaS  Seffing  im  2lbfdm.  XXV  aus  üfienbelsfobn 
über  bie  unangenetjmen  ßmpfinbungen  anführt.  —  8—19.  53gl.  befonbero  33.  1315  ff. ,  roo 
3Jeoptotemoö  bem  ^büoftet  auSeinanberfeist,  bafj  er  nad)  einer  glaubunirbigeK  ^rovfjejeinng 
nur,  menn  er  freiiniüig  mit  nad)  Sroja  fomme,  r>on  feinem  Übel  befreit  merben  tonne; 
bennoeb  rocigert  fid)  ^pr>itoftet,  mit}ufommen.  —  22 — 24  bejiefjt  fiefj  auf  33.  410  ff.,  roo  fid) 
^Hottet  nad)  bem  <Sd)idfal  bes  2ljar  unb  anberer  alter  2Baffengefä£irten  erfunbigt.  — 
91  f.  £er  ^nbalt  bes  jroeiten  SBucbe*  von  Giceroö  Susfulanen  beftebt  in  ber  Darlegung, 
bafs  ber  Sdjmer,  $n>ar  ein  Übet,  aber  fein  unbefiegbareo  fei ;  burd)  Übung  unb  ©eir>of)n= 
beit,  feroie  bura)  (gelbftbefjerrfdning,  3?adiaf)mung  ebter  Sorbitber  u.  I  m.  fönne  man  ib,n 
bejiningcn. 


32  «aofcoon  IV. 

auoframct.  Man  follte  glauben,  er  motle  einen  ©labiator  abrieten, 
fo  fefjr  eifert  er  raiber  ben  äufjerlidjen  2lu§brucf  beS  ©äjmerje§. 
v\n  biefem  fcr)einet  er  allein  bie  Ungebulb  gu  ftnben,  ofjne  ju  über= 
legen,  bajj  er  oft  nidjtä  weniger  als  freiwillig  ift,  bie  matjre 
Sapferfeit  aber  fidj  nur  in  freiwilligen  ^anblungen  geigen  fann.  5 
@r  rjort  bei  bem  ©opl)ofle§  ben  ^3t)itoftet  nur  flagen  unb  fdjreien, 
unb  überfielt  fein  übriges  ftanbljafteS  betragen  gänjlid).  2Bo 
Ijätte  er  aud)  fonft  bie  ©etegenfjeit  ju  feinem  rljetorifdjen  2tu§= 
falle  trüber  bie  Siebter  hergenommen?  „<3ie  f offen  \m$  meidjlid) 
machen,  roeit  fie  bie  tapferften  Männer  flagenb  einführen."  ©ie  10 
muffen  fie  flogen  laffen;  benn  ein  Sweater  ift  feine  2lrena.  £>em 
uerbammten  ober  feilen  $ed)ter  fam  e§  ju,  affe§  mit  2tnftanb  31t 
tl)im  unb  ju  leiben.  33on  il)m  mufjte  fein  ffägtiajer  i-aut  gehöret, 
feine  ftfjmerjtidje  Ladung  erbtiefet  merben.  "2)enn  ba  feine  Söunben, 
fein  ;£ob,  bie  3ufd)auer  ergoßen  fofften:  fo  mufjte  bie  föunft  atteö  15 
©efüi)t  uerbergen  lehren.  2)ie  geringfte  Äufjerung  öeäfelben  t)ätte 
lUiitleiben  ermed't,  unb  öfters  erregtet  s3Jiitleiben  mürbe  biefen  froftig 
graufamen  ©djaufpielen  balb  ein  @nbe  gemacht  fjaben.  3Sa§  aber 
tjier  nierjt  erregt  merben  follte,  ift  bie  einzige  2tbfid)t  ber  tragifdjen 
Söüljne,  unb  fobert  bafjer  ein  gerabe  entgegengefetjteS  Setragen.  20 
2>ln*e  gelben  muffen  ©efüfjl  seigen,  muffen  il)re  Scfjmersen  äußern, 
unb  bie  btofje  Sftatur  in  fidj  mirfen  laffen.  Verraten  fie  3(6rid)tung 
mit)  3roang,  fo  laffen  fie  unfer  §erj  f alt ,  unb  klopffester  im 
Motl)urne  fönnen  fyödjftens»  nur  berounbert  merben.  ®iefe  S3e= 
nennung  uerbienen  alle  sJkrfonen  ber  fogenannten  Senecafdjen  Xta-  25 
gooien,  unb  idj  bin  ber  feften  Dteinung,  baf}  bie  ©labiatorifdjen 
(Spiele  oie  tmrnetjmfte  Urfadj  geroefen,  roarum  bie  Körner  in  bem 
£ragtfd)en  nod;  fo  m>it  unter  bem  -iDltttelmäfjigen  geblieben  finb. 

1;  f.  Sie  (Sitate  Tusc.  II,  7, 13  finb  au3  bem  ^Ijilottet  be3  Stdjterä  Stcciuä,  nid)t  au-i 
bem  bes  Sopl;otle3  entnommen.  —  Of.  Sie  [ollen  .  .  .  einführen,  biefe  SBorte  fielen 
II,  ll,  27.  —  12.  Sie  römifdjen  ©lobintoren  roareu  entroeber  ju  ben  SJecfjterfpteten,  Xier= 
betten  u.  f.  ro.  uerbammt,  b.  i).  als)  33erbrea)er,  flriegSgefangette,  entlaufene  Stlapen  per* 
urteilt;  ober  fie  untren  [eil,  b.  ty.  fie  Ijatteu  ficti  ju  biefem  enteljrenbett  Berufe  au>5  freien 
Stücten  »erlauft  ober  oermietet.  —  I9f.  Sgl.  oben  S.  2-;.  —  23.  jUopf f ea) ter  tjiefsen 
urfprünglid)  junftmäjjige  ^ed)ter,  roeldjc  iwanbernb  iljre  fiunft  lehrten;  „Hopfen"  bebeutet 
babei  ein  »Jetten,  bei  bem  ei  metyr  auf  Särmen  unb  Sdjlagen,  at§  auf  funftgerecfjte  öiebe 
anfallt,  Saburd)  befommt  bas  2Bort  mit  ber  3eit  ö'e  Sebeutung  eine«  prabjerifdjen 
BerufSfedrterS.  Sa  ber  ftotbum  bie  in  ber  alten  Sragbbie  ü6lid)e  gufj&efleibung  ber 
Sdwufpieler  ipar,  fo  fino  alfo  „ffilopf[ea)ter  im  uotburu"  ©d)aufpieler ,  bie  lief)  in  _pral)le= 
rifa)er  Seife  als  .wlben  gebärben.  —  24 ff,  Ceffingä  Derroerfenbeä  Urteil  ber  2eneca= 
faicii  Iragöbien  (bie  Ijier  fogenaunt  Reiften,  ipeil  bie  5lutorfd)aft  be§  Seneca  friitjer 
pielfaa)  angezweifelt  roorben  ift)  iuirö  oon  ber  mobernen  Jorfcljung  im  roefetttltdjen  geteilt, 
ba  in  ben[el6en  baS  boble  ^ati;o5  an  Stelle  nmljrcu  men[(^lia)en  Julien?  unb  ©mpfinbenä 
tritt. 


ffaokoon  IV.  33 

2tte  3uf«^auer  lernten  in  bem  Stutigen  Stmpfjitfjeater  atte  -Katur 
oerfennen,  roo  allenfalls  ein  ßtejtaä  feine  Slunft  ftubieren  tonnte, 
aber  nimmermehr  ein  SoptjotleS.  SaS  tragifdjfte  ©enie,  an  biefe 
fünftlidje  SobeSfcenen  getnörmt,  mufste  auf  Sombaft  unb  9tobo= 

5  montaben  oerfalten.  216er  fo  roenig  ats  fotdr)e  9tobomontaben  roatjren 
§etbenmut  einflößen  fönnen,  ebenfo  raenig  fönnen  ^>f)itoftetifd;e 
Magen  meicfytid}  machen.  'Sie  Etagen  finb  eines  9.)ienfd)en,  aber 
bie  £anb(ungen  eines  Reiben.  Seibe  madjen  ben  menfdjlidjen  Reiben, 
ber  ineber  wetdjtidj  nod;  »erhärtet  ift,  fonbern  batb  biefeS  balb 

10  jenes  fdjeinet,  fo  nue  i()n  itjt  Statur,  ittf  ©runbfätje  unb  ^3ftid;t 
oerlangen.  ßr  ift  baS  §ödjfte,  roaS  bie  2öeist)eit  tjeroorbringen, 
unb  bie  Äunft  nadjatjinen  fann. 

4.  üftidjt  genug,  baf3  SopfjofteS  feinen  empfinbtidjen  -^t)itoftet 
uor  ber  ^erad)tung  gefidjert  fjat;  er  fjat  aud;  attem  anbern  roeiSlid) 

15  üorgebauet,  maS  man  fonft  au§  ber  2lnmerfung  beS  CsnglänberS 
roiber  it)n  erinnern  tonnte.  Senn  üeradjten  mir  fdjon  benjenigen 
nidjt  immer,  ber  bei  förpertidjen  ©djmerjen  fdjreiet,  fo  ift  bod) 
biefeS  umuiberfpredjlid),  bafj  mir  nidjt  fo  viel  SRitteiben  für  it)n 
empfinben,  afö  biefeS  ©efdjrei  -$u  erf orbern  fdjeinet.    2Bie  f  offen 

20  fid)  atfo  biejenigen  nert)atten,  bie  mit  bem  fdjreienben  s$t)iloftet  gu 
ttjun  tjaben?  «Sotten  fie  fidt)  in  einem  l)ot)en  ©rabe  gerüljrt  fteflen? 
(SS  ift  miber  bie  Sföatur.  Sollen  fie  fidj  fo  latt  unb  nertegen 
begeigen,  als  man  rairttid;  bei  bergteidjen  Ratten  gu  fein  pftegt? 
SaS  ntürbe  bie  roibrigfte  ©iffonang  für  ben  3ufd)auer  tjeroorbringen. 

25  2tber,  mie  gefagt,  aud;  biefem  t)at  SoptjofleS  oorgebauet.  Saburdj 
nämtidj,  bafj  bie  9?ebenperfonen  iljr  eigenes  ^ntereffe  Ijabtn;  bafj 
ber  ©inbruef,  roetdjen  baS  ©freien  beS  5ßt)itottet  auf  fie  madjt, 
nidjt  baS  einzige  ift,  roaS  fie  befdjäftiget,  unb  ber  3ufdjauer  bafyer 
nidjt  forootjt   auf   bie  Disproportion   ifjreS  SJlitleibS  mit   biefem 

30  ©eftfjrei,  als  nietmet)r  auf  bie  JBeränberung  adjt  giebt,  bie  in  tfjren 

-'.  Rtefiaä  ift  üerfdjrieben  für  Stefitau'3;  fo  lautete  in  beit  früheren  ÜluSgaben  bes 
Sßliniuä  XXX [V,  77  bie  Se3art  für  ÄrcfitaS,  ben  SWeifter  ber  Statue  eines  fterbenbeit 
93errounbeten ,  „meiern  man  anfetien  tonnte,  roeld)'  fleiner  9teft  Seben  nod)  in  i^m  fei". 
Sodi  ift  bie  SBerbinbung  biefeS  ßünftters  mit  ben  ©(abiatorenfpielen  ein  ^trtum,  ;,u  bem 
fid)  Seffing  bura)  eine  Stelle  in  2Bincfe(mann§  „Öebanfen  über  bie  Jcadjabmung  ber  grie= 
d)ifd>en  SEerfe"  tjat  öerleiten  laffen:  SBincfetmann  tjiett  bie  berütjmte  Statue  be§  fog.  fter= 
benben  geebters  (auf  bem  Äapitot)  für  ibentifd)  mit  jenem  SBenuunbeten  be5  ßrefita'5. 
9hm  lebte  aber  Ärefilaä  sur  3eit  b^s  4$bibia§,  100  man  nicb>3  non  ölabiatoren  luufjte; 
aua)  ift  ber  fog.  fterbenbe  ged)ter  fein  ötabiator,  fonbern  ein  ©allier,  unb  ein  SBcrf  ber 
Aünftterfd)ule  non  ^ergamou.  —  -if.  Sombaft,  ©d}iuu[ft;  bie  Ableitung  be§  Söorteä  ftebt 
nidjt  feft.  —  Siobomontaben,  ^raijtereien,  benannt  nad)  Siobomonte,  einem  ®rofj= 
fpredjer  in  ^öojarboä  „oertiebtem  SHotaub".  —  29.  Disproportion,  bas  entfpredjcnbe 
beutfije  2Bort  „TOffjoerb,äitniä"  fdjeint  ju  ÜeffingS  3eit  n0$  nic^t  im  ®cbraua)  geroefeu 
SU  fein. 

2effing§  SBerfe  9.  3 


34  ffnckoon  IV. 

eigenen  ©efmnungen  unb  2(nfd)fägen  burd)  baä  9Jtitleib,  e§  fei 
fo  fdmmd)  ober  fo  ftarf  e§  roill,  entfielet,  ober  entfielen  foüte. 
Sceoptolem  nnb  ber  Gfjor  fjaben  ben  unglüdfidjen  $J]t)iioftet  l)tnter= 
gangen;  fie  erfennen,  in  meiere  ißerjtoeiflung  ir)n  ifjr  betrug  ftür^en 
werbe;  mm  befömmt  er  feinen  fd)redlid)en  ßufaß  oor  ifyren  2(ugen;  5 
fann  biefer  Bufaft  feine  merflidje  fvjmpatl)etifd;e  (Empfinbung  in 
i()nen  erregen,  fo  fann  er  fie  bod)  antreiben,  in  fid)  ju  gefyen, 
gegen  fo  uiel  ©lenb  Sichtung  51t  fjaben,  nnb  e§  burd)  33erräterei 
nidjt  fjäufen  ju  motten.  £>iefe§  erwartet  ber  ßufdjauer,  nnb  feine 
Grmartung  finbet  fid)  oon  bem  ebehnütigen  9?eoptolem  nidjt  ge=  10 
täufebt.  Sßfyiloftet,  feiner  Sdmierjen  9Jieifter,  mürbe  ben  9ceopto(em 
bei  feiner  2>erfteffung  erhalten  fjaben.  ^>E)üoftet,  ben  fein  Scfjmeq 
alter  $erftellung  unfähig  mad)t,  fo  fyödjft  nötig  fie  ilnn  aud)  fdjeinet, 
bamit  feinen  fünftigen  9ktfegefäi)rten  ba§  iserfpredjen,  \i)n  mit 
fid)  §u  nehmen,  nicr)t  51t  balb  gereue;  ^>f)iIoftet,  ber  ganj  9?atur  15 
ift,  bringt  aud)  ben  Dieoptolem  51t  feiner  Diatur  roieber  jurüd. 
SDiefe  Umfefjr  ift  nortreff  lid) ,  unb  um  fo  nie!  rüfjrenber,  ba  fie 
t>on  ber  bloßen  9)ienfcf)licf)feit  bemirfet  mirb.  Sei  bem  ^ranjofen 
fyaben  mieberum  bie  fdjönen  2tugen  ifjren  £etl  baran.4)  £>ocf)  id; 
roitf  an  biefe  ^arobie  nid)t  meljr  benfen.  —  ©e§  nämlichen  ^unft=  20 
griff  §,  mit  bem  9Jiitleiben,  weldjeS  ba§  ©efdnei  über  förperlidje 
<2d)inerjen  fjernorbringen  fottte,  in  ben  Umfteljenben  einen  anbern 
2(ffeft  51t  nerbinben,  fjat  fid)  ©opljofleö  aud)  in  ben  Träumerinnen 
bebient.  S)er  Sdnnerg  be§  £>erfule§  ift  fein  ermattenber  ©cfjmerj; 
er  treibt  ifm  bis  gur  Sfaferei,  in  ber  er  nad)  nid)t§  al§  nad)  Stadje  25 
fdjnaubt.  <2djon  fyatte  er  in  biefer  3But  ben  Stdjaö  ergriffen,  unb 
an  bem  Reifen  gerfdjmettert.  ©er  Gljor  ift  roeiblicf);  um  fo  uief 
natürlicher  mufj  fid)  $urd)t  unb  Gntfetjen  feiner  bemeiftern.  2)iefe3, 
unb  bie  (Erwartung,  ob  nod)  ein  ©ort  bem  -§erfule§  ju  ^>ilfe 
eitert,  ober  •(oerfuIe§  unter  biefem  Übel  erliegen  roerbe,  macf)t  fiter  30 
bao  eigentliche  allgemeine  ^ntereffe,  roeldjes  uon  bem  -Jftitleiben 
nur  eine  geringe  Sdjattierung  crl)ält.  Sobalb  ber  21u§gang  burd) 
bie  ^ufammenl)altung  ber  Drafel  entfdjieben  ift,  mirb  §erfule§ 

")  Act.  II.  Sc.  III.  De  nies  degnisenieuts  <jiie  penseroit  Sophie?  Sagt  ber  Sof)n 
be§  3td)iae5. 

2.  fo  ftarf  eStoill;  bie  £bjdir.  urfpriinglid)  „roolfe".  —  7.  antreiben;  bie  £bfd)r. 
uvfprünglid)  „Bewegen".  —  26.  Vi  dm  5,  roeld)er  bem  ,s>erafles  bas  oergiftetc  ©eroanb  neu 
ber  Tejiinira  überbradjt  I;atte.  —  ".2  f.  Sct-5  Drafel  ju  £obona  fyatte  bem  §crafles  nad) 
Verlauf  t>on  15  3)ionaten  ßrlöfung  uon  feinen  SBifl^faBJen  prorJ&ejeit,  fein  Sater  3eu§  aber 
Ijntte  ilun  cinft  pertünbigt,  bafj  er  burd)  feinen  S/ebcnben,  fonberu  burdi  einen  Skroofmer 
beS  .s>abe§  untergefien  roerbe  (Xradnn.  -17;  166 ff. ;  1 159 ff.).    Seibc  Crafel  gef)en  nun  in 


Caohoon  V.  35 

rufyig,  unb  bie  SSenmnberung  über  feinen  fe$ten  ßntfdjlufj  tritt 
an  bie  ©teile  alter  anbern  ©mpftnbungen.  Überhaupt  aber  mufj 
man  bei  ber  üßergleidmng  beö  teibenben  ^erfnleö  mit  bem  leibenben 
5ߧiloftet  ntdjt  oergeffen,  baf$  jener  ein  Halbgott,  unb  biefer  nur 

5  ein  -Jftenfdj  ift.  2>er  sIftenfd;  fdjämt  fidj  feiner  Magen  nie;  aber 
ber  Halbgott  fdjämt  fidj,  baf$  fein  fterblidjer  SEeil  über  ben  unfterb= 
lidjen  fo  oiel  r>ermod)t  fyabe,  bafs  er  roie  ein  DJiäbdjen  meinen  unb 
roinfeln  muffen.5)  2Bir  feuern  glauben  feine  Halbgötter,  aber 
ber  geringfte  §elb  fott  bei  uns  roie  ein  Halbgott  empfinben  unb 

iü  Ijanbeln. 

£>h  ber  <Sd;aufpieler  ba3  ©efdjrei  unb  bie  33erjudungen  be§ 
©dmterjeS  bi§  jur  ^ttufton  bringen  fönne,  roitt  idj  roeber  ju 
»erneuten  nodj  311  bejahen  wagen.  Söenn  id;  fänbe,  bajä  e3  unfere 
Sdjaufpieler  nidjt  fönnten,  fo  müfjte  id)  erft  roiffen,  ob  e§  and) 

15  ein  ©arrif  nidjt  oermögenb  märe:  unb  roenn  eö  and)  biefem  nidjt 
gelänge,  fo  mürbe  idj  mir  nodj  immer  bie  ©fäoopoeie  unb  3)efla= 
mation  ber  2(lten  in  einer  33oUfomment)eit  benfen  bürfen,  r>on 
ber  mir  Ejeutgutage  gar  feinen  Segriff  ijabm. 

V. 

20  @§  giebt  Kenner  beS  2lltertum§,  meiere  bie  ©ruppe  Saofoon 

jmar  für  ein  2öerf  griedjifdjer  9^eifter,  aber  aus>  ber  3^it  ber 
^aifer  galten,  metl  fte  glauben,  bafj  ber  SSirgilifdje  Saofoon  babei 
§um  9}orbübe  gebient  fjabe.  ^d)  miß  oon  ben  altern  ©eleljrten, 
bie  biefer  Meinung  geroefen  finb,  nur  ben  ^Bartholomäus  SJiarliant,1) 

25  5)  Trach.  v.  1088.  89. 

■  Zan;  wate  7id^&svog 

üffifjü/d  xÄaiwv  —  — 

')  Topographiae  Urbis  Komae  libr.  IV.  cap.  14.     Et  quanquam  hi  (Agesander 
et  Polydorus  et  Athenodorus  Rhodii)  ex  Virgilii  descriptione  statuam  hanc  forma- 
30  visse  videntur  etc. 

Grfüllung:  ber  33erftorbcne,  burd)  ben  er  untergeht,  ift  ber  Kentaur  9ccffos;  unb  Grlöfung 
»on  allen  kämpfen  bringt  it)tn  ber  2ob  (ebb.  1162  ff.). 

11.  SSerjudungen,  für  bas  I)eute  gebräud)lid)ere  „^uetnngen".  —  15.  ©arrid, 
ber  berühmte  englifdje,  aud)  in  Seutfcblanb  burd)  ©aftretfen  befannt  geworbene  Sd)au= 
fpieler  (1716 — 1779).  —  16.  Sfäuopoeie,  alte  <2d)reibroeife  (roie  3är>5  für  3eus)  anftatt 
,,2teuopoeie",  b.  i.  bie  Anfertigung  von  9J!asfen,  fioftümen  unb  fonftigen  Sbcaterrequifitcn. 
Sie  IjoEje  ÜJieinung,  bie  fieffing  b,ter  von  ber  ©djaufpielfunft  ber  Sitten  äufjert,  ift  fd)roer= 
lid)  gerechtfertigt;  ba  bie  äJiasfcn  jebes  ÜJJiencnfpicl  binberten,  roar  offenbar  bie  ©ebärbe 
ber  roidjtigfte  Seil  ber  alten  Sdjaufpielfunft.  Slllerbings  ift  es  roab,rfd)einlid) ,  bafj  bet- 
reib eines  Stüdes  nid)t  burd)  bas  gan^e  Stütf  bjnburd)  biefelbe  2JJasfe  trug,  üielmebr  je 
riad)  Situation  unb  Stimmung  oerfcbjebene;  aber  ber  9Iad)teil  bes  feblenben  3JHenenfr>ieles 
blieb  babei  bod)  beftefyen.  —  24.  Bartholomäus  Diarliani  aus  SJlatlanb  (geft.  in  9lom 
um  1560),  »erfaßte  bie  erfte  größere  rmffenjd)aftlid)e  Topographie  »on  3iom  (1544).    Jjn 

3* 


36  ffaokoon  V. 

unb  oon  ben  neuern  ben  -DJiontfaucon  -)  nennen.  Sie  fanben  ofyne 
3iueifel  jroifdjen  bem  Äunftroerfe  unb  bev  §8efdjret6ung  be3  üDicb/ 
ters  eine  fo  befonbere  Übereinftimmung,  baj$  e§  iljnen  unmöglid; 
bünt'te,  baf?  beibe  von  ofyngefäfyr  auf  einerlei  Umftänbe  folften 
gefallen  fein,  bie  fid)  nidjtö  weniger  al§  oon  felbft  barbieten.  5 
2)abei  festen  fie  norau§,  bafs  wenn  e§  auf  bie  (Sr)re  ber  ©rfinbung 
unb  be§  erften  ©ebanfenä  anlomme,  bie  SöafyrfdjeinlicPeit  für  ben 
©tdjter  ungleid;  gröfjer  fei  als  für  ben  $ünftler. 

%lux  fdjeinen  fie  uergeffen  51t  Ijaben,  baf$  ein  britter  %aü 
mtjglid)  fei.  Senn  uietteidjt  t;at  ber  Sidjter  ebenfo  menig  ben  10 
Äünftler,  al§  ber  Künftler  ben  25id;ter  nadjgealnnt,  fonbern  beibe 
fyabcn  au§  einerlei  ältrern  Quelle  gefdjöpfi.  %lad)  bem  9Jiacrobiu§ 
mürbe  s$ifanber  biefe  ältere  Duette  fein  tonnen.5)  ©enn  al§  bie 
Söerle  biefe§  griedjifdjen  5Did)ter§  nod;  norljanben  maren,  mar  es> 
fdnilfunbig,  pueris  decantatum,  bajj  ber  Körner  bie  gange  @r=  15 
oberung  unb  3erftörung  £dium§,  fein  ganjeö  jmeiteö  SBudj,  aus 
üjm  nidjt  forooljl  nadjgealnnet,  al§  treulid;  überfetjt  fyabt.  2öäre 
nun  alfo  ^>ifanber  aud)  in  ber  0efd)id)te  be§  Saof'oon  23irgit3 
Vorgänger    geroefen,    fo    brauchten    bie  griedjifdjen  $ünftler  ifjve 

-)  Suppl.  aux  Ant.  Expliq.  T.  I.  p.  242.     II  semble  quAgesandre,  Polydore  et  20 
Atbenodore,   qui   en  furent  les   ouvriers,   ayent   travaille  coniine  ä  l'envie,   pour 
laisser  un  nionunient,  qui  repondoit  ä  l'incomparable  description  qu'a  fait  Virgüe 
de  Laocoon  etc. 

3)  Saturnal.  lib.  V.  cap.  2.  Quae  Virgilius  traxit  a  Graecis ,  dictururune  me 
putatis  quae  vulgo  nota  sunt?  quod  Tbeocrituni  sibi  fecerit  pastoralis  operis  25 
autorern,  ruralis  Hesiodum?  et  quod  in  ipsis  Georgicis,  ternpestatis  serenitatisque 
signa  de  Arati  Phaenomenis  traxerit?  vel  quod  eversionem  Trojae,  cum  Sinone 
suo,  et  equo  ligneo,  caeterisque  omnibus,  quae  libmm  seeundum  faciunt,  a  Pisandro 
pene  ad  verbum  transcripserit?  qui  inter  Graecos  poetas  eminet  opere,  quod  a 
nuptiis  Jovis  et  Junonis  ineipiens  uuiversas  historias ,  quae  mediis  omnibus  se-  30 
culis  usque  ad  aetatem  ipsius  Pisandri  contigeruut,  in  unam  seriem  coaetas  rede- 
gerit,  et  unum  ex  diversis  biatibus  temporum  corpus  efi'ecerit?  in  quo  opere  inter 
bistorias  caeteras  iuteritus  quoque  Trojae  in  nunc  modum  relatus  est.  Quae  fide- 
liter  Maro  interpretando,  fabricatus  est  sibi  Iliacae  urbis  ruinam.  Sed  et  baec 
et  talia  ut  pueris  decantata  praetereo.  35 

berfelben  ift  bereits  ber  öebanEe  au§gefr.rod)en,  bafs  bie  itünftler  be§  Saoloon  in  maudien 
fünften  von  SSirgil  abgeroidjen  feien,  meil  fie  gefebeu  hätten,  bofs  üieleö,  roaS  bem  Dbr 
gefalle,  bod)  bem  Slugc  niebt  angenebm  fei.  ,,Sd)  foüte  felbft  glauben,  id;  bätte  über  biefe 
SBorte  einen  Kommentar  fdjreiben  roollen,"  bemerftc  Seffing  fjiersu. 

1.  aJiontfaucou,  f.  oben  <3.  K>.  —  12.  Sfllacrobiuä,  röm.  Sd&riftftcUer  um§ 
2>ahr  400  u.  &)V.,  rocfentlid)  ASompilator,  roesljalb  feine  aus  altern  Duellen  ftammen= 
ben  9}oti}en  iüead)tung  uerbieneu  —  13.  (So  giebt  mehrere  Siebter  Sßifanber;  roelrfien 
bauou  Sftrgil  nac&geabmt  l)aben  foll,  rocij;  man  nidjt  fidier,  mau  benft  aber  in  ber  Siegel 
an  ben  cgftifdjen  ©idjter  biefcä  Kamenä  (angeblid)  noeb  »or  ^tefiob,  nad)  anbern  um 
«50  o.  (Sbx).  Db  übrigen^  bie  i.'aotoonfage  von  ibm  erjagt  mar,  miffen  mir  nid)t,  ba 
5D!acrobiu3  auäbriictüd)  nur  bie  .Qerftbrung  Jn>ja<3,  ©iuon,  ba5  Ijölserne  ^Jferb  nennt.  2>ie 
ältefte  ermäbnung  bes  ÜJlnttuiS  in  ber  üitteratur,  uon  ber  mir  miffen,  ift  bei  bem  Sidbter 
StrftinoS;  bei  ilnn  töteten  bie  beiben  Sd^langeu  nur  ben  SCater  unb  ben  einen  ©obn. 


ffaokoon  V.  37 

Anleitung  mdfjt  au§  einem  (ateinifdjen  ©tdjter  311  ijokn,  unb  bie 
SDUttmafjung  oon  tfjrem  Zeitalter  grünbet  ftd;  auf  nidjtS. 

3>nbe§  mtnn  id)  nottoenbtg  bie  3Jietnung  be§  93iarliani  unb 
Wontfaucon  behaupten  müjjte,  fo  mürbe  tdj  il)nen  folgenbe  2Iu§= 

5  fludjt  teilen.  SßifcmberS  ©ebidjte  finb  oerloren;  mie  bie  (55efd;idr)te 
bes  Saofoon  oon  iljm  erjagtet  raorben,  täfjt  ftdr)  mit  ©cnnfjfjeit 
nid;t  fagen;  e3  ift  aber  roaf)rfdjeinlidj,  baf$  e§  mit  eben  ben  Um= 
ftänben  gefdr)cr)en  fei,  oon  toeldjen  mir  nod)  itjt  bei  griedjifdjen 
©djriftftettern  ©puren  finben.     9hm  fomtnen  aber  biefe  mit  ber 

10  Grgärjlung  beo  Sßtrgtjfö  im  geringften  nidjt  überein,  fonbern  ber 
römifdje  3)icr)tcr  mufj  bie  griedjifdje  Sxabition  oöltig  nadj  feinem 
©utbünfen  umgeftfjmolgen  Ijaben.  2Bie  er  ba§  Unglüd"  bes>  Saofoon 
ergäbt,  fo  ift  es  feine  eigene  Grfinbung;  folglid;,  menn  bie  ^ünftler 
in  Ujrer  üßorfteKung  mit  ilnn   Ijarmonieren,  fo  tonnen  fie  nid)t 

15  roof)I  anber§  al§  nad;  feiner  3eit  gelebt,  unb  nad;  feinem  S3or= 
bilbe  gearbeitet  fjaben. 

Duintuö  Gataber  läfjt  groar  ben  Saofoon  einen  gleiten  23er= 
badjt,  mie  33irgtt,  roiber  baS  tjöljerne  $ferb  bezeigen;  attein  ber 
3orn  ber  Wlmvuoa,  metdjen  ftd)   biefer  baburd)   jugiefjet,  äußert 

20  fidj  bei  Ujtn  gang  anber§.  Sie  ßrbe  erbebt  unter  bem  roamenben 
Trojaner;  ©djred'en  unb  2lngft  überfalten  ifm;  ein  brennenber 
Sdjmerj  tobet  in  feinen  2htgcn;  fein  ©eljirn  leibet;  er  rafet;  er 
oerblinbet.  ßrft  ba  er  blinb  nod)  nidjt  aufhört,  bie  SSerbrennung 
beö   folgern  ^$ferbe3   cmguraten,  fenbet  9Jiineroa  gtoei  fdjredltdje 

25  Sradjen,  bie  aber  blof;  bie  ^inber  be§  Saofoon  ergreifen.  Um= 
fonft  ftreefen  biefe  bie  §änbe  nadj  ityrem  23ater  au§;  ber  arme 
bfinbe  9Kann  fann  ifmen  nidjt  Reifen;  fie  merben  gerfleifdjt,  unb 
bie  ©erlangen  fdjfupfcn  in  bie  Grbe.  Sem  Saofoon  felbft  ge= 
fd)iet)t  oon  itnien  nidjtö;  unb  ba£  biefer  Umftanb  bem  Duintu§4) 

30  nicr}t  eigen,   fonbern  oielmeljr  atigemein  angenommen  muffe  ge= 

")  Paralip.  Hb.  XII.  v.  398— 40K.  et  v.  439—474. 

8 f.  bei  gri ertlichen  ©rtriftftellern;  hier  lomtnt  mefentlicb  ber  Saofoon  beä 
SopbofteS  in  Setracbt,  oon  bem  roir  aber  febr  wenig  miffen.  Sie  Vermutung,  bafs  bie 
Cnäblung  ber  Sage  bei  £>ugin  %ab.  135  un§  im  loeientlicben  ben  Inhalt  be§  <£opf)oftciici)en 
s.'aofoon  roiebergebe,  fo  baf;  alfo  auch  hei  SopbofleS  Saofoon  unb  ieine  beiben  ©ohne  um= 
tarnen,  ift  neuerbingö  oon  Dtobert  (SBilb  unb  Sieb,  Berlin  1881,  B.  193  _ff.)  befümpft  toors 
ben;  legerer  fuctjt  oietmehr  nartäuroeifen ,  bajj  bei  SoobofleS  nur  bie  Söhne  ftarben, 
Saofoon  felbft  aber  am  Sehen  blieb.  —  17.  DuintuS  da  laber,  richtiger  Quin  tu  S 
3mnrnäu3,  etufcher  Sichter  au§  ber  weiten  Hälfte  beä  4.  Jsabrb.  n.  6hr.,  SJerf.  ber 
l'osthonierica,  einer  Aortfeftung  ber  Slia§.  —  23.  oerblinbcn,  ältere,  beute  ungebraucht 
lute  Aorm  für  erbünben. 


38  ffaokoon  V. 

roefen  fein,  bezeuget  eine  ©tette  bes  Stjfopfyron,  roo  biefe  ©erlangen5) 
ba§  Seiroort  bev  .Hinberfreffer  führen. 

2Bar  er  aber,  biefer  Umftanb,  bei  ben  ©riedjen  allgemein 
angenommen,  fo  mürben  fid)  griedjifdje  ^ünftter  fdjroerHd)  erf'üljnt 
Ijaben,  von  il)m  abjuroeid^en,  unb  fdjmerlid)  mürbe  es  fid)  getroffen  5 
Ijaben,  baf}  fie  auf  eben  bie  2(rt  roie  ein  römifdjer  Steter  ab-- 
geroidjen  mären,  wenn  fie  biefen  ©iditer  nidjt  gelannt  I)ötten, 
roenn  fie  üiefteidjt  nidjt  ben  auSbrüdlidjen  Auftrag  gehabt  fyätten, 
nad)  ilmt  ju  arbeiten.  2luf  biefem  fünfte,  meine  tdj,  müfjte  man 
befteljen,  roenn  man  ben  SRarliani  nnb  -Jftontfaucon  oerteibigen  10 
rooKte.     Birgit  ift  ber  erftc  unb  einjige,')  meiner  forool)!  33ater 

5)  Ober  Bietmeljr,  ©dränge;  benn  Snfopfyron  fdjeinet  nur  eine  angenommen  ju  ijaben: 

Kai  7taido^Qihtn;  nöoy.tu);  vfoov;  öirtlü;. 

'■)  gd)  erinnere  mid),  bafj  man  ba§  ©emälbe  bjeriuiber  anführen  f  bunte,  toeId)e§ 
Gutnoip  bei  bem  Sßetron  auflegt.  Gq  ftettte  bie  Qerftörung  »onJroja,  unb  befonberS  bie  15 
@efd)id)te  be§  £aofoou,  notlfommen  fo  cor,  a[§  fie  S>irgü  erjaget;  unb  ba  in  ber  näm= 
lidjen  ©alerie  ,,u  9Jeapet,  in  ber  e3  ftanb,  anbere  alte  ©emälbe  com  3eui'i§,  SjSrotogeneS, 
StpetteS  roaren,  fo  liefte  fid)  uermuten,  bafj  e§  gleichfalls  ein  alte§  griecbjfcbeS  ©emälce 
geroefen  fei.  3lHein  man  ertaube  mir,  einen  9iomanbttf)ter  für  feinen  yiftoricuä  galten  ju 
bürfen.  3)iefe  ©alerie,  unb  biefcS  ©emälbe,  unö  biefer  Gumolp  Iwben,  allem  2lnfef;en  nad),  20 
nirgenb?  al§  in  ber  ^fjantafie  be§  Detroits  ejiftieret.  9Ud)t>3  oerrät  iljre  gänjlidje  Gr= 
btditung  beuttid)er,  al§  bie  offenbaren  Spuren  einer  beinabe  ftfiülermäf5igen  9Jaa)a^mung 
ber  S>irgilifd)en  SSefdjreibung.  G3  wirb  fid;  ber  ÜJüibe  oerlotjnen,  bie  Skrgleidiung  an}u= 
ftelleu.     ©o  ißirgil  (Aeneid.  lib.  II.  199—224.): 

Hie  aliud  majus  niiseris  multoque  tremendum  25 

Objicitur  magis,  atque  improvida  pectora  turbat. 

Laocoon,  duetus  Neptuno  sorte  sacerdos, 

Sollemnis  tauruiu  ingenteni  inaetabat  ad  aras. 

Ecce  autem  gemiiii  a  Tenedo  tranquilla  per  alta 

(Horresco  referens)  immensis  orbibus  angues  30 

Iucumbuiit  pelago ,  pariterque  ad  litoia  tendunt : 

Pectora  qtiorum  inter  fluetus  arreeta,  jubaeque 

Sanguineae  exsuperant  undas:  pars  cetera  pontum 

Poue  legit,  sinuatque  iramensa  volumine  terga. 

Fit  sonitus  spumaute  salo:  jamque  arva  tenebant,  35 

Ardentesque  oculos  suffecti  sanguine  et  igui 

Sibila  lambebant  unguis  vibrantibus  ora. 

Diffugimus  visu  exsangues.     Uli  agmine  certo 

Laocoonta  petunt,  et  prinium  parva  duorum 

Corpora  uatorum  serpens  ainplexus  uterque  40 

Implicat,  et  miseros  morsu  depascitur  artus. 

Post  ipsum,  auxilio  subeuntem  ac  tela  ferentem, 

1.  Spfopljrou,  gried).  Sinter  um  280  d.  Gl)r.,  beffen  ©ebidjte  ^aOlreidje  tntjttjo« 
logifdje  SDetaüo  enthielten.  Diobert  meint,  bat?  finfoptyronS  Raffung  ber  Sage  auf  ©opfyofleS 
beruhe.  —  3  f.  2)a3  ift  uad)  bem  oben  ©.36,  13  über  Slrftinoo  ©efagten  aUerbing3  nidit 
riditig,  fonberu  tonnte  IjödiftenS  oon  SopijofteS  gelten.  —  15.  Gumolp  ift  eine  4}}erfon  in 
bem  fatirifd)en  Sfomauc  bec  Detroit,  ber  unö  bie  Sitten  ber  erften  ßaifer.ieit  oorfübrt.  — 
20  f.  Ob  Detroit  feine  ©emälbegalerie  gauj  unb  gar  erfonnen  bat,  ift  nidjt  mit  SidierEjeit 
SU  fagen,  oerfd)iebene  ber  uon  iEjm  bcfd)ricbeuen  Silber  fönnen  febr  luoijl  in  2üirflid)feit 
eriftiert  baben.  .fjingegen  ift  aüerbing-o  bie  Siadjabmung  S3irgil§  ganj  äroeifelto'3,  barf  aber 
bem  Detroit  nidit  jur  £aft  gelegt  roerbeu,  ba  berfclbe  offenbar  abfid)tlid)  feinen  Gumolp 
biefe?  Plagiat  begeben  (iifjt,  inbem  biefer  aß  alberner  Siebter  ge}eid)net  roirb. 


-ffaokoon  V.  39 

als   Äinber  von  ben   ©drangen  umbringen  läßt;   bie  Silbfyauer 

tbun  biefee  gteidjfatfö,  ba  fie  eö  bodr)  af§  ©riedjen  nidjt  Ratten 

tfjun  fallen:  alfo  ift  e§  roafjrfdjeinftdj,  bafj  fie  e§  auf  SSeranlaffung 

be§  SBtrgtfö  getfjan  Ijctoen. 

5  Corripitmt,  spirisque  ligant  ingentibus:  et  jam 

Bis  medium  amplexi,  bis  collo  squamea  circum 
Terga  dati,  superaut  capite  et  cervicibus  altia  . 
Ille  aimul  manibua  tendit  divellere  nodos , 
Perfusus  sanie  vittas  atroque  veneno: 
10  Clamores  simul  horrendos  ad  sidera  toUit. 

Quales  mugitus ,  fugit  cum  saucius  aram 
Taurus  et  iacertam  excussit  carvice  securim. 

Unb  fo  Gumoip  (oon  bem  man  fagen  föitnte,  baß  e§  i§m  roie  allen  ißoeten  auä  bem  ®teg= 
reife  ergange«  fei;  ü)r  ©ebädjtniä  i>at  immer  an  ifjren  Werfen  ebenfo  üiel  Anteil,  als  ifjre 
15  ginöitbung): 

Eeca  alia  monatra.     Celaa  qua  Tenedoä  mare 

Durso  repellit,  tumida  consurgunt  freta, 

Undaque  resultat  scissa  trauquillo  minor. 

Qualis  sileuti  nocte  remorum  sonus 
20  Longe  refertur,  cum  premunt  classes  mare, 

Pulsumque  marmor  abiete  imposita  gemit. 

Respicimus,  angues  orbibua  geminia  feruut 

Ad  saxa  nuctus :  tumida  quorum  pectora 

Rates  ut  altae,  lateribus  spuraas  aguut: 
25  Dant  caudae  sonitum;  liberae  pouto  jubae 

Coruscant  luminibus,  fulmiueum  jubar 

Incendit  aequor,  aibilisque  undae  tremuut. 

Stupuere  mentes.     Infulis  stabaut  sacri 

Plirygioque  cultu  gemina  nati  pignora 
30  Laocoonte,  quos  repente  tergoribus  ligaut 

Angues  coruaci:   parvulas  illi  manus 

Ad  ora  referunt :  ueuter  auxilio  sibi , 

Uterque  fratri  transtulit  pias  vices , 

Morsque  ipsa  miseros  mutuo  perdit  metu. 
35  Accumulat  ecce  liberum  funus  Parens, 

Infirmus  auxüiator;  invadunt  virum 

lanr  morte  pasti,  membraque  ad  terram  trahunt. 
.    Iacet  aacerdoa  intar  aras  victima. 

Sie  .öauptjüge  finb  in  beiben  ©teilen  ebtn  biefetben,  unb  oerfdjtebeneä  ift  mit  ben  näm= 
40  liijen'üSorten  auägebriicft.    3) od)  ba?  finb  iUeinigfeiten,  öie  oon  felbft  in  bie  Slugen  fallen. 
63  giebt  anbere  Äennjeidien  ber  Radjaijmunj,  bie  feiner,   aber  nid)t  roeniger  fid)er  finb. 
3ft  ber  32ad)al)mer  ein^iann,  ber  fid)  etioaS  zutrauet,  fo  abmet  er  feiten  nad),  obne  oer= 
fdjbuern  ju  toolien;  unb  toettn  ifttn  biefe?  9}erid)önern  nad)  feiner  Meinung  gegtücft  ift,   fo 
ift  er  gud)?  genug,   feine  gujjtapfen,   bie  ben  SBeg,  roeldjen  er  fyergefommen,   »erraten 
45  würben,  mit  bem  ©:f)iöan\e  sujuletiren.    2lber  ibm  biefe  eitle  Segierbe  su  oerfdjönern, 
unb  biefe  SJeEmtfamEeit  Original  ju  fdjeinen,  entoedt  i^n.    Senn  fein  33erfd)bnern  ift  nid)t-3 
al>3  Übertreibung  unb  unnatürlid)e3  Staffinieren.    SSirgil  fagt,  aanguineae  jubae:  sJ5etron, 
liberae  jubaa   lurainibua    coruaoant.     SSirgit,   ardentea    oculos    auffecti  sanguine   et 
igni:  ißetron,  fulmiueum  jubar  incendit  aequor.     SSirgit,  fit  sonitus  spumaute  salo  : 
50  ^etron,  sibilia  undae  tremuut.    ©o  gel)t  ber  3Jad)aljmer  immer  au3  bem  ©rofcen  ins  Un- 
geheure,  au»   bem  SBunberbaren  in§  Unmöglid)e.    Sie  oon  ben  <3d)langen  umiuunbeneu 

1.  Sie-3  Refultat  mirb  oon  Robert  a.  ct.  D.  S.  203  al§  burd)au3  ridjtig  6ejeid)net> 
fd)eint  aber  bei  unferer  lücfenfiaften  fienntniä  oon  ber  ^Erabition  ber  Saotoonfage  etroas 
}u  lüfjn.  SBenn  in  ber  ätteften  Raffung  ber  S3ater  unb  ein  Soljn  umfamen,  in  einer 
anbern  fpatern  bie  beiben  Söbne  ofme  ben  SJater,  fo  föunte  bie  britte  sßerfion,  bei  ber 
ade  brei  fterben,  aui)  ief>r  toobl  älter  a[3  33irgtt  fein. 


40  ffaohoon  V. 

§d)  empfinbe  feljr  xvoljl,  roie  tuet  biefer  !&af)rfcr)emlicr)feit 
jur  Ijiftorifdjen  ©enrijsrjeit  mangelt.  216er  ba  idj  aud)  nid)t§  l)ifto= 
rifdjeS  weiter  barau§  fdjltejjen  raill,  fo  glaube  id)  menigftenS,  bafs 
man  fie  al§  eine  £wpotl)efi§  fann  gelten  laffen,  nad)  meldjer  ber 
(5riticu§  feine  ^Betrachtungen  aufteilen  barf.  23eroiefen  ober  nidjt  5 
benriefen,  baf;  bie  33ilbr)auer  bem  Sßirgil  nachgearbeitet  r)aben:  id) 
null  es  blofj  annehmen,  um  ju  fel)en,  mie  fie  iljm  fobann  nadj= 
gearbeitet  Ijätten.  Über  ba3  ©efdjrei  Ijabe  id)  nricr)  fdjon  erflärt. 
üBietteidjt,  bafj  midj  bie  raeitere  ^ergleicfjung  auf  nidjt  weniger 
unterridjtenbe  33etnerfungen  leitet.  10 

©er  ©nfatt,  ben  üBaier  mit  feinen  beiben  Söfmen  burd) 
bie  mcrbrifdjen  Sdjlangen  in  einen  knoten  §u  fdjürjen,  ift  ol)n= 
ftreitig  ein  ferjr  glüdlidjer  (Einfall,  ber  r>on  einer  ungemein  ma(e= 
rifdjen  ^Ijantafie  genget.  üßkm  gehört  er?  £em  SDicr)ter,  ober  ben 
föünftlern?    SJiontfaucon  raill  tlm  bei  bem  2Md)ter  nidjt  finben.7)  15 

Anaben  finb  bem  SHrgil  ein  Sparergon,  ba§  er  mit  wenigen  6ebeutenben  Strichen  binfeist, 
in  roelohcn  man  nichts  als  ihr  Unoermögen  unb  ihren  Jammer  erlerntet  $etron  malt 
biefes  3?ebenroerf  aus,  unb  macht  aus  ben  Änaben  ein  S^aar  helbenmütige  Seelen, 

neuter  auxilio  sibi':'>< 

l'terque  fratri  transtulit  jiias  vices,  20 

Morsque  ipsa  miseros  mutuo  perdit  metu. 

2S?er  erroartet  von  2Jlenfd)en,  Don  ßinbern,  biefe  Selbfioerleugnung?  2ßie  tnel  beffer 
fnnntc  ber  ©rieche  bie  Siatur  (QuintuB  Calaber  lib.  XII.  v.  459—461.),  roeldjer,  bei  ®r= 
icheinung  ber  fcbredlidjcn  Schlangen,  fogar  bie  SKütter  ihrer  Äinber  r>ergeffen  läßt,  fo  febr 
mar  jebes  nur  auf  feine  eigene  (Spaltung  Bebactjt.  25 

tv-9u  yvvatsttg 

O'i'fiwtov,  y.ai  nov  Tis  *'<""'  imliauto  rixiiur, 

^■iutij  äXfvo/uivt]  oivysQuv  /nöaov 

3u  oerbergen  fuebt  fid;  ber  STCadjabmer  gemeiniglich  babureb,  bafi  er  ben  ©egeufteinben  eine 
anbere  ^Beleuchtung  giebt,  bie  Schatten  bes  Originals  IjerauS,  unb  bie  Siditcr  jurüdtreibt.  30 
3Sira.il  giebt  fid)  3)!ühe,  bie  ©röfje  oer  Sdilangen  recht  fiditbar  511  madjcn,  roeil  »on  biefer 
©röfje   bie  äßabrfdjeinlidjfeit  ber  folgenben  Grfdieinung  abhängt;   bas  Öieräufd)e,  roelcbcs 
fie  »erurfadjen,  ift  nur  eine  Siebenibee,  unb  beftimmt,  ben  33egriff  ber  ©röfje  auä)  baburd) 
lebhafter  ju  machen,    ^etron   hingegen  macht  biefe  Diebenibce  jur  j^auptfadie,  befdjreibt 
ba§  ©eräufd)  mit  aller  möglidien  Üppigteit,   unb  oergifjt  bie  Sdjilberung  ber  ©rö^e  fo  35 
fehr,  bafj  mir  fie  nur  faft  auö  bem  ©eräufdje  fdilicfien  muffen.    (SS  ift  fdjmcrlid)  ;u  glauben, 
baß  er  in  biefe  Unfdiirfliditeit  Herfallen  märe,  roenn  er  blofs  aus  feiner  Ginbilbung  ge= 
fdnlbert,  unb  fein  3)htf(er  »or  fid;  gehabt  hätte,  bem  er  nadjjeidmen,    bem  er  aber  nad)= 
gejeichnet   511   Ijaben,    nidjt   oerraten   moUen.     So  fann   man  junerläffig   jcbe3   poetifdje 
©emälbe,    ba§  in  fleinen  S"flcn  überlaben,  unb  in  ben  großen  fehlerhaft  ift,   für  eine  40 
»erunglücfte  Siadjahmung  halten,   c§  mag   fonft  fo  niele  f leine  Sdjünbeiteu  haben  als  e§ 
roill,  unb  bas  Original  mag  fid;  [äffen  angeben  tonnen  ober  nicfjt. 

')  Suppl.  uux  Antiq.  Expl.  T.  I,  p.  L'4:i.     11  j  a  qiielque  petite  (lifft'rence  entre 
ce  qae  dit  Virgile,    et  ce  quo  Le  marbre  reprfseute.    II  semble,  selon  ce  que  dit 
lr    ]M,i'ti-.    i|iK.'    les    serpentä    ipiittrrcnt    les    driix  enfants  pour  venir  entortiller  le  45 
pere,  an  li6u  que  dans  ce  marbre  ils  Heut  en  meine  tems  les  enfants  et  lein  pere. 

lfi.  <parergon,  b.  h.  SJebenmcrf,  gebraudjeu  bie  2llten  gern  oon  ben  Dfebenfiguren 
in  einem  ©emälbe;  baljer  aud;  i;effing  im  folgenben  im  ©tcidnü'3  »on  einem  ©emälbe 
bleibt  („mit  menigen  bebeutenben  Strid;en"  —  „^etron  malt  biefes  Jiebeniuert  aus"). 


Caokoon  V.  41 

2(ber  id)  meine,  SOßontfaucon  ijat  ben  Sidjtet   nid)t  aufmerffam 
genug  gelefen. 

—  —  ■ —  illi  agmine  certo 
Laocoonta  petunt,  et  primum  parva  duorum 
5  Corpora  natorum  serpens  amplexus  uterque 

Implicat  et  miseros  morsu  depascitur  artus. 
Post  ipsum,  auxilio  subeunteni  et  tela  ferentern 
Corripiunt,  spiriscpie  ligant  ingentibus  —  — 

£er  2)id)ter  Fiat  bie  ©drangen  non  einer  rounberbaren  Sänge  ge= 

10  fdjilbert.  ©ie  Ijaben  bie  Änaben  umftritfet,  unb  ba  ber  $ater 
tfjnen  ju  -Öttfe  fbmmt,  ergreifen  fie  aud)  irm  (corripiunt).  9iad) 
ir)rer  ©röjse  konnten  fie  fid)  nid)t  auf  einmal  von  ben  Knaben 
loSroinben;  e§  mufjte  alfo  einen  Stugenbtid  geben,  ba  fie  ben 
SSater  mit  tr)ren  köpfen  unb  2>orberteilen  fd)on  angefallen  Ratten, 

io  unb  mit  iljren  Hinterteilen  bie  Knaben  nod)  uerfd/tungen  gelten, 
tiefer  2lugenb(id  ift  in  ber  ^yortfdjreitung  be§  poetifdjen  ©emälbeS 
notroenbig;  ber  2)id)ter  lajjt  ilm  fattfam  empfinben;  nur  irm  au& 
gumalen,  baju  mar  iijt  bie  $eit  nid)t.  SDafj  iF)n  bie  alten  2tu3= 
leger    aud)    roirflid;    empfunben    t)aben,   fdjeint    eine    Stelle   bes> 

2u  £>onatu§*)  51t  bejeugen.  2Bie  siel  roeniger  roirb  er  ben  $ünft= 
lern  entraifdjt  fein,  in  bereu  uerftänbigeä  Sluge,  alles  roa§  ifjnen 
uorteilrjaft  roerben  fann,  fo  fdmett  unb  beutlid)  einleuchtet? 

$n   ben    Söinbungen    felbft,    mit    roeldjen    ber  Sinter   bie 
©drangen  um  ben  Saofoon  führet,  nermeibet  er  fefjr  forgfiütig 

25  bie  2(rme,  um  ben  Rauben  alle  üjre  2ßirf  famfett  51t  laffen. 
Ule  simul  manibus  tendit  divellere  nodos, 
hierin  mußten  trau  bie  ^ünftler  notroenbig  folgen.    9tidjt3  giebt 
mebjr  Slusbrud   unb  Seben    als   bie  Bewegung  ber  Hänbe;   im 

8)  Donatus  ad  v.  227.  lib.  II.  Aeneid.  Mirandiirn  non  est,  clypeo  et  sinm- 
30  laehri  vestigiis  tegi  potuisse,  quos  supra  et  longos  et  validos  dixit,  et  multiplici 
arnüitu  circumdedisse  Laocoontis  corpus  ac  liberorum,  et  fuisse  superfluam  partem. 
3Jlicf;  bünft  übrigens,  bafj  in  biefer  Stelle  au§  ben  SBorten  mirandtun  non  est,  entroebcr 
ba§  non  rocgfaüen  mufj,  ober  am  Gnbe  ber  ganje  9iad)fa$  mangelt.  SDenn  ba  bie  Sdjlangen 
fo  aufjerorbentüd)  grof;  waren,  fo  ift  e3  aüerbingS  gu  oerrounbern,  baf)  fie  fid)  unter  beut 
S5  Sdulbe  ber  ©öttin  oerbergen  tonnen,  roenn  biejeS  Sdjilb  nidit  felbft  fefir  grofs  roar,  unb 
ju  einer  foloffalifdjen  gigiir  gehörte.  Unb  bie  SSerfidierung  fjieoon  mufjte  ber  mangelnbe 
Jiatfifat}  fein;  ober  bao  non  tjat  feinen  Sinn. 

9  ff.  3JJan  »gl.  bie  eingefjenbe  3crgliebcrung  ber  SMrgilifcfien  @rääf)hing  bei  iJJKifj,  SSergil 
unb  bie  epifd)e  Aunft  (Öeipsig  1884)  S.  57  ff.  Seffings  2luffaffung  roirb  non  sj>lüfi  ©.  84  ff. 
befämpft.  —  20.  SJonatuS,  ein  römifdjer  ©rammatifer  um  400  n.  Ebr.,  ber  einen  Äom= 
mentar  jum  SCirgil  nerfafjt  rjat.  Snbeffen  ift  bac-jenige,  trag  unter  biefem  ÜKamen  auf  uns 
gefommen  ift,  ferjr  nerbädrtig.  —  22.  f  o  fdinelt,  in  ber  Sjbfdjr.  urfprünglid)  „fo  gefdjroiub". 
—  32.  mid)  bünft;  baneben  gebraudit  Seffing  aber  aud)  „mir  bünft".  —  35.  biefe§ 
Sd)ilb;  fo  Seffing  immer,  roäb,renb  roir  !;eutc  in  ber  Sieget  bie  SBaffe  ben  Sd)ilb  nennen, 
ba§  Scbiib  aber  eine  Safel  u.  bgl. 


42  ffaokoon  V. 

Stffefte  6efonber§  ift  ba%  fpredjenbfte  ©efidjt  ofjixe  fte  unbebeutenb. 
Sinne,  burd)  bte  Sftinge  bei-  Schlangen  feft  an  ben  Körper  ge= 
fdjloffen,  mürben  $roft  unb  £ob  über  bte  ganje  ©ruppe  ver- 
breitet fyaben.  2t(fo  fefjen  mir  fte,  an  ber  Hauptfigur  foroorjl  atS 
an  ben  Nebenfiguren,  in  oölfiger  SEIjätigfeit,  unb  ba  am  meiften  5 
befdjäftiget,  mo  gegenroärtig  ber  £>efttgfte  ©inner,}  ift. 

Sßeiter  aber  auet)  nidjtö,  aU  biefe  $reü)eit  ber  3(nne,  fanben 
bie  $ünftler  juträgüdj,  in  Slufefyung  ber  SBerftricfung  ber  ©drangen, 
von  bem  ©idjter  3U  entlegnen.    SBirgü  täjjt  bte  ©drangen  boppelt 
um  ben  £eib,  unb  boppelt  um  ben  §al§  be3  Saofoon  fidt)  minben,  lo 
unb  Ijod)  mit  itjren  köpfen  über  itm  lierausragen. 

Bis  medium  amplexi,  bis  collo  squamea  cireum 
Terga  dati,  superant  capite  et  cervieibus  altis. 

SiefeS  Si(b  füllt  unfere  Ginbilbungslraft  oortrefflid);  bie  ebelften 
Seile  finb  bis  jum  ©rftiefen  gepreßt  unb  bas  ©ift  geljet  gerabe  15 
nadj  bem  ©efidjte.    Sem  olmgeadjtet  mar  e§  fein  93ilb  für  ^ünftter, 
mcldfje   bie    SBtrfungen   be§   ©tfteä  unb  beö  ©dmterjeö   in   bem 
.Uörper  geigen  mollten.    'Senn  um  biefe  bemerken  31t  formen,  mufjten 
bie  §aupttetle  fo  frei  fein  als>  möglid),  unb  burdpus  mufjte  fein 
äufjrer  Srud  auf  fic  mirfen,    meldjer   ba3   «Spiel  ber  leibenben  sj 
Heroen  unb  arbeitenben  9Jlu§Mn  oeränbern  unb  fdjmädjen  tonnte. 
Sie  boppelten  SSinbungen  ber  Schlangen  mürben  ^n  gangen  Seib 
uerbedt  fiaben,  unb  jene  fdnnerglidjc  ©injie^ung  be§  Unterleibes, 
meldje  fo  fefyr  ausbrüdenb  ift,  mürbe  unfidjtbar  geblieben  fein. 
2Ba§  man  über,  ober  unter,  ober  jroifdjen  ben  äöinbungen  oon  25 
bem  Seibe  nod)  erbtieft  l)ütte,  mürbe  unter  ^reffungen  unb  2(uf= 
fdjjroettungen  erfd)ienen  fein,  bie  nid)t  oon  bem  innern  ©djmerge, 
fonbem   oon  ber  äufjern  Saft  germriet  roorben.    Ser  iben  fo  oft 
umidjlungene  |)at§  mürbe  bie  pi)ramtbatifd)e  ßufpi|ung  ber  ©ruppe, 
metd)e  bem  2tuge  fo  angeneljm  ift,  gänglid)  oerborben  traben;  unl)  30 
bie  au§  biefer  Söulft  in§  $reie  l)inau§ragenbe  fpttje  ©drangen* 
föpfe  l)ütten  einen  fo  plöijlidjen  Stbfalt  oon  9Jlenfur  gemacht,  baf^ 
bie  ^orm  beö  ©angett  entwerft  cmftöfjig  gemorben  märe,    ©3  giebt 

2.  arme,  ältere,  früfjer  bäufig  gebrauste  Sßturatform,  neben  ber  aber  aui)  immer 
bie  ^orm  „2lrme"  oortam  —  2t.  ausorücf  enb;  roir  ipiiroen  feilte  bierfür  lieber  „atiu= 
brudtsooll"  ober  „be^eidjnenb"  fagen.  —  28.  geroirfet;  mir  bebienen  un-3  in  folgen 
fällen  anftatt  bes  Simpler  „roirfen"  lieber  be>3  Aompofitumä  „beroirfen".  —  31.  aui 
biefer  SBuIft;  beute  gebraust  matt  SBulft  In  ber  ;Hegel  mannlid);  bod)  ift  bie  roeibücfje 
gorm  riditiger  (ogl.  öefcftroulft).  —  Sä.  Abfall  oon  SDtenfur,  b.  b-  SC6n>eii$ung  pon 
ben  rid)tigen  uitD  fd)önen  SSer^ältniffen;  ,/U(en[ur"  mte  tueusura  bei  Pliu.  XXXV,  75 
im  Sinne  oon  „Proportionalität". 


fl'oohoon  V".  43 

geidjner,  meldje  uraierfiänbtg  genug  geroefen  finb,  fidj  bem  olm= 
geadjtet  an  ben  Siebter  51t  btnben.  2öa§  benn  aber  aud)  baraus 
geworben,  läf?t  fidj  unter  anbem  aus  einem  blatte  bes  $rang 
Gtemx:)  mit  3(bfd)eu  erfennen.     ®ie  alten  SBilbfjauer  überfaljen 

5  es  mit  einem  23(id'e,  baf?  tt)rc  iRunft  r)ter  eine  gänglidjc  2lbanbe= 
rung  erforbere.  ©ie  verlegten  alle  SÖinbungen  oon  bem  SeiBe  unb 
£>alfe,  um  bie  ©djenfel  unb  $üf;e.  .frier  konnten  biefe  SKKnbungen, 
bem  2(usbrude  unbefdjabet,  fo  tuet  beden  unb  preffen,  als  nötig 
mar.     §ier  erregten  fie  gugleid)  bie  £>bee  ber  gehemmten  <ylud)t 

10  unb  einer  2lrt  oon  Unbemeglidjfett,  bie  ber  fünftftdjen  $ortbauer 
beö  nämlidjen  ßuftcmbeä  fein  uorteilljaft  ift. 

Irjjd)  roeif,  nid)t,  mie  es  gefommen,  bafs  bie  ^unftrtdjter  biefe 
$ßerfd)iebenl)eit,  roetdje  ftd;  in  ben  SBinbungen  ber  ©drangen 
groifdjen  bem  Kunftmerfe  unb  ber  23efd)reibung  bes  £)id)ters  fo 

15  beutlid)  geiget,  gänglid;  mit  ©tiltftfjraeigen  übergangen  fjaben.  ©ie 
ergebet  bie  2ßeisl)eit  ber  Künftler  eben  fo  fein*  als  bie  anbere, 
auf  bie  fie  alte  fallen,  bie  fie  aber  ntdjt  fotooljl  angupreifen  roagen, 
als  uielmeljr  nur  gu  entfdjitlbigen  fudjen.  $d)  meine  bie  SSer= 
fdjiebenljeit  in  ber  33e!leibung.     2>irgils  Saofoon   ift    in   feinem 

20  priefterlidjen  Ornate,  unb  in  ber  ©ruppe  erferjeinet  er  mit  beiben 
feinen  Sölmen,  uötlig  nad'enb.  -Xftan  fagt,  es  gebe  Seute,  roeldje 
eine  grof;e  Ungereimtheit  barin  fänben,  bafc  ein  $önigsfot)n,  ein 
^riefter,  bei  einem  Opfer,  nadenb  oorgeftellet  werbe.  Unb  biefen 
Seilten  antworten  Kenner  ber  Hunft  in  allem  Grnfte,  bafj  es  aller= 

25  bings  ein  $el)ler  miber  bas  Übltdje  fei,  bafj  aber  bie  ^ünfiter 
bagu  gegtmmgen  roorben,  meil  fie  iljren  Figuren  feine  anftänbige 
Reibung  geben  tonnen.  Sie  33ilbl)auerei,  fagen  fie,  lönne  feine 
(Stoffe  nadjalnnen;  bide  galten  matten  eine  üble  äöirfung;  aus 
groei  Unbequemlidjfeiten  Ijabe  man  alfo  bie  geringfte  roäljlen,  unb 

30  lieber  gegen  bie  2öal)rl)eit  felbft  uerftofjen,  als  in  ben  ©euninbem 

'■')  3n  ber  prädjtigen  2lusgabe  t>ou  Snjbeno  engltfdjem  SSirgtt.  (Sottbott  1697  in  grofs 
golio.)  Unb  bod)  fyat  aud)  biefer  bie  äBtnbungcn  ber  Schlangen  um  ben  2eib  nur  einfad) 
unb  um  ben  öals  faft  gar  nid)t  geführt.  SQJenn  ein  fo  mittelmäßiger  fiünftler  anbers 
eine  ©ntfdutlbigung  oerbtettt,  fo  fönnte  iljttt  nur  bie  j*u  ftattett  fommen,  bafs  fittpfer  ju 
35  einem  33ud)e  als  blofje  Crläuterungen,  uid)t  aber  als  für  ftd)  beftebenbe  flunftroerfe  ;u 
Betrachten  ftnb. 

4.  Aiattä  Glepn,  ÜJlaler  unb  Mupfcrftedjer,  1590—1658.  —  21  ff.  Qn  ber  antifett 
ftunft  ift  e3  etwas  burd>au3  ßeroölmlicfieS,  bafj  felbft  ba  Diacftbeit  geroätjlt  wirb,  reo  fie 
an  ftd)  jur  bargeftellten  Situation  burd;aus  nia)t  pafst;  fo  toerben  jtrieger  tuobl  mit  ,§elm, 
Sdjtlb  unb  8einfd)ienen,  aber  otjnc  fanget  bargeftellt,  toas  im  roirflidjen  Äampfe  nie  »or» 
tarn.  ®er  ©runb  ift  aud)  bier  ber  oou  Sefftng  angegebene.  —  81.  ©rnben,  3°^n/  &es 
rüljmter  euglifdjer  Siebter,  1631— 17U0. 


44  4'aoUoem  V. 

tobcl^aft  werben  muffen.10)  Sßertn  bie  alten  2Irtiften  bei  bem 
Ginrourfe  ladjen  mürben,  fo  roeif,  id)  nidjt,  roa§  fie  ju  ber  33e= 
antroortung  fagen  bürften.  9Kan  lann  bte  $unft  nidjt  tiefer 
Ijerabfeijen,  al§  e§  baburd)  gefdjieljet.    SDenn  gefegt,  bie  Sfufytur 

tonnte  bie  verfdjiebnen  Stoffe  eben  fo  gut  nadja  Innen,  als  bie  s 
SDlaleret:  mürbe  fobann  Saofoon  notroenbig  befleibet  fein  muffen? 
2öürben  mir  unter  biefer  SBefletbung  nid)t§  nerlieren?  §at  ein 
©eroanb,  ba§  2öerf  fflauifdjer  £änbe,  eben  fo  uiel  <3d)önl)eit  als 
baS  Sßerf  ber  eroigen  2ßeiSl)eit,  ein  organifierter  Körper?  @r= 
forbert  e§  einerlei  gät)igfeiten,  ift  eS  einerlei  SBerbienft,  bringt  eS  10 
einerlei  Gtjre,  jenes  ober  biefen  nad^ualjmen?  SSBotten  unfere 
2(ugen  nur  getäufdjt  fein,  unb  ift  eS  iljnen  gleid;  niel,  roomit  fie 
getäufdjt  merben? 

Sei  bem  £)id)ter  ift  ein  ©eroanb  fein  ©eroanb;  eS  nerbetft 
nidjts;  unfere  GinbilbungSfraft  fieljt  überall  (nnburd).  Saofoon  15 
l)abe  eS  bei  bem  üßirgtf,  ober  §abt  eS  nid)t,  fein  Seiben  ift  il)r 
an  jebem  %z\U  feines  Körpers  einmal  fo  fidjtbar,  roie  baS  anbere. 
Sie  ©tirne  ift  mit  ber  priefterlidjen  SBinbe  für  fie  umbunben,  aber 
nidjt  umfüllet.  $a,  fie  tjinbert  nidjt  allein  nidjt,  biefe  23vnbe;  fie 
nerftärft  audj  nod;  ben  ^Begriff,  ben  mir  uns  uon  bem  Unglücfe  20 
beS  Seibenben  madjen. 

10)  ©0  urteilet  felbft  SCe  SpüeS  in  feinen  Shimevfungen  über  ben  2)u  gre3non  v.  210. 
Remarques,  s'il  vous  plait,  que  les  Draperies  tendres  et  legeres  n'etant  donn^es 
qu'au  sexe  f6minin,  les  anciens  Sculpteurs  ont  evite  autant  qu'ils  ont  pü,  d'ha- 
biller  les  figures  d'hommes;  parce  qu'ils  ont  pense,  comme  nous  l'avons  ddjä  dit,  25 
qu'en  Sculpture  on  ne  pouvoit  imiter  les  etoffes  et  que  les  gros  plis  faisoient  un 
mauvais  effet.  II  y  a  presque  autant  d'exernples  de  cette  verite,  qu'il  y  a  parmi 
les  antiques  de  figures  d'hommes  nuds.  Je  rapporterai  seulement  celui  du  Lao- 
coon,  lequel  selon  la  vraisemblance  devroit  etre  vetu.  En  effet,  quelle  apparence 
y-a-t'il  qu'un  fils  de  Roi,  qu'un  Pretre  d'Apollou  se  trouvät  tout  nud  dans  la  30 
ceremonie  actuelle  d'un  sacrifice;  car  les  serpens  passerent  de  l'isle  de  Tenedos 
au  rivage  de  Troye,  et  surprirent  Laocoon  et  ses  fils  dans  le  tems  meine  qu'il 
saerifioit  ä  Neptune  sur  le  bord  de  la  mer,  comme  le  marque  "Virgile  dans  le 
second  livre  de  son  Eneide.  Cependant  les  Artistes,  qui  sont  les  Auteurs  de  ce 
bei  ouvrage,  ont  bien  vü,  qu'ils  ne  pouvoient  pas  leur  donner  de  vetements  con-  35 
venables  ä  leur  qualite,  sans  faire  comme  un  amas  de  pierres,  dont  la  masse 
rcsembleroit  ä  un  roeber,  au  lieu  des  trois  admirables  figures,  qui  ont  etfe  et 
qui  sont  toujours  l'admiration  des  siecles.  C'est  pour  cela  que  de  deux  incon- 
reniens,  ils  ont  juge  celui  des  Draperies  beaueoup  plus  fächeux,  que  celui  d'aller 
contre  la  verite  meme.  ,  40 

11  ff.  3)effenimgcad)tet  ift  nidyt  ju  überfeljen,  bafs  eS  and;  eine  Sdjönfieit  ber  ©erocin* 
bung  gießt,  bie  in  i!)rer  3lrt  mit  ber  ©djönfyeit  beS  Äbrperä  root}I  311  roetttifent  iutftanbe 
ift.  Sie  alte  Äunft  bietet  hierfür  5<it)[reid)e  SBelegc.  —  22.  S)u  gresnon,  ein  fransöfi= 
fiher  «Maler  (lfill— HJ65),  ift  SBcrfafjcr  etneS  lateinifdten  £el)rgebid)te3  über  bie  3Halcrei: 
„De  arte  grapbica  über"  (1684  und)  feinem  Sobe  publiäiert);  einen  Kommentar  bajit 
bat  9ioger  be  ijBileö  (1C35 — l7o:u,  roeldjer  midi  fclßfü  einen  Cours  de  pointure  ge* 
fd)riebcn,  nerfajjt. 


4'aokoon  VI.  45 

Perfusus  sanie  vittas  atroque  veneno. 

■Jttdjtö  Ijilft  ifym  feine  priefterfidje  2Sürbe;  fetbft  bas  geidjen  ber= 
felben,  bas  iJjtrt  überall  2(nfel)cn  unb  5ßeret)ntng  r»crfdf>afft,  mirb 
non  bem  giftigen  ©eifer  burdmetjt  unb  entheiliget. 

5  216er  biefen  Diebenbegriff  mufjte  ber  2(rtift  aufgeben,  roenn 

bao  §aupttt)erf  nidjt  leiben  fotlte.  £uüte  er  bem  Saofoon  audj 
nur  biefe  23inbe  gclaffett,  fo  mürbe  er  ben  2lusbrud  um  ein  grofjeS 
gefdnotidjt  Ijaben.  ®ie  ©titne  märe  gum  Seit  uerbedt  roorben, 
unb  bie  ©tirrie  ift  ber  ©t|  be§  2Iusbrude3.    3öie  er  alfo  bort, 

10  bei  bem  ©djreien,  ben  2(uöbrud  ber  ©djönfyeit  aufopferte,  fo  opferte 
er  Ijier  baö  Üblidje  bem  2lu3brude  auf.  Überhaupt  mar  ba§ 
Üblidje  bei  ben  2Uten  eine  fcfyr  geringfdf>ä^iQC  (Bad)t.  ©ie  füllten, 
bafi  bie  Ijödjfte  33eftimmung  ifyrer  Kunft  fie  auf  bie  völlige  @nt- 
bel)rung  beSfelben  führte,    ©djönjjeit  ift  biefe  fyödjfte  23eftimmung; 

15  9tot  erfanb  bie  Kleiber,  unb  ma§  rjat  bie  $unft  mit  ber  dlot  ju 
tl)im?  ^d)  gebe  e§  gu,  bafi  eg  audj  eine  ©djönfyeit  ber  23ef(ei= 
bung  giebt;  aber  was  ift  fie,  gegen  bie  ©djönfyeit  ber  menfdjlidjen 
$orm?  Unb  wirb  ber,  ber  ba§  ©rötere  erretdjen  lann,  fid;  mit 
bem    Meinern    begnügen?     %d)   fürchte   fefjr,   ber   nofffommenfte 

20  9)teifter  in  ©emänbern,  geigt  burd)  biefe  ©efdjidlidjfeit  fetbft, 
moran  e3  tfmt  fefylt. 

VI. 

SReine  33orau§fei3itng,  baf}  bie  $ünftler  bem  £>td)ter  nady- 
gealnnet  Ijaben,  gereicht  ifynen  nid)t  gut  23erfleinerung.    ^r)re  23ki3= 

25  fjeit  erfdjeinet  nietme^r  burd;  biefe  Siadjafymung  in  bem  fdjönften 
Sidjte.  ©ic  folgten  bem  ©idjter,  ofyne  fid)  in  ber  geringften  $leinig= 
feit  oon  i()m  »erführen  §u  (äffen,  ©ie  fyatten  ein  23orbilb,  aber 
ba  fie  biefeS  33orbiIb  au§  einer  üunft  in  bie  anbere  hinüber  tragen 
mußten,  fo   fanben  fie  genug  ©elegenfyeit  felbft  gu  benfen.     ilnb 

30  biefe  ifyre  eigene  ©ebanfen,  meldje  fid)  in  ben  2tbmeid;ungen  oon 
ifyrem  2Jorbilbe  geigen,  beroeifen,  baf}  fie  in  ifyrer  ^unft  eben  fo 
grof?  gemefen  ftnb,  al§  er  in  ber  feinigen. 

9iun  miß  id)  bie  23orau§fe|ung  umM)ren:  ber  ©idjter  fof( 
ben  ^ünftlem  nadjgeafymet   Ijaben.    @§  giebt  ©eletjrte,  bie  biefe 


8  f.  ÜHart  ogl.  bnö  [ateiuifdje  Spridnoort  frons  ianua  meiitis.  —  12.  gering« 
fdjatsig  braudjen  mir  jetst  in  ber  Sieget  nur  aftiu,  gteid)  „geringidjätjenb",  loätjrenb  e>3 
fjier  unb  aud)  fonft  6ei  ^effing  in  paffiuem  Sinne,  gteidj  „geringge[d;ä§t"  geOraudjt  ift. 


4G  tfuohoon  VI. 

§Borau§fe$ung  al§  eine  Sßarjrfjeit  behaupten. ')  25a  jj  fie  f)iftortfd)e 
(SJrünbe  baju  Ijahm  formten,  nutzte  id)  nidjt.  2Iber  ba  fie  ba§ 
Kunftmerf  fo  überfdjmängiid)  fdjön  fanben,  fo  fonnten  jie  fid)  nid)t 
bereben,  bafj  es»  au§  fo  fpäter  3eit  fein  foltte.  (So  mujjte  aug 
ber  3eü  fem/  oa  *"e  fötnft  in  ifyrer  uottfommenfien  SBIüte  mar,  5 
weil  eo  barauö  51t  fein  nerbicnte. 

G§  ijat  fid)  gezeigt,  bafj,  fo  tiortrefflidj  t>a$  ©emälbe  be§ 
^irgi(3  ift,  bie  ^ünftler  bennod)  oerfdjiebene  3üge  beöfelben  nid)t 
Brausen  fbnnen.  25er  6at$  leibet  alfo  feine  ©nfdjränfung,  bajj 
eine  gute  poetifd)e  Sdjilberung  and)  ein  guteö  roirt'lidjeö  ©emälbe  10 
geben  muffe,  unb  baf?  ber  2>id)ter  nur  infomeit  gut  gefdjübert 
Ijabe,  als  trjttt  ber  2(rtift  in  allen  Bügen  folgen  tonne.  3)ian  ift 
geneigt,  biefe  @infd)ranfung  §u  »ermitten,  nod)  efye  man  fie  burd) 
Seifpiele  erhärtet  fieljt;  blofj  au§  ©rmtigung  ber  mettern  ©pfjäre 
ber  ^oefie,  au3  bem  unenblidjen  $elbe  unferer  GHnbilbunggfraft,  15 
au%  ber  ©eiftigfeit  ifyrer  Silber,  bie  in  größter  9Jienge  unb 
93iannigfaltigleit  neben  einanber  ftefyen  fönnen,  orjne  bafj  eine§ 
ba§  anbere  bed't  ober  fdjänbet,  roie  e§  mofjl  bie  2)inge  felbft,  ober 
bie  natürlichen  3eid)en  berfetben  in  ben  engen  ©djranfen  be§ 
9{aume§  ober  ber  3eit  tr)un  mürben.  20 

2öenn  aber  ba§  kleinere  baS  ©rötere  nidjt  faffen  fann,  fo 
fann  ba§  kleinere  in  bem  ©röfjern  enthalten  fein.  $d)  mitt  fagen; 
roenn  nidjt  jeber  Qua,,  ben  ber  malenbe  2>id)ter  braudjt,  eben  bie 
gute  SHHrfung  auf  ber  $läd;e  ober  in  bem  vDiarmor  Ijaben  fann: 
fo  mödjte  vietteidjt  jeber  3ug/  beffen  fid)  ber  2(rtift  bebienet,  in  25 

0  SJlaffci,  3tid)arbfon,  unb  nod)  ncuerlid;  ber  ige«  von  §agcborn  O-Öetraditungen  über 
bie  3)ialerei  B.  37.  Richaidson ,  Traite  de  la  Peinture.  Tome  III.  p.  513.).  Be  Jrnt; 
taineö  oerbient  es  moljl  nid)t,  baß  id)  ifyn  biefen  Scannern  beifüge.  @t  l)ült  3i»ar,  in  ben 
Slnmerfungen  ;,u  feiner  Überfe^ung  beo  SSirgits  gleidjfallo  bafür,  bafj  ber  3>id)ter  bie  ©ruppe 

in  3Iugen  geljabt  Ijabe;  er  ift  ober  fo  unmiffenb,   bnjj  er  fie  für  ein  SBerf  beo  ^[;ibia?  30 
au§giebt. 

1  ff.  S3ao  ift  im  allgemeinen  aud)  Ijcute  nod)  bie  am  meiften  Derbrettete  Sluffaffuug, 
baf;  bie  Äunft  ber  ftaiferjeii  nid)t  mefjr  fäfjig  gemefen  fei,  ein  SBcrt  roie  ben  Saofoou  au« 
eigener  .ftraft  ju  erfinben.  Seitbem  man  freilid)  bie  pergameuifebeu  l'lltarreliefo  fennen 
gelernt,  ift  »on  oerfd)iebcnen  Seiten  angenommen  roorben,  bafs  bie  Situation  be€  Vaotoon 
uidjt  gans  originale  Cifinbung  fei;  unb  bamit  mürben  bie  Serteibiger  berjenigen  3(nfid;t, 
monad)  bie  ©ruppe  unter  Situ?  gearbeitet  märe,  au  betten  e§  aud)  feilte  nod)  nidjt  fef)lt, 
einen  neuen  Stüljpunft  geniinnen.  —  2(1.  ©cipione  SDlaffei,  bebeutenber  italienifd;er 
Slrdjiioiog  unb  .Uuuftfammler  (1G75  —  l"t!>:>).  ®en  Vaotoon  befprad)  er  in  feiner  ©r« 
flüvuug  alter  Statuen,  laf.  I.  —  Sonatfjan  iKidjarbfon,  englifdjer  Sialer  unb 
Mniiftfdn'iftftcUer  (l(iG3— 1745).  Über  feine  Sdjrift  „Über  bie  Jljeorie  ber  Malerei"  »gl. 
oben  bie  Einleitung  S.  XI.  —  Gljrift.  Subm.  ».  £ageborn  (ber  SSruber  be§  befannten 
Mnafrcontifevy  griebridj  ».  ö-),  SMreltor  ber  fiidififdjcn  fiunftatabemieen  unb  flunftfefetfc 
ftcDer  (1713— nsO).  Über  feine  „Betraditungen  über  bie  Sialerei"  f.  Einleitung  S.  XVI. 
—  27 f.  bc  ^outaines  (ober  XcMontaines),  franjöfifdjer  .ftritifer  (1685—1745),  33erf. 
einer  Übericßung  bes  SJtrgil. 


tfaohoon  VI.  47 

bem  SBerfe  bcS  £id;ter§  r>on  ebenfo  guter  üEßirfung  fein  formen? 
Dljnftreitig;  benn  roa§  wir  in  einem  ftunftwerfe  fdjön  finben,  ba§ 
finbet  nietet  unfer  2luge,  fonbem  unfere  ©inbilbungetraft,  burd; 
ba§  2tuge,  fdjön.  S)a§  nämlidje  33ilb  mag  alfo  in  unferer  @tn= 
5  bilbungefraft  burd)  willfürlidje  ober  natürliche  3eid;en  wieber  er= 
regt  werben,  fo  mufj  aud;  jjeberjett  bo§  nämlidje  ÜBoIjlgefaffen, 
obftfjon  nid)t  in  bem  nämlid;en  ©rabe,  mieber  entfielen. 

2>iefe§  aber  eingeftanben,  mujjj  id;   befennen,  bat)  mir  bie 
SBorau§fe$ung ,  Sßirgtl   l;abe  bie  Mnftler  nad;geal;met,  roeit   un= 

10  begreiflicher  wirb,  al§  mir  baö  SSiberfpiel  berfelben  geworben  ift. 
SEßenn  bie  föünftler  bem  £id;ter  gefolgt  finb,  fo  fann  id)  mir  oon 
allen  üjren  9lbmeidnmgen  9fabe  unb  Antwort  geben,  ©ie  mußten 
abweid;en,  weil  bie  nämlid;en  3üge  be§  2)id)tere  in  iljrem  SBerfe 
Hnbequemlidjfeiten  oerurfad;t  l;aben  mürben,  bie  fid)  bei  ifvm  nidjt 

15  äußern.  Sfber  warum  mutete  ber  5Dtcr)ter  abmeid;en?  Sßann  er 
ber  ©nippe  in  allen  unb  jeben  (Etüden  treulid)  nachgegangen  wäre, 
würbe  er  un§  nidjt  immer  nod;  ein  nortrefflidjeö  ©emälbe  ge= 
liefert  tja&en?2)  Qd)  begreife  mol;l,  wie  feine  uor  fid;  felbft  arbeitenbe 

-)  £d)  fann  nüd)  besfalls  auf  niefito  entfcficibenbereel  berufen,  als  auf  ba§  (Uebicfjt  be§ 
20  Sabolet.    63  ift  eine3  alten  ©idjters  roürbig,  unb  ba  es  fe&r  luobl  bie  Stelle  eineä  SupferS 
oertteten  fann,  fo  glaube  id;  es  fner  ganj  einrücfen  511  bürfen. 

DE  LAOCOONTIS  STATUA 

IACOBI    SADOLETI    CAR3IFX. 

Ecce  alto  terrae  e  eurnulo,  ingentisque  ruinae 
25  Visceribus,  iterum  reducem  louginqua  reduxit 

Laocoonta  dies;  aulis  regalibus  olim 

Qui  stetit,  atque  tuos  ornabat,  Tite,  penates. 

Divinae  simulacrura  artis,  nee  doeta  vetustas 

Nobilius  speetabat  opus,  nunc  celsa  revisit 
30  Exemptuni  tenebris  redivivae  moenia  Roruae. 

Quid  primum  summumve  loquar?  miserumne  parentem 

Et  prolem  geminam?   an  sinuatos  flexibus  angues 

Terribili  aspectu?   caudasque  irasque  draconum 

Vulneraque  et  veros,  saxo  moriente,  dolores? 
35  Horret  ad  haec  animus,  mutaque  ab  imagine  pulsat 

Pectora ,  non  parvo  pietas  commixta  tremori. 

Prolixuin  bini  spiris  gloruerantur  in  orbeni 

Ardentes  colubri,  et  sinuosis  orbibus  errant, 

Ternaque  multiplici  constringunt  Corpora  nexu. 
40  Vix  oculi  sufferre  valent,  crudele  tuendo 

Exitium .  casusque  feros:  micat  alter,  et  ipsum 

Laocoonta  petit,  totumque  infraque  supraque 

Implicat  et  rabido  tandem  ferit  ilia  morsu. 

Connexum  refugit  corpus,  torquentia  sesc 

5.  Über  will! ürlio)e  unb  natürlirfje  3eicf)cn  pgl.  man  2l6id)n.  XVII.  —  üO. 
Safob  gabolet  (1477— 154*),  fiarbinol  unb  formgeroaubter  lateinifdjer  SMditer.  — 
Gs  ift  eines  alten  Jidjters  roürbig;  in  ber  §bfd)r.  urfprünglicf) :  ,,©s  ift  nor^ 
trefflief)". 


48  faokcott  VI. 

Sßljantafie  i f> jx  auf  biefcn  unb  jenen  $ug  bringen  lönnen;  aber 
bie  Urfad^cn,  roarum  feine  SBeurteitungsfraft  fdjöne  Büge,  bie  er 
üor  3(ugen  gehabt,  in  bicfe  anbere  3uge  oerroanbeln  511  muffen 
glaubte,  biefe  motten  mir  nirgenbß  einleuchten. 

Wxd)  bünfet  fogar,  menn  Birgit  bie  ©ruppe  311  feinem  §Bor=  5 
bilbe  gehabt  Ijtittc,  bap  er  ftdj  fdjroerlid)  mürbe  §aben  mäßigen 
fönnen,  bie  SSerftridfung  aller  brei  Körper  in  einen  Knoten,  gleidjfam 
nur  erraten  §u  (äffen.  Sie  mürbe  fein  2(uge  ju  lebhaft  gerührt 
b/tben,  er  mürbe  eine  51t  treffliche  2ßirfung  non  iln*  empfunben 
t)aben,  als  baf$  fie  nidjt  and)  in  feiner  ÜBefdjreibung  meljr  oor=  10 
ftedjen  follte.  $d)  Ijabe  gefagt:  e§  mar  ifct  bie  $eit  wdjt,  biefe 
2>erftridung  ausmalen.  5tein;  aber  ein  einziges  Sßort  melm 
mürbe  il)r  in  bem  ©chatten,  roorin  fie  ber  Sidjter  laffen  muf$te, 

Membra,  latusque  retro  sinuatuin  a  vulnere  cernas. 

Ille  dolore  acri,  et  laniatu  impulsua  acerbo,  15 

Dat  gemitum  ingentem,  crudoaque  evellere  dentes 

Connixua ,  laevam  irnpatiens  ad  terga  Chelydri 

Obiicit:  intendunt  nervi,  collectaque  ab  omni 

Corpore  vis  frustra  suminis  conatibus  instat. 

Ferre  nequit  rabiem,  et  de  vulnere  murmur  anhelum  est.  20 

At  serpens  lapsu  crebro  redeunte  subiutrat 

Lubricus,  intortoque  ligat  genua  infima  nodo. 

Absistunt  aurae,  spirisque  prementibus  aretum 

Crus  turnet ,  obaepto  turgent  vitalia  pulsu, 

Liventesque  atro  distendunt  sanguine  venas.  25 

Nee  minus  in  natos  eadem  vis  effera  saevit 

Implexuque  angit  rapido,  miserandaque  membra 

Dilacerat:  jamque  alterius  depasta  cruentum 

Pectus,  suprema  genitorem  voce  cientis. 

Circumiectu  orbis,  validoque  volumine  fuleit.  30 

Alter  adhuc  nullo  violatus  corpora  morsu, 

Dum  parat  addueta  caudam  divellere  planta, 

Horret  ad  adspectum  miseri  patris,  haeret  in  illo , 

Et  jamjam  ingentes  flectus,  laehrymasque  cadentes 

Anceps  in  dubio  retinet  timor.     Ergo  perenni  35 

Qui  tantum  statuistis  opus  jam  laude  nitentea, 

Artifices  magni  (quanquam  et  melioribus  actia 

Quaeritur  aeternum  nomen,  multoque  lieebat 

Clarius  ingenium  venturae  tradere  famae) 

Attamen  ad  laudem  quaeeunque  oblata  facultas  40 

Egregium  hanc  rapere,  et  summa  ad  fastigia  niti. 

Vos  rigidum  lapidem  vivis  animare  figuris 

Eximii,  et  vivos  apiranti  in  marmore  aensus 

Inserere,  aspieimus  motumque  iramque  doloremque  , 

Et  paene  audimus  gemitus :  vos  extulit  olim  45 

Clara  Rhodos,  vestrae  jacuerunt  artis  honores 

Tempore  ab  immenso,  quos  rursum  in  luce  seeunda 

Roma  videt,  celebratque  frequens:  operisque  vetuati 

Gratia  parta  recena.     Quanto  praeatantiu8  ergo  eat 

Ingenio ,  aut  quovis  extendere  fata  labore ,  50 

Quam  faatua  et  opea  et  inanem  extendere  luxum. 
(v.  Leodegarii  a  Quercu  Farrago  Poematum  T.  II.  p.  fi3.)    21ud)   (SJvuter  l)at  biefe? 
®ebid)t,  nebft  anbeni  be>3  Sabolets  feiner  befannten  Sammlung  (Delic.  Poet.  Italorum 
Parte   alt.   p.  582.)  mit  einucrleibet ;   allein   fehr  fehlerhaft.    'Jür  bini  (v.  14)  liefet  er 
vivi;  für  errant  (v.  15)  uram,  u.  f.  m.  K  55 


ffaokoon  VI.  49 

«inen  fef)r  entfdjeibenben  £rud  uielleicbt  gegeben  tjaben.  2Öa§ 
bei  xHrtift,  ofjne  biefeS  2Bort  entbeden  tonnte,  roürbe  ber  3)td)ter, 
luenn  er  e§  bei  bem  Prüften  gefefyen  fiätte,  nicrjt  o(me  baöfelbe  ge= 
[äffen  Iiaben. 

5  2)er  Slrtift  fjatte  bie  bringenbften  Urfadjen,  baö  Seiben  beö 

Saofoon  nid)t  in  ©efdjrei  ausbrechen  311  laffen.  Söenn  aber  ber 
SDtdjter  bie  fo  rüfyrenbe  3>erbinbung  von  Scbmer3  unb  ©djönljeit 
in  bem  töunftmerfe  oor  fid)  gehabt  (jätte,  ma§  (jätte  it)n  eben  fo 
unoermeiblidj  nötigen  tonnen,  bie  $jbee  non  männlidiem  2(nftanbe 

10  unb  großmütiger  ©ebulb,  roeldie  aus  biefer  23erbinbung  be§ 
GdnneqeS  unb  ber  <3d)önr)eit  entfpringt,  fo  »öttig  unangebeutet 
jju  (äffen,  unb  un§  auf  einmal  mit  bem  gräftlidjen  ©efdjret  feineo 
SaofoonS  511  fdn-eden?  ^idjarbfon  fagt:  $irgi(ö  £aofoon  muf? 
fdjreien,    roetl   ber    ©idjter    nidjt    foroob,!    9)tttleib    für   iljn,    aU 

15  ©djreden  unb  ©ntfetjen  bei  ben  Xrojanem,  erregen  miß.  $cr) 
mitt  eS  jugeben,  obgleid)  ^idjarbfon  nidjt  erwogen  511  fjaben  fdjeinet, 
bafj  ber  2)id)ter  bie  Sefdjreibung  nidjt  in  feiner  eignen  ^jerfon 
madjt,  fonbem  fie  ben  2Inea§  madjen  läf$t,  unb  gegen  bie  2>ibo 
macben  täfst,  beren  9)citleib  2mea3  nidjt  genug  beftürmen  formte. 

20  21tlein  mid)  befrembet  nidjt  ba3  ©efdjrei ,  fonbem  ber  sDtanget 
aller  ©rabatüm  biö  ju  biefem  ©efdjrei,  auf  roetdje  bas  ^unftmerf 
ben  S)id)ter  natürlicher  äßeife  t)ätte  bringen  muffen,  mann  er  e§, 
roie  mir  oorauöfe&en,  51t  feinem  9>orbitbe  gehabt  Ijätte.  5Ridjarbfon 
füget  Ijmgu:3)  bie  ©efd)id)te  beö  Saofoon  fofte  b(of?  311  ber  patl)c= 

25  tifdjen  23efd)reibung  ber  enbUdjen  ^erftörung  leiten;  ber  2)id)ter 
tjabe  fie  alfo  nidjt  intereff anter  madjen  Dürfen,  um  unfere  3luf= 
merffamfeit,  roeldje  biefe  letzte  fdjrecflitfie  Sßadji  ganj  fobere,  burdj 
ba§  Unglüd  eines  einzeln  93ürgero  nidjt  311  gerftreuen.  3lffein 
baö  Ijetjjt  bie  ©adb,e  auö  einem  malerifdjen  2lugenpunfte  Betretenen 

30  motten,  aus  meldjem  fie  gar  nidjt  betrachtet  merben  fann.  2)a§ 
Unglüd  be§  Saofoon  unb  bie  ßerftörung  finb  bei  bem  £)id)ter 
feine  ©emälbe  neben  einanber;  fie  madjen  beibe  fein  ©anjeö  aus, 
ba§  unfer  2(uge  auf  einmal  überfeinen  fönnte  ober  fottte;  unb  nur 

3)  De  la  Peinture,  Tome  III.  p.  51G.  C'est  l'horreur  que  les  Tro'iens  ont  coii(;ue 
35  contre  Laocoon,  qui  «Hait  necessaire  a  Virgile  pour  la  conduite  de  son  Poeme; 
et  cela  le  rnerie  ä  cette  Description  pathetique  de  la  Destruction  de  la  patrie  de 
Bon  Heros.  Aussi  Virgile  n'avoit  garde  de  diviser  l'attention  sur  la  derniere 
nuit,  pour  une  grande  ville  entiere,  par  la  peinture  d'un  petit  malheur  d'un  Par- 
ticulier. 

20.  aiugenpunf  tc,  b.  i).  ©efid^töpunfte. 

Seffingä  äBerfe  9.  4 


50  ffaohoon  VI. 

in  biefem  Aalle  märe  e§  ju  beforgen,  bafj  unfere  JUide  meljr  auf 
ben  Saofoon  a(6  auf  bie  brennenbe  Stabt  fallen  bürften.  Leiber 
33efd)ro&imgen  folgen  auf  einanber,  unb  idj  fefye  nid)t,  melden 
9tad)teil  eö  ber  folgenben  Dringen  tonnte,  menn  uns  bie  r>ort)er= 
gebenbe  autf)  nod)  fo  feljr  gerührt  r)ätte.  ߣ  fei  benn,  bafj  bie  5 
folgenbe  an  fid)  felbft  nid)t  rü^renb  genug  märe. 

v)iod)  roenigcr  Urfadje  mürbe  ber  SDidjier  gehabt  Ijaben,  bie 
SBmbungen  ber  (Schlangen  gu  »eränbern.  ©ie  befdjäftigcn  in  bcm 
.Hunftmerfe  bie  £änbe,  unb  uerftriden  bie  ^üjüe.  <2o  fer)r  bem 
2luge  biefe  Verteilung  gefällt,  fo  lebljaft  ift  baö  23ilb,  meld)e§  10 
in  ber  Ginbilbung  bauon  ^urüdbleibt.  @§  ift  fo  beutlid)  unb 
rein,  bafs  es  fid)  burdj  äßortc  nidjt  niel  fdjmädjer  barftetlen  läjst 
al§  burd;  natürlidje  3eid)en. 

—  —  —  ■ —  micat  alter,  et  ipsum 

Laocoonta  petit,  totumque  infraque  supraque  15 

Implicat  et  rabido  tandem  ferit  ilia  morsu 


At  serpens  lapsu  erebro  redeunte  subintrat 
Lubricus,  intortoque  ligat  genua  infima  nodo. 

£a§  finb  ßetfen  be§  Sabolet,  bie  non  bem  üßtrgil  ofjne  3meifel  20 
nod)    malerifdjer   gekommen  mären,    menn   ein  fidjtbares  Vorbilb 
feine  ^>l)antafie  befeuert  l)ätte,  unb  bie  aisbann  geroifj  beffer  ge= 
mefen  mären,  a(3  raa§  er  un§  i£t  bafür  giebt: 

Bis  medium  amplexi,  bis  collo  squamea  circum 

Terga  dati,  superant  capite  et  cervicibus  altis.  25 

£iefe  3uÖe  füllen  unfere  CinbilbungSfraft  allerbingS;  aber  fie 
muj$  nid)t  babei  uerraeilen,  fie  mup  fie  nid)t  auf§  reine  ju  bringen 
fudjen,  fie  muf?  it$t  nur  bie  ©drangen,  itjt  nur  ben  £aof"oon  fer)en, 
fie  mujj  fid)  nidjt  vorftellen  mollen,  meldje  ^tgitr  beibe  gufammen 
madjen.  2obalb  fie  hierauf  verfällt,  fängt  i()r  baö  3>irgilifd)e  00 
33ilb  an  ;u  mifjfatten,  unb  fie  finbet  e§  l)öd)ft  unmalerifd). 

2ßären  aber  aud)  fdjon  bie  ÄuTänberungen,  meldje  3>irgil 
mit  bem  i()in  geliehenen  Vorbilbe  gemadjt  ()ätte,  nidjt  unglüdlidj, 
fo  mären  fie  bod)  btofs  mitlt'ürlidj.  9)?an  aljmet  nad),  um  är)nficr) 
ju  werben;  fann  man  aber  älntlid)  merben,  menn  man  über  bie  35 
-)iot  oeränbert?  Vielmehr,  menn  man  biefes  tfjut,  ift  ber  Marfan 
Hat,  bajj  man  nidjt  äljnlid)  merben  mollen,  bajj  man  alfo  nidjt 
uadigealjmet  babe. 


tohoon  VII.  ö  1 

9iid)t  baS  ©an je,  fönnte  man  einroenben,  aber  roofjt  biefen 
unb  jenen  Seil,  öut;  bod)  roeldjeS  jtnb  benn  biefe  eingeln  Steile, 
bie  in  ber  23efd)reibung  unb  in  bem  ^unftroerfe  fo  genau  ü6er= 
etnfthrnnen,  bafs  fie  ber  Sinter  aus  biefetn  entlehnet  gu  fyabm 
;>  fdieinen  fönnte?  SDen  3>ater,  bie  ^tnber,  bie  ©drangen,  baS  alles 
gab  bem  £>icf)ter  forool)!  als  bem  Strtiften,  bie  (Sefdjitfjte.  2luf$er 
bem  §iftorifd)en  fommen  fie  in  nidjtS  überein,  als  barin,  bajs  fie 
$inber  unb  3Jater  in  einen  etnjigen  ©djlangenfnoten  nerftricfen. 
2lltein  ber  Ginfatl  fjiergu  entfprang  aus  bem  ueränbertcn  t)iftorifd)en 

10  Itmftanbe,  baf?  ben  3jater  eben  baSfelbe  Unglüd  betroffen  Ijahe, 
als  bie  ^inber.  ^Diefe  23eränberung  aber,  rote  oben  erroäfjnt 
roorben,  fdjeinet  23trgil  gemacht  §u  fyahm;  benn  bie  griedjifdje 
^rabition  fagt  gang  etroaS  anberS.  ^otgtid),  roenn  in  2tnfelmng 
jener    gemeinfdjafttidjen    33erftridung   auf    einer  ober  ber  anbem 

iö  Seite  5Jiad)al)mung  fein  fott,  fo  ift  fie  roaf)rfd)eintid;er  auf  ber 
Seite  ber  $ünftter  als  beS  3)id;terS  §u  nermuten.  ^n  allem 
übrigen  roeid)t  einer  non  bem  anbem  ab,  nur  mit  bem  Unter= 
fdnebe,  baj$  roenn  eS  ber  ^ünftler  ift,  ber  bie  2lbraeid)ungen  ge= 
madjt  l)at,  ber  2Jorfatj  ben  £>id)ter  nadjjualnnen  nod;  babei  befteljen 

20  fann,  inbem  ifm  bie  S3eftimmung  unb  bie  Sdjranfen  feiner  Äunft 
baju  nötigten;  ift  eS  hingegen  ber  £)id)ter,  roetdjer  ben  ^ünftler 
nacfjgeafjmet  fjaben  foll,  fo  finb  alte  bie  berührten  2lbroeidnmgen 
ein  SeroeiS  roiber  biefe  uermeintlidje  9tad)al)tmmg,  unb  biejenigen, 
roeldje  fie  bem  ofmgeadjtet  behaupten,  fönnen  roeiter  nidjtS  bamit 

25  motten,  als  bafc  baS  ^unftmerf  älter  fei,  als  bie  poetiftfje  23e= 
fdjreibung. 

VII. 

2öenn  man  fagt,  ber  ^ünftter  afjme  bem  2>id)ter,  ober  ber 

Sinter  afjme  bem  Mnftler  nadj,  fo  fann  biefeS  sroeierlei  bebeuten. 

so  Gntroeber  ber  eine  macfjt  baS  Söerf  beS  anbem  ju  bem  roirflidjen 

©egenftanbe    feiner   Dtadjatmtung,    ober  fie   fjaben   beibe   einerlei 


25  f.  Jlucfi  oon  ben  Skrteibigern  berülnfidjt,  bafj  ba§  Äunftioerf  älter  fei  al§  baS  Ses 
bidjt,  wirb  ijeutsutage  nictjt  meljr  behauptet,  bafi  Birgit  bie  ©nippe  bei  feiner  S3e» 
fdjreibung  im  Sinne  gehabt  tjabe.  2lUerbingö  madjen  bie  ßiegner  aisbann  roieber  ben 
ßinroanb,  eo  fei  bod)  fctjr  auffallenb,  bafs  SBirgil,  wenn  bie  Saofoongruppe  J«  feiner  3"t 
fdjon  eriftierte  unb  fid)  in  SHotn  befanb,  uidtt  burd)  biefelbe  Beeinflußt  roorben  roäre.  20Iein 
man  roirb  burd)  nidito  ^u  ber  2Innatmie  genötigt,  bafj  bie  ©ruppe  fdron  jur  3eit  beS  SSirgil 
in  Rom  mar;  fie  fönnte  fetjr  roofjt  crft  unter  ben  fiaifern  von  ifjrem  urfprünglid)en  ©tanb= 
orte  f)er  naa)  3iom  oerfetst  roorben  fein. 

4* 


52  ffiaokoon  VII. 

©egenftanbe  ber  üfta$a$tmmg,  unb  bei-  eine  entlehnet  oon  bem 
anbern  bie  Sfrt  unb  2Beife  c§  nad^ualjmen. 

2ßenn  SSirgil  baS  ©djilb  be§  2fnea3  befdjreibet,  fo  afjmet  er 
beut  ttünftler,  roeldjer  biefes  ©djilb  gemadjt  fyat,  in  ber  erften 
Söebeutung  nad).  S)a§  Munftmerf,  nid)t  bae  nuts  auf  bem  ^unft-  5 
werfe  uorgeftettet  roorben,  ift  ber  ©egenftanb  feiner  ^tadjalnnung; 
unb  menn  er  aud)  fdjon  ba§  mit  betreibt,  roa.%  man  barauf 
uorgefteffet  fiel)!,  fo  befdjreibt  er  eö  bod;  nur  aU  ein  Xeü  bes> 
<Sd)übe3,  unb  nidjt  al§  bie  <£ad)t  felbft.  2öenn  3?irgil  hingegen 
bie  ©ruppc  Saofoon  nadjgealpnet  Ijätte,  fo  mürbe  biefe§  eine  u> 
Diadjalpnung  von  ber  jmeiten  ©attuug  fein.  Senn  er  mürbe 
nidjt  biefe  ©ruppe,  fonbem  ba§,  roa§  biefe  ©ruppe  uorftetfet, 
nadigealjmet,  unb  nur  bie  3U9C  feiner  9?ad)al)mung  oon  iln  ent= 
leimt  fyaben. 

33ei  ber  erften  9iad)al)mung  ift  ber  Sidjter  Original,  bei  ber  15 
anbern  ift  er  Äopift.  2>ene  ift  ein  Seil  ber  allgemeinen  9tad)= 
aljmung,  meldje  ba§  2Befen  feiner  Kunft  ausmadjt,  unb  er  arbeitet 
alö  ©enie,  fein  Ssormurf  mag  ein  üfikrf  anbrer  fünfte,  ober  ber 
9iatur  fein.  Siefc  hingegen  fettf  if)n  gättgltdj  non  feiner  Sßürbe 
Ijerab ;  anftatt  ber  Singe  felbft  afjmet  er  il)re  9iadjal)mungen  nad),  20 
unb  giebt  uns  falte  (Erinnerungen  oon  $ügen  eines  fremben  ©enieö, 
für  urfprünglidje  3üge  feines  eigenen. 

SBenn  inbe3  Sidjter  unb  ^ünftter  biejenigen  ©egenftänbe, 
bie  fie  mit  einanber  gemein  fjaben,  nidjt  feiten  aus  bem  nämlidjen 
©efidjt'opunftc  betradjten  muffen:  fo  fann  es  ntdjt  fehlen,  baf$  i()re  25 
9iad)af)mungen  nidjt  in  melen  ©tüden  übereinftimmen  follten,  ofme 
bafi  juüfdjen  Ujnen  felbft  bie  geringfte  -Jiadjalpnung  ober  33eeiferung 
gemefen.  Siefe  Übcreinftimmungen  tonnen  bei  ^eitoermanbten 
Münftlern  unb  Sidjtern,  über  Singe,  meldte  nidjt  mel)r  norljanben 
finb,  ju  roedjfelSiueifen  ©rläuterungen  führen;  allein  bergteidjen  30 
CMäuterungen  baburd)  aufyuftutjen  fud)en,  bafj  man  aus  bem 
Zufalle  33orfa$  mad)t,  unb  befonbers  bem  Poeten  bei  jeber  $teinig= 

2.  e3  iia^sualjmen.  3lad)  gerbet  Ijiege  „einen  nad)atjmen"  ben  ©egenftanb  ober 
ba§  2Bert  be5  anbern  nadjaljmen,  „einem  nad)aljmen"  aber,  bie  Strt  unb  SBeife  ber  SBe« 
baublung  uon  einem  anbern  entlegnen,  ©iefer  Unterfcftieb  ift  aber  nidjt  nad)n>ei3bar ; 
nacijatjmen  inirb,  roo  es  fid)  um  ißerfonen  Ejunbett,  mit  Satin  unb  älccufatio  obne  Unter* 
fd)ieb  gebrannt,  hingegen  bei  ©adjen  nur  mit  bem  Mccufatiu  (alfo  nie  „einer  Sad)e  nad>= 
abinen").  —  15  ff.  ^ufofern  bie  ücadtatjmung  aß  Sfrinji?  ber  fünfte  beüeid)net  würbe,  eine 
Definition,  bie  mir  bereits  bei  2(nftotele3  fiuben  unb  bie  bie  bamaüge  Stft^etif  Bis  auf 
SBaiteuj  unb  blamier  nid)t  nur  beibehalten,  fonbern  fogar  fo  auf  bie  Sniße  getrieben  batte, 
bafs  ü)ienbel'5fobn  unb  Seffing  ba>3  ^Jrlnjtp  ber  Siadialnnung  luefeutlicb  eiu^ufdjriiuten  für 
gut  fanbeu. 


ffaofcoon  Vit  53 

feit  ein  Sfagenmerf  auf  biefe  Statue,  ober  auf  jenes  ©emälbe 
anbietet,  fjeifst  ifjm  einen  fef)r  groeibeutigen  ©ienft  erroeifen. 
Unb  nidjt  allein  tym,  fonbem  audj  bem  Sefer,  bem  man  bie 
febünfte  «Steife  baburd),  wenn  ©Ott  roiff,  fefjr  beutlid),  aber  aud) 

ö  trefffid)  froftig  madjt. 

2>iefe3  ift  bie  2(6fid)t  unb  ber  $elj(er  eines  berühmten  eng- 
Itfdfjen  2öerf3.  Spence  fdjrieb  feinen  ^ofnmetiö1)  mit  niefer 
f(affifd)en  ©etefjrfamfeit  unb  in  einer  fefjr  uertrauten  SSefanntfdjaft 
mit  ben  übergebliebenen  2öerfen  ber  aften  iftunft.    ©einen  Sorfaij, 

10  auö  biefen  bie  römtfdjen  ©id)ter  51t  erflüren,  unb  au%  ben  2)id)tem 
f)inn)ieberum  2Utffd)U'tffe  für  nod)  unerflärte  alte  ^unftmerfe  f)er= 
juljolen,  fjat  er  öfters  glüdfid)  erreicht.  2(ber  bem  olmgeadjtet 
behaupte  id),  ba£  fein  33ud)  für  jeben  Sefer  von  ©cfdjmad  ein 
ganj  unerträgliches  Sud)  fein  mujj. 

i5  @S  ift  natürlidj,  bafc  roenn  3>aleriuS  $laccuS  ben  geflügelten 

35lit)  auf  ben  römifdjen  Sdjilben  befdjreibt, 

(Nee  priinus  radios,  miles  Eoroane,  corusci 
Fulminis  et  rutilas  scutis  diffuderis  alas) 

mir  biefe  23efd)reibung  meit  beutlidjer  roirb,  menn  id)  bie  Wt- 
20  bilbung  eines  folcfjen  SdjilbeS  auf  einem  alten  Senfmale  erblide.1) 
Gö  fann  fein,  baf?  9)iarS  in  eben  ber  fdjroebenben  Stellung,  in 
ineldjer  iljn  2lbbiion  über  ber  9U)ea  auf  einer  9Jtünje  ju  feiert 
glaubte, ')   aud)   oon  ben  alten  Sßaffenfdjmieben  auf  ben  Reimen 

J)  Sie  erfte  SluSgabe  ift  rion  1747;  bie  jtreite  nott  1755  unb  führet  ben  SEitel:  Poly- 
25  metis,  or  au  Enquiry  concerning  the  Agreement  between  the  Works  of  the  Roman 
Poets,  and  the  Remains  of  the  ancient  Artists,  heing  an  Attempt  to  illustrate 
them  mutually  from  one  another.  In  ten  Books,  by  the  Revd.  Mr.  Spenoe.  London, 
printed  for  Dodsley.  fol.  2lud)  ein  SluSjug,  inelcöen  31.  Sinbat  aus  biefem  SBerfe  ge» 
macbt  hat,  ift  bereits  meljr  als  einmal  gebrueft  inorben. 
30       •    -)  Val.  Flaccus  lib.  VI.  v.  f>5.  56.     Polymetis  Uial.  VI.  p.  50. 

3)  5>cb  fage,  e§  fann  fein.    £och  roollte  ich  sehn  gegen  eins  roetten,  bafj  eS  nid)t  ift. 

—  Suoenal  rebet  von  ben  erften  Reiten  ber  3icpublif,  als  man  nod)  von  feiner  5|]rad)t 
unb  Üppigfeit  mußte,  unb  ber  Solbat  baS  erbeutete  ©olb  unb  Silber  nur  auf  baS  CJefcbirr 
feine§  ^ferbeS  unb  auf  feine  äßaffen  oenuanbte.    (Sat.  XI.  v.  100 — 107.) 

35  Tunc  rudis  et  Grajas  mirari  nescius  artes 

Urbibus  eversis  praedarum  in  parte  reperta 

7.  3ofer.fi  Spence  (1699— I7fi8),  englifeber  (Mefirter ,  lebte  als  ^rofeffor  ber  ©e= 
fcfjtcr>te  in  Cjforb.  Sein  „<poliimettS"  fjatte  ifim  bamals  einen  Bebeutenben  SJamen  »er= 
fdjafft,  roirb  aber  fijer  non  i'effing  mit  »ollem  Jiedjte  befämpft.  —  15.  SBaleriuS 
aI  accus,  geft.  um  üO  n.  Gfir. ,  SBerf.  einer  eptfcfjen  Sdnlberung  be§  2trgouautcnjugeä. 
an  ber  fiier  angeführten  Stelle  fingiert  er,  bafs  baS  fteer  eines  ffrjtfjifcfien  2lnfübrers  be= 
reits  ben  SMiR  als  Sdiilbäeicben  geführt  hätte,  roie  einige  römifebe  Segionen  ber  fiaiferäeit. 

—  22.  gofepf)  3lbbifon  (1672 — 1719),  Berühmter  engliftfjer  ©elebrter  unb  Staatsmann, 
.Herausgeber  ber  3eitfd)rift  „SDcr  3ufcBö«er".  Seine  weiter  unten  citierten  „©efprädje 
über  3JJün5en"  I;abeu  eine  ätjnlicfie  Xenben,?  wie  SpenceS  „polymetis",  jeigen  babei  aber 
nielfad)  llnfcnntnio  ber  alten  ßunft  unb  ein  uölligeS  Sßerfenuen  biditerifcber  unb  male; 
rifeber  sprinjipien.  —  22 f.  ju  feben  glaubte,  in  ber  £>bfc6r.  urfprünglict)  „erblicfte". 


54  ffookoon  VII. 

unb  3d)üben  vorgeftetfet  nmrbe,  unb  baf}  3Uüena^  einen  folgen 
,£>elm  ober  <2d)ilb  in  ©ebanfen  f)atte,  afe  er  mit  einem  äöorte 
barnuf  anfpielte,  tncldjeä  bis  auf  ben  Stbbifon  ein  Wätfel  für  alle 

Magnorum  artificum  fraugebat  pocula  miles, 

Ut  phaleris  gauderet  equus,  caelataque  cassis  5 

Rornuleae  simulacra  ferae  mansuescere  jussae 

Imperii  fato,  geminos  sub  rupe  Quirinos, 

Ac  nudani  effigiem  clypeo  fulgetitis  et  hasta, 

Pendentisque  Dei  perituro  ostenderet  hosti. 

Ser  ©olbat  äerbrad;   bie  foftbarften  S3ed>er,  bie  üfteifterftüde  großer  Rünftlcr,  um  eine  10 
äßölfin,  einen  fleinen  D?omulu§unb  Kemu?  barauS  arbeiten  ju  taffen,  roomit  er  feinen 
öelm  au?fd)mücfte.    2lUe§  ift  oerftanblid),  bi?  auf  bie  testen  jroei  3eiteu,  in  njeld)en  ber 
SMditer  fortfäljrt,  nod)   ein  foldjeS  getriebene?  $ilb  auf  ben  »einten  ber  alten  ©olbaten 
3U  befdjreibeu.    ©o  »iel  fiet)t  man  roofyl,   baf?  biefe?  SMlb  ber"  (Sott  9Jlar?  fein  foll;  aber 
u>a?  foll  ba?  Setroort  pendentis,  roeld)e?  er  ifjm  giebt,  bebeuten?    Dtigaltiu?  fanb  eine  alte  ir> 
©loffe,  bie  e?  burd)  quasi  ad  ictum  se  inolinautis  erflärt.    Subinu?  meinet,  ba?  33i(b 
fei  auf  bem  ©dnlbe  gcroefen,  unb  ba  bas!  ©diilb  an  bem  2lrme  bange,  fo  f)abe  ber  S)id)ter 
aud)  ba?  Silb  Ijängenb  nennen  fönnen.    2lHein  biefe?  ift  roiber  bie  ßonftruftiou ;  benn  ba? 
ju  ostenderet  gehörige  ©ubjectum  ift  nidjt  miles,   fonbern  cassis.    23ritannicu?  roill, 
alteä  roa?  fjocfi  in  ber  fiuft  ftetjc ,  fönne  bangenb  beifjen,   unb  alfo  aud)  biefe?  33itb  über  20 
ober  auf  bem  £elme.    einige  roollen  gar  perdentis  bafür  lefen,  um  einen  ©egenfa§  mit 
bem  folgenben  perituro  ju  mad)en,   ben   aber  nur  fie  allein   fdjön  finben  bürften.    2Ba? 
fagt  nun  2lbbifon  bei  biefer  UngeroifjEjeit  ?    Sie  21u?leger,  fagt  er,  irren  fidt)  alle,  unb  bie 
roafjre  SJleinung  ift  ganj  geroifi  biefe  (f.  beffen  Dieifen,  beut.  Überf.  ©.  .'49):  „Sa  bie  rö= 
mifcbcn  ©olbaten  fid)   nid)t  wenig  auf  ben  Stifter  unt>  friegerifdjen  ©eift  iljrer  Dtepublif  2."> 
einbilbeten,  fo  roaren  fie  geroo!)nt  auf  itjren  Reimen  bie   erfte  ©efd)id)te   oe?  SRomulu?  ju 
tragen,  roie  er  oon  einem  ©otte  erjeugt  unb  oon  einer  SBötfin  gefäuget  roorben.    2>ie 
fyigur  be?  öotte?  mar  oorgeftellt,  roie  er  fid)  auf  bie  $riefterin  Qua,  ober  rote  fie  anbere 
nennen,  iHfjea  ©nloia,  fjerabläfst,  unb  in  biefem  §erablaffen  fd)ien  fie  über  ber  Jungfrau 
in  ber  Suft  ju  frf>roeben,  roeldje?   benn  burd)  ba?    2Bort  pendeutis  fefjr  eigentlich,  unb  30 
poetifd)  att?gebrucft  roirb.    2tufier  bem  alten  S3a?relief  beim  SBellori,   meines  mid)  juerft 
auf  biefe  2lu?legung  brachte,   fjabe  id)  feitbem  bie  nämlid)e  Syigur  auf  einer  SJlünje  ge» 
fuuben,  bie  unter  ber  3e^  oe§  StntoninuS  Sßiu§  gefdjlagen  luorben."  —  ©a  ©pence  biefe 
©ntbedung  be3  Slbbifon  fo  aufjerorbentlid)  glüclücb  ftnbet,   bafj  er  fie  al§  ein  5Dhifter  in 
ibrcr  21rt  unb  als  ba?  ftärtftc  Seifpiel  anführet,  roie  nü|lid)  bie  SBerfe  ber  alten  Strttftert  35 
äur  (grllärung  ber  f taffifdjeu  römifdieu  ©id)ter  gebraudit  roerben  tonnen :  fo  fann  id)  mid) 
nidjt  enthalten,  fie  ein  roenig  genauer  ,^u  betrachten.    (Polymetis  Dial.  YII.  p.  77.)  — 
SSorS  erfte  mufi  icfi  anmerten,   bafj  blofs  ba?  Basrelief  uud  bie  üßilnje  bem  Slbbifon  rootit 
fd)roertia)  bie  ©teile  be§  Suoenalä  in  bie  ©ebanfen  gebracht  l)abtn  roürbe,  roenn  er  fid) 
nidit  jugteid)  erinnert  i)ätu,  bei  bem  alten  ©djoliaften,  ber  in  ber  legten  of)n  einen  3ei'^  40 
anftatt  fulgentis,  veuientis  gefunben,  bie  ©loffe   gelefen  ju  Ijaben:    Martis  ad  Iliam 
venientis  ut  concumberet.     22un   ueb^me  man  aber  biefe  SeSart  be3  ©d)oliaften  ntd)t 
an,  fonbern  man  nel)me  bie  an,  roeldje  Slbbifon  felbft  annimmt  unb  fage,  ob  man  fobann 
bie  geringfte  ©pur  finbet,    baß  ber  Sid)ter  bie  Sftljea  in  ©ebanfen  gehabt  pbe?    2Jlan 
fage,  ob  e§  nid)t  ein  roab,re'3  .ynfteronproteron  oon  itjtn  fein  roürbe,  baf;  er  oon  ber  SBölfin  45 
unb  ben  jungen  ffinaben  rebe,  unb  fobann  erft  oon  bem  21benteuer,  bem  fie  ib,r  3)afein  511 
bauten  fyaben?    S)ie  SR^ea  ift  nod)  nidjt  9J!utter,   unb  bie  Sinber  liegen  fd)on  unter  bem 
Reifen.    3J!an  fage,  ob  eine  ©djäferftunbe  roof)l  ein  fd)idlid)e'3  ©mbtema  auf  bem  §elme 

15 ff.  9tigaltiu§,  fiubinus  unb  Sritannicuä  finb  s^t)i[ologeti  be-5  16.  unb  17.3ab,r= 
b^unbert'5,  roeld)e  Kommentare  ;,um  Suoenal  »erfafjt  traben;  namentlich  ber  Äommentar 
be§  Sritannicuä  ift  feljr  gejcbä^t.  —  16.  ©loffe,  b.  b,  Stanbbemertung  eine?  2lb= 
fcbreibero  in  einer  alten  §anbfc|rift.  —  31.  Sellori,  2lntiiiuar  auS  bem  17.  ^a^rb-, 
roeldjer  jab,lreid)e  antife  SSilbroerfe  publiäiert  tjat,  pornetjmlid)  in  bem  2Berf,  roeldjeS  ben 
2itel  füljrt".  Aclmiranda  Kniiianarum  antiquitatura  vestigia  (Hi'.t;!).  —  44 ff.  Samit 
ift  ßeffing  im  Unredjt.  SSJeber  liegt  in  ben  SBorten  Suoenalä,  roenn  man  bie  SJejieljung 
auf  ben  Sefurt)  bei  ber  !)il)ea  annimmt,  ein  ^ufteronproteron,  ba  e3  fid)  um  feine  Inftorifdje 
2tufjät)lung,  fonbern  nur  um  beiläufige  2lngabe  ber  bargeftellten  Scenen  banbelt,  nod)  roäre 
ber  Söefud)  be3  *Kar?  bei  ber  9il)ea  als  „©djäferftunbe"  ein  unpaffenbe?  Emblem  für  einen 
.\>elm.    Hlä  '•Beroei?  bieut,  bafs  Sidon.  Apoll.  II,  395  als  ©arftellungen  eine?  Sd)ilbe? 


ffiaohoon  VII.  55 

3tuälegec  geroefeix.     Wirf)  bünft  felbft,  bajj  idj  bie  ©teile  Dinbä, 
wo  bei-  ermattete  ßepljaluä  beix  fiUjlenben  Stiften  ruft: 

Aura     —     —     — -     venias     — 

Meque  juves,  intresque  sinus,  gratis siuia,  nostros  ! 

5  eines  römifd)en  Solbateit  getpefen  märe?  2)er  Solbat  nur  auf  ben  göttlichen  Urfprung 
feines  Sttfter-3  ftol;;  baS  jeigten  bie  äSotfin  unb  bie  Äiuber  genug  jam;  mufste  er  aud)  nod) 
ben  iDtarS  im  Begriffe  einer  öanblung  jeigen,  in  ber  er  nidjtä  weniger  als  ber  fürd)terlid)e 
'ltt.irS  mar?  ©eine  Überrafd)ung  ber  3itjeo  mag  auf  nod)  fo  oiel  alten  TOarmorn  unb 
SBunjen  ju  finben  fein,  pafjt  fie  barutn  auf  baS  Stücf  einer  Stiijtunj?    Unb   rocld)e3  finb 

10  beim  bie  IKarmor  u:\t>  siftitn\en,  auf  welcfjen  fie  Stobifon  fanb,  unb  wo  er  ben  3Jlar§  in 
biefer  fcbwebenbeu  Stellung  fafje  ?  SEU3  alte  Basrelief,  worauf  er  fid)  beruft,  foll  Bettori 
tyabtn.  älber  bie  älbntiranba,  mjle&eS  feine  Sammlung  ber  fdpttften  atten  Basreliefs  ift, 
wirb  m.tn  oergebenS  barnai)  burd)btättecn.  3$  tjabe  e-3  nid)t  gefunben,  unb  auf)  ©pence 
muß  e3  meber  ba,  nod)  fonft  iuo  gefunben  fja'jeu,   weil  er  e3  gänjlicb,  mit  StiHfd)ra  eigen 

15  übergebt.  2llle3  fömmt  alfo  auf  bie  iJtanje  an.  3Jun  betrachte  min  biefe  bei  bem  ätbbifon 
felbft.  3d)  erbtiefe  eine  üegenbe  Stfyea;  uno  ba  bem  ©tempelfdjneiber  ber  Dtaum  nid)t 
ertaubte,  bie  gigur  be3  2ßar3  mit  if)r  auf  gleichem  Boben  ju  ftetten,  fo  fteljet  jener  ein 
wenig  böfjer.  2)a3  ift  e-3  alteS;  fd)toibenbe3  Ijat  fie  aujier  biefem  nid)t  baS  geringfte.  G3 
ift  roa&r,   in  ber  itbbilbung    bie  ©pence  baoon  giebt,   ift  ba3  <Si)Xibm    fefjr  ftarr  au3^ 

-20  georiiifc;  bie  ^tgur  fällt  mit  bem  D&erteile  weit  Dor;  un'}  man  fie&t  beutlid),  bag  eS  fein 
fteljeuber  fiorper  ift,  fonbern  bajj,  we:m  e3  fein  fallenber  Körper  fein  foll,  e§  notwenbig 
ein  fd)webenoer  fein  mufj.  ©pence  fagt,  er  befitje  biefe  fÖtiinje  felbft.  @3  wäre  Imrt,  ob; 
fdjon  in  einer  Sleinigfett,  bie  ilufridjtigfeit  eines  Hl.mneS  in  3t»;ifel  ju  sieben,  älllein 
ein  gefaxtes  Borurteit  fann  aud)  auf  unfere  Slugen  Ginflup  tjaben;    mbem  tonnte    er  e3 

25  junt  heften  feiner  Sefer  für  erlaubt  galten,  ben  itu3brui,  ro;ld):n  er  ju  feben  glaubte, 
burd)  feineu  Künftler  fo  nerftärfeu  m  laffen,  bafj  un3  ebenfo  wenig  Seifet  b;3fall3  übrig 
bliebe  a(3  ifjtn  felbft.  ©o  »iet  ift  gewifs,  bajj  ©?e:t:e  u:tb  Äobifon  ebenoiefelbe  SJün^e 
meinen,  unb  baß  fie  fonad)  eutioeber  bei  biefem  fefjr  oerftellt  ober  bei  jenem  fetjr  oerfcfiönert 
fein  mufj.    Sod)  id)  b,abe  nod)  eine  anbere  älnm^rEung  niiber  biefe-3  oermeintlidie  Sdiroebeu 

30  be3  sDlar3.  Siefe  nämtid):  ba&  ein  fcfiroebenber  flörper,  of^ne  eine  fd;;inbare  Urfad)e,  burd) 
meld);  bie  SBirEung  feiner  ©ebroere  oerljinbert  roirb,  eine  Ungereimtfjeit  ift,  oon  ber  man 
in  ben  alten  ßunfttnerfen  fein  @re;npil  finbet.  2Iud)  bie  neue  illalerei  erlaubet  fid)  bie= 
felbe  nie,  fonbern  toenn  ein  Körper  in  ber  Suft  fangen  foll,  fo  muffen  i£)n  entmeber  gtügel 
balten,  ober  er  mag  auf  etipa3  ju  rufjeu  fd)einen,  unb  follte  e3  atid)  nur  eine  blofse  Solfe 

35  fein.  SBettn  .vionur  bie  ^IjetiS  non  bem  Gieftabe  fid)  ju  Jufje  in  ben  Olnmp  ergeben  läßt, 
Tijv  uff  a/  Oj/Lutinövöe  Tti'jöe:  tpkiiuv  (üiad.  ^'  v.  1  t8j,  fo  oerftetjet  ber  ©raf  Ganlus 
bie  iöebiirfniffe  ber  Äunft  p  root)l,  al3  baf5  er  bem  5Dtaler  raten  folüe,  bie  ©ottin  fo  frei 
bie  8uft  bura)fd)reiten  ju  laffen.  Sie  mujs  i!)ren  ffieg  auf  einer  SBolfe  neljmen  (Tableaax 
tires  de  l'Iliade  p   :)l),  fo  rote  er  fie  ein  anberm.U  auf  einen  SBagen  fegt  (p.  131),  ob  = 

40  gleid)  ber  Siebter  ba3  GJegentetl  oon  iljr  fagt.  2Bie  fann  e3  aud)  roobl  anoer-3  fein  ?  Ob 
uns  fd)on  ber  3)id)ter  bie  (Sbttin  ebenfalls  unter  einer  menfd)lid)en  gigur  benfen  läf5t  ,  fo 
Ijat  er  boi)  alle  'Begriffe  eines  groben  unb  fdjtpereu  ©toffeS  baoon  entfernet,  unb  if)ren 
menfd)eui!)ulid)en  Körper  mit  einer  Äraft  belebt,  bie  ifjn  pon  ben  ©efetjen  unferer  Be= 
megung  ausnimmt.    Sßjburd)  aber  formte  bie  Malerei  bie  Eörperlid)e  ^igur  einer  ©otti)eit 

45  pon  ber  förperlidjm  Jigur  eines  Stenfdjen  fo  oor^üglid)  unterfd)eiben,  baf?  unfer  2luge 
n'td)t  beleibiget  mürbe,  rojnn  e3  bei  ber  einen  gatt)  anbere  iRegeln  ber  Bewegung  ,  ber 

bie  3miUinge,  bie  SBölfin,  ben  Siber,  2lmor,  ÜJlar-3  unb  Sita  nennt,  alfo  bie  beiben  Scenen, 
bie  »on  ber  Sßölfm  gefaugten  3n>iHinge,  nebft  bem  g-lu&gott',  unb  bem  pon  Slmor  sur 
SKljea  geleiteten  3Jlar§,  ebenfalls  in  um)iftorifd)er  Sieifjenfolge. 

i  ff.  $n  ber  gried)1fd)en  Raffung  ber  ©age  ruft  ßepf>alo§,  at§  ibn  feine  eiferfüd)tige 
©emabliu  belaufd)t,  eine  fd)attige  SBolfe,  VEcpeXtj,  herbei,  unb  sJIept)ele  ift  ebenfallä  ein  ge* 
iuöi)nlid)er  grauenname.  —  11  ff.  J)a3  Dielief  finbet  fid)  in  ber  jipeiten  3lu3gabe  ber 
Admiranda  auf  Saf.  51.  —  18 — £9.  Saud)  biefer  3'feifel  ift  ungerechtfertigt;  auf  ber  nod) 
uortjanbenen  lUünje  fd)mebt  Stuart  in  ber  Sbat  f;erab.  —  31  f.  pon  ber  man  .  .  .  fein 
Gjempel  finbet,  unrichtig;  namentlid)  bie  pompejanifd)en  SBanbgemälbe  bieten  ferjr 
^nt)lreid)e  fa)mebenbe  fyiguren.  —  32  ff.  2lud)  bie  neuere  3)Mlerei  fennt  fdjmebenbe  giguren 
ot)ne  Jtügel  ober  SBolfen.  Qd)  erinnere  nur  an  bie  fd)Bnen,  bem  Diafael  beigelegten 
©tunben  be3  %aaeZ  unb  ber  92acbt. 


5G  «aokcou  vii. 

unb  feine  ^roeriö  biefe  Aura  für  ben  ^tarnen  einer  ^Mienbufylerin 
f)ält,  bafs  id),  fage  id),  biefe  Steife  natürlicher  finbe,  wenn  id) 
am  ben  Munftioerien  ber  2Uten  erfefye,  baf}  fie  rouflid)  bie  fanften 
ßüfte  perfonifteret,  nnb  eine  2(rt  roeiMidjer  Snlpljen,  unter  bem 
Oiamen  Aurae,   verehret  fjaben.4)     ^d)  gebe  e§  ju,  bevp,  roenn  5 

Sdnoere,  bes  ©leicfjgercic^tä  beobachtet  fänbe,  als  6ei  ber  anbern?  SBoburcb  anbers,  als 
burd)  perabrebete  geiefien?  Sn  ber  Stiat  finb  ein  $aar  glügel,  eine  SBolfe  aud)  nichts 
anbers  als  bergleiajen  geilen.  Sod)  von  biefem  ein  niedreres  an  einem  anbern  Drte. 
§ier  ift  es  genug,  oon  ben  Skrteibigern  ber  Slbbifonfdien  Meinung  ju  verlangen,  mir  eine 
anbere  ähnliche  jjigur  auf  alten  Senfnuilern  ju  zeigen,  bie  fo  frei  unb  blofj  in  ber  Suft  10 
bange.  Sollte  biefer  SDlars  bie  einsige  in  ifyrer  Slrt  fein?  llnb  roarum?  £iatte  »ielleicbt 
bie  SCrabition  einen  Umftanb  überliefert,  ber  ein  bergleicben  Sdnreben  in  biefem  galle 
notioenbig  madit?  S8eim  D»ib  (Fast.  üb.  III)  läfjt  fid)  nid)t  bie  geringfte  Spur  bapon 
entbeefen.  33ielmel)r  fann  man  seigen,  bafs  es  feinen  folcben  Umftanb  fönne  gegeben  Ijaben. 
leim  e§  finben  fid)  anbere  alten  flunftroerfe,  roeldje  bie  nämliche  ©efebichte  oorftellen,  unb  15 
roo  SJlars  offenbar  nid)t  fdiroebet,  fonbern  gehet.  SJIan  betrachte  baS  Basrelief  beim  WlnnU 
faueon  (Suppl.  T.  I.  p.  183),  bas  fid),  roo  id)  nid)t  irre,  ju  JRom  in  bem  Sßallafte  ber 
HJiellini  befinbet.  Sie  fcfilafenbe  9ii)ea  liegt  unter  einem  Saume,  unb  SOlarS  näljert  fid) 
ihr  mit  leifen  Schritten,  unb  mit  ber  bebeutenben  3llrii"Jftfecfung  ber  rechten  §anb,  mit 
ber  mir  benen  hinter  uns,  entroeber  äurüdäubleiben  ober  faebte  ju  folgen,  befehlen,  Gs  ift  20 
uollfommen  bie  nämlidje  Stellung,  in  ber  er  auf  ber  SJlünäe  erfdjeinet,  nur  bafj  er  hier 
bie  Sanje  in  ber  rechten  unb  bort  in  ber  linfen  §anb  führet.  Solan  finbet  öftrer  berühmte 
Statuen  unb  Basreliefe  auf  alten  üflünsen  fopieret,  als  baf;  es  aud)  nid)t  hier  tonnte  ge= 
fdjeben  fein,  roo  ber  Stempelfdjneiber  ben  Slusbrucf  ber  äitrütfgeroanbten  redeten  £>anb 
oielleicbt  nid)t  fütjlte,  unb  fie  bafjer  beffer  mit  ber  £anje  füllen  ju  fönnen  glaubte.  —  25 
SUIcs  biefeS  nun  jufammengenommen,  roie  niel  2£ab,rfd)einlichfeit  bleibet  bem  Slbbifon  nod) 
übrig?  Sdjroerlid)  meljr,  als  fo  niel  beren  bie  blofje  SDlöglidjfcit  f)at.  Sod)  roober  eine 
beffere  Grflärung,  roenn  biefe  nidjts  taugt?  Gs  fann  fein,  bafj  fid)  fd)on  eine  beffere  unter 
otn  oon  Slbbifon  oerroorfenen  Grfläruttgen  finbet.  ginbet  fid)  aber  aud)  feine,  raas  mehr? 
Sie  Stelle  bc§  Sid)lers  ift  oerborben;  fie  mag  es  bleiben.  Unb  fie  wirb  es  bleiben,  roenn  30 
man  aud)  nod)  jroanjig  neue  Vermutungen  barüber  ausframen  wollte,  ©ergleidjen  fönnte 
5,  G.  biefe  fein,  bafs  pendentis  in  feiner  figürlid)en  SJebeutung  genommen  rcerben  muffe, 
nad)  roeldier  es  fo  niel  als  ungemifs,  uuentfchloffen,  uuentfd)ieben  heifset.  Mars  pendeus 
märe  aisbann  fo  niel  al§  Mars  incertus  ober  Mars  communis.  DU  comrnunes  sunt, 
fagt  SertriuS,  (ad  v.  118.  lib.  XII.  Aeneid.)  Mars,  Eellona,  Victoria,  quia  hi  in  bello  35 
Utrique  parti  favere  possunt.     Unb  bie  ganje  3etIe/ 

Tendentisque  Dei  (eltigii  m)  perituro  ostenderet  hosti, 

mürbe  biefen  Sinn  t)aben,  ba%  ber  alte  römifdje  Solbat  baS  SMIbniS  beS  gemeinfdjaftlid)en 
GScttes  feinem  bem  obngeadjtet  balb  unterliegenben  geinbe  unter  bie  Singen  511  tragen  ge= 
loolmt  geroefen  fei.    Gin  fefjr  feiner  3«g,  ber  bie  Siege  ber  alten  Diömer  mefjr  jur  äBirfung  40 
ihrer  eignen  Sapferfeit,   als  jur  grudit  bes  parteiifd)en  Seiftanbes  ibreS  Stammoaters 
mad)t.    Sem  obngeadjtet:  non  liquet. 

4)  „Gl)e  id),"  fagt  Spence  (Poljmetis  Dialogue  XIII.  p.  208),  „mit  biefen  Aurae,  Suft= 
nnmpben,  befannt  roarb,  umfjte  id)  mid)  in  bie  ©efd)id)te  00m  Gepfjalus  unb  Sßrocris,  beim 
Enib,  gar  nid)t  51t  finben.    3d)  tonnte  auf  feine  SSBcifc  begreifen,  mie  GepfialuS  burd)  feine  45 
Ausrufung,  Aura  venias,  fie  modjte  aud)  in  einem  nod)  fo  jürtlidieu  fdnnaditenben  Jone 
erfdjollen  fein,  jemenben  auf  ben  Slrgrcobn  bringen  fönnen,  bafj  er  feiner  ^rocriS  untreu 

4.  perf  onif  ieret,  nach  bem  franj.  personifier,  bei  Seffing  häufig  anftatt  be^  beute 
üblichen  „perfonifijieren".  —  Snlphen,  Suftgott!)eiten,  nad)  bem  2lberglaubeu  bes  3Kittel= 
alters;  bas  SBort  fommt  im  Ülltertum  nidit  uor.  —  7.  perabrebete,  b  1).  fonoentionelle, 
im  Giegcniah  51t  ben  natürlichen.  —  l(i.  Jas  Sasretief  ift  ibentifd)  mit  bem  oon  Slbbifon 
angeführten  bei  äSettori,  unb  gehört  ju  einem  Slltar  (ber  fog.  Slra  Gafali).  gn  ber  Sljat 
aber  erfebeint  SJlars  hier  nidjt  fdimebenb,  fonbern  fdjreitenb.  —  19.  bebeut enb,  nicht  in 
bor  Jicbeutung  r>on  „großartig",  fonbern  fooiel  als  „bebeutfam,  auSbrucfsoolI".  —  31  ff. 
SeffmaS  Äonjeftur  ift  nid)t  baltbar,  oiclmebr  bie  uon  ihm  befämpftc  Slbbifonfdje  Grflärung 
oon  pendentis  jebenfalls  porsujieben.  @an,5  entfpredjenb  beifit  bei  Sil.  Italic.  Puuic. 
xiii.  827   Van  pendenti  similis  unb  ebb.  337:  similis  volanti. 


ffaokoon  VII.  57 

^sunenal  einen  t>ornel)men  SEaugerodjiS  mit  einer  ftcrmcöfäule  ner= 
gleicht,  man  bas  Sßmftdje  in  biefer  2>ergleidmng  fdjroerlid)  finben 
bürfte,  olme  eine  foldje  ©äuk  gu  feljen,  of)ne  511  nriffen,  bafj  e§ 
ein  fd)led)ter  Pfeiler  ift,  ber  blofc  ba§  ftauyt,  f)öd;ftenö  mit  bem 
5  Rumpfe,  be3  ©otteo  trägt,  unb  roeit  mir  raeber  £>änbe  nod)  ?yü^e 
baran  erblitf'en,  ben  Segriff  ber  Unttjätigfeit  erroetf'et/)  —  @r= 

fei.  Sa  idj  geroobnt  roar,  unter  bem  äBorte  Aura,  nidits  als  bie  Suft  überhaupt,  ober 
einen  fanften  SBinb  insbefonbere,  ;u  »erfteben,  fo  fam  mir  bie  eiferiucbt  ber  SprocriS  noch 
weit  ungegrünbeter  cor,  als  auct)  bie  allerauSfcbroeifenbfte  gemeiniglich  su  fein  pflegt.    2US 

10  ich  aber  einmal  gefunben  hatte,  bafj  Aura  ebenforoobl  ein  fd)öneS  junges  ÜJläbdjen,  als 
bie  Suft  bebeuten  fönnte,  fo  befam  bie  Sad)e  ein  gan*  anbereS  2lnfeben,  unb  bie  ©efdjicbte 
bünfte  mid)  eine  siemtia)  oernünftige  SBentung  ju  befommen."  Stfj  will  ben  Seif  all,  ben 
id)  biefer  Sntbecfung,  mit  ber  fid)  Spence  fo  fehr  fcbmeicbelt,  in  bem  SerU  erteile,  in  ber 
3Jote  nid)t  roieber  äurüdnebmen.    ^d)  fann  aber  bod)  nicht  unangemerft  laffcn,  baf3   auch 

15  ohne  fie  bie  Stelle  beS  Std)terS  ganj  natürlid)  unb  begreiflich  ift.  SMan  barf  nämlid)  nur 
roiffen,  ba|  Aura  bei  bem  Sitten  ein  gaus  geroöbnlidier  9iame  für  g-rauensimmer  roar. 
So  beifst  5.  ©.  beim  SionnuS  (Dionys.  lib  XLvill,  bie  92nmpbe  aus  bem  ©efolge  ber 
Siana,  bie,  weil  fie  fid)  einer  männlidtern  Schönheit  rühmte,  als  felbft  ber  ©öttin  ihre 
mar,  jur  Strafe  für  ihre  23ermeffenbeit,   fdjlafenb  ben  Umarmungen  beS  Bacchus  preis* 

20  gegeben  toarb. 

5)  Iuvenalis  Sat.  "VIII.  v.  52—55. 

At  tu 

Nil  msi  Cecropides;  truncoque  simillimus  Herruae: 
Nullo  quippe  alio  vincis  discrimine,  quam  quod 

25  Uli  marmoreum  caput  est,  tua  vivit  imago. 

SBenn  gpence  bie  griediifdjeu  Scbriftftcller  mit  in  feinen  ^-tan  gesogen  gehabt  hätte,  fo 
roürbe  ihm  »ielleicbt,  »ielleidjt  aber  aud)  nicht,  eine  alte  sSifopifdje  gäbet  beigefallen  fein, 
bie  aus  ber  SBilbung  einer  folcben  jjjermesfäule  ein  nod)  roeit  fcbönreS,  unb  ju  ihrem  23er= 
ftänbniffe  weit  imentbebrlid)ereS  Sicht  erhält,   als  biefe  Stelle  beS  SuoenalS.    „SJcerfur," 

30  erjagtet  iiifopuS,  „roollte  gern  erfahren,  in  roelcbem  2lnfeben  er  bei  ben  DJtenfcben  ftünbe. 
©r  oerbarg  feine  ©ottbeit  unb  fam  511  einem  SMlbbauer.  £ier  erblidte  er  bie  Statue  beS 
Jupiters,  unb  fragte  ben  fiünftler,  rcie  teuer  er  fie  halte?  ©ine  Sradjme:  roar  bie  2lnt* 
roort.  3Jlerfur  lächelte:  unb  biefe  Suno?  fragte  er  roeiter.  Dbngefäbr  ebenfo  uiet.  Snbem 
roarb  er  fein  eigenes  stfilb  geroahr,  unb  badjte  bei  fieb  felbft:  id)  bin  ber  23ote  ber  ©öfter; 

35  oon  mir  fömmt  aller  ©eroinn;  mid)  muffen  bie  3Jlenfcben  notroenbig  roeit  höher  fdjäßen. 
Slber  hier  biefer  Sott?  (6r  roieS  auf  fein  SjUb.)  SBie  teuer  möd)te  roobl  ber  fein? 
SÜefer?  antroortete  ber  Äünftler.  D,  roenn  gljr  mir  jene  beibe  abfault,  fo  fotlt  ^br  biefen 
oben  brein  Ijaben."  SOJerfur  roar  abgeführt.  2lllein  ber  Silbfjauer  fannte  ifjn  nidtt  unb 
tonnte  alfo  aud;  nicfjt  bie  2lbfid;t  i)aba\,  feine  Eigenliebe  51t  frönten,  fonbern  es  mußte  in 

40  ber  23efd)afjenbeit  ber  Statuen  felbft  gegrünbet  fein,  roarum  er  bie  letztere  fo  geringfdjä^ig 
l)ielt,  ba|  er  fie  jur  3ugabe  beftimmte.  Sie  geringere  ÜBürbe  be3  ©otte§,  roelcfeen  fie  ror= 
ftellte,  fonnte  babei  nid)tö  tfeun ,  benn  ber  yuinftler  fd)ä|et  feine  SSerfe  nad)  ber  ©efd)itf= 
lidjfeit,  bem  gleite  unb  ber  2lrbeit,  roeldje  fie  erforbern,  unb  nidit  nad)  bem  SRange  unb 
bem  SSerte  ber  SBefen,   roeldje  fie  auSbrücten.    Sie  Statue  be3  31}erfur§  mu^te  rceniger 

45  ©efd)idlia)feit,  roeniger  Jleifj  unb  2lrbeit  »erlangen,  roenn  fie  roeniger  foften  follte,  als 
eine  Statue  beS  SupiterS  ober  ber  ^uno.  Unb  fo  roar  e§  liier  roirflid).  Sie  Statuen  beS 
Jupiters  unb  ber  Suno  seigten  bie  oöllige  ^erfon  biefer  ©öfter;  bie  Statue  beS  ÜJierfurS 
hingegen  roar  ein  fd)Iecf)ter  oieredigter  Pfeiler,  mit  bem  blofsen  SBruftbilbe  besfelben.  SaS 
Sßunber  alfo,  ba^  fie  oben  brein  geben  fonnte?    OTerfur  überfabe  biefen  Umftanb,  roeit  er 

50  fein  oermeintlidieS  iiberroiegenbeS  23erbienft  nur  allein  oor  2lugen  tjatte,  unb  fo  roar  feine 

4.  fdjtedjter,  b.  t).  fdjtiditer,  cinfadjer.  —  5  f.  %üx  geroöl)nlid)  befteljen  allerbingö 
bie  geraten  ber  2llten  nur  aus  Pfeiler  unb  Äopf,  inbeffen  giebt  es  bod)  aud)  foldje,  bie 
außer  bem  Stumpfe  auii  nod)  2lrme  unb  .'öänbe  haben,  roo  alfo  nur  bie  S3eine  fehlen.  — 
18.  Siana  roirb  con  fcblanfem,  meljr  männlichem  Sau  oorgeftellt,  namentlid)  mit  fehr 
geringer  (Sntroidlung  oou  Ruften  unb  23aud).  —  44—50.  Siefe  Seutung  ftheint  fetjr 
plaufibel,  ift  aber  boeb  nidjt'jroeifelloS;  benn  einerfeitS  ftellten  feineSroego  alle  33ilbfäulen 
ben  SHerfur  in  ^ermenform  oor,  anbrerfeite  machte  man  aud)  noch  oon  anbern  ©ottbeiten 
Silber  in  .'öermenform. 


58  ffaofeoon  VII. 

läuterungen  von  biefer  2lrt  finb  nidjt  gu  oeraditen,  roenn  fte  aud) 
fdjon  roeber  attcgcit  notroenbig,  noi)  affegeit  fiinlänglid)  fein  foltten. 
i£)sr  "Diditer  tjatte  ba%  ^unfttoerf  alä  ein  für  ftdj  beftefjenbeS 
SDing,  unb  nid;t  at§  9tad)alimung,  uor  2tugen;  ober  ilünftler  uitb 
Didier  Ratten  einerlei  angenommene  Segriffe,  bem  gu  iyolge  fid)  5 
aud)  Übereinfttmmung  in  ifiren  SSojrftettungen  geigen  mufjte,  au-3 
meldier  fidi  auf  bie  2tllgemeinf)eit  jener  begriffe  gurüdidjliefjen  täfjt. 
Mein  roenn  %\buli  bie  ©eftalt  be§  Stpollo  nutet,  roie 
er  i(nn  im  Traume  erfdjienen:  —  2)er  fdjönfte  Jüngling,  bie 
©djläfe  mit  bem  feufdjen  Sor&eer  umrounben;  tyrifdje  ©erüdjj  ld 
buften  au§  bem  gülbenen  £>aare,  baö  um  hin  langen  Warfen 
fdjtoimmet;  glängenbeö  28:iJ5  unb  purpurrote  mifdpt  fid)  auf 
bem  gangen  Körper,  mie  auf  ber  garten  SBange  ber  2kaut,  bie 
jet^t  tfjretn  ©eltebten  gugefüljret  mirb:  —  warum  muffen  biefe 
3üge  üon  alten  berühmten  ©einüben  erborgt  fein?  ßijionä  15 
nova  nupta  verecundia  notabilis  mag  in  ^Kom  geinefen  fein, 
mag  taufenb  unb  taufenbmal  fein  fopieret  tuorben,  rorr  barum 
bie  bräutlidje  odiam  fetbft  au3  ber  Söjlt  nerfdjrounben?  S;tt 
fie  ber  'DJlater  gefefien  fjatte,  nur  fte  für  feinen  2)id)ter  meljr  gu 
feiert,  als)  in  ber  9iad)ah,mung  be§  9Äalcr§?,i)  Doer  mmn  ein  n 
anberer  SDidjter  hin  üßulfan  ennübet,  unb  fein  uor  ber  @ffe  er= 
()it5te§  ©efidjt  rot,  brennmb  nennet:  mujjte  er  e3  erft  aus  bem 
SBerfe  eines  9ftater§  lernen,  bafj  Arbeit  ermattet  unb  §tije  rötet?  l 
Doer  roenn  Sucreg  ben  Söedifet  ber  ^afjreägeiten  befdireibet,  unb 
fie,  mit  bem  gangen  ©efolgc  tfjrer  äöirfungen  in  ber  Öuft  unb  25 
auf  ber  @rbe,  in  ilircr  natürlichen  Drbnung  oorüberfüliret:   nur 

Demütigung  ebenfo  natürlich,  at3  oerbient.  flm  mirb  fidj  oergeben3  bei  ben  2lu3[egeru 
unb  Ü6erfe$ern  unb  SJadjaljmem  ber  jyabeüt  De3  sä[opu3  nad)  ber  gertugften  Spur  uou 
biefer  Grflärung  umfeljeu;  iool)[  aber  föimte  id)  üjrer  eine  gan;e  Steige  anfuhren,  roemt 
e?  fidj  ber  Dtüfje;  lofjttte,  bie  ba-3  2Jiard);it  gerabeju  oerftanben,  ba3  ift,  ganj  unb  gar  nidjt  30 
uerftanben  fyabtn.  Sie  ijabcn  bie  Ungereimtheit,  meld);  barin  lie.it,  menn  man  bie  Statuen 
alle  für  SBerfe  von  einerlei  2lu3füfjrurtg  annimmt,  eittroeöer  nid)t  gefügt,  ober  roof)t  nort) 
gar  übertrieben.  2B.t3  fotift  in  btefer  ^fabcl  anftofeig  fein  föttnte,  märe  tueHeicIjt  ber  s$rei§, 
u)eld)en  ber  Jlünftter  feinem  Jupiter  fe^et.  fjttr  eine  3)rad)m.i  (antt  ja  mofii  auc^  feilt 
Töpfer  eine  flippe  madjen.  (Sine  Slcac^ma  mu&  a(fo  £)ier  überhaupt  für  etm.i?  fefjr  ge=  35 
ringet  fteljen.     (Fab.  .\esop.  !)i).    Edit.  Haupt,  p.  7j.i 

s)  Xibullua   Eleg.  4.  Üb.  III.     Polymetia  DiaL  VIII.  p.  st. 

')  Statins  lib.  I.  Syh-,  5.  v.  s.     Polymatis  Dial.  VIII.  p.  81. 

10.  f r» r i f cD) e ,  eigentticb  affprifa).'  (beibei  mirb  dou  ben  cömifd),en  Sintern  oft  iben= 
tiid)  gebraucht),  ba  ber  Orient  bie  6eften  9tarben  uitb  Spe,;ereieu  lieferte.  —  lö.  $er 
sDlater  tjeijit  nid)t  Cd)ion,  roie  man  früher  bei  sl!tin.  XXXV,  /8  Ia-3,  fonbern  Sletion. 
si)u\n  [jat,  obgleid)  obne  ftid)f)a(tigen  Orunb,  meijrfad)  in  bem  berühmten  ©emätbe  ber 
„atbobranbiniidjeit  .v>od^eit"  (in  ber  Wbliotljef  be5  aJatitan-3)  eine  9lad)bilbuttg  feine3  WiU 
bc>5,  ber  nov.i  nupta,  erfenuett  uiollcn.  —  31f.  fein  Xöpfcr  eine;  bie  £bf$r.  ur= 
iiu'ünglid)  „ein  löpfer  feine" 


Ä'aohoon  vir.  59 

Sucre^  ein  Gpljemeron ,  Ijatte  er  fein  ganzes  $jal)r  burdjlebt, 
um  äffe  bie  SSeränberungen  felbft  erfahren  ^u  fyaben,  bafj  er  fie 
nad)  einer  ^rogeffion  fcr)i[bcrn  muffte,  in  roetdjer  iljre  Statuen 
herumgetragen  mürben?  SDlujjte  er  erft  von  biefen  Statuen  ben 
5  alten  poetifefen  Äunftgriff  lernen,  bergleidjen  Stbftracta  ju  tt)i# 
liefen  SBefen  511  machen?8)  Ober  23irgil§  pontem  indignatus 
Avaxes,  biefeö  vortreffliche  poetifdjc  Söttb  eines  über  feine  Ufer 
fidj  ergiefsenben  Jyluffeä,  roie  er  bie  über  il;n  gefdjfagene  SBrücfe 
gerreifjt,  verliert  es  nidjt  feine  gange  Sdjönljeit,  tvenn  ber  Siebter 

10  auf  ein  fömftojerl  bamit  angemietet  t)at,  in  welchem  biefer  $lufj= 
gott  als  uurtlid)  eine  33rüde  jer&redjenb  uorgeftetlet  wirb?1')  — 
9Ba§  foffen  mir  mit  bergleidjen  Erläuterungen,  bie  au3  ber  ftär= 
ften  Stelle  ben  Siebter  verbrängen,  um  ben  Einfall  eine§  $ünft= 
lere  burdjfdjimmern  511  taffen? 

15  £>d)  bebaure,  bafj  ein  fo  nütjlidjeS  Sudj,  als  ^olumetiä  fonft 

fein  tonnte,  burdj  biefe  gefdjmadlofe  ©rille,  ben  alten  Südjtern 

")  Lueretius  de  K,  N.  lib.  V.  v.  736 — 717. 

It  Ver,  et  Venus ,  et  Veneris  praenuntius  ante 

Pinnatus  graditur  Zephyrus;  vestigia  propter 
20  Flora  quibus  mater  praespargens  ante  via'i 

C'uncta  coloribus  egregiis  et  odoribus  opplet. 

lüde  loci  sequitur  Calor  aridus,  et  comes  una 

Pulverulenta  Ceres;  et  Etesia  flabra  Aquilonum. 

Inde  Autummis  adit;  graditur  simul  Evius  Evan : 
25  Inde  aliae  tempestates  ventique  sequuntur, 

Altitonans  Volturnus  et  Auster  fulmine  pollens. 

Tandem  Bruma  nives  adfert ,  pigrumque  rigorem 

Keddit,  Hyems  sequitur,  crepitans  ac  dentibus  Algus. 

Spence  ernennet  biefe  Stelle  für  eine  oon  ben  fcfiönfteu  in  beut  ganjen  ÖJebidjte  be§  Sucres 

30  SBemsftenS  ift  fie  eine  oon  benen,  auf  welche  fidj  bie  Ehre  bes  Sucre*  als  Siebter  grünbet. 
21ber  roabrlid),  es  Ejeiftt  ihm  biefe  (Sfjre  fcbmälern,  iljn  pöllig  barum  bringen  roolien,  roenn 
man  fagt:  Siefe  ganje  33efd;reibung  fd)einet  nad)  etner  alten  5projeffion  ber  pergötterten 
Sabresjeitcn,  nebft  ihrem  ©efolge,  gemadjt  ju  fein.  Unb  roarum  bas?  „SDarum,"  fagt  ber 
Gnglänber,  „roeil  bei  ben  Kontern  ebebem  bergleichen  ^rojeffionen  mit  itjren  (Söttern  über= 

35  haupt,  ebenfo  gewöhnlich  waren,  als  nod;  igt  in  geroiffen  Yänbern  bie  <prosefftonen  finb, 
bie  man  ben  ^eiligen  ;u  Ehren  aufteilet;  unb  roeil  biernachft  alle  Stusbrüde,  roeldje  ber 
Siebter  hier  brauet,  auf  eine  Sßrojeffion  red)t  fehr  tnobl  paffen."  (corne  in  very  aptly, 
it'  applied  to  a  procession.)  Srefftidje  ©rünbe!  Unb  roie  Pteles  roäre  gegen  ben  leisten 
nod)  cinäuiPenben !    Schon  bie  sBeiroörter,  roelcbe  ber  Sichter  ben  perfonifierten  älbftraften 

40  giebt,  Calor  aridus,  Ceres  pulverulenta,  Volturnus  altitonans,  fulmine  pollens  Auster, 
Algus  dentibus  crepitans,  äcigen,  bafj  fie  ba§  SBefen  non  ihm,  unb  nid)t  non  bem 
Äünftler  haben,  ber  fie  gan*  anbers  hätte  djarafterifteren  muffen.  Spence  fdjeinet  übrigen? 
auf  biefen  ßinfall  non  einer  ^rojeffton  burd)  2lbraham  <preigeru  gefommen  ju  fein,  roelcber 
in   feinen  Jlnmerfungcn  über  bie  Stelle  bes  SicbterQ   fagt:    Ordo   est   quasi   Porupae 

45  cujusdam,  Ver  et  Venus,  Zephyrus  et  Flora  etc.  Slliein  babei  hätte  eä  aud)  Spence 
nur  folleu  beroeuben  laffen.  Ser  &id)ter  führet  bie  ^ahresjeiten  gleidifam  in  einer 
5]ko-,effion  auf;  bas  ift  gut.  Slber  er  l)at  es  pon  einer  ^rojeffion  gelernt,  fie  fo  aufs 
juführen;  bas  ift  fehr  abgefdnnadt. 

•')  Aeneid.  Lib.  VIII.  v.  725.     Polymctis  Dial.  XIV.  p.  230. 

1.  ©phemeron,   ein  nur  einen  Xaa.  lebenbes  SBefeu,  wie  bie  ©intagsfliege.  —  43. 
tpreiger,  hollänbifa)er  Gelehrter  auo  ber  erften  yälfte  bes  18.  3abrh. 


6<  i  Caokcon  VIII. 

ftatt  eigentümlicher  p(jantafie,  Sefanntfdjaft  mit  frember  unter= 
gufdjieben,  fo  efel,  unb  ben  flafftfdjen  Sdjriftftellern  roeit  nadj= 
ieüiger  gferoorben  ift,  al3  Ujnert  bie  mäffrigen  Stillegungen  ber 
fdialften  Sßortforfdjer  nimmermehr  fein  fönnen.  dlod)  meljr  be= 
banere  id),  baf$  ©pencen  felbft  2lbbifon  Ijierin  üorgegangen,  ber  5 
am  löblicher  23egierbe,  bie  Kenntnis  ber  alten  Äunftroerle  ju 
einem  §lu§legung§mtttel  511  ergeben,  bie  Reifte  ebenfo  wenig  unter* 
fdjieben  t)at,  in  roeldjen  bie  9iad)a  Innung  be§  <ftünftler§  bem  2>id)ter 
anfiänbig,  in  meinem  fie  il)m  vertleinerlid)  ift.40) 

VJII.  10 

33on  ber  2llmlid)feit ,  meldte  bie  s$oefie  unb  SDtalerei  mit 
einanber  fjaben,  madjt  ftcf>  ©pence  bie  alterfeltfamften  begriffe.  Gr 
glaubet,  baf?  beibe  fünfte  bei  ben  SHtcn  fo  genau  nerbunben  ge= 
Riefen,  bajj  fie  beftänbig  §anb  in  §anb  gegangen,  unb  ber  ©tdjter 
nie  ben  9)ialer,  ber  sDialcr  nie  ben  3)idjter  a\\$  ben  2lugen  15 
nerloren  rjabe.  S)af$  bie  ?ßoefie  bie  wettere  Hunft  ift,  baf}  it)r 
©djönrjeiten  31t  ©ebote  ftcfjen,  meldje  bie  SJialerei  nidjt  ju  er= 
reichen  »ermag;  bafj  fie  öfters  Urfadjen  l)aben  fann,  bie  unmale= 
rifdjen  ©djönljeiten  ben  malerifdjen  üorgu§ier)en;  baran  fdjeinet  er 
gar  nidjt  gebadjt  ju  (jaben,  unb  ift  baljer  bei  bem  geringften  20 
llnterfdjiebe,  ben  er  unter  ben  alten  Tidjtern  unb  2lrtiften  be= 
merfr,  in  einer  SBerlegenljeit,  bie  ir)n  auf  bie  nmnberticfjften  2tu§= 
flüdjte  r>on  ber  SSelt  bringt. 

Sie  alten  £>id)ter  geben  bem  23acdjuö  metftenteilö  «Körner. 
Gs  ift  alfo  bod)  uumberbar,  fagt  3pence,  bafj  man  biefe  Körner  25 
an  feinen  Statuen  fo  feiten  erblidt. ')  Gr  fällt  auf  biefe,  er  faßt 
auf  eine  anbere  Urfadje;  auf  bie  Itnmiffentjeit  ber  Antiquare, 
auf  bie  $leinr)eit  ber  Körner  felbft,  bie  fid)  unter  ben  i£rnu6en 
unb  Gpljeublättern,  bem  beftänbigen  .Vtopfput.w  beö  ©otte§,  möd)- 
ten  oerfrodjen  (jaben.  Gr  roinbet  fidfj  um  bie  nmljrc  Urfadje  30 
(jerum,  orme  fie  311  argrootjnen.  Sie  Körner  be§  33dcdju§  raaren 
feine  natürliche  ."oörner,  roie  fie  e§  an  ben  Raunen  unb  ©atmen 

J0)  3n  oerfd)iebenen  Steffen  feiner  Dleifen  unb  feinem  ©efprädtc  über  bie  alten  üBüngen. 
M  Polymerie  Dial.  IX.  p.  129. 

2.  elel,  f)ier  nidjt  in  ber  fdmrfen  SSebeutung,  in  ber  roir  ba->  2öort  Ijeute  faft  allein 
gebraudjen,  fonbern  tneljr  aUgemeiu:  „lDtbetmärHg",  —  24.  ßeineäroegä  meiflenteilS, 

ienpem  nur  bisweilen.  —  32.  Unter  ben  gauueit  »crfteljt  üeffing  wobj  bie  Randfiguren 
mit  ^icgcnfiifeen  unb  §örnern.  Sie  Saturn  Ijaben  in  ben  ßunftwerfen  nur  ganj  oer= 
einjelt  Turner. 


ffiaokoon  VIII.  61 

roaren.  ©ie  roaren  ein  ©tirnfd)mud,  ben  er  auffegen  unb  ab= 
legen  formte. 

—  Tibi,  cum  sine  cornibus  aclstas 
Virgineum  caput  est:  —  — 

5  rjetjst  eö  in  ber  feierlichen  Anrufung  beö  23acdjuö  beim  Doib. 2) 
Gr  tonnte  fid)  alfo  aud)  ol)ne  Vorher  geigen;  unb  geigte  fid)  oljne 
Körner,  roenn  er  in  feiner  jungfräulichen  ©djönljeit  erfdjeinen 
roollte.  £jn  bicfer  wollten  tfjn  nun  aud)  bie  Äünftler  barftellen, 
unb  mußten  baljer  alle  Bufäije  *>on  übler  Söirfung  an  tl)m  r»er= 

10  meiben.  Gin  foldjer  3ufal  mären  bie  §örner  geroefen,  bie  cm 
beut  'Diabem  befeftiget  waren,  noie  man  an  einem  Sapfe  in  bem 
jRöntgl,  Kabinett  gu  "^Berlin  feljen  fann.3)  Gin  fotdjer  Bttfa^ 
mar  baö  ©iabem  felbft,  roeldjeö  bie  fdjone  ©tirne  uerbedte,  unb 
baljer  an  ben  ©tatuen  bes  33acd;uö   eben   fo    feiten   uorfömmt, 

15  als  bie  Sortier,  ob  eö  i()m  fdjon,  alö  feinem  Grfinber,  uon  ben 
2)id)tern  eben  fo  oft  beigeleget  mirb.  3)em  SDidjter  gaben  bie 
Körner  unb  bau  SDiabent  feine  2lnfpielungen  auf  bie  Staaten  nnb 
ben  Gljarafter  beö  Öotteö:  bem  Münftler  rjingegen  mürben  fie  §in= 
berungen  größere  ©djönjjeiten  gu  geigen;  unb  menn  Sacdjuö,  mie 

20  id)  glaube,  eben  barum  ben  Seinamen  Biformis,  J£[ioQcpog, 
fjatte,  roeil  er  fid;  forooljl  fdjön,  alö  fdjredlid;  geigen  fonnte,  fo 
mar  eö  moljl  natürlidj,  bafj  ber  $ünftler  biejenige  uon  feiner  ©e= 
ftalt  am  liebften  roäl)lte,  bie  ber  SBeftimmung  feiner  $unft  am 
meiften»  entfprad). 

25  sDcinerua  unb'  $uno  fdjteubem   bei  ben  römifdjen  SDidjtern 

öfterö  ben  S3R|.  Stber  marum  nidjt  aud)  in  if;ren  ÜJlbbilbungen* 
fragt  ©penec.4)  (Sr  antmortet:  eö  mar  ein  befonbereö  SBorredjt 
biefer  groei  ööttinnen,  roonon  man  ben  örunb  oiefleidjt  erft  in 
ben  3amotl)racifd;en  öeljeimniffcn  erfuhr;  roeil  aber  bie  Sfrtiften 

30  bei  ben  alten  Römern  alö  gemeine  Seute  betrachtet,  unb  baljer 
§u  biefen  0cl)eimntffen  feiten  gugelaffen  mürben,  fo   nmjjten  fie 

2)  Metamorph,  lib.  IV.  v.  19.  20. 

3)  Begeri  Thes.   Brandenb.  Vol.  III.  p.  240. 

4)  Folymetis  DiaL-VI.  p.  63. 

10  ff.  Sin  ber  betreffenben  93üfic  (oon  grünem  33afalt)  icadifen  bie  fiöroer  oberhalb 
ber  Stirnbinbc  au3  ber  Stirn  felbft  Ijeroor.  —  12  ff.  llnridjtig ;  ba>3  SDiabem  (ft  an  SJiongfoS* 
topfen  aufjerorbentlicb  bäufig.  3m  antifett  Sd)önf)eit3ibeal  gilt  eben  eine  niebrige  Stirn 
für  fd)ön,  unb  baber  ift  bie  füufttidje  SJertüräung  ber  Stirn  burdi  bie  Stirnbinbe  feljr 
beliebt.  —  25  f.  2ltt)ene  unb  £>cra  f oiooljt ,  abl  aud)  anbete  ©ottljeiten  (Stpollo,  2Ire3, 
Dionufos  u.  f.  m.)  fommeu  auf  Senfmätern  bligfdtleubernb  cor.  —  27  ff.  3ft  burd)auS 
unbegrünbet. 


62  ffaokoon  VJil. 

offne  3n>eifel  nid;t6  bauen,  unb  mas  fie  nidjt  mußten,  tonnten 
jie  nid)t  oorftetfen.  3d;  möchte  Spencen  bagegen  fragen:  arbek 
toten  biefe  gemeinen  Seute  uor  il;ren  &opf  ober  auf  Seferjl  SSor= 
nefjmerer,  bie  r>on  ben  ©eljeinvmffen  unterrichtet  fein  lohnten? 
Stunben  bie  SCrtiften  aud)  bei  ben  ©rieben  in  biefer  23erad;tung?  5 
ÜBaren  bie  römifd;en  2(rtiften  nid;t  me()renteil§  geborene  ©riechen? 
Unb  fo  tueiter. 

StatiuS  unb  SMeriuS  ^laccuS  fd;i(bern  eine  erjürnte  ü8enu§, 
unb  mit  fo  fd;redlid;en  ,3ügcn,  bafj  man  fie  in  biefem  IKugenblitfe 
er)er  für  eine  A-urte,  als  für  bie  ©öttin  ber  Siebe  galten  foffte.  10 
Spence  fiefiet  fid;  in  ben  alten  Kunftmerfen  uergebeng  nad;  einer 
foldjen  23enu§  um.  3Baö  fd)Iief3t  er  barou§?  Safj  bem  3)id;ter 
me()r  erlaubt  ift  al§  bem  33übb,auer  unb  SRaler?  Sa§  b,ätte  er 
barauö  fd;(ief$en  foffen;  aber  er  t;at  e§  einmal  für  affemal  al§ 
einen  ©run  bf  atj  angenommen,  baf?  in  einer  poetif  d;en  33efd;rei=  15 
bung  nidjtß  gut  fei,  mao  unfd;id'Iid;  fein  mürbe,  menn  man  es> 
in  einem  ©etnälbe  ober  an  einer  ©tatne  uorfteffte. :)  $oIglid; 
muffen  bie  £id;ter  gefegt  fyaben.  „Statuta  unb  3>aleriu3  finb 
au§  einer  ^ett,  ba  bie  römifdje  ^ßoefie  fd;on  in  ifyrem  Verfalle 
mar.  Sie  geigen  aud;  l;ierin  il;ren  oerberbten  ©efd;mad",  unb  20 
i(;re  fd)(ed;te  93eurteilungöfraft.  33ei  ben  S)id;tern  aus  einer  bef= 
fern  ,3eit  mirb  man  bergleid;en  ^erftofntngen  roiber  ben  mole- 
rifd;en  2(uöbrud  nid;t  finben.'"') 

So  etmaö  ju  fageu,   Brauet  e§  matyrlid;  menig  Unterfdjeü 
bungSfraft.     ^d;  roiff  inbee  mid;  meber  beö'  Statuts   nodj  be§  20 
3SaIeriu§  in  biefem  Aaffc  annehmen,  fonbern  nur  eine  allgemeine 
2(nmerfung  machen.     SDie  ©ötter  unb  geiftigen  Sßefen,  roie  fie 
ber  .Uünftler  uorfteffet,  finb  nid;t  uöffig  ebenbiefelben,  roeldje  ber 
2>id;ter  brauet.    33ei  bem  Ülünftler  finb  fie  perfonifierte  2lbftracta, 
bie  beftänbig  bie  näm(id;e  (Sfyarat'terifierung  behalten  muffen,  menn  30 
fie  ertenntlid)  fein  foffen.    33ei  bem  ©id;ter  hingegen  finb  fie  mirf= 
lidje  fyanbehtbe  2Bcfen,  bie  über  il;ren  affgemeinen  (5(;arafter  nod; 
anbere  (*igenfd;afren  unb  Stffeften  fyaben,  meld;e  nad;  (Gelegenheit 
ber  Umftänbe  uor  jenen  oorfiedjen  tonnen.     Pernio  ift  bem  33ilb= 
bauer  nid;tö   al§   bie  Siebe;    er  mu$  if;r  alfo  äffe  bie  fittfame,  35 
uerfdjämte  2d;ön()eit,  äffe  bie  (;olbeu  Steige  geben,  bie  un§  an  ge= 

'1   Polymetis   Dialogae  XX.  p,  Sil.    Scarce  any  thing  can  be  good  in  a  poetical 
description,  ■which  would  appeai  absurd,  if  represented  in  a  statue  01  picture. 

'•)  Polymelie    hial.   VII.  p,  71 


Cnokoon  VIII.  C3 

Hebten  ©egenftänben  entlüden,  unb  bie  mir  baljer  mit  in  ben  ab- 
gefonberten  ^Begriff  her  Siebe  bringen.    2>ie  gerirtgfte  2n>Tt>eid)ung 

von  biefem  ^beal  läfjt  uns  fein  23ilb  rerfennen.     <5d)önf)eit,  aber 
mit  mefjr  3Jiajeftät  aiö  <5<fyam,  ift  fd)on  feine  SBemtS,  fonbern  eine 

r  ^nno.  ^Het^e,  aber  mein*  gebieterifdje,  männliche  al3  l)oIbe  Steige, 
geben  eine  9Jiinen*a  ftatt  einer  3SenU§.  üßoÜenbl  eine  gürnenbe 
Pernio,  eine  23enu§,  oon  ^Kad)e  nnb  SGBut  getrieben,  ift  bem 
SBilb^auer  ein  magrer  -JÖiberfurud) ;  benn  bie  Siebe,  als-  Siebe, 
kirnet  nie,  räd)et  fid)  nie.     33ei  bem  5)id)ter  hingegen  ift  SBenuS 

10  gtoar  and;  bie  Siebe,  aber  bie  ©öttin  ber  Siebe,  bie  anfjer  biefem 
Cbarafter,  if)re  eigene  ^snbiüibualität  Ijat,  nnb  folglid)  ber  Triebe 
be§  3lbfd)eus  eben  fo  fal)ig  fein  mu%  als  ber  3unetgung.  2öa§ 
il'unber  alfo,  bafs  fie  bei  il)in  in  3om  unb  2But  entbrennet,  be= 
fonbers*  roenn   es  bie   beleibigte   Siebe    felbft  ift,   bie   fie   barein 

i«  oerfe^et? 

@§  ift  jroar  roal)r,  baf$  aud)  ber  <Rünftler  in  snfammengefe^ten 
SGBerfen,  bie  3>enu§  ober  jebe  anbere  ©ottljeit,  auf$er  iljrem  (Slja- 
rafter,  als  ein  roirflid)  Ijanbelnbeö  2Öefen,_  fo  gut  roie  ber  2)id)ter, 
einführen  fann.    2lber  alsbenn  muffen  roenigftenS  iljre  £anblungen 

»'  ibrem  ßfjarafter  nid)t  roiberfpredjen,  roenn  fie  fd)on  feine  umnittek 
bare  5*°^9en  be§felben  finb.  §Benu3  übergiebt  ifjrem  Sofme  bie 
göttlidjen  SBaffen:  biefe  £)anblung  fann  ber  ^ünftler,  forooljl  als" 
ber  £id)ter,  norftellen.  £*ner  (jinbert  iljn  nid)t3,  ber  SSenus  alle 
bie  Sfnmut  nnb  Sdronfjeit  511  geben,  bie  ifjr  al§  ©öttin  ber  Siebe 

&  utfommen;  melmeljr  mirb  fie  eben  baburd)  in  feinem  95erfe  um 
10  viel  fenntlidjer.  2lllein  roenn  fid)  S8enu§  an  tf-ren  2Jeräd)tern, 
ben  Männern  ju  SemnoS  rädjen  roill,  in  öergröfterter  roilber  ©e= 
ftalt,  mit  fiedigten  SBangen,  in  ucrroirrtem  feaaxz,  bie  ^edjfatfel 
ergreift,  ein  fdjroarjes  ©eroanb  um  fid)  roirft,  unb  auf  einer  finftern 

so  äöolfe  ftürmifd)  f)erabfäl)rt:  fo  ift  bas"  fein  2lugenblid  für  ben 
.SUtnftler,  roeil  er  fie  burd)  nid)t§  in  biefem  2lugenblidc  fenntlid) 
madien  fann.     Gs  ift  nur  ein  2lugenblid  für  ben  35td)ier,  roeil 

1  f.  abge jonberten,  b.  b.  al>i"tva£)ictten,  wofür  oben  ©.  3  3- 10  „afijie^en"  gefagt  ift. 
—  4  ff.  Sies  fann  nicbt  in  ber  akftimmtbeit,  mit  ber  es  hier  ausgebrochen  ift,  feftgcljalten 
werben.  SDie  einjclnen  ©bttertiipcn  geigen  eine  f c f) r  mannigfaltige  söehanblung  bes  Jbeals; 
man  »gl.  ;.  33.  bie  JU'brobiteftatuen  Don  2)le!os,  t>om  iiapitol,  bie  mebiceifcbe  unb  bie 
Äaliipugos  (in  9JeapeI).  —  19  ff.  £iircb  biefe  gorberung  roerben  bie  ©renjen  ber  jhinft  ju 
ftart  cingcjcbräntt.  SIres  erfa)eint  in  üiifammengefe|ten  SEerfen  (j.  33.  Ömppen)  nid,t 
blofj  als  Ärieg0gott,  fonbern  auch  als  Liebhaber  ber  21p6robite;  Artemis  befudjt  ben  En« 
bnmion,  mas  i^rem  eigeiillid)cn  Gharafter  burd;au3  roiberfpricbt,  u.  bg(.  m.  —  2.s.  mit 
fiedigten  SBangen,  nidit  gan.i  genaue  Stuffaffung  ber  SBorte  maculis  suffecta  genas; 
es  iieipt  r>ielmef;r  „mit  lebbaft  geröteten  SEangen". 


64  ffaolumit  IX 

biefer  ba§   SBorrecfjt   bat,  einen  anbem,   in   meiern  bie  ©öttin 

ganj  §Bemi§  ift,  fo  naf>e,  fo  genau  bamit  ju  nerbinben,  bafj  mir 

bie  3>emiö    aud)    in   ber  $urie  nid)t  aus  ben   Slugen  oerlieren. 
3)iefe§  tfjut  ^Jaccu§: 

—  —  Neque  eniin  alma  videi'i  5 

Iaui  turnet;  aut  tereti  crinem  subnectitur  auro, 
Sidereos  diffusa  sinus.  Eadem  effera  et  ingens 
Et  niaculis  suffecta  genas;  pinumque  sonantem 
Virginibus  Stygiis,  nigrarnque  simillima  pallam. ;) 

Gben  biefe§  tfjut  ©tcttiuS:  10 

lila  Papbon  veterem  centumque  altaria  linquens, 

Nee  vultu  nee  crine  prior,  solvisse  jugalem 

Ceston,  et  Idalias  proeul  ablegasse  volucres 

Fertur.     Erant  certe,  media  qui  noctis  in  umbra 

Divarn,  alios  ignes  majoraque  tela  gerentem,  15 

Tartarias  inter  thalaniis  volitasse  sorores 

Vulgarent:  utque  inrplicitis  arcana  domorum 

Anguibus,  et  saeve  formidine  euneta  replerit 

Lirnina. 8)  — 

Ober  man  fann  fagen;   ber  Siebter  allein  befi|et  bas  $unftftücf,  20 
mit  negativen  .ßügen  ou  fdjübern,   unb  burd)  SBermif  erjung  biefer 
negativen  mit  pofitiuen  Bügen,   gtoet  ßrfdjeinungen   in   eine   ju 
bringen.    9iidjt  mefjr  bie  fjolbe  §Benu§;  nidjt  melrr  ba§  §aar  mit 
goloenen  Spangen  geheftet;    uon  feinem  azurnen  ©eroanbe  um= 
flattert;    ofjne  iljren  ©ürtel;    mit  anbem  flammen,  mit  großem  25 
Pfeilen  bewaffnet;  in  ©efetlfcfjaft  xljx  ärmlidjer  ^urien.    3tber  roetl 
ber  SCrtift  biefeö  ^unftftücfeö  entbehren  mufs,  foll  fid)  feiner  barum 
aud;  ber  3)idjter  enthalten?     Söenn  bie  9Jia(erei  bie  ©djmefter 
ber  1)id)ti'imft  fein  will:    fo   fei  fie   menigftcnS  feine  eiferfüd)tige 
Sd)mefter;   unb  bie  jüngere  unterfage   ber  älteren  nid)t  ade  ben  30 
$u|,  ber  fie  felbft  nid)t' fleibet. 

IX. 

2öenn  man  in  einzeln  J-allen  ben  sDialer  unb  ©idjter  mit 
einanber  Dergleichen  null,  fo  muf$  man  oor  allen  fingen  mofjl 
jufeljen,  ob  fie  beibe  itjre  oöffige  Areibeit  geljabt  baben,  ob  fie  olme  35 

')  Argonaut.  Z£b.  II.  v.  102—101'.. 
K>  Thebaid.  Lib.  V.  v.  01—69. 


ffaokoou  IX.  65 

allen  aufjerftdjen  3n>ang  auf  bie  Ijödjfte  2Birfung  ujrer  Slunft  fjaben 
arbeiten  fönnen. 

Sin  foldjer  äußerlicher  Broang  mar  bem  alten  $ünftler  öftevo 
bie  Religion,  ©ein  Sßerf  gur  Ssereljrnng  imb  Sftibetung  beftimmt, 
5  tonnte  nidjt  allezeit  fo  oollfommen  fein,  als  wenn  er  einjig  baS 
Vergnügen  be§  ^Betrachters  babei  jur  Stbfidjt  gehabt  tja'tte.  ©er 
3(&erglau6e  überlabete  bie  ©ötter  mit  ©innbilbem,  unb  bie  fdjünften 
von  il)nen  nntrben  nia)t  überall  aU  bie  fdjönften  oereljret. 

33acdm3  ftanb  in  feinem  Tempel   §u  SemnoS,  ans  meldjem 

iu  bie  fromme  .'oupfipile  il)ren  SSater  unter  ber  ©eftatt  beö  ©otte§ 

rettete,1)  mit  Römern,  unb  fo  erfdjien  er  of)ne  3rocifel  in  allen 

feinen  Tempeln,  benn  bie  §örner  roaren   ein  <Sinnbilb,  weldjes 

fein  SSefen  mit  bejeidjnete.     -Kur  ber   freie  ^ünftler,   ber   feinen 

33acdjuö  für  feinen  Tempel  arbeitete,   lief?  btefes  ©innbilb  meg; 

15  unb  roenn  mir,  unter  ben  nod)  übrigen  Statuen  non  ilnu,  feine 

•    mit  hörnern  finben/)  fo  ift  biefeö  oietleicfjt  ein  23emeiö,  baf3  es> 

')  Valerius  Flaccus  Lib.  II«  Argonaut,  v.  265 — 273. 

Serta  patri,  juvenisque  comam  vestesque  Lyaei 
Induit,  et  medium  curru  locat;  aeraque  circum 
20  Tympanaque  et  plenas  tacita  formidine  cistas. 

Ipsa  sinus  hederisque  ligat  famularibus  artus: 
Pampineamque  quatit  ventosis  ictibus  bastam, 
Keapiciens;  teneat  virides  velatus  babenas 
Ut  pater,  et  nivea  tumeant  ut  cornua  mitra, 
25  Et  saeer  ut  Bacchum  referat  scypbus. 

SDa§  SBort  tumeant,  in  ber  testen  ofm  einen  fte'üe,  fdjeinet  übrigens  an,;ujeigen,  baj?  man 
bie  £örner  beS  ä3acd)u3  ntd)t  fo  Hein  gemadjt,  als  fid)  ©pence  einbilbet. 

-)  2)er  fogenannte  SöacdniS  in  bem  ÜJlebiceifdjcn  ©arten  §u  9tom  (beim  üflontfaueon, 
Suppl.  aux  Ant.  T.  I  p.  1  i4.)  tjat  f leine,  aus  ber  ©tirne  tjeroorfproffenbe  §örner:  aber 
£0  eS  giebt  flenner,  bie  ü}n  eben  barum  lieber  ;u  einem  gaune  mad)en  roollen.  Sit  ber  £§at 
finb  fold)e  natürliche  §örner  eine  ©d)änbung  ber  menfd)lid)en  (Sefialt,  unb  tonnen  nur 
SDBcfen  gejiemen,  benen  man  eine  2lrt  von  SRittelgeftalt  jroifdjen  3Jlenfd)en  unb  £ier  erteilte. 
Sind)  ift  bie  Stellung,  ber  lüfterne  SJlicf  nad)  ber  über  fid)  gehaltenen  Sraube,  einem  23e* 

3  ff..  Sie  ßuItuSBüber  in  ben  alten  Sempein  roaren  meift  unnoHIommene  ©d)nifcbilber 
aus  primitioer  Seit  ober  genaue  flopteen  uou  foldjen.  @§  ift  bamit  äfjnlid),  roie  im  fatbo* 
lifdjen  tfuttuS,  roo  aud)  bie  perebrteften  2Jtarien=  ober  §eiligenbtlber  tünftlerifd)  fein- 
uiebrig  }U  ftef)en  pflegen,  bie  ©diöpfungcn  ber  großen  9J!aler  aber  nur  in  feltenen  fallen 
aud;  öegenftanb  ber  ätnbetung  finb.  —  9  ff.  2113  auf  SBeranlafftmg  ber  sttrnenben  2lpbro; 
bite  bie  Siänner  oon  ScmnoS  iljre  grauen  »erliefjen  unb  biefe  ben  33efd)lufi  f afiten,  alle 
2)!änner  5U  töten,  rettete  §opfipüe  ihren  SBater,  ben  flönig  2l)oaS,  inbem  fie  iftjt  als 
SacdjuS  oerfleibete.  —  15 f.  S)a§  ift  nicöt  ber  %aü;  es  ift  eine  nidjt  wnbeträd)tlid)e 
Slnjat)!  oon  a3ocd)u§ftguren  mit  «öoruern  nod)  crbalten.  2lnbrerfeit'3  ift  bie  2lnnal;me, 
bafs  biefe  giguren  alle  Sempelbitbcr  geroefeu  fein  müfjten,  ebeuforoenlg  gerechtfertigt,  roie 
bie  2lnfid;t,  bafs  SöacdniS  in  allen  feinen  Sempein  mit  Römern  erfebienen  fei.  ffienn  bie 
."pörner  finb  nidjt  ein  ginnbilb,  roeldjes  fein  SBefen  an  fid)  bejeidmete,  fonbern  bejogen  fid) 
nur  auf  eine  beftimmte  Seite  feines  2Befen§  unb  fingen  jebenfall'3  aud)  mit  gennffen 
mpftifd)cn  SSorfteBungen  jufantmen.  —  3u.  §ier  gebraucht  Seffing  gfaun  ibentifd)  mit 
©ati)r,  roäfjrenb  er  oben  S.  60  J-auneu  unb  ©attjrn  nebeneinanber  al3  etroaS  oerfd)iebeneö 
nennt.  —  31  f.  SDaran  l)ält  bie  antife  flunft  im  allgemeinen  feft;  bod)  muf?  an  ben  mit 
2Bibberl)örnern  oerfeljenen  3cl1^  2lmmou  erinnert  roerben,  von  beut  roir  febr  fd)öne  uno 
fdiinerltd)  blofj  für  flultu§}t»e(fe  beftimmte  Äöpfe  befifen. 

SeffingS  SBerfe  9.  5 


CG  Caokoon  IX. 

feine  von  ben  geheiligten  finb,  in  roetdjen  ev  uiiafltdf»  nererjret 
ir>orben.  C5ö  ift  ofmebem  l)öd)ft  maljrfdjeinlid),  baf3  auf  biefe  leij= 
teren  bie  2öut  ber  frommen  gerftörer  in  ben  erften  ^aljn'Ijunberten 
beö  Gtjriftentums  oorneljtnftdj  gefallen  ift,  bie  nur  Ijjier  unb  ba  ein 
Äunftrnerf  fdjonte,  roelct)eö  burcr)  feine  Anbetung  verunreiniget  mar.   s 

®a  tnbes  unter  ben  aufgegrabenen  9(ntifen  fid;  ©tütfe  foroorjl 
von  ber  einen  als!  uon  ber  anbern  2lrt  finben,  fo  roünfdjte  id), 
bafj  man  ben  ^tarnen  ber  Mitnftmerfe  nur  benjenigen  beifegen 
möchte,  in  melden  fid)  ber  $ünftler  roirf'ltcf)  als  ^ünftter  geigen 
fönnen,  bei  melden  bie  ©djönrjeit  feine  erfte  unb  letzte  2tbfidjt  10 
gemefen.  2WeS  anbere,  rooran  fid)  51t  merflidje  ©puren  gotteS= 
btenftlidjer  üBerafcrebungen  geigen,  uerbienet  biefen  Manien  nidjr, 
roeil  bie  $unft  fyier  nid)t  um  tljrer  fefbft  miffen  gearbeitet,  fonbern 
ein  blofjeS  Hilfsmittel  ber  Religion  mar,  bie  bei  ben  finnticfjen 
SSorftellungen ,  bie  fie  itn*  aufgab,  meljr  auf  bas  SBebeutenbe  als  15 
auf  baS  ©djöne  fatje;  ob  idj  fdjon  baburdj  nidjt  fagen  roifl,  bafj 
fie  nidjt  aud)  öfters  altes  Sebeutenbe  in  bo§  Sdjöne  gefegt,  ober 
aus  9^adr)fid^t  für  bie  Kunft  unb  ben  fetnern  ©efcfnnad  bes  $af)r= 
Ijunberts,  non  jenem  fo  üiel  nadjgelaffen  fyate,  baft  biefeS  allein 
51t  rjerrfdjen  fcfjeinen  fönnen.  20 

5Dtad)t  man  feinen  fotdjen  Untcrfdjieb,  fo  werben  ber  Kenner 
unb  ber  Antiquar  beftänbig  mit  einanber  im  Streite  liegen,  roeif 
fie  einanber  ntcfjt  uerfteljen.  28enn  jener,  nadj  feiner  ©inftdjt  in 
bie  SBeftimmung  ber  $unft,  behauptet,  baf$  biefeS  ober  jenes  ber 
alte  $ünft(er  nie  gemadjt  Ijabe,  nämlid)  als  ^ünftler  nicr)t,  frei=  25 
unllig  nidjt:  fo  mirb  biefer  eS  baljin  ausbeuten,  bafj  eS  audj  roeber 
bie  Religion,  nod)  fonft  eine  aufjer  bem  ©ebiete  ber  ^unft  (iegenbe 
llrfadje,  oon  bem  Äünftler  Ijabe  madjen  faffen,  oon  bem  üünftter 
nämlid),  ab  .^anbarbeiter.  @r  roirb  alfo  mit  ber  erften  mit  ber 
beften  $igur  ton  Kenner  miberlegen  311  fönnen  glauben,  bie  biefer  30 

gleiter  be?  2S>eingottc§  anftänbiger  als  beut  ©otte  felbft.  3d)  ei  innere  mid)  fjier,  roa§ 
(SlemenS  SHeranbrinuä  r>on  2llej;anber  bem  ©rofjcn  fogt  (Protrept.  p.  4a.  Edit.  Pott ) 
EßovÄsto  de  y.ti'i  L-l/JS.aii)^u;  '!sif<f<wvog  viü;  sirai  doxeiv,  y.ul  y.eQaO(p6pog  ävec- 
nlättta^ai  npb:  twv  ßcyakfiatoltoidiv,  tb  xctkhv  av&Qtlijtov  vßQiooti  ojttvdiov  rJqati. 

Gs  mar  SltejanberS  au3briicflid)er  Sitte,   bafj  ibji  ber  S3ilbljaucr  init  Römern  oorftellen  35 
fotlte;  er  mar  e3  gern  aufrieben ,  bafs  bie  menfd)lid)e  <£d)önl)eit  in  il;m  mit  hörnern  be= 
fdjimpft  warb,  roeun  man  iljn  nur  eineä  göttticljen  UrfpnutgcS  }U  fein  glaubte. 

0 — 20.  SMefe  an  fid)  luohjbcgrünbete  lluterfdjcibung  ift  nur  itt  Ä'irfliditeit  nidit  leicht 
burdisufiiljrcn,  tueil  man  nur  feiten  bei  einem  alten  Sunftwerl  eS  mit  3id)erl)cit  beurteilen 
tann,  ob  e§  ju  Äultuäjroecfen  bofttmmt  geroefen  fei  ober  nid)t.  —  12.  aSerabrebungen, 
b.  i.  3:enbcn;en.  —  37.  3)lan  ad)te  auf  bie  im  S)eutfd;eu  ungeiDölmlidjc,  bem  i.iateiuifd)en 
entlehnte  .uonftruttion. 


tfaokoon  IX.  67 

ofpte  §Bebenfen,  aber   311  großem  2trgerniffe  ber  geteerten  Söett, 
uiiebev  311  bem  Sdmttc  öerbammet,  roorauS  fie  gejogen  roorben.3) 

3)  2US  id)  oßen  behauptete,  baf;  bie  alten  ßünftler  feine  gurten  gebilbet  hätten,  mar 
eS  mir  nidbt  entfallen,  bafs  bie  gurien  mein-  als  einen  Xempel  gehabt,  bie  ohne  ihre  ©tatuen 
5  gewifs  nid)t  geroefen  finb.  3n  bem  ju  Eeronea  fanb  2JaufaniaS  bcrgleidien  oon  §olj;  fie 
waren  lueber  grof?,  nod)  fonft  6efonber§  merftottrbtn ;  es  fdjien,  bafj  bie  Aunft,  bie  fid)  nidit 
an  il)nen  jeigen  fönneu,  eS  an  ben  •öilbfäulen  ihrer  ^riefterinuen ,  bie  in  ber  §allc  beS 
SempelS  ftanben,  einbringen  wollen,  als  welche  uon  ©tein  unb  oon  fein-  fdjöner  arbeit 
waren.    (Pausanias  Achaic.  cap.  XXV.  p.  587.  Edit.  Kuhn.)    ^d)  Ejattc  eben  fo  wenig 

10  uergeffeu,  bafj  man  Köpfe  uon  ihnen  auf  einem  2lbraraS,  ben  GbiffletiuS  befanut  gemadjt, 
unb  auf  einer  Sampe  beim  SicetuS  ju  fe§en  glaube.  (Dissertat.  sur  les  Furies  par 
Baanier,  Mtmoires  de  l'Academie  des  Inscript.  T.  V.  p.  48.)  2lud)  fogar  bie  Urne 
oon  öetrurifeber  arbeit,  beim  ©oriuS  (Tab.  151  Musei  Etrusci),  auf  welcher  DrefteS  unb 
^ulabeS  erfebeinen,  wie  ihnen  swei  gurien  mit  gadeln  jufegen,  war  mir  nicht  unbefannt. 

15  allein  id)  rebete  oon  Kuuftmerfen,  uon  mekhen  id)  alle  biefe  ©tücfe  auSfdbliefjen  5U  fönnen 

glaubte.    Unb  wäre  aud)  baö  ledere  nidit  fowol)l  als  bie  übrigen  bauen  auSjufc&liejsen, 

fo  bienet  e3  uon  einer  anbern  Seite,  mehr  meine  Meinung  51t  beftärfen,  al§  ju  wiberlegen. 

*  Senn  fo  wenig  aud)  bie  öetrurifdjeu  Kiinftler  überhaupt   auf  baS  ©diönc  gearbeitet,  fo 

fd)einen  fie  bod)  aud)  bie  gurten  nidjt  fo  wohl  burd)  idiredlidje  ©eficbtSjüge,  als  uielmebr 

20  burd)  if)re  Sracbt  unb  Attribute  auSgebrüdt  51t  haben.  Siefe  ftojjcn  mit  fo  ruhigem  ©e= 
fidite  bem  DrefteS  unb  ^ulabes  i&re  gacfeln  unter  bie  2lugen,  baf;  fie  faft  febeiuen,  fie  nur 
im  ©cberje  erfdjreden  511  wollen.  2Bie  fürchterlich  fie  bem  DrefteS  unb  ^nlabeS  uorgefommen, 
läfjt  fid)  nur  aus  U)rer  guräjt,  fcineswegS  aber  aus  ber  Silbung  ber  gurien  felbft  ab= 
nehmen.    ®§  finb  alfo  gurien,  unb  finb   aud)  feine;  fie  uerrid)ten  baS  2tmt  ber  gurten, 

L'5  aber  iüd)t  in  ber  Gntftellung  uon  ©rimm  unb  2But,  weldje  wir  mit  ihrem  3tamen  ju  uer= 
binben  gewohnt  finb;  nid)t  mit  ber  ©tirne,  bie,  wie  Gatult  fagt,  expirantis  praeportat 
pectoris  iras  —  Jlod»  lürsticf)  glaubte  üerr  2Bintelmann,  auf  einem  Garneole  in  bem 
Stofjifdien  Kabinette,  eine  gurie  im  Saufe  mit  fliegenbem  9Jocfe  unb  jgaaren,  unb  einem 
Soldje  in  ber  §anb,  gefunben  }u  liaben   (33ibltotbef  ber  febönen  SBiff.  V.  23anb  ©.  30). 

30  Ser  £>err  uon  ijageborn  riet  hierauf  aud)  ben  Äünftlern  fefion  an,  fid)  biefe  2lnjeige  ju 
mt|e  su  mad)en,  unb  bie  gurien  in  ihren  ©emälben  fo  DorjufieHen.  (93etrad)tungen  über 
bie  SKalerei  S.  22:.'.)  allein  .§err  äBinfelmauu  f)at  bernad)  biefe  feine  Gntbecfung  felbft 
wieberum  ungeiuif;  gemadjt,  weil  er  nid)t  gefunben,  bafj  bie  gurien,  anftatt  mit  gacfeln, 
aud)  mit  S)old)en  oon  ben  2llten  bewaffnet  worben  (Descript.  de8  Pierres  gravtes  p.  84). 

35  Cljne  gweifel  erfennt  er  alfo  bie  gigureu,  auf  äßihtjen  ber  ©täbte  Stjrba  unb  üKaftaura, 
bie  ©panf^eim  für  gurien  auSgiebt  (Les  Cesars  de  Julien  p.  44),  nid)t  bafür,  fonberu 
für  eine  §ccate  triformis ;  beim  fonft  fänbe  fid)  allerbingS  l)ifr  eine  gurie,  bie  in  jeber 
.vuiub  einen  Sold)  füljret,  unb  es  ift  fonberbar,  bafj  eben  biefe  aud)  in  blofjen  ungebunbeneu 
.yaaren  erfd)einet,  bie  an  ben  anbern  mit  einem  ©d)leier  bebedt  finb.    3)od)  gefegt  aud), 

40  eS  wäre  wirflid)  fo,  wie  eS  bem  §errn  2Bintelmann  juerft  uorgefommen:  fo  würbe  eS  aud) 
mit  biefem  gefdjnittenen  ©teine  tben  bie  23ewanbtniS  haben,  bie  eS  mit  ber  §etrurifd)eu 

8.  aU  weld)e,  in  faufaler  33ebeutung,  fo  uiel  als  „ba  biefelben".  —  10.  2lb-ragaS, 
gefdjnittcne  Steine  am  fpäter  3eit,  weld)e  aufjer  ©ötterfigureu  baS  (angeblid)  eine  ge= 
i)eimniSuolle  ajeneunung  ©ottcS  bebeuteube  2Bort)  2lbrai-aS  trugen.  —  lOf.  Gl)ifflct 
unb  SicetuS  finb  antiquarifdje  ©elel)rte  beS  17.  galjrl).  —  12  f.  bie  Urne  oon  §c  = 
trurifd)cr  2lrbeit;  gemeint  ift  eine  grtedjtfd)e  gemalte  SJafe.  Jiefe  ©efäfjc,  bereu  mau 
bagumat  nur  nod)  febr  wenige  fannte,  galten  als  SBerfe  ber  etntSfifAcn  Äunft,  wäbrenb 
in  2ßirflid)feit  nur  ein  febr  geringer  S3rud)tetl  unter  ben  uielen  Jaufenbeu  bemalter  fBafen 
etru'öfifd)e  arbeit  finb.  —  13.  SDer  ard)äologe  ©ori  lebte  in  ber  erften  §älfte  beS  18.  %ai)v: 
bunberts.  —  24  ff.  ©tefe  S3eo6od)tung  Seffingä  bat  bie  neuere  gorfdjung  burdutuS  beftütigt. 
Sie  gurien  (Grinden)  merben,  ebenfo  wie  bie  SDlebufo,  nur  uon  ber  untergeordneten  Äunft, 
refp.  bem  Äunftbanbwerf  in  abfdircdenber  §äftlid)feit  bargeftellt;  bie  entwidelte  Äunft 
ftcllt  fie  in  burebaus  tnenfd)lid)n'bler  SJilbung  bar,  inbem  il)r  fdiredlid)eS  2lmt  tebiglid)  in 
ifjre  2lttribute  (©anlangen,  gacfeln,  ©cifteln)  uerlegt  wirb.  3n  ber  Siegel  erfdjetnen  fie 
im  JnpuS  ber  Qägerinnen,  weil  fie  gleid)  fdmelleu  ^unben  bie  Hiiffctljäter  verfolgen.  — 
21;.  Gatull,  ©eb.  64,  23.  ü'4.  —  2?  f.  in  bem  St'ofjifdjeu  Kabinette;  bie  Samm* 
hing  bes  25aron  u.  Stofcb,  bie  fid)  jebt  im  berliner  Hhtfeum  befinbet.  2lud)  «Bindelmanu 
fdneibt  immer  „Stofjifd)",  um  ben  älUfjflang  ©tofdjifd)  ju  oertneiben.  —  36.  23aron 
G-,cd)iel  oon  ©panljeim,  ein  berühmter  DtumiSmatifer,  lili)  in  Bonbon  geftorben. 
'  Sie  ©tabt  Snrba  liegt  in  Gilicieu,  2)Jaftaura  (Seifing  idnieb  irrtümlid)  üKafjaura)  in 
Stjbieu. 


68  ffiaohoon  ix. 

©egenteüä  fann  man  fidf>  aber  and)  ben  ßinftuf,  ber  Religion 
auf  bie  Munft  51t  grofjj  uorftetten.  «Spence  gte&t  tjieroon  ein  fonber= 
6are§  Seifpiel.  ©r  fanb  beim  Doib,  baf?  SSefta  in  iljrem  Tempel 
unter  feinem  persönlichen  Silbe  oereln'et  morben;  unb  biefeä  bünfte 
it)m  genug,  baranö  51t  fd)tief5en,  baft  e§  überhaupt  feine  33ilb=  5 
faulen  non  bicfer  ©ottin  gegeben  Ijabe,  unb  bafj  atle§,  roa§  man 
biöfyer  bafür  gehalten,  nidjt  bie  SBefta,  fonbern  eine  üBeftaftn  nor= 
ftelle.4)  ©ine  feltfame  ^yolge!  Sßerlor  ber  ^ünftler  barum  fein 
ÜRedEjt,  ein  2Befen,  bem  bie  2>id)ter  eine  bcftimmte  s}>erföntid)feit 
geben,  baö  fie  gur  Xotyttx  be§  ©atumuS  unb  ber  Dpö  mad)en,  10 
ba§  fie  in  ©efatjr  fommen  laffen,  unter  bie  SDftfjIjanbiuttgen  be§ 
5priopu§  §u  falten,  unb  raaS  fie  fonft  non  il)r  erjagen,  oerlor  er, 
fage  id),  barum  fein  Sftedjt,  biefeS  SBefen  and)  ncrd;  feiner  2trt  511 
perfonificren,  weil  e§  in  ©inern  Stempel"  nur  unter  bem  ©innbilbe 
be§  ^euerä  oeretjret  warb?  2)enn  Gpence  begebet  babei  nod)  biefen  15 
$el)ler,  baf;  er  ba§,  ma§  Doib  nur  non  einem  geroiffen  Xempel 
ber  33efta,  nämlid;  non  bem  31t  üftotn  fagt/)  auf  alle  Xempel 
bicfer  ©öttin  ol)ne  Unterfdneb  unb  auf  iljre  SSereljrung  übert)aupt, 
auöbeljnet.  2öie  fie  in  biefem  Tempel  511  9tom  neref)ret  roarb, 
fo  marb  fie  nidjt  überall  uereljret,  fo  mar  fie  fclbft  nidjt  in  Italien  20 
ncret)ret  morben,  elje  it)n  9iuma  erbaute.  Üiuma  wollte  feine  öott= 
fjeit  in  menfdjlidjer  ober  tierifdjer  ©eftatt  norgeftellet  nriffen;  unb 
barin  beftanb  ol)ne  3'ueifel  bie  SSerBcfferung,  bie  er  in  bem  ®ienfte 
ber  SSefta  madjte,  baf$  er  alle  perfönlidje  3>orftelTung  non  if)r 
barauö  oerbannte.    Duib  felbft  lct)ret  un§,  baf;  c3  nor  ben  3citen  25 

Urne  Ijat,  c§  roäre  beim,  bafj  fid)  roegen  ßtcintjeit  ber  SIrbeit  gar  feine  ©efidjt^üge  er« 
fennen  liefen.  Überbein  gehören  aud)  bie  gefdnüttenen  Steine  überhaupt,  roegen  if;re3 
©ebraud)o  al3  Siegel,  fdjon  mit  jur  Siüberfpradje,  unb  ifjre  fjiguren  mögen  öftrer  eigen* 
finnige  Smnbole  ber  S3efi|er,  at*  freiroillige  SBerfe  ber  JHlnftler  fein. 

")  Polymetis  Dial.  VII.  p.  81.  30 

'■i   Fast.  Üb.  VI.  v.  295—98. 

Esse  diu  stultus  Vestae  BÜnulaera  putavi: 

^l'ix  didici  curvo  nulla  subesse  tholo. 
[gnis  inexstinetus  templo  celatur  in  illo. 
Bffigieia  nuUam  Vesta,  nee  ignis,  habet.  35 

Dmb  rebei  nur  oom  ©otteäbtenfte  ber  SSefta  in  dUm,  nur  »on  bem  Stempel,  ben  ii;r  9Juma 
bafelbft  erbauet  tjatte,  non  bem  er  lurj  junor  (v.  250.  60)  fagt: 

Regia  opus  placidi,  quo  non  metuentius  ulhun 
Numinis  Ingenium  terra  Sabina  tulit. 

8.  A-olge  =■  Folgerung.  —  -'f-  9iad;  römifdjer  ©Btterleljre  bie  fog.  Vesta  minor: 
bie  Vesta  maioi  ober  cana  ift  «emalilin  beS  ISöluS  ober  3onu8  unb  SDhtttet  be§  So= 
turnuS.  —  11  f.  SDlifibanblungen  be§  ^riapuö;  uadt  ber  bei  Ovid.  fast  VI,  3-Jiff. 
erfüllten  Sage  rooHte  ^Sriapuä  einft  bie  fa)lummernbe  SBefio,  bie  er  nicht  (annte,  iiber= 
roältigcn,  ba  roedte  fie  baS  «efdjrei  beö  in  ber  s.)iiil)e  befiuMidien  ®feß  be§  ©Uen;  feitbem  - 
[ei  ber  ©fei  am  SJeftafefle  uon  ber  -Jlrbeit  in  ber  a'iüble  befreit. 


faokoon  IX.  69 

be§  SKumct,  SStlbfäutcn  ber  SSefta  in  U)rem  Tempel  flegeben  Ijabe, 
bie,  als  ifjrc  Sßriefterm  ©rjlma  3Jluttcr  raarb,  oor  <2djam  bie 
jnngfränltdjen  |>änbe  oor  bie  2Iugen  Ijoben. '')  3)af$  fogar  in  ben 
Tempeln,  meldje  bie  ©öttin  aufjer  ber  Stabt   in  ben  römtfdjen 

5  Sßrooingen  fjatte,  i()re  2>ereb,rung  nidjt  obffig  oon  ber  2(rt  geroefen, 
a(3  fie  Patina  oerorbnet,  fdjeinen  oerfdnebne  alte  ^nfdjriften  ju 
beroeifen,  in  melden  eineö  Pontilicis  Vestae  gebadtjt  mirb. 7)  9lud) 
ju  Gorintl)  mar  ein  Xempet  ber  SSefta  ob,ne  äffe  Silbfäule,  mit 
einem  blofjert  2l£tare,  morauf  ber  ©öttin  geopfert  roarb.8)    2(ber 

10  (jatten  bie  ©rieben  barutn  gar  feine  ©tatuert  ber  SSefta?  3u 
2ftrjen  mar  eine  im  ^rptaneo,  neben  ber  Statue  be§  $rieben3.y) 
£)ie  £>affeer  rülpnten  oon  einer,  bie  bei  iljnen  unter  freiem  Fimmel 
ftanb,  bajj  meber  Sdjnee  nod)  Stegen  jemals  auf  fie  faffe.11') 
■^liniuci  gebeult  einer  fiijenben,  oon  ber  £>anb  be§  ©copasS,  bie 

15  fid)  §u  feiner  ßeit  in  ben  Seroilianifdjen  Warten  gu  Siom  befanb.11) 
Zugegeben,  bafj  e§  un§  itjt  ferner  mirb,  eine  blofje  SSeftalirt  oon 
einer  SSefta  felbft   §u  unterfdjeiben,   bemeifet  biefeö,  baf;  fie  and; 

M  Fast.  lab.  III.  v.  45.  46. 

Sylvia  fit  mater;  Vestae  simulaera  feruntur 
20  Virgineas  oculis  opposuisse  manus. 

Stuf  biete  SEBeife  hätte  Spence  ben  Duib  mit  fid)  felbft  oergleic&en  follen.  Ser  Siebter  rebet 
von  oerfebtebnen  3e^ten-  &ex  von  oen  3e'tcn  Dor  *>em  91uma,  bort  oon  ben  Reiten  nad) 
ihm.  gn  jenen  roarb  fie  in  Italien  unter  perfönttäjen  SSorftettungett  oerebret,  fo  roie 
fie  in  Sroja  mar  oerebret  roorben,  oon  mannen  Sleueas  ihren  GJottesbtenft  mit  herüber 
25  gebracht  hatte. 

■ —  —  Manibus  vittas,  Vestamque  potentem, 
Aetenmmque  adytis  effert  penetralibus  ignem: 

fagt  SSirgil  von  bem  ©eifie  bes  jfjeftors,  nad)bem  er  bem  2leneas  jnr  gludit  geraten.    §ier 
wirb  bas  eroige  gfeuet  oon  ber  SSefta  felbft,  ober  ibrer  SSilbfätite,  auöbrücflid)  untertrieben. 
30  Spence  mufj  bie  römtfdjen  Sidjter  51t  feinem  SSebufc  bod)  nod)  niebt  aufmerf'fam  genug 
burdjgelefen  haben,  roeil  ihm  btefe  Steile  entroifdjt  ift. 
■I  Lipsius  de  Vesta  et  Vestalibus  cap.  13. 
M  Pausanias  Corinth.  cap.   XXXV,  p.  194.    Edit.  Kuhn. 
1  Idem  Attio.  cap.  XVIII    p.  41. 
35         ,0)  Polyb.   Bist.  lib.  XVI.  §.11.    <>ij.  T.  II.  p.  443.    Edit.  Ernest. 

")  Plin.  lib.  XXXVI.  sect.  1  p.  727.  Edit.  Hard.  Scopas  fecit  —  Vestam  seden- 
trin  laudatam  in  Servilianis  Imrtis.  3)iefe  Stelle  mufj  fiipfinä  in  ©ebanfen  gehabt 
haben,  als  er  die  Vesta  eai>.  3.1  fdjrieb:  Pliniua  Vestam  sedentem  effiiigi  solitam 
ostendit,  a  Btabilitate.     Slllein   roas  ^.Uimus  uon  einem   einseht  Stüde  bes  Scopa3  fagt, 

7.  S5er  Sienft  ber  SSefta  mar  bereit?  unter  ben  ©cfdjäften  ber  alten  Pontifices  eins 
ber  rcefentüdtften;  ben  tarnen  Pontifices  Vestae  (ober  f.  maiore!-)  nahmen  fie  erft  unter 
Jtatfer  Slureüan  (270 — 275)  an,  als  biefer  ba§  Sotiegiitm  ber  Pontifices  Solis  ftiftete; 
ogt.  SDlarguarbt,  Köm,  Staatsoerroaltung  III,  236.  SHefe  Benennung  hQt  atfo  im  oor= 
liegenben  gallc  feine  Seroeisfraft.  —  12.  5,affo§,  Stabt  in  Äarien.  —  14.  Uer  berühmte 
aSiibhauer  S topos  aus  $aroQ  lebte  in  ber  erften  .öälfte  bee  4.  3>abrb.  v.  <Si)V.  —  lt;f. 
Sie  betannte  Statue  einer  Söeftalin  im  ÜDtufeum  bes  Satitan  rourbe  oon  mandjen  für  eine 
SBefta  erflärt.  3TDeifcllo3  fenntiiebe  Statuen  ber  Sßefta  finb  uns  in  ber  £bat  nid)t  er= 
halten;  bod)  wirb  bie  feg.  SSefta  ©iuftiniani  (heute  im  23efi§  bes  Jürften  Xorlonia)  rool)l 
in  ber  Jfjat  eine  foldie  fein.  —  37.  Quftus  i'ipfius,  ein  berühmter  l)ollänbifd)er  ^hilo= 
log,  1547- 1BQ6. 


70  tfaokoon  X. 

bie  2ttten  nidjt  unterfdjetben  tonnen,  ober  rooljl  gar  nitfjt  unter* 
Reiben  wollen?  ©eroiffe  Äenttjeidjen  fpredjen  offenbar  mer)r  für 
bie  eine,  al§  für  bie  embere,  5Da§  2eepter,  bie  Partei,  ba§  ^utltabiuin, 
(äffen  ftd)  nur  in  rer  §anb  Der  ©ötttn  oermuten.  S)a§  ^ntnpamun, 
roeldje§  iljr  (Sobtnuö  Beileget,  föntntt  i()r  tneücid)t  nur  aU  ber  @rbe 
§u;  ober  (Sobinuö  raupte  felbft  ntdjt  redvt,  roa§  er  falje. lL') 


$d)  merfe  nod)  eine  Söefrembung  be§  ©pence  an,  roeldfje 
beutlid)  geiget,  rote  roentg  er  über  bie  ©renjen  ber  "^oefte  unb 
Müllerei  mufj  nadjgebadjt  baben.  10 

„2öa§  bie  9)iufen  überbaupt  betrifft,  fagt  er,  fo  ift  e§  bod) 
fonoerbar,  bafj  bie  ©tdjter  in  Söefdjrei&ung  berfelben  fo  fparfam 
finb,  roeit  fparfanter,  als  man  ee  bei  ©öttinnen,  benen  fie  fo  grojje 
v^erbinblid)feit  Ijaben,  erroarten  foftte."1) 

2ßa§  Jjeifjt  ba§  anberö,  al§  fid;  rounbern,  bafj,  trenn  bie  15 
Tidjter  uou  Urnen  reben,  fie  e§  nidjt  in  ber  ftumnten  ©pradjc  ber 
Butler  t§un?    Urania  ift  ben  Stdjtew  bie  3Jhtfe  ber  ©ternfunftj 

liätte  er  nidit  für  einen  allgemein  angenommenen  Sljarafter  ausgeben  folten.  @r  merft 
felbft  an,  baf;  auf  ben  äJSünjen  bie  33efta  ebenfo  oft  ftetjenb  aI3  fitjenb  erfdfjeine.  2UIein  er 
öerbeffert  baburd)  nidjt  ben  l;liniu§,  fonbern  feine  eigene  falfd)e  ISinbitbung.  20 

'-)  Georg.  ('<><liuus  de  Originib.  Constant.  Edit.  Venet.  p.  12.  Tijy  yfjv  Xiyovotv 
Eotiotv,  xcti  nXäxtovatv  autljv  yuvotty.a,  rbynavov ßaaTd^ovaav,  irtttdlj  roh-:  ävifjov? 
i'  y!j  vip'  iairtip  ovyxldu.  Suibaö,  au§  il)m,  ober  beibe  am  einem  altern,  fagt  unter 
bem  SBortc  'Eatia  eben  biefeS.  „Sic  Grbc  wirb  unter  bem  Stauten  SSefta  als  eine  fjtau 
gebilbet,  meldte  ein  ?v,invanon  trägt,  weil  fie  bie  äBinbe  in  ftd)  oerfdjloffen  t)ält."  Sie  25 
Urfad)e  ift  ein  toenig  abgefdjmadt.  ©3  mürbe  fidi  eljer  baben  tjören  taffett,  toenn  er  gefagt 
baue,  bafj  il;r  beSiuegen  ein  Sriimpanou  beigegeben  toerbc,  roeil  bie  Slltenjum  Keil  geglaubt, 
bafj  ifire  gtgur  bamit  übereinfomme;  a/y/ua  adtij;  rvfmavofi.dk;  thai.  (Plutarchus 
de  placitis  Philos.  cap.  10.  id.  de  facie  in  orte  Lunae.)  2Bo  fidi  aber  GobinuS  nur 
nidit  euttoeber  in  ber  Jigur,  ober  in  bem  Flamen,  ober  gar  in  beiben  geirret  l)at.  Cr  30 
tuufjte  mellcidjt,  toas  er  bie  i'efta  tragen  fade,  nidit  beffer  ,u  nennen,  als  ein  SEnmpanum ; 
ober  borte  e3  ein  Sinnpanum  nennen,  unb  tonnte  fid)  nid)t3  anberS  babei  gebenten,  als 
baS  gnfrrumerrt,  loeldieo  rotr  eine  geerpaufe  nennen.  Tympana  waren  aber  aud)  eine 
9lrt  oon  Wäbem: 

Mine  radios  trivere  rotis,  hinc  tympana  plaustris  35 

Agricolae  — 

(Virgiliua  Georgia  lib.  II.  \.  Uli  Unb  einem  foldjeu  Wabe  fdjeinet  mir  baS,  roaS 
fid)  an  ber  SBefta  be§  JaBretti  ieiget,  (Ad  Tabulam  Hiaäis  ]>.  334.)  unb  biefer  ©elejjrte 
für  eine  £>aubmiil)le  bält,  fefir  iilmlid)  (;u  fein. 

'i   l'.ilvinctis   Diät.   VIII.  p.  91.  40 

5.  SDer  boäantiinfdie  ^iftoriler  ©eorgioS  ÄobinoS  (um  1453)  ift  für  bie  hier  nor» 
liegenbe  (jrage  ein  burdjau-j  unjuoerlKfftger  8euge.  —  14.  Ser binblidjfeit  baben, 
mit  bem  2)atio  fouftruiert,  roie  „oerbinblid)  fein";  wie  beute  in  ber  Siegel  mit  „gegen". 
—  23.  SuibaS  (um  '.»t;(.i),  ein  tnisantinifdtcr  ©elefirter,  SJerf.  eines  no*  uor^anbenen, 
meiit  au8  älteren  Duellen  feböpfenben  3Börterbud)eS.  —  26  ft.  SDiefe  Grflärung  ift  jebettJ 
faQS  bie  allein  richtige.  —  :.'■:'..  Tympana  finb  große  Diäbcr  obne  Speidien,  toie  man  fie 
für  Saftnagen  benufte;  als  mufifalifdjeä  Snftrument  entfpredjen  fie  mein  uuierem  Zanu 
boitrin.  —   3s.  :iiaiael  JaBretti,  ital.  ©elelnter,  gejt.  1700. 


ffaokomi  X.  71 

aus  Ujretn  Sftamen,  aus  tfjren  33emdjtungen  ernennen  mir  iba* 
3(mt.  £>er  ^ünftler,  um  e§  fenutlirf;  gu  madjen,  mujj  fie  mit 
einem  3tabe  auf  eine  .vnmmelshigel  meifen  laffen;  biefer  ©tafc, 
biefc  $vmtnel§ruget,  biefe  iljre  Stellung  ftrtb  feine  33ud)ftaben,  aus 
5  melden  er  uns  ben  tarnen  Urania  §ufamntenfe|en  Väfyt  Stber 
menn  ber  ^Dtcr)ter  fagen  will:  Urania  Ijatte  feinen  £ob  längft  du§ 
ben  ©ternen  oor^ergefe^n, 

Ipsa  diu  positis  lethum  praedixerat  astris 
Uranie  —  -) 

loroarum  fott  er,  in  Sftücffidjt  auf  ben  SSMer,  bajufefcen:  Urania, 
ben  9kbius  in  ber  £>anb,  bie  §ttnmel§fugel  nor  fid)?  3Bäre  es 
nid)t,  als  ob  ein  s3Jienfd),  ber  taut  reben  fann  unb  barf,  fid)  nod) 
jugtetdj  ber  3eidjen  bebienen  follte,  roeldje  bie  Stammen  im  ©er= 
raglio  bes  dürfen,  aus  fanget  ber  otimme,  unter  fid)  erfunben 

15  t)aben? 

(Sbenbiefelbe  SBefrembung  äußert  ©pence  nod)mal§  bei  ben 
moralif  d)en  Söefen,  ober  benjemgen  ©Ortzeiten,  meldje  bie  2tlten 
ben  £ugenben  unb  ber  ^üljrung  bes  menfd)lid)en  Sebens  norfeijten.3) 
„@s  r-erbienet  angemerft  §u  roerben,  fagt  er,   ba£  bie  römifdjen 

20  S)id)ter  oon  ben  beften  biefer  moralifdjen  2öefen  meit  weniger  fagen, 
als  man  erroarten  follte.  £>ie  Strtiften  finb  in  biefem  ©tüde 
üiel  reid)er,  unb  roer  miffen  null,  was  jebes  berfelben  für  einen 
Aufjug  gemalt,  barf  nur  bie  SJlüngen  ber  römifdjen  Äaifer  §u 
Siate  §ief)en.4)  —  Sie  £>id)ter  fpredjen  oon  biefen  Gefeit  gwar 

25  öfters    als   r>on  ^erfonen;    überhaupt  aber   fagen    fie  uon  ir)ren 

Attributen,  ifjrer  $teibung  unb  übrigem  äfafefjen  feb,r  wenig/'  — 

2öenn  ber  2>id)ter  9lbftracta  perfonifieret,  fo  finb  fie  burd) 

ben  9tamen,  unb  burd)  bas,    was   er  fie  tljun   täfjt,    genugfam 

djarafterifieret. 

30  3)etn  Svünftter  festen  biefe  Mittel,    ßr  mufi  alfo  feinen  pcr= 

fonifierten  2lbftractis  ©innbilber  ^ugeben,  burd)  meldje  fie  fenntlidj 
nierben.  £>iefe  ©innbilber,  weit  fie  etwas  anbers  finb,  unb  etwas 
anbers  bebeuten,  madjen  fie  511  allegorifd)en  Figuren. 

5)  Statins  Theb.  VIII.  v    551 
35  i   Polym.  Dial.  X.  p.  137. 

■")  Ibid.  p.  L39. 

3.  £>er  Stab  ober  KabiuS,  roomit  äRatbcmatiter  unb  Stftronomen  ihre  Figuren  in 
bem  Sanb  auf  tbren  3eiä)entifd)en  ju  entwerfen  pflegten.  —  13  f.  ©erraglto,  Seffing 
meint  ben  §arem;  Serail  ift  ber  ^alaft  be3  Sultans.  —  33.  Über  i>m  ©ebraud)  ber 
SlUegorie  in  ben  btlDenbeu  ßünften  t>gl.  man  be§  Herausgebers  8aofbon«Stubien  §eft  I, 
Aieiburg  i.  S3r. 


7J  ffnokoon  X. 

©ine  $rauen§perfon  mit  einem  3aume  in  ber  §anb;  eine 
anbere,  an  eine  Säule  gelegner,  finb  in  ber  iUmft  atfegorifdje  2öefen. 
allein  bie  9Ääjjigung,  bie  ©tanbljaftigfeit  bei  bem  Sinter  finb 
feine  alfegorifdje  SSefen,  fonbem  blof$  perfonifierte  2(&ftracta. 

Sie  ©innbilber  btefer  28efen  bei  bem  ^ünftler  tjat  bie  9Zot  5 
erfunben.     3)enn   er   fann   ftrf;   burdj   nidjtö  anberä   üerftänblidj 
machen,  roa§  biefe  ober  jene  §Hgur  bebeuten  foff.    2Bogu  aber  ben 
Münftfer  bie  9tot  treibet,  warum  foft  ficr)  baS  ber  Sidjter  aufbringen 
(äffen,  ber  oon  biefer  9tot  nid)t§  roeif?? 

2Ba3  ©pencen  fo  ferjr  befrembet,  oerbienet  ben  Sicfjtern  als  10 
eine  Siegel  t>orgefd)rieben  §u  roerben.  ©ie  muffen  bie  33ebürfniffe 
ber  SJtalerei  nid)t  §u  trjrem  Steidjtume  madjen.  ©ie  muffen  bie 
■JRtttel,  roeldje  bie  $unft  erfunben  bat,  um  ber  ^oefie  nadjjufommen, 
nidjt  alö  üßollfonvmenljeiten  betrachten,  auf  bie  fie  neibifcf)  311  fein 
Urfadje  fyätten.  Sßenn  ber  ^ünftler  eine  $igur  mit  ©innbtfbem  15 
au§gteret,  fo  ergebt  er  eine  btof}e  $igur  311  einem  Jjörjem  Sßefen. 
Sebienet  fidj  aber  ber  5Did)ter  biefer  malerifdjeh  2lu3ftaffierungen, 
fo  madjt  er  au§  einem  Ijörjern  Sßefen  eine  -Jhtppe. 

©0  rote  biefe  Siegel  burdj  bie  Befolgung  ber  3tlten  bemäfjret 
ift,  fo  ift  bie  gefliffentlidje  Übertretung  berfelben  ein  £ieblings»=  20 
fehler  ber  neuern  SDtdjter.  Stile  irjre  Söefen  ber  ©inbilbung  gerjen 
in  SölaSfe,  unb  bie  fidj  auf  biefe  9Ra3feraben  am  beften  uerfteb)en, 
oerfterjen  fidj  mciftenteil§  auf  ba§  ^auptroerf  am  roenigften;  nämlidj, 
itjre  2öefeh  Ijanbeln  31t  (äffen,  unb  fie  burdj  bie  £anblungen  ber^ 
felben  ju  djarafterifieren.  25 

©od)  giebt  e§  unter  ben  Stttributen,  mit  roetdjen  bie  Äünftler 
itjre  2(bftracta  begetdjnen,  eine  Slrt,  bie  be§  poetifdjen  ©ebraudjS 
fälliger  unb  roürbigcr  ift.  $dj  meine  biejenigen,  roeldje  eigentlich 
nidjtö  aUcgorifdjcS  Ijaben,  fonbem  als  Sßerfgeuge  gu  betrachten 
finb,  bereu  fidj  bie  Sßefen,  roeldjen  fie  beigeleget  roerben,  falls  30 
fie  alö  roirflic&e  ^erfonen  Ijanbeln  follten,  bebienen  mürben  ober 
tonnten.  Ter  ^aum  in  ber  §anb  ber  9föäjj$tgung,  bie  ©äule,  an 
roeldje  fidj  bie  ©tanbfjaftigfeit  lehnet,  finb  (ebiglirf)  attegorifdj, 
für  ben  ©idjter  alfo  oon  feinem  9iut3en.  Tie  Sßage  in  ber  §anb 
ber  ©eredjtigfett,  ift  e§  fdjon  roeniger,  roeil  ber  redete  ©e&raudj  35 
ber  SBage  roirflid;  ein  ©türf  ber  Oieredjttgfeit  ift.  Tie  Seter  ober 
Alöte  aber  in  ber  A>anb  einer  SSKufe,  bie  Sänge  in  ber  £anb  beö 
Hutrö,  .Jammer  unb  &ange  in  ben  Rauben  be§  üßulcanS,  finb 
gang   unb   gar   feine  ©innbilber,   finb   blofje   ^nftrumente,    olme 


«aokoon  X.  73 

roeldje  biefe  9Befcn  bie  2öirfungen,  bie  wir  iljncn  jufdjrei&en,  nid)t 
^erüor&ringen  tonnen.  üBon  biefer  2(rt  finb  bie  SlttriBute,  meklje 
bie  alten  Sidjter  in  ifn'C  Sefdjretlhmgen  etwa  noef)  einfledjten, 
unb  bie  idf)  belegen  511m  Untcrfcfyiebe  jener  affegorifdjen,  bie 
a  poetifdjen  nennen  möchte.  SDiefe  Bebeuten  bie  <£a($)t  felbfi,  jene 
nur  etiuaS  äf)n(icf)eo.:) 

•■■)  ÜJian  mag  in  bem  ©emälbe,  welches  §oraj  pon  ber  Siotroenbigfeit  mad)t,  unb  inelrfieS 
pietleid)t  baS  an  Attributen  reidjfte  ©emälbe  bei  allen  alten  Sintern  ift:  (Lib.  I.  Od.  35.) 

Te  semper  anteit  saeva  Necessitas : 
10  Clavoa  trabales  et  euneoa  manu 

Gestans  ahenea;  nee  aeverus 

Uncus  abest  liquidunique  plumbuin  — 

man  mag,  fage  id),  in  biefetn  ©emälbe  bie  DJägel,  bie  klammern,  bas  fließenbe  33lei,  für 
Drittel  ber  23efeftigung',  ober  für  äBerfscuge  ber  33cftrafuug  annehmen,  fo  gehören  fie  bod) 

15  immer  mebr  ju  ben  poetifdjen,  al§  allegorifdjen  SUtributen.  Slber  aud)  als  folebe  finb  fie 
;u  febr  geljäuft,  unb  bie  ©teile  ift  eine  pon  ben  froftigften  beS  £oraj.  Sanabon  fagt: 
J'ose  dire  que  ce  tableau  pria  dans  le  detail  aerait  plus  beau  sur  la  toile  que  dans 
une  Ode  heroique.  Je  ne  puis  Bouffrir  cet  attirail  patibulaire  de  clous,  de  coins, 
de  erocs,  et  de  plomb  fondu.    J'ai  cru  en  devoir  decharger  la  traduetion,  en  suli- 

20  stituant  les  idees  geiierales  aux  idees  singulieres.  ('"est  dommage  que  le  Poet  ait 
tu  besoin  de  ce  correctif.  Sanabon  l)atte  ein  feines  unb  ridjtigeS  ©efübl,  nur  ber 
©runb,  womit  er  e§  beroäbren  null,  ift  nidjt  ber  redete.  92td)t  roeil  bie  gebraudjten  Ölttrt= 
bitte  ein  Attirail  patibulaire  finb ;  benn  eS  ftanb  nur  bei  i£)tn,  bie  anbere  2luslegung  an» 
sunelnnen,  unb  baS  ©algengeräte  in  bie  fefteften  Sinbemittel  ber  23aufunft  311  perroanbeln ; 

25  fonbern  roeil  alle  2lttributa  eigentlid)  für  baS  2lugc,  unb  nidit  für  baS  ©el)ör  gemadjt  finb, 
unb  alle  SBegriffe,  bie  mir  burd)  baS  Sluge  erhalten  follten,  roenn  man  fie  uns  burd)  baS 
©ebör  beibringen  null,  eine  größere  2lnftrengung  erforbern ,  unb  einer  geringern  JJlarbeit 
fäftig  finb.  —  £er  Verfolg  oon  ber  angeführten  Strophe  beS  §oraj  erinnert  tnid)  übrigens 
an  ein  paar  äSerfeben  beS  Spence,  bie  pon  ber  ©enauigfeit,  mit  roeldjer  er  bie  angesogenen 

30  (Stellen  ber  alten  Siebter  null  erroogen  baben,  nidjt  ben  porteilbafteften  Segriff  erroecten. 
©r  rebet  pon  bem  Silbe,  unter  roelcbem  bie  Stomer  bie  Ireue  ober  ©fjrlicfjEcit  porfteHten. 
(Dial.  X.  p.  14.").)  „Sie  9?ömer,  fagt  er,  nannten  fie  Fides;  unb  roenn  fie  fie  Sola 
Fides  nannten,  fo  fdjeinen  fie  ben  beben  förab  biefer  ©igenfd)aft,  ben  roir  burd)  grunb= 
eljrlid)   (im   ©nglifeben  downright  houesty)   auSbrüden,   barunter  perftanben  ju  b«ben. 

35  Sie  roirb  mit  einer  freien  offenen  ©efidUSbilbung ,  unb  in  nidjtS  als  einem  bünnen  bleibe 
porgeftellct,  roeldieS  io  fein  ift,  baß  e§  für  burdjfiditig  gelten  fann.  ^oraj  nennet  fie  baber, 
in  einer  pon  feinen  Oben,  bünnbetleibet;  unb  in  einer  anbern,  burd)fid)tig."  3n  biefer 
fleinen  Stelle  finb  nidjt  mebr  als  brei  jiemlid)  grobe  gebier,  ©rftlicb  ift  es  falfd),  baß 
Bola  ein  befouberes  93eiroort  fei,  roeldjeS  bie  9iömer  ber  ©öttin  Fides  gegeben.    Sjn  ben 

4.0  beiben  Stelleu  beS  Sioius,  bie  er  besfalls  sunt  23eroeife  anfübrt,  (Lib.  I.  c.  21.  Lib. 
IL  c.  3.)  bebeutet  es  roeiter  nidjts,  als  roas  es  überall  bebeutet,  bie  2lu3fd)ließung  alles 
übrigen,  gu  ber  einen  Stelle  fdjcinet  ben  SriticiS  baS  soli  fogar  perbäd)tig  unb  burd) 
einen  Sdjreibfebler,  ber  burd)  bas  gieret)  baneben  ftebenbe  sulenne  peraulaffet  roorben,  in 
ben  Sert  gefommen  ju  fein.    3n  ber  anbern  aber  ift  nidjt  pon  ber  Jreue,  fonbern  pon 

45  ber  Unfdmlb,  ber  Unfträflidjfeit,  Innooentia,  bie  Siebe.  graeitenS:  §oras  foll  in  einer 
feiner  Dbcn,  ber  2reue,  baS  SJeiroort  bünnbetleibet  geben,  nämlia)  in  ber  oben  angesogenen 
fünfunbbreifjigften  beS  erften  S3ud)S: 

Te  spes.  et  albo  rara  Fides  colit 
Velata  panuo. 

50  (SS  ift  roabr,  raras  beifjt  audp  bünne;  aber  bjicr  beißt  es  bloß  feiten,  roaS  roenig  portommt, 
unb  ift  baS  93citPort  ber  £rcue  felbft,  unb  nid^t  ibrer  Söefleibung.  Spence  roürbe  3ied)t 
i)abznt  roenn  ber  3Md;ter  gefagt  Ijätte:  Fides  raro  velata  panuo.  ©rtttenS:  an  einem 
anbern  Drte  foll  ^oraj  bie  Sreuc  ober  9ieblid)feit  burd)fid)tig  nennen;  um  eben  baS  bamit 

7—28.  S5ie  2lnnal)mc  bat  piel  für  fidj,  baß  fid)  §oraj  bei  feiner  allegorifdjen  Sd)ilbe= 
rung  an  ein  bamalS  oorljanbeneS  unb  befannteS  ©emälbe  ber  Necessitas  angelebnt  tjat. 
—  lt;.  Sanabon,  DJoel  ßtienne,  167t;— 1733,  franj.  ^ptjitotoge. 


74  Caokoon  XI. 


XL 

i?lud)  ber  ©raf  (ütylvß  fdjeinet  ju  verlangen,  bafj  ber  ©idjter 
feine  2Befen  ber  ©inbilbung  mit  attegorifdjen  Attributen  au§= 
fdjmütfen  fotfe.1)  2>er  ©raf  nerftanb  fid)  6effer  auf  bic  SOtalerei, 
als  auf  bie  ^oefie.  5 

anjubeuten,  roas  mir  in  unfern  gemöfmlidiett  f$freunbfdjaftSt)erfid)erungcn  311  fagen  pflegen : 
id)  n>ünfd)te,  ©ie  tonnten  mein  £erj  fetjen.  Unb  biefer  Ort  foll  bie  3eile  ber  ad)täef)ntett 
Dbe  bes  erften  SJudjs  fein: 

Arcanique  Fides  prodiga ,  pellucidior  vitro. 
2Bic  tann  man  ftdfj  aber  uott  einem  bloßen  SBorte  fo  »erführen  laffen?   öeifst  benn  Fides  10 
arcani  prodiga  bie  SEreue?    Dber  fjeifjt  es  nid;t  ruelmeljr,  bie  SCreuloftgteit?    SSon  biefer 
fagt  §ornj,   unb  nidit  nou  ber  Streue,   bafs  fie  burd)fid)ttg  wie  ©las  fei,  weil  fie  bie  ihr 
anvertrauten  ©etjeitnttiffe  eines  jeben  Slicfe  blofjftellet. 

')  Slpollo  übergießt  ben  gereinigten  unb  garantierten  i'eidutam  bes  ©arpebon  beut 
£obe  unb  bem  gdjlafe,  ifjn  nad)  feinem  SJaterlanbe  511  bringen.    (II.  11.  v.  681.  82.)        15 
nitirtt  öi  /.uv  rtoftrtoiaiv  aiia  y.oaiTtvoToi  (piüsa^ai 
"Ynvva  v.ou  Qavatta  dtdvpäoaiv. 

Caulus  empfiehlt  biefe  @rbid)tung  bem  3RaIer,  fügt  aber  fcinju:  II  est  fächeux,  qu'  Homere 
ne  nous  ait  rien  laisse  sur  les  attributs  qu'011  domioit  de  son  tems  au  soni- 
meil;  nous  ne  comioissons,  pour  caracteriser  ce  Dieu,  que  son  aetiou  meme,  et  20 
nous  le  couronnons  de  pavots.  Ces  idees  sont  modernes;  la  premiere  est  d'un 
medioere  Service,  mais  eile  ne  peut  etre  employee  dans  le  eas  present,  0(1  meme 
les  fleurs  me  paroissent  deplacees,  surtout  pour  une  figure  qui  groupe  avec  la 
tuort.  (©.  Tableaux  tires  de  l'Iliade,  de  l'Odyssee  d'Homere  et  de  l'Eneide  de 
Virgile,  avec  des  Observations  generales  sur  le  Costunie,  ä,  Paris  1757.  8.)  2>as  25 
Ijeijjt  Don  bem  ferner  eine  von  ben  fleinett  Qteraten  oerlangen,  bie  am  metften  mit  fetner 
großen  Lanier  ftreiten.  ©ie  finnreidjften  Slttributa,  bie  er  bem  ©djlafe  tjätte  geben  tonnen, 
würben  tl;n  bei  weitem  nid;t  fo  coUfornmen  d)aractertfieret,  bei  weitem  tein  fo  lebhaftes 
33ilb  bei  uns  erregt  tiaben,  als  ber  einsige  gug,  bttrd)  ben  er  ifni  311m  3n>iQingsbruber 
bes  XobeS  mad)t.  Siefeit  Qttg  fudje  ber  Mnftler  attsäitbrüdcn,  unb  er  wirb  alle  Slttributa  30 
eittbeljren  tönnett.  Sie  alten  fiüuftler  Ijaben  aud)  wirf'lid)  ben  Sob  unb  ben  ©cbjaf  mit 
ber  2il)ttlid)teit  unter  tief)  oorgeftellet,  bie  mir  an  Zwillingen  fo  natürlid)  erwarten.  Stuf 
einer  Äifte  »on  3ebern^"'3  in  bem  SEempel  ber  Jiuito  31t  Slis,  ruhten  fie  beibe  als  Änaben 
in  ben  Sinnen  ber  Siadjt.  92ur  war  ber  eine  weif;,  ber  anbere  fdjroars ;  jener  feblicf,  biefer 
fd)ien  ju  fd)lafen;  beibe  mit  über  einanber  gefddagenett  fjüfsen.  ffienn  fo  wollte  id;  bie  35 
SBorte  beS  SpOUfaniaS  (Eliac.  ca]>.  XVIII.  p.  422.  Edit.  Kuhn.)  ä/Licpotf^ov;  du- 
atgafi/uevoui  io\--  nöda;,  lieber  überfein,  als  mit  frummen  fjüjjen,  ober  wie  es  ©ebomt 
in  feiner  ©pradtc  gegeben  l)at:  les  pieds  contrefaits.  SBa§  folltett  bie  frummen  g-üfic 
t)iei-  auSbrücten?  Über  einanber  gefdjlagene  g-üfie  tjittgegen  fiub  bie  gemöljnlidje  Sage  ber 
©dtlafenben,  unb  ber  ©d)lqf  beim  SJJaffei  (Kaccol.  PI.  141.  i  liegt  nidit  attbers.  ®ic  neuem  40 
Slrtiften  fiub  oon  biefer  2lfmlid)teit,  welcfie  ©d)laf  unb  Xob  bei  ben  2Uten  mit  einanber 
Imbett,  gänslid)  abgegangen,  unb  ber  ©ebraud)  ift  allgemein  worbett,  ben  Sob  als  ein 
©telctt,  Ijödtftens  als  ein  mit  .'oattt  bcflcibetes  ©f'elett  norjuftellen.  23or  allen  Singen  l;ätte 
Eanlus   bem  fiünftler  alfo  f)ier  raten  muffen,    ob  er  in  SJorftetlung  beS  Sobes  bem  alten 

2.  Sinne  Claube  pilippe  be  Subiöres,  Gomte  be  Gaolus  (16.12—1765)  ift  einer 
ber  bebcutenbftett  Slrdjäologen  bes  oorigen  Jabrlmuberts,  ber  eine  umfaffenbe  Äcttutnis 
ber  antuen  Setttmäler  unb  ber  Sedtttit  ber  fiunft  befafj.  Sefftng  fommt  auf  feine  Tableaux 
tires  de  l'Iliade  etc.  öfters  äuvüd;  ber  ©eift  ber  antifen  flunft  ift  barin  freilief)  äiemlid) 
häufig  arg  verfanitt.  —  33.  ilifte  »Ott  3eber"§°lä;  i>iefc  .Hiftc,  befaunt  unter  bem 
yiamen  ber  i.'abe  bes  .Sijpfelos,  ift  uns  in  einer  genauen  ÜBefdjreibung  bei  ^aufanias  er= 
fjaltcn  unb  wegen  ber  ^-ülle  mt)t!)ologifd)er  Sßorftellung  eins  ber  intereffanteften  5>enfmälcr 
ber  alteften  fflunftepod)e.  —  37.  9fieolas  ©ebopn  (1667—1744),  ein  gelehrter  S^futt, 
Übcvfetier  bes  ^aiifanias.  —  3'.i  f.  gn  ber  Sljat  ftellt  bie  antife  fiunft  rubenbe  unb  fdilafenbe 
■^erfonen  gern  mit  getreusten  ©einen  uor,  aud)  im  ©teilen.  —  4ü.  ©cipione  sJ)laffei 
(1676—1755),  ein  aud;  als  S)id)ter  gefd)ät}ter  ital.  Slrd)äolog  unb  fiuuftfammler,  33egrünber 
ber  SUtertutttsfamtnlung  ju  Verona. 


ffaohoon  XI.  75 

S)od)  \ä)  I)abe  in  feinem  SBert'e,  in  meinem  er  biefeS  33er = 

langen    ändert,    2(nlaf$    jn   ert)eblid)em   33etrad)tungcn   gefunben, 

roooon  id)  ba§  SSefentlidjfte  §u  befferer  ©rroägung  l)ier  anmerfe. 

£cr   Münftler,  ift  bes   ©rafen  Sl&fidjt,  fott   fidj   mit  bem 

5  größten  malerifdjen  SDidjter,  mit  bem  ferner,  mit  biefer  gtoetten 
9iatur,  näljer  bet'annt  madjen.  @r  geigt  iljm,  roeldjen  reiben  nod) 
nie  genügten  Stoff  31t  ben  trefflidjften  ©djilbereien  bie  von  bem 
©rieben  befyanbelte  ©efdjidjte  barbiete,  nnb  wie  fo  viel  voII= 
fommner  ib,m  bie  2(u3füi)rung  gelingen  muffe,  je  genauer  er  fidj 

10  an  bie  flcinften  non  bem  ©id/ter  Bemerkten  Xlmftänbe  galten  tonne. 

Stt  biefem  SSorfd)loge  vermifdjt  fid)  alfo  bie  oben  getrennte 

boppelte   9cad)al)mung.     £>er   9Jialer  folt  nid)t   allein   ba§   nady- 

alnnen,  maö  ber  2)id)ter  nadjgealnnet  l)at,  fonbern  er  foll  e§  and) 

mit  ben  nämlidjen   3ügen  nadjarnnen;   er  foll  ben  £id)ter  nid;t 

15  blofj  alö  @rsäl)lcr,  er  fotf  irm  a(§  3)idjter  nutzen. 

£>iefc  jmeite  2(rt  ber  9uuf,al)mung  aber,  bie  für  ben  £id)ter 
fo  ucrfleinerlid)  ift,  marum  ift  fie  e§  nidjt  aud)  für  ben  $ünftler? 
2ßenn  vor  bem  i>omer  eine  foldje  $olge  non  ©emalbcn,  al§  ber 
©raf  GanluS  auö  il)m  angiebt,  vorljanben  geroefen  märe,  nnb  mir 

20  unkten,  bafs  ber  ©idjter  au§  biefen  ©emälben  fein  SBeri  ge= 
nommen  fyätte:  mürbe  er  nidjt  von  unfrer  23eiuunberung  unenblid) 
verlieren?  9öie  fömmt  es,  baf3  mir  bem  ßünftlcr  nidjtö  von 
unfrer  §odjad)tung  ent^ieljcn,  menn  er  fdjon  meiter  nidjtS  tfntt, 
a(§   baf?    er  bie  SBorte  beö  Sidjterö  mit  giguren  unb   färben 

25  auöbrüdt? 

®ie  Urfadje  fdjeinet  biefe  ju  fein.  Sei  bem  2(rtiften  bünfet 
un§  bie  2lu§füi)rung  fernerer,  aU  bie  Grfinbung;  bei  bem  ©idjter 
hingegen  ift  e§  umgefefyrt,  unb  feine  2(u§füi)rung  bünfet  un§ 
gegen  bie  ©rfinbung  ba§  Seidjtere.    £ätte  SSirgil  bie  2Jerftridung 

30  bes  Saotoon  unb  feiner  $inber  von  ber  ©rupve  genommen,  fo 

ober  bem  neuen  Öebraudie  folgen  folte.  $od)  er  fdjeinet  ficf>  für  ben  neuern  5U  erfläreu, 
ba  er  ben  Sob  als  eine  gigur  betraditet,  gegen  bie  eine  anbere,  mit  Slumen  gefrönet, 
nid)t  ipobj  gruppieren  mödite.  £>at  er  aber  tjierbei  aud)  bebadjt,  wie  unfd)icf(id)  biefe 
mobemc  Sbec  in  einem  bomerlfdien  Öcinälbe  fein  bürfte?    Unb  wie  bat  iljm  ba>3  Gfelbcfte 

35  berfelbeu  nid;t  anftöfjtg  fein  fönneu?  Qd)  fanu  inid)  ttiebt  bereben,  baj  t>a§  f  leine  metallene 
33ilb  in  ber  §ersoglid»en  ©alerte  su  gtorenj,  ipeldjeS  ein  tiegenbeS  ©felett  porftellet,  ba'3 
mit  bem  einen  Strme  auf  einem  2lfd)enfruge  rutjet,  (Spence's  Polj-metis  Tab.  XL1.)  eine 
u>irtlid)e  Slntife  fei.  ©en  Sob  überhaupt  faun  e-3  ipenigften§  nidjt  uorftellen  folleu,  raeil 
ii)ti   bie  3aten  auber-5  porftellten.    Selbft  itjre  ®id)ter  l;aben  it;n  unter  biefem  uuberUdjen 

40  S3i(be  nie  gebadet. 

7.  ©diilbereieu,   älterer   2tu'3brucf  für  ©emrtlbe.   —   3!» f.    liefen  ©ebanfen  ftat 
Se'fiug  betanutli*  in  feiner  ®d)rift:   „Sie  bie  2Uten  ben  Job  gebilbet"  nöl;er  entraicfelt. 


70  ffiaokoön  XI. 

mürbe  ifjm  ba§  SSerbienft,  roetdjcö  mir  bei  biefem  feinem  23ilbe 
für  ba§  fdjmcrere  unb  größere  galten,  fehlen,  unb  nur  ba§  ge= 
rtngere  übrig  bleiben.  Denn  biefe  §8erftridfung  in  ber  @in= 
bilbungöfraft  erft  fdjaffen,  ift  meit  mistiger,  alö  fie  in  Sßorten 
auöbrütfen.  §ätte  hingegen  ber  Slünftler  biefe  Sßerftridfung  von  5 
bent  Sidjter  entlehnet,  fo  mürbe  er  in  unfern  ©ebanfen  boef)  nod) 
immer  SSerbienft  genug  behalten,  ob  ib,m  ferjon  ba§  Sßerbtenft  ber 
©rfinbung  abgebet.  'Denn  ber  2tuöbrucf  in  sDiarmor  ift  nnenbtid) 
fdjmerer  als  ber  Stuobrucf  in  ülöorten,  unb  menn  nur  ©rfinbung 
unb  2)arftel(ung  gegen  einanber  abwägen ,  fo  finb  mir  jeberjeit  10 
geneigt,  bem  5DZeifter  an  ber  einen  fo  tnel  roieberum  311  erlaffen, 
als  mir  an  ber  anbern  51t  wie!  ermatten  51t  Reiben  meinen. 

@e  giebt  fogar  $älle,  roo  e§  für  ben  $ünftler  ein  größeres 
SSerbienft  ift,  bie  Sftatur  burd;  ba§  33iebium  ber  9?adjar)mung  be3 
!Tid)tere  nadjgealnnet  §u  Ijaben,  al§  oljne  baöfelbe.  ©er  $ftaler,  15 
ber  nad)  ber  33efd)reibung  eines  3Trjomfonö  eine  fdjöne  2anbfd)aft 
barfteltet,  l)at  mefjr  getrau,  alö  ber  fie  gerabe  oon  ber  9tatur 
fopieret.  tiefer  fielet  fein  Urbilb  vor  fief) ;  jener  muf?  erft  feine 
(Sinbilbungöfraft  fo  anftrengen,  bi§  er  eS  uor  fidj  31t  fer)en  glaubt, 
tiefer  madjt  auZ  lebhaften  finnlidjen  (Einbrüchen  etraa§  ©erjönes;  20 
jener  au§  fdjroanfen  unb  fdjroacrjen  üBorftettungen  millfürlidjer  3eid)en. 

©0  natürlid)  aber  bie  33ereitioilHgfeit  ift,  bem  ^ünftler  baö 
i^erbienft  ber  (Srfinbung  31t  erlaffen,  ebenfo  natürlid)  r)at  barau§ 
bie  Sauigfeit  gegen  baßfelbe  bei  irjm  entfpringen  muffen,  Senn 
"öa  er  falje,  bafj  bie  Grfinbung  feine  glänjenbe  Seite  nie  merben  25 
fönne,  baf?  fein  gröf$te§  Sob  uon  ber  9(uöfür)rung  abfange,  fo 
marb  e§  ir)m  gleidj  oiel,  ob  jene  alt  ober  neu,  einmal  ober  un= 
gärjltgmal  gebrandet  fei,  ob  fie  it)m  ober  einem  anberen  jugeljöre. 
(ir  blieb  in  bem  engen  Sßejirfe  meniger,  irjm  unb  bem  ^publico 
geläufig  gemorbencr  Vorwürfe,  unb  lief?  feine  gange  G'rfinbfamJeit  30 
auf  bie  blof$e  SSeranberung  in  bem  23efannten  geljen,  auf  neue 
3ufammenfer^ungen  alter  ©egenftänbe.  &)a§  ift  aud)  roirflid)  bie 
^bee,  meld)e  bie  i'eljrbüdjer  ber  sDialerei  mit  bem  SSorte  ßrfinbung 

16.  Sameä  SCtjomfon  (i7oc— 17-4  8) ,  engßfdjer  Sinter,  bev  namenttidi  bas  6e* 
fdjreifienbe  ©enre  fulttoierte;  feine  „^abreöjeiten"  mürben  oon  Srocfes  ins  ©eutfdje 
ilberfefct.  —  20 f.  2!>obei  aber  roobl  }u  beadtten,  baß  bie  Sd)überung  be<S  £>id)ter$  sroar 
ben  .uünfiler  beetnflnffcn  tarnt,  bafs  aber  ber  äliatcr  niä)t  in  ber  gleidjen  Seife  nadi  bem 
2>tä)tet  malen  fann,  rote  iiacb  ber  sJiatur;  bie  uorberige  Kenntnis  ber  (enteren  ift  trielmehr 
für  iim  unerlttjjliä).  —  :r;>.  8et)r6üd)er  ber  ÜJiaterei;  ßeffing  meint  oornefmtlid)  ben 
Ijier  citierten  .vmgeborn,  tueldier  fid)  feinerfeitS  an  2>ubo3  Hefiexions  critiques  ©.  282 
anlehnt. 


fiaokoon  XI.  77 

verbinben.     £)enn   ob  fie  biefelbe  fdjon   fogar  tu  malertfdje  unb 

bidjterifdje  einteilen,  fo  geljet  bodj  aud)  bie  bicfiierifdje  nid)t  auf 
bie  $eroor&ringung  be§  33orraurf3  felbft,  fonbern  lebiglid)  auf  bie 
2lnorbmmg  ober  ben  3(uöbrud.2)  @§  ift  @rfinbung,  aber  nidjt 
5  ©rfmbung  be§  ©an^en,  fonbern  einzelner  £eile,  unb  tfyrer  ^agc 
unter  einanber.  G§  ift  Grfmbung,  aber  von  jener  geringem 
©attung,  bie  §oraj  feinem  tragifdjen  2)id)ter  anriet: 

—  —  —  Tuque 
Eectius  Iliacum  Carmen  deducis  in  actus, 
10  Quam  si  proferres  ignota  indietaque  primus.  3) 

2(nriet,  fage  id),  aber  nid)t  befahl,  anriet,  atö  für  ib,n  leid)ter, 
bequemer,  juträglidjer;  aber  nidjt  befahl,  alö  beffer  unb  ebler  an 
fia)  felbft. 

$n  ber  £fyat  fyat  ber  £>id)ter.  einen  grofjen  (3d)ritt  norau§, 

15  melier  eine  befannte  ©efcr;id)te,  befannte  Gfyarafiere  befyanbelt. 
£>unbert  froftige  ^teinigfeiten,  bie  fonft  gutn  3>erftänbniffe  be§ 
©anjen  unentbeljrlid)  fein  mürben,  lann  er  übergeben;  unb  je  ge= 
fdjminber  er  feinen  Stiftern  nerftänblicb,  roirb,  befto  gefdjminber 
lann   er  fie  intereffieren.     ©iefen  Vorteil  Ijat  aud)   ber  Sftaler, 

20  menn  uns  fein  Sorraurf  nidjt  fremb  ift,  menn  mir  mit  bem  erften 
23(icfe  bie  2(bfid)t  unb  SJieinung  feiner  gaivjen  ^ompofition  crlennen, 
menn  mir  auf  ein§,  feine  Sßerfonen  nid)t  Hof,  fpred)en  fefyen, 
fonbern  aud)  björen,  roa§  fie  fpredjen.  ä>on  bem  erften  ©liefe 
fanget  bie  gröf?te  JBirfung  al\  unb  mmn  un§  biefer  51t  mutanten 

25  9iad)finnen  unb  9raten  nötiget,  fo  erfaltet  unfere  33egierbe  ge= 
rühret  §u  merben;  um  uns  an  bem  utmerftänblidjen  $ünftler  §u 
röcfjen,  nerfjärten  mir  un§  gegen  ben  Sluöbrud',  unb  roel)  iljm, 
mann  er  bie  ©djönljeit  bem  2luSbrud"e  aufgeopfert  l)at!  2öir  finben 
fobann  gar  md)ts>,  roa§  un§  reiben  fönnte,  vor  feinem  2Berfe  §u 

30  nermeilen;  roa£  mir  fel)en  gefällt  uns>  nidjt,  unb  roa§  mir  babei 
benfen  f  ollen,  roiffen  mir  nid)t. 

9hm  nefjme  man  beibeö  jufammen;  einmal,  bafj  bie  ßrfinbung 
unb  ^ceuljeit  be§  33orrourfs>  baS  nornefjmfte  bei  roeitem  nid)t  ift, 
roa§  mir  t»on  bem  SOtaler  »erlangen;  sroeitenS,  bafs  ein  befannter 

35  äSorraurf  bie  SBirfung  feiner  $unft  beföbert  unb  erleichtert :  unb 

-)  0.  .gagebom,  ^Betrachtungen  über  bie  2)!aterei  <2.  15:>  it.  f. 
3)  Ad  Pisones  v.  128—30. 

35.  Beföbert:  „föbern"  ift  in  älterer  ©pracbe  ebenfo  neben  „förbem"  ge&räucfylitf;, 
wie  „fobem"  neben  „forbern". 


,  8  £aokoon  XI. 

id;  meine,  man  roitb  bte  Urfarije,  marum  er  ftdj  fo  feiten  gu 
neuen  üBorroürfen  entfdjüefjt,  nidjt  mit  bem  ©rafen  GarjluS,  in 
leiner  s^3equemlid)feit,  in  feiner  llnmiffenljeit,  in  ber  ©djmierigleit 
beö  med)anifd)en  Xeileo  ber  i'Utnfi,  meldje  allen  feinen  £fleif$,  alte 
feine  3eit  erforbert,  fud)en  bürfen;  fonbern  man  nürb  fie  tiefer  5 
gegrünbet  finben,  unb  niefteidjt  gar,  ma§  2lnfang§  @infd)ränf'ung 
ber  $unft,  üBertummerung  unferö  Vergnügens,  511  fein  fdjeinet, 
at§  eine  meife  unb  uns  felbft  nüfelidje  (Sntljaltfamfeit  an  bem 
2lrttften  511  (oben  (geneigt  fein,  ^d)  fürchte  audj  nidjt,  bafc  mtdj 
bte  ©rfatyrung  miberlegen  merbe.  Sie  9)ialer  merben  bem  Örafen  10 
für  feinen  guten  SBiffen  banfen,  aber  ifjn  fdjmerlid)  fo  allgemein 
nullen,  als  er  e§  erwartet.  ©efdjä|e  e§  jebod):  fo  mürbe  über 
hunbert  ;^aljr  ein  neuer  GanluS  nötig  fein,  ber  bie  alten  93or= 
würfe  nneber  tn§  ©ebadjtniö  brädjte,  unb  be.n  .Wüuftler  in  ba§ 
fyelb  jurüdfüljrte,  um  anbere  oor  ilnn  fo  unfterblid)e  Sorbeeren  15 
gebrodjen  Ijabcn.  £)ber  »erlangt  man,  bafj  ba§  ^ublifum  fo  geteert 
fein  foll,  al§  ber  Ücnner  au§  feinen  Vüdjern  ift?  2)af$  il)tn  alle 
©cenett  ber  ©efdjtdjte  unb  ber  %abd,  bie  ein  fdjöneö  ©emälbe 
geben  tonnen,  befannt  unb  geläufig  fein  f ollen?  %d)  gebe  e3  511, 
baft  bie  iRünftler  beffer  getljan  Ijätten,  menn  fie  feit  ÜRapljaefö  20 
3eiten,  anftatt  be§  Dnibö,  ben  Corner  31t  il)rem  <f>anbbud)e  gemadjt 
(jätten.  2lber  ba  e§  nun  einmal  nidjt  gefdjerjen  ift,  fo  laffe  man 
baö  'jpublifum  in  feinem  ©leife,  unb  madje  il)m  fein  Vergnügen 
nidjt  faurer,  als  ein  Vergnügen  51t  fteljen  fommen  mufj,  um  baS 
^11  fein,  roa§  eS  fein  foll.  25 

•ProtogeneS  l)atte  bie  5CRutter  beS  2(riftoteleS  gemalt.  %d) 
roetfj  nidjt,  mie  oiel  il)tn  ber  ^}l)i(ofopl)  bafür  be^ablte.  2(ber 
entroeber  anftatt  ber  Ve^arjlung,  ober  nodj  über  bie  23e(ml)lung, 
erteilte  er  ttjm  einen  9?at,  ber  meljr  als  bie  Vegaljlung  mert  mar. 
Xenn  id)  lärm  mir  nid)t  einbilben,  bafj  fein  fftat  eine  btof?e  30 
2d)ineid)etei  gemefeu  fei.  2onbern  oornel)mlid),  meil  er  ba§  33e= 
bürfniä  ber  .Uunft  erroog,  allen  uerftänblid;  gu  fein,  riet  er  iljtn, 
bie  Tbaten  beS  SlleranberS  ju  malen;  Xljaten,  tum  meldjen  bamalS 
alle  2BeIt  fprad),  unb  von  meldjen  er  uorauSfcljen  tonnte,  bafj  fie 
aud)  ber  9iadjmelt  untiergefjlid)   fein   mürben.     3)od)   ^rotogeneS  35 

10  ff.  Senn  bie  neuere  ülalerei  bennod)  felir  oft  unb  gern  tjomerifdje  Seeneu  matt 
unb  gemalt  hat,  fo  borf  man  nicht  oergeffen,  bafj  §omer  erft  feit  tninbert  Satjreu  (namenU 
lid>  burd)  bie  SBofftfdje  Überietuina.)  auch  einem  roeiteren  Spublthtm  befannt  geiuorben  ift. 
Zlte  Dialer  ber  Hienaiffauce  unb  •iiarodu'it  lialH-n  aber  liödift  fetten  I;omerifd;e  SujetS 
bargeftettt;  für  fie  mar  bie  gütte  ber  liinthen  bei  Doib  §auptqueue. 


ffiaohoon  XII.  79 

mar  md)t  gefegt  genug,  biefem  ÜRate  ju  folgen;  impetus  animi, 
fagt  SpitniuS,  et  quaedam  artis  libido,4)  ein  geroiffer  Übermut 
ber  $unft,  eine  gemiffe  SüfternJ^eit  nadj  bem  ©onberbaren  unb 
Unbefannten,  trieben  it)it  ju  ganj  anbern  üBorroürfcn.  (Sr  malte 
ö  lieber  bie  ©efdjidjte  cineö  ^olgfuS,5)  einer  ßtjbtppe  unb  bcrgleidjen, 
oon  melden  man  Ü3t  aud;  nidjt  einmal  meljr  erraten  fann,  voa% 
jte  uorgefteltet  Ijaben. 

XII. 

^omer  bearbeitet  eine  boppelte  ©attung  von  SGBefen  unb 
10  Manbtungen:  ftdjtbare  unb  unfidjtbare.  liefen  llnterfdjieb  fann 
bie  Sialerei  nid)t  angeben;  bei  il)r  ift  altes  fidjtbar,  unb  auf  einerlei 
2lrt  fid)tbar. 

Sßenn  alfo  ber  ©raf  Gapluö  bie  ©emälbe  ber  unfidjtbaren 
^anblungen  in  unjertrennter  $olge  mit  ben  fidjtbaren  fortlaufen 

15  J)  Lib.  XXXV.  sect.  36.  p.  700.  Edit.  Hard. 

B)  Üiidjarbfon  nennet  biefcS  SBerf ,  roenn  er  bie  Diegel  erläutern  roiU,  bafj  in  einem 
©emälbe  bie  2lufmerffamfeit  beS  S3etrad)terS  burd)  nid)ts,  es  möge  aud)  nod)  fo  oortreff» 
lid)  fein,  non  ber  Hauptfigur  abgejogcn  werben  muffe,  „'iprotogeneS ,"  fagt  er,  „tjatte  in 
feinem  berühmten  ©emälbe  SalnfuS  ein  3cebl)ul)n  mit  angebracht,   unb  eS  mit  fo  »ieler 

20  Sunfi  auSgemalet,  bafs  cS  su  leben  fdrien,  unb  oon  ganj  ©ried)enlanb  berounbert  roarb; 
weil  es  aber  aller  Slugen,  jum  9!ad)teil  beS  £auptroerts,  su  fcfjr  an  fid)  50g,  fo  löfd)te  er- 
es gänjlid)  roieber  aus."  (Traite  de  la  Peinture  T.  I.  p.  46.)  DUdjarbfon  b,at  fid)  ge= 
irret.  2)iefeS  Steblntlm  mar  nid)t  in  bem  3<ih)fu5,  fonbern  in  einem  anbern  ©emälbe  beS 
k}*rotogene§  geroefen,  roeld)eS   ber  ruljenbe  ober  müfjige  ©atnr,  2:citu(jo:  ävaaavö/uevog, 

25  bjefs.  3d)  mürbe  biefen  jjfetyler,  roeldjer  aus  einer  mifroerftanbenen  ©teile  beS  3)limu§ 
entfprungen  ift,  Jaum  anmerfen,  roenn  idi  itot  nid)t  aud)  beim  3Keurfiu§  f änbe :  (Ehodi  lib. 
I.  cap.  14.  p.  38.)  In  eadeni,  tabula  sc,  in  qua  lalysus,  Satyrus  erat,  quem  dice- 
bant  Auapavornenon,  tibiaa  tenens.  S)eSgleid)en  bei  bem  §errn  aBintelmann  felbft. 
<2Son  ber  91ad)al)m.   ber  @r.  SB.  in  ber  Wal.  unb  S3ilbt).  ©.  56.)    ©trabo  ift  ber  eigent= 

30  lidje  2Bäl;rmann  biefeS  £ifiord)enS  mit  bem  D?ebbut)tte,  unb  biefer  unterfdjeibet  ben  SalofuS, 
unb  ben  an  eine  ©äule  fid)  letjncnben  ©atnr,  auf  roeldjer  baS  Jiebljuljn  fafj,  auSbrücflid). 
(Lib.  XIV.  p.  750  Edit.  Xyl.)  »ie  ©teile  beS  SpiiniuS  (Lib.  XXXV.  sect  36.  p.  699.) 
fjaben  9DleurfiuS  unb  9Ud)arbfon  unb  2Binfelmann  beSrcegen  falfd)  nerftanben,  roeil  fie  nid)t 
ad)t  gegeben,  bafj  »on  jroei  t)erfd)iebenen  ©emälben  bafelbft  bie  Webe  ift:    bem  einen, 

35  beffenroegen  SemetriuS  bie  ©tabt  nid)t  überfam,  roeil  er  ben  Ort  nid)t  angreifen  roollte, 
roo  es  ftanb;  unb  bem  anbern,  roelcfjeS  ^rotogeneS,  roäl)renb  biefer  Söelagerung  malte. 
QeneS  mar  ber  gatnfuS,  unb  biefeS  ber  ©atnr. 

2  ff.  SDiefe  Überfe^ung  ber  angeführten  SBorte  beS  5piiniuS  ift  fdjroerlid)  genau ;  uielmefjr 
l)eif5t  eS:  „J)er  Srang  feines  SeifteS  unb  eine  geroiffe  S3egierbe  nad)  funftmäfjigcr  Si)urd)s 
bilbung"  (roeil  5pr.  2lutobibaft  roar).  S)af;  5protogeneS  Suft  am  Sonberbaren  unb  Unbetaunten 
gehabt  !)ätte,  geb,t  aus  ben  3iad)rid)ten  ber  2tlten  über  biefen  DJJaler  feincSroegS  tjeroor.  — 
5.  QalnfoS  ift  ber  StammljeroS  ber  gleidjnamigen  rl)obifd)en  ©tabt,  unbfinbippe  feine 
äJhitter;  ba  IJrotogeneS  auf  DitjoboS  lebte,  fo  l)at  bie  ÜBabi  biefer  ©toffe  nid)ts  2tuffallenbeS, 
beim  bie  Sujets  roaren  für  feine  Sauboleutc  unb  geitgenoffen  burdjauS  oerftänblid).  Über= 
Ijaupt  muf,  jeber  fiiinftler,  aud)  l;infid)tlid)  ber  2Bal)l  feiner  Sliotioe,  aus  feiner  Qeit  unb 
Umgebung  tierauS,  nid)t  objeftio  uom  ©tanbpunfte  ber  Dladjroelt  betrachtet  roerben.  —  26. 
SKeurfiuS,  JolianneS  (I57ü — 1639),  bebeutenber  t)oUänbifd)er  ipfjilolog;  namentlid)  auf 
antiguarifdiem  ©ebiete.  —  30.  Söäljrmann,  b.  i.  ©eroälirSmann.  —  3".  33eibe  Silber 
finb  aber  bereits  bei  antifen  Shttoren  ucrrocd)felt  roorben;  aud)  bie  2lnefbote  non  ber  58e= 
lagerung  oon  fliljoboS  burd)  SemetrtoS  v|ioliorfeteS  roirb  in  oerfefiiebener  gorm  erjäEjIt. 


80  Äaokoon  XII. 

liifU;  wenn  er  in  ben  ©etnälben  ber  ucrmifdjten  ^anbftmgen,  an 

meldjen  fidübare  unb  unfidjtbare  SBcfen  teilnehmen,  ntdjt  an-- 
gie&t  unb  mettetdjt  nid)t  angeben  t'ann,  wie  bie  (entern,  weldje 
nur  mir,  bie  mir  ba§  ©emätbe  betrachten,  barin  entoed'en  foulen, 
fo  anzubringen  finb,  bafj  bie  ^erfonen  be§  ©emälbe§  fte  nidrt  5 
feljen,  roenigften§  fte  nidjt  notroenbtg  feljen  §u  muffen  fdjeinen 
tonnen:  fo  mufs  notmenbig  fomoljl  bie  gange  $olge  als  aud)  mandjeS 
einzelne  3tüd  baburd)  äufjerft  verwirrt,  unbegreiflich,  imb  wiber; 
fpredjenb  raerben. 

£odj  biefem  %ti)kx  märe,  mit  bem  Söudje  in  ber  $anb,  noch  10 
enblid;  abgreifen.  3)a§  fdjlimmfte  babei  ift  nur  biefeS,  baf?  burd) 
bie  maleriidje  Sluffycbung  beS  UnterfdjiebcS  ber  fidjtbaren  unb 
unfid)tbaren  2Sefen,  gugleid)  alle  bie  djarafteriftifdjen  3üge  &er= 
loren  getjen,  burd;  meldje  fid;  biefe  rjöfyere  ©attiing  über  jene 
geringere  erbebet.  15 

3-  @-  äßenn  enblid)  bie  über  baS  ©djicffal  ber  Trojaner 
geteilten  ©öttcr  unter  fidj  felbft  tjanbgemein  werben:  fo  gefyet  bei 
bem  X)idjter')  biefer  gange  Mampf  unfiditbar  vor,  unb  biefe  Un= 
fidjtbarfeit  erlaubet  ber  GinbilbungSfraft,  bie  ©cene  51t  erweitern, 
unb  Itifjt  üjr  freies  (Spiel,  fid)  bie  ^perfonen  ber  ©ötter  unb  tfjre  20 
Manblungen  fo  grof;,  unb  über  baS  gemeine  9Jienfd)Iicr)e  fo  roeit 
ergaben  gu  beuten,  als  fie  nur  immer  mill.  Sie  Malerei  aber 
mufs  eine  fidjtbare  <3ccne  annehmen,  bereu  uerfebiebene  notivenbige 
Seile  ber  9Jiaf$ftab  für  bie  barauf  Ijanbelnben  ^erfonen  roerben; 
ein  3)iaf3ftab,  ben  baS  2luge  gleid)  barneben  Ijat,  unb  beffen  25 
Hnproportion  gegen  bie  tjbljern  ÜIBefen  biefe  Ijörjern  SBefen,  bie 
bei  bem  3)id;ter  grof?  maren,  auf  ber  $Iäd)e  beS  MuftlcrS  im* 
gebeuer  madjt. 

■äftinerva,   auf  weldje  sDiarS  in  biefem  Mampfe  ben  erften 
Angriff  waget,  tritt  gurüd,  unb  faffet  mit  mächtiger  §anb  rwn  30 
bem  33oben    einen    fdjwarjen,    raupen,    großen    Stein    auf,    ben 
vor    alten  Reiten  vereinigte  "Duinncrt)änbe  311m   ©rengfteine   l)in= 
gemülget  fjatten. 

Kiiutvov  ev  jrfdt'w,  fizlctva,  zqt]%vv  ts,  fiäyccv  te,  35 

Töv  q'  civÖQig  7tQÜTtQ0i  fttcuv  t[i(iivca  ovqov  KQOVQrjg. 

')  Iliad.  '/>.  v.  385.  et  s. 


ffaohoon  XII.  81 

Um  bte  Gköfje  biefeö  «Steinet  gehörig  51t  fdjätjen,  erinnere  man 
fid),  bafj  öomer  feine  gelben  nod)  einmal  fo  ftarf  madjt,  alö  bie 
ftärfften  3)iänner  feiner  ßeit,  jene  aber  uon  ben  Scannern,  mie 
fie  "Jteftor  in  feiner  ^ngenb  geformt  rjarre,  nod;  weit  an  ©tärJe 

5  übertreffen  lafjr.  9iun  frage  tet),  menn  Cinerea  einen  (Stein,  ben 
nid)t  ©in  üföann,  ben  9ftänner  am  9ieftor3  !3ucjenbjar)ren  511m 
©renjfteine  aufgerichtet  Ratten,  menn  sUiinerr>a  einen  foldjen  Stein 
gegen  ben  "Diaro  fdjleubert,  uon  metdjer  Statur  fotl  bie  ©öttin 
fein?    «Sott  ifyre  Statur  ber   ©röfje  be§   Steines*   proportioniert 

10  fein,  fo  fällt  bo§  äöunber&are  roeg.  ©in  -äJlenfcr),  ber  breimal 
großer  ift  als  idj,  mufj  natürlicher  Söeife  aud)  einen  breimal 
großem  Stein  fdjleubern  fönnen.  Sott  aber  bie  Statur  ber  ©örrin 
ber  ©röfje  bes  Steines  nidjt  angemeffen  fein,  fo  entfielet  eine  an= 
fct)aultct)e  llnmaf)rfd)einlidjfeit  in  bem  ©emälbe,  bereit  Slnftöfjigfeit 

15  burd)  bie  falte  Überlegung,  bafj  eine  ©öttin  übermenfd)tid;e  Starte 
l)aben  muffe,  nid)t  gehoben  mirb.  2Bo  td)  eine  größere  9Sirfung 
fefje,  roill  td)  aud)  größere  SÜBerfgeuge  mal)rnel)inen. 

Unb  9Jlar§,  uon  biefem  gemaltigen  Steine  niebergeraorfen, 

'Entu  d'   l-ntc%t  7tslt&Qa     —     — 

so  bebedte    fieben  §ufen.     Unmöglid;  fann  ber   -üötaler  bem   ©orte 

biefe  aujjerorbentltdje  ©röfje  geben,  ©iebt  er  fie  il)in  aber  ntdjt, 

fo  liegt  nidjt  sDutrs  gu  33oben,  nid)t  ber  l)onterifd)e  9)utrs,  fonbern 
ein  gemeiner  Krieger.") 

-)  Siefen  unfidjtbaren  Äampf  ber  Götter  i>at  D.uintu§  Galaber  in  feinem  äiuötftcn 
25  SBudje  (v.  158 — 185)  naajgealjmet,  mit  ber  nid&t  unbeutlidjen  Stbficfjt,  fein  SJorbilb  ;u  uer= 
beffern.  Gs  fct>einet  uämlid),  ber  Grammatifer  tjaöe  es  unanftänbig  gefunben,  baf?  ein 
Gott  mit  einem  Steine  51t  SSoben  geroorfen  roerbe.  @r  täfjt  alfo  sroar  aitcf;  bie  Götter 
große  J-elfenftütfe,  bie  fie  oon  bem  2jba  abreißen,  gegen  einanber  fdjleubem;  «ber  biefe 
Reifen  jerftfjellen  an  ben  unfterblia)en  Gliebern  ber  Götter  unb  ftieben  roie  Sanb  um 
30  fie  l;er: 

: —       —  —       Ol  de  y.oXmva; 

Xeouiv  ti7toi)tj)]ia\ti;  ü/t'  oudeog  'Iöaioio 
BuUov  in'  aXlißou;'  a'i  ök  ipai.iä9'oiaiv  'i/uoTai 
'Pela  Suaxldvavto'  9tt~iv  71101  d'  äa/tta  yv'ia 
35  'JPtjyvvftsvon  öiä  tvt&u     —      — 

©ine  ftünftelei,  meldte  bie  Jöauptfadie  oerbirbt.  Sie  erpfjet  unfern  Segriff  uon  ben  Jtör« 
pern  ber  Götter,  unb  maa)t  bie  äßaffen,  roeldje  fie  gegen  einanber  brauchen,  täa)eriid). 
2Beun  Götter  einanber  mit  Steinen  roerfen,  fo  muffen  biefe  Steine  aud)  bie  Götter  be  = 
fd>äbigen  fönnen,  ober  mir  glauben  mutroillige  Süßen  j«  feljen,  bie  fid)  mit  @rbilöfsen 
40  roerfen.     So  bleibt  ber  alte  yomer  immer  ber  SBeifere,  uno  aller  Xabel,  mit  bem  ihn  ber 

1 — 5.  Sefftng  fdjeint  fiier  etroas  31t  oiel  aus  ben  SBorten  bes  §omer  f>eraus;ulefen ; 
bie  ürdne;  noüreooi  geljeu  rool;l  nur  barauf,  bafi  ber  ©renjftein  uor  3eiten  gelegt  roar. 
—  26.  Gramma titer,  b.  i;.  Gelehrte;  beim  Cluintuä  Srnnrnäu-j  roar  meljr  ein  mit 
öilfe  gelehrter  Stubien  bidjtenber  Grammatifer,  gteief;  manchem  ber  aleranbrinifdfjen  spoeien, 
al'3  ein  rotrfliajer  Siebter. 

Seffingö  SBerfe  9.  0 


S2  Ccwhoon  XII. 

Songin  Tagt,  e§  fomme  ifjin  öfters  oor,  al§  ()abe  Corner  feine 
3Jlcnfc^en  ju  ©öttem  ergeben,  nnb  feine  ©öfter  gu  9Jlenfcr)en  (>era6= 
fe§en  wollen.  SDie  SRalerei  nollfüljret  biefe  .'oerabfeünng.  $n  if>r 
oerfdmnnbet  oolfenbo  atte§,  mac.  bei  bem  2)idjter  bie  ©ötter  nod; 
über  bie  göttlichen  -menfcfyen  fe^et.  ©röfse,  Starte,  ©djnetttgfett,  .•> 
uumon  §omer  immer  nod)  einen  (jöfjern,  rounberbarem  ©rab  für 
feine  ©ötter  in  Vorrat  Ijat,  a(ö  er  feinen  üor§ügKd)ften  gelben 
beileget/)  muffen  in  bem  ©emtilbe  auf  ba§  gemeine  Wia$  her 

falte  Sunftridjter  Belegt,  aller  äBcttftrett,  in  welchen  fid)  geringere  ©enieS  mit  ihm  ein* 
[äffen,  bienen  ju  roetter  nichts,  als  feine  äßeiöbeit  in  it>r  befteS  8id)t  ju  fetjen.  JjnbeS  10 
null  id)  nicht  leugnen,  bafj  in  ber  Jiadtabmung  bes  duintuS  nicht  and)  fetjr  trefflid)e  Qüge 
uorfommen,  unb  bie  iljm  eigen  finb.  Socb  finb  es  3u9e/  bie  nicht  forootil  ber  befdjetbenen 
©röfje  be§  Jöomers  geziemen,  als  bem  ftürmifebett  Jener  eines  neuern  ©idjters  ehre 
machen  mürben.  3>afj  bas  ©efebrei  ber  (Sötter,  roelcbes  bod)  bis  in  ben  §immel  unb  tief 
MS  in  ben  Slbgrunb  ertönet,  melches  ben  Söerg  unb  bie  Stabt  unb  bie  Jlottc  erfebüttert,  15. 
von  ben  SJienfdicn  nicht  gehöret  roirb,  bünfet  midi  eine  fehr  oielbebeutenbe  SBenbung  su 
fein.  S)aä  ©efdjrei  mar  gröfjer,  als  bafj  e§  bie  {(einen  aSerfjeuge  bes  menfeblichen  ©e= 
böres  faffen  tonnten. 

')  §n  i'lnietnmg  ber  Starte  unb  Scbnelltgfcit  roirb  niemanb,  ber  ben  Jjjomer  aud)  nur 
ein  einjigeS  Hial  flüd)tig  burcblauien  hat,  biefe  Slffertion  in  Slbrebe  fein.  3htr  bürftc  er  20 
fieb  rüelleicbt  ber  Gremiel  nicht  gleich  erinnern,  aus  rceleben  es  erhellet,  bafj  ber  dichter 
feinen  Ööttern  auch  eine  förperlicbc  ©röfsc  gegeben,  bie  alle  natürliche  ÜHafje  roeit  über; 
fteiget.  3<9  oerroeife  ihn  alfo,  aufjer  ber  angesogenen  ©teile  non  bem  5U  83oben  geroorfenen 
SKars,  ber  fieben  Ajttfen  bebeefet,  auf  ben  i>elm  ber  9)cinerr>a,  (hvvit]v  ixutlv  nukiwv 
niji/.n-oa'  tyuyoiuv  Iliad.  K  v.  744)  unter  welchem  fid)  fo  oiel  Streiter,  als  ljunbert  25- 
©tobte  in  bas  ftelb  jtt  ftellen  oermögen,  »erbergett  tonnen;  auf  bie  Schritte  bes  DJeptunus ; 
(Iliad.  \.  v.  _'0)  Bornebmlid)  aber  auf  bie  $eüm  aus  ber  Sefcbreibung  bes  Schubes,  roo 
ÜJlars  unb  lUinerca  bie  Gruppen  ber  belagerten  Stabt  anführen:  (Iliad.  2.  v.  ölG — 19.) 

—    —     Hoys  ö '  uqcc  atpw'jÄQrfg  y.ac  TIlö.Iuz  L4#>)i'ij 

_i(i(/)(u  /gvatiü),  xQvotia  öi  i't/uata  i'a&>]v  30- 

KaXia  y.ul  iifya?.ca  abv  rsv/taiv ,  u>*  ti  ■&£(/}  rtio, 

^i/.icplg  agi^k(o'  ).aol  d'  vno).i±ursz  i)aav. 

Sclbft  Shtölegcr  be>3  §omer§,  alte  forootit  al§  neue,  fdieinen  fid)  nid)t  alleseit  biefer  untits 
berbaren  Statur  feiner  ©ötter  genugfam  erinnert  ju  baben;  meldfeä  au$  ben  linbernbeu 
Crtläruugen  absuuebmen,  bie  fie  über  ben  grofjen  £ielm  ber  2Riner»a  geben  ju  muffen  35- 
glauben.  iS.  bie  £larftfd)=i£-rneftifd)e  2luögabe  be>3  §omer§  an  ber  angesogenen  Stelle.) 
'JJfau  verliert  aber  non  ber  Seite  beS  ßrbabenen  unenblicb  oiel,  roenn  mau  firb  bie  l)ome= 
rtidien  Wolter  nur  immer  in  ber  gemöl)nlid)en  ©röf;e  bentt,  in  roeldjer  man  fie,  in  (Sefell= 
fdiajt  ber  Sterblidjeu,  auf  ber  Seineroanb  su  fefien  oermöbnet  roirb.  3fi  e3  inbeS  fdion 
nid)t  ber  2)!alerci  »ergönnet,  fie  in  biefen  überfteigenben  Simenfionen  barjufteQen,  fo  barf  40- 

1.  Tionpfiue  gaffiu§  £onginu§  (um  213— 273  n.  ©t)r.),  ^bilofopl),  SBerf.  einer 
nod)  erhaltenen  Sdjrift  über  ba-3  (Jri)abene.  —  17  f.  3)!au  fann  fid)  fiierbei  an  bie  pntba* 
goräifebe  vebre  »on  ber  Spbärenbarmouie  erinnern  ober  an  bie  Sonne,  bie  im  SSorfpiet 
nim  A-nuft  ,,ibre  uorgefdiriebene  ilieife  mit  Sonnerflang  oollenbet".  —  2u.  Slffertion, 
aufgehellte  iiebauptung.  3)ie  .Üonftruftion  oon  „in  Slbrebe  fein"  (roofür  mir  beute  „in 
ilbrebe  ftellen"  fagen)  mit  bem  Slccufatip  ift  ungeroöbnlid),  aufgenommen  bei  unbeftimmten 
Cbjetten  roie  e5,  bies  u.  f.  m.  Sonft  rourbe  eo  mit  bem  ©enetiu  gebraud)t:  „einer  ©ae&e 
m  Jlbvebe  fein".  —  vi  ff.  bafj  ber  Jiditer  ...  weit  über  fteiget;  bie  b"meriid)en 
©öttet  baben  überhaupt  nod)  teilten  fefien  5tt)pu5,  fie  erfdjeinen  oielfad)  übermenfd)ltd), 
mitunter  ielbft  rieienbaft,  bann  aber  roieber  burtbauS  menidilid).  SUlon  erfennt  eben,  bafj 
bie  luMiierh'die  Reit  nod)  nidtt  jur  tünftlertidien  gijierung  ber  ©ötteribeale  gelangt  mar; 
tjaben  vielmehr  bie  fpäteren  .uüuftler  erft  auZ  bem  homerifdjen  ©eifte  heraus  ge= 
fd)affen.  —  -'."i  f.  iiefe  Überfetjung  ift  nidn  richtig;  oielmehr  beifjteS:  „ein  öetm,  ber  ge= 
idimüdt  mar  mit  ben  Silbern  ber  SBortämpfer  non  httnbert  (b.  h.  jahllofeu)  Stäbten".  — 
34.  linbernbeu,  b.  1).  ahfchtuiidtenbcn. 


ffnokoon  XII.  83 

9ftenfc$)ett  rjerabfinfen,  unb  Jupiter  unb  Agamemnon,  2tpolIo  unb 
3fr$tfte§,  9(jar  unb  9ftar§  werben  oollfommen  einerlei  SBefen,  bie 
weiter  an  nidjts  als  an  äujjerlidjien  uerabrebeten  Berlinalen  511 
fennen  finb. 

5  25aö  Mittel,  bef Jen  fidj  bie  -Oialeret  bebienet,  un§  51t  ner= 

ftetjen  31t  geben,  bafj   in  tfjrert   Wompofitionen  biefeS  ober  jeneS 

-  al§  unfidjtbar  betrachtet  werben  muffe,  ift  eine  bünne  SBolfe,  in 

meldje  fie  e§  oon  ber  Seite  ber  mitljanbeinben  ^ßerfonen  einfüllet. 

Siefe  2Mfe    fdjeinet   au§  bem  §omer  "felbft  entlehnet  511  fein. 

10  3)enn  wenn  im  (Getümmel  ber  3d)ladjt  einer  oon  ben  wichtigem 
gelben  in  ©efaljr  fommt,  au§  ber  ifm  feine  anbere,  als  göttliche 
OJiadit  retten  fann:  fo  läfjt  ber  £id)ter  ifm  oon  ber  fdjüijenben 
©Ortzeit  in  einen  bieten  üRefcel,  ober  in  sJcad)t  «erfüllen,  unb  fo 
bauon  führen;  als  ben  $ari§  oon  ber  3}enu§,4)  ben  ^bäu§  oom 

15  Neptun/')  ben  §eltor  oom  Apollo.')  Unb  biefen  Diebel,  biefe 
SBoße,  wirb  ßaijlue  nie  uergeffen,  bem  Äünftler  beftenS  311 
empfehlen,  wenn  er  il)tn  bie  ©emälbe  oon  bergfeidjen  23egeben= 
Reiten  iwrjeicfjnet.  20er  fiel)t  aber  nidjt,  baf$  bei  bem  ©idjter  ba§ 
@m()ülfen  in  9cebel  unb  9iad;t  weiter  nichts,  als  eine  poetifdje 

20  Lebensart  für  unfidjtbar  machen ,  fein  fott?  ®§  Ijat  mid)  baljer 
jeber  $eit  befrembet,  biefen  poetifdjen  2(u§brud;  realifieret,  unb 
eine  nnrflidje  Sßolfe  in  bem  ©emälbe  angebracht  51t  ftnbcn,  fjinter 
welker  ber  §elb,  wie  bjnter  einer  fpanifdjen  SSanb,  oor  feinem 
#einbe  oerborgen  fteljet.    S)a§  war  nidjt  bie  Meinung  beS  ©idjterS. 

25  3)a§  Reifet  au§  ben  ©renjen  ber  -Öialerei  IjerauSgeljen;  benn  biefe 
2Bolfe  ift  l)ier  eine  waljre  A>ieroghmb,e,  ein  bloßes  fpmbolifctjeS 
3eid)en,  bas  ben  befreiten  £>elb  nidjt  unftdjtbar  madjt,  fonbern 
ben  ^Betrachtern  zuruft :  i()r  müf$t  md)  ifm  als  unfidjtfear  oorftellen. 

e§  boeö  bie  SUb^oueret  geroiffer  2Kafscn  tfiun ;  imb  idf»  bin  überzeugt,  bajj  bie  allen  SDieifter, 
30  fo  rote  bie  StÜmng  ber  GJötter  überhaupt,  atf o  aud)  ba§  Äoloffalifdje,  baZ  fie  öftere  itjren 
Statuen  erteilten,  au§  bem  £omer  entlehnet  i)aben.  (Herodot.  lib.  II.  p.  130.  Edit. 
Wegsei.)  3_>erfd>iebne  2lnmerfungen  über  biefes  ßoloffalifcfje  in3befonbere,  unb  warum  e5 
in  ber  Silbtjauerei  von  fo  groger,  in  ber  üJlalerei  aber  oon  gar  feiner  SBirfung  ift,  oer= 
fpare  id)  auf  einen  anbern  £rt. 
35  J)  Iliad.  1 '.  v.  381. 

')  Iliad.  E.  v.  23. 
')  Iliad.  r.  v.  444. 

15.  Dleptun,  ein  lapsus  raemoriae  für  Sßulfan,  ber  an  ber  angeführten  ©teile  ge* 
nannt  roirb.  —  18  ff.  SDiefe  Muffaffung  §omer§  bef ämpft  Berber  mit  9ied)t;  ^omer  meinte 
ben  9Jebel,  bie  SSolfe  u.  f.  in. ,  non  benen  er  fpridit,  atidj  ftdjerlidi  im  inirflidien,  nidjt  im 
uijürltcfjert  Sinne.  —  31.  aus  bem  ^orner  entlehnt:  fcbroerlidi ;  oielmetir  lag  e§  oon 
felbft  nalje,  bie  Jiguren  ber  Qiötter  burd)  übernatürlid^e  ©rbfje  non  benen  ber  fterbtidjen 
aUenidjen  äu  untericijeiben.  —  32.  i  n  5  b  e  f  o  n  b  e  r  e ;  in  ber  §bfd)r.  urfprünglid)  „überhaupt". 

6* 


84  ffaokoon  XII. 

Sie  ift  l)ier  mä)to  beffer,  alö  bie  betriebenen  ßetteldjen,  bie  auf 
alten  gotifdjen  ©emätben  ben  Sßerfonen  ans  bem  9Jiunbe  ge^en. 

@§  ift  voafyx,  Konter  läf$t  ben  3Ccr)iUcor  inbem  il)m  Sipollo 
ben  fetter  entrüdet,  nod)  breimal  nad)  bem  bid'en  9iebel  mit  ber 
Sänge  ftofjen:  rglg  t)eoa  rvtys  ßa&elav."')    Sltlein  audj  baö  Ijeifjt  5 
in  ber  ©pradfje  be§  ©idvterö  meiter  nidjtö,  alö   baft  2ld)illeö  fo 
roütenb  geroefen,  bajj  er  nod;  breimal  geftofjen,  elje  er  e§  gemerft, 
ba|5  er  feinen  Jeinb  nid)t  mer)r  uor  fid)  Ijabe.    deinen  mirf'lidjen 
9iebel  falje  3ldjitte§   nidjt,  nnb  baö  gange  ftnnftftüd,  roomit  bie 
©ötter  nnfidjtbar  madjten,  beftanb  andj  nicr)t  in  bem  9M>eI,  fon=  10 
bem  in  ber  fdmellen  Gntrüdung.    9iur  tun  gugleidj  mit  angugetgen, 
bafi   bie  ©ntrücfung   fo  fdmell  gefdjefjen,   bafj   fein   inenfdjlidjeö 
2luge   bem   entrüdten  Körper  nadjfolgen  tonnen,    füllet  um  ber 
SMdvter  oorljer  in  9ccbel  ein;  nid)t  meil  man  anftatt  beö  entrüdten 
Mbrperö  einen  Giebel  geferjen,  fonbern  med  mir  t>a§>,  roa§  in  einem  15 
Giebel  ift,  alö  nidjt  firfjtbar  benfen.    2)ab,er  ferjrt  er  e§  and)  6i§= 
meilen  um,   nnb   Iäf$t,  anftatt  baö  Dbjef't  unfidjtbar  311  madjen, 
bas  ©ubjeft   mit    SBtinbfjeit    gefqjlagen    merben.     So    oerfinftert 
9ientun  bie  3lugen  be§  9(djilleö,  menn  er  ben  2teneas  anö  feinen 
mürberifdjen  Rauben  errettet,  ben  er  mit  einem  9ht<fe  mitten  anö  20 
bem  ß)croül)tc  auf  einmal  in  baö  -Hintertreffen  uerfetjt.8)    $n  ber 
%ljat  aber  finb  beö  SldjilTeö  Singen  r)ier  ebenfo  mentg  uerfinftert, 
alö    bort  bie  entrüdten  gelben  in  Siebet  geljüllet;    fonbern  ber 
Tidvter  feüt  ba§  eine  nnb  ba§  anbere  nur  blof}  Ijtngu,  um  bie 
äufjerfte  Sdmelligfeit  ber  Gntrüdung,  roeldje  mir  baö  SBerfdjromben  25 
nennen,  baburdj  finnlidjer  gu  mad)en. 

Ten  ()omerifd)cn  Giebel  aber  Ijaben  fid)  bie  SDlaler  nidjt  bCojj 
in  ben  Ratten  gu  eigen  gemadjt,  mo  ihn  §omer  felbft  gebraucht 
bat,  ober  gebraucht  l)abeu  mürbe:  bei  Unfidjtbaruierbungen,  bei 
SSerfd^roinbungen;  fonbern  überall  mo  ber  33etrad;ter  etmas  in  bem  30 
Wemiübe  erlennen  foll,  ma*  bie  ^erfonen  beö  ©emalbeö  entmeber 
alle,  ober  $um  Jeil,  nidjt  erlennen.  SDttneroa  marb  bem  2ld)itleö 
nur  allein  fid)tbar,  alö  fic  ilm  gurütffyiett,  fid)  mit  Tätigkeiten 

•)  Ilia.I.    r.    Wo. 

H)  Ibid.  v.  321.  35 


ffaohoon  Xin.  85 

gegen  ben  Agamemnon  §u  »ergeben.  StefeS  auSäubrüden,  fagt 
(ianluS,  roeif}  idj  feinen  anbeut  diät,  af§  baf$  man  fie  uon  ber 
Seite  ber  übrigen  StatSnerfammlung  in  eine  2Öolfe  uerljülle.  ©an} 
roiber  ben  ©eift  beS  1)id)tcr§.    Unfidjtbar  fein,  ift  ber  natürliche 

5  ßuftanb  feiner  ©öfter;  es  bebarf  feiner  S5tenbung>  feiner  216= 
fdmeibung  ber  £id)tftral)(en,  bafj  fie  nidjt  gefeljen  roerben;0)  fon= 
bern  eS  bebarf  einer  ßrleudjtung,  einer  ßrljöfjitng  beS  fterblidjen 
©eftdjtS,  roenn  fie  gefefjen  roerben  f offen.  Sßidjt  genug  atfo,  baf? 
bie  3öolfe  ein  roillfürlidjeS  unb  fein  natürliches  ,3eicf;en  bei  ben 

10  Wlat&nt  ift;  biefeS  roiflfürlidje  3eic()ett  fyrtf  aucfy  n^f  einmal  bie 
beftimmte  Teutlidjfeit,  bie  eS  als  ein  foldjeS  Ijaben  fönnte;  beim 
fie  brauchen  eS  eben  foroofjl,  um  ba§  Sichtbare  unfid)tbar,  als 
um  baS  ilnfidjtbare  fidjtbar  §u  machen. 

XIII. 

15  SBenn  Römers  üBerfe  gänglidj  oerforen  mären,  menn  mir 

von  feiner  IJliaS  unb  Dbnffee  nidjtS  übrig  Ratten  als  eine  äl)n= 
lidjc  $olge  tron  ©emälben,  bergleid)en  (5ai)luS  barauS  imrgefdjlagen: 
mürben  mir  mofjf  aus  biefen  ©emälben,  —  fie  follen  von  ber 
•§anb  beS  uollfommenften  ^fteifterS  fein,  —  id)  miff  nidjt  fagen, 

20  •')  3>mav  läfjt  ."öomer  aud)  ©ottbeiten  fid)  bann  unb  mann  in  eine  SBotfe  bullen,  aber 

nur  alsbemt,  roenn  fie  oon  anbern  ©ottliciten  nicfjt  roollen  gefeiten  roerben.  3-  ®-  Hiad.  —  • 
v.  282.  loo  Jjuno  unb  ber  Sdjlaf  ijiga  iaoafdvo}  fid)  nad)  bem  Qba  »erfügen,  roar  e§  ber 
fd)Iauen  ©öttin  böcbfte  Sorge,  oon  ber  dentis  nidjt  entbedt  ju  roerben,  bie  ü)r,  nur  unter 
bem  Sßorroanbe  einer  gang  anbern  Keife ,  ibren  ©ürtel  geliehen  ijatte.    3n  eben  bem  33ud>e 

25  (v.  344.)  mufs  eine  gülbene  SBolfe  ben  rooUufttrunfenen  Jupiter  mit  feiner  ©cmabjin  um= 
geben,  um  ifjren  gültigen  äßeigerungen  a&ju^elfen: 

Tlth;  y.'  tot,  ti  tii  rÖH   tfeüv  atttyiiiTuaiv 
EÜÖovt'  ä9oi)c!si£;     —     —     — 

Sie  furditc  fid)  nidjt,   oon  ben  ÜNenfcfien  gelegen  ju  roerben;  fonbern  oon  ben  ©öttern. 
30  Unb  roenn  fdjou  £omer  ben  Jupiter  einige  3eiIe"  barauf  fagen  läfjt: 

//'„<>;,  fn'jte   !>twv  töys  öeiötfri,  fi'jtt  rir'  avOocüv 
"Oipiofraf  to'töv  toi  iyih  vitpog  ('(fi(ptxa?.v\pto 
Xovaeov, 

fo  folgt  bod)  barauS  nidjt,  baß  fie  erft  biefe  Sßolfe  cor  ben  2(ugen  ber  SOJenfcßen  roürbe 
35  »erborgen  fjaben;  fonbern  e§  roiü  nur  fo  Biet,  bafs  fie  in  biefer  Sßolfe  ebeufo  unfidjtbar 
ben  ©öttern  roerben  folle,  als!  fie  e§  nur  immer  ben  Dienfdien  fei.  So  aud),  roenn  Sttneroa 
fid)  ben  £elm  bes  ^'luto  auffeget,  (Iliad.  E.  v.  845)  roetdjes  mit  bem  S3erb,iitlen  in  eine 
SBolfc  einerlei  SBirfung  b,atte,  gcidjiefjt  e§  nid)t,  um  oon  ben  Trojanern  nid)t  gefeben  ju 
roerben,  bie  fie  entroeber  gar  nidjt,  ober  unter  ber  ©eftalt  be§  Stf)enelu§  erblicten,  fonbern 
40  lebiglid),  bamit  fie  2Rar3  nid)t  erfenueu  möge. 

4  f.  U  n  i"  i  d)  t  b  a  r  ...  ©  ö  1 1  e  r ;  nidit  gang  rid)tig,  ba  in  ber  Sage  ©ö tter  aud)  gegen 
ibren  3BiUen  oon  ben  l'ienfdjen  gefeben  roerben.  ©6  liegt  oielmefyr  im  33elieben  ber  ©ötter, 
ob  fie  ben  ÜKenidjcn  fidjtbar  fein  rooüen  ober  uidjt;  bafj  fie  iEjnen  eo  ipso  unfid)tbar  ju 
benfen  ieien,  geljt  au?i  jgomer  nid)t  ijeroor. 


86  faokoon  Xin. 

oon    Dem   gangen  Siebter,   fonbem  bto^  uon  feinem  maferifdjen 

Talente,  un§  ben  Segriff  bilben  tonnen,  ben  mir  jel3t  von  ifym 
Ijaben? 

9Ran  mad;e  einen  SBerfudj  mit  bem  erften  bent  beften  Stüd'e. 
C5o  fei  bae  ©ematbe  ber  $eft. ])  2Sas  erblid'en  mir  auf  ber  $läd)e  5 
bes  $ünftter§?  Xote  Seidfjname,  brennenbe  ©Weiterlaufen,  (Stcrbenbe 
mit  ©eftorbenen  befdjäftiget,  ben  erzürnten  ©ott  auf  einer  SBolfe, 
feine  Pfeile  abbrüdenb.  95er  größte  Üteidjtum  biefeo  ©ematbeö, 
ift  2(rmut  bes  £id)terö.  S)enn  follte  man  ben  Corner  aus  biefem 
©emätbe  mieber  l)erftel(en:  raas  tonnte  man  it)n  fagen  laffen?  10 
„hierauf  ergrimmte  Apollo  unb  fdjof}  feine  Pfeile  unter  bae  §eer 
ber  ©rieben.  üßiele  ©riedjen  ftarben  unb  ifjre  Seidjmame  mürben 
verbrannt."    9iun  lefe  man  ben  Corner  felbft: 

Bi]  8s  %ax'   Ovlv[i7tot,o  v.aQrjvoov  x^ötisvog  y->)o, 
To'%'   louuiaiv  s'xatv,  einepi]Q&cp£a  xs  cpc/.QSXQitv.  15 

"Ev.layi;(xv  8    äg'   uiaxui  In     c6[ia>v  ^coojUfVoio, 
Avxov  ■xiviföevxog  ■  6  8'   ijis  vvzxl  sotxws  • 
nE£tt'   snsix    äita.vsvQ's  vsüv,  (isxcc  8'  Ibv  u,v.c 
Jsivi]  8s  nXayyi]  ysvsx'  uQyvQSOto  ßioio. 

OvQtfug  fiev  tiq&xov  STtoi%sxo ,  v.a.1  %vvaq  KQyovg  '  20 

Avtccq  siteit    ccvxolgi   ßslog  s%S7tsvx.tg  scpisig 

BÜll     "    ttlSl    8s    7lVQ(xi    VSKVCOV    KCCIOVZO    &(XUSl<Xl. 

So  weit  ba§  Seben  über  ba§  ©emalbe  ift,  fo  meit  ift  ber  SDidjter 
I)ier  über  ben  Malier.  Grgrimmt,  mit  Sogen  unb  töödjer,  fteiget 
2lpollo  von  ben  ginnen  beö  Clnmpus.  £jd)  fet)e  tt)n  nict)t  allein  25 
Ijerabfteigen,  idj  V)örc  xtjn.  -Diit  jebem  dritte  ert'lingen  bie  Pfeile 
um  bie  3d)uttern  beö  dornigen.  @r  getjet  eintjer  gleid)  ber  Sßadjt 
9hm  filU  er  gegen  ben  3d)iffen  über,  unb  fdmeöet  —  fürdjterlid) 
ertlingt  ber  filberne  Sogen  —  ben  erften  ^>\dl  auf  bie  Landtiere 
unb  ftunbe.  ©obann  fajst  er  mit  bem  giftigern  Pfeile  bie  9Jien=  30 
fdjen  felbft;  unb  überalt  lobern  unaufl)örlid)  ^oljftö^e  mit  Seidfc 
namen.  --  @§  ift  unmöglidj,  bie  mufif'atifd;e  sDialerei,  metdje  bie 

')  Iliad.  A.  v.  41 — 53.     Tableaux  tirt-s  de  l'lliade  p.  7. 

ß.  ßeidjname  nidjt  in  ber  Sebeutung  »on  Setc&e,  ba  fonft  baö  Söeitoort  tote  un= 
finnig  wäre,  fonbem  fo  Diel  aß  „Sei6",  aijb.  lieh,  »gl.  Seidjborn.  —  11.  §eer,  Ceffmg 
fd)rie&  hier  bie  burdjauS  ungeroöljntidje  Jon"  „§eere".  —  84.  über  ben  SDlaler;  naa) 
heutigem  Sprad)gebtaud)  mürbe  man  bier  über  mit  bem  SDatin  lonftruieren;  bei  ber 
Äonftruttiou  mit  bem  üteeufati»  bat  man  fiel)  ,,^inau§"  \u  ergänzen.  —  28.  gegenübet 
rourbe  In  ber  älteren  iReberoeife  bäufig  getrennt,  mit  ba^iHidiengeftelltem  Satio. 


«aohoon  XIII.  87 

Söorte  bes  £idjters  mit  l;ören  (äffen;  in  eine  anbere  Sprache 
übergutragen.  ßs  ift  ebenfo  unmöglid),  fie  auZ  bem  materiellen 
©emälbe  gu  uermuten,  ob  fie  fd;on  nur  ber  atlerfleinfte  SSorgug 
ift,  ben  bae  poetifd;e  ©etnälbe  uor  f eibigem  l;at.     S)er  £aupt= 

s  oorpg  ift  biefer,  bafs  un§  ber  Sttcfjtei?  51t  bem,  toaS  bas  mate= 
tiefte  ©etnätbe  au§  iljm  geiget',  burdj  eine  gange  ©alterte  üon 
©emälben  führet. 

2lber  uielleidjt  ift  bie  $eft  fein  öortetHjafter  Vorwurf  für  bic 
Malerei.    £)ier  ift  ein  anberer,  ber  mel;r  Steige  für  baZ  2luge  t;at. 

10  3>ie  ratpflegenben,  trinfcnben  ©öfter.2)  ©in  golbner,  offener  $alfaft, 
unllfürlidje  ©ruppen  ber  fdjönften  wxo  nerel;rung3u>ürbigften  ©e= 
ftaften,  ben  tyolal  in  ber  £anb,  oon  ^eben,  ber  einigen  ^ugenb, 
bcbienet.  2ßetdr)e  2lrd;iteftur,  roefdje  SJlaffen  uon  Sterbt  unb  Schatten, 
weld;e  ^ontrafte,    roeldje  93iannigfaltigfeit  bes  2lu§brudeö!    2Bo 

15  fange  id;  an,  100  l;öre  id;  auf,  mein  Stuge  gu  njetben?  äßenn 
mid)  ber  'DJialer  fo  begaubert,  wie  viel  metjr  mirb  e§  ber  £)id;ter 
tfjun!  ^d;  fdjtage  irm  auf,  unb  —  id)  finbe  mid;  betrogen,  £jd) 
finbe  uier  gute  plane  3etten,  bie  gur  Unterfdjrift  eines  ©emalbes 
bienen  fönnen,  in  roeldjen  ber  Stoff  gu  einem  ©emälbe  Hegt,  aber 

20  bie  felbft  fein  ©emälbe  finb. 

Ol  dt  9 toi  itug   Zrjvl  y.ad'rtfitvoL  i'iyoQÖcovro 
XgvGtco  tv  äd7Ttäo),  ntxa  dt  ocpiOL  -kotvicc  "Hßrt 
NtKzag  ta>vo%6tL  '  xoi  Öt  XQvatoig  ötitütCGL 
dtidtxat'   6:X).r]lovq,   Tqoicov  itoliv  tLOOQoeovztg. 

25  ©a§  mürbe  ein  Sfpoffoniue,  ober  ein  nod;  mittelmäßigerer  £irf;ter, 
nid;t  fd;ted;ter  gefagt  Ijabcn;  unb  §omer  bleibt  l;ier  ebenfo  meit 
unter  bem  SDlaler,  als  ber  Kurier  bort  unter  if;m  blieb. 

9£od;  bagu  finbet  GanluS  in  >bem  gangen  nierten  S5ud;e  ber 
^liaö  fonft  fein  eingtges   ©emälbe   al§  nur  aben  in  biefen  uier 

30  feilen.  80  fet)r  fid;,  fagt  er,  bas  vierte  33ud;  burd;  bie  mannig = 
faltigen  Ermunterungen  gum  Eingriffe,  burd;  bie  ?yrud;tbarfeit 
glängenber  unb  abfted;enber  6l;araftere,  unb  burd;  bie  Äunft  aug>= 
nimmt,  mit  tveldjer  uns  ber  ©id)ter  bie  SRenge,  bie  er  in  23e= 

-)  Iliad.  J.  v.  1—4.     Tableaux  tires  de  l'Iliade  p.  30. 

1.  2Borte  be§  SidjterS  mit  hören  taffen,  inbem  bie  2Bal)l  ber  2Borte  mit  baju 
beiträgt,  jebott  in  ihrem  Klange  oertoanbte  ©mpfinbungen  roie  ihr  Inhalt  itt  ums  heroor^ 
jurufen.  —  lt.  roillfür  liehe,  leicht  unb  beguem,  ohne  3mang  angeorbnete.  —  18.  plane, 
leicht  uerftänbltdje,  einfad)  =  jd)lichte.  —  25.  üUmlloniO'j  Difiobioä  (um  220  v.  Gftx), 
■aleranbvintfdjei'  Siebter ,  SSerf.  eine§  nod)  erhaltenen  ©po§  über  bie  Slrgonautenfage.  — 
31.  g-rud)t  bar  feit,  nämlich  für  ben  5>id)ter. 


88  £aokoon  XIV. 

»oegung  fe|en  mitf,  geiget:  fo  ift  e§  bod)  für  bie  3Ralcrei  giinjltd) 
unbrcwdj&ar.  ®t  b/itte  baju  fe^en  formen:  fo  reid)  es  aud)  fonft 
an  beut  ift,  maö  man  poetifdje  ©emeilbe  nennet.  2>enn  matyrlid), 
eö  fommen  berer  in  bem  oterten  33ud)e  fo  häufige  unb  fo  voll- 
foinmene  oor  at§  nur  in  irgenb  einem  anbern.  2öo  ift  ein  au§=  5 
gefüfyrtereS,  täufdjenbereS  ©ernälbe  als  ba3  uom  $anbaru§,  mie 
er  auf  2(nreijen  ber  9Jfrnen>a  ben  21>affenfttl(eftanb  bricht,  unb 
feinen  v^feil  auf  ben  3Jlene(au§  los  brüd't?  9ÜS  baß,  »on  bem 
SCnriufen  be§  griedjifdjen  öeereS?  2([§  ba$,  uon  bem  beiberfeitigen 
Angriffe?  2((§  baö,  uon  ber  %{jat  bes>  lUt)ffe§,  burd)  bie  er  ben  10 
i£ob  feines  SeucuS  rädlet? 

3Ba§  folgt  aber  l)terau§,  baf5  nidjt  wenige  ber  fdjönften  ßte= 
mälbe  beö  öomerS  feine  ©emälbe  für  ben  2lrtiften  geben?  Sat) 
ber  2lrtift  ßemälbe  auZ  üjm  gießen  fann,  mo  er  felbft  feine  t)at? 
2)af3  bie,  meldje  er  b,at,  unb  ber  2(rtift  gebraudjen  fann,  nur  fefjr  15 
armfeltge  ©emälbe  fein  mürben,  wenn  fie  nitfjt  mefyr  geigten,  als 
ber  2Irtift  jeiget?  2öa§  fonft,  als  bie  Sßerneinung  meiner  obigen 
Arage?  £ajj  aus  ben  materiellen  ©emalben,  51t  meldjen  bie  ®e= 
bidjte  beS  .Römers  ©toff  geben,  mann  ilirer  aud)  nodj  fo  niele, 
mann  fie  aud;  nod)  fo  nortrefflicr)  mären,  fid;  bennod;  auf  baS  20 
malerifdje  latent  beS  SidjterS  nichts  fdjliejsen  läfjt 


XIV. 

$jft  bem  aber  fo,  unb  fann  ein  ©ebid)t  fefjr  ergiebig  für  ben 
•äJtaler,  bennod)  aber  felbft  ntdjt  malerifd),  ()inmieberum  ein  anbereS 
fefvr  malerifd;  unb  bennod)  nidjt  ergiebig  für  ben  üUialet  fein:  fo  25 
ift  eö  aud)  um  ben  ©infaß  beS  ©rafen  (5ai)luS  getrau,  meld;er 
bie  33raud)barfeit  für  ben  -Oialer  §um  ^robierfteine  ber  £>id;ter 
machen,  unb  it/re  Stangorbnung  nad)  ber  2lngat)I  ber  ©emälbe, 
bie  fie  bem  2Irtiften  barbicten,  beftimmen  mollen. J) 

'1  Tableaux  tin's  de  l'IUade,  Avert.  p.  V.  On  est  tousjours  convenu,  que  plus  30 
1111  Poeme  fouraissoit  d'images  et  d'aetions,  plus  il  avoit  de  superiorite  eu  Poesie. 
Cette  reflexion  m'avoit  conduit  a  penser  que  le  caleul  des  difl'erens  Tableaux, 
qu'offrent  les  Poemes,  pouvoit  servir  ä  comparer  le  nierite  respectif  des  Poemes 
.t  Af<  Poetes.  Le  nombre  et  le  genre  des  Tableaux  que  presentent  ees  grands 
ouTrages,  auroient  btb  ane  espece  de  pierre  de  touehe,  ou  plutöt  ane  balance  35 
certaine  du  merite  de  ces  Poemes  et  du  Genie  de  leufa  Auteurs. 

:'■   poctifdje  ©emälbe  im  ©cgenfafc  ;,u  ben  materiellen;  jene  jetgen  unä  eine  fort* 
fd)reitenbe  .vnnblimg,  biefe  ge6en  eine  ftillfteöenbc  5cf)ilbening. 


(Caohoon  XIV.  89 

i\ern  fei  e§,  biefem  Ginfafle,  aud)  nur  burdj  unfer  3tilt= 
fdjmeigen,  ba§  Stnfeljen  einer  Siegel  gewinnen  51t  [äffen,  üftilton 
würbe  als  ba§  erfte  uufdmlbige  Dpfer  berfelben  fallen.  £>erm 
eö  fdjeinet  roirflid),  bafj  baö   oerädjtlidje  Urteil,  roeldjeS  Saotu§ 

s  übet  ir)n  fpridjt,  nidjt  forooljl  5iationalgefd)mad,  als  eine  $otge 
feiner  vermeinten  Siegel  geroefen.  £er  SBertuft  be§  ©efidjts,  fagt 
er,  mag  mol)l  bie  größte  2ü)nlidjf'eit  fein,  bie  9Jtilton  mit  bem 
ferner  gehabt  l)at.  freilief)  fann  Wxlton  feine  ©alterten  füllen. 
3tber  müfjte,  folange  idj  ba§  leiblidje  2luge   l)ätte,  bie   «Spljöre 

10  beöfelbcn  aucr)  bie  2pl)äre  meines  innern  2(uge§  fein,  fo  mürbe 
\d),  um  oon  biefer  ßinfdjränf'ung  frei  51t  roerben,  einen  großen 
9Sert  auf  ben  Serluft  beö  erftern  legen. 

£a§  oerlorne  s}krabie§  ift  barum  nidjt  roeniger  bie  erfte 
Gpopee  nad)  bem  £omer,  roetl  e§  menig  ©emälbe  liefert,  als  bie 

15  SeibenSgefdjidjte  GJjrtfti  beSmegen  ein  $oöm  ift,  metl  man  faum 
ben  $opf  einer  s)iabel  in  fie  fe|en  fann,  orjne  auf  eine  stelle  ju 
treffen,  bie  nid)t  eine  Stenge  ber  größten  2lrtiften  befeftäftiget  Ijätte. 
*£ie  Goangeliften  ergäben  baS  gaftum  mit  aller  möglichen  trodenen 
Einfalt,  unb  ber  2lrtift  nutzet  bie  mannigfaltigen  £eile  beSfelben, 

20  ol)ne  bafj  fie  ir)rer  SeitS  ben  geringften  finden  oon  malerifdjem 
©enie  babet  gezeigt  l)aben.  6S  giebt  malbare  unb  unmalbare 
gaeta,  unb  ber  ©efd)id)tfd)reiber  fann  bie  malbarftcn  eben  fo 
unmaferifd)  erjäl)len,  als  ber  2)id;ter  bie  unmalbarften  malerifd) 
bar^uftellcn  uermögenb  ift. 

25  9Kan  Jäjst  fieb  blof?  oon  ber  ßweibeutigfeit  beS  2BorteS  oer= 

führen,  roenn  man  bie  Bad)?  anberS  nimmt.  Gin  poetifdjeS 
©emälbe  ift  nidjt  notroenbig  baS,  roaS  in  ein  materielles  ©e= 
mälbe  511  oenoanbeln  ift;  fonbern  jeber  3»Ö/  ie^e  SBerbinbung 
mehrerer  3üge,  burd)   bie  un§  ber  £>id)ter  feinen  ©egenftanb  f 0 

sofinnlicb  madjt,  baf$  mir  uns  biefeS  ©egenftanbeS  beutlid)er  be= 
raufst  raerben  als  feiner  2Sorte,  §eif}t  malerifd),  (jetjjt  ein  ©e= 
mälbe,  roeil  eS  uns  bem  ©rabe  ber  ^Uufion  näfyer  bringt,  beffen 


1.  £er  moberne  Spraa)gebraud)  roiirbe  f)ier  ben  Siccufatio  „btefen  Ginfall"  t>er= 
langen.  —  6.  2)  er  33erluft  beS  ©eficnjS;  bcfanntlid)  erblinbete  ÜKilton  im  älter  oon 
einigen  Diesig  Jatiren;  fei«  „BerloreneS  i'arabieä"  fyat  er  als  SBlinber  gebidjtet.  — 
s.  *reilid)  ...  füllen,  ^mmerliin  madjt  Seffing  in  einem  Fragment  (f.  3(nl;ang  Dir.  7, 
■Jlbjdm.  39  u.  40  mit  ben  bajugetjörigen  2tu§ftt§rimgen)  neben  fueeeifiuen  aud)  eine  Slnjatit 
materieller  ©emälbe  beilüilton  namfiaft.  —  13  ff.  2).  i). :  foroenig  baS  „SJerlorene  ^arabies", 
weil  Co  menig  ©emälbe  liefert,  feine  Sebeutung  alä  6po§  einbüfjt,  fo  menig  fann  man 
bie  veiben'3gefcbicf)te  G6,rifti,  roeil  fie  uoll  malbarer  §acta  ift,  ein  ©ebia^t  nennen.  — 
25.  3Jämüd)  be3  2BorteS  ©emälbe. 


90  ffaokoou  XV. 

ba§  materielle  ©emälbe  6efonber§  fäljiij  ift,  ber  ftd)  neu  bem  ma= 
terteHen  ©emälbe  am  erften  unb   (eidjteften  a6ftraf)ieren  (äffen.-) 

XV. 

9iun  tann  ber  ®id)ter  §u  biefem  ©rabe  ber  !^flufion,  wie  bie 
@rfa|rung  geiget,  aud)  bie  isorftelfungen  anberer  als  fid)tbarer  & 
©egenffeänbe  erbeben,  ^folgltdj  muffen  notmenbig  bem  Prüften 
gange  klaffen  von  ©emätben  abgeben,  bie  ber  Xidjter  uor  itjm 
voraus  fyat.  Trnbene  Dbe  auf  ben  Gäcüienstag  ift  voller  mufifalifdjen 
öemälbe,  bie  ben  $infel  müfctg  laffen.  ®od)  id)  miß  mid)  in 
bergleidjen  Gremuel  nid)t  verlieren,  am  roeldjen  man  am  @nbe  bod)  10 
mojjt  nidjt  viel  meb,r  lernet,  als.  bafj  bie  färben  feine  Ztöne,  unb 
bie  CI)ren  feine  3tugen  finb. 

%tf)  will  bei  ben  öemälben  blof?  fidjtbarer  ©egenftänbe  freien 
bleiben,  bie  bem  ©idjter  unb  5)ialer  gemein  finb.  üEßoran  liegt 
es,  bafs  mandje  poetifdje  öemälbe  Hon  biefer  2lrt,  für  ben  Dealer  15 
unbraudjbar  finb,  unb  fjinmieberum  mandje  eigentlid)e  ©emätbe 
unter  ber  23eb,anblung  bes  'Didjterö  ben  größten  Xett  it)rer 
SÖirfung  verlieren  ? 

Grempel  mögen  mid)  leiten,     ^d)   mieberljole  es:   baS  ©e= 
mätbe  beö  ^anbaruö   im  vierten  33ud)e  ber  IJüas  ift  eines  von  20 
ben  ausgefül)rteften,  täufdjenbften  im  gangen  §omer.     SSort  bem 
©rgreifen  beö  33ogeno  bis   511  bem  /vluge  beö  Pfeiles,  ift  jeber 
iHugenblicf  gemalt,  unb  alle  biefe  3(ugenblid'e   finb  fo  natje  unb 

-)  SBa*  mir  poetifdje  Öemälbe  nennen,  nannten  bie  2llten  ^.Ujantofieen,  roie  man  fid) 
nuö  bem  Vongin  erinnern  wirb.  Unb  ina-S  wir  bie  3Uufio"-  ba*  Säufdjeube  biefer  öe=  25 
iniübe  beifsen,  biejj  bei  ihnen  bie  ©nargie.  ©aber  hatte  einer,  rote  !ßlutar$u3  melbet 
(Erot.  T.  II.  Edit.  Heur.  Steph.  p.  1351),  gejagt:  bie  poetifdjen  ^bautafieen  mären, 
wegen  ihrer  ©uargie,  Staunte  ber  SBacbeuben;  AI  7tnu]Tiy.ai  (fnrtnnim  tfeA  rtjv  hrrg- 
yemv  f-nijyooöTtnr  ivrnm't  fi'air.  ^d)  miinfdjte  fehr,  bie  neuern  Sebrbüd)er  ber  ©id)t= 
tunft  hätten  fidi  biefer  Benennungen  bebienen,  unb  beS  SBorteQ  Öemälbe  gänUid)  enthalten  30 
H'oUeu.  Sie  rolirben  uni  eine  SRenge  balbmabrer  Kegeln  erfpart  haben,  berer  »ornebmfter 
©runb  bie  Übereinftimmung  etne§  miUfürlidieu  SJtomenS  ift.  poetifdje  ^bantafieeu  mürbe 
teilt  SDtenfdj  fo  leidit  ben  Sdiranfen  etneä  materiellen  Öemälbe«  uuterroorfen  haben; 
«ber  fobalb  man  bie  ^bantafieen  poetifdje  Öemälbe  nannte,  fo  mar  ber  Örunb  -,ur  S?er= 
fül;rung  gelegt.  35 

2.  abftrahieren  laffen:  ergänze  hat  Sei  laffen,  muffen,  nod)  häufiger  bei 
tonnen,  motten  u.  bgl. ,  bleibt  in  9)ebeufäljen  febr  häufig  ba>3  §tlf§jeitroort  haben  fort.  — 
8.  ,\obn  Gruben  (l^Sl— 1700)  btditetc  i  3  1,;s7  bie  Obe  auf  ben  (SäcütenStag ,  meUbe 
betaimtlid)  von  §änbel  (i.  ,Y  1739)  in  SRufil  gefe$t  roorben  ift.  —  8f.  «Dt n f italif che 
Öemälbe  finb  liier  nidit  mufitaliidie  (itjefte,  roie  fie  mandje  liditer  burdi  funftpollen 
;iibi)thinuö  unb  gefdiidte  Wahl  roohlttingenber  Worte  ;u  erreichen  roiffeit,  fonbern  poetifche 
se^ilberungen  lnufitaliidier  Vorgänge  oöer  SBtrtungen.  Scr  Söiditer  faitit  eben  and)  6a>j 
£ibrbare,  ben  öerudi,  ba€  ©efüb,I  u.  f.  ro.  ium  ©egenftanb  feiner  Sdiilberung  madjen;  ber 
VJialer  nidit,  ihm  fteht  nur  bo§  £iditbare  ;u  (Schote. 


4'aokocm  XV.  91 

bod;  fo  imierfdjieben  angenommen,  bafc,  wenn  man  nid;t  roüfjte, 
mie  mit  bem  §8ogen  umjugcl^en  märe,  man  es  aus  biefem  ©e= 
mälbe  allein  lernen  tonnte. ')  ^anbarus  ^ieljt  feinen  Sogen  I;er= 
vor,  legt  bie  Senne  an,  öffnet  ben  föödjer,  roä(;let  einen  nod; 

5  ungebrauchten  mol;lbefieberten  $feit,  fe£t  ben  ^>feit  an  bie  ©enne, 
jterjet  bie  Senne  mit  famt  bem  Pfeile  unten  an  bem  (Sinfdnütte 
jurüd,  bie  Senne  nal;et  fid;  ber  Sruft,  bie  eifeme  Spi&e  bes 
^feileö  bem  Sogen,  ber  grofte  gerünbete  Sogen  fdjlägt  tönenb 
aus1   einanber,   bie  Senne  fd;roirret,  ab    f prang    ber   ^>fei(,  unb 

10  gierig  fliegt  er  nad)  feinem  $iele. 

Überfein  t'ann  Gaplus  biefes  uortreffüdje  ©emälbe  nid;t 
rjaben.  2Sa§  fanb  er  a(fo  barin,  marum  er  es»  für  unfähig  adjtete, 
feinen  Prüften  gu  befd;äftigen?  Unb  mas  mar  e§,  marum  \fym 
bie  ÜBerfammtung   ber  ratpfiegenben   jedjenben   ©ötter   ju    biefer 

15  3(bfid;t  taugltd;er  bünfte?  £ier  fo  ujofjl  als  bort  finb  fid;tbare 
Soruuirfe,  unb  maö  braud;t  ber  SERaler  mein-,  als  fid;tbare  SSor= 
mürfe,  um  feine  'J-lädje  51t  fußen? 

£>er  Mnoten  mufj  biefer  fein:  Ob  fdjon  beibe  Sormürfe,  als 
ftd;tbar,  ber  eigentlichen  Malerei  gleid;  fäl;ig  finb,  fo  finbet  fid; 

20  bod;  biefer  mefentlid;e  Unterfdjieb  unter  ilmen,  bafj  jener  eine 
fidjtbare  fortfd;reitenbe  £anbhmg  tft,  bereu  nerfdjiebene  Seile  fid; 
nad;  unb  nad;,  in  ber  fyotge  ber  3eit,  ereignen,  biefer  I;ingegen 
eine  fidjtbarc  fteljenbe  §anblung,  bereu  uerfd;iebene  Seile  fid; 
neben  einanber  im  ^ttaume  entmid'eln.    2ßenn  nun  aber  bie  SRalerei, 

25  uennöge  i(;rer  3etd;en  ober  ber  Mittel  i(;rer  9iad;al;mung,  bie  fie 
nur  im  9taume  nerbinben  law,  ber  3e^  gängtid^   entfagen  mufs, 

>)  Iliud.  J.  v.  105—112. 

Avil/.*  iav'/.a  täiov  i'vlou*     —     —     —     — 

Kai  zu  f-tsv  tu  xctzä&>}y.E  raruaodiaro;,  norl  yaiij 

30  \Ayxkiia;    —     —    ■ —     — ■     —     —     —    — 

yliizan  o  au).a  ncü/na  ipaoitoyi'  ix  d     tlst*  luv 
lAßZfjza,  nzt nutvta ,  ficÄaiväiv  i'ou     odvvücav, 
A-hpa  6'  ini  viuofj  y.azty.üaftti  mxoiiv  uiozuv  —  — 
FJ./.t  d '  u/uov  yXvipiöaz  zs  kaßmv ,  y.al  vtüfja  (iüeice. 

35  Ntvoi^v  /.ihv  fja£(i>  7t(Actatv,  toiw  öi  oidtjgov. 

jivtafi  irtadij  xvy.koZsr/e;  /uiyu  rugov  tzavz, 
jiiyse  ßlb?,  vtVQi]  ök  [ity'  i'a/ev ,  äXzo  6'  u'iazu^ 
'O^vßilt']?,  y.aS-'  ZftiZov  irtirtrinfrai  (avtaiviav. 

3—10.  3)lan  beachte  Ijier  bie  geinfjeit  ber  StuSbrudäroeife:  tnätirenb  Seffing  fonft  bei 
biefer  Sdjitberiing  ficb  burdjroeii  be«  3JVäfenä  bebient,  fefet  er  in  ben  SBorten  „ab  fprang 
ber  $feil"  bas  Präteritum.  3>as  2lbt"pringen  beo  ^feiles  ift  eben  etroa'3  fo  SKomentaneä, 
eminent  2raufitorifd)e6,  baß  e§  firf)  mit  bem  übrigen  nid)t  auf  eine  Stufe  ftellen  lii^t. 


92  ffaokoon  XVI. 

fo  tonnen  fortfdjreitenbe  £)anb(ungen,  aU  fortfdjreitcnb,  unter 
ifirc  ©egenftänbe  nidjt  gehören,  fonbern  fie  mujjj  jtdj  mit  $anb- 
lungen  neben  einanber,  ober  mit  Bloßen  Körpern,  bie  burd)  ifjre 
Stellungen  eine  ^anblung  tiermuten  (äffen,  begnügen.  2)ie  ^>oefte 
hingegen  —  —  5 

XVI. 

35odj  \d)  miß  uerfudjen,  bie  ©arfje  au§  tljrcn  erften  ©rünben 
Ijerguleiteh. 

%d)  fdjliefje  fo.  SBenn  e§  voofyx  ift,  bafi  bie  SDtoleret  ju 
i()ren  "Oiadjaipnungen  gang  anbere  Glittet,  ober  ^eidjen  gebrauchet,  10 
al§  bie  ^oefie;  jene  nämlid)  Figuren  unb  färben  in  bem  Zäunte, 
biefe  aber  artifutierte  £öne  in  ber  3^it;  roenn  unftreitig  bie  3eid)tm 
ein  Bequemes!  üBerfyättnisä  51t  bem  S3e§eidjneten  fjaben  muffen:  <So 
tonnen  neben  einanber  georbnete  3eidjen,  and)  nur  ©egenftänbe, 
bie  neben  einanber,  ober  bereu  i£eile  neben  einanber  egiftieren,  15 
auf  einanber  folgenbe  3eid)cn  aber,  and)  nur  ©egenftänbe  au§brüden, 
bie  auf  einanber,  ober  bereu  Seite  auf  einanber  folgen. 

©egenftänbe,  bie  neben  einanber,  ober  bereu  Seite  neben 
einanber  eriftieren,  fjeifjen  Körper,  fyolgfict)  finb  Körper  mit  ifjren 
ftdjtbaren  Gigenfdjaften,  bie  eigentlichen  ©egenftänbe  ber  Malerei.  20 

©egenftänbe,  bie  auf  einanber,  ober  bereu  Seite  auf  einanber 
folgen,  jjeijjen  überhaupt  ."oanblungen.  ^olgüd)  finb  ^anbtungen 
ber  eigentliche  ©egenftanb  ber  Sßoefie. 

Qod)  alte  Körper  eriftieren  ntdjt  attetn  in  bem  Staunte,  fon= 
bern  and)  in  ber  octt.  ©ie  bauten  fort,  unb  tonnen  in  jebem  25 
Augenblicke  ifyrer  ©auer  anberä  erfetjeinen  unb  in  anbrer  3Ser= 
binoung  fielen,  3>ebe  biefer  augenblidtid)en  (Srfdjeinungen  unb 
§8er6inbungen  ift  bie  SBirfung  einer  uorbergetjenben  unb  fann 
bie  llrfadje  einer  fotgenben,  unb  fonad)  gleidjfam  ba§  (Sentrum 
einer  ftanblung  fein.  Aolglid)  fann  bie  Malerei  and)  .ftanblungen  30 
nadjat)men,  aber  nur  anbeutungömeife  burd)  Mörper. 

2tuf  ber  anbem  Seite  tonnen  §anblungen  nidjt  für  fidj 
felbft  befteb/n,  fonbern  muffen  gemiffen  SGBifen  anhängen,  $n 
fo  fern  nun  biefe  Uöefen  Körper  finb,  ober  a(3  Körper  betrachtet 

18.  bequem,  b.  I).  entfpredjenb.  —  21  ff.  STaö  ift  jebod)  nidjt  fo  ju  »erftetjen,  a(3 
ob  bnmit  bie  ffimpfineung,  ba§  ©ebict  ber  Snrif,  oon  Sefftng  nu>5  ber  !J5cefte  «erbarmt 
inürbe.  9Jadi  ber  oon  ümt  ielbft  in  ber  Mbljanblumi  über  bie  Reibet  gegebenen  Definition 
ift  aud)  „icber  innere  ftontpf  oon  Veibenfdiaften,  jebe  3'0'3C  lH1"  oerfcf)icbenen  @ebanfen, 
mo  eine  bie  anbre  aufgebt",  eine  $anblung. 


ffaokoon  XVI.  93 

roerben,  Gilbert  bic  ^ocjtc  aud;  Mürper,  aber  nur  cmbeutungs= 
rpeife  burd)  ^anbtungen. 

SDie  sDtalerei  fann  in  il)ren  foeriftierenben  &ompo[itionen  nur 
einen  einzigen  Slugenblid  ber  £anblurtg  nutzen,  unb  mujj  bafjer 
5  ben  prägnanteren  roärjlen,  au§  meinem  ba§  Sßorljergeljenbe  unb 
^olgenbe  am  beiireiflidjften  roirb. 

iSbm  fo  fann  aud)  bie  ^oefte  in  tljren  fortfdjrcitenben  9iad)= 
alnnungen  nur  eine  eingige  ©igenfe^aft  ber  Körper  nullen,  tmb 
mufj  barjer  Diejenige  iu>iü)Ien,  meldje  baS  finnlidjfte  sMb  bes  Körper* 
10  von  ber  Seite  ermetfet,  von  roeldfjer  fic  if>n  brauet. 

$ierau§  fiiejtf  bie  Sieget  von  ber  Ginfyeit  öer  fttalerifdjen 
©etroörter,  unb  ber  Spärfatnfeit  in  ben  Säuberungen  fürperlidjer 
©egenftänbe. 

3—13.  3um  oollcn  23erftäubnis  biefer  Sä^e  —  ber  Etuinteffenj  be§  Saofoon  —  ge= 
hören  notwenbig  bin^u  meutere  Fragmente  aus  bem  Sftadjlajs,  namentlid)  3lr.  7,  Sälbfctjn. 
XLIII;  ferner  5>lr.  3;  unb  bajii  ein  mtdjtiger  Sßaffuä  aus  einem  Sriefe  au  SHicotai  oom 
36.  SDtfirj  17C9,  wo  Seffing  gelegentlich  ber  ®aroefd)cn  iKecenfion  bes  fiaofoon  bewerft: 
„Sa)  räume  ihm  [bem  SRecenfenten]  ein,  bafj  oerfd)iebenes  barin  itid)t  beftimmt  genug  ift; 
aber  rote  fann  e§,  ba  id)  nur  faum  ben  einen  llntcrfdjieb  ;roifd)en  ber  QJoefie  unb  SDialerei 
ju  betrachten  angefangen  habe,  weld)cr  aus  bem  Gebrauche  il)rer  3eieben  eutfpringt,  in* 
fofern  bie  einen  in  ber  Qeit,  unb  bie  anbern  im  Dlaume  erörteren?  33eibe  tonnen  ebenfo» 
wohl  natürlich  aß  willfürlicb  fein,  folglid)  mufj  e§  notwenbig  eine  hoppelte  SWalerei  unb 
eine  boppelte  ^oefie  geben:  wenigftenä  oon  beißen  eine  höhere  unb  eine  niebrige  ©attung. 
Sie  SDialerei  braucht  entroeber  foeriftiereube  Seidjen,  welche  natürtid)  finb,  ober  welche 
willfürlid)  finb;  unö  eben  biefe  S8erfd)icbenbeit  finbet  fid)  aud)  bei  ben  foufefutioeu  ßeidien 
ber  Sßbejie.  Senn  es  ift  ebtn  fo  wenig  roafcr,  bafi  bie  SDtalerei  fid)  nur  natürlicher  ,3eid)eu 
bebiene,  als  es  wahr  ift,  bafj  bie  ^oefie  nur  wittrürlicbe  3eia)en  brauche.  2lbcr  bas  ift 
gewifj,  bafj  je  mehr  fid)  bie  SDialerei  oon  ben  natürlichen  3«^en  entfernt,  ober  bie  natür« 
liehen  mit  wiUfürlidieu  oermifdjt,  befto  mehr  entfernt  fie  fid)  oon  ihrer  äSoHrbmmen^eit: 
»ie  hingegen  bie  Sßoefie  fid)  um  fo  me6r  ihrer  aSoHlomtnenbeit  nähert,  je  mehr  fie  ihre 
wiUfürltcben  3eid)eu  ben  uatürlidjen  näher  bringt,  golglicb  ift  bie  höhere  SDialerei  bie, 
welche  nichts  als  natürliche  3cicbett  im  Saume  brauchet,  unb  bie  höhere  t'oefie  bie,  weldje 
niebts  als  natürliche  3eid)en  in  ber  Seit  braudict.  g-olglid)  fann  aud)  weber  bie  biftorifdje 
nod)  bie  aüegorifcbe  SDialerei  jiir  I)öheru  SDialerei  gehören,  als  roeldje  nur  burd)  bic  baju= 
fommenben  wiltfürlicbcu  3eid)en  oerftänblidj  »erben  fönneu.  J$d)  nenne  aber  roüßürlidje 
3eidjeu  in  ber  SDialerei  nidjt  allein  alles,  ums  jutn  fiöftüme  gehört,  fonbern  aud),  einen 
großen  Seil  be§  förperlidjen  2luSt>ruds  felbft.  ^mav  finb  biefe  Singe  eigentlid)  nid)t  in 
ber  SDialerei  uullfürlid) ;  ihre  3eid)eu  finb  in  ber  SDialerei  aud)  natürliche  3eitt)en;  aber 
es  finb  boch  natürliche  3eid)cu  oon  ;oillf ürlidjeu  Singen,  rcelcbe  unmöglid)  eben 
bas  allgemeine  Serftänbnis,  eben  bie  gefd)tDinbe  unb  fcbnelle  SBirfung  haben  fönnen,  als 
natürliche  3eid)eu  oon  natürlichen  Singen.  Sßenn  aber  bei  biefen  3d)önheit  baS 
Ijöchfte  ©cic?  ift,  unb  mein  SRecenfeht  felbft  jugiebt,  bafj  ber  ÜRaler  allerbingS  aud)  in  ber 
Sbat  am  meiften  sD!aler  fei:  fo  finb  wir  ja  einig,  unb  joie  gefagt,  fein  einnmrf  trifft 
ntid)  nid)t.  Senn  alles,  was  id)  nod)  oon  ber  SDialerei  gefagt  habe,  betrifft  nur  bie  SDialerei 
nad)  ihrer  böcbfteu  unb  cigcntümlichftcu  SBirfimg.  3d)  Ijabe  nie  geleugnet,  baf;  fie  aud) 
aufjer  biefer  nod)  SSSirfungen  genug  haben  rönne;  id)  Ijabe  nur  leugnen  [lies:  fagen] 
toollen,  bafj  ihr  aisbann  ber  SJlame  SDialerei  weniger  äufomme.  3d)  habe  nie  an  ben  2Bir= 
hingen  ber  t)iftori[d)en  unb  allegorifdien  SDialerei  gejiucifelt,  nod)  weniger  babe  id)  biefe 
©attungen  aus  ber  2Belt  oerbannen  wollen ;  id)  habe  nur  gefagt,  bafi  in  biefen  ber  paler 
weniger  sDIaler  ift,  als  in  Stücfcn,  wo  bie  Sohönheit  feine  einzige  ätbftdjt  ift.  .  .  .  SBun 
nod)  ein  SBort  wn  ber  Spoefie,  bamit  Sie  uidjt  mifjuerfteheu ,  was  id)  eben  geiagt  i)abc. 
Sic  v4>oefie  mufj  fd)led)terbings  ihre  witltürlid)en  3cujbcn  5"  natürlichen  }U  erheben  fueben 
unb  nur  baburd)  untericheibet  fie  fid)  oon  ber  Sßrofa  unb  wirb  5p.ocfie.  Sic  SDlittel,  wo= 
burd)  fie  biefes  tt)ut,  finb  oer  2ou,  bic  Sffiorte,  bie  Stellung  ber  SBortc,  bas  Silbenmafj, 
giguren  unb  Sropen,  ©leicbniffe  u.  f.  w.    2111c  biefe  Singe  bringen  bic  willfürlidjen  3eic6e» 


94  faokoon  XVI. 

^d)  mürbe  in  biefe  trotfene  ©djluftfette  roeniger  Vertrauen 
fetjen,  roentt  id)  fie  nidjt  burd)  bie  ^rarto  be§  •'oomerS  uollfommeu 
oeftättget  fänbe,  ober  roenn  e§  nidjt  vielmehr  bie  ^rariö  bc§  Homere! 
felbft  märe,  bie  mid)  barauf  gebradjt  l)ätte.  SRur  au§  biefen  ©runb= 
iäi5eit  läfjt  fid)  bie  grofte  Ruinier  be§  ©riegelt  Beftimmen  unb  5 
erflären,  fo  rote  ber  entgegengefct)ten  DJanier  fo  oteler  neurern 
Xidjter  il)r  ^i'erfjt  erteilen,  bie  in  einem  Stüde  mit  bem  SJialer 
metteifern  motten,  in  roeldjem  fie  notroenbig  non  trmt  überrounben 
merben  muffen. 

3d)  finbe,  $omer  malet  nid)tö  aU  fortktjreitenbc  Aanblungen,  10 
unb  alte  Körper,   alle  einzelne  *3)inge  malet  er  nur  burdj  il)ren 
2lnteil  an  biefen  ^anbltmgen,  gemeiniglid)  nur  mit  Gutem  3uge. 
3ßa3  Sßunber  alfo,  baf$  ber  "Dialer,  ba  mo  ^omer  malet,  roenig 
ober  nid)tö  für  fid;  gu  tfjitn  fielet,  unb  baf$  feine  Grnte  nur  ba 
ift,  mo  bie  ©efd)td)te  eine  Dienge  fdjüner  Körper,  in  fdjünen  ©tel=  15 
hingen,  in  einem  ber  ^unft  vorteilhaften  Waume  gufammen&ringt, 
ber  £id)ter  felbft  mag  biefe  Äörpcr,  biefe  Stellungen,  biefen  9taum 
fo  menig  malen,   als   er   mill?     Man  gel)e  bie  gange  Aolge  ber 
öemälbe,  rote  fie  6at)Iu§   au§  il)m  oorfdjlägt,  ©tücf  por  ©tücf 
burd),  unb  man  rotrb  in  jebem  ben  53emei<o  non  biefer  Slnmerfung  20 
finben. 

xVl)  (äffe  alfo  l)ier  ben  ©rafen,  ber  ben  ^ar&enftetn  be§ 
Datiere.  311m  ^rolnerftetne  beö  1}id)ter3  madjen  mill,  um  bie  Lanier 
be§  £>omer3  nälier  gu  erflären. 

Aür  Gin  £utg,  fage  id),  l)at  Konter  gemeiniglid)  nur  Güten  25 
3ug.  Gin  <3d)iff  ift  tt)rn  balb  baö  fdntntrge  Scfyiff,  balb  ba§ 
liol)le  3d)iff,  balb  ba§  fdjnefle  ©djiff,  l)öd)ftenö  ba§  rooljlberuberte 
fdjroarge  ©djiff.  Jöeiter  läftf  er  fid)  in  bie  SJlaleret  bc§  Sdjiffeä 
nid)t  ein.  2C6er  mof)l  ba§  ©Riffen,  ba§  2Ü6faIjren,  ba§  Sfnlanben 
beö  ©djiffeS,  mad)t  er  gu  einem  ausführlichen  ©emälbe,  511  einem  30 
Nemälbc,  au§  roeldjem  ber  Dialer  fünf,  fed)S  befonbere  ©emälbe 
madjen  müfste,  roetrn  er  c§  gang  auf  feine  Setnroahb  bringen  roollte. 

Urningen  ben  Corner  ja  befonbere  tlmftänbe,  unfern  sM\d  auf 
einen  einzeln  forperltdien  ©egenftanb   länger   311  tieften:  fo   mirb 

ben  natürlidien  näher;  aber  fie  machen  fie  nicf)t  5«  uatihlidH'n  ^eidieu;  fot^lidi  find  alle 
Gattungen,  bie  fid)  nur  biefer  Büttel  bebienen,  als  bie  niebern  (Sattumien  ber  ^oefie  51t 
betrauten;  unb  bie  böcßfte  «Sattung  ber  ^oefie  ift  bie,  wetdie  bie  nrilHttrltt&en  3eia>'n  51t 
itatttrlidjen  ^leitfieu  madit.  3)a8  ift  aber  bie  bramatifdic;  benn  in  biefer  Ijören  bie  iffiorte 
auf,  nuUtiirliclH' „ieidien -,u  fein,  unb  werben  natürliche  ,-;eidien  w  i  1 1 1 in- 1  i  di  e  r  Jinge." 
--  f  (EineS  ber  idiöuften  unb  prägnanteren  unter  ben  Silbern,  an  benen  Sieffing? 
2"iftion  fo  reia)  ift. 


.ffinohoon  XVI.  95 

bem  oljngeadjtet  fein  ©ernälbe  barattS,  bem  ber  9JioIer  mit  bcm 
Sßinfel  folgen  formte;  fonbern  er  meif$  bttrdj  ungäj^tige  ^unfigriffe 
biefeti  eingeht  ©egenftanb  in  eine  $?olge  von  STügen&tMen  §u  fetten, 
in  beren  jebem  et*  anberö  erfdjeinet,  nnb  in  beren  (entern  tljn  ber 

5  -JRaler  erwarten  mufj,  nm  tutö  entftanben  51t  geigen,  roa§  mir  bei 
bem  Siebter  entfielen  fe()it.  3.  ©■  9BtU  $omer  ttn§  ben  äßagen 
ber  ^sttno  fefyen  (äffen,  fo  mufj  i()it  §ebe  oor  unfern  Stugen  Stüd 
oor  ©tücf  gufanrmenfeijen.  2ßir  ferjen  bie  liftäber,  bie  2td)fen,  ben 
3ir3,  bie  'Setdjfet  ttnb  Giemen  unb  Stränge,  nidjt  fomofyt  mie  e§ 

10  beifammen  tft,  a(e>  mie  e§  unter  ben  Rauben  ber  §e6e  jufammen 
tommt.  2tuf  bie  9iäber  allein  oermenbet  ber  ©idjter  me()r  al§ 
einen  3ag,  unb  meifet  un§  bie  ehernen  adjt  ©petdjen,  bie  golbenen 
A-elgen,  bie  ©djienen  oon  Gr,v  bie  füberne  9fat6e,  atfeo  inöbefonbere. 
SOlan  follte  fagen:   i>a  ber  Sftäber  mein  al§  eines  mar,  fo  muffte 

15  in  ber  Skfdjret&üng  ebenfo  tuet  3eit  mefyr  auf  fie  gefyen,  als  il)re 
befonbere  Anlegung  beren  in  ber  Statur  felbft  mefjr  erforderte. ') 

r'Hßi]  d'   üuep'   6%Uggl  &oiog  ßals  -/.dfnrvXa  %v~/,Xtt, 

Xd.Xv.su  d%rccK.vr}(ia,  Gt,di]gtcp  agovi  a^tpig- 

Tüv  i)  zoi  xqvoh]  itvg  äcp&izog,  ccvtccq  vneg&tv 

20  XgXk&'    STllGGWTQK,    7IQOGO!Q1]()6tC(,    &KV{lCt    idtG&Ctl' 

TlXijfivcii  ö'  ccQyvgov  eicl  ntgiägof.iot,  äfKpottgco&ev 
Jt'cpQog  dt   vgvGtoiai  y.al  agyvgzoiGiv  uiciGiv, 
'EvzitaxccL'   doicei  dh  TifgidgotAOi  uvtvysq  sißC' 
Tov  S'  t£  aqyvQSog  gi'tibg  ntXtv  avtag  In    uv-gm 
2ö  JTjGE  %gvGtiov  zaXov  £vybv,  iv  öl  XinaSva 

KdX'   tßaXe,  %qv6sicc.  —  —  —  — 

ÜBitt  un§  $omer  geigen,  mie  Agamemnon  betreibet  geraefen,  fo  mufj 
fid)  ber  $önig  oor  unfern  Slugen  feine  oötlige  Aleibung  »Stüd  oor 
Btüd  umt()un;  baS  roetdje  Unterfteib,  ben  großen  Plantet,  bie 
so  fdjönen  ^aloftiefelrt:,  ^n  Segen;  unb  fo  tft  er  fertig,  unb  ergreift 
baä  2cepter.  3Sir  feljen  bie  Kleiber,  inbem  ber  Siebter  bie  .*panb= 
hing  be§  SBeffetbenS  malet;  ein  anberer  mürbe  bie  Kleiber  bis  auf 
bie  geringfte  prange  gemalet  (jaben,  unb  oon  ber  -ftanblung  fyätten 
mir  nichts  511  feljen  befommen.2) 

35  'i  Ilin.l.   E.  v.  722—31. 

»)  Iliad.   B.  v.  43—47. 

30.   3tn   heutigen   Spracfigebriuidje  ift   Je  gen  für  ba>3  nntife  Stfjuoerf    nicfjt  me[)r 
üblid). 


96  ffaofcoon  XVI. 

• —  —  —  Ma.Xav.bv  ö'  tvSvve  %iz(bvce, 

KaXbv,  vi]ycezsov,  nsgl  d'  ccv  [isyet  ßccXXszo  qpdpog' 

HoggI  8'   vncel  XinceQOiGiv  s8i)Gazo  v.ceXu  nsdi7.ce. 

'Aucpl  8'   ctg'   coixolciv  ßäXszo  ijtqpog  KQyvQOifiov, 

El'Xszo  8s   6%)intQ0v  nazQoüov,  äcp&izov  ahi.  5 

Hub  menn  mir  oon  biefem  ©cepter,  meldjes  Ijier  btojj  ba§  uöter= 
Cid^c;  unoergängltdje  Scepter  fjetfjt,  fo  mie  ein  äljnlidjcQ  il)m  an 
einem  anbern  Drte  blof}  yovösloig  r\lom  nsitaQ^ivov ^  baS  mit 
golbenen  Stiften  befdjlagene  (Scepter  ift,  menn  mir,  fage  idj,  non 
btefem  roidjttgen  Scepter  ein  uollftanbigereS,  genaueres  53ilb  Ijaben  10 
f ölten:  roaü  tljut  fobann  Corner?  -"Otalt  er  uns!  aufjer  ben  goI= 
benen  Nägeln,  nun  aud)  ba§  $otj,  ben  gefdjnifcten  $nopf?  $a, 
menn  bie  SSefdjretbung  in  eine  .'oeralbif'  folfte,  bamit  einmal  in 
ben  fotgenben  Reiten  ein  anberes  genau  banadj  gemacht  merben 
tonne.  Unb  bodj  bin  id)  gemifj,  ba[3  mand)er  neuere  ©idjter  eine  15 
foldje  ^Öappenf'önigsbefdjreibung  barauö  mürbe  gemadjt  tjaben,  in 
ber  treuljerjigen  "Dieinung,  bafs  er  miri'lid)  felber  gematt  Ijabe,  roeit 
ber  3Jtaler  itnn  nachmalen  fann.  2Sal  befümmert  fid;  aber  Corner, 
mie  meit  er  ben  9Jiater  tjinter  ftdj  läf5t?  Statt  einer  2(6bi(bung 
giebt  er  uns  bie  ©efdjtdjte  beä  Scepterä:  erft  ift  eS  unter  ber  20 
Arbeit  beö  SSutcans;  nun  glänzt  es  in  ben  öänben  bes  Jupiters ; 
nun  bemerft  eS  bie  2Öürbe  9)iercur3;  nun  ift  eö  ber  $ommanbo= 
ftab  bes  friegerifdjen  s}>etopö;  nun  ber  £urtenftab  bes  frieblidjen 
"Jltrcus,  u.  f.  m. 

— ■  Z%fjnzQOv  s%cov  zb  (isv  "HcpceiGzog  v.c'cus  xsv%(av  25 

"Hcpceiozog  fisv  8coxs  du  Kqovi'covl  avanzi  ■ 

Avzuq  eegee  Zsvg  Sm%s  Siu'AZOQOi  'AQys'icpövzy 

'Egfiticeg  dl  cevce'S,  Sünsv  TLsXoni  nX^Cnnm- 

Avzuq  0  cevzt  TlsXoip  8(0%     AxQs'C,  noiusvi  Xcecbv 

'AzQsbg  8s  %,v)]GY.(av  sXins  nolvceqvi   ©vsGztj '  30 

Avzag  o  cevzs   ©vsgz'  'AyatiS(.ivovi  Xsins  cpOQf/vai, 

IJoXXfjGt.  vr'iGOLGi  %cel  "AQys'i  ncevzl  cevccGGSiv.*) 

So  tonne  ich,  cnblid)  biefe§  ©cepter  beffer,  alo  mir  e§  ber  93iater 
tun-  fingen   legen,   ober  ein  gtoeiter  SButcan  in  bie  $änbe  liefern 

i  lli.nl    /;.  v.  101  -108.  35 

IG.  SBappenlönige  Ijiefjen  im  SWittelatter  biejentgen  ^erotbe,  roe£<$e  bie  ünippen: 
biidicr  ber  turnterfä^ißen  Mitterfc^ofi  ju  führen  Ratten.  —  2-1  bemerft,  t>.  ii.  bejcidjnct 
aotarc. 


ffaohoon  xvi.  97 

fönntc.  —  Gö  roürbe  midj  nid)t  befremben,  wenn  idj  fänbe,  bafj 
einer  oon  ben  alten  2(u§tegem  bes  Römers  biefe  ©teile  als  bie 
vollfommenfte  3tllegorie  oon  bem  Urfprunge,  bem  Fortgänge,  ber 
Söefefrigung   unb  enblidjen  33eerbfotgung  ber   fömglidjen   ©eroalt 

5  unter  ben  9ftenfdjen  berounbert  ()ätte.  ^d)  mürbe  groar  fädeln, 
wenn  id)  läfe,  baJ5  SSuIcan,  roeldjer  bae  ©cepter  gearbeitet,  als 
baö  Aener,  als  ba§,  roa§  bem  9Jienfd)en  ^u  feiner  ©rljaltung  bas 
unentber)rlid)fte  ift,  bie  Stbftetlung  ber  S3ebürfniffe  überhaupt  an= 
geige,   roeld)e  bte  erftcn  SJlenfdjen,  fid)   einem  einjigen  ju  unter= 

10  werfen,  bewogen;  bafj  ber  erfte  $önig  ein  ©ot)it  ber  3eir/  (Z^ 
Xooi'/fO!')  ein  eljrroürbiger  2ttte  geroefen  fei,  roeldjer  feine  -üOiadjt 
mit  einem  berebten  fingen  Scanne,  mit  einem  9Jlercur,  (z/mxro^w 
'Agysicpovr)))  teilen,  ober  gänjlid)  auf  il)n  übertragen  motten;  bafj 
ber  finge  Sftebner  jur  3ett,  <*l§  ber  junge  Staat  oon  auswärtigen 

15  ^einben  bebrotjet  raorben,  feine  oberfte  ©eroalt  bem  tapferften 
Krieger,  (üikoTti  Tikr\%vmt(p)  überlaffen  Ijabc;  bafj  ber  tapfere 
Krieger,  nadjbem  er  bie  ^einbc  gebämpfet  unb  t>a§>  üftetdj  gefidjert, 
eö  feinem  ©otme  in  bie  §änbe  fpielen  tonnen,  roeldjer  al§  ein 
friebliebenber  Regent,  aU  ein  rool)ltb,ätiger  §irte  feiner  Koffer, 

20  (jtoi inj)'  laav)  fie  mit  2öol)lleben  unb  Überfluß  betannt  gemadjt 
tjabe,  rooburd)  nad)  feinem  Xobe  bem  reidjften  feiner  Stnuerroanbten 
(itolvttQVL  &viary)  ber  2öeg  gebalptet  roorben,  ba§  roa§  btSljer 
ba§  Vertrauen  erteilet  unb  ba§  Söerbtenft  mein;  für  eine  33ürbe 
al§  2öürbe  gehalten  bjatte,  burd)  ©efdjenfe  unb  33eftedjungen  an 

25  fieb,  §u  bringen  unb  e§  fonadj  als  ein  gleidjfam  erfaufteS  ©ut 
feiner  ^amilie  auf  immer  §u  oerfidjern.  $dj  roürbe  lädjeln,  id) 
roürbe  aber  bem  ol)ngead)tet  in  meiner  Sldjtung  für  ben  Siebter 
beftärfet  roerben,  bem  man  fo  oiele§  teilen  fann.  —  ©od)  biefes 
liegt  aufjer  meinem  28ege,  unb  id)  betraute  itjt  bie  ©efd)idjte  bes 

30  ©cepters  6lojj  als  einen  $unftgriff,  un§  bei  einem  einzeln  Singe 
oerroeilen  511  madjen,  otpie  fid)  in  bie  froftige  23efdjretbung  feiner 
Seile  emgutaffen.  2lud)  roenn  2fd)ille3  bei  feinem  ©eepter  ftfjroöret, 
bie  Öeringidjatmng,  mit  roeldjer  itpn  Agamemnon  begegnet,  511 
rädjen,    giebt  uns  §omer  bte   ©efd)id)te  biefe§   ©cepterS.     9Sir 

35  feljen  Um  auf  ben  Sergen  grünen,  bas  Gifen  trennet  it)n  oon  bem 
Stamme,  entblättert  unb  entrinbet  itjn,  unb  maajt  ifm  bequem, 

4.  SBeerbfotgung,  bafür  ift  beute  Erbfolge  gebräuchlicher.  —  17.  Dämpfen  im 
Sinne  oon  uniertoerfen  ift  beute  oerattet  ober  Ijöcbftenä  nod)  in  poetifeber  Steberoetfe  nors 
fommenb;  bei  Suttjer  befanntUd;  tiäufig.  —  28.  teilen,  unterlegen.  —  35.  ü;n;  Seffing 
gebraucht  ©cepter  balb  männlicb,  balb  fäcf;licb. 

SeffmgS  SBerle  9.  7 


98  Caohomi  XVI. 

ben  9ft<$tera  bc§  9SoKe§   jum  3eidjen  ifjrer  göttlichen  SSBürbc  ju 
bicncn.4) 

A '(•:(   (.iä  xoöb   cy.i~i7rT.QOv,  xb  f.ilv  ovnort  (pvXla  ncd  ofcovg 

0vüEi,  BitBidi]  TZQÜTa  tofiijv  ev  ÖQtoat  IbIomev, 

Ovd'   c(vc(&i]h)Ghi  •  tzbq'i  yag  qcc  b  %ccl'/.bg  bIbi^b  5 

$vllce  tb  v.ctl  cpXoiöv  vvv  avzs  fiiv  vfag  'A%ciiö>v 

Ev  7i(xXd[iiig  epOQBOi'Gi   Smacnoloi,  ot  xb  &E[lL6r<xs 

Ugog  Jibg  siQVCitai  —  —  —  — 

Sern  $omer  mar  nidjt   fomoljl  barem  gelegen,  jmei  ©täbe  von 
öerfdjiebner  SfJlaterie  unb  $igur  ju  fcfjilbern,  al§  un§  von  ber  10 

Serfdjicbentjett  ber  9Jtad)t,  beren  Reichen  biefe  Stäbe  waren,  ein 
finnlidjcS  Silb  51t  machen.  Jener,  ein  3öerf  be§  SBufcanuS;  biefer, 
von  einer  unbekannten  $anb  auf  ben  Sergen  gefdjnitten:  jener 
ber  alte  Scfitj  eine§  ebeln  §aufe§;  biefer  beftimmt,  bie  erfte  bie 
befte  $auft  ju  füllen:  jener,  von  einem  s}>ionard)en  über  niete  15 
^nfetn  unb  über  gang  2trgo§  erftredet;  biefer  üon  einem  au3  bem 
bittet  ber  ©riechen  gefütjret,  bem  man  nebft  anbern  bie  Se= 
matjrung  ber  ©efetje  anvertrauet  Ijatte.  ®iefe§  mar  tmrfft'dj  ber 
2lbftanb,  in  meldjem  fid)  2lgamcmnon  unb  2ld)ill  üon  einanber 
befanben;  ein  2(bftanb,  ben  2tdjtß  felbft,  bei  altem  feinen  blinben  20 
ocrne,  einjugefteljen,  nidjt  undjin  tonnte. 

©od)  nid)t  blof,  ba,  mo  £omer  mit  feinen  Sefdjreibungen 
bergleidien  weitere  2lbfid)ten  verbinbet,  fonbern   aud)   ba,  mo  e§ 
ilim  um  ba§  fcfojje  Silb  §u  t()itn  ift,  wirb  er  biefeo  Silb  in  eine 
2trt  von   ©efdjidjte  be§  OegenftanbeS   verftreuen,   um  bie  £eite  25 
oeoielben,  bie   mir  in  ber  9tatur  nebeneinanber  fefjen,  in  feinem 
©emertbe  eben  fo  natürlid)  aufeinanber  folgen,  unb  mit  bem  fyfuffc 
ber   Siebe   gleidjfam  ©djritt   galten   31t   laffen.     $.   @.     @r  tritt 
uns   ben   SBogen  be§  ^anoanto  malen;   einen  Sogen  von  £orn, 
von  ber  unb  ber  Sänge,  mot)l  polieret  unb  an  beiben  Suiten  mit  30 
Nolobled)    befdjlagen.     3SaS  tljut  er?     ,3äf)It  er  un§  alle  biefe 
(Stgenfdjaften  fo  troden  eine  nad;  ber  anbern  vor?    5CRit  nidjten; 
ba§  mürbe  einen  folgen  Sogen  angeben,  vorfdjreiben,  aber  nidjt 
malen  f)eif$en.     @r  fängt  mit  ber  $jagb  be§  ©teinbodeö  an,  au§ 
oeffen  .Römern  ber  Sogen  gemadjt  morben;  SßanbaruS  Ijatte  Unit  35 
in   ben   Aclfen   aufgepaßt  unb  ifm  erlegt;  bie  Körner  waren  von 

')   Oiad      /    <    '-':;i     289 


Caohoon  XVII.  99 

aufterorbcntlidjer  ©röfce,  beSroegen  beftimmte  er  fie  §u  einem  Sogen; 
fie  fommen  in  bie  Arbeit,  ber  Hunftler  oerbinbet  fie,  polieret  fie, 
befdjtägt  fie.  llnb  fo,  rote  gefagt,  feljen  mir  bei  bem  ©idjter 
entfielen,  mag  mir  bei  bem  Hialer  md)t  anberS  al§  entftanben 
s  fet)en  tonnen.5) 

—  —  —   To£ov,  sv^poV,  l'E,äXov  alyög 
'AyQiöv,  öv  (ja  7ror'   avrbg,  vnb  otigvoio  Tv%i]Gag, 
nizQijg  sxßKivovTtt  ötdtyfisvog  sv  itQoSoy.fjGi 
Btß\i']K£i  nobg  ozii&og-  b  d'  vnziog  e^,7iiG£  TtetQy 
10  Tov  y.£Q(x  1%  Ktcpalfjg  tKxcudfiiddcoQci  ntcpintf 

Kai  tu  fisv  CiG%r]Gag  %tq(xo'8l6og  JJqocqs  xi-Axatv , 
IJäv  d'   ev  Xtnjvag,  XQVßerjv  87z£&r}K£  HOQwvrjv. 

%d)  mürbe  nicrjt  fertig  werben,  menn  id)  atte  ©jempel  biefer 
2lrt  anäfdjreiben  wollte.     Sie  roerben  jebem,  ber  feinen  £>omer 
15  inne  Ijat,  in  2J£enge  beif allen. 


XVII. 

Slber,  mirb  man  einroenben,  bie  ,3eid;en  ber  SPoefie  finb  nidjt 
blof$  auf  einanber  folgenb,  fie  finb  aud)  roillfürlid);  unb  al3 
roillfurlitf;e  ,3eid)en  finb  fie  alterbtngö  fäl)ig,  Körper,  fo  roie  fie 

20  im  9taume  eriftieren,  au§§ubrti(fen.  $n  bem  §omer  felbft  fänben 
fidj  Ijieruon  ©j-empel,  an  beffen  ©djilb  be§  SldjitleS  man  ftd)  nur 
erinnern  bürfe,  um  ba§  entfdjeibenbfte  Seifpiel  ju  fjaben,  roie 
roeittäufig  unb  bodj  poetifd),  man  ein  einjetneö  1)ing  nacb,  feinen 
teilen  neben  einanber  fdjilbem  tonne. 

25  $d)  roill  auf  biefen  boppelten  ©inrourf  antroorten.    £jd)  nenne 

ilrn  boppelt,  roeü  ein  richtiger  ©djluf;  audj  olme  %empel  gelten 
mufj,  unb  ©egenteilS  ba§  Stempel  be§  Römers  bei  mir  von 
28id)tigfeit  ift,  aud)  raenn  id)  eö  nod)  burd)  feinen  ©djlufj  gu 
redjtfertigen  roeif}. 

30  C5"ö  ift  roaljr;  ba  bie  3cidjen  ber  bliebe  roillfürlid)  finb,  fo  ift 

es  gar  mol)t  möglid),  baf?  man  burd;  fie  bie  Steife  eineö  itlörperä 
eben  fo  root)l  auf  einanber  folgen  laffen  fann,  alz  fie  in  ber  9iatur 
neben  einanber  befinblid)  finb.  allein  biefeö  ift  eine  ßigenfdjaft 
ber  ")(ebe  unb  ifjrer  ^eidjen  überhaupt,  nicrjt  aber  in  fo  ferne  fie 

35  ')   Ilia.l.  J    v.  105—111. 

7* 


100  fi'aokoon  xvil 

bei  xM  bfid>t  ber  ^3oefie  am  bequemften  finb.  2)er  $oet  null  md)t 
bloft  oerftänblid)  merben,  feine  üBorfiellungen  joden  nitfjt  blofs  Kar 
unb  beutlidj  fein;  hiermit  begnügt  fid)  ber  Sßrofaift.  Sonbern 
er  null  bie  $been,  bie  er  in  un§  erraedet,  fo  lebhaft  madjen,  bafj 
mir  in  ber  ©cfdjminbigi'cit  bie  magren  ftnnlidjen  ßinbrücfe  tfjrer  5 
ßjegenftänbe  §u  empfinben  glauben,  unb  in  biefem  2(ugenblide  ber 
Saufdjitng  un§  ber  Mittel,  bie  er  bagu  anroenbei,  feiner  Söorfe 
benutzt  ju  fein  aufhören,  hierauf  lief  oben  bie  (Srflärung  be§ 
poetifdjen  ©emälbcS  f)inau§.  2(ber  ber  Siebter  foll  immer  malen, 
unb  nun  motten  mir  feljen,  in  mie  ferne  Körper  nadj  ihren  teilen  10 
neben  einanber  fidj  31t  biefer  9Äaferei  fdnden. 

2ßte  gelangen  mir  §u  ber  beutlidjen  ^orftellung  eines  SDtngeS 
im  9taume?    (S'rft  betradjten  mir  bie  Seile  beöfelben  einjeln,  hierauf 
bie  SBerbinbung  biefer  Seile,  unb  enblid)  oa$  ©anje.    Unfere  (Sinne 
oerrid)ten  biefe  oerfdnebene  Operationen  mit  einer  fo  erftaunlidjen  15 
•Sdpielligfeit,  baf$  fie  un§  nur  eine  einzige  51t  fein  bebünfen,  unb 
biefe  2dmelligfctt  ift  unumgänglid)  notmenbig,  menn  mir  einen 
Segriff  von  bem  (Sangen,   meldjer  nidjte  mein*  al§  ba§  S^efultat 
uon  ben  ^Begriffen  ber  'Seile  unb  iljrer  üßerbinbung  ift,  befommen 
f ollen,     ©efetjt   nun  alfo    and),   ber  Sidjter   fül)t*e  un§  in  ber  20 
fdjönften  Drbnung    oon    einem  Seile  bes   ©egenftanbeä   31t  bem 
anbern;    gefetjt,  er  roiffe  \m%   bie  SSerbinbung  biefer  Teile   audj 
nod)  fo  flar  31t  mad)en:  mie  uiel  '^q'ü  gcbraud)t  er  bagu?    2Ba§ 
ba§  2luge  mit   einmal   überfielet,  3äl)lt  er  uns  merflid*  langfam 
nad)  unb  nad*  311,  unb  oft  gcfd*ie()t  es,  baf?  mir  bei  bem  legten  25 
3uge  ben  erften  fdjon  mieberum  oergeffen  haben.    SDennodj  foKen 
mir  uns  au§  biefen  Bügen  ein  ©onge§  bilben.    Sem  2tuge  bleiben 
bie  betradjteten  Seile  beftänbig  gegenwärtig;  eö  fann  fie  abermals 
unb   abermals  überlaufen:   für  baö  Diu*   hingegen  finb  bie  oer= 
nommenen   Seile    verloren,   menn  fie  nidjt  in  bem   ©ebädjtniffe  30 
3urüdbleiben.     Unb    bleiben  fie  fdmn  ba  3iirüd:    meldje  9Jiüfje, 
meldje   älnftrengung   foftet   es,   ifjre   ©inbrüde   alle  in   chzn  ber 
Drbnung  fo  lebhaft  311  erneueren,  fie  nur  mit  einer  mäßigen  ©e 
fdjminbigt'eit   auf  einmal  $u  überbenten,   um  31t  einem  ctmanigen 
begriffe  be§  ©angen  §u  gelangen!  35 

:i.  gilt  fßrofaift  ift  l)cute  Sprofaifer  gebräuchlicher ;  bie  Sprache  be@  oor.  oabrb. 
mad)t  von  bcr  ©nbung  ift  lu-i  ben  gfrembroorten  einen  häufigeren  ©e&raud),  als  bie 
mober ne;  fo  fagt  S-'cffiiui  and)  Tialoaift,  3Rnt§ologift,  Stntljologift;  ngl.  2luegortfterei  in 
per  SSorrebe.  L8.  nichts  mciir  al§;  in  ber  .ö&fdir.  iivjprünaiid)  „gleid)fam  nur".  — 
jt.  (ins  biefen  ;' na.cn;  in  ber  §bfd)r.  urfprilnglid)  „au§  ben  gügen''. 


«aohoon  XVII.  101 

SJtcm  oerfudje  e3  an  einem  23eifpiele,  meld)c§  ein  -IReifterftüd 
in  feiner  2(rt  fjeifien  fann. ' ) 

2>ort  ragt  bas  t)orjc  §aupt  r>om  ebeln  ©njtane 
SBeit  übern  niebern  (5  bor  ber  Söbelfräuter  tjin, 

5  (im  ganjeä  Slumenoolf  bient  unter  feiner  §afJne» 

Sein  blauer  Sruber  felbft  büd't  fid),  unb  efyret  itm. 
Ser  Siumen  fjetteö  ÜJotb,  in  Strafen  umgebogen, 
Jünnt  ftcf»  am  (Stengel  auf,  unb  frönt  fein  grau  ©eioanb, 
35er  Stätter  glattes  Söeif;,  mit  tiefem  ©rün  burd)3ogen, 

10  ©traf)lt  non  bem  bunten  Stifc  oon  feudjtem  Diamant. 

@ered)tefte3  ©efefc!  baf?  Mraft  fid)  Qkv  »ermäljle; 
^n  einem  fdjönen  Seib  raofjnt  eine  fcrjönre  <3eete. 

£)ier  friedet  ein  niebrig  Äraut,  gteidj  einem  grauen  SRefcel, 
Sem  bie  9iatur  fein  Statt  im  Äreuje  i)inge(egt; 

15  Sie  t)olbe  Sturae  jeigt  bie  jmei  cergölbtcn  Sdmäbet, 

Sie  ein  non  2tmetb,i)ft  gebitbter  Söget  trägt.  , 

Sort  mirft  ein  glänjenb  Statt,  in  Ringer  auSgeferbet, 
2tuf  einen  fjelten  Sact)  ben  grünen  SEBiberfdjetn; 
Ser  Stumen  jarten  ©dmee,  ben  matter  Surpur  färbet, 

20  ©djliefjt  ein  geftrcifter  ©tern  in  toeifie  ©trafjlen  ein. 

3maragb'  unb  9iofen  btütm  aud)  auf  jertretner  ijeibe, 
Unb  gelfett  beden  fid)  mit  einem  Surpurfleibe. 

@§  finb  Kräuter  unb  ©turnen,  meldje  ber  gelehrte  Sidjter  mit 
großer  Munft  unb  nad)  ber  9iatur  malet.     9Jta(t,  aber  ofyne  alte 

25  Xäufdjung  malet,  $d)  null  nidjt  fagen,  bafj  roer  biefe  Kräuter 
unb  33Iumcn  nie  gefeljen,  fid)  a\x§>  feinem  ©emälbe  fo  gut  al§ 
gar  feine  3Sorftellung  bauon  madjen  fönne.  (§3  mag  fein,  bafj 
alle  poetifdje  Gkmälbe  eine  vorläufige  33efanntfd)aft  mit  iljren 
©egcnftättbcn  erforbern.     ^d}  null  and)  nidjt  leugnen,  baf$  bem= 

30  jenigen,  bem  eine  fo(cr)e  33efanntfd)aft  f»ier  ju  ftatten  fömmt,  ber 
£id)tev  nidjt  von  einigen  teilen  eine  lebhaftere  ^bee  erraed'en 
fönnte.  ^d)  frage  iljn  nur,  roie  ftetjt  c§  um  ben  ^Begriff  beö 
©anjen?  3öenn  aud)  biefer  lebhafter  fein  foll,  fo  muffen  feine 
einzelne  Xeile    barin    uorftedjen,    fonbern   ba§  l)öl)ere  Stdjjt  mujj 

35  auf  alle  gleid)  «erteilet  fdjeinen;  unfere  GinbilbungSfraft  mufs  alle 

')  £.  bes  £ierrn  o.  §aller3  Süpcn. 

13  ff.   Siad)   ber  eigenen  Stngabc  §aücf'o  finb  mit  ben  in   biefer  Strophe  gefd)ilberten 
Stumen  Sbroenmaui,   fdjroarje  äReifierrourfi,   roüber  flioSmavin  unb  roilbe  Sücne  gemeint. 


102  4'aokoon  XVII. 

gletd)  fdjnefl  überlaufen  fönnen,  um  ftd)  bas  am  innert  mit  etn§ 
jufatnntengufelen,  tr>a§  in  ber  Statur  mit  eins  gefeljen  wirb,  oft 
biefe§  bier  ber  ^att?  Hub  ift  er  e§  nidvt,  rote  f»at  man  fagen 
fönnen,  „bafj  bie  ärmlicfjfte  3eid}"""0  cinee  9Jt\iler3  gegen  biefe 
poctiidje  Sdrilberei  gang  matt  unb  büfter  fein  mürbe''?2)  Sie  5 
bleibet  unenblid;  unter  bem,  maß  Sinien  unb  färben  auf  ber 
Aläcbe  auobrüd'en  tonnen,  unb  ber  Munftridjter,  ber  ilvr  biefe§ 
übertriebene  806  erteilet,  mufj  fie  au§  einem  gang  fallen  ©e= 
fidjtöpunfte  betrachtet  fjaben;  er  mufj  meljr  auf  bie  fremben  3ie; 
raten,  bie  ber  Siebter  barein  verwebet  l)at,  auf  bie  (5r()öl)ung  10 
über  baö  vegetative  Seben,  auf  bie  (5'ntmid'ctung  ber  innem  $oft= 
foinmenbciten,  wetdjen  bie  äußere  Sdjönrjett  nur  gur  3dmle  bienet, 
a(§  auf  biefe  Sdjönrjeit  felbft  unb  auf  ben  ©rab  ber  £ebf)aftigfeit 
unb  2l()nlid)feit  be§  33ilbe§,  weldjeö  un§  ber  ÜJtaler,  unb  weltfjeö 
un§  ber  ®id)ter  bauon  gewähren  fann,  gefefjen  Ijaben.  ©leidjwofjl  15 
fömmt  es  f)icr  lebiglid)  nur  auf  ba§  (entere  an,  unb  mer  ba  fagt, 
bafj  bie  bloßen  Betten: 

Set  Blumen  Ijetteö  ÖJotb,  in  ©trafen  umgebogen, 

Sürmt  ficr)  am  ©tengel  auf,  unb  front  fein  grau  ©eroanb, 

2)er  93Iätter  glättet  3Beif5,  mit  tiefem  ©ri'm  burdjsogen,  20 

Strahlt  üon  bem  bunten  33lifc  uon  feuchtem  .Diamant  — 

bafs  biefe  ßeilen  in  älnferntng  itjreS  ©inbrud'ö  mit  ber  9iad)ar)mung 
etne§  §ui)fum  wetteifern  fönnen,  muf$  feine  Gmpfinbung  nie  be= 
fragt  fjaben,  ober  fie  uoriäfjlid)  verleugnen  wollen.  (Sie  mögen 
ftd),  menn  man  bie  Slutne  felbft  in  ber  £anb  Ijat,  fefw  fdjon  25 
bagegen  recitieren  laffen;  nur  für  fidj  allein  fagen  fie  wenig  ober 
nidjte.  §d)  l)öre  in  febem  SSorte  ben  arbeitenben  SHdjter,  aber 
baä  Sing  felbft  bin  id;  weit  entfernet  311  fel)en. 

sJiod)malci  alfo:  id)  fpredje  nicljt  ber  -liebe  überhaupt  bas 
Vermögen  ab,  ein  förperlidjee.  ©ange  nacl)  feinen  Seilen  511  fdjtibcrn;  30 
fie  fann  es,  rocil  il)re  Betdjen,  ob  fie  fdwn  auf  etnanber  folgen, 
bennodj  rotßfürlidje  3eidjen  finb:  fonbern  id)  fpredje  e§  ber  9rebe 
als  bem  Büttel  ber  Sßoefie  ab,  meil  bergleidjen  wörtlichen  Sdulbe= 
rungen  ber  .Körper  bas  Säufcfjcnbe  gebridvt,  worauf  bie  ^ßoefie 
vornelpnlid)   gefjet;   unb  btefe§  Xünfcljenbe,  fage  id),  mujj  i()nen  35 

-)  SreitingerS  tiritifrfjc  SMcfittuuft  X.  H.  S.  107. 

l.  mit  e i ti ö ,  bei  fieffinfl  feljr  liäufig  für  „auf  einmal".  —  23.  %an  »<*n  §ui)fum, 
ein  berühmter  [)ollänbifa)er  Stumenmaler,  lt'>82 — 174m. 


fiaokoon  xvii  103 

barum  ge&redjen,  roeil  ba§  Äoeriftierenbe  be3  $örper§  mit  bem 
.sUmfefutiwcn  ber  SRebe  babci  in  .Hoflifion  fömmt,  unb  inbem  jenes 
in  biefeS  aufgelöfet  mirb,  un§  bic  3erglteberung  bes  ©an^en  in 
feine  STette  groar  erleichtert,  aber  bie  enblidje  3Btebergufammen= 
s  fetmng  biefe*  Teile  in  baö  ©anje  ungemein  fd)mer,  unb  nid)t  feiten 
immöglidj  gemalt  mirb. 

Überall,  um  eö  baljer  auf  ba§  Täufdjenbe  nid)t  anfömmt,  mo 
man  nur  mit  bem  üBerftanbe  feiner  Sefer  ju  tl)iin  Ijat,  unb  nur  auf  beut= 
Ixdfje  unb  fo  viel  möglich,  oottftänbige  begriffe  getjet:  fönnen  biefe  auö 
10  ber  Sßoefte  au3gefd;Ioffene  ©cbjlberungen  ber  Körper  gar  roofyt  $Iafe 
fyaben,  unb  nid)t  allein  ber  ^rofaift,  fonbern  aud)  ber  bogmatifdje 
Siebter  (benn  ba  mo  er  bogmatifieret,  ift  er  fein  ®id)ter),  fönnen 
fid)  iljrer  mit  meiern  Stufen  bebienen.  ©o  fdjilbert  3.  G*.  Birgit 
in  feinem  ©ebicfjte  vom  Scmb&aue   eine  §ur  3udjt  tüchtige  $.uly. 

15  —  —  —  Optima  torvae 

Forma  bovis,  cui  turpe  caput,  cui  plurima  cervix, 
Et  crurum  tenus  a  mento  palearia  pendent. 
Tum  longo  nullus  lateri  modus:  omnia  magna: 
Pes  etiam,  et  camuris  hirtae  sub  cornibus  aures. 

20  Nee  mihi  displiceat  maculis  insignis  et  albo , 

Aut  juga  detraetans  interdumque  aspera  cornu, 
Et  faciem  tauro  propior;  quaeque  ardua  tota, 
Et  gradiens  ima  verrit  vestigia  cauda. 

Dber  ein  fdjöneS  puffen; 

25  —  —  —  —  Uli  ardua  cervix 

Argutumque  caput,  brevis  alvus,  obesaque  terga; 
Luxuriatque  toris  animosum  pectus  etc.a) 

SDenn  wer  fiefyt  nicfjt,  baf$  bem  £)id)ter  hjer  mefyr  an  ber  2(u3= 
einanberfehung  ber  Steile  als  an  bem  ©anjen  gefegen  geroefen? 

30  @r  milt  un§  bie  Äennjeidjen  eines  fd)önen  $ütten§,  einer  tüchtigen 
$ul)  jujärjlen,  um  uns  in  ben  ©tanb  311  fehen,  naebbem  mir 
bereu  mehrere  ober  wenigere  antreffen,  tum  ber  (Sitte  ber  einen 
ober  be§  anbern  urteilen  §u  fönnen;  ob  fidj  aber  ade  biefe  $enn= 
jetdfjen  in  ein  lebhaftes  Sifb  leicfjt  gufommenfaffen  f äffen,  ober 

35  nicfjt,  baö  fonntc  if)m  fef»r  gfeicfjgiltig  fein. 

1  Georg,  lib.  1  LI    v.  51  et  79. 

11  f.   öogmatifdje  Sinter,   b.  I).  ber  btbaftifc^e,  SSerfaffer  eines  CefjrgebtcEjteS.  — 
31.  n ad) bem,  für  „je  nadjbcm". 


104  «aohoon  XVII. 

Slufjer  biefetn  ©ebraudje  jinb  bie  ausführlichen  ©emätbe  förper= 
lidier  ©egenftänbe,  olmc  ben  oben  ermahnten  f)omerifd)en  $unft= 
griff,  bo§  .^oerjftierenbe  berfclben  in  ein  roirftidjeö  ©ucceffiues  311 
oerroanbcln,  jeberjeit  von  ben  feinften  Ridjtern  für  ein  froftigeä 
©pielroerf  erlannt  roorben,  31t  roel'djem  wenig  ober  gar  fein  ©enie  5 
gehöret.  9ßenn  ber  poettfdie  ©tfimper,  fagt  ^oraj,  nidjt  roetter 
türm,  fo  fängt  er  an,  einen  $ain,  einen  Slltar,  einen  burd)  an= 
mutige  Fluren  fidj  fdjlängelnben  33adj,  einen  raufdjenben  ©trom, 
einen  Regenbogen  ju  malen: 

—  —  —  —  Lucus  et  ara  Dianae,  10 

Et  properantis  aquae  per  amoenos  ambitus  agros, 
Aut  tluinen  Rhenum,  aut  pluvius  describitur  arcus.4) 

3Dct  männlidje  Sßope  fatje  auf  bie  malertfdjen  üBerfudje  feiner  poeti= 
fd)cn  ^inbtjeit  mit  großer  ©eringfdjätntng  jurücf.  @r  »erlangte 
auSbrüdlidj,  bafi,  roer  ben  9tamen  eines  2)id)tcr§  nicrjt  unroürbig  15 
führen  motte,  ber  Sd)i(berung§fud)t  fo  früt)  rote  mögftdj  entfagen 
muffe,  unb  erflärte  ein  blofj  malenbeö  ©ebidjte  für  ein  ©aftgebot 
auf  lauter  SBrüfyen.5)  SSon  bem  §errn  oon  steift  tarnt  idj  oer= 
fiebern ,  bafj  er  ftd)  auf  feinen  $rüf)ling  baä  roenigfte  einbilbete. 
£ätte  er  länger  gelebt,  fo  mürbe  er  ü)tn  eine  ganj  anbere  ©eftatt  20 

J)  De  A.  P.  v.  16. 
1  Prologue  to  the  Satires.     v.  340. 

That  110t  in  Fancy's  maze  he  wander'd  long 

But  stoop'd  to  Truth,  and  moraliz'd  his  song. 
tbid.  v.  117.  25 

who  could  take  offence, 

Wnile  pure  Description  held  the  place  of  Sense? 
Tic  Olnmerftmg,  it>eIdE>e  SBarburtcm  ü6er  bie  [e$te  Stelle  madjt,  tonn  für  eine  autfjeuttfdje 
drflärung  t>ec>  £>id)ter'3  felbft  gelten.    He  uses  PURE  equivocally,  to   signify   either 
chaste  or  empty;    and  Ikis  given  in  tbis  line  what  he  esteemed  the  tru  Character  30 
of  Descriptive  Poetry,  as  it  is  called.    A  compositum,   in  his  opinion.    us  absurd 
as  a  feast  made  up  of  sauces.    The  use  of  a  pictoresque  imagination  is  to  brighten 
and  adorn  good  sense;  so  that  to  employ  it  only  in  Description,  is  like  childrena 
delighting   in    a    prisni    for   the   sake    of  its  gaudy  colours;   which  when  fxugally 
managed,   ;unl  artifolly  disposed,   might  be  made  to  represent  and  illuatrate  the  35 
Hoblest   objeets   in   natuve.     Sowohl   tcr   Siebter  als  Äommentatot    fdjetnen  sroar   bie 
Sadje  mehr  auf   ber  moralifdien ,   al§   funfttttäfjigen  Seite  betraditet  5«  haben;   bod)   befto 
beffer,  bafj  fie  von  ber  einen  ebenfo  nichtig,  al>3  uou  ber  anberu  erfreutet. 

(! — 0.  £oraj  tabclt  jebod)  an  ber  angeführten  Stelle  nidjt  bie  Sdiilberung  foleber 
©egenftäube  überhaupt,  fonbern  nur,  bajj  fie  am  unuaffenben  Drte  angebracht  nurb.  — 
7  f.  buref)  anmutige;  bie $bfd)r.  urfpriinglicb  „burd;  bie  anmutigen".  —  13.  2Ilesan  = 
ber  Sßor-eS  (1688—1744)  gugenbtoerl  „S)er  Sffialb  »on  JBiubfor"  (17i8)  scigt  namentlich 
biefe  befdjreibenbc  9tid)tung.  —  18.  Groalb  0.  JUeifte?  (17 15 — 1751»)  „grüfjling"  enthält 
Jcaturfdulberungen  in  beträditlicber  3at'1-  Seine  SIbficbt,  ba3  ©ebidit  in  ber  oben  be» 
ieidmeten  SBeife  iimjuarbeiten,  modjte  Seffing  im  perföntidjen  SBerfe^r  mit  bem  iljm  bes 
ireunbeten  5?id)ter  erfahren  haben.  —  28.  SBilliam  SBarburton  (1698 — 1":),  ein 
englifeber  Weletjrter  unb  .Hrititer,  bat  SJJopeS  SBerfc  mit  einem  erflärenben  .«ommentar 
berauogegeben. 


tfackoon  xvin.  105 

gegeben  haben.  C'r  badfjte  barauf,  einen  Sßlan  Ijmeingiilegen,  unb 
fann  auf  9Piittel,   wie  er  bie  SDtenge  oon  SSttbem,  bte  er  aug 

bem  unenblicben  üftaume  ber  oerjüngten  Sdjöpfung,  auf  ©erate= 
mof)I,  balb  fjier  balb  ba,  geriffen  ju  Ijaben  fdjtert,  in  einer  natür= 

5  liefen  Drbnung  oor  feinen  9tugen  entfielen  unb  auf  einanber  folgen 
laffen  motte.  Gr  mürbe  jugletdj  bao  getrau  Ijaben,  roa§  Wiaxmonkzl, 
ojfjne  3meifcl  mit  auf  SSerantaffurtg  feiner  ©flogen,  mehreren  beutfdjen 
©idjtern  geraten  Ijat:  er  mürbe  au3  einer  mit  Gmpfinbungen  nur 
fparfam  burdjraebten  9tei()e  r»on  Silbern,  eine  mit  Silbern  nur 

io  fparfam  burdbflocbtene  fyotge  oon  (Smpfmbungen  gemadjt  Ijaben/') 

XVIIT. 

Unb  bennod)  follte  felbft  |)omer  in  biefe  froftigen  Ausmalungen 
förperlidjer  ©egenftänbc  »erf  allen  fein?  — 

$dj  mitt  lioffen,  baf$  e§  nur  fefjr  roenige  Stellen  ftnb,  auf 

15  bie  man  fid)  be§falt§  berufen  fann;   unb  id)   bin  oerfidjert,  bajj 

auch  biefe  roenige  ©teilen  oon  ber  3lrt  ftnb,  baj5  fie  bie  Sieget, 

oon  ber  fie  eine  2fu3naf)me  §u  fein  fdjeinen,  oie!mel)r  beftätigen. 

@§  bleibt  babei:  bie  $eitfolge  ift  ba§  ©ebiete  beö  £>icbterö, 
fo  raie  ber  9raum  ba§  ©ebiete  bes>  93ialer§. 
20  3raei  notroenbig  entfernte  Ueitpunfte  in  ein  unb  ebenbaofelbe 

©emälbe  bringen,  fo  raie  $r.  ^tajjuoli  ben  Staub  ber  fabinifdjen 
Jungfrauen,  unb  berfelben  Stusföljnung  iljrer  Gljemänner  mit  il)ren 
2tnuerraanbten;  ober  raie  S£itian  bie  gange  ©efchidjte  be§  oerlornen 
©ofjneö,  fein  lüberticbeg  Sehen  unb  fein  ©lenb  unb  feine  9teue: 
25  tjeiftf  ein  Eingriff  beö  3Jialer§  in  ba§  ©ebiete  be§  ©id^terS,  ben 
ber  gute  ©efdjmad  nie  billigen  wirb. 

93iel)rere  £eite  ober  SDinge,  bie  id)  notraenbig  in  ber  Dcatur 
auf  einmal  überfeinen  mufi,   raenn  fie  ein  ©anjeö   fjeruorbringen 

'■)  Püetique  Frahcaise  T.  II.  p.  501.  J'ecrivais  ces  reflexions  avant  que  les 
30  essais  des  Allemanda  daus  ce  geiire  d'Eglogue)  fussent  ccramis  parnii  nous.  Ils 
ont  execute  ce  que  j'avois  con^u;  et  s'ils  parvienneiit  ä  doimer  plus  au  moral  et 
moins  au  detail  des  peintures  physiques,  ils  excelleront  dans  ce  genre,  plus  riebe, 
plus  vaste,  plus  fecoixl,  et  inrininient  plus  naturel  et  plus  moral  que  celui  de  la 
galanterie  champetre. 

6.  Sean  grancoiS  SDlartnontel  (1723—1709)  bat  außer  ber  hier  citiertert 
J'oetique  francaise  (Sßarie;  1763)  unb  ben  Elements  de  litterature  Charta  1787)  gabls 
reiche  Xragöbien,  Opern,  Stomane  unb  anbere  profaifefie  Sdjriften  ocrfafjt.  —  21.  gran* 
eeoeo  SDlajäUoli  (1503 — 1540),  befaunter  unter  bem  Diamen  ^armeggiauo  ober  ^iar« 
meggianiuo.  —  23f.  S^eS  bem  Stjian  r>ieileid)t  mit  Unrecht  jugefebriebene  ©emätbc  befinbet 
fid)  in  ber  ©alerie  SJorgbefe  in  9iom.  —  30.  l'Eglogue;  aitfjer  .vüeifts  %bt)Uen  bot 
3Harmcmtel  hierbei  jebenfall«  auch  Salcmon  ©efjners  „^rofnibpllen"  (Äürfcbnero  9!ationa!  = 
Sitteratur  33b.  41,  1)  im  Sinne  gehabt. 


106  «aokoon  XVIU. 

fotten,  bem  Sefer  nad)  unb  nacl)  gu^ä^Ien,  um  il)tn  baburd)  ein 
SBtlb  von  bem  (Sangen  maefen  gu  motten:  l)eij3t  ein  Gingriff  beo 
SDidjteri  in  bo§  (Gebiete  beö  Butlers,  roobei  ber  ;Did)ter  oiel  ^mo= 
gmation  olpie  allen  Sftu^en  verfd)ir>enbet. 

£od),  fo  mie  jroei  bittige  freunbfdjaftlidje  Sftcuparn  jroar  5 
nid)t  uerftatten,  bafj  fid)  einer  in  be§  anbern  innerftem  ^Reidje 
ungejietnenbe  ^vrctfjciten  Ijerauönelnne,  rool)l  aber  auf  ben  aufterften 
©renken  eine  roedjfelfeitige  9?ad)ftd)t  l)errfd)en  laffen,  roetdje  bie 
f leinen  Eingriffe,  bie  ber  eine  in  be§  anbern  ©eredjtfame  in  ber 
©efdjroinbigfeit  jid)  burd)  feine  Umftänbe  gu  tfyun  genötiget  fielet,  10 
frieblid)  oon  beiben  teilen  fompenfieret:  fo  aud)  bie  9Jlalerei 
unb  ^oefie. 

£sd)  mitt  in   biefer  2Ibftd)t  nid)t  anführen,    baf?  in  großen 
Ijiftorifdjcn  ©emätben,  ber  einige  2Xugenblid  faft  immer  um  etroas» 
ermeitert  ift,  unb  bafj  fid)  uietteidjt  fein  einjige§  an  Figuren  fetjr  15 
reidjeö  ©tüd  ftnbet,  in  roeldjem  jebe  $igur  uottfommen  bie  93e= 
megung  unb  Stellung  t)at,  bie  fie  in  bem  2(ugenblide  ber  §aupt= 
l)anb(ung  fyaben  foffte;  bie  eine  l)at  eine  etroa§  frühere,  bie  anbere 
eine  etraaö  fpätere.    G§  ift  biefei  eine  ^reiljeit,  bie  ber  s3)teifter 
burd)    geroiffe   geinfyeiten   in   ber  2tnorbnung   rechtfertigen   mufj,  20 
burd)  bie  93erroenbung  ober  Entfernung  feiner  ^perfonen,  bie  ifmen 
an  bem   roa§  nörgelet,  einen  mefyr  ober  roeniger  augenblid'lidjen 
ätnteil  511  nehmen  erlaubet,    %d)  mitt  mid)  blof}  einer  2(nmer!ung 
bebienen,  roeldje  -fterr  Stenge«  über  bie  ©raperie  be§  3tap§ael§ 
mad)t. ')    „2ltte  galten,  fagt  er,  l)aben  bei  ilmi  i()re  Urfadjen,  e§  25 
fei  burd)  ifjr  eigen  ©emid)te  ober  burd)  bie  gieljung  ber  ©lieber. 
9Jiand)mal  fielet  man  in  ifynen,  rote  fie  trorfyer  geroefen;  ütöapfyae! 
l)at  aud)  fogar  in  biefem  23ebeutung  gefud)t.    Man  fielet  an  ben 
galten,  06  ein  Sein  ober  2(rm  uor  biefer  Regung,  cor  ober  fyinten 
geftanben,  ob  ba§  ©lieb  oon  Krümme  §ur  2tu§ftred'ung  gegangen,  30 
ober  gel)et,  ober  ob  es  auSgeftred't  geroefen,  urtb  fid)  frümmet." 
@§  ift  unftreitig,  bajj  ber  Künftlcr  in  biefem  $atte  jroet  uerfd)iebene 

')  ©cbaulen  über  bie  3d)önljeit  unb  über  ben  GJefdmiact  in  ber  SWaletei.    S.  69. 

:;  f.  Imagination,  iriubilbungäfraft,  piantafie.  —  13.  in  biefer  Slbficbt,  b.  0. 
ftinfidit,  ©ejie|ung.  —  »1.  BSermenbung,  luer  nid)t  fooicl  al>3  ©ebraud),  fonbern  gleid) 
„Stbroeubung",  mie  oben  6.  is  g.  n  „oenuenhen".  —  23  ff.  Sie  genannte  Schrift  oon 
Siaptjael  Siengo,  in  güriä)  17,;2  °')"c  Kamen  beS  3?erfaffer§  erfdjienen,  itwrbc  oon  SBinctel- 
mann  (bem  fie  geioibmet  ift)  feljr  gefdjagt  ©ie  ift  neuerbingS  in  ber  ;)iec[amfd)en  £amm= 
lang  neu  herausgegeben  morben.  —  25 — 31.  ®aö  ©leidje  läfst  fid)  aud)  in  ber  gried)ifd)en 
Sfulptur  beobachten;  mit  iHedit  bat  baljer  ©oetbe  bie  ©eioanbung  „bai<  taufenbfad)e  Gd)o 
ber  ©eftalt"  genannt;  f.  geuerbad),  ©rted).  ipiaftU  J,  34. 


ffiaohoon  XVIII.  107 

SIugen&Kcfe  in  einen  einzigen  jufammenbringt.  Senn  ba  bem  $u$e, 
meldet  Ijinten  geftanben  imb  fiel)  norberoegt,  ber  %til  be3  ©e= 
roanbö,  meines  auf  tt»m  liegt,  unmittelbar  folget,  t>a%  ©eroanb 
märe  beim  ium    feljr   fteifem  3^u3e/   bzx  aber  äm\  barum  gut 

5  9Jialerei  gang  unbequem  ift:  fo  giebt  eS  feinen  Slugenblid,  in 
roeldjem  ba§  ©eroanb  im  geringften  eine  anbere  $alte  madjte,  al§ 
e§  ber  ifige  ©tanb  beö  ©liebeö  erfobert;  fonbem  läf$t  man  e§ 
eine  anbere  $alte  madjen,  fo  ift  eS  ber  vorige  2lugenbltd  be§ 
©eroanbe§  unb  ber  i|ige  be§  ©liebeä.    Sern  oljngeadjtet,  raer  mirb 

10  ee  mit  bem  2lrtiften  fo  genau  nehmen,  ber  feinen  Vorteil  babei 
finbet,  um  biefe  beiben  2lugenblidc  jugfetcf)  511  geigen?  2öer  mirb 
it)n  nidjt  r>ielmel)r  rühmen,  bafc  er  ben  33erftanb  unb  ba§  §erg 
gehabt  §at,  einen  foldjen  geringen  A-eljler  511  begeben,  um  eine 
größere  2Jof(fommenf)eit  beö  2(uöbrude3  311  erretten? 

15  ©leidje  9iad)ftdjt  oerbienet  ber  3)icf)ter.    ©eine  fortfdjreitenbe 

9cad)al)mung  erlaubet  iljrn  eigentlid),  auf  einmal  nur  eine  einzige 
Seite,  eine  einige  Gigenfdjaft  feiner  förpertieljen  ©egenftänbe  §u 
berühren.  Slber  menn  bie  glüdlicfje  ©inridjtung  feiner  ©pradje 
iljm  biefeö  mit  einem  einigen  2Borte  31t  tljun  nerftattet,   marum 

20  follte  er  nidjt  aud)  bann  unb  mann,  ein  sroeites1  foldjcS  Söort 
l)ingufügen  bürfen?  SBarunt  nidjt  aud;,  menn  e§  ber  -DJiülje  oer= 
lohnet,  ein  britteo?  Ct>er  rool)l  gar  ein  merte§?  2>d)  l)abe  ge= 
fagt,  bem  £>omer  fei  5.  ®.  ein  ©djiff,  entmeber  nur  ba§  fdjroarje 
©d)iff,  ober  bas  l)ol)Ie  3d;tff,  ober  bo§  fdjneUe  6d;iff,  l)öd)ften§ 

25  ba§  roof)lberuberte  fdnnarje  ©djiff.  3"  oerfte^en  non  feiner  9Jianier 
überhaupt.  .<oier  unb  ba  finbet  fid)  eine  ©teile,  rao  er  ba§  britte 
malenbe  ©pitfjeton  Ijin§ufe|et:  Kaj.i7tvla  xvxXa,  ^aAxga,  ov.xä- 
xvrjuuf)  runbe,  efjeme,  acfjtfpeidjigte  Stäber.  2ludj  ba§  inerte: 
aöitiöa  TtavTOöe   i6\]v,   Kukrjv,   %alK£L)jv,   i'E,i]X(xrov ,  )    ein  Überall 

30  glatte§,  fd)öne§,  el)erne§,  getriebenes  ©djilb.  3Ser  mirb  it)n  barum 
tabeln?  3Ber  mirb  iljm  biefe  fleine  Üppigfeit  nid)t  üielmeljr  £>anf 
roiffen,  menn  er  empfinbet,  meldte  gute  9Sirfung  fie  an  roenigen 
fdjidtidjen  Stellen  Ijaben  fann? 

£>eg    3)id)ter3    forooljl    als    be§    9Jialer§    eigentliche    ^ed)t= 

35  fertigung  hierüber,  mill  id)  aber  nidjt  au§  bem  oorangefd)idten 
©leicfjniffe  non  jroei  freunbfdjaftlidjen  9iacftbarn  hergeleitet  roiffen. 

2)  Iliad    /•:  v    1=2-2. 

3)  Iliad.  M.  v.  296. 

3.  roetdjeS,  tnetteufit  oerfdmeben  für  „welker".  —  12.  ba§  §et'5,  b.  i).  ben  Slut. 


108  €aoho<m  xvi  11 

Sin  blofjcö  ölcidnviä  bemcifet  unb  rechtfertiget  nichts.  Sortbern 
biefcä  mufj  fie  rechtfertigen:  fo  roie  bort  bei  bem  9Jca(er  bie  groei 
ucrftf)iebencn  Slugenblide  fo  nct^e  unb  unmittelbar  an  einanber 
grenzen,  bafj  fie  otjne  3tnftof?  für  einen  einzigen  gelten  fönnen; 
fo  folgen  aud)  In'er  bei  bem  Didjter  bie  mer)rern  $üge  für  bie  5 
oerfdjiebnen  Steile  unb  ßigenfdjaften  im  S^aume  in  einer  folgen 
gcbrängten  ^ürje  fo  fdjnell  auf  einanber,  ba£  mir  fie  alle  auf 
einmal  ju  Ijören  glauben. 

Unb  tjierin,  fage  id),  fömmt  bem  Corner  feine  oortrefftidje 
Spradje  ungemein  gu  ftatten.  Sie  läf3t  ilnu  nidjt  allein  alle  io 
mögliche  7yreif>eit  in  Häufung  unb  3ufammenfet$ung  ber  ^eiroörter, 
fonbern  fie  rjat  and)  für  biefe  gehäufte  23eiroörter  eine  fo  glüdltdje 
Drbnung,  baf$  ber  nadjtciligen  Suspenfion  ifjrer  Sejietjung  baburdj 
abgeholfen  roirb.  2fn  einer  ober  mehreren  biefer  Sßequemltdjfeiten 
feljlt  e§  ben  neuern  Sprachen  burdjgängig.  diejenigen,  als  bie  is 
franjüfifdje,  roetdje  5.  @.  jenes  KafiTtvla  kvkXcc,  %älxea,  oxxaKvrj^ia 
umfdjreiben  muffen:  „bie  runben  Leiber,  roeldje  r>on  (Erg  roaren 
unb  ad)t  Speidjen  Ijatten",  brüden  ben  Sinn  au%,  aber  tierntdjten 
ba§  ©emälbe.  ©leidjraoljl  ift  ber  Sinn  l)ier  nichts,  ba§  ©emälbe 
alles ;  unb  jener  olme  btefeS  madjt  ben  lebtjafteften  2>id)ter  jum  20 
langmeiligften  Sdnuätjer.  Gin  Sdndfal,  baS  ben  guten  §omer 
unter  ber  Jeber  ber  geroiffenljaften  $?rau  tarier  oft  betroffen  t)at. 
Xlnferc  bcutfdje  Spradje  Ijingcgen  fann  graar  bie  b,omerifdjen  Sei= 
mörter  meiftenS  in  eben  fo  furje  gleidjgeltenbe  23eiroörter  oer= 
roanbeln,  aber  bie  norteilljafte  Orbmtng  berfelben  fann  fie  ber  25 
G5ried)iftf)en  nidjt  nadnuadjen.  SBir  fagen  jroar  „bie  runben,  efjemen, 
adjtfpcidjtgtcn"  —  —  aber  „9täber"  fdjteppt  fjinten  nad).  2öer 
empfinbet  nicfjt,  bajj  brei  uerfdnebne  Spräbtfate,  elje  mir  baS  Sub= 
jeft  erfahren,  nur  ein  feljr  fdjroanfeS  üermirrteS  Silb  machen 
fönnen?  2)er  ©riecfje  oerbinbet  baS  Subjelt  gfetd)  mit  bem  erften  30 
Sßräbifate  unb  läf$t  bie  anbern  nachfolgen;  er  fagt:  „runbe  Sväber, 
eljerne,  adjtfpeidngte".  So  roiffen  mir  mit  eins,  raooon  er  rebet, 
unb  roerben,  ber  natürlichen  Crbnung  beS  ©enfenS  gemäfs,  erft 
mit   bem    Singe,    unb    bann   mit   feinen   ,3uftilligfeiten   befannt. 

13.  SuSpcnfion,  b.  b.  .yemmung,  SSerjögerung.  3Bir  gebrauchen  beute  nur  nod) 
b_as  3citiuort  „fuspenbieren"  in  biefem  Sinne.  —  22.  grau  Sacier,  nfll.  oben  ju 
©.  9  3-  -'*■  —  27  ff.  £a5  ift  jebod)  niebt  ganj  riditig,  rote  sabtreidje  iBeifpiele  unferer  Siebter 
feit  Jtofj  unb  Öoctbe  belegen;  namentlich  bei  teuerem  finb  brei  oerfebiebene  ^räbifatc  cor 
bem  cubjeft  burdmuo  riebt  feiten,  man  braucht  nur  an  ben  Sltfong  ber  "\pbigenic  ju 
erinnern. 


ffiaohoon  xvni.  109 

liefen  üßorteü  l)at  unfere  Spraye  nid)t.  Dber  fott  itf)  jagen,  fie 
()at  iljn  unb  fanrt  ifjn  nur  feiten  ofyne  ßroetbeutigfett  nullen? 
Söetbeä  ift  eins.  Senn  wenn  mir  33eiroörter  Ijmtetmadj  fe^en 
motten,  fo  muffen  fie  im  statu  absoluto  fielen;  mir  muffen  fagen: 

5  runbe  Stäber,  efjern  unb  ad)tfpeid)igt.  2(ffein  in  biefem  statu 
fomtnen  unfere  Stbjectiva  vültig  mit  ben  2lbverbii3  überein,  unb 
muffen,  menn  man  fie  als  foldje  gu  bem  näd)ften  geitroorte,  bas 
von  bem  Singe  probieret  roirb,  gießet,  nid)t  feiten  einen  gang 
falfdjen,  attegeit  aber  einen  feljr  fdjielenben  (Sinn  verurfadjen. 

10  Sod)  id)  Ijalte  mid)   bei  ^leinigfeiten  auf,  unb  fdjeine  baS 

Sdjilb  vergeffen  gu  motten,  baS  ©d)iib  beS  2td)iffeS;  bicfeS  be= 
ritlimte  ©emälbe,  in  beffen  9iüdfid)t  vornefymtid),  Corner  vor  alters 
als  ein  Sefjrer  ber  äJlalerei4)  betrachtet  mürbe,  ©in  (5d)ilb,  roirb 
man  fagen,  ift  bodj  root)t  ein  eingelner  förperlidjcr  ©egenftanb, 

15  beffen  33efd)reibung  nad)  feinen  leiten  neben  cinanber,  bem  Sid)tcr 
nidjt  vergönnt  fein  fott?  Unb  biefeS  ©djüb  f>at  £omer,  in  mefjr 
als  l)imbert  prächtigen  Werfen,  nad)  feiner  Materie,  nad;  feiner 
g-orm,  nad)  alten  Figuren,  roeld)e  bie  ungeheure  $läd)e  beSfelben 
füttten,  fo  umftänblid),  fo  genau  befd)rieben,  baf$  eS  neuern  Älünftlern 

20  nidjt  fdjmer  gefallen,  eine  in  allen  Stütfen  übereinftimmenbe 
3eid)nung  barnad)  gu  madjen. 

$d)  .antworte  auf  biefen  befonbern  ©inrourf,  —  baf$  id) 
bereite  barauf  geantmortet  l)abe.  -Öomer  malet  nämlid)  baS  ©d)ilb 
mdjt    als  ein  fertiges,   vollenbeteS,    fonbem   als  ein   merbenbeS 

25  <Sd)ilb.  Gr  I)at  alfo  aud)  l)ier  fid)  beS  gepriefenen  ®unftgriffeS 
bebienet,  baS  ^oeriftierenbe  feines  33orrourfS  in  ein  ^onfefutiveS 
§u  vcrroanbetn,  unb  baburd)  aus  ber  langtveiligen  Malerei  eines 
Körpers,  baS  lebenbige  ©emälbe  einer  -öanblung  gu  machen.  9Sir 
fetjen  nid)t  bas  Sd)ilb,  fonbern  ben  göttlidjen  9Jteifter,   roie   er 

30  baS  <3d)ilb  verfertiget.  @r  tritt  mit  Jammer  unb  S^ige  *>or 
feinen  2tmbof5,  unb  nad)bem  er  bie  platten  auö  bem  gröbften 
gefdjmiebet,  fdjroetlen  bie  Silber,  bie  er  gu  beffen  2luSgierung 
beftimmet,  vor  unfern  2tugen,  eines  nad)  bem  anbem,  unter  feinen 
feinern  '2d)tägen  aus  bem  Grge  tjervor.     ©Ijer  verlieren  mir  tt)n 

35  *)  Pionysius   Halicarnass.    in  Vita  Homeri    apucl  Th.   Gale  in    OpilSC.  Myihol. 

p.  401. 

4.  im  statu  absoluto,  alfo  nidit  befluüert.  —  5.  runbe  ...  ad)tfpcid;igt; 
aud)  bieg  roirb  tuxd)  bie  moberne  SMditung  roiberlegt,  roeldje,  roeim  aud)  feltener,  aud) 
nadjgefe^te  <präbifate  in  ben  gleichen  Äafus  fe^t,  roie  baö  üubjeft,  511  bem  fie  gehören.  — 
iL.  »ergeffen  5U  rootlen;  in  ber  §bfdir.  urfyrünglid)  „ju  nergeffett".  —  3-' ff.  f cf> ro e  1  = 
len  fjeroor,  roeil  Seffing  getriebene  Slrucit  für  ben  üldjillesfdjüb  annimmt;  bod)  roar  bie 


HO  Caokoon  XVI 11 

nid;t  roieber  am  bem  ©eftdfjte^   5i§  etiles  fertig  ift.     9hm  ift  eö 

fertig,  unb  mir  erftaunen  über  ba§  Uikrf,  aber  mit  bem  gläubigen 
(i'rftaunen  eines  STugengeugen,  ber  es  machen  fefjen. 

iDiefe§  täf^t  fid^  uon  bem  2d)ilbe  bes  2tenea3  beim  Birgit 
nidjt  fagen.  35er  römtfdje  IDidjter  empfanb  entroeber  bie  ^einljeit  5 
feme§  9)iufters"  b,ter  nid)t,  ober  bie  2)inge,  bie  er  auf  fein  ©djilb 
bringen  wollte,  f dienen  itjm  von  ber  3(rt  ju  fein,  bafc  fie  bie 
3Tu§fü|rung  oor  unfern  2lugen  nidjt  roo()l  uerftatteten.  @§  maren 
^roplje^eiungen,  »on  meldten  eö  freilief)  unfdjidlid)  geraefen  märe, 
menn  fie  ber  ©Ott  in  unferer  ©egenroart  ihm  fo  beutlid)  geäußert  io 
tjätte,  als  fie  ber  ©idjter  rjernad)  ausleget,  SJkopJjejeumgen,  als 
^ropljejeiungen,  ocrlangen  eine  bunfelere  Spradje,  in  meldte  bie 
eigentlichen  9camcn  ber  Sßerfonett  au§  ber  3UI"nft/  bie  fie  be= 
treffen,  nidjt  paffen.  ©leidpoorjl  lag  an  biefen  mal)rl)aften  tarnen, 
allem  2(nferjen  nad),  bem  5Dict)ter  unb  ^ofmanne  l)ier  baS  meifte.5)  15 

5)  2jd)  finbe,  bafc  Semius  bem  Sßirgil  eine  anbere  gntfduilbigung  teilet.    Senn  aud) 
Seruius  f)at  ben  Unterfdiicb,   ber  sroifdjen  beiben  ©d)ilben   ift,  bemerft:   Saue  interest 
inter  liunc  et  Homeri  Clypeum:  illie  eniin  singula  dum  tiuut  uarrantur;  hie  vero 
perfecto  opere  uoscuutur:  liam  et  bie  arma  prius  aeeipit.  Aeneas,  quam  speetaret; 
ibi    postquam    omnia    narrata    sunt,    sie   a   T&etide   deferuntur   ad   Acbillem   (ad  20 
v.  625.  lib.  VIII.  Aeueid.i.    Unb  warum  biefeä?    Sarum,  meinet  SeroiuS,  weil  auf  bem 
Sdnlbe  bes  2leneas,  nid)t  blofj  bie  wenigen  23egebenbeiten,  bie  ber  Sidjter  anführet,  fonbem, 
—     —     —     — ■     genus  onme  futurae 
Stirpis  ab  Ascanio ,  pugnataque  in  ordine  bella 
abgebilbet  waren.    SBie  wäre  es  alfo  tnöglid)  gewefen,  baß  mit  eben  ber  ©efdjroinbigfeit,  25 
in  rocldier  Sjulcan  bas  gdjilb   arbeiten  mußte,  ber  Sidjter  bie  ganje' lange  9teit)e  oon 
3}ad)fommeu  bjitte  namhaft  madien,  unb  alle  Don  ilniett  nad)  ber  Drbnung  geführten  Kriege 
bätte  erroatjnen  tonnen?    Siefes  ift  ber  Skrftanb  ber  etroas  bunfeln  ÜBorte  bes  Senuus : 
Opportune  ergo  Virgilius,  quia  non  videtur  simul  et  narratioiiis  celeritas  potuisse 
conneeti,   et    upus  tarn    velociter   expediri,    ut    ad   verbum   posset   oecurrere.     Sa  30 
ajirgil  nur  etroas  weniges  «on  bem  non  enarrabili  texto  Clypei  beibringen  fonnte,  fo 
tonnte  er  es  nid)t  wiiljrenb  ber  StrBeit  beS  Sßulcanus  fetbft  tfjun;   fonbem  er  mußte  es 
oerfparen,   bis  alles  fertig  war.    °$d$  wünfefite  für  ben  SJirgil  feljr,  biefes  Siaifonnement 
bes  Seruius  märe  ganj  ofjne  ©runb;  meine  Gutfdnilbigiing  mürbe  ifjm  weit   rütnnlid)er 
fein,     ©enn  mer  bieft  ii)tn,   bie   gauje  römifdje  ©efdjidjte   auf   ein  Sdjilb   bringen?    3JMt  35 
wenig  Wcmälben  madjte  £omcr  fein  ©d)ilb  ju  einem  Inbegriffe  non  altem,  mas  in  ber 
Sßelt  Dorgeljet.    8d)einet  es  nid;t,   als  ob  SBirgil,  ba  er  ben  Öiriecben  nidjt  in  ben  Cor* 
nfirfen  unb  in  ber  Slusfübrung  ber  ©emälbe  übertreffen  fönnen,  ib,n  roenigftens  in  ber 
Stnja^I  berfelßen  ItBertraffen  mollen?    Unb  was  märe  finbifdjer  gemefen? 

lahmt,  roeldje  ferner  im  Sinne  Ijatte,  jebenfalls  eine  anbere,  nämlidi  bie  fog.  Gmpäftif, 
wobei  bie  ehtjelnen  Figuren  in  bünnem  2ßetaU6Ied)  ausgefdinitteu  unb  bann  auf  ben 
Örunb  befeftigt  ober  eingelegt  würben. 

1  f.  Sjn  neuefter  3eit  ift  äSirgils  3d)ilbbefd)reibung  mel;rfad)  gegen  Seifing  uerteibigt 
roorben;  f.  Süiuioier,  Seitrag  jur  oergleidjenben  ©rflärung  ber  Sdjilbepifoben  in  Homers 
Slias  un'b  Birgits  l'leneis.  *|irogr.  oon  Oberbollabrunu  1881;  unb  3.  SJSIüfj,  Sergtl  unb 
bie  epi|'d)c  flunfi  (Seipjifl  18*4)  2.  -Tuff.  —  15.  bem  SDt^ter  unb  ^ofmanue;  ber 
Sclülb  bes  ilncai  ift  proleptifd)  mit  ©cenen  aus  ber  römifdicn  ©efdjidjte  gefdnuüdt,  wobei 
es  bem  SSirgil  wefentlid)  barauf  auf  am,  bem  x'luguftus  etroas  Sdimeidielbaftes  ju  fagen; 
baber  l)ier  bie  Sejeit^nung  als  „vuifnmuu".  —  16.  leil;et,  wie  oben  3.  DT  3.  28,  fo  Diel 
aß  unterlegt.  —  üx.  SSerftanb,  früher  fclir  Ijäufig  in  ber  Sebeutung  dou  Sinn  ge= 
braudit;  beute  feiten,  am  geroöbnlidiften  nod)  in  ber  Seröinbung  „Sinn  unb  SSerßanb".  — 
35.  l)ief;  ibm;  man  fonftruiert  beute  Deifien  lieber  mit  bem  Mccufotit),  obgleid)  and)  ber 
Xaüv  baneben  uodi  gebräiublidi  ift. 


faohoon  XVJll.  111 

Sßenn  i()n  aber  biefe§  entfdjulbiget,  fo  [jebt  eS  barurtt  ntd)t  aud) 
bie  üMe  Söirfung  auf,  meiere  feine  3(brocid)ung  von  bem  fyomerifdjen 
SBege  r)at.  Scfer  von  einem  feinern  ©efdjtnacfe,  roerben  mir  redjt 
geben.  3)ie  2(nftalten,  meldte  Sßulcan  51t  feiner  9lrbeit  mad)t, 
5  finb  bei  bem  33irgtf  ungefähr  eben  bie,  roeld)e  tf»n  .vSomcr  madjen 
täjjt.  2(ber  anftatt  baf}  mir  bei  bem  Konter  nid)t  btofs  bie  3(n= 
ftalten  §ur  2(rbeit,  fonbem  aud)  bie  Strbeit  felbft  31t  feigen  be= 
fommen,  läfct  Birgit,  nadibem  er  uns  nur  ben  gefdjäftigen  ©ort 
mit  feinen  ßnflopen  überhaupt  gejeiget, 

10  Ingentem  Clypeum  informant  —  — 

—  —  Alii  ventosis  follibus  auras 
Accipiunt,  redduntque;  alii  stridentia  tingunt 
Aera  lacu.     Gemit  impositis  ineudibus  autrum. 
Uli  inter  sese  multa  vi  brachia  tollunt 

15  In  numerüm,  versantque  tenaci  foreipe  massam.  c) 

ben  äSorjjang  auf  einmal  nieberf alten,  unb  werfest  un§  in  eine 
gang  anbere  ©cene,  non  ba  er  un§  affmärjüd)  in  baS  £()al  bringt, 
in  roeid)em  bie  3Senu§  mit  ben  inbeS  fertig  geworbenen  SSaffen 
bei  bem  Steneaö  anlangt,     ©ie  lehnet  fie  an  ben  ©tamm  einer 

20  Gid)c,  unb  nadjbem  fie  ber  £>elb  genug  begaffet,  unb  beftaunet, 
unb  betaftet,  unb  nerfudjet,  fiebt  fid}  bie  Sefdjreibung,  ober  ba§ 
©emälbe  be§  ©d)übe§  an,  roeld)e§  burd)  ba§  eroige:  §ier  ift,  unb 
©a  ift,  9ta()e  babei  fielet,  unb  9iid)t  roeit  banon  fielet  man  — 
fo  falt  unb  (angroeitig  roirb,  baf?  äffe  ber  poetifd)e  ©djmud,  ben 

20  üjm  ein  23irgtf  geben  fonnte,  nötig  mar,  um  e3  unZ  nidjt  uner= 
träglid)  finben  gu  laffen.  £>a  btefe§  ©emälbe  fyiernädjft  nidjt 
SleneaS  mad}t,  a(§  roeld)er  fid)  an  ben  bloßen  Figuren  ergebet, 
unb  von  ber  33ebeutung  berfelben  nid)tö  roeifj, 

■ —  —  rerumque  ignarus  imagine  gaudet; 

30  and)  nidjt  33enu§,  ob  fie  fd)on  von  ben  tunftigen  ©djidfalen  iljrer 
lieben  Gnfet  nermutlid)  eben  fo  tuet  roiffen  mufjte,  al§  ber  gut= 
roilüge  Gfjemann;  fonbern  ba  e§  au§  bem  eigenen  9Jiunbe  be§ 

«)  Aeiieid.  lib.  VIII.  v.  447— 54. 

17.  tton  ba,  relatiuifd)  für  „tum  it>o";  wir  pflegen  nur  nod)  ba§  gürroort  ber, 
beffen,  relatiuifd)  jn  gebraudjen,  nidjt  meljr  bie  Vortiteln  ba,  bannen  it.  bgt.  —  21  f.  Ijebt 
fid)  ...  an,  jefct  roirb  anheben  in  geroätjlter  Siebe  niefit  refUr.ii)  gebraudjt.  Qm  SBolfS* 
lnunb  b,at  fid)  ebenfo  „fid)  anheben"  wie  „fid)  anfangen"  erhalten.  —  31  f.  ber  gut  = 
rotltige  (Seemann;  abfidjtlidi  ironi(d),  ba  SSulfan,  ber  flünftter  bc§  t=diübe3  unb  ®e= 
tnafjl  ber  S8enu§,  nid)t  ber  9If)nf)err  biefer  dnfel  (ber  Diömer)  roar,  fonbern  2lndnfe3,  ber 
©eliebte  ber  SSenuS  uttb  Sater  be§  J(nea3. 


112  ffaokoon  XIX 

Xidnevo  tömmt:  fo  bleibt  bie  $anblung  offenbar  roäljrenb  bem= 
leiben  fteben.  .Heine  eingtge  uon  feinen  sJ>erfonen  nimmt  baran 
teil;  e§  bat  and)  auf  ba§  gtofgenbe  nidjt  ben  geringften  ©influfj, 
ob  auf  bem  Sd)ilbe  biefeö,  ober  etroas  anbers,  oorgefteftet  ift; 
bei*  tm|tge  ^ofmann  leudtfet  überaß  burd),  ber  mit  allerlei  5 
lci)ineid;eU)aften  2lnfi)ielungen  feine  Materie  auffindet ,  aber  nidjt 
ba§  grof$e  0enie,  baö  fidj  auf  bie  eigene  innere  Starte  feineo 
üEkrfs  üerläftf,  unb  alle  äufjere  bittet,  intereffant  31t  werben, 
oerad)tet.  S)a§  ©djtlb  bes  Steneaö  ift  folglid;  ein  maljreö  ®in= 
fd'icbfel,  eingig  unb  allein  beftimmt,  bem  üftationatftofge  ber  Körner  10 
gu  fdjmcidjcln;  ein  frembes  Sädjlein,  bao  ber  35i<$ter  in  feineu 
Strom  leitet,  um  irjn  etraaö  reger  gu  madjen.  2)as  Sdnlb  beö 
2(d)ilteö  rjingegen  ift  ouwadjs  beö  eigenen  frudjtbaren  33oben§; 
benn  ein  Sdjilb  mufjte  gemalt  merben,  unb  ba  baö  9?otmenbtge 
au§  ber  §anb  ber  ©otttjeit  nie  obme  2(nmut  fömmt;  fo  mufjte  15 
baö  Sd)ilb  aud)  Verzierungen  fyaben.  Slber  bie  ^unft  mar,  biefe 
Verzierungen  als  blofze  Verzierungen  gy  bel)anbeln,  fie  in  ben 
Stoff  einzuweben,  um  fie  unö  nur  bei  ©e(egenb,eit  be§  Stoffes 
zu  geigen;  unb  biefeö  lieft  fidj  aHein  in  ber  3Jianier  bes  Römers 
tl)un.  Corner  läfjt  ben  Vulcan  3iernten  fünftein,  meil  unb  in=  20 
bem  er  ein  Sdjilb  madjen  fott,  bas  feiner  roürbig  ift.  Virgil 
bingegen  fdjeinet  ifjn  bas  Sd)ilb  megen  ber  gieraten  uuidjen  gy 
laffen,  tia  er  bie  geraten  für  roidjtig  genug  l)ält,  um  fie  be= 
fonberö  gu  befdjreiben,  nadjbetn  bas  Sdjilb  lange  fertig  ift. 

XIX.  25 

2>ie  Ginuüirfe,  meldje  ber  ältere  ©fertiger,  ^errault,  3>er= 
raffon  unb  anbere  gegen  bas  Sdjilb  Römers  madjen,  finb  befannt. 
Ci'benfo  befannt  ift  ba§,  raaö  2>acier,  Voioin  unb  ^ope  barauf 
antmorten.  9Jltdj  bünft  aber,  baf?  biefe  lettfern  fid)  mandmtal  gy 
meit  einlaffen,  unb,  in  3ur>erfid)t  auf  iljre  gute  Satfje,  LDinge  bc=  30 

2Gf.  Jjultuä  Eäfar  ©caliger  (1484— 1558,  ber  ältere  genannt  im  ©egenfalje  in 
feinem  eoljne  gofep$  gttftu"".,  1540— Uio9)  fjtmbelte  über  ben  "jomerifdjen  ©diüb  in  feinen 
Poeticea  libri  VII,  (Senf  1561 ;  Efiarleiä  Sßerrault  (l<;2s— nu3)  in-ber  ParaUele 
deä  anciena  et  des  modernes,  SporiS  I688ff.,  unb  Csean  Scrroffon  (tt'TO— 1750)  in 
ben  Diseertationa  critiques  sur  l'Iliade  d'Homere,  SJSariS  1715.  —  28.  Ülnbre 
Sacicr  (1651—1722)  in  feinem  flommentat  }ur  ^oetif  bes  SlriftOtelesS,  Sparte  1692; 
gean  SSoioin  be  SBüleneuoe  (u;4;t— 1724)  in  feiner  Apologie  d'Homere  et  du 
bouclier  d'Achüle,   SPariS  1715;   unb  ber  Sirfiter  21  lejanber  ijiope  (16S8— 1744)  im 

iii  feiner  '}jomeriiBerfe|ung  in  ben  ObBervations  ou  tho  shield  of  Achilles.  Sie 
neuere  fel;r  Umfangreidje  Sitterotur  über  biefen  ©eaenftönb  f.  in  meinem  fflommcntnr  »uttl 
5.'notoen  S.  G29  (2.  Slufl.i. 


ffaohoon  XIX.  113 

Raupten,  bie  eben  fo  unrichtig  ftnb,  als  roenig  fie  jur  9tedjtfertigung 
be3  2)id)ter§  beitragen. 

Um  bem  -£>aupteinmurfe  ju  begegnen,  baß  Corner  ba§  ©d)ilb 
mit  einer  50^enge   Figuren  anfülle,  bie  auf  bem  Umfange  be§= 

5  felben  unmögtid)  9taum  Ijaben  fönnten,  unternahm  Sabin,  e§  mit 
SSemerfung  ber  erforberlidjen  9[ftaße,  getanen  511  laffen.  ©ein 
(Einfall  mit  ben  nerfdjiebenen  fonjentrifdjen  3^^^  i"ft  feljr  fintv 
reid),  obfd/on  bie  SBorte  be§  25id)ter3  ntc^t  ben  geringften  Stnlafj 
baju  geben,  aud)  fid;  fonft  feine  ©pur  finbet,  ba|  bie  2llten  auf 

10  biefe  Slrt  abgeteilte  ©djilber  gehabt  haben,  ©a  e§  §omer  felbft 
6aKog  ndvtoös  ÖEÖaidaX^ihov^  ein  auf  allen  ©eiten  tunftlid)  au§= 
gearbeitetes  ©cfyilb  nennet,  fo  mürbe  idj  lieber,  um  mejjr  Sftaunt 
auSjufparen,  bie  fonfane  $lädje  mit  ju  .£nlfe  genommen  Ijaben; 
benn  es>  ift  befannt,  baß  bie  alten  ^ünftler  biefe  nicr)t  leer  liefen, 

15  roie  ba3  ©djilb  ber  9Jiineroa  üom  SßfyibiaS  beroeifet. J)  ©od) 
nidjt  genug,  baß  fidj  Soiüin  biefeS  üBorteilS  nidjt  bebienen  molfte; 
er  uermel)rte  aud)  ofjne  9?ot  bie  33orfteIlungen  felbft,  benen  er 
auf  bem  fonadj  um  bie  £>älfte  r-erringerten  9faume  $la|  t)er= 
fdjaffen  muffte,  inbem  er  ba§,  raa§  bei  bem  ©idjter  offenbar  nur 

20  ein  einjigeS  S3ilb  ift,  in  groei  bi§  brei  befonbere  Silber  ^erteilte. 
$jdj  meiß  raoljt,  ma§  ilm  baju  bemog;  aber  e§  f»ätte  ilm  nidjt  be= 
roegen  follen:  fonbern,  anftatt  baß  er  fid)  bemühte,  ben  $obe= 
rungen  feiner  ©egner  eine  (Genüge  51t  leiften,  Ijättc  er  i  luxen  jeigen 
fallen,  baß  iljre  $oberungen  unrechtmäßige  mären. 

25  £>d)  merbe  mief)  an  einem  Seifpiele  faßlicher  erllären  lönnen. 

SEBenn  §omer  üou  ber  einen  ©tabt  fagt:2) 

Actoi  8'   tlv  ccyoQi]  eatxv  (x&qooi'  tv&cc  8s  vsfaog 
'SIqwqel'  8vo  8'  uvSqsg  svilksov  si'vs%a  TtoCvqg 
'AvSgög  aitocpQ'ipivov'  6  psv  stt%sro,  navx    anoSovvocL, 
30  zhfftra  TZLcpavoncov ■  o  8'  ccvcclvsto,  (ir]8sv  elsad'ca' 

"s}{l(pCO    8'     LSO&1]V    STll    IGZOQL    TtSLQCXQ    Eli09<Xl. 

Aaol  8'   a^cpozSQOtoiv  S7t7]7ivov,  a^icpig  ctgcoyoi' 
KrJQVKtg  8'   äqa  Xccbv  SQiqxvov  ol  8s  ysQOVtsg 

■)  —  Scuto  ejus,   in  quo  Amazonum   praeliura   caelavit  intuniescente    ambitu 
85  parmae;  ejusdem  conoava  parte  Deorura  et  Gigautum  diniicationem.     Plinius  üb. 
XXXVI.  Sect.  4.  p.  726.  Edit.  Hard. 
2)  Iliad.  2.  v.  497—508. 

6  ff.  Sn  gteidEier  SBeifc  neljmen  cuicf)  bie  meifteu  ber  neueren  ©ehrten  bie  Serteidmg 
ber  Söilber  auf  bem  21rf)illeöfc()ilbe  cor.  — 15.  ba3<Sd)itb  ber  3)2  in  er  oa  oom  ^f)ibia§; 
c§  ift  bie  golbelfenbeinerne  Statue  ber  SUfjene  beä  iu;ibia§  im  ^artfyenou  gemeint. 

2effing§  Sffierfe  9.  8 


114  -ffaokoon  XIX. 

Kuit    int  gtßzoLCL  li&oig,  LSQta  ivi  jti'/tAoo- 
2xrjrtTQ<x  äi  hijqvxwv  iv  %£Q6'   i%ov  i}tQOcpcov(av. 
Toioiv  intiz    i'fCaaov,  a[ioißi]dlg  d'  tdiKafrv. 
KtLto  d'   ap'    iv  [ibCC0L6i  dvo  %qvoolo  xdlcivxa  — 

fo  glaube  idj,   fjat   er  nidjt  meljr  als  ein  eingigeS  ©ema'Ibe  an-  5 
geben  motten:  ba§  ©emälbe  eme§  öffentlichen  ^Kedjtsljanbels  über 
bie  ftreitige  (Stfegung  einer  anfeljulidjen  ßklbbufje  für  einen  uer= 
übten  £otfd)lag.     £)er  Münftler,  ber  biefen  SBömrorf  ausführen 
foll,  fann  fid;  auf  einmal  nidjt  meljr  als  einen  einigen  2tugen= 
blid  beSfetben  5U  nu|e  machen;  entroeber  ben  Stugenblid  ber  2ln=  10 
flage,  ober  ber  3(bljörung  ber  3engen,  ober  be§  UrtelfprudjeS,  ober 
melden  er  fonft,  uor  ober  nad),  ober  gtütfd^en  biefen  2(ugenbliden, 
für  ben   bequemften   Ijält.     liefen  einzigen   3lugenblid  mad)t  er 
fo  prägnant  n>ie  möglich,  unb  füljrt  il)n  mit  allen  ben  £äufdjun= 
gen  au§,  meldje  bic  $unft  in  ©arfteltung  fidjtbarer  ©egenftünbe  15 
»or   ber  ^oefic    voraus    jjat.     Von   biefer  Seite  aber  unenblidj 
jurüdgelaffen,  roa§  fann  ber  SMdjter,  ber  ^bm  biefen  Voramrf 
mit  Sorten  malen  foll,  unb  nidjt  gänjlitf)  uerunglüden  mill,  an= 
berS  tljun,  als  bafj  er  fid;  gleichfalls  feiner  eigentümlichen  Vor= 
teile  bebienet?    Unb  meldjeS  finb  biefe?    Sie  $reil)eit  fid)  fomoljl  20 
über  baS  Vergangene  als  über  baS  ^olgenbe  beS  einzigen  9lugen= 
blideS  in  bem  iUtnftmerf'e  auszubreiten,  unb  baS  Vermögen,  fo= 
uadj  unö  nidjt  allein  baS  §u  geigen,  maS  uns  ber  $ünftler  geiget, 
fonbem  aud)  baS,  maS  uns  biefer  nur  fann  erraten  laffen.    2)urdj 
biefe  $reitjeit,  burd;  biefe§  Vermögen  allein,   fömmt  ber  SDidjter  25 
betn  ttünftler  mieber  bei,  unb  it)re  SBerfe  raerben  einanber  al§- 
benn  am  aljnlidjften,  roenn  bie  Sßirfung  berfelben  gleid;  lebhaft 
ift;   nidjt  aber,  roenn  baö  eine  ber  ©eele  burd;  baS  Dljr  nidjt 
mein  '■''ber  weniger  beibringet,   als   baS  anbere  bem  Singe  bar= 
ftellen   fann.     DJadj   biefem   ©runbfatje   Ijätte  SBoitnn   bie  ©teile  30 
beS  MomerS  beurteilen  folten,  unb  er  mürbe  nidjt  fo  üiel  befonbere 
töemälbe   barauS    gemadjt    Ijaben,   alo    ucrfdjiebne  geitpunfte   er 
barin  511  bemerfen  glaubte.     GS  ift  maljr,  eS  tonnte  nidjt  moljl 
alles,  maö  §otner  fagt,  in  einem  einzigen  ©emälbe    verbunben 
fein;    bie    Vefdjulbigung    unb   Slbleugnung,    bie   ©arftellung   ber  35 
Beugen  unb  ber  $uruf  beS  geteilten  VolfeS,  baS  Veftreben  ber 
§erolbe  ben  Tumult  31t  ftillen  unb  bie  3tuf$erungen  ber  3d;iebS= 

it.  prägnant,  nag  Seffing  fonft  aud;  fruchtbar  nennt.  —  86 f.  beifommen,  b.  I). 
r..-.l)c  tommen,  erreichen. 


ffaohocn  xix  115 

ridjter,  finb  ©inge,  bie  auf  einanbcr  folgen,  unb  nidjt  neben  ein= 
anbei  bcfteben  tonnen.  SDodj  roaS,  nm  midj  mit  her  (Bdjitle  au3= 
jubrütfen,  nid)t  actu  in  bem  ©emälbe  enthalten  xoax,  ba§  tag 
virtute  barin,  nnb  bie  einjige  iüaf)re  2lrt,  ein  materielle^  ©e= 

.-.  mälbe  mit  Porten  nadj^uuijilbern  ift  bie,  bajj  man  ba§  l'ettfere 
mit  bem  mirflid)  Sidjtbaren  nerbinbet,  nnb  fidfj  nidjt  in  ben 
©djranfen  ber  $unft  bjält,  innerhalb  ineldjen  ber  Ridjter  groar  bie 
5Data  51t  einem  ©emälbe  Ijerjätjlen,  aber  niinmenneljr  ein  ©e= 
mälbe  felBft  fjernorbringen  fann. 

10  ©leidjermeife    gerteilt   23oinin    ba§  ©etnaTbe    ber    bewerten 

©tabt3)  in  brei  r>erfd)iebne  ©emälbe.  @r  tjätte  es>  eben  fo  moljl 
in  jmölfe  teilen  tonnen  als  in  brei.  SDenn  ba  er  ben  ©eift  be§ 
H)idjter§  einmal  nidjt  faf}te  unb  oon  ifjtn  verlangte,  bafj  er  ben 
ßinljeiten  be§  materiellen  ©emälbeö    fidj    unterraerfen  muffe:   fo 

15  ()ätte  er  roeit  mefjr  Übertretungen  biefer  (Sinr)eiten  finben  tonnen, 
bafj  e§  faft  nötig  getoefen  märe,  jebem  befonbern  3"ge  be§ 
2>id)ter§  ein  bcfonbereS  $elb  auf  bem  ©djilbe  ju  beftimmen. 
■SReineo  Gradjtenö  aber  tjat  Corner  überhaupt  nidjt  metjr  als  gefm 
»erfdjiebene  ©emälbe  auf  bem  ganjen  ©djilbe;  bereu  jebeS  er  mit 

20  einem  sv  {ikv  erev'E,E,  ober  Iv  öe  Ttohjos,  ober  sv  <T  £«'{)•«,  ober 
iv  de  noimllE  ,A(.upiyvi]eig  anfängt.4)  2So  biefe  (SingangSraorte 
nidjt  fielen,  tjat  man  fein  9Mjt,  ein  befonbereS  ©emälbe  anju= 
ncljmen;  im  ©egenteil  mufj  atleZ,  roa§  fie  nerbinben,  atz  ein 
einziges   betrachtet  roerben,   bem   nur  blofs  bie  millfürlidje  $on= 

25  gentration  in  einen  einigen  3ettpunft  mangelt,  als  metdje  ber 
Ridjter  anjugeben,  teineSroegeS  gehalten  mar.  3>ielmet)r,  fjätte  er 
ifm  angegeben,  fjätte  er  fidj  genau  baran  gehalten,  tjätte  er  nidjt 

3)  v.  509— 540. 

4)  Sa§  erfte  fängt  an  mit  ber  433ten  3e'"e»  un*>  9ef>et  bis  jur  4S9ten;  <ba§  siueite 
30  oon  490—500;  ba3  britte    »on  510—540;    ba§   oiertc    oon  541—549;    ba§   fünfte  oon 

550—560;  ba§  fedifte  oon  561— 572;  baö  fiebente  oon  573— 586;  baS  adjte  oon  587— 589; 
ba3  neunte  oon  5h0— 605;  unb  bo§  äetmte  »on  606 — 608.  SSIofj  ba§  britte  ©emälbe  fiat 
bie  angegebenen  Gingang3toorte  nidjt;  es  ift  aber  au§  ben  bei  bem  jtoeiten,  h  dk  duw 
Hohjae  nula;,  unb  aus  ber  Sefd&affentiett  ber  Sac^e  felbft  beutlid)  genug,  bafj  c§  ein 
35  befonbcr§  ©emälbe  fein  tnujj. 

2.  mit  ber  Sdjule,  nämlid)  mit  bei;  Terminologie  ber  pfrilofopfnfdjen  Scbulcn  be3 
3)tittclalterö ,  bei  benen  actu  unb  virtute  Überfettungen  ber  airiftotclifcftcn  begriffe  tvig- 
ysitt  unb  düntm-  finb;  beutfd)  fönnte  man  fagen:  „2Ba§  ntdit  au?gefüfn-t  in  bem  ©e= 
mälbe  cnttjalteu  war,  ba>3  lag  inljaltlid)  barin."  —  14.  Ginbeiten  bei  materiellen 
©emälbe 5,  bie  Giniieiten  von  ^anblung,  Ort  unb  3ei'»  meldie  bie  franjöfifclje  Slftljeti! 
i»«i  ®efe|  für  bie  Malerei  erb,ob.  —  18  ff.  Sie  Einteilung  ber  ©emälbe  bc3  :Kd)illeöfcf)ilbe3 
burdj  Seffmg  l;at  bei  ber  mobernen  ^pfjilciiogie  faft  burdjgängig  ^Billigung  gefunben.  —  25. 
tu  einen  einjigen  3eitpuntt;  bie  £bfd)r.  fjat  urfprünglict)  „in  einem  einzigen  3eit» 
puntt",  ma§  an  fid;  audj  ftefjen  fönnte. 


116  4'aokoon  XIX. 

ben  geringften  3^9  einfließen  laffen,  ber  in  ber  mirtlidjen  2(u§= 
ftiljrung  nidjt  bamit  31t  oerbinben  roäre;  mit  einem  SBorte,  fjätte 
er  fo  verfahren,  wie  feine  Gabler  es  «erlangen:  e§  ift  roaljr,  fo 
würben  biefe  Ferren  Ijier  an  iljm  nidjtS  au§jufe|en,  aber  in  ber 
%l)at  audj  fein  SÜienfdj  von  ©efdjtnad'  etraa§  §u  beraunbern  ge=  5 
funben  Ijaben. 

Sßope  ließ  fidj  bie  (Einteilung  unb  Widmung  ^e§  ^3oit)in  nidjt 
allein  gefallen,  fonbem  glaubte  nodj  etraaä  ganj  befonberS  ju  tfjun, 
wenn  er  nunmeljr  audj  geigte,  baß  ein  jebe§  biefer  fo  gerftüdten 
©emälbe  nadj  ben  ftrengften  Regeln  ber  heutiges  £age§  üblidjen  10 
SJJtalerei  angegeben  fei.  kontraft,  ^erfpeftb,  bie  brei  (Sint)eiten ; 
alle§  fanb  er  barin  auf  ba§  befte  beobachtet.  Unb  ob  er  fdjon 
gar  rooljl  mußte,  baß  gu  $olge  guter  glaubmürbiger  3eugniffe, 
bie  5HaIerei  51t  ben  Reiten  be§  trojanifdjen  Krieges  nodj  in  ber 
3©iege  gemefen,  fo  mußte  bodj  entroeber  §omer,  vermöge  feines  15 
gbtttidjen  6enie§,  fidj  nidjt  forooljl  an  ba§,  ma§  bie  Malerei  ba= 
malS  ober  511  feiner  3eit  (eiften  konnte,  gehalten,  als  üielmeljr 
ba§  erraten  Ijaben,  ma§  fie  überljaupt  gu  leiften  imftanbe  fei; 
ober  audj  jene  3eugniffe  felbft  mußten  fo  glaubraürbig  nidjt  fein, 
baß  Urnen  bie  augenfdjeinlidje  2(u3fage  be§  tünftlidjen  ©djilbes  20 
nidjt  oorgesogen  51t  merben  nerbiene.  £>ene§  mag  annehmen,  mer 
ba  roilt;  biefeö  roenigftenä  mirb  fidj  niemanb  überreben  laffen,  bel- 
auf ber  ©efdjidjte  ber  $unft  etmaS  meljr,  als  bie  bloßen  2)ata 
ber  §iftorienfdjreiber  meiß.  ©enn  baß  bie  Malerei  ju  $omer§ 
Reiten  nodj  in  iljrer  Äinbljeit  gemefen,  glaubt  er  nidjt  bloß  be§=  25 
roegen,  meil  e§  ein  $Iinüt§  ober  fo  einer  fagt,  fonbem  oorneljmitdj 
meil  er  aus  ben  $unftmerfen,  beren  bie  Sllten  gebcnfen,  urteilet, 
baß  fie  niete  ^afjrljitnberte  nadjljer  nodj  nidjt  »iel  roeiter  gekommen, 
unb  3.  CS.  bie  öemälbe  eines  s]]ohjgnotu§  nodj  lange  bie  ^robe 
nidjt  aitöljalten,  roeldje  ^ope  bie  Wemalbe  be§  tjomerifdjen  <2djilbe3  30 
befteljcn  31t  lönnen  glaubet.  Sie  jmei  großen  ©rüde  biefeS  9)ieifter§ 
51t  Selplji,  von  meldjen  un§  ^aufaniaS  eine  fo  umftänblidje  83e= 

24  f.  S)a§  ift  allerbingä  burdbauö  unBesweifelt;  bie  bomerifefie  3eit  hat  fdjrocrlid)  anberc 
Uftalerci  gefannt,  als  robe  ^cicbnungen  an  Sänben  unb  auf  (Sefäfjen.  —  2a.  Sßolggnot,  ber 
Qeitgcnoffe  be§  ©inton,  ift  ber  bebeutcnbfte  Sialev  auZ  ber  älteren  Äunftpcriobe  unb  ftanb 
jebenfaHä  tedjnifdj  roie  fünftlerifd)  nodj  auf  einem  jiemltdj  primitiven  ©tanbpunlte.  —  30  f. 
Sateinifdje  .uonftrnttiou,  bie  bei  fieffing  nidjt  ungeiuölmlicb,  tjeutc  aber  burcbauS  uerpönt 
ift;  mir  müfjteu  fagen:  „meldje  nadj  Sßopeä  SDteinung  bie  Öcmälbc  —  befteljen  tonnen", 
ober:  „von  meldjen  i!ope  glaubt,  bafs  bie  ©emälbe  —  fie  befielen  Kimen".  —  31.  Sie 
jwei  großen  5tücfe;  »on  biefen  Beiben  figurenreiäjen  Sßanbgemälben  (teilte  ba§  eine 
bie  SÜBfa^rt  ber  Orieäjen  nad;  ber  ßetftörung  uon  Sroja  oov,  ba>3  aubere  ben  Süefud)  beä 
DbnffeuS  in  ber  Untermelt. 


faokoon  XIX.  117 

JdjreiBung  I)interlaffen,r')  roaren  offenbar  ofyne  alte  ^erfptftiü. 
tiefer  Seil  ber  ®unft  ift  ben  2Hten  gänglidj  abjufpredjen,  unb 
roa§  s}>ope  Beibringt,  nm  gu  beroeifen,  bafj  §omcr  fdjon  einen 
Segriff  baoon  gehabt  Ijabe,  beroetfet  weiter  nidjtö,  als  ba^.iijm 

5  felbft  nnr  ein  feljr  umrollftänbiger  Segriff  bauon  beigerootmet. 6) 
„§omer,  fagt  er,  lann  fein  $rembling  in  ber  ^Serfpeftiu  geroefen 
fein,  roeil  er  bie  Entfernung  eines  ©egenftanbeS  oon  bem  anbem 
auSbrüdlid)  angiebt.  •  @r  bemerf't  5.  ©.,  bafj  bie  Äunbfdjafter  ein 
roenig  roeiter  aU  bie  anbent  Figuren  gelegen,  unb  baf$  bie  ßidje, 

10  unter  meiner  ben  ©dmittern  bas  Wafy  zubereitet  roorben,  bei* 
feite  geftanben.  3ßa§  er  oon  bem  mit  gerben  unb  glitten  unb 
Stätten  überfäeten  £I)ale  fagt,  ift  augenfdjeinlid)  bie  23efd;reibung 
einer  großen  perfpefthüfdjen  ©egenb.  ©in  allgemeiner  23eroei§= 
grunb  bafür  lann  aud)  fdjon  aus  ber  Stenge  ber  Figuren  auf 

15  bem  ©djilbe  gebogen  roerben,  bie  nidjt  äffe  in  iljrer  trotten  ©rüf$e 
auSgebrudt  werben  fönnten;  roorauS  eS  benn  geroiffermaf5en  uro 
ftreitig,  baf?  bie  $unft,  fie  nad;  ber  ^erfpeftiu  gu  uerf  (einem,  ba= 
maüger  3eit  fdjon  belannt  geroefen."  Sie  btofse  Seobadjtung  ber 
optifdjen  ©rfafjrung,  baf$  ein  £>ing  in  ber  $eme  Keiner  erfdjeinet 

20  als  in  ber  9iäf)e,  madjt  ein  ©emölbe  nod;  lange  nidjt  perfpeftiuifd). 
T>ie  ^erfpeftiu  erforbert  einen  einzigen  älugenpunft,  einen  be= 
ftimmten  natürlichen  ©eftdjtSfreiS,  unb  biefeS  roar  eS,  roaS  ben 
alten  ©emälben  fehlte.  Sie  ©runbflädje  in  ben  ©emälben  beS 
^olpgnotuS  roar  nidjt  Ijorigontat,  fonbem  nad)  leinten  §u  fo  ge= 

25  roaltig  in  bie  §öl)e  gebogen,  baf?  bie  Figuren,  roeldie  Ijinter 
einanber  §u  fielen  fdjeinen  füllten,  über  einanber  §u  fteljen  fdjienen. 

s)  Phocic.  cap.  XXV— XXXI. 

")  Um  ju  äeigen,  bajj  biefeä  mdjt  ju  tucl  oon  $open  gefagt  ift,  nrill  id)  ben  Slnfang 
ber  folgenben  au§  itjm  angeführten  ©teile  (Iliad.  Vol.  V.  Obs.  p.  61)  in  ber  ßJrunb* 

30  fpradje  anführen:  That  he  was  no  stranger  to  aerial  Perspective,  appears  in  his 
expresly  marking  the  distance  of  objeet  from  objeet:  he  teils  us  etc.  jjd)  fage,  frier 
fjat  5}?ope  ben  2lu3brucf  aerial  Perspective,  bie  2uftperfpeftit)e  (Perspective  aerienne) 
ganä  unrichtig  gebrauefit,  als  roeldjc  mit  ben  nad)  äfiafjgebung  ber  ©ntfernung  uerminberten 
©rbfjcn  gar  niä)t§  ju  tbun  fjat,  fonbem  unter  ber  man  lebiglicf)  bie  Sdnoädjung  unb  216= 

35  änberung  ber  färben  nad)  Skfdjaffenfjeit  ber  i'uft  ober  be§  2Uebii,  burd)  roeldjeö  tuir  fie 
fefjen,  nerfteljet.  2Ber  biefen  (yefjler  machen  fonnte,  bem  war  e§  ertaubt,  »on  ber  ganjen 
Safye  nichts  5U  nriffen. 

1.  ofjne  alle  5}5erfpefttt);  ^ohjgnot  tjatte  feine  ©raupen  in  Keinen  übereinanber 
angeorbnet,  roätircnb  biefelben  an  fid>  auf  gleichem  23oben  in  perfpeftioifdjer  Sluffteüung 
gebadjt  finb.  iutjnlid)  madit  e§  aud)  fpäter  Dielfad)  nod)  bie  SCafenmalerei.  —  2.  Sie 
antifen  3Banbgemälbe  äeigen  aüerbingä  f)ier  unb  ba  a8erfud)e  perfpeftioifdjer  3eid)nung, 
aber  burdjau§  olme  fefteS  ^rinjip  unb  fefte  optifdie  ©efefee.  —  33  f.  £>a3  SBerminbern 
ber  ©röfjen  nad)  aKafsgebung  ber  Entfernung  ift  oielmefn-  bie  <Saa)e  ber  fo* 
genannten  ainearperfpeftioe. 


118  ff nokoou  XX. 

Unb  roenn  btefe  Stellung  ber  r>erfd)iebnen  Figuren  unb  iljrer 
(Gruppen  allgemein  geroefen,  tute  au§  ben  alten  SSaöretiefö,  roo 
bie  binterften  allegeit  l)öl)er  fielen  atö  bie  ooberften,  unb  über  fie 
roegfetjen,  ftd)  fdfjliejjen  (äfjt:  fo  ift  e§  natürlich  baf$  man  fie 
audj  in  ber  Sefdjrei&ang  be§  Römers  annimmt,  unb  biejenigen  5 
mm  feinen  Silbern,  bie  fid)  nad)  felbiger  in  ©in  ©emälbe  ner= 
btnben  [äffen,  nid)t  unnötig  erroeife  trennet.  Sie  boppelte  ©cene 
ber  f riebfertigen  ©tabt,  buret)  bereu  ©trafen  ber  fröl)lid)e  Slufgug 
einer  §od)geitfeier  ging,  inbem  auf  bem  sIftarfte  ein  mistiger 
^rogefj  entfdjieben  warb,  erforbert  biefem  51t  fyotge  fein  boppeltes  10 
©einälbe,  unb  Corner  l)at  e§  gar  roor)l  al§  ein  eingigeö  beuten 
tonnen,  inbem  er  fid)  bie  gange  ©tabt  au%  einem  fo  Ijolien  2tugen= 
pnnf'tc  üorfteHte,  bajj  er  bie  freie  3tu§fid)t  gugleid)  in  bie  ©trafen 
unb  auf  ben  Sftarft  baburd)  erhielt. 

^cr)  bin  ber  sDieinung,  baf}  man  auf  ba§  eigentliche  -J}er=  15 
fpeftir>ifd)e  in  ben  ©emälben  nur  gelegentlich  burd)  bie  ©cenen= 
maierei  gefommen  ift;  unb  aud),  at3  biefe  fcr)on  in  tr)rer  9>ofl= 
fommenr)eit  mar,  muf5  e§  nod)  nicr)t  fo  leidet  geroefen  fein,  bie 
Regeln  berfelben  auf  eine  einzige  $läd)e  anguroenben,  inbem  ftd; 
nod)  in  ben  fpätern  ©emälben  unter  ben  Stltertümern  be3  -§ercu=  20 
taneuroJ  fo  fjäufige  unb  mannigfaltige  fye(;ler  gegen  bie  $erfpettiü 
finben,  als  man  iijo  taum  einem  Sefjrlinge  «ergeben  mürbe.7) 

2)od;    xd)    entlaffe   mid)  ber   9Jlüf)e,   meine  gerftreuten  3ln= 
mertungen  über  einen  ^>unft  gu  fammeln,  über  meldten  id)  in  be§ 
§errn  Sßinfelmanns  oerfprodmer  ©efd)td)tc  ber  Äunft  bie  obltigfte  25 
33efriebigung  gu  erhalten  Ijoffen  barf.8) 

XX. 

$d)   lente  mid)  tnelmeljr  roieber  in  meinen  2öeg,  roenn  ein 
©pagiergänger  anber§  einen  2Seg  l)at. 

7)  Setradjt.  über  bie  3Raterei  ©.  185.  30 

8)  ©efd)rieben  im  3ab,r  1763. 

1—4.  3ft  in  foldier  üillgenteiubeit  uidn  ganj  jutreffenb;  auf  ben  89a§relief§  ber  ale^an* 
brinifd)en  unb  römifdien  Jtunfi  finb  bie  uibiuterft  ftefjeuben  giguren  meift  in  fladierem 
Stelief,  aber  fonft  auf  gleicher  £öt)e  mit  ben  »orbereu  bargeftcllt.  SDaneben  fommt  atlers 
bingö  audt  Slnorbmmg  übereinanber  uor.  —  Iß  f.  Sie  Scenenmalcrei,  uuferer 
2)etoration3malerei  eutfpredieub,  fam  im  4.  3ab,rJ).  u.  (ityr.  auf  unb  nmrbe  uamentlid) 
burd)  MgathardjoS,  ber  für  bie  Stade  beS  i>ifd)i)io3  bie  Seforationen  malte,  ausgebildet. 
—  19.  auf  eine  einzige  gläd;e  anjuiDcnbcn,  ba  fid)  nämlid)  bei  ber  Scenen« 
maierei  bie  Sarftettung  auf  mehrere  glädien  (einen  .ysintergvunb  unb  jroei  Gouliffen)  »er* 
teilte,  —  28.  idi  entlaffe  mid)  ber  9J!üI)c;  Ijeute  unge6räu<$Iid)e  SReberoeife  für  ,,id) 
überbebe  mid)  ber  Siübe".   —   28.  Sa)  lenfe  mid;.    Sid)   lenfen  anftatt  be§  einfachen 


faohoon  XX.  119 

■Jöaö  \d)  von  lorpcrtidjen  ©egenftänben  überhaupt  gefctgt  Ijabe, 
ba§  gilt  von  fürperlidjcn  frönen  ©egenftänben  um  fo  viel  mefyr. 
Mürperfttfje  ©d;ünl)cit  cntfpringt  aus  ber  übereinftimmenben 
äßtrfung  mannigfaltiger  Xetfe,  bie  fidj  auf  einmal  ü6erfc|en  taffen. 
5  ©ie  erfobert  atfo,  baf?  biefe  Steile  neben  einanber  liegen  muffen; 
unb  ba  Singe,  bereu  £eile  neben  einanber  liegen,  ber  eigentliche 
©egenftanb  ber  Malerei  finb;  fo  fann  fie,  unb  nur  fie  altein, 
förperlidje  ©djönfjeit  nadjatjmen. 

©er  ©idjter,  ber  bie  (Elemente  ber  ©djöntjeÜ  nur  nadj  einanber 

io  geigen  fönnte,  enthält  fid)  batjer  ber  ©djüberung  förpertidjer  ®d)öm 
fjeit,  atö  Sdjönfyeit,  gänjlirf).  @r  fül)lt  eö,  baf$  biefe  ©lemente 
nadj  einanber  georbnet,  unmögtid)  bie  -JSirfung  fyaben  tonnen,  bie 
fie  neben  einanber  georbnet  Ijaben;  bafs  ber  fonjentrierenbe  33lidf, 
ben  mir  natf)  tfjrer  Enumeration  auf  fie  jugleid)  ^urüdfenben  motten, 

15  un§  bod)  fein  übereinftimmenbeS  Silb  geiotiljret;  bafs  e§  über  bie 
menfdjlidje  ©inbilbung  get)et,  fid)  üorjuftetfen,  roa§  biefer  9Jiunb, 
unb  biefe  9?afe,  unb  biefe  2(ugen  gufammen  für  einen  Gffeft  Ijaben, 
menn  man  fid)  nidjt  au§  ber  9?atur  ober  $unft  einer  ätjnlidjen 
$ompofition  fo!cr)er  Xeite  erinnern  fann. 

20  Unb  aud)  l)ier  ift  §omer  baö  9)iufter  aller  Sftufter.    @r  fagt: 

Sirene  mar  fd)ö'n;  2(d)ille§  mar  nod)  fd)öner;  §etena  befafj  eine 
göttlidje  <3cr)önt)eit.  2tber  nirgenb§  täf5t  er  fid)  in  bie  umftänb= 
tidjere  Sdjilberung  biefer  <3d)önf)eiten  ein.  C5teidnool)t  ift  ba§  ganje 
©ebidjt  auf  bie  ©d)önljeit  ber  §etena   gebauet.     3Sie  fer)r  mürbe 

25  ein  neuerer  2)idjter  barüber  tururiert  fjaben! 

©d)on  ein  Gonftantinug  ?CRanaffe§  rooltte  feine  faf)(e  Gfyrontfe 
mit  einem  ©emätbe  ber  Helena  äusseren.  %d)  mufj  ifym  für  feinen 
2>erfud)  bauten,  ©enn  id)  wüfjte  unrfftcr)  nidjt,  mo  id)  fonft  ein 
©gempet  auftreiben  foftte,  au$  raeldjem  augenfdjeinlidjer  errette, 

30  raie  tf)örid;t  e§  fei,  etroaö  $u  roagen,  baö  £>omer  fo  raeiS(id)  unter= 
taffen  fyat.     3Benn  id)  bei  ifjm  tefe:1) 

')  Constantinus  Manasses  Compend.  Chron.  p.  20.  Edit.  Yenet.  Sie  ^r.  Sacier 
war  mit  biefem  Porträt  be?  2J!anaffe3,  bi?  auf  bie  Sautotogieen,  feljr  two^il  aufrieben: 
De  Helenae  pulchritudine  ouinium  optime  Constantinus  Manasses,  nisi  in  eo  tav- 

lenfen  ift  namentlich  in  ber  6r>raa)e  Sutfjer?  fefjr  geroöljnlitf)  unb  aud)  ba?  urfprünglid) 
9tid)tige,  ba  ber  intranfitiue  ©ebrauef)  von  teufen  nur  auf  itbbreoiatur  beruht,  unb  ba? 
Dbjeft  immer  511  ergänjen  ift. 

3 f.  ©efjr  alte  Definition  ber  Scbönfjeit,  in  ifjrem  Äern  äurücfgeftenb  6i§  auf  2(rifto= 
tele?.  —  25.  lujuriert,  beute  auger  Qebraui)  gelommeneS  Syrembroort:  luxuriare, 
üppig,  au?fa)roeifenb  fein,  übennäfjigen  ©ebraud)  oou  etroas  machen.  —  26.  Üonftan« 
tinu?  3Jtanaffe3,  ein  Sönsantiner  au?  betn  12.  Satjrl).  n.  Gbx ,  roelcber  eine  bi?  jum 
ga^re  1081  reiebenbe  6£)ronif  »erfafjt  t)at. 


120  «aohoon  XX. 

Hv  i]  yvvi]  TiiQiY.ciX\rig,  avocpQvg,  evxQOvßtätr}, 
Evndqtiog ,  tvnqöcamog ,  ßocomg,  %Lovö%QOvg, 
'EliHoßlicpKQog,  üßqcc,  %ci(tlx(ov  ytfiov  cclcog, 

A£VK0ßQtt%L(OV ,    TQVCpSQU,    Y.dllog    ävTLXQVg    tflTCVOVV, 

Tb  JtQÖoconov  ■x.ctzdtevx.ov ,  r\  na^siu  (jod6%QOvg.  5 

tologiam  reprehendas.  (Ad  Dictyn  Cretensem  lib.  I.  cap.  3.  p.  5.)  ©ie  führet  nad) 
bem  äßejeriac  (Comment.  sur  les  Epitres  d'Ovide  T.  II.  p.  361)  aud)  bie  23efdireibungen 
an,  weldic  SareS  ipSrtjfliuS  unb  ©cbrenuS  »on  ber  ©d)önt)eit  ber  §elena  geben.  3n  ber 
erftern  fömmt.  ein  Qug  uor,  ber  ein  wenig  feltfam  Hingt.  SareS  fogt  nämlid)  t)on  ber 
Jgelcna,  fie  Ijabe  ein  2Jial  jwiftfien  ben  Slugenbraunen  gehabt:  notara  intei  duo  snper-  10 
oilia  habentem.  ©aS  mar  bod)  wol)l  nidjts  fdjöneS?  3d)  woEte,  bafj  bie  granjöfin  iljre 
ÜRcimmg  borüber  gejagt  Ijätte.  5DieineS  Seilet  |alte  id)  baS  Söort  nota  t)ier  für  uerfälfdjt, 
nnb  glaube,  bafj  3>areS  »on  bem  rebcu  wollen,  was  bei  ben  ©ried)en  /LtcaüipQuov  unb  bei 
ben  Sateinern  glabella  Jucfi.  $ie  2(ugenbraunen  ber  Helena,  will  er  fagen,  liefen  nid)t 
5ufamtnen,  fonbern  waren  burd)  einen  f  leinen  groifdjenraum  abgefonbert.  Ser  ©efdjmad  15 
ber  Sllten  war  in  biefem  fünfte  »erfd)ieben.  einigen  gefiel  ein  foldjer  3wifd)enraum, 
anbern  nid)t.  (Iunius  de  «Fictura  Vet.  lib.  III.  cap.  9.  p.  245.)  Slnaheon  bjelt  bie 
ajiittelftrafjc;  bie  Slugenbrauncn  feines  geliebten  SKäbdjenS  waren  weber  merflid)  getrennet, 
nod)  nöllig  in  einanber  r>erroad)fen,  fie  »erliefen  fid)  fanft  in  einem  einjigen  fünfte.  ©r 
fagt  ;u  bem  flünftler,  welcher  fie  malen  follte.    (Od.  28.)  20 

Tu  [teaitpQvov  de  /tu)  fiot 

/tiäy.onts,  ,ui)ts  /.uoye, 

'E/itw  <$'  Zno}?  ixtivi] 

To  XtXri&ütwz  oüvcxpQuv, 

BXtipctQwv  i'tvv  xsÄcuvrjV.  25 

91ad)  ber  Se§ari  beS  ^auw,  cbfd)on  and)  olme  fie  ber  SJerftanb  ber  nämlidje  ift,  unb  oon 
£enr.  ©teptjano  nid)t  oerfefjlet  worben: 

Superoilii  nigrantes 

Discrimina  nee  arens, 

Corxfundito  nee  illos:  30 

Sed  junge  sie  ut  aneeps 

Divortiurn  relinquas, 

Quäle  esse  cernis  ipsi. 

SBenn  id)  aber  ben  ©inn  beS  2>areS  getroffen  Ijätte,  was  müfste  man  woljl  fobann  anftatt 
beS  SBorteS  notam   lefen?    33ieHeid)t  moram?    £enn   fo  Piel  ift  gewifi,   bafj  mora  nid)t  35 
allein  ben  Verlauf  ber  3e'r/  e')e  etwas  gefd)icl)t ,  fonbern  aud)  bie  §inberung,  ben  3wifd)en= 
räum  tton  einem  jum  anbern,  bebeutet. 

Ego  inquieta  montium  jaceam  mora, 

wünfd)et  fid)  ber  rafenbe  §erfuleS   beim  ©eneca  (v.  1215.),  weldje  ©teile  ©ronooiuS  feljr 
wol)l    erllärt:     Optat    se    medium  jacere   inter   duas    Symplegades,    illarum   velut  40 
moram,  impedimentum ,   obicem;    qui  eas  moretur,  vetet  aut  satis  arete  conjungi, 
aut  rursus  distrahi.    ©o  Ijeifjen  aud)  bei  eben  bemfelben  £id)ter  lacertorum  morae,  fo 
»iel  alS  juneturae.     (Schroederus  ad  v.  762.    Thyest.) 

7.  üJlejeriac,  mit  »ollem  Dlamen  Glaube  ©aSparb  Sadjit  ©ieur  be  ÜJlejiriac,  franj. 
^tfjilologc;  15S1 — 1638.  —  8.  Unter  bem  SJamen  bes  2)areS  SpfyrngüiS,  angeblid)  eines 
trojanifd)en  SBriefterS  beS  ,viepl)äftoS  unb  3e^t8ert0ffcn  DC-'  trojanifeben  AtriegeS,  ift  uns 
eine  wabrfd)cinlidi  bem  6.  ober  7.  Jia^rl).  n.  6br.  angebörige  ©d;rift  über  bie  3erftorun9 
SrojaS  in  lateinifdjer  ^Srofa  erhalten.  —  ©eorgiuS  ÄebrenuS,  ein  bnsantinifdjcr 
(Sb,ronift  um  1100  n.  (Sb,r.,  oon  bem  ein  dironologifdjeS  ©efd)id)tSwcrt  non  ©rfdiaffung  ber 
Sßelt  bis  1057  n.  (Sfjr.  berrüb,rt.  —  81  ff.  ©S  ift  ju  beaditen,  bafj  weber  bies,  nod)  baS 
anbere  weiter  unten  citiertc  i!ieb  beS  9lna!reon  auf  ben  33at!)pIIoS  wirllid)  oon  Slnalreou 
berrüljrt;  es  finb  nielmcljr  fpätere  Tid)tungcn  im  ©efdimad  unb  SkrSmaf?  beS  Slnafreon. 
—  26.  ®ie  @ried)ifd)e  i'lntI;ologie  pon  S«n  GorncliS  bc  'sjiauw  erfaßten  ju  Utrecht 
1732.  —  27.  Sic  ainafreonauSgabc  twn  £ienricuS  ©tepljanuS  (^enri  ©tienne,  1528 
bio  I5!is)  crid)ien  1554.  —  35.  moram,  biefe  Äonjeftur  ^at  wenig  SBa^rfdicinlidjfeit.  — 
3it.  Johann  ^riebrid)  ©ronop,  bebeutenber  s}>l)ilolog,  16H— 1671.  —  43.  ^oliann 
Äafpar  ©djröber,  bollänbifd^er  ©eleljrtcr  aus  ber  erften  £ätfte  beS  18.  3al>rf). 


Caokoon  XX.  121 

Tb  ngöcamov  tni%aQi,  rö  ßlicpctQOV  wqaiov, 
Kdllog  ävbTtixr\8iVTOV,  aßänTicrov ,  avzöxQOW, 
"EßcatTS  xi]v  levuorrjta  Qod6%Qia  nvQivrj, 
'Slg  ei  tig  xbv  iXicpavtci  ßäipei  XafMtQÜ  7ioQ(pvQa. 
5  dsiQT]  {ictKQCc,  yiardlivKog ,  ö&sv  ifiv&ovQyrj&rj 

Kvnvoy&vf]  ri]v  evonrov  *EX£vrtv  XQrjfiazi^siv. 

fo  bünft  nüd),  id;  fefje  ©teilte  auf  einen  SBerg  roätgen,  au§  melden 
auf  ber  (Spike  beöfelben  ein  präd)tige§  ©ebäube  öufgefüljret  werben 
fotf,  bie  aber  alle  auf  ber  anbern  «Seite  tum  felbft  tüieber  ()erab= 

io  rotten.  2öa§  für  ein  33üb  r)interfä^t  er,  tiefer  ©d;roal(  tum 
Porten?  2ßie  falje  §etetta  nun  auZ?  Sßerben  nidjt,  roenn  taufenb 
9Jienfd;en  biefe§  lefen,  .fid)  atfe  taufenb  eine  eigene  SiBotftettung 
üon  ifjr  machen? 

£od)  e§  ift  u)al)r,  polttifdje  SSerfe  eine§  -Jftöndjeg  ftnb  feine 

i5  ^oefie.  9ftan  fjöre  alfo  ben  Strioft,  wenn  er  feine  bejaubembe 
2ttcina  fdjübert:') 

-)  Orlando  Furioso,  Carito  VII.  St.  11— 15.  „Sie  SMlbung  ifjrcr  ©cftalt  mar  fo 
rcijenb,  al3  nur  fünftltdje  SJtaler  fie  bieten  fönnen.  Segen  ihr  blonbeS,  langes,  auf= 
gcfnüpfteä  Saar  ift  fein  (Selb,  baS  nicfjt  feinen  Glanj  oerliere.    Über  itjre  garten  SBangen 

20  perbreitete  ficf>  bie  »ermifdjte  garbe  ber  Diofen  unb  ber  Silien.  %l)re  fvöfjlicfje  Stirn,  in 
bie  gehörigen  Scbranfen  gefdjloffen,  mar  t>on  glattem  §elfenbein.  Unter  sroei  fdnnarjen, 
anwerft  feinen  Sögen  glänjett  sroei  fdnraräe  2luaeu,  ober  Dielmeljr  sroo  leucfjtenbe  Sonnen, 
bie  mit  yolbieligfeit  um  fid;  blitften  unb  fid)  langfam  breiten.  SRingS  um  fie  t)er  faxten 
2lmor  5U  fpielen  unb  ju  fliegen;   oon  ba  fdjien  er  feinen  ganjen  .Kodier  abjufdjiejjcn,  unb 

25  bie  §erjen  fiditbar  ju  rauben.  SBeiter  b,inab  fteigt  bie  9Jafe  mitten  bureb  ba§  ©efidjt,  an 
roeldjer  felbft  ber  ?!eib  nid)tö  ju  beffern  finbet.  Unter  i£)r  jeigt  fid)  ber  2J!unb,  roie  jroifdjen 
sroei  i [einen  Sbätern,  mit  feinem  eigentümlidjen  Qinnober  bebeett;  biet'  ftetjert  sroo  SReiljen 
auserleiener  perlen,  bie  eine  fdjöne  fanfte  Sippe  »erfdjliefit  unb  öffnet.  §ierau3  fommen 
bie  t)olbfcligen  SBorte,  bie  jebe§  raube,  fdbänblidje  $erj  erroeieben;  bier  roirb  jenes  licblid)e 

30  Säd)cln  gebilbet,  roeltfjeS  für  fid^  fd)on  ein  ^arabtes  auf  erben  eröffnet.  SBeifser  Sdmee 
ift  ber  fdjöne  £at§,  unb  SUlcb  bie  Sruft,  ber  £>al3  runb,  bie  23ruft  coli  unb  breit.  3TOD 
iartc,  uou  Seifenbein  gerünbete  flugein  mallen  fanft  auf  unb  nieber,  roie  bie  SBellen  am 
äufserften  9ia~nbe  be§  Ufer§,  roenn  ein  fpielenber  3ePb«r  bie  See  beftreitet."  (Sie  übrigen 
Seile  roürbe  2lrgu§  felbft  nia)t  Ijaben  feben  fönnen.    Sod)  mar  Ieid)t  ju  urteilen,  bafs  ba§, 

35  roa3  oerftedt  lag,  mit  bem,  roa§  bem  21uge  blofj  ftanb,  übereinftimme.)  „Sie  2lrme  jeigen 
fid;  in  itjrer  gebörigen  iänge,  bie  loeifje  Spant)  etmaS  länglid),  unb  fdjmal  in  ifjrer  SJreite, 
burdjauä  eben,  feine  Slber  tritt  über  ifjre  glatte  giädje.  2lm  ©nbe  biefer  fjerrlidjcn  @e- 
ftalt  fief)t  man  ben  f leinen,  trotfnen,  gerünbeten  gufj.  Sie  englifeben  SDHenen,  bie  aus 
bem  §immel  ftammen ,  fann  fein  Sd)leier  Derbergen."  —  (9Jad)  ber  Überfe|ung  be§  §errn 

40  2)Jeinb.arbt  in  bem  53erfud)e  über  ben  Gtjarafter  unb  bie  äBerfe  ber  beften  ital.  Siebter. 
83.  II.  ©.  228.) 

14.  Ser  politifdje  („bürgerlidje")  S3er§,  ein  in  ber  bn^antinifdien  3e'*  l)äufige§ 
ÜRetrum,  ift  ein  fataleftifdjer  jambiidier  Srimeter,  bei  bem  rjornebmlid)  ©ilbenjab,!  unb 
ilccentuation,  nidjt  aber  bie  Quantität  in  Setradjt  fommt.  —  lti.  211c in a,  eine  %et  im 
„SRaienben  SRolanb".  —  21.  §elfenbein,  im  Mittelalter  unb  fpäter  feljr  gemöt^nlid)  für 
Glfenbein.  —  33.  beftreitet,  roörtlid)  naa)  bem  ital.  combatte,  für  beftreidjt  ober  über 
bie  See  binftreiebt.  —  38.  tro einen,  aseiutto  ift  nid)t  btofj  troefen,  fonbern  aud)  mager, 
fdjlanf,  unb  le|tere  23ebeutung  ift  bier  jebenfallö  am  'ifla^e.  —  40.  gotjann  9iifoIau§ 
9Jleinf)arb,  1727 — 1767,  beffen  b,ier  citierte§  SBerf  pon  Seffing  in  ben  Sitteraturbriefen 
(3Jr.  332)  fetjr  günftig  befprodjen  roorben  ift. 


122  ffaokoon  xx. 

Di  persona  era  tauto  ben  formata, 
Quanto  nie1  fiuger  san  Pittori  industri: 
Con  bionda  chioina,  lunga  e  annodata, 
Oro  non  e,  die  piu  risplenda,  e  lustri, 
Spargeasi  per  la  guancia  delicata  5 

Misto  color  di  rose  e  di  ligustri. 
Di  terso  avorio  era  la  fronte  lieta, 
Che  lo  spazio  finia  con  giusta  meta. 

Sotto  due  negri,  e  sottilisshni  arclii 
Son  due  negri  occhi,  anzi  due  chiari  soli,  10 

Pietosi  ä  riguardare,  ä  rnover  parchi, 
Intorno  ä  cui  par  ch'  Amor  scherzi,  e  voli, 
E  ch'  indi  tutta  la  faretra  scarcbi, 
E  che  visibilrnente  i  cori  involi, 

Quindi  il  naso  per  mezo  il  viso  scende  15 

Che  non  trova  1'  invidia  ove  1'  einende. 

Sotto  quel  sta,  quasi  fra  due  vallette, 
La  bocca  sparsa  di  natio  cinabro, 
Quivi  due  filze  son  di  perle  elette , 

Che  chiude,  ed  apre  un  bello  e  dolce  labro;  20 

Quindi  escon  le  cortesi  parolette , 
Da  render  molle  ogni  cor  rozo  e  scabro; 
Quivi  si  forma  quel  soave  riso , 
Ch'  apre  a  sua  posta  in  terra  il  paradiso. 

Bianca  neve  e  il  bei  collo,  e'l  petto  latte,  25 

II  collo  e  tondo,  il  petto  colmo  e  largo; 
Due  pome  acerbe,  e  pur  d'  avorio  fatte, 
Vengono,  e  van,  come  onda  al  primo  margo, 
Quando  piacevole  aui'a  il  mar  combatte. 
Non  potria  1'  altre  parti  veder  Argo,  30 

Ben  si  puö  giudicar,  che  corrisponde, 
A  quel  ch'  appar  di  fuor,  quel  che  s'  asconde. 

Monstrati  le  braccia  sua  misura  giusta, 
Et  la  Candida  man  spesso  si  vede, 

Lunghetta  alquanto,  e  di  larghezza  angusta,  35 

Dove  ne  nodo  appar,  ne  vena  eccede. 
Si  vede  al  fin  della  persona  augusta 
II  breve,  asciutto  e  ritondetto  piede. 
Gli  angelici  sembianti  nati  in  cielo 
Non  si  ponno  celar  sotto  alcun  velo.  -10 


«ttokoott  xx.  123 

Button  fagt  bei  (Megenljett  beS  ^anbämontumS :  einige  tobten  baS 
äßerf,  anbete  ben  9Mfter  beS  2öerf§.  3)aS  Sob  beS  einen  ift 
alfo  nidjt  attejeit  aud)  baS  Sob  beS  anbern.  ©in  ^unftroerf  t'ann 
alten  Seifatt  r>erbiencn,  otme  bafj  fidj  jutn  9iuljme  beS  iRünftlerS 

5  tuet  befonberS  fagen  täjst.  SBieberum  fann  ein  ^ünftler  mit  9ted)t 
unsere  33erounberung  verlangen,  aud)  roenn  fein  2Bert  uns  bie 
nöttige  ©enüge  nidjt  ttmt.  SDiefeS  oergeffe  man  nie,  unb  e3  mer= 
ben  fidj  öfters  ganj  wiberfpredjenbe  Urteile  uergteidjen  taffen. 
(ihm  rote  tjier.    2)otce,  in  feinem  ©efprädje  oon  ber  Malerei, 

10  täfjt  ben  2lrettno  von  ben  angeführten  ©taugen  beS  2trioft  ein 
aufjerorbentlidjeS  2tufr)e&en  madjen;9)  id)  hingegen  roäfjte  fie  als 
ein  (Stempel  eines  ©emötbeS  otme  ©emätbe.  2öir  rjafcen  beibe 
redjt.  £)otce  betounbert  barinnen  bie  $enntniffe,  roetdje  ber  ©idjter 
üon  ber  förpertidjen  ©djönfjeit  $u  tjaben  geiget;  idj  aber  fetje  btof} 

15  auf  bie  Sßttfung,  raeldje  biefe  Äenntniffe,  in  3Sorte  auSgebrüdt, 
auf  meine  ©inbitbungSfraft  tjaben  tonnen.  ©otce  fdjliefjt  auS 
jenen  Äenntniffen,  baft  gute  ©idjter  nidjt  minber  gute  Makx  finb; 
unb  id)  aus  biefer  SBirtung,  bafj  fidj  baS,  roaS  bie  Wakv  burdj 
Sinien  unb  färben  am  beften  auSbrüden  tonnen,  burd)  3Borte 

20  grabe  am  fdjledjteften  auSbrüden  täfjt.  ©otce  empftetjtet  bie  <5d;it= 
berung  beS  2Crioft  alten  Malern  als  baS  uottfommenfte  SSorbilb 
einer  fdjönen  $rau;  unb  id;  empfehle  eS  alten  ©idjtem  atS  bie 
letjrreidjfte  üöarnung,  raaS  einem  Strioft  mifjtingen  muffen,  nidjt 
nod)  ungtüdlidjer  311  nerfudjen.    GS  mag  fein,  bafj  wenn  Strioft  fagt: 

25  Di  persona  era  tanto  ben  formata, 

Quanto  rnai  finger  san  Pittori  industri, 

er  bie  Setjre  oon  ben  Proportionen,  fo  roie  fie  nur  immer  ber 
fteifsigfte  tünftter  in  ber  Sftatur  unb  aus  ben  Stntifen  ftubieret, 

3)  (Dialogo    della    Pittura,    intitolato    1'  Aretino:    Firenze    1735.    p.  178.)     Se 

30  vogliono   i  Pittori  senza  fatica  trovare  un  perfetto  esernpio  di  bella  Donua,   leg- 

gano  quelle  Stanze  delP  Ariosto,  nelle  quali  egli  discrive  mirabilmente  le  bellezze 

della   Fata   Alcina:   e    vedranno   parirnente,    quauto   i   buoui   Poeti   siauo   ancora 

esai  Pittori.  — 

1.  *panbämottium  nennt  SDtiltort  im  „Verlorenen  ^Sarobieä"  I,  748  ben  qjataft  be>3 
Satan§.  —  9.  Subooico  2>olce  (1608—1566),  ein  ital.  Siebter  unb  Gelebrter,  SSerf. 
be§  in  ber  Ginleitung  S.  IX  befprodjenen  Dialogo  della  Pittura,  in  tuetdiem  ber  Belohnte 
*pictro  Slretino  ein  ftauptunterrebner  ift.  —  12.  eine§  ©emälbes  oöne  ©emälbe, 
b.  t).  eines  poetifeben  ®emälbe3,  roeldjeS  fein  materielles  ©emälbe  liefert.—  14.  ju  baben 
jeiget.  SJiefer  ©ebraud)  von  seigen  ift  ebenfo  mie  einige  feilen  fpäter  ber  entfprecbenbe 
non  betueifen  mebr  ber  lateiuifdien  Spracße  eigentttmlid)  unb  beute  nidjt  in  Slntoenbung, 
btngegen  ift  biefelbe  Äonftruftiou  nod)  üblid)  bei  erfläten,  Behaupten  u.  bgl.  m. 


124  ffaokoon  xx. 

üoüfommen  nerftanben  511  haben,  baburd)  bemeifet.4)    @r  mag  fid) 
immerhin,  in  ben  blofjen  Sorten: 

Spargeasi  per  la  guancia  delicata 
Misto  color  di  rose  e  di  ligustri, 

alö  ben  uottfommenften  Äoloriften,  al§  einen  Gittern,  geigen. 5)  5 
Man  mag  barau§,  baf;  er  ba§  §aar  ber  2tlcina  nur  mit  bem 
©olbc  r>ergleid)t,  niebt  aber  gülbene§  $aar  nennet,  nod)  fo  beut= 
lid)  fdjltefjen,  bafj  er  ben  ©ebraud)  beö  mirflidjen  ©o!be§  in  ber 
^arbengebung  gemifjbitliget.'5)  Man  mag  fogar  in  feiner  ^erab= 
fteigenben  9iafe,  10 

Quindi  il  naso  per  inezo  il  viso  scende, 

baä  fd)öne  Profil  jener  alten  griedjifdjen,  unb  non  gried)ifd)en 
föünfttern  aud)  Römern  geliehenen  9iafen  finben. 7)  3ßa§  nu|t 
alle  biefe  ©eleljrfamfeit  unb  @infid)t  uns!  Sefern,  bie  mir  eine 
fd)öne  %xan  ju  feljen  glauben  motten,  bie  mir  Qtn)a§>  r>on  ber  15 
fanften  Söattung  be§  ©eblut§  babei  empftnben  motten,  bie  ben 
mirfüdjen  2lnblicf  ber  (Sd)önt)eit  begleitet?  Sßenn  ber  2>idEjter  roeifi, 
au§  melden  SSerhältniffen  eine  fd)öne  ©eftalt  entf  »ringet,  miffen 
mir  e§  barum  audj?  Unb  menn  mir  e3  and)  raüfjten,  läftt  er 
un§  hier  biefe  SBerfjältmffe  fefyen?  Dber  erleichtert  er  unö  aud^  20 
nur  im  geringften  bie  5JiüI)e,  un§  ifyrer  auf  eine  lebhafte  an= 
fdjauenbe  3(rt  5U  erinnern?  ©ine  (Stirn,  in  bie  gehörigen  Sdjranfen 
gefdjloffen, 

la  fronte 
Che  lo  spazio  finia  con  giusta  rneta;  25 

4)  (Ibid.)  Ecco,  che,  quanto  alla  proportione,  1'  ingeniosissimo  Ariosto  assegna 
la  migliore,  che  sappiano  forraar  le  mani  de'  piü  eccellenti  Pittori,  usando  questa 
voce  industri,  per  dinotar  la  diligenza,  che  conviene  al  buono  artefice. 

5)  (Ibid.  p.  182.)  Qui  1'  Ariosto  colorisce,  e  in  questo  suo  colorire  dimostra 
essere  un  Titiano.  30 

'■)  (Ibid.  p.  180.)  Poteva  1'  Ariosto  nella  guisa,  che  ha  detto  chioma  bionda, 
dir  chioma  d'oro :  ma  gli  parve  forse,  che  havrebbe  havuto  troppo  del  Poetico. 
Da  che  si  puö  ritrar,  che'l  Pittore  dee  imitar  1'  oro,  e  non  metterlo  (come  fanno 
i  Miniatori)  nelle  sue  Pitture,  in  modo,  che  si  possa  dire,  que'  eapelli  non  sono 
d'  oro,  ma  par  che  risplendano,  come  1'  oro.  3Ba3  ffiolce,  in  bem  9iad)folgenben ,  au§  35 
bent  2ltl;eiiäu§  anführet',  ift  merfwürbig,  mir  bnf?  e>3  fief»  nic^t  twllig  fo  bafelbft  finbet. 
3d)  rebe  an  einem  anbern  Drte  baoon. 

7)  (Ibid.  p.  182.)  II  naso,  che  discende  giii,  havendo  peraventura  la  con- 
sideratione  a  quelle  forme  de'  nasi,  che  si  veggono  ne'  ritratti  delle  belle  Romano 
antiche.  40 

13.  geliehenen;  wir  würben  jetjt  „verliehenen"  oorjiefjen.  —  35  f.  au*  bem 
Sltljcnäuo,  nämlid)  23ud)  XIII,  ©.  G03E,  eine  ftufsening  über  baS  ä?erl)ältni«  bicfjterifdjer 
Attribute,  wie  goibI)aarig,  rojenfingrig  u.  bgl.  sur  IDalerei.  S?gt.  meine  (Einleitung  jum 
ünofcon  S.  3  f.  (gr.  2(usg.). 


ffaohoon  XX.  125 

eine  9?afe,  an  rceld)er  felbft  ber  9ceib  nid)t§  §u  beffern  finbet, 

Che  non  trova  V  invidia,  ove  1'  einende; 
eine  §anb,  etroa§  langltd)  nnb  fd)mal  in  iljrer  ^Breite, 
Lunghetta  alquanto,  e  di  larghezza  angusta: 

5  roas  für  ein  23ilb  geben  biefe  allgemeine  Formeln?  3>n  htm 
DJcunbe  eineä  3eid)enmetfters,  ber  feine  ©djüler  auf  bie  ©d)ön= 
feilen  be§  afabemifdjen  Pöbelte  anfmerffam  madjen  imtt,  möchten 
fie  nod)  etma§  fagen;  benn  ein  Slicf  auf  biefeS  sDiobett,  unb  fie 
fefyen  bie  gehörigen  ©djranfen  ber  fröl)lid)en  ©tirne,  fie  feben  ben 

io  fdjönften  ©djnitt  ber  9cafe,  bie  formale  breite  ber  nieblidjen  §anb. 
2lber  bei  bem  Siebter  felje  id)  nidjtS,  unb  empfinbe  mit  3>er= 
brufs  bie  Sergeb liebfeit  meiner  beften  2lnftrengung,  etwas  feljen 
ju  motten. 

$n  biefem  fünfte,  in  roeldjem  3>irgil  bem  £omer  burd)  9iid)tö= 

15  tlntn  nadjafjmen  formen,  ift  aud)  SSirgil  jiemfid;  glüdlid)  gemefen. 
2lud)  feine  5Dibo  ift  il)in  roeiter  nidjtS  als  pulcherrima  Dido. 
'BSmn  er  ja  umftänblidjer  etraas  an  if)r  befdjreibet,  fo  ift  eö  U)r 
reieber  s^u|,  ifyr  prächtiger  Slufjug: 

Tandem  progreditur     —     —     —     — 
20  Sidoniam  picto  chlamydeni  circumdata  limbo: 

Cui  pharetra  es  auro,  crines  nodaritur  in  aurum, 
Aurea  purpureani  subnectit  fibula  vestem. 8) 

Söollte  man  barum  auf  ifm  anwenben,  ma§  jener  alte  ^ünftler 
§u  einem  2et)rlinge  fagte,  ber  eine  fer)r  gefdjmücfte  §elena  gemalt 

25  r)atte:  „ba  bu  fie  nid)t  fd)ön  malen  formen,  fjaft  bu  fie  reid)  ge= 
malt'';  fo  mürbe  SSirgil  antworten,  „e§  liegt  nidjt  an  mir,  bafj 
id)  fie  nid)t  fd)ön  malen  fönnen;  ber  Xabel  trifft  bie  ©djranfcn 
meiner  Äunft;  mein  Sob  fei,  mid)  innerhalb  biefen  ©djranfen  ge= 
Ijalten  gu  Ijaben". 

30  ^d)  barf  t)ier  ber  beiben  Sieber  be§  3l"nafreon§  nidjt  uer= 

geffen,  in  roeld)en  er  utt§  bie  ©d)önl)eit  feine©  9Mbd)en3  unb  feines 
33atl)t)tt§  jergliebert.  °)    Sie  üßknbung,  bie  er  babei  nimmt,  madjt 

8)  Aeneid.  IV.  v.  130. 

9)  Od.  XXVIII.  XXIX. 

25  f.  S)ie§  foll  SlpelleS  ju  einem  feiner  Schüler  gefagt  Eja&cn,  nad)  Clem.  Alexandr. 
Paedag.  II,  125,  p.  246.  —  30.  ber  beiben  £ieber  be§  SlnafreonS,  ogt.  bie  33e= 
merfung  oben  ©.  120  311  21  ff.  —  32.  Ser  fdböne  Knabe  Satt)nlloo  mar  ber  ©eliebte 
be$  Slnafreon. 


126  tfaokomt  XX. 

aße§  gut.  @r  glaubt  einen  9ftaler  vor  fid)  gu  fjaben,  unb  läjjt 
ib,n  unter  feinen  2uigen  arbeiten,  ©o,  fagt  er,  madje  mir  ba§ 
•V>aar,  fo  bie  otirnc,  fo  bie  2(ugen,  fo  ben  -äJcunb,  fo  §al3  unb 
"üufen,  fo  >>üft  unb  Äänbe!  2ßa§  ber  ^ünftler  nur  teilroeife 
gufarmnenfetjen  fann,  fonnte  ifnn  ber  Sinter  audj  nur  teitroeife  5 
uorfdjreiben.  Seine  2(bfid)t  ift  nid)t,  baf,  mir  in  biefer  münblidjen 
Tireftion  be§  9)ialer3,  bie  gange  ©djünljeit  ber  geliebten  ©egen= 
ftänbe  erfennen  unb  füllen  fotten;  er  felbft  empftnbet  bie  Un= 
fäbigf'eit  be§  mürtlidjen  2tu§brudf§,  unb  nimmt  eben  baljer  ben 
Üfuobrud  ber  $unft  51t  §ilfe,  beren  £üufd)ung  er  fo  feljr  ergebet,  10 
baf$  baö  gange  Sieb  meljr  ein  Sobgebidjt  auf  bie  $unft,  a(§  auf 
fein  5J£äbdjen  gu  fein  fdjetnet.  Gr  fieljt  ntdjt  ba§  23ilb,  er  fieljt 
fie  felbft,  unb  glaubt,  bafj  e§  nun  eben  ben  SJiunb  gutn  Sieben 
eröffnen  werbe: 

'A?ci%Ei'  ßX^nco  yug  uvxr\v,  15 

Ttc%ec,  ■x.rjQS ,  Hai  XaXrjGstg. 

2(ud)  in  ber  Angabe  be§  33atb,i)tt§  ift  bte  Slnpreifung  be§  fdjönen 
Änabcnö  mit  ber  Slnprafung  ber  H'unft  unb  be§  $ünftler§  fo  in= 
einanber  geftodjten,  bafj  e§  grocifel^aft  mirb,  mein  gu  @b,ren 
2(nafreon  oa§>  Sieb  eigentlich)  beftimmt  Ijabe.  ßr  fammelt  bie  20 
fdjönften  £eile  auß  nerfdjiebnen  ©emiüben,  an  roeltfjen  eben  bie 
oorgügftdje  ©djünljeit  biefer  %t\k  baö  (Sfyarai'terifrifdje  mar;  ben 
£>alö  nimmt  er  uon  einem  2lboni§,  ©ruft  unb  .'oänbe  oon  einem 
Sftercur,  bie  §üfte  uon  einem  ^oEuj:,  ben  SBaudj  uon  einem 
SBacdnts;  bis  er  ben  gangen  93atb,i)M  in  einem  uoffenbeten  2lpofto  25 
bes  Münftters  erbüdt. 

Mira  öl  TCQoaconov  tGtco, 

Tbv  'Aömviöog  thxqeX&cov, 

'EXttpävxivog  TQdxr]Xog' 

Mtxa^iü^iov  öl  notti  30 

diöv[ic<g  rs  %SLQag  'Egfiov, 

IIoXvStvKeog  öl  (irjQOvg, 

/llOVVGL1]V    Öl    V1]ÖVV    

Tbv  'AnoXXcova  öl  xovxov 

Kci&iXiov ,  noCti  Bd&vXXav.  35 


16.  2)a§  [Säilb  mirb  iiicv  x>,o'';  genannt,  roeü  ein  mit  SBaajSfarBen  gemaltes,  fog. 
■  :nfaußifä)e§  ©emätbe  gemeint  ift. 


ffuohocn  XXI.  127 

So  roeifj  aud)  Sudan  oott  ber  3djönt)eit  ber  Sßantljea  anberä 
feinen  SBegriff  31t  madjen,  a(§  buref;  üBerroeifung  auf  bie  fdjönften 
meiblidjen  SBilbfäufcn  alter  Münftler. ")  3Ba§  Ijeijjt  aber  btefcS 
fonft,  al§  befennen,  bafj  bie  ©pradje  not*  ftd)  felbft  fjier  olme 
s  Mraft  ift;  baß  bie  *poefte  ftammelt,  unb  bie  SBerebfamfeti  ner= 
ftttmmet,  menn  irrten  nidjt  bie  $unft  nod)  einigermaßen  jur  ®ol= 
metfdjerin  bienet? 

XXI. 

2tber  nerlieret  bie  ^>oefie  nidjt  gu  mel,  roenn  man  i|r  alle 

10  Silber  forperlidjer  ©djönljeit  nehmen  null?  —  9Ber  roill  it)r  bie 
nehmen?  SBerm  man  ifir  einen  einigen  9Seg  §u  oerleiben  fudjt, 
auf  roeldjem  fie  51t  folgen  Silbern-  31t  gelangen  gebenfet,  inbem 
fie  bie  g-ufjftapfen  einer  üerfdnuifterten  Munft  auflud)!,  in  benen 
fie  ängftltdj  Ijerumirret,  oljne  jemals  mit  if)r  ba§  gleiche  $\d  ju 

15  erreidjen:  uerfdjltefjt  man  tf>r  barum  aud)  jeben  anbern  2Öeg,  roo 
bie  &unft  Ijinnneberum  iljr  nadjfefjen  muf,? 

©den  ber  $omer,  meldjer  ftd)  aller  ftüdineifen  ©djilberung 
förperlidjer  ©djönJ^eiten  fo  gefliffentlid)  enthält,  non  bem  mir  faum 
einmal  im  Sßorbetget)cn  erfahren,  baf  Helena  roetjje  2lrme')  unb 

20  fd)öne3  £aar-)  gehabt;  eben  ber  £tdjter  roetfj  bem  ofmgeadjtet  tm§ 
non  iljrer  ©djönljeit  einen  Segriff  §u  madjen,  ber  alleö  meit  über-- 
fteiget,  roa§  bie  $unft  in  biefer  äl&fidji  ju  leiften  im  ©taube  ift. 
Man  erinnere  fid)  ber  ©teile,  roo  Helena  in  bie  SSerfammtung 
ber  9(ltcften  be§  trojanifdjen  SoHeS  tritt.    £>ie  eljrmürbigen  ©reife 

25  feljen  fie,  unb  einer  fprad)  ju  ben  anbem:3) 

Ov  v£[iS6LS,   TQcöag  %al  ivyivrjfiidag  'Axuiovg 
ToifjS'   afitpi  yvvaivX  nolvv  %qovov  i'dysa  "kclg^hv' 
Aivüg  ec&avdz'ßOL,  Q'eyg  stg  chna  tomtv. 

2Baö  fann  eine  lebhaftere  $bee  non  <5d)önl)dt  gemalten,  alz  ba§ 
30  falte  Sllter  fie  be§  Krieges  mol)l  mert  erlernten  laffen,  ber  fo  oiel 
Slut  unb  fo  niele  frönen  foftet? 

■°)  Eixövss  §.  3.    T.  II.    p.  461.    Edit.  Keitz. 
")  Iliad.  F.  v.  121. 
2)  Ibid.  v.  319. 
05  3)  Ibid.  v.  156—58. 

1.  ^antljea,  eine  fd)öne  Smtpntäerirt,  bie  Geliebte  beo  Saifers  S:::iu3  SBeruö. 


128  «oohoott  xxi. 

28as  §omer  nidfjt  nad)  feinen  SBeftanbteilen  beschreiben  tonnte, 
Iäf$t  er  un§  in  feiner  Söirfimg  ernennen.  Sftalet  un§,  SDidjter,  ba§ 
SEßoljlgefatten,  bie  3uneigung,  bie  Siebe,  ba§  ©nijjüden,  roe(cr)e§  bie 
3d)ön()eit  oerurfadjct,  nnb  iljr  r)abt  bie  ©djönfyeü  felbft  gemalet, 
üfikr  f'ann  fid)  ben  geliebten  ©egenftanb  ber  (Sappljo,  bei  beffen  5 
©rblidung  fie  ©inne  unb  ©ebanfen  gu  »erlteren  befennet,  alsL 
jjäfjlidfj  beuten?  2öer  glaubt  nidjt  bie  fdjönfte,  oollfommenfte  ©e= 
ftalt  ju  fetjen,  fobalb  er  mit  bem  ©efüljle  franpatljifteret,  weld)e§ 
nur  eine  foldje  ©eftalt  erregen  fann?  9cicr;t  roeil  un§  Doib  im 
fdjönen  Körper  feiner  SeSbia  Steil  oor  Seil  geiget:  10 

Quos  hunieros,  quales  vidi  tetigique  lacertos! 

Forma  papillärem  quam  fuit  apta  premi! 
Quam  castigato  planus  sub  pectore  venter: 

Quantum  et  quäle  latus!  quam  juvenile  femur! 

fonbern  roeil  er  e§  mit  ber  roollüftigen  Sruntenljeit  trjut,  nad)  ber  15 
unfere  Sermfudjt  fo  leicht  3U  enoeden  ift,  glauben  mir  d>m  be§ 
2tnblide§  §u  genießen,  ben  er  genof;. 

(Sin  anbrer  2öeg,  auf  roeldjem  bie  s}>oefte  bie  &unft  in  <3d)il= 
berung  förperlidjer  Sdjüntjeit  micberum  einholet,  ift  biefer,  baf?  fie 
<2d)önl)eit  in  Steig  oenoanbelt.    Steig  ift  Sdjönfjeit  in  ^Bewegung,  20 
unb  eben  barum  bem  sDtaler  weniger  bequem  al3  bem  Siebter, 
©er  SJcaler  tann  bie  ^Bewegung  nur  erraten  laffen,  in  ber  %fyat 
aber  finb  feine  Figuren  olme  SSeroegung.    ^olglid)  wirb  ber  9tei§ 
bei  il)m  jur  örimaffe.    Slber  in  ber  ^ßoefie  bleibt  er  maß  er  ift: 
ein  tranfitorifdjeS  ©d)öne§,  ba§  mir  roiebert)olt  gu  feigen  roünfdjen.  25 
(iö  tömmt  unb  ger)t;  unb  ba  mir  un§  überhaupt  einer  ^Bewegung 
leidjter  unb   lebhafter   erinnern  tonnen,  als  bloßer  formen  ober 
färben:   fo   mufj  ber  9tet3  in  bem  namlidjen  33ert)tiltniffe  ftärfer 
auf  uns  nnrten,  al§  bie  ©djönljeit.    2tlle§  toas  nod)  in  bem  ©e= 
mälbe  ber  9(lcina  gefällt  unb  rühret,  ift  Steig.    S)er  ©inbrud,  ben  30 
il)re  klugen  machen,  tömmt  nidjt  baljer,  baf;  fie  fd;mar§  unb  feurig 
finb,  fonbern  batjer,  bajj  fie, 

Pietosi  ä  riguardai'e ,  ä  mover  parchi, 

5  f.  yiad)  bem  ^ropment  einer  Dbe  ber  <Say.pf)o,  roorin  fie  ifjre  ©mpftnbungen  beim 
Slnblict  beS  Oeliebtcn  in  ber  beseidmeten  SBetfe  fd)ilbcrt.  —  ID.  £e§bia,  D»ib  nennt 
feine  ©eliebte  nuht  x'eobia,  wie  ßeffing  au§  SBerfefjen  fdireibt,  fonbern  (iorinna.  SeSbia 
ijiefi  bie  ©eließte  bei  (fatull.  —  20.  9teij  ift  ©djönöeit  in  SJemegung;  biefe  Definition 
beo  Sfteijei  rüfjrt  »on  bem  ©nglänbcr  §ome  I;er  nnb  fanb  i£)re  2luobübimg  in  ber  Stftbetif 
SitiiUerS.  —  23 f.  (yotglid;  wirb  ...  wir  ©rimaffe.  ®iefc  Sdtffnffung  ift  eine  Äon« 
fequenj  non  ber  im  VH.  Stbfdnütt  bargelegten  Verwerfung  be§  Sranfitorifdjen  in  ber 
«unft. 


«ctohoon  XXL  129 

mit  ^otbfeftgfett  um  ftdj  bilden,  unb  fidj  (angfam  breljen,  bafj 
2fmor  fie  umflattert  unb  feinen  ganzen  Äöcfjer  au§  ifjnen  abfdjiefjt. 
$ljr  9}iunb  entlüdet,  nid)t  toeil  pon  eigentümlidjen  8innober  be= 
bedte  Sippen  groei  Steigen  auöerlefener  perlen  perfdjliefjen;  fonbevn 

5  roetf  l)ier  basl  lieblidje  Sädjetn  gebtfbet  roirb,  ipeldjeg,  für  fid; 
fdjon,  ein  ^arabieS  auf  ©rben  eröffnet;  roeil  er  e§  tft,  au§  bem 
bie  freunblidjen  2Borte  tönen,  bte  jebeS  raufye  ^ter§  erroeidjen. 
SJjr  SBufen  bezaubert,  weniger  roett  Wdd)  unb  §elfenbein  unb 
SCpfet,  unö  feine  üEBeifje  unb  niebftdje  $igur  porbitben,  als  uiel= 

10  me()r  weit  mir  ib,n  fanft  auf  unb  nieber  matten  fefyen,  roie  bie 
Sßefl'en  am  äufjerften  Staube  beS  Ufer§,  tpenn  ein  fpielenber  3epf)nr 
bie  <2ee  beftreitet: 

Due  pome  acerbe,  e  pur  d1  avorio  fatte, 
Vengono  e  Tan,  corae  oncla  al  primo  inargo, 
15  Quando  piacevole  aura  il  mar  combatte. 

$>d)  bin  perftdjert,  bafj  lauter  foldje  3tige  be3  Steiget  in  eine  ober 
groei  ©tanken  gufammengebränget,  roett  mefyr  tlnm  roürben,  at§ 
bie  fünfe  äffe,  in  roeldje  fie  9lrioft  jerftreuet  unb  mit  falten  Bügen 
ber  fdjönen  $orm,  niel  §u  geteert  für  unfere  ©mpftnbungen,  burd^ 
20  floaten  Ijat 

©elbft  SXnatreon  tpoffte  lieber  in  bie  anfdjetnenbe  llnfdjid= 
Udjfeit  perfallen,  eine  Unttmlidjfeit  pou  bem  SRaler  ju  perlangen, 
al§  ba§  Söitb  feines  5Räbd;en§  nidjt  mit  Steij  beteben. 

TQvyeQOv  d'   toco  ysvsiov, 
25  IJtQL  Xvydtvcp  XQa%i']Xcp 

Ä'aQiTtg  TibTOivxo  Tiäoai. 

£)Ijr  fanfteö  $mn,  befielt  er  bem  $ünftler,  tfyren  marmornen 
9taden  laf$  äffe  ©rajien  umflattern!  2öie  ba§?  %lad)  bem  ge= 
naueftcn  Sföortoerftanbe?    25er  ift  feiner  malerifdjen  2(u§füf)rung 

30  fäljig.  ©er  9)iater  fonnte  bem  $inne  bie  fdjönfte  ^ünbung,  ba§ 
fdjönfte  ©rubren,  Amoris  digitulo  impressum,  (benn  ba§  l'aay 
fdjeinet  nur  ein  ©rübdjen  anbeuten  §u  motten)  —  er  fonnte  bem 
£>alfe  bie  fdjönfte  $arnation  geben;  aber  weiter  fonnte  er  nidjtS. 
©ie  äßenbungen  biefeS  fdjönen  £>atfe§,  ba§  <5piel  ber  9Jiu3feln, 

35  burd)  baö  jenes  ©rübdjen  balb  meb,r  balb  roeniger  fidjtbar  roirb, 
ber  eigentlidje  ^eij,  roar  über  feine  Gräfte,    ©er  ©tdjter  fagte 

31.  Amoris  digitulo  impressura,  ein  Gitat  au%  35arro,  erhalten  6ei  5Joiüii'j 
<S.  135,24.  —  .".3   ßarnation;  t)eute  ge&räucfitidjer  Snfarnat. 

2e(fing3  SSerfe  0.  9 


130  fiooboon  XXII. 

ba§  ^jödjfte,  moburd)  un§  feine  $unft  bie  ©djönrjeit  finnlid)  31t 
madjen  öermag,  barmt  aud)  her  Dealer  ben  tjödjften  2lu3brud  in 
feiner  .Üunft  fudjen  möge.  Gin  neues  33eifpiel  51t  ber  obigen  2tn= 
merfithg,  baf$  ber  SDtdjter,  and)  roenn  er  »on  Kunftraerfen  rebet, 
bennod)  nidjt  uerbunben  ift, .  fid)  mit  feiner  33efd)reibung  in  ben  5 
©djranfen  ber  ^unft  51t  galten. 

XXII. 

3eiii'iS  malte  eine  Helena,  unb  l)atte  bas  ^erj,  jene  berühmte 
feilen  be§  §omer§,  in  meldjcn  bie  entjüd'ten  ©reife  ifjre  @mpfin= 
bung  benennen,  baruntcr  31t  fernen.    9tie  finb  Malerei  unb  ^3oefie  10 
in  einen  gleidjern  2Bettftreit  gesogen  morben.   ©er  Sieg  blieb  un= 
entfdjieben,  unb  beibe  oerbienten  gefrönet  511  werben. 

Senn  fo  roie  ber  roetfe  Siebter  un§  bie  ©djönrjett,  bie  er 
nad)  tfjreit  33eftanbteilen  nidjt  fdjilbem  511  fönnen  füllte,  btofs  in 
iljrer  SÖirfung  geigte:  fo  geigte  ber  nidjt  minber  roetfe  WuiUx  un§  15 
bie  ©cfjönfyeit  nad)  nid)t§  atö  itjrcn  33eftanbteilen,  unb  f)ielt  e§ 
feiner  Munft  für  unanftähbtg,  311  irgenb  einem  anbern  Hilfsmittel 
Bufludjt  31t  nehmen,  ©ein  ©emülbe  beftanb  aus  ber  einzigen 
A-igur  ber  Helena,  bie  nadenb  boftanb.  ©enn  e§  ift  tr>al)rfd)cin= 
lief),  baft  eS  eben  bie  Helena  mar,  inelcfje  er  für  bie  31t  Grotona  20 
malte. ') 

9)ian  nergfeidje  hiermit,  ÜE3unber§  Ijalber,  ba§  ©emtilbe,  roeldjeS 
(Sai)Ius  bem  neuem  ^ünftler  du§  jenen  feilen  be§  §otner§  uor= 
3etdjnet:  „§elena,  mit  einem  roeifen  ©djfeier  bebed't,  erf feinet 
mitten  unter  uerfdjiebenen  alten  Scannern,  in  bereit  Qafy  fidj  aud;  25 
$riamu§  befinbet,  ber  an  ben  ßeicfjen  feiner  föniglidien  ÜJSürbe 
31t  erlennen  ift.  ©er  Strtift  mufi  ftd)  befonberS  angelegen  fein 
l äffen,  uns  ben  SCriumpl)  ber  ©cfjönijeit  in  ben  gierigen  SBficfen 
unb  in  alten  ben  Säuberungen  einer  ftaunenben  Serounberung  auf 
ben  ©efidjtem  biefer  falten  ©reife,  empfinben  31t  laffen.  £>ie  30 
©cene  ift  über  einem  oon  ben  STrjoren  ber  ©tobt.    £>ie  Vertiefung 

')  Yul.  Maximus  lib,  III.  oap.  7.  Dionysius  Halicariiass.  Art.  Rhet.  cap.  1'2. 
rrtnl  /.oyiiiv  i^stdasia;. 

8.  3cujiä,  befanutlid)  einer  ber  Berü^mteftett  SKale*  be§  ältertumo,  lebte  gegen 
Gnbc  beö  5.  unb  Stnfong  be§  4.  3af;rt).  o.  G(jr.  —  ba3  ^erj,  b.  f).  ben  3But,  tuie  oben 
©.  107,  12.  —  14.  fd)ilbern  ju  fönnen  füllte:  bie  gleite  Sonftnittion  tuie  oben 
S.  123,  L4  bei  jetgen  unb  beroeifen.  —  20.  Grotona,  bie  Stabt  ßroton  in  Unteritaücn; 
nad)  I'lin  N.  HC.  XXXV,  64  befanb  fid;  biefe  ,§elena  in  Slgrigent.  —  31.  Vertiefung, 
Ijeute  geioölmlid;  „.vuutergnmb"  genannt. 


faokomt  xxii.  131 

be§  ©emälbeö  lärm  fid)  in  ben  freien  .fummel  ober  gegen  r)ö^ere 
©ebäube  bcr  ©tabt  nerliercn;  jenes  mürbe  füfjner  (offen,  eines 
aber  ift  fo  fdjitflidj  mie  baS  anbere/' 

•jftan  benfe  ftd)  biefes  ©emälbe  oon  bem  größten  SUleifter 
5  unfrer  3ett  auSgcfüfyret,  unb  fteffe  eS  gegen  baS  2Berf  beS  3eur.iS. 
9Betd;e§  roirb  ben  maljren  £riumpt)  ber  ©djönljeit  geigen?  25tefe§, 
mo  idj  ityn  felbft  füfjle,  ober  jeneö,  mo  idj  ibm  aus  ben  ©rimaffen 
gerührter  ©raubärte  fdjliefjen  fott?  Turpe  senilis  amor;  ein 
gieriger  93lid  madjt  ba§  efyrnntrbigfte  ©efidjt  läd^erticr),  unb  ein 

10  ©reis  ber  jugenblidje  23egierben  »errät,  ift  fogar  ein  efler  ©egem 
ftanb.  S)en  rjomerifdjen  ©reifen  ift  biefer  23ormurf  nidjt  gu  madjen; 
beim  ber  SCffeft  ben  fie  empfinben,  ift  ein  augenblidlidjer  $unfe, 
ben  iljre  äßeiSljett  fogleia)  erftid't;  nur  beftimmt,  ber  JQztma  @l)re 
gu  madjen,  aber  ntdjt,  fie  felbft  51t  fdjänben.     ©ie  benennen  ttjr 

15  ©efüfyl,  unb  fügen  fogleid;  fjingu: 

'Jllu  Kcd  10g,  roirj  7ttQ  sova' ,  Iv  vr]vai  vttG&co, 
Mt]S'   r}[iiv  tfnitßCL  r'   Ötci60co  7tfjuo:  Xitioito. 

Dirne  biefen  ©ntfdjlufj  mären  es  alte  ©ede;  untren  fie  baS,  mag 
fie  in  bem  ©emälbe  bc§  Capitis  erfdjeinen.  Unb  worauf  ridjten 
20  fie  beim  ba  iljre  gierigen  33lid'e?  Stuf  eine  tiermummte,  t>er= 
fdjleierte  ^igur.  3)aS  ift  Helena?  GS  ift  mir  unbegreiflich,  mie 
üjr  Capitis  l)ier  f)at  ben  ©dreier  laffen  fönnen.  3mar  Konter 
giebt  il)r  benfelben  attSbrüdlid): 

Avxi-Acc  8'  aQytvvjJGi  y.alvipafitvi]  6&6vrj6iv 
25  ^Slg^äz'   eu  d-cdd^ioLO  —  — 

aber,  um  über  bie  ©trafen  bamit  gu  gefjen;  unb  menn  audj  fdmn 
bei  irmt  bie  Sllten  i^re  S3ennmberitng  geigen,  nodj  elje  fie  ben 
©dreier  roieber  abgenommen  ober  gurüdgeroorfen  gu  Ijaben  fdjeinet, 
fo  mar  e§  nid)t  baS  erftemal,  ba|  fie  bie  3t(ten  faljen;  ifyr  33e= 

30  fenntnis  burfte  alfo  nidjt  aus  bem  itjigen  attgenblidlid)en  2(n= 
fdjauen  entfielen,  fonbern  fie  fonnten  fdjon  oft  empfunben  r)aben, 
roaS  fie  31t  empfinben,  bei  biefer  ©elegenbjeit  nur  gum  erftenmal 
betannten.  $n  bem  ©emälbe  finbet  fo  etmaS  nidji  ftatt.  SGBenn 
idj  bjier  entgüdte  2llte  felje,  fo  roift  idj  aud)  gttgleid)  feljen,  maS 

35  fie  in  Gntgüdung  fe|t;  unb  id?  merbe  äufierft  betroffen,  menn  id; 
weiter  nidjts,  als,  mie  gefagt,  eine  vermummte,  uerfdjleierte  #igur 

8.  Turpe  senilis  amor,  tSitat  aus  Ovid.  Amor.  1,0,4. 

9* 


132  ffaokoon  XXU. 

roaljrneljme,  bie  fte  Brunftig  angaffen.  2Öas  Ijat  biefes  ©ing 
oon  ber  Helena?  i^fyren  weisen  ©dreier,  unb  etroas  uon  tr)rem 
proportionierten  Umriffc,  fo  roeit  Hinriß  unter  ©eroänbern  fidjt= 
bar  werben  fann.  ©od)  inelleidjt  war  es  aud)  bes  ©rafen  9ftei= 
nung  nidjt,  bafj  irjr  ©efidjt  uerbed't  fein  feilte,  unb  er  nennet  5 
ben  ©djleter  blofs  als  ein  <5tüd  iljreä  Stnjugee.  Sft  biefeS 
(feine  Söorte  finb  einer  foldjen  2luölegung  groar  nidjt  rooljl  f är)ig : 
H61ene  couverte  dun  voile  blanc),  fo  entfielet  eine  anbere  3Ser= 
untnberung  bei  mir;  er  empfiehlt  bem  Slrtiften  fo  forgfältig  ben 
3lusbrutf*  auf  ben  ©eftdjtem  ber  Otiten;  nur  über  bie  ©djönljeit  10 
in  bem  ©eftdjte  ber  £>elcna  nerliert  er  fein  28ort.  ©iefe  fittfame 
Gdjünljeit,  im  9(uge  ben  feudjtcn  (Sdjtmmer  einer  reuenben  3M)räne, 
furdjtfam  fid;  näfyemb  —  üBie?  £>ft  bie  l)üd)fte  ©djönfyeit  unfern 
Münftlem  fo  etroas  geläufiges ,  bafj  fie  aud)  nidjt  baran  erinnert 
gu  werben  brausen?  Dber  ift  9lusbrud  mel)r  als  ©djünfyeit?  15 
Unb  finb  mir  aud;  in  ©emälben  fdjon  geroofmt,  fo  rote  auf  ber 
Süljne,  bie  rjäfjlidjfte  Sdjaufpielerin  für  eine  enigütfenbe  s^rin= 
geffin  gelten  gu  laffen,  roenn  iljr  ^rinj  nur  redjt  manne  Siebe 
gegen  fie  gu  empfinben  äufjert? 

$n  3Bal)rl)eit;  bas"  ©emälbe  bes  Gatjlus  mürbe  fid;    gegen  20 
bas  ©emätbe  bes  Beurte,  mie  Pantomime  gur  crljabenften  ^oefie 
nerl)alten. 

£)omer  roarb  nor  2(lters  oljnftreitig  fleifjigcr  gelcfen,  als  Ü5t. 
Tennodi  finbet  man  fo  gar  nielcr  ©emälbe  nidjt  erroäljnet,  roeldje 
bie  alten  .Uünftler  aus  ir)m  gebogen  Ijätten.2)  9air  ben  #ingcr-  25 
geig  be§  ©idjter§  auf  befonbere  förperlidje  Sdjönljeiten,  fdjeinen 
fie  fleifng  genutzt  511  rjaben;  biefe  malten  fie;  unb  in  biefen  ©egen= 
ftänben  füllten  fie  rootjl,  mar  e§  ifjnen  allein  vergönnet,  mit  bem 
£>id)ter  metteifern  gu  mollcn.  ^tufjer  ber  Helena,  l)atte  3eur.is> 
aud)  bie  ^cnelope  gemalt;  unb  be§  9tpellcS  ©iana  mar  bie  fjome=  30 
rifdjc  in  Begleitung  iljrer  9tympljen.  23et  biefer  ©elegenljeit  roill 
idj  erinnern,  bafj  bie  ©teile  be§  sJ>liniu§,  in  roeldjer  von  ber 
letztem  bie  9tebe  ift,  einer  2Jerbefferung   bebarf.3)     £>anblungen 

"i   l'.il.ricii   Biblioth    Graec    Lib.   II.  cap.  6.  p.  845. 

■i  ißliniuS  fagt  oon  bem  SlpeHeä:  (Libr.  XXXV.  sect.  36.  p.  69?.    Edit.  Hard.)  ;;s 
Fecil    ei    Dianam    sacrificantium    virginurn  choro  mixtum:    quibus  vicisse   Hoincii 

20  ff.  Jen  Ülotnent,  wo  Helena  vov  ben  trojaiüfchen  ©reifen  auf  ber  Stauet  erfdicint, 
ftcllt  eine  ©Kjge  von  Garftene  oor,  in  beffen  SBerfen  &erau§g.  v.  2B.  SDlüHer  it.  §.  SRiegel, 
i,  l'T.  —  24 f.  S>ie  ©inroürfe,  roel^e  Jt(o|  hiergegen  in  feiner  Schrift  über  bie  gefdjmtte» 
neu  Steine  nemncfjt  l)ntte,  liitt  Sefftng  in  ben  erften  ber  antiquarifd;en  Briefe  jiiriirf- 
gcroieien,  m.  m.  f. 


ffiaohoon  XXII.  133 

aber  attö  bem  Corner  51t  malen,  Mof}  weil  fie  eine  reiche  $om= 
uofition,  uorjüglidje  Kontrafte,  fünftlidje  33e(eud;tungen  barbieten, 
fdjien  bev  alten  SCrtiften  U)r  ©efdjmad  nidjt  ju  fein;  unb  tonnte 
e§  nidjt  fein,  fo  lanqz  fid;  nodj  bie  $unft  in  ben  engem  ©renken 

5  versus  videtur  id  ipsum  deseribentis.  91id)t3  fann  roabrcr,  a(§  biefer  Sobfprud)  ge= 
roefen  fein.  Schotte  Sinmpljen  um  eine  fcfjöne  ©ättin  f;er,  bie  mit  ber  gangen  majeftätifdjen 
©tirne  über  fie  hervorragt,  finb  jreilid)  ein  SSorrourf,  ber  ber  iUalerei  angemeffener  ift, 
als  ber  S)*oefie.  Sa3  sacriticantium  nur,  ift  mir  böd)fi  oerbäditig.  3Ba3  mad)t  bie  ©öttin 
unter  opfernben  Jungfrauen?  Unb  ift  biefeS  bie  S3efd)äftigung,  bie  £omer  ben  ©efpielinnen 
10  ber  SMana  giebt?  331it  nid)ten;  fie  burd)ftreifen  mit  ib,r  iöerge  nnb  2Bälber,  fie  jagen,  fie 
fpielen,  fie  tansen  (Odyss.  Z.  v.  102 — 106.): 

O't'ij  d'  "/p-ff,«(,'  lioi  y.at'  ovqco;  io/taiQa 
*H  y.utü  Tiföyttov  rttoiiiiy/.ituv ,  t)  'lwu/.iar9uv 
TsQ7to/uevt]  y.änQoioi  y.at  dxsitjg  iXäipoiac 
15                                Tji  di  9'  üfia  Nöf-ttpat,  y.oÜQai  4tb;  yiiytö/oio, 
ldy(iov6/itoi  nai^ovai'  ■ — 

Spitniu?  roirb  alfo  nidjt  sacrificantium ,  er  roirb  venantium  ober  etroa3  äljn£td)e§  ge* 
fdjrieben  fjaben;  »ieUcidjt  sylvis  vagantium,  roeld)e  SSerbefferung  bie  Slnjafjl  ber  oer= 
änberten  S3iid)ftabeu  ofjngefäljr  bätte.  Sern  nuuurm.  beim  §omer  roürbe  saltantium 
20  am  nädjften  fommen,  unb  aud)  SBirgil  läfjt  in  feiner  9Iad)af)tnung  biefer  ©teile,  bie  Diana 
mit  ifjren  SJnmpfjen  tanäen:  (Aeneid.  I.  v.  4SJ7.  98.) 

Qualis  in  Eurotae  ripis,  aut  per  juga  Cynthi 

Exercet  Diana  choros  —  — 

gpence  l)at  tjierbei  einen  feltfameu  (SinfaH:  (I'olymetis  Dial.  VIII.  p.  102.)   This  Diana, 

25  faßt  er,  both  in  the  picture  and  in  tlie  descriptions,  was  the  Diana  Venatrix: 
tho'  she  was  not  represented  either  by  Virgil,  or  Apelles,  or  Homer,  as  hunting 
with  her  Nymphs;  but  as  eniployed  witli  them  in  that  sort  of  dances,  which  of 
old  were  regarded  as  very  solemn  acts  of  devotion.  Jn  einer  9lnmerfung  fügt  er 
fjirtjlt:     The    expression    of   TtBtiLEtv,    used   by  Homer   on    this    occasion,   is  scarce 

30  proper  for  hunting;  as  that  of,  Choros  exercere ,  in  Virgil,  should  be  understood 
of  the  religious  dances  of  old,  because  dancing,  in  the  old  Roman  idea  of  it, 
was  indecent  even  for  men,  in  public;  unless  it  were  the  sort  of  dances  used  in 
Honour  of  Mars,  or  Bacchus,  or  some  other  of  their  gods.  ©pence  null  nämlid) 
jene  feierlidje  £änse  oerftanben  roiffen,  roeldje  bei  ben  2llten  mit  unter  bie  gottcsbienft= 

35  lidjen  ,§anblungen  gereäjnet  rourben.  Unb  bab,er,  meinet  er,  braud)e  beim  aud)  ^liniuä 
ba§  2ßort  sacrificare:  It  is  in  consequence  of  this  that  Pliny,  in  speaking  of 
Diana's  Nymphs  on  this  very  occasion,  uses  the  word,  sacrificare,  of  them ;  which 
qiiite  determines  these  dances  of  theirs  to  have  been  of  the  religious  kind.  (är 
»ergibt,  baf;  bei  bem  SSirgil  bie  Diana  felbft  mit  tanjet:  exercet  Diana  choros.    ©oüte 

40  nun  biefer  lanj  ein  gotte$bienftlid)er  San?  fein:  ju  treffen  23erebrung  tanjte  ifm  bie 
Diana?  Qu  Ujrer  eignen?  Dber  jur  Screening  einer  anbern  ©ottljeit?  Söeibe<3  ift  roibers 
finnig.  Unb  roenn  bie  alten  9iömer  ba§  Jausen  überhaupt  einer  ernftljaften  5f5crfon  nid)t 
für  febr  anftänbig  hielten,  mufjten  barum  iljre  Did)ter  bie  ©rairität  ibreö  SMfeS  aud)  in 
bie  Sitten  ber  ©ötter  übertragen,   bie  oon  ben  altern  gried)ifd)en  Didjtern  ganj  anber3 

45  feftgefeljet  roaren?    SBenn  .§oras  uon  ber  SBenus  fagt:  (Od.  IV.  lib.  I.) 

Iam  Cytherea  choros  ducit  Venus ,  imminente  luna : 
Iunctaeque  Nymphis  (iratiae  decentes 
Alterno  terram  quatiunt  pede 

roaren  bie§  aud)   Ijeüige    gottecbienftlidje  Sänse?    Ja)  rerliere  ju  oiel  SBorte  über  eine 
50  fotd)e  ©rille. 

17  ff.  Unter  ben  jaf)(reid)en ,  aud)  neuevbingQ  »erfuditen  Crtlärungen  ober  3Serbeffe= 
rungen  biefer  Stelle  empfieblt  fidj  am  meiften  bie  ron  M.  SDilttjer»  gegebene,  roonad)  ba* 
sacriticantium  bei  $liniu§  ein  sJJli§uerftänbni§  be§  in  feiner  griedjifdjen  Duelle  fte^enben 
2lu§brucfä  th'mvaat  roäre,  roeldies  in  biefem  gälte  nid)t  „opfernbe",  fonbern  „babin^ 
ftürmenbe"  bebeutete.    Dann  fdjliefjt  fid)  bas  33tlb  eng  an  bie  l)omerifd)e  ©d)ilbcrung  an. 


134  ffookoon  XXil 

iljrer  Ijödjften  Sefttmntung  Ijielt.  Sie  nährten  ftdj  bafür  mit  bem 
©eifte  beS  SDid;terö;  fte  füllten  ib,re  @in&tlbung§fraft  mit  feinen 
erljabenften  „Bügen;  baS  Jeuer  feines  ßntljufiaSmuS  entflammte 
ben  irrigen;  fte  fallen  unb  empfanben  rote  er:  unb  fo  mürben 
iljre  2Berfe  Slbbrüde  ber  rjomerif  djen,  nitfjt  in  bem  3>erf)ältniffe  5 
eines  Porträts  gu  feinem  Originale,  fonbem  in  bem  ä>crl)öttniffe 
cine§  <3ol)neS  gu  feinem  SSater;  äljnlidj  aber  uerf Rieben.  2)ie 
Slljnlidjfett  liegt  öfters  nur  in  einem  einzigen  „Buge;  bie  übrigen 
ailt  Ijaben  unter  fidj  nidjtS  gleidjeS,  als  baf?  fie  mit  bem  äi)it= 
tidjcn  3uge  wt  bem  einen  foroof)l  at§  in  bem  anbern  Ijarmonieren.  10 

£)a  übrigen^  bie  Ijomcrifdjen  sDieifterftüde  ber  ^ßoefie  älter 
waren,  als  irgenb  ein  9Jleifterftücf  ber  M'uitft,  ba  isomer  bie 
9tatur  el)er  mit  einem  malerifdjen  3luge  betrachtet  blatte  als  ein 
^tyibiaS  unb  2lpelleS:  fo  ift  es  nidjt  gu  uerunmbern,  bafj  bie 
Slrtiften  uerfdjiebne,  tfmen  befonberS  nütjlidje  SBemerfungen,  er)e  15 
fie  ,3eit  Rotten,  fte  in  ber  9iatur  felbft  51t  mausen,  fdjon  bei  bem 
$otner  gemadjt  fanben,  mo  fte  biefelben  begierig  ergriffen,  um 
burd)  ben  £omer  bie  9?atur  nadjguaf)men.  $f)tbia§  befannte,  bafj 
bie  feilen:4) 

'H,  Y.al  %vavet]Oiv  in'  öcppi'fft  vsvge  KqovCcov  20 

'JfißQOOiou  d'   &Qa  %<xiT<xi  in&QQÖjoavro  avcc-Azoq, 
ÄQctzbz  an'   a&ccvdzoio'  {isyuv  8    IXiXi'^tv  "Olv[inov 

ilnn  bei  feinem  olumpifdien  Jupiter  gum  ^orbilbe  gebienet,  unb 
bafj  ilmt  nur  burd;  ifyre  §ilfe  ein  göttliches  iHntlit},  propemoduin 
ex  ipso  eoelo  petitum,  gelungen  fei.  2Bem  biefeS  nid)tS  mefjr  25 
gefagt  l)eif$t,  als  bafj  bie  ^antafie  beS  ^ünftlerS  burd;  baS  er= 
()abcne  33ilb  beS  SDidjterS  befeuert,  unb  eben  fo  erhabener  $or= 
ftelfungen  fätjig  gemadjt  morben,  ber,  bünft  mid),  überfielt  baS 
9Befentlid)fte,  unb  begnügt  fidj  mit  etroaS  gang  allgemeinem,  mo 
fid),  311  einer  roeit  grünblidjern  SBefriebigung,  ctmaS  feljr  fpcgtelleS  so 
angeben  läf,t.  So  uiel  id)  urteile,  befannte  ^IjibiaS  gugleid),  bafj 
er  in  biefer  ©teile  guerft  bewerft  fyabe,  tüte  uiel  2luSbrud  in  ben 
Slugenbraunen   liege,   quanta   pars   animi5)  fid)   in  ifyncn  geige. 

J)  Iliud.  ./.  v.  528.     Yulcrhis  Maximus  lib.  III.  cup    7. 
)   Plinius  lil).  X.  sect.  51.  p.  616.     Bdit.   Ward.  35 

31  ff.  2>a3  S8erE)äItni'3  bev  l)omerifd)en  SSerfe  jutn  olnmpifdjen  ^eiiy  bei  y,l)ibia<%  ift  in 
tefcter  3eit  Ijäufig  befprodjen  luorben,  jebod)  bcsftalb  fcl;r  fdnoer  511  fonftatieren,  tueil  ganj 
autijcntifdK  91ad)Mloungen  jenes  geueibilbeä,  auf)cr  auf  HOlünjen,  nod)  nicht  nadigciuiefcn 
finb.  SSJaS  ^f)ibia>3  uornebmlid}  am  jenen  Serien  entnahm,  war  tu  0 1)1  ber  ©inbruef  einer 
in  ibrer  erhabenen  Shiije  bod)  gewaltigen  TOnjeftät.    3n  ber  [ebenfalls  nad)  *piiibia<-3  ent= 


ffuofcoou  XXII.  135 

SStetfeidjt,  bafj  fie  il)n  aud)  auf  baö  A>aar  merjr  %k\$  gu  raenben 
beroegte,  um  baö  einigermaßen  ausjubrücfeu,  maß  $omer  ambro= 
ftfdjeö  £aar  nennet.  3>enn  eö  ift  genrifj,  baf$  bie  alten  Äünftter 
vor  bem   ^]l)ibiaö  baö  ©pred)enbe  unb   Sebeutenbe  ber  SDltenen 

5  «jenig  oerftanben,  unb  6efonber§  baö  $aar  fefir  vernadjläfftget 
Ratten.  5ftodj  SJtyron  mar  in  beiben  Stüden  tabelrjaft,  rote  $tiniu§ 
anmerl't/0  unb  nad)  ebenbemfelben,  mar  sJ>t)tl)agoraö  Seontinuö 
ber  erfte,  ber  fid)  burdj  ein  jierlidjeö  .£aar  f)eruortr)at.7)  2öa§ 
^>f)ibiaö  axi§  bem  -ftomer  lernte,  lernten  bie  anbem  Äünftler  auö 

10  ^\  Söerfen  öeö  "^fjibiaö. 

$d)  roill  nod)  ein  23eifpiel  biefer  9lrt  anführen,  meldjeö  mtdfj 
alleseit  fetjr  vergnügt  t)at.  9Jtan  erinnere  fid),  maö  .öogartl)  über 
ben  Stpotlo  ju  SSeloebere  anmerft.-)  „Siefer  3lpoIlo,  fagt  er,  unb 
ber  2(ntinouö  finb  beibe  in  ebenbemfelben  ^allafte  51t  9tom   311 

15  feljen.  2Benn  aber  2lntinou§  ben  3ufd)auer  mit  33ermunberung 
erfüllet,  fo  fe|et  ifjn  ber  Apollo  in  (Srftaunen;  unb  §raar,  mie  fid) 
bie  Steifenben  auöbrüden,  burd)  einen  2lnblid,  roeldjer  etroaö  mein- 
alö  menfd)lid)eö  jetget,  meld)eö  fie  gemeiniglid)  gar  nidjt  311  be= 
fd)reiben  imftanbe  finb.     Unb  biefe  2Birfung  ift,  fagen  fie,  um 

20  befto  beivunbernömürbiger,  ba,  roenn  man  eö  unterfud)t,  baö  Un= 
proportionierltdje  barem  aud)  einem  gemeinen  2(uge  flar  ift.  ©iner 
ber  beften  33ilbl)auer,  meiere  mir  in  ©nglanb  l)aben,  ber  nettlid) 
barjttt  reifete,  biefe  53ilbftiule  31t  feljen,  bekräftigte  mir  baö,  maö 
itjo   gefagt  werben,   befonberö,  baf$  bie   Jüfje  unb   ©djenfel,  in 

25  2lnfel)ung  ber  obern  £eite,  311  lang  unb  3U  breit  finb.  Unb  Slnbreaö 
©acdji,  einer  ber  größten  Qtalienifdjen  9Jtater,  fd)einet  thtn  biefer 
Meinung  gemefen  311  fein,  fonft  mürbe  er  fdjroerltdj  (in  einem 
berühmten  ©emälbe,  meldjeö  tijo  in  Gnglanb  ift)  feinem  2(polto, 

"l  Plinius  üb.  XXXIV.  sect.  19.  p.  051.     Ipse  tarnen  corporum  tenus  curiosus, 
30  aninii  sensua  nun  expressisse  videtur,  capillum  quoque  et  pubem  non  eniendatius 
fecisse,  quam  rudis  antiquitas  instituisset. 

')  Ibid.     Hie  primus  nervös  et  venas  expressit,  capilhimque  diligentiua. 
)  3er9l'eberun9  0«r  ©c^öntteit.    ©.  47.    SBerl.  2Juäg. 

ftanbenen  3eu>jma3fe  oon  Dtricott  finb  SUigenbraueu  unb  i^aare  fid)erlid)  im  birefteu 
.■jMnblicf  auf  ferner  geftattet  tuorben. 

3  ff.  2)ie  ältere  Äunft  beijanbelt  bie  £aare  gan^  fd&cmattfdi  unb  orbnet  fie  fo  regele 
mäfjig  an,  u>ie  ©etuanbfalten  u.  bgl.  —  ö.  ÜKgron,  ein  etroas  älterer  Qeitgenoffe  beS 
^fnbiaö ,  gleich  biefem  ein  Sdjüler  be>3  ülgelabaä.  —  7.  $i)tfjagora§  aui  9if)egion, 
»gl.  oben  ©.  19  3.  !•.  —  14.  SUntinoue,  ber  fog.  2lntinou3  non  Sklucbere  ift  ein 
Öermes.  —  24 f.  bajj  bie  'güfje  ...  ju  lang  unb  511  breit  finb;  biefe  33emerfung 
ift  burcfiauS  rid;ttg ;  bie  uni'erhältmSmäfsige  Sänge  ber  Seine  follte  jebenfaUQ  ben  (Sinbrucf 
ber  ©cfjlanföeit  er^ö^en.  —  25 f.  atnbrea  ©acdji,  römifd)er  Ulaler  1598— 1061. 


136  «aokoon  XXXI. 

mie  er  ben  2onfünft(er  SßaSquiftni  frönet,  ba3  oöttige  33etf)ältm§ 

be§  2(nttnouö  gegeben  fyaben,  ba  er  übrigens  mirfTid;  eine  ^opie 
non  bem  Stpotto  31t  fein  fd)einet.  Db  mir  gleid)  an  fel)r  großen 
SEßerfen  oft  ferjen,  bafj  ein  geringerer  £etl  au3  ber  2fd)t  getaffen 
roorben,  fo  fann  biefcs  bod)  l)ier  ber  %all  nicr)t  fein.  2)enn  an  5 
einer  fdiönen  33ilbfäule  ift  ein  ridjtigeö  SSerl)äItni§  eine  non  il)ren 
mefentlidjen  Schönheiten.  S)al)er  ift  51t  fdilieften,  ba£  biefe  ©Heber 
mit  A"(eif5  muffen  fein  nerlängert  morben,  fonft  mürbe  e§  leidjt 
I)aben  tonnen  uermieben  roerben.  Sßenn  mir  alfo  bie  ©d)önr)eiten 
biefer  $igur  burd)  unb  burd)  unterfudjen,  fo  werben  mir  mit  10 
©runbe  urteilen,  bajs  ba§,  maS  man  biSljer  für  unbefdjreiblid)  uor= 
trefflid)  an  il)rem  allgemeinen  2lnblicfe  gehalten,  tum  bem  l)er= 
gerül)ret  Ijat,  ma§  ein  %d)kx  in  einem  Seite  berfelben  3U  fein 
gefd)ienen."  —  2UTe§  biefeS  ift  fel)r  einteudjtenb ;  unb  fdjon  Corner, 
füge  id)  f^inju,  r)at  e§  empfunben  unb  angebeutet,  bafj  es>  ein  15 
erhabenes  2lnfeljen  giebt,  roeldjeS  blofs  auö  biefem  3ufaije  oon 
©röf$e  in  ben  2lbmeffungen  ber  $üf$e  unb  Sdjenfel  entfpringet. 
®enn  menn  2(ntenor  bie  ©eftalt  be§  Uh)ffe3  mit  ber  be§  9Jiene= 
(au§  Dergleichen  roill,  fo  ftrfjt  er  itjn  fagen:8) 

Exccvxtav  (liv,  Mtvilccog  vTi£iQt%tv  tvgiccg  cöfiovg,  20 

"J(xcpco  8'  t&iitvco,  ytQKQwxtQog  rjev  'Oövcaevg. 

,,2öann  beibe  ftanben,  ragte  3Jtenelau§  mit  ben  breiten  ©djuttern 
l)odj  rjeroor;  mann  aber  beibe  fafjen,  mar  Uhjffeg  ber  anfermlicfjere." 
©a  Uttjffeö  alfo  bas  2(nfel)en  im  ©t$en  geroann,  mcldjco  2Renetau§ 
im  Sitjen  oerlor,  fo  ift  bas  9>erl)äitni3  leid)t  311  befrimmen,  me(d)e§  25 
beiber  Oberleib  311  ben  $üfjen  unb  (Sdjenfeln  gehabt.  Muffes  blatte 
einen  ,3ufat3  von  ©röjje  in  ben  Proportionen  beS  erftern,  9Jfene= 
lau§  in  ben  Proportionen  ber  tetjtern. 

*)  Iliad.  1\  v,  210.  211. 

1.  2Narc  2lnton  Spasqualini  (fo  lautet  ber  92ame  ridjtig),  päpfiliäjei:  Sänger 
aus  bem  Slnfang  bei  17.  Salirl).  £>aä  ber  früher  g-arnefifd)en  (Sammlung  angebörige  ©e= 
mälbe  ftellt  Slpollo  bar,  wie  er  ben  £>od)mut  beftrajt  unb  bas  SJerbienft  belohnt;  es  ift  non 
Strange  geflogen.  —  2  f.  ba  er  übrigens  ...  ju  fein  fdjeinet;  eine  anbere  .Kopie 
bes  belocberifdjcn  Slpollo,  an  ber  gleidjfalls  bie  Proportionen  normal  fiub,  gab  DiubenS  in 
einem  feiner  Silber  aus  bem  Seben  ber  üJiaria  non  SJIebicis  (im  Sonore).  —  17.  31  b  = 
meffungen;  hierfür  ift  Ijeute  bas  $rembu>ort  ,,£>imenfionen"  allein  iiblidt  geioorbeu.  — 
26  ff.  2)ies  cutfpridjt  ber  geiftigen  Skbetttiing  beiber  SBiänncr;  ber  geiftig  böber  ftetjenbe 
Dbgffeus  mu|te  im  Sigen,  n>o  Sopf  unb  Cberleib  metjr  jur  ©eltung  famen,  als  ber  be= 
ieuteuberc  erfdieinen. 


ffiaohocm  XXin.  137 


XXIII. 


Cin  einziger,  unfdjtcftid&er  %t\t  fann  bie  übereinftimmenbe  2Bir= 
fung  nieter  gut  ©cfjönljeit  ftören.  £>od)  rairb  ber  ©egenfianb  barum 
nod)  nidjt  ^ä^ürf;.    9lud;  bie  £äf$Itd)feii  erforbert  mehrere  unfd)id= 

5  lidje  ^Teite,  bie  mir  ebenfalls  auf  einmal  muffen  überfein  tonnen, 
menn  mir  babei  baS  ©egentetf  von  bem  empfinben  fotlen,  maS 
uns  bie  <2rf)ön§eit  empfinben  läfjt. 

©onadj  mürbe  aud)  bie  §äf$tidjfeit,  ifjrem  Sßefen  nad),  fein 
SSorrourf  ber  ^oefie  fein   fünnen;    unb  bennod)    r)at  §omer  bie 

10  öufjerfte  ^äfjtidjfeü  in  bem  StjerfiteS  gefdjübert,  unb  fie  nadj  tfjren 
teilen  neben  einanber  gefdjtlbert.  Söarutn  mar  il)m  bei  ber  $äj$= 
Iid)feit  vergönnet,  maS  er  bei  ber  ©djönfjeit  fo  einftdjtSuoll  fid) 
felbft  unterfagte?  9Sirb  bie  Sßirfung  ber  .JQäfjlidjfeit,  burd)  bie 
aufeinanberfolgenbe  (Enumeration  it)rer  Elemente,  nidjt  dm  forooljl 

15  geljinbert,  als  bie  SBirfung  ber  ©djönljeit  burdj  bie  äfmlidje  ßnume= 
ration  tr)rer  Elemente  vereitelt  mirb? 

2lllerbingS  mirb  fie  baS;  aber  l)ierin  liegt  and)  bie  sJted)t= 
fertigung  beS  Römers.  <Sbcn  meil  bie  ^äjjücPeit  in  ber  ©djik 
berung  beS  ®id)terS  511  einer  minber  roiberroärtigen  ß'rfdjeinung 

20  fürperlidjer  Unuollfommenfjeiten  mirb,  unb  gleidjfam,  non  ber  «Seite 
iljrer  üföirftmg,  -Säfslidjfeit  51t  fein  aufhöret,  mirb  fie  bem  SHcfyter 
brauchbar;  unb  roaS  er  oor  fid)  felbft  nidjt  nutzen  fann,  nuijt  er 
als  ein  ^ngrebienS,  um  geroiffe  oermifdjte  Gmpfinbungen  fjernor= 
jubringen  unb  511  cerftärfen,  mit  meieren  er  uns,  in  Ermangelung 

25  rein  angenehmer  ©mpfinbungen,  unterl)alten  muf$. 

2)iefe  uermifdjte  ßmpfinbungen  finb  baS  Säcfierlidje,  unb  baS 
Sdjredlidje. 

^omer  madjt  ben  3:l)erfiteS  fjäfslicf),  um  il)n  lädjerlid)  ju 
madjen.    @r  mirb  aber  ntcrjt  burd)  feine  blofse  .ftäfsüdjfeit  lädjerlidj; 

30  benn  §ä^lid)feit  ift  Unnollfommenljeit,  unb  ju  bem  Sädjerlidjen 
mirb  ein  ^ontraft  non  3>ollfommenl)eiten  unb  Unüollfommentjeitcn 
erfobert. ')    2>iefeS  ift  bie  ©rflärung  meines  ^reunbeS,  311  ber  id) 

0  sp-bilof.  SdEiriften  beS  £rn.  3)lofe3  ÜKenbelSfofin  2.  II.  S.  23. 

2  ff.  JEidttig  für  biefen  unb  bie  folgenben  Höfdjmtte  ifi  bas  geiftreidje  Surf)  non  9iofcn= 
Iran;,  „Jlftbetif  be§  ^äfjlk&en",  Königsberg  1853.  —  28—32.  £ie  hier  angenommene  £e= 
finition  iDlofes'  ÜJicnbclSfohn*  fd)Hefjt  fid)  an  bie  2BoIf=23aumgartenfcbe  QiftEjettf  an ,  nach 
welcher  Schönheit  bie  finnlid)  erfannte  Übereinftimmung  be-j  2Nannigfa[tigen  jur  (Sinbeit 
ift,  yäßlichfeit  bie  finnlid;  erfannte  Siichtübereinftimimmg  be§  lTJannigfattigen  jur  (Jinhcit. 


138  ffaokoon  XXIII. 

fjinjui'cfecn  mödfjie,  bajj  btefcr  .Hontraft  nidjt  gu  fraß  unb  ju 
fdmeibenb  fein  mufj,  bafj  bie  Dppofiia,  um  in  ber  ©pradje  ber 
5Kater  fortzufahren,  non  ber  2(rt  fein  muffen,  bafj  fie  fid)  in  eins 
anber  yerfdnneljen  (äffen.  SDer  meife  unb  recbtfdjaffene  2tfop  roirb 
baburd),  baf?  man  itjm  bie  >>äf$lid)i'eit  beö  £b,erfite§  gegeben,  nidjt  5 
lüdjerlid).  @g  mar  eine  alberne  SRöndjSfratje,  ba3  rslolov  feiner 
le()rrcid)cn  -äJtärdjen,  nermittelft  ber  lingeftattb/it  aud)  in  feine 
^erfon  verlegen  511  rooKen.  ®enn  ein  mtf^gebilbeter  Körper  unb 
eine  fdjöne  ©eete,  finb  rote  DI  unb  Sfftg,  bie  roenn  man  fie  fdjon 
in  einanber  fdjlägt,  für  ben  ©efdnnad  bodj  immer  getrennet  bleiben.  10 
<5te  geroäl)ren  fein  drittes ;  ber  Körper  erroed't  3>erbrufj,  bie  ©eele 
äöotylgefatten;  jebe§  bcis  feine  für  fid).  9atr  roenn  ber  mifjgebtlbere 
Körper  gugleid)  gebredjlid)  unb  iränf(id)  iff,  roenn  er  bie  ©eele 
in  ibren  SSirfungen  fyinbert,  roenn  er  bie  Quelle  nachteiliger  33or= 
urteile  gegen  fie  roirb:  alsbenn  fliegen  23erbruf}  unb  Söoblgefallen  15 
in  einanber;  aber  bie  neue  barau§  entfpringenbe  (Srfdjeinung  ift 
nidjt  Sadjen,  fonbern  ?JiitIeib,  unb  ber  ©egenftanb,  ben  roir  oljne 
biefeS  nur  rjotfjgeadjtet  Ijiitten,  roirb  intcreffant.  ©er  mifjgebUbete 
gebredjlidje  ^ope  mufste  feinen  greunben  roeit  intereffanter  fein, 
aU  ber  fdjöne  unb  gefunbe  2Bid)eriep  ben  feinen.  —  ©0  roenig  20 
aber  £rjerfite§  burd)  bie  blofje  §ä^Iid;t'eit  ladjerud)  roirb,  ebenfo 
roenig  roürbe  er  es  ol)ne  biefelbe  fein.  3>ie  ^äfjlidjfeit,  bie  Über= 
einftimmung  biefer  ^äfjlidjfeit  mit  feinem  (Hjarafter;  ber  9Biber= 
fprudj,  ben  beibe  mit  ber  $bee  madjen,  bie  er  non  feiner  eigenen 
2i>id)tigfeit  l)eget;  bie  unfdjäblidje,  ibn  aßein  bemütigenbe  3Sirfung  25 
feines  boshaften  ©efdnuäüeS :  atteö  muf}  jufammen  51t  biefem  3roe<fe 
nrirfen.  S)er  letztere  Umftanb  ift  ba§  Ov  cp&aouKov,  roeldjeS 
3lriftotete§2)  unutngänglicf)  §u  bem  Sädjertidjen  nerlanget;  fo  roie 
eö  aud)  mein  $reunb  §u  einer  notroenbigen  33ebingung  madjt,  bajs 
jener  .Hontraft  von  feiner  SEßidjttgfeit  fein,  unb  un§  nid)t  fefjr  30 
intereffieren  muffe.  Senn  man  neunte  awi)  nur  an,  baf$  bem 
£b,erfiteö   felbft   feine    b/imifdje   üßerfteinerung   be§  2(gamemnonö 

-)  De  Poetica  cap.  V. 

1.  frall,  ältere  g-orm  für  „grell".  —  4.  2ifop,  ber  befannte  g-abelbidjter,  lebte 
roaljrfdjeinlidj  um  <'>oo — 550  t>.  (itjr.,  ift  aber  ganj  311  einer  fageufyaften  ^erfimlidifeit  ge= 
roorben,  unb  fo  beruht  aud)  bie  Slngabe,  bafj  er  budlig  unb  jtoerfllaft  geroefeu  fei,  auf 
fpätercr  ISrfinbung.  —  <;.  HDlöndiof  rafce,  b.  b,.  eine  auf  llnimffenbeit  beruljcnbe  $offe. 
2)!it  ben  üHündjcn  bat  bie  Sadjt  nidjts  511  tl>un,  ba  bie  ©rfinbung  bereits  im  Mltertum 
entftanb;  „möndufdi"  bebeutet,  „abgefdunaeft".  fjrafce  für  Sfoffe,  Unfiun  fommt  aud;  fonft 
uor.  —  li».  ^ope  mar,  roie  2tfop,  budlig.  —  20.  SB  Uli  am  SBtjdjerlei;  (fo  lautet  ber 
SJame  ridjtig)  mar  ein  engtifcfyer  2uftfptelbid}ter  001t  fefyr  lodern  Sitten  1640—1715. 


«aokoon  XXIII.  139 

teurer  31t  fiebert  gekommen  märe,  baf$  er  fie,  anftatt  mit  ein  paar 
blutigen  ©djroielen,  mit  bem  Seben  bellen  muffen:  unb  mir 
mürben  aufhören  über  Um  ju  lachen,  Senn  biefeö  ©d^eufal  uon 
einem  sDienfd)en  ift  bod)  ein  SDtenfd),  beffen  SBernidjtung  uns  ftetS 

5  ein  größeres  Übel  fdjeinet,  als  alle  feine  ©ebredjen  unb  Safter. 
Um  bie  Grfaljrung  Ijieruon  31t  madjen,  lefe  man  fein  @nbe  bei  bem 
QutntuS  ßala&er.3)  StdjilleS  bebauet*  bie  sl>ent(jefilea  getötet  51t 
Ijaben:  bie  ©djönljett  in  ifjrem  23tute,  fo  tapfer  uergoffen,  fobert 
bie  ^odjadjtung  unb  baS  -Diitleib  beS  gelben;  unb   ^odjadjtung 

10  unb  9CRitteib  werben  Siebe.  216er  ber  fdmiäl)füd)tige  SljerfiteS 
madjt  Ujtn  biefe  Siebe  31t  einem  Sßer&redjen.  Gr  eifert  miber  bie 
Sßottuft,  bie  audj  ben  maderften  9Kann  31t  Unfinnigfeiten  verleite, 

—  —  —  Tqx'   acpQOva  epüza  Ti&i]ßi 
Kai   TtlVVXOV   TtiQ   sovzcc.    —    —    —   — 

15  2(d)üteS  ergrimmt,  unb  ol)nc  ein  Söort  311  oerf  eisen,  fdjlägt  er  if)n 
fo  unfanft  §roifcfjcn  ^8aä  unb  Dljr,  baf$  il)in  Bäfnte,  unb  SSlut 
unb  ©eele  mit  eins  aus  bem  §alfe  ftürgen.  3»  graufam!  £>er 
jad^ornige  mörbrifdje  2(d)illeS  wirb  mir  uerljafjter,  als  ber  tüdifdje 
fnurrenbe  £l)erfiteS;  ba§  g-reubengefdjrei,  meldjeS  bie  ©rieben  über 

20  biefe  Xl)at  ergeben,  beleibiget  mid§;  iä)  trete  auf  bie  Seite  beS 
3)iomebe§,  ber  fdjon  bas>  ©djroert  gucfet,  feinen  2tnüem>anbten  an 
bem  9)törber  311  rädjen:  benn  idj  empfinbe  eS,  bafj  jEfyerfiteS  aud) 
mein  Slnuerroanbter  ift,  ein  9Jlenfd§. 

©efetjt  aber  gar,  bie  Sserljetmngen  beS  £Ijerfite§  mären  in 

25  Meuterei  ausgebrochen,  ba§  aufrürjrerifdje  95oH  märe  roirflid)  31t 
©cfjiffe  gegangen  unb  fjätte  feine  §eerfür)rer  uerräterifd;  §urüc&= 
getaffen,  bie  §eerfüljrer  mären  tjier  einem  radjfüdjtigen  $einbe  in 
bie  £>änbe  gefallen,  unb  bort  Ijätte  ein  göttliches  ©trafgeridjte  über 
flotte  unb  Sßotf  ein  gänsIidjeS  93erberben  »ergangen:  mie  mürbe 

30  un§  alsbenn  bie  £äf5lidjfeit  beS  ^IjerfiteS  erfdjeinen?  2Benn  un- 
fd)äblid)e  ^äfjlidjteit  lädjerlidj  werben  tann,  fo  ift  fdjäblidje  $ä$-- 
Itdjfett  attegeit  fdjred'lid).  ^d;  roeifs  biefeS  nidjt  beffer  31t  erläutern, 
als  mit  ein  ^?aar  vortrefflichen  ©teilen  beS  ©b/rfefpear.  Gbmunb, 
ber  33aftarb   beS  ©rafen  oon  ©lofter,  im  Äönig   Sear,  ift  fein 

35  3)  Paralipom.  lib.  I.  v.  720— 77.".. 

18.  jacfisorntg,  für  jäljjornig,  rote  l)äufig  jatf)  für  jäl).  —  21.  feinen  3tnoer  = 
wanbten;  ber  Sage  naa)  ift  DineuS,  ber  ©rofjoater  be§  SDiontebeä,  ©ruber  non  be3 
SE^erftteS  SSater  2lgrio3. 


140  Caokoon  xxni. 

geringerer  23öfennd)t,  alö  9itcr)arb,  -^erjog  oon  ©tocefter,  ber  fid) 
burd)  bic  abfd)eulid)ften  93erbred)en  ben  3Beg  jum  ÜEljrone  bahnte, 
bert  er  unter  bem  9iamen  9ftd)arb  ber  ^Dritte  beftieg.  2lber  rate 
fömmt  e§,  bajs  jener  bei  roeitem  nid)t  fo  tuet  ©djaubern  unb  @nt= 
fetjen  erroecfet,  a(§  biefer?    SOSenn  id)  ben  Saftarb  jagen  tjöre:4)  5 

Thou,  Nature,  art  niy  Goddess,  to  thy  Law 

My  Services  are  bound;  wherefore  should  I 

Stand  in  the  Plage  of  Custom,  and  permit 

The  curtesie  of  Nations  to  deprive  me, 

For  that  I  am  some  twelve,  or  fourteen  Moonshines  10 

Lag  of  a  Brother?    Why  Bastard?  wherefore  base? 

When  niy  dimensions  are  as  well  compact, 

My  Mind  as  gen'rous,  and  my  shape  as  true 

As  honest  Madam's  Issue?    Why  brand  they  thus 

With  base?  with  baseness?  bastardy,  base?  base?  15 

Who,  in  the  lusty  stealth  of  Nature,  take 

More  composition  and  fierce  quality, 

Than  doth,  within  a  dull,  stale,  tired  Bed, 

Go  to  creating  a  whole  tribe  of  Fops, 

Got  'tween  a-sleap  and  wake?  20 

fo  Jjöre  id)  einen  Teufel,  aber  id)  fefye  ifyn  in  ber  ©eftalt  eine§ 
©ngetS  be§  2id)l§.  §öre  id}  hingegen  ben  ©rafen  r>on  ©tocefter 
fagen:5) 

But  I,  that  am  not  shap'd  for  sportive  Tricks, 

Nor  made  to  court  an  am'rous  looking-glass,  25 

I,  that  am  rudely  stampt,  and  want  Love's  Majesty, 

To  strut  before  a  wanton  ambling  Nynrph; 

I,  that  am  curtaü'd  of  this  faire  proportion, 

Cheated  of  feature  by  dissembling  nature, 

Deform'd,  unfinish'd,  sent  before  my  time  30 

Into  this  breathing  world,  scarce  half  made  up, 

And  that  so  lamely  and  unfashionably, 

That  dogs  bark  at  me,  as  I  halt  by  them: 

Why  I  (in  this  weak  piping  time  of  Peace) 

Have  no  delight  to  pass  away  the  time;  35 

Unless  to  spy  my  shadow  in  the  sun, 

And  descant  on  mine  own  Deformity. 

«)  King  Lear  Act.  I.  Sc.  II. 

■'■)  The  Life  and   Death  of  Richard  111.  Art.  I.  Sc.  t. 


Caokoott  xxiv.  141 

And  therefore,  since  I  cannot  prove  a  Lover, 
To  entertain  these  fair  well-spoken  days, 
I  am  determined,  to  prove  a  Villain! 

fo  l)öre  id;  einen  Teufel,  unb  felje  einen  Teufel;  in  einer  ©eftalt, 
5  bie  ber  Teufel  attetn  Ijaben  fottte. 

XXIV. 

(So  nutjt  ber  ©id)ter  bie  §äf5lid)feit  ber  formen:   roeldjen 
©ebraud)  ift  bem  9Jkler  baoon  31t  madjen  uergönnet? 

2)ie  9Jialerei,  al§  nadjaljmenbe  ^ertigfeit,  fann  bie  §äf5lid)= 

io  feit  auSbrüd'en:  bie  "Dialcrei,  als  fdjöne  ^unft,  null  fie  nid)t  au§>- 
brüden.  21(3  jener,  gehören  i^r  äffe  fidjtbare  ©egenftänbe  gu:  als 
biefe,  fdjlie^t  fie  fid)  nur  auf  bie  jenigen  ftdjtbaren  ©egenftänbe 
ein,  roeldje  angenehme  ßmpfinbungen  ermeden. 

2tber  gefallen  nid)t  aud)  bie  unangenehmen  (Smpftnbungen  in 

15  ber  ^adjalpnung?  9ftd)t  alle,  ©in  fdjarffinniger  ^unftridjter1) 
t)at  biefes  bereits  tton  bem  ©fei  bemerft.  „©ie  üBorftettungen  ber 
§urd)t,  fagt  er,  ber  Sraurigfeit,  beS  <5d)redenS,  beS  9JlitIetbe§  u.  f.  m. 
formen  nur  Unluft  erregen,  in  fo  weit  mir  baS  Übel  für  roirflid; 
galten,    ©tefe  fönnen  alfo  burd)  bie  (Erinnerung,  baf?  eS  ein  fünfte 

20  licfjer  ^Betrug  fei,  in  angenehme  ©mpfinbungen  aufgelöfet  werben. 
5Die  roibrige  ©mpftnbung  beS  ©felS  aber  erfolgt,  »ermöge  beS 
Öefetjes  ber  ©inbilbungSfraft  auf  bie  blofse  SSorftettung  in  ber 
Seele,  ber  ©egenftanb  mag  für  roirflid)  gehalten  merben,  ober 
nid)t.     2BaS   l)ilfts  bem   beleibigten  ©emüte  alfo,   roenn  fid)  bie 

25  Äunft  ber  9?ad)alnnung  nod)  fo  fein;  »errät?  £>l)re  Unluft  ent= 
fprang  nidjt  aus  ber  SSorauSfetjung ,  bafj  baS  Übel  mirflid)  fei, 
fonbern  aus  ber  blofsen  $orftellung  beSfelben,  unb  biefe  ift  mirflid; 
ba.  2)ie  ©mpfinbungen  beS  ©felS  finb  alfo  allezeit  9Zatur,  niemals 
Siadjaljmung." 

30  ©benbiefeS  gilt  üou  ber  §ä^lid)feit  ber  formen.    3)iefe  §äf$= 

lidjfeit  beleibiget  unfer  ©eftd)t,  roiberfteljet  unferm  ©efcljmade  an 
Drbnung  unb  Übereinftimmung,  unb  erroedet  2lbfd)eu,  oljne  diüä-- 
fid)t  auf  bie  mirflidje  ©rifteng  beS  ©egenftanbeS,  an  meld)em  mir 

')  Briefe  bie  neuefte  Sitteratur  betreffcnb.    Z.  V.  S.  10.'. 

12 f.  Stnftatt  fidj  einfcfjliejjen  §tef)t  man  in  heutiger  2tu3brutf'3roeife  „fid;  eins 
ftfjränfcn,  befd)ränfen"  »or.  —  15.  ein  fdjarffinniger  Sunftridjtcr,  bieS  roar  eben* 
faU3  2Kofe§  ÜJIenbel'jfoljn,  beffen  betreffenbc  Sluffäfte  anonym  erfdjienen  roaren. 


1  42  ffinokoon  XXIV. 

fte  roaljrneljmcn.  2Bir  mögen  ben  S£Ijerftte§  roeber  in  ber  Statur 
nod)  im  Silbe  feljen;  unb  roenn  fdjon  fein  ^Bilb  weniger  mißfällt, 
fo  gefd)iel)t  biefeä  bod)  nidjt  be§roegen,  roeil  bie  ^äfjlidfjfeii  feiner 
Aorm  in  ber  iföadjafjmung  ^äfjlidjfeit  gu  fein  aufhöret,  fonbern 
roeil  mir  baö  Vermögen  befugen,  oon  biefer  $äJ3lidjfeit  511  abftra=  5 
Ipercn,  unb  uns  Mofj  an  ber  $unft  be§  SRalerö  3U  oergnügen. 
216er  aud)  biefeS  Vergnügen  roirb  alle  Slugenblid'e  burdj  bie  Ü6er= 
legung  unterbrochen,  rote  übel  bie  ®unft  angeroenbet  roorben,  unb 
biefe  Überlegung  roirb  feiten  feljten,  bie  ©ertngfdjütmng  beö  ÄünftlerS 
nad)  fid)  ju  gießen.  10 

SCriftoteteö  giebt  eine  anbere  Urfadje  an,2)  roarum  SDinge, 
bie  mir  in  ber  9?atur  mit  SSibermiHen  erbliden,  and)  in  ber  ge= 
treueften  Ülbbilbung  Vergnügen  gemäßen:  bie  allgemeine  2Sift= 
Begierbe  be§  SDtenfdjen.  2Sir  freuen  un§,  roenn  roir  entroeber  au§ 
ber  iHbbilbung  lernen  tonnen,  xl  Exaßrov,  roaö  ein  jebeS  IDing  15 
ift,  ober  roenn  roir  barauö  fdjliefjen  tonnen,  ön  ovrog  i%sivog, 
bafc  e§  biefeä  ober  jenes  ift.  2llfein  and)  fjierau§  folget,  gum 
heften  ber  .v>äf3(icf>feit  in  ber  Üiadjaljmung,  nidjts.  <J)a§  Vergnügen, 
roefdjeS  au%  ber  Sefrtebtgung  unferer  2öipegierbe  entfpringt,  ift 
momentan,  unb  bem  ©egenftcmbe,  über  roeldjen  fte  befrtebiget  roirb,  20 
nur  zufällig;  ba§  5Diifroergnügen  hingegen,  roeldjes  ben  2lnblid" 
ber  §ä|ßd;fett  begleitet,  permanent,  unb  bem  ©egenftanbc,  ber  es 
erroed't,  roefentlid).  9öie  fann  alfo  jenes  biefem  ba§  ©leidjgeroidjt 
galten?  dlod)  roeniger  fann  bie  f  leine  angenefpne  33efd)äftigung, 
roetdje  uns»  bie  Semertung  ber  3(fjnlid;feit  madjt,  bie  unangenehme  25 
SBirtung  ber  §ctfjltd)feit  befiegen.  $je  genauer  id)  ba§>  fjä^Iitfje 
Oiadjbilb  mit  bem  Ijäfjftdjen  llrbilbe  oergteidje,  befto  meljr  ftetfe 
idj  mid)  biefer  SÖirfung  blof},  fo  baft  baö  Vergnügen  ber  "lser= 
glcidjung  gar  halb  oerfdjroinbet,  unb  mir  nid;tö  al§  ber  roibrige 
(S'tnbrud  ber  verboppelten  .fyifiltdjfett  übrig  bleibet.  Wad)  ben  30 
SBetfpielen,  roeldje  2(riftotefcs  giebt,  3U  urteilen,  flehtet  es,  als 
Ijabe  er  and)  felbft  bie  ^äfjUdjtett  ber  formen  nidjt  mit  gu  ben 
mißfälligen  ©cgcnftänbcn  redjnen  rooflen,  bie  in  ber  Dtadjainuung 

1  De  Poetica  cap.  IV. 

9.  fcljlcit,  roofür  beute  „perfekten"  üblich.  —  10.  Jjn  ber  £>b[d)r.  urfpriinglid)  „am 
i$  übe  nach  fiel)  ;u  jte^en".  —  21.  jufättig;  in  ber  mobernen  p§üojop&if<§en  Terminologie 
gebraucSt  nmn  hierfür  lieber  bno  grembiucrt  aeeib  enteil,  als  @egenfa|  ui  permanent 
ober  immanent.  —   2<>.   ^äfslicbf  eit;    in   ber  $bfa)r.  urfprttnglt$  „ber  oerboppetten 

A>äfuicl)tcit",  uue  nadiber. 


ffaokoon  XXIV.  143 

gefallen  tonnen,  3)iefe  33eifptele  ftnb,  reifjenbe  öftere  unb  2eidj= 
nmne.  ERet^enbe  -tiere  erregen  ©djrecfen,  roenn  fie  and)  nidjt 
()äf5ltd)  ftnb;  unb  biefeä  Sdjrcden,  nidjt  tf)re  ^crfjlidjfeit,  ift  e3, 
roa§  burdj  bie  §ftad)al)mung  in  angenehme  ©tnpfinbung  aufgelöfet 

b  rotrb.  <5o  aud)  mit  ben  Seidptamen;  ba§  fdjärfere  Ü)cfül)(  be3 
9Jittleib§,  bie  fdjrcdlidje  Grinnerung  an  unfere  eigene  Sßerntdjtung 
ift  eS,  roeldje  uno  einen  Seidjnam  in  ber  Statur  511  einem  roibrtgen 
©egenftanbc  mad)t;  in  ber  s)iad)al)mung  aber  verlieret  jeneö  3Jiitleib, 
burdj  bie  Überzeugung  be§  33etrug3,   ba§  ©dmetbenbe,  unb  von 

10  biefer  fatalen  (Erinnerung  lann  un§  ein  Bufatj  von  fcr}meidf;eU;aftcn 
Umftänben  entroeber  gänglidj  abgießen,  ober  fid)  fo  unjertrennlid) 
mit  Üjr  »«reinen,  baf?  mir  meljr  münfdjenötvürbigeS  al§  fdjredltdjeö 
barin  51t  bemerfen  glauben. 

2)a  alfo  bie  öäptidjf'eit  ber  formen,  weil  bie  Gmpftnbung, 

15  meiere  fie  erregt,  unangenehm,  unb  bod)  nidjt  von  beseitigen  2trt 
unangenehmer  Gmpftnbungen  ift,  roetdje  fid)  bttrd)  bie  9tad)a()mung 
in  angenehme  venvanbeln,  an  unb  vor  fid)  fclbft  fein  üßorrourf 
ber  Malerei,  als  fdjöner  ^unft,  fein  tarnt:  fo  tarne  eö  nodj  barauf 
an,  ob  fie  iln*,  nid)t  ebenfomoljl  rote  ber  ^>oefte,  al§  ^ngrebienö, 

20  um  anbere  Gmpfinbungen  §u  verftärfen,  nütjtid)  fein  tonne. 

2>arf  bie  9}calerei,  §u  Grreid)ung  be§  Säuerlichen  unb  ©d)red= 
lidjen,  fid)  fjäfjlidjer  formen  bebienen? 

^sd)  rotfl  eö  nidjt  roagen,  fo  grabest,  mit  9?ein  hierauf  ju 
antivorten.     Gö  ift  unleugbar,  baf?  unfd;äblid)e  ^äfjlidjfeit  aud; 

25  in  ber  9Jlalerei  lädjerlid)  werben  lann;  befonberS  roenn  eine 
SCffeltattOTt  naef)  9teij  unb  2lnfet)en  bamit  verbunben  mirb.  ®§ 
ift  ebenfo  unftreitig,  ba|3  fdjäblidje  ^äjjftdjfeit,  fo  rote  in  ber  9Jatur, 
alfo  aud)  im  ©emälbe  ©djreden  envedet;  unb  bafj  jene§  Säd;cr= 
lidje  unb  biefeS  ©djredlidje,  roetdjcS  fdjon  vor  fid;  vermifdjte  Gm= 

so  pfinbungen  finb,  bttrd)  bie  9tad)al)mung  einen  neuen  ©rab  von 
vJln^üglicb,feit  unb  SSergnügen  erlangen. 

$d)  mu^  aber  gu  bebenfen  geben,  bafj  bem  ofmgeadjtei  fid; 
bie  Malerei  l)ier  nid)t  völlig  mit  ber  ^oefie  in  gleidjem   $affe 

1.  StriftoteleS  fpriefit  nidjt  uou  reifsertben  Sieren,  fonbern  von  ben  uiebrigfteit 
ÄHergattungen  (dti/nötata)  —  3.  Sdjrecfen  alz  Sieutr.  ift  tjeute  ungetoö^nKdj;  „ber 
Bcbrerfcu"  ift  aber  nidjt  gnfinitio,  fonbern  Verlängerung  oon  „ber  Sdjrecf".  —  14 — 20. 
G§  ift  311  beachten,  baß  unter  Umftänben  ba§  .'öafjtidje,  aud)  ofjne  lädjerlid)  ober  fdjretflid) 
äu  fein,  um  be§  .üoutraftes  willen  in  ber  Äunft  äkrroenbung  fiuben  fann.  —  24  ff.  SX  t). 
wenn  bo.3  £äfslid)e  mit  ber  Sprätenfiou,  reijenb  ober  anfeljnlid)  ^u  fein,  eingeführt  roirb. 
—  31.  ®a  2t it s ü g I i rr> f e i t  beute  in  ber  Siegel  in  anberem  Sinne  gebraudjt  roirb,  sieben 
wir  in  biefer  öcbeutung  baö  2Bort  „3ln§ie|ung§rraft"  oor. 


144  Caokoon  XXV. 

beftnbet.  $n  &e*  ^Poefic,  mie  idj  angcmerfet,  verlieret  bie  §äf$= 
Iid)feit  ber  Aorm,  burd)  bie  2>eränberung  ifjrer  foextftterenbeti 
^Tctte  in  fucceffioe,  iljre  roibrige  Söirfung  faft  gänglidj;  fie  tjöret 
üon  biefer  Seite  gtetdjfatn  auf,  .fyifUtdjfeit  §u  fein,  unb  fann  fid) 
baljer  mit  anbern  Grfdjeinungen  befto  inniger  uerbinben,  um  eine  5 
neue  befonbere  Söirfung  Ijeroorgubringen.  £jn  ber  9Jta(erei  hin- 
gegen l)at  bie  ^äfjlidjfeit  alle  tfjre  Gräfte  beifammen,  unb  wirfet 
nidjt  Dtel  fdjmädjer,  als  in  ber  9iatur  felbft.  Unfdjäblidje  §äjj= 
lidjfcit  fann  folglid)  nidjt  mot)l  lange  lädjerlid)  bleiben,  bie  unan= 
genehme  ßmpfinbung  gewinnet  bie  Dberfjanb,  unb  mas  in  ben  10 
erften  21ugenblid'en  pofficrlid;  mar,  mirb  in  ber  $olge  o^fs  o,h 
fdjeulid).  5ftt(§t  anbers  geljet  es  mit  ber  fdjtiblidjen  ^äftltdjJeit; 
bas  Sd)red'(id)e  uerliert  fidt)  nad)  unb  nad),  unb  bas  Unförmliche 
bleibt  allein  unb  unoeränberlid)  jurüd'. 

©tefeS  überlegt,  rjatte  ber  ©raf  (EanluS  nollfommen  red)t,  15 
bie  ©pifobe  beS  S£f)erfites  aus  ber  Steige  feiner  Ijomerifdjen  ©e= 
miilbe  roegjulaffen.  Slber  l)at  man  barum  audj  red)t,  fie  aus 
bem  -ftomer  felbft  roeggunmnfdjen?  $d)  finbe  ungern,  bajj  ein 
©eleljrter,  von  fonft  fefjr  ridjtigem  unb  feinem  ©efdjmade,  biefer 
Meinung  ift.3)  £>d)  uerfpare  es  auf  einen  anbern  Drt,  tnidj  meit=  20 
läuftiger  barüber  31t  erflären. 


XXV. 

2lud)  ber  smeite  Unterfd)teb,  meldjen  ber  angeführte  $unft= 
rid)tcr,  §n>ifdjen  bem  ©fei  unb  anbern  unangenehmen  sJeibenfd)aften 
ber  ©eele  finbet,  äußert  fidt)  bei  ber  Unluft,  roeldje  bie  §äj$Udjfeit  2:. 
ber  formen  in  uns  erroed'et. 

„Rubere  unangenehme  Seibenfdjaften,  fagt  er,1)  tonnen  audj 
aufjer  ber  y)iad)al)mung,  in  ber  9iatur  felbft,  bem  ©emütc  öfters 
idnneidjeln;  inbem  fie  niemals  reine  Unluft  erregen,  fonbern  iljre 
SBitterfeit  allejeit  mit  2Bolluft  r>ermifd)en.    Unfere  $urdjt  ift  feiten  30 
r>on    aller  Hoffnung    entblößt;    ber  'SdjrcdVn    belebt    alle    tmfere 

•>)  Klotzii  Epistolae  Bomericae,  p.  33.  et  seq. 

')  Gbenbafelbft  S.  103. 

15  ff.  Sarftellungen  beS  S#erfite§  in  bev  antifett  Äunft  finb  fe^r  »wetnjelt.  —  18  f. 
ein  (belehrter,  Efjrifftan  äbotf  ßto|  (1788—1771),  SJrofeffor  in  öalle,  mit  bem 
ßeffing  bantalä  nocfi  nid)t  in  jene  ACt>t>e  geraten  war,  welche  iuäter  rem  beiben  Seiten  fo 
lebhaft  geführt  luurbe.  —  30.  SBoIIuft  wirb  in  ber  altern  SReberoeife  häufig  gebraucht, 
Rio  mir  nur  „Vergnügen"  ober  „Vuft"  fcblecbtbin  [aßen  mürben. 


ffuokooii  XXV.  145 

Gräfte,  bcr  ©efaljr  auäguroeidjen;  ber  3°*n  ift  mit  ber  Segierbe 
fid)  gu  rädjen,  bie  Sraurigfeit  mit  ber  angenehmen  SSorfteittung 
ber  uorigen  ©lücffeKgfeit  nerfnüpft,  nnb  ba§  -üiJiitleiben  i[t  uon 
ben  gärttid^cn  ©mpfinbungen  ber  Siebe  nnb  $uneigung  unger= 
5  tremtlidj.  Sie  (Seele  r}at  bie  ^reir)eit,  fid)  balb  bei  bem  uer= 
gnügtidjen,  6atb  bei  bem  «übrigen  Pfeile  einer  Seibenfdjaft  gu 
Derweilen,  unb  fid;  eine  SSermifd)ung  von  Stift  unb  Unluft  fetbft 
gu  fdjaffen,  bie  retgenber  ift,  al§  ba3  tauterfte  Vergnügen.  @§ 
braudjt  nur  fetjr   wenig  2Idjtfamfeit  auf   fid)   felber,    um   biefes 

10  üielfättig  beobachtet  gu  ijaben;  unb  moljer  tarne  e§  benn  fonft,  bajj 
bem  3orntgen  fein  3orn,  bem  traurigen  feine  Unmut  lieber  ift 
als  alte  freubige  üBorfteltungen,  baburd)  man  ilm  gu  beruhigen 
gebeutet?  ©ang  anbers  aber  uerljtilt  e§  fid)  mit  bem  Gfet  unb 
ben  if)m  oermanbten  (Smpfinbungen.    Sie  ©eete  ert'ennet  in  bem= 

i5  fei  ben  feine  merflidje  ^ermifdjung  oon  Suft.  S5a§  SJiifjtJergnügen 
gewinnet  tue  Dbertjanb,  unb  batjer  ift  fein  3ufianb,  meber  in  ber 
s)iatur  nod)  in  ber  §ftadjar)mung  gu  erbeuten,  in  roetdjem  bas 
©emüt  nidjt  uon  biefen  üBorftettungen  mit  SSiberiuiften  gurüdf= 
roeidjen  füllte." 

20  SSoElbmmen  richtig ;  aber  ba  ber  Kunftridjter  fefbft  nod)  anbete 

mit  bem  ©fei  oenuanbten  Ghnpfinbungen  erlerntet,  bie  gleichfalls 
nidjts'  als  Unfuft  geiuäljren,  roeldje  fann  ifjm  närjer  oenuanbt  fein, 
als  bie  Gmpfinöung  bes  $äf$lid}en  in  ben  formen?  9(ud)  biefe 
ift  in  ber  Statur  oljne  bie  geringfte  SJttfdjung  oon  Suft;   unb  ba 

25  fie  bereu  ebenfo  roenig  burd)  bie  s)Zad)ar)mung  fäljtg  wirb,  fo  ift 

aud)   uon  ifjr  fein  3uftanb  gu  erbenfen,  in  meldjem  ba§  ©emüt 

uon   tljrer  SSorfteßung  nid)t  mit  3Btberroillen  gurüdhoeidjen  foffte. 

$a  biefer  äöibertmtfe,  menn  itf)   anber§  mein  ©efüljl  forg= 

fältig  genug  unterfudjt  fjabe,  ift  gänglid)  uon  ber  3tatur  beö  ßfels. 

20  Sie  ©mpfinbung,  weldje  bie  ^äjjltdjfeit  ber  $otm  begleitet,  ift 
(SM,  nur  in  einem  geringem  ©rabe.  2)iefe§  ftreitet  grbar  mit 
einer  anbem  Stnmerfung  be§  $unftrid)ter§,  nad)  welcher  er  nur 
bie  allerbunfelften  Sinne,  ben  (Mdjinad,  ben  ©erud)  unb  bas 
©efüf)f,  bem  ©fei  ausgefeilt  gu  fein  glaubet.    ,,^ene  beibe,  fagt 

11.  feine  Unmut,  rocibüd)  gcbraudit,  was  aud;  in  älterer  ©pradje  fetten  ift  gegen« 
über  „ber  Unmut".  —  31  ff.  SKit  3ied;t  fdjränft  §erber  bie  ©mpfinbung  beö  eigentlichen 
(i'fel'3  auf  ©efdjmatfs  unb  ®erudjfinn  ein;  bie  anbem  Sinne  erljalten  bie  bem  @Eel  per* 
roanbte  ©mpfinbung  erft  iubirett,  inbem  ber  ©ebanfe  an  bie  beiben  anbem  babei  fjernovj 
gerufen  wirb.  2>afs  „üBermäfjige  ©üfjigfeit"  für  GSefdjmacf  unb  ©erud)  (Siel  oerurfadt, 
ift  loofjt  blojj  ein  Seifptel  3Äen&eI§fo§n§,  ba  aud)  anbere  Singe  cteierregenb  roirfeu  tonnen; 
unb  ba?  ©(eidie  gilt  oon  bem  für  ba§  OefüEjt  angeführten  S3eifpiele. 

Seffing?  SSerfe  0.  10 


14G  Caokoon  XXV. 

er,  burd)  eine  übermäßige  Süßtgfeit,  unb  biefeS  burd)  eine  affju 
große  Söeidjljeit  ber  Körper,  bie  ben  berüljrenbcn  $ibem  nidjt 
genugfam  nriberfteljen.  £iefe  ©egenftänbe  werben  fobann  and) 
bem  öefidjte  unerträglidj,  aber  bloß  burdj  bie  9lffociation  ber  33e= 
griffe,  inbem  mir  uns  be§  2i>iberwillen3  erinnern,  ben  fie  bem  5 
Neicbmad'c,  bem  ©erudje  ober  bem  ©efül)Ie  nerurfadjen.  S)enn 
eigentlich  gu  reben,  giebt  es  feine  ©egenftänbe  bes  ßfcls  für  baS 
©eftäjt."  2)od)  mid)  bünft,  es  (äffen  fidj  bergletdjen  aßerbtngs 
nennen,  ©in  $euermal  in  bem  ©efitfjte,  eine  £afenfdjärte,  eine 
gepletfdjte  Sftafe  mit  Dorragenben  Södjern,  ein  gängftdjer  3Äange(  10 
ber  3Utgenbraunen,  finb  ^äßltdjfeiten,  bie  weber  bem  ©erudje,  nodj 
bem  ©efdjmadc,  nodj  bem  ©efüljle  jumiber  fein  fönnen.  ©leidj= 
wol)l  ift  es  gewiß,  baß  wir  etwas  babei  empfinben,  weldjes  bem 
Gfel  fdjon  niel  näljer  fömmt,  als  baS,  maö  uns  anbere  Unförmlich 
feiten  bes  .Üörpers,  ein  frummer  $uß,  ein  r)ot)er  Sauden,  empfinben  15 
(äffen;  je  ^ärtlidjer  ba§  Temperament  ift,  befto  meljr  werben  mir 
von  ben  Bewegungen  in  bem  Körper  babei  fügten,  welche  uor 
bem  ©rbredjen  twrljcrgeljen.  9hir  baß  biefe  Bewegungen  fidj  feljr 
ha Ib  wieber  verlieren,  unb  fdjwertidj  ein  wirflidjeS  (Mwedjen  er= 
folgen  fann;  wovon  man  allerbingS  bie  Urfadje  barin  ju  fudjen  20 
liat,  ^a^  es  ©egenftönbe  beS  ©efidjtä  finb,  weldjeö  in  iljnen,  unb 
mit  iljnen  ^ugleid»,  eine  Stenge  Realitäten  wahrnimmt,  burd)  beren 
angenehme  Borfteltungen  jene  unangenehme  fo  gefdjwädjt  unb  oer= 
bunfelt  wirb,  baß  fie  feinen  merflidjcn  ©influß  auf  ben  Körper 
baben  fann.  ©ie  bunflercn  Sinne  hingegen,  ber  ©efcbmacf,  ber  25 
Öerud),  baS  ©efül)I,  fönnen  bcrgleidjen  Realitäten,  inbem  fie  uon 
etroa§  SJBiberwärtigen  gerülntt  werben,  nidjt  mit  bemerfen;  ba§ 
SBiberwärtige  wirft  folglidj  altein  unb  in  feiner  ganjen  ©tärfe, 
unb  fann  nidjt  anbere  als  and)  in  bem  ftörper  von  einer  weit 
heftigeren  Grfdjiitterung  begleitet  fein.  30 

Übrigens  uerl)ält  fidj  aud)  jur  Radjaljinung  bas  ©felljafte 
uollfommen  fo,  wie  bas  §äßlidje.  %a,  ba  feine  unangenehme 
SBirfung  bie  heftigere  ift,  fo  fann  es  nodj  weniger  als  baS  £>äß= 
lidjc  an  unb  oor  fidj  felbft  ein  ©egenftanb  weber  ber  $oefie,  nodj 
ber  Malerei  werben.  9iur  weil  es  ebenfalls  burdj  ben  wörtlidjen  ss 
StuSbrucf  fefjr  gemilbert  wirb,    getrauete  idj  midj  bodj  woljl  ju 

10.  (jepletfd&te,  platte,  Bteitgebrütfte.  —  16.  3 n r t ti di c r ,  sarter,  roeidjlidjev  refp. 
cmiifiiiMidjer,  alfo  nidjt  in  bem  Sinne,  in  bem  tuiv  fyeutc  „;ärtlt<$"  foft  allein  noäj  ge* 
brandien. 


ffiootwon  XXY.  147 

Behaupten,  bafj  ber  Dieter,  roenigften§  einige  efeltjafte  $üge,  a(§ 
ein  £jngrebien§  31t  ben  nämlichen  uennifdjten  Gmpftnbungen  brausen 
tonne,  bie  er  bitrd)  baS  ^äfjlidje  mit  fo  gittern  Grfotgc  uerftärfet. 
2)a§  Gfe(()afte  fann  ba§  8äd)er(idje  uermefjren,  ober  33or= 
5  ftetfungen  ber  2Bürbe,  be3  2(nftanbe§,  mit  bem  Gfedjaften  in 
Äontraft  gefefeet,  merben  (ädjer(id).  Gjrempel  (jieruon  (äffen  ftdj 
bei  bem  2(riftop()ane§  in  beenge  finben.  S)a§  SGBiefel  fällt  mir 
ein,  roeldje§  ben  guten  ©ofrateö  in  feinen  aftronomifdjen  S3e= 
fdjauungen  unterbradj.-) 

10  MA0.     TIqojIjV  ös  ys  yvoafirjv  [isydXrjv  c((p]jQt&i] 

'Tti'   üoxcdaßwxov.     ZTP.     Tiva  xqÖkov;  nccxtiiti  fiot. 
MAG.    Zrtxovvxog  avxov  %r\q  osXr]vr]g  xäg  ödovg 
Kai  rag  TttQHpoQÜg,  tlx'   ävco  xaxflvöxog, 
Anb  xfjg  UQOcpfjg  vvkxojq  yotltöyxrjg  %axs%sosv. 

15  ZITP.   "Ha9i]v  yaXtiotrj  y.uxv.%tGuvxi  Uco-XQaxovg. 

9Jion  (äffe  e§  nidjt  e('e(()aft  fein,  roa§  i(jm  in  ben  offenen  SJhtnb 
fällt,  unb  baS  Sädjerlidje  ift  uerfdjrounben.  ©ie  broKigften  3üge 
uon  biefer  SCrt  Ijat  bie  £rottentottifd}e  @r§ä|(ung,  Xquaffouro  itnb 
$nonmquaif)a,  in  bem  Kenner,  einer  englifdjen  ÜJSodjenfdjrift  uo((er 

20  Saline,  bie  man  bem  Sorb  Gfyefterftelb  jufdjreibet.  9Jian  roeifj, 
rote  fdmtuftig  bie  Hottentotten  finb;  nnb  roie  uieleö  fie  für  fdjön 
unb  jierlid)  unb  (jeüig  galten,  roa§  un§  GM  unb  2(bfd;eu  er= 
roed'et.  Gin  gequetfdjter  Knorpel  uon  9tafe,  fd;(appe  6i§  auf  ben 
Oiabet  f)erabf)angenbe  Sriifte,  ben  ganzen  Körper  mit  einer  ©djminfe 

25  aus>  Biegenfett  unb  SRuf;  an  ber  ©onne  bttrdjbeijet,  bie  §aar= 
(öden  uon  ednneer  trief enb,  fyüf^e  unb  2(rme  mit  frifdjem  ®e= 
banne  umtuunben:  bieg  benfe  man  fidj  an  bem  ©egenftanbe  einer 
feurigen,  e()rfurd)töuo((en,  gärtltdjen  Siebe;  bieg  ^öre  man  in  ber 
ebe(n  Spradjc    be§  Grnfteä  unb    ber  SSerounberung    auSgebrüdt, 

30  unb  enthalte  fidt)  beö  SadjenS!') 

-)  Xubes  t.  170—74. 

')  The  Connoissenr,  Vol.  I.  Xo.  21.  Sern  ber  Sdiöntjeit  ber  finonmquailja  beifit  e-3: 
He  was  Struck  with  the  glossy  hue  of  her  complexion,  which  shone  like  the  jetty 
down  on  the  black  hogs  of  Hessaqua;  he  was  ravished  with  the  prest  gristle  of 
35  her  nose ;  and  his  eyes  dwelt  with  admiration  on  the  flaeeid  beanties  of  her  breasts, 
which  descended  to  her  navel.  Unb  toaä  trug  bie  ßunft  bei,  fo  nie!  iHeije  in  ifjr 
»orteilhaftefte5  Sicht  su  fefeen?  She  made  a  varnish  of  the  fat  of  goats  inixed  with 
soot,  with  which  she  anointed  her  whole  body,  as  she  stood  beneath  the  rays  of 
the   snn:   her   locks   were   clotted   with    molted    grease,    and   powdered  with   the 

20.   'lUiüuui  Stornter  Stcmbope,  ßraf  non  Gbefterfielb  (1694 — 1773),  befannter 
Staatsmann  unb  £ic§ter. 

10* 


148  fictokoott  xxv. 

9)iit  bem  <3d)red'(td)en  fdjeinet  fid;  boi  (Sleltjafte  nod)  inniger 
yermifdjen  §u  tonnen.  2So§  mir  baö  ©räftfidje  nennen,  ift  nidjtö 
als  ein  efelljafteö  Sdjretflidje.  ©em  Songin'')  mtfjfäUt  jtnar  in 
bem  Silbe  ber  Traurigkeit  beim  §efiobu§,ft)  baö  2%  ex  (ikv 
tjtv&v  (iv^ai  (jeov;  bod)  midj  bünft,  nidjt  foinoljl  roeit  eö  ein  5 
efter  3U3  i%  a^  weil  es  ein  Mof;  efter  $ug  ift  ^c^'  3"m  @d)red'= 
tidjen  nidjtö  beiträgt.  £enn  bie  langen  über  bie  Ringer  f)eroor= 
ragenben  Suigel,  (ucckqoI  g1'  'övvysq  id^eGaiv  vTrfjaav)  fdjeinet 
er  rtidjt  fabeln  311  motten.  ©Ieidnuol)l  finb  lange  Steiget  nidjt 
riet  roeniger  efef,  atö  eine  fliejjenbe  9iafe.  316er  bie  langen  9iägel  10 
finb  jugleid)  fdjred'Iid);  beim  fie  finb  es,  meldje  bie  9Sangen  ger= 
fleifdjen,  bafj  baö  33tut  bauon  auf  bie  G'rbe  rinnet: 

£X    ÖS    TZ(XQtl(üV 

Alu?  a7i&lai'ßez'   bQa^e     —     —     — . 

hingegen  eine  fXiefsenbe  Sftafe,  ift  roeiter  nidjtö  afs  eine  fliefjenbe  15 
9?afe;  unb  id)  rate  ber  Sraurigfeit  nur,  baö  sHiaul  äu.mmacfjen. 
Wian  lefe  bei  bem  ©opljofteö  bie  Sßefdjreibung  ber  oben  §öl)le 
beö  unglüdlidjen  ^>t)iloftet.  S)a  ift  nidjtö  tum  Sebenömitteln, 
nidjtö  tum  Sequemtid)feiten  31t  fefjen;  aufjer  eine  sertretene  Streu 
von  bürren  blättern,  ein  unförmlicher  Ijöljerner  Sedier,  ein  $euer=  20 
gerät,  ©er  ganje  Steidjtum  beö  f raufen  uerlaffenen  931anneö! 
3Bomit  vollenbet  ber  ©tdjter  biefeö  traurige  fürdjterlidje  ©cmälbe? 
9Jiit  einem  gufatje  Don  ®ie^-  //£>«!  fpl)rt  Dteoptolcm  auf  einmal 
jufammen,  t)ier  trodenen  jerriffene  Sappen,  nott  53 tut  unb  @iter!"t;) 

yellow  dust  of  Bucliu:  her  face,   wMch  shone  like  the  polished  ebony,  was  beau-  25 
tifully  varied  with  spots  of  red  earth,  and  appeared  like  the  sable  curtaüi  of  tbe 
night  bespangled  with  stars;    she  sprinkled  her  limbs  with  wood-ashes,  and  per- 
fumed  them  with  the  düng  of  Stinkbingsem.     Her   arnis  and   legs  were  entwined 
with  the  shining  entrails  of  an  heifer:    from  her  neck  tbere  hnng  a   pouch  com- 
posed  of  the  stomach  of  a  kid :  the  wings    of  an  ostrich  overshadowed  the  fleshy  30 
Promontorien  behind :    and    before    she  wore  an  apron   formed  of  the  shaggy  ears 
of  a  lion.    %d)  füge  nod)  bie  Seremonie   ber   ^xtiammertgeburtg   bc§    uerliebten  ^aares 
hinm :   The  Surri  or  Chief  Priest   approacbed  them,  and  in  a  deep  voiee  chanted 
tili-  nuptial  rites  to  the  melodious  grumbling  of  the  Gom-Gorn;    and -at  the  sauie 
time  (aecording  to   tbe  manner   of  Caffraria)    bedewed   them  plentiftdly  with  the  35 
urinary    benediction.     The    bride  and  bridegroom   rubbed  in   the  precious  stream 
with   oxtasy;    while    tbe    briny   Drops   trickled   from   their  bodies,    like   the    oozy 
surge  from   the  rocks  of  Chirigriqua. 

4)  ihn)  ")  ipov;,  ifti.iix  !>'.  p.  15.  edit.  T.  Fabri. 
i   gi   m    Eercul.  v.  266.  40 

')  Philoct.  v.  31—30. 

8 f.  2>ic  Sdnlbcnmg  ber  '.ly'/.vz  in  ber  bem  jgefiob  jugefebriebenen  :8eid)reUmng  beä 
Sdjilbes  be>5  §erafle§  (einer  3ladja§mung  beS  Slc&itteSfd&übeS  bei^omer)  bildet  einen  SCeil 
ber  Sarftellnng  tviegevifdjcr  Sccncii. 


ffnohoon  XXV.  149 

NE.    Oqco  ksvtjv  oi/nrjCLV,  ccv&Qwncov  §i%ct. 
OJ.    OvS'   evSov  OLV.OTioiög  toxi  xig  xQOcpij; 
NE.    ZzbLTtt-)]  ys  cpvllug  tag  £vavltt,ovxC  reo. 
OJ.     Tu  d'   all'    f'p?]fto;,  -aovSsv  ia&'   vTtöoxtyov; 
5  NE.    Avx6'E,vlöv  y'   i%ncoa(x,  cpuvlovQyov  nvog 

Tt%vi]Li,uz'   avÖQOg,  %cti  nvQii'  ulwv  xäSs. 
OJ.    Kelvov  tu  9ri6ecvQL0[ia  orjLuxLvtLg  xöds. 
NE.    'lob,  lov'  xul  xttvxu  y'   alla  ftälTttxca 
'Pax7j,  ßccQSiccg  xov  voai]lsiag  nlta. 

10  So  toirb  aud)  beim  ftomer  ber  gesteifte  ^eltor,  burd)  ba§  üou 
33hit  itnb  Staub  entfteHte  ©eftdjt,  unb  gufammenoerflebte  fraax, 

Squallentem  barbam  et  concreto«  sanguine  crines 

(tute  e§  SStrgil  auäbrücft) 7)  ein  euer  ©egenftanb,  aber  eben  babttrd) 
um  fo  otel  fdjrerf'lidjer,  ittn  fo  üiet  rüljrenber.     2ßer  fann  bie 
äs  Strafe  be§  9Jiarfi)aö,  beim  Dütb,  fid)  orjne  ©mpfinbung  be§  (SfelS 
beulen?") 

Clarnanti  cutis  est  summos  derepta  per  artus: 
Xec  quidquam,  nisi  vulnus  erat:  cruor  undique  manat: 
Detectique  patent  nervi:  trepidaeque  sine  ulla 
20  Pelle  rnicant  venae:  salientia  viscera  possis, 

Et  perlucentes  numerare  in  pectore  fibras. 

2t6er  toer  empftnbet  aud)  nidjt,  bafj  baS  ©fetljafte  (jier  an  feiner 
Steife  ift?  G'ö  mad)t  ba§  Sd)rediid)e  gräfjlid);  unb  ba§  ©räfc 
lid)e  ift  felbft  in  ber  Statur,  tnenn  unfer  9Jiit(eib  babei  intereffieret 

25  roirb,  nid)t  gang  unangenehm;  tüte  üiel  weniger  in  ber  sJiadjar)mung? 
£jd)  tüilt  bie  (Stempel  nidjt  Raufen,  ©od)  biefeö  mufc  id)  nod)  an- 
merfen,  bafj  e§  eine  2(rt  non  Sdjredlidjem  giebt,  31t  bem  ber  äßeg 
bem  £id)ter  faft  einzig  unb  altein  burd)  bas  GfeUjafte  offen  ftefyet. 
ߧ  ift  baS  Sd)redüd)e  be§  §unger§.    Selbft  im  gemeinen  geben 

so  brud'en  tüir  bie  äufjerfte  £mnger§not  nid)t  anber§  aU  burd)  bie 
@rjäf)lungen  aller  ber  unnaljrljaften,  ungefunben  unb  befonberS 
efeln  3)tnge  au§,  mit  tüe(d)en  ber  Sftagen  befriebiget  werben  muffen. 
35a  bie  9iad)ab,mung  nidjtö  uon  bem  ©efübjle  beS  -öungerg  felbft 
in  un§  erregen  fann,  fo  ttimtnt  fie  gu  einem  anbern  unangenehmen 

35  ')  Aeneid.  lib.  II.  v.  277. 

e)  Metamorph.  VI.  v.  387. 

lOf.  2Me  Sorte  oon  »tut  unb  Staub  gehören  nidEit  blo£  ju  entstellte,  fonbern 
aud;  ä"  ju  ja  in  menöerflebte. 


150  Äookoon  xxv. 

(s>cfül)lc  üjre  .ßufhiäjt,  njetd^eS  mir  im  $alk  be§  empfinb(id)ften 

$unger§    für   bo§   Heinere   Übel   ernennen,     tiefes   fud)t  fie  511 
erregen,  urn  uns  ans  ber  Unhtft  bcßfclbcn  fdjliefjen  51t  (äffen,  roie 
ftarf  jene  Unluft  fein  muffe,   bei  ber  mir  bie  gegenwärtige  gern 
au§  ber  2(d;t  fdjfogen  mürben.    Doib  fagt  oon  ber  Dreabe,  roe(d)e  5 
6ere§  an  bm  junger  abfdjid'te:') 

Haue  (farneru)  proeul  ut  vidit  —  — 

—  refert  mandata  deae;  paulurnque  morata 

Quanquam  aberat  longe,  quanquam  modo  venerat  illuc, 

Visa  tainen  seusisse  famem  —  —  —  10 

(Sine  imnatür(id)e  Übertreibung!  2)er  iHnblid  eines"  hungrigen, 
unb  mnn  c§  aud)  ber  junger  fetbft  roäre,  Ijat  btefe  anfted'enbe 
Äraft  nidjt;  (Mannen,  unb  (5Jräu(,  unb  @fe(,  fann  er  empfinben 
(äffen,  aber  feinen  öunger.  liefen  ©räul  Ijat  Doib  in  bem  0e= 
malbe  ber  Raines  nid)t  gefparet,  unb  in  bem  junger  beo  Gre=  15 
fid;tl)on§  ftnb,  foiooljl  bei  ib,m,  a(§  bei  bem  $al(imadms, l0)  bie 
ef'elljaftcn  $üge  bie  ftärfften.  9iad)bem  Grefid)tf)on  alles  auf* 
gejeljret,  unb  aud)  ber  Dpferfur)  nidjt  ocrfdjonet  fjatte,  bie  feine 
SJlutter  ber  SSefta  auffütterte,  läjjt  irjn  HalTimadmS  über  $ferbe 
unb  Äarjen  Verfallen,  unb  auf  ben  Strafjen  bie  SBrorf'en  unb  20 
fd)inut3igen  Überbleibfet  oon  fremben  £ifdjen  betteln: 

Kai  xav  ßä>v  i'epuytv,  xav  '  EaxCa  txQtcpt  uccxi]Q, 

Kai  xbv  cct&locpoQov  %al  xbv  7ioJ.t(ii}iov  i'mtov, 

Kai  xav  ai'lovQOv,  xav  txQt[it  &rtQia  {ii%nä  — 

Kai  xö&    6  xä>  ßaailijog  tvl  xqlÖSolgl  y.a&f]oxo,  25 

Aixit,cov  cc/.oXcog  xb  v.al  tv.ßo).a  Xvfiaxa  Saixög  — 

Unb  Doib  (äjjt  ibm  juletjt  bie  ftätyit  in  feine  eigene  ©lieber  feijen, 
um  feinen  Seib  mit  feinem  Setbe  gu  näljren. 

Vis  tarnen  illa  mali  postquarn  consumserat  otnneni 
Materiaui  —  —  —  — ■  —  30 

[pse  suos  artus  lacero  divellere  morsu 
Coepit;  et  infelix  ruinuendo  corpus  alebat. 

9tur  barum  maren  bie  rjäjjlidjen  öarppcn  fo  ftinfenb,  fo  unflätig, 
bafj  ber  junger,  toe(d)en  iljre  Gntfüljrung  ber  ©peifen  berairfen 

i  Metamorph.  Hb.  VIII.  v.  809.  35 

l0)  Hymn.  in  Cererem  v.  Hl— 116. 

5  f.  Gere?  fd)icft  bie  Dreabe  an  bie  Farnes  ab,  bamit  biefe  ben  SrnfidjtEjon,  einen  S5er= 
äd)ter  bev  Göttin,  ber  eine  tjeilige  ßia)e  freuelnb  gefällt  fjatte,  burd)  ^eifjfjunger  beftrafe. 


■ffaokoon  XXV.  151 

follte,  befto  fdnxdlidjer  mürbe.   9Jfan  fjöre  bie  $lage  beö  5ß^meu§, 

beim  2lpollomuo:11) 

Tvt&bv  Ö'   i)v  o:qk  Stf  noz'   iöijtvog  ajtifu  kmcoai, 
Tlvbi  t6§£  (ivSaltov  ts  kki  ov  xh]tbv  [livoq  6d{iijs. 

5  Ov    KS    Tiq    OVÖ8    plvW&Cl    ßQOTÜV    UVG%OlZO    TliluGGCCg, 

OvS'   zi'  ot  aSüjxavrog  tli]Xafibvov  %bccq  sir). 
'AXXä  fit  TIIY.Q1]  äfjzd  ks  dccizbg  bTtiG%bi  aväyKi] 
Mt^ivtLV,  %cd  [iL[ivovTtt  %ccx)]  sv  yaotbQi  ftsafrcci. 

iydj   mödjte  gern   auä  biefem  ©eftdjtSpunfte  bie  elele  ©infüljrung 

io  ber  -^arpijen  beim  SSirgtl  entfdjutbigen;  aber  es  ift  fein  nnrflidjer 

gegenwärtiger  junger,   ben  jte  oerurfadjen,  fonbern  nur  ein  in= 

fteljenber,  ben  fie  prophezeien:  unb  nodj  baju  löfet  fidj  bie  gange 

Prophezeiung  enblicr)  in  ein  üffiortjptel  auf.     2lud)  3)ante  bereitet 

uns  nidjt  nur  auf  bie  ©efdjtdjte  oon  ber  SSer^ungerung  beö  Ugolino, 

15  burdj  bie  efefljaftefte,  gräjjltdjfte  Stellung,  in  bie  er  ib,n  mit  feinem 

ehemaligen  Verfolger  in  ber  §öHe  fetjet;   fonbern  aud)  bie  §ßer= 

ljungerung  felbft  ift  nicr)t  oljne  3uge  be§  ©l'elö,  ber  un§  befonbers 

ba  feljr  merftid)  überfällt,  roo  fidj  bie  <3öl)ne  felbft  bem  SSater 

gur  Speife  anbieten.    £jn  ber  9iote  mill  \d)  nod)  eine  Stelle  aus 

20  einem  Sdjaufptele  oon  33eaumont  unb  ^letdjer  anfüljren,  bie  ftatt 

aller  anbern  SBeifpiele  Ijätte  fein  formen,  roenn  id;  fie  nidjt  für  ein 

raentg  ju  übertrieben  erlernten  tmijjte.12) 

ll)  Argonaut,  lib.  II.  v.  '228—33. 

'?)  The  Sea-Voyage,  Act.  III.  Sc.  I.  (Sin  fransöfifdjer  Seeräuber  wirb  mit  feinem 
25  Scfjiffe  an  eine  tuüfte  IJSnfel  tierfdjlageu.  .yabfudjt  unb  9?eib  entjroeteu  feine  Seute,  unb 
fd)affeu  ein  paar  ©lenben,  roeldje  auf  biefer  ijnfel  geraume  Qtit  ber  äufjerften  9Jot  aus= 
gefegt  geroefen,  Gelegenheit,  mit  bem  ©djiffe  in  bie  ©ee  ju  ftedjen.  Stiles  Vorrates  uon 
Sebenömitteln  fonad)  auf  einmal  beraubet,  fetjen  jene  Oitdjtsroürbtge  gar  balb  ben  fdpmäh  = 
tieften  £ob  cor  Äugen,  unb  einer  brudt  gegen  ben  anbern  feinen  junger  unb  feine  33er= 
30  sipeiflung  folgenbergeftalt  au-3: 

Lamiiee. 
Oh,  what  a  torupest  have  I  iu  rny  Stoinach! 
How  my  empty  Guts  cry  out!     My  wounds  ake, 

10.  beim  Sßirgit,  ugl.  Virg.  Aeu.  III,  216 ff.  —  11  f.  infte&enber  ober  ein* 
ftetjenber,  b.  i.  beoorftebenoer  (lat.  instare).  —  12  f.  löfet  fid)  ...  in  ein  SBortfpiel 
auf.  Sie  £arpnie  Geliino  prophezeit  bem  Sineas,  er  roerbe  nldjt  eher  mit  feinen  ©efähr« 
ten  fid)  einen  bleibenben  3Bol)nfi§  grünben,  als  bis  fie  aus  junger  bie  Sifche  mürben  auf= 
gekehrt  Ijaben  (Aen.  III.  255  f.).  93ei  ber  ülnfunft  in  Satiüm  nehmen  bie  Srojaner  nun 
als  Unterlage  ju  iljrer  Wa^ljeit  2Beiäen!ud)en  unb  effen  biefe  aisbann  aus  junger  aud} 
nod)  auf.  ,,Heus,  etiam  mensas  consumimus!"  ruftSulus;  —  unb  fo  gefjtbie  $ropb,es 
seiung  in  CrfüUung  (VIII,  107  ff.).  —  13  ff.  S3efanntlid)  ijält  Ugolino  in  ©antes  iiöUe 
feinen  Xobfeinb,  ben  Eräbifdjof  Siuggiero,  umflammert  unb  beifjt  ifjn  in  ben  ^interfopf. 
3u  ben  SBorten  bereitet  uns  ift  bas  bajugefjörige  cor  roof)l  nur  aus  SJerfeb^en  roeg= 
geblieben.  —  20.  g-rancis  93eaumont  (158(3—  n;i5)  unb  3o&n  ^letcfier  (1576— Ki25', 
ennlifdje  bramatifa)e  Sid)ter,  roeld)e  melfad)  (feit  1^05)  gemeinfdjaftlid)  SDramen  uerfajjt 
l;aben. 


152  flaokoon  XXV. 

M)  fomtne  auf  bie  efelfjaften  ©egenftänbe  in  ber  9Jialcrei. 
28enn  e§  aucfy  ftf;on  gang  unftreitig  märe,  bafj  e§  eigentUdj  gar 
feine  efelljafte  ©egenftänbe  für  ba§  ©efid^t  gäbe,  von  melden  es 
fid)  von  fclbft  uerftünbe,  baf$  bie  9Jialcrei,  ah  fcfyöne  $unft,  ifivcr 
entfagen  mürbe:  fo  müjjte  fie  bennodj  bie  efelrjaften  ©egenftänbe 
überhaupt  »ermeiben,  roeil  bie  üBerbinbung  ber  SBegriffe  fie  aud) 
bem  ©efidjte  efel  madjt.  Sßarbenone  läfjt  in  einem  ©etnätbe  ucm 
bem  Segräbniffe  (Hjrifti  einen  uon  ben  2(nmefenben  bie  Sftafe  fid) 


Would  they  would  bleed  again,  tliat  I  might  get 

Something  to  quench  my  thirst.  10 

Franvii/le. 
ii  Lamure,  the  Happiness  my  dogs  had, 
Wlien  I  kept  house  at  honie!     They  had  a  storehouse 
A   Btorehouse  of  most  blessed  bones  and  crusts, 
Happy  crusts.     Oh,  how  sharp  Hunger  pinehes  nie!  —  15 

Lamure. 
How  now,  what  news? 

Morillar. 
Hast  any  Meat  yet? 

Franvilxe.  20 

Xot  a  bit  that  I  can  see! 

Here  be  goodly  quarries.  but  they  be  cruel  hard 
In  gnaw:  I  ha'  got  sorne  mud  we'll  eat  it  with  spoons, 
Very  good  thick  mud;  but  it  stinks  damnably, 

There's  old  rotten  trunks  of  trees  too,  25 

But  not  a  leaf  nor  blossom  in  all  the  island,. 

Lamure. 
How  it  looks ! 

MOKILLAR. 

It  stinks  too.  30 

Lamure. 
It  may  be  poison. 

Fiianville. 
Let  it  be  any  tliing; 

So  I  can  get  it  down.     \Vby  Man .  35 

Poison's  a  princely  dish. 

MORILLAR. 

Hast  tliou  no  bisket? 

Xo  crumbs  left  in  thy  pocket?     Here  is  my  doublet. 

Give  nie  but  three  small  crumbs.  40 

Frajsville. 
Not  for  three  Kingdoms, 
If  I  were  Mastex  of  'em!     Oh,  Lamure, 
But  oiie  poor  Joint  of  Mutton,  we  ha'  scorn'd,  Man. 

Lamure.  45 

'J'linu  speak'st  of  Paradise; 


1—7.  °Jn  ber  SBerioetfung  be*  Efelfiaften  nu§  ber  2>!alerei  ftintmt  bie  moberne  Siftlietif 
Seffing  faft  burdjroeg  bei;  weniger  bie  moberne  Mttnft,  in  un'lcfier  cfelbaftc  ©egenfiänbe 
häufig  genug  fiel»  finben.  —  7.  GSionanni  SXntonio  Sicinio  be  (SorticeUi*,  nad)  feinem  (Ge- 
burtsort genannt  Sorben cne  (uid)t  ^arbenone),  1483—1589. 


l'aokoon  XXV.  153 

uilialtcn.  SWid^arbfo«  mifjfcittiget  biefe§  beStoegcn, l3)  weil  GfyriftnS 
nodj  ntd^t  fo  lange  tot  geroefen,  bafj  fein  i'eidjnam  in  Aäulung 
übergeben  fönnen.  §Bei  bor  2luferroecEung  be§  SajarnS  hingegen, 
glaubt  er,  fei  e§  bem  9)ialcr  erlaubt,  von  ben  llinfteljenben  einige 
5  fo  ^xt  geigen,  raeit  e§  bie  0efd;id)te  anebrüdlid)  fage,  baf$  fein 
Körper  fdjon  gerodjen  r)abe.  W\d)  bünft  biefe  SSorftettung  and) 
I)ier  unertraglid);  benn  nidjt  blojs  bcr  imrfftdje  ©eftanf,  aud)  fdjon 
bie  ^bee  beö  ©eftcmfeS  erroedet  Gfel.    3£ir  fliegen  ftinfenbe  Orte, 

Or  but  the  snuffs  of  those  Healths, 
10  We  have  lewdly  at  midnight  flang  away! 

MORILLAR. 

Ah!  but  to  lick  the  glasses! 

Iccf)  alle?  biefeä  ift  nod)  nid)t§  gegen  ben  folgenben  Sluftritt,  roo  ber  Sd)iff3d)irurgu3 
ba;it  fömmt. 
15  Franville. 

Here  comes  the  Surgeon.    What 

Hast  thon  discover'd?     Smile,  snrile  and  comfort  us. 

Surgeon. 
I  am  expiring; 
20  Smile  they  that  can.     I  can  find  nothing,  Gentlemen, 

Here  's  nothing  can  be  meat,  without  a  miracle. 
Oh  that  I  had  mv  boxes  and  my  lints  now, 
My  Btupes,  my  tenta,  and  those  sweet  helps  of  Xature, 
What  dainty  dishes  could  I  make  of  'ein! 

25  MÖBUiliAK. 

Hast  ne'er  an  old  suppository ? 
Surgeon. 
Oh  woüld  I  had,  Sirl 

Lamure. 
30  Or  bnt  the  papei  where  such  a  cordial 

Potion,  or  pills  hath  been  entomb'd. 

Franville. 
Or  the  best  bladder  where  a  cooling  glister. 

AlORILLAR. 
35  Hast  thon  110  searcloths  left? 

Xor  any  old  pultesses  ? 

Franville. 
We  care  not  to  what  it  hath  been  ministred. 
Surgeon. 
40  Sure  I  have  none  of  these  dainties,  Gentlemen. 

Franville. 
"Where's  the  great  wen 

Thou  cut'st  from  Hugh  the  sailer's  Shoulder? 
That  would  serve  now  for  a  most  prineely  Banquet. 
45  Surgeon. 

Ay.  if  we  had  it,  Gentlemen. 
I  fhmg  it  over-bord,  Blave  that  I  was! 

Lamure. 
A  most  improvident  Villaini 
50         13)  Eichardson,  De  la  Peinture,  T.  I.  p.  74. 


154  ffaokoon  XXVI. 

wenn  wir   fdjon  bcn  Sdmupfen   l)abcn.     £od)  bie  2Katerei  roitt 
baö  ©fefljafte,  nidjt  beö  @fetf)aften  wegen;  fie  roiff  es,  fo  rote  bie 
$oefie,  um  baö  Sfidjerftdje  unb  ©dfjredftidje  baburd)  gu  oerftärfen. 
2luf  iljre  ©efatyr!     9Sa§  id)  aber  non  bem  ^äfjlidjen  in  biefem 
yvaUc  angemerft  Ijabe,  gilt  non  bem  ©lel^aften  um  fo  oiel  metjr.  5 
(S§   oerlieret  in  einer  fiduziaren  Diadjaljmung  oon  feiner  Söirfung 
ungletdj  weniger,   alö  in  einer  fyörbaren;  eö  fann  ftd)  alfo  aud; 
bort    mit    ben   23eftanbtetten    beö   Sädjjerlidjen    unb   <3crjrecfücrjcn    ■ 
weniger  innig  oermifdjen,  alö  l)ier;  fobalb  bie  Überrafdntng  oorbei, 
fobalb  bcr  erfte  gierige  33ltd  gciättiget,  trennet  eö  fidj  mieberum  10 
gänglidj,  unb  liegt  in  feiner  eigenen  trüben  ©eftalt  bo. 

XXVI. 

2>eö  £erm  äöinfelmanns  ©efdjidjte  ber  Äunft  beö  2llter= 
tumö,  ift  erfdjienen.  3$  wage  feinen  Schritt  roeiter,  oljne  biefeö 
9Berl  gelefen  311  b,aben.  33Iof?  auö  affgemeinen  Gegriffen  über  15 
bie  $unft  oernünfteln,  fann  31t  ©ritten  oerfürjren,  bie  man  über 
lang  ober  {'111-3,  511  feiner  33efd;ämung,  in  ben  SSerfen  ber  $unft 
«überlegt  finbet.  Sind)  bie  Otiten  f'annten  bie  SBgnbe,  weldje  bie 
Malerei  unb  $oefie  mit  einanber  oerfnüpfen,  unb  fie  werben  fie 
nidjt  enger  gugegogen  fyaben,  aU  eö  beiben  guträglid)  ift.  9Saö  20 
iijre  ^ünftler  getrau,  roirb  midj  teuren,  maö  bie  $ünftter  über= 
I)aupt  tljun  f ollen;  unb  mo  fo  ein  9Jlann  bie  %aätl  ber  ©efd)id;te 
oorträgt,  tann  bie  ©pefulatton  f'üfynlidj  nadjtreten. 

■Üftan  pfleget  in  einem  mistigen  SBerfe  31t  blättern,  elje  man 
eö  emftlid)  gu  lefen  anfängt.  Steine  Sfteugierbe  mar,  oor  aikn  25 
Singen  beö  üßerfafferö  Meinung  oon  bem  Saofoon  3U  roiff  en; 
nidjt  groar  von  ber  $unft  beö  2Serfe§,  über  roetdje  er  ftd)  fdjon 
anberunirtö  erlläret  t)at,  alo  nur  uon  bem  3Uter  beöfelben.  2öem 
tritt  er  barüber  bei?  Senen,  roeldjen  SSirgil  bie  ©ruppe  vor 
2tugen  gehabt  3U  |aben  fdjeinet?  Ober  benen,  meldte  bie  «Slünftlcr  30 
bem  ©id;ter  nacharbeiten  laffen? 

@ö  ift  fel)r  nad;  meinem  ®efc$macfe,  bafj  er  non  einer  gegen= 
fettigen  "Jiadjaljmung  gänglid^  fdjroeiget.  2ßo  ift  bie  abfohlte  9cot= 
roenbigfeit  berfeI6en?  (So  ift  gar  nidjt  unmöglidj,  bajj  bie  2(f(nlicr)= 
feiten ,  bie  id)   oben  gimfdjen  bem   poetifdjen   öemäfbe  unb  bem  35 

13  f.  2BinctcImann-3  <5JeTd)tcJ>te   bev  ftunfl  erftt)ien   1764,    alfo  jroei  Satire  cor  bem 
Scffingfcijeit  Saofoon;  ogl.  bie  Einleitung  £.  vi. 


ffaokoon  XXV t.  155 

Munftmert'e  in  ©rroägung  gebogen  Ijabe,  gufättige  unb  nitfjt  oor= 
fätjlidjc  ikl;nlid)fettcn  finb;  unb  bajl  baö  eine  fo  roentg  bao  SBorbilb 
beö  anbem  geroefen,  bafj  fie  and;  nid;t  einmal  kitte  einerlei  üßor= 
bilb  gehabt  gu  tjabtn  braudjen.    §ätte  inbes  aud;  ilm  ein  (Sdjein 

5  biefer  9iad)al)mung  gebtenbet,  fo  würbe  er  fid)  für  bie  erftern  fjaben 
crflären  muffen.  Senn  er  nimmt  an,  baf$  ber  Saofoon  aus  ben 
„Seiten  fei,  ba  fid)  bie  ilunft  unter  ben  Öriedjen  auf  bem  f)öd)ften 
©ipfet  i()rer  SSottfommenfjett  befunben  fyabe;  am  ben  ßetten 
2UeranberS  bes  ©rofscn. 

10  „®as   gütige   Sdnd'fal,   fagt   er,1)    meldjeö    aud;   über   bie 

fünfte  bei  it)rer  Vertilgung  nodj  gemadjet,  tjat  aller  2Belt  §um 
SBunber  ein  Skrf  auö  biefer  3eit  ber  ^unft  erhalten,  gum  93e= 
roeife  von  ber  -JÖaljrljeit  ber  ©efdjtdjte  tum  ber  £errlid)feit  fo 
öteler   Bewirteten    sDietfterftüde.      Saofoon,    nebft   feinen    beiben 

15  ©ötjnen,  com  Slgefanber,  2lpottoboru§2)  unb  SltfyenoboruQ  am 
9H)obu§  gearbeitet,  ift  nadj  aller  5Sal)rfdjeinlid)feit  am  biefer 
3eit,  ob  man  gleid)  biefelbe  nidjt  beftimmen,  unb  mic  einige 
getljan  b/tben,  bie  Clnmpiaö,  in  meldjer  biefe  ^ünftler  geblutet 
l)aben,  angeben  fann." 

so  £>n  einer  Slnmcrfung  fei&et  er  (jinju:  „^linütö  melbet  fein 

9Sort  üon  ber  &'\t,  in  roeldjer  Slgefanber  unb  bie  ©etjilfen  an 
feinem  3Berfe  gelebt  b/ibcn;  slftaffei  aber,  in  ber  Grflärung  alter 
(Statuen,  Ijat  miffen  motten,  bafs  biefe  iUtnftler  in  ber  ad)tunb= 
ad)tjigften  Dlnrnpiae  geblutet  fyaben,  unb  auf  beffen  2Öort  I)aben 

25  anbere,  ah  Nidjarbfon,  nadjgefdjrieben.  ^cner  f)at,  mie  idj  glaube, 
einen  2ltl)enoborii5  unter  beo  ^olpcletuö  2djülern,  für  einen  oon 
unfern  Äünftlem  genommen,  unb  ba  ^olncletuö  in  ber  fieben= 
unbad)t,3,igften  Dtpmpiaö  geblüfjet,  fo  Ijat  man  feinen  oermeinten 
<3d)üter  eine  Dhjmpiaö  fpäter  gefetzt:  anbere  ©rünbe  fann  SUtaffei 

30  nidjt  fyaben." 

')  ©efdudite  ber  Sunft,  <S.  347. 

-)  9!id)t  aipoIIoBorus ,  fonbern  5poh)boru§.  $p,limu5  ift  ber  einzige,  ber  biefe  Mnftler 
nennet,  nnb  id)  toüfjte  nidjt,  baß  bie  .§anbfd)riften  in  biefem  9}amen  oon  einanber  abgingen. 
Öarbuin  mürbe  e3  geroifs  fonft  angemerkt  tjaben.  Slud)  bie  altem  2luSgaben  lefen  alte, 
35  ^oloboruö.    .'gerr  SBinfelmann  mujj  fid)  in  biefer  ÄteinigEeit  blof;  oerfdjrteben  fjaben. 

cff-  3n  bie  3eit  SllcranberS  beö  ©r.  roirb  fjeute  bie  Saofoongruope  oon  niemanbem 
meljr  oerfetjt,  fonbern  entioeber  in  bie  3"*  öer  Sladjfolger  Üllejanber?,  ber  fog.  5Diabod)en 
(unb  sroar  in  baö  3.  biä  t.  £Sabrf).  o.  Gb,r.)  ober  in  bie  römifdie  Äaiferjeit.  —  23  f.  in 
ber  ad)tunbad)t5igften  Dlpmpiao,  alfo  428  t>.  gtjr ,  roas  natürlid)  ganj  unbenJbar 
ift.  —  27.  ^oinjlet  oon  Strgoä,  jüngerer  3eitgenoffe  beö  4}!&ibia>3,  roie  biefer  unb  ilhjron 
ein  ScfiiUer  beö  3lgelaba§. 


156  «ctohoon  XXVI. 

@r  tonnte  gang  geroifj  feine  anbere  fyaben.  2lber  roarum  läfjt 
e§  $err  ÜBinfelmann  habet  beroenben,  biefen  oermetnten  ©runb 
be§  lUaffei  blof;  angufüfyren?  üffiiberlegt  er  fid)  von  fid)  felbft? 
Oiicfjt  fo  gang.  Senn  roenn  er  and)  fdjon  oon  feinen  anbem 
©rünben  unterftüfct  ift,  fo  madjt  er  bod)  fdjon  für  fid)  felbft  eine  5 
Meine  vBal)rfd)einüd)feit,  wo  man  nidjt  fonft  geigen  fann,  bafj 
xUtbenoborno,  be§  Sßolncletä  Sdniler,  unb  2ltfjenoboru§,  ber  ©e= 
fn'lfe  beci  Slgefanber  unb  $olnboru§,  unmöglich  eine  unb  eben= 
biefetbe  ^erfon  fönnen  geroefen  fein.  3um  ©lüde  täfft  ftdj  biefeä 
getgen,  unb  groar  au§  intern  uerfdjiebnen  SSaterlanbe.  3)er  erfte  10 
2ft|enoboru§  mar,  nad)  bem  auöbrüdtidjen  ßeugniffe  ^e*  $ßctufa= 
nia§,3)  au§>  fölitor  in  3(rfabien;  ber  anbere  hingegen,  nad)  bem 
3eugniffe  be§  sJ>tinuiö,  au§  9tf)obu§  gebürtig. 

£err  üEBinfetmann  fann  feine  3(bfid)t  babei  gehabt  ()aben,  bafj 
er  bao  üBorgeben  bec  SJtaffei,  bnrd)  Beifügung  biefeS  UmftanbeS,  15 
nid)t  unroiberfpredjlid)  roiberlegen  molten.  SBielmeljr  muffen  irjtn 
bie  ©rünbe,  bie  er  auä  ber  .Üunft  beä  25>erf3,  nad)  feiner  unftrei= 
tigen  Kenntnis,  gießet,  von  fotdjer  Söidjtigfeit  gcfdjicnen  tjaben, 
bafj  er  fid)  unbekümmert  gelaffen,  ob  bie  Meinung  beS  9)1  äff  ei 
nodj  einige  2i>a t) rfcf»cin I id;f cit  behalte  ober  nid)t.  Gr  ernennet,  20 
or)ne  3Töeife^>-  m  Dem  Saofoon  gu  niete  non  ben  argutiis , 4)  bie 
bem  Spfippuö  fo  eigen  roaren,  mit  roeldjen  biefer  SJleifter  bie  ^unft 
guerft  bereicherte,  al§  bafj  er  ir)n  für  ein  SKerl  uor  beofelben  3eit 
galten  folfte. 

2tttein,  wenn  e§  erroiefen  ift,  bafj  ber  Saofoon  nidjt  älter  25 
fein  fann  als  SpfippuS,  ift  baburdj  and)  gugleidj  erroiefen,  baf?  er 
ungefähr  aus  feiner  $eit  fein  muffe?  bafj  er  unmöglich  ein  roeit 
fpatereS  2A>erf  fein  fönne?  3)amit  idj  bie  Seiten,  in  roeldjen  bie 
ft'unft  in  ©riectienlanh,  bis  gum  Slnfange  ber  römifdjen  9Jtonarcfjie, 
Uro  £>aupt  balb  roieberum  emporhob,  balb  roieberum  finfen  liefe,  so 
übergebe:  roarum  (jätte  nidjt  Saofoon  bie  glücfKdje  £$:rudjt  beS 
SBetteiferS  fein  fönnen,  meieren  bie  tierfdjroenbrtfdjc  $ßradjt  ber 
erften    .Haifer    unter    ben   ^ünfttern    entgünben    muffte?    SßSarum 

:i)  [A&rjvöäcaQO?  <>j  Y.cti   Jkuuc; — outoi  di  L-/o*(<(){-:  tialv  ly.  KXsitOOO;.     Phoc. 
cap.  !».    p.  819.    Edit.  Kulm.  35 

*)  Plinius  lü>.  XXXI  V.  soct.  19.  p.  653.  Edit.  Hard. 

21,   Sßas  biefe  argutiae   bei  SßliniuS  Oebcuteu,  nuffen  wir  freilief)  nidit  311  fagen. 
hingegen  tonnte  Sffitncfelmann  ber  aunffeiidjen  ^i-'i'lH-ftimmiing  nicht  beipflichten,   weil  für 
,cit  beS  boticn  Stiles  ber  fiunft  ein  Söerf  tuie  ber  X'aofoon  narf)  Dlotio  unb  2iuf= 
fnffung,  roie  nad;  Sccbntt  gans  unmögiid;  ift. 


Äctokoon  XXVI.  157 

formten  nidjt  2lgefcmber  unb  feine  ©efjilfen  bie  ßeitüerroanbten 
eineä  ©trongnfton,  eines  Slrccfilaus,  eines  ^iafitcteö,  eines  §ßofi= 
bonius,  eines  SDiogene§  fein?  äöurbcn  nidjt  bie  Sßerfe  and;  biefer 
9Mfter  junt   Teil    bem  33eften,  mas   bie  ftuuft   jemals   t)eroor= 

5  gebradjt  Ijatte,  gletdjgefdjäljet?  Unb  mann  nod;  Ungegroeifelte  ©tücfe 
tum  felbxgen  öotfjanben  wären,  bas  SCtter  tfjrer  Urheber  aber  märe 
unbekannt,  itnb  Hefte  ftdj  ans  nid)ts  fdjlieften,  als  auö  iljrer  Äunft, 
meldje  göttliche  (Eingebung  müfjte  ben  Kenner  nerroaljren,  bafs  er 
fie  nid)t  ebenfomofyt  in  jene  fetten  feigen  311  muffen  glaubte,  bie 

10  §err  SSinfelmcmn  allein  bes  £aofoon§  roürbig  31t  fein  achtet? 

@3  ift  voafyx,  ^linius  bemerft  bie  .Seit,  in  meldjer  bie  Äünftlcr 
lies  Saofoons  gelebt  Ijaben,  ansbrüd'lid)  nidjt.  ©od)  menn  id;  anö 
bem  .Qufammenljange  ber  gangen  Stelle  fdjliefjen  feilte,  ob  er  fie 
mein*  unter  bie  alten  ober  unter  bie  neuern  3(rtiften  gerechnet  miffen 

15  motten:  fo  befennc  id),  baf?  id)  für  bas  Heitere  eine  größere  2Safjr= 
fdjeinlidji'eit  barin  31t  bewerfen  glaube.    Wlan  urteile. 

9tad)bem  ^linius  uon  ben  älteften  unb  größten  -üDiciftern  in 
ber  23ilbl)auerfunft,  bem  sJ>f)ibias,  bem  ^raritcles,  bem  ©copas, 
etroas  auäfübrlidjer  gefproeben,  unb  hierauf  bie  übrigen,  befonbers 

20  foldje,  uon  bereu  SBerfen  in  9tom  etmas  uorljanben  mar,  of)nc 
alle  d)ronologifd)e  Drbnung  namhaft  gemadjt:  fo  fäl)rt  er  folgen= 
bergeftalt  fort:5)  Nee  multo  plurium  fama  est,  quorundam 
claritati  in  operibus  eximiis  obstante  numero  artificum,  quo- 
niam  nee  unus  oecupat  gloriam,  nee  plures  pariter  nuneupari 

25  possunt,  sicut  in  Laocoonte,  qui  est  in  Titi  Imperatoris  domo, 
opus  omnibus  et  picturae  et  statuariae  artis  praeponendum. 
Ex  uno  lapide  eum  et  liberos  draconumqne  mirabiles  nexus 
de  consilii  sententia  fecere  summi  artifices,  Agesander  et 
Poiydorus  et  Atbenodorus  Ehodii.     Similiter  Palatinas  domus 

ao  Caesarum  replevere  probatissimis  signis  Craterus  cum  Pytho- 
doro,  Polydectes  cum  Hermolao,  Pythodorus  alius  cum  Arte- 
mone,  et  singularis  Aphrodisius  Trallianus.  Agrippae  Pan- 
theum  decoravit  Diogenes  Atheniensis ,  et  Caryatides  in 
columnis   templi   ejus   probantur   inter   pauca   operum:   sicut 

35  5)  Libr.  XXXVI.  sect.  4.    p.  730. 

ü.  Strongnlioit,  ein  gefd}ä|ter  äHtbfcauer,  Ic&te  nidjt  in  römifdjer  Qtit,  jonbern 
um  415  v.  @t>r.  SeffingS  fe^tcrljafte  (Stjronologie  bemfyt  auf  einem  Srrtum  SBincfclinamts. 
—  2f.  Sämtlich  griedriidje  SilbEjauer,  löetdje  im  l.  Safjrt;.  »  61;r.  in  Italien  ttjättg 
roaren,  ;.  2.  nod)  unter  Stuguftuö,  f.  unten. 


158  ffnohoon  XXVI. 

in  fastigio  posita   signa,  sed  propter  altitudinem  loci  minus 
celebrata. 

SSon  allen  ben  ®ünftlern,  weldje  in  biefer  Stelle  genennet 
werben,  ift  25iogene§  von  9(tf)en  ber jenige,  beffen  ßeitafter  am 
unwiberfpred)lid)ften  beftimmt  ift.  Gr  fjat  baS  ^antljeum  be§  5 
Slgrtppa  auögegieret;  er  t)at  alfo  unter  bem  9luguftu§  gelebt, 
^od)  mau  erwäge  bte  üBorte  be§  >J3ltniu5  etwas  genauer,  unb 
id)  benfe,  man  wirb  aud)  baö  ßettatter  be§  Graterus  unb  $ßotf)0= 
boruö,  be§  "polpbefteö  unb  .ftermoIauS,  beö  jweiten  ^ptfjoboruei 
unb  2(rtemon§,  fomie  beö  9(pf)robifiuö  -TralfiamiC),  ebenfo  un=  10 
uuberipred)lid)  beftimmt  finben.  CSr  fagt  von  iljnen:  Palatinas 
domus  Caesarum  replevere  probatissimis  signis.  ^d)  frage: 
fann  biefeS  mol)l  nur  fo  oiel  fyeijjen,  bafj  iwn  ifjren  n  ortreff  (id)en 
Söerfen  bte  ^attäfte  ber  $aifer  angefüttet  geroefen?  ^>n  bem  3Ser= 
ftanbe  nämlid),  baf}  bte  $aifer  fie  überalt  gufaminenfudjen,  unb  15 
nad)  3tom  in  ifyre  23oImungen  öerfeijen  (äffen?  ©etmjj  nid)t. 
©onbem  fie  muffen  ifjre  Üöerfe  au§brüdfltdj  für  biefe  SßaHäfte  ber 
.^aifer  gearbeitet,  fie  muffen  51t  ben  Reiten  biefer  Maifcr  gelebt 
baben.  2>af;  e§  fpäte  Äünftler  gewefen,  bie  nur  in  Stalten  ge= 
arbeitet,  täfjt  fid)  aud;  fd)on  bafyer  fdjlie^en,  med  man  üwer  fonft  20 
nirgcnbS  gebadjt  finbet.  hätten  fie  in  ©riedjenlanb  in  frühem 
Reiten  gearbeitet,  fo  würbe  $aufania§  ein  ober  ba§  anbere  2öerf 
von  if)nen  gelegen,  unb  xi)x  2(nbenfcn  un§  aufbehalten  b,aben.  ©in 
^»tf)oboru§  fommt  gwar  bei  i|tn  cor;6)  allein  öfjarbutn  f»at  feljr 
unredjt,  ilm  für  ben  ^pt[)oborit§  in  ber  'Stelle  beS  $ftntu§  gu  25 
()alten.  £enn  SßaufaniaS  nennet  bie  33ilbfäule  ber  ^uno,  bie  er 
von  ber  3(rbeit  beö  erftem  $u  ^oronea  in  Söotien  faf)e,  uyakfia 
&Q%aiov,  weld)e  Benennung  er  nur  ben  SÖerf'en  berjenigen  SDletfter 
giebt,  bie  in  ben  allererftcn  unb  rauljeften  3e^ten  ber  Hunft,  lange 
iwr  einem  ^ßr)ibiaö  unb  ^raritele§,  gelebt  Ratten.  Unb  mit  3Berfen  30 
ioldicr  31rt  werben  bie  ^aifer  gewif;  nidjt  iljre  ^alläfte  auSgegieret 
baben.  9'iod)  weniger  ift  auf  bie  anbere  Vermutung  beö  .ftarbuinS 
ju  ad)ten,  bajj  Slrtemon  uiclfeid)t  ber  Dealer  gleiches  -Katnen§  fei, 

f)  Boeotic.  cap.  XXX IV.  )..  778.   Edit.  Kulm. 

16.  Wcioip  nidit.  Sennod)  l)at  biefe  2tuffaffting  aueft  neuerbingS  Serteibiger  ge= 
funben,  unb  fie  ift  aud)  in  ber  Tljat  nid)t  fo  unmöglid),  als  e§  ben  3lnfd)ein  (»aben  tonnte, 
ba  -^liniiiö  fid)  oft  in  fcl)r  gefdiraubter  SBeiie  auöbriidt.  —  21  ff.  Rotten  fie  .  .  .  auf» 
begatten  ijaoen.  2)iefcr  Örunb  ift  nidit  ftid)t)altig ,  ba  aud)  mandjer  anbere.  .uünftler 
auS  uuiineifeliiaft  alter  ^cit,  ber  in  OJriedicnlaub  gear&eitet,  6ei  SJJaufonioä  nidit  enuäljnt 
wirb.  —  38.  Ten  SDlatet  Jlrtemon  nennt  'JÜiiiino  XXXV,  139. 


•ffaokoon  XXVI.  159 

beffen  $liniu§  an  einer  anbern  Stelle  gebeutet,    kernte  unb  Dtame 
geben  nur  eine  feljr  geringe  2öa^rf d^etnttd^fett ,  berenmegen  man 
nod)   lange  nicfjt  befugt  ift,  ber  natürlidjen  Sluölegung  einer  um 
nerfälfd)ten  ©teile  ©emalt  angutrjun. 
5  $ft  e§  aber  fonad)  aufjer  allem  3roeifel,  ^af,  ßrateruS  unb 

^tjtfjoboruS,  baf$  YsolpbefteS  unb  £ermoIau3  mit  ben  übrigen, 
unter  ben  $atfern  gelebet,  bereu  ^alläfte  jic  mit  ifjrcn  trefflidjen 
äßerfen  angefüllct:  fo  bünlt  midj,  fann  man  aud)  benjenigen 
Münftlem  fein  anber  Zeitalter  geben,  von  meldjen  ^ItniuS  auf 

10  jene  burd)  ein  Similiter  übergebet.  Unb  biefeä  finb  bie  5Jieifter 
bc§  Saofoon.  93ian  überlege  e§  nur:  mären  2lgefanber,  ^olpboruö 
unb  3ftl)enoboru3  fo  alte  5)ieifter,  al§  roofür  fic  £>err  üöinMmann 
l)ä(t;  mic  unfd)idlid)  mürbe  ein  ©djriftfteller,  bem  bie  ^sräjifion 
bes>  21u3brud'e§  feine  $teinigfat  ift,  roenn  er  von  iljnen  auf  em= 

15  mal  auf  bie  alterneueften  50teifter  fpringen  muffte,  biefen  ©prung 
mit  einem  ©teidjergeftalt  tl)itn? 

©od)  man  roirb  einmenben,  baf}  fid)  biefeö  Similiter  ntdjt 
auf  bie  3Jermanbtfd)aft  in  2lnf  erjung  beS  3eitalter§,  fonbem  auf 
einen  anbern  Umftanb  bejietje,  meldjen  biefe,  in  25etrad)tung  ber 

20  3dt  fo  unäfjnlidje  9)ieifter,  mit  einanber  gemein  gehabt  fjätten. 
SßlimuS  rebe  nämlid)  oon  folerjen  ^ünftlem,  bie  in  ©emeinfdjaft 
gearbeitet,  unb  megen  biefer  ©emeinfdjaft  unbefannter  geblieben 
mären,  als  fie  oerbienten.  Senn  ba  leiner  fid)  bie  Cljre  be§  ge= 
meinfdjaftlidjen  SBerfö  allein  anmafsen  fönnen,  alle  aber,  bie  barem 

25  teil  gehabt,  jeberjeit  31t  nennen,  51t  meitläuftig  gemefen  märe: 
(quoniam  nee  rums  oecupat  gioriam,  nee  plures  pariter  rmn- 
cupari  possunt)  fo  mären  il)re  fämtlidje  9iamen  barüber  uer= 
nadjläffiget  roorben.  SiefcS  fei  ben  9Jteiftern  beö  £aofoon§,  biefeö 
fei  fo   mandjen   anbern  9Jietftem  miberfaljrcn,  roetdje  bie  Kaifer 

30  für  if)re  s}>altäftc  bcfdjäftiget  l)ätten. 

^d)  gebe  biefeö  §u.  2(ber  aud)  fo  nod)  ift  e§  l)öd)ft  roal)r= 
fd)eintid),  bafc  ^liniuS  nur  uon  neuern  Hünfttern  fpredjen  mollen, 
bie  in  ©emeinfdjaft  gearbeitet.  Senn  Ijättc  er  aud)  uon  älterem 
reben  motten,  warum  l)ätte  er  nur  allein  ber  9Jleifter  beö  Saotoonö 

10  ff-  3)wfe  Deutung  be§  similiter  ift  aud)  netierbingS  oerieibigt  werben,  raäfjrenb 
oon  anbver  Seite  eine  UmfteUung  im  Sejt  be§  5ßltmu§  uorgefdjlagen  unb  bQ'3  similiter 
aus  ben  gemeinidaftiidjen  SlufftettungSorteh  ber  Mitnftroerfe  eritärt  roirb.  91ä[;er.c3  in 
meiner  grojjen  Slusgabe  ©.  f.73f.  —  19.  in  S3etrad)titng,  roofür  man  fjeutc  „in  2Itt= 
bctracl)t"  Dornest.  —  3:;.  älterem;  biefe  -Teflinntion  bes  flotjtparatioä  ift  bei  Seffing 
nicfjt  ungeroBfjnlid). 


1G0  ffaohoon  XXVI. 

ermähnet?  SBarum  nidjt  aud)  anberer?  @ine§  Cnatao  unb  S\aU 
litcles;  eine§  ^imotleö  unb  Ximardjioco,  ober  ber  3ö(me  biefeö 
^imavd)iocö,  von  melcben  ein  gemeinfdjaftticf)  gearbeiteter  Jupiter 
in  "Korn  mar.7)  §err  äötnfelman  fagt  felbft,  bafj  man  von  ber= 
gleiten  älterem  äßerfen,  bie  mel)r  als  einen  üßater  gefaßt,  ein  5 
[ange§  üBer^eidjnt§  madjen  tonne/)  Unb  $liniu§  follte  fiel)  nur 
auf  bie  einzigen  SCgefanber,  ^olnboruo  unb  2(tf)enoborus  beionnen 
haben,  menn  er  jid)  nidjt  auobrüdlid)  nur  auf  bie  neueften  ßeiten 
I)ätte  einfdn'änfen  motten ? 

9Birb  übrigen*  eine  Sßermutung  um  fo  nie!  umfyrfdjeinUdjer,  10 
je   mehrere  unb    größere   Unbcgreiflidjfciten    jid)    barauö    crftären 
I  äffen,  fo  ift  co  bie,  bajj  bie  SJleifter  beo   Saofoonö  unter  ben 
erjten  Maifern  gcblüljet  l)aben,  gennjj  in  einem  feljr  boljcm  ©rabe. 
2)enn   hätten  jie  in  ©riedjenlanb   51t  ben   3c^ten,   in  meldje  jie 
§err  äöinfetntann  fettet,  gearbeitet,  fjätte  ber  Saofoon  felbft  in  15 
©rtedjentanb  ef/ebem  geftanoen:  fo  muffte  ba§  tiefe  Stillfdjmeigen, 
meldjeS  bie  ©rieben  oon  einem  fotdjen  Söerle   (opere  omnibus 
et  pieturae  et  statuariae  artis  praeponendo)  beobachtet  tjätten, 
anwerft  befremben.    ßö  müfjte  äufjerft  befremben,  roenn  fo  grojje 
fünfter  weiter  gar  nid)ts  gearbeitet  r)ätten,  ober  menn  ^aufanta§  20 
von  itjren  übrigen  SBerfen  in  gang  ©riecbenlanb  eben  fo  menig 
roie  von  bem  Saofoon,  31t  feljen  befommen  tjätte.    $n  9tom  f)in= 
gegen  tonnte  ba§  größte  9)ieifterftüd  lange  im  Verborgenen  bleiben, 
unb  menn  Saofoon  aud)   bereits  unter  bem  3Iuguftu§  märe  oer= 
fertiget  morben,  fo  bürfte  es  bod)   gar  nidjt  fonberbar  fdjeinen,  25 
bafj  erft  SßliniuS  feiner  gebadjt,  feiner  guerft  unb  julctjt  gebadet. 
3)enn  man  erinnere  fid)  nur,  raaS  er  oon  einer  SBenuS  beö  ©copa§ 
fagt,&)  bie  ju  9totn  in  einem  Tempel  be§  9Jcar§  ftanb,  quem- 
eunque  alium  locum  nobilitatnra.    Romae  quidem  magnitudo 
operum   eam   obliterat,   ac   magni   officiorum   negotiorumque  30 
acervi   omnes   a    contemplatione    talium   abdueunt;    quoniam 
otiosorum  et  in  magno  loci  silentio  apta  admiratio  talis  est. 

71  Plinius  Üb.  XXXV  t    sect.    I    p.  730. 
)  ©efdjic$te  ber  ftunft,  X.  II.  <S.  331. 
"t   l'linius  1-  c.  p.  Tl'T  35 

1  f.  Dnataä  unb  .ftnüitelc«,  äginetifdje  Silbbauer  um  470  o.  Etjr.,  oon  benett 
Dnatai  ber  berühmtere  SDieifter  ift.  —  2.  Ximof  les  unb  Jimardjibeö,  attifdje  .ttünftler, 
oermutltdj  am  römifdier  ; *, c 1 1 .  —  6  ff.  S)a3  similiter  tonnte  aber  aud)  barauf  geben,  baf; 
eine  Shtjaljl  gemeinfeftaftlid)  arbeitender  Äünftler  eben  bcätjatb  toeuiger  Serübmtbeit  ev- 
lainit  bnbeit.  —  M—  i'-K  3ft  nidjt  gan;  jutreffenb,  aud)  über  bie  berühmte  ©nippe  be-3 
tariu-i'iidieu  Stiers  erfahren  mir  aus  griediifcben  Quellen  nictjtS ;  unb  Der  I;evrlidje  SCItar 
oon  Sßergamon  fommt  nur  in  einer  fpäten  Duelle  ganj  beiläufig  vor. 


Caoboon  XXVII.  161 

diejenigen,  roeldje  in  ber  ©nippe  Saofoon  fo  gern  eine  9tacr)= 
afymung  be§  SSirgilifdjen  Sao!oon§  fefyen  motten,  werben,  roa§  idj 
bisher  gefagt,  mit  Vergnügen  ergreifen.  9iod)  fiele  mir  eine  9Jiut= 
majjung    bei,   bie   fie   gleidjf  attö    nidjt   fefyr   mijj&tttigen   Dürften. 

5  2>ietteid)t,  tonnten  fie  beuten,  mar  e§  2(finiu§  $ottio,  ber  ben 
Saotoon  beo  SBirgifä  burdj  griedjifdje  Hüuftter  ausführen  tief} 
s}>offio  mar  ein  befonberer  $reunb  bes>  SDidjters,  überlebte  ben 
2)id)ter,  unb  fcr)einet  fogar  ein  eigenes  23erf  über  bie  2(eneis  ge= 
fd)rieben  31t  fyaben.    £)enn  wo  fonft,  aU  in  einem  eigenen  9Berte 

10  über  biefeo  ©ebidjt,  tonnen  fo  leidjt  bie  einzeln  Stnmerfungen 
geftanben  fjaben,  bie  <2eroiu§  au§  ifjm  anführt? ir)  3ug(eid)  mar 
^ottio  ein  Siebfyaber  unb  Äenner  ber  ®unft,  befafj  eine  reidje 
©ammtung  ber  trefftidjften  alten  $unftroerfe,  lief?  oon  ^unftlern 
feiner  3eü  weue  fertigen,  unb  bem  ©efdjmade,  ben  er  in  feiner 

15  2ö(U)l  geigte,  mar  ein  fo  füb,ne§  ^>tüd  als  Saofoon  uotttommen 
angemeffen: ll)  ut  fuit  acris  vehementiae  sie  quoque  speetari 
monumenta  sua  voluit.  2)od}  ba  baQ  Kabinett  beö  ^3oCCto  §u 
ben  3eiten  be§  ^limuQ,  als  Soofoon  in  bem  $affafie  be3  Situs 
ftanb,  nod)  gang  ungertrennet  an  einem  befonbern  Drte  beifammen 

•20  geroefen  §u  fein  fdjeinet,  fo  mödjtc  biefe  3Jlutmafiung  oon  ityrer 
9Bar)rfcr)ein[id;feit  rmeberum  etwas  verlieren.  Unb  warum  tonnte 
eS  triebt  Situs  felbft  getfyan  fyaben,  ma§  mir  bem  s}>ottio  ju= 
fdjreiben  motten? 

xxvir. 

25  £>d)  roerbe  in  meiner  -äJtetnung,  baf$  bie  3Jleifter  bes"  2ao= 

foons  unter  ben  erften  $aifern  gearbeitet  l)almx,  menigftens  fo 
alt  gemifj  nidjt  fein  tonnen,  al§  fie  §err  SBinfetmann  ausgiebt, 
burd)  eine  Steine  s0iad)rid)t  beftärtet,  bie  er  felbft  jaterft  bef'annt 
madjt.    Sie  ift  biefe:1) 

30  „3u    s)iettuno,    eljemals    Stntium,    Ijat   ber    öerr  ^arbinal 

2((eranber  "JUbani,  im  $af)re  1717,  in   einem  großen  ©cwölbe, 

10)  Ad  vers.  7.  lib.  II.  Aeneid.  unb  &efonber§  ad  vers.  183.  lib.  XI.    ^fftan  bürfte 
atfo  rooljl  nidjt  unred)t  tfjun,  wenn  man  ba3  si>er5eia)ni3  ber  oertorueu  Sdjriften  biefe3 
sUianne5  mit  einem  foldu'u  SBerfe  r>ermel)rte. 
35  ")  Plinius  lib.  XXXVI.  sect.  4.  p.  729. 

')  ©efa)tdf)te  ber  flunft,  2.  II.   S.  347. 

5.  ütfiniu'j  $o((io,  befaitnter  römijdjer  Staatsmann,  76  u.  Gljr.  bi3  4  n.  Chr.  — 
17  ff.  Sptiniuil  jäbjt  XXXVI.  30  ff.  bie  Sdiäije  biefer  Sammlung  auf,  woraus  Ijeruor* 
jugetjen  fd)eint,  bafj  fie  bamals  noa)  beifammen  mar. 

Seffingä  SSerfe  9.  11 


162  Caokoon  XXVII. 

roetdjeS  im  -äJleere  oerfunfen  lag,  eine  Safe  entbecfet,  roeldje  oon 
fdjroarggräuUdjem  9Jlarmor  ift,  bcn  man  ifco  33igio  nennet,  in 
roeldie  bie  $igur  eingefüget  mar;  auf  berfelben  befinbet  fid)  fol= 
gertbe  Snfdjrtft: 

AOANOJSIPOZ  ArHZANJPOT  5 

POJIOZ  EIIOIHZE 

(3(tljanoborue  be§  2Tgefanber§  <&6f)ti,  au§  9tf>obu§,  fyat  e§  gemalt). 
3GStr  (erneu  au$  bieder  ^nfd^rift,  bafj  SSater  unb  <3of)n  am  2ao= 
foon  gearbeitet  baben,  unb  uennutlid)  mar  aud)  9lpoifoboru§ 
(s}>oü)boruo)  bec  2tgefanber§  3otm;  benn  bicfer  2ttfjanoboru§  lann  10 
fein  anberer  fein,  als  ber,  melden  ^lintuo  nennet.  @3  beroeifet 
ferner  biefe  £siv>d)rift,  baf?  fid»  me()r  SBerfe  ber  Äunft,  at§  nur 
allein  brei,  rote  ^liniuö  roilt,  gefunben  baben,  auf  roeltfje  bie 
Münftler  ba§  üföort,  ©emadjt,  in  oollenbeter  unb  beftimmter  $eit 
genfer,  nämlid)  fVtoi'j/cJc,  fecit:  er  beridjtet,  baf?  bie  übrigen  Munftler  15 
au§  Sefdjeibenljeit  fidj  in  unbeftimmter  3ett  auSgebrüd'et,  inoisi, 
faciebat" 

SDarin  roirb  §err  Sßinfetmamt  wenig  2Biberfprud)  ftnben, 
bafj  ber  9lti)anoboru§  in  biefer  5>nfdjrtft  fein  anberer  al§  ber 
vJltl)enoboru§  fein  fönne,  beffen  s}>Iiniu§  unter  ben  9)teiftern  be§  20 
SaofoonS  gebeutet.  2(tl)anoboru3  unb  2(tl)cnoboru3  ift  aud)  oöllig 
ein  Staute;  benn  bie  Mrobier  bebienten  fid)  be§  borifdjen  3)ialeft§. 
allein  über  baö,  roa§  er  fonft  barau§  folgern  roiff,  muf}  id;  einige 
ilnmerfungen  magert. 

£a§  erfte,  baf}  2ltljenoboru§  ein  ©ofm  be§  2fgefanber§  ge=  25 
roefen  fei,  mag  (jingeljen.  GS  ift  fcfjr  roatjrfdjeinlid) ,  nur  nidjt 
unuüberfpredjlid).  "Denn  e§  ift  befannt,  ba^  eö  alte  ^ünftler  ge= 
geben,  bie,  anftatt  fid)  nad)  ifjrem  SJater  §u  nennen,  fid)  lieber 
nad)  itjrem  ü'eijrmcifter  nennen  motten.  2Ba§  ?pliniu§  von  ben 
©cbrübcm  2(polloniuc>  unb  ZiauriScuS  faget,  leibet  nidjt  rooljl  eine  30 
anbere  Stillegung. '-') 

')  Libr.  XXXVI.  seot.   1.  p.  730. 

1.  eine  53afe,  bei  SHncfelmann  ftcl)t  „eine  Safe  einer  Statue".  —  21  f.  $n  neuerer 
3eii  fiub  nodi  einige  anbere  .Jnfdiriften  gefunben  werben,  auf  benen  ein  2ltf)anoboru3, 
£ol)tt  be§  2igefanber,  aus  £R$obu§,  genannt  wirb;  bod)  gelten  bie  beiben  in  Italien  ge= 
funbenen,  bie  allerbiug3  au>3  ber  Äaiferjeit  flammen,  für  Äopiecn  älterer  Originale.  — 
2.1—29.  Jer  ©enetin  bei  ßttnftlernamen  bebeutet  in  ber  Segel  ben  9!amen  beS  3Sater§, 
ber  sugleid)  ber  üefjrmeiftcr  icar,  aber  nid)t  bcn  be§  Scl)rmeifter5  allein.  —  30.  S3on 
31  po llont«  §  unb  SC a u r  i  3 c u §  am  SratteS,  ben  SBerfertigern  ber  ©nippe  beS  farncfifdien 
Stieres,  fagt  SJJIiniuä  a.a^  0.,  fie  Ratten  ben  äRenefrateä  als  ilireu  SSaier  genannt,  ityr 
natürlicher  üater  aber  fei  2lrtemiboruö.  ISS  bejicl)t  fid)  ba§  auf  bie  in  :Hhobus  feljr  häufige 
2lboj)tion  (vod-eoia).  i'iad)  einer  J,ufd;rift  auZ  Sinboö  auf  3iljobu§  batte  ein  2ltIjattoboru5 
einen  2lgefanber  511m  Später,  einen  SiomjfiuS  aber  311111  2lboptio»ater. 


ffaokoon  XXVii  163 

Sfber  roie?  2)icfe  ^nfd^rtft  foll  §ugletd[j  baö  Vorgeben  bee 
^liniuö  nriberlegen,  bafi  fid)  nid)t  meljr  als  brei  Äunftmerfe  ge= 
funben,  ju  meldjen  fid)  ifyre  9Jleifter  in  ber  ooßenbeten  3eit  (an= 
ftatt  bes  InolsL  burd)  moCt]6s)  befannt  fjätten?  S)iefe  $nf$*ift? 
5  2Sarum  f  ollen  roxi  crft  aus  btefer  ^nfdjrift  lernen,  ums  mir 
längft  aus  fielen  anbern  rjättcn  lernen  Sonnen?  §at  man  nidjt 
fdjon  auf  ber  Statue  bes  ©ermanicus  Kksofik/yg  —  snoirjas 
gefunben?  2luf  ber  fogenannten  Vergötterung  bes  Römers, 
'AqiiXuog  l%oir\6B%    3luf  ber  bekannten  SSafe  ju  ©aeta,  Zcditiav 

10  lltOL1]G^.")   u.    f.    xxi. 

§err  äöinfelmann  fann  fagen:  „2Ber  meifj  biefes  Beffer  als 
id)  V  216er,  roirb  er  Ijinjufeijett,  befto  fdjlimmer  für  ben  ^>linius. 
Seinem  Vorgeben  ift  alfo  um  fo  öfterer  rotberfprodjcn;  es  ift  um 
fo  geroiffer  nuberlegt" 

15  -ftod)  nidjt.    SDenn  mie,  roenn  §err  Söinlelmann  ben  v}}linius 

mel)r  fagen  tiefte,  als  er  mirflid)  fagen  mollen?  SBenn  alfo  bie 
angeführten  Veifpiele  nidjt  bas  Vorgeben  bes  s}Minius,  fonbern 
blofj  bas  mehrere,  meldjes  |)err  SJßmfelmtmn  in  biefes  Vorgeben 
hineingetragen,  roiberlegteu?     Unb  fo  ift  es  mirflid).     §d)  inu^ 

20  bie  gange  Stelle  anführen.  $ßniu§  raill,  in  feiner  3uetgmmg§=: 
fdjrift  an  ben  £itus,  r»on  feinem  2Serfe  mit  ber  Vefdjeibenljeit 
eines  -Diannes  fpredjen,  ber  es  felbft  am  beften  meif$,  mie  tnel 
bemfelben  jur  Vollkommenheit  nodj  fef)Ie.  Gr  finbet  ein  merf= 
mürbiges  (fgempel  einer  folgen  Vefdjcibenljeit  bei  ben  ©rieben, 

25  über  bereu  praljlenbe,  oieluerfpredjenbe  Vüdjertitel  (inscriptiones, 
propter  quas  vadimoniurn  deseri  possit)  er  fid)  uorljer  ein 
menig  aufgehalten,  unb  fagt:"1)  Et  ne  in  totum  videar  Graecos 
inseetari,  ex  illis  nos  velim  intelligi  pingendi  fingendique 
conditoribns,    quos   in   libellis   his   invenies,    absoluta    opera, 

30  et  illa  quoque  quae  mirando  non  satianrur,  pendenti  titulo 
inscripsisse,  ut  APELLES  FAC1EBAT,  aut  POLYCLETÜS, 
tanquarn  inehoata  semper  arte    et   imperfecta:  ut  contra  ju- 

3)  Wlan  febe  bas  SCerjeidjniä  ber  2luffd)riften  alter  jUinftroerfe  beim  ?D!ar.  ©ubiuS  (ad 
Fhaedri  fab.  l.  lib.  Vi  unb  siehe  ätigleia)  bie  Berichtigung  besfelbcn  oem  ©ronoo  (Praef. 

35  ud  Tom.  IX.  Thesauri  Antiq.  Graec.)  jtt  Siatc. 

4)  Libr.  I.  p.  5.  Edit.  Hard. 

7.  i>cr  Statue  be§  öevmanicuä;  biefe  heute  im  Sonore  befinbücbe  Statue  ficllt 
einen  römifeben  Steintet  unter  ber  ©eftalt  be$  2Jlerfur  i'or;  bie  Benennung  öermanicuS 
ift  unbe;irimt>t't.  —  8.  ©ao  Sielief  mit  ber  3lpotbeofe  bes  .ferner,  non  2lrcßeIao§  oon  griene, 
befinbet  fid)  heute  im  Britifcbett  SDiufeum.  —  9.  2>aie  iu  ©aeta;  btefer  Ämter  ift  n.it 
bacchijdjen  9ielief§  gcfchmücft  unb  fteljt  beute  im  SJationalmufeum  ,;u  9leape(. 

11* 


164  Äaokoon  XXVI 1. 

diciorum  varietates  superesset  artifici  regressus  ad  veniam, 
velut  emendaturo  quidquid  desideraretur,  si  non  esset  inter- 
ceptus.  Quare  plenum  verecundiae  illud  est,  quod  omnia 
opera  tanquam  novissima  inscripsere,  et  tanquani  singulis 
fato  adempti.  Tria  non  amplius,  ut  opinor,  absolute  trä-  5 
duntur  inscripta,  ILLE  FECIT,  quae  suis  locis  reddam:  quo 
apparuit,  sununam  artis  secuvitatem  auctori  placuisse,  et  ob 
id  magna  invidia  fuere  omnia  ea.  £,d)  bitte,  auf  bie  SÖorte 
be§  ^>IintU£>,  pingendi  fingendique  conditoribus,  aufmerffam  ju 
fein.  5ßlintu§  fagt  nid;t,  bafs  bie  ©emoljnljeit,  in  ber  unnotl^  10 
enbeten  $tit  fid)  ju  feinem  Söerfe  511  befennen,  afigemetn  gemefen; 
baf$  fie  non  allen  iUtnftlem,  gu  allen  3e^en  beobachtet  raorben: 
er  fagt  ausbrüdlid),  bafj  nur  bie  erften  alten  3Jieifter,  jene 
©djöpfer  ber  bilbenben  fünfte,  pingendi  fingendique  conditores, 
ein  2tpel(e3,  ein  sJsoIi)tTet,  unb  ifjre  3eitnerraanbte,  biefe  fluge  23e=  15 
ftfjeibentjeit  gehabt  t)ätten;  unb  ba  er  biefe  nur  allein  nennet,  fo 
giebt  er  ftiUfdjmeigenb,  aber  beutlid)  genug,  31t  nerfteljen,  bafj  it)re 
9cad)folger,  befonberö  in  ben  fpöteren  3e^en,  mel)r  3u^rfid)t  auf 
fid)  felber  geäußert. 

3)icfe§  aber  angenommen,  uüe  man  es  annehmen  mufj,  fo  20 
fann  bie  entberf'te  3(uffd)rift  von  bem  einen  ber  brei  föünftler  be§ 
2aofoon§,  iJjre  völlige  9üd)tigfeit  fyaben,  unb  eö  lann  bem  olmge= 
adjtet  maljr  fein,  bafj,  raie  $liniu§  fagt,  nur  etraa  brei  2Serfe 
uorb/mben  geroefen,  in  beren  2luffd)riften  fid)  il)re  Urheber  ber 
uollenbeten  $eit  bebienet;   mimlid)  unter  ben  altern  2Serf'en,  auZ  25 
ben  &\tm  be§  2lpelle3,  beS  sJ>oh)fIets,  be§  9ftcia3,  be§  Snfippus. 
2tber  ba§  t'ann  fobann  feine  9tid)rigfett  md)t  Ijaben,  bafj  2(tl)eno= 
boruo   unb    feine   ©etjilfen,  ßettüesrocmbte  bes  2tpetfe§  unb  2t>= 
fippus   geroefen   finb,   31t   roeldje«   fie  $err  SBinf'elmann   machen 
null.     9Jcan  nui^  vielmehr  fo  fd)liefjen:  SSenn  e§  raaljr  ift,  baf;  30 
unter  ben  SEBerfen  ber  altem  ilünftler,  eines  21pelle§,  eines  $0= 


5  f.  ali  sii]  utc  ins  c  rijit  a.  G$  tommt  I)ier  fefyr  barouf  an,  ruic  man  biefe  Sorte 
faftt:  wenn  barunter  ber  Slorift  ju  oerfteb/en  ift,  fo  ift  atlerbingä  fnum  ertlärluö,  roie 
SßliniuS  behaupten  tonnte,  nur  brei  SBeifpiele  banon  su  leimen,  ba  unter  ben  un§  erhaltenen 
flünftlerinfd&riften  ber  Morift  Diel  häufiger  ift,  aI3  ba§  Sntperfeftum.  Saber  meinte  Saint, 
unter  absolute  inscripta  fei  ba§  Sßerfeft  nttioirjy.i  ;u  oerfteljen;  menn  Sßttnim!  hieruott 
nur  brei  Seifpiele  tonnte,  fo  Ijat  e§  nid)t3  2luffällige3,  roenri  mir  gar  fein  SBeifpiel  titeln- 
baoon  befigen.  Über  eine  anbere  §npot$efe  f.  meinen  großen  Äommentar  S,  676.  — 
26.  SDer  üDialer  9Htta3  aus  Sitten  lebte  im  4.  SJaljrb.  v.  Gljr.  Seine  Gruntöitung  an 
btefem  SOrt  beruht  auf  ber  in  ber  Slnm.  angeführten  ©teile  be3  SßRniuä.  —  9Kd)t  i'nfip  = 
pu5,  fonbern  GlafippuS  Ijcifit  na*  ber  beften  £e§art  ber  in  ber  2inm.  5  angeführten  ©teile 
bcS  SßlvniuS  ber  bort  ernuirmte  entauftifdie  SDlaler,  auö  unbetannter  $iit. 


fctohoon  xxvii.  165 

h)flet§  unb  ber  übrigen  au§  biefer  Pfaffe,  nur  etroa  bret  geroefen 
fhtb,  in  beren  2(ufftf)riften  bic  noKenbete  gär  tum  ifynen  gebraust 
uuuben;  wenn  e§  roaljr  ift,  bajs  $fttmi§  biefe  bret  SBerfe  felbft 
namhaft  gemacht  l)at;b)  fo  fann  3W)enoboruö,  von  bem  feines  biefer 

5  5)  Gr  oerfpridjt  roenigfieni  ausbrüdlia),   e§  ,;u  tEjun :   quae  suis  locis  reddam.  — 

Senn  er  es  aber  nidit  gänjltdj  oergeffen,  fo  hat  er  es  boa)  fefjv  im  Vorbeigehen  unb  gar 
nidjt  auf  eine  2lrt  getban,  als  man  naa)  einem  folgen  33erfpreä)eu  erroartet.  Senn  er 
S.  G.  fdireibet  (Lib.  XXXV.  sect.  39):  Lysippua  quoque  Aegiuae  picturae  suae 
inscripsit,  ivixavasv:  quod  profecto  noii  fecisset,  nisi  encaustica  inventa:  fo  ift  eS 

10  offenbar,  baß  er  biefe?  ivixavoev  jum  Söeroeife  einer  ganj  anbern  ©adie  braucht.  £at 
er  aber,  roie  iiarbitin  glaubt,  auch  lUgtetcb  ba§  eine  neu  ben  Scrfen  baburä)  angeben 
roollen,  beren  3lufjd)rift  'in  bem  2lorifto  abgefaßt  geroefen:  fo  hätte  eä  fia)  roobt  ber  ÜJiütje 
»«•lohnet,  ein  Sort  baoon  mit  einfließen  ju  laffen.  ©ie  anbern  jroei  Serfe  biefer  Slrt 
finbet  £arbuin  in  folgenber  Stelle:   Idem  (Divus  Augustus)  iu  Curia  quoque,  quam 

15  in  comitio  conaecrabat,  duaa  tabulas  impressit  parieti:  Xemeam  sedentem  supra 
leonem,  palmigeram  ipaam,  atlstante  cum  baculo  aene,  cujus  supra  Caput  tabula 
bigae  depenclet.  Nicias  scripsit  ae  inuaaiaae:  tali  enim  usua  eat  verbo.  Alterius 
tabulae  admiratio  eat,  puberem  filiuru  seni  patri  aimilem  ease,  salva  aetatis  differentia, 
supervnlante  aquila  draconem  complexa.    Philochares  hoc  auum  opus  esse  testatua 

20  est.  (Lib.  XXXV.  sect.  10.)  §ier  roerben  jroei  nerfdjiebene  ©emälbe  befdjrieben,  roeldje 
Jtuguftus  in  bem  neuerbauten  SRathaufe  aufteilen  laffen.  ©a§  äroeite  ift  nom  $bilod>are§, 
baS  erfte  com  SiiciaS.  SaS  oon  jenem  gefagt  roirb,  ift  flar  unb  beutlid).  2lber  bei  biefem 
ftnben  ftcr)  Sdiroierigfeiten.  GS  hellte  bie  9cemca  »or,  auf  einem  Söroen  fibenb,  einen 
$Palmenjroeig   in   ber  fiianb,   neben   itjr  ein  alter  ÜKann  mit  einem  Stabe;   cujus  supra 

25  caput  tabula  bigae  dependet.  SaS  beißt  ba§?  Über  beffen  Raupte  eine  ©afel  hing, 
roorauf  ein  sroeiipännigcr  Sagen  gemalt  war?  ©aS  ift  noa)  ber  einzige  Sinn,  beu  man 
biefen  Sorten  geben  fann.  3llfo  mar  auf  baS  £>auptgemälbe  noa)  ein  anbereS  fleinereS 
©emälbe  gebangen?  llnb  beibe  roaren  oon  bem  JiictaS?  So  tnufi  eS  §arbuin  genommen 
haben,    ©enn  roo  mären  bier  fonft  sroei  ©emälbe  beS  DUctaS,  ba  baS  anbere  auSbrüdlid) 

30  bem  5JS()ilod)are3  jugefdirteben  roirb?  Inscripsit  Nicias  igitur  geminae  huic  tabulae 
siumi  nomen  in  hunc  moduni :  O  N / K IJL2  RNEKAi'—KN:  atque  adeo  e  tribus 
operibus,  quae  absolute  fuisse  inscripta,  ILLE  FECTT,  indieavit  Praefatio  ad 
Tituni.  dup  haec  sunt  Niciae.  Qd)  rnödite  ben  ftarbuin  fragen:  roenn  9!icia3  niä)t  ben 
Woriftum,  fonbern  roirtlicb  baS  Jjmperfeftum  gebraucht  hätte,  piniuS  aber  hätte  bloß  be= 

35  merfen  roollen,  baß  ber  SUeifter,  anftatt  beS  yoüifsiv,  iyxaisiv  gebraudit  Ijätte,  roürbe  er 
in  fetner  ©nracbe  aud)  nidjt  nod)  alsbenn  fja&ett  fagen  muffen:  Nicias  scripsit  se 
inussisse?  ©od)  id)  rotll  bierauf  nid)t  beftehen;  c3  mag  inirflid)  be§  ^liniiiä  2Biüe  ge= 
roefen  fein,  eines  oon  ben  SBerfen,  roonon  bie  Jliebe  ift,  baburd)  anjubeuten.  Söer  aber 
roirb  fia)  bas  hoppelte  ©emälbe  einreben  laffen,  beren  eines  über  bem  anbern  gebangen? 

40  ^d)  mir  nimmermebr.  ©ie  9Borte  cujus  supra  caput  tabula  bigae  dependet,  tonnen 
alfo  nidit  anberS  als  uerfälfd)t  fein  Tabula  bigae,  ein  ©emälbe,  roorauf  ein  jtDei= 
ipänniger  Sagen  gemalet,  dingt  nidit  fehr  ^.Uinianifd»,  roenn  aud)  ^HrnuS  fd;on  fonft  ben 
Singularem  oon  bigae  braudjt.  Unb  roaS  für  ein  jroeifpänniger  Sagen?  ßtroan,  ber= 
gleichen  su  ben  Settrennen  in  ben  JJemeäitchen  Spielen  gebraucht  rourben;   fo  bafj  biefeS 

•l.r>  Heinere  ©emälbe  in  Slniehung  beffen,  roaS  es  oorftellte,  511  bem  £>auptgemälbe  gehört  hätte? 
©ao  tann  nicht  fein;  beim  in  ben  SJemeäifchen  Spielen  roaren  nidjt  jroeifpännige,  fonbern 
oierfpännigc  Sagen  geroöhnlia).  (Schmidius  in  Prol.  ad  Nemeonicas,  p.  l'.i  ßinSmalS 
fam  ich  auf  bie  ©ebanfen,   bafi  ^liniuS  anftatt  beS  bigae   oielleidit  ein  griea)ifa)e5  Sort 

5  ff  ßr  hat  eS  offenbar  gar  nicht  getban,  fonbern  üergeffen;  in  ben  im  folgenben 
angeführten  Serfen  tommt  eS  ihm  jebcSmal  nur  auf  ba§  Sßerbum  iyxaicir.  inurere, 
an,  nidit  auf  baS  ©empuS.  —  21.  <Phitod)areS;  baS  Zeitalter  biefeS  SDialerS  ift 
unbetannt.  —  23.  ©ie  91emea  ift  bic  ^erfonifitation  ber  Crtlichfeit  in  SlrgoliS.  roo 
bie  berühmten  nemeifchen  Spiele  ftattfauben.  —  38  ff.  ©iefe  ©eutung  ber  SJJliniuäftelle 
roirb  oon  Seifing  burchau«  mit  Siecht  surürfgeroiefen.  —  41 — 47.  ©ro?bem  aüerbingS  33ier= 
gefpanne  bas  ©eroöhnliche  roaren,  ift  bod)  nirgenbS  gefagt,  bafs  nid)t  auch  Settfahrten  oon 
3roeigeipannen  oorgefommen  roaren  ©ie  tabula  bigae  ift  roahrfdjeinlich  ein  am  ©emälbe 
angebrachtes,  b.  h-  roirflid)  aufgemaltes  Sotirrtäfelchen,  roelcbeS  an  bie  2lrt  beS  errungenen. 
Sieges  erinnern  follte. 


166  ffaokoon  xxvu 

btct  SDBcrfe  ift,  unb  ber  fid?  bem  orjngeadjtet  auf  feinen  SSerfen 
ber  ooffenbeten  Seit  bedienet,  §u  jenen  alten  Münftlem  nidjt  ge= 
boren;  er  tarnt  fein  ßettocrroanbter  bc§  2lpette§,  beö  Sofippus 
fein,  fonbem  er  mujs  in  fpätere  3eitetl  gefegt  roerben. 

.Uurj;  id)  glaube,  es  Hefte  fid)  als  ein  feljr  juoerläfftgeS  5 
Kriterium  angeben,  baf$  alle  Äünftler,  bie  ba3  £7ioi'r}66  gebraust, 
lange  nad)  ben  ßeiten  2llej:anber§  be§  ©rofjen,  furj  vor  ober 
unter  ben  .Üaiicrn,  geblübet  l)aben.  3>on  bem  ^Teomenes  ift  ee 
unftreitig;  oon  bem  SlrdjelaitQ  ift  ee  Ijödjft  toaljrfdjeinlid);  unb 
uon  bem  ©alpton  fann  menigftenö  ba§  ©egentetl  auf  feine  SBetfe  10 
erroiefen  merben.  Unb  fo  von  ben  übrigen;  ben  2ltl)anoboru§ 
nidjt  aucgefdjloffen. 

£err  äSinMtndnn  felbft  mag  hierüber  9tidjter  lein!  £od) 
proteftiere  id)  gleid)  im  voraus  miber  ben  umgetefjrten  3at5. 
3Benn  alle  Münftler,  meldje  Enotr)6a  gebraucht,  unter  bie  ipäten  15 
gehören :  fo  gehören  barum  nidjt  alle,  bie  fiel)  be§  InoUt  bebienet, 
unter  bie  altem.  3(ud)  unter  ben  fpätern  $ünftlern  fönnen  einige 
biefe  einem  grofjen  SJianne  fo  mol)l  anfterjenbe  SBefdjeibenljeit  xoxxi- 
üd)  befeffen,  u\\^  anbere  fie  311  befi^en  fid)  geftellet  r)aben. 


gefdjrieBen,   meldies    bie  Slbfdncibor    nidjt  oerftanben;  id;  meine  ntvylov.    2Bir  roiffen  20 
nämücl)   ou§   einer  ©teile  bes  2lntigonu§  SarnfrhtS,   Beim  3?nobiu§,  (conf.  Gronovius 
T.  IX.  Antiquit    Gräec.  Praef.  p.  7)   bafj  bie   alten  Äünftler  nidjt  immer  it)re  Diameit 
mit  ibre  SBSerfe  felbft,  fonbem  aud)  :uof>l  auf  befonbere  Xäfeldjen  gefe^ct ,  roeldje  bem  ©e= 
mälbe,   ober  ber  Statue  angehangen  mürben.    Unb  ein  foldies  "Järeldjen   hieß  ntu/iuv. 
Sicfes  griedjifdje  2Bort  fanb   fid)  vielleicht  in  einer  £ianbfdjrift   burdj  bie  ©tojfe,   tabula,  25 
tabella,  erfläret;  unb  ba§  tabula  fam  enblicfi   mit  in  ben  Xext.    Stus  nruyior  warb 
bigae;  unö  fo  entftanb  ba§  tabula  bigae.*    Slidjts  fann  su  bem  golgenben  beffer  paffen, 
als  biefes  niv/Lov,  benn  bas  g-olgenbe  eben  ift  es,  mas  barauf  ftanb.    Sie  ganu'  Stelle 
roärc  alfo  311  lefeu:   cujus   supra  caput   mv%loY  dependet,   quo   Xicias   scripsit    se 
iuussissu.    SDodi  biefe  florreftur,  id)  befenne  es,"  ift  ein  menig  fübu.    SJluj;  mau  beim  auch,  30 
alles  uerbefferu  fönnen,  toas  man  oerfälfdjt  ;u  fein  bemeifen  fann?    gd)  begnüge  midi, 
bas  lefctere  hier  geleiftet  ju  baben,  unb  übcrlaffe  ba§  erftere  einer  gefdjidtcru  £aub.    2)od) 
nunmehr  nueberum  jur  ©adie  suriid  ju  tommen:   wenn  spliniu3  alfo  nur  oon  einem  ®e= 
mälbe  be§  SRicial   rebet,   beffen  äuffdjrift  im  2lorifto  abgefaßt  geraefen,   unb  bas  ätoeite 
©emälbe   biefer  2lrt  ba§  obige  be>3  vnfippit'3  ift:   meldte«  ift  benn  nun  baS  britte?    ®a«  35 
u>eifj  id)  nidjt.    äBenn  id)  es  bei  einem  anber'n  alten  Scbriftfteller  finben  bürfte,  als  bei 
bem  ^linius,  fo  mürbe  id)  nidjt  febr  «erlegen  fein.    2lber  es  foll  bei  bem  ^linius  gefunben 
roerben;  unb  nod)  einmal:  bei  meiern  meifs  ich  es  nidjt  ju  finben. 


5—8.  Sas  ift  unridjtig;  ber  Slorift  tommt  auf  2Ber!en  auZ  allen  Gpodjeu  cor  unb 
fdjcint  namentlid)  mäbrenb  ber  beften  Qtit  bai  ©eroöbnlidie  gemefen  ju  fein.  —  15 ff.  2)a§ 
.Xinpirfettum  fdjeint,  neben  bem  Slorift,  oornebmlid)  in  ber  altern  3^it  ,etroa  bis  550  u.  Gbx), 
unb  bann  nueber,  oielleidn  als  StrdjaiSmuS,  feit  180  v.  Hfjv.  etma  in  ©ebraud)  getuefen 
SU  fein.  —  21.  31  ut  ig  onus  15  anift  ins,  ein  griediifdier  yiftorifer  um  -'70  n.  Sl)r.,  uon 
bem  uns  ein  Ülusjiig  erlmlteu  ift.  —  25.  ©loffe,  b.  i.  Ufanbbemerfung. 


Caohooti  XXVIII.  167 


XXVIII. 


"Diad)  bem  Saofoon  mar  \<fy  auf  nidjts  neugieriger  aU  auf 
ba§,  maö  |jerc  SGBinlelmann   von  bem  fogenannten   borgljefifdjen 

^edjter  fagen   möd)te.     £>dj   glaube   eine   ©ntbecfung    über   biefe 
5  ©tatue  gemacht  ju  baben,  auf  bie   idj  mir  altes   einbilbe,  roa§ 
man  fiel;  auf  bergleidjen  ©ntbedungen  einbilben  f'ann. 

$jd)  beforgte  fdjon,  |jerr  SBinfetmann  mürbe  mir  batnit  $fc 
»orgefommen  fein.  3(ber  id)  finbe  nid)t§  bergtetdjen  bei  ibm;  unb 
roenn  nunmeljr  midj  etroas  mifjtrauifcfj  in  tf;re  Sftidjtigfeit  matten 

10  tonnte,  fo  mürbe  e3  eben  baö  fein,  bafj  meine  Seforgnis  nicr)t 
eingetroffen. 

„Einige,  fagt  §err  SBinMmann,1)  machen  aus  biefer  Statue 
einen  2)ifco&otu§,  ba§  ift,  ber  mit  bem  ©ifeo,  ober  mit  einer 
Sdjetbe  uon  WtttaU,  mirft;  unb  biefes"  mar  bie  Meinung  bes"  be= 

15  rühmten  $erm  tum  ©tofd)  in  einem  ©djreiben  an  mid),  aber 
o(>ne  genugfame  33etradjtung  be§  ©tanbe§,  morin  bergleidjen  Jigur 
mitt  gefegt  fein.  Qznn  berjenige,  roeldjer  etwas"  roerfen  mitt, 
mujj  fidj  mit  bem  Seibe  ÜjinterroärtS  gurücfgteljen,  unb  inbem  ber 
SBurf  gefcr)et)en  fott,  liegt  bie  tfraft  auf  bem  nädjften  ©djenfel, 

20  unb  bas  linfe  23ein  ift  müfjig:  Ijier  aber  ift  bas  ©egentetf.  S5ie 
gange  $igur  ift  uormürts  geworfen,  unb  rufjet  auf  bem  linfen 
Sdjenfel,  unb  ba§  rechte  Sein  ift  fjintcrroärtö  auf  baö  äufjerfte 
ausgeftred't.  ©er  redete  2(rm  ift  neu,  unb  man  b,at  if)m  in  bie 
§anb  ein  <StM  uon  einer  Sänge  gegeben;   auf  bem  linfen  2(rme 

25  fietjt  man  ben  9tiem  uon  bem  ©djilbe,  meldten  er  gehalten  l)at. 
33etrad)tet  man,  baf$  ber  $opf  unb  bie  2lugen  aufwärts  gerietet 
finb,  unb  bafj  bie  %i$ux  fid)  mit  bem  <Sd)i(be  vor  etwas,  bas 
uon  oben  Ijer  lommt,  gu  uermafjren  fcfjeint,  fo  tonnte  man  biefe 
Statue  mit  niedrerem  JHedjte  für  eine  3>orfteKung  eines  ©olbaten 

30  Ratten,  mefdjer  fidj  in  einem  gefätjrticrjen  ©tanbe  befonbers  uer= 

')  ©ejefc.  ber  flunft,  S/ÖLgS.  394. 

3 f.  Sie  Berühmte  Statue  be3  fog.  borgfjefifdjen  gedjterö  befinbet  fidj  je$t  im 
Souore;  fie  (teilt  feinen  gediter,  fonbern  einen  .«rieger,  ber  fidf)  gegen  einen  Singriff  uer= 
teibigt,  uor.  —  15.  33aron  iß^ilipp  »■  Stofd)  (1697—1757),  ber  SBefi|er  ber  fdjon  oben 
ermähnten  berühmten  ©emmenfammlung.  —  1".  be3  Staubet,  b.  i.  ber  Stellung.  — 
20  ff.  2)a'3  ift  ein  Jrrtum,  ber  für  Seifings  Seutung  ber  Statue  uerhängnisuoll  geiuefen 
ift:  bie  Jyigur  rufjt  nielmehr  auf  bem  redeten  Sein,  unb  ba3  linfe  ift  nad)  hinten  au3= 
geftreeft.  Wehr  über  bie  uon  Seffing  hier  gegebene  unb  fuäter  toieber  jurücfgenommene 
Seutung  f.  Slntiquar.  SBriefe  91r.  35  ff.  —  24.  ein  Stücf  uon  einer  Sau  je,  uielmeljr 
ein  Stücf  uon  einem  Sdjiuerte. 


168  Caohcoir  XXVm. 

bient  gemadjt  ()at:  benn  $ed)tem  in  Sdjaufpielen  ift  bie  Gljre 
einer  Statue  unter  ben  ©rieben  oermutlid)  niemals  raiberfaljren: 
unb  biefeo  3Bcrf  fdicint  älter  als  bie  (S'infüljrung  ber  $ed)ter 
unter  ben  ©riechen  gu  fein." 

Wlan  fann  uidjt  nötiger  urteilen.  "Diele  Statue  tft  ^bm  5 
fo  menig  ein  $ed)ter,  als  ein  DifcoboluS;  eS  tft  roirflid)  bie  3Sor= 
[teßung  eines  ^riegerS,  ber  ftet)  in  einer  folgen  Stellung  bei 
einer  gefährlichen  Welegenljcit  tjemortliat.  Da  .^err  iiMnfelmann 
aber  biefeo  fo  glüdlid;  erriet:  mie  formte  er  bier  ftefoen  bleiben? 
2ßie  tonnte  il)in  ber  Krieger  nidjt  beifallen,  ber  oollfommen  in  10 
biefer  nämlidjen  Stellung  bie  oöllige  3tieberlage  eines  leeres  ab-- 
manbte,  unb  ben  fein  erfenntlidjeö  SBaterlcmb  eine  Statue  00II-. 
fommen  in  ber  nämlichen  Stellung  fetten  lief}? 

Tlit  einem  SBorte:  Die  Statue  ift  GljabriaS. 

Der  SöetneiS  ift  folgenbe  Stelle  beS  9iepoö  in  bem  2eben  15 
biefeS  Jvelbljerrn1):  Hie  quoque  in  summis  habitus  est  dueibus: 
resque    multas   memoria    dignas    gessit.      Sed    ex  his   elucet 
maxime  inventum  ejus  in  proelio,    quod    apud  Thebas   fecit, 
quum    Boeotiis   subsidio   venisset.     Namque    in   eo   victoriae 
fidente  summo  duce  Agesilao,  fugatis  jam  ab  eo  conduetitiis  20 
catervis,    reliquam  pbalangem  loco  vetuit  cedere,    obnixoque 
genu    scuto,    projeetaque    hasta    impetum    excipere    hostium 
doeuit.    Id  novum  Agesilaus  contuens,  progredi  non  est  ausus, 
suosque  jam  ineurrentes  tuba  revoeavit.     Hoc  usque  eo  tota 
(Iraecia    fama    celebratum    est,    ut    illo    statu    Chabrias    sibi  25 
statuam  rleri  voluerit,   quae   publice  ei  ab  Atheniensibus  in 
foro  constituta  est.     Ex  quo  factum  est,  ut  postea  atbletae, 
ceterique  artifices  his  statibus  in  statuis  ponendis  uterentur, 
in  quibus  vi'-toriam   essent  adepti. 

3d;  roeifj  es,  man  roirb  nod)  einen  2lugenblid  anfielen,  mir  30 
Beifall  ut  geben;  aber  id)  l)offe,  aud)  mtrflid)  nur  einen  3fugen= 
blid".  Die  Stellung  be§  (SljabriaS  fd)eint  nid)t  nollfommen  bie 
nämlidie  ju  fein,  in  meldjer  mir  bie  borgl)efifd)e  Statue  evbliden. 
Die  oorgeroorfene  Sänge,  projeeta  hasta,  ift  beiben  gemein,  aber 
baS  obnixo  genu  scuto  erflären  bie  StuSleger  buret)  obnixo  in  35 
scutnm,  obfirmato  genu  ad  scutum:  Gljabriao  roieS  feinen  Sol= 

Oap    1 

14.  tSbabrias,  ber  berühmte  att;enifcf)e  gclbfierv,  fleftorben  »or  6t)io§  35S  v.  Qi)\: 


Caokoon  XXIX  169 

baten,  roie  fic  fid)  mit  bem  $nie  gegen  baS  Sdjilb  ftemmen,  unb 
hinter  bemfelben  ben  ^etnb  abwarten  füllten;  bie  Statue  hingegen 
{)ält  ba§  Sd)ilb  l)od).  2Iber  rote,  roenn  bie  Suisleger  fid)  irrten? 
2Bte,  toenn  bie  2Borte  obnixo  genu  scuto  nicbt  jufammen  ge= 

5  Ijürten,  unb  man  obnixo  genu  befonberS,  unb  scuto  befonber§, 
ober  mit  bem  barauf  folgenben  projectaque  hasta  gufammen  lefen 
mtifjte?  3Kan  madje  ein  emgigeä  Nomina,  unb  bie  ©leicbbeit  ift 
nunmcljr  fo  ooKfommen  alö  möglid).  ©ie  Statue  ift  ein  Solbat, 
qui   obnixo    genu,3)    scuto    projectaque   hasta  impetum  hostis 

10  excipit;  fie  jeigt,  roa§  (Sfjabriag  tbat,  unb  ift  bie  Statue  be§ 
Cljabrias.  £)afj  baS  ^omma  roirf(id)  fe()le,  beroeifet  ba§  bem  pro- 
jecta  angelangte  que,  roeldjeö,  roenn  obnixo  genu  scuto  §u= 
mmmen  gehörten,  überflüffig  fein  roürbe,  roie  eS  benn  aud)  roirf'Iid) 
einige  2lu3gaben  baber  roegtaffen. 

15  9Jlii  bem  beben  2(lter,  roelcbeö  biefer  Statue  femad)  gufäme, 

ftimmet  bie  $orm  ber  33ud)ftaben  in  ber  barauf  befutblicben  2(uf= 
fd)rift  be§  s33ieifter3  •  ooKfornmen  überein;  unb  £>err  Sßinfelmann 
felbft  tjat  au§  berfelben  gefefiloffen,  baf$  e§  bie  ältefte  tum  ben 
gegenwärtigen  Statuen  in  9fotn  fei,  auf  roelcben  fid;  ber  üöletfter 

2u  angegeben  bat.  Seinem  fd)arfftd)tigen  93Iide  überlaffe  id)  eS,  ob 
er  fonft  in  2(nfebung  ber  $unft  etroaö  baran  bemerfet,  roelcbeS 
mit  meiner  2Reinung  ftreiten  tonnte.  Sollte  er  fie  feines.  SkifaKeo 
nuirbigen,  fo  bürfte  id)  mid)  fdmteidjeln,  ein  beffereö  (Stempel  ge= 
geben  ju  b,aben,  roie  glüdlid)  fid)  bie  flafftfdjen  Scbriftftetter  burd) 

25  bie  alten  Hunftroerle,  unb  biefe  f)inmieberum  auö  jenen  auf  Hären 
raffen ,  a(3  in  bem  ganzen  Folianten  be§  Spence  5U  finben  ift. 

XXIX. 
SBei  ber  unermefjüdjen  33elefenbeit,  bei  ben  ausgebreiteten 
feinften  Äenntniffen  ber  ^unft,  mit  roeld)en  fid)  -Sperr  SfiHnfelmann 

30  ')  So  fügt  Statins  obnixa  pectora  (Thebaid.  Hb.  VI.  v.  863): 

—  —  rumnunt  obnixa  furentes 

Pectora 
roeldjes"  ber  alte  GStoffator  bcS  Sarti)§  burd)  summa  vi  contra  nitentia  erflärt.    So  fog/t 
Doib  (Halievt.  v.  12.)  obnixa  fronte,  roenn  er  oon  ber  ilieerbramfe  (Scaro)  fpridjt,  bie 
35  fid)  nidjt  mit  bem  ßopfe,  fonbern  mit  bem  Sdiroanje  burd)  bie  9ieufen  51t  arbeiten  fudjt: 
Non  audet  radiis  obnixa  oecurrere  fronte. 

4 — 14.  21ud)  biefe  3)eutttng  ber  SBorte  be§  JlepoS  tonnte  Seffing,  mit  9!ütffid)t  auf 
anberroeitige  Beitreibungen  ber  non  Gljabrias"  erfunbenen  ÄampffteUung,  nicbt  aufred)t 
erhalten.  —  15  ff.  3ft  unrichtig;  ber  Gbarafter  ber  8ud)ftaben  roeift  melmebr  auf  bas 
erfte  öabrh.  bin.  —  33.  Safpar  Söartb,  Herausgeber  beS  Statiuä  (1587—1658). 


1  70  f aohoon  XXIX. 

an  fein  ÜBerf  machte,  bat  er  mit  ber  cbeln  ,3ut>erfidjt  ber  alten 
X'lrtiften  gearbeitet,  bie  alten  Ujren  Jleif?  auf  bie  $auptfacr)c  r>er= 
manbten,  unb  roa§  -Re&enbtnge  roaren,  entmeber  mit  einer  gleidj- 
fain  Dorfä|Iid^ert  9iad)laffigfeit  beljanbelten,  ober  aänjüd)  ber  erften 
ber  beften  fremben  $anb  überliefen.  5 

GS  ift  fein  geringes  Soli,  nur  foldje  $el)ler  begangen  511 
Ijaben,  bie  ein  jeber  r)ätte  oermeiben  tonnen,  ©ie  ftofjen  bei  ber 
erften  flüchtigen  Seftüre  auf,  unb  roenn  man  fie  armierten  barf, 
fo  mufj  es  nur  in  ber  2(bfict)t  gefcr)er)en,  um  geroiffe  Seilte,  weldje 
allein  klugen  3U  r)aben  glauben,  311  erinnern,  bafj  fie  nidjt  an-  10 
gemertt  311  raerben  r>erbienen. 

Sdjon  in  feinen  ©djriften  über  bie  9iad)al)inung  ber  6kied)i= 
fdjen  .sUinftmerfe,  ift  •'oerr  Sßinfelmann  einigemal  burd;  ben  .^uniuS 
oerfür)rt  roorben.  3>uniuS  ift  ein  ferjr  uerfänglidjer  9tutor;  fein 
gangeS  SOBerl  ift  ein  Gento,  unb  ba  er  immer  mit  ben  SBorten  15 
oer  eilten  reben  null,  fo  menbet  er  nidjt  feiten  ©teilen  aus  if)nen 
auf  bie  SJMerei  an,  bie  an  itjrem  Orte  uon  nidjts  weniger  als 
üon  ber  Malerei  fjanbcln.  äßenn  3.  G.  §err  SSinfelmann  lehren 
roill,  baf?  fiel)  burd)  bie  blofse  s)iad)a()mung  ber  Statur  baS  .'pödjfte 
in  ber  töunft,  eben  fo  rpenig  mie  in  ber  Sßoefie  erreichen  laffe,  20 
baf$  fomol)l  3)id)ter  als  SJialer  lieber  ba§  tlnmöglid)e,  weldjcS 
raarjrfdjeinlidj  ift,  als  ba§  blof?  SJcöglidje  nnitjlen  muffe:  fo  fetU 
er  f)tngu:  „bie  SJiöglidjfeit  unb  äßarjrr^eit,  meldte  Songin  von  einem 
9)ialer  im  ©egenfa^e  be§  Unglaublichen  bei  betn  Sinter  forbert, 
fann  biermit  fefjr  mofjl  6efter)en."  Slllein  biefer  $ufa£  wäre  beffer  25 
weggeblieben;  benn  er  geiget  bie  groei  größten  ihtnftridjter  in  einem 
ÜHUberfprudje,  ber  gans  otjuc  ©rünb  ift.  GS  ift  falfdj,  bafj  Songin 
fo  etwas  jemals  gefagt  bat.  Gr  fagt  etwas  almlidjeS  von  ber 
SBerebfamfeit  unb  Sidjtfunft,  aber  teineSmegS  »ort  ber  ®id)tfunft 
unb  2ftalerei.  'Qg  (T  stsqov  xi  i]  yijroQixi]  cpavraöla  ßovlsTai,  30 
ym\  ets(joi>  i]  naQci  7T0Lt]taLg,  ovx  ccv  Xcc&oi  (je,  fdn'eibt  er  an 
feinen   ^erentian;1)    ovo'    oti  xyg  fiev  lv  Ttoiijasi  rikog   iatlv 

')  IJsol  "l'ij'uv;,  tfiTjfxa  id'.     Edit,  T.  Fabri  p.  86.  39. 

7.  ein  jcber;  in  ber^bfdjr.  uriprünglidt  „jeber  anbere".  —  13.  Sgl.  über  guttut  3 
oben®,  l.'i,  li. —  15.  tfento  uiripriiiiglid)  ein  aus  bunten  glitten  sufammengefctjteö  jMeib) 
nennt  man  ßiebidjte,  bie  aus  U5rud)ftücten  oerfötebenet  Didier  suiammengefefct  finb  ;  Öeffing 
nennt  be3  Bunins  SBerl  über  bie  Malerei  fo,  weil  eä  eine  Sammlung  jal)lreid)er  (Sitate 
auS  ber  alten  Sitteratur  ift.  —  26.  bie  jroet  größten  .Uuuftriditer;  außer  Songin 
ift  Ijier  Slriftoteleä  gemeint,  ber  in  ber  fßoetil  ben  ?id)tern  gerabe  baS  ©taublidie,  wenn 
au*  llnmöglidie,  empfiehlt.  —  :ü.  $oftutniu3  SCerentianu'3  beißt  ber  Jvreunb,  an  ben 
fiougin  feine  ©d)rift  über  ba>3  (Erhabene  richtete. 


«aohoort  XXIX.  171 

l'y.jtlrj$-ig,  xr\g  <T  iv  Xöyoig  ivdoyeia.  Hub  roieberum:  Ov  f.vi]v 
aXXcc  t«  (isv  TtaQa  xotg  noii]xcag  (iv&cmotequv  ejei  xr\v  vtieq- 
ektvxgjöiv,  xal  Jtavvtj  xb  TTiörbv  vTtEQaiQovGuv'  xT]g  de  jjtjto^mmjs 
(pavxaGiug^  xaXXiöxov  ael  xb  E(i7CQantov  xcä  ivaXvj&ig.  %lut 
5  Quniuö  f<f>tebt,  anftatt  ber  23erebf  antrat,  bic  9Jtalerei  ljier  unter; 
unb  bei  it)tn  mar  e§,  ntd)t  bei  bem  Songin,  uro  §err  äßinfelmann 
gelefen  t)atte:  ~)  Praesertim  cum  Poeticae  pkantasiae  finis  sit 
£KTtX)]E,ig ,  Pictoi'iae  vero  ivdoyeia.  Kai  xd  (.iev  naod  xotg 
noL7]xcdg^   nt   loquitur  idem   Longmus,   u.  f.  n>.     <2el)r   roof)l; 

10  SonginS  Sföorte,  aber  nidjt  SonginS  Sinn! 

9)cit  folgenber  Slnmerfung  mujjj  es  tlmt  eben  fo  gegangen 
fein:  „3(fle  «<oanblungen,  fagt  er,;;)  unb  Stellungen  t>er  gricd)i= 
fdjen  giguren,  bie  mit  bem  Gbarai'ter  ber  3ßei§l)eit  ntdjt  6e§eidjnet, 
fonbem  gar  gu  feurig    unb   311  roilb  waren,    oerfielen   in  einen 

15  S"e^er/  ^en  bk  alten  Äünftler  ^areittlmrfus  nannten."  3)ie  alten 
Sünfiler?  S)o§  bürfte  nur  au§  bem  $uniuö  31t  ermeifen  fein, 
©enn  5ßatent^nrfu§  mar  ein  rljetorifdjeö  ftunftroort,  unb  tnettetdjt, 
rote  bie  ©teile  be§  SonginS  31t  ocrftcljen  31t  geben  fdjeinet,  aud) 
nur  bem  einzigen  Jljeobor  eigen.4)    Tovrco  TiaodxEixai  xqLxov  xi 

20  "/.axiag  eiSog  iv  xoig  Ttct&qxiy.OLg,  otveq  6  Qcodcooog  TXaoEi'&voGov 
ekccXsi'  egxl  öe  Tttt&og  dy.caoov  nal  xevov,  EV&a  ju,jj  öei  Trd&ovg" 
?)  äjAEXQov,  k'vd-a  (.iexqlov  dst.  $a  idj  gipeifle  fogar,  ob  fid)  über= 
Ijaupt  biefeS  9Bort  in  bie  Malerei  übertragen  lä|t.  ©enn  in  ber 
SBerebfamfeit  unb  ^ocfie   giebt  eö   ein  $ßattro§,  bao  fo   Irodj  ge= 

25  trieben  roerben  fann  als  möglid),  ot)ite  s}>arentf)i)rfus  31t  roerben; 
unb  nur  ha§>  t)öd)fte  ^attjos  an  ber  unredjten  ©teile,  ift  s}>aren= 
tf)t)rfu§.  ^n  ber  Malerei  aber  mürbe  ba§  l)öd)fte  ^atfros  allezeit 
^arentfjijrfuß  fein,  menn  e§  aud)  burdj  bie  Hmftänbe  ber  $erfon, 
bie  es  äußert,  nodj  fo  rool)(  entfdjuloigt  merbcn  fönnte. 

30  ©an  2(nfe()en  nad)  roerben  alfo  aud)  nerfdjtebene  Hnrid}tig= 

feiten  in  ber  G)efd)id)te  her  .Üunft  6I0J3  baljer  cntftanben  fein,  roeil 
£>err  SSinfehnann  in  ber  Wefd)minbigfeit  nur  ben  ^untus  unb 
nidjt  bie  Duellen  felbft  311  Ütate  jtcljen  motten.    3-  ©■  9Benn  er 

-)  De  Pictura  Vet.  Üb.  I    cap.  i    p.  33. 
35  ')  S8on  ber  9iachaf)muiig  ber  gried).  SBerfe  :c.   ®.  23. 

")  Tfrijfia  ß' . 

15.  ^arenttjvjrfus,  cigentlicf)  Söegeifterung  (äunädift  bacdnfcfie,  bofjer  &vq<to:)  am 
t'alfdien  Ort.  —  lö.  3Beld)er  Jljeobor  bao  ift,  roeifj  man  nidjt;  cioUeidjt  ber  jur  3eit 
be«  Siberiuö  lebenbe  3it)etor  Jljeoboroo  oon  ©030. 


172  Caokomt  XXIX. 

burdj  §Beifpiele  geigen  nritt,  baf?  bot  ben  ©riedjen  alles  2>or3üg= 
lidje  in  allerlei  $unft  unb  2(rbeit  befonberS  gefd)äl3et  roorben,  nnb 
her  befte  Arbeiter  in  ber  geringften  Sadje  gut  2>ereroigung  feines 
Samens  gelangen  fönnen:  fo  führet  er  unter  anbem  aud)  biefeS 
an:5)  „2Sir  roiffen  ben  tarnen  eine!  Arbeiters  von  fein-  richtigen  5 
■2Bagen>  ober  äöagefdjalen;  er  tjief?  ^artrjenius."  £err  Söinfelmann 
nutf?  bie  SBorte  beS  $uuenalS,  auf  bie  er  fid)  beSfallS  beruft, 
Lances  Parthenio  faetas,  nur  in  beut  ßatalogo  beS  ^uniuö  ge= 
lefen  rjaben.  S3enn  rjattc  er  ben  ^uoenal  felbft  nadjgeferjen,  fo 
roürbe  er  ftd)  nid)t  von  ber  QiDeibeuttgfeit  beS  SBorteS  lanx  t)aben  10 
y erführen  laffen,  fonbem  fogleid)  aus  bem  3ufammenl)ange  erfannt 
haben,  baf;  ber  SDtdfjter  niebt  SBogen  ober  äßagefcfjalen,  fonbem 
Keffer  unb  ©Rüffeln  meine,  ^uoenat  rüf)int  nämlicf)  ben  CEatulIuS, 
baf?  er  eS  bei  einem  gefährlichen  (Sturme  gur  See  roie  ber  33iber 
gemacht,  roeldjer  ftd)  bie  ©eilen  abbeizt,  um  ba§  Seben  baoon=  15 
zubringen:  baf?  er  feine  foftbarften  Sachen  inS  sIReer  merfen  laffen, 
um  nidjt  mit  famt  bem  Sdjiffe  unterjugerjen.  S)iefe  foftbaren 
<Sad)cn  befdjrcibt  er  unb  fagt  unter  anbem: 

Ille  nee  argentum  dubitabat  mittere,  lances 

Parthenio  faetas,  urnae  cratera  capacem  20 

Et  dignum  sitiente  Pholo,  vel  conjuge  Fusci. 

Adde  et  bascaudas  et  mille  escaria,  multum 

Caelati,  biberet  quo  callidus  emtor  Olynthi. 

Lances,  bie  f)ier  mitten  unter  33edjem  unb  (Sdnnenffeffetn  ftefjen, 
roaS  fönnen  es  anberS  fein,  als  Seiler  unb  ©djüffetn?  Unb  roaS  25 
rottt  £>ur>enal  anberS  fagen,  als  baf?  GatuII  fein  ga^eS  ftlbemeS 
©fjgefdjtrr,  unter  roeldjen  fid)  aud;  Seiler  uon  getriebener  2(rbeit 
beS  ^artl)eniuS  befanben,  inS  9)teer  merfen  laffen.  Parthenius, 
fagt  ber  alte  Sdjoliaft,  caelatoris  nomen.  2fienn  aber  ©rangauS, 
in  feinen  3lnmerfungen,  51t  biefem  -Jtamen  htngufe^i:  sculptor,  30 
de  quoPlinius,  fo  muf?  er  biefeS  mo()I  nur  auf  gutes  ©lud 
f)ingefd)rieben  rjaben;  beim  ^liniuS  gebenft  feines  ÄünftlerS  biefeS 
"Itameno. 

„%a,  fäljrt  £jerr  SEßinfelmann  fort,  es  bat  fid)  ber  9?ame  beS 
Sattlers»,  roie  roir  ilm  nennen  roürben,  erhalten,  ber  ben  Sdjüb  35 

s)  ©e|d)td;tc  ber  flunft,  X.  I.   S.  13«. 

LS.  SatuIIuS;  nid)t  ber  berühmte  2>icbter,  fonbem  eine  beliebige  <JkriönIicbfeit 
BleidjeS  sRamenS.  —  24.  ©cbiocnf feiicln,  b.  b.  Uliicbjrügcn.  —  27—33.  Sin  Xoreut 
[RamenS  ^Jart&eniuS  ift  fonft  gcin^lid)  unbefannt. 


Caokoon  XXIX.  173 

bes  2lja£  r>on  Seber  madjte."  916er  aud)  biefes  fonn  er  ntdjt 
bal)er  genommen  Ijaben,  mot)in  er  feine  Sefer  oermeift:  aus  bem 
Seben  beö  Römers,  r>om  $erobotuS.  ©enn  rjier  merben  jmar  bie 
feilen  aus  ber  ^üaoz  angefüljret,  in  melden  ber  Siebter  bicfem 
5  Seberarbeiter  ben  SRatnen  £i)d)ius  beilegt;  es  mirb  aber  aud)  311= 
gleid)  ausbrüdlid)  gesagt,  baf}  eigentlich  ein  Seberarbeiter  oon  bes 
Römers  SBetanntfdjaft  fo  gefjeifjen,  bem  er  burd)  ßinfdjaltung  feinet 
Diamens  feine  3'rcunWjrtft  wnb  ©rfenntlidjt'eit  bezeigen  motten:6) 
AnidaKE  6e  yccQtv  Kai  Ti^t'co  rw  Gxvrei",  og  idi^aro  avrbv  iv 
10  reo  Nico  TCtjfft,  TTQOöel&oi'iet  TtQog  to  OxvTeiov,  iv  voig  etteGl 
xuxa^sv^ccg  iv  xij  'IXluSi  toiOÖs. 

Ai'aq  d'   tyyv&tv  i]XQ~B,  (pigcov  aäxog  j)vzs  TtvQyov , 
Xalxtov ,  enraßoaiov,  o  oi   Tv%iog  Käfis  zbv%(ov 
£kvzoz6[icov  o%    ccQioxog,  r'Th]  svl  oima  vcäcov. 

15  @S  ift  alfo  grabe  bas  ©egenteil  non  bem,  mas  uns  §err  2BinM= 
mann  Derfidjern  roilf:  ber  9tame  bes  Sattlers,  roeldjer  baS  ©djtlb 
beö  Stjaj:  gemadjt  blatte,  mar  fdjon  311  bes  Römers  3eiten  fo  r>er= 
geffen,  baf>  ber  Siebter  bie  greiljeit  blatte,  einen  gang  fremben 
tarnen  bafür  unterjufcrjieben. 
20  äkrfdjiebene  anbete  Keine  $el)ler  finb  blofje  ^erjler  bes  ©e= 

bädjtniffes,   ober  betreffen  Singe,  bie  er  nur  als  beiläufige  @r= 
läuterungcn  anbringet.    ,3.  ©■ 

@s    mar  Jperfutes,    unb    nidjt  23acdjuS,    von   meinem    ftcr) 
^arrfjafius  rühmte,  bafj   er  ifjrn  in  ber  ©eftalt  erfdjienen  fei,  in 
25  roeldjer  er  irm  gemalt.') 

SauriscuS  mar  nid;t  aus  9trjobus,  fonbern  aus  Xralles  in 
£i)bien. ") 

Sie  Slntigone  ift  nidjt  bie  erfte  Xragöbie  beö  ©opljof leg. 9) 

'•)  Herodotus,  De  Vita  Homeri,  p.  756  Edit.  Wessel. 
30  7)  ©efd).  ber  ftuuft,  X.  I.    ©.  167.    Pliuius  lib.  XXXV.  sect.  36.    Athenaeus  lib. 

XII.  p.  548. 

8)  ©efd).  ber  ßuuft,  X.  II.    ©.  353.    Hiiiius  lib.  XXXVI.  sect.  4.  p.  729.  1.  17. 

'■')  ©efd).  ber  Jtunft,  X.  II.  ©.328.  „Gr  fütjrte  bie  Slnttgone,  fein  erfteS  Srauerfpiel, 
im  britten  SaEjre  ber  fiebenuubficbsigften  Dlnmpias  auf."  Sie  3ett  tft  ungefähr  richtig, 
35  aber  bafj  biefes  erfte  Srauerfpie!  bie  Slnttgotte  geroefen  fei,  bas  ift  gaitj  unrichtig,  ©amuel 
^ietit,  ben  Sjerr  äßinfehnaun  in  ber  3!ote  anfü|rt,  t)at  biefes  aud)  gar  nia^t  gefagt;  fon» 
bem  bie  Stntigone  auobriicCÜd)  in  baö  britte  3al>r  ber  oierunbad)tiigften  Dhnnpias  gefegt. 
Sopfjofles  ging  bas  Qa§r  barauf  mit  bem  ^eriftes  nad)  ©amos,  unb  bas  ^a^r  biefer 
6'Epebition  tann  junerlöfjig  beftitnmt  werben,    ga)  äe'9c  '"  meinem  Sieben  bes  ©opboftes, 

21.  Sßarr^afiuS,  SDJaler  aus  ©phefos,  Qeitgenoffe  bes  3e"i'i'j-  —  26.  Sauriscus, 
einer  oon  ben  ilünftlern,  metdje  bie  ©ruppe  bes  farnefifdjen  Stieres  gearbeitet  ftaben.  — 
34.  ift  ungefäbr  riditig;  in  ber  £>bfd)r.  urfprünglid)  ,,ift  ridjtig".  —  35 f.  Samuel 
5)Jetit,  ^Ujilolog  aus  Diimes,  I5y4 — 1643.  —  3'J.  Sie  gause  in  biefer  Stumertung  berührte 
grage  ift  im  £eben  bes  SopfyofleS  non  Seffing  näljer  erörtert  werben. 


174  ffaokoon  XXIX. 

Tod)  id)  entsafte  tnidj,  bergleidfjen  Äicinigfeiten  auf  einen 
■kaufen  gu  tragen.  2abel|udjt  formte  eö  §n)at  nid)t  fdjeinen;  aber 
roer  meine  $o<$act)turtg  für  ben  £errn  SSinfelmann  fennet,  bürfte 
e§  für  ÄroMegmuä  galten. 

aus  ber  SBergteicfiung  mit  einer  Stelle  beS  altern  5p.Kmu§,  bafs  bas  erfte  ©rauerfpiel  5 
biefes  ©icbterS,  roahrfcbeiiilidjer  2Betfe,  ©riptotemuS  geioefen.  $liniu§  rebet  nämlich 
(Libr.  XVIII.  sect.  12.  p.  107.  Edit.  Hard.)  oon  ber  oerfcbiebnen  ©üte  beS  Öetreibes  in 
oerfcbiebnen  i'änbern,  unb  fd)licfjt:  Hae  fuere  sententiae,  Alexandro  magno  regnante, 
tum  clarissima  fuit  Graecia,  atque  in  toto  terrarum  orbe  potentissima;  ita  tarnen 
ut  ante  mortem  ejus  annis  fere  CXLV  Sophocles  poeta  in  fabula  Triptolemo  10 
frumentum  ltalicum  ante  cuncta  laudaverit,  ad  verbum  translata  sententia: 

Et  fortunatam  Italiam  fruniento  canere  candido. 
9Jun  ift  \raav  hier  nidit  auSbrüdlid)  oon  bem  erften  ©raucrfptele  bes  SophofleS  bieJiebc; 
allein  es  ftimmt  bie  Gpocbe  besfelbeu,  roeldje  ^Uutard)  unb  ber  Sdioliaft  unb  bie  2lrunbel= 
jctien  ©enfmäler  einftimmig   in   bie   fiebenunbfiebjigfte  ClompiaS  fetjen,   mit  ber  3eit,  in  15 
roelcbe  ^litüus  ben  ©riptolemus  fe§et,  fo  genau  überein,  baf;  man  nidjt  roohl  anberS  als 
biefen  Jriptolemus  felbft  für  bas  erfle  ©rauerfpiel  bes  SophofleS  erfennen  fann.    ®ie 
SBerecfjnung  ift  gleid)  gefcbeben.    2Iler.anber  ftarb  in  ber  bunbertunboieräehnten  ClompiaS; 
bunbcrtunofünfunboieräig  £,abr  betragen  fecbsunbbreifeig  Clnmpiabcn  unb  ein  ^aljr,  unb 
biefe  Summe   oon   jener   abgerechnet,   giebt   fiebenunbfiebjig.    JJn   bie  fiebenunbfiebjtgfte  20 
Clmnpias  fällt  alfo  ber  ©riptolemus  beS  Sopljofles,  unb  ba  in  eben  biefe  Dlnmpias,  unb 
sioar,  nrie  ich  beioeife,   in  baS  leite  ^,abr  bcrfelben,  aud)  bas  erftc  ©rauerfpiel  besfelben 
fällt:   fo   ift  ber  Sdjluf;  gans  natürlich,   baß  beibe  ©rauerfpiele  ein§  finb     3<$  jeige  ju= 
gleid)    ebenbafelbft,    baf;   s^etit   bie   ganje   £>älfte    beS   Jtapilels   feiner  Miseellaneorum 
(XVIII.  lib.  III.;   ebenbasfelbe,   welches  £err  2£infelmann  anführt)  fid)   hätte  erfparen  25 
tonnen.    Gs  ift  unnötig,  in  ber  Stelle  bes  ^lutardjs,  bie  er  bafelbft  oerbeffern  roill,  ben 
2lrchon  2lphepfion,  in  ©emotion,  ober  urtWtog  ju  oerroanbeln.    ©r  hätte  aus  bem  britten 
J,ahr  ber  77ten  Dlnmpias  nur  in  baS  oterte  bcrfelben  gef)en  bürfen,  unb  er  mürbe  ge= 
funben  haben,  baf;  ber  2lrcbon  biefeS  SaEireS  Don  ben  alten  SdjriftfteUcrn  eben  fo  oft,  too 
nid)t   noch   öftrer,  2lphepfion,   als  <phäbon   genennet  roirb.    ^häbon  nennet  ihn  ©ioboruS  30 
Siculus,  ©ionofiuS  £ialicarnaffeuS  unb  ber  Ungenannte  in  feinem  S8erjeid)niffe  ber  Clnm= 
piaben.    2lphepfion  hingegen  nennen  ihn  bie  2lrunbelfdien  9)iarmor,  SlpolloboruS,  unb  ber 
biefen  anführt,   ©iogeneS  Saertüts.     5plutard)u§  aber  nennet  ihn  auf  beibe  SBeife;   im 
Sieben  bes  ©befeus  *}>häbon,  unb  in  bem  i'eben  beS  (Simons,  Slpfjepfion.    GS  ift  alfo  ioabr= 
fdjeinlicb,    mie   ^almerius   oermutet,   Apbepsionem   et  Phaedonem   Archontas   fuisse  35 
eponymos;  scilicet  uno  in  magistratu  mortuo,  suft'ectus  fuit  alter.  (Exercit.  p.  452.) 
—  33om  SophofleS,  erinnere  id;  noch  gelegentlich,  ftutte  §err  2Binfelmamt  aud)  fc^on  in 
feiner   erften  Sdjrift  oon  ber  Siachahmung   ber  griechifdjen  fiunftrcerfe  (<B.  8.)  eine  Uns 
ridjtigfeit   einfließen    laffen.    „Sie    fdjönften   jungen  Seute   tanjten   unbefleibet  auf  bem 
Jheater,  unb  SophofleS,  ber  große  SophofleS;  mar  ber  erfte,  ber  in  feiner  Sugenh  biefes  40 
Schaufpiel   feinen  bürgern  gab."    Stuf  bem  Sbeater  bat  Sopbofles  nie  nadenb  getanjt; 
fonbern  um  bie  Xropäen  nad)  bem  falamiuifchen  Siege,  unb  auch  nur  nach  einigen  naefenb, 
nach  aubern  aber  befleibef  (Athen,  lib.  l    p.  m.  20).    SophofleS  mar  nämlich  unter  ben 
.finaben,   bie  man   nad)  Salamis  in  Sicherheit  gebracht  hatte;    unb  tjier  auf  biefer  Snfel 
mar  es,  mo  eS  bamals  ber  tragifd)en  SDiufe,  alle  ihre  brei  Vieblinge,  in  einer  uorbilbenben  45 
(iirabatieu   ju   oerfammeln   beliebte,     ©er  fühne  SfdiriluS    half  fiegen;    ber  blütjenbe  So= 
pbotleS  tankte  um  bie  Sropäen,  unb  Guripibes  rcarb  an  eben  bem  Sage  beS  Sieges,  auf 
eben  ber  glüdlicheu  J,ufel  geboren. 

Gnbe  bes  erflen  ©eileS. 

4.  Ärofnlcgmus  froortlid)  bas  2lbfud)eu  oonglocfen)  bebeutet  baS  Verfahren  eines 
Schmeidilers,  ber  auf  geringfügige  2d)ioäd)en  aufmertjam  macht  in  ber  SEenbenj,  bamit 
anjubeuteu,  baß  bebeuteubere  fehler,  meld)c  getabelt  roerbeu  tonnten,  fid)  gar  uid)t  auf- 
finben  laffen.  —  14  f.  bie  Slrunbelf  djeu  Senfmäler:  bie  fog.  parifde  2J!armors 
ebronif,  eine  auf  s^aroö  im  17.  Sabrb.  gefuubene  unb  früher  bem  Sorb  Slrunbet  gehörige, 
jeßt  in  Crforb  befinblidje  SOlormortafel,  welche  ein  cbronologifdies  SBerjeiiJbntS  ber  nuditigften 
Greigniffe  oon  ber  Slegierung  bes  flefrops  an  bis  2H4  n.  Gljr.  enthält.  —  30.  ©er  2lrd)on 
oon  Clompiabe  77,  4  (460  o.  Ghr.)  Oeißt  21  pf  cpt)ion,  nid)t  2lphepfion.  —  30 f.  Liiod.  Sicu). 
X  f.  ';:;.  —  Dionys.  Ilalic  IX.  LS.  —  33.  Diogen.  Luert.  II,  44.  —  34.  Plut.  Thes.  3ö 
unb  Cimon.8,  —  3."j.  gofoß  -}•  a Imerius,  franj.  03elel;rtcr  1587— l«;o. 


Badjlaff  fum  f  aukomL 


A. 
BUfnialmt  mtfc  Qtnfivixtft  pxm  Xortunm. 


1. 


5  T\ie  2(f)n(id)feit  unb  Übereinftimmung  ber  ^oefie  unb  Steueret  i[t  oft 
■^genug  6erüf)rt  unb  ausgeführt  roorben;  aber  nidjt  immer  mit  ber= 
fettigen  ©enauigfett,  bie  alten  Übeln  ©inflüffen  auf  bie  eine  ober  auf  bie 
anbere  fjätte  uorbauen  fönnen.  Siefe  übetn  (Stnflüffe  fjabett  fid)  in  ber 
^Soefte  bura)  bie  <3df)itberuitgsfud)t,  in  ber  3Jlalerei  burd)  bie  211  le  = 

logorifterei  geäußert;  inbem  man  jene  311  einem  rebenben  Öematbe 
mad)en  motten,  otjtte  eigenttia)  5U  raiffen,  roaö  fie  malen  tonne  unb  fotte; 
unb  biefe  5U  einem  ftummen  ©ebicfjte  machen  motten,  ofme  eigentlid) 
ju  miffen,  06  unb  mag  für  Öebanten  fie  malen  muffe. 

2)iefe  %ef)tev  mürbe  man  üermieben  fyaben,  menn  man  aua)  bie  Un« 

15  äfjnlidjfett  unb  2lbtr>eidmttg  beiber  in  bie  gehörige  Grroägung  gejogen  f)ättc. 

@3  ift  tt>ab,r,  beibe§  finb  nadjatymenbe  fünfte;  unb  fie  fjabett  alte 

bie  Siegeln  gemein,  raetdje  auS  bem  begriffe  ber  9iad)af)mung  3U  folgern. 

2lüein  fie  brausen  gan3  uerfdjiebne  ilUttel  311  ifirer  üRadjaljmung,  unb  au3 

biefer  2}erfd)iebenf)ett  fliegen  bie  befonbem  begeht  für  eine  jebe. 

20         Sie  9)iaterei  brauchet  §i3m-'en  unb  g-arben  in  bem  Staunte. 
Sie  Sidjtfunft  artikulierte  %'öm  in  ber  3eit. 
^ener  S6'0)2"  finb  uatürtid),  biefer  ir)re  finb  roitlfürlid).    Unb 
biefeg  finb  bie  beiben  Quellen,  auS  meldten  bie  befonbem  Siegeln  für  eine 
jebe  Ijersuleiten. 

25  Siadjafjmenbe  3eidjen  neben  einanber  tonnen  aurfj  nur  ©egenftättbe  aue= 
brüden,  bie  neben  einanber,  ober  bereu  £ei(e  neben  einanber  eriftierer. 
©oldje  ©egenftänbe  l)eif;en  Körper,  ^otgttd)  finb  itörper,  unb  il)re  finti* 
ßdjen  ©igenfdjaften  ber  eigentliche  ©egenftanb  ber  SRalerei. 

.".  ff.  «gl.  ä&fdjn.  XVI. 

SeflmgS  SBerfe  9.  12 


178  ltarl)la(|  juin  Gaoboon. 

■Kacj)afjmenbe  3e^(^en  aut  einanbet  fönnen  aud)  nur  ©egenflänbe  au3= 
brütfen,  bie  auf  einanbet,  ober  boten  Seile  auf  einanbet  folgen.  Solche 
©egenftänbe  Reiften  überhaupt  .Staublungen,  ^olglid)  ftnb  Jganblungen 
bet  eigentliche  ©egenfianb  ber  Sßoefie. 

©od)  alle  JVörper  einfrieren  nidjt  allein  in  bem  Raunte,  fonbern  aud)  5 
in  bei-  3ett.  Sie  bauern  fort  unb  tonnen  in  jebem  Stugenblicre  it)rer 
Sauer,  fefljft  anbeto  etfdjemen  unb  in  anbetet  SSetbinbung  ftetjen.  2Sebe 
biefer  augenblid'lidjen  Grjdieinungen  unb  SßetHnbungen  ift  bie  UBittung 
einer  uorfjergeljeuben ,  unb  tann  bie  llrfadje  einer  folgenben  unb  fonad) 
gleidjfam  ba§  (Sentrum  einer  .'öanblung  fein,  gölglidj  lann  ber  Dealer  10 
aud)  iöanblungen  nadjaljinen,  alter  nur  aubeutungSroeife  burd) 
Körper. 

2luf  ber   anbeten  Seite  tonnen  £anbhmgen  nidjt  an  fid)  felbft  h& 
fteljen,  fonbern  muffen  geroiffen  2Befen  anhängen,     ^nfofern  nun  biefe 
SBefen  Äörper  feien,  fd)ilbert  bie  ^ßoefie  aud)  .Hör per,  aber  nur  an--  15 
beutungätoeife  burd)  §anblungen. 

Sie  Malerei  tann  in  if)ten  foertftierenben  Äompofitionen  nur  einen 
einzigen  21ugenblitf  ber  ipanblung  nutzen  unb  mttfj  bat)et  ben  prägnant 
teften  nniljlen,  au$  weitem  bao  SSotEjetgefjenbe  unb  Vergangene  am  be= 
greiflid)ften  toitb.  20 

©6enfo  tann  aud)  bie  ^ßoefie  in  it)ren  forifd£)teitenben  9?ad)a()iuungen 
nur  eine  einzige  Gigenfdjaft  ber  Körper  nutzen,  unb  mujj  baljer  biejenige 
mäljlen,  weldje  baä  finnlidjfte  5öilb  beö  ftörpets  non  ber  Seite  etraed't, 
uon  meldjer  fie  it)n  fitaudjt. 

Öierauö  fliegt  bie  Siegel  uon  ber  Ginbeit  ber  malettfdjen  SBeiroöttet,  85 
unb  ber  Sparfamfeit  in  ben  Säuberungen  törperlidjer  ßegenftänbe.  :^n 
biefer  beftefjt  bie  grofje  Lanier  beö  §omerö,  unb  ber  enigegengefefcte 
Aeljler  ift  bie  Sd)ioad)()eit  ber  meiften  neuem  Sinter,  bie  in  einem 
Stürfe  mit  bem  -Diäter  wetteifern  motten,  in  mefdjem  fie  notroenbig  uon 
ifjm  überumnben  roerben  muffen.  30 

2>et  3)id)ter,  ber  einen  ©egenftanb  fo  fdjübett,  bafj  tljm  ber  illfaler 
mit  bem  Sßinfel  folgen  tann,  uerleugnet  bie  eigentümlichen  Vorredjte 
feinet  .Uunft,  unb  unterwirft  fie  ©djtanfen,  in  weldjen  fie  ifjretn  W\U 
but)lenben  unenblid)  nadjfteijei. 

Sa  Figuren  unb  A-arben  natütlidje  $tfä)tn  finb,  bie  SBorte  hingegen,  :;:> 
burd)  roeldje  mir  g-iguten   unb  garben  ausbtütf'en,   nidjt,   fo  muffen  bie 
Sßitfungen  einer  Kunft,  melcfje  jene  brauet,  unenblid;  gefdjiuinbet  unb 
lebhafter  fein,  alö  bie  einer,  bie  fid)  mit  biefen  begnügen  mufi. 

^Bewegungen  fönnen  burd;  Sßorte  Ieblmfter  auogebrüdt  merben,  al3 
färben  \u\t>  [Jiguten;  folglid)  uürb  ber  Sidjter  feine  förperlidien  ©eger*  w 
ftänbe  mein  bnrri)  jene  alö  burd)  biefe  finnlid)  31t  madjen  fudjen. 
Tisi)ihone  canos,  ut  erat,  turbata  capillos 
Movit:  et  obstantes  rejeeit  ab  ore  colubras. 

Ovid.  Metamorph.  IV.  474. 


ßlatcrialicn  inrb  (Cntuuirfc  311m  Caokoon.  179 

Carceris  ante  fores  elausas  adamante  sedebant 
Deque  suis  atroa  pectebant  crinibus  angues. 

ibid.  452,  53. 

Cum  subito  juvenis,  pedibus  tellure  repulsa, 
5  Arduus  in  nubes  abiit.  - 

ibid.   710. 
S>omert  jdje  Seimörter,  bie  er  faft  immer  braucht: 
Sie  l)of)len  ©djiffe  —  y-uilfjg  naqu  vryosL, 
Sen   Scepter  G"AV\%%qov  %Qvotioiq  tJXolgl  ns7C<XQfiEvov.  a.  244. 

10  b. 

I.    §omer  ijat  bie  .vmftlirfjfett   in  bem  S^erfiteg,   aber  nirgenbs  bie 

©djönfjett  gemalt;  er  fagt  blof?,  sJlireug  mar  fdjön,  ätdjitteä  uod)  fdjöner; 

."öelena  befafj  eine  göttliche  öd)önf)eit;  a&er  nirgenbg  fäf;t  er  fid)  in  bie 

näfiere  Scf)ilberung  biefer  ©djönljeiten  ein.    G6  »erloljnet  ftd)  ber  9JlüE)e, 

15  bie  Urjatfjen  (jieruon  ju  unterfudjen.     3d)  glaube  fie  finb  bie: 

1.  2er  begriff  ber  £d)önl)eit  tft  unbestimmter,  ald  ber  begriff  ber 
Öäfjlidjfeit.  Son  jener  mad)t  ftd)  ein  jeber  ein  eignet  ^beal,  mao  oon 
bem  rjöcbften  roafjren  ^beerte  mef)r  ober  weniger  entfernt  ift.  Sie  eingeht 
güge  alfo,  bie  ber  Siebter  von  if)V  anbringen  mürbe,  tonnten  unmöglid) 

30  auf  alle  Sefer  einerlei  SBirfung  haben;  unb  bennod)  null  er  bei  alten 
einerlei  Segriff  eruierten,  ©r  läfjt  alfo  bie  ©inöilbung  eineS  jeben  fein 
eigen  Spiel  fjabett  unb  begnügt  ftd)  '.;%  auä  ben  SHMrfimgen  auf  bie 
Öeroalt  ber  Itrfadje  fdjliefjen  311  (äffen.  2lls  bei  ber  Helena,  bereu  Sd)ön= 
f)eit  mir  nid)t  fomof)l  fef)en,  als  in  ber  SBirfung  roeldje  fie  auf  bie  2Uten 

25  f)at,  empfinben. 

2.  ©efe|t  aud)  bafj  alle  3Kenfdjen  einerlei  güge  unb  ©bemnafj  für 
gleid)  fdjöit  hielten;  fo  ift  e£  bod)  gaitj  etmas  anberö,  biefe  3üge  tnit 
einmal  neben  einanber  überfef)en,  unb  gang  etwas  anberä,  fie  nad)  einanber 
jugegätjlet  bekommen,    ^enes  fann  ber  DJJaler  thun,   unb  bie  ©djönljett 

so  ift  baber  fein  eigeutümlidjer  Öegenftanb.  2Iuf  biefes  aber  allein  ift  ber 
Sidjter  eingefdjränft,  unb  bie  uolläähdigfte  ©rjä^Iung  ber  fd)önften  3üge 
unb  liiienmafje  fjat  nidjt  f)alb  bie  SBirfung,  meld)e  bas  mtitelmäfugfte 
öemälbe  t)at.  Seine  Sefdjretbung  mirb  fid)  gegen  bas  öemülbe  ntd)t 
anbero  »erhalten,  als  bie  Tabelle,  in  weldjer  alle  ©lieber  einer  prächtigen 

35  ©äule  nad)  ifjrer  §öt)e  unb  2(uslauf  uerseidjnet  finb,  gegen  biefe  Säule 
in  ber  Statur  ober  in  ben  nad)af)menben  3ügen  bes  3eid)ners. 

3.  !gn  bem  Segriffe  ber  .'oäjjlicljfeit  hingegen  fommen  bie  ÜDienfdjen 
mehr  überein,  unb  burd)  bie  2luflüfung  ber  partialen  Segriffe  aus  melden 
er  beftef)et,  geminnt  er  me()r  als  er  cerliert. 

11  ff.  Sgl.  ülbftfm.  XX  11.  XXIII;  tUacfjtafc  A  2,  V  u.  VI.    —   35.   2luS(auf,  b.  I). 
KuSlobung,  Sreitc  u.  bg[. 

12* 


180  IIa dj laß  pim  ffaohoon. 

II.  3Benn  Corner  ja  einen  frönen  ober  erhabnen  ©egenftanb  burd) 
bie  SBefdn-eUumg  feiner  einseht  Seile  neben  einanber  fdjilbert,  fo  bebient 
er  fiel;  bafcei  eines  fein"  mernoürbigen  $unftgtiffe§;  nämlid)  er  füget  fofort 
ein  ©leidjnis  bei,  in  toeldjem  mir  ben  jerglieberten  ©egenftanb  mieber 
Beifammen  erbliden,  roeldjer  ben  erlangten  beutlid)en  begriff  raieber  ner= 
luifcfjt  unb  bem  ©egenftanbe  mdjtä  al§  eine  ftnnftdje  Äfartjeit  (äfjt. 

23eifpiet  bie  ©djüberung  be§  Agamemnon,  ß,  v.  478 — 81,  toeköe 
Sßope  ganä  unb  gar  oerborben  hat,  inbem  er  biefen  Äunftgriff  nitfjt  ge= 
füfjlt,  unb  baä  ©teidniiS  oorannimmt. 


lliad.  I.  750,  rco  Steptun  ein  Sßaar  in  biden  Slebel  füllet. 
—    n.  789.  90,  rco  5ß^öl6u§  unftdjtbar  bem  ^atroflus  entgegen^ 
tommt,  wo  ber  ©id)ter  gleichfalls  fagt,  bafj  er  in  otelen  Siebet  uerborgen 
geroefen.    Äann  biefer  Stebel  fidjtbar  geioefen  fein? 

Iliad.  19.  Cayl.  p.  [104].    %t)d\§  bringt  bie  äBaffen,    Sie  iarm  15 
fie  nid)t  allein  gebradjt  f)aben;  if;re  Stumpfen  muffen  fie  tragen. 

—  —  v.  38.  39.  Caylus  glaubt,  baf?  bie  Söefcöäftigiing  ber£b,eti§, 
ben  Äörper  beS  SßatroftuS  auf  eine  3eit  unoerioeslid)  311  mad)en,  fo  au§-- 
gebrüdt  werben  tonne,  wie  fie  ber  Sßoet  bef treibt.  35er  ^oet  bei  ber 
Dacier,  bie  ben  SJettar  unb  2lmbrofia  in  bie  Sßunben  gießen  läfjt.  20 
igotner  hingegen  läfjt  beibes  burd;  bie  9iafenlöd)er  be§  Seidjnamä  ein= 
tröpfeln : 

II(xzq6y.1o3  d'   avx    ccußQOGLTjv  %al  viv-xacQ  Iqv&q6v 
Zxä^t  uaxa.  Qivav,  Iva  of  %Qtog  i-)niidog  thr 

®od;   lefen  t)ier  einige  Codices  %axä  qlvov,  per  cutem  omnem.  25 
55iefes>  burd;  bie  Scafe  f  djeinet  mir  inbeS  bod)  beizubehalten  3U  fein ;  um  bie 
fJfeinSjeit  biefer  göttlichen  SM;rung  anjubeuten.     3"  eben  biefem  Sudje 
v.  3ö3  träufelt  SJUneroa  e§  tfjtn  in  bie  SBnift  ivl  oxiq&Ecai,  bannt  er  in 
ber  Sd;lacl;t  ntd)t  ermüben  möge. 


I. 

Sie  vJil)nlid)feit  unb  Übcreinftimmung  ber  5ßoefte  unb  SJialem  ift  oft 
genug  berührt  unb  ausgeführt  warben;  aber  wie  mid;  bindet,  nie  mit 
derjenigen  ©enauigfett,  bie  allen  Übeln  ©infCüffen  auf  bie  eine  ober  auf 
bie  anbete  l)ütte  uorbauen  tonnen.  35 

8.  Sßope,  in  feiner  engl.  Überfefcung  beS  $omer.  —  Uff.  Ste^t  auf  ber  Sftiltffette 
beS  SlatteS,  moraui  ib  fteln.  ä$gl.  ä6f#n.  XII.  —  15.  Caylus,  in  beffen  Tableaua  tirea 
de  l'Jliade.  20.  Dacier,  in  Uiver  &6erfe|jung  beS  §omer.  —  SOff.  SJonftänbigfter 
Snttpurf,  ber  öielfad)  mit  ber  befinitioen gaffung  unmiicit  u&eveinftimmt.  —  Siff.  SSgl.  bie 
Storrebe  jum  Caotoon. 


^Materialien  unb  ffintioürfc  jum  £aohoon.  181 

Tiefe  ü6e£e  (Sinflüffe  haben  fid)  in  bei-  Sßoefie  burd)  bie  (3ri)tlberung§  = 
fudjt,  unb  in  bei-  SDtalerei  burd;  bie  2tllegorifteret  geäußert;  inbem 
man  jene  ju  einem  rebenben  ©emätbe  machen  wollen,  ot)ne  eigentlich  311 
roiffen,  ma$  fie  malen  tonne,  unb  folle;  unb  biefe  \u  einem  ftummen 

5  @ebid)te,  of)ne  überlegt  511  fjaben,  in  wetdjem  3ftafe  fie  beuttidje1)  93e= 
griffe  erregen  tonne,  ofme  fid)  uon  ifjrer  eigentltd)en  SBeftimmung  311  ent= 
fernen  unb  311  einer  willfürlidjen  Schriftart  31t  werben. 

2(ufser  biefen  Serleitungen  ber  Siebter  unb  Äünftler  felbft,  Mafien 
bie  feierten  parallelen  ber  ^3oefie  unb  Malerei  aud)  ben  ÄritituS  öfterö 

10  31t  ungegrünbeten  Urteilen  oerfüfjret,  wenn  er  in  ben  Sßerfen  be§  35tdjter§ 
unb  9Jcalerö  über  einerlei  Vorwurf,  bie  barin  bemertten  2lbweid)ungen 
Don  einanber  311  ^-eljlern  mad)en  wollen,  bie  er  bem  einen  ober  bem 
anbern,  nad)  bem  er  entweber  me^r  ©efdjmad  an  ber  Tidjtfunft  ober 
Malerei  f)at,  3ur  Saft  geleget. 

15  Unb  biefen  ungegrünbeten  Urteilen  wenigftenci  abjuljetfen,  bürfte  e§ 
fid)  wof)l  ber  üölüije  nerlofjnen,  bie  9)Jebaitle  aud)  einmal  um3ufer)ren, 
unb  bie  33erfdjiebenf)eit  ju  erwägen,  bie  fid)  äwifdjen  ber  Ticbtfunft  unb 
Malerei  finbet,  um  31t  fel)en,  ob  au$  biefer  3Serfd)iebenl)eit  nidjt  @efe^e 
folgen,  bie  ber  einen  unb  ber  anbern  eigentümlich)  finb,  unb  bie  eine 

20  öfters  nötigen,  einen  gans  anbern  SBeg  31t  betreten,  als  il)re  ©dnoefter 
betritt,  wenn  fie  wtrflid)  ben  Titel  einer  ©djwefter  behaupten,  unb  nid)t 
in  eine  eiferfüd)tige  nadjäffenbe  9cebenbul)terin  ausarten  will. 

Db  ber  Sirtuofe  felbft  au$  biefen  Unterfucbungen  einigen  -Kursen 
gietjen  fann,  bie  if)n  ba§  nur  beutlid)  beuten  lehren,   worauf  itm  fein 

25  blofeeö  ©efüf)t  bei  ber  2lrbeit  unbewußt  führen  muf>:  biefeö  will  idj  nidjt 
entfdjeiben.  *)  2öir  finb  barin  einig,  baf,  bie  Äritif  für  fid)  eine  3Biffen= 
fdjaft  ift,  bie  alle  Äultur  uerbienet;  gefegt,  baf}  fie  bem  ©enie  aud)  311 
gar  nid)t3  Ijelfen  feilte. 

II. 
30  s^oefie  unb  Malerei,  beibe  finb  nadjafjmenbe  fünfte,  beiber  ©nbjioetf 

ift,  non  if)ren  Vorwürfen  bie  leb()afteften  finnlid)ften  Sorftellungen  in  un§ 
311  erwed'en.  Sie  t)aben  folglid)  alle  bie  Siegeln  gemein,  bie  au3  bem 
begriffe  ber  9iad)af)mung,  au$  biefem  ©nbjroecf  entfpringen. 

')  allgemeine;  benn  betitlicf)  finb  alle  S3egrtffc  ber  üTCalerei.    (ÜKeubclsfotjn.) 
35         2)  2)ie  ©renjen  ber  Äiinfte  fönnen,  oljne  bem  geuer  be§  ©enie§  gintrag  ju  tt)im,  oon 
ber  beutlidjften  Cfrfenntni«  abgeteilet  toerben;  benn  fie  jeigen  bem  SHrtuofen  nur  toooon 
er  ;u  abftratiieren  f;at.    C§  finb  alfo  blofs  negatioe  Siegeln,   bie  gar  rootjl  ein  SBerf  ber 
Sunft  fein  fönnen.    OKenbelSfotm.) 

Jfed)t.  %ä)  möd)te  bie  ftritif  toie  bie  ^fpc^ologte  in  rationalem  et  empyricam  ab* 
40  teilen;  unb  gerabe  bei  biefer  üJlaterie  bie  ©renjen  stoeter  fünfte  abzuteilen,  wirb  bie  @r= 
faf)rung,  bie  9iüctfia)t  auf  bas,  ioas  alle  Äünftler  getlian  tiaben,  inuimgänglid)  nötig  fein, 
jjn  3(orbamerifa  Ratten  bie  granjofen  unb  (jnglänber  unter  ber  §anb  ifjre  ©renjen  er* 
»eitert;  nun  erinnern  Sie  fid),  totä  für  Unorbnungen  tt;t  barauS  entftanbeu  finb,  roeit 
bie  ÜJUnifter  51t  Utred)t  feine  redete  Sanbfarten  fjatten,  al§  fie  abteilten.     (Nicolai.) 

60 ff.  SSgl.  2lbfd)n.  XVI  f.  —  39.  empyricam,  fo  fdjrelbt  Nicolai  anftatt  empirioam. 
—  44.  ju  Utred)t,  beim  griebenäfdilufe  1713. 


182  Und) laß  ;um  t'aokoon. 

2Ulein  fie  fiebienen  ficf>  gang  uerfdjiebner  Glittet  ju  t^rer  -Kadjaljnmng; 
unb  am  ber  3Serfc§iebent)eit  biefer  SDiiitel  muffen  bie  befonbern  Regeln 
für  eine  jebe  hergeleitet  werben. 

Sie  Dialerei  brandet  gtguren  nnb  g-arben  in  bem  Staunte. 

Sie  Sidjtfunft  artit'ulierte  %'öne  in  bcr  ßeit.  5 

gener  Seiten  finb  natürüd).    SMefer  ifjre  finb  voiUtütliä).1) 

III. 

■Kad&ätjmenbe *)  geidjen  neben  einanber  tonnen  aud)  nur  ©egenftänbe 
auobrüd'en,  bie  neben  einanber,  ober  bereu  Seile  neben  einanber  erjftieren. 
©oldje  ©egenftänbe  Ejeifjen  Äörper.    gWglidj  finb  Körper,  mit  itjren  fid)t=  10 
baren  ßigenfdjaften,  bie  eigentlichen  ©egenftänbe  ber  Malerei. 

9cad)ar)menbe  geilen  auf  einanber  tonnen  and;  nur  ©egenftänbe  auö= 
brücf'en,  bie  auf  einanber,  ober  bereu  Seile  auf  einanber  folgen.3)  ®old)e 
©egenftänbe  beiden  überhaupt  ftanblungen. 4)  gfolgttc$  finb  ^anblungen 
ber  eigentliche  ©egenftanb  ber  Sßoefie.  15 

Sod)  alle  Äörper  erfrieren  nirijt  allein  in  bem  Staunte,  fonbem  audj 
in  ber  3eit.  ®ie  bauern  fort,  unb  tonnen  in  jebem  2(ugenb(ide  ij&rer 
Sauer  anberö  erfdjeinen  unb  in  anbrer  Serbinbung  fielen.  J^ebe  biefer 
augenblidlidjen  ©rfdjetmtngen  unb  SSerbinbungen  ift  bie  SBtrrung  einer 
norf)ergel)enben,  unb  fann  bie  ltrfad)e  einer  folgenben,  unb  fonad)  gleidjfam  20 
ba§  lientrum  einer  Jpanblung  fein,  gfolglidj  fann  bie  Malerei  aud) 
vanblungen  nad)af)inen,  aber  nur  anbeutung omeife  burd)  Äörper. 

2(uf  ber  anbern  Seite  tonnen  .^anb hingen  ntdfjt  uor  ftd)  felbft  6e? 
fteljen,  fonbem  muffen  gerotffen  Sßefen  anhängen.     gnfofern  nun  biefe 

')  Siefc  Dppofition  jeigt  ftd)  beutliä)er  in  2tnfe§ung  ber  ÜJhifil  unb  Malerei,    gene  25 

bebienet  fidt  gleichfalls  natürlicher  geilen,  ahntet  aber  mir  bureb  bie  Bewegung  nad).  2ie 
^ioefie  l)at  einige  CJigenf  chatten  mit  ber  ÜJhtfil,  unb  einige  mit  ber  DJialerci  gemein,  g§re 
Reichen  finb  oon  roififürlidjer  Bebeutung,  baber  briiefen  fie  auch  juweilen  neben  einanber 
eyiftierenbe  Singe  aus,  ohne  besmegen  einen  Gängriff  in  baS  (Gebiete  ber  üHalerei  511  tlmn, 
jebod)  bicruon  in  ber  ftolge  ein  mefrereS.    (OJ!ent)el§fo[;rt.)  30 

)   ßatürliäje.    (ÜBenbeßfo^n.) 

')  Kein!  fie  brücten  aud)  neben  einanber  crjftierenbe  Singe  au§,  wenn  fie  non  null= 
fürlidier  SSebeutung  finb.    (3KenbeI§fob,n.) 

'1  Bewegungen  Reifen  fie  eigentlich,,  beim  e§  gtebt  ßanblungen,  bie  aus  neben 
einanber  erifticrenben  Keilen  befielen,  unb  biefe  finb  malerifdh.  älber  bie  Bewegung  be  '^~> 
fielet  Blofj  auä  Seilen,  bie  auf  einanber  folgen.  3Eir  haben  alfo  Bewegungen  unb  §anb» 
hingen.  Sie  SDJufit  brücft  .öaubluug  bureb;  Bewegung  unb  bie  ÜDtaterei  Belegung  burd) 
bie  ©anblung  au§  JJene  oerntittelft  natürlidjer  Ib'nc,  biefe  Dertnittelfi  ber  Käume.  Sie 
fßoefie  iint  Bewegungen  unb  ganblungen  oermittelft  ber  wilifürlicben  ^eidtett.  Sie  Sßoefie 
bat  aber  aud)  unbewegliche  Jganblungen,  biefe  finb  uollfommen  materifd).  3.  B.  ba§  40 
boiiierifdie  (SIetd)ni§,  ba  bie  .vjirtcutnaben  oor  bcr  §erbe  ftetjen ,  unb  bem  grimmigen 
vömen  brennenbe  Jacteln  entgegen  halten,  ©er  fterbenbe  äboniüS,  bie  C£ntfü|rung  ber 
©uropa  finb  folgen  oon  ©djilberungen,  ba  fteljenbe  unb  bewegliche  $anblungen  mit 
einanber  nbmediielu.     (Hleubelöfolm.) 

8 ff.  Sgl  Mbfdm.  XVr.  —  10  ff.  Eop.  II.  XI, 548 ffi ;  ogl.  XVII.  657.  —  4i>.  ©er 
ft e r benb c  2lboni§,  Bion.  n-li'ju.  1.  —  42 f.  bie G n tf ülirung  ber  (Suropa,  INIosch. 
reliqu.  I.    SSgt.  SRat^l.  A  S;  A  4,  >>.   «Ibfdm.,  V  u.  X;  B  7,  XLV. 


^Materialien  tütb  ffintiuürfe  jum  ffaokoon.  183 

SBcfcn  Körper  ftnb,  [djübert  bie  Sßpefie  aitdi  Körper,  aber  mir  an  = 
beutung^roeife  burtfj  ^anblungen.1) 

IV. 
Sie  Malerei  fann  in  ifjren  foer,tftterenben  Äompofitionen  nur  einen 
5  eittjigen  2tugenblicf  ber  §anblung  nu^en,  unb  inuf,  bafyer  bert  präg« 
nanteften  roäljlen,  auö  roeldEjetn  ba>3  SBorljergeljenbe  unb  Jolgenbe  am 
begreiflidjften  wirb. 

©öenfo  fann  aud)  bie  fßoefie  in  iljren  fortjdjreitenbm  5Rad)af)mungen 
nur  eine  einsige  ©igenfdjaft  ber  Körper  nutzen,  unb  mufe  bat)er  bie= 
10  jenige  wählen,  roeldje  bas  finnlid)fte  SBitb  beö  Körpers  uon  Per  Seite  er= 
luetft,  uon  roeldjer  er  ifyn  braud)t. '-) 

hieraus  fliegt  bie  Siegel  uon  ber  ©inljeit  ber  matertfdjen  Setroörter, 
unb  ber  Sparfamfeit  in  ben  ©^Überlingen  förperKd^er  ©egenftänbe.  3n 
biefer  befielt  bie  grosse  SRanier  bes  £omero;  unb  ber  entgegengefefete 
15  geiler  ift  bie  ©djroadjijeit  uieler  neuern,  Befonberä  ber  Sfyompfonfdjen 
©idjter,  bie  in  einem  Stüde  mit  bem  Sülaler  metteifern  motten,  in  roeldjetn 
fie  notiuenbig  uon  if)m  übernnmben  roerben  muffen. 

öomer  l)at  für  ein  S)ing  nur  einen  Qua,.  Gin  ©djiff  ift  if>in  6alb 
ba§  fdjtt-arge  ©djtff,  ßalb  ba3  t;  o  f)  r e  ©tfjiff,  balb  baö  fd)neUe  ©d)iff, 
2p  f)öd)ftens  ba§  roofjlberuberte  fd;tuarge©d)iff.  Leiter  [&jjt  er  fief;  in  bie 
©d>überung  beS  ©djiffeä  nidjt  ein.  216er  rooljl  baö  ©djiffen,  baö 
2lbfaf)ren,  baö  2lnlanben  bes  Sdjiffco  madjt  er  51t  einem  auöfiU)r= 
lictjen  Öemälbe;  31t  einem  Öemülbe,  auo  roeldjetn  ber  SDlaler  fünf,  fedjs 
befonbere  Öemülbe  machen  müfite,  roenn  er  e3  gang  auf  feine  fieineroanb 
25  bringen  wollte. 

giuingen  ben  igomer  ja  befonbere  tlmftänbe,  utrfere  iMirfe  auf  einen 
einjeln  förperlidjen  ©egenftanb  länger  gu  fjeften:  fo  roirb  bem  of)ngead)tet 
fein  ©emälbe  barauö,  bem  ber  SÜater  mit  bem  pnfel  folgen  fönnte; 

])  SDie  Spoepe  fann  gar  roobl  Körper  fdjilbern,  aber  fie  bat  folgenbe  ©renjen  nicht  ju 
30  ttberfdjreiten.  SBenn  mir  ein  im  Saume  befinbliä}e§  ©anjc  un§  beutlid)  uorftellcn  wollen, 
fo  betrachten  mir  li  bie  Steile  einjeln,  2)  ihre  SSerKnbung-,  3)  ba§  ©anje.  Unfere  Sinne 
»errichten  biefeS  mit  einer  fo  erftaunltcben  ©efcfiipitlbTgfeit,  baf?  mir  alle  biefe  Operationen 
KU  gleicher  3eit  5"  rerrid)ten  glauben.  Senn  un§  baber  alle  ein, eine  Keile  eines  im 
Saume  fid)  befmbenben  ©egenftanbeä  burdj  roillEürlidie  Reichen  angebeutet  werben ;  fomirb 
35  un§  bie  britte  Operation,  ba§ Sufammen^alten  aller  Seile,  aUju  befdjiucrtid).  SBSir  muffen 
unfere  @in&übung§traft  attjufelfr  anftrengen,  wenn  fie  fo  jertrennte  Stade  in  ein  räum» 
crfüllenbcs  ©anje  jufammenfaffen  foli.    cäHenbelöfofjn ) 

-)  Ser  Siebter  fuchet  aüjeit  »anblung  unb  SBeioegung  511  oerbinben,  batier  er  fid) 
feiten  bei  einem  ätugenbticfe  ber  §eit  lange  oenoeilet.  Sa  Unit  eine  größere  ÜKannig* 
40  faltigfeit  ju  ©ienfteh  ift;  fo  fdiränft  er  fid)  nidjt  gern  auf  eine  Heinere  ein.  ©aber  ocr= 
meibet  er  fte^enbe  Jöanblungen,  roenn  er  fie  in  beroegiidje  oenoanbeln  fann.  S5ie  folgenben 
roohl  au-3gefuditen  Seifpiele  paffen  auf  biefe  vehre  uollfommeu.  Sie  beroeifen  aber  feine 
ganjlidie  ilu'3fd)lief;ung  aller  ftefjenben  §aubhmgen.    (3)lenbelöjot)n.) 

4  ff.  Sögt,  ätbfcbn.  XVI.  —  4—7.  Sgl.  atbfdni.  III.  —  15  f.  ber  S$ompfonfd)en 
©id)ter,  ber  31ad;nbmcr  be§  englifcben  Sidjters  Kftompfon  (1700—1748),  äSerf.  ber 
„3a|reäjeiten"  unb  §auptDertreter§  ber  befdjreibenbeu  Sid)tung.  —  2li— 37.  Sgl.  Slbfcbn. 
XVII. 


184  Ikdjk^  jum  4'aohoon. 

fonbern  er  meifs  burd)  unjäljKge  Äunftgriffe  biefen  einseln  ©egenftanb 
in  eine  5°'Se  ÜOn  2liigenblitf'en  ju  fe^en,  in  beren  jebem  er  anberö  er= 
fd^einet,  unb  in  beren  (elftem  if)n  ber  Sftaler  erwarten  inufj,  um  tm§  ent  = 
[tanben  3U  jetgen,  rcaö  mir  bei  bem  Siebter  entftefyen  fefjen.  3.  ©•  3Biü 
Öomer  uns  ben  SBagen  ber  Qjuno  fef)en  faffett,  fo  mu^  iljn  £ebe  nor  5 
unferen  Stegen  ©tücf  nor  ©tüd  sufammenfe|en.  (Iliad  E.  720.)  JßiU 
er  uns  geigen,  »nie  2(gamemnon  befleibet  gemefen,  fo  muf?  fidE)  ber  Äönig 
uor  unfern  Ülugen  ©tücf  nor  ©tücf  feine  uüllige  Äleibung  anlegen 
(Iliad.  B.  41 — 46).  Sein  ©cepter  ift  xQvotLoig  rjkotai  7it7t(XQ[i£vov; 
aber  mir  follen  Don  biefem  nrid)tigen  ©cepter  eine  umftänblidjere  lefifjaftere  10 
Qbee  tjaben:  roas  tt)ut  atfo  £>omer?  SOtatt  er  uns,  aufjer  ben  golbenen 
Diägetn,  nun  aud)  bas  Ö0I3,  ben  gefdmi^ten  Änopf?  $a,  loenn  bie  33es 
fdjretbung  in  eine  fteralbif  folüe,  bamit  einmal  in  ben  folgenben  fttiten 
ein  anbrer  genau  bavnad)  gemadjt  raerben  Ifönnte.  Unb  bod)  bin  id) 
geroifs ,  bafj  manefjar  uon  unfern  neuern  ©tdjtern  eine  foldje  2Bappen=  15 
fönigsbefdjreibung  baraus  würbe  gemadjt  fyaben,  in  ber  treuljergigften 
Meinung,  bafe  er  toirflid)  fetter  gemalt  fyabe,  rceil  ber  SÖJaler  iijm  nad)= 
malen  fann.  3Bas  befümmert  fid)  aber  Konter ,  wie  weit  er  ben  äftaler 
fjinter  fief»  läfst?  ©tatt  einer  Stobilbung  gießt  er  uns  bie  ®efd)id)te  bes 
©cepters;  erft  ift  er  unter  ber  9(rbett  bes  SBuHanS;  nun  glänzt  er  in  20 
ben  §änben  bes  Qupiterö;  nun  bemerit  er  bie  Sßürbe  9)}erfurS;  nun  ift 
er  ber  Äommanboftab  bes  lriegerifd)en  Belopö;  nun  ber  ftirtenftab  bes 
friebtidjen  2(treus  (Iliad.  B.  101).  Unb  fo  fennc  id)  enblid)  ben  ©cepter 
beffer,  als  mir  iljn  ber  9ftaler  nor  2Iugen  legen,  ober  ber  £>red)3ler  in 
bie  §änbe  geben  fann.  25 

§ierfjer  gehören  uerfd)iebene  Betrachtungen  über  bas  fjomerifdje  ©d)ilb 
beö  2(d)illeS.  3£eit  gefehlt,  bafc  fid)  ftomer  bei  Befdjrcibung  ber  barauf 
öorgefteUten  Staublungen,  an  ben  einigen  2(ugenblicf,  in  roeldjem  fie  ber 
gbttlidje  Äünftler  genommen,  gehalten;  er  i)at  Dtelmeljr  biefen  2lugenbttdf 
unter  allen  am  wenigften  berühret,  unb  fid;  über  »orljergefyenbe  ober  30 
folgenbe  ausgebreitet,  bie  ber  Äünftler  blofj  mu$te  erraten  laffen.  Gr 
unterwarf  fid)  nid)t  ben  engen  ©djranfen  einer  materiellen  Äunft;  er 
bemädjtigte  fid)  ber  Gebauten  beö  ftünftters,  ofjne  fid;  baran  311  fetjren, 
wie  lneit  il)m  bie  SBebürfniffe  feiner  Äunft  foldje  auojubrüd'en  erlauben 
wollen;  er  briitft  fie  aus,  mie  fie  SBulfan  auöbrüd'en  31t  tonnen  geioünfd;t  35 
t)ätte. 

©eid;te  Äunftridjter  Ijaben  if)n  beöroegen  getabett;  unb  maö  Herleitete 
fie  311  biefem  £abel  anberö,  als  ifjre  unrid)tigen  Begriffe  uon  ber  poetifdjen 
Malerei? 


Äörperlid)e  Sdjcmljeit  entfpringt  auö  ber  übereinftimmenben  SBirtung 
mannigfaltiger  2eile,  bie  fid;  auf  einmal  überfefjen  laffen.    ©ie  erfobert 

26  f.  »gl.  Slbfc^in.  XVIII.  —  37  ff.  Sgl.  Sl&fön.  XIX.  —  40  ff .  »gl.  Slbfc^n.  XX. 


ifMatcrialien  unb  Qlntttuirfc  junt  Caohoon.  185 

alfo,  bafs  biefe  STeite  neben  einanber  liegen  muffen,  unb  ba  Singe,  bereu 
Steife  neben  einanber  liegen,  ber  eigentliche  ©egenftanb  ber  Malerei  finb, 
fo  fann  fie,  unb  nur  fie  altein,  förpertidje  ©djönbett  nadjafnnen.1) 

35er  3>id)ter,   ber  bie  ©[erneute  ber  ©ct)önf)eit  nur  nad;  einanber 

5  geigen  fcmnte,  enttjält  firi)  bafyer  ber  ©djilberung  förperüdjer  ©djonfyetten 
gänjUcfj.  @r  fütjtt  eö,  bafs  biefe  (Elemente  nad;  einanber  georbnet,  un= 
möglid)  bie  Sßirfung  Ijaben  tonnen,  bie  fie  neben  einanber  georbnet  tjaben; 
unb  ba£  ber  fongentrterenbe  33ücf,  ben  id;  nad;  it)rer  ©numeration  auf 
fie  sugteid)  jurücffenben  railf,  mir  bod;  fein  übereinftimmenbeö  23itb  ge= 

10  mäbret,  unb  es  über  bie  menfdjUdje  ©inbilbung  gef)et,  ficf»  DorjufteHen,  rcaä» 
biefer  9)lunb,  unb  biefe  9tafe,  unb  biefe  Singen  3ufammen  für  einen  ©ffeft 
baben,  roenn  man  ftdj  nidjt  au§  ber  SJatur  ober  Äunft  einer  ät)nlid)en 
Äompofition  fotdjer  Seife  erinnern  fann. 

©ie  ^ragiS  be3  £>omer§  ftimmet  f)iermit  nöttig  überein.   ©r  fagt: 

15  5iireuö  mar  fdjcm;  ÜfdjilleS  mar  nod)  fdjöner;  fretena  befaf?  eine  gött« 
ticfje  ©cfjönfjeit;  aber  nirgenbö  läftf  er  ficf)  in  eine  umftänbtict)ere  ©dnl= 
berung  biefer  ©d)önf)eiten  ein.  Unb  bod;  ift  ba3  ganje  ©ebidjte  auf  bie 
©d)önf)eit  ber  £>etena  gebauet.  3Bie  fefjr  mürbe  ein  neuerer  SMdjter  bar= 
über  tujurieret  f)aben ! '-') 

20  bleibet  aber  barum  öomer  in  biefem  ©tücfe  f)inter  bem  9Jtater? 
$eine3meg3.  @r  rceifs  einen  boppeften  SBeg  tfm  aucfj  t)ier  roieber  ein= 
äufjolen. 

©inmat  burd)  bie  ^ßermanbfung  ber  ©djönfjett  in  3?ei}.    9i eis  ift 
bie  ©djönfjeit  in  Seioegung,  unb  eben  barum  bem  9)Jafer  meniger  bequem, 

25  al3  bem  Siebter.  3)er  SJiater  fann  bie  Seraegung  nur  erraten  [äffen; 
in  ber  Xijat  finb  feine  Figuren  o£)ne  öeroegung.  Sotglttf;  wirb  ^ei*  ^töj 
bei  if)m  jur  ©rimaffe.  Unb  baS  ift  bie  roafjre  Urfactje,  raarum  bie  3tlten 
für  it)re  fdjönften  ©tatuen  ben  ©tanb  ber  Siufje  mähten.  3it)re  ©id;ter, 
aber  nidjt  it)re  33ilbf)auer,  [äffen  bie  SSenuS  (äcfjeln.     ©ine  marmorne 

30  ')  SBenn  roif  bie  lilalerei  oöUig  auo  ber  ^oefie  Derbannen;  fo  oerbammen  mir  mauebe 

trefflidje  Stelle  aus  alten  Sidjtern.  £>as  Sieb  2lnafreon§  an  feinen  SJaler  ift  eine  pitto* 
re3fe  23efdjreibung  ber  Sdjönbeit.  5(Jinbar  fogar  Ijat  2J!alereien  im  eigentlidjen  SBerftanbe. 
©ein  SJogct  Jupiters,  ber  auf  bem  Scepter  beS  2Bettbeberrfd>er3  fdiläft,  ift  eine  au5fübr= 
liebe  SWalerei.    £omer  febeint  bergleidjen  Sdjilberungen  niefit  geliebt  su  baben,  ba*  ift 

35  roaljr.  2llletn  [roie  bat  er  bie  .Sjäfelidjfeit  bes  StierfiteS  malen  fönnen,  obne  nebeneinauber 
feienbe  Seile  feben  ju  laffen,  bie  nid)t  übereinftimmen.  konnte  biefe§  in  2lnfebung  ber 
§äf;tid)fett  gefdjefyen,  roarum  nidjt  aud)  in  Slnfebung  ber  ©djönbeit?]        (sD!enbel5fot)n.) 

'-)  2lu§  ganj  anbern  ©rünben  tonnte  ficf»  begreifen  laffen,  roarum  £>omer  bergleidien 
ausfübrlicbe  @d;ilberungen  bier  niebt  madjen  mutjte,  ob  fie  gleid)  aud)  bei  ibm  unb  anbern 

40  ©iditern  ju  finben  finb.  S)aä  ©ebidjt  roar  auf  bie  Sdjönbeit  ber  §elena  gebauet,  be-Sroegen 
folltc  man  ben  ©runb  nid)t  feljen.  JJd)  6in  ')'«r  m^  oielem  Ginjelnen  nicöt  aufrieben,  aber 
roeil  idi  midj  nidjt  beutlicb  ausbrüden  fann,  fo  febreibe  icf»  nur  roa§  Seid)te§  nieber. 

(Nicolai.) 

20 ff.  33gl.  2tbfcbn.  XXI.  —  31.  ®a§  Sieb  Mnafreoul  an  feinen  SKaler, 
cgi.  Mbfcbn.  XX.  —  33  f.  Pind.  Pyth.  1,  6  ff.  —  35  ff.  £a3  ©ingeflammerte  ift  im 
3J!anuffript  burd)ftrid;en.  —  38 — 11. 2Ju§ . . .  f  eljen,  bie  2lnmerfung  ift  im  3Jlanuffript  bi^ 
^ierb,er  burcbftridjen. 


186  tladjlafj  jitm  Caohoon. 

58enu§,  bie  ba  ladielt,  lädjelt  immer;  unb  n>a§  ift  anftopiger,  at§  ba§ 
Jranfitorifd)e  ber  5Ratut  in  ein  Aortbauernbeo  ber  Äunft  ju  öemmnbefa? ') 
groeitens,  er  fdiilbert  bie  3d)önf)eit  burd)  tf)ve  äßirfung.  9Jian 
erinnere  fid)  ber  uortrefflid)en  ©teile  beim  öomer,  mo  Helena  in  bie 
SSerfammlung  ber  Sitten  tritt.  3Ba§  empfanben  bie  ef)rrcürbigen  ©reife!  5 
Unb  maö  tann  eine  lebhaftere  .^bee  uon  3d)onf)eit  gemäf)ren,  als  ba§ 
tatte  3llter  fie  beö  Äriegeö  mofjt  mert  ernennen  (äffen,  ber  fo  uiet  Söttit 
unb  fo  ruet  Sljränen  f'oftet. 

VI. 

Ein  einziger,  unfdiitflidjer  Seit  tann  bie  übereinftimmenbe  äöirtung  10 
uieter  jur  ©crpnljeit,.  ftören.  Sod)  mirb  ber  ©egenftanb  bantm  nod) 
nid)t  I)äf5Üd).  2(ud)  bie  ftäfjlidifeit  erfobert  mehrere  unfd)itf(id)e  Seife, 
bie  id)  ebenfalls  auf  einmal  muf;  überfeljen  tonnen,  menn  mir  baö 
©egenteit  babei  von  bem  empfinben  füllen,  raaö  un§  bie  3d)önf)eit  em= 
pfittben  täfjt.  iö 

$olglid)  tonnte  bie  ftäfjticf/reit  rool)I,  in  2(nfef)ung  ifjreo  SJBefenS, 
unter  bie  ©egenftänbe  ber  äßalerei  gehören;  ba  aber  itjre  Sßirtung  eine 
unangenehme  ©mpfinbung  ift,  unb  baö  Vergnügen  ber  erfte  gmect'  aller 
fd)önen  Münfte  fein  foll,  fo  mufj  fie  gänglia)  banon  auögefdjloffen  bleiben.-) 

hingegen  mürbe  bie  Suifclidjfeit,  in  2(nfef)ung  iljreö  2Befens,  fein  20 
eigentlicher  ©egenftanb  ber  Sßoefie  fein,  menn  bie  unangenehme  ©mpfinbung, 
meldje  fie  erregt,  ifjr  ©nbgn>ecf  fein  tonnte  ober  foltte.  S)a  aber  burd) 
bie  auf  einanber  fotgenbe  Enumeration  ber  Elemente  ber  ftäfjlidjfeit,  ifjre 
SlUrfung  ebenforaof)!  geljinbert  mirb,  at§  bie  SEttrfung  ber  <2d)ünf)eit 
burd)  bie  äfjnlidje  Enumeration  tfjver  Elemente  vereitelt  mirb;  ba  alfo  25 
bie  >>äf5lidjt"eit  in  ber  <Sd)itberung  beö  SMdjterä  ipäfjltdjfeit  ju  fein  auf* 
boret:  fo  bürfte  teirfit  eben  baburd;  bie  ;oäf;lidjfeit  bem  Sidjter  bennod) 
nüfclid)  merben  tönneu. 

Unb  mirb  eö  mirflid)  —  SCßann  er  fie  nämlid)  uon  ber  «Seite  ifjrer 
folgen  jeiget.  30 

')  3§re  ©id^ter  [äffen  bieSknuS,  foruet  id)  mieü  erinnere,  nid)t  lädjeln,  fonbem  ba3 
£äd;etn  lieben,  bao  Ijcifjt,  freunbltdj  fein,  unb  biefeo  ti)itn  nuef)  bie  Waler  unb  Öilbbauer. 
SQJenn  fie  aber  bie  93enus  maleten,  tuie  fie  au§  bem  liieer  Cömmt,  Ijaben  fie  fie  ttirfit  bie 
Singen  idiainhaft  nieberf plagen  Caffen?  2Bar  beim  biefes  aud)  ©rimaffe  ?  Sotuoljl  SMdjtcr 
alo  3JJaler  fdjeinen  fidi  vielmehr  biefe  Siegel  uorgefduieben  ju  öaben;  eine  s^erfon  allein  35 
unb  in  i)iul)e  muß  einen  fortbauernben  Slnftanb,  in  SPerbinbung  ober  öanblung  aber  eine 
tranfitoriiebe  2lttitübe  Ijaben.  S)ie  9?enuo  in  Sluhe  liebt  basSädjelu;  menn  fie  aber  itjren 
9lmor  liebfofet,  ober  bie  SMlbfäuIe  beä  ^!ngmalion5  belebt,  fo  lädjelt  fie  roirflid). 

(3Kenbetefofm.) 

-)  St6ermal§  nidjt  allgemein.    Sie  tann   burd;  ben  «ontraft  bie  €d)önljeit  erljöljen.  40 
Sie  Satyrn,  bie  gaunen  bie  ben  ll>agen  be§  Sacd)U§  unb  ber  SHriabne  sieljen.    ^.Uuto 
ber   bie  ^roferpina  entführt.    Ser  ©runb  ben  3ie  anführen,   beroeifet  nidjtä.    SDa§  33er» 
gniigeu   ift   ber  l)öd)fte  ^med  ber  fdjönen  .flünfic,  aber  nidjt  bie  reinen  angenehmen  Gm= 
pfinbungeu.    Sie  uertniiditen  finb  booon  nidit  au'3gefd)loffen.  (üKenbelöfotjn.) 

l.  I  ä  dielt  immer;  ogl.  Mbidin.  III.  —  10  ff.  ißgl.  2lbfdjn.  XXIIT.  —  41.  Sptttto 
(yabes)  ift  in  ber  autiteu  Äuuft  nie  IiiifUidi  bargeftellt,  bagegen  öfters  in  ber  mobernen. 
—  44.  S3gt.  Slbidm.   XXV. 


#tatcrt(ilUn  itnb  {Entwurfs  nun  Caohoon.  187 

ilnfdjäbndje  ^äfUidjfeit  ift  lädjerlid).  (Srftärung  beo  Slrifio« 
teles. 

©djäblidje  §äf}lidjfeit  ift  fdjred tief),  folgitd)  ergaben  ') 

SSeibe  SDlittet,  bas  £äf}tidje  fonadj  gleidjfam  311   aboucieren,  festen 

5  bem  SDlaler.     £f)erfite§  ift  auf  bei-  Seinroanb  nur  l)äfjüa);  bei  bem 

ipomer  ift  er  lädjerlid;.    (SanluS  I)at  folglid)  3tedjt,  ttjn  auö  bei-  gfolge 

feiner  fyomerifdjen  Ckmälbe  fjerauä  ju  (äffen.    £lo£  aber  Ijat  Unredjt, 

luenu  er  itm  aud)  au$  bem  £>omer  rcegtiuinfdjt.-) 

2(uct)  ba§  Jpäfjttdje  al§  ©djredliri;  fann  ber  Sltater  nid)t  braudjen, 
10  rcenn  er  un§  nidjt  jroet  unangenehme  ©ntpfinbungen  für  eine  erregen 
null;  inbem  beibeö  uns  in  feiner  Äompofition  uiel  311  lebhaft  rühret, 
a(3  bafj  e§  ergaben  fein  fönnte. 

VIT. 

Ö(eid)rool)(,  nrivb  man  einroenben,  fjaben  es  feine  oon  ben  geringsten 

15  SMdjtern  gewagt,   förperlidje  ©djönljeitett  nad;  tfjren  teilen  3U  fdjilbem. 

6leidjiuo()l    finben   ftcf;  -Kater,   bie  mibrige  t)äf3(id)e  ©egenftänbe  unter 

if)ren  $tnfel  genommen.     Unb   betbe  tjaben  Seifall  unb   Senrnnberung 

erroor&en. 

^ct;  gebe  es  ju.    Sßenn  aber  bergtetdjen  äöerfe  gefaden,  fo  gefällt 
20  6tofs  ba§  Öenie,  bie  ©efdEjtdKidjjteit  be§  Sidjters'  unb  3JlaIer§  in  ifmen; 
bie  g(üd(id)e  9}  ad;  al)mung  gefällt,  aber  nid)t  ba3  9"tadjgeaf)mte. 

Unb  biefeä  ift  bie  allgemeine  SSeränberung,  raeld;e  bie  fd;onen  fünfte 
unb  2Biffenfd)aften  inSgefamt,  mit  bem  Fortgänge  ber  3eit/  erlitten: 
vJJad)  iEjrem  Urfprunge  waren  fie  beftimmt,  ben  ©d;ünf;eiten  ber  förper= 
25  liefen  unb  geiftigen  Statur  eine  neue  ©djöpfung  ju  geben,  burd;  bie  fie 
uns  beftänbig  jur  .'oanb  blieben,  um  uns  nad;  belieben  an  if;nen  3U 
ergoßen;  ü;r  größter  3iu()tn  mar,  biefe  ©d;on(;eiten  erreicht  ju  (;aben. 

Salb  aber  warb  ber  SSirtuofe  mübe,  nur  immer  einerlei  31t  erreichen; 
unb   gleid;fam   nur  burd)   bie  ©d;ünl)eit   feineS  SSorantrfeä   311  gefaden. 

30  ')  Sdjrecflidje  Scfiönfjeit  ift  ergaben.    SBebufa  ift  erhabener  al§  Sllefto,   ja  biefe  oer= 

bienet  ben  Slamen  be§  (Sr&abenen  oielleidit  fo  wenig  al§  ber  Sob  unb  bie  Sünbe  be§ 
3Büton§.  3<Hd)t  alles  ©d)rerflid)e  erregt  bie  (nnpfinbung  ber  ©rlja&en^eit.  S5er  (Slanj, 
ber  au?  ben  äugen  ber  (ilötter  leudjtet,  ift  nid)t  fo  fdjrecflid),  aber  weit  erhabener  al§  bie 
brenticnbe  garfei  ber  gurten.  (-Dienbelsfohji.) 

35  -)  Unfcfläbttdje  yäfjlidifeit  ift  aud)  für   ben  Waler  eine  Duelle  be§  £äd)erlid)en.     @r= 

innern  Sie  fid)  be?  §ogartfcf)en  Sandes.  SlUe  l)äßlid)eu  gtguren  in  bemfelben  finb  lädier» 
lid).  Dr.  Stop,  Sandio,  Son  Cuiirote  u.  f.  ro.  2$erfite§  mürbe  aud)  in  ber  lüaterei 
lädierlid)  fein.  55a  er  aber  mit  bem  grnft&aften  ber  übrigen  Sßerfonen  beftänbig  fons 
traftieren  würbe,  inbem  ber  9)taler  bie  bemeglidie  §anbtung  besfetben  in  eine  ftetjenbe 

40  üermanbehi  müfjte;  fo  fann  itjn  ber  2J!aler  in  feinem  ernftbaften  Sujet  anbringen,  o!)ne 
einen  äBiberfprud)  ber  ©mpfiubungen  51«  erregen,  unb  bie  Einfielt  ber  SBirfung  ;u  unter» 
bredjen.    Qn  bem  traufitoriidieu  öiemiUbe  ber  ®id)tfunft  tbut  er  feine  fo  fcfjtimme  ffiirfung. 

CWenbel5fof;u.) 

1.  Slriftot.  5f>oet.  5:  511m  Sädterlidteu  ift  Unfdiäblidjfett  erforbertid;.  —  4.  aboucieren, 
»etlüfsen,  b.  f).  milöern.  -  14 ff.  Sgl.  -MMctii.  XX  u.  XXIY.  —  19 ff.  Sgl.  Slbfdm.  II. 
—  30.  Sllefto,  eine  gurie.  —  3n.  be?  §ogartf d)en  SanjeS,  äKenuett  fomifdier 
giguren  in  ^ogarttjö  „Slnalnfe  ber  Sd)önl)eit".  —  37.  Dr.  Stop,  eine  fomijdje  Serfon 
in  Sterne?  „Sriftram  Staubt)". 


188  tladjlalj  jutrt  Caohoon. 

Gr  glaubte  eS  muffe  il;m  rübmlidier  fein,  blof?  burd;  bie  Grreidnmg  ju 
gefallen,  o(;ne  baf?  bie  <£d;önbeit  be$  SBoxtxmrfg  boßet  in  SRedjpumg  fchne. 
Malier  bie  malillofen  9i"ad;ab,mungen  ber  erften  ber  tieften  ©egenftänbe; 
fdiön  ober  bäftlid;,  ebet  ober  niebrig;  alles  ift  gleid)  oiet,  mann  ber  3"5 
flauer  mir  illubiert  wirb. 


VIII. 

Sie  3  eil  folge  ift  baS  ©ebiete  beS  Sttdjterä,  ber  3^  au  tu  ba3  ©ebiete 
bei  SWotcrS. 

3mei  notmcnbtg  entfernte  geitpunfte  in  ein  unb  eben  basfelbe  ©es 
mälbe  bringen,  fo  nne  ber  ^armifano  ben  Staub  ber  fabinifrfjen  Sun85  io 
frauen  unb  bie  2(u3föf;nung  berfelben  jtmfdjen  i(;ren  2lm>ermanbteu  unb 
neuen  äßännern:  fjetfjt  ein  Gingriff  beö  2RaIer§  in  baS  ©ebiete  beä 
Sid;terS,  ben  ber  gute  ©efd;mad  nie  billigen  wirb. 

ä'iehrere   Seile  ober  3)tnge,   bie  id)  notroenbig  in   ber  9tatur  auf 
einmal  überfefjen  mufs,  roenn  fie  ein  genriffeS  fd;öne3  ©ange  fieroorbrtngen  15 
follen,    beut  Sefer   nad;   unb   nad;   jujä^Ien;    f;eif5t  ein  Gingriff  bei 
2)id;ters    in   bas    ©ebiete   be3    3JtaIer§,   raobei   ber   2)td;ter   oiel 
Imagination  of;ne  allen  Stufen  r>erfd;menbet. 

25od;  fo  roie  gmei  billige,  freunbfd;aftlitf)e  9taa;barn  jroar  nid;t  »et» 
ftatten,  bafj  fid;  einer  in  be3  anberen  innerftem  JReictje  ungegiemenbe  20 
g-reiljeiten  berauönel;me;  mo()l  aber  auf  ben  äufjerften  ©renjen  eine  tüed;fel= 
fettige  9tad)fid;t  Ijerrfdjen  taffen,  roeld;e  bie  fteinen  Gingriffe,  bie  ber  eine 
in  beS  anberen  Öered;tfame  in  ber  ©efdjnrinbigfett  fid;  burd)  feine  Um» 
ftänbeju  tl)un  genötiget  fiel)t,  frieblid;  von  beiben  Seilen  fotnpenfieret:  fo 
aud;  bie  SKalerei  unb  Sid;tfunft.  25 

3n)ei,  brei  Seile,  ober  fidjtbare  Gigenfdjaften  eine3  S)inge§,  burd; 
Seiroötier,  Slbuerbia,  Sßarticipia,  fo  gefdjidt  gufammenpreffen,  bafi  man 
fie  faft  ebenfo  auf  einmal  311  l)ören  glaubt,  al§  man  fie  in  ber  Statur 
auf  einmal  fieljt:  ift  ein  berg.teid;en  Heiner  r-ergönnter  Gingriff  be§ 
5Md;ter<3  in  bie  Malerei,  bereu  öftrer  ©ebraud;  il;n  eben  ba3U  mad;t,  30 
roao  man  gemeiniglid)  einen  malcrifd;en  2)ia)ter  nennet,  unb  in 
meutern  Sßerftanbe  Sb,ompfou  mef;r  SJtater  ift,  al3  ftomer. 

Safür  ift  bem  SÄalet  tiergönnt,  in  großen  Ijiftorifdjen  ©emälben  feinen 
einzigen  Slugenblid  and)  um  etwas  311  erraeitern;  eine  g-reifyeit  beren  ftä) 
bie  gröfiten  SJJeifter  bebienet  l;aben. ')    ^a,  idj  glaube  nid;t,  bafs  fid;  ein  35 

1 )  Sie  Uiaterei  unb  Jicbtfunft  befinben  fieb  niebt  uöQig  in  eben  ben  llmftrinben.  Söei 
bem  ÜJialcr  ift  bie  gcringfte  SSerSnbemng   bes  Slugenblicfcj  eine  Übertretung  ber  Orenjcn, 

1  ff.  3?gl.   aueb  2lbfc6,n.   111.  —  5.   illubiert,   getäufebt;  wir  gebrauchen  jetjt  ba3 
SPerbum   «ictjt  mebr,   toobl  aber  baö  Subftantio  SlUufion.  —  7  ff.  Sgl.  2lbfcbn.  XVIII. 
10.  Sfarmifano,  ajiaäjuoli,  f.  oben  ©.  105. 


^Materialien  unö  (ßntnriirfe  ;um  Ä'aohoon.  189 

einiges  an  Figuren  fel)v  retdjeö  Stücf  finbet,  in  tneldjem  jebe  ftigur  volU 
fotnmen  bie  Sercegung  itnb  Stellung  fjat,  bie  fie  in  bem  3lugenblicfe  ber 
§auptf)anblung  tjaben  foltte;  ber  eine  f)at  eine  ettraö  frühere,  ber  anbete 
eine  etroaö  fpätere.    Unb  biefeö  läfjt  man  fo  trillig  gelten,  bafs  nielmefjr 

5  eben  baburd)   öfters   ein   Öemälbe  fo   oiel   rebenber,   fo   riet  bid;te  = 
rtftfjer  Ejei^t. ') 

2ßie  aber  ber  tn eifere  Wlatet  betgteidjen  eingriffe  in  bie  benachbarten 
2lugenbltde,  trenn  fie  etroaS  merftid)  entfernt  finb,  burdj  einen  Äunftgriff 
ror  allein  Slnftöfjigen  31t  retten  tueifj,  treibet  barin  befteljet,  bafc  er  bie- 

10  jettigen  giguren,  5.  ©.  bie  etrte  fpätere  SBeroegung  tnatt)en,  als  ber  2lugen= 
bltd  ber  §aupti)anblung  erforbert,  ron  ber  fcauptljattblung  roegtoenbet, 
ober  fie  fo  [teilet,  baf?  fie  bie  i£ige  £auptl)anblung  nid;t  feljen  tarnt,  fotglicb, 
fie  in  ber  3iüf)rung  läfjt,  toeldje  ber  rotjjetgeljenbe  3(ugenblitf,  ben  fie  mit 
angefefjen,  auf  fie  getrau :  fo  mufj  aud)  ber  toeifere  Sidjter  einen  ät)ttlid)en 

t5  Äunftgriff  bei  feinen  Gingriffen  in  bie  benad)barten  foerjftierenben  @r» 
fdjetnungen,  anroettben.    ilnb  treldjer  ift  biefeS? 

35er  Dealer  bei  feinem  Äunftgriffe  nimmt  gleidjfam  mehrere  Raunte, 
mehrere  g*äd)en  an;  trir  fel)en  feine  g-iguren  svoar  alle  auf  einer  glädje, 
aber  fie  fielen  nidjt  alle  auf  einer  giädje;  mit  einem  Sßorte  fein  ßunft* 

20  griff  liegt  in  ber  Sßerfpettiti.-) 

SGßoS  ift  alfo  bie^erfpeltir  be§  £>td)ter§?  Sie  beftet)t  baritt,  bafj 
er  bie  geitfolge,  in  meldjer  feine  -ftadjaljmung  forfdjreitet,  bann  unb  roann 
unterbricht,  unb  in  anbete  geitfolgen  übergebet,  in  treiben  fid;  bie 
©egenftänbe,  bie  er  fdfjilbem  trill,  efjebem  befunben,  6i§  er  ben  gaben 

25  feiner  eignen  3eüf°f9e  nüeber  ergreift. 

Unb  in  biefem  iUmftgriffe  ift  Corner  SKeiftet.  2ll(e  feine  ©ins 
fdjaltungen  finb  perfpettirifd),  unb  befonberö  finb  feine  @Ieid)niffe  alle 


bie  man  fid)  ntd)t  of>ne  9iot  ertauben  barf.    hingegen  E>at  ber  Siebter  aud;  einiges  SHcdjt 
auf  bas  SJebeneinanbereriftiercnbe,  joenn  nur  bie  8tM)en,  beren  er  fief)  bebient,  nidjt  uon 

30  gröfjerm  Umfange  fmb,  al§  bie  begriffe,  bie  jum  fidjtbaren  ©anjen  gehören,  in  roeldjem 
§alle  bie  Smoaination  ju  feljr  arbeiten  mufj,  au§  ben  Seilen  ein  ©anjeS  juiammeu  511 
fe§en.  Sie  üJlufi!  ift  hierin  ber  äßalerei,  roie  oben  erinnert  raorben,  fdmurftratf«  entgegen» 
gefest.  2lllein  fie  ertaubet  nidit  ben  geringften  Gingriff  in  ba§  ©ebiete  be§  9taunte§,  man 
muffte  benn  bie  Harmonie  einen  foldjen  Eingriff  nennen.  (ÜDJenbetSfotjn.) 

35  Slud)  bie  Harmonie  jietie  idj  nid)t  bjerljer!  (SHcolat.) 

')  fcebr  richtig   unb   ein  febr  fruchtbarer  ©afc  in  ber  2Jialerei,  roeldjer  (im  Vorbei- 
gehen) burd)  ba<3  25atteujfcb,e  ©nftem  nid)t  fann  erflärt  werben.  (Nicolai.) 

-)  35er  2J!aIer  fann  ben  flunftgriff  bafs  oerfduebeue  gigureu  Bewegungen  mad)en,  bie 
fid)  auf  ben  »origen  unb  folgenben  Slugenblicf  bejie^en,  aud)  oljne  SBettjUfe  ber  Sperfpeltio 

40  brauchen.  —  CS§  tonnen  auf  ber  anbern  Seite  ^erfouen  bie  in  $erfpefth)  ftebeu,  ik-- 
reegungen  madjeu  bie  in  eben  ben  SlugcnbUrf  geboren.  3lud)  Sßerfonen  bie  auf  eben  bem= 
fclben  ©runbe  fielen  tonnen  immer  bie  .<SauptbaubIung  fetien  unb  bie  anberen  nidjt  — 
infofern  fie  aber  auf  einem  ©runbe  fteben/  fteben  fie  uiebt  in  ^erfpeftiu  —  ,v  G.  auf  einem 
antuen  Basrelief  —  2Ufo  feljlt  mir  an  ber  SMmoenbung  immer  ettoaS.       (Nicolai.) 


13.  nittfjrung,  f.  0.  a.  Ginbrud  —  37.  Söatteur'  Traitfi  des  beaux  arts,  reduits 
k  uu  meme  principe. 


190  fitodjlng  »im  Caokoon. 

yerfpeftunid)  auägefüljret, ')  lueldjeo  ifmen  eben  baö  üdm\  giebet,  ba3 
fo  fet)r  rüljret,  unb  ben  ilunftriditern  fo  fä)tt)er  ju  erflären  ift.*) 

[X. 

35a  jcbe  nadjatjmenbe  Äunft  öorneFimttä)  biircf;  bie  eigene  £refftid)feit 
beS  nachgeahmten  öegenftanbeo  gefallen  unb  eueren  foll;  ba  Körper  bei*   5 
eigentliche  SBorrourf  ber  Malerei  finb,  unb  ber  malerifdie  SBert  ber  Körper 
in  ihrer  ©d)cmljett  beftetjet:  fo  ift  e§  offenbar  bafj  bie  Malerei  ifjve  Äörper 
nid)t  fdiön  genug  möljlen  fann.    35at)er  baö  ibealifdie  ©djönc. :;)   Unb 
ba  ba$  ibealifdje  ©ct)öne  fiel)  mit  feinem  geroattfamen  ©tanbe  beo  2(ffeft<3 
»erträgt:  fo  inuf;  ber  Dealer  biefen  Stanb  uermeiben.    2)af)et  bie  Siulje,  10 
bie  fülle  ©röjje,  in  Stellung  unb  Slusbrutf.    2)ie  rol)e  unoerftänbige 
Übertragung  biefes  maletifdjeu  Örunbfatieö  in  bie  3Md)tfunft,  oermute  id), 
l)at  bie  falftfie  Siegel  oon  ben  pollfommnen  moralifdjen  15  fjarafteren, 
nio  nidit  ueranlafjt,  bori)  beftärt't.     3rcai*  geEjet  aud)  ber  Sidjter  einem 
ibealifdjen  £d)önen  naä);  aber  fein  ibeatifdieS  Sdiöne  erforbert  feine 9iul)e;  15 
foubern  grabe  ba§  ©egenteil  oon  3htl)e.    Senn  er  malt  ftanblungeu  unb 

')  £>ierl)er  gebort  ein  fteiucS  rtt"agmcnt  au'3  kern  9tad)laffe,  n>eld)e<3  lautet: 
©ins  oon  ben  per f  peltioif  dt  ft  e  u  ©leidmiffen  ift  bat,  wo  ftomer  (Iliad.  T.  v.  373  u. f.) 
bac?  Sdjilb  b'eä  Sldiillecj,   ober  oielmefjr  beffert  ©lans  mit  bem  ©lause  eines  geuerö  oer= 
gleicht,   ba§  oon  einfamen  Sergen   im  ©turnt  bel)aftctcu  ©eefatjrern  leud)tet.    Soä)  finb  20 
liier  mehr  bie  Crtcr,  als  bie  Zeitfolgen,  bjntcr  einciuber  geftellet. 

—  ttvTun  sTtiitä  (Taxos  /nsya  r?,  atirfayöv  tt. 

Ei'Xeto,  Tai'  d'  u7iävev&£  aiXa;  yittt',  tjirts  jui/rt/;. 

-.',•  1)'  Stav  ix  növtoio  aiJ.a;  vaüttjai  ipaveh] 

Katofiivoio  Ttvqog,  rö  <)h  y.aittui   'uil'ofr'  oQSOcpiv  25 

Stad'f.tiü  iv  oloJtöXo)'  tovg  61  oix  f9i?.ovtai  äeXXai 

JIüvxov  In'  ix&uöevta  (piXwv  äaävev9e  (piyovrsa: 

©er  (Slanj  beo  3ä)tlbe§,  ber  3?orgrunb;  ber  ©(ans,  ben  bie  ©cbiffer  erbtiefeu,  ber  äioeite; 
ba§  Tyeuer  auf  ben  Sergen,  lmidicS  biefen  ©(ans  oerurfadjt,  ber  britte;  bie  g-reuubc,  oon 
roeldjen  fie  fem  auf  bem  SDteere  fierumgetrieben  roerben,  ber  inerte.  30 

i  ©iefe  ganje  Betrachtung  über  bie  Serfpeftio  null  mir  nid)t  fo  rcd)t  in  ben  Sinn, 
©ie  ißerfpeftio  ift  eine  'Jiadjainnung  ber  Statur  in  Slnfelning  ber  -Diftansen.  Sie  Statur 
bviitft  bie  ©iftanjen  au§  burdi  bie  relatioe  l)  ©röfse,  2)  S)eutüd)feit  unb  Sauterfeit  ber 
garben.  Ter  äliater  malet  feine  ©egenftiinbc  Keiner,  unbeutlidjer  unb  mit  gcfrftuHiditeu 
JarBen,  unb  mir  gtaubert  fie  feien  entfernter.  Cnbltd)  bebient  er  fid)  biefer  Gntfernuugeu,  8S 
um  feine  fteljenbcu  Silber  etumö  beweglicher  ju  madjeu.  Sicfeö  ift  ein  Sttthen,  ben  ber 
SBirtuofe  oon  ber  Sperfpeftioe  siebet,  fie  maefiet  abev  feine§roege§  i>ai  SBefen  be'r  ^erfperrroe 
auö.  2lud)  in  ber  SMdjtfunfi  giebt  es  einen  Inbegriff  finnlidjer  SSorftellungen,  bie  oermege 
iljrer  Situation  ben  ftävtften  ©inbruef  uiadieu  foileu,  biefe  uiadten,  roenn  id)  mid)  fo  au§s 
brlicfen  fauu,  ben  .öauotgrunb  auä.  Slnbeve  Segriffe  finb  mit  biefem  teils  mittelbar,  teily  40 
unmittelbar  oerbunben,  unb  muffen  balier  nach  3J!a|ge6ung  ilner  Cintfernuugen  aud)  befto 
fduoädier  roirfen  Sieie-j  entforädje  alfo  ber  Sperfpeftioe  ber  3J)aler.  Db  aber  biefe§ 
fd)ioädiere  Sidit  uadi  SRalgebung  ber  Gntfernuug,  bem  Sid)ter  fo  uühlid)  fein  mag,  alä 
bem  Ulaler  feine  Serfpettroe,  loagc  id)  nicht  ,ju  entfd)eiben.  (3Renbel3fo§n.) 

Jd)  aud)  nicht,  aber  id)  neige  ftarf  jutn  Stegattoen.  Oticolai.)  45 

i  riefet'  irdnitt  ift  mir  ju  tilbu.  Sic  2d)önl)eit  ber  Aormeit  macht  oielleiciit  itidft 
ben  ganjen  malerifdjen  SSSert  ber  Jtßrper  au$,  benu,  wie  eö  fd)eint,  gehört  bie  Stfl^rung 
mit  baju.  (Sienbelöfobn.) 

4—8,  Sgl  3lbfd;n  Tl.  —  li.  bie  ftille  ©röfje,  ogl.  SBindfelmann,  ÜBerfc  1,30 
fiMielein).  —  11—14.  »gl.  9tad;l.  A  4,2.  «bfd)U.,  \  111;  B  7,  XXXIV.  —  19 f.  oer» 
gleicht  feljlt  in  ber  §bfd)r. 


ßlatmnlicn  ntti  ffintnnivfe  jiim  Caokoon.  191 

rtidjt  Sörper;  unb  §anblungen  finb  um  fo  oiel  oollfommner,  je  mehrere 
je  uerfdjiebnere,  unb  nriber  einanber  joUift  arbeitenbe  SrieBfebevn  barin 
roirffam  finb. 

Ser  ooUfommene  morattfdje  ©Ijaralter  fann  baf)er  Ijödifteno  nur  eine 

5  äroeite  ittolle  in  btefert  $anbtungen  fpielen;  fo  bafj  roenn  iljn  ber  Sitfjter 
ungtüdlidjerroeife  aud)  jur  erften  bcfthnmt  f)at,  ber  fdjlimmcre  Gtyarafter, 
raeldjer  mein-  Slnteil  an  ber  £anblung  nimmt,  als  bem  uollfommnen  feine 
©eelenrulje  unb  feften  ©runbfä|e  31t  nehmen  erlauben,  ifjn  aUejeit  au& 
ftedjen  rcirb.     Saljer  ber  Sorrourf,  bcn  man  bem  äfiüton  gemalt  t)at, 

10  bafj  ber  Teufel  fein  §elb  fei. ')  Unb  bae  fömmt  niajt  bafjer,  meil  er  ben 
Teufel  31t  grofj,  5U  mächtig,  31t  nenuegen  gefdjtlbert;  ber  J-erjler  liegt 
tiefer.  @3  fömmt  bafjer,  weil  ber  2ü(mäd)tige  bie  SInftrengung  nid;t 
braudjt,  bie  ber  Teufel  jur  Grreidutng  feiner  2(ofid;t  anrocnbcri  mufj,  unb 
er  mitten  unter  ben  gewaltigften  SBetoegungen  unb  2(nftalten  feinet  geinbeä 

15  rnl)ig  bleibet,  meldje  9iufje  jroar  feiner  Ipoljeit  gemäfs,  aber  leineäroegeä 
poetifd)  ift. 

X. 

Sie  ^ßoefie  geiget  uno  bie  Jtörper  nur  uon  einer  Seite,   nur  in 
einer  Stellung,   nur   nadj    einer  Gigenfdjaft,    unb  läfst  alleS  übrige 
20  berfelben  unbeftimmt. 

Sie  9)ialerei  tarnt  biefe$  nidjt.    Sei  i()r  Steljet  ein  Seil  ben  anberen, 
eine  Gigenfdjaft  bie  anbere  nad);  fie  mufc  atleö  beftimmen. 

S)af)er  fann  bei  bem  Sidjter  ein  gug  fefyl"  finnlidj,  fefjr  malerifd) 
fein;  in  ber  ■Dlalerei  felbft  aber  eö  3U  fein  aufhören,  meil  er  burdj  bie 
25  übrigen  baju  fommenben  öeftimmungen   gcfdnuädjt,   ober  mot)l  gar  in 
SBtberfprucb,  gefegt  mirb. 

3.  G.   Sei  bem  Sidjter  ift  §erfule§ 

—  rabidi  cum  colla  minantia  monstri 

Angeret,  et  tuinidos  aniraam  angustaret  in  artus, 

30  ein  nortrefflidjeä  33ilb.  ^d)  fel)e  bie  ganje  Stärfe  be3  Selben;  icfj  felje 
ben  rafenben  Söroen  in  feiner  Seängftigung,  n>ie  ber  Derfdjtoffene  2ltem 
il)n  auffdjmellt.  2tber  nun  (äffe  man  ben  30Jaler  ober  Sitbljauer  biefeS 
auöfüfjren.  Ser  Söroe  fmt  einen  9iadjen,  er  fjat  flauen,  bie  er  mo  ein= 
jcfjlagen  fann,  bie  er  nad)  bem  3Biberftanbe,  ben  er  feinem  Sieger  entgegen* 

35  fenet ,  wo  einfddagen  mufj;  unb  .öerfules  ift  unübernunblid),  aber  nidjt 
unoeriounblid).     So  felje  tdr)  if)U  nunmet)r  jugleid)  leiben,  mo  icf)  itjn 

J)  2o  iDie  int  damit  Uljo  ber  .s>elb  ift.  (ffllenbctsfclm) 

18  ff.  S?g(.  SUJfcfm    VI  ff   u   XVI.  —  28  f.  Statius  Theb.  IV,  827.    3?g[.  giad)l.  C  12, 
9ir.  12.  —  37.  gn  Glia§  5d)legd*  Irngöbie  (Saunt. 


192  iladjlaff  jum  ffaohoon. 

nur  fiegen  fetjen  folt. ')    (oiefje  ben  geftfmittenen  Stein  beim  Spence, 
Sab.  XVII.  3.) 

Sie  Sieget  bebarf  alfo  einer  großen  (Sinfdjränfung,  baft  nur  ba3  bei 
betn  Siebter  maferiftf)  fei,  roa§  aud)  in i r f t i dt)  auf  ber  Seinroanb 
ober  in  üötarmor  einen  guten  (Sffeft  fjaben  lönne.  @§  ift  voat)v,  5 
ber  $ug  beä  2)td)ter3  mufj  fid)  äeidmen,  mufj  fid)  ftcfjtbar  barftetten  taffen 
fönnen;  aber  ber  Siebter  braucfjt  für  bie  Sßirfung  nttf)t  gut  511  fein,  bie  er 
in  ber  materiellen  Stuobitbung  bes  itünfttersi  ttjut,  ber  notiuenbig  anbere 
3üge  batnit  oerbinben  mufjte,  non  meieren  bas  Sluge  nid)t  abftraf)ieren 
fann,  non  weldjen  aber  iuo^I  bie  ©inbitbungöfraft  bei  bem  2)id)ter  ab-~  10 
ftrafjieren  tonnte. 

XI. 

Unb  eben  bafjer,  roeit  ber  Sidjter  feine  Sßefen  nur  mit  einem  $uge 
f Gilbert,  tann  er  SBefen  fdjilbem,  bie  nidjt  beftinunt  finb,  btefee  Sßefen 
ber  ©inbitbung.     Surcf;   biefen  einzigen  $ug   tonnen  fie   un3   finnlid)  15 
werben;  aber  ber  9Jiater  braucht  mefjr  3üge  fie  un§  finnltct)  3U  madjen. 

^-otglid)  ift  e§  aud)  fein  ©inraurf  roiber  baö  Sttaterifdje  eineö  Sidjtero, 
bafj  feine  2£efen  lauter  unförperlidje  geiftige  SBefen  finb;  unb  SBitlton 
ift  feinem  geiftigen  äßefen  ungeachtet  einer  ber  größten  -Diäter  nad) 
bem  §omer. '-')  20 

®afj  aber  ber  30ialer  bei  bem  §omer  ungteid)  met)r  ju  t()un  finbet, 
afs>  bei  bem  SDHIton,  rühret  nid)t  au§  bem  minber  materifdjen  Öenie  be3 
(SngtanberS,  fonbern  ait§  ben  engen  Sdjranfen  ber  materietten  Äunft  t)er. 

3)ie  Seredjnuug  be3  ©an  tu  3  ber  ©emätbe  in  ben  epifdjen  Sidjtern, 
ift  ber  SJiafjftab  ber  33raud)  bar  feit  eines!  jeben  für  ben  9Jia  ter,  aber  25 
fein  Siafeftab  bee>  ^orsugö  ber  ©id;ter  fetbft. 

3£enigften$  nid)t  ifjrei  2>or3iige3  in  bem  maier ifdjen  Seite,  ©onbern 
menn  ja  biefe  größere  9iük(id)feit  für  ben  ÜDiater  ein  Sor-mg  fein  fott, 

')  $d)  getraue  tnid)  nidjt  hier  einen  StuSfprud)  ju  wagen,  aber  mid)  bünft,  id)  würbe 
bem  RünfUer  3)anf  wiffen,  baf;  er  mir  nidjt  ben  fiegeuben,  fotibern  ben  fämpfenben  $erfu(e§  3ü 
jeigt.  G'5  märe  ihm  uielleidit  nid)t  fd)wer  geworben,  einen  fpäteren  Slugenblid  }u  wählen, 
in  weldKtn  ber  nunmehr  erftidenbe  Söioe  fid)  frümmet  unb  minbet,  unb  bie  .Uiauen  fonou[= 
fioifd)  an  fid;  jiefjet ;  allein  wir  fällten  ben  Soweit  Sßiberftanb  tfeun  feljn,  unb  aus  biefem 
SSiberftaube  auf  bie  Starte  bes  §erfule§  fcblicften.  £>te  SCnmerrung  ift,  meines  ©rad)ten<3, 
gar  wohl  gegrünbet,  aber  baS  ©rempel  nidjt  glücllid)  gewählt.  OJKenbetSfofin.)  35 

'-')  Öut!  21ber  ber  Siebter  ift  befto  »oHfontmener,  je  beftimmter  feine  Silber  finb,  je 
leidjter  e§  bor  Imagination  wirb,  bie  awSgelaffeneu  $ÜQt  binju  51t  beuten,  unb  fid)  Don 
ben  erbiditeten  fflefen  nette  unb  auofülirlidie  SJegriffe  j«  machen,  .'öomer  unb  SJirgil  haben 
fid)  nur  wenige  foldje  Sjiiber  ertaubt,  bie  fid)  ber  gmagtnation  nicht  auoführli*  bar» 
fieUen.  2t6er  alle  erbid)tete  SBefen  be>3  SDlilton  finb  uon  biefer  Sefc^affen^eit.  2?ie  ©eroalt,  40 
bie  wir  anweuben,  fie  un§  in  ihrer  fBoüftänbigleit  oorsuftellen,  fct;eiut  unferc  @inbitbung§= 
traft  }u  ermäben.  3hr  erfter  Stnblid  frappiert  ungemein,  unb  erregt  eine  Slrt  »on  <Sr* 
ftauneu,  bie  bem  ®rt)abenen  eigen  iit.  l'lber  ihre  SJirfung  ift  fo  anc)altenb  nid)t;  beim 
fobalb  wir  unä  erholen,  uno  mit  uuferer  Ginbilbungotraft  gefdjäftig  jtt  fein  anfangen,  fo 
fühlen  wir  baö  lliiüermögen  fie  auSjnbilben  nur  gar  \u  bcutlidj,  unb  fie  taugen  an  un=  -15 
angenehm  ju  werben.  OTtfton  wirb  ba3  erfte  ÜJial  mehr  frappieren,  vomer  aber  befto 
öfter  getefen  roerben.  (lÄenbelSfo^n.) 

1:;  ff.  »gl.  i'lbfdm.  XIV.  —  46  f.  8gl.  9tcu$I.  A  4,  2.  srbfdm.,  XIV. 


üaterinlieii  unb  (ümtiuürfe  jum  Caokoon.  193 

fo  entspringt  biefer  Sßorjug  blof;  au3  bem  9leid;tum  unb  ber  9}iannig= 
fatttgfeit  ber  §anblung,  bie  ber  gn^alt  beö  Gebid)te3  ift;  meieren  $ors 
jug  ber  Sidjter  aber  jefjr  oft  mit  bem  elenbefteu  (5)ejtf(id;tfcr)reißev  gemein 
fjaben  fann. *) 

5  3-  ©•  ®te  2eibenegefcf;icr)te  Gljrifti  ift  in  bem  üfteuen  Seftamente 
|et)r  armfelig  unb  elenb  befdjrieben.  Sem  otjngeadjtet  l)at  fie  (Stoff  genug 
3U  ben  üortrefftidjften  Gemätben  gehabt.  S3a§  madjt,  fie  ift  fefjr  mannig= 
faltig.  Sfyre  ©fribenten  aber  rcaren  barum  nid)t3  weniger  af3  SBMer. 
©ie  erjagen  bie  fimpeln  'fiatta,  unb  biefe  petita  raeife  ber  9ftater  ju  nufcen, 

io  ol)ne  baf?  fie  iljreä  Seilet  ben  geringften  Junten  oon  malerifd)em  Genie 
babei  gejeiget  l)aben.  Senn  biefe  %atta  finb  entroeber  roafjr,  ober  oon 
if)nen  erfunben.  ©tnb  fie  raatjr,  fo  fabelt  fie  gar  fein  SBerbienft  barum; 
finb  fie  aber  erfunben,  fo  ift  %aita  ju  erfinben,  ein  gang  anbereö  latent, 
a!3  ^-afta  malen. 

15  2tber  £omer,  roirb  man  fagen,  t)at  feine  $aita  ntdjt  aKein  erfunben, 
er  tjat  fie  aud)  felbft  gefdjilbert,  unb  in  feiner  fortfdjreitenben  ©d)überung 
raerben  immer  ein  ober  mehrere  3üge  fein,  meiere  für  bie  materielle 
9Jialeret  ausbrüdtid)  gemadjt  31t  fein  fdjeinen. 

2Benn  eS  fo  ift:  befto  beffer.    2lber  e3  ift  nur  jufättiger  SBeife  fo; 

20  unb  Diejenigen  non  feinen  ©djüberungen,  in  meldten  fidj  bergfeidien  für 
bie  materielle  9)la(erei  braudjbare  3üge  g<^  nidjt  befinben,  finb  barum 
ntcr)t  fd)[ed)ter,  fonbern  nid)t  fetten  in  il)rer  2(rt  aua)  mot)!  nod)  ooll= 
tommner. 

3-  @.  baä  inerte  Sud;  ber  §lia$   liefert  bem  Graf  ßanluS  nur 

25  ein  einziges  Gemülbe.  Unb  nod)  bajit,  ma§  für  eineö!  Sie  SSerfammhmg 
ber  ratfdjtagenben  unb  sedjenben  (Sötter,  bie  ber  Sidjter  in  ben  erften 
3eilen  biefeS  2htd)e3  befdjreibt: 

Ol  dh  &8oi  TiciQ   Zi]vl  Ha&rnitvoi  fiyoQOtavzo 
XqvG£<o  sv  dansScp,  jttträ  ds  ocpioc  noxvicc  ™Hßi] 
30  NtHTtxQ  bcovo%6if  toi  de  XQv6^oig  dtnätoci 

4st8£X<XT     ttlXl]Xoi'S,     TQWCÜV    TtÖXlV    ZLGOQOCOVTtS. 

©in  gülbener  ^Salaft,  nnllrurlidje  Gruppen  fdjöner  unb  majeftätifd)er 
Götter,  üon  £>ebe  bebient  unb  fid)  junt  Srunte  ermunternb:  lauter  Gegen= 
ftänbe,  bie  auf  ber  Seineroanb  eine  fet)r  nortreffttdje  3Birlung  t)aben 
35  fönnen;  ob  id)  gletd)  gern  roiffen  mödjte,  raie  ber  Mater  bie  Götter,  rote 
fie  einanber  jutrinten,  unb  %vo\a  bod)  nidjt  aus  ben  2lugen  nerlieren, 
auäbrüden  roollte.    Senn  Itiftt  er  fie  blofj  trinfen;    fo  beratfdjlagen  fie 

')  Ser  <Sa%  läfjt  \\i)  freiließ  lüdit  umfe^ren.    (Sine  jebe  erää^Iuitg,  bie  bem  ü)!a[er 

retrfien  €toff  barbietet,   ift  nid)t  beöroegen  poetifa)  fcfjön.    2lber  fotriel  ift  richtig,    gebe 

40  Gegebenheit,  bie  fritc!)tboren  (Stoff  für  ben  ^infel  enttiätt,  wirb  aud)  für  ben  Siebter  fein 

unglüct(id)e§  Sujet  fein,  roirb  bem  Siebter  roeit  bequemer  fein,  al?  eine  Siege&enfjeit,  von 

it>elcf;er  ber  33taler  gar  feinen  ©ebrauefi.  madjen  fann.  (5D}enbetsfof)n.) 

12  ff.  SBgl.  2rbfd)n.  XI.  —  24  ff.    »gl.  ülbidm.  XIII. 

SeffingS  SBerfe  9.  13 


194  lladjlaß  -um  -Cnohooin 

ficf»  nidjt;  laftt  er  fie  fid)  Blofj  bcratfdjlagen,  fo  trinfcn  fie  nidjt:  bei  bem 
"gomer  aber  ttjun  fie  beibe§.  2MI  er  aucr)  einen  Seil  trinfen,  einen  Seil 
fid)  beratfddagen  [äffen:  fo  ift  e3  mieber  nid)i,  ums  §omer  jagt,  nad) 
bem  fie  alle  jugfeid;  ratfdjlagen  unb  trinfcn  füllen.  Sßiccort,  ber  biefeä 
©emälbc  gejeidjnct,  nod)  efje  eö  Gat)lu§  worgefddagen,  jeiget  bie  ©ötter  5 
ade  in  bei*  iiefften  unb  lebl)afteften  33eratfd)Iagung;  unb  §ebe  !nieet  btof; 
auf  ber  ©eite  unb  gtefjt  ben  9feftar  anZ  einer  Urne  in  ein  £rtnfgefd)irr. 
216er  gcrabe  fo  uiel  f)ätte  'ipiccart  tl)un  muffen,  roenn  eS  blofs  barauf 
angefef)cn  geirjefen  märe,  bie  £>e&e  5"  djarafterifieren. 

£)od)  alteö  biefeS  beifeite  gefetjt  unb  angenommen,  ber  9)ialer  fönne  io 
bm  gangen  ©inn  be3  Sinters  ausbri'tden,  unb  ein  SJieifterfiüd  feiner 
Munft  am  biefem  Sujet  machen:  ift  e£>  barum  aud)  ein  poetifdjes;  &z- 
mälbe?    Sft  es>  eines»,  fo  ift  es  geroifj  eineö  uon  ben  fafjlften,  unb  ein 
roeit  fd)lcd)terer  S5td)ter  bätte  es  ebenfo  gut  mad-en  tonnen. 

üTOan  tjalte  bagegen  bie  ©teile  (lliad.  J.  105 — 12G),  mo  ^anbaru<3,  is 
auf  2Inrei8cn  ber  9J2inerna  t>m  SBaffenftiu'efianb  brid)t,  unb  feinen  s^feit 
auf  ben  90ienelau3  loöbrüdt.  ©djirjerlicb,  nrirb  man  bei  einem  SMdjter  in 
ber  SBelt  ein  uortrefflidjereö  ausgefüljrtereö  ©emälbe  finben.  38on  bem 
©rgreifen  beö  löogenS  bi§  äu  bem  $luge  beg  ^ßfeüeg  ift  jeber  Stugenblid 
gemalet,  unb  alle  biefe  2tugenblid'e  finb  fo  nafye  unb  bod)  fo  unterfd)ieben  20 
angenommen,  bafj,  menn  man  md)t  muffte,  mie  mit  bem  33ogen  umäugefjen 
märe,  man  e3  auS  biefem  ©emälbe  allein  lernen  fönnte. 

Unb  biefes  ©emalbe  —  rcas  foll  man  t)ierju  fagen?  —  ift  in  bem 
nämlidjen  $$ud)c,  meldjes  (Saiduö  an  allen  ©emälben  fo  unfruchtbar 
finbet.  Überfefyen  f)at  er  eS  fdjmerlid),  aber  ot)ne  graeifet  Den  $ebürf=  25 
niffen  ber  heutigen  Äunft  ntdjt  angemeffen  genug  gefunben.  ©ott  meifs, 
mag  für  ©djnnerigt'eiten  in  ber  Drbonnan.3,  in  ber  Verteilung  £id;t§  unb 
SdjattenS  iijn  bewogen  l)aben,  ba§  malerifdjfte  ©tuet  beö  SDicfjterö  für 
unmalbar  51t  balten. ') 

3ft  bem  fo:  fo,  bünft  mid),  ift  unfere  heutige  DJJalerei  gerabe  auf  30 
bem  fünfte,  auf  roeldjem  unfere  tjeutige  llcuftt"  ift,  unb  e3  getjt  bem 
3RaIerifd£)en  beö  Sid-terä,  mie  feinem  Sßofylf  lange.  6r  fei  nur  redjt 
malerifd),  fo  roirb  man  feine  Ocmälbe  genrifj  ungemalt  laffen;  er  fei  nur 
red)t  mof)Itlingenb,  unb  man  mirb  ib,n  geiüijj  ntdjt  fomponieren.  ©aä 
-JJietfterftüd  bes  bidjterifdjen  Sßoljltlanges,  ber  .v>erameter ,  bie  Inrifd-en  3"> 
©ilbenma^e  beö  .'öoraä,  finb  uiel  ju  mufttalifd) ,  um  bem  Äomponiften 
braud^bar  511  fein;  er  null  nid)tö,  alä  ofjne  SCnftof;  flief-enbc  folgen  Iieb= 

')  CSin  •JoctifcfjcS  ÖJcmätbe,   beffen  Sd)önl)cit  blofj  in  einer  golge  »011  SScrnnberuiigcn 
bcftcl)t,   fann  nur  getanjt,   nic^t  gemalt  merben.    ©ie  alte  SKalerei  fann  hierin  feinen 
Sorjug  nor  ber  neueren  gehabt  tjaben.    Tcnn  fobalb  in  biefer  ,"s-oIge  non  Scränbcrungen  40 
tein  ir/id)tiger  Slugeublicf  511  finben,  ber  ba3  SSorljerge^enbe  unb  golgenbe  erraten  läfjt,  fo 
ift  baö  Sujet  an  unb  für  fid)  felbft  unmalbar.  (3Jlenbel§fotjn.) 

4.  (gntroeber  (Stiemte  Sficort  (1632—1721)  ober  fein  £obu  Sernavb  (1G73— 1733). 
—  IS  ff    ä'gl.  -.'ibfdni.  XV.  —  27.  Crbonnanj,  9lnorbnung. 


^Materialien  unö  ©ntroürfe  Juni  i'aokoon.  195 

lidjer  äßorte,  oiel  a  unb  e,  maö  brüber  ift,  ift  »om  Übel.  Bo  aud)  ber 
iUalcr;  erjagte  nmo  bu  millft,  erfülle  rote  bu  nullit,  gtefc  it)m  aber  nur 
©elegenljeit  31t  reidjen  SBerjterungen,  ju  gelehrten  Verteilungen  beö 
©djattenS,  31t  Äontraften,  311  SJerJürjungen ;  gieb  ir)m  Gelegenheit  nur 
5  feine  Äunft  red)t  3U  jeigen,  unb  je  mel)r  bu  beine  Äunft,  al<3  poetifd)er 
äßaler,  fpareft,  befto  met)r  roirft  bu  fein  3Rann  fein. ') 

XII. 

gn  biefem  (^efdjinad'e ,  naefj  biefen  3töfidjten  l)at  ©aoluä  offenbar 
feine  @emälbe  beö  Römers  gemattet.    Sßas  §omer  felbft  malet  ift  faft 

10  immer  übergangen;  unb  er  uiäljlet  btofe  bie  Slugenblitfe,  in  bie  ber  9Jiater 
bie  meiften  fidjt&aren  ©egenftänbe  jufammenBringen ,  über  bie  er  bie 
meifte  medjanifdje  Äunft  oerbreiten  fann;  ob  fie  fdjon  bei  bem  2)id)ter 
gerabe  bie  teereften,  bie  unmalerifdjften  finb,  in  meldten  er  blof;  0efd)id)t= 
fdjreiber  ift,  unb  bergleidjen,  mie  gefagt,   aud)  bei  bem  elenbeften  @e= 

15  fd)icf)tfcf)reiber  in  ÜUtenge  311  finben. 

Unb  mie  oiel  Öeioalt  tt)ut  er  öfters  bem  ©idjter  an,  bem  SKaler 
biefe  2tugenblide  auäpfparen!  ©nblid),  menn  er  fie  it)m  nun  auSgefparet 
t)at,  fo  trifft  e§  ftdj  nidjt  feiten,  bafs  bie,  roeldie  ben  ferner  niebt  gelefen 
()aben,  au$  bem  ©emälbe  etroas  fdjliefjen,  ba§  ber  Meinung  beS  2)id;ter<3 

20  fdjnurftratfS  juroiber  ift. 

3-  ©.  SQöenn  ein  üor3üglid)er  .v»etb  im  Getümmel  ber  ©d)lad)t  in 
(5>efar)r  gerät,  au§  ber  tt)n  feine  anbere  aI3  göttliche  9Jkd)t  retten  fann: 
fo  täjjt  ber  £>id)ter  ibn  oou  ber  fdjüfcenben  ©ottfjeit  in  einen  biden 
Vlebti,  tjsqi  nolljj  ober  in  3iad;t  wvxt  »erfüllen,  unb  bauon  führen. 

25  80  SBenuä  ^t\\  5ßari§  lliad.  y.  381;  fo  9teptun  ben  gbäuä  Iliad.  s.  23; 
fo  Slpollo  ben  §eftor  v.  444.  3"  alte"  biefen  SteUen  ift  biefe§  @in  = 
füllen  in  Siebet  unb  91a d)t  nidjtö  al3  eine  poetifdje  SlebenSart  für  uns 

')  liefen  5punft  ju  entfdjeiben,  roollen  wir  un3  bie  Sunft  in  ibrer  Skrbinbuug  cor« 
(teilen.    Sie  2Jhifif  fann  gerabeju  mit  ber  ipoefie  oerbunben  werben,  ja  üjrer  erften  93e= 

30  fttmmung  nad)  foll  fie  eigentlich,  nur  ber  ^oefie  jur  Unterftüfcung  bienen.  Jiaber  miifs  bie 
.Hunft  ber  ÜJlufif  niemals  fo  fefjr  übertrieben  roerben,  baf;  fie  ber  *poeftc  jum  9iad)teil  ge^ 
reiebe,  unb  mir  tabeln  bie  neuere  ÜJiufif  mit  9ied)t,  baf?  il)re  Äünfteleien  fidtt  mit  feiner 
lDobJtlingenben  ^Soefie  nertragen.  Sie  ÜKalerei  aber  fann  mit  ber  ^oefie  nid)t  unmittelbar 
uerbuuben  roerben,   rootjt  aber  oermittelft  ber  Sanjfunft,   benn  biefe  oerbinbet  bie  ©d)Bn= 

35  fjcit  ber  formen  unb  ber  Slnorbnung  mit  ber  ©cbönbeit  ber  Seroegungen  unb  ^anblungen. 
^ebe  ^-'oefie  fann  getankt  roerben.  ,"vinbet  fid)  nun  in  biefer  golge  Don  ftteroegungen  eine 
Slnorbnung  unb  Stellung,  bie  einzeln  genommen,  fdjön  unb  bebeuteub  ift,  fo  fann  fie 
gemalt  roerben.  2llle  33eroegungen  beä  ^anbaruS  fönnen  nacb  ber  Slngabe  beS  Siebter^ 
getankt  roerben;  ba  aber  fein  einiger  ülugenblicf  in  ber  ganjen  Jolge  einselu  betraditet, 

40  roidjtig  unb  bebeutenb  genug  ift;  fo  entbätt  ber  ganäe  Sana  feine  malerifdje  Situation. 
®er  ©ötterfdunauS  muf;  auch  getanst  roerben  fönnen,  unb  er  enthält  ocrfdjiebene  2lugen= 
bliefe,  bie  aud)  einzeln  betrad)tet,  febön  finb,  aber  feinen  ber  ba3  Siaunigfaltige  be§  3ecbend 
unb  58eratfd)lageu>3  oerbinbet,  benn  biefe  muffen  in  oerfebiebenen  Slugenbliden  auf  einanber 
folgen,  bao  Reifst,  getanjt  roerben.  (3Jlenbel3fobn.) 

1.  ffia5  c  in  ber  £bfdjr.  ift  unbeutlid)  unb  fönnte  aud)  ein  o  fein.  —  7  ff.  33g(. 
3lbfdjn.  XU.  —  41.  Unter  tanjen  »erftcl)t  2Renbel§fofjn  bier  unb  ionft  bie  mimifebe  SDar= 
ftellung,  roie  fie  im  Sallett  unb  ber  Pantomime  iiblid)  ift. 

13* 


196  tladjlaf?  jum  ffaokoon. 

fidjtbar  madjen.    2(llein  bicfen  poetifdjen  äTuäbratf  vealifieren,  unb  auf 

bem  ©emälbe  eine  mir  flicke  Sßolfe  anbringen,  Ijinter  metdjer  nunmehr 
ber  .sMb,  wie  fyinter  einer  fpanifdjen  SBanb,  uor  feinem  geinbe  verborgen 
ftebet,  ift  miber  bie  3Mnung  beö  Sicfiters,  unb  Reifst  auö  ben  ©renjen 
ber  9)ialerei  tjerausfdjreiten,  inbem  biefe  Sßolfe  eine  roaf)re  opieroglnplje,  5 
ein  fmnboltfdjeS  ^eidjeu  ift,  unb  bem  befreiten  £elb  nid)t  unfidjtbar 
maäjt,  fonbern  ben  gufdjauern  suruft,  ifyr  mit  fit  il)n  eud)  alg  un  = 
fidjtbar  norft  eilen.  Murj  biefe  Sßott'e  ift  l)ier  ntd)t§  beffer  al3  bie  be= 
fdjriebnen  3eiieW)en/  °ie  ailf  aIten  gottfdjen  ©emälben  ben  Jiguren  au«5 
bem  9)tunbe  gefyen.  Giteicfjroof)!  bürften  ftdf)  bie  9Mer  biefe  Sßolfe  fet)r  10 
ungern  nehmen  [äffen,  ©ie  giebt  311  fo  fäjönen  Sieredjnungen  be3  Sicrjtö 
©elegenl)eit,  311  fo  fefjr  gelehrten  33eleuri)tungen  ber  um  fie  geftellten 
Gruppen,  fie  fann  mit  ben  angebradjten  großen  9JJaffen  uon  ©Ratten  fo 
trefflid)  fontraftieren. ') 

@3  ift  roaljr,  Joomer  läfjt  ben  2td)i[le§,  inbem  it)m  2(poIl  ben  öeftor  15 
entrüd't,  nod)  breimal  nadj  bem  biefen  9iebel  mit  ber  Sänge  ftofsen  tQtg 
(V  i]tQ(x  rvtyh  ßu&tiav  (Iliad.  v.  446);  allein  aud;  bas  fjeifjt  in  ber 
©pradje  beö  2)td)ter3  meiter  nicötä,  al§  bafi  2(dnlleß  fo  uuitenb  geroefen, 
baf$  er  nod)  breimal  geflogen,  er)e  er  e§  gemerft,  bafc  er  feinen  5e"10 
nid;t  mel)r  uor  fid)  fjabe.  .  20 

3tid)t§  ift  malerifdjer  al§  biefe  Stelle  bei  bem  Sttdjter;  aber  fie  unvo 
i'inbifd)  unb  miberfpredjenb  in  ber  2lu§füljrung  bes  Sftalers. 

2lud)  bei  bem  3orne  bes  2ld)tltes  (Tabl.  V.  lliad.  1)  rät  Gatjluo 
eine  bergleidjen  9Bolfe  an,  um  bie  SDHneroa,  meldte  allein  uon  bem 
2ld)illes  gefefjen  mürbe,  uor  ber  übrigen  Serfammlung  unfid)tbar  311  25 
machen.  2tber  Ijeiftf  biefes  malen?  Unb  ift  es  erlaubt  unter  bie  natür* 
lidjen  geidjen  *>er  ßunft  ein  fo  nnllfuriidjes"  311  mifdjen,  bas  bem,  meldjer 
bas  ©et)eimms  nidjt  bauon  meif;,  unb  eö  gleichfalls  für  ein  natürliches 
3eicb,en  t)a(t,  baö  gan3e  ©emalbe  3U  einem  Siätfel  madjen  ntufj?  —  2lber 
menn  man  nun  bie  Unfidjtbarfeit  in  ber  Malerei  nict)t  anbers  anbeuten  30 
fann,  als  burd;  eine  SBolfe?  —  So  füll  man,  rcas  man  nid;t  ferjen  foll, 
and;  nid)t  malen.    Unb  menn,  mie  (5anlus  felbft  anführt,  ein  neuer  frans 

')  3Benn  ootn  IBrperlMÖen  Set;en  bie  Siebe  ift,  tarnt  bie  SBolfe,  wo  id)  nidjt  irre,  gor 
n'ot)t  ein  nptttrlitt)e§  3cicl,l-'u  f°'n-    -^er  ^iAter  Denoanbelt  baS  nietapt)t)fifd^e  UnJMJtbar* 
mad)en  in  eine  ptjnfifdje  ^anbtung.     3«.   &  fcfieint,   al§  roenn  bie  Untergötter  niemals  35 
bie  SDiadjt  getjabt  Ratten,  förderliche  jlinge,  otjne  pi)t)fifd;e  2Jtittel,  unfidjtbar  8u  madjen. 
Sid)   felbft  hingegen  tonnten   fie   gar   rootjl    biefem   fid)tbar,    jenem    unftdjtbar   madjen. 
2)a^er   läfjt  ^omer  bie  Slineroa,  wenn  fie  nur  bem  2td)tEel  allein  erfdjeinen   roilt,   fid) 
in  feine  fflolfe  einhüllen.    Sßäre   biefe  SBolfe   ein   6Io|  fnmbolifdje'j  ^eidien,   fo   l;ätte  ec 
Öomer  aud)  bei  biefev  (üelegentjeit  gebrandet.     Safs  ber  Sialcr  bie  eingefüllte  sJ>erfon  bem  40 
3ujd)auer  jeigen  muf;,  tbut  ju'r  £ad)e  ntd)t§.     2>er  3ul"*auei'  befinbet  fid)  außer  ber 
©cene,  unb  man  fann  ilnn  gar  mot)l  jetgeti ,  nw$   bie  fpielenben  Sperfonen  nid)t  feigen 
f ollen;  foiuie  etroa  bie  ^erfonen  auf  ber  S3iifme  allein  fein  fönnett,  ob  fie  gleid)  uon  einem 
ganjen  SJolfe  non  3lltfl)auern  beobachtet  tuerben.    Wur  mufi  ber  itünftler  bie  SBolte  fo  an= 
bringen,  bafi  eS  begreiflief;  wirb,   rote  bie  eingehüllten  Rorper  auf  ber  ©cene  unfidjtbar,  4;, 
com  3ufcl)aui'1'  oBer  bennod)  bemertt  werben,  (sDlenbel'3ioi)n.> 

9.  gottfeben  für  mittelalterltdjen. 


^Materialien  linö  ©ntroürfe  jum  Caokoon.  197 

jöfifd;er  Äünftler  in  ber  einseht  Silbfäule  be§  2ld;it(eö,  ben  3orn  beä 
gelben  atä  oon  einer  ©öttin  gemäfjiget,  ot;ne  S8eif;Üfe  ber  fjftgur  biefer 
©Öttin  auobrüdett  fonnte;  rcarum  rät  er  nidjt  lieber  bem  3Jta£er  aucb, 
auö  feiner  Äompofition  bie  ©öttin  ganj  roegjulaffen?    SBarum  nid;t? 

5  SEßeil  bie  ßompofitiott  aläbann  fo  reid)  nid;t  fein  mürbe.  ®er  SWater 
mufs  mefjr  ihmft  jeigen  tonnen;  wenn  aud)  fdjon  ba§  ganje  Sujet  barüÖer 
oerftümmelt  nmrbe. 

2)er  ©mfafl  überhaupt,  au§  ben  SBerien  beS  ftomerS  eine  sufammen» 
f;aitgenbe  ^folge  oon  ©etnälben  machen  311  motten,  war  ber  fettfamfte  oon 

10  ber  ?ßett.  ßantuö  übertegte  nidjt,  bafj  ber  ©tdrter  eine  boppelte  ©atturig 
Bon  2Befen  unb  §anblungen  bearbeitet;  fidjtbare  unb  unfid;tbare.  Siefeit 
Unterfd;ieb  fann  bie  Malerei  nid;t  angeben;  bei  tfjr  ift  alles  fid;tbar  unb 
auf  einerlei  2lrt  ftdjtoar.  ©§  muß  aber  notmenbtg  bie  äujjerfte  3Ser= 
mirrung  entfpringen,  meint  biefer  Unterfdjieb  aufgehoben  roirb,  burd;  beffen 

15  2tuf(;ebung  jugletdj  alle  bie  djarafteriftifdjen  3u9e  »ertoren  getjen,  buref) 
roekfje  fid)  jene  l;öf;ere  ©attung  über  bie  niebrige  ergebt. 

2Benn  ettbtid;  bie  ©ötier  fetbft  mit  einanber  t;aitbgemeiu  werben, 
(lliad.  cp.  v.  385  u.  f.)  fo  geliet  bei  bem  Stdjter  biefer  ganse  Äampf 
unfid;tbar  oor,  unb  btefe  Uitfid;tbarfeit  erlaubt  ber  (Sinbilbuttgöfraft  bie 

20  Scene  31t  erweitern,  unb  täfji  il)r  freteä  Spiel,  fiefj  bie  Sßerfonen  ber 
©ötter  unb  tf;re  §anblung  fo  grojj,  unb  über  ba3  gemeine  9Jlenfd;tid;e 
fo  meit  ergaben  31t  benfeit ,  als  fie  nur  immer  null.  Sie  Malerei  aber 
muf?  eine  fidjtbare  Scene  annehmen,  bereu  oerfdjiebne  notroenbige  Seite 
ber  SJlafjftab  für  bie  borauf  t)anbelnben  Sßerfonen  merbett;  ein  9)htf$ftab 

25  ben  ba§  2(ugc  g(eid)  barneben  f)at,  unb  beffen  Unproportion  gegen  bie 
f;öf;ern  Sßefen,  biefe  f;ö(;ere  vIÖefen,  bie  bei  bem  ®id;ter  grofj  rcaren,  auf 
ber  g-tädje  be3  SünftlerS  ungeheuer  mad)t. 

3-  Q.  9Jiineroa  fdjteubert  einen  großen  Stein  gegen  ben  9)JarG: 

röv  q'   ävÖQtg  nQÖztQOt  ftiactv  tinitvcci  ovqov  ägovQTjg. 

30  Um  fid)  bie  ©röfje  biefeS  Steinet  red)t  311  beuten,  erinnere  man  fid;,  bafs 
Konter  bie  trojanifdjeit  gelben  nod;  einmal  fo  ftarf  madjt,  a(3  bie 
ftärfften  aiJänner  feiner  3eit  (lliad.  t.  303),  unb  bafj  Sieftor  mef)r  als 
einmal  311  oerftet)ett  giebt,  baf?  bie  gelben  oor  feiner  $eit  nod;  ftärler 
gemefeit,  al§  fie.    Unb  ein  SRann,  nidjt  ©in  iOJann,  Männer  au§  biefer 

35  3eit,  rcaren  e3,  bie  biefen  Stein  3U  einem  @reti3fteine  aufgertd;tet  tiatten. 
■ftun  frage  idj,  meim  3R inert) a  biefen  Stein  fdjleubert,  oon  meldjer  Statur 
ioll  bie  ©öttin  fein?  Soll  ttjre  Statur  ber  ©röfce  biefeä  Steint  pro- 
portioniert fein;  fo  fällt  ba3  Sßunberbare  roeg.  (Sin  Säftann  ber  breimal 
gröfjer  ift,  al§  id),  mu|  natürlicher  SBcife  aud)  einen  breimal  größeren 

40  Stein  fdjteubern  tonnen,  at§  id;.  Soll  aber  bie  Statur  ber  ©öttin  ber 
©röfje  be§  Steinet  nid;t  angemeffen  fein:  fo  entftefit  eine  anfdjaulidje 
Unroaf)rfcfjeiitlid)teit  in  beut  ©emälbe,  bereit  2tnftöfngfeit  burd;  ben  \vjxn- 
boliidjen  ScfjtuB,  bafe  eine  ©öttin  übcrtnenftt)Ka)e   Störte  f;aben  muffe, 


198  lladjlaß  jum  Caokoon. 

ntdjt  gehoben  roitb.    3Bo  tri)  eine  größere  SBSirhing  fet>e ,   rot  11  icf>  and) 
größere  SBerfjeuge  loa^rne^nten. 

Äurj,  roa§  bie  materielle  Äunft  fjteruon  malen  rann,  iotvb  uielleicf>t 
ein  fdjöneä  ©etnälbe  werben  tonnen,  aber  bod)  nie  ben  ©etft  be§  Std)ter3 
fjaben;  unb  man  ift  fefjr  gutljerjig,   bemolmgeaditet  bergleidjen  ©emälbe   5 
für  liomerifdje  ©emälbe  gelten  511  laffen. 

XIII. 

Sie  alten  üöialer,  finbe  id),  brauchten  unb  ftubierten  ben  £iomer 
ganj  anberö,  al§  6antit£>  es  unfern  IKalern  51t  tlutn  anrät. 

©ie  brauchten  tfjn;  mdjt  bafs  fte  bie  ftanblungen  aus  ü)iu  gemalet  10 
fjätten,  bie  eine  reiche  5tompofttion,  uonügltdje  M'ontrafte,  t'üitftlidje  SBe* 
leudjtungen  barbieten;  fte  mieten  btofj  feinett  fyingerjeig  auf  befonbere 
förperlidjc  Schönheiten;  biefe  malten  fte ;  unb  in  biefen  ©egenftänben, 
füllten  fie  roof)f,  mar  e§  Unten  altein  uergünnet,  mit  beut  Sinter  roett= 
eifern  51t  mollen.  15 

©0  malte  5.  ß.  2(pelte§,  nad)  bem  SßKniuS,  libr.  35  sect.  36.  Dianam 
sacrificantium  virginuui  choro  mixtam,  quibus  vicisse  Honaeri 
versus  (Odyss.  'g.  v.  102.)  videtur,  id  ipsum  describentis.  —  (2(n-- 
ftatt  sacrificantium  mujj  man  t)ter  lefen  saltantium,  ober  venantium 
ober  sylvis  vagantium;  beim  Jöomer  läfjt  bie  ©efpieliimen  ber  Siana  20 
nidjt  opfern,  fonbem  Serge  unb  SBälber  mit  itjr  bttrdjftreifen ,  jagen, 
fpielen  unb  fjüpfen.) 

©0  malte  3*-'"i'i3  bie  §etena,  unb  mar  füljn  genug,  bie  berühmten 
geilen  beo  ftomers  (Iliad.  y.  \.  15C.  barunter  311  fefcen.  (Valerius 
Maximüs  lib.  III.  cap.  7.)  Safjt  il)it  aber  and)  i>a$  f)öd;fte  fsbeal  ber  25 
roeiblidjen  Sdjbittjeit  gemalt  fjabctt :  fo  ift  e§  bod)  geroiB,  baft  fein  ©es 
mälbe  bie  allgemeine  SBirfung  nid)t  fann  gehabt  haben,  bie  man  ber  33e» 
fdjreibung  beo  2)id)ter3  jugefteljen  mufc. 

2ll<3  sJctfoftratus>  (Aelian.  lib.  14.  47.)  uoller  ©rftaunen  uor  biefem 
Silbe  be3  3eu?i'3  ftctnb,  ftanb  neben  ilmt  ein  anberer,  ber  gaivj  falt  30 
blieb,  unb  gar  nidjt  begreifen  tonnte,  umo  beim  9iifoftratu§  eigentlich, 
fo  SBunberbareo  barin  entberfte.  Sßann  bu  meine  21 11  gen  hätteft!  fagte 
biefer.  2lber  -KtroftratuS  mar  felbft  ein  SDlaler;  unb  ift  beim  bie  <Sd)'ön- 
fjeit  nur  für  bie  Äunftoermanbten?  Sod)  e3  lag  nidjt  an  ber  Äunft; 
beim  bie  Üunft  tann  nid;t  mehr  tl)un,  alS  bie  "Jcatur  felbft,  unb  baS  35 
fdjönfte  ©efidjt  in  ber  -Katut  felbft,  roirb  nid)t  aller  9)tenfd)en  33eifall 
in  einerlei  ©rabe  haben,  yomorö  Helena  ift  unb  bleibet  bie  einzige,  an 
ber  niemanb  etroao  auögufeben  finbet,  bie  alle  3Jienfd)en  gleich  ftarf 
entjüclet. 

Unb  rote  bie  alten  Münftler  ben  .vunuer  ftubieret,  fäfd  jtdj  unter  w 

7ff.  SSgl-  älbfc^tt.  xxil.  —  29.  JJifoftratuä,  ihcIukHiv  3lifomad)u3,  gviecfi.  ÜJJaler, 
um  400— 86U  0.  Gf)i\ 


i^tatri tnltcn  unb  (L*ntii)ürfe  511m  Caokoon.  19ü 

onbern  au$  bem  (iroinpcl  beS  $f)ibia!j  (evnen.  Sie  nährten  fidj  mit  beut 
©eifte  be3  ©idjterö,  fie  füllten  tljre  @inbtlbung§ftaft  mit  feinen  er= 
tjabenften  3u9ett>  t,ao  a*-'"^*  fetne§  Gntljufiaämuö  entflammte  ticn  irrigen, 
fie  fafyen  unb  empfanben  mie  er,  nnb  fo  mürben  iljre  2Berfe  2lbbrüde 
5  ber  Ijomerifdjen ,  nid)t  in  bem  SSerljaltniffe  eines  ?ßorträt§  5U  feinem 
Originale,  fonbem  in  bem  SBer^ätthiffc  etneS  ©oljneä  51t  feinem  Sater; 
ätjnltdj  aber  ocrfdjieben.  Sie  Slljnlidjfeit  Hegt  öfters  nur  in  einem  eitu 
jigen  3uSe!  ^ie  übrigen  alte  Ijaben  unter  fidt)  nid)t3  ÖteidjeS,  als  baf;  fie 
mit  bem  äfmüdjen  3uge>  i"  ")em  röwn  foroof)(,  ttl§  in  bem  onbern,  i)at- 
10  monieren,  SJSfjtbiai  geftanb,  baf?  er  burd)  bie  3etten:  (liiad.  a.  528. 
Yalerius  Maximus,  lib.  111.  cap.  7.) 

H  »tat  Y.vavtijaiv  in'  ocpQvGt  vsvas  Kqovlcov  ' 
'JußQoaica.  8'   cigct  %ctizo:i  littyQÖiGavxo  avcc%roq, 
ÄQcrbs  icit' •  a&avccTOio  •  fj,£yccv  d'  sltXi^ev  "Olvaitov 

15  bei  Silbung  feinet  olumpifdjen  Jupiters  begeiftert  roorben,  unb  baf}  nur 
burd)  iEjre  !öilfe  er  feinem  Silbe  ein  @efid)t  gegeben  propemodum  ex 
ipso  coelo  petitura.  Gaplus  fagt  non  biefen  3e^en:  cette  grande 
idee  est  impossible  ä  rendre  en  peinture;  inais  un  artiste  ne  peut 
l'avoir  trop  presente   ä  l'esprit;    e'est  un  moyen   de   croitre   son 

20  ouvrage  etc.  Gr  fd)ränft  ben  9htfecn,  ben  fie  bem  Äünftler  geteiftet, 
unb  nod)  leiften  tonnen,  auf  bie  fmnpatljetifdje  Grl)üf)img  unfrer  <5in= 
bilbungSfraft  ein.  3nbe§,  glaube  id),  ift  t)ier  nod)  etroaS  ©pegTeffereä  nt 
fagen.    3iämu"d): 

MlopftodS  3e^en:  (®«ftcr  ©efang  141^  reo  er  Sott  fagen  täfjt: 

ü5      „ 3d)  breite  mein  £au:pt  burd;  bie  öimmel, 

•Keinen  2(rm  burd)  bie  Unenblid)teit  am,  unb  fag':    Qdj  bin  enrig! 
Sag'  unb  fdnuöre  bir,  ©ol)n:    §d)  roill  bie  ©ünbe  »ergeben !" 

finb  unftreitig  ebenfo  ergaben,  als  jene  3eilen  be3  Homers,  unb  bem 
fjödjjften  SBefen  geiüifj  anftänbiger.    ©leidjmoljl  glaube  id)  fdperlid),  baf$ 

30  fie  auf  einen  ^ünftler  einen  grofjen  Ginbrud  mad)en  werben,  irjenigftens 
feinen,  ber  ifm  bei  feiner  Strbeit  leiten  unb  unterftü^en  tonnte.  Unb 
roarum  nid)t?  Sie  finb  au3  feinem  malerifdjen  ©efidjtöpunfte  genommen; 
eö  ift  nid)t  ber  geringfte  3"g  barin,  ben  ber  Waler  ebenforooljl  braudjen 
tonnte,  als  ifjn  ber  2)id)ter  gebraucht  fjat.    Sergleidjen  3ltg  «ber  ift  in 

35  beö  §omerä  ©emälbe;  unb  ofme  groetfel  lernte  ^>f)ibiaö  suerft  aus  if)in, 
bafj  bie  2(ugenbraunen  bcrjenige  Seil  be3  6Jefid)te3  finb,  in  roetdjem  fid) 
ber  ftärffte  2(usbrutf  ber  9.)iajeftät  äußert. ')  Ginteilung ,  meldte  bie  nady- 
Ijerigen  Äunftlefjrer  uon  bem  menfdjlidjen  Öefidjte  gegeben  fyaben. 

')  2>er  Unterfdiieb  ift  bter  offenbar  bicfer.    dornet'  bat  ein  nettes  Silb,  ein  ausfuhr* 

40  lidje'3  ©emälbe  in  (Sebanfen  gehabt,  alö  er  biefe  3eiten  gebidjtet.    2Bie  er  aber  (obne  ben 

©inbruct  ju  fcbroädjeiu  nid)t  alle  einjetne^üge  befcbreiben  fonnte;  fo  roäljÜe  er  Diejenigen, 

bie  auf  feinen  ©egenftanb   ba>3  erftabenfte  i.'idit  werfen.    Ser  ÜJialer  tarnt,   burd)  biefe 

39.  nett,  b.  I).  abgerunbet. 


20O  ilrtdjlaf;  pim  Caokoon. 

fdjöpferifdic  3üge  begeiftcrt,  fid)  bas  nämliche  nette  imb  potlftänbigc  ©emälbe  porflelten, 
bas  bem  Siebter  uor  Slugen  gefdjwebt,  unb  es  nad)  bem  Sebürfniffe  feiner  fiunft  aus= 
führen,  .ftlopftod  fiat  bei  feiner  Schreibung  gar  fein  nettes  ©emälbe  cor  Shigen  gehabt, 
©ie  Seite  bes  Sitbcs,  bie  er  nid)t  betreibet,  fmb  fo  vague,  fo  bunfet,  bag  fic  gar  nicfjt 
Iiinsugebacbt  werben  fönnen.  Unb  fo  pertjält  es  fid)  faft  mit  allen  Oftiltomfdjen  unb  fllop-  5 
ftodifdjcn  Malereien.  SBaS  fie  nidjt  febitbern,  mug  faft  aUjcit  in  ber  Ginbilbungsfraft  bes 
iiefers  fo  unbeftimmt  bleiben,  als  es  ber  ©tdjter  in  feiner  Sefdjreibung  gelaffen,  bafier 
finb  fie  nidjt  malerifd).  SBeim  aber  ber  fiefer  in  ben  ©tanb  gefegt  worben,  bas  ©emälbe 
in  ber  GinbilbungSfraft  su  noltenbcn,  fo  lägt  es  fid)  aud)  malen. 

Sie  fttgur  beS  Stopft,  besieget  fidj  auf  bie  ©teile  im  5.  S.  Mofe:   3d)  tjebe  meine  10 
§anb  in  ben^immel  unb  fagc  id)  lebe  ewiglid)  ober  fo  wab,r  id)  ewiglid)  lebe, 
roettn  id)  mein  ©diwert  wetie  k.  ©as  Slufbeben  ber  .'ijanb  ift  ein  $eid)en  bes  Gtbes.  Älopftods 
3"fo4  will  mir  nidjt  fonberlid)  gefallen.    Gr  fdjeinet  bie  gbee  etwas  giganteSfe  ju  madjen. 
$dj  breite  mein  £>aupt  burdj  bie  gimme'L   2Bir  muffen  biefeS  Söilb  ja  nidjt  näijer 
betrachten,  fonft  oerliert  es  feinen  2Bert.    Gin  §aupt,  bas  burd)  bie  Fimmel  ausgebreitet  15 
werben  fann,  ift  fein^aupt,  unb  woju  wirb  es"  ausgebreitet?   Sßas  fjat  biefes  3eidjen  ju 
bebeuten?  —  aber  wer  wirb   fo  scrgliebern?   gut!    id)  jergtiebere  nidjts,   unb  fage  bie 
©teile  ift  ergaben.   Sergtcidjen  ©ie  mir  nur  nidjt  biefe  witbe  unb  unbeftimmte  Qbee,  mit 
ber  wotjlgebadjten,   unb  ber  gefunben  Seruunft  gemägen  Jjbee  bes  Römers,    ©ie  jagen 
jene  Sorfteltung  ift  ber  SRajeftät  ©ottes  angemeffener.   GS  fann  fein.   Sielleidjt  beSroegen,  20 
weil  fic  alles  .ftörperlidje  fogleid)  burd;  einen  SBiberfprud)  auftjebt,   unb  gleidjfam  oer= 
fdjroiuben  lägt,    ©in  öaupt,  bas  burd»  bie  £immel;  ein  2lrm,  ber  burd)  bie  llnenblidjfeit 
gefjet.    ©innlid)er  tonnte  ber  ©idjtcr  bas  ungereimte  Sing,  eine  unenblicfje  ^igur,  nidjt 
befd)reiben,  als  wenn  er  bie  Merfmatc  fetbft  fid;  cinanber  wiberfpreajen  lägt.    SBollen 
wir  aber  biefe  Segriffc  malerifdj  nennen?    £adjcn  ©ie  nidjt,  idj   finbe  tjier  nidjts,   als  2o 
eine  2lntitf)cfe,  fo  roie  lucnn  Soung  pom  Mcnfdjcn  fagt,  ©in  SBurm,  ein  ©Ott  u.  f.  id., 
ober  wie  9ßope  ben  ©tier  befdjreibet,  ber  tjier  mit  ©taub  unb  ©djmeig  Bcbecft,  mübfam 
^-urdjen  steEjt ,  unb   bort  mit  Slumen  befranst,  Sötfer  por  fid;  fnieen  lägt.    ültleS  biefes 
finb  2lntitf)efen,  unb  2lntitfjefen  fönnen  nidjt  malerifd)  fein. 

^dj  berufe  mid)  abermals  auf  bie  Satufunft.  ©ie  Sefdjreibung  beS  Römers  fann  30 
getanst  werben,  ©ie  Miene,  bie  ber  majeftätifefie  ©altator  annimmt,  inbem  er  ber  fdjönen 
Xfjetis  baö  göttlidjc  3eid)en  giebt,  muf,  malerifd)  fein,  unb  fann  burd)  ba§  Qbeal  ertjötjet, 
bas  erliabcnfte  SSilb  werben,  bas  bie  fiunft  f)crporgcbrad)t.  2lber  bie  löefd)reibung  bes 
.Klopft,  muf;  pom  ©eflamator  notroenbig  gclefcn  werben,  wie  eine  Sentenj,  bas  fjeifjt,  fie 
lägt  fid)  fo  wenig  tansen,  als  malen.  35 

Saffen  ©ie  mid)  liier  eine  9iefler.ion  tjerfe^en,  bie  pielleidjt  nirgenb  anbers  33lafc 
fiubcn  wirb,  ©ie  orientalifdje  Sßoefic  unterfdieibet  fid)  porncbmlid),  wo  id)  nid)t  irre, 
burd)  folgenbe  .Rennseidien,  1)  fie  ift  unregclmägig  im  ganzen,  unb  2)  fiifin  aber  un= 
malerifd)  in  ber  SluSbilbung.  Gine  ätjnlidie  a-tcfdjaffenljeit  bat  es  mit  ben  SBerfen  aller 
grogen  ©eifter,  bie  in  ungebilbeten  unb  mufenlofen  ^ei'cn  gelebt,  gä)  ftelle  mirpor,  bog  40 
bie  9tegelmägigfeit  unb  ©ä)bnljeit  beS  ©an^en  Qbeen  finb,  auf  meld)e  man  in  ber  ^oefie 
nid)t  geraten  fann,  wenn  wir  fie  nidjt  pon  ber  Malerei  unb  SBilbtjauerfunft  entlelmen, 
unb  auf  bie  ©iditfunft  anwenben;  benn  ba  bie  S3cgriffc  in  ber  ©idjtfunft  auf  einanber 
folgen;  fo  feljen  wir  fo  leidjt  bie  SJotwcubigfeit  nidjt  ein,  biefe  mannigfaltigen  Seile  su* 
fammen  als  ein  fdiönes  ©anje  ju  betradjtcn,  unb  in  ibrer  S3erbinbung  ju  überfeljen.  Jgin=  45 
gegen  ift  bei  ber  üJialerei  unb  Siilbfiauerfuuft,  bie  bie  Segriffe  sufammen  als  ein  ©anjes 
barftellen,  bas  ©anje  aud)  immer  baS  erfte,  worauf  wir  feben.  Slllbier  baben  alfo  bie 
Siegeln  oon  ber  ©d)önf)eit  bes  ©anjen  gar  lcid)t  erfunben  unb  fiernad)  per  prinoipium 
icihutidiiis  auf  Spocfie  unb  S3crebfamfeit  angewanbt  werben  fönnen.  Gs  folget  hieraus, 
bag  33ölfer  unb  3eitcn/  6(;'  lln*>  '«  ipcld)cn  bie  Malerei  unb  23ilbbauerfunft  nidjt  in  2luf=  50 
nabme  ift,  aud)  in  ber  ^poefie  unb  Söcrcbfamfcit  pon  ber  ©d)önb,eit  bes  ©anjen  fefir 
fd)wad)c  Segriffe  tjaben  muffen,  ©ie  Hebräer  tonnten,  permöge  iljrer  Sieligion,  weber 
Malerei  nod)  Silbfjauerfunft  l)abcn.  9lud)  Ijaben  ibre  ^oeteu  unb  Siebner  feine  richtigen 
Segriffe  pon  s^lau,  Slnorbnung,  Scrteiluug  bes  2id)tS  unb  ©djattens,  u.  f.  ro.,  aber  bie 
©ried)en  — .  55 

Gine  äl)nlid)c  Scfdjaffeufieit  bat  es  mit  bem  Malerifdjcn  in  ber  SluSfiiljrung.  SBer  an 
feine  Serbinbung  ber  flünfte  benft,  unb  bie  *noefic  ganj  allein  per  2lugen  fiat,  wirb  in 
einer  ©cbilberung  Qüqc  percinigen,  bie  fid)  cinanber  fcljr  frembe  finb.  Gr  wirb  ben  Sßfeit 
trunfen  pon  Stute  fein  laffen,  er  wirb  bas  Sdjwcrt  ©otteS  anreben,  fefire  in  bie  ©d)eibe 
suriief!  rafte  allba!    Gr  wirb  baburd)  fiil)n,  aber  uumalerifd)  werben,    ©eine  ©eele  t>at  bie  GO 

sf.  Sgl.  3iad)l.  A  4,  2.  2tbfd)n.,  XI.  —  10.  5.  S.  Mof  e,  Aap.  32,  40 f.  —  20.  2Joung, 
Siadjtgebanfeit  I,  80.  —  27.  Sopc,  Essay  on  Man,  1  Sricf,  2lbfd)ti.  2.  —  31.  ©al» 
lator,  länscr,  Pantomime;  es  ift  ^eus  gemeint.  —  55.  Sgl.  Siadit.  A  4,  2.  2lbfcbn.,  XIII. 
—  58  ff.  5.  Mof.  32,    I:'. 


^Materialien  unö  ffintiiutrfc  jum  ffaokoon.  201 

rtertigfeit  uid)t,  ifjre  @rbid)tungen  fid)  in  netten  unb  aii§füljrlid;en  Silbern  oorgufteücii, 
benn  biefe  gertigfeit  erlangt  man  nur  buref)  bie  Sefanntfdjaft  mit  ben  SDleifterftütfen  ber 
Silbljauerfunft  unb  sD!alerei,  reo  jebe  @rbiditung  von  allen  Seiten  beftimmt  fein  muß. 
2J!id)  bünft,  bie  neuern  Sid)ter  baben  baS  Küljne  unb  Unbeftimmte  in  ibren  ©rbidjtungen 
5  non  ben  Drientaliern  entlehnt.  Unfere  Sänger,  Silbfjauer  unb  Sid)tcr  beljanbeln  oer= 
fdjiebcne  ©ujetä.  (53  ift  fein  Setteifer  unter  ihnen,  bie  nämliche  öaubluug  burd)  ner= 
fd)iebene  3JUttel  nad)äuab,men.  Saher  bie  Münftc  fid)  einanber  fein  Sicht  mitteilen.  (Snblid) 
Dcrlieren  fid)  unfere  Siebter  ganj  unb  gar  in  ba3  Unfidjtbare,  in  baS  Dteid)  ber  ©pefu= 
lation,  rootnn  ifjuen  feine  anbere  Kunft  folgen  fann,  roo  nur  ©d)attenbilbcr  oor  unfern 
10  Slugcu  feberjen  unb  Derfcfjroinben ,  beoor  mir  ihre  wahre  ©eftalt  erfenneu,  roo  mir  uns 
alfo  begnügen  muffen  nur  einige  3»8e  5"  berühren,  unb  alle3  übrige  roie  in  einen  SÜtber 
jerfliefjen,  unb  unfenntbar  roerben  ju  laffen.  —  SBoIIen  roir  eine  fold;e  s}ioefie  malerifd) 
nennen  ? 


15  Einem  jeben  reblid)en  Singe  fömmt  eine  breifadje  gorm  ju.  ©ine  in  bem  ©eifte  be3 
Künftlers,  ber  e§  lieroorbringen  roill,  bie  jroote  in  ber  Statur  ber  Singe,  alli»o  fie  mit 
ber  -üiaterie  oerbunben  ift,  unb  bie  lefcte  in  bem  ©eifte  be§  83etrad)tenben.  —  Sie  erfte 
gorm  ift  alljeit  bie  »ollfommenfte,  unb  fie  macht  ba3  2>beat  be§  Äünftterä,  ober  ba3  fub= 
jeftiue  ^beal  au3. 

20  Sa3  objeftioe  Sbeal  ift  ba>3  Maximum  ber  Schönheit.     Sie  SJatur  bat  e§  im  gaiijen 

SBeltaü  erreidiet  unb  eben  be§roegen  in  allen  iljrcn  Seilen  nicht  erreichen  fönnen.  2Iud) 
war  bie  ©  d)  ö  n  b  e  i  t  nicht  ihre  £iauptabfid)t,  unb  fie  bat  febr  oft  ber  Sollt  ommentjeit,  ober 
bem   ©uten  unb  Diütjlicben  roeidjen  muffen. 

Seö  KünftlerS  2lbfid)t  gebt  blofj  auf  bie  ©d)önf)eit,  unb  jroar  nicht  roeiter  als  auf  bie 

25  Schönheit  eines  ifolierten  Seils.  Saber  mufs  er  bem  Sjbeal  näher  fommen  al§  felbft  bie 
9!atur.  (Sr  mufj  s-  @-  bie  3'igur  einer  jugenblidjen  ^Jerfort  fo  barftellen,  roie  fie  oon  ber 
Jcatur  beriiorgebracbt  roorben  roäre,  roenn  bie  Sdjönbett  biejer  einjelnen  Serfon  ihre 
.■gauptabfidit  geroefen  roäre. 

ige  jufammcngefefcter  eine  Sd)önt)eit  ift,  befto  weniger  fann  jebe?  non  ifjren  Seilen 

30  bao  ijbeal  erreichen,  ba§  tfjnen  sufommen  roürbc,  wenn  fie  ifoliert  roären.  (Sine  einjige 
Sinie  erretd)te  ba3  gbeal,  roenn  fie  bie  SBinbung  ber  SBellenlinie  bat;  in  jufammen= 
gefegten  Figuren  hingegen  mufj  bie  Stnorbnung  beä  ©anjen  eine  foldje  Sßellenlinie  au3= 
inadien,  aber  jebe  einzelne  Sinie  entroeber  mcf)r,  ober  roeniger  gcrounben  fein.  Sa§ 
^beal  fömmt,  roie  bie  ©djönljeit  überhaupt,  »orsüglitfi  nur  ben  formen  fbrperlidjer  Singe 

35  ju,  transscendentaliter  hingegen  Ijaben  aud)  ©ebanfen,  garben,  Söne,  Söeroegung  unb 
jeber  Slu3brucf  innerlicher  ©mpfinbungen  itjre  Scfjönljeit,  unb  folglid;  tt;r  Sbeal. 

II. 

@$  fömmt  in  ben  fdjßnen  fünften  nidjt  roenig  barauf  an,  ob  bie  legte  gorm  foldje 

Silber  finb,   bie  leid)t  in   ba3   ©ebäd)tni?  ä'H'i'dfommen.     Sie  ^stjantaSmata  fdjeinen   in 

40  folgenber   Orbnung   an  Scutlid)feit   abjunebmen.    1)  Umriffe   ber  Figuren  unb  Äörper, 

ober  überhaupt  förperlidje  formen.    2>  ©ebanfen.    3)  Seroegung.    4)  garbe.    5)  ©djall. 

6)  Energie  unferer  inneren  Gräfte  (©djmerj,  SBolluft,  Segierbe,  Seibenfdmft  u.  f.  ro.)- 

7)  finnlidieS  ©efüb,l.    8)  ©erud).    ü)  ©efdjmacf. 

Sie  ©djönljeit  fömmt,  ber  erften  unb  urfprünglidjen  Sebeutung  nad),  nur  ben  förper* 

45  lieben  formen  ju.    Sa   bie  Seroegung  ber  Körper   burd)  Sinien  gefd)iel)et;    fo  mar  e§ 

natürlidi,   aud)  ber  Seroegung  ©d;ön^eit  jusufdireiben.    3J!an   läfjt  inbeffen  aud)  ben  @e- 

bauten,   ben  garben  unb  enblid)  aua)  bem  Sdjalle,  roenn  er  einen  Son  angiebt,  ©d)ön= 

f)eit  jufommen.    hingegen  ift  bie  ©d)önf)eit  be§  Sonc§  fdjon  etroaä  Ungcroölnüidieö.    33on 

ber  Energie  unferer  inneren  Kräfte  fagen  roir  nur,  bafs  fie  moralifd)  fdiön  ober  f)äfelid) 

50  finb;  7.  8.  9.  aber  fönnen  angenefim  unb  roibrig  [7  fanft  unb  rauf),  8.  9.  aber  angenehm 

unb  roibrig] ,  aber  nidjt  fd)ön  unb  bäfelidj  fein.    ü)Ht  bem  Sieije  ift  man  fo  oerfd)roenberifd) 

nidit  geroefen.    SRcuenb  ift  nur  bie  ©djönfjeit  ber  gorm  in  S3eroegung,   benn  biefe 

erregt  in  un§  baS  SBerlangen  fie  roieberfjolt  ;u  feben,  reist  un§  jur  2lufmerffamfeit.    63 

giebt  aud)  einen  finnlicfjenSteij,  ber  nid)t  aus  ber  ©d)önbeit  entfpringt,   unb  biefer 

55  fömmt  fogar  bem  Öefd)ma(f  ;u. 

III. 
Sie  ©djönljcit,   in  foroeit  fie  tranofcenbcntal  ift,   f)Qt  allgemeine  Flegeln,  in  roeldien 
gorm,  ©ebanfen,  33eroegung,  Söne  unb   Jarben  übereinfommen.    Siefe  finb  SDiannigf., 

15.  reblid),  b.  f).  vernünftig,  roirflid).  —  39.  '•pljantaämata,  erid)einungen,  S8or= 
ftellungen,  ©inneaeinbrüde.  —  53  ff.  Sgl.  Ülbfdin.  XXL 


202  Miirijla|j  juin  Caokoon. 

Ginhcit,  2Bo()lgeretmtl)eit,  Drbnuug,  9leu6,eit,  ficbtiaftigfeit  u.  f.  m.  3>iefe  affgemeinen 
Kegeln  (äffen  fid)  auf  alle  febüuen  flünfte  unb  SB.  antoenben,  unb  fönuen  aus  einer  in  bie 
anbete  übertragen  werben. 

hingegen  finb  fte  unterfdjieben  l)  »ermittelft  ber  begegneten  Sad)en,  2)  ncrmittelft 
bor  3eidjen.  Sie  Bejeidjneten  Sadiett  finb  entroeber  formen,  bie  Icidit  in§  ©ebäditni*  5 
jurücßommen,  al§  ©ebanfe,  gfigur  unb  SBemegung,  ober  nid)t  leiebt,  al§  Jarbc  unb  gc^nll, 
fte  finb  entroeber  sugteid)feienb  ober  aufeinanberfolgenb.  Sie  3eid)en  finb  natürlid)  ober 
nriüfürlid)  sugleidjjeienb  ober  aufeinanberfolgenb,  täufebenb  (inbem  fie  uns  ben  Sd)ein  als 
eine  SBirtlidtfeit  Dorfteffen)  ober  nidjt  täufdienb,  brüden  aud)  iganblungen,  dienen  unb 
©ebärben,  ober  nur  ©mpfinbuiigen  aus,  unb  biefe  (Smpfinbungen  finb  entroeber  Steigungen  10 
unb  ^eibenfdiaften,  ober  blofj  ftnnlidje  SSorftellungen,  enblid)  finb  bie  3eid;en  aud;  meljr 
ober  roeniger  lebhaft. 

Sie  ©itfjtfunft  Bebtenet  fid)  aufeinanberfolgenber  3«id)en,  ba  fte  aber  roillfürtid)  unb 
mit  ©ebanlen  perbunben  finb,  fo  fommen  ihre  formen  leidjt  in  bas  ©ebädjtniS  jurttcf, 
unb  fic  perbinbet  alle  gute  ßigeitfdjaften  bes  Schönen.  Sie  fann  torperiidje  formen  unb  15 
SBeroegung  auSbrüden,  ift  ber  Sjffufton  fähig,  brüdt  Jöanblungen,  Mienen,  ©ebärben  unb 
alle  ätrten  pou  Empf.  aus.  Sie  Sebtjaftigfeit  ber  ©inbrüde  erhält  fte  burd)  SJtuftl  unb 
Sansfunft. 

Sie  ÜRalerei   bat  förperl.  fjormen   unb   einen   geroiffen  Slnfcbein  ber  SBeroegung  ju 
ihrem  ©egenftanbe.    3§re  Seidjen  finb  jugleidifeieub,  natürlid),  täufdienb,  brüden  au*  20 
Jganblungen,  SBHenen  unb  ©ebärben  unb  oermittelft  biefer  Seibenfdjaften  auZ. 

Sie  SBauftmfi  bat  nur  torperiidje  gformen  sunt  ©egeuftanbe.  Sie  3ei*en  fino  natür» 
tief) ,  sugleidjfeienb,  nicht  täufebenb,  brüden  nur  finnlidje  SBegriffe,  ohne  Neigung  unb 
Gmpfinbung  aus. 

Mufif.  Ser  ©egenftanb  ift  norüBergefjenb  unb  läfet  feine  beutlidje  snfjantasmata  surüd.  25 
Sie  3eid)en  finb  natürlid),  aufeinanber  folgenb,  feiner  SEäufdjung  fällig ,  tonnen  aber  bie 
Sffufton  ber  Sidjtfitnft  unb  Xanjtunfi,  burd)  bie  pcrmcfjrte  Sebbaftigfcit  ber  (impf,  unter» 
ftütien ;  brüden  roeber  Jöanblungen,  nod)  Mienen  unb  ©ebärben,  fonbern  blofs  ßinpfinbungen, 
unb  jroar  foroobl  finnlidje  Segriffe,  als  Steigungen  unb  Seibenfd)aften  aus,  befifcen  ben 
I)öd)ften  ©rab  ber  Sebbaftigfeit.  30 

Tic   Kanjlunft  bat  bie  gormen  in  SBeroegung  sunt  ©egenftatrbe.    gbre  3ci$en  f'nD 
natürlid),  äugteidjfetenb  unb   aufeinanberfolgenb,   rote  ibr  ©egenftanb,    fönuen  täufdjen, 
brüden  .fianblungen,  SDlienen,   ©ebärben  unb   oermittelft  biefer  Neigungen  unb  Seiben* 
fdmfteu  aus.    Sa  ifjre  formen  aber  porübergel)enb  unb   iljre  3eid>en  natürlid)  finb;  fo  . 
läjjt  fie  feine  fo  beutltdien  SpijantaStnata  surüd,   als  Malerei  unb  Sid)tfunft,  ftel)et  aud)  3."> 
an  S'ebbaftigfeit  ber  Cfmpfinbung  ber  üJhtfit  riaeö  unb  bebiettet  fid)  iljrer  ßilfe. 

Sie  garbenfuuft  fömmt  mit  ber  Mufif  übereilt,  nur  baf?  ihr  ©egenftanb  fortbaucrub 
ift,  unb  fie  feine  ©mpfiubungen,  fonbern  nur  finnlid)e  SBegriffe  erregen.  Ob  fte  gleid; 
felbft  nidjt  täufdjen;  fo  unterftüfcen  fie  bie  SUufiou  ber  Malerei. 

Sie  SBilbbauerfuuft  bat  nüt  ber  SRalerei  nieles  gemein,   nur  mufs  fte  ofjne  §ilfe  ber  40 
garten  täuföjen  unb  ben  gertngften  Sdieiu  non  »-Bewegung  nermeiben 

(Menbelsfo()iu 


Wad)  bem,  roa3  nur  in  unfern  utünblidjen  Unterrebungen  ausgemacht 
fyabeu,  »erbeffere  icf)  hteine  Einteilung  bei  (Megenftänbe  ber  poetifd;en  unb  4.-. 
ber  eigentlichen  3KaIerei  folgenbergeftatt. 

S5ie  Malerei  jcfjifbert  Äörper,  unb  anbeutungSroeife  buref;  Körper, 
SBeroegungen. 

5)ie  ^ßoei'te  yd)ilberi  Seroegungen,  unb  anbeutungötoeife  burd)  viV= 
roegungen,  Körper.  50 

37.  Sie  garbenfunft  ift  nidjt  Malerei  (bie  fdjoit  porber  erroäbnt  ift),  fonbern  bie 
Aiuiift,  buvai  paffenbe  Sufammenfteffung  oon  Jarben  angenebme  einbrüde  ju  erzielen, 
.uaut  reebnet  fie  mit  Saulunft,  45ilbl)auertitnft  unb  fDlalerei  j»r  bilbenben  Runft.  SSgl. 
aud)  Berber,  ftrit.  aiUiibdiett  1,  *04.  —  43  ff.  «gl.  -liad)l.  F.  7,  XL111.  —  41.  Unter» 
rcbitugeit,  SeffingS  mit  OTcnbelSfobn  unb  UHcoIai. 


^Materialien  nnb  ©ittnnirfe  juin  ffaokoon.  203 

©ine  9teif;e  oon  Söeroegungen,  bie  auf  einen  ©nbjroetf  abseien,  l;eifjet 
eine  ftanblung. 

3>tefe  SWeitje  oon  Scroegungen,  ift  entroeber  in  eben  bemfelben  Äörper, 
ober  in  Betriebene  .Hürper  »erteilet.     3ft  f'e  in  eoe"  bemfelben  Körper, 
5  fo  rotU  ict)  e§  eine  einfache  .v>anblung  nennen;  unb  eine  !o  lieft  tue 
^anbtung,  roenn  fie  in  mehrere  Körper  »erteilet  ift. 

S)a  eine  9ietf;e  von  ^Bewegungen  in  eben  bemfelben  .Hörper  fief»  in 
ber  $eit  ereignen  mufs;  fo  ift  e§  ftar,  bafj  bie  Malerei  auf  bie  einfachen 
Staublungen  gar  feinen  2lnfprud;    machen  fann.     Sie  tierbleiben  ber 
10  'ipoefie  einsig  unb  allein. 

S)a  fjingegen  bie  tierfdjtebenen  Äörper,  in  meiere  bie  9teil;e  uon  33e= 
roegungen  nerteilet  ift,  neben  einanber  in  bem  Staunte  ejiftieren  muffen; 
ber  Staunt  aber  bas  eigentliche  ©ebiete  ber  Malerei  ift;  fo  gehören  bie 
f  olleftiuett  Staublungen  notroenbig  "$u  il)reit  SSorroürfen. 
15  2lber  roerben  biefe  follefttnen  S> anbiungen,  be^megen  rceil  fie 
in  bem  Staunte  erfolgen,  au§  ben  SBorroürfen  ber  poetifdjen  Malerei 
auiBjufdjüefjen  fein? 

Stein.  S)enn  obfd)on  biefe  tollet tinen  Staublungen  im  Staunte  ge= 
fdr)et)en ;  fo  erfolget  bod;  bie  äßirfung  auf  ben  ßufdjauer  in  ber  3e^- 
■20  S>a3  ift;  ba  ber  Staunt,  ben  mir  auf  einmal  31t  überfeinen  fällig  finb, 
feine  ©djranfen  bat;  ba  mir  unter  mannigfaltigen  Seilen  neben  einanber 
unö  nur  ber  roenigften  auf  einmal  lebfjaft  beimißt  fein  tonnen:  fo  roirb 
3eit  basu  erforbert,  biefen  größeren  Staunt  burdjjugefjen  unb  un§  biefer 
reicheren  SJtannigfaltigfeit  nad;  unb  nad;  bemüht  3U  roerben. 
25  $olglid;  fann  ber  Snd)ter  ebenforool;!  ba§  nad;  unb  nad)  be  = 
fdjreiben,  roa£>  id)  bei  bem  SJtaler  nur  nad;  unb  nad;  fefien  fann; 
fobafj  bie  folleftineu  Staublungen  bas  eigentliche  gemeinfd)aftlid;e  ©e= 
biete  ber  Malerei  unb  ^oefie  finb. 

©ie  finb,  fage  id),  if;r  gemeinfd;aftlid;es  ©ebiete,  bao  fie  aber  ntd;t 
30  auf  einerlei  2lrt  bebauen  fönnen. 

©efefct  axid),  baf;  bie  23etrad;tung  ber  einjeln  Seile  in   ber  'poefie 
ebenfo  gefdmünb  gefd;el;en  fönnte,  al§  in  ber  Malerei:  fo  fällt  bod;  if;re 
Serbinbung  in  jener  roeit  f dunerer  al3  in  biefer,  unb  ba§  ©anje  fann 
folglid)  in  ber  Sßoefte  nott  ber  SSHrfung  nict)t  fein,  als  e3  in  ber  SJtaleret  ift. 
3.'.  2l>ao   fie  bal;er  am   ©anjen  verlieret,    mufs  fie  an  ben  Seilen  3x1 

gemimten  fud)en,  unb  nid)t  leid;t  eine  folleftioe  Srmnblung  fd;ilbern,  in 
ber  nid)t  jeber  Seil  für  ftd;  betradjtet  fd;ön  ift. 

Snefe  Stegel  braud;t  bie  SJtalerei  nid;t.  Sonbern  ba  bei  il;r  bie  3>er= 
binbung  ber  erft  einjeln  betrad;teten  Seile  fo  gefdjroinb  gefd)el;en  fann, 
40  baf?  mir  roirflid)  baS  ©anje  auf  einmal  311  überfeinen  glauben:  fo  mufj 
fie  nielme(;r  fid;  ef;er  in  ben  Seiten  aB  in  bem  ©ansen  üemad)läffigeu; 
unb  e3  ift  il)r  ebenfo  erlaubt  als  juträgud),  unter  biefe  Seile  and)  ntinber 
fd)öne  unb  gleid;gültige  Seile  311  mengen,  fobalb  fie  31t  ber  SBtrfung  bes 
0anjen  etroa§  beitragen  fönnen. 


2 04  tladjlnf!  nun  Cnokoon. 

Tide  boppctte  SRegel,  nämlid),  baß  ber  9JJater  bei  ißorftellung  fol« 
leftiner  öanblungen  meJjr  auf  bxc  ecfiöntjeit  beö  ©anjen;  ber  Sinter 
hingegen  mef)r  barauf  fefjen  mu^,  baß  fo  üiel  mögtidf)  jeber  einjelne 
Teil  jcbön  fei,  [priest  ba3  Urteil  über  eine  9)ienge  ©emölbe  be§  Äünftlerö 
nnb  beei  ©idjterS,  unb  fann  beibe  in  ber  2Öaf)l  tfjrer  SSorroürfe  fidjer  5 
leiten. 

3-  ©.  2lngelo  fjätte  ifjr  jufolge  fein  jüngfteö  ©eridjt  malen  foUen. 
■JUdji  311  gebenfett,  ttnemel  biejeö  Öemälbe,  burd)  bie  »etjüngten  ©intens 
fionen  t>on  ber  «Seite  beö  ©r^eßenen  nerlieren  mufe;  ba  ba3  allergrößte 
bod)  nod)  immer  ein  jüngfteS  ©eridjt  en  mignature  ift:  fo  ift  e3  gar  io 
feiner  fdjönen  2lnorbnung  fäf)ig,  bie  auf  einmal  tnä  2lttge  fallen  fönnte; 
nnb  bie  attäuntelen  gfiguien,  fo  gelehrt  unb  funftretdj  audj  eine  jebe  für 
fid)  felbft  ift,  oerrairren,  unb  ermüben  baS  2(uge. 

©er  fterbenbe  2tbont3  ift  bei  bemSion  ein  oortreff Ud)e3  ©emiilbe. 
Sflffein  id)  jmeifle,  baß  e$  einer  fdjönen  2lnorbnung  unter  ber  £anb  be§  15 
SUJalerä  fär)ig  ift,  loenn  er,  id)  null  nicht  fagen  alle,  fonbern  nur  bie 
meiften  3üge  "3eg  ©tdjterö  beibehalten  null,  ©ie  um  ifju  fjeulenben 
,'öunbe,  ein  fo  rüljrenber  $ug  bei  bem  ©idjter,  mürben  unter  ben  Siebet ■ 
göttern  unb  9iinnpben,  bünft  mid),  einen  fdjfedjten  (Sffett  tfnm. 


4.  20 

Grfter  2lbfd)nttt. 
I. 
Saofoon:    3ßiberlegung  ber  SGBtnfelmannifd^en  2lnnterfung.     3£af)re 
llrjadje,  auS  bem  ©efefce  ber  ©djöntjeit.    SöemeiS,  baß  bie  ©cfiönijeii  ba§ 
l)öd)fte  ©efefc  ber  alten  Ännft  geroefen.  25 

IL 
3n>eite  ilrfadje;  aus  ber  SSerwanblung  beS  Tranfitorifdjen,  in  ba3 
SBeftänbige.    ©er  äußerfte  2lugcnblitf  ift  ber  unfrudjtbarfte. 

III. 

©ie  ©tatue  mirb  mit  bem  ©emälbe  be3  ©idjter§  weiter  nerglidjen.  so 
äBoritt  unb  marum  raeiter  beibe  t)on  einanber  abgeben. 

IV. 
SBeiber   Übcreinftimmung.     iöabrfdjeinltdje    SBernuttung   au§   biefer 
Ubereinftimntnng,   baß   ber  eine   ben  anbeten  uor  2lugen  gehabt,     ©ie 

8  ff.  SDicfer  (Sinroanb  ift  tücDt  Berechtigt;  bafj  l'elbft  ein  3Jliniaturgetnälbe  ben  Giubnict 
beä  erhobenen  ^eroorjurufen  imftanbe  ift,  jeigt  KofaeB  SSifion  beä  ©jecöiel.  —  11  f.  SMefev 
Sorroiirf  ift  richtiger,  obgleid)  gegenüber  ber  granbiofen  einbeinigen  fionvpofition  be§  ©an.ien 
nid)t  fdtroer  ln8  ©creidit  falienb.  —  14.  »ion,  Reliqu.  1.  —  23 ff.  SSgl.  Slbfcbn.  If.  unb 
Junhl.  A  2,  2lbfdm.  XI.  —  27  f.  ä3g[.  Olbfdjn.  III.  —  30  f.  Sgl.  «bfdm.  V  f.  —  33  ff.  Sgl.  ebb. 


^Materialien  unb  {Entwürfe  {um  ffaokoon.  205 

©rtedjen  erjagen  btefe  Gegebenheit  ganj  anbero;  morauö  n>af)vfcf;etnlid) 
rairb,  bafj  ber  Äünftler  ben  33irgit  nadjgealjmet. 

V. 

©in  ©pence  bürfte  fdjroerlid)  meiner  Meinung  fein,    ©ein  feltfameö 

5  ©nftem,  bei  meldjem  alleä  Sßerbienft  beö  2:id)ter3  üertoren  geljt.    SBeroetfe, 

tote  wenig  er  uon  beut  befonberen  Öebiete  ber  Malerei  unb  5)id)tfunft 

uerftanben,   l.   an  ber  nn'ttenben  SSemtS,  '2.  an  ben  attegorifdjen  SBefen. 

VI. 

©in  ©anlu§  l)at  ben  3)td)tern  mel)r  ©eredjtigfeit  miberfaljren  laffen. 

io  Gr  Befennt  e3,  baf?  bie  Hünftler  ben  Siebtem  oiel  ju  banfen  fyaben,  unb 

nod)  mefyr  311  banfen  l)aben  Fönnen.    ©eine  ©emätbe  beö  §omet§.    ©in* 

rourf  mtber  bie  pfatnmentycmgenbe  gotge  berfelben,  au3  ben  unftdjtbaren 

©cenen  be3  35id)ter§. 

VII. 
15  3JUf$betttung ,  roeldjer  bie  Sfangorbnung  unterroorfen,  bie  (£ai}(uö 
unter  ben  2)id)tem  nad)  ber  SKcnge  iljrer  ©emälbe  mad)en  null.  @r  fmt 
nid)t  unterfdjieben ,  ma§  bei  bem  S)id)ter  ein  ©emälbe,  unb  ma§  für  ben 
9)Mer  brauchbar  ift.  ©r  nimmt  nur  immer  biefeö;  unb  jeneö  bleibt 
immer  raeg,  momad)  bie  3iangorbmmg  bod)  nur  einsig  gefd)el)en  müfjte. 
20  33eroeife  auS  bem  inerten  Söudje  ber  ^liabe- 

VIII. 

Urfadje,  marum  ba§  ©emälbe  beo  3)id>ter§  nur  feiten  ein  ©emälbe 
be3  DJtalerä  roerben  fann.    Wiener  malet  fortfdjreitenbe  £anblungen,  unb 
biefer  für  ftd)  befteljenbe  SBefen.    G^empel,  rcie  Corner  btefe  2öefen  in 
25  Jöanblungen  31t  uerroanbeln  meifj. 

IX. 

SBeantroortung    ber   Ginroürfe   miber   baö    fwmertfdje   ©djilb,    am 
biefem  ©efidjtöpunfte.    Ser  2>td)ter  malet  baS   au3,  roa§  ber  Äünftler 
intenbieret  fjat,  unb  läfjt  fid)  md)t  in  bie  ©d)ran!en  ber  materiellen  Slunft 
30  einfdfjliejjen. 

groeiter  3lbfd)nitt. 
I. 
SBinfetmanns  ©efd)td)te  ber  Äunft  ift  inbe§  erfdnenen.     SoB   ber= 
felben.    2Bte  er  baö  2llter  be3  Saofoon  angegeben.     Gr  f)at  nid)t  ben 
35  geringften  f)iftorifd)en  ©rnnb  für  fid);  er  urteilet  blofj  au3  ber  .Hitnü. 
SßttniuS   fd)einet   ha,   mo  er  beS  Saoloon  gebeult,   uon    lauter   neuern 
Hünfttern  ju  reben.    Sßiberlegung  ber  äRaffeifdjen  Meinung,  bie  SBtnfek 
mann  nid)t  ganj  51t  fdjanben  mad)en  motten;  unb  marum. 

4  ff.  Sägt  Sttfön.  VII  f.  unb  X.  —  9  ff.  Sgl.  Slbfcbji.  XI  (unb  VII;.  —  15  ff.  Sgl. 
Stbfdm.  XIII— XV.  —  22  ff.  »gl.  2(bfd;n.  XV  f.  —  27  ff.  Sgl.  2lbfdm.  XIX.  —  33  ff.  S?gt. 
Slbfdiu.  XXVI. 


l20G  It ad) Infi  nun  Cachoon. 

II. 

Seroeiä  aus  bem  Protei  unb  inoujat,  bafj  ber  Saofoon  fein  fo  a(tc§ 
SBerl  ift.    UmftänbKd^e  ©rflärung  btefer  ©teile  be$  Sßliniug. 

III. 
"sft  er  inbeä  niclit  aus  bor  $tit,  in  ioeIct)c  ilin  SBinfelmann  fe|t;   5 

10  oerbient  ev  e<5  bod)  barauö  511  fein,  nnb  ba§  ift  genug  für  eine  Alunffc 
gefdndjte,  bie  unfern  Öefdjmacf  Iniben  foll.  Übrigens  r)at  fid)  SBinfeU 
mann  wegen  ber  9Juf)e  beS  Saofoon  näljer  erflärt,  unb  er  ift  meiner 
■Dteinung,  bafj  bie  ©djönfjeit  biefe  9tuf>e  »eranlafjt  fjäbe. 

IV.  10 

©ein  2lusfprud;,  bafs  bie  neuern  Stdjter  jenfeit  ber  2(tpen  mefjr 
Silber  baben,  nnb  weniger  Silber  geben.  Mommentar  über  biefe  Sßorte 
ju  roünfdjen.  3Bof)er  ber  Unterfdjieb  ber  poetifdjen  nnb  materiellen 
Silber  entfpringe.  2luö  ber  Sßerfct}iebenr)eit  ber  3eidjen,  bereit  fid)  bie 
■äRalerjei  nnb  Sßoefie  bebienen.  Qene  im  Raunte  nnb  natürlidj;  biefe  in  15 
ber   3eit  nnb  ttnUfürttd). 

V. 

!yn  bem  9iaume  nnb  in  ber  ßeit.  g-olglid)  jene  Körper,  unb  biefe 
Seraegungen.  2>ene  Seroegungen  anbeutung^roeife  burd)  .Hörper.  Siefe 
Äörper  anbeutungöroeife  burd)  Seroegungen.  2tuöbrüd'lid)e  ©djtlberungen  20 
non  Körpern  finb  baf)er  ber  ^oefie  nerfagt.  Unb  mann  fie  e3  tl)ut,  fo 
tfjut  fie  e§  nicfjt  als  nadjafnnenbe  Ännft,  fonbern  al3  9Jtittel  ber  ©rflärung. 
00  roie  bie  ÜDMerei  nidjt  nadjafnnenbe  Äunft,  fonbern  ein  btofceö  SRittel 
ber  Grflärung  ift,  mann  fie  uerfdjiebne  geiien  auf  einem  9taume  uor= 
ftellet.  25 

VI. 

©djönljeit  inSbefonbere  ift  fein  Vorwurf  ber  Sßoefie,  fonbern  ber 
eigentliche  aller  bilbenben  fünfte.  §omer  f)at  bie  Helena  nid)t  gefdnlbert. 
316er  bie  alten  3)Jaler  fjaben  fid)  jeben  feiner  gfingerjeige  anf  bie  <&d)'6n: 
t)eit  iu  nufce  gemacht.    £)eS  3euE^  §e^na-  30 

VII. 

S8on  ber  igäfjlidjJeit.    SSerteibigung  beS  23jerfite§;  in  einem  ©ebidjte. 
Sermerfung  beSfelben  in  ber  SJZalerei.   (5ap(u§  fjatte  red)t  il)n  au^utaffen ; 
la  Dtotte  ntdjt.    (Sinfüfnmng  beä  2f)erfiteä  in  bie  (Spigoniabe.    UlireuS 
mar  nidjt  ber  Sdjönfte  unter  ben  Öriedjen.    Satjer  ift  (SlarfS  2(nmerfung  35 
falfd;,  in  ben  ^Briefen  ber  Sitteratur. 

NB.  Som  ©fei.    Sie  SiScorbia  beim  Detroit. 

2  f.  Sgl.  Stefan.  XXVI  l.  —  5  ff.  Sgl;  3ta#I.  A  5,  8.  H&fön.  —  1 1  ff.  Sgl.  Il&ft&n.  XVI  f. 

—  is  ff.  Sgl.  Sl&fc&it.  XVI  u.  XV11J.  —  27  ff.  Sgl.  Slbfcfin.  XX  u.  XXII.  —  32  ff.  Sgl. 
Slbfdvn.  XXTIIf.  —  84  Vollbart  bc  la  SJlottc,  L'Iliade.  Paris  1714.  —  @rn  = 
goniabe,  bie  Ereigniffe  nach  ben  in  ber  £Uia3  erjäblten.  —  35.  gomcö  (Harfe  (1675 
6i3  1729),  sunt  feomer  (Homeri  opera  ex  rec.  J.  Clarke,  oura  Kr.  Aug.  Binesti, 
Ups.  1759.    \  ol.  1.  75).  citiett  in  ben  Briefen  bie  neuefte  Sitter.  betr.,  SBb.  VII,  3iv.  125. 

—  37.  »gl.  Slbfdjn.  XXIV f.  —  ^etron,  flap.  124  S.  271. 


Materialien  unb  ffintnuirfe  junt  ffaoboon.  207 

V1IF. 

3d)bnfictt  ber  malerifdje  SBctf  ber  Körper,  gfolglidj  fommen  roh 
Ijier  oon  felbft  auf  bie  3tcge(  ber  2llten,  bafj  ber  Slusbrucf  ber  ©djöntjeü 
untergeorbnet  fein  muffe,  ^beat  ber  ©djönljeit  in  ber  üDMerei  t)at  t>iel= 
5  leicht  bas  Qbeal  ber  moralifdjen  33oüfommenf)eit  in  ber  Sßoefte  oeranlafst. 
S)a  man  bafür  auf  ein  ^beat  in  ben  ipanbtungen  benfen  fotten.  £)as 
2>beal  ber  §aublungen  befteljet  1.  in  ber  SBerfürjung  ber  3eit  2-  xn  *>ev 
@rf)öf)uug  ber  £riebfebern,  unb  Slusfcftfiefning  bes  3ufa'^/  3-  ™  ^ei* 
(Erregung  ber  Setbenfdjaften. 

10  IX. 

i'eblofe  ©djöntjetten  um  fo  mef)r  bem  Sidjter  oerfagi  511  fdjübern. 

SBerbammung  ber  S^omfonfdfjen  SWaleret.     33on  ben  Sanbfdjaftsmafern; 

ob  es  ein  ^beal  in  ber  ©djönljeit  ber  Sanbfdjaften  gebe.    sIi?irb  oerneinet. 

Safjer   ber   geringere  SBert   ber   £anbfd)aftsmaler.     S)ie  ©rieben   unb 
15  Italiener  Ijaben  feine.    Seroeiä  aus  bem  umgefefjrten  Sßferbe  bes  Sßau; 

fanias,  baft  fte  aud)  nitfjt  einmal  untergeordnete  Sanbfdjaften  gemalt. 

Vermutung  baf?  bie  ganje  perfpcftimfdje  Malerei  aus  ber  ©cenenmaterei 

entftanben. 

X. 

20  £>ie  ^poefie  fdjilbert  Äörper  nur  anbeutungsuteife  burd)  ^Bewegungen. 

.Hunftftüd"  ber  Sidjter,  ftdjtftdje  (Sigenfdjaften  in  SBetoegungen  oufjulöfen. 

(Stempel  con  ber  >:>öf)e  eines  Saumes.    2Jon  ber  ©röfse  einer  ©djlange. 

SSon  ber  ^Bewegung  in  ber  Malerei.     SBarum  fte  äWenfdjen  unb  feine 

Siere  barin  empfinben. 
25         $on  ber  Sdjnelligfeit. 

XT. 

golglid)  fdjilbert  bie  Sßoefte  bie  Körper  aud;  nur  mit  einem  ober 

Sinei  gügen.     Sdpierigfeit  in  ber  fid)  oft  bie  ÜJJlalerei  befinbet,  biefe 

guge  auszumalen.     lXnterfd;ieb   ber  poetifdjen  ©emälbc,   100   fia)  biefe 

30  3üge  leid)t  unb  gut  ausmalen  laffen,  unb  100  uidjt.     ^enes  finb  bie 

fjomerifdjen  Öemälbe,  biefes  bie  9Jiiltonfdjen  unb  Klopftocffdjen. 

XU. 

SSermutung,  baf$  bie  SBlinbfjeit  bes  9Jtilton  auf  feine  2(rt  311  fd)ilbem 
einen  Ginflu^  gehabt.     Seroeis  3.  @.  aus  ber  ficf)tbaren  £unfelf;eit. 


2 ff.  Sgl.  ä&fdjn.  II;  SHacbl.  A  2,  3tbfc6n.  IX;  B  7,  XXXII ff.  —  11  ff.  Sgl.  ä6fd&n. 
XIX.  —  14.  Sgl.  Siac&l.  B  7,  311  2lbfcbn.  XLV.  —  14 f.  2>ie  ©rieben  unb  Italiener 
haben  feine.  Socb;  Sanbfftaften  finb  in  ber  antifen  Malerei  jegt  äicmlicb  äafylreicb  be= 
tannt;  für  bie  italienife&e  flunft  braucl)t  man  nur  an  ©aloator  3iofa  51t  erinnern.  —  15  f. 
SaufaniaS,  »ielmebr  Saufon;  f.  oben  ©.  12.  —  20.  Sgl.  2lbfcbn.  XVI.  —  21  ff.  Sgl. 
KaSjl.  B  7,  XLIY  f.  mit  7c  —  25.  Sgl.  SRodjl.  B  7,  XLVI  mit  7  c  —  27  ff.  Sgl. 
SRacbl.  A  2,  XI  u.  XIII;  B  7,  XXXVI  f.  —  33  f.  Sgl.  SHacbl.  B  7,  XL  mit  7  b. 


208  tladjlal?  ;itm  fi'aohoon. 

XIII. 
Sie  erfte  Seranlaffung  roar  inbeS  ber  orientaftfdje  Stil.  SDiofeg' 
Sermutung;  au§  beut  fanget  ber  9Ji"a(erei.  Safe  ba§  nid)t  fd^ön  fein 
tnufj,  roao  biblifd)  ift.  SBenn  bei-  Qrammatifer  eine  fd)led)te  Sprad)e  in 
bei-  Sibel  finben  lann ;  fo  barf  ber  $unftrid)ter  oitd)  fd)Ied)te  Silber  barin  5 
finben.  Ser  l).  ©eift  tjat  fid)  in  Reiben  fallen  nad)  bem  tetbenben 
©ubjefte  gerietet;  nnb  mann  bie  Offenbarung  in  ben  norbtfd)en  £änbern 
gefd)el)en  roäre,  fo  würbe  fie  in  einein  ganj  anbern  Stile  nnb  unter 
ganj  anbern  Silbern  gefdjefjen  fein. 

XIV.  10 

.-öomer  Ijat  nur  loenige  äßüionfdje  Silber.  (Sie  frappieren,  aber  fie 
attackieren  ttidfjt.  Unb  eben  belegen  bleibt  fronier  ber  größte  9Jtaler 
©r  f;ot  fid)  jebe§  Silb  gang  unb  nett  gebad)t.  Unb  felbft  aud)  in  ber 
Drbnurig  ein  maferifdjeä  3luge  gejeigt.  Slmnerfung  über  bie  ©nippen, 
bie  fid;  bei  tfjnt  nie  über  brei  Sßerfonen  erftred'en.  15 

XV. 

Soii  ben  folleftinen  ftanblungen,  al§  roeld-e  ber  Soefie  unb  SfBalerei 
gemein  finb. 

dritter  2lbfd)nitt. 

I.  20 

3lu3  betn  Unterfdjiebe  ber  natürlid-en  unb  roittfürliäjen  3eid;en.  Sie 
3eid)en  ber  3KaIerei  finb  nid)t  alle  natürlidj;  unb  bie  natürlichen  $enn= 
jeidjen  nnllfürtidjer  Singe  fönnen  nidjt  fo  natürlid)  fein,  als  bie  natür= 
lidien  Äennjeidjen  natürftdjer  Singe.  G'ö  ift  aud)  nod)  fonft  niel  Äon= 
uention  barunter.     (Srempel  uon  bei*  3Bolfe.  25 

II. 

Sie  fjören  auf  natürlid)e  311  fein,  burdj  Seränbarnng  ber  Sitnenfion^n. 
9iotroenbtgfeit  be3  9Jia(er3,  fid)  ber  SebenSgröfje  ju  bebienen.  2lbfall  ber 
Äunft  in  ben  erhabnen  Sanbfdfjaften.  ©djroinbel  rann  bie  Soefie,  aber 
nidjt  bie  Malerei  ermeden.  30 

III. 
Sie  3eid)en  ber  ^oefte  nidjt  lebiglid)  luillfürlid).  Qrjre  SBorte  alo 
Söne  betrautet,  fönnen  börbare  ©egenftänbe  natürlid;  nactjarjttten.  2Beldje§ 
befannt.  Ülber  il)re  Sßorte  als  unter  fid)  »erfd)iebner  Stellen  fällig, 
fönnen  baburd)  bie  »erfdjiebne  Sieitje  ber  Singe  auf  einanber  unb  neben  :!-, 
einanber  fd)ilbern.  (Stempel  l)ieroon.  ^ua)  fogar  bie  Seroegung  ber 
Drgane  fann  bie  Seroegung  ber  Singe  auobrüden.    (i'-cempol  baoon. 

2  ff.  SSgl  9Jad-[.  A  2  am  tinbe  (S.  200).  —  11  ff.  Sögt.  SRacbl.  B  7,  XXXVII  unb 
A  2,  M.  —  17 f.  Sgl.  1:  7,  XLIH  mit  A  8.  —  81  ff.  SSgT.  unten  A  4a.  -  27  ff.  Sgl. 
ebenba.  —  82  ff.  Sgl.  unten  A  4  c 


$laterial«n  ttuö  öntomrfe  jtttn  ffaokoon.  209 

IV. 

©infüljrung  mehrerer  nrittlürltcfier  3cw$en  vutty  ^e  2tttegorie.    23i(= 
ligung  ber  2lllegorie  infofern  bie  $unft  baburd)  auf  ben  ©efebmad  ber 
©cf)öttf)eit   3urüct'gefüf)ret,    unb   uon   bem   nntben   2lu§brutf:e   abgehalten 
5  werben  xanti. 

V. 

äßifs&ttttgung  attju  meitläuftiger  2lllegorieen ,  metdje  aKejett  buntel 
finb.  Erläuterung  ait'3  9iapf)aeI3  ©dmle  von  2(tf)en;  unb  befonberS  aus 
ber  Vergötterung  §omer§. 

10  VI. 

DJü^ltdjfeit  ber  roiltiürlidjen  geidjen  in  *>er  Stanjfunft.  3)ajj  eben 
baburd;  bie  Sansfttnft  ber  2ltten  bie  -Heueret  fo  roeit  übertroffen. 

VII. 

2)er  ©ebraud;  ber  mülturlicben  3e^en  in  ber  -Dhtftf.    SSerfud)  ba3 
15  SBunberbare  unb  ben  Söert  ber   alten  3)tufi!  barau§  51t  erflären.    $8on 
ber  9)Jad;t,  bie  fid)  bafjer  ber  ©efefcgeber  barüber  anmafjte. 

VII  r. 
•Hotroenbigreit  alte  frönen  fünfte  einsufdjränfen ,  unb  if)nen   nidjt 
alte  möglichen  ©rmeiterungen   unb   SSerbefferungen  311   oerftatten.     SBeil 
20  buref)  biefe  Erweiterungen  fie  oon  iljrem  gwede  abgeteuft  werben,  unb 
ifyren  Einbrud  nerlieren.    Eulerä  Entbednng  in  ber  -iöiufii. 

IX. 

23on  ber  Erweiterung  in  ber  DJiaterei  ber  neuern  gelten.  Söoburd) 
bie  Äunft  unenbtid)  ferner  geworben;  unb  e£  feb,r  wal)rfd)ein(id)  wirb, 
25  baf}  alte  unfere  ßünftfer  mittelmäßig  bleiben  muffen,  Einflujj,  ben  $efiter 
in  Siebenteiten,  3.  E.  in  £id£)t  unb  ©Ratten  unb  ^erfpettü) ,.  auf  ba§ 
©anje  fjaben.  2)a  un3  hingegen  bie  gänslictje  äöegtaffung  alter  biefer 
Seile  nidjt  anftöfjig  fein  mürbe. 

X. 

30  Ermunterung  bie  bitbenben  Äünftter  au$  ben  alten  geiten  3urüd= 
jurufen,  unb  fie  mit  ^Begebenheiten  unferer  i^igen  geit  31t  befdjäftigen. 
2lriftoteles'  3iat,  bie  Sfjaten  2Ueranbers  3U  malen. 


2  ff.  Sgl.  A  4  c.  —  4.  10 üb,  b.  i).  51t  tranfitorif#,  geroaltfam.  —  7  ff.  2>a§  SaSretief 
mit  ber  Slpotfjeoie  gomerS,  je|t  im  SBrtt-  SDhifeum.  Sgl.  unten  A4 e.  —  11  f.  Sgl.  9iad)l. 
B  tl.  —  14  ff.  Sgl.  Stad&l.  B  11.  —  18  f.  Sgl.  Slatfil.  C  13,  4.  —  21.  SDe3  bekannten 
3Kotl)ematifer§  (Suler  Teiitamen  novae  theoriae  musicae,  Seter3burg  1739.  —  30  ff. 
Sgl.  2lbfd)n.  XI. 

Seffing?  Sßerre  9.  14 


210  ibrfjlrtlj  juin  £aohoon. 

Stnfiang. 

I. 
3erftreute  2(nmerfungen   über  einige  ©teilen  in  SOßinlelmannS  ©e= 
fdjidjte;   tuo  er  nid)t  genau  genug  geroefen.     2lnttgone  be§   ©opfjofleö. 
Sie  Seiler  be3  5ßattfjeröu§,    2>er  9!)teifter  be§  <Scf;ilbe3  oom  2(ja£  2c.        5 

II. 
SSon  bem  Sorgljefifdjen  $ed;ter. 

III. 
SSon  bem  Gupibo  be§  ^rarjteleä. 

IV.  10 

33on  ber  Äunft  in  Grjt  51t  giejjen.   £>af}  fie  ju  ben  Seiten  beg  5ftero 
nidjt  oerloren  geroefen. 

V. 
Vermutung  über  ba§  Steige  p.  203. 

VI.  15 

2Jon  ben  Sdjulen  ber  alten  Malerei,  unb  non  ben  afiatifd)en  AUinftlern. 


4a,    3u  (Seite  208  9Jr.  I. 

Sie  Malerei  fagt  man,  bebienet  ftdj  natürlidjer  Setzen.  S)iefe§  ift 
überhaupt  311  reben  voafyv.  9htr  mufj  man  fid;  nidjt  uorftellen,  bafj  fie 
ftdj  gar  feiner  roillfürlidjen  8eidjen  bebiene;  mooon  an  einem  anbern  Drte.  20 

Unb  fjiernädjft  laffe  man  fidj  belehren,  bafj  felbft  ifjre  natürlichen 
3eidjen,  unter  geroiffen  Umftänben,  es  oöllig  31t  fein  aufhören  tonnen. 

3d)  meine  nämlicr)  fo:  unter  biefen  natürlidjen  Qeiajen  finb  bie  oor- 
nefimften,  Sinien,  unb  au§  biefen  3ufammengefefcte  Figuren.  3hm  ift  eö 
aber  nidfjt  genug,  baf$  biefe  Sinien  unter  fid;  eben  ba<3  23erf)tittni3  (jaben,  25 
meldjes  fie  in  ber  Statur  tjaben;  eine  jebe  berfelben  mufj  aud)  bie  näm» 
Iia)e,  unb  nid;t  bloft  oerjüngte  Simcnfion  Ijaben,  bie  fie  in  ber  Statur 
f)at,  ober  in  bem  jenigen  ©eftd;t§punfte  fjaben  mürbe,  am  meldjem  baö 
©etnälbe  betrachtet  merben  foll. 

derjenige  SDlaler  alfo,   roeldjer  fieb,  noltfommen  natürlidjer  3e^t%n  30 
bebienen  null,  mujj  in  SebenSgröjje,  ober  roenigftenä  nidjt  merflid;  unter 
Sebensgröfje  malen,    derjenige  meldjcr  311  weit  unter  biefem  lUJafse  bleibt, 
ber  SSerfertiger  f  leiner  Äabinettftüd'e,  ber  ä'iiniatunualer,  tarnt  jroat  im 
im  ©runbe  ^bew  berfetbe  grofje  ilünftler  fein ;   nur  mufj  er  nidjt  »er= 

3  ff.  <Pgl.  3tb)d)it.  XXIX.  —  7.  3?gt.  Slbfdjn.  XXVIII.  —  9.  «äljereS  f.  in  Seffimj-s 
.Humerfungen  *u  sJl>incfc[mnnnö  ©efd>.  b.  Jhmft  ©.  391.  —  11  f.  i'Ql.  unten  A  4  f.  — 
14.  SBgl.  bie  Söemcvtungcn  31t  SL'incfelmnnn.  —  16.  Z.  ebenba  311  c.  319.  —  17.  3Sg[. 
C  1:;,  1. 


Materialien  unö  Öntnnirfc  jum  ffaohoon.  211 

langen,  bafj  feine  SüBerfe  eben  bie  2ßaf)rf)ett  tmben,  eben  bie  SBirfung  tl)un 
fotten,  weldje  jene  9."ßert"e  fjaben  unb  tfjun. 

©ine  menfddidje  ^yicjur  non  einer  (Spanne,  oon  einem  3°Me>  ift  3mar 
ba3  33db  eine3  -DJenfdjen;  aber  e§  ift  boa)  fdjon  genriffermafsen  ein  fmn= 

5  boüfd)e3  S8itb ;  icb,  bin  mir  ber  3eidjen  babei  bemühter,  a(3  ber  beseidjneten 
Sadje;  id)  muf?  bie  oerjüngte  ^igur  in  meiner  (Sinbttbungöfraft  erft  mieber 
51t  ifjrer  magren  Öröfje  ergeben,  unb  biefe  $erridf)tung  meiner  Seele,  fie 
mag  nod)  fo  gefdjnunb,  noa)  fo  (eid)t  fein,  nerljinbert  bod)  immer,  bafj 
bie  Intuition  beS  33eseid;neien  nidjt  sugleid)  mit  ber  ^ntuttiott  be§  3eid)en3 

10  erfolgen  fann. 

9Jian  bürfte  oieKetdjt  einroenben:  „Sie  Simeuftonen  ber  ftdjtbaren 
Singe,  fofem  fie  gef etjen  roerben,  finb  manbetbar;  fie  fjängen  »on  ber 
(Entfernung  abr  unb  ee>  giebt  (Entfernungen,  in  roeldjen  eine  menfd}ltd)e 
gigur  nur  eine  Spanne,  einen  3°M  SroB  3"  fei"  fcrjeinet;  roetdjem  nad) 

15  man  aud)  nur  ansunefymen  braudjt,  baf;  biefe  uerjüngte  ^-igur  au§  biefer 
(Entfernung  genommen,  um  bie  3eitfJett  für  uoltfommen  natürüd)  gelten 
31t  raffen." 

2UIein  id)  antworte:  in  ber  (Entfernung,  in  toetdjer  eine  menfddid)e 
5"igur  nur  con  ber  Öröfje  einer  Spanne  ober  eine§  3°^  311  fein  fdjeinet, 

20  erfdjeinet  fie  aud)  unbeutHdjer:  ba3  ift  aber  bei  ben  nerjüngten  g-iguren 
in  bem  Sorgrunbe  f [einer  G5emätbe  nidjt,  unb  bie  Seutüdjfeit  d)rer  Seite 
nriberfprtdjt  ber  annefmdidjen  (Entfernung,  unb  erinnert  un3  311  lebhaft, 
bafj  bie  fjiguren  oerjüngt  unb  nidjt  entfernt  finb. 

@3  ift  r)iernäcf)ft  befannt,   mieoiet  bie  ©röfse  ber  SDimenfionen  ju 

25  bem  (Erhabnen  beiträgt.  Siefeö  (Erhabene  oerliert  ftdj  burd)  bie  $er= 
jüngung  in  ber  SOiaterei  gänä(id).  $f)re  größten  Sürme,  tfjre  fdjroffeften 
raufjeften  Stbftürge,  ifjre  nod)  fo  überljangenbe  Reifen,  werben  aud)  nidjt 
einen  Sdjatten  oon  bem  Sdjreclen  unb  bem  Sdjroinbet  erregen,  ben  fie  in 
ber  9tatur  erregen,  unb  ben  fie  aud)  in  ber  ^oefie  in  einem  3iem(id;en 

30  ©rabe  erregen  lönnen. 

2Beld)  ein  ©emätbe  beim  Sljafefpear,  roo  (Ebgar  ben  ©fofter  auf 
bie  äufjerfte  Spitze  beS  £mgel3  füljrt,  oon  n>e(d)er  er  fid)  f)erabftür3en  will! 
(King  Lear  Act.  IV.  Sc.  6.) 

—  —  —  —  Come  011,  Sir! 

35  Here's  the  place;  stand  still.     How  fearful 

And  dizzy  'tis  to  cast  one's  Eyes  so  low! 
The  Crows  and  Choughs,  tliat  wing  the  roidway  air, 
Shew  scarce  so  gross  as  Beetles.     Half  way  down 
Hangs  one  that  gathers  Samphire;  dreadfol  trade! 

10  Methinks  he  seems  no  bigger  than  his  head. 

The  Fishermen  that  walk  upon  the  beach 

9.  3"*"*^°"  i"1'  Mnfdjauung,  fjeute  unge&räucfiHdi.   —    14.  1» eifern  nad),  roir 
fageii  Ijeute  lieber  „loonad)".  —  33.  Sc.  0,  in  ber  §i>jd)r.  irrtütnlid)  Sc  5. 

14* 


212  llodjlnß  jum  tfaokoon. 

Appear  like  Mice;  and  yon  tall  anckoring  liark 

Diminisk'd  to  ker  Cock;  ker  Cock,  a  Buoy 

Almost  too  sinall  for  sigkt.    Tke  murniuring  Surge 

Tkat  on  tke  unnumberd  idle  Pebbles  ckafes 

Cannot  be  heard  so  kigk.     I'll  look  no  inore,  5 

Lest  my  brain  turn,  and  tke  deficient  sigkt 

Topple  down  headlong  — 

SEfUt  biefei*  Stelle  bes  ©ffalefpeat  511  Dergleichen  bie  ©teile  beim 
SDiilton  B.  VII.  v.  210.  mo  ber  Soljn  ©otteä  in  bas  grunbtofe  Glmoö 
l)erabfiel)t.  Siefe  Sfiefe  ift  bei  »eitern  bie  größere;  gleidmiofjl  tl)itt  bie  10 
SBeftfjreibimg  berfelben  feine  SBtrfung,  roeil  fie  un§  burd)  nidjtö  anfdjauerib 
gemadjt  wirb;  meldjeS  bei  bem  Sfjafefpear  fo  oortreffßd)  burd)  bie  all= 
mäf)lid)e  Verfeinerung  ber  Öegenftänbe  gefdjieb-t. 

4b.    3u  Seite  208  3tx.  II. 

Sie  uerjüngten  Simenftonen  fdjmädjen  bie  Sßtrfung  in  ber  SKaletet.  15 

©in  fdjöneö  33tlb  in  Sötignatur  fann  unmöglid)  eben  baäfelbe  SBo^tge« 
fallen  ermecfen,  rceldjeS  biefe§  33ilb  in  feiner  magren  Öröfse  ermecfen  mürbe. 

2Bo  bie  Stmenfionen  aber  nid)t  beibehalten  roerben  fönnen,  fo  tuill 
ber  33etrad)ter  fie  roenigftenS  au§  ber  SBergleidjung  mit  gemiffen  belannteu 
unb  beftimmten  ©rüfcen  fdjftefjen  unb  beurteilen  fönnen.  20 

Sie  befanntefte  unb  beftimmtefte  ©röfje  ift  bie  menfdjlidje  ©eftalt. 
Safjer  finb  aud)  faft  alte  Sängenmafje  von  ber  menfcfilidjen  ©eftalt  ober 
einäeln  Seilen  berfelben  hergenommen  morben.  (Sine  ©lle,  ein  %ufy,  eine 
Älafter,  ein  Sdjritt,  ein  Soll,  mannoljod)  2c. 

Sonad)  glaube  td),  bajj  bie  menfcfjlicJjen  giguren  bem  Sanbfdjaft*  25 
malet,  aud)  au^er  bem  fjöljern  Seben,  ba§  fie  in  fein  Stüd'  bringen,  nod» 
ben  rcidjtigen  Sienft  tetften,  bafj  fie  ba§  -öiafi  alter  übrigen  ©egenftänbe 
unb  iljrer  Gntfermmgen  unter  einanber,  barin  »erben. 

Säfjt  er  fie  raeg,  fo  mujj  er  biefen  ^langet  eine§  geunffen  2Raj$e§, 
burd)  2lnbringung  anberer  Singe  erfetjen,  meldje  ber  URenfd)  51t  feinem  30 
Öebrautfje  ober  ^Bequemlichkeit  gemadjt,  unb  baljer  nadj  feiner  ©röfje  ein= 
gerietet  f»at.    ©in  £au§,  eine  SM'ttte,  ein  ,3aun>  ei"e  Vrücfe,  ein  Steig, 
fönnen  biefen  Sienft  uerridjten  jc. 

Unb  null  ber  Äünftter  eine  ganj  unbebaute  nriifte,  uertaffene  ©egenb, 
ob>e  alle  SDlenfäjen  unb  menfdjlidje  Spuren  fdjilbem,  fo  mufj  er  menigftenä  35 
Siere  »on  befannter  ©röfje  {jineinfefcen,   au§  bereu  SBerpItniffe  51t  ben 
übrigen  Öegenftänben  man  auf  it)re  eigenttidjc  Simenftonen  fdjliejjen  fann. 

Ser  Mangel  eines  beftimmten  unb  befannten  2Jtaf$eS,  fann  aud)  in 
l)iftorifd)en,  unb  nid)t  blofj  in  i'anbfdjaftftücfen  »on  übler  SBirfung  fein. 
„Sie  bicfjterifrfje    Grfinbung ,    fagt   ber  §err   uon    ftageborn   (Von   ber  40 

16.  SDHgnatur,  [0  fdjretßt  fiefftng  Ijicr  nnftntt  SDliniotur. 


Materialien  unb  öntwürfe  511m  Caohoon.  213 

äRalerei  <&.  169.),  fobalb  fie  bei*  bfofjen  (StnBilbungSfeaft  überlaffen  ift, 
leibet  3roerge  unb  JKcfcn  beifammen,  aber  bie  materifcf)e  ©rfinbung  ober 
bie  Verteilung  ift  nid;t  fo  gutwillig  unb  biegfam."  Gr  erläutert  feine 
•Bteinung  burdj  ein  berühmtes  ©emälbe  be3  3(ltertum3,  ben  fdjtafenben 

5  ©nffopen  beö  £imantl)es.  Siefeö  liefen  ungeheuere  Örofje  auijubrütfen, 
bat  her  Alünftler  beffen  Saunten  burd;  baneben  geftellte  ©atnren  mit 
einem  £f)nrfuö  auömeffen  (äffen.  Gr  finbet  be.n  GinfaK  ftnnreid),  aber 
in  einer  malerifdjen  ^ufammenfe^ung  forool)!  mit  ben  erften  Segriffen 
oom  (Gruppieren  unb  unfern  ikigen  gbeen  Dom  Jöellbunfeln  ftreitenb,  at§ 

10  aud)  bem  ungezwungenen  ©leidjgcioidite  be£  ©emülbeo  nachteilig.  SOJan 
fann  eo  bem  frerrn  oon  ftageborn  auf  fein  üffiort  glauben,  baf}  biefer 
©egejtftanb  alle  bie  bemerften  Itnbequemlicfjfeiten  b,at.  2Ulein  e3  finb 
biefe§  nur  Unbequemlidjfeiten  für  ba3  2tuge  be3  oerioölmten  ÄennerS; 
id)  füge,  aus  bem,  ioao  id)  tum  'Dm  Simenfionen  gefagt  fjabe,  eine  anbere 

15  fjinju,  bie  er  für  jebeö  2(uge  f)at,  unb  für  ba3  ungeübtere  am  meiften. 

SSBenn  mir  ber  Sidjter  ben  liefen  unb  ben  3n>erg  nennet,  fo  roeifj 

id)  eo  am  ben  SBorten,  bafj  er  bie  5inei  Gjtrema  meinet,  51t  loeldjen  bie 

menfdjfidje  ©eftalt,  oon  ifjrer  gemötjnlidjen  Öröfje  abineicfjen  fann.    2t  Hein 

raenn  ber  ÜDialer  eine    grofje  unb   eine  ! leine  $igur   oerbinbet,   roofjer 

20  meifj  id),  bajj  e§  jene  Grtrema  fein  follen?  !yd(j  fann  rced)fet3roeife  fomofjt 
bie  flehte  alä  bie  grofje  für  bie  $igur  von  oer  geroöfjnlidjen  ©röfje  an= 
nehmen.  3ie()me  id;  bie  Heine  bafür  an,  fo  ift  bie  grofje  ein  Äoloffuö; 
nefjme  id)  bie  grofje  bafür  an,  fo  luirb  bie  fteine  ein  Siliputer.  2>d)  fann 
mir  in  biefem  gälte  nod)  eine  größere  unb  in  jenem  nod)  eine  Heinere 

25  gebenfen.  G3  bleibt  alfo  unentfdneben ,  ob  ber  9)ia(er  einen  3roer9  0Dei-' 
einen  liefen,  ober  ob  er  beibeö  uorftellen  motten. 

^uttuö  SJomanuö  ift  e3  nicfjt  allein,  raeldjer  ben  Ginfall  be§  Xu 
manttjes  nadjgeafjint  f)at  (Rickardson  Trait.  de  la  Peinture,  T.  I. 
p.  84.);  aud)  |yranciö  fyforiö  fmt  it)n  in  feinem  öerudeS  unter  ben  ^ogmäen, 

30  gebraudjt,  in  einer  getefinung,  ^ie  £,.  g0(f  1563  geftodjen  f)at.  3>cf)  sroeiffe 
aber,  ob  fefjr  gtüdlid).  Sa  er  näntftd)  bie  ^ngmäen  nidjt  aßi  nerroadjfene 
unb  bud'Iid)te  3IüerÖe/  fonbern  als>  in  allen  if)ren  2>erl)ältntffen  mof)U 
geroadjfene  fteine  ■äftenfdjien  oorftellt,  fo  mürbe  id)  nietjt  miffen,  ob  e3  nicfjt 
Dcenfdjen  oon  orbentlidjer  Öröfje,   unb   ber   unter  ber  Gid)e   fdjlafenbe 

35  fterfufeS  nid)t  ein  3üefe  fein  foUte,  roenn  ict)  nicfjt  ben  £erlule§  an  feiner 
Heute  unb  Söroenfjaut  erfennte,  unb  eö  fdjon  nni^te,  bafs  baö  2(Itertum 
ben  ^»erfufeö  3roar  afö  einen  großen,  aber  a£3  feinen  ungefjeuem  9)tann 
uorftedet.  JimantfjeS  tä^t  einen  Satyr  ben  Säumen  be3  Gyffopen  mit 
einem  2f)urfu3  meffen;  jjloriä  einen  5ßngmäen  bie  ^ufjfofjfe  beö  öe^u^ 

40  mit  einem  Stabe.    Go  ift  mafyv,  .'oerfuleö  ift  in  33etrad)tung  ber  ^ßtjgmäen, 

5.  Über  Simantfie^  f.  oben  S.  10.  —  7.  S^tjrfuS,  i'effing  fd)ric6  fä(fd)ücf)  StjrfuS. 
—  27.  ©iutto  Wo  mono,  ber  Stfiüler  SRafaelö.  —  29.  Francis  5"f°r'ä»  eigentlich 
Jron§  be  SBrienbt,  nieberlänb.  SJlaler,  1520—1570.  —  30.  ^ierongmnä  6  od,  Äupfer= 
ftecfier  1510—1570  —  31  f.  al§  Derroadiiene  unb  buef 1 1 er) t e  3>oerge,  [o  erfcijeinen 
fie  in  ber  Siegel  in  ber  allen  Jtunfi. 


214  lladjla);  ptra  Caohoott. 

fo  gut  9?iefe,  aI3  ber  Enftope  in  ber  Betrachtung  ber  ©atnren.  Sem 
ot)iigead;tet  tf;ut  bie  ät)nlid;e  2lusmeffung  fjier  nidfjt  aud;  bie  ä(;n(id;e 
SBirfung.  Sie  Satnre  waren  an  il;rer  Öeftalt  tenntlid),  unb  ifjre  ©röfje 
war  bie  gcwöl;nltd;e  menfc^ttdje  Gröfje.  äßenn  fie  alfo  ben  Saum  beS 
(ii)f(open  nteffen,  fo  erlernten  mir  t'lar  barattS,  meinet  ber  Gi;t(ope  größer  5 
al$  ber  (Satyr  fei.  ©0  aud;  bei  ben  Sßggtnä'en;  bas  Steffen  be3  Bi;gmäen 
erwed't  bie  $bee  uou  Dev  ©rö^e  beö  §erfules;  gletdjrooljl  ift  e3  aber  t)ier 
nid)t  auf  bie  Qköfje  beS  §erfttle§,  fonbern  auf  bie  £leinf;ett  ber  Bngmäen 
angefet)en,  unb  bie  3^ec  110tt  biefer  I;ätte  $lori§  am  (ebf;afteften  mad;en 
folten.  SiefeS  aber  tonnte  nid)t  wof;(  anberS  gefd)et)en,  al§  wenn  er  ben  10 
Zwergen  aud;  aufjer  ttjrer  $leinf;eit,  nod;  anbere  trigenfd;aften,  bie  wir 
babei  ju  benfen  gewofjnt  finb,  gegeben  Ejätte;  bie  Ungeftaltfjeit  ttämlia;, 
ober  bas  uergröfserte  Berb/iltniö  it)rer  Breite  gegen  il)re  £'änge.  ßr  l;ätte 
fie  ben  Figuren  in  font'aoen  ober  fonue^en  Spiegeln,  mit  wetdjen  fie 
2(riftoteles  oergleidjjt,  al;nlid;er  machen  follen.  (Aristoteles  Probl.  Sect,  X.  15 
nad)  ber  Berbefferung  bes  Bofftuä  ad  Pompon.  Melam  lib.  III.  cap.  8. 
p.  587.) 

4c,   3u  (Seite  208  3c r.  III. 

Safj  bie  Malerei  fict)  natürlicher  3c^en  bebienet,  mufj  it)r  alterbinqo 
einen  großen  Bor3itg  uor  ber  ^oefie  gewähren,  meiere  fidr)  nur  roil(für=  20 
lidjer  3eid;en  &ebienen  tann. 

^nbe§  finb  beibe  aud)  f)ierin  nid;t  fo  weit  au§  einanber,  aI3  e§  bem 
erften  2(nfel;cn  nad;  fdjeinen  foltte,  unb  bie  ^oefie  f;at  nid)t  nur  wirt'tid; 
aud)  natürliche  3eid;en,  fonbern  aud)  Büttel,  ifjre  unllt'ürlidjen  311  ber 
ÜEBürbe  unb  Äraft  ber  natürlidjen  ju  erfjötjen.  25 

2lnfang3  ift  eS  gemif;,  bafj  bie  erften  ©prad;en  au$  ber  Dnomatopöie 
entftanben  finb,  unb  bafj  bie  erften  erfunbnen  SBörter  gewiffe  2(f)nlia> 
leiten  mit  ben  auöjubrüdenben  Sachen  gehabt  f;aben.  Sergteidjen  Sffiörter 
finben  fidt)  aud)  nod)  i|t  in  allen  Sprachen,  mef;r  ober  weniger,  nad;bem 
bie  ©prad;e  felbft  mef;r  ober  weniger  oon  if)rem  erften  Urfprunge  etit=  30 
femt  ift.  2lus  bem  flugen  ©ebraudje  biefer  21*örter  entfielet  baö,  joaä 
man  ben  mufifalifd;en  2lu3brud  in  ber  s^oefie  nennet,  uon  welchem  öfters 
unb  oielfältig  ti"i;empel  angeführt  werben. 

Soweit  inbeS  bie  oerfd;iebnen  Spradjen  größtenteils  in  if;ren  einjeln 
2A>orten  doii  einanber  abgeben,  fo  niel  &§nftc$e§  I;aben  fie  inbes  nod;  in  35 
benjenigen  fällen,  in  weld;en  allem  2lnfel)en  nad;  bie  erften  SOienfcfien  bie 
erften  Söne  uon  fid;  fjören  tiefen,  od;  meine  bei  bem  21usbrude  ber 
i'eibenfcfjaften.  Sie  Heilten  Sßörter,  mit  metd;en  wir  unfere  Berwunberung, 
unfere  5reu^e/  unfern  ©d;iuerj  ausbrüden,  mit  einem  2Borte  bie  ^\\Uv- 

15  ff.  Gine  felir  unfidierc  Äonjeftur  oon  ^faat  S3offiU'3  (lCls— 1(189)  511  Aristol  Probl. 
X,  2.  2lriftotele>3  fdjeint  von  aBirtS^auSWitbetn  mit  Rarilaturen  gu  fpredjen.  —  26.  Stm« 
fange,  für  unfer  „iitnädjft"  o&cr  „evftlidi".  —  •-'<;  ff.  Gin  Diel  Befirittencr  ^nnft  bev 
epradnuiffenidiaft:  bie  fd)on  uoit  ben  3llten  be^onbette  Jrage,  ob  bie  5prad^c  tpöatt  obev 
&ioti  entftanben  fei. 


^Materialien  mtö  ©ntroürfe  paa  £aokoon.  215 

jeetiones  finb  in  alten  ©pradjen  siemKdj  einerlei  unb  »erbienen  baljer  aU 
natürliche  Seidjen  betrautet  ?u  werben.  Gin  großer  «Reidjtum  an  ber= 
gleichen  SßartiMn  ift  bafjer  allerbingö  eine  SSottfomtnen^eit  einer  ©yradje, 
unb  ob  id)  fdjon  weif?,  roeldjen  3JHfj6raucij  elenbe  Äöpfe  bauon  machen 
5  tonnen,  fo  bin  id)  bod)  aud)  gar  nid)t  mit  ber  froftigen  Slnftänbigteit 
5itfrieben,  raeldje  fie  beinahe  gänjlid)  oerbannen  null.  2ßan  fefje,  mit 
raetdjer  2JtannigfaIttgfett  unb  äJcenge  uon  ^nterjeftionen  ^Holtet  bei  bem 
©opfjofleS  feinen  <Sd;mer$  auSbrüdt.  Gin  Überfefcer  in  neuere  «Spradjen 
mufj  fet)r  »erlegen  fein,  ma3  er  bafür  fubftituieren  foll. 

10  Sie  $oefie  bebient  fid)  ferner  nidjt  btofj  einjetner  Sßörter,  fonbern 
biefer  SBörter  in  einer  geraiffen  golge.  Söenn  alfo  aud)  fdwn  nidit  bie 
Wörter  natürliche  3eidjen  finb,  fo  fann  bod;  ifjre  gotge  bie  Äraft  eineä 
natürlichen  8eid}en§  tyaben.  SDBenn  nämlid)  alte  bie  Sßorte  uolltommen 
fo  auf  einanber  folgen,  als  bie  Singe  felbft  raetdje  fie  ausbrütfen.  Siefeö 

15  ift  ein  anbrer  poetifdjer  Äunftgriff,  ber  nodj  nie  gehörig  berührt  worben, 
unb  eine  eigene  Grläuterung  burd)  Gr,empet  nerbienet. 

Saä  Silberige  ermeifet,  baf?  e§  ber  ^oefie  nidjt  ganj  unb  gar  an 
natürlichen  geidjen  mangelt,  «Sie  fjat  aber  audj  ein  DJtittel,  ifjre  mll- 
rurKdjen  3etd)en  311  bem  Sßerte  ber  natürlichen  311  ergeben ,  nämlid;  bie 

20  9Jietapf>er.  Sa  nämlid;  bie  traft  ber  natürlichen  3eid)en  in  tyxex  &fo 
licfjfeit  mit  ben  Singen  beftet;t,  fo  führet  fie  anftatt  biefer  3il;nlid;feit, 
raetdje  fie  nid)t  t;at,  eine  anbere  &£)nUd)feti  ein,  meldte  ba§  6ejeitf)nete 
Sing  mit  einem  anbern  t;at,  beffen  begriff  leichter  unb  lebhafter  erneuert 
roerben  fann. 

25  3u  biefem  ®ebraud)e  ber  9)cetapf)em  gehören  and)  bie  ©teid;niffe. 
Senn  baS  (SteidmiS  ift  im  ©runbe  nidjtS  als"  eine  ausgemalte  Söcetapljer, 
ober  bie  9)cetapl;er  ntd;tö  als  ein  jufammengejogeneä  ©teid)nt§. 

Sie  Unmöglid;ieit,  in  ber  fief;  bie  Malerei  befinbet,  fid;  biefe§  Mittels 
311  bebienen,  giebt  ber  ^poefie  einen  großen  SSorjug,  inbem  fie  fonad)  eine 

30  2lrt  uon  3eid;en  f;at,  roeldje  bie  Äraft  ber  natürlichen  l;aben,  nur  bafj  fie 
biefe  3eid>en  felbft  I;inn>ieberum  burd)  uHllfürlid;e  auöbrüd'en  mufj. 

4d.    3u  (Seite  208  3er.  III. 

3cid;t  jeber  ©ebraueb,  ber  unllt'iuiidjen  auf  einanber  folgenben  f)örbaren 
3eitt)en  ift  ^poefie.    SBarunt  foll  jeber  ©ebraudj  natürlicher  neben  einanber 
35  fteljenber  fidjtbarer  3eid;en  Malerei  fein,  infofern  Malerei  für  bie  ©djraefter 
ber  5ßoefie  angenommen  roirb? 

So  gut  es"  non  jenen  einen  öebraud;  giebt,  ber  nicfjt  eigenttid;  auf 
bie  Säufdmng  gebet,  burd)  ben  man  mefjr  31t  belef)ren,  als  31t  »ergnügen, 
mebr  ftdt)  uerftänblid;  311  madjen,  afö  mit  fid;  fortjureifjen  fud;t;  bat  ift, 

2  ff.  ©e£)t  namentlich  gegen  bie  franjöfiföe  Sebre  uon  ber  2Bohlanftänbigfeit,  f.  oben 
©.  10.  —  10  ff.  Seiber  bat  Seffing  bie  Slitofiibning  biefer  Slnficbt  burd)  «eifpiele  unter» 
laffen.  —  20.  aKetapber,  allgemein  bie  2lnmenbung  jebe-3  bilblidjen  Sluäbructä. 


216  Jtarljlaß  jum  Coohoon. 

fo  gut  bie  Sprache  tf>ie  s$rofa  tjat:  fo  gut  nuifj  aud)  bie  90iaieret  ber; 
gleichen  Jjä6en. 

©3  giebt  alfo  poettfdje  unb  yrofaifdje  9)?aler. 

Sßrojitifdje  Wiakv  finb  biejenigen,  luetdje  bie  Singe,  bie  fie  nadjafnuen 
motten,  nid)t  bem  SBefen  Ü)re  3e'(f)en  anmeffen.  5 

1.  2>l)re  3eid)en  fi"*3  "eben  einanber  ftefjenb;  me(d)e  folglid)  Singe,  bie 
auf  einanber  folgen,  bnmit  uorftclTen. 

2.  %f)te  3eid)en  fi"°  natürfidj;  iueld;e  folglid)  fie  mit  nHÜfürltd)en  oer= 
mifdfjen.     Sie  Sltfegoriften. 

3.  %f)te  Beidjen  finb  fidjtbar;  rue(d)e  fo(gtid)  nid)t  burd)  ba3  Sichtbare  io 
ba§  Sidjtbare,  fonbern  ba3  hörbare  ober  ©egenftänbe  anberer  «Sinne 
oorftelTen  motten,     ©rläuierung.  the  enraged  Musician  oom  ftogartf). 

4e.  3u  Seite  209  3tt.  V. 

2(üegorie. 
©ine  uon  ben  fdjönften  furjgefafjten  attegortfdjen  Jyiftionen,  ift  beim  15 
2Wüton  (Pamdise  lost,  Book   III.  685),   roo  Satan  ben  Uriel   [)inter= 
gef)et. 

—  of  though  wisdoin  wake,  snspicion  sleeps 

At  wisdom's  gate,  and  to  siroplicity 

Resigns  her  Charge,  while  goodness  thinks  no  ill  20 

Where  no  ill  seems  — 

„Dft  menn  gtetd)  bie  äßeiöljeit  madjt,  fdtfäft  bei-  Slrgmoljn  an  ifjrer 
Sf)üre,  unb  giebt  fein  2tmt  ber  Ginfatt,  majjen  bie  ©üte  md)t3  23öfe3 
»ermutet,  100  mdjt§  23öfe3  fjeroorbücft." 

Unb  fo  gefaUen  mir  bie  attegorifdjen  g-iftionen;  aber  fie  roeittäuftig  25 
auobUben,  bie  erbidjteten  3j]efen  nad)  allen  il)ren  2lttributen  ber  Malerei 
befdjreiben ,  unb   auf  biefe  eine  ganse  $olge   »on    mancherlei  Vorfällen 
grünben,  bünft  mid)  ein  rinbifdjer,  gotifd)er,  mönd)ifcl)er  W\i$. 

Sie  emsige  SBeife  inbeg,  mie  eine  weitläuftigere  attegorifdje  giftion 
nod)  erträgüd)  311  madjen  ift,   ift  »on  bem  6ebe§  gebraucht  morben:  er  30 
erjagt  niefit  bie  btofje  ^ittion,  fonbern  fo  mie  fie  »on  einem  Dealer  be= 
fmnbelt  morben. 

4f.    31t  Seite  210  9lv.  IV. 
[Qu  Sßincfelmauuä  ®cföicf)te  ber  Runft  ©-.  396.] 

„Sßliniuö,  fagt  §err  3S.,  berietet,  bafc  man  unter  bem  3tero  nid)t  35 
mef)i*  »erftanbeu,  in  ©rjt  3U  Stehen,  unb  er  beruft  fid)  auf  bie  loloffalifdje 
Statue  biefeS  Äaifer§  »om  3enoboru§,  bem  e§  bei  alter  feiner  Sunft  in 

12.  2(uf  biefem  SMlbc  ift  ein  Shififer  bargcftellt,  ber  burd)  allerlei  Värm  unb  öeraufcb. 
jur  aSerjroeiftung  gebracht  roirb.  —  15.  §ier  gebrauefit  ßeffvng  felbft  brei  nebeneinanber» 
ftcfjenbe  Sfbjeltioe,  roeldien  (Kebraudi  er  "oben  S.  108  befäinyft.  —  88  gotifd),  rofi, 
fdntörfelhaft.  —  menebifd),  einfältig.  —  30.  ,«ebe3,  Sßerf.  einer  S<$rift,  in  ber  ba3 
iiicnfcfjlicfje  Seben  in  aUegorifd;er  Seife  als  ein  ©emcilbe  bargefteüt  roirb. 


^Materialien  avib  (üntnnirfc  jum  Caohoon.  217 

biefer  2lrbeit  ri\d)t  gelingen  wollen.  @ä  ift  aber  ()ierau3,  rate  £>onati 
unb  SKarbini  »otten,  nid;t  31t  fcfjtie^en ,  baß  biefe  Statue  von  Wlaxmov 
geroefen." 

©§  ift  gerotfi,  baß  ©onati  unb  -Kcrcbtnt  bie  Stelle  be3  $ß{iniu§,  auf 

5  bie  es"  tjier  anfömmt,  nicf»t  uerftanben  tjaben  unb  eine  Unroal)rf)ett  batäuS 
gefdjtoffen  Ijaben.  2lbcr  auef;  &err  SB.  mu^  fie  mit  ber  gehörigen  2tuf- 
merffamfett  nidjt  erroogen  fjaben,  ober  er  fjätte  fid)  anbers"  auSgebrüd't. 
6s  foll  beut  ßenoborus  mit  biefer  Statue  nidEjt  geglüdt  fein?  2öo  fagt 
biefeä  fitintuä?    ©r  rüfmvt  tnefmeljr  uon  Ujtn,  baß  er  in  feiner  ßunft 

10  feinem  2(ften  nadEjjufe^en  geroefen,  baß  fein  3ßer!  eine  ungemeine  $P£jif 
tidjfeit  gehabt,  baß  er  fcr)on  uorljer  feine  ©efd)td(id)feit  burefj  ©tefjung 
eineä  foloffalifd)en  Sflerfutä  beuiti[)rt.  Unb  bie  Seroettetferung  ber  folgenben 
Haifer,  bem  -Nero  feinen  Stnieit  ber  ©fjre  an  biefer  Statue  511  taffett,  fie 
ber  Sonne  ju  meinen,  ben  ÜReronifdjen  Äopf  mit  Äöpfen  if)rer  33itbung  51t 

15  üertaufdjen,  fie  mit  unermeßlidjer  2Rüf)e  uon  itjrem  Orte  wegbringen  unb 
anbersrao  aufrichten  311  laffen:  was  fann  man  anbers  baraus  fdjließen, 
als  baß  es  ein  SBerf  uon  gatt3  befonberem  SBerte  geroefen  fein  muffe? 
^linius  fagt  groar:  Ea  statua  indieavit  interiisse  fundendi  seris 
scientiam .    2tt(ein  biefe  SBorie  finb  es  eben,  bie  man  mißbeutet.    üUicm 

20  finbet  barin  ben  SSertuft  ber  Äunft,  in  9)?etal(  31t  gießen,  ba  nicfjtio  barin 
liegt,  als  ber  SBertuft  ber  Äunft,  biefem  9)fetal(e  eine  gemiffe  ajHfcfnmg 
(temperaturam  eeris)  31t  geben,  loeldje  man  in  ben  alten  Äunftroerfen 
biefer  2trt  3U  fein  glaubte.  Gs  feljtte  bem  genoborus  an  einem  dnnnifdjen 
öefjeimniffe ;  nidjt  an  ber  ptaftifdjen  ©eftf)idlid)feit.    Unb  jiuar  beftanb 

25  biefes  cr)t;mifd)e  Öeljeimnis  barin,  baß  bie  Sitten  bas  Äupfer,  aus  roetdjem 
fie  if)re  33ilbfäulen  goffen,  mit  ©olb  unb  Silber  folten  gemifdjet  fjaben: 
quondam  8es  confusura  auro  argentoque  miscebatur.  (Plin.  lib.  34. 
sect.  3.  edit.  Hard.)  ©iefeä  Öefjeimnts"  mar  oerforen  gegangen,  unb 
3ttr  üDiijcfjung  bes  Tupfers,  bereu  fid)  bie  bamaligen  Äünftler  bebienten, 

30  fam  nidjts  roie  93tei,  roie  Sßtiniuä  felbft  biefe  SDftfdjung  beutlid)  erjagtet. 
(1.  c.  sect.  20.)  9htnmef)r  tefe  man  bie  obige  Stelle  gan3:  Ea  statua 
indieavit  interisse  fundendi  seris  scientiam,  cum  et  Nero  largiri 
aurum  argentumque  paratus  esset,  et  Zenodorus  scientia  fingendi 
crelandique  nulli  veterum  postponeretur.    (1.  c.  sect.  18.)    Umfonft 

35  roollte  ber  üerfdjroenbrifdje  3Rero  ©olb  unb  Silber  ba3tt  geben ;  ber  Äünftler 
fonnte  es  nidjt  brauchen;  er  uerftanb  nur  eine  toeit  geringere  Temperatur; 
aber  ber  geringere  93}ert  bes  SKetalteS,  worin  er  arbeitete,  blatte  feinen 
Ginfluß  auf  feine  ftunft;  in  biefer  toier)  er  feinem  Sitten;  pinius  fagt 
es;  ^linius  tjatte  fein  SEßerf;  it)m  muffen  mir  glauben. 

40         /,£er  fd)öne  Seneca  in  ©rjt, 'fagt  frerr  2JB.  in  einer  neuern  Sdjrift 

1.  2Ueffanbro  2onati,  ttat.  Antiquar,  15S-1— 1640,  in  feiner  Koma  vetus  ac 
recens,  Komae  1633.  —  2.  Damiano  Siarbini,  geft.  in  Dtom  1661,  in  feiner  Roma 
antica,  p.  115.  —  4f.  L.  XXXIV,  46.  —  23.  djomifct),  früher  gebräuchliche  gorm  für 
etjemifet)  (»gl.  2ttd)t)mie).  —  36.  Temperatur  für  ÜJtifcftimg. 


218  lladjlaß  }um  ffaokoon. 

(9iatf)rid)ten  von  ben  neueften  Ijerfiilamfdjen  ©ntbedungen  ©.  35),  ben 
man  turstid)  im  §erculano  entbetft,  tonnte  allein  ein  ,3eugm§  miber  ben 
^liniuö  geben,  meldier  oorgtebt,  bafj  man  unter  bem  92ero  nidjt  mefyr 
oerftanben  l)abe,  in  ©rst  ju  gießen."  —  SBem  können  mir,  roegen  ber 
©djünljeit  biefeS  SJSerfS  fidjrer  trauen  at§  ib,m?  2lber,  raie  id)  gegeigt  5 
fiabe,  er  ftreitet  mit  einem  ©chatten ;  §ßlinitt§  jagt  ba3  nidjt,  raaö  er  ifyn 
jagen  läftf.  5>d)  meifj  ben  Drt  3ioar  rool)t,  auf  ben  fia)  ,'oerr  933.  nod) 
berufen  fönnte;  wo  nätnßdj  piniuS  oon  ber  toftbaren  üöiifdjung  be3  alten 
@r3te§  rebet  unb  ^tnjufe^t,  et  tarnen  ars  pretiosior  erat:  nunc  in- 
certum  est,  pejor  haec  sit,  an  materia.  2(ber  er  fpricfjt  üergleidmng3=  10 
raeife,  unb  man  mu|  iljn  oon  ben  meiften,  nietjt  oon  allen  SBerlen  feiner 
3eit  oerftefjen;  roeil  er  felbft  bem  3cnoboru§  ein  beffres  3eil9in^  erteilet, 
unb  ber  sDJetfter  beo  erroäfmten  ©eneca  gleid)fall£>  ein  beffereä  oerbienet. 


1.  2tbfdjuitt.  15 

2Binretmann§  SerJ  p.  22. 

2lnmerfung  über  be3  ©opfjofleS  ^Ijitoftet.  — 

1.  2)tefe3  Öefdjrei  ift  eine  Ijiftorifdje  2ßaf)rf)eit.  ©agen  bafs  clanior 
Pliilocteus   311   einem   fpridjuuirtlidjem   2luöbrutfe   geworben. 

v.  Eust.  T.  II  p.  706.  20 

2.  ©opljofleä  liipt  ifm  aueb,  in  feiner  Sragöbie  fo  fdjreien.  2tn= 
mertung  über  bie  Äürje  be3  brüten  2tft3. 

3.  Sdjreien  mar  bei  ben  Sitten  ber  2(uobrucf  ber  leibenben  9Jatur 
unb  fein  3e^en  e^nec  lueibifdjen  Unleiblidjfeit.  33eim  ftomer 
fdjreien  bie  größten  Reiben,  93enu3  unb  felbft  ÜDlarg  fdjreien.  25 

Gin  6leid>e§   vom  Sßemen.     Steine  Vermutung,   roarum 
Sßriatnus»  ben  ©einigen  bei  bem  33egräbniffe  31t  meinen  uerbietet. 

4.  £iefe  Unterbrüd'ung  ber  9iatur  ift  ein  Äenn3eia)en  ber  83ar= 
baren,  ein  3eidjen  be3  ftelbenmutä  ber  norbifdjen  Wolter; 
Gjempel  au$  bem  33orrid)iu'3.  30 

Rettung  be§  Sirgilö. 

$olglid)  t)atte  Birgit  bie  9iatur  unb  ben  §omer  cor  fidj,  rcenn 
er  feinen  Saofoon  jene§  erfdjredlidje  ©efdjrei  ergeben  läjjt. 

33er  SBitbljauer  inbe3  läfit  iljn  fetnS  ergeben;  ba§  ift  roal)r.  Unb 
nun  entftefjet  bie  g-rage,  rceldjer  f)at  bie  fdjöne  9iatur  ge3eid)net?      35 

1  f.  ffiiefe  SBfifte  unb  onbere  Dom  gleiten  TdüuS  finb  fälfdjltd)  ©eneca  benannt  roorben, 
e>3  finb  »tetme^r  lüften  eines  unbclannten  flriedujdieii  SJJ^ilofop^en.  S5iefe§  2Bert  beroeift 
alfo  im  »orlieaeiiben  gallo  md^ts;  bafür  fetjlt  c-3  nidjt  an  anbern  treffltäjen  (Srjarbciten 
aus  ber  .ftaiferjeit  (uor  allen  bie  ;)ieiter)"tatue  beS  3)Jqvc  l'luvel).  —  16.  fegt  Slbfdjn.  I— V. 

—  19.   Philocteus,  muh  Cie.  de  flu.  II,  29,  94;   es  muft  abcv  Philocteteus  fiei^en. 

—  30.  2BobI  ber  bänifdie  (Selebrte  Dtauo  »ortidjiuS  (Olaf  0011  Söord)),  162U— 1G90. 
Cbcn  <S.  9  ift  für  ba§  ®leid;e  Söartljolinuä  eitiert. 


^Materialien  unb  öntnuirfc  jum  ffaokoon.  219 

Beibe;  unb  man  b,at  nidjt  au3  ber  Beobachtung  be§  Bilbf)auer§ 
ben  Sinter,  ober  au§  ber  Beobadjtung  be§  ©tctjterö  ben  Bilbfjauer 
ju  oerbammen. 

@§  ift  roaljr,  beibe  unb  beiber  Äünfte  fjaben  uiet  $Ijttftdjfeit. 
5  2tber  and)  tuet  UnttlmUdjfeit ;  unb  roeit  man  biefeS  nict)t  gehörig 
erroägt  tjat,  meü  man  jene  allgemein  machen  motten,  finb  oiet  un= 
gefunbe  Hritifen  entftanben.  Seber  tjat  feine  befonbem  t)öf)ern 
Siegeln,  bie  er  nie  auS  ben  2tugen  feijen  mu^  unb  bie  üjm  in  bem 
Befonbem  ganj  oerfdnebne  SBege  bereiten. 
10  begeht  beS  S3itbf»atterö : 

1.  Sie  (Srreicfnmg  bes  ©id;tbar=©d)önen  unb  ©rfyabenen.  — 

(Erläuterung  burd)  bie  Duferung   ber  ^pfyigenia  beä  %'v- 
mantb,e§. 

2.  2)ie  Beobachtung  eines  Buntteä,  über  raetdjen  bie  ©inbitbung 
15                  nod)  f)inau3gef)en  tann. 

ßrttiuterung  biefeö  Bunfteä  au3  "den  ©emälben  be3  Simo- 
madniä. 

Bermutun§,  in  raetdjem  fünfte  Saofoon  genommen  morben. 

£)a  Birgit  biefen  Buntt  nidjt  beobachten  bürfen,  ba  er  auf  tetne 
20         Grreidjung  be3  ftdjtbaren  ©djönen  mit  fefjen  bürfen,  fo  burfte  er 
unb  mufjte  er  jene  clamores  horrendos  mit  auöbrücf'en. 

2.  2tbfd)nitt. 

Bon  ben  ÜDieiftern  biefeS  SßerB. 

2)ie  Qtit,  in  iüe(ct;er  fie  gelebt,  ift  unbetannt. 
25  Steine  Bermutung,  bafj  fie  ben  Birgit  nadjgealjmt  tjaben  fönnen, 

unb  atfo  unter  ben  erften  Äaifern  gearbeitet. 

1.  Btiniuö  fe^et   fie   mit   folgen   neuern  Äünftlern  in  eine 
klaffe. 

2.  ©ie  ftelten  ben  Saofoon  oor  anberö  atg  tl)n  bie  gried)ifd)en 
30  Sinter  fdjitbern;  anberä  alö  8ufopf)ron,  anberS  als  OuintuS 

(Sataber. 

3.  ©ie  folgen  einem  ttmftanbe,  roe(cf;er  eine  eigne  ©rfinbung 
be3  Birgits  3U  fein  fd;einet. 

%d)  abftrafjiere  uon  ber  fjiftorifcfjen  2ßat)rfjeit  biefer  Bermutung, 
35  bie  SB.  in  f.  C5.  b.  itunft  uermutlid)  aufttären  mirb.   %a)  roill  fie 

btof}  au$  einer  BorauSfetumg  beteuerten,  unb  um  ben  Siebter  unb 
Bttbfjauer  in  einerlei  ©egenftanbe  oergteidjen  ju  fönnen. 

1  ff.  Sgl.  Slbfdin.  IV.  —  4  ff.  Sgl.  bie  Sorrebe  unb  Siadil.  A  2,  3lb|'d>n.  I.  —  12  f. 
Sgl.  Slbfdjn.  II  unb  DIadjt.  A  2,  IX.  —  lti  f.  Sgl.  2lbfd)n.  III  unb  9iad)l.  A  2,  III.  — 
ls.  Sgl.  2Xb|d)n.  V.  —  19  ff.  Sgl.  Slbfcfin.  IV.  —  24.  Sgl.  2lbfc6n.  V  u.  XXVI  f.  —  25  f. 
Sgl.  Slbfdjn.  V.  —  27  f.  Sgl.  Slbfdjn.  XXVI.  —  32  f.  Sgl.  Slbfdjn.  V.  —  35.  SDiefer 
9?ebenfats  ftef)t  in  ber  §bfd>r.  am  ;)ianbe. 


220  tladjla^!  jum  ffaoboon. 

1.  Sßortn  ber  23übb,auer  bem  SBirgil  gefolgt. 

2.  3Öorin  er  uon  tljm  abgegangen. 

3.  ©rläuterung  ans  neuern  Tupfern,  bie  bei  bem  SStrgü  genau 
geblieben. 

4.  ©ebanfen,  rote  überhaupt  berg(eicb,en  Tupfer  einsuridjten.      5 

3.  Slj&fdfj  tritt. 

I.  £err  933tnf.  fetbft  b,at  e3  in  f.  &.  b.  ßtmft  eingefeljen,  bafj  ber 
33ilbt)auer  31t  biefer  3iul)e  toegen  ber  üeijubefjaltenben  <Sdt)önr)eit 
»erbunben  geioefen,  unb  bafj  biefe  fein  ©efeij  für  ben  Sinter 
p.  167,  befonberö  169.  10 

Sei  (Megenfyeit  feine  Vermutung  oom  93b,tloftet  p.  170. 

SKeine  SSerbeffrung  beS  ^MiniuS. 

II.  Jpierin  finb  nur  einig,   aber  befto  raeniger  wegen  ber  3eü  hex 
Äünftfer  be§  Saotoon. 

(Erörterung  meiner  Meinung.     Sie  feine   grünbet  ftd;  roeiter  auf  15 
nidfjtö  al§  auf  bie  3Sortrefflidt)fcit  beä  SBertS. 
Vermutung  au3  bem  eizoitjce. 

4.  5.  2lbfd;nitt. 
Sßettere  Erörterung,  ba£  bem  Sinter  roeit  mefyr  erlaubt  fei  alö  bem  2)Wer: 

4.  in  2(nfe(jung  ber  ^äfjüdjfeit  unb  beö  Sädjerlidjen.  ©jempel  be3  £fyerfite3.  20 

5.  in  2(nfef)itng  be3  ©fe(3.    ©rempet  beS  ^J^iloftet,  nebft  ber  ©cene  ber 
hungrigen  beim  23eaumont. 

£abe(  ber  ^arptjen  bes>  SBirgitS. 

6.  2lbfcf)nitt. 

Völlige  Öeredjtigteit  fctjetnt  SB.  inbeö  bod)  nidjt  bem  Sidjter  raiber^  25 
fahren  31t  (äffen.    2ßenn  er  3.  @.  170  fagt;  fie  werben  Um  mefyr  nad)  ben 
©runbfä^en  ber  SÖMSfyeit,  alö  nad)  bem  Silbe  ber  Sidjter  oorgeftetfet  Ijaben. 

Slusteg. :  e3  muj}  f)ier  roenigftenä  nur  bie  bübfjauerifdje  2ßei3I)ett  gxt 
oerftefyen  fein. 

p.  25.  28  fdjeint  er  auf  ber  Seite  be<3  GaiduS  3U  fein,  bafj  ber  SJBert  30 
ber  Sidjter  nad;  ber  Qafyi  if)rer  ©emiübe  51t  beftimmen. 

Sßiberlegung  biefer  30teinung; 

SDafi  Singe  in  ber  ^antafie  einen  oortreffüdjen  @ffe!t  machen,  bie 
auf  ber  Seimoanb  ober  im  Stein  einen  mibrigen  fyaben. 

Qu  loeldjem  33erftanbe  .ftomer  ber  größte  Mittler  fei;  unb  bafj  DJttfton  35 
nacf)  ib,m  ber  größte. 

3  f.  SBgl.  Sl&fdm.  V.  —  12.  23ermutlidj  2I6)d)n.  II,  ©  19.  —  13  f.  33g[.  Mbfd;n. 
XXVI f.  —  17.  Sgl.  Qlbfdm  XXVII.  —  19.  als  bem  2»alev,  in  ber  Sbfdir.  oer= 
trieben  „alo  bem  Siebter".  —  20.  Sgl.  2(bfdm.  XXIII.  —  23.  Sgl.  Slbfdm.  XXV.  — 
33  f.  »gl.  2lbfd;nitt  XIII  f.  —  35  f.  »gl.  Slbjdjtt.  XIV  unb  3iad)l.  A  2,  XI. 


$latevialisn  unb  ©ntrcürfe  jum  ffaokoon.  221 


a. 
3«  ben  ©etnälben  in  ber  öatifatttfdfjett  §anbfcf;rift  be§  äUrgtlg, 
roeldje  33artf>ofi  bereito  ftedjen  [äffen,  unb  Antonio  Anibrogi  in  f.  mefjr 
5  prächtigen  aß  fdjjönen  2lU£>gaJ6e  beS  SKrgttä  (Roma,  1764  in  3  fol.)  nad) 
tf)m,  erfdjeint  Saoloon  gIeid;faHö  mit  beiben  Äinbern  sugleid)  umfdjlungen, 
311m  33eroeife,  bafj  man  auä)  bamals  ben  SBirgil  nid)t  anberö  uerftanben 
alö  id)  fage. 

£aofoon  ift  in  biefem  ©emälbe  nadenb,  bi§  auf  einen  Jürgen  9J2antel, 
10  rceldjen  ber  SBinb  über  ba§  Öefidjte  toefjet.    2(ud)  bie  Sßinbungen  ber 
©drangen  finb  nidjt  bie  SHrgUifdjen ,  fie  gefjen  jiuar  smeimal  um  ben 
£eib,  aber  freujraeiö,  unb  um  ben  öatö  gar  nid)t. 

2(ud)  ber  ^3.  Satrou  in  feinem  Birgit  f»äft  bafür,  bafj  ber  Sidjter 
feine  §8efd)retbung  nad)  ber  Öruppe  gemadjt  f)abe,  bie  er  roie  $ontaineö 
15  für  ein  Sßerf  be§  s£d)ibia3  fjält.    ©iefe§  füfjrt  Ambrogi  au§  if)m  an, 
ofme  ifm  311  «überlegen.     Unb  Ambrogi  lebt  bod)  in  9tom. 

* 

Unter  ben  übrigen  Tupfern,  roefdje  Ambrogi  feiner  2tu§gabe  bei= 
gefüget,  finb  aud)  einige  non  fogenannten  alten  ©emälbeu  au3  bem 
20  £ird)erfd)en  SDcufäo,  bereu  einä  (Tom.  III.  p.  23)  bie  !yuno  uorftetfet, 
uüe  fie  bie  2Uerto  au3  ber  §öUe  ruft,  guno  fi^et  auf  einer  Sßolfe  am 
Gingange  einer  §öf)[e,  unb  neben  it)r  fielen  3roei  Figuren,  bie  eM  unb 
abfdjeulid)  fein,     %d)  blatte  biefes>  ©etnälbe  txicr)t  für  alt. 


b. 

25  SHeUeidjt  voax  e§  ^oUio  2lftnius,  ber  ben  Saot'oon  bei  23irgil<3  burdj 

einen  griednfdjen  Sünftler  nadjabmen  liefs.  fjßotlio  raar  ein  befonbrer 
g-reunb  be§  2)id)ter£>,  überlebte  ben  Siebter,  unb  fdjeinet  fogar  ein  eignes» 
Söerf  über  bie  2lnei£>  gefdjrieben  ju  Ijaben.  Senn  roo  fonft  al§  in  einem 
eignen  Sßerte  über  btefeö  ©ebidjte  tonnten  bie  einseht  2(nmerfungen  ge» 

30  ftanben  tjaben,  bie  <3err>iu3  au§  üjm  anführt  ad  vers.  7.  libr.  II,  unb 
befonberä  ad  vers.  183.  libr.  XI.  Solan  bürfte  alfo  tüot)t  nidjt  unredjt 
tfnm,  ba§  Sßerjeidfjniä  ber  oerforenen  ©djriften  biefes  Dfömerö  mit  einem 
fotdjen  2Berle  ju  uermeljren. 

3 ff-  SSgt.  2lbfd)n.  V.  —  4. Sßietro  ©.  »artoli,  Seidener  unb  JUipferftedjer  1635—1705. 

—  2lntouio2lmbrogi  1713 — 1788,  Sßrofeffor  am  (Sollegio  Romano.  —  5.  Sie 2lbbilbungen 
ber  SHiniaturen  ber  uatif'aniftfjen  S3irgill)bfä)r.  finb  in  ber  2lmbrogtftf)en  2lu5gabe  burtfjauö 
ungenügenb.    2)2an  vgl.  bie  l)ier  befvrodjene  Slbbilbung  in  meiner  grofjen  2lu3gabe  Saf.  II. 

—  13.  fjrancoiä  Gatrou,  ein  geteerter  ^fait»  1(559 — 1737.  —  14.  gontaineS, 
ugl.  oben  ©.  46.  —  20.  Sie  Sammlung  oon  2ltl)anafiu§  ßirdber  im  Gollegio  9to= 
mano.  —  23.  2ln  biefem  Siebenten  ift  jebenfall^  nur  bie  Ungenauigleit  ber  Slbbilbung  fcf;ulb. 

—  25  ff.  23gl.  2Ibfcfiu.  XXVII. 


222  fladjlalj  ptm  ffiaohcotr. 

gugteid)  mar  Sßottio  ein  ßie&Ija&er  unb  Äenner  ber  Äunft,  befafj  eine 
reidje  (Sammlung  ber  treffitdiften  alten  Kunftroerle,  liefe  von  Äünfttern 
feiner  ,3eit  neue  fettigen,  unb  bem  ©efdimade,  ben  er  in  feiner  2jßaf)l 
jeigte,  mar  ein  fo  füfmes  (Stüd  als  Saoloon  uollfommen  angemeffen:  ut 
fuit  acris  vehementiae ,  sie  quoque  speetari  nionumenta  sua  voluit. 
(Plinius,  1.  36.  sect    4.  cap.  5.  p.  729.) 


©Ben  ifct  finbe  id)  mit  »ietem  Vergnügen,  bafj  id)  in  meiner  Meinung 
»on  bem  2(tter  bes  Soofoon,  unb  ben  SSorbilbem,  »etdjje  fid;  bie  2)teifter 
besfetben  babet  gemästet,  einen  Vorgänger  f)abe,  beffen  ©puren  id)  un=  10 
miffenber  SBcife  betreten,  ßs  ift  btefes  Barthol.  Marliani;  ein  ©elefjvter, 
roelcfjer  um  bie  Seit,  ba  Saofoon  um  ben  2(nfang  bes  fedjjefmten  %>af)X: 
fjunberts  entbedt  marb,  lebte,  unb  td)  barf  nermuten,  bafj  unfere  ba= 
maligen  @etef)rten,  mit  ifnn  übereingestimmt  fjaben  merben.  <3o  fdireibt 
er:  Et  quarnquarn  hi,  nämlid)  Ages.  Poby.  unb  Atha.,  ex  Virgilii  15 
descriptione  statuain  hanc  formavisse  videntur,  non  tarnen  illam 
in  omnibus  sunt  imitati ,  quod  viderent  multi  auribus,  non  item 
oculis  convenire  et  plaeere. ])  Qd)  foitte  felbft  glauben,  id;  Ijätte  über 
biefe  Sßorte  einen  Kommentar  fdireiben  motten. 


Dber  Dtelmefjr,  Solange,   benn  Sntopfjron   fdieinet   nur   eine  an=  20 
genommen  31t  baben:    Kai  nctidoßQüTog  nÖQxtcog  vijßovg  dntXüg. 


%d)  erinnere  mief),  bajj  man  bas  ©ematbe  f)ternnber  anführen  tonnte, 
meldjes  ©umofcp  bei  bem  Sßetron  auslegt.  Gs  [teilt  bie  gerftörung  oon 
Sroja,  bie  ©efd)ttt)te  bes  Saofoon  uollfommen  fo  nur,  als  SSirgil  er; 
jäfjlet;  unb  ba  in  ber  nämlidjen  (Materie  31t  Neapel,  in  ber  es  ftanb,  25 
anbere  atte  Öemälbe  non  3eu£i§,  fotogenes,  2(pelfes  maren,  fo  tiefje 
fid)  »ermuten,  bafj  es  gleidifalls  ein  altes  gried)ifd)es  ©emiilbe  geraefen 
fei.  älttein  man  ertaube  mir  einen  SRomanbtditer  für  feinen  ftiftoritus 
galten  311  bürfen.  Siefe  öaterie,  unb  biefes  ©emiilbe  unb  biefer  ©umolp 
fjaben  allem  Slnfefjen  nad)  nirgenb  als  in  ber  ^bantafie  bes  ^etrons  30 
eriftieret.    9ttdits  »errät  itjre  Grbid)tung   beutlidjer  als   bie  offenbaren 

')  Typographia  urbis  Romae  lib.  TV.  cap.  14.    SBenrt  ober  SDlarliant  §injufe$t: 
Haec  statua  in   Vaticano  atme  est  collocata:  quam  diligentei  expressam  hio  sub- 
jeeimus:  fo  mufj  id)  erinnern,  bafj  fid>  btefeä  23üb,  fo  roie   Graevius   baä  SBerl  be§ 
Marliani  (cfr.  Antiq.  Rom.  T.  HL)  nadjbrucfen  [äffen,   nid)t  babei  befinbet.    33ielleid)t  35 
baf3  ifjn  bie  erfte  2(u3gabc  f>at. 

8  ff.  SSgt.  2lbfd)n.  V.  —  20  f.  »gl.  oben  S.  38.  —  22  ff.  Sgl.  oben  ©.  38  f.  — 
84  30$.  ©eorg  ©raöiuS  (1682—1705),  SCerf.  beö  bier  citierten  <sammeiroerfe>3  über 
römiidie  iütertüiiier.   —   35  f.  So  ift  e§;  e3  befinbet  fid)  bort  auf  <S.  845. 


öntnmrfe  unö  ^Materialien  ;ur  ^ortfeijung  öea  ffaohoon.  223 

©puren   einer  beinahe  frfjiUcrmä^igen  9ladfjaf|mung  ber  Sftrgtltfcfjen  SBe= 

fd)rei6ung.    ®5  mirb  fidj  ber  SDiüfje  nerlofjnen,  bie  $ergfeid)ung  änjuftetten. 
©o  93irgi(. 

d. 

5  ©er  förperlidje  ©dnners  BcrfteHt  am  meiften.  ®a<3  ©freien  allein 
jerftöret  alle  Symmetrie  be§  ©efid^tS.  ©in  fdjöneö  Öefidjt  ift  am  fd^önften 
in  feiner  9frif)e,  mit  uerfdjloffenem  SDhmbe.  ^oh;gnotu3  mar  ber  erfte, 
ber  ben  2Rttnb  feiner  Figuren  ein  Hein  wenig  öffnete,  um  eine  ©cfjönfjeit 
mef)r,   bie  3äf)ne  ftcfjtbar  ju  madjen.     instituit  os   adaperire,   dentes 

10  ostendere.     Plinius  lib.  XXXV.  sect.  35. 


B. 

QmfhriirfB  untr  Blafmalnm  fttr  3tofJ>f|mt£ 


7. 
15  II.  Seil. 

XXX. 

§err  SBinfefmann  fjat  fid;  in  ber  Öefcfjicfjte  ber  Jhtnft  näfjer  erftärt. 
2(ua)  er  befennet,  bafj  bie  9iuf)e  eine  $0fg.e  ber  ©cfjönfjeit  ift. 

SRotroenbigfeit  fidj  über  bergleidjen  j)inge  fo  prägiä  auSjubrütfcn  a!3 
20  mögficfj.    (Sin  falfdjer  ©runb  ift  fdjlimmer  als»  gar  fein  ©runb. 

xxxr. 

£>err  Sffiinfefmann  fdjeint  biefeS  fjöcfjfte  ©efefc  ber  ©cfjönfjeit  ßtojs  auS 
ben  alten  Äimftroerfen  abftrafjtert  ju  fjaben.  9Jian  lann  aber  ebenfo  un= 
fefjlbar  buret)  bfofje  ©djüiffe  barauf  fommen.  35enti  ba  bie  bifbenben 
25  ftünfte  allein  uermögenb  ftnb,  bie  ©djönfjeit  ber  fform  fjeruorsubringen, 
ba  fie  fjterju  ber  ftilfe  feiner  anbem  Äunft  bebürfen;  ba  anbere  Äünfte 
gäudidj  barauf  SBerjirijt  t(nm  muffen:  fo  ift  e§  mof)(  unftreitig,  bafj  biefe 
©cfjönfjeit  nidjt  anberö  at§  ifjre  33eftimmung  fein  fann. 

XXXII. 
30         Sttfein  jur  förperticfjcn  ©djönfjeit  gehöret  mefjr,  afö  ©cfjönfjeit  ber 
$orm.    @3  gehört  audj  ba^u  bie  Sdjönfjeit  ber  färben,  unb  bie  ©djön= 
fjeit  be3  2(uobnido. 

5  ff.  Sßgl.  2tbfd)n.  II.  —  9.  bie  3ä^>"e,  a6er  gerabe  biefe  werben  in  ber  alten  flunft 
bei  Sbealfiguren  nid)t  gejeigt.  —  17  f.  Sßgl.  9}ad>[.  A  4,  2.  2lbftfm.,  III;  A  5,  3.  Stbfdin.  — 
22  ff.  Sgl.  3Jad>l.  B  9  a. 


224  lludjlalj  junt  ffaokoon. 

ttnterfdjieb  in  SCnfefjung  ber  <3djbnf)eit  ber  färben  3roifd)en  Äar= 
nation  itnb  $o(orierung.  Maunation  ift  bie  Aolorierung  fotdjer  ©egen= 
ftänbe,  roeldje  eine  beftimmte  (Sdrjönfjeit  ber  gPrm  fyaben,  aI3  uornetymlid) 
be§  menfdjlidjen  Äörperö.  Äotorierung  ift  ber  Öebraud)  ber  Sofalfarben 
überhaupt.  5 

Itnterfdneb  in  2(nfet)ung  ber  ©djönfyeit  be§  Sdiöbmd'ö,  gtxjtfd^en  tranfi= 
torifdjem  nnb  permanentem.  Qener  ift  geroaltfam  nnb  fotgltct)  nie  fdjön. 
Siefer  ift  bie  %ol$e  oon  ber  öfteren  233ieberb,oIung  bes  erftern,  »erträgt 
fid;  nid;t  altein  mit  ber  ©djönljeit,  fonbern  bringt  and;  mefjr  Sßerfdnebem 
tjeit  in  bie  @d;önf)eit  fetbft.  10 

XXXIII. 

2>beal  ber  forperüdjen  ©djöntjeit.  SSaö  es  ift?  Go  tieftest  in  bem 
Sbeale  ber  £$fortn  uornefjmlidj,  bod)  and;  mit  in  bem  gbeale  ber  £ar= 
nation  nnb  be§  permanenten  2(nobrucfg. 

2)ie  btofje  Äotorierung  unb  ber  tranfitorifdje  2lusbrud  Ijaben  lein  15 
^bzal:  roeit  bie  9?atur  felbft  fid;  nidjtä  Seftimmteö  barin  oorgefe^t  fjat. 

XXXIV. 

gatfdje  Übertragung  be§  materifdjen  3beat3  in  bie  Sßoefie.  2)ort  ift 
e§  ein  lybeal  ber  Äörper,  fyier  mu|  ee>  ein  ^beat  ber  £anbhtngen  fein. 
Srnben  in  feiner  SSorrebe  jutn  ^reönotj.    Saco  beim  Sorot!).  20 

XXXV. 

9iod)  übertriebner  würbe  e§  fein,  roenn  man  nidtjt  btofj  von  bem 
iDidjter  oolttommene  moralifdje  SBefen,  fonbern  roofjt  gar  oottlommene 
fdjöne  förperlidje  SJBefen  erroarten  unb  »erlangen  rooltte.  ©feicrjiüot)!  tf)itt 
biefeS  §err  3£inreunann  in  feinem  Urteile  00m  ÜDiUton.  pag.  28.  &.  b.  $.  25 

9Bin?eImann  fdjetnet  bcn  9J2üton  wenig  getefen  31t  ijaben;  fonft  roürbe 
er  roiffen,  baf?  man  fdron  längft  angemerft,  nur  er  fyabe  Seufel  311  fdüibern 
gemußt,  ob,ne  31t  ber  .ftäfdidjfeit  ber  gform  feine  ßuftucbt  5"  nehmen. 

(Sin  foldjeö  uerfeinerte  SBilb  ber  teuffifdjen  £äf$[id)rett  fyatte  utelleidjt 
Chübo  Dient  im  Äopfe  (v.  Drydens  Preface  to  the  Art  of  Painting  30 
p.  IX.).    2lber  roeber  er  nod;  fonft  einer  f;at  eo  ausgeführt. 

9J(ittonö  f)äfdid;e  Silber  aber,  als  bie  ©ttnbe  unb  ber  Job,  gehören 
gar  nidjt  31a-  §anblung,  fonbern  füllen  btofs  Gpifoben. 

iliiltons  Äunftgriff,  auf  biefe  2trt  in  ber  Sßerfon  be$  Xeufelo  ben 
Reiniger  unb  ben  Öepeinigten  311  trennen,  roeldje  nad;  bem  gemeinen  33e=  35 
griffe  in  ifnn  »erbunben  roerben. 

lf.  Parität  unb  flolorieruttfl,  n>a§  man  fyeute  SnEarnat  unb  ftotorit  nennt.  — 
6 ff.  S3g(.  meine  Saofoouftubiett,  §eft  II,  gteiB.  i.  fflr.  1882.  —  12  ff.  SBflL  Waül  B  9b. 
—  18  f.  SSgl.  9iad)t.  A  2,  Slfifdjn.  IX;  A4,  2.  »feint.,  VIII.  —  20.  Über  SD  r  9  ben  f. 
oben  <B.  90;  über  bu  greSnog  ©.  44.  —  Diobert  Soiotf)  (1711—1787)  cttiert  in 
feiner  Schrift  De  sacra  poesi  Hebraeorum  eine  Stelle  au3  be§  Saco  »on  Skruiam 
(1561— 1G26)  ®d)rift  De  augmentis  scieutianun,  roottad)  bie  Sßoefie  Ijei'oifdjcrc  Ä^aten 
erfinben  foU,  als  fie  bie  SBirHittjteit  barbietet.  —  22  ff.  Sgl.  9Ja*l.  A  2,  Slbfdjn.  IX.  — 
32.  SBg!.  2)leubel'j[o(;n'j  Söemerfung  oben  S.  187. 


ffintroürfc  miö  ^Materialien  jur  fortferjung  bes  Cacwoon.  225 

XXXVI. 
2lber  audj  t>on  ben  SgaupitjanbUmgen  bes  SJHIton  [äffen  fief;  bie 
roenigften  malen.  335of;t;  aber  baraus  folgt  nid)t,  bafc  fie  bei  bem  ÜDlüton 
nidjt  gemalet  ftnb. 
5  Sie  ^poefie  matt  burd)  einen  einigen  3US:  °ie  Malerei  imtjj  alte 
übrige  Ijtngutljtm.  %n  ie"er  alfo  fann  etwas  fel)r  malerifd)  fein,  roaS 
fid)  burd;  biefe  gar  nia)t  ausführen  läfjt. 

XXXVII. 

gotglid)  liegt  es  nid)t  an  bem  oorsügßdjen  Genie  bes  Römers,  baft 

10  Bei  it)m  altes  311  maten  ift;  fonbern  lebiglid)  an  ber  3Bat)l  ber  SäKaterie. 

fBemetfe  biernon.    ©rfter  beweis,  aus  üerfrfjiebenen  unftdjt&aren  ©egen* 

ftänben,    roeldje  dornet  ebenfo  unmaterifd;  bel)anbelt   b/it,    als  9Jiilton, 

3.  ©.  bie  3n>ietrad;t  2c. 

XXXVIII. 
15         groeiter  beweis;  aus  ben  fidjtbaren  ©egenftänben,  roetdEje  SKifton 
uortrefflid)  bef)anbelt  fjat.    35te  Siebe  im  Sßarabiefe.    Sie  Cnnfaltigf'eit  unb 
2trmut  bev  diäter  über  biefes  (Subjeft.  Ser  gegenfeitige9ieid;tum  bes  SOHlton. 

XXXIX. 
©türfe  bes  SJiilton  in  fucceffiuen  ©emälben.     (Stempel  bauon  aus1 
20  alten  33üd)ern  bes  nertomen  ^arabiefeö. 

XL. 
sDiiltons  9JMerei  einzelner  ftnnlidjer  ©egenftänbe.     3>n  biefer  würbe 
er  bem  §omer  überlegen  fein,  wenn  rotr  ntebt  fdwn  erroiefen  l)ätten,  baf} 
fte  nrd)t  für  bie  Sßoefte  gehöret. 
25         SReine  iUeinung,  baf?  biefe  Malerei  eine  ^-otge  feiner  331tnbt)eit  mar 
©puren  biefer  f.  SBIinbfjeit  in  nerfdn'ebnen  einjeln  ©teilen. 
©ntgegengefefcter  23ewei$,  bafj  öomer  nidjt  blinb  gewefen. 

XLI. 

9Jeue  Seftärfung,  baf?  fidt)  §omer  nur  auf  fucceffitte  ©emälbe  ein* 

30  getaffen,   burd)   bie  Sßibertegung   einiger  (Einwürfe,    als    uon    ber  23e= 

fdjretbung  bes  5ßalafte§  in  ber  2>tiabe.    (Sr  wollte  btojj  tun  begriff  ber 

©röfje  baburd;  erweden.    23efdueibung  ber  ©arten  be§  Sttcinous;1)  aua) 

')  Odyss.  VII.  rceldje  33efd)reibung  ^ope  fid)  au§fud)te,  unb  in  ben  Guardian  über* 
fe$t  einrüdtc,  ei)e  er  nod)  bas  übrige  übcrfefjte. 
35  ebenfo  berühmt  roaren  bei  ben  2Ütcn  bie  ©arten  be§  2lboni§.    Seren  Beitreibung 

bei  bem  Starim  Ganto  VI.   5ßerg(eid)ung  biefer  Beitreibung  mit  ber  be5  ftomcrS. 

Sie  S3efd>reibung  be§  ^arabiefeS  beimüNüton:  Book  IX.  v.  439.  besgleidjen  IV.  268. 

2  ff.  Sgl.  3tod)I.  A  4,  2.  sibfdjn.,  IX.  —  10  einfältig  feit,  b.  I).  ©inf  adrett.  — 
17.  Subjeft,  Sujet,  sßorrourj.  —  gegen jeitige,  entgegengefegte.  —  lüf.  Sgl.  unten 
Sir.  7a,  —  £7.  Sögl.  sJiad)[.  A  4,  2.  Stbfdjn.,  XII  unb  unten  7b.  —  31.  gliabe,  foli  roold 
Dbnffee  tjeifjert;  eö  ift  nialjrfdjetnlid)  ber  ^alaft  be§  2Ufinoo§  Db.  VII,  84=  ff J  gemeint.  — 
33.  £er  Guardian,  eine  engtifdje  äBocbenfcfirift,  wie  ber  Speetator  unb  ber  Connoisseur. 
—  3G.  2)larini,  SJeffing  fctireibt  ffllarino,  meldie  Siameusform  aud)  uorfommt.  ©iambattifta 
sJJiarini  (156)— 1Ü25),  S3erf.  be§  A.done,  ift  33egriinber  be§  fog.  stilo  marinesco,  ber  fid; 
burd;  gejierte  Stu^brüde  (concetti)  auSjeidmet. 

ßefjtngä  SSerte  9.  15 


226  ttadjlalj  jum  ffinokoon. 

biefe  befdjreibt  er  nidjt  als  fct)öne  (Segenftänbe,  bie  auf  einmal  als  fdjön 
in  bie  2Iugen  falten,  iveldjeS  fie  in  bev  ^atur  fetbft  nidjt  finb. 

XLII. 
©elbft  bei  bem  Duib  finb  bie  fucceffioen  ©emälbe  bie  l)äufigften  unb 
fdjönftert;  unb  grabe  baöjenige,  ma§  nie  gemalet  morben,  unb  nie  ge;  5 
malet  roerben  t'ann. 

XLIII. 

Unter  ben  Öemätben  ber  §anblung  gießt  e§  eine  ©attung,  roo  bie 
ftanbtung    nid)t    in   einem    einigen  Äörper  fid)  nad)  unb  naa)  äußert, 
fonbern  roo  fie  in  uerfdjiebne  Körper  neben  einanber  »erteilt  ift.     ®iefe  10 
nenne  id)  tollef'tioe  .Staublungen,  unb  e$  finb  biejenigen,  loeldje  ber  Malerei 
unb  ?poefte  gemein  finb.    2)od)  mit  nerfdjiebnen  iSinfdjränfungen. 

XLIV. 
Sßte   ber  SMdjter  Äörper   nur   anbeutungSraeife  burd)  ^Bewegungen 
f Gilbert:  fo  fudjt  er  aud;  fidjtltdje  Gigenfdjaften  bes  ilörperä  in  ^Bewegungen  15 
aufsulöfen.    2116  3.  6.  bie  Öröfje.    SBeifpiel  t»on  ber  frölje  eines  23aume<3. 
93on  ber  breite  ber  ^ijramiben.     SSon  ber  ©röfje  einer  ©djlange. 

XLV. 

93on  ber  ^Bewegung  in  ber  Malerei;  warum  fie  nur  9Henfd>en  unb 
e  ine  Siere  barin  empfinben.  20 

XL  VI. 

SSon  ber  Sdjnelligfeit;  unb  ben  oerfdnebnen  9JJitteln  be§  Sidjters 
fie  auojubrüd'en. 

£>ie  ©teile   beim   9JJilton  B.  X.  v.  90.     Sie  allgemeine  9ieflerjon 
über  bie  ©dmelligteit  ber  Götter  ift  bei  weiten  »01t  ber  Sßirfung  nidjt,  25 
al3  ba§  33ilb  mürbe  gewefen  fein,  meldjeS  uns»  Spornet  auf  eine  ober  bie 
anbete  2lrt  baoon  gemarfjt  l)ätte.    SBielleidjt  mürbe  er,  anftatt,  „er  flieg 
fogleid;  l)erab,"  gefagt  (jaben:    Gr  mar  fjerabgeftiegen. 


7a.    Qu  Seite  225  3lt.  XXXIX. 

©emülbe  beim  9)iitton.  30- 

T.    Son  progreffuufdjen  Gemalben,  uon  meldten  un3  ftomer  fo  oor= 
treffliche  ä3eifpiele  giebt,  finben  fid)  aua)  fet)r  fdjöne  beim  iUUlton.    2113 
a)  ba§  Grfjeben  bes>  ©atanS  au§  bem  brennenben  ^futjle.    P.  L. 

B.  I.  v.  221—228. 
ß)  Sie  erfte  Gr'öffnung  ber  fröllenpforten  burd)  bie  ©ünbe.    B.  II.  35. 

v.  871—883. 
y)  Sie  Gntftef)img  ber  SBelt.    B.  III.  v.  708—718. 

8 ff.  SSgl.  9kd)l.  A  3  unb  A  4,  2.  2lbjd;n.,  XV.  —  Uff.  33g[.  A  4,  2.  2tbfd)tt.,  X.  — 
19  f.  Sgl.  ebenba.  —  22  f.  SBgt.  ebenba  unb  unten  7  c.  —  21  ff.   Sgl.  unten  7d. 


QSnimntfe  mtb  #latericilicn  jur  (forifetjung  Des  ffaokoon.  227 

5)  Ser  ©prung  beS  ©atang  in  ba§  Sßarabteä.  B.  IV.  v.  181— 183. 
e)  Ter  gtug  be§  3tapljaet§  jur  erbe.    B.  V.  v.  246—277. 

£)  Ser  erfte  2(ufbrud)  be§  Ijimmlifdjen  §eere§  miber  bie  rebetlifdjen 

@ngel.    B.  VI.  v.  56—78. 
i])  Sie  2(nna4)erung  ber  ©djlange  jur  ©oa.    IX.  509. 

6)  Sie  ©rbauung  ber  SBrütfe  oon  ber  öölle  jur  @rbe,  oon  ber  ©ünbe 
unb  bem  2obe.    X.  285. 

i)  Batans  QurüdKunft  3ur  't10'^  UUÖ  unfidjtbare  SBcftcigung  feines 

Slironeo.    X.  414. 
-/.)  Sie  Sßerroanbtung  beö  ©otanä  in  eine  Seetange.    X.  510. 


2(ud)  bie  Sdjönfjeit  ber  gorm  fjat  äRitton,  nad)  be3  Römers  Lanier, 
nid)t  foioof)!  nad)  ifjren  Sefianbieilen,  alö  nad)  ifjrer  SBirfung  gefdjtlbert. 
3Ran  fefye  bie  Stelle  oon  ber  3iUrfung ,  roeldEje  bie  <2d)ünf)ett  ber  ©oa  auf 
ben  Satan  felbft  fjat.    Book  IX.  455—466. 

15  II.  2(ud)  an  fotdjeu  Öemälben,  bie  nnrflid)  von  ber  Ufalerei  be= 
tjanbelt  werben  fönnen,  ift  äJHTton  weit  reicher,  als  it)n  Sanluä  unb 
SBinfelmann  glaubt;  obfd)on  3ttd;arbfon,  ber  fie  auobrütflid)  augjeid^nen 
motten,   in   iljrer  35>at)l   oft   fef;v   unglüdlid)  unb  unuerftänbig  geioefen 

ift-    3-®- 

20  1.  Sitdjarbfou  füllt  ben  9iapt)aet  mit  feinen  brei  s£aar  'glügefn  (B.  V. 
277)  für  einen  fdjönen  Öegenftanb  ber  Malerei;  unb  eo  ift  offenbar, 
bafs  er  eben  biefer  fedjsl  glügel  megen  ein  fef)r  untauglicher  ift.  Db= 
fdjon  baö  33üb  am  beut  ^ejaiao  genommen  ift,  fo  ift  es  bod;  barum 
nid)t§  materifdjer.    Sie  Öeftalt  ber  Gfjerubim  ift  ebenfo  unmalerif d). 

25         XI.  129. 

2.  Seogleidjen  baö  23ilb  ber  aufredjt  etnljergebenben  Sdjlange.  B.  IX. 
496,  roetdjeS  roiber  alle  ^onberation  in  ber  9J!a(erei  fein  würbe;  ob 
eö  fdjon  bei  bem  Sidjter  fef;r  gefällt. 

7b.    $u  Seite  225  3tr.  XL. 

30  Sünbfjeit  be§  SJHlton. 

gdj  bin  ber  Meinung,  bafj  bie  331iitbt)ett  bes  üDtütonä  auf  feine 
2lrt  311  fdjilbern  unb  fid)tlid)e  ©egenftänbe  51t  befdjreiben  einen  (Sinftufj 
gefjabt  Ijat. 

2lufeer  bem  Grempel,  :oeIcr)eö  id)  bereits  oon  ben  flammen,  uieldje 

35  Tvittftentiö  oon  ftdt)  ftrafjlen,  angemerft  Ijabe,  finbe  id)  eineo,  (Paradise 

lost  B.  111.  722)  roetdjeö  oielleirijt  gleid)fal(ö  fjiefjer  gejogen  raerben  fann. 

1.  B  IV,  in  ber  £bfc§r.  irrtümlich  B  III.  —  5.  509,  genauer  4'J4  ff.  —  17.  Über 
SRidjarbfon  f.  oben  ©.  46.  —  24.  ber  GJjerubim,  bie  §bfcf)r.  f>at  ber  GljerubinS. 
—  27.  ^onberation,  @eje§  ber  Scbroere.  —  34 f.  3iact>     A  4,  2.  Sl&fcön.,  XII. 

15* 


228  ikdjlaft  jum  ft'aokoon. 

—  Uriet  null  bem  in  einen  ©ngel  beö  £id;tö  rjerfteltten  Satan,  ben  ©rb= 
ball,  bie  äßofjnung  beS  2Ketvfcfjen  geigen,  unb  fagt: 

Look  downward  on  that  globe,  whose  hither  side 
With  light  froni  hence,  though  but  reflected,  shines. 

„Siefye  auf  jenen  Sali  nieber,  beffen  Seite,  bie  nad)  uns  geraanbt  ift,  5 
mit  Stdfjte  fdjeinet,  ba3  oon  fjier  entlehnet  ift."  —  9Jtan  werfe,  bafj 
Leiber  ÖeftdjtSpunft  in  ber  (Sonne  mar,  oon  ba  auö  fie  nid)t  metjr  oon 
bem  (Srbballe  fcljen  fonnten,  al§  eben  bie  Seite,  raeldje  ber  Sonne  ju= 
gefeljret  war.  9lu§  ben  SBorten  bes  Sidjters  aber  follte  eö  fd)einen,  als* 
ob  fie  aud)  oon  baljer  bie  anbere  unerleudjtete  Raffte  Ratten  erbtiden  10 
tonnen,  meldjeS  unm'öglid)  ift.  Sin  bem  9JUmbe  fönnen  mir  3ioar  öfters1 
bie  eine  erleudjtete  unb  bie  anbere  unerleudjtete  ,'oätfte  erbliden ;  aber  ba§ 
uiad)t  metl  mir  uns  an  einem  brüten  Orte  befinben,  unb  nid)t  in  bem 
fünfte,  oon  loetdjem  bie  (Srleudjtung  ausgebt. 

Sie  allgemeine  äßirfung  feiner  33linbt)eit  aber  fdjeinet  bie  geftiffent=  15 
lidje  StuSmalung  fidjtbarer  öegenftänbe  311  fein.    §omer  malt  bergleidjen 
feiten  met)r,  al3  burd)  ein  einjigeä  SBciroort;  meil  eine  einjige  (Sigenfd)aft 
eines*  fidjtbaren  ©egenftanbes  l)in(ängtid)  ift,  un§  bie  anbern  auf  einmal 
erinnerlid)  311  machen,  inbem  mir  fie  alle  -Jage  beifammen  oor  2lugen 
Imben.     (Sin  Slinber   hingegen,    bei    bem   bie  (Sinbrüde   ber   fidjtbaren  20 
©egenftänbe  mit  ber  3ei*  immer  ftfjroädjer  unb  fd)mäd;er  merben  muffen, 
bei  bem  eine  einjige  (Sigenfdjaft  eine3  Singes  bie  23über  ber  übrigen  nidjt 
fo  gefdnrünb  unb  lebfwft  fyeroorbringen  fann,  raeit  er  fie  öfters*  beifammen 
3U  feljen  bie  Gelegenheit  uerloren:    (Sin  Slinber  mufj  natürlicher  SBcife 
auf  ben  Ginfatl  fommen,  bie  (Sigenfdjaften  31t  fjäufen,  um  fid)  burd)  bie  25 
(Srinnerung   mehrerer  Äennjeidjen,   bas*  33ilb   bes  ©anjen   lebhafter  311 
ntadjen.     SBenn  SRofeg  3.  ©.  ®ott  fagen   läf;t:   e§  merbe  £id)t,  unb  es 
marb  Sidjt:  fo  brüd't  fid)  -Deofes  nrie  ein  Seljenber  gegen  Sefjenbe  aus. 
5lur  einem  Slinben  fann  e§  einfommen,  biefes  Sictjt  31t  befdvreiben;  benn 
ba  bie  (Srinnerung  bes  (Stnbrud'3,  welchen  bas  Stdjt  auf  ilm  gemadjt  30 
bat,  jel)v  fdjiuad)  geworben,  fo  fudjt  er  es  burd)  alles  311  oerftiirfen,  ma§ 
er  bei  bem  Sitfjte  fo  gebadjt  ober  eiupfunben  I)at  (P.  L.  Book  VII.  v.  243 
biö  246): 

Let  there  be  light,  said  God,  and  forthwith  light 
Ethereal,  first  of  things,  quintessence  pure,  35 

Sprung  froni  the  deep,  and  froni  her  native  east 
To  journey  through  the  airy  gloorn  began. 


1  uev [tollten;  prägnant  für  „roeldjer  fiel)  —  ncrftciit  hat".  —  12.  bie  1111  = 
erleuchtete  .vuittte,  b.  l>.  bie  eine  .Hälfte  ober  ben  einen  Seil  ber  allein  un>3  fid)tßaren 
einen  SKonbtjcüfte  überhaupt. 


iL'ntuuirfe  unö  jfSlaterhüint  nir  fortfctjung  bes  -ffaohoon.  229 

7c.    3u  Seite  226  SRr.  XLV. 

35en  Sdjranien  ber  bilbenben  fünfte  3ufolge,  ftnb  alle  if»ce  Figuren 
unberoeglid).     SDaä  8e6en  ber  ©eroegung  roeldje  fie  ju  fyaben  fdjeinen,  ift 

i  ber  3lIfn£  unferer  Ginbilbung;  bie  fünft  tfmt  nicfjt<o  als  bafj  fie  imfere 
5  (Sinbilbung  in  33eiuegung  fe£t.  —  3euEt3,  erjagt  man,  matte  einen 
fnaben,  roeldjer  Srauben  trug,  unb  in  biefem  mar  bie  fünft  ber  Statin; 
fo  naf)e  getonunen,  bafj  bie  Söget  barnad)  flogen.  Slber  btefe§  madjte 
ben  3eu£iä  auf  ftdj  felbft  unwillig.  3d)  Ijaße,  fagte  er,  bie  Trauben 
beffer  gematt  a(§  ben  f naben ;  benn  f)ätte  id)  aud;  biefen  gehörig  üollenbet, 

10  fo  f)ätten  ftd;  bie  Söget  uor  if)in  fdjeuen  muffen.  —  Üßie  fid;  bod)  ein 
befd)eibner  9JJann  oft  felbft  djiquanieret!  3$  muf?  mid)  be§  3euE*3  miber 
ben  Senriö  annehmen.  Unb  tjätteft  bn,  lieber  SDieifter,  ben  Knaben  aud) 
nod)  fo  uollenbet,  er  mürbe  bie  Söget  bod)  ntdjt  abgefdjred'et  fjaben,  nad) 
feinen  Trauben  31t  fliegen.     Sierifdje  Singen  ftnb  fdjmerer  511  täufdjen 

15  olä  menfdjlidje;  fie  fefjen  nicfjtä,  al§  roa§  fie  fef)en;  unö  hingegen  Der* 
führet  bie  (Sinbitbung,  bafj  mir  and)  ba§  31t  fefjen  glauben,  mag  mir 
md)t  fef)en. 

7d.    3u  (Seite  226  «R  r.  XLVI. 

Sie  ©dmelligteit  ift  eine  (Srfdjeinung  jugleidj  im  Raunte,  al3  in 
20  bev  3eit-    ©ie  ift  bao  Sßrobuft  üon  ber  i'tinge  bes  erftem,  unb  ber  fürje 
ber  (entern. 

©ie  felbft  alfo  tann  fein  Sorrourf  ber  ÜOialerei  fein;  unb  menn 
Gaulus  (Tab.  VII.  et  XII.  Lib.  V  de  riliade)  bem  fünftler  bei  allen 
©elegenfjeiten,  roo  fd;neller  ^ßferbe  gebadet  roirb,  forgfältig  empfiehlt,  alle 
25  feine  fünft  ansuroenben,  biefe  ©dmelligfeit  att§8ubrüc!en:  fo  fann  man 
fid)  teidjt  einbitben,  baf$  man  bfo£  bie  Urfadje  berfelben,  bas  2tnftrengen 
ber  ^]ferbe,  unb  ben  Stnfang  berfelben,  ben  erften  <Sat$  ber  ^ferbe,  3U 
fefjen  befommen  mürbe.1) 

hingegen  tonnen  bie  SMdjter  biefe  <3d)nelligfeit,  auf  mef)r  als  eine 
30  SJßeife,  ungemein  ftnntid»  ausbruden,  nadjbem  fie  1)  entroeber,  rcenn  bie 

')  $d)  erinnere  mieb  inbes  liier  einer  2lnmerfung,  bie  icf>  bei  (Megenfjcit  eines  ber 
alten  ©emälbe  aus  rem  3iafonifd)en  ©rabmale  gemaebt  Ijabe.  (Bellorius  Tab.  XII.)  (5s 
fteüet  ben  Diaub  ber  *proferr.ine  oor.  «piuto  führet  fie  auf  feinem  »ierfpännigen  SBagen 
baoon,   unb  ift   bereits  an  bem  eingange  bes  Sloernus.    ÜKerfur  leitet  bie  Sioffe,  beren 

35  egale  ecfjneUigfeit  feEjr  rootjt  ausgebrüdft  ift.  2lber  bura)  einen  ganj  befonberen  fi'unftgriff, 
bat  ber  ßünftler  felbft  in  ben  3£agen  etroas  ju  legen  geroufjt,  rocldjes  uns  feine  Seroegung, 
aurf)  ofjne  auf  bie  *pferbe  ju  feljen,  feljr  finnlicb.  macfit.  ©r  seigt  bie  SHäber  nämlicf)  etroas 
non  ber  ©eite  unb  »erfdEjoben ,  buref)  roelcf)e  Sßerfcfjiebung  if;re  äirfe(mäf;ige  (Jigur  in  ein 
Doal  uerroaubeit  roirb;   unb  inbem  er  biefes  Deal  ein  roenig  aufser  feiner  $erpenbiful= 

40  linie  gegen  ben  Ort  ju,  roo£)iu  bie  S3eroegung  gefa)e^en  foll,  fteüet,  fo  erregt  er  baburdb 
ben  Segriff  bes  Umfallens,  mit  roelä)em  Umfallen  bes  9tabes  bie  Söeroegung  notiuenbig 
»erbunben  ift. 

äff.  S.  Plin.  Hist.  nat.  XXXV,  Kö  unb  Senec.  eontrovers.  X,  34,  27.  Unglaube 
roürbigc  Äünftleranefbote.  —  32.  Bellorius,  bei  S.  SBartoli,  Pitture  antiche  del 
sepolcro  dei  KTasoni.  2>iefe  ©emälbe  finb  Ijeute  nia^t  metjr  oorljanben.  —  37  ff.  Sin 
ßuuftgriff,  beffen  fidt>  auef)  bie  neuere  Sllalerei  bebient  bat. 


230  tkdjla^j  nun  Caokoon. 

Sänge  be§  9taumo  befannt  ift,  Domef)tnHd[)  auf  bte  £ür3e  ber  3ei*  unfere 
©tnbtlbungSlraft  tieften;   2)  ober  einen  fonberbaren  ungeheuren  SHafjftab 
bc§  3lautne§  annehmen;  3)  ober  aud),  roeber  ber  3ett  nod)  Deg  ^Ratimeö 
eviöäfjnen,  fonbern  blofs  bie  ©djnettigfeit  au§>  ben  (Spuren  fd)  tieften  laffen,     ♦ 
bie  ber  beroegte  Körper  auf  feinem  Sßege  jurücftäftt.  5 

1)  SBenn  bie  nerrcunbete  SSenuS  (Iliad.  f.  3R5)  auf  bem  Sßagen 
be§  93Iar§  non  bem  Sdjfadjtfelbe  in  ben  Dfpmp  3uriidfäf)rt:  fo  ergreift 
3ri§  ben  gügel,  treibet  bie  ^iferbe  an,  bie  ^pferbe  fliegen  wütig,  unb 
fogleicf)  finb  fie  ba. 

Tläo  <5>'  of    Igig  zßocivs,  xal   r\vlu  lect,txo  %bqoiv  10 

Mäaxi'E,tv  8'  sXdav,  rw  d'  ov-a  &%ovxz  ■JteTse&Tjv, 
Alipu  d'   tTtsi&'   i'xovxo  9tcöv  töog,  cdnvv  "Olvanov. 

Sie  ,3eit,  in  welcher  bie  Sßferbe  non  bem  Sd)tad)tfelbe  in  bem  Dltjntp 
anlangen,  erfct)einet  tjier  nidjt  gröfjet  at§  bie  3eit  jttnfdjen  bem  Sluffteigen 
ber  Srio  unb  bem  Grgreifen  ber  Sügel,  jmifeben  bem  ßrgreifen  ber  ftüqd  15 
unb  bem  antreiben;  snnfdEjen  bem  eintreiben  unb  ber  Sßilligfett  ber^Sferbe. 
—  ©in  anbrer  griedjtfdjer  Sidjter  läftt  bie  Seit,  fo  ?u  reben,  nodj  ficfi> 
barer  oerfdjnnnben.  31  n  t  i  p  a  t  e  r  fagt  non  bem  SMtläufer  2t  r  i  a  5  (Anthol. 
Hb.  I): 

^H  yaQ  icp'    vonhjy/cov,  i)  xtQaaxog  Eids  xig  cchqov  20 

'Ht&iov,  [liaam  ö'  ovnox'  ivl  exadtm. 

9JJan  fafje  ben  Jüngling  entroebet  nod)  in  ben  Sdjranten,  ober  fdjon  am 
3iele;  in  ber  Witte  ber  i'aufbalnt  fafje  man  itjn  nie. 

2)  Sßenn  ^uno  mit  beinernen  [jerabfäfyret,  um  bem  Stutoergteften 
be3  2ftars  31t  fteuern  (Iliad.  t.  770):  25 

"Ooeov  8'  i]iQotidtg  ccvr\q  i'dsv  öcp&altxoiaiv 

r'H\lbVOg    £V    GH07T17],    lhV6G(ÜV    £Tll    OlVOTTCi    7l6l'XOV, 

Tooaov  i7ti&Qm6w.ov6i  &i&v   vipr^itg  innoi. 

SBetd)  ein  Siaum;  unb  biefer  3iaum  ift  nur  ein  Sprung!  Unb  ift  nur 
bie  ©He  beö  gansen  SBeges,  an  beffen  ©nbe  bie  Göttinnen  fd)on  gleicb,  in  30 
ber  folgenben  3ei'e  finb.  —  Scipio  (Mentili  in  feinen  2(nmertungen  über 
ben  Saffo  (p.  7.),  fagt  bafj  ein  großer  bamalö  lebenber  Sutnftridjter  ben 
Birgit  getabett  fyate,  baft  er  ben  9JJerrur  (Aeneid.  lib.  IV  252.),  inbem 
er  non  bem  Dlnmpe  nad)  Karthago  flieget,  untermegenö  auf  bem  Serge 
2ltla<j  ruf)en  laffe;  quasi  che  non  si  convenga  ad  uno  Dio  lo  stau-  3.-, 
carsi.  allein,  fiitjrt  er  fort,  id)  nevftelje  biefen  Giniuurf  nidjt;  unb  ob,ne 
3rceifet,  baft  ü)n  Xaffo  ebenfo  menig  uerftanb,  melier  fid;  lein  Sebenfen 
madjt,  ben  Birgit  in  biefem  Stürfe  nad)3uaf)men.    Senn  2affo  läfjt  ben 

20f.  Antlmi.  Palat.  IX,  557.  —  30.  GUc,  fo  ofel  alä  SDlaSpaB.  —  31.  ©entiti 
1563— ick»,  ^Jrofeffor  in  SUtovf. 


ÜBntJUÜrfe  nnh  ^Materialien  pir  ^Fortpe^ung  &cs  -Caofcoon.  231 

©abriet,  als  er  von  ©ort  jum  ©ottfrteb  rjeraBgefd^idEt  mirb,  auf  bem 
Si6anu§  rtfljen.  (Ganto  I.  st.  14.)  —  233ie  Sfoffo  ben  Birgit  Eiter  nad)= 
geatmet,  fo  ift  Birgit  bem  §omer  gefolgt;  rceldjer  ben  SDlerlur,  alö  er 
»ori  bem  Jupiter  jur  Äalnpfo  gefenbet  roirb,  auf  beut  §ßtertu§  Station 
5  Ijalten  Iüf;t.  (Odvss.  f.  50.)  SäReiner  IKeinung  md)  (jätte  ©entilt  bem 
-fiunftridjter  jagen  follen:  ,,^l)v  müßt  biefeS  2(nf)alten  auf  bem  2(t(ao 
ntd;t  alg  ein  ,3eid)en  ber  (Srmübuug  beo  ©otteä  betrachten ;  als  ein  foldjeo 
mürbe  e§  allerbing§  unanftänbig  fein.  Sonbern  bie  2lbjid)t  be§  Sidjters 
batet  ift  biefe:  er  null  eutf)  eine  lebhaftere  Qbee  oon  ber  333eite  be3  Sjßeges 

io  madjeit,  unb  jerlegt  um  alfo  in  jmei  Hälften,  unb  läfjt  eudj  aus  ber 
befannten  ©röfje  ber  einen  Heinern  §älfte  auf  bie  unbefaunte  ©rÖjje 
ber  anbern  §älfte  fdjtiefjen."  $on  bem  innerften  Dtomp  bis  auf  ben 
periu§,  ober  2lilaö;  ober  oon  biefen  33ergen,  bio  in  bie  ^njel  Dgugia 
ober  bis  nad;  Äartljago;  unb  fo  wirb  mir  bie  SBeite  bes  SBegeS  finn= 

15  lid;er,  als  menn  e§  blofj  fjiefje,  auö  bem  Dlnmp  nad)  Dgngta  ober  ftar= 
tljago.  —  STaffo  bleibt  genriffermajjen  nur  bartn  tjinter  ben  alten  ©idfjtera 
ättrüd,  baf;  er  einen  93erg  nimmt,  raeldjer  bem  Dxte,  molün  ber  Gngel 
gefdjtdt  rcirb,  ju  naf)e  Hegt.  33on  Sortoja  bio  sunt  Sibanus  ift  ein  311 
Heiner  SBeg,   al§  bajj  er  mid),  ben  2Beg  oon  bem  Stbamts  bio  in  ben 

20  §tmmel  mir  bejonberS  raeit  uorsujtellen,  oeranlajfen  formte. 

'6)  3}on    biefer   brüten  2(rt  ift  bie  Skfdjreibung  Homers    uon  ben 
(Stuten  bes  ©rid)tf)omu3  (Iliad.  XX.  v.  22(5.): 

Äl    6'     0Z£    [ISV    GHlQTWiV    tili    ££l$0JQOV     CiQOl'QCa', 

"Ay.gov  1%    av&tQriicov  ycegTibv  fttov,   oiöt   ■/.aTtv.lcov 
25  'All'  ort  dij  a-AiQTwiv  in    tvQsa  v&xa  9,aXdßßr}g, 

"Ay.gov  inl  QTjyfiivos  &Xbs  noXiofo  &iißy.ov. 

„Sie  liefen  über  bie  ©pttjen  ber  2l()ren,  oljne  fte  31t  beugen,  unb  liefen 
auf  ber  fdjäumenben  fylädje  bes  9)ieeres  einher."  —  (£0  ift  pljilofopbjfd) 
ridjtig,  baf?  bie  äujjerfte  ©ejd)nunbigfeit  ben  Körpern,  über  raetdje  fte 

so  gefdjicfjt,  feine  $ett  läfct,  irgenb  einen  ©tnbruef  anjunefmten;  in  bem 
2lugenblide  in  meldjem  ber  Srud  auf  bie  3(l)re  gefdjiel)et,  ()öret  er  and) 
fd)ou  mieber  auf;  unb  bie  2(f)re  muf?  fxcf»  alfo  in  eben  bemfelben  2(ugen= 
blide  beugen  uuq  mieber  aufridjten ;  bao  ift,  fie  tmif;  \\d)  gar  nidjt  beugen. 
—  SHe  Sacier,  meldje  bao  erfte  ftiov  burd)  marchoient  überfe^t,  ob^ne 

35  3uie'fet  tiuä  ber  Keinen  nidjtönnirbigeit  Urfadje,  nid;t  jtoeimal  couroient 
jagen  31t  bürfen,  oerbirbt  bie  ganse  ©djontjeit  ber  Stelle.  S)enn  biefeö 
marchoient  inooluieret  eine  gemiffe  i'angjamteit,  mit  melcfjer  jene  Qv- 
jd^einung  unmöglid)  befteljen  fann. 

^nbe§,   fann  man  jagen,  muj?  biejeä  aud)  nod)  fo  fdntelle  3(ujfe^en 

40  auf  bie  unterliegenben  Äörper,  bennod;  bie  23emegung  in  etmaö  langfainer 

4.  5pteriu§;  §omer  nennt  bie  vanbfd>aft  ipierien  am  5'uf>  be?  DhjmpS;  ber  6etr. 
SBerg  heißt  in  ber  SHeget  ^iero'3.  —  35.  nid; toiuiirbig  im  Sinne  »cm  umoürbig,  nid)t 
ber  Siebe  t»ert. 


232  llnrijlafj  pint  Caohoon. 

macfjen,  »Denn  btefeiS  ©troaio  and)  fd^on  noct)  fo  unenbitd),  nod;  fo  un= 
merflid;  ift.  Unb  ba^er  lajjt  .'öomer  feine  Götter,  roenn  er  iljnen  bte 
attermögftci)fte  ©dfjneHiglett  geben  will,  gar  nidjt  auffegen,  ben  Soben 
gar  nidjt  berühren,  Jonbern  über  ben  Soben  bafjin  ftreidjen;  unb  jraar 
ot)ne  A'Ortje^ung  ber  £$füj$e,  mit  an  einanber  gefdjtoffenen  Seinen,  med  5 
fa)on  bie  roed^fetSroeife  Seioegung  berfelben  33er3ögerung  unb  2Iufentf)ait 
ju  erfobern  fdjeinet.  (De  gressu  Deorum  v.  Comment.  in  Virgil.  lib.  I 
Aeneid.  Et  rera  incessu  patuit  Dea.  et  Woverius  cap.  I  de  Unibra.) 
SMefe  feinen  ©Ottern  etgentümlidje  Seioegung  nergleidjt  ber  ©itfjter  mit 
bem  pflüge  ber  Rauben:  a(6  roenn  er  oon  ber  ^uno  unb  Sftineroa  fagt  10 
(Iliad.  e.  778): 

Al  de  ßc'cTijr  TQr'iQcoai  Tttleiäaiv  l&ua&'  buolca. 
Senn  aläbenn  ift  ber  A~dug  ber  Rauben  am  fdjnedften,   roenn  fie  mit 
unberoeglidjen  klügeln  bafjin  fdjiefjen,  mie  Sirgd  fagt: 

Radit  iter  liquidum,  celeres  neque  commovet  alas.  15 

GuftaÜjiuö  jRiar  meint,  baf?  fie  fyier  ben  Rauben  Dergttd)en  werben,  med 
bie  Sitten  geglaubt,  bafc  bie  gufjtapfen  ber  Sauben  nidjt  311  fel)en  mären. 
2tuö  ber  ^Bewegung  mit  gefddoffenen  güfjen  roirb  aud)  9ieptun  uom  2tja3 
erfannt.  Iliad.  IV.  71  nadj  ber  2Iu$legung  be§  yelioboruö,  Aeth.  lib.  III. 
p.  157.  Edit,  Comniel.  20 

Unb  biefen  ©tanb  mit  gefdjtoffenen  Seinen,  med  er  ein  Stlb  ber 
©djneHigfeit  fei,  fagt  öeltoboruö,  fjätten  bie  itgpptier  bafyer  aud)  ben 
Sdbfäulen  d)rer  Öötter  gegeben. 

9)iir  fiel  fjierbei  ein,  bafs  man  aud)  ben  fenfredden  öaug  ber  2trme  in 
ben  ägpptifdjen  formen  auf  biefe  <2dmeUtgfeit  jietyen  tonnte;  benn  dernissis  25 
manibus  fugere,  fagten  bie  2Uten,  fei  fo  gefdmnnb  a(§  möglidj  fliegen, 
unb  2(riftotete3  mertt  auobrüdlid)  an  (Aristot.  de  incessu  animalium, 
et  Erasmi  Adagia  p.  (500  Edit.  Francof.  1646.),  ort  ol  fteovreg 
&cizzov  fteovai  nagaGeiovres  rüg  ^ttjottg. 

3)od)  biefer  f  entrechte  £>ang  ber  2(rme,  biefer  gefd)(offene  ©tanb  ber  30 
Seine,   mar  nidjt  ben   äguptifdjen    ©Ortzeiten  befonberä,  fonbern  ifjren 
menfd)(id)en  Figuren  überhaupt  gemein. 

2A$of)er  biefes?    2)ie  natürlidjfte  Stellung  ift  e3  geroif?  nid)t;  benn 
ob  e3  fd)on  bie  einfälttgfte  311  fein  fdjetnt,  fo  ift  e3  bod)  gemifj,  bafs  fid) 
ber  9)Jenftt)  am  fettenften  barin  befinbet:  roeöfjatb  td)  nid)t  begreifen  fann,  35 
roie,  nad)  fterrn  2ß.  (p.  8),  ber  2(nfang  ber  Äunft  fetbft  auf  bie  ägtjptifdjen 
formen  führen  tonnen. 

1.  locnn,  bie  .£>bid)r-  bat  „roie",  roa§  roofyl  nur  für  „loenn"  oerfrfjrieben  ift  —  8.  3fo  = 
Ijaiui  oan  bem  SBouiocr  1.074— 1612.  —  13  f.  2).  f).  mit  fcfjeiiibar  unBeroeglidjett  g-Higeln. 
—  15.  A.en.  V.  217.  —  16.  (Suftat^tuä,  Srjbifdiof  oon  SJjeffaloitid)  (geft.  na$  1194), 
ber  Sßerf.  bes  gelehrten  «ommentarS  jum  ^omer.  —  19 f.  2lu5ga6e  oon  §e!iobor§ 
Aethiopica,  einem  gried).  3iomnii,  oou  ^licronpm.  ßommelin,  2non  lt>40.  £>eIio= 
bor  lebte  im  4.  3<tf}r|.  n.  G"t)r.  alö  4<if4of  oon  Xritfa  in  Jliefiatien.  —  21.  ©tanb  = 
Stellung.  —  2.r>  ff.  ÖJebt  auf  bie  sberoegung  ber  f)erabf)nngcnbcn  2trme,  aber  nid)t  auf  fenl= 
red)teS  herabhängen  berfelben.  —  28.  (SraSmuö  oon  Siotterbam  1467 — 1536. 


{Entwürfe  unb  ;ÜHatcrialicn  jur  fortfeijung  ins  ffaokoon.  233 

2>ietletd)t  bütfie  man  fetgen:  eä  ift  bei-  Staub  ber  r/ofltgen  9tulje, 
unb  nur  biefcn  dielten  bie  äggptifti^en  Äünftter  tf;ven  un6eroegttä)en  9}aa> 
afymungen  für  anftänbig  unb  juträglidj. 

£od;  fo  früf)   räfonnieret  man  in  ber  Äunft  ntdjt,  unb  bie  erften 

5  SSeftittmrongen  erhält  bie  ft'unft  meljr  burdj  äujjerlicfje  33eranlaffungen, 
alö  burd)  Überlegungen. 

SMcitte  Meinung  ift  nlfo  biefe:  bie  erften  ägnptifdjen  Aiguren  ftanben 
mit  fenfredden  2lrmen,  unb  mit  3ufammengefd)foffenen  güfjen.  SRan  tfjtte 
noefj  baö  britte  Äennjetdfjen  fjinsu,  mit  jugef d)loffenen  2(ugen,  unb  man 

10  f)at  offenbar  bie  (Stellung  eineö  SeidEjnatneg.  SRun  erinnere  man  ficf>, 
meldte  Sorgfalt  bie  alten  2(guptier  auf  bie  Seidfjname  manbten,  roie  üiet 
Äunft  unb  Soften  fie  anmanbten,  felbtge  utmerroeSUclj  ju  erhalten,  unb 
e§  ift  natürlirf),  bafj  fie  and)  baö  2lnfeb,en  beö  Sßerftor&enen  »erben  5U 
erhalten  gefudjt  fmben.   Siefeö  brachte  fie  auf  bie  SDtaterei  unb  bilbenben 

15  .Hünfte  überhaupt.  Sie  machten  über  baö  ©eficfjt  beö  SeidEjnamö  eine 
2trt  oon  Saroe,  auf  melier  fie  bie  @efidjt§jüge  beö  Sßerftorbenen  nad; 
ber  2lf)nlid)feit  auöbrüdten.  (Sine  foicfje  Saroe,  ift  bie  Persona  Aegyptiaca 
bei  beirt  Seger  T.  III.  p.  402  roetdje  §err  äöinfelmann  unrichtig  eine 
ffliumie  nennt  (S.  3-2  n.  2.).     2)od)   nid)t  altein  baö  ©efidjt,   and)  ber 

20  gan3e  Körper  raarb  in  eine  2lrt  oon  folgern  §Dta§fe  eingefaßt,  meldte  bie 
Öeftatt  beöfelben  auöbrüdte,  baf»er  fie  »crobotuö  (Lib.  IL  p.  143.  Edit. 
Wesseling.)  auöbrüdlid)  '£,vXivov  xvitov  äv&QamotiSici  nennet. 

§err  3Binfelmann  mill  e§  jroar  leugnen,  baf?  bie  älteften  menfdjtidjen 
Figuren  mit  jugefdjlofjnen  2lugen   gemefen;  unb  erfläret  baö  (isfivaoTa 

25  beim  Sioboruö  burd)  nietantia  (S.  8.  2lnm.  3.  So  f)at  eö  and)  fdjon 
Wtavfyam  überfefct,  Can.  Chron.  pag.  292.  Edit.  Lips.).  2U(ein  bie 
uoruebmfte  Urfadje,  warum  er  biefe  2(uölegung  madjt,  fällt  roeg,  roenn 
man  ben  Sioboruö  felbft  nactjfiefjet.  Sioboruö  fagt  nidtjt,  bafj  bie  23ilb= 
jaulen  beö  Säbaluö  mit  jugefdjfoffenen  2tugen  gemefen,  raie  fterr  3Btnfek 

30  mann  uorgiebt;  Jonbern  er  fagt  gerabe  baö  ©egenteit:   Sie  93ilbfäulen 

oor  bem  Säbaluö  Ratten  3ugefd)(offene  2tugen,  aber  SDäbatuö  öffnete  fie 

ifjnen ;  fo  roie  er  bie  Seine  iljnen  auö  einanber  fe^te,  unb  bie  2lrme  lüftete. 

2(uö  meiner  Grflärung   oon  bem  Urfprunge  ber   ägnptifdjen  Äunft, 

täfet  fid)  and)  nod)  erflären,  warum  bie  älteften   äguptifdjen  Figuren  mit 

35  bem  bilden  an  einer  Säule  anliegen.  @ö  roar  ber  ©ebraud)  ber  2(gnptier 
bie  nad)  ber  g-tgur  beö  Seidjnamö  gearbeiteten  Särge  an  bie  2)tauer  311 
lehnen:  unb  baö  erfte  fjöljerne  ober  fteinerne  Silb  mar  nichts  alö  bie 
grobe  9iad)ab,mung  eineö  fotdjen  Sargeö. 

Sßaö  »or  bem  Säbatuö  atfo  in  2(gnpten  nidjtö  alö  ein  religiöfer 

40  ©ebraud;  mar,  ein  blofjeö  Hilfsmittel  beö  Öebädrtntffeö ,  ertjob  Säbaluö 

7 ff.  ffiiefe  neue  Seutung  ift  fidjerlidi  unrichtig.  —  18.  'Seger,  3Htertinn§for)djer( 
1653—1705.  —  19  ff.  Solche  ^bljerne  Sarfop^age  in  üKumieiigeftalt  finb  betanittlirf)  nod) 
uihlreid)  erhalten.  —  25.  SMoboruS,  in  ber  Söefdjreibung  ber  non  £äbatu-5  gefertigten 
Silbiäulen,  IV,  76.  —  26.  Can.  Chron.  etc.,  b.  i).  Canon  chronicus  Acgyptiacus. 
Ehraicus.  Graecus,  »on  3o^.  3)larf^aiu  (1602 — 1685). 


234  tkdjlnfj  {um  ffaohoon. 

jur  .uunft,  inbem  er  bie  Juidjaljmungen  toter  Äörper  ju  9?ad)ab,mungen 
tefcenbiger  Körper  madjte;  unb  baljer  alle  baö  g-abelfjafte,  roas  man  uon 
feinen  SBerfen  erbicr)tote. 

Socf;  bie  ägr»ptifd^en  Äünftler  fet&ft  muffen  btefen  Schritt  beö  Säbatuö 
fcalb  nadjgetfjan  Jjaben.    Senn  nad)  bem  ©toboruö  (lib.  I.)  ift  ©äbaluä   5 
felbft  in  Ägypten  geiuefen,  unb  fjat  ftd)  and)  ba  burd)  feine  $nnft  einen 
unfterbtidjen  Sfturjm  erroorben.     „parallel  bid^t  5ufammenftel)enbe   }$\ifc, 
rote  fie  einige  alte  ©fribenten  anjubeuten  fdjeinen,   fagt  §err  SB.,  bat 
leine   einige  übrig   gebliebene  ägtjptifdje  jyigxtr."    (©.  39.)    %<$)  mödjte 
baö  Sorgeben  biefer  alten  ©fribenteu,  roeldjeö  311  einmütig  unb  ju  auö=  10 
brüd'tid)  ift,  nidjt  uerbädjtig  madjen.     9Jlan  barf  nur  erroägen,  bafj  bie 
älteften  Sßerle  ber  ©futptur,  befonberö  bei  ben  2'lgnptiern  forcof)!  alö 
©rieben,   uon   $oIj   untren:    (Pausanias  Corintb.  cap.  XIX.  p.   152. 
Edit.  Kuhn.)  fo  fällt  bie  3>eruumberung  grbftenteitö  roeg,  bafj  fid)  feinö 
banon  ermatten,     ©enug  baf?  mir  ben  parallelen  ©taub  ber  güfje   auf  15 
anbern  SSerfen   ber  alten  ägnptifdjen  Äunft,  als  auf  ber  Tabula  Isiaca 
notf)  erblitfen. 

Sie  Stgnptier  blieben  bei  ben  erften  SBer&efferungen  beö  Säbaluö 
fteben:  bie  ©riedjen  erfjoben  fie  weiter  bis  jur  5>ollfommenf)eit. 


8.  20 

Ciuihocn. 

©injelne  ©ebanfen  sur  fyortfefcung  meinet  Sßerfö. 

9tad)  beut  v}>etit  mufste  notiuenbig  baö  Munftmert  fpäter  fein,  als  bie 
93efd)reibung  äMrgilö:  beim  er  null,  bafj  bie  ganje  ©pifobe  beö  Saofoonö 
eine  ©rfmbung  beö  Sirgifö  fei.  (Miscell.  observ.  Lib.  1Y.  cap.  XIII.)  25 
Tametsi  Servins  revera  hoc  Laocoonti  acciclisse  ex  Euphorione 
refert:  quod  piaculuui  contraxisset  coeundo  cum  uxore  ante  siinu- 
lacrum  numinis.  verosirnilius  tamen  est,  a  Marone  hoc  toturn 
fuisse  inventum,  ac  pro  machina  induetum  qua  dignum  vindice 
nodura  explicaret,  quomodo  videlicet  ausi  sint  Trojani  tam  enor-  30 
mem  et  coneavam  sirnulacri  compagern  transferre  in  urbem  &c. 
2tttein  biefe  Meinung  beö  v}>etit  ift  leidjt  311  roiberlegen:  inbem  ber  Spuren 
ber  nämlidjen  Wefd)id)te  beö  Saofoon  bei  frühem  unb  jjroär  gviecr)ifcf)en 
©fribenteu,  ebenfo  viele  alö  tlare  unb  beutlidje  finb. 


4  ff.  SDcr  tiinftljiftovifdic  £eil  biefer  Slnmerfung  ift  nadi  bem  heutigen  ©tanbpunit  ber 
SBiffenfcijaft  aänUid)  unhaltbar.  —  5.  Hl'  t,  cap.  27.  —  16.  Tabula  Isiaca,  flipferne 
arafel  mit  eingelegten  giguren  oon  Silber,  im  ähifeum  51t  Suriit.  —  9ir.  8  rüört  auS 
Veffingi  Äotteltaneen  fjer.    2:s.    Samuel  ^etit,  f.  oben  <B.  173. 


©ntroürfc  unb  ^Materialien  uir  ^ortfcipmg  bcs  ffaohoou.  235 

3d)  behaupte,  bafi  nur  baö  bie  Sefümmung  einer  töunft  fein  tann, 
1U0311  fte  einjig  unb  nilein  gefdjtcft  ift,  imb  nidjt  ba3,  rcaö  anbre  fünfte 
ebenfogut,  roo  nid)t  beffer  f'önnen,  al§  fte  I^d)  finbe  bei  bem  Sßtutard) 
ein  Wletd)m§,  baS  biefeä  febr  tooljl  erläutert,  SBer,  fagt  er  (de  Audit. 
5  p.  4o.  edit.  Xyl.),  mit  bem  Sdjlüffet  §o!j  fpellen  unb  mit  bev  2(rt 
©fjüren  öffnen  null,  nerbtrbt  nid)t  forooljt  beibe  Sßerfjeuge,  at§  bajj  er  ftdj 
fetbft  beö  SRu|en§  beiber  Sßerfjeuge  beraubt. 


9. 
a. 
10         ©ie  eigentliche  53eftimmung  einer  fdjönen  fünft  fann  nur  baöjenige 
fein,  voa§  fte  ofyne  Seiljilfe  einer  anbern    Ijeröorju&ringen  imftanbe  ift. 
©iefeä  ift  bei  ber  ÜDtalerei  bie  förpertidje  Od) Ortzeit. 

Um  förperlidje  ©dpnljetten  »on  mef)r  at3  einer  2Irt  sufammenbringen 
ju  tonnen,  fiel  man  auf  üa$  öiftorien  malen. 
15  ©er  2htsbrud,  bie  ^orftellung  ber  SMfiorie,  mar  nidjt  bie  tefcte  2(bfid)t 

bes  9KaIer§.  ©ie  ötftorie  mar  bfofj  ein  3Kittel  feine  lel5te  2(bfid)t,  mannt  g« 
faltige  ©djönfjeit,  51t  erreichen. 

Sie  neuen  9)Mer  madjen  offenbar  baö  bittet  gilt  2(bfid)t.  Sie 
malen  Jpiftorie,  um  £iftorie  51t  malen,  unb  bebenfen  nid)t,  bafc  fte  baburd) 
20  if)re  fünft  nur  31t  einer  &tlfe  anbrer  fünfte  unb  SBiffenfdjaften  madjen, 
ober  menigftenö  fid)  bie  Jöilfe  ber  anbern  fünfte  unb  2Biffenfd)aften  fo 
unentbetjrlid)  mad)en,  bafe  ifjre  ßunft  ben  3Sert  einer  primitiven  fünft 
gän&ftdf}  baburdj  verlieret. 

b. 

25  ©er  2(uöbritd  förperlidjer  @d)önf)eit  ift  bie  93eftimmung  ber  Malerei. 

©ie  l)öd)fte  körperliche  ©djön^eit  alfo,  ifjre  fyödjfte  33eftimmung. 
©ie  [)öd)fte  förpertidje  £d)önf)eit  erjftieret  nur  in  bem  3Wenfd)en,  unb 
aud)  nur  in  biefem  nermöge  beö  2;bea(3. 

©iefeo  gbeal  finbet  bei  ben  Sieren  jtfjon  weniger,  in  ber  oegetabUi« 
30  fdjen  unb  teblofen  -föatur  aber  gar  nidjt  ftatt. 

©iefeö  ift  e3,  maö  bem  Blumen--  unb  Sanbfdjaftämafer  feinen  9tong 
anweifet. 

Gr  afmtet  Sdjönfyeiten  nad),  bie  feines  J^eats  fäfjtg  ftnb;  er  arbeitet 
alfo  Mofs  mit  bem  Singe  unb  mit  ber  ftanb;  unb  bas  Öenie  Ijat  an  feinem 
35  SBerfe  wenig  ober  gar  feinen  2(nteü. 

5.  Xyl.,  b.  i).  Xylander,  £>erau§g.  beS  Sßtutardj  (1532-1576).  —  fpellen,  b.  i). 
galten,  Hein  machen;  ugl.  ba>3  SBort  £peil.  —  Uff.  Sgl.  Slacfil.  B  7,  Stbfdju.  XXXI.  — 
13  f.  GJeroifs  nidit;  Seffing  läßt  fid)  bjer  511  feljr  uon  feiner  t>orgefaf;ten  SBleinung  leiten.  — 
24 ff.  Sgl.  !)tad)l.  B  7,  2lbfdm.  XXXIII.  —  29  f.  aiudj  biefed  ift  nidjt  faltbar,  ba  aud) 
bie  uegetabilifdie  unb  leblofe  9Jatur  ein  gbeal  r>at.  Seffingä  ©tanbpunft  gegenüber  ber 
£>iftorien=  unb  Sanbfdjaftsmalerei  ift  überhaupt  iu  einfeitig. 


236  ttadjklj  jum  ffiookoon. 

3>odj  3tef)e  idj  nodj  immer  ben  i'anbfdjaftömater  bemjenigen  ^iftortetts 

maier  cor,  ber  oljne  feine  £>aur>tabfid)t  auf  bie  Srfjönfjeit  51t  richten,  nur 
M lumpen  ^erfonen  matt,  um  feine  6efd)idlid)feit  in  bem  btofeen  2(u3brurfe, 
unb  nidjt  in  bem  ber  <Sdjönf)eit  uniergeorbneten  2(uöbrud'e,  31t  geigen. 


10.  5 

Son  ben  notroenbigen  5*e^ern- 

3)icfe§    Kapitel   ber   2(riftotelifdjen   Sidjtfunft    ift   ßiöfjer   nod;   am 
roenigften  fommentieret  roorben. 

Qdj  nenne  notroenbige  $efjler  foldje,  ofjne  roeldjc  uorjüglidje  ©djön= 
Ijeiten  nidjt  fein  mürben;  benen  man  nidjt  anbers  als  mit  SSertuft  biefer  10 
©djönljeiten  abhelfen  fann. 

©0  ift  im  9-ltiIton  ein  notroenbiger  fyefjler,  ber  Öebraud)  ber  Sprache 
in  allem  bem  weiten  Umfange,  roeldjer  Äemuiüffe  üorausfetjt,  bie  2lbam 
nodj  nidjt  galten  tonnte,  ©g  ift  roafjr,  2lbam  tonnte  fo  unb  fo  nidjt 
reben,  man  tonnte  mit  itjm  fo  unb  fo  nidjt  reben:  aber  fofjt  tljtt  reben,  15 
mie  er  Ijätte  reben  muffen,  fo  fällt  gugteid;  ba$  grofje  r-ortrefftidje  Söilb 
meg,  roeldjeö  ber  35id)ter  feinen  Sefern  madjt.  Hub  e3  ift  oljnftreitig  bie 
l)'öf)ere  2lbfidjt  beS  ©idjterg,  bie  Sßfjantafie  feiner  Sefer  mit  fdjönen  unb 
großen  Silbern  311  füllen,  al3  überall  abäquat  311  fein.  3-  ©•  B-  V.  588. 
üon  ben  gfafjnen  unb  (Stanbarten  ber  Gngel  —  —  20 

SeSgletdjen  gehören  feine  tfyeofogifdjeu  fjfeljler  fjierljer;  ober  basjenige 
raas  mit  ben  genauem  Segriffen,  bie  mir  un§  t)on  bem  ©efjeimniffe  ber 
Religion  31t  madjen  Ijaben,  311  ftreiten  fdjeinet,  olme  meldjesi  er  aber  ba£ 
in  feiner  unS  ftnnüd)  3U  mndjenben  Zeitfolge  f)ätte  ersäfjlen  tonnen,  mos" 
cor  ber  $eit  gefdjafje.  $.  ®.  menn  er  ben  2ttlmäd)ttgen  (B.  V.  603)  3U  25 
feinen  ßngeln  fagen  lafst 

This  clay  I  have  begot  whom  I  declare 

My  only  son,  and  on  this  holy  hill 

Hiui  have  anointed,  whom  ye  now  behold 

At  my  right  hand;  your  head  I  him  appoint.  30 

freute  mag  Ijier  immer  tjeifjen  uon  Gnngfeit;  ©Ott  Ijatte  ben  Soljn  oon 
©rotgleit  gejeugt;  gut:  aber  biefer  Sofjn  mar  bodj  nidjt  oon  (Sroigteit 
bas  ma$  er  fein  follte,  ober  er  roarb  roettigftenü  nidjt  bafür  erfannt.  @ö 
gab  eine  $e\t,  ba  bie  (Smgel  nidjts  non  ifnn  raufjten,  ba  fie  ilm  nidjt  3ur 
SRedjten  beS  SBaterS  fafjen,  ba  er  nodj  nidjt  für  tfjren  frerm  ertlärt  mar.  35 
Unb  ba3  ift  und)  unferer  Drttjobojte  falfd).  3Q3iD  man  fagen,  ©ott  blatte 
biö  bal)in  bie  CS'ngel  in  ber  Unrotffenfjeit  uon  ben  Wefjeimniffen  feiner 
Treicinigfett  gelaffen:  fo  mürben  eine  9JJenge  abgefdjmatfte  unb  unt>er= 

7.  2Iriftotelifd&e  5D i cf> t f « n ft ,  Map.  25. 


(ffiitiuürfe  unö  ^tBlatertalint  ;ur  ^ffortfWnmg  fccs  Caokoon.  237 

bauliche  Singe  barau§  folgen.  Sie  maljre  Gntfdndbigung  beö  9Jiitton  ift 
biefe,  bafj  er  notroenbig  biefen  fyef;ler  begeben  nuifjte,  bafj  biefer  'gefjler 
auf  leine  SEßeife  auöjuweidjen  ift,  wenn  er  ba§  nadj  einer  unö  oetftänfc 
liefert  Zeitfolge  erjagten  will,  wag  in  feiner  foldjen  3eitfo(ge  gefdfjeljen 

5  ift.  ©oll  bie  Urfadje  beö  g-alte3  ber  b'bfen  ©ngel  tfjre  Seneibung  ber 
fyöfjem  Söürbe  beö  ©oljne§  fein,  fo  nutfj  man  fid)  uorftetfen,  bajj  biefe 
33enetbung  ebenfo  uon  ©nngl'eit  erfolgt,  ats>  bie  ©eburt  be§  <Sot)ne§  :c. 
Slttein  id)  bente  überhaupt,  bajj  Litton  eine  beffre  Urfadte  I)ätte  erbeuten 
folten,  al§  biefe,  metdje  nidjt  in  ber  ©djrtft,  fonbern  nur  btofs  in  ben 

10  SBorftellungen  einiger  Äirdjeiunvter  gegrünbet  ift. 


11. 

SSon  ber  Sßerfdjiebentjeit  ber  Qeirfjen,  bereu  fid)  bie  fdjönen  fünfte 
bebienen,  fanget  and)  bie  2ßijgftd)Ieit  unb  Seidjtigteit  ab,  mehrere  ber= 
fetben  mit  einanber  31t  einer  gemeinfdjaftttdjen  JBirfwtg  311  oerbinben. 

15  Sie  $erfdnebenf)eit  jtuar,  nad;  roetdjer  fidt)  ein  Seit  ber  fdjönen 
fünfte  raittfürtidjer  unb  ber  anbere  natürlicher  3eid;en  bebienet,  tann  bei 
biefer  SBerbmbung  nidjt  befonberö  in  öetradjtung  fommen.  Sa  bie  u>ill= 
fürttdjen  3eid;en  eben  beSroegen  weit  fie  nntttürlid)  finb,  alte  mögftdje 
Singe  in  alten  ifjren  möglidjen  SSerbinbimgen  auobrüd'en  Binnen,  fo  ift 

20  üou  biefer  Seite  ifjre  SSerbmbung  mit  ben  natürttdjen  Seidjjen  °fyne  2(u3- 
naf)ine  mögtid). 

2lltein,  ba  biefe  tüiUturlidje  ßeidien  jugteidj  auf  einanber  fotgenbe 
3eid}en  finb,  bie  natürlichen  3eidjen  aber  nid)t  alte  auf  einanber  folgen, 
fonbern  eine  2(rt  berf elben  neben  einanber  georbnet  werben  muffen :  fo  folget 

25  non  fetbft,  ba£  bie  unllrurlidjen  3eidjjen  fid;  mit  biefen  beiben  Sitten  natür« 

tiefer  3eid)en  nidjt  gleid)  teidjt  unb  gleid)  intim  werben  Bereinigen  taffeu. 

Safj  nnltrurlidje  auf  einanber  fotgenbe  3eid)en  nut  natürlichen  auf 

einanber  fotgenben  3eiQ)en  f'0)  leidster  4tnb  intimer  werben  Bereinigen 

tav'n,  atö  mit  natürlichen  neben  einanber  georbneten  ßeidjen,  ift  ffar.  Sa 

30  aber  auf  beiben  Seiten  nod;  ber  Unterfdneb  Ijinplotttmen  tann,  baf?  e3 
entweber  3eid)en  f"1*  einerlei  ober  für  nerfdjiebne  Sinne  finb,  fo  tann 
biefe  intime  SBerbmbung  wieberum  ifjre  ©rabe  t)aben. 

1.  Sie  Bereinigung  toittfurtidier,  auf  einanber  fotgenber  prbarer 
3eicf)en,  mit  natürtidjen,  auf  einanber  fotgenben  fjörbaren  3eid)en,  ift  im* 

35  ftreitig  unter  alten  möglichen  bie  noUfommenfte,  befonberö  loenn  noct) 
biefeö  [jingutömmt,  bafj  beibertei  3eid)en  nid;t  allein  für  einerlei  (Sinn 
finb,  fonbern  aud)  von  ebenbemfelben  Drgano  311  gteidjer  3eit  gefafjt  unb 
{jeruorgebradjt  werben  tonnen. 

3Son  biefer  2(rt  ift  bie  9jerbinbung  ber  ^oefie  unb  2Ruftö,  fo  bafj 

40  bie  Jlatur  fetbft  fie  nidjt  fowof)l  3itr  Serbinbung,  at§  nielmetjr  311  einer 
unb  eben  berfetben  Sunft  beftimmt  3U  fjaben  fdjeinet. 


238  lladjlalj  ptm  4'aokoon. 

Gs  fjat  aud)  mirflid;  eine  3"t  gegeben,  iuo  fie  6eibe  jufammen  nur 
eine  Äunft  ausmad;ten.  3d)  null  tnbeiB  nidjt  leugnen,  bafs  bie  Trennung 
nidjt  natürlich  erfolgt  fei,  nod;  roemgef  null  id;  bie  2lusübung  ber  einen 
ohne  bie  anbere  tabeln;  aber  id)  barf  bod;  bebauern,  bafc  burd;  biefe 
Trennung  man  an  bie  SOerbinbung  faft  gar  nid;t  met;r  benft,  ober  rcenn  5 
man  ja  nod;  baran  benft,  man  bie  eine  Äunft  nur  311  einer  frilfsfunft  ber 
anbern  madjt,  unb  oon  einer  gemeinfd;aftlid;en  Sßirtung,  toeW;e  beibe  51t 
gleiten  Seilen  (;eroorbringen,  gar  nid;ts  mef;r  roeifj.  öernad;  i(t  nod; 
aud;  biefes  31t  erinnern,  baf?  man  nur  eine  33erbinbung  ausübet,  in 
meldjer  bie  £id;tfunft  bie  fjelfenbe  Äunft  ift,  nümtid;  in  ber  Dper,  bie  10 
'■Kerbinbung  aber,  100  bie  üDhtfif  bie  fjelfcnbe  Jhtnft  märe,  nod;  unbearbeitet 
gelaffen  f;at. ')  Dber  füllte  tdt)  jagen,  bafj  man  in  ber  Dper  auf  beibe 
SBerbinbungen  gebadet  \jabc;  nümtid;  auf  bie  SBerbinbung,  mo  bie  ^ßoefie 
bie  t;elfenbe  Atunft  ift,  in  ber  2trie;  unb  auf  bie  SSerbinbung,  rao  bie  2BufiI 
bie  fjetfenbe  Äunft  ift,  im  Siecitatioe?  Gs  fdjetnet  fo.  -Kur  bürfte  bie  15 
g-rage  babei  fein,  ob  biefe  oermifdjte  25erbinbung,  mo  um  bie  9iei(;e  bie 
eine  Hunft  ber  anbern  fubferoieret,  in  einem  unb  eben  bemfelben  Öan3en 
natürüd;  fei,  unb  ob  bie  mollüftigere,  rceldies  of;nftreitig  bie  ift,  wo  bie 
v}>oefte  ber  9Jhifif  fubferuierei,  nidjt  ber  anbern  fdmbet,  unb  unfer  Dt;r 
ju  fefjr  oergnüget,  als  bafj  es  bas  wenigere  Vergnügen  bei  ber  anbern  20 
nidjt  31t  matt  unb  fdjtäfrig  finben  fotlte. 

Siefes  ©ubferoieren  unter  ben  beiben  fünften,  befielet  barin,  bafj 
bie  eine  cor  ber  anbern  511m  ftauptwerfe  gemacfjt  wirb,  nid;t  aber  barin, 
bafs  fidt)  bie  eine  blofj  nad;  ber  anbern  richtet,  unb  wenn  i^re  oerfcfjiebne 
Siegeln  in  iloüifion  fommen,  baf?  bie  eine  ber  anbern  fo  oiel  nadjgiebt,  als  25 
möglief).     Senn  biefes  ift  aud;  in  ber  alten  SJerbinbung  gefd;ef;en. 

Slber  wot;er  biefe  oerfd;iebne  Siegeln,  wenn  es  roaljr  ift,  bafs  beiber 
3eid;en  einer  fo  intimen  3Jerbinbung  fäfjig  finb?  Saljer,  bafj  beiber 
3eid;en  3ioar  in  ber  5°^Se  ber  ,3eit  wirfen,    aber  bas  SJiaf^   ber  $eit 

')  3SicUetct)t  liejje  fief)    bierattS    ejn  toefentlidjeS  Untevfd)eibung53eid)en  äwifdjen  ber  30 
franjöfifcben  unb  italienifc^en  Dper  fefife^cn. 

gn  ber  frangöfif^en  Oper  ift  bie  i'oefie  weniger  bie  A>i[f(unft;  unb  e§  ift  natürlid), 
bafi  bie  ÜJiufif  berfeloen  fonad)  nidjt  fo  brillant  inerben  tonne. 

gn  ber  italienifdjen  hingegen  ift  alle?  ber  Dhifif  untergeorbuet.    2iefe3  ficht  man  felBft 
aus  ber  ©inrichtung  ber  Opern  bc§  ÜÄctaftafio ;  au>3  ber  unnötigen  Häufung  ber  Sßerfonen  35 
3.  ©.  in  ber  3enobia,  toeldje  nod)  weit  uernndelter  ift,  aß  ErebiDonS;  auZ  ber  Übeln  GSe« 
TOof;n!)cit  jebe  Scene,  aud)  bie  aUerpaffiouiertefte,  mit  einer  Slrie  511  fcbliefsen.    (SDer  Säuger 
n)ill  beim  Ülbgeljen  für  feine  (Sabence  gctlatfdjt  fein.) 

3)lan  müfjte  in  biefer  2lbfid)t  bie  beften  fraiyöfifcöeu  Dpern,  aß  2lti)>3  unb  9lrmibe 
gegen  bie  beften  bei  3)!etaftafio  imtcrfudjen.  40 

12  ff.  veffing  mujj,  aß  er  bie§  fdjrieb,  nod)  feine  ffienntniS  uon  bem  fog.  ÜKelobrama 
gehabt  Ijaben,  aß  befjeu  ^injang  mau  gemB^nlia)  SHouffeauä  ^Sngmation  bejeicljnct  unb  baiS 
in  ©eutfcblanb  feine  Sluibitbung  oome^mlid)  burd)  ben  Komponiften  ©eorg  iöenba  (1721 
bis  I7ii5)  erbielt.  —  17.  f  ubferoieret,  fid)  unterorbnet.  —  22  ff.  Sie  Slnnäbentng  an  bie 
uon  9Jid;arb  SBagncr  in  feinem  aJUifitbrama  oerfolgten  Scnbeuäcn  ift  fiter  bead^ten-ärcert.  — 
35.  j-ietre  Antonio  SKetaftafio,  Sdiöpfer  beä  neueren  italienifdien  ©ingfpiely,  1098 
bß  17»2.  —  31;.  SJJrofper  ^oltjot  be  Grebillon  b.  ^i.,  Srauerfpielbiditer  1074— 1762. 
—  89.  atnä  unb  Slrmibe,  Dpern  beS  befaunten  Sulli)  (1633— liiö7). 


Entwürfe  unb  jfttattrialim  jur  fortfetjung  bes  ffaohoon.  239 

roeldjeö  ben  3eitf)en  Der  eincn  unD  ^en  3c^en  De*  unbern  entfprid^t,  nicf;t 
einerlei  ift.  Sie  etnjetn  £öne  in  ber  äßufil  finb  leine  3eid)en'  f'e  &ß- 
beuten  nidjtö  unb  bruden  nidjtS  au§;  fonbern  ifjre  3e^cf)en  f"lD  D*e  5'°'öen 
bev  Söne,  meldje  fieibenfdjctft  erregen  unb  bebeuten  fönnen.  Sie  roiH» 
5  fürtidjen  3eid;en  ber  SBorte  hingegen  bebeuten  oor  fid)  felbft  etmaS,  unb 
ein  einziger  Saut  als  railtfürtidjeS  ßeid^en  fann  fo  niet  auSbrüden,  at3  bie 
3Jhtfit  nid)t  anbero  al§  in  einer  langen  $olge  »on  Sönen  empfinblid) 
madjen  fann.  £>ierau3  entspringt  bie  Siegel,  bafj  bie  Boefte,  roetdje  mit 
•äRuftf  oerbunben  werben  folf,  nid)t  uon  ber  gebrungenen  2(rt  fein  mufj; 

10  bafe  es  bei  ifjr  feine  <3d)önl)eit  ift,  ben  beften  ©ebanfeu  in  fo  wenig  al3 
mbgttdje  SBorte  311  bringen,  fonbern  bajj  fie  uielmefjr  jebem  ©ebanfen 
burdj  bie  tängften  gefdjmeibigften  SBorte  fo  Diel  Stuäbeljnung  geben  mufj, 
alö  bie  3Kuftf  braudjt,  etroaä  2lt)nlid)e3  fjeruorbringen  311  tonnen.  9J!an 
Jjai  ben  Äomponiften  oorgeroorfen,  bafj  it)neu  bie  fdjledjtefte  poefie  bie 

15  befte  märe,  unb  fie  baburd)  tädjerlid)  311  madjen  geglaubt.  2lber  fie  ift 
itjnen  ntcfjt  beSwegen  bie  liebfte,  roeil  fie  fd;led)t  ift,  fonbern  roeil  bie 
fdjledjte  nidjt  gebrängt  unb  gepreßt  ift.  ©3  ift  aber  barum  nid;t  jebe 
Boefie,  raeldje  nid)t  gebrängt  unb  geprefjt  ift,  fdjledjt;  fie  fann  Dielmeljr 
fef)r  gut  fein,   ob  fie  gleidj  freittd),    alä  btofje  Boefte  betradjtet,  natt> 

20  brüdlidjer  unb  fdjöner  fein  tonnte.  SUlein  fie  foll  aud]  md)t  als1  btofee 
^poefie  betradjtet  werben. 

Safe  eine  Sprache  oor  ber  anbern  3ur  3Ruft!  gefdjidt  fei,  ift  rooljl 
unftreitig;  nur  mit!  gern  fetnSSoß  baö  menigere  auf  feine  Sprache  fommen 
laffen.  Sie  Unfdjid'lidjfeit  berufjt  aber  nidjt  blofj  in  ber  raupen  unb  garten 

25  2luöfprad)e,  fonbern  aud),  jufotge  ber  gemadjten  2inmerfung,  in  ber  Hürje 
ber  Wörter,  unb  5iuar  biefeö  nid)t  roeil  bie  frühen  SBörter  aud)  meiften= 
teils  tjart  finb  unb  fid)  fdjmer  untereinanber  oerbinben  laffen,  fonbern 
aud)  fd)on  beöroegen,  roeil  fie  furj  finb,  roeil  fie  31t  roenig  3eit  braudjen, 
alö   bajj   if)nen   bie  9Jfufif   mit   itjren   3eid)en    gleichen  ©djrittö   folgen 

30  tonnte. 

Böllig  fann  feine  Sprache  oon  ber  S8efdtjaffenf;eit  fein,  bafj  tljre  fttitfym 
ebenfo  niet  3eit  erfoberten,  alö  bie  3eid)en  ber  SJlufif,  unb  id)  glaube, 
biefeö  ift  ber  natürlidje  2(ntajj  geroefen,  gan3e  Baffagen  auf  eine  Silbe 
3U  legen. 

S5  2.  9Jad)  biefer  oollfommenften  Bereinigung  ber  Sßoejie  unb  SRujtl 
folget  bie  Bereinigung  roiUfürltdjer  auf  einanber  folgenber  fjürbarer  3dd)en, 
mit  millfürtidjen  auf  einanber  folgenben  fidjtbaren  3^idjen,  baö  ift  bie  Ber= 
binbung  ber  3Jlufi!  mit  ber  Sanjlunft,  ber  Boefie  mit  ber  Sanjfunft,  unb 
ber  Bereinigten  3JJufit  unb  Boefie  mit  ber  Sanjfunft. 

40  Unter  biefen  brei  BerbinOungen,  uon  roeld)en  allen  mir  bei  ben  Sitten 
Krempel  finben,  ift  roieberum  bie  SSerbinbung  ber  SDJufif  mit  ber  Xawy 
funft  bie  oollfommnere.     5)enn  obfdjon  (prbare  mit  fidjtbaren   3ei^eu 

8  ff.   ßinc  feljr  ridfjtigc  33emerf ung ;   eben  besmegen  ift  bie  italienifc^e  Spracfie  mit 
if)ven  JlangooUcn  Snbtmgen  fo  trefjüct)  jur  SDlufif  geeignet. 


240  Jladjlaft  jnm  flaohoon. 

oerBunben  werben,  fo  fällt  bod;  bafür  f)inmieberum  ber  llntevjdjieb  be§ 
3eitraume§,  ben  biefe  fttifyn  nötig  fyaben,  weg,  welcher  in  ber  Serbinbung 
ber  ^oefte  mit  ber  £anjfimft,  ober  ber  vereinigten  Sßoefte  nnb  2ßufif  mit 
ber  Sanjfunft  bleibet. 

3.  SBie  e§  eine  Serbinbung  willfürlidjer  auf  einanber  folgenber  ttör--  5 
barer  getdjen  mit  natürlichen  auf  einanber  folgenben  Ijörbaren  fttidfen 
giebt:  follte  e3  nictjt  aud)  eine  SBerbinbung  wil(fürlidt)er  auf  einanber 
folgenber  ftdjtbarer  3eid)en  m^  natürlichen  auf  einanber  folgenben  ficb> 
baren  3cMJcn  geben?1)  %d)  glaube,  biefeS  mar  bie  Pantomime  ber 
2llten,  wenn  wir  fie  aufjer  if)rer  Sßerbinbung  mit  ber  SOiiifif  betrauten.  io 
2)enn  es>  ift  gewif3,  bafj  bie  Sßcmtomime  nid)t  aus  blofc  natürlichen  33e= 
wegungen  unb  (Stellungen  beftanb,  fonbern,  bafj  fie  aud)  wiUfürlicbe  51t 
ipilfe  naljm,  bereu  33ebeutung  oon  ber  Äonoention  abging. 

Siefeö  mufe  man  annehmen,  um  bie  SSoItfommenfjeit  ber  alten  Sßanios 
mime  roal)rfd)einlidj  51t  finben,  311  roetdjer  nod)  itjre  ißerbinbung  mit  ber  15 
^oefie  oieleo  bettrug.  SDiefeö  war  aber  eine  Skrbinbuug  oon  einer  be= 
fonbern  2(rt,  inbem  nid)t  3eW;en  unb  3e^eu  nut  einanber  uerbunben 
würben,  fonbern  btofj  bie  $olge  ber  einen  naa)  ber  S'0*ge  ber  anbern 
eingerichtet,  bei  ber  2(usfüf)rung  biefe  festere  aber  unterbrüd't  warb. 

II.  SiefeS  waren  bie  oollfommnen  Sßerbinbungen;  bie  uiuwltfommnen  20 
finb  btejenigen,  ba  wtltrurltdje  auf  einanber  folgenbe  3e'^en  im*  natür= 
lidjen  neben  einanber  georbneten  3eid)en  oerbunben  werben,  bereu  uor= 
nefjmfte  bie  Sßerbinbung  ber  9J?alerei  mit  ber  ^ßoefie  fein  würbe.  SBegen 
bes  Ünterfdnebco ,  bafe  bie  3e^e"  ber  einen  im  Zäunte  unb  bie  3e'^en 
ber  anbern  in  ber  3eit  auf  einanber  folgen,  lohn  feine  uollfommne  23er;  25 
binbung  entfielen,  worauf  eine  gemeinfdjaftlidje  SSHrfung  entfpränge, 
fonbern  nur  eine  SSerbinbuiuj,  bei  welker  bie  eine  ber  anbern  untere 
georbnet  ift. 

Grftlidi  alfo  bie  SSerbinbung,  wo  bie  äUalerei  ber  2>td)tfunft  untere 
georbnet  ift.     §ief)er  gehört  ber  ©ebraudi  ber  Sänlelfänger,  ben  3n^a^  so 
itjrer  Sieber  malen  51t  laffen,  unb  barauf  31t  weifen. 

S)ie  SSerbinbung,  weldie  ©agluä  angiebt,  ift  mein  uon  ber  2(rt,  wie 
bie  alte  Pantomime  mit  ber  Sßoefie  oerbunben  mar.  Siefe  ift,  bie  g-olge 
ber  3eidjen  ber  einen  bureb,  bie  $olge  ber  3^en  ber  anbern  311  beftimmen. 

')  2>ic  einfache  fiunft,  weldie  fid)  joiufürlid)  auf  einanber  folgenber  fiditbarer  3e»^en  85 
Bebient,  nriirbe  bie  Sprad)c  ber  Stummen  fein. 


5  ff.  SKan  D0[.  hiermit  Sefftng  in  ber  Hamburger  Dramaturgie,  St.  4.  —  2i>  ff.  £->ier 
fann  aud)  an  bie  SBanbelbelorationen  moberner  Dyeru  erinnert  werben  unb  Siidjarb 
SBagucro:  „Tu  fieln't,  mein  2ol)ii,  511m  SÄaum  wirb  fjier  bie  ^eit"  (im  ^arfifal). 


Ausjüijf  wob  iiermtfdjtE  ßemerkungcu.  241 

c. 

Bus|üar  mttr  ticvmijtfjfc  BcmcvhnmuMi, 
j.  d.  im  Xaakiunt  frerterfti 


12. 

5  OBemerhmgen  31t  Spencer  „SßoInmett§".) 

[l]  37eö  3>erf.  Vermutung,  bafe  SSirgtl  mit  ben  Reifen:  felix  qui 
potuit  ben  Sucrej  gemeinet,    p.  14.  n.  48. 

ü 

[2]  (So  fjeifjt  ben  SSitgü  von  feiner  bicfjterifdjen  SBürbe  gewaltig 
10  fjerunterfetsen ,  wenn  man  ibm  mit  bem  SSerfaffer  p.  19.  20.  politifd)e 
2lbfid)ten  bei  feiner  2(neiö  beimißt.  §d)  gebe  e§  31t,  bafj  er  gelegentlich 
auf  bie  bainalige  neue  8taatöoerfaffimg  einen  gefälligen  ©eitenblttf  ge= 
warfen,  um  fidj  burd)  fd)tneicf;etf)aftc  2infpiehtngen  beö  33eifal(g  bes  Au- 
gustus  fo  mefyr  31t  üerfid)ern.  2UIetn  bergteidjen  ßufätttgleiten  31t  feinem 
15  Ipauptenbgroecl  madjen,  ift  fef)r  fettfam,  unb  Ijeifjt  einen  SBaumeifter  einen 
prächtigen  foftbaren  Xuvm  aufführen  laffen,  blofc  in  her  2lbfid)t,  um  in 
ben  ©runbftein  beöfeiben  id)  meife  nidjt  roeldje  gemeinte  üKadjridjteh  vev- 
fdjliefjen  311  fönnen,  bie  mtf)t  etjer  atö  mit  bem  gänsfidjen  Urnftürjen  beö 
Snrmeö  roieber  3ur  Sßtffenfdjaft  ber  2Mt  gelangen  tonnen. 

20  £ 

[3]  Seö  SSerf.  nid)t  nngegrünbete  Vermutung,  baf;  fid;  öoraj  felbft 
baö  2thtn  oertür3et.  p.  21.  n.  22. 

f 
[4]  3)es  SSerf.  Siangorbnung  unter  ben  SBerfen  beö  Ovidius.  p.  23. 
25  Sie  er  aber  mefjr  nad)  feinem  Öebraud)e,  cüö  nad)  bem  innern  poetifdKit 
Sßerte  gemocht  31t  fjaben  fdjeinet,  inbem  er  bie  libros  fastomin  alten  anbem 
»oruebet,  lueldjeö  bod)  geiuifj  bie  unpoetifdjften  finb. 

8 
[5]  3Ba§  ber  3>erf.  oon  ber  Juno  sospita  p.  56  fagt,  ift  ein  wenig 
so  gemumgen,  unb  id)  fefye  nidjt,  warum  Birgit  bei  feiner  23efd)reibung  nidjt 
aud)  auf  biefe  ifjre  2lbbilbnng  fönnte  ein  2fuge  gebaut   baben.     @r  fjai 

6.  SBirgü,  Georg.  [1,492.  —  19.  aß i f i c  11  f cii a f t,  in  biefem  Sinuc  ift  beute  ,,. Kennt- 
nis" gebväucfiltcher.  —  89.  Juno  *  0  Bpita,  nlte  latüüjrte,  in  Samarium  ncimiidie  jtultpfe 
fortn  ber  Juno. 

»eifingS  Sffierle  9.  1(5 


242  Marijln|  nun  ffaokoon. 

ben  Servius  über  bie  Stelle  be§  2>id)terS  nid)t  31t  3tote  gesogen  (Hb.  L 
Aeu.  v.  21.)  iwefcfjer  fagt :  Habere  Junonero  eurrus  certum  est.  Sic 
autem  esse  etiam  in  sacris  Tiburtibus  constat,  ubi  sie  precatur: 
Juno  curulis,  tuo  curru  clypeoque  tuere  rneos  cuj-iae  vernulas  sane. 
Dljne  3roeifet  raa1-'  biefe  Juno  curulis  mit  ber  Sospita  einerlei:  aber  raa§ 
waren  ba3  für  Sacra  Tiburtia? 


[<■>]  Sie  Örajie  mit  brei  Sßoa«  Rauben,  roorauä  ber  SBerfajjw  nict)t 
weif;  roa§  er  madjen  fotl,  ift  r>ielleid)t  ein  i&lofjeS  39H^t)erftänbni§.  ©tattuS 
braucht  ben  Singularem  für  ben  Pluralein,  p.  12.  11.  51.  10 

p.   74. 

[7]  £>er  SSerf.  giebt  feine  llJifwtltigung  511  nerfteljen,  baf?  ©tatiuä 
nnb  glaecuä  bte  fcf>recf[tcf)e  S5cnu§  gefdjilbert  fjaben,  unb  glaubt  ba£  man 
ftf)i»erlid)  bergleidjen  bei  Sintern  au$  einem  beffern  3eitalter  finben  bürfte, 
wie  benn  auef)  bte  fiünftler  fid)  meislid)  enthalten  fjätten,  eine  fotd)e  Siebet  15 
göttin,  bie  man  für  eine  2llefto  würbe  gehalten  Ijaben,  ju  fdnlbem. 

2Ülein  fein  Softem  f)at  ifjn  »erführt,  wenn  er  ba§,  nm3  bie  bilben= 
ben  fünfte  aus  Unoermügen  untertaffen,  and)  oon  bem  Sinter  will  unter* 
1  äffen  wiffen.  freilief)  eine  jornige  wüteube  SBemtio,  in  fdnoarsem  ©e= 
wanbe,  mit  ber  brennenben  Jyadet  in  ber  »anb,  ift  in  ber  ■Jiadjafjmung  20 
beö  ÄünftlerS  leine  2>enus,  fonbern  eine  ft-urie;  weil  er  fie  uns  nur  in 
einem  unb  eben  bemfelben  2lugenblitf'e  äeigen  fann,  oljne  un§  an  bie  Ijolbe 
SSenuä  in  ruhigen  2lugenblid'en  jutjor  ober  Ijernad)  sugletd)  mit  erinnern 
ju  fönnen.  Ser  £>td)ter  hingegen  rann  unb  barf  biefe  überl)tngef)enbe 
2But  ber  Siebesgötttn  gar  wof)l  fdjilbern,  weil  er  un§  in  feiner  Waty  25- 
a()mung  aud)  bie  beffere  S3emtä  jugieid)  mit  jeigen  fann :  fo  tote  e3  Flaccus 
oortrefftid)  tf)ut. 

—  neque  enim  alma  vielen 
Jana  turnet;   aut  tereti  crinem  subnectitur  auro 
Sidereos  diffusa  sinus.     Eadem  effera  et  ingens  etc.  30 

£er  30l*n  oei*  2knu3  war  jufällig;  bie  ihmft  aber  fann  feine  3UJ 
fälligfeiten  jcigen,  bie  mit  bem  einmal  angenommenen  Gfjarafter  ftreiten. 

p.  95. 

[8]  2)er  aScrf.  fdjeint  mit  bem  beftraften  SWarfoaS  al3  Sujet  jur 
Malerei  nid)t  aufrieben  ju  fein.    £>iefe  ttefdjidjte  übrigens,  wie  fie  Ovid  35 
betreibt  (Metam.  lib.  VI.  v.  383  u.  f.),  beweift,  bafj  efte  3«ge  ftd) 
mit  bem  Öräfdidjen  unb  Sdjredlidjen  gar  roofjl  oertragen  unb  foldjeo 
üermef)ren. 

'.<.  StatittS,  Lib.  HI,  4,  88.  —  12 ff.  i!gl  ?lb\i).  VIII.  —  24.  überl?ingef)enbe, 
b.  i.  tranfitoiifdie,  roie  oben  S.  22  3.  21;  —  26.  Valer.  Flaccus,"  Argon.  11,  102.  — 
34  ff.  Sgl.  atbfcfen.  XXV. 


3Ui6;üg£  mxb  üennifrijte  ßemerkungcn.  243 

# 

[9]   Üb  baS,   raaS  ber  $erf.  p.  94.  Not.  64,   uon  bem  feltfamen 
StpoII  fagt,   nidjt  tüelCeicfjt  gur  (Erläuterung  berjenigen  Figuren  bieneit 
bürfte,  in  raeldjen  bie  2llten  brei  üerfdjtebene  ©oitfjeiten  jufantmenfe$ten, 
5  unb  ob  biefer  2(poll  nidjt  fo  eine  breifadje  ©ott^ett  ift? 

p.  102,  n.  94. 

[10]  2ßegen  meiner  SBer&efferung  be3  Sacrificantium  in  ber  Stelle 
beä  Plinius.    %d)  möchte  aber  nur  fragen,  ju  roeffen  ©fjren  tanjte  benn 
Diana?   511  tfjren  eigenen?    Unb  rate  ungeraöfjnlid)  raiirbe  biefes  Sßort 
io  in  ber  eigentlichen  23ebeutung  fein. 

p.  115.  n.  10. 

[11]  Sie  ©rllärung  ber  Stelle  beS  §oraj  invicti  Glyconis  ift  Ijödjft 
unroafjrfdjeinftd).  SBar  biefe  ©tatue  be§  Glyio  fcfjon  511  be3  §orag  Reiten 
fo  berühmt,  fo  raäre  e3  fefjr  feltfam,  bafj  Plinius  biefeS  SJteifterä  nidjt 

15  follte  gebadet  Ijaben.  Sie  ben  5ßertpatetifer  Glyco  ober  oielmeljr  Lyco 
borunter  oerfteljen,  raeil  biefer  jufe|i  an  5ßobagra  aeftorben,  Ijaben  ebenfo 
raenig  ©runb  uor  ftdj.  Dber  oielmefjr  d^n  ber  Umftanb,  bafj  biefer 
Glyco  am  ^obagra  geftorben,  roürbe  31t  einem  gans  anbern  ©djluffe 
(Gelegenheit  geben:  nämlid),  raaö  fyelfen  mir  bie  ftarfen  ©lieber  be3  Glyco, 

20  raenn  td)  bod)  bem  ^pobagra  nidjt  auöweidjen  fann. 

p.  116. 

[12]  Taö  Krempel  oom  öerfuleö,  ber  ben  Söraen  jerrei^t  ober  er= 
brüdt,  ift  fel)r  bienlid),  ben  SSorjug  ber  poetifdien  Malerei  oor  ber  rairf= 
lidjen  51t  äeigen.  ^ene  brauet  einen  einigen  3ug  unb  läfjt  bie  anbern 
25  unbeftimmt;  biefe  tnufj  fie  alle  beftimmen  unb  wirb  bafjer  aud)  oft  gu 
raeldjen  genötiget,  raeldje  ben  §auptjug  fdjroädjen,  ja  ifmt  gar  raiber- 
fpredjen.    SCenn  id)  lefe: 

—  rabidi  cum  co'l'a  rainantia  monstri 
ar.geiet:  et  tumülos  aniuiam  angustaret  in  artus1, 

30  fo  fefje  id)  blofj  bie  ©tärfe  beä  §erfufe§  unb  ba3  ©rftiden  be§  Söroen. 
3lber  fer)e  id)  eb^n  biefeö  von  bem  bilbenben  Äünfiler  ausgeführt,  fo  fefje 
id)  jiigleid),  raie  ber  Sörae  ifjm  bie  §üfte  jerfleif  tf)t ,  unb  bie  Älauen  in 
bie  ^.'enbe  fdjlägt.  Jjd)  fet)e  alfo  äugleid)  ben  leibenben  fterfuleö  unb 
follte  nur  ben  unüberrainblidjen  feljen. 

2 f.  bem  feltfamen  Sipo  11,  eine  Slpolloftatue  in  luvin.  —  7  ff.  Sgl.  2lbfdm.  XXII, 
Hnnt.  3  S.  132  f.  —  12.  Hör.  Ep.  I,  l,  33.  Sie  SegiefcHig  biefer  SBorte  auf  bie  befannte 
Statue  be§  farnefifdjen  §erfule3  von  ßlnfon  ift  aud)  fonft  behauptet  roorben.  —  22  ff. 
»gl.  9la$l.  A  2,  Hbidjii.  X.  —  28  f.  Stat.  Trieb.  IV,  827. 

16* 


244  iliuljlolj  jiun  CaoUoon. 

p.  1JG.  n.  21. 
[13]  2)er  SSerf.  matf)t  es  fefjr  luabrfdjeinlid),  bafs  ber  Hercules  Bibax 
beim  ©tofd),  ber  Keine  £erfttle§  bes  Lysippus  ift,  Epitrapezios ,  auf 
ben  Statius  bas  ©ebidjt  gemocht. 

p.  137. 
[14]  Sie  %\oluv  auf  bem  alten  Sarge  im  Capitolio,  roo  aufjer  ben 
neun   üüiufen  fid)  ferner  mit  feiner  eigenen  SDlufe  unterhält;  tann   uir 
Erläuterung  -beffen  bienen,  n>a§  ttf)   in  ber  fogenannten  2tnotl)eos   bes 
£omer,  uon  ben  Sföufen  bes  2lntimad)us  unb  §omer§  fage. 


10 


p.  311. 

[15]  3Jßo  Spence  ausbrüd'lid)  fagt,  scarce  any  tbing  can  be  good 
in  a  poetical  description  which  would  appear  absurd,  if  represented 
in  a  statue,  or  picture. 

p.  80. 

[IG]  Gin  Basrelief  uom  SBuIfan,  ein  uerbä'djtiges  3tüd  aus  bem  15 
Polignacfdjen  Äabtnett. 


13. 

[1]  ©erarb  (On  taste.  London,  1759,  p.  24),  glaubt,  roiber  meine 
Weinung,  baf;  bie  3KaIeret  aud)  bas  Grbabene  ausbrürfen  tonne,  meines 
mit  ber  ©rbfje  ber  Simenftoneu  uerbunben  ift  Senn,  fagt  er,  ob  fie  20 
gteirf)  biefe  Stmenfionen  nidjt  felbft  beibehalten  tann,  fo  (äfft  fie  ifjnen 
bod)  ihre  fomparatiue  ©rbfje,  unb  biefe  ift  binlänglid)  bas  Grbabene 
beroorjubriugen.  —  Gr  irrt  fid):  biefe  ift  hinlänglid),  um  mir  51t  er* 
fennen  311  geben,  bafi  bergleidjen  fomparatiue  grof?e  ©egenftänbe  in  ber 
Statut  ergaben  fein  muffen,  aber  nietjt  uermögenb,  bie  Gmpfinbung  feüift  -'5 
{jeroorjuBringen,  bie  fie  in  ber  9fatur  eruierten  mürben.  Gin  großer 
majeftiitifcljer  Tempel,  ben  id)  uumüglid)  mit  einem  83ti<fe  überfeinen  tann, 
mirb  eben  baburdj  ergaben,  bafs  id)  meinen  33litf  barauf  Ijerumreifen  laffen 
tann,  ba$  tri)  überall,  mo  id)  bamit  fülle  ftef)e,  äbnlidje  Teile  uon  ber 
uämlidjeu  ©röfje,  geftigfeit  unb  Ginfalt  bemerfe.  [2(ber  in  ben  menfd)=  30 
lidjen  Figuren  tann  ber  Hünftler  eine  2lrt  ber  Erhabenheit  erreichen,  roenn 
er  gemiffe  ©lieber  über  bie  Proportion  oergrof;ert.  @.  iuas  .v>ageborn 
uon  bem  Apollo  Setnebere  fagt,  unb  OJerarb  p.  147  uom  ^armigiano.] 
3Iber  eben  biefer  Tempel,  auf  ben  tleinen  3tautn  einer  Shipferplatte  ge= 
bracljt,  hört  auf  erhaben  ju  fein,  ba§  ift,  meine  Süenntnbcrung  31t  erregen,  3S 

2f.  ©ine  ©emme  be§  etofduiefien  RafcinettS,  a&ge&ilbet  Bei  ©pence  tafo.  \ix,4.  — 
■l.  gjäinlid)  silv.  iv,  6.  —  i).  31  n  t  i m a cb  u 3 ,  ein  gried).  JMdttei-  au§  bem  5.  3a§r§.  u.  dfiv. 
Tic  nähere  -.Muofiiln'iiim  be§  (EebanfenS,  auf  roeläje  Seffing  hier  uenueift.  ift  iiidit  ereilten. 
-  18 ff.  Sgl,  .Hbifbn.  Nil.  Hitm.  3  unb  91ed)l.  A  4a.  —  3llevnnJ?er  ©cnivb,  engl. 
SEfjeolog  unb  Sftfjetifer,  1728— 17U5. 


Auajügc  unö  ucrmifrijtc  ßcmerluingcu.  245 

eben  becSmegen,  weil  id)  ilm  auf  einmal  überfeben  fann.  SBenn  tcf>  mir 
if)n  fdjon  nad)  allen  ben  gehörigen  Simenfionen  auögefüfjrt  beute,  fo 
empfinbe  iri)  nur,  bafe  id)  mtdfj  alöbann  uenuunbern  mürbe,  i()n  fo  au§= 
geführt  311  fefjen,  aber  nod)  oerrounbere  id)  midj  nidü.    ,3toar  fann  id) 

■r>  mid;  über  feine  fyicjur ,  über  feine  ebte  ©infalt  uenounbem;  aber  biefeg 
ift  eine  SBernmnberung,  mefcrje  au§  bem  2Infdjauen  ber  6efri)itf'lid)feit  be§ 
Münftlero,  nicbt  aber  au§  bem  3(nfd)auen  ber  Simeufionen  entfielet. 

©.  §ageborn  ©.  335.    SSon  bem  (Srfjabenen  ber  Sanbfdjaften.    9ßa§ 
er  oon  bem  Soireffe  anführt,  fdjeinet  nidjt§  511  fein,  unb  grabe  gegen 

i"  ben  Söert  ber  Sanbfdjaften.  £b?n  meil  mef)r  fOtecf;antfcl;co  babei  ift, 
tonnte  er  mefir  baoon  fdjrei&en. 

«» 

[2]  Sßope  «erlangt  oon   einem  magren  Siebter  (Prologue  to  the 
satires  v.  340):      ' 

15  That  not  in  Fancy's  maze  he  wander1  d  long 

But  stopp'd  to  truth,  and  nioraliz'd  his  song. 

2(ud)  ,Ü.  führte  feine  ©mpfinbung  hierauf,  aber  nur  fpäter.  ©r 
»ottte  feineu  <yrid)ling,  melier  nicfjtä  als  eine  tfette  oon  Sßljaniafteen 
unb  Silbern  ift,  barnad)  umarbeiten.  5ßo»e  fjat  überhaupt  oon  ber  be= 
20  fdjreibenben  ober  mafenben  ^oefte  roenig  gehalten ,  meldjeö  Warburton 
bei  aller  (Gelegenheit  oerfidjert.  ©.  feine  2lnmerfuug  über  bie  gelte  *n 
eben  bemfelben  Prologe: 

—  —  —  who  could  take  offence, 

While  pure  description  held  the  place  of  sence. 

25  pure,  fagt  er,  fann  bier  armfelig  unb  rein  Ijeijjen.  Sod)  jene§  fei  ber 
Meinung  be§  SidjterS  gemäßer,  al§  meldjer  ein  blofj  malenbeo  ©ebidjte 
ein  öaftgebot  oon  lauter  33rüfjen  genannt  fjabe. 

2ln  einem  anbern  Orte  (Über  ben  314.  SBerä  ber  9iad)af)mung  beS 
■V'Oraäifdjen  Söriefeö  an  ben  2(uguft)  fagt  Warburton :  Descriptive  Poetry 

30  is  the  lowest  work  of  a  Genius. 

« 

[3]  Gibberä  Äritil  einer  ©teile  be3  3tot.  See,  bie  er  für  9tonfen3 

erflärt,  meil  fie  fein  ©emälbe  geben  fönne.    Unb  ioa3  Sßar&urton  ba= 

gegen  erinnert.     ©.  bie  angesogene  Gpiftel  v.  121.    ^d)  fjaüe  mit  3Bar= 

35  burton  bie  ©teile  gleid)fal(§  für  fd)ön.     2lber  Gibber  fmt  and)  redjt,  bafj 

fie  fid)  ntd)t  malen  läfjt.    2öa§  folgt  alfo  barauö?    2)af$  bie  ^Srobe  un= 

n.  @eravb  be  £ airef f e  (1610—1711),  äjerf.  be§  früher  fej&r  gefaxten  „großen 
ÜJlalerbudi'j",  Slrnfterbam  1707  (bie  £->bfdn\  tjat  (Jarniffe,  roaä  »erfdjriebcn  ift).  —  13 ff. 
Sgl.  Sltifcbn.  XVII.  —  17.  St.,  Grcalb  o.  Weift  —  20.  Über  ffiarburtott  f.  ebene.  104. 
—  32 ff.  8gL  2lbfd)n.  XIV.  —  2f>eopb.  Eibber,  engl,  edmufpieler  (1705—1757),  fdjrieb 
ein  2Berf  über  englifdje  gJoefie,  Sonbon  1733.  —  Diatfyanael  See,  engl,  bramatifdjer 
3Md;ter  (lebte  um  1655— 1691). 


246  4lad)la$  jum  ffaokoon. 

redjt  ift;  imb  bafj  es  allerbing3  poetifdje  ©emälbe  giebt ,  bte  ficf;  nur 

Riecht  malen  laffett. 

D 

[4]  ©er  Äunftrtdjter  mufj  nid)t  bloft  bnö  Sßermögen,  er  mufj  uor= 
nel)mlid)  bte  SSeftitnmung  ber  Äunft  oor  2lugen  l)aben.    9Hd)t  alleö,  roae>   5 
bte  Jtunft  nermag,  foll  fie  »cnnögen.   ÜJcur  bafjer,  roeil  ratr  biegen  ©rttnb= 
fa|  uergeffen,  finb  unfere  fünfte  rceitläuftiger  ttnb  fdjiuerer,  aber  aud) 
Don  befto  weniger  SBirfung  geworben. 

Ö 

[5]  Observations  sur  l'Italie.  Tom.  II.  p.  30.  2(n  bem  Sage  io 
be§  I).  9?od;u5  Ijaben  bte  SDialer  ju  SSenebtg  bte  öffentliche  2lusfe£ung 
ifyrer  Öemätbe  dans  la  Scuola  di  S.  Roch.  Cette  Scuola,  l'une  des 
premieres  de  Venise,  est  remplie  de  sujets  du  N.  T.  de  la  main 
de  Tintoret,  de  la  plus  grande  force  de  ce  Maitre.  Je  fus  singu- 
lierement  frappe  de  celui  qui  represente  l'Annonciation.  Le  mur  15 
qui  ferme  la  ehambre  de  la  Vierge  du  cote  de  la  campagne, 
s'ecroule,  et  Tange  entre  de  plein  vol  par  la  breche. 

©iefer  (Einfalt  ift  nortrefflttf).  Sa  ber  Dealer  ba§  getfttge  Sßefen 
beö  ©ngelS  ntdjt  auöbrütfen  tonnte,  rceldjes  alle  Äörner,  ofme  fie  j«  ser= 
ftören,  burdjbringen  tarnt,  fo  brüdt  er  feine  9)?ad)t  au§.  2tm  Qnbe  er=  20 
medt  e§  aud)  bie  nämlidfje  ^bee,  baft  nämtid;  ein  fotcf;ei3  Äßefen  uon  ntdftä 
ausgefdjloffen ,  tum  nidjtö  abgehalten  nürb;  es  mag  nun  burd)  feine 
©eiftigfeit  ober  buret)  feine  SJiad^t  fein. 

% 

[0]  Ibid.  p.  71.  Sie  antiten  Söroen  uor  bem  3eugt)aufe  itt  Settebig.  25 
SSon  bem  einen,  bem  ioloffaltfdjen ,  meldjer  auf  ben  Hinterfüßen  fit?et, 
jagt  ber  SBerf.:  il  a  presque  la  secheresse  et  la  roideur  de  ces  Lions 
du  vieux  Japon  que  Ton  conserve  dans  quelques  cabinets:  11011  est 
in  toto  corpore  urica  salis.  Eu  lui  comparant  le  moindre  petit  Lion 
moderne,  on  voit  avec  etonnement  ä  quel  point  nos  artistes  se  30 
sont  eloignes  de  Tantique  ^implicite,  et  combien  ils  procliguent 
l'esprit,  ou  les  Grecs  crovoient  le  devoir  economiser. 

# 

[7]    Plinius   lib.   35.   cap.    10  [oottt    2lrelliuö:     Flagitio    insigni 
corrupit  artem,  Deas  pingeus,    sed  Dilectarum  imagine.     Gr  por=  35 
trauerte  fie,  anftatt  fie  nad;  bem  S^eale  31t  malen.    Sas  nämlidje  fabelt 
uerfdjiebne  neuere  9)ialer  mit  ber  l).  Jungfrau  gettjan,  j.  ©.  Äarl  äftaratti, 
meldjer  bas  2}orbilb  baju  uon  feiner  $xau  na  bin. 

10.  J)er  £itel  be<3  SBerfeS  tjeijjt  ooUftänbig:  Nouveaux  Memoire&j  ou  Observation« 
sur  L'Italie  et  sur  Irs  Italiens,  par  di'ux  gentilsnommes  Sucilnis.  fcraduits  du 
Suedois.  üondres  1764.  —  34.  ärelliuS,  ein  turj  cor  äuguftuS  in  ;)iom  lebenbev 
-maiex.  —  37.  Eatlo  «Blaratta,  Itat.  fflialer  1025—1718. 


JUtsjüge  unö  üermtfdjte  ßemcrlumgni.  247 

[s]  Observat.  sur  l'Italie  Tom.  II.  p.  462.  Le  fauieux  distique 
du  Cardinal  Bembe  sur  Eaphael 

Hie  ille  est  Raphael,  timuit  quo  sospite  vinci 
5  Rerum  magna  parens,  et  moriente  mori. 

J'ignore  si  M.  Rollin  ou  le  Pere  Boubours  ont  mis  au  creuset 
ce  distique  sonore;  je  doute  qu'il  sortit  avec  avantage  de  cette 
epreuve. 

ff 
io  [9]  ®er  jüngere  Sßtimu§  li-b.  3  an  ben  ©euer:     De  illis  judico, 

quantum  ego  sapio,  qui  fortassis  in  omni  re,  in  hac  certe  perquam 
exiguum  sapio. 

[10]  2tud)  bas  ift  beim  Birgit  ein  euer  3US-     Aeneid.  lib.  II.  v. 
15  27  7,  reo  £>eftor  bem  2lnea3  im  ©a)(afe  erfdjeinet: 

Squallentem  barbam  et  concretos  sanguine  crines. 

* 
[11]  Spende  i'p.  81.)    graeifel,  0Ü  bk  (Statuen,  roeldje  bie  Vesta 
norftellen  füllen,  fie  unrflid)  norftellen,  ift  nichtig.    Sie  ©teile  beä  Ovids, 

20  bap«  biefe  ©ötttn  lein  33ilbni§  gelobt,  Begießt  fief;  btofs  auf  ifyren  Sempel 
in  9tom,  rao  fie  unter  feinem  befonbern  Silbe,  fonbern  blof5  unter  ber 
Öeftalt  bes  $euer§  uereljrt  raurbe.  2)afj  fie  aber,  aufjer  biefem  geheimen 
©ottesbienfte  non  ben  Äünftlem  nitfjt  perfönftd)  oorgeftellt  roorben,  ift 
barauä  gar  nidjt  ju  fdjliefcen.    Numa  ift  nidjt  ber  ©rfinber  bes  SSefta* 

25  lifdjen  ÖottesbienfteS ,  fonbern  nur  ber  Serbefjrer.  Hub  Dtetteidjt  bafr 
feine  SSerbefferung  eöen  barin  beftanb,  bafj  er  bas  SöitbniS  ber  Sßefta 
au3  bem  Tempel  fdjaffte  unb  fie  blofj  unter  bem  J-euer  nereb,ren  Itefj. 
Senn  fd)on  bie  Trojaner  nerefyrten  bie  93efta,  unb  Aeneas  trachte  iljren 
Öotteöbtenft  nad)  Italien  unb  auf  bie  Körner.    Sap*  aber  bie  Trojaner 

30  au fje r  bem  Jeuer  nnrfttd)  ein  23ilbni3  non  ifyr  gehabt  Ijaben,  beäetgt  bie 
©teile  beö  Virgils  Aeneid.  lib.  II.  v.  296. 

—  et  manibus  vittas,  Vestamque  potentem, 
Aeternumque  adytis  affert  penetralibus  ignem. 

£>ter  rcirb  baö  Silbnig  ber  Sßefta  non  bem  geuer,  meines  fie  nor= 
35  fteüte,  auebrürflidj  unterfdjieben.    S5or  (Srbauung  3ioms  warb  fie  in  9tom 
gleidjfatlQ  nod)  unter  einem  SBUbniffe  oerefyrt,  roetdjeS  Doib  bejeigt  [Fast, 
lib.  III],  inenn  er  fagt,  baf?  als  bie  Sylvia  -Wiutter  geworben, 

4.  Ille  hie  est  Eaphftel.  —  10.   lib.  3,  Epist.  UI,  6.   —   Uff.  Sgl.  Slbfdjn.  XXV 
—  18  ff.  Sgl.  SIbfdm.  IX.   —  30  f.  Fast.  lib.  III,  v.  45. 


"_'4S  lladjlaß  \um  ft'aokoon. 

—  Vestae  simulacra  feruntiu- 
Virgineas  oculis  opposuisse  manus. 

Spence  null  biefe  ©teile  fo  erflären,  al3  ob  buref)  ba§  feruntür  bie 
simulacia  ungemifj  gemalt  mürben,  ba  e§  bocfi  auf  bie  ©adje  felbft  gebt. 

Kurs,  ©pence  feebenfi  nid)t,  bof;  fiel)  ba§  (Gebiete  ber  alten  Äünftler  5 
roeiter  erftredt  Ijafie,  als  bie  religiöfen  ©e&räud£)e.  ©o  gut  bie  Siebter 
auS  ber  Sßefta  ein  rairflicfjeö  Sßefen  machten,  bie  bie  £otf)ter  be$  Satumus 
imb  ber  Ops  mar,  bie  einmal  in  ©efa|r  tarn,  burtf)  ben  $riap  it)rc 
^ungfraufeijaft  ju  oerlieren,  unb  roa§  fie  fonft  »on  ifjr  ergäben:  ebenfo 
gut  tonnten  i()r  audj  bie  SBübfjauer  nad)  iljrer  2lrt  bie  perfönlicfje  ©rjftenj  10 
erteilen,  ob  fie  fcfjon  unter  feinem  ^ilbe  in  ifjren  Stempeln  »ereljrt  raurbe. 

Safe  aud)  bie  ©rieben  Sitbniffe  »on  ber  SBefta  gehabt,  bejeigt  bie 
Sfatue  beä  Scopas  6eim  Plinius.  Senn  bafj  biefeS  feine  SSeftalin  fein 
fann,  ift  bal)er  ffar,  meil  bie  SSefta  bei  ben  Orteten  nidöt  Jungfrauen 
ju  äJriefterinnen  batte  :c.  is 

[12]  33eim  jungem  Surmann  in  ber  2(ntf)ologie  (p.  90.)  finbet  fidt> 
ein  Epigramm  auf  ben  Saofoon,  in  mefdjem  ifnn  bie  geile 

Hinc  tolerasse  ferunt  saeva  venena  vi  mm 

roegen  beö  tolerasse  »erbädjtig  ift.     äßenn  biefeä  ©pigramm,   raie  eS  2» 
fdjeinet,  auf  bie  ©tatue  gematfjt  ift,  fo  fmt  er  nid)t  nötig,  baS  tolerasse 
Ut    oeränbern;    fonbern    ber    Sidjter    tonnte   bamit    jugteicr)    mit    auf 
bie  ©ebulb  gefef)en  l)aben,  mit  rcelcfjer  Saofoon  in  felbiger  fein  Reiben 
erträgt. 

tr  25 

[13]  Augustinus  de  musica  libri  sex.  lib.  1.  cap.  2.  Kam  quasi 
serviunt  omnia,  quae  non  sibi  sunt,  sed  ad  aliquid  aliud  referuntur. 


[14]  cap.  4  Omnes  paene  artes  periclitan  videntur,  imitatione 
sublata.  so 

% 

[15]  Riehardson  Traite  de  la  Peinture  T.  I.  p.  9.  Apres  avoir 
lü  Milton,  on  decouvre  la  Kature  avec  des  yeux  plus  clairvoians 
qu'aüparavant;  on  y  remarque  des  beautes  auxquelles  on  n'auroit 
point  fait  attention.  35 

Unb  biefeö  ift  aud)  ber  einige  ma()re  iJhifcen,  ben  bie  Äünftler  au§ 
ben  Siebtem  jieljen  follten.  ©ebidjie  follen  für  fie  gleidjfam  unenbltdje 
äfugen  mein-,  unb  eine  3lrt  »on  SBetgröfeerungägläfem  fein,  burd)  melefje 

17.    2    Anthol.   Iatin.   ed.   Biese   no    99.    —   20.   tolerasse,    Söurmann    fd)lägfc 
Inde  tulisse  cor,  ;)(icie  celerasse  ober  onerasse.  —  32  ff.  SSg(.  Slbfdjn.  XIV. 


Ausjüijc  unb  iiccinifdjtc  tietKgckiutgtn.  '249 

fie  Singe  bemerfen  lernen,  bie  fie  mit  tfjren  eigenen  blojjen  3(ugen  nidjt 
mürben  unterschieben  t)aben. 

8 

[16]  p.  12  betradjtet  Sftid&arbfon  bie  bilbenben  Äünfte  öon  ber  $a= 
5  meralfeite,  inwiefern  jie  bie  SReidjtümer  eine§  8anbe§  oermeljren.    ©§  ift 
roaljr,  ber  Äünftler  »erarbeitet  feljr  roenig,  unb  eben  nidjt  foftbare  3Kcu 
terialien,  unb  madjt  etroaä  barau§,  ma<3  unenbtid)  met)r  roeri  roirb. 

v-?(lleitt  roenn  ftdt)  babitrcf;  bie  Äameraüften  wollten  oerletten  (äffen, 

bie  äRalerei  fabrifenmäfsig  31t  unterftüfcen  unb  betreiben  ju  [äffen,  fo  märe 

10  ber  Verfall  ber  Äunft  unb  bie  SSerberbniS  bee»  ©efdjmacfä  nidjt  allein 

uiuiermeiblicf),  fonbern  am  @nbe  mürbe  audj  bie  Arbeit  nidjt  einmal  fo 

oiel  mert  fein,  als  bie  verarbeiteten  9Jtaterialien. 


[17]  p.  38.  (Stempel,  mo  fitf»  9?apt)ael  foroot)!  uon  ber  natürlichen 
15  als  fjiftorifdjen  2ßat)rl)eit  entfernt  f)at.  35on  jener  in  einem  non  feinen 
Äartonö  in  ftamptoncour,  mo  er  ben  rcunberbaren  Sfifdjjug  uorfteltt,  unb 
bie  Sarfe  für  bie  Hienge  ber  barauf  beftnblicrjen  ^erfonen  nie!  ju  fleht 
madjt.  SSon  biefer  gleidjfaHä  in  einem  Äarton  non  bem  uon  Sßetro  unb 
Sofjanne  rurterten  ©id)tbrüd)igen  nor  ber  Stjüre  be3  Sempe(3,  genannt 
20  bie  ©djöne,  mo  er  figurierte  ©äuten  angebracht  bat. 

3UIein  eä  ift  5ttrifd£jen  beiben  2(bmeidnmgen  ein  großer  Unterfdjieb; 
biefe  vermehrt  bie  gute  ißirhmg,  jene  uerringert  fie.  9lämüd)  in  einem 
btof;  natürlichen  2(uge.  3ene  ift  ßUen  9)ienfd)en  anftößig,  biefe  nur  ben 
(Selefjrten.      , 

25  x 

[18]  p.  4;-;.  ©3  bat,  fogar  große,  9JJaier  gegeben,  rceldje  in  ein 
einziges  ©emtilbe  bie  ganje  5°*3e  e"m  ©cfdrjidjte  ju  bringen  gefudjt  baben. 
Wie  V  G.  Xitian  fetbft,  bie  gange  ©efdt)idt)te  be3  uerlomen  <3of)ne3,  non 
ber  SBerlaffung  feines  oäierlidjeri  §aufes  bis  31t  feinem  Glenbe.  3iid)arbfon 
so  fagt,  biefe  Ungereimtheit  fei  bem  geiler  gleid),  meldten  fdt)ted)te  bramatifdje 
Sidjter  begeben,  roenn  fie  bie  (Sinbeit  ber  geit  übertreten,  unb  ganje 
3af)re  ein  etngigeö  <Stüd"  bauem  (äffen. 

2Ulein  ber  %&f)k%  be§  3Jtaler§  ift  unenbtid)  ungereimter,    ati  ber 

gebier  be3  SidjterS.    Senn 

35  1.  bat  oer  Spater  bie  bittet  nidjt,  metdje  ber  Siebter  t)at,  unfrer  @in= 

bitbungofraft  in  Slnfeljung  ber  beleibigten  ©inf)ett  ber  3eit  uno  oeö 

Crtes  ju  tfilfe  31t  fommeu.    Sac>  bittet  ber  ^erfpefttu  ift  bagu  nia)t 

[)inreid)enb. 

•_'.  Ser  gefjter  be§  Sidjterö  oefjätt  nodj  immer  eine  gemiffe  Proportion 

40       mit  ber  Sßaljrljeit.    Sßenn  mir  in  bem  erften  2lfte  in  9?om  unb  in 

16.  E§  finb  ba§  bie  ÄartonS  ju  ben  befannten  Japeten  im  SBatifan.  —   36 ff.  SSal. 
ilbfdjn.  XVIII. 


250  Ikdjlafs  jum  ffaohoon. 

bem  äiueiten  in  5lgi;pten  ftnb,  fo  ftnb  mir  ood)  an  biefen  beiben  Drten 
mir  naa)  nnO  nadEj:  roenn  ber  ©elb  im  erften  2lfte  heiratet,  unb  im 
Srceiten  fd;on  erroadifene  Äiuber  bat,  fo  bleibt  ood)  nod)  immer  jjrotfd&en 
beiben  eine  grotfcfiengeit:  anftatt  baf?  bei  bem  3D2aler  notroenbig  alle 
uerfdnebne  Orte  in  einen  Ort,  imb  alte  oerfdjtebne  3etten  in  einen   5 
3eitpunft  äiifammenfliefjen,  roeil  mir  alles  in  iljm  auf  einmal  über= 
feljen. 
3.  Sßelrijes  bas  uornef)tnfte  ift:  meil  in  bem  ©emälbe  bie  (Stuljett  be§ 
gelben  oertoren  gef)t.     £enn  ba   id)  alles  auf  einmal  barin  überfefje, 
fo  fefye  id)  ben  gelben  sugteid)  metjr  rote  einmal,  roeldjes  einen  l)öd)ft  io 
unnatürlichen  ßinbrucr  madjt. 

[19]  p.  37.  9?apt)ael  fjat  in  einem  »Ott  feinen  Öemälben  im  SSatifan, 
roeldjes  bie  rcunberbare  Befreiung  bes  t;.  ^etrus  aus  bem  ©efängniffe 
uorftellet,  ein  breifadjes  Sidjjt  angebracht.  SaS  eine  ift  ein  Slusflufe  uon  lö 
bem  ßngel,  bas  ätueite  ift  bie  2iUrhmg  einer  $atfel,  unb  bas  britte  ift 
ber  @d;ein  bes  Stonbes.  2Ilte  biefe  brei  l'idjter  b,aben  jebes  feine  if)in 
eigentümlid)  sufommenbe  ©djjetne  unb  Sßieberfdjeine,  unb  madien  511= 
fatnmen  einen  numberbaren  CS'ff eft. 

Sttefe  <3d)önf)eit  ift  uermutlid)  eine  uon  benen,  auf  bie  ;~Hapb,aet  uon  20 
ungefähr  gefommen  ift.     2(ts  eine  foldje  oerbient  fie  alles  806.    ©eine 
uorneljmfte  2lbfidjt  mar  fie  roofjl  nidjt;  unb  fie  nürb  aud)  baljer  roeber 
bie  erfte,  nod;  bie  ein3ige  ©djönfjett  in  feinem  ©tiicte  fein. 

* 

[-20]  p.  4G.  Richardson  erläutert  bie  3?egel,  baf;  in  einem  &e-  25 
mälbe  bie  2(ufmerffamteit  bes  53etrad)terS  bura)  nidjts,  es  mag  and)  nod) 
fo  oortrefflid)  fein,  uon  ber  Hauptfigur  abgesogen  roerben  muffe,  burcb, 
ein  3Üerf  bes  Protogenes.  .,Protogenes,  fagt  er,  in  feinem  berühmten 
©emälbe  3atyfu3,  fyflt  cm  9iebl)til)n  mit  fo  uieler  Ahmft  gemalt,  baf;  es 
51t  leben  fd)ien  unb  uon  gattj  ©riedjjenlanb  beiuunbert  roarb;  roeil  es  aber  30 
bie  2lufmerffamfeit  aßjtl  fel)r  an  fidj  30g,  fo  löfdjte  er  es  ganj  aus." 

Richardson  irrt  fid).  ©iefes  3}eb()ttl)n  mar  nid)t  in  bem  ^alufus 
bes  ^rotogenes,  fonbern  in  einem  anbern  Öemälbe,  roeldjes  ber  rufjenbe 
Saint  f)ief?.  od)  mürbe  biefen  ^-el)ler,  roeldjer  aus  einer  mif;oerftanbenen 
Stelle  be3  Plinius  (üb.  35.  sect.  36.  p.  700)  entfprungen,  nidjt  am  35 
merfen,  luenn  id.)  nidjt  fänbe,  baf;  il)it  and)  ^of).  ÜDieurfius  f)at.  Rhodi 
libr.  1.  cap.  14.  p.  38.  In  eadem  (tabula  sc.  in  qua  Jalysus)  Sa- 
tyrus  erat  quem  dicebant  Anapavomenon  tibias  tenens. 

Strabo   ift   ber  eigentliche  äBäljttnann  biefeS  £uftörd)ens  mit  bem 
9?ebl)ulm.    Lib.  XIV.  p.  652.    Unb  biefer  unterfdjetbet  ben  Jalysus,  unb  40 

25 ff.  ©gl.  SUiüDii.  xi,  Sinnt.  5  2.  v.<. 


^usnige  itnö  iiermifdjte  Uemerlutngcn.  251 

ba§  öemälbe  mit  bcm  an  eine  Säule  fid)  anleljnenben  ©atnr,  auf  raeWjer 
(Säule  bao  Stebnulm  roax,  auöbrüdltd). 

Sie  Stelle  bes  Plinius  fyaben  ilieurfiuo  unb  SRidfjarbfon  beäroegen 
nidjt  oerftanben,  roeil  fie  nidjt  acf;t  gegeben,  baf?  oon  yroei  oerfdjiebenen 
5  ©emälben  bafelbft  bie  Siebe  ift.  Sem  einen,  roeäroegen  Semetriuo  bie 
Stabt  nidjt  einbet'am,  raeU  er  ben  Drt  nidjt  angreifen  mottte,  roo  e3 
ftanb.  Unb  ba3  anbete,  luetdpcö  5protogeneö  roäfjrenb  biefer  ^Belagerung 
malte.     $ene3  mar  ber  ^atijfuö,  unb  biefeS  ber  Satijr. 

* 

10  [21]  p.  49.  ftanntbat  Garaceio  mottle  in  einem  ©etnälbe  nidjt  über 
jrcölf  Figuren  oerftatten. 

* 

[22]  p.  50.    3iidjarbfon  fjat  eine  3eid)nung  ücm  Sßptybor  gefefjen, 
üou  beut  fterbenben  dato,  mo  il)m  ber  3föafer  bie  ©ingetoeibe  au$  bem 
15  Seite  Rängen  [äffen,    ftödjft  efe(. 

[23]  p.  69.  ©ine  ^ieta  (Pietä)  rjeiftt  eine  äKutter  3Jtaria  mit  bem 
toten  Äörper  be3  öeilanbeS. 

# 

20  [24]  p.  74.  sßarbenöne  bat  in  einem  ©emälbe  uon  bem  Segräfiniffe 
GFjrifti  einen  oon  ben  Slnmefenben  bie  SRafe  fictj  juljaften  taffen,  iHidjarbfon 
mifj&ittigt  biefes  beömegen,  roeil  er  nod)  nidjt  fo  lange  tot  gemefen,  baf, 
er  fjätte  riedjen  fönnen.  33ei  ber  2(uferftefjung  bes  Sagaruä  hingegen 
glaubt  er,  baf?  eö  bem  SRaler  erlaubt  fei,  uon  ben  Umftefjenben  metdje 

25  fo  ju  geigen,  raeif  e§  bie  ©efdjidjte  ouöbrüd'üdj  fage,  baf?  f.  Körper  fdjon 
gerochen  fjabe. 

2ülein  biefe  isorftettung  ift  meber  in  bem  einen,  nod)  in  bem  anbern 
{S-atte  31t  bulben,  weil  fie  fid)  auf  etmaö  ©felfjaftes  grünbet,  roelajeö  ber 
Dealer  burdjauo  sermeiben  muf?. 

30  Rubens  in  f.  2(uferftel)ung  beö  Sagaruä  in  Sansfouci  r)at  ben  2(ugen= 
btid  genommen,  ba  £ajaru§  fdjon  tebenbig  auo  bem  ©rabe  fjerauöfömmt. 
!ydj  glaube  audj  bafe  biefe§  ber  eigentliche  ift,  unb  fällt  babei  bie  dlot- 
rcenbigfeit,  fid)  bie  9?afe  jujuljaften,  meg:  benn  mit  bem,  baf;  8ajaru§ 
tebenbig  mirb,  mufs  audj  ber  ©eftanf  nidjt  mefjr  oorfjanben  fein. 


85 


[25]  p.  89.    ßjempel,  baf?  felbft  SRap^ael  unb  ftannibal  Garaceio 
ber  Sdjrift  in  ifjren  ©emälben  nidjt  gang  entbehren  fönnen.    3lim  ^es 

10.  Gigentlid)  Earacci,  aus  ber  bekannten  ÜKalerfatmlie,  1560—1609.  —  13  ff.  SCgt 
Slbicbn.  XXV.  —  spotiboro  be  Garaoaggio  (Galbara)  1495—1543.  —  20  ff.  Sögt- 
9lbfd>n.  XXV.  —  27  ff.  2lm  9(anb  ber  Üjbfdir.  ift  ba§  oben  im  £ert  <B.  1-17  uenuertete 
CSitat  Nubee  SJ.  170—74. 


252  lladilafj  jitm  Cnokoon. 

roetfe,  rote  fclir  fidi  bie  SäÄalerei  öor  allen  gufctt»menfe|ungen,  bie  fie 
nid)t  burd)  fid;  fctBft  uerftanbtid)  machen  fann,  311  (n'tten  f)abe.  IgrtbeS 
ift  co  o()ne  Zweifel  nod)  immer  ein  feljr  großer  ttnterf  djieb ,  roenn  SJapfjael 
ober  Garaccio  fdjreibt,  unb  roenn  e3  ein  anbrer  tljut.  Dirne  bie  Sdjrift 
roirb  man  jroar  bie  eigentlidje  ©efdjidjte  be§  Napliaelö  nidjt  oerftet)en, 
aber  fein  ©emälbe  roirb  bod)  nod)  immer  al§  ©entälbe  eine  uortrefflidje 
SOßirfung  ttjun.  2(nftatt  baf)  bie  meiften  anbern  (Sefdjidjtmaler  Mop*  ba$ 
SSerbienft  fja&en,  bie  ©efdjicljte  aüSgebrücft  3U  (jetben. 


[26]  p.  93.    SDlicfj&et  älngelo  folt  feinen  Gfmron  auo  einer  Stelle  10 
beo  Santeä  genommen  l)aben, 

Caron,  demonion  con  occhi  cli  bragia, 


Batte  col  remo  qualcunque  s'  adagia. 


3n  bem  Äupfer  uom  jüitgfien  Öeridjte  läfjt  fid;  nur  bie  2lftioit,  roeldje  15 
in  bem  legten  33ecfe  auögebrudt  ift,  erlernten;  ob  3lngelp  aber  and)  bie 
2(ugen  uon  glüJjenben  ftof;(en  auögebrüd't  f;at? 

[27]  p.  95.    3Son  ber  SöBirfuttg  roeld;e  ein  ©emälbe  auf  baS  2(uge 
r>on  ferne  machen  foll,  nod;  efye  biefeö  bie  Qtegenftänbe  beofelben  unters  20 
fd;eiben  fann.     tiefes  ift  es\  roaö  Got;pet  mit  bem  ©rorbto  einer  Mebe 
ueraleidit. 

I 

[28]  p.  97.  Qd;  fann  in  ber  Notte  del  Correggio,  in  rceld;er  fidr) 
alleo  8idjt  von  bem  gebornen  ^eilanbe  ausbreitet,  nidjt  mit  3ttd;arbfon  25 
einerlei  Meinung  fein,  bafj  ber  2Mer  beSroegen  ben  Motten  SDIonb  fjätte 
roeglaffett  fotten,  roeil  er  nidjt  teudjtet.  ©ben  biefeS  3iid;tleud;ten  ift  f)ier 
ein  ftnnreid;er  ©ebanfe  bei  3Rater§,  ber  fid;  barauf  grünbet,  baf*  boä 
grofje  £id)t  bas  fleinere  uerbunf'eln  muffe.  Siefer  ©ebanfe  ift  meljr  mert, 
als  ber  Keine  ätnftofs  ben  baö  2luge  babei  ()at,  roeld;er  2lnfto$  nod;  baju  30 
un§  eben  auf  bie  ©acfje  aufmerffam  mad;t. 

8 

[29]  3Ba§  9iid;arbfon  p.  120  u.  f.  von  ber  SBortrefflidjfeit  ber  ,s)anb-- 
äeidjnungen  fagt,  ift  feljr  bienlid;,  ben  äöert  ber  Sotoriften  51t  beftimmen. 
SBenn  eo  roa(;r  ift,  baf?  ber  Äünftler,  roenn  if)n  bie  Sdjroierigfeiten  ber  35 

11.  Santc,  infVnm  in.  109,  —  IG  f.  3ft  nidjt  ber  3-aII.  —  21.  Slntoine  (fcuipel 
(16C1 — 1722)  in  feinen  Discours  prononces  dans  lee  eonferences  de  l'Acadeiaie  de 
la  peinture,  Paris  1721.  —  (Jrorbium,  bie  Einleitung  bev  iHebe.  —  24.  Notte  del 
Correggio,  bao  betannte,  tjeutc  in  Bresben  befinblidje  (Scmälbc. 


Aiisjngt  unb  lu'rmirdjtc  ßcnurkungcn.  253 

gärbung  nidjt  jerftmien,  mit  aller  fyrotf)eit  bor  ©ebaftfen,  gerabe  auf 
feinen  ^meä  gelten  lärm;  menn  eo  roafjr  ift,  bafj  man  m  ben  geidfjnungeti 
bev  fceften  flialer  einen  ©eift,  ein  ßeßen,  eine  Jreifjeit,  eine  ,gartlid)feit 
finbet,  bie  man  in  ihren  Watereien  uennifd;  menn  eo  mabr  ift,  bajj  bie 

5  £-eber  unb  ber  (Stift  Singe,  madjen  tonnen,  roetdje  bem  Sßtnfel  $u  macben 
unmügtid)  finb;  menn  e§  roab,v  ift,  bafj;  bei-  ^infel  mit  einem  eittjigen 
i'iquibo  2)inge  auofübren  t'ann,  bie  bei-,  metdjer  mehrere  färben,  be= 
fonbero  in  Dt,  31t  menagieren  fjat ,  nidjt  erreidjen  t'ann:  fo  frage  id),  ob 
moljt   ber    beuumbernömürbigfte  Molorifte   uns   für  alten  biefen  SBertuft 

10  fdjabfos  galten  !oim?  $a  W)  mödde  fragen,  06  es  nidjt  31t  nninidKn 
märe,  bie  Kunft  mit  Ölfarben  311  malen,  möchte  gar  nid)t  fein  erfunben 
rcorben. 

[30]  p.  212.    Sft  es  root)t  maf)i-fd)einlid) ,  bafs  bie  Hoffnung,  meldje 

15  Dvidjarbfon  I)ier  äuftert,  bürfte  erfüllet  »erben?  bafs  ein  9!)ialer  aufftefieu 

raerbe,  meld)er  ben  Napljael  überträfe,  inbem  er  ben  (Sontour  ber  3(lten 

mit  bem  befteu  Äolorite  ber  feuern  uerbänbe?  ©s  ift  raal)r,  idj  fef)e  feine 

Unmögüd)feit,  marum  ftd)  biefe  beiben  Stüde  nid)t  füllten  uerbinben  laffen, 

unb  marum  eineg  bo§  anbere  auäfdjltefjen  muffte.    ©5  ift  aber  eine  anbere 

20  jyrage,  ob  ein  menfriflitfjeS  2(lter,  ein  menfdjlidjer  §Ietf},  f)inreid)enb  finb, 

biefe  SBer&tnbttng  jur  ÜsoUfommenfjeit  311  bringen.    Sßas  oon  ben  §anb= 

3eid)nungen  angemertt  roorben,  fdjeinet  biefe  J-rage  31t  oerneinen.    Sft  fte 

aber  nid)t  anbers,  alo  311  »erneuten;  mirb  jeber  üÖieifter,  je  meiter  er  eö 

in  bem  einen  Seile  gebrndvt  f)at,  befto  meiter  in  bem  anbern  notmenbig 

25  3urüdbleiben:  fo  fragt  fidj  nur  nod),   in   meld)em  nur  ilm  uortrefflidjer 

511  fein  münfdjen  merben?    Sßegen  93ortrefflid)feit  ber  3«4nungen  fömmt 

p.  2G  Sur  1  Art   de  critiquer  en  fait  de  Peinture,   nod)  eine  fd/öne 

Stelle  oor. 


14. 

30  Preface. 


Celui,  qui  ßompara  le  premier  la  Peinture  et  la  Poesie, 
etoit  im  homme  sensible  qui  s'appercevoit  que  les  deux  arte 
faisoient  sur  lui  des  iinpvessions  semblables.  Tout  les  deux,  se 
disoit-il,  nous  representent  des  cboses  absentes  comme  presentes. 


ift.  Tiefe  2üt;e  finb  alle  aus  5)iid)arbfon  entnommen.  —  7.  öiquibum,  glüffigfeit; 
b  h.  Aarbe.  —  8.  menagieren,  für  belianbeln,  uerroeuben.  —  10 ff.  äufjerfte  unb  be= 
benflidifte  golge  ber  £effingfd)en  Stjeorie  oon  bev  Scnönfjeit  ber  gorm  gegenüber  ber  be§ 
ftoloritS.  —  31.  Celui  —  premier;  erfte  Raffung:  Celui,  qtä  le  premier  comparait 
ensemble:  —  32.  etoit  —  B'apperce-voit;   erfte  gaffung:   fetqit   an  homme  d'un 

tuet   subtile,   qui   sentit. 


254  ilnfi]lü(j  \wa  £aohoon. 

Papparenee   conmie  realite;   tout  les   deux  fönt  illusion,   et  cette 
illusion  plait. 

Un  second  tacha  de  penetrer  dans  l'interieur  de  ce  plaisir, 
et  fit  la  decouverte,  qu'il  decouloit  dans  Tun  et  dans  l'autre 
de  la  menie  source.  La  beaute,  ridee.de  la  quelle  s'abstrait  5 
originerement  d'objets  corporels,  a  des  regles  universelles,  qui  se 
laissent  appliquer  ä  plusieurs  autres  choses;  ä  des  actions,  ä  des 
pensees,  aussi  bien  qu'ä  des  formes. 

Un  troisieme,  faisant  attention  au  prix  et  ä  Temploi  different 
de  ces  regles  generales,  remarqua,  que  les  unes  dominoient  le  10 
plus  dans  la  Peinture,  et  les  autres  dans  la  Poesie;  par  consequent 
qua  l'egard  de  celles-lä  la  Peinture  s9avoit  fournir  des  expli- 
cations  et  des  exemples  ä  la  Poesie,  comme  ä  l'egard  de  celles-ci 
la  Poesie  a  la  Peinture. 

Le  premier   c'etoit  1' Amateur;    le    second   le  Philosophe;    le  15 
troisieme  le  Critique. 

Les  deux  premiers  ne  pouvoient  pas  aisement  faire  un  mau- 
vais  usage  ni  de  leurs  sensations  ni  de  leurs  conclusions.  Mais 
quant  aux  observations  du  Critique,  le  principal  consiste  dans  la 
justesse  de  l'application  sur  tel  ou  tel  cas  particulier:  et  comme  20 
de  tout  tems  le  nombre  des  Critiques  ingenieux  a  surpasse  de 
beaucoup  celui  des  judicieux,  ce  seroit  un  vrai  miracle,  si  cette 
application  s'etoit  tousjours  faite  avec  toute  la  precaution  exquise 
pour  tenir  la  balance  juste  entre  les  deux  arts. 

Si  Apelle  et  Protogene  ont  confirme  et  eclairci  dans  leurs  25 
ecrits  maintenant  perdus  sur  la  Peinture,  les  regles  de  cet  art  par 
les  regles  de  la  Poesie  deja  etablies,  on  peut  etre  sur,  qu'ils 
l'auront  fait  avec  toute  la  moderation  et  toute  la  precision,  avec 
laquelle  nous  voyons  aujourd'hui,  qu'Aristote,  Cicero,  Horace, 
Quintilien  chercbent  ä  appliquer  dans  leurs  ouvrages  les  prin-  30 
cipes  et  les  experiences  de  la  Peinture  sur  l'Eloquence  et  la  Poesie. 
Car  ne  faire  jamais  ni  trop,  ni  trop  peu,  voila  le  privilege  des 
Anciens. 

Mais  nous   autres   modernes   nous   sommes   flatte,   de  les  de- 
vancer  de  bien  loin  en  changeant  leurs  petites  allees  en  des  grands  35 
chemins:    dussent  meme  les   grands  chemins  par  la,   malgre  leur 
avantage  d'etre  plus  courts  et  plus  surs,  devenir  des  sentiers  tout 
aussi  peu  battus  que  ceux  qui  amenent  par  les  deserts. 

Apparement  que  l'antithese  brilliante   de   Simonide,    que   la 
Peinture  ne  soit  qu'une  Poesie  muette,  et  la  Poesie  une  Peinture  40 

2.  plait;  in  ^nrenttjefe  fteFit:  nous  fait  plaisir.  —  4.  Über  ben  SBorten:  fit  la 
decouverte  fielet:  remarqua,  decouvrit.  —  r>.  Über  bem  2Borte:  s'abstrait  fte^t:  nous 
vient.  —  25.  si  Apelle;  erftc  g-nffung:  Bn  ras  qu'Apelle.  —  30.  cherelirnt  a 
appliquer;  erfte  fjaffung:  appliquent.  —  34.  sommes;  erfte  Haftung:  avons. 


lusjiiflfi  ttnö  »crmifdjtt  Bemerkungen.  255 

parlante,  ne  se  trouva  point  dans  un  ouvrage  dogmatique.    C'etoit 
im   trait   d'esprit,    com  nie    ce    Poete    en    avoit    d'autres,    qui    en 
partie  sont  d'une  verite  si  frappante,   qu'on  ne  prend  pas  garde 
ä  ce  que  le  reste  en  a  de  vague  et  de  faux. 
5  Les  Anciens  pourtant  ne  s'y  abuserent  point.    Car  admettant 

pleinement  la  sentence  de  Simonide  quant  ä  l'impression  des  deux 
arts,  ils  n'oublierent  point  de  nous  bien  imprimer  dans  l'esprit, 
que  nialgre  la  parfaite  resemblance  de  cette  inipression,  ils  diffe- 
roient  encore  beaucoup  taut  ä  l'egard  des  objets  qu'ä  l'egard  de 

10  la  maniere  de  leur  imitation.    (vli)  -acu  tQÖnois  fiifirjotcog.) 

Ce  ne  sont  que  des  Critiques  modernes,  qui,  tout  comme  si 
une  teile  dift'erence  etoit  absolument  irnaginaire,  ou  n'importoit 
point  du  tout;  ont  conclü  de  ce  que  la  Poesie  et  la  Peinture  se 
resemblent  en  partie,  des  clioses  bien  crues.    Tantot  ils  releguent 

15  la  Poesie  dans  les  bornes  estroits  de  la  Peinture,  tantot  ils  donnent 
ä  remplir  ä  la  Peinture  toute  la  vaste  sphere  de  la  Poesie:  tout 
ce  qui  n'est  pas  defendu  ä  l'une,  doit  aussi  etre  permis  ä  l'autre: 
tout  ce  qui  plait  ou  deplait  dans  l'une ,  doit  de  necessite  aussi 
plaire   ou   deplaire   dans   l'autre:   et  pleins   de  cette  idee  ils  pro- 

20  noncent  avec  le  ton  le  plus  imposant  les  jugements  les  plus  super« 
ficiels,  lorsqu'en  remarquant,  dans  les  ouvrages  du  Poete  et  du 
Peintre  sur  le  meme  sujet,  de  ces  points,  ou  Fun  s'est  eloigne 
de  l'autre,  ils  en  fönt  un  crime  ou  ä  Tun  ou  ä  l'autre,  selon  que 
leur  gout  les  poite  le  plus  ou  vers  la  poesie  ou  vers  la  Peinture. 

25  Cette  fausse   critique  a  egare  en  partie  les   Virtuosos  meme, 

Elle  a  fciit  naitre  dans  la  Poesie  la  rage  de  vouloir  peindre  tout, 
et  dans  la  Peinture  celle  des  allegories;  le  tout  dans  la  pleine 
et  pure  intention,  de  faire  de  l'une  un  tableau  parlant,  sans  sa- 
voir  proprement  ce  qu'elle  peut  et  doit  peindre,  et  de  l'autre  un 

30  Poeme  muet,  sans  avoir  considerö,  jusq'ä  quel  point  eile  peut 
exprimer  des  idees  generales  sans  s'egarer  de  leur  destination  et 
degeYierer  en  une  espece  d'ecriture  de  simple  Convention. 

D'aller  ä  l'encontre  de  ce  gout  manque,  de  combattre  les 
jugements    trop   peu    approfondes   des   Critiques,   c'est  la  le  des- 

35  sein  principale  des  discours  suivants 

Ils  ne  se  sont  formt's  qu'occasionellement,  et  plus  selon  la 
suite  de  ma  lecture,   que   selon  le  developpement  methodique  de 


2.  ce  Poete;  erfte  gnffung:  Simonide.  —  12.  une  teile;  erfte  Raffung:  cette. 
—  16  f.  Sie  2Borte:  tout  ce  qui  n'est  pas  defendu  ;'i  l'une,  doit  aussi 
etre  permia  ä  l'autie  fiub  fpäter  tjinjugefügt.  —  18  Sie  äBorte:  de  necessite 
finb  fpäter  ijittjugefügt.  —  33  f.  de  combattre  les  jugements;  erfte  Raffung:  De 
combattre  ce  faux  gout  et  de  s'opposei  aux  dita  jugements.  —  34.  3Me  Sorte: 
tles  Critiques  ftnb  fpäter  fyinjugefügt.  —  36.  Ils  ne  se  sont  form  es 
qu'occasionellement;  erfte  J-affung:  Ils  se  sont  formes  occasionellement. 


,256  llnd)lo|j  jum  ffaohoon. 

priacipes  generaux.     Ce  sont  douc  plutot  des  materiaux  sans  ordre 
pour  en  faire  un  livre,  qu'un  livre. 

II  y  a  quelques  annees  que  j'en  ai  donne  le  commencement 
en  Allemand.  Je  vais  le  rediger  de  nouveau  et  d'en  donner  la 
suite  en  Fran9ois,  cette  langue  m'etant  dans  ces  matieres  tout  au  5 
moins  aussi  faniiliere  que  l'autre.  La  langue  allemande,  quoique 
eile  ne  lui  cede  en  rien  etant  manie  conirne  il  faut,  est  pourtant 
encore  ä  foriner,  ä  creer  metne,  pour  plusieurs  genres  de  coin- 
position,  dont  celui-ci  n'est  pas  le  moindre.  Mais  ä  quoi  bon  se 
donner  cette  peine,  au  risque  meme  de  n'y  reussir  pas  au  gout  10 
de  ses  conipatriots?  Voila  la  langue  francoise  deja  toute  cree, 
toute  formee:  risquons  donc  le  paquet.  Et  qu'y  a-t-il  ä  risquer? 
Tout  delicats  que  les  Francois  sont  sur  le  chapitre  de  leur  langue: 
je  les  connois  d'assez  bonne  composition  ä  Tegard  d'un  etranger, 
qui  n'y  pietend  ä  rien,  qu'ä  etre  clair  et  precis.  i5 


■i.  red  ig  er,  cvftc  Raffung:  tligarer. 


Itfrerjiefgtttt£eit  fcct*  fron&JVvad|i£nt  (Zitate. 


iliorUciii ci  hing.  Dßgleid)  im  allgemeinen  Bei  ben  meiften  Sefern  be§  Saofoon  itenntiiis 
ber  alten  roie  ber  neueren  Sprachen  uorausgefefct  werben  barf,  erforbert  es  bod)  ba3  bei 
ber  „3iational=£itteratur"  überall  burdjgefütjrte  sjh'injip,  bafj  aud)  liier  bie  frembfpradngeu 
ßitate  in  Überfefcung  gegeben  roerben.  S3ei  ben  poetifdieu  Übertragungen  ift  ber  Slame 
beö  ÜberfefcersS  beigefügt;  roo  berfelbc  feljlt,  rütjrt  bie  Überlegung,  roie  bei  ben  profaifdjen 
Gitaten,  vom  Herausgeber  f)er.  SCBo  im  2effingfd)en  SCerte  felbft  fd)ou  bie  beut|ä>e  Über* 
fe|ung  gegeben  ift  (roie  j.  8.  <B.  4  3-25;  ©.8  3.  35,  f.  oben  3.  16;  <3.  9  Q.  26  f.  it.  a.) 
ift  natürlich,  auf  Mitteilung  einer  befonberen  Überfcfmug  an  biefer  Stelle  uergic^tet  roorben, 
mit  2lu*naf)me  ber  Sßerfe  aiti  Slrioft. 


<3.  10  3-  5  f. :   3d)  oerbenfe  niemaubem  ba§  SEeinen. 

2.  14  3-  32 f.:  SBei  einer  jeben  ber  tum  eud)  oeref)rteu  ©otttjeiten  mirb  eine  Sdjlangc 
■alö  roidjtiges  Smubol  uub  2J!i;fterium  aufgemalt. 
©.  10  3.  25  f. : 
J>e|o  enttrug  itm  [ben  Jgoljfpan]  bie  Mutter  uub  liefe  jtienftäbe  mit  SReifig 
Raufen  uub  fanbt'  in  oen  Raufen  bie  Mad)t  beä  oerf)eereni>en  geuerS.         3?ofj. 
66».  3.  32  ff. : 
Unberoufjt  unb  entfernt,  mirb  aud)  MelcagroS  uom  geuer 
©an,  burd)gtüE)t;  unb  er  fütjlt,  fein  inneres  2eben  oerfenge 
Jgeimltäjer  Sranb.    SHicb.  Ijemmt  er  mit  .straft  bie  gewaltigen  Sdnnerjen.     33ofj. 
S.  17  3-  30  ff. :    9tad)bem  er  alte  betrübt  gemalt  fjatte,  nornelnnlid)  ben  Dtjeim,  unb 
jeglicbeS  33ilb    ber  Srauer   erfdjüpft  batte,    ueri)üUte  er  beim  SSater  felbft  ba3  Öefid)t, 
roeldjes  er  in  roürbiger  äöeife  barjufteUen  ni,d)t  im'ftanbe  mar. 

(vliD.  3-  38  f. :   Gr  befannte,  bafj  bie  £>erbigteit  be>3  pajften flumnterl  burd)  bie  ßuuft 
nidjt  ausgebrüdt  roerben  tonne. 

S.  18  3.  29  f.:    ©eu  fialdmä  traurig,  ben  UlnffeS  belümmert,   ben  Sljar  fdjreicnb, 
ben  SDIenelaug  jammernb. 

S.  19  3.  25  f(.:    Gbenbenfelben  beilegte  anä)  ^5nt[;agoraä,  roetdper  ben  SdmeUIiüifer 
2lftt)Ioä ,  ber  in  Olnmpia  geseigt  mirb,  fertigte,  forcie  einen  eine  Xafel  fjaltenben  libijfdjeu 
ftna&en,  am  gteidjeu  Orte,    uub  einen  Slatften,   ber  üipfel  t)ätt,  in  SnrafuS   aber  ben 
§intenben,  bei  bem  fogar  bie  Setradjter  ben  Sd)iner}  beö  @efd)roüre§  ju  empfinbeu  fdieineit. 
(?UÖ.  3-  37 :    Scn  s}5fab  mübfam  baf)iuroanbeln. 
S.  22  3.  32  ff.:    3.  bie  Überfei;img  ebb.  3.  2:1  ff. 
CL  27  3.  s  jj. : 

Sein  eigner  Siadjbar,  lebte  er,  ein  Sjinfenber, 
gern  oon  teilnatjmuoUer  ©enoffen  Sdjuf}, 
Unb  feiner  oernaljm  ba§  Öeftölju 
Seelenergreifenben,  ftcdjeuben  Squtä, 

S)en  er  jammernb  auSjUefj.  5U1  i  n  cf  »u  i  §. 

(fbb.  3.  14,  ebb.  3.  21,  eüK  3.  28  unb  S.  2s  3.  41  |inb  Überfefcuugeu  beweiben 
griednfdten  Jertes. 

Seffingä  SBerfe  0.  17 


258  Überfcrsungcn  ber  fremofpradjigen  ©üate. 

5.  27   3.  40  (f.: 

©efdjlenbert  auf  bie  wilb'ftc  ber  Gnflaben, 

2Bo  nie  ein  5JPenfä)enfufj  ben  Straub  betrat, 

Sßerliefjcn  mid)  bie  Säjurten,  —  glaub'  mir,  2lrfas, 

So  tief  genmrjelt  ift  in  un§  bie  Siebe 

3»r  menidUidien  ©efeltfcbaft,  bafj,  fo  fcburEifd)  auch 

Sie  umreit,  mir  fein  iEon  jemals  fo  furchtbar 

©cbünft,  als  ihrer  [Ruber  Sdjtag  beim  Scheiben. 

G66.  3-  50  ff. :  3Bo  er  nidbt  nur  irgenb  einen  ber  ©ingeborneu  ju  einem  freunbtieberr 
Jtadj&ar  hatte,  fenberu  nidit  einmal  einen  jchlimmen,  oon  bem  er  bei  feinem  SBebflagcrr 
SÖJedjfelrebe  vernehmen  tonnte. 

©.  34  3.  34:    äga§  roürbe  wohl  Sophie  oon  ber  SJerftellung  benfen? 

2.  35  3-  2(5 :    S5er  id)  meinenb  wie  ein  2Mbd)cn  gewinfelt  habe. 

(*lib.  ;\.  2s  :  itnb  obgleich,  biefe  (bie  Sibobicr  Slgefanbcr,  ^olijboruS  unb  2ltf>enoborus) 
biefe  Statue  nad)  ber  SBefdjreibung  SBirgill  bargeftcllt  511  haben  fdjeinen. 

S.  36  3,.  20:  e§  fd)eütt,  bafj  Slgefanber,  spolnborus  unb  2ltbenoboru3,  bie  bie 
SDJeifter  besfclben  waren,  gleidifam  in  ber  Skgierbe  gearbeitet  haben,  ein  ©enfmal  ;u 
binterlaffen,  welches  ber  unvergleichlichen  ©chilberung  Sabtoons  bei  fBirgil  entfpräche. 

S.  3s  3,.  13;    Hub  ber  finberfreffenben  Mortis  bo-ppelte  &:inbnngcn. 

666.  3.  25 ff.: 

Vlod)  ein  größerer  jeht  unb  weit  grauenvollerer  SCnblicE 
Stellt  fid;  ben  ©lenben  bar  unb  verwirrt  bie  befrembeten  gerjen. 
^riefter,  gebogen  burdjs  Sos,  mar  Saofoou  bort  bem  9ieptunu>3, 
Sem  ben  gewaltigen  Stier  an  ben  geftaltärcn  er  weil;te. 
Siebe,  von  Jenebos  fjer,  jwiefad;  burd)  ftille  ©eioäffcr 

9jal;n  (id;  er.jähle  mit  Srau'n)  unermefjlicb  (reifen be  Sd;langen,  30- 

Über  bas  9J!cer  fidf)  bebnenb,  unb  [treiben  juglcid;  an  bas  liier; 
Xenon  bie  fBruft,  in  ben  Seilen  emporgebäumt,  unb  bie  Siähne 
SSlutrot  aus  bem  Öemog'  aufragt;  ib,r  übriger  Seih  ftreift 
hinten  bie  /flut,  unb  fie  rollen  unenblicfie  iKücfen  in  2Bölbung. 
Sftaufdicn  ertönt  aus  fdtäumenbem  Salj;  jc^t  broljn  fie  gelautet,  35 

Unb  bie  entflammeten  Jlugen  mit  SBInt  burebftrömet  unb  gener, 
3ifchen  fie  her,  unb  umlecten  mit  regerer  3llrt3e  bK  SKäuIer. 
31  Ue  jerfliehn  oon  ber  Sd;au  blutlos.    Sod;  ficljeres  3u9eS 
ßehn  fie  Saof'oon  an;  unb  guerft  ätoeen  finblidjen  Sötjnlein 
Srebt  um  ben  Seih  ringsher  fid)  bas  5paar  anringclnber  Schlangen,  40' 

Sdmürct  fie  ein,  unb  0  gammer!  jernagt  mit  bem  SBiffe  bie  ©lieber. 
5>rauf  ihn  felbft,  ber  ein  Reifer  fid;  natjt  unb  ©efd;offc  baherträgt, 
S.393.5  ÄSaidjeu  fie  beib'  unb  tuüpfen  bie  gräjjlicbften  Sinbungeu;  unb  febon 
groetmal  mitten  umher,  sweimal  um  ben  £als  bie  befd;uppteu 
Süden  gefdjmiegt,  ftchn  tjod;  fie  mit  ijaupt  unb  Kadett  geridjtet. 
Sener  ringt  mit  ben  yänben,  hinweg  bie  Umfettungen  brängenb, 
©anj  oon  Giter  bie  SSinb'  unb  fdjwar^lidicm  ©tfte  bcfubelt; 
Unb  ein  Sammergefäjrei  grau'nooll  ju  ben  Sternen  erl;ebt  er,  10- 

So  wie  Gebrüll  auf  tönt,  wann  blutenb  ber  Stier  oom  2lltare 
Alob<  ll»b  bie  wanteube  i'lrt  bem  uerwuubeteu  Siatfen  entfd;üttelt. 
S6er  bie  beib'  entrollen  311111  oberen  Jeinpel,  bie  3)rad)cu, 
Schlüpfrigen  ©angs,  unb  ereilen  bie  Söurg  ber  erzürnten  2Critonis, 
2So  fie  unter  bie  J-üf;'  unb  be§  Sd)itb§  llinfrcis  fid;  verbergen.  SBofj. 

£.  39  3.  IC  ff. : 

Cin  neues  Söunber!    Sebt!  wo  fid)  bei  JeneboS 

Tie  SBoge  bridit,  unb  fcbäumeiib  fteigi  bas  iUeer  empor, 

Unb  bann  geteilt  in  ftiller  Sucht  bie  2BeUe  brauft, 

2Bic  wenn  in  ruf)'ger  9!ad;t  weithin  ber  Dhtbcrfdilag 

Ertönt,  fobalb  ber  Sdiiffe  Stumpf  bie  fluten  brüdt,  20 

Unb  unter  ihrer  Saft  bes  SDleeres  Spiegel  feufjt  — 

Sa  fdiau'n  wir  hin,  unb  freiienb  fddägt  ein  Sdilangenpaar 

2>a§  SBafier  an  bem  gel§  empor,  unb  Schaum  aufwühlt, 

Jen  Sdjiffeu  gletd),  ber  beibeu  giftgefdjrooll'ner  Seib. 

Saut  bröbut  ber  Schweif,  unb  fdnllcrub  wallt  bie  iiüibne  bin,  25- 

So  baf;  beS  SKeereS  jjlääje  heller  ®lanj  crfüUt, 

Unb  oon  ber  Sdilangen  Quellen  felbft  bie  äBette  bebt. 

eutfer.eu  faf;t  uns,  beim  im  Ijeil'gcn  ^'riefterfdunucE 


iilirrffiäuiiflfn  ber  frembfpradjigcn  ffiitatc.  259 

©tebn  bort  bie  3n>UHnfl3fnaben  bei  Saofoon, 
30  Unb  plöbltd)  rotnben  ihren  Sdntppenleib  um  fie 

Sie  Seetangen.    Jene  tjeben  roobl  bie  sarte  £aub 
3um  Slntlitj  auf,  boeb  finlfe  bringt  fid)  feiner  felbft, 
Sßeil  üebenb  er  bem  ©ruber  feine  Sorge  weiht, 
©o  rafft  bie  Slrmen  furdjterfüllt  ber  Sob  bahnt, 
35  llnb  51t  ben  Salinen  roirb  ber  ©ater  auef)  gefeilt, 

©er  fte  nidjt  retten  tarnt;  ihn  trifft  ber  ©^langen  33ifj, 
Sic  morberfüllt  ben  ©rieftcr  Ijin  sur  Erbe  sieben, 
©o  bafj  er  felbft  ein  Cpfertier  am  älttar  liegt.  Gofacf. 

S.  40  3.  26 ff.:  wate 

jammerten  bort  unb  mandjc  oergafj  ber  eigenen  flinber, 
Selbft  nur  flicfjcnb  bo§  grimme  ©erberben. 
(?6Ö.   3.  43  fj. :    es  befiehl  ein  Heiner  Unterfd)ieb  jnjifdjen   bem,  roal  Sßirgil  fagt, 
unb  bem,  roal  ber  äRarmor  »orfiellt.    So  febeiut,  nad)  ben  SBovten  bei  SidjterS,  bafj  bie 
Sdtlangcn  bie  beiben  JHnber  oerliefeeit,  um  sur  Umfcblingung  bei  Saterä  ju  eilen,  roäfyrenb 
im  SRarmor  fie  bie  ftinber  unb  ben  SSater  511  gleicher  ^i\t  umringein. 

Z.  41  3.  3 ff.  uitö  20,  Z.  42  3.  12,  Z.  45  3.  1:  ©.  oben  ©.  38  3.  38,£3.  39 
3.  8,  ebb.  3.  6  unb  fl. 

(füll.  3-  39  ff. :  63  ift  nidit  rounberbar,  bafj  fie  burdj  ben  ©cbilb  unb  bie  giifje  ber 
S9itbföule  oerberft  werben  tonnten,  ba  ber  Siebter  fie  oben  all  lang  unb  ftarf  gefdjilbert 
unb  gefagt  bat,  bafj  fie  in  oielfacben  SBinbungen  ben  Körper  bei  saofoou  unb  ber  Einber 
umgaben  unb  nod)  ein  Seil  ihrer  Äörper  barüber  hinaus  geroefen  fei. 

Z.  44  3-  22 ff.:  Wlan  beadjte  gefälligft,  bafj,  ba  bie  sarten  unb  leidsten  ©eroänber 
nur  bem  roeiblidjen  ©cfdjledjt  gegeben  roerben,  bie  alten  ä3ilbt)auer  foniei  all  möglid)  el 
permieben  Ijaben,  männlidje  Figuren  511  befleiben;  benn  fie  Ijaben  gemeint,  toie  mir  es 
fdjott  oben  gefagt  haben,  bafj"  man  in  ber  ©ilbbaiierei  bie  ©toffe  nirfit  nad)al;men  fönute 
unb  bafj  bie  bieten  galten  einen  fcfjlccljtcn  ©tnbruef  maditen.  ©§  giebt  beinahe  ebenfo  oiele 
Seifpiele  oon  biefer  2Baljrt)eit,  als  eS  unter  bem  Stntifen  gtgttren  oon  uadten  Scannern 
giebt.  gä)  roili  nur  bie  A-igur  bei  Saofoon  anführen,  roeldjer  ber  Sßabrfdteinlidtfeit  nad) 
bätte  befleibet  fein  muffen,  Jjn  ber  %§at,  toie  foll  man  fid)  oorftellen,  bafj  ein  $ömg3= 
fobn,  bafj  ein  Sßrtefter  bei  2lpollo  bei  ber  feierlichen  Geremonie  eine§  DpferS  gattj  naeft 
war;  benn  bie  ©erlangen  tarnen  oon  ber  Jsufel  SeneboS  an  bal  Ufer  oon  Sroja  herüber 
unb  überrafdjten  ben  Saofoon  unb  feine  Söhne  jur  felben  3eitr  oa.  er  nm  ©tranbe  bei 
3ReereS  bem  Neptun  opferte,  roie  SJirgü  im  jroeiten  %}ud)  feiner  Stteibe  bemerft.  igtt* 
beffen  bie  Äünftler,  roeld)e  bie  SBerfertigcr  bicfeS  fd)önen  ÜBerfel  finb,  Ijabett  roofjl  ein= 
gefehen,  bafj  fie  ihnen  nidit  bie  i^rer  SBürbe  eutfpredienbe  Sefleibung  geben  tonnten,  ofme 
einen  ©teintiaufen  bar,;uftellen ,  beffen  üJlaffe  eher  einem  gell  gleidien  roürbc,  an  ©teile 
ber  brei  berounbernlroürbigen  giguren,  incldie  immer  bie  Serounberung  aller  ga^rhunberte 
geroefen  finb  unb  bleiben  roerben.  Unb  eben  barum  haben  fie  oon  ben  yoei  Übelftäuben 
benjenigen  ber  Gieioanbung  für  tuet  nadneiliger  eraebtet,  all  ben,  gegen  bie  Sßabrfjeit 
felbft  511  fehlen. 

©•  47    3.   22  fj. : 

die  £aokoongruppc. 

©ebidjt  oon  Safob  Sabolet. 

©ieh!  aus  Krümmern  unb  ©djutt,  aus  ber  ©rbe  bergenbem  ©djofje 
25  SBraajte  nad)  Sabren  ein  Sag  an!  Sidjt  ben  Saotoon  roieber, 

Qhn,  ber  einftmall  ftanb  in  fönig tid)  prangenber  $alle 

Unb  mit  föftlichem  ©chmud  bein  §aul,  0  Situl,  gelieret. 

©öttlidjer  Äunft  2lbbilb  erblidt'  ihn  bie  funbige  Sorjeit 

Slll  ib,r  ebelftcl  äßerf,  unb  nun  bem  ©rabe  entronnen 
30  ©rüfjet  er  roieber  bie  Stobt,  bie  neu  erftanbene  3ioma. 

©age,  roal  preif  id)  juerft  unb  jumeift,  ben  jammernben  Sater, 

Dber  ber  Söhne  5JSaar,  unb  bie  roilb  fich  frümmenben  Sd^langen, 

©räfjlid)  ju  fdjau'n,  im  giftigen  3orn  m*t  geroaltigen  Sdjrocifen? 

Cber  bie  SSunben,  ben  ©djmerj,  fo  mabr  im  fterbenben  Marmor? 
35  ©rau'n  erfafjt  ba§  ©emüt,  unb  wn  bem  febroeigenben  SSilbroert 

;Uegt  mit  @ntfe|en  gepaart  in  ber  Sörnft  fidi  fühlenoel  Siitleib. 

Joppelt  roäljen  fie  fidi,  bie  gtutauSfpriifjenben  ©djlangen, 

grren  umfjer  unb  ringeln  fid)  feft  in  engeren  Greifen, 

Unb  umfdUingen  bie  .«örper  ber  brei  mit  oielfadicr  SSinbung. 
40  .Saum  oermag  el  bal  2tug\  Jen  gräfjlichen  Jammer  (ju  fdjauen 

Uno  bal  l;erbe  öefd;id,  fdjon  jüngelt  bie  eine  unb  ftürjt  fid) 

17* 


260  Übetprfpmgen  ber  frembfpradjigcu  OCitntc. 

2luf  ben  Saofoon  lo>3,  umiuinbet  il)it  oben  unb  unten 
Unb  jerreifst  graufam  mit  gierigem  SJijj  if)in  bie  äßetdjen. 
Krampf  t)aft  roeiefrt  fein  Körper  jurücf  unb  bu  fdiauft,  rote  bie  ©lieber 
Cuallooll  roinbet  ber  Sdroterj,  unb  bie  bhttenbc  Seite  fiel)  frümmet. 
S.  48  3. 15    2llfo  in  bitterem  Seib  unb  oon  ber  Sd)lange  gcrfteifdiet 

Klagt  er  jammernben  %aaaä  unb  bemüfjt  fid),  bie  geifernben  3a^ne 
gortjurei|en  unb  ftredt  bie  Sittfe  ber  fttjbra  entgegen. 
Sod),  ob  bie  2Jiu5telu  gefpauut  unb  be§  ÄörperS  gct'ammelte  Kräfte 
Dringen  mit  l)öd)fter  Gemalt,  umfonft  ift  feine  SBemüfiung. 
Sragen  nid)t  tonn  er  bie  äBut,  unb  Scfjmerj  erftidet  bie  Klag'  itjm ,  20 

£od)  bie  Sd)lange  bringt  uor  in  ftet§  erneueten  3f  ingein, 
Sdjlüpfrig,  unb  fd)ür,^t  um  bas  finie  ben  feftgetounbehen  Snofen, 
3)afj  bie  SBabe  anfdiroillt,  unb  ber  Sdjenfel  00m  heftigen  Jrude 
«Samt  ben  ebleren  Seilen,  in  benen  getjemmet  ber  iuilöfditag ; 
Unb  baä  buttfeie  ä3lut,  e§  ftodt  in  ben  bläulichen  2lt>ertt.  25 

©leid;e  Scroalt  bemächtigt  fid;  aud)  ber  jarteren  Sötme, 
Sdjnürt  fie  in  furchtbarer  Sßein  unb  serfletfdit  ben  Sinnen  bie  ©lieber. 
Siel),  fd)on  blutet  ber  eine,  bie  SBruft  oon  ber  Sdilange  jerriffeit, 
Unb  nacl)  bem  23ater  ruft  er  mit  faft  Bcrfdjeibenber  Stimme, 
Senn  bie  gewaltige  Saft  umroinbet  ifjm  freifenb  bcn  Sörper.      -  30 

9iid)t  berührt  oon  bem  SBtf?  fteljt  uunerle^t  nod>  ber  SJruber, 
sffiill  mit  ber  §cmb  abroenben  oon  fid)  ben  broijenben  Sdnoeif  nod), 
©a  crblidt  er  ben  SSater  unb  ftarrt  ob  be§  fctirecflidien  2lnblkf3, 
Schüchtern  f)ält  er  bie  St)räne  jurüd,  unb  es  fjemmet  bie  gurdit  iljm 
Klagenbe3  Qammergefdirci.    £0  habt  it)r  gewaltigen  Künftler,  35 

2113  it;r  ba>3  SBerf  aufftelltet,  gefrönt  mit  unenblidjem  9iu!)tne 
(SBenn  aud)  ebleren  Sljatcn  gebüt)rte  ber  eroige  9!ame 
Unb  mit  größerem  SReä)t  nod)  weit  berühmteren  ©eiftern 
gortätlleBen  fid)  jiemt'  im  ©ebüd)tni>3  fommenber  Jage), 
loci),   ba  311m  Siutjme  fid)  cud)  eröffnet  bie  glänjenbe  Mennbaljn,  40 

Safd)  fie  ergriffen  unb  l)iu  jur  l)öd)ften  Staffel  gefübret. 
Jiljr  nerftanbet  e§  rool)l,  ben  Ejarrenben  23licf  511  bejeeleu 
Unb  in  ben  SJiarmor  Innern  lebenbigen  Dbem  ;u  Ijaudieu, 
Safj  roir  ben  Sdnner.i  unb  bcn  3orn  roafjrnefjmen  unb  jebe  Sjercegung, 
!Ja  faft  frören  ba>3  gammergefdiret.    Sa§  ftattlidje  9if)obo3  45 

$ßrie§  eud)  einften§  barob,  bann  lag  im  Strome  ber  3eiten 
Sänge  bie  ftierbe  oerbedt,  bis  neu  in  gellerem  Sid)te 
9)om  eud)  fieljt,  roallfabrtet  su  eud;,  unb  bem  SBerfe  ber  SJorgeit 
gprifä)  aufblüijet  ber  Shiljm.    Ja  roatyrlidi,  loljnenber  ift  e§ 
Sllfo  mit  Seift  unb  emfigem  gleifi  5"  leben  bem  9!ad)rul)in,  50 

2113  bem  Stolje,  ber  Stift  unb  eitlem  föepränge  51t  frönen.  So  fad. 

®.  4!»  $•  84 ff.:  @3  ift  ber  Slbfdjeu,  roeläj'er  bie  Trojaner  gegen  Saofoon  ergriffen 
tjat,  ber  bem  SJirgil  jur  3Beiterfüf>rung  feineö  ÖebiditeS  notroenbig  roar,  unb  bieo  bringt 
il)n  auf  bie  patt)etifd)e  Sefdjreibung  nou  ber  3cl'ftorunS  ber  ä>aterftabt  feine«  Selben. 
Sarum  leitete  fid)  '-iUrgil  aud)  rool)l,  bie  Slut'mertfamfeit  auf  bie  leiste  SRad&t  unb  für  eine 
ganje  grojje  Stabt  burd;  bie  Slusmaluug  eineä  tletnen  Uttgtüdi  eines  einjelnen  SBUrgerä 
5U  serftreueu. 

S.  50  :\.  1  i  ü. :  S.  ©.  47  3.  1 1  ff. 
(*tiD.  8.  -2\  f.:  S.  S.  3ä  8.  Gf. 
S.  58  x{.  l«f.: 

j;iit)t  juerft  ioof)l  liaft  bu,  0  römifdjer  itrieger,  im  Sdjilbe 
3ücfenben  S3I^e§  Strahlen  unb  rötlid;c  Sd)roiugen  getragen, 
ebb.  3-  85  ff. : 

Sßamatä  rof)  unb  entfernt  oon  ber  gried)ifdjen  fünfte  SSerounb'rung, 

SSrodj  ber  Solbot,  ber  Stiiöte  jerftört,  Srintbedier  ber  größten 

Aüinftier  entjtoet,  bie  ihm  ali  Seil  oon  ber  33eute  geworben, 

2)afi  fiel)  erfreue  beä  SclimudS  fein  Jlofj,  unb  ber  ix'lm  in  erhabner 

Slrbeit  SomutuS'  SCier  im  SBilbe,  getrieben  jur  Sanftmut 

Surd)  bie  ©efd^idfe  fco  üieiaic.,  am  Reifen  bie  beiben  Cuiriten 

Hub  be§  mit  Sdiilo  unb  Xau\Q  Ijerab  fid)  neigenben*)  ©otte-3 

i'i'adte  ©eftalt  norfüfjre  bem  Jeinb,  ber  bem  Sobc  uerfallcn.    0.  Sicbolb. 

*)  Siebelb  ttberfe^t  irrtümlicb  „uom  flamme  fid;  neigenben". 


lUu-rfdjungcn  ber  fremirfpradiigen  Citctte.  261 

@.  ."»4  8.  41:    S)e§  5ur  ^lia  311m  23cifd;>laf  fommeuben  2Jlar§. 
5.  55  3.  :)(.: 

Süftdjeu o  tomme 

Sröfteriu,  fomm  unb  fpiele  mir  tjotb  um  ben  offenen  Suien.  45  ofc. 

(füö.  3.  so-. 

Jie  nun  trug  jitm  DlnmpoS  ber  Aitf;. 

Z.  50  8.  :Hjf.:    (Seiucinicliaftiicfic  ©ötter  finb  2)lat%  23el(ona,  Sßiftoria,  roetl  biefe  im 
Kriege  ieber  öon  Beiberi  Parteien  geneigt  fein  rönnen. 

S.  57  3.  •-••2  ff. :  ©od)  bu  bift 

Diict-tö ,  at3  EefeöpS  Stamm,  ber  nerftiimmetten  &erme*>  r>ergleid)bar. 

Senn  ntcblä  ?eid)uet  nor  biefer  bidi  cm§,  al§  eittäig  ber  Umftanb, 

äHarthom  trägt  fie  ba§  yaupt,  bu  trägft'ä  oon  lebcnöigem  Stoffe,      o.  öiebolb. 

Z.  5s  3.  10:    Sie  Mtrdi  ihre  Sd&amtjaftigfeit  ausgeseidjnete  9;euuermähtte. 

S.  59  3.  ff:    ©er  über  bie  Srücle  ergrimmte  2lrares. 

Cfbl).  5.  18 ff.: 

vom  unb  SSenuä  en'dieint,  unb  be§  Senjeä  SSerlünber,  ber  3eplmr, 

Sdjreitet  gefiebert  norau;  ihn  begleitet  glora,  bie  SKutter, 

Seld;e  bie  Sritte  beftreut  mit  Iiebtidieu  g-arben  unb  ©üften. 

S^nen  folget  barauf  ber  trotfene  Sommer;  ,ur  Seite 

^bm  bie  beftäubete  Geres  unb  £>nud>  ber  etefifdieu  äBtnbe. 

SJadjber  umreitet  StututtinuS,  unb  mit  ii)m  Gcins  Guan. 

Ungeteilter  erfolgen  barmtf,  unb  bie  Stnb'  unb  bie  Stürme, 

y>od)  h>rbonnernb  35oIturnu§,  ber  hlihefdileuberube  2lufter. 

Sruma  bringet  jülefci  ben  Schnee  uuö  bie  ftarrenbe  Äälte, 

Unb  ber  Sinter  erfolgt  unb  ber  jä^neltappeenbe  Gisfroft.  r>.  ftuebel. 

(fliö.  3.  44f.:    g§  ift  bie  Dicifjenfolge  wie  ron  einer  Srojeffion,  Senj  unb  SßeuuS, 
SeplmruS  unb  glora  u    a.  m.  ,„,".-.»  r 

Z    Ol  3.  »f.:    Sir  ift,  wenn  orme  Körner  bu  cridjeiuft,  jungfrautidi  ba§  £auj)t. 

Z.  62  3.  37  f. :    Selten  fann  etwas  iü  einer  poetifdieu  Sefdjreibung  gut  fem,  meines, 
in  einer  Statue  ober  in  einem  ©emälbe  porgeftellt,  ungereimt  erfdjeinen  rourbe. 

Z.  04  3.  5  ff.: 

unb  nicht  metjr  milbe  ju  feheinen 

Strebt  fie  im  30m,  nod)  fnüpft  fie  ins  üaar  ben  jtertic&en  öolb|d)inucr, 
Offen  ben  bünmtifdten  Sufen:  nein,  roilb  unb  fdiredlidi  511  fdjauen, 
Sunfel  gerötet  bte  Saugen  unb  fdjunngenb  bie  fnifternbc  gatfel 
©leidjt  fie  im  fdjroarjen  ©ercanb  gar  fehr  ben  fttigifdjen  Sungfrau'n. 

(Jbö.  3-  HÜ-: 

Sa  fie  nun  SapfioS,  bas  alte,  verlief;  mit  ben  bunbert  «lltärcn, 
2lnbers  in  solid  unb  öaar,  als  fonft,  ba  legte  fie,  heißt  es, 
216  ben  ©ürtel  ber  Sieb'  unb  entlief;  bie  ibalifd&en  3Jögel. 
Ja  man  erjagt,  es  habe  bie  ©öttin  im  aiiitternaditsbunfel, 
2lnbcre  flammen  führenb,  mit  größeren  Pfeilen  bewaffnet, 
Unter  ben  Sartarusfdjmeftern  bie  Gbegemäcber_  bnrdiflogen, 
Stabe  baS  Qnn're  ber  Käufer  mit  riugelnben  edjlangcn  erfüllet, 
gurditbar  Sdjrecfcu  unb  2lngft  an  allen  Stätten  uerbreitenb. 
2.  65  3.  17  ff.: 

flrät^e  unb  .s>aarpu^  unb  fi'teibung  Dom  jugenblid^en  Snäus 
©iebt  fie  bem  Sater  unb  fefct  auf  ben  Sagen  ilm  mitten,  unb  ringsum 
Werfen  unb  Raufen  unb  fiäftdien,  gefüUt  mit  fdjmcigenbcm  ©reuel**). 
Selber  umminbet  fie  SBufen  unb  ©lieber  mit  bieneubem  ©pljeu, 
Sduittelt  in  luftigem  Sd)nnmge  ben  ranfenumfdilungenen  Sljyrfus, 
^üdioärts  ipäljeub,  ob  aud)  ber  Satcr  oerliüllt  bie  belaubten 
3ügel  halte,  bie  Körner  ihm  unter  ber  fdmeeigen  Söinbe 
Sdimellen  heroor  unb  ber  ^eilige  Sedier  ben  23acdiuS  be^eidjne. 
Z.  CO  3.  83f.:    2lleranber  inollte  fogar  für  ben  Sofm  bei  2(mmon  gelten  unb  oon  bett 

Silbljauern^mit  Römern  bargefiellt  roerfen,  inbem  er  barauf  ausging,  bie  Schönheit  be3 

3)lenfd;en  burd)  bie  jQÖrner  }u  entftellen. 

*)  Keffer:  „bem  Slocf  ber  fiienne". 
**)  Slämlid)  mit  ber  mnftifd,ieu  Sd;lange. 


262  iKbcrfcljungcn  ber  frcmbfuratljtgen  Citate. 

C  6S  3.  3-2  ü. : 

Jhöridrt  mahnet'  icfj  long,  cS  gebe  aucf)  S3iloer  ber  SBefta  j 

Seines  bemerft'  id)  balb,  faffe  baS  Äuppelgeroölb'. 
§ter  im  Xempel  perbirgt  fiel)  uimmcrperlöfcbenbeS  fjfeuer, 
"  Sßeber  pou  SBefta  uod)  auch  jeigt  fidj  com  geuer  ein  Siilb.    Ü)te§ger. 
6b».  3.  38  f.: 

Stifter  mar  er,  ber  fo  fanfte,  ber  gotteroerebrenbe  fiönig, 
frömmer  mar  feiner,  beit  je  trug  baS  fabinifdje  Sani».         SDletjger. 
6.  (»9  3.  19 f.: 

Sinn  mar  Suloia  3J!utter.    @3  bedten  bie  Silber  ber  Skfta 
3)Jit  jungfräulidjcr  £ianb,  f)eif;t  eS,  bie  Singen  fid)  311.  Sftetjgcr. 

ebb.  3-  26  f. : 

—  unb  trug  mit  beit  Sinben  jugleidj  bie  geroaltige  Sefta 

Unb  ihr  einiges  getter  aus  unjugängtiefien  Kammern.  23ofs. 

ebb.  3-  36  f- :  SfopaS  fertigte  bie  gepriefene  fifcenbe  SSefta  in  ben  Seroilianifdieu 
©arten. 

6bb.  3.  38 f.:  SpiiniuS  jeigt,  bajj  man  bie  SBefta  gerobfmlicb  fifcenb  bargefteat  habe, 
rcegen  ihrer  SBeftänbigfett. 

©.  70  3.  —  1  ff. :  SDte  Erbe  nennt  man  §eftia  unb  bitbet  fic  als  eine  Jrau,  bie  ein 
Xompanon  halt,  i>a  bie  ©rbe  bie  SBinbe  unter  fid)  perfdjloffen  hält. 

ebb.  3-  28 :    ©afj  ihre  ©cftalt  fefteibenförmig  fei. 

ebb.  3.  33  f. : 

Sortfjer  Speichen  ins  9)ab  unb  bortber  Statten  ber  Saftfuljr 
Dtüubet  ber  länblicbe  Sföann.  58  0  fj. 

6.  73  3.  9jf.: 

Slotroenbigfeit,  bie  graufame,  geltet  iljr 
SSoran,  mit  Seilen  maffnenb  bie  ©ifentjanb, 
Unb  Söalfenflammern ,  parle  ,s*iaten 
gehlen  ihr  auch  unb  gefdnnolj'neS  SBIei  nid)t.  Subroig. 

6bb.  3-  3 7 ff. :  jjeh  mage  311  behaupten,  baf;  bie§  ©emälbc  im  einseinen  genommen 
feböner  fein  mürbe  auf  ber  Seiuroanb,  als  in  einer  beroifeben  Dbe.  £>*  fann  bieS  .§cnfer= 
gerät  pou  Nägeln,  Seilen,  £>afeu,  fliiffigem  SSIei  nid)t  certragen.  3d)  habe  geglaubt,  bie 
Überfetuiug  bapo>t  befreien  }U  muffen,  inbem  id)  bie  allgemeinen  ©ebanfen  an  Stelle  ber 
fpejicllen  fe|te.  ©S  ift  bebauerlid),  bajj  ber  ©ic&ter  biefer  SSerbefferung  beburft  hat. 
ebb.  3-  *8f.: 

Sia)  ehrt  bie  Jgoffnung  unb  bie  fo  felt'ue  Iren 
5m  meinen  SJlantel.  Subroig. 

@.  74  3«  9:    Unb  bie  breite,  bie  burd)fiä)tiger  als  ©las,  baS  Geheimnis  jeigt. 

2  üb  ro  ig. 
ebb.  3.  IG  f.: 

Oiab  er  ju  tragen  ben  Seib  ben  beibeu  fd)ncllen  ©eleitern, 
Sdilaf  unb  Sob,  bem  3uullingSpaar.  Sorban. 

ebb.  3-  18 ff. :  ©S  ift  fd;abe,  baf;  §omer  uns  feine  Slnbeutung  über  bie  Slttribute 
gegeben  hat,  iueld;e  man  311  feiner  3°^  bem  Schlafe  gab;  mir  fennen,  um  biefen  ©Ott  ju 
djaraftertfteren,  nur  feine  Xrjätigfeit ,  unb  nur  befransen  ihn  mit  SJiobn.  SDiefe  Sbeen 
finb  mobern;  bie  erfte  ift  pou  mäßigem  Dingen,  aber  fie  fann  im  portiegenben  galle  nidjt 
angeroenbet  roerben,  roo  felbft  bie  SSlumen  mir  nidjt  am  s^ilahc  311  fein  fcheinen,  jumal  bei 
einer  ftigur,  bie  mit  bem  Sobe  gruppiert  ift. 
6.  77  3.  8ff.: 

SBeffer  nerfpinnft  bu  baher  bie  trojanifdhen  Siebet  in  Slfte, 
Statt  ;u  perfudjen  juerft ,  roaS  feiner  gefebn  unb  gefagt  hat. 

Seuffel. 
2.  79  3-  27  jj. :    Sluf  bemfelben  ©emälbe,  auf  bem  fid)  ber  igalufuS  befanb,  mar  ber 
bie  Rlöten  baltenbe  Satyr,  ben  mau  ben  auSrubeubeu  nannte. 
@.  80  8.  84 ff.: 

SBeidienb  erbob  mit  ber  nervigen  [Jaufl  Sltbene  pom  33oben 
©inen  als  glurmarf  bort  oon  ben  8orjeitmenfd)en  gefegten 
©rofjen  unb  fantigen  Stein  oon  fd)roärjliä)er  ftavbe.     '  Rotbart. 

S.  81  3.  19:    ®r  bebedte  fieheit  gud)ert. 


Überredungen  ber  fremöfpradjtgen  (Citatc.  2G3 

<vüö.  3.  31  ff.:  Sie  aber  rtffen 

•Jtäditige  gelfen  oom  Qbagebirg  mit  ben  .§äuben  uub  warfen 
Solche  gegeneinanber;  boa)  gleid)  Sanbförnern  jerftteBten 
Tiefe  gar  leidit,  an  ben  ummberfteblidten  ©  lieber  n  ber  ©ötter 
gjn  inet  Stücfe  jerfdjeltenb. 

e.  82  3.  29  ff. : 

geführt  nou  2lre3  uub  SfJattaä  Slt^eite ; 

Seioc  maren  001t  ©olb  unb  trugen  golbene  jUeiber, 

©rofj  oon  ©eftalt  unb  ftfiroer  bewaffnet  mie  ©öttem  es  jufommt, 

£ell  fict)  entbebenb  ber  Sdjar  ber  Heiner  gebilbeten  3Jtannfd)afjt.      gorbau. 

@.  85  3.  27  f.: 

3£ie,  wenn  einer  tuelletd)t  uon  ben  einigen  Söttern  uns  beibe 

Sätje,  beifammen  gebettet.  gorban. 

GM.  3.  31  ff.: 

.fSera,  fei  unbeforgt.    .Sein  (Sott,  fein  Sterblid)er  folt  e§ 

Scßau'n.    ®ia)  mit  golb'nem  ©einölt  fo  bidjt  511  umbilden  geben!'  id). 

3  0  r  b  a  n. 

S.  86  3.  14 ff.: 

SKeber  nom  ßulm  beS  Dh^mpS  flugs  eilt'  er  grimmigen  fterjenS, 

Über  bie  Sdjultern  gelegt  ben  Sogen  unb  fdiliejjenben  Äöcfier. 

Saut  auf  ber  Sdwlter  babei  »on  ben  dritten  beS  jornigen  ©otteS 

Murrten  bie  Pfeile.    So  tarn  er  baöergefd)ritten  ber  9!ad)t  gleid). 

SBeit  »on  ben  ©djiffen  entfernt  fict)  fe§enb  fdjofj  er  ben  "^feil  bin, 

Unb  ein  graufig  ©ebrötm  entflang  bem  filbernen  Sogen. 

SDJaultiere  nur  juerft  unb  hurtige  §unbe  befdiofj  er, 

9Ud)tet'  aber  alobanu  auf  fie  felbft  audj  fpifeige  Pfeile, 

Scbof;  —  unb  ja^lloä  ftetS  nun  loberten  Sriiube  mit  Seiten.     gorban. 

®.  S7  3.  21  ff.: 

Proben  berroeil  bei  3eu'5  i-m  Saale  mit  golbeuem  ©oben 

Sofien  bie  ©ötter  »ereint,  unb  §e6e,  bie  Eierrlidie  Scbenftn, 

9teid)te  ben  Sieftar  berum.    Sie  tränten  aus  gülbenen  Sedjern 

einer  bem  anbern  51t  unb  flauten  hinunter  auf  Sroja.  Qorban. 

S.  88  3«  30  ff. :  9Jiau  ift  immer  barin  übereingefommen,  bafj  je  metjr  ein  ©ebidjt 
<5Jemälbe  unb  £>anbtungen  biete,  e§  einen  um  fo  böherrn  poetiieben  2Bert  fiabe.  SDiefe 
Überlegung  batte  mid)  auf  ben  ©ebanfen  gebracht,  bafi  bie  Seredmung  ber  uerfdjiebenen 
•©emätoe,  toeldje  bie  ©ebidrte  barbieteu,  baju  bienen  tonnte,  bie  jeweiligen  Serbienfte  ber 
©ebid)te  unb  ber  Siebter  ;u  »erglcidjen.  Sie  Qabl  unb  bie  Slrt  Der  ©emälbe,  weldie  biefe 
großen  2Berfe  barbieten,  wären  eine  Slrt  Sßrüffteln  geroefen  ober  »ielmel)r  eine  gemiffe 
Slbwägung  beS  SBerbienfteS  tiefer  ©ebid)te  unb  beS  ©enies  iljrer  Serfaffer. 
S.  91  3.  28 ff.: 

vmjttg  entfntllt'  er  ben  Sogen    —    —    —    — 

alle  er  ben  Sogen  befpannt,  it)n  fiemmenb  gegen  bie  Erbe, 

£egt'  er  itjn  forgfam  bin    —    —    —    —    — 

—    —    —    Semnädjft  ben  Sedel  »om  kodier 

3og  er  l)erunter  unb  mübjt'  einen  ^feil  mit  befiebertem  Gnbe, 

Seit  er  nod)  niemals  gebraucht,  mit  fintieren  Qualen  belaben. 

Schnell  bies  bittre  ©ejdioj?  auf  ber  Sehne  riditenb    —    — 

SeibeS,  bie  Serben  bes  gtaljls  unb  bie  Seftne  »on  J-ledifen  bes  Stieres 

$vafst'  uub  sog  er  babei.    Sa  ber  Strang  feiner  Sruft  unb  bes  Pfeiles 

©ifen  ber  Slnfe  genagt  unb  ber  Sogen  gefpannt  mar  jur  Jtreisform, 

Slimpte  bas  Jfjorn  unb  fd)roirrtc  ber  Strang  unb  es  fprang  ber  gefpitste 

Solje  baljin,  uoll  ©ier  Ijinein  ins  ©etümmel  51t  fliegen.     '         St  bau. 

©.  95  3.  17 ff.: 

iiebe  febob  ba  fogleidi  auf  bes  SSagens  eiferne  2td)fe 
[Hüber,  gerunbet  aus  Grj,  ad)t  Speieben  jäljtenb.    Tie  geigen 
Sinb  unoergänglid)  geformt  aus  ©olb;  ber  barüber  in  Steifen 
Dlngetrieb'ne  Sefdjfag  non  ©rj,  erftaunlidi  ,u  feben; 
Silberne  Stäben  umlaufen  bie  beiben  Gnbeu  oer  Mdjfe; 
©treifengefled^t  non  ©olb  unb  Silber  bilbet  ben  Jvatnftubl, 
2Beld;en  gefcpiucift  ein  Soppelgepng  als  Srüftung  einfafjt, 


264  iibcrrrljuiigcn  ber  fretubfpradjigen  (üttote. 

Sor  iFnn  ftretfte  fidi  auä  bie  filberne  Scidifel.    3In§  ßnbe 
Sanb  fic  bas  fiI6erne  Socb  unb  Balte  an  biefem  bie  flauen 
©olbenen  Summete  feft    —    —  Jjorbat:. 

6.  96  3.  lfj.: 

—  —    —    tljat  an  baS  gefdjmeibige,  neue, 
Saubere  SBamS,  roarf  um  ben  «netten,  faltigen  plantet, 
Sdjnttrte  fidi  unter  bie  ^-ütje  bie  jarten,  fd;önen  ©anbaten, 

^längt'  um  bie  Sdjulter  ba§  Sdnoert  mit  filbernen  Stiften,  ergriff  bann 
Sein  00m  SSater  geerbtes  unb  ewiges  ©cepter.    —    —  gorbait 

t?6D.  ,-}.  iV>ff.: 

Jöaltcnb  ben  ßönigsfiab,  ben  mit  ßunft  $jept}äfto§  oerfertigt, 

lim  il)n  bem  i)errfa)enben  3eu§,  ocm  Sofjne  be§  SronoS,  31t  geben. 

Leiter  gab  it)n  bann  3eu>3  tem  geleitenben  2lrgo3erleger 

§erme§,  biefer  fobann  bem  Sioffebnnbiger  SpelopS, 

$eto»§  fiinroieberum  bem  SMrtcn  ber  Sölfer,  bem  SttreuS, 

2BeId)er  ibn  fierbenb  SE&tieft,  bem  lierbenreicBeu,  r-ermadite. 

tiefer  »ererbte  ben  Stab  2lgamemnon,  bafj  er,  ilm  tragenb, 

Sfnfetn  in  SJJeng'  unb  ba-,u  bas  gefamte  2trgo§  6et)errfä)e.  3orb an. 

5.  »s  3.  :{jj.: 

öei  biefem  Stabe!    So  roaör  ber  ipeber  SBtätter  nod)  3roeige 
treibt  unb  ergrünt,  feit  ab  man  it)n  tjieb  uom  Stumpf  im  ©ebirge, 
Jeuu  ilnn  entftreiitc  bas  ß-rj  ba§  SauB  foroot)!  als  bie  Diinbe 
Unb  e§  füßren  ilut  jebt  in  ber  fitanb  bie  Söftne  Stä)aja§, 
aaJetd)e,  511  Siiditern  beftetlt,  baö'Diedjt  unb  bie  göttliche  Satsuug 
Sd&irmen  im  Kamen  be§  gew§    —    —    —  Sorban. 

©.  99  3.  6 ff.: 

—  —    ben  Sogen  gefämifct  00m  ©eliörne  bes"  Steinbock, 
SBelcbem  er  felbft  auf  bem  2lnftanb  bie  Sruft  non  unten  getroffen, 
Sita  er  bem  Reifen  entroedifelt.    3m  igerjen  ben  Speer,  überfdilug  fid> 
SRüdlitigS  baS  Sier  unb  ftürjt'  aufs  ©eftein.    Sem  Raupte  entragte 
Eect)jet)ti  gauft  bai  ©eliönt.     Jas  foppelte  fünftlid)  ber  ©red&Sler, 
SdjlicBtet'  e3  glatt  unb  befdjlug's"  für  bie  Sebne  mit  golbener  £fe. 

3  0  r  b  a  n. 
S.  IOS  3.  15  jj.: 

—  —    —     5£rotsige§  l'litfelmc 

Sei  bie  £uB,  unjierlidj  itjr  ftaupt,  unb  mädjtig  ber  SJactcn, 
S)er  aueft  tief  311  ben  Seinen  00m  Äinn  bie  2£ampe  herabhängt; 
Slang  bie  Seite  geftredt,  bie  unenblidje;  alles  getnaltig; 
fyuß  aud)  unb  sottige  Dfjren  an  eingebogenen  Römern. 
Sind)  mißfalle  mir  nicht,  bie  mit  fprenfelnber  SBeifje  beroorfdieint, 
Ober  bem  ^odje  fidi  fträubt  unb  mandimal  brobt  mit  bem  £orne, 
Sßid&t  iinäbnlid)  bem  Stier  an  ©cftalt,  unb  erl;abene§  8Bud)fe§, 
Unb  bie  im  ©ang  bie  Spuren  mit  nieberem  Scbioeife  äerfeget.  Soft. 

Gut.  3.  25 ff.: 

—  —    —    £>od)rageubeu  \Salfe§ 

Sft  e3,  unb  feineres  £aupte§,  bünubäuebig  unb  fleifd^igeS  3tiiden§; 
Unb  iljm  ftrotjt  ooll  Hlusfeln  bie  mutige  Sruft.  Sot> 

S.  l(»t  V-J.  lOff.: 

—  —    —    —    SBcun  ein  .sliain  unb  Slltar  ber  ©iana 
Ober  bes  eilenben  duelleö  Öeriefel  burdi  lieblidic  g-lurcu 

Dber  ber  ftrßmenbe  9tt)ein  unb  ber  Sogen  bei  MegenS  gemalt  roirb. 

2:  c  u  f  f  e  I. 
(f bb.  3.  -2:j  f. : 

Safj  nid)t  im  S'abprintB  bc§  SBaBnS  er  irrte  lang, 

Sielmebr  jur  &>alniieit  teBrenb  fittigte  ben  Sang. 
CfbD.  3.  2«  f. : 

—  —    255er  fonutc  ärgerlid;  brob  fein, 

Saß  reine  Sd;ilb'ruug  nalnn  ben  5]B[a|  be?  Sinne?  ein? 
(*öb.  3-  20  ff. :   Gr  Qßoyt)  gebraudjt  pure  (reine)  boppelfinnig,  um  bamit  entroeber 
„feufdje"  ober  „eitle"  >u  be^eidinen;  unb  er  bat  in  biefer  ^eile  feine  2JJeinung  über  ben 
toabren  (Sl;aratter  ber  fogenannten  befd;reibenbcn  ^oefie  ausgefprodien.    Sine  2lulagc  ber 


lüia-fclinngni  ecr  fremblpradjigen  Citatc.  265 

SMdjtung,  bis  nad)  feiner  Weimmg  fo  abgefrfjmacft  ift,  wie  ein  bloß  auf  SBrüben  gegebenes 
gefrma$l.  £er  3wetf  einer  malerifcfteu  einbilbungsfraft  ift,  einen  guten  Jinbalt  311  er« 
Reitern  unb' ausjufdunüden;  roenbet  man  fie  eittjig  unb  allein  für  bie  SBefdjreilumg  an,  fo 
ift  SaS  wie  wenn  flinber  fidi  an  einem  ©lasprisma  um  feiner  bunten  g-arben  Witten  cr= 
göfcen;  wäbTenb,  wenn  man  einen  mäßigen  ©ebraud)  bauon  madjt  unb  fie  funftootl  rerteilt, 
fie  gar  wobt  baju  geeignet  ift,  bie  ebelfien  ©egeuftänbe  in  ber  9iatur  carsuftellcn  unb  ju 
beteuerten. 

S.  105  8.  2V>  ff. :  xV'h  [djriefi  biefe  33etracbtungcn,  beoor  bie  SSerfudje  ber  Seutfcöen  m 
biefer  Gattung  (ber  efloge)  bei  uft§  befannt  waren.  Sie  haben  bas  ausgeführt,  was  id) 
mir  »orgeftcllt  hatte;  unb  wenn  fie  bajü  gelangen,  mehr  2£ert  auf  ba§  «üioralifebe  511 
legen  unb  weniger  auf  bie  Ginjelbeiten  ber  3iaturfd)ilbcrungen,  fo  werben  fie  auf  biefem 
©einet,  bas  reicher,  untfaffenber,  fruchtbarer  unb  unenblid)  uiel  natürlicher  ift,  als  bas  ber 
galanten  3d)äferpoefie,  SSortrefftid)e§  teiften. 

2.  110  §.  17t?.:  G'3  ift  ein  wefcntlidier  Untcrfdjieb  jtt)ifd)en  biefem  Scbilb  unb  bem 
bc*  yomer;  bort  nämlid)  wirb  bas  Ginjclnc  erjühlt,  wäf)renb  es  gefertigt  wirb,  hier  aber 
Knut  man  eS  nad>  SSollenbung  be§  SBerfeS  fenneu;  benn  t)ier  empfängt  aud)  StneaS  bie 
SBaffen,  bfttOS  er  #  •  naher  betradjtet;  bort  aber- werben  fie  erft,  naebbem  alles  erjagt 
worben  ift,  non  ber  Xtjetiä  jum  ätcfitlleä  gebracht. 

ebb.  3.  23 f.: 

bas  ganie  Öefd;tccbt,  ba§  berfommen  feilte 

5ßom  ülsfanius,*  unb  in  ber  9ieih'  bie  beftanbenen  Äriege. 
(flib.  3.  29 f. :  SSirgit  bat  bies  gefd)icft  gemad)t,  weit  es  nid)t  feficint,    baß  jugleid) 
etnerfeitä  bie  ScbneUigfeit  ber  Grjäbtung  fortgefponnen,  anbrerfeits  bie  ätrbeit  fo  fünf'  ge= 
förbert  werben  fönne,  bafj  biefelbe  mit  ben  Sffiorten  übereinfäme.  —  ?3on  bem  md)t  erjagt« 
baren  Inhalte  bes  Sdjilbes. 

3.  111  3.  10  jj.: 

angelegt  wirb  ein  mächtiger  Sd)ilb, 

—  —  ba  inbes  ein  Seit  mit  atmenben  Söätgen 

Suft  einbauest  unb  »erbläft,  ein  Seil  in  ben  jifd)eftben  flüttftrog 

Jauchet  bas  Grj;  es  erbräbnt  non  2(mbosfc6lägen  bie  gfeßfluit. 

21U'  crböbn  fie  ben  2trm  mit  Äraft  unb  ©eroalt  umeinanber, 

jammern  im  2aft,  unb  brebn  mit  faffenber  gange  ben  Stumpen.     SSofj. 

eph  3-  29 : 

uni)  ?.t  freut  fiel),  unfunbig  ber  Singe,  am  SJilbe. 

S.  118  3.  27  f. : 

iilenfdiengefullt  war  ber  SDJarft;  benn  ba  ftritteu  fidj  jroei  »or  ßertebte 

Über  bie  fdjutbtge  Sßön.  für  jüngft  begangeneu  Sotfdttag. 

einer  beteuerte  laut  nor  bem  SSolf,  er  habe  fcöon  alles 

3tid)tig  befahlt,  bod)  ber  anore,  nod)  nia)t§  empfangen  ju  baben. 

S3eibe  »erlangten  Gntfdieiö  n.aa)  ju  Iciftenbem  geugeuberoeife, 

SJBäbrenb  mit  Stufen  bä§  Holt  geteilt  für  beibe  gartet  nahm. 

£eroifie  brängten  bie  Wenge  juriitf.    3m  geweihten  Sejlrfe 

Saßen  bie  9iid)tcr  uml)e*  auf  i>m  glattgcmeißelten  Steinen, 

Stanben,  inbem  in  bie  §anb  fie  bie  Stäbe  ber  §erolbe  nafjmen, 

SHafd)  pou  ben  Sihen  auf  unb  fällten  wedjfetnb  ba«  Urteil. 

SBer  »on  biefen  fein  Died)t  am  ttarften  bewies,  ber  empfing  bann 

ßroeen  Jalente  Öolb,  bas  bereit  fü)on  lag  in  ber  SMitte.  Sorban. 

S.  117  3.  30:  £aß  il)in  bie  Suftperfpettioe  nidjts  grembes  war,  get>t  baraus  Terror, 
baß  er  ausbrücflid)  ben  Slbftanb  eines  ßegenftanbes  »om  anbern  bemerlt:  er  erjäljlt 
uns  u.  a.  m. 

2.  110  3.  34 f.:  Über  bie  Sd)önl)cit  ber  §eleua  tianbelt  am  beften  fionftantinus 
SDlanaffeS,  wenn  man  il;m  nidit  Sautologieen  uim  Vorwurf  madTen  bürfte. 

S.  120  3.  ljf.: 

S)iefe  war  ein  Ijerrlid)  SBcib,  mit  fdjonen  S3rau'n,  uon  garbe  fd)Bn, 
Sdiön  »ou  SEangen,  woljlgebilbet,  großgeaugt,  »on  fdjnee'ger  §aut/ 
i'eidjtbewegenb  ihre  SBimper,  »art,  ein  wahrer  ©rajten^ain, 
3Beiß  »on  Slrmcn,  üpp'ger  33ilbung,  Sajöntjett  jcbem  liaucbenb  ein, 
Sibre  Stirn  »ou  reinfter  SBeiße,  ihre  «Bangen  rofeufarb, 
§|re  Stirne  »oller  2lnmut,  il;re  SSrane  jugenbjart, 
Selbftgenügenb  ihre  Sd)önl)eit,  ungefd)mintt,  »on  eigner  garb', 
3-ärbte  ibre  reine  SBBeiße  eine.roj'ge  Jeucrglut, 


266  Überredungen  ber  frcmbfprafljigen  (üitate. 

©leid)  wie  wenn  mit  priidit'gem  SJhirpur  jemanb  färbt  ba3  Elfenbein. 
<Sd)lant  ber  .öalö,  pon  reinfter  SBeifse,  fo  bafj  man  gefabelt  brob, 
§elena,  bie  fdjötte ,  leite  itjre  yerfriuft  ab  uom  Sdiroan.  , 

£.  120  ft.  10:   Sa  fie  ein  3)!al  jtmfdjen  ben  beiben  2lugenbrauen  rjatte. 

66b.  3.  21  ff.: 

Unb  bie  Augenbrauen  follft  bu      fo  v  j.  \j  -J.  u  ±  \S) 
SSeber  trennen ,  nod)  »ermifdjen ; 
3Rad)  im  Söilb  fie,  wie  bei  jener, 
gaft  unmerfbar  nur  oerbunbeu, 
2U3  ber  SBimpern  bunfle  SBölbung. 
66b.  3-  88: 

D  lag'  id)  al§  ber  Serge  rufj'toS  Jgemmni§  ba! 
(ffib.  *$.  40  ff. :    @r  roünfdjt  mitten  jmi|d)en  ben  beiben  ©mnplegaben  311  liegen,  ge= 
roiffermafjen  als  SBerjögerung  berfelben,   als  .§emmni§,  al§  Stieget,  ber  fie  aufbot,  fie 
»erbjnbert  entweber  fiä)  gau,;  eng  511  Dereinigen  ober  fidj  wieberum  ju  trennen. 
S.  12-2: 

2JBa§  funfterfafjrne  DJiuler  je  erfunben, 
9ieid)t  an  bie  ©djönljeit  iljrer  SSilbung  nid)t. 
Sie  blonben  §aare,  laug  unb  aufgennmben, 
Sefiegen  felbft"  be3  Öolbe3  glänjenb  2id)t. 
ÜJHt  Stofen  6,0601  Sitten  fid;  oerbunben, 
Unb  ü6erftreu'n  if>f  jarteä  2lngefid;t. 
Sie  fieitre  ©tirn,  in  ihres  UJiaßeS  Steine, 
©dbeint  rote  geformt  auz  glattem  Elfenbeine. 

3mei  fefimarje  Sogen,  fein  unb  jart,  umliegen 

©in  fdiroarjes  2lugeu=,  nein,  ein  Sonnenpaar, 

Qm  Süden  sartlid),  fparfam  im  Sewegen. 

Sa  nimmt  man  äXmorn,  fdier.^enb,  fliegenb,  waljr; 

Sa  fenbet  er  fjerab  ber  Pfeile  Siegen 

Unb  raubt  bie  §erjen,  jebem  offenbar. 

Sie  SRaf,  abfteigenb  mitten  im  ©efidjte, 

2)tad)t  aiid)  be§  2ieibe§  Sabelsredjt  ju  nickte. 

Sann  folgt  ber  2Jhinb,  »011  ©rü&djcn  tjolb  umfangen 
Unb  mit  natürlichem  Äannin  bebedt, 
3n  bem  jwei  ©djnür'  crlef'ner  perlen  prangen, 
Salb  r>on  ber  Sipp'  cntl)üllt  unb  6alb  oerfterft. 
Sa  fommt  bie  rjoltoe  Sieb'  tjeroorgegangen , 
Sie  aud)  im  raufj'ften  .£cr,;en  iHilbe  medt; 
Sa  fiebt  man  oft  ba§  füfje  Sädjeln  werben, 
Sa§,  wie  e§  will,  ben  §immel  bringt  jitr  Grben. 

Ser  £>al3  ift  ©d)nee,  unb  9Mdj  bie  33  ruft;  üollfommen 

©erüribet  jener,  biefe  coli  unb  breit. 

Gin  2lpfelpaar,  bem  Elfenbein  entnommen, 

SJJallt  auf  unb  ab,  wie  bei  ber  Sttfte  ©treit 

2(m  Uferraub  bie  SBelleu  gcl)n  unb  t'ommen. 

Som  anoern  giib'  aud)  2lrgu>j  nicht  Söefdjeib; 

Sod)  fdjlieftt  man  wobt,  es  muffe  ba-S  Serftedte 

Sem  äljulid)  fein,  was  fidj  bem  2lug'  entbedte. 

Seit  2lrmen  ift  ba§  redite  SRafj  geipeubet, 

Unb  oftmals  wirb  bie  »arte  ipanb  geid)aut, 

Sie,  länglid),  fdnnal,  burd;  iljre  SBetfje  blenbet; 

SJidjt  2lber  fpannt,  nod)  ftnödjel  ibr  bie  £aut. 

©ie  ganje  lierrlidje  ©eftalt  noUenbet 

Ser  furje  fjufj,  runblid)  unb  wohlgebaut. 

Sen  Sngetreij-,  im  .vMmmel  felbft  entfproffen, 

•öiett'  aud)  ber  bidfte  ©dreier  nidjt  oerfd^loffeu.  ©rie5. 

S.  12:5  ;{.  2s  jf. ;  SBenn  bie  2J!ater  o^ne  ÜJiülje  ein  »oüenbetei  5D!ufter  einer  fdiönen 
Aiau  finbeu  wollen,  fo  mögen  fie  jene  £tanjen  beö  Slrioft  lefen,  in  benen  er  auf  nmnbet* 
bare  SBeifc  bie~ed)öubeiteu  ber  gee  2iuina  betreibt;  111. b  fie  werben  jugleittj  fcfjen,  wie 
feljr  bie  guten  Sid;ter  aud;  i^rerfeitä  2,'ialer  finb. 


Mberfeljungen  ber  frembfpradjigen  Cttate.  267 

S.  124  g.  26ff. :  3Jian  bead)te ,  bafs  Ejinficfjtlid^  ber  Proportion  ber  gciftrcicfie  2trioft 
bie  befte ,  roelcfie  bie  $änbe  ber  trefflidjften- 2J!aIer  geben  tonnen,  baburd)  bejeicfinet,  bnf? 
er  fid)  beS  2Borte3  industri  bebient,  um  beu  g'e'&  anjubeuten,  ber  fid)  für  einen 
tiidjtigen  Äünftler  jiemt. 

(f  liD.  $.  29  f. :  £)ier  giebt  2lrioft  garbe  unb  erroeift  fid)  bei  biefer  feiner  garben= 
gebung  al§  ein  roafjrer  Sijian. 

(?I)D.  3.  31  ff. :  Slrioft  fonitte  ebenfo  gut,  nrie  er  „6lonbe5  §aar"  gefagt  Fiat,  ooit 
„golbttem  §aar"  fpredjeu;  aber  tuelleidjt  jdjien  e3  ifjm,  bafs  bie§  etroa§  ju  poetifd)  ge= 
toefeu  märe.  3J2an  fann  barauS  fdjltcfseu,  bafj  ber  3JIaler  in  feinen  ©emälben  ätoar  ba3 
©olb  (ber  Jgaare)  nadjahjnen,  aber  nid)t  nnrtlidjeS  ©olb  auffegen  folt  (toie  e§  bie  9JUniatur» 
mater  tfjun),  bergeftalt,  bajj  man  fagen  fann,  biefe  §aare  finb  ämar  nid)t  »on  ©olb,  aber 
fie  fdieinen  rote  ©olb  51t  glänzen. 

(fbD.  $•  38ff. :  Sie  9Jafe,  roeldje  abfteigt,  tuobei  er  rcoFjl  jene  gornt  ber  *ftafeu  in 
©ebanfen  blatte,  nrie  man  fie  in  ben  Sßorträtä  ber  fd)önen  ^Römerinnen  au>3  bem  2llter= 
tum  fiefjt. 

®.  125  3.  19 ff.: 

(änblia)  tritt  fie  Fjeruor, 

©d)ön  in  Sibonergeroanb  mit  farbiger  33orte  gef leibet: 
Saureres?  ©olb  ihr  fflödjer,  in  ©olb  gefnotet  ba§  §auptt)aar, 
Unb  oon  golbener  ©djnaHe  gefd)ürjt  ifjr  purpurnes  Jagöfleib.  33  0  fs- 

©.  126  3.  15 f.  (SBerSmofj  f.  oben): 

Sod)  genug!  id)  feb,'  fie  felber. 
23alb,  0  SMlbntö,  wirft  bu  fpredjen. 
(yliö.  %.  27  ff.: 

216er  unterEmlb  be§  2lntlifc 

Sei  ein  §öl§  uon  Elfenbeine, 

Übertreffeub  ben  Stbontä. 

5Die  geioölbte  23ruft  bann  gieb  itjtn 

Unb  baS  2lrmepaar  00m  £>erme§, 

^olobeufe-V  fräft'ge  ©djenfel 

Unb  ben  Setb  oom  SionpfoS 

SJimm  2lpolIo  t)ier,  ben  ganzen, 
2J!ad;e  braus  mir  ben  23att)nllo3. 
@.  127  3.  26 ff.: 

Dtidjt  311  oerbenfen  ift'3  ben  Troern  unb  ben  2Icf)äern, 
®af5  fie  um  fold)  ein  SBeib  fid)  fo  lang  fcfion  Setben  bereiten, 
©tfjier  eine  ©ottin  511  feftn  mufj  mahnen,  10er  ifjr  0efid;t  fd;aut.    3oroan- 
©.  12S  3.  llff.: 

2Ba3  für  ©djultern  unb  was  für  2lrme  nun  fat)  unb  berührt'  idj! 

Unb  roie  bot  fid)  oem  Srud  fd)roeUenb  beS  33ufen§  ©eftalt! 
Unter  ber  fd)mäd)tigen  33ruft  toie  mapoll  fenfte  ber  Seib  fid); 

D  roie  jugenblicfi  fdilanf  ©djenfel  unb  Jßüffe  fid;  wölbt'!       §er§6erg. 
@.  129  3.  12  ff. :  f.  oben  ©.  122. 
@6t>.  S-  2^ff':  gn  bem  fiinn,  bem  üppig  jorten, 

Um  ben  §al§,  beu  marmonoeifjen, 
©ollen  alle  ©rajien  flattern. 
(?6b.  3-  31 :  (Singebrüdt  burd)  baS  ^-ingerdien  2(morä. 
S.  131  3.  S:   Sie  Siebe  eiiws  ©reifeä  ift  etroaS  ©tf;impflid)e§. 
6ÖÖ.  3.  16 f.: 

Silber  ob  nod>  fo  fd)ön,  nad)  ßaufe  fcfiiffe  fie  bennocb; 
Untieil  6räd)te  fie  fjicv  in  ^utunft  un§  unb  ben  Äinbern.  Qorban. 

<Sbl.  3-  2* f.: 

Dlafdj  in  ben  ©dileier  gefüllt  uon  filbrig  roeifjem  ©eroebe 

Sitte  fie auö  il)i;em  ©emadbe.  3orban. 

S.  132  3-  :}6:   ®*  (3tpeHe§)    malte  aud;  eine  Siana  mitten  unter  einem  Sieigeu 
opfernbcr  Jungfrauen:  mit  biefem  Sjilbe  fdjeint  er  bie  33erfe  be§  ijomer,  ber  eben  baSfelbe 
befdireibt,  übertroffen  ju  Boben. 
S.  133  3.  12 ff.: 

2Bie  oon  SapgetoS'  §ö&/n,  oom  53erg  Erpmantboö  berunter 
2(rtemi5  fdjreitet,  erfreut  ib,r  ©efebof;  51t  tterfenben,  unb  luftig 
Gber  unb  flüchtige  §irfd)e  oerfolgt  — ;  bie  SJnmpben  ber  2ßilbni'3, 
Söcfiter  be§  regneuben  Seu§,  utnfpielen  fie  als  ihr  ©efolge.         3oroait- 


268  Jtberftifuricten  ocr  frcmbfpradiigen  Citate. 

<?bo.  3.  22 f.: 

2Bie  am  ©urotaSgeftab'  unb  auf  fitftigen  Satyrn  be§  Stmtljui 
SEanjenbe  Sieib'n  ©iana  oefeett.  SJofj. 

(füb.  3.  24  ff. :   Siefe  Siana,  fomohl  im  ©emälbe,  als  in  ber  33efd)ret6ung,  mar  bie 
Siana  SBenatrir.  (al§  Sägerin);  bodj  mar  fte  toeber   bei   SStrgtt  nod>  bei  SlpeKeS  ober 
gomer  al§  mit  i^ren  Stumpften  jctgenb  oorgefteltt,  fonbern  als  mit  bcnfelben  in  jener  Slrt 
oon   Xämen   befäjäftfgt,  welche  oon   bei»  Sitten  als  befonberS  feierliche  Jganblungcn  be§ 
©otteSbtenfteä  6etrad)tet  mürben. 

(vliB.  3.  2»  ff. :   Ser  SluSbrud  naitetr,  beffen  fid)  £>omer  bei   biefer  Gelegenheit  be= 
bient,  ift  gans  ungewöhnlich  für  jagen;   er  muß,  wie  choros  exercere   bei  äSirgil,  oon 
ben  religiöfeu  Xänjen  ber  Sitten  oerftonben  mevbcn,  raeil  Jansen,  nadj  ber  altrömijdien 
Sluffaffung,  für  SKenfdjen  in  ber  Cffcntlicbfeit  für  unpaffenb  galt;  ausgenommen  es  waren 
jene  Arten  oon  Sänjen,   bie  511  ehren  beS  SDJarS,  beS  s8acd;uS  ober  irgenb  eines  anbem 
ihrer  (Sötter  gebräua)lidj  waren. 

(vbD.  3.  :5(iff. :  infolge  beffen  gebraucht  spiinutS,  inbem  er  oon  ben  Sümpften  ber 
Siana  in  biefem  felben  ^-aUe  fpridjt,  oon  iftuen  bas  SBort  sacrificare,  roomit  er  eS  burcb= 
aus  Bejetd)net,  bajs  biefe  Janje  berfclbeu  5«  jener  retigiöfen  Gattung  gehörten. 
tftiD.  3.  4« ff.: 

.  •        Steigen  and)  führet  bereits  Gotfterea,  ba  'Suna  niebcrblinfct, 
Unb  ©rasten,  fid)  ftolb  ben  Stumpften  einenb, 
Stampfen  im  wechjelnben  Sd)nwng  mit  ben "gfüfsen  ben  Grunb. 

Subwig. 
3.  134  3.  20 ff.: 

Unb  mit  ben  febattigen  Srau'n  bie  SSejaljung  nidte  flronion; 
Über  bie  Stirne  babei  be@  GötterföuigcS  wallte 

lieber  ba§  fteftre  ©elod,  unb  es  roanfte  baoon  ber  DlomooS.     gor b an. 
(flib.  3«  24  f. :  ©emiffermafsen  aus  bem  gimmel  felbft  geijott. 
«■DD.  3-  '•'•'■'  '■    Gin  ,u'e  bebeutenber  Seil  ber  Seele. 

3.  185  3.  :*t>jj. :  Cr  felbft  jebod),  oornehmlid)  bebaebt  auf  bie  fiörperlutbung,  febeint 
bie  geiftigeu  (Smpfinbungen  nid)t  311111  Slusbrutf  gebracht  ju  ftaben,  autf)  flopf*  unb  Sd;am= 
haar  nidjt  oolleubeter  qebilbet  jlt  haben,  als  eS  bie  rohere  SSOrj»tt  bargcftellt  hatte. 

(*tin.  3.  88:  Siefer  gab  suerft  9)tuS!cln  unb  Slbern  «riebet  unb  beftanbelte  baS  £aar 
forgfältiger. 

0.  136  3.  20f.: 

—    —    —    —    —    —    —    —    ba  ragte,  im  Stehen, 

SBreiter  empor  ÜJJenelaoS  mit  feinen  gewaltigen  Sdntltern; 
Sergen  fte  aber,  fo  febietj  DbnffeuS  t)öi)er  gemachfen.  gor  bau. 

S.  138  3.  (5:  ©a§  Sädierlicfte. 
(vbo.  3.  27 :   S)a§  nidjt  Stf)äblid)e. 

5.  189    \.  12  jj. :   Sie  audj  einen  fonft  oerftänbigen  fDJann  511m  Z&oren  mad)t. 

6.  14(»  3.  f. ff.: 

STCatur,  bu  meine  Göttin!  Seiner  Sahung 

©eftord/  id)  einjig.    SßeShalb  follt'  id)  bulben 

Sie  fßlagen  ber  ©eioohnheit,  unb  geftatten, 

Safj  mid)  ber  SSölfer  Eigenfinn  enterbt, 

SBeü  idi  ein  sroölf,  ein  oierjetjn  SDlonb'  erfaßten 

i'iad)  einem  SBruber?  —  it'as  Saftarb?  weshalb  uned)t? 

Senn  meiner  ©lieber  3Rafj  fo  ftarf  gefügt, 

SJlein  Sinn  fo  frei,  fo  abiig  meine  3üge, 

2US  einer  G'bgemabUn  grud)t?    it>arum 

iiJiit  unecht  unS  branbiiiarten?    SBaftarb?    Hnedjt? 

Uns,  bie  im  heifjen  Siehftahl  ber  Siatur 

3Be|r  Stoff  empfatju  unb  t'räft'geru  gettergeift, 

Stil  in  oerbumpftem,  trägem,  fchmalem  SBett 

SJertoanbt  wirb  auf  ein  ganjeS  i>eer  oon  Sröpfen, 

\vUh  5miicheu  Schlaf  gejeugt  unb  swifchen  SBacbcn. 

S  d)  l  e  g  e  l  -  %  i  e  & . 
Pütt.  3-  24 ff.: 

Sod)  ich,  su  !}}offeufpie[en  nicht  gemad)t, 
9iod)  um  511  buhlen  mit  verliebten  Spiegeln ; 
,\ch,  roh  geprägt,  entbtöf;t  oon  8ie6e3majefiät 
Sor  leidjt  fid)  breh'nbeu  9h)inpl)en  mid»  51t  brüften: 


Mberfetjungen  öer  frcmbfpradjigen  Cttatc.  269 

S<f>,  um  bieS  fdjöne  Gbenmafj  oerfiint, 

9>on  ber  Scaiur  um  Silbuug  falfdj  betrogen, 

Gutftellt,  yerraabrloft,  uor  ber  ,3tnt  gefanbt 

3n  biefe  SEBelt  be§  attnenä,  balb  fmitn  fertig 

©emadjt,  unb  jToar  fo  lahm  unb  ungeiiemenb, 

£>afs  §unbe  bellen,  b,tn£'  id)  100  vorbei; 

£$d)  nun,  in  biefer  fcfjlaffen  fjriebengjeit, 

SBeijj  feine  Suft,  bie  3eit  mir  31t  vertreiben, 

2tl§  meinen  Sdiatten  in  ber  Sonne  fpäb/n 

Unb  meine  eigne  sj)Hjsgeftalt  erörtern. 

Unb  barum,  meil  id)  nidit  als  ein  Verliebtet 

flattn  Hirsen  biefe  fein  bereiten  Sage, 

Sin  kl)  genullt,  ein  Söfenudjt  511  werben.  Sd)legeI  =  ;Eied. 

S.  U7  3.  10 it.: 

S  d)  ü  t  e  r. 
Seist  aber  imirb'  ib,m  eine  grofje  Dieflejion 
3u  fd)anbcn  gemalt  oon  einem  Sacertdjeu. 

S  t  r  c  p  f  i  a  b  e  5. 

Grjähle,  rote? 
Scbülcr. 
9Iad)tS  ftanb  er  auf  ;u  forfdjen  broben  nad)  beS  QKonbeS  83at)tt 
Unb  Spfiafen;  roie  er  binauf  fo  offnen  SDhtnbeS  finnt, 
Sa  mad)t  uom  (SeftmS  ber  ihm  bie  Eibedjä  »a§  in  ben  2Kunb. 

S  t  r  e  p  f  i  a  b  e  S. 
gu  läcöerlid)!  gerabe  beut  Sofrateo  in  ben  SDJunb  gefadt!  Kröpfen. 

(ybb.  ,g.  33 ff. :  Er  mar  gerüljrt  uon  ber  glärtjenben  fcautfarbe  ibreS  Stamme'?,  roeldje 
fdjimmerte  wie  bie  gagatfarbigeu  Sorften  ber  fdjtoargen  Scbtoeine  non  ijeffaqua;  er  mar 
entjädt  uon  betn  gequctfd)ten  finorpel  ibrer  92afe,  unb  feine  Slugen  oerroeiltcn  mit  33e= 
munberung  auf  ben  feölaffen  Sdjönßeiten  iljrer  Srüfte,  bie  bis  auf  ifjren  Sftabel  berabbingen. 

(*l)D.  3.  S'ff.:  Sie  machte  eine  Scßminfe  aus  3'egenfctt  gemifd)t  mit  ütufj,  mit  ber 
fie  fid)  ben  gonjen  fiörper  falbte,  mobei  fie  fid)  in  bie  Sounenftrablen  ftellte;  ihre  Soden 
waren  triefenb  non  gefd)mol,;enem  Sdjmeer  unb  gepubert  mit  bem  gelben  Staub  beS 
Sucbit;  ihr  ©cfidit,  meldjeS  wie  poliertes  <S6en§oIj  glänste,  mar  reijehb  rerjiert  mit  glerfen 
r>on  iKötel  unb  erfebien  roie  ber  buufle  Sorljang  ber  2iad)t,  ber  mit  Sternen  beftidt  ift; 
fie  befprengte  itjre  ©lieber  mit  ^oljafdje  unb  parfümierte  fie  mit  bem  SDiifte  be§  Stint« 
büamS  (?  Crig.  stmkbii>g?ein).  5bre2lrme  unb  Seine  maren  umrcunben  mit  ben  glänjenben 
Sannen  einer  ilufj;  »on  it)rem  £alfe  bing  ein  Seiltet,  ber  aus  bem  3)!agen  eines  QidteinZ 
iiemad)t  mar;  bie  j-lügel  eines  StraiifjeS  überfdjatteten  bie  fleifchigeu  Vorgebirge  ifirer 
Siiicf  feite;  unb  oorn  batte  fie  einen  Scburs,  ber  aus  ben  jottigen  Obren  eines  Soroen  ge= 
mad)t  mar.  —  £)er  Surri  ober  Dberpricfter  näberte  fid)  ibnen  unb  fang  mit  tiefer  Stimme 
bie  Srauungsformeln  511  bem  melobifdjen  Brummen  be§  ©om=Gom;  unb  gleidiseitig  (ent« 
fpredieub  bem  Sraudje  oon  Raffevnlftnb)  befprengte  er  fie  reid)lid)  mit  bem  §arnfegen. 
Sraut  unb  Sräutigam  rieben  fid)  mit  Segcifterung  in  biefem  foftbaren  Strom  ab,  roäbrenb 
bie  faltigen  Kröpfen  oon  ibren  fiörpern  tropften,  mie  bie  fdjlammige  Sranbung  uon  ben 
gelfen  oon  Gbirigriqua. 

2.  US  g.  4:  2UtS  ber  SWafe  ftofj  if)r  Schleim;  ebb.  $.  S:  lange  9JägeI  ragten  über 
bie  Jgänbe  beruor;  cliD.  1:5  f.  1  Slut  troff  uon  ben  Sffiangen  jur  @rbe  berab. 

Z.  IM  $.  1  ff. : 

DfJeoptolemos. 
Sie  Iceren  2Bänbe  feb'  tef)  nur  ber  fablen  filuft. 

Dbt)ffeu§. 
3ift  nidits  barin,  ma§  auf  Seroobner  fdiliefjen  läfjt? 

3JeoptoIemo§. 

3ertret'neS  Scrub,  ba§  einer  Sagerftötte  gleid)t. 

Obpffeus. 
Sonft  alles  öbe,  nid)tS  barin  ',u  finben  met)r? 

9i  e  0  p  1 0 1  e  m  0  S. 
Gin  STrinfgefäfi  ans  blofjcm  §oIj  gefertiget, 
SoB  fd)lcd)ter  Slrbeit,  unb  Cicrät  51er  Neuerung. 


270  i(bn-rd;uugen  ber  freinbfpradjigen  Cttate. 

C  b  i)  i  l  e  u  §. 
Jen  Sdiafc  be§  Sp^itofteteS  baft  bu  mir  genannt. 

9ieor>tolemos. 
SScld)  neuer  3lnblicf!    Slut'ge  SBäf<$e  Ränget  bort, 
SJon  einer  fdjlimmen  SBunbe  feud)t,  im  Sonnenftrabl.        2R  in  droit;. 
(fbt.  3.  12: 

9iaul)  oon  SBufte  ben  Sart,  coli  flebenbe§  S3lute§  fein  Jgaupt§aor.        %o% 
66Ö.  3.  16 ff.: 

3^cdi,  roie  er  jctjrie ,  50g  jener  bie  .S>aut  if)tn  über  bie  ©lieber; 
Uno  rticf)t§  war,  als  SBunbe  ;u  fdrau'n.    S31ut  riefelte  ringsum; 
Slufgebetft  lagen  •DHiöf'el  unb  Sebn';  aud)  bie  jitternben  ülbem 
Schlugen,  ber  §üllc  beraubt,  aufjudeube  Gingeroeibe 
Äonnte  man  jählen  fogar  unb  ber  93ruft  btirdjfdjeinenbe  gibern.  3Sofj. 

©.  1Ö0  3.  7  ff. : 

S>iefe  oon  fern  erfdiauenb    —    —    — 
SUelbet  fie  ifjr  ber  Göttin  SBefefjl,  unb  ba  lurj  fie  oenoeilet, 
StradS,  obgleid)  fo  entfernt,  obgleich  erft  eben  gefommen, 
güblte  fie  fiel)  ioie  oon  junger  gequält.  3Sof;. 

(fDÖ.  $.  22  jj.: 

Unb  er  ocrjeFirt  bie  fiul),  bie  ber  £eftia  vflcgtc  bie  SDiutter, 
Sowie  ben  äßettoreisrenuer  sugleicb  mit  bem  frieg'rifdjen  Stoffe, 
Seiter  bie  .fiatje  fogar,  ber  Heinere  Siere  gegittert.  — 
2  a  faf;  biefer,  ber  Spröfjling  ber  Könige,  nieber  am  SBreiioeg, 
Skttetnb  um  SBroden  aUba  unb  beö  Sftabl'3  oerroorfenen  StbfaU.     Scbroenf. 
ebb.  3.  28  ff. : 

Silber  naebbem  ber  5)3Iage  Gewalt  ein  jegliches  Sabfal 

Siufgescört, 

IJeijo  bie  eigenen  ©Heber  fid)  felbft  mit  serfetjenbem  33iffe 
©tummelt  er,  ungtüdfelig  ben  2eib  burcr)  Sßerminberung  uährenb.        3?ofs. 
2.  151  ig.  3 ff.: 

Soffen  fie  mir  aud)  etioa  junid  ein  menig  be§  ÜKables, 
•vaiuliet  e-3  fcheujjlrcben  ©unfl  unb  unausftebtidjcn  äualm  au§; 
Jüciit  ein  SBeildien  oermödit'  ein  Sterblicher  ihm  fid)  511  nahen, 
9iid)t,  roenn  felbft  irjrit  bie  S^ruft  aus  ©emant  märe  gefdnniebet. 
Soä)  mid)  bränget  bie  bittere  9iot  unb  junger  nad)  Speife, 
Sluöjubarren  unb  fo  ben  ocrroünfcbten  Magert  511  füllen.  Dfianber 

ebb.  3.  81  ff.: 

2  a  m  u  r  e. 
SBeld)  Uugeroittcr  tobt  in  meinem  SRagen! 
2Bie  fdjrei'n  bie  leeren  ©arme!    SDleine  SBunbeu  fd)merjcn; 
D  bafj  fie  nur  nod)  einmal  bluten  möditen, 
So  t)ätt'  id)  etioaä,  meinen  Surft  511  löfdjen! 

a  r  a  u  0  i  11  e. 
SBeldi'  gute§  Scbcn  hatten  meine  £unbe 
Tabeim  irr  meinem  jjjauS!    ©in  SJIagaäiu, 
Gin  sD!aga',in  oon  febönen  Knochen,  Äruften, 
ftoftoaren  Stuften!    D,  ioie  Ineipt  ber  junger!  — 

2  a  m  u  r  e. 
2Bie  fteht  e§? 

3JI 0  r  i  1 1  a  r. 
yaft  bu  Gffen  aufgefunben? 

%  v  a  n  0  i  1 1  e. 
Jlidit  einen  SBiffen  faftn  id)  hier  erfpähn. 
,;u'ar  giebt's  bie  beften  Steine,  boct)  fie  finb 
3u  hart  jum  Diagen;  etroaS  Sdtlamm  aud)  holt'  id), 
SUItt  Coffein  su  oerjet)ren,  guten  biefen  Sdjlamm, 
Btuetn  er  ftinft  ocrfludit;  aud)  alte,  faule  Strünfe, 
Sonff  roadift  nid;t  2aub  nod;  SBßii'  auf  biefer  Qnfel. 


Mbcrfciuingcn  ber  frcmbrpradjigen  Citate.  271 

Samure. 
SEBie  ficht  e3  aml 

movillav. 
<5§  fünft  autfi! 

Satnure. 

®§  mag  mofjl  ©ift  fein. 
J  r  a  n  o  i  1 1  e. 
Sei'S,  mn§  e§  null,  roenn'ä  nur  l;imintergel)t ! 
©i,  guter  grcunb,  ©ift  tft  ein  fiirftlid)  Gffcn ! 

ÜKoriltar. 
§oft  bu  nocfj  etwas  3'uiebact?  feine  Krumen 
gn  beiner  Jafdie?    £ier,  ba  nimm  mein  2Bam§ 
llnb  gieb  mir  bafür  nur  brei  {(eine  ßrümdjen. 

granoilte. 
Glicht  für  ein  Vlönigreid),  menn  id)  fie  Bjätte. 
Samure,  o  nur  ein  arm  lief)  ©djöpfenjüicfdjen, 
£a§  mir  oer|'cf)mäf)teu. 

S  a  m  u  r  c. 
£u  fpridift  com  «farabieS. 
C  nur  bie  gefen  von  beu  #reunbjdiaft*bediern , 
©ie  mir  5ur~9iad)t  am  Übermut  »erfduittet. 

SJlorillar. 
0,  nur  bie  Steifer,  um  baran  ;u  leefen!  — 

grauoitle. 
§ier  fommt  ber  SBunbarät;  roa§  fjaft  bu  entbeeft? 
D,  tadjle,  läd)l*  intb  troff  anS. 

2B  u  n  b  a  r  j  t. 

Jsd)  ücrfdmtadjte, 
2Je£t  läcbje,  mer  nod)  fann!    g<$  finbe  niciitö , 
DiiditS  fann  unZ  Sta^rung  merben  ofjne  SBunber. 
D  fjätt'  id)  meine  SBiidifen,  meine  Jßeinmanb, 
Smblappen,  meine  SBiefe,  unb  bie  anbern 
SBoiiltfjätigen  (Sefjitfen  ber  Statur, 
SEBelcf)  lecfreS  3Jtaf)l  roürb'  id)  barauS  bereiten! 

Dtoriilar. 

£aft  feinen  alten  Stuglsapf? 

SEunbarst. 

§ätt'  icf/3,  £>err! 
Samure. 
Diidit  ein  Rapier,  in  meldiem  fo  ein  Stabfal, 
2Bie  '^uiner,  Rillen,  cingeferfert  tagen? 

granöille. 
£ie  Olafe,  bie  ein  fütjlenbeS  .Hinftier  .... 

SKoriltar. 

£>aft  bu  fein  Spflafter,  feinen  alten  Umfd)tag? 

granoille. 
lln§  fümmert  nid)t,  moju  e§  einft  gebient. 

aBunbarst. 
^d)  fmbe  nid)t§  »on  folcfjen  Secf ertuffen , 
3Ijv  £>errn. 

g  r  a  n  n  i  11  e. 
2Do  blieb  ber  grofje  SBulft,  ben  bu 
£ugf),  bem  SDlotrofen,  oon  ber  ©djulter  fdmitteft? 
Saö  märe  jefct  ein  rechter  gürftenfd)mau§ ! 


272  llbcrfEtjunflcn  ber  frembfprarijigeit  Otate. 

SQMtn  bargt. 
Sä)  roarf  ihn  über  23orb,  id)  Gfelsfopf! 

Samure. 
SDu  unbebauter  Sdntrfe.  Sannegiefjer. 

S.  156  ft.  84:  2Ubenoboru5  unb  Samias  —  bies  finb  2lrfabier  aus  JUitor. 

2.  157  $.  22  i(. :  Hub  oiel  mehr  finb  fonft  ntd)t  berühmt,  inbem  bei  einigen  ihrer 
öerühmtbeit,  trog  trefflidjer  Seiftungen,  bie  gat)t  ber  flünftler  im  2Bege  ftanb,  ba  einer* 
feits  nidjt  ein  einzelner  ben  9luhtn  für  fiel)  in  2lnforud)  nimmt,  anbrerjeits  mehrere  bes= 
felben  nietjt  in  gleidjer  2Beife  teilhaftig  merben  tonnen,  ttoie '-.-$:  i*."bei  bem  Saotoou  im 
Spalaft  bes  Jtaifers  Situs,  einem  SSerte,  bas  allen  Schöpfungen  ber  9Jtalerei  uno  S8ilb= 
batierfunft  oorgejogen  merben  muß.  ätuj  einem  eitrigen  S3lod  haben  il)n  unb  feine  Äinber 
unb  bie  touiiberbareii  SBiubuugeu  ber  Schlangen  nach  gemeinfdjaftlid).  beratenem  platte 
bie  trefflidjften  Äiinftler  gefdmffeu,  bie  9ibobier  Stgefanber,  Sßolnborus  unb  2Ul)enoborus. 
Gbenfo  haben  bie  palatinifcben  §äufer  ber  Haifcr  mit  ben  gepriefeitften  söilbmerfeu  au= 
gefüllt  Graterus  mit  ^ntE)oborus ,  sJSoh)bectes  mit  .'öermolaus,  ein  siöeiter  ^ptboborus 
mit  Strtemon,  unb  als  einzelner  2lpbrobifius  oon  XralleS.  ffias  Spantbeon  beS  Slgrippa 
fdmtüdte  Diogenes  aus2ltt)eu,  unb  bie  Harnatibeu  auf  ben  Säulen  biefe*  Jempels  merben 
gepriefen,  rote  roenig  anbere  arbeiten;  ebenfo  aud;  bie  im  Wiebelfelbe  aufgehellten  SJilb= 
faulen,  bie  jeboä)  roegen  ber  $ö§e  ber  SluffteUung  meniger  gefeiert  finb. 

2.  160  ;\.  28  ff. :  (Sie  Seuus  bes  SfopaS),  bie  jeben  anbern  Ort  berütmtt  madjen 
nuirbe.  £jn  9iom  freilief)  läßt  bie  grofse  3)lenge  ber  ftunftmerfe  fie  überfeinen  unb  überbtes 
jieEjt  bie  2JJafje  oon  Smtern  unb  ©efdjäften  alle  oon  ber  ä3ctrad)tung  joldjer  ®inge  ab; 
batjer  tft  eine  berartige  Söerounberung  auch,  befonbers  a'ngebradjt  bei'  UHbefdjäftigteu  unb 
an  einem  Ort,  mo  grofje  9iuhe  berrfebt. 

2.  161  $•  l«t.:  2Bie  er  oon  ftarfer  Seibenfcr)aft  für  bie  .Uunft  erfüllt  roar,  fo 
u'ünfdjte  er  aud),  bafj  feine  ©enfmäler  gefeiert  mürben.   , 

2.  KW  ;t-  25 f.:  Sitel,  berenttoegen  man  eine  S8ttrgfä)aft  im  Stidj  [äffen  fönnte. 

(flib.  ,'{.  27  fj. :  Unb  bamit  es  nid)t  fdieitte,  als  ob  ich  im  allgemeinen  es  auf  bie 
©riedjen  abgefeljen  hätte,  fo  münfdjte  id)  oerftanben  ;u  merben  nach  ber  ärt  jener  SWeifter 
ber  SKalerei  unb  Silbneret,  bie,  uue  man  in  biefem  Söudje  finbeu  mirb,  it)re  pollenbeten 
SSerfe  unb  aud)  jene,  bie  mir  ju  berounberu  nicht  fatt  merben,  mit  einer  unbeftimmten 
Sluffdjrift  oerfeljen  Ijaben,  roie  „2lpelles"  ober  „^olncletus  ntadjte  es",  gleidjjam  als  fei 
ifire  Äuuftfertigfeit  immer  nod)  in  ben  2lnfängen  unb  unoollenbet:  bamit  nämlich,  beut  Jtünfts 
(er  gegen  bie  mannigfaltigen  Urteile  ber  Sritit  ber  2lusmeg  blieb,  fid)  ju  entfd)u(bigcn, 
als  mürbe  er  bas,  maö  »ermifjt  würbe ,  nod)  oerbeffert  Ijaben,  menn  er  nid)t  in  feiner 
Slrßeit  unterbrochen  werben  märe.  Saber  tft  eo  ein  3cid)ew  von  befonbercr  S3efd)cibenl)eit, 
ba§  fie  aüe  ibre  2Berfe  glctdjfam  als  il;re  leRten  bejeiebttet  t)aben  unb  als  ob  fie  gteidbfam 
jebem  ein;elnen  burd)  eine  2d)irffalsfügung  entriffen  roorben  mären.  9Itd)t  mcljr  als  brei 
Ä-erte,  meine  id),  merben  un<3  'übef liefert,  'meldjc  eine  Jufcbrift  mit ' S8e,,eiefmung  ber 
SJottenbüng  Ijattcn:  „ber  unb  ber  f>at  es  gemad;t",  unb  id)  merbe  fie  feinerjeit  aitfübren; 
es  ging  l)ierauS  Ijcroor,  bafj  bem  SJerfertiger  bie  Ijödifte  S.idierbeit  in  bi'v  flunft  jufagte, 
unb  besfialb  roaren  alle  biefe  Sßerfe  ©egenftanb  Ijödjften  'Sieibes. 

2.  165  ,•{.  8  f. :  Vofippus  (l.  ©lafippus)  icb,deb  aud)  auf  ein  m  2igina  befinblidies 
©emälbe  oon  feiner  .slianb:  „er  brannte  es  ein",  toas  er  fia)erlid)  erft  nad;  (Srfinbuug  ber 
©nfauftil  tl)iin  tonnte. 

**liÖ.  ,•{.  11  jf. :  Gbeuberfctbe  (2luguftus)  liefj  aueß  in  ber  ßurie.  bie  er  auf  beut  ßos 
mitium  meibte,  jicet  ©emälbe  in  bie  SBanb  einfe^en:  bie91emea,  auf  einem  Söioeu  figenb, 
mit  einem  Sßalmjmetg  in  ber  öanb,  bei  if)r  ftetjetib  ein  ©reis  mit  einem  Stabe,  über 
beffen  Raupte  ein  SCäfeldjen  mit  einem  ^roägeipauu  Ijängt.  Jitcias  l)at  baut  gefdirieben, 
bar,  er  es  eingebrannt  Ijabe:  beutt  ba«  ift  ber  2lusbrutf,  beffen  er  fid)  bebient  ijat.  33ei 
bem  anbevit  ©emälbe  mirb  oonuijmlid)  bemunbert,  bap  ber  ermadifene  eofjn  feinem  greifen 
SSater  fo  äl)itliel)  unb  boel)  ber  3Uier§unterfc$ieb  gemährt  ift;  barüber  fliegt  ein  2lbler,  ber 
eine  £d)lange  gejaf?t  bält.    ^bilodiares  Ijat  bies  SBerl  als  bas  feinige  begeidjnet. 

(■flib.  ,'{.  :50  ji. :  Diicias  bat  alfo  auf  bies  hoppelte  ©emälbe  feinen  Jiameti  auf  folgenbe 
SBeife  gefegt:  ,/JiitiaS  Ijat  es  eingebrannt";  unb  infofern  finb  oon  jenen  brei  Serfeu,  bie, 
wie  bie  4<orrebe  an  ben  Situs  angießt,  abiolut,  „ber  unb  ber  fiat  es  gemacht",  be;eid)uet 
roaren,  stoei  che»  biefe  oon  9!icias. 

2.  U,s  g,  16  ff. :  2lud)  btefer  rourbe  511  ben  bebeutenbftcn  '("yelbljerren  gerechnet  unb 
hat  viele  be§  SlnbenlenS  wärbige  2l)aten  oollbrad)t.  Unter  biefeit  aber  hebt  fid)  am  meiftett 
bie  Crfinbung  beroor,  meldje  er  in  ber  gdjlacbt  bei  Kjebett  mad)tc,  als  er  ben  Söotiern 
in  .viilfe  gefommen  mar.  Senn  als  hier  ber  Cberielbherr  2lgefilauS  ben  Sieg  bereits  für 
gciuiicrt  hielt,  ba  er  bie  <2ülbuertruppen  in  bie  %iud)t  geftblagen  hatte,  nerbot  cihabriaS 
ber  übrigen  galant;,  ihren  ^jlah  511  oerlafjen  unb  leinte  ihr,  ben Stngriff  bergeinbe  mit 
ans  flnie  gefiemmtem  ccbilbe  unb   oorgeftredter  Sanje  auszubauen.    2Us  ülgefflaus  biefe 


Überfeimitgett  ber  freut  o  für  adjtgett  Öitate.  273 

neue  Stellung  ftu),  wagte  er  nid)t  oorjurüdfen  unb  lief?  feine  fd)on  angreifenben  Solbaten 
burdi  tie  trompete  jurüdrufen.  Sie«  mürbe  in  gauj  0ried)eulanb  fo  fetjr  berühmt  unb 
gefeiert,  bafj  (5l)abriaS  ben  SBunfdi  auSfpraä),  eS  möd)te  bie  Statue,  meldte  Unit  bie  Slt&ener 
auf  StaatSloften  auf  beut  SDlarfte  feticn  tiefjen ,  in  jener  Stellung  bargeftettt  röerben.  Seit« 
bem  gefä)afi.  eS,  bafj  fpätcr  aud)  atmeten  unb  änbere  ßttnfiler  bei  ber  SluffteUung  oou 
Silbfäulen  ftctj  berjenigen  Stellungen  Bebienten,  in  benen  fic  ben  eieg  errungen  ijatten. 

S.  169  §.  :il  fr- :  SButenb  brcd)cn  fie  bie  bdgegen  geftemmte  »ruft. 

(rltö.   •}.  36: 

9Hd)t  mit  her  Stint  woran  anrennt  er  unb  gegen  bie  9!eifer.      SBölffel. 

5.  170  ,g.  30  ff. :  Safj  bie  rfjetorifdie  SJäljantafte  etroaS  anbereS  erftrebt,  als  bie  bei 
ben  ©tdjtern,  bürfte  btt  nidjt  entgetju;  aud)  nidjt  bafj  ber  ,3roecf  ber  poetifdjen  $$antafte 
bie  <Srf<§fitterung  ift,  ber  in  ben  Dieben  aber  bie  Srutlid)feit.  —  Sie  (Srftnbungen  ber 
©iä)ter  [äffen  eine  mejjr  mnttjifdie  Übertreibung,  bie  burdjmeg  über  baS  ©laubmürbigc 
liinauSgeljt,  ju;  bei  ber  rl)etortfd)en  ^Ijantafie  aber  ift  baS  ausführbare  unb  innerlid) 
2Babre  immer  am  fdjönften. 

6.  171  #.  1»  ff. :  £ierju  gefeilt  fict)  als  britte  Slrt  beS  §fe§ler§aften  beim  5patl;etifd)cn 
baS,  was  SÜ&eoboroS  ^arent^grfoS  nennt;  c§  ift  bie§  baS  unjeitige  unb  Ijoljle  5{5atfi,oS  an 
Stellen,  iuo  eS  be§  $pat$oS  gar  nidjt  bebarf;  ober  ein  mafjlofeS  $atb>S ,  bk>  ein  gemäjjigteS 
am  Sßla&e  märe. 

C,  172  8.  19 ff.: 

gerner  befann  er  fict)  nidjt,  fein  Silber  511  roerfen,  bie  Sdjüffeln, 
Sie  ißartfjeniuS  fdjuf,  unb  ben  Unten  cntlwlteubeu  SDHfdjtrug, 
SfJljoluS  beS  Sürftenben  inert  unb  inert  ber  ©etttaljlin  beS  guScuS; 
Silberne  Srüge  baju,  nebft  Schalen,  in  SOtenge  gctrieb'ne 
Söedjer,  nott  jenem  geleert,  ber  fdjtatt  fidi  DltjntljttS  gefauft  tjat.     0.  Siebolb. 
Cflifi.  *$.  28:  qjartljemuS,  ber  9?ame  eines  StfeleurS. 

S.  173  3.  9fj.:  Cr  erröteS  aud)  bem  Seberarbeiter  XtjdjioS  eine  greunblidjleit,  ber 
ifjtt  in  3leonteid)o3 ,  als  er  in  feine  Sfficrfftatt  gefommen  mar,  aufgenommen  Ijatte,  inbent 
er  in  ber  gßaS  ifjn  in  ben  folgenben  Werfen  anbradjte: 

ÜljaS  naljte  Bereits  mit  bem  turmglcid)  ragenben  Säjilbe, 
SBeldjen  iljtn  2ndjioS  einft,  ber  in  §nlae  fefj&aftc,  befte 
Seberbereiter,  gebaut  oon  @rj  unb  beut  2eber  be§  SlinbeS.  gor  bau. 

S.  174  3.  Sff.:  Siefe  Slnfidjtcn  maren  bie  Ijerrfcfjenben  jur  KegierungSjeU  SUeganbesS 
b.  @r.,  als  GSriedjenlanb  am  beritfjmteften  unb  auf  bem  ganjen  (SrblreiS  am  mädjtigften 
mar;  fo  jcbod),  bafj  ungcfäljr  145  galjre  nor  bem  Xobe  jenes  ber  Sidjter  Sopb>!leS  in 
ber  Sragöbic  SriptotemoS  baS  italifä)e  ©etreibe  oor  fämttidjen  anbern  gelobt  Ijat,  in  beut 
luörtlid)  übertragenen  SluSfpmdj :  unb  fie  befangen  baS  burd;  glönjenbeS  ©etreibe  beglüctte 
Stalten. 

(vbb.  $.  35 f.:  bafj  2lpfiepfton  unb  SJä^abon  epottome  3lrd)onten  tnaren;  ba  nämlicö 
ber  eine  im  Stmt  geftorbeu  mar,  mar  ber  anbere  als  ©rfa^mann  geroä^lt  morben. 
S.  17s  Ct.  12f.: 

Sdjüttelt  Sifipfjoue  toilb  iljr  graues,  oermorreneS  §auptb,aar, 
Sie  umringelnbett  Sä)langen  jurüd  uom  ©efidjte  fict)  merfenb.  SSofj. 

3.  179  ^.  1  f. : 

SSor  bem  bemantenen  Sl)or  beS  feft  uerfd;loffenen  ÄerferS 

Safjen  fie,  buntele  Sdjlaugen  f;erab  attS  bem  §aare  ftd)  fämmenb.     Sofj. 

ebb.  3.  i f.: 

5$lö|lidj  ergebt  fict)  ber  Selb,  ber  bas  Sanb  mit  beut  gufje  äurüd'ftöfjt, 
§od)  31t  ben  35Bolfen  empör.  Sßofj. 

Z.  IS«  3.  23 f.: 

Slötlidjen  Dieftar  barauf  unb  amBrofifdjeS  öl  in  bie  Slafe 

träufelte  fie  bem  *patroflos,  um  frifet)  311  crbalten  ben  ßörper.  gor  bau. 

S.  190  ^.  22ff.: 

Sann  aud)  nod;  ben  Sdjilb,  ben  umfaugreid)en  unb  feften, 
SfJa^m  er,  ber  mie  ber  2)!onb  bis  in  meitc  gerne  ben  ©lanj  marf. 
So  mie,  gcfelm  001t  ber  See,  ein  gfeuer,  baS  Ijoct)  im  ©ebirge 
iörennt  auf  einfamer  21lm,  ben  faljrenben  Sd;iffern  in  Sid)t  fommt, 
2BäÖrenb  beS  Sturms  ©emalt  fie  roeit  Ijinmeg  001t  ben  Sieben 
Sreibt  unb  l;inauS  fie  uerfdjlägt  in  baS  Sieid)  ber  gifd)e  be§  ÜlleercS. 

gorban. 

SeffingS  SBerfe  '.'.  18 


274  iiberfeijungen  ber  frcmbfpradjigen  Gtttate. 

2.  191  3.  28 ff.: 

Sa  er  ben  brofjcnbcn  91adcn  be3  wütenbeu  Untier?  bebrängte 
Unb  in  bie  jdjwcüenben  ©lieber  bcn  2ltem  ifnn  preßte  — 
S.  10«  3.  26 ff.:  f.  ©    87  3.  21. 
9.  107  A.  29 f.:  f.  ©.  80  3    3G. 
9.  198  3.  16 ff.:  f.  ©.  132  3.  3B. 
S.  199  3.  12  ff. :  f.  ©.  134  3.  20. 

«>- Li ö .  ;].  27  fj. :  63  ift  unmöglich,  biefen  großartigen  ©ebanfen  im  ©emiübe  roteberjügeben ; 
aber  ein  ilünftler  fann  ünt  ntd)t  gcnugfam  feinem  ©eifte  gegenwärtig  galten;    e3  ift  ein 
Mittel,  fein  2Berf  511  crljöQett  :c. 
2.  211  3.  84 ff.: 

Sommt,  £err,  Ijier  ift  ber  Ort:  ftefjt  ftitl!  wie  grau'noolt 
Unb  fdiwinbelnb  tft'3,  fo  tief  Ejinab  ju  fdjau'n!  — 
Sie  flrä^'n  unb  Sohlen,  bie  bie  3Jhtt'  umflattern, 
©ef)'n  faum  wie  .Safer  au§  —  fjalbmegS  Ijinab 
£>ängt  einer ,  g-endiei  fammelnb ,  —  fdn'edlid)  §anbwerf ! 
3JHd)  biinf't,  er  fdjeiut  nidjt  größer,  als  fein  .<?opf. 
Sie  gifdjer,  bie  am  ©tranbe  geh/n  entlang, 
©inb  SKäufen  gleld);  bas  f)of)e  Scftiff  am  2lnfer  ift 
SSerjüngt  51t  feinem  33oot,  ba§  33oot  jutn  Sönndjen, 
S3einal;  ju  Hein  bem  33lid;  bie  bumpfc  SSrattbung, 
Sie  murmetnb  auf  äarjltofen  Jiicfeln  tobt, 
©d)allt  nidjt  bi3  ijier.  —  Jjd)  will  nidjt  tneljr  i)inabfel;n, 
Saß  nidrt  mein  £irn  fid)  breljt,  mein  wirrer  S3licf 
SBiid)  taumelnb  ftürjt  Ijinab.  ©djiegelsSietf. 

9.  216  3.  18 ff.: 

Unb  oft,  wenn  aud)  bie  SBeiStjeit  wadjfam,  fd;läft 
SSerbad)t  am  X^ox  ber  SBeiSljeit,  überlaffenb 
©ein  2(mt  ber  ©infalt,  bereu  (Sitte  nie 

Sa§  Sirge  fiefyt,  wo  nid)t  ba3  Slrge  fdjeint.  33öttger. 

9.  217  3.  18:  f.  unten  3.  31  ff. 

*v li b .  3.  27:  eiuft  rourbe  ©rj  mit  ©olb  unb  ©über  beim  ©ießen  oerntifdjt. 
(fbb.  $•  J$l  ff.  1  Stefe  ©tatue  jeigte,  baß  bie  5Biffenfd;aft  be§  SrsguffeS  untergegangen 
fei,  obgleid)  9?ero  bereit  war,  reidilid)  ©olb  unb  ©über  51t  fpenben,  unb  3t,»"botuö  in  ber 
ftenntntä  bc3  SMlbenS  unb  CifelierenS  feinem  ber  2ütett  nad)ftanb. 

2.  21S  3-  ^ f.:  Unb  bod)  war  bie  fiunft  uodi  wertvoller:  feist  ift  es  ungetoiß,  ob  biefe 
[rtilcditer  ift  ober  ba§  ÜJIateriat. 

S.  222  3.  4 f.:  ogl.  ©.  164  3.  16 f. 
(*bb.  3.  15  ff. :  ugl.  ©.  35  3.  28 ff. 

2.  228  3-  9f. :   ©r  begann  bamit,  (feinen  Jiguren)  ben  l'hinb  ju  öffnen  unb  ü;rc 
3äiine  ju  aeigen. 
9.  228  3.  3 f.: 

©ieb,  unten  jene  äuget,  beren  ©eite 
3iad;  unä  getefjrt,  com  £td;tc  tjell  erglüht, 
Sa§  l)ier  entlehnt  ift  unb  juriid  nur  prallt.  SSöttgcr. 

6bb.  3.  34 ff.: 

©ott  fprad):  e§  werbe  Std)t!  unb  fiel;,  e§  warb 
Ättjerifd)  £id)t,  ber  Singe  reinfter  ©toff, 
S8on  Dften,  feiner  £>cimat,  wanbelt  es 

Surd)  bunfle  Suft  fit  einer  ©traljlenmolfe.  SSöttgcr. 

2.  230  9.  10 ff.: 

3ur  ©eite 
©teilte  fid)  Sri3,  ergriff  mit  ben  ,§änben  bie  Seine,  bie  ^eitfdje, 
Älatfd;te  ben  2lbfaln-t3fd)lag  —  unb  willig  flogen  bie  Dioffe. 
33alb  mar  errcid^t  ber  Unfterblid;en  ©i§,  ber  l;o^e  DlnrnpoS.       ^orbau. 
(vlib.  3.  20 f.: 

Senn  man  crblidte  ben  Jüngling  entmeber  beim  Slblaufc,  ober 
©a)on  am  $k\c  bes  Sauf 3,  nie  in  ber  SDlitte  ber  58afni. 
(*Hb.  3.  26 ff.: 

(S'tma  fo  weit,  als  ein  33}ann,  ber  uon  Ufcrl;öl;cn  [jinau3fdiaut 
Über  bie  buntelnbe  glut,  nod)  neblig  oerfd;wommen  roa§  feint  fann, 
i)(cid;cn  mit  einem  @pmng  boduoiebcrube  iHoffc  ber  ©ötter.         Qorbau. 


itbecfiljuitgen  ber  fremöfp  rächt  gen  (ilttate.  275 

(*l)D.  3-  35:  ©leid;fam  als  ob  cS  einem  ©otte  nid;t  anftünbe,  mübe  jit  werben. 
5.  231  3-  23  ff.: 

—    —    —    —    —    —    —    —    —    äßenn  biefe 

Über  bie  Stderflur  bin  festen,  bie  faatcttummalltc, 
Siefett  fte  nur  auf  ben  ©pitjeit  ber  2tl;ren  unb  fnieften  fie  niemals; 
Sprengten  fie  über  beS  SJieerS  unenbfid)en  Süden,  fo  ftreiften 
Saufenb  fie  nur  ben  bred;cnbeit  fiamm  ber  fcfjäumigeu  äBogett.        gor  bau. 
S.  232  3.  12: 

©cbwebenbcu  SEaubcn  im  ©ef;n  nergleidjbar,  fcfjrttten  bie  beiben.    Sorbau. 
Mb.  3.  15: 

Dirne  bie  giügel  ju  regen  bttrd;Jd;netbet  fie  pfeilfdjnelt  bie  Süfte. 
t*bb.  3«  28 f.:  baf?  bie  Saufettben  fcbneller  laufen,   wenn  fie  bie  Sinuc  bin  unb  tjer 
betuegen. 

@,  233  3-  22:    (Sine  böljerne,  inenfd;enäE;ttlid;e  gorm. 

S.  234  3-  25 ff. :  Dbgieid;  ©erüiuS  in  ber  Sljat  aus  beut  (5upl;orion  berid;tet,  bafj 
bieS  bem  Saofoon  gefd;ef)en  fei,  weil  er  burd)  ebelidjen  Umgang  tnit  feiner  fyrau  uor  ber 
iöilbfäule  ber  ©ottt)eit  einen  g-reoel  begangen  t>ätte ,  fo  ift  cS  bod)  maf;rfd;eüilid;er,  bafj 
biefe  gattje  ©rfittbung  uom  3Jlaro  felbft  Ijerriiiirt  unb  als  Hilfsmittel  eingeführt  worben 
ift,  um  ben  fdjwer  ;u  (Öfenben  Knoten  ju  entwirren,  nämlid)  wie  bie  Srojaner  ju  bem 
SBagniS  gefommeu  feien,  ein  fo  ungeheure?  unb  boljtgejimmerteS  33ilbwer£  in  iljre  ©tabt 
ju  transportieren. 

@.  236  3.  26  fj.: 

3l)n  l;ab'  id)  fjeut  gesengt , 

Qljn,  ben  id;  jetjt  als  einj'gen  ©obn  erfläre, 
SDen  id)  auf  biefem  t;eil'gen  33erg  gefalbt, 
Unb  ben  ibr  je$t  ju  meiner  Jfted;ten  feljt, 
3u  eurem  Haupt  ernenn'  id)  itjn  —  Söttger. 

S.  242  3.  2  fj. :  es  ift  gemifj,  bafj  ber  Quno  ein  äBagett  jurommt.  ®afj  cS  fid;  aber 
fo  oerfjält,  gebt  attd)  aus  bem  Kultus  oon  SCibttr  fieroor,  wo  man  fo  betet:  D  Quito  bod; 
ju  SBagen,  mit  beinern  SBagen  unb  ©d;i(b  fd;üt;e  bu  mir  red)t  ben  jungen  3iad;mud;S 
meines  Kaufes. 

6b».  3.  28 ff.:  f.  ©.  64  3.  5. 
S.  243  3.  28 f.:  f.  ©.  191  3.  28. 
S.  244  3.  11  ff. :  f.  ©.  62  3.  37. 
S.  245  3.  15 f.  u.  23 f.:   f.  ©.   104  3.  24  u.  26. 

(?bb.  3-  29 f.:  S3efd;reibenbe  2)td;tttng  ift  bie  geringfte  ©d;öpfung  eines  öenieS. 
©.  246  3-  12 ff. :  2)iefe  ©cuola,  eine  ber  erften  uon  93enebig,  ift  angefüllt  mit  ©egeiu 
ftäitben  aus  bem  bleuen  S'eftament  oon  ber  Qano  beS  Sintoretto,  oon  ben  beften  Seiftungen 
biefeS  SDleifterS.  3a;  mar  ganj  befonberS  berührt  oon  bemjenigen  Silbe,  weld)eS  bie  33er= 
tünbigung  oorftellt.  S)ie  flauer,  roeld;e  baS  ©emad)  ber  tj.  Jungfrau  tion  ber  ©eite  beS 
gelbes  ijzx  abfd)ltefjt,  ftürst  ein  unb  burd;  bie  Srefcbe  tritt  ber  ©ngel  in  »ollem  §-luge  ein. 
66Ö.  3-  27  ff. :  <8r  bat  beinahe  bie  SErodenEjett  unb  Steifheit  jener  Sömen  non  alter 
japanifd;er  Slrbeit,  bie  man  in  einigen  Kabinetten  aufbewahrt:  „3>m  ganzen  Körper  ift  fein 
ßbrneben  Salj-"*)  üBemt  mau  baittit  ben  fleinften  mobernen  Söroen  öergleidjt,  fo  fiebt 
man  mit  ©rftaunen,  bis  auf  roeldjen  93utttt  unfere  flünftler  fid;  oon  ber  alten  ®infad;l;eit 
entfernt  fiaben  unb  roie  febr  fie  il;ren  2Bi§  t)erfd;roenben,  roo  bie  ©rieajen  glaubten,  bamit 
fparfam  umgeben  ju  muffen. 

(£60.  3-  34 f. :  Er  entroeifjte  bie  Äunft  burd;  fd)impftid;eS  beginnen,  inbem  er  3tt>ar 
©öttinnen  malte,  aber  nadj  bem  Silbe  feiner  ©eliebten. 

S.  247  3.  lff. :    3)aS  berühmte  SDiftid;on  bes  fiarbinals  Sembo  auf  3iapl;ael: 
SRapI;ael  liegt  t;ier,  oon  bem,  ba  er  lebte,  befieget  511  merben 
gürdjtete  3Jiuttcr  91atur,  —  unter jugebn,  ba  er  ftarb. 
gd;  toeifi  nid;t,  ob  £r.  Stollin  ober  ber  $ater  ÖoubourS  biefeS  flangoolle  SDiftid;ott 
genau  geprüft  fiaben:  id;  ämeifle,  bafj  eS  aus  biefer  Prüfung  mit  Vorteil  l;crt)orginge. 

6l)D.  3-  10 ff. :   hierüber  urteile  id;,   fooiel  id;  baoott  nerftebe,   ba  id;  uielleid;t  in 
allen  Singen,  fidjerlid;  aber  tjierin  befonberS,  unenblid;  roettig  SJerftänbniS  fjabe. 
(vllD.   3.  16:  f.  ©.   149  3.   12. 

6UD.  3.  32f.  u.  S.  248  3.  1  f. :  f.  ©.  69  3.  19f.  U.  26f. 
Z.  248  3.  19:  Sarum  foU  ber  SKann  baS  roütenbe  ©ift  erbulbet  b,aben. 
Ghb.  3-  26 f.:    ®enn  alles  ift  geroifjermafjen  bienftbar,  roaS  nid)t  für  fid;  ba  ift, 
foubern  auf  etroas  anbereS  fid;  beäieb,t. 

*)  2).  f).  „fein  bifjd;en  2Bi§",  nad;  Gatull   Sc,  3. 


276  flbcrficijungcn  bei-  frcmirtmirljigeu  Ötitatc.    Jnljalt. 

(*ab.  3-  20  f.:  ^nft  alle  flünfte  [feinen  gefül;rbet  ju  fein,  wenn  mau  bie  9iaa> 
anmutig  aufgebt. 

(HiD.  g.  82 ff. :  SBenn  man  üJiüton  gelefen  Ijat,  Betrachtet  man  bie  SRatur  mit  »iel 
6ett6Iicfenberen  3lugen  als  uorljcr;  mau  bemerft  ba  ©cöjm^eiten,  benen  man  gar  feine 
Stufmerlfamleit  gefd;cnft  I;atte. 

Z.  250  ;\.  87  f.:  f.  ©.  79  3.  27 f. 

2.  252  g.  12  f.: 

Sharon,  in  beffen  2(ugen  ftohjeu  brennen 

©djlägt  mit  beut  Siuber  jeben,  ber  nod)  jögert. 


Julia  IL 


Seite 

©tnfeitimg I 

Saofoon,  ober  über  bie  Örenjen  ber  SRaterei  unb  Sßoefie     ...  1 

9t a cf) I a fs  311m  Saofoon. 

A.  üDitttertalten  unb  ©nttüürfe  jum  Saofoon 177 

B.  ©ntnnirfe  unb  SJRaterialien  jur  gortfelutna.  beä  Saoloou .    .    .  223 

C.  2ltt§güge  unh  nermifcfjte  SBemerhmgen 241 

Ü6erfel3ungen  ber  frembfpracfjigen  ßttate 257 


UNIVERSITY  OF  FLORIDA 


3    1262    05200    2457 


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